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German Pages 418 Year 2004
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 111
Bayerisches Eherecht von 1756 bis 1875 auf dem Weg zur Verweltlichung
Von
Cordula Scholz Löhnig
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CORDULA SCHOLZ LÖHNIG
Bayerisches Eherecht von 1756 bis 1875 auf dem Weg zur Verweltlichung
Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 111
Bayerisches Eherecht von 1756 bis 1875 auf dem Weg zur Verweltlichung Von
Cordula Scholz Löhnig
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungsund Beihilfefonds der VG Wort Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-11048-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Vorliegende Arbeit untersucht den Weg der Verweltlichung des Eherechts in Bayern in der Zeit zwischen 1756 und 1875, also von der Aufklärung bis zur Kulturkampfgesetzgebung Bismarcks. Im Vordergrund steht die Loslösung des Eheschließungs- und -auflösungsrechts von kirchlich geprägten Vorstellungen und der ausschließlichen kirchlichen Gesetzgebungskompetenz sowie die Gewinnung staatlicher Gestaltungsmacht auf diesem Gebiet. Dieser Prozeß wird anhand der bayerischen Gesetzgebungsgeschichte vom Erlaß des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756) bis zum Inkrafttreten des Reichspersonenstandsgesetzes (1875) nachvollzogen. Die Untersuchung wurde exemplarisch für Bayern durchgeführt, weil erheblicher Forschungsbedarf im Rahmen der bayerischen Eherechtsgeschichte bestand und Bayern für eine Darstellung der Eherechtsentwicklung besonders interessante Koordinaten bietet. Das Land war im 18. Jahrhundert ein katholischer Konfessionsstaat, der jedoch zur Wende zum 19. Jahrhundert durch erhebliche Gebietszuwächse seine konfessionelle und rechtliche Geschlossenheit verloren hat. Dadurch entstand erheblicher Druck, ein einheitliches und konfessionsübergreifendes Eherecht zu schaffen. Die Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Juristischen Fakultät Regensburg als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurden geringfügige Veränderungen vorgenommen. Außerdem werden in einem Quellenanhang die wichtigsten noch ungedruckten bayerischen Zivilgesetzgebungsentwürfe aus den Jahren 1816/18 und 1834 samt den dazu gehörigen Motiven abgedruckt, soweit sie das Eheschließungs- und -auflösungsrecht behandeln. Ganz herzlich bedanke ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Dieter Schwab, der die Entstehung dieser Arbeit geduldig begleitet hat. Er hat mich die gesamte Studienzeit über wohlwollend gefördert. Während der Promotionszeit durfte ich an seinem Lehrstuhl in regem persönlichen Austausch wertvolle Erfahrungen sammeln. Mein Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Sybille Hofer. Sie hat nicht nur das Zweitgutachten erstellt und sehr hilfreiche Anregungen für die Veröffentlichung der Arbeit gegeben, sondern mich auch an ihrem Lehrstuhl aufgenommen. Bei Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Becker bedanke ich mich herzlich für die nützlichen Ratschläge bei der Wahl des Promotionsthemas sowie bei
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Vorwort
seiner Frau, Dr. Rotraud Becker, für die Hilfe bei der Entzifferung der handschriftlichen Manuskripte. Danken möchte ich auch all’ jenen, die mir auf Fragen bereitwillig Auskunft gegeben haben, insbesondere Frau Prof. Dr. Barbara Dölemeyer (MPI Frankfurt) und Herrn Archivdirektor PD Dr. Reinhard Heydenreuter (München). Wichtige Hilfe habe ich von den Mitarbeitern der Universitätsbibliothek Regensburg, der Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main und des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München bei der Quellensuche erhalten, denen ich für ihre freundliche Unterstützung danken möchte. Mein Dank gilt auch Christa KrämerEule, Simone Kutzner und Dr. Wilhelm Doni für die Hilfe bei der Textbearbeitung für die Veröffentlichung der Arbeit. Dem Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG-Wort sei für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses gedankt. Von ganzem Herzen danke ich meinem Mann, Dr. Martin Löhnig, für die liebevolle, stets ermutigende Unterstützung während der Entstehung dieser Arbeit. Ihm ist sie gewidmet. Regensburg, im Januar 2004
Cordula Scholz Löhnig
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklung des Eherechts bis in das 18. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Untersuchte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitlicher Rahmen der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gründe für die Wahl Bayerns als Untersuchungsraum . . . . . . . . . . . . e) Eherecht als Spiegel der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stand der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Das Eherecht im Bayern des Ancien Régime ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 (CMBC) a) Die vollständige Regelung des Eherechts im CMBC . . . . . . . . . . . . . . . b) Kanonisches Eherecht wird zum staatlichen Eherecht . . . . . . . . . . . . . . c) Inhaltliche Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Einwilligung Dritter zur Eheschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einwilligung der Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einwilligung der Vormünder und „nächsten Befreundten“ . . . . . . cc) Obrigkeitliche Bewilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Rechtfertigung der Sanktionen gegen Ehen, die ohne erforderliche Einwilligung geschlossen wurden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Religionsverschiedenheit und Mischehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Auffassung Kreittmayrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Auffassung der katholischen Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ursprung und Würdigung Kreittmayrs Auffassung zu den Mischehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Regelung des § 49 Teil I Kapitel 6 CMBC . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Beurteilung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mandate zum Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heiratsbewilligungsmandate. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot von Auslandsehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rolle der Mandatsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kirchenrechtliche Mandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 19 20 20 22 22 23 24 26 26 27 27 29 32 35 36 38 38 41 41 43 43 44 45 49 49 50 53 54 54 57 58 60
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Inhaltsverzeichnis 4. Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Sponsalienmandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Entstehung des Mandats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhandlungen zum Sponsalienmandat auf dem Salzburger Kongreß . e) Eintritt in Verhandlungen zu einem ersten bayerischen Einheitskonkordat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Vergleichsentwurf der Bischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vergleichsentwurf der kurfürstlichen Konkordatenkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Das Entgegenkommen der kurfürstlichen Konkordatenkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Das Scheitern der päpstlichen Ratifikation nach dem Tode Max III. Joseph. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die einseitige Publikation des Vertrages durch den bayerischen Staat aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Reaktion der Bischöfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Wiedereinführung des Sponsalienmandats vom 24. Juli 1769. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der erneute Widerruf des Mandats von 1769 . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Versuch der Übernahme der österreichischen Sponsalienverordnung von 1782. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Einfluß Österreichs auf die bisherige Entwicklung des Ehe- bzw. Sponsalienrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einfluß der Gebietsveränderungen auf das Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Protestantische Ehe- und Konsistorialordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Eherecht des ALR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das Eherecht von Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Das Eherecht des Code Civil in der bayerischen Pfalz. . . . . . . . . . . . . . f) Ausblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Mandatsgesetzgebung in den ersten Regierungsjahren Max’ IV./ I. Joseph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung der Eheschließungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafdrohungen für verordnungswidrig handelnde Pfarrer . . . . . . . . . . . d) Ein erster Zugriff auf das Eheband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88 88 90 90 91 95 98 101 104 104
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Inhaltsverzeichnis 4. Mandate zum kirchlichen Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interkonfessionelles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Pfälzer Toleranzedikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Protestantische Trauungen in München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Heirat geschiedener Protestanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Verordnungen über gemischte Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Haltung der katholischen Kirche zur Mischehengesetzgebung ff) Die Verordnungen über Mischehen in München vom Dezember 1806. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Die Handhabung der Mischehen in anderen Staaten . . . . . . . . . . . hh) Die Regelungen bei Mischehen im Religionsedikt von 1809 . . . . ii) Die Bekanntmachung über Mischehen vom September 1814. . . . kk) Die Bestätigung der bayerischen Haltung in weiteren Verordnungen. ll) Die gerichtliche Zuständigkeit in Mischehesachen. . . . . . . . . . . . c) Protestantisches Eherecht im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Katholisches Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verlöbnisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dispensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ehegerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gesetzgebungsentwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1808/09 . . . . . . . . . aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1808/09 . . . . . . c) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1811 . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1811 . . . . . . . . . d) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1816/18 . . . . . . . . . aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1816/18 . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Konkordat von 1817 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluß und Ratifizierung des Konkordats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen des Konkordats mit möglichen Auswirkungen auf das Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konfligierende Regelungen in Verfassung und Religionsedikt – Normwidersprüche und Überschneidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Auseinandersetzungen mit dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat e) Die Tegernseer Erklärung und ihre Einordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Der Streit über die Rechtsnatur des Konkordates in der Lehre . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis g) Die Sonderrolle der Gerichtsbarkeit in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Zuständigkeit katholischer Ehegerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Gerichtsbarkeit in Mischehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Ehegerichtsbarkeit in der Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Protestantische Ehegerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
III. Bayern im Vormärz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Entschließungen“ zum interkonfessionellen Eherecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entschließungen bis 1831. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Reskript vom 24. Oktober 1826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Reskript vom 22. April 1829 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Reskript vom 14. Juni 1830 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Fall Thon-Dittmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stellungnahmen des Staatsministeriums des Inneren zu Mischehen vom 31. Mai 1831 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Mischehefall Thon-Dittmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Debatte über den Fall Thon-Dittmer in der Kammer der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Beschlußempfehlung des fünften Ausschusses . . . . . . . . . . . . bb) Das Problem der formellen Kompetenz der Abgeordnetenkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Redebeitrag des Innenministers von Schenk . . . . . . . . . . (2) Der Redebeitrag des Antragstellers Rabel . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Redebeitrag des Abgeordneten Kapp . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Problem der materiellen Kompetenz der Abgeordnetenkammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Redebeitrag des Innenministers von Schenk . . . . . . . . . . (2) Weitere Redebeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der Redebeitrag des Abgeordneten Mätzler . . . . . . . . . . . . . . (4) Der Redebeitrag des Abgeordneten Weinzierl . . . . . . . . . . . . (5) Der Redebeitrag des Abgeordneten Kapp . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Der Redebeitrag des Kammerpräsidenten Seuffert. . . . . . . . . (7) Die Verschärfung der Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (8) Der Beschluß der Kammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Debatte über den Fall Thon-Dittmer in der Kammer der Reichsräte
175 175 178 179 180 180 181 181 182 186 190 190 192 192 195 195 198 198 199 202 202 205 206 206 208 209 211 211 211 212 213 215 217 218 219 221 222 225
Inhaltsverzeichnis
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aa) Referentenbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die weitere Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Beschluß der Kammer der Reichsräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Die Haltung des Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Die Reaktion der Ordinariate und des Hl. Stuhls . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Die weitere Erörterung der Frage auf dem Landtag von 1834 . . . . . . . i) Der Abschluß der Auseinandersetzung zwischen Bayern und dem Hl. Stuhl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . k) Die zeitgenössische Bewertung der Mischehendiskussion . . . . . . . . . . aa) Die Presse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Sichtweise Genglers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Sichtweise Strodls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Weitere Schriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l) Zusammenfassung und Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Revision des Gesetzes zur Ansässigmachung und Verehelichung von 1825 im Jahre 1834 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die inhaltlichen Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Beurteilung der Revision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts . . . . . . . a) Der Entwurf von 1826 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Entwurf von 1834 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt des Entwurfs von 1834 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eheschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eheaufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Hintergründe und Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Scheitern der Neukodifikation bayerischen Zivilrechts . . . . .
225 228 229 231 232 235
IV. Bayern nach der Revolution von 1848 und auf dem Weg ins Deutsche Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Überarbeitung des Gesetzes über Ansässigmachung und Verehelichung von 1825/34 (GAV/RGAV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruch auf Eheschließung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verehelichungszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zivilrechtliche Ehehindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe . . . . . . . . . . . ee) Strafbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Keine einheitliche Geltung des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt in der Fassung von 1868. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zielsetzung der Überarbeitung von 1868 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Verwirklichung der Verehelichungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . .
236 240 240 241 243 245 246 249 249 251 254 254 255 255 255 260 262 263 265 265 266 266 267 267 270 272 273 274 274 274 277
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Inhaltsverzeichnis cc) Einschränkungen der Verehelichungsfreiheit dienstlicher Art. . . . dd) Verfahren zur Aufdeckung bürgerlichrechtlicher Ehehindernisse ee) Die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe . . . . . . . . . . . 3. Das „Gesetz über Schließung und Trennung der Ehen keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehörenden Personen“ vom 2. Mai 1868 . . a) Inhalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entstehung des Gesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Diskussion in der Kammer der Abgeordneten . . . . . . . . . . . . . bb) Die Diskussion in der Kammer der Reichsräte . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Fortgang des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entwurf eines Gesetzes über die obligatorische Zivilehe von 1871 . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Veränderungen im Bereich des Eherechtes durch die Reichsgründung von 1870/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Schicksal des bayerischen öffentlichen Verehelichungsrechtes . . . b) Die Gesetzesnovelle vom 23. Februar 1872 zum Gesetz vom 16. April 1868 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Reichspersonenstandsgesetz (RPStG) vom 6. 2. 1875 . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der eherechtliche Inhalt des RPStG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Umsetzung des RPStG in Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der bayerische Beitrag zur Entstehung des RPStG . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Vorlagen von Hinschius und Völk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Debatte im Reichstag über die Zivilehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Debatte über Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Fortgang des Verfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die Beratung des Württembergischen Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Die Beratung des neuen Entwurfs im Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282 282 284 287 287 291 291 297 300 302 305 306 306 308 309 309 309 313 316 316 318 321 323 325 327 335
Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 Quellenanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuverbessertes Allgemeines bayerisches Land-Recht (1816/18) . . . . . . . . . . Rechenschaft über die bei der Redaction im allgemeinen beobachteten Grundsätze (1816/18) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwurf eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern (1834) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motive zum Entwurfe eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
345 345 357 363 372
Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
Abkürzungsverzeichnis ABR Abt. ADB Anm. ArkKr BayHStA Bd Bde BE I BE II BE III BE IV Blge CJBJ CMBC CR CTheres EheGD
Ent.HAVG
FamRZ FS GAV Gbl. GS HdB HdB PrRG HdBbayG HG
Archiv für bürgerliches Recht Abteilung Allgemeine Deutsche Biographie Anmerkungen Archiv für katholisches Kirchenrecht mit besonderer Rücksicht auf Oesterreich und Deutschland Bayerisches Hauptstaatsarchiv Band Bände Bayerischer Entwurf eines Zivilgesetzbuches von 1808/09 Bayerischer Entwurf eines Zivilgesetzbuches von 1811 Bayerischer Entwurf eines Zivilgesetzbuches von 1816 Bayerischer Entwurf eines Zivilgesetzbuches von 1834 Beilage Codex Juris Bavarici Judiciarii Codex Maximilianus Bavaricus Civilis Corpus Reformatorum Codex Theresianus Ehegesetz für Dissidenten: Gesetz über Schließung und Trennung von Ehen der keiner anerkannten Religionsgesellschaft angehörenden Personen Gesetzes-Entwürfe über Heimath-rechte, Ansäßigmachung und Verehelichung und das Gewerbswesen für die älteren 7 Kreise des Königreiches Baiern. Nebst von dem königlichen Staatsrath Ritter von Stürmer in der 26ten Sitzung am 15ten Juni in der Kammer der Abgeordneten erstatteten Vortrag hierüber. München 1825 Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Festschrift Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825 und Revision vom 1. Juli 1834 Gesetzblatt Gedächtnisschrift Handbuch Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, hrsg. von Coing, Helmut Handbuch der bayerischen Geschichte, hrsg. von Spindler, Max Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 1868
14 Hist. HPB HRG
Abkürzungsverzeichnis
Historisch Historisch-Politische-Blätter für das katholische Deutschland Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, hrsg. von Erler, Adalbert/Kaufmann, Ekkehard Jahrb. Jahrbuch KR Kirchenrecht KrS Kreittmayr, Wiguläus Xaver Aloys, Sammlung der neuest und merkwürdigsten Churbaierischen Generalien und Landesverordnungen 1771 Lehrb. Lehrbuch MBl. Ministerialblatt MS Mayr, Georg Karl, Sammlung der kurpfalz-baierischen allgemeinen und besonderen Landesverordnungen (1784–1802) Mot. Motive MtheolZ Münchener theologische Zeitschrift m. w. N. mit weiteren Nachweisen NkJDtR Neue kritische Jahrbücher für die Deutsche Rechtswissenschaft PrRG Privatrechtsgeschichte ProtVBuDtR Protokolle zu den Verhandlungen des Bundesrathes des Deutschen Reichs RE Religionsedikt Regbl. Regierungsblatt RGAV Revisionsgesetz vom 1. Juli 1834 zum Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825 Rgbl. Reichsgesetzblatt RPStG Reichspersonenstandsgesetz = Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung, vom 6. Februar 1875 s. siehe Sp. Spalte StB Stenographische Berichte StBVDtR Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages Str Staatsrat Tl Teil Tlbd Teilband VKAKB Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des Königreichs Bayern VKAbL Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages VKAStV Verhandlungen der zweyten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Bayern (Erklärung: es handelt sich hier um die Kammer der Abgeordneten, später spricht man nicht mehr von der Ständeversammlung sondern vom bayerischen Landtag) VKRKB Verhandlungen der Kammer der Reichsräthe des Königreichs Bayern
Abkürzungsverzeichnis VO ZbLG ZKR ZRGGerm ZRGKan
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Verordnung Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte Zeitschrift für Kirchenrecht Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung
Einleitung 1. Die Entwicklung des Eherechts bis in das 18. Jahrhundert Mit der zunehmenden Missionierung des Abendlandes wuchs der christliche Einfluß im Bereich des Eherechts. Nach kanonischem Recht stand im Unterschied zu den germanischen Rechten für die gültige Eheschließung der Konsens der Brautleute1, consensus facit nuptias2, im Vordergrund.3 Daneben hatte das kanonische Recht eine Anzahl von Ehehindernissen entwikkelt. Von besonderer Bedeutung war aus christlicher Sicht die Unauflöslichkeit des Ehebandes.4 Diese christlichen Anschauungen verdrängten im Verlauf des Mittelalters die bisherigen Regelungen der Ehe5 und konnten daher auch die soziale Gestalt der Ehe prägen.6 Zunächst wurde in der fränkischen Zeit die weltliche Ordnungsmacht geistig beeinflußt7, bis schließlich die päpstliche Gesetzgebung sich des Eherechts annahm (10.–13. Jh.).8 „Das Eherecht hörte auf, Teil – wie wir heute sagen würden – der „bürgerlichen“ Rechtsordnung zu sein und wurde Disziplin des Kirchenrechts, das kirchliche Eherecht erreichte ein Geltungsmonopol für das Recht des Ehebandes. Gleichzeitig schieden die politischen Obrigkeiten nach dieser Anschauung als Ehegesetzgeber aus.“9 Mit der Reformation verschwand die einheitliche Auffassung zur Ehe als Sakrament10 und die damit zusammenhängende ausschließliche Zuständigkeit der Kirche über die Ehe, vor allem über das Eheband, Recht zu setzen.11 1 Die Wichtigkeit des Konsenses für einen gültigen Vertragsschluß hatte die katholische Kirche dem römischen Recht entliehen. Vgl. D. 50, 17, 30 und D. 2, 14, 1, 2. 2 Gratian, Decretum, C. 29 q. 1 c. 1. 3 HRG/Mikat, Ehe, Bd 1, Sp. 818 f.; HRG/Merzbacher, Ehe, kirchenrechtlich, Bd 1, Sp. 833. 4 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 15 ff. 5 Vgl. zur Verkirchlichung des Eherechts im Mittelalter die zusammenfassende Darstellung bei HdB PrRG/Buchholz, Bd III Tlbd II, S. 1628 f. 6 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 19 ff. 7 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 17. 8 HRG/Mikat, Ehe, Bd 1, Sp. 818 f.; Schwab, Ehegesetzgebung, S. 23. 9 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 23 f. 10 Lück, FamRZ 1999, S. 1549 ff. 11 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 53. Die Ausschließlichkeit der kirchlichen Ehegesetzgebung darf jedoch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß es sich um
18
Einleitung
Die Reformatoren unterstellten die kirchliche Rechtsprechungsgewalt und damit auch die Zuständigkeit für Ehesachen der weltlichen Obrigkeit. Trotzdem verblieben die Ehesachen bei den Protestanten „im Kreis der geistlichen oder geistlich weltlichen Angelegenheiten“,12 für die die Konsistorialbehörden zuständig waren. Im Unterschied zu vorher und zu den nicht reformierten Gebieten war jedoch der Territorialherr zugleich der oberste Kirchenherr. Obwohl die Reformatoren die Sakramentsnatur der Ehe leugneten, entwickelte sich die Trauung zum konstituierenden Element für eine gültige Ehe.13 Das Trienter Konzil von 1563 hat sich umfassend mit dem Eherecht befaßt. Zum einen um den Lehren der Reformatoren etwas entgegenzusetzen,14 zum anderen um dem Mißstand der heimlichen Eheschließungen abzuhelfen.15 Der katholischen Kirche gelang es, eine für die gültige Eheschließung konstitutive Formvorschrift einzuführen. Die Ehe konnte nur noch vor mindestens zwei Zeugen und dem Priester, einem qualifizierten Zeugen, geschlossen werden.16 Diese Formvorschrift wurde prägend für alle neuzeitlichen Ehegesetze.17 Dieser starke Eingriff der Kirche in das Eheschließungsrecht löste bereits auf dem Konzil einen heftigen Disput über die „menschliche“ Rechtsgewalt in Ehesachen aus.18 Seit dieser Zeit entwickelten sich aus unterschiedlichen Anlässen verschiedene Theorien zur Rechtsetzungsgewalt in Ehesachen sowohl bei den Protestanten als auch bei den Katholiken.19 Schließlich fand die Aufklärung Modelle, die weltliches Eherecht vollständig von religiösen Aussagen lösten.20 Für die Lehren des ganz einheitliche Gesetze handelte. Die Kirche strebte zwar immer eine „zentralisierte Gesetzgebung“ an, ist aber nicht mächtig genug gewesen, um damit durchzudringen. Vgl. dazu Freisen, Eherecht, S. 888. 12 Vgl. dazu Schwab, GS Conrad, S. 516. 13 Vgl. hierzu Hdb PrRG/Buchholz, Bd III Tlbd II, S. 1629 m. w. N.; Schwab, Ehegesetzgebung, S. 104–137; Sohm, Eheschließung, S. 197–249; Sohm, Trauung, S. 110–123; Friedberg, Eheschließung, S. 153–305; Dieckhoff, Trauung, S. 180– 295; Scheurl, Eheschließungsrecht, S. 123–148; Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch S. 1133–1158; Kirstein, Roland, Die Entwicklung der Sponsalienlehre vom Eheschluß in der deutschen protestantischen Eherechtslehre bis zu J. H. Böhmer, Bonn 1966. Die Verstaatlichung des Eherechts der Reformatoren wird aber nicht als Grundlage für das moderne Eherecht und der Zwangszivilehe angesehen. Vgl. Conrad, ZRGGerm 67 (1950), S. 342; Conrad, FS Lehmann, S. 113. 14 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 54. 15 24. Sitzung vom 11. 11. 1563, Kap. I. Text bei Richter, Canones et Decreta, S. 215 ff.; HRG/Merzbacher, Ehe, kirchenrechtlich, Bd 1, Sp. 834; HRG/Mikat, Ehe, Bd 1, Sp. 820 f. 16 HRG/Merzbacher, Ehe, kirchenrechtlich, Bd 1, Sp. 834. 17 Vgl. Conrad, Konzil, S. 298. 18 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 55. 19 Schwab, Ehegesetzgebung, Teile II, III, IV.
2. Gegenstand der Untersuchung
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Gallikanismus und der ihm verwandten staatskirchlichen Bestrebungen war die Gesetzgebungskompetenz des weltlichen Herrschers eine Selbstverständlichkeit.21 Diese neuen Strömungen fanden in den emporstrebenden absolutistischen Landesfürsten einen geeigneten Verbündeten, denn ihnen war es von besonderer Wichtigkeit, daß alle Macht von ihnen ausging und alles Recht aufgrund ihres Befehls galt. So hatten die französischen Könige bereits bald nach dem tridentinischen Konzil durch die Ordonnanz von Blois aus dem Jahr 1579 versucht, die Gültigkeitsvoraussetzungen abweichend von den Bestimmungen des Dekrets „Tametsi“ zu bestimmen.22 Diese Tendenz wurde durch die Ideen der Aufklärung unterstützt und verstärkt. Schließlich kam es mit der Revolution von 1789 zur Einführung der Zivilehe in Frankreich. Als schließlich in Österreich Maria Theresia und später Joseph II. versuchten, ein vom kanonischen Recht abweichendes Eherecht einzuführen, konnten sich auch die übrigen deutschen Territorien diesem Einfluß nicht mehr entziehen.23
2. Gegenstand der Untersuchung An dieser Stelle soll die Untersuchung einsetzen, die die Entwicklung des bayerischen Eherechts auf dem Weg seiner Verweltlichung seit dem Erlaß des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) im Jahr 1756 bis zum Inkrafttreten des Reichspersonenstandsgesetzes (RPStG) vom Februar 1875 behandelt. Die von Schwab in seiner Monographie „Grundlagen und Gestalt der staatlichen Ehegesetzgebung in der Neuzeit bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts“ erforschte ideengeschichtliche Loslösung des Eherechts aus der kirchlichen Alleinzuständigkeit ist also bereits abgeschlossen. Untersucht werden soll, ob und gegebenenfalls wie eine Loslösung des Eherechts aus der ausschließlichen Zuständigkeit der katholischen Kirche in Bayern stattgefunden hat, bis schließlich das Reichspersonenstandsgesetz von 1875 auch für Bayern die Zivilehe brachte. Dieser Prozeß hat im gesamten Mitteleuropa in der Zeit von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des 19. Jahrhunderts stattgefunden.24
20
Schwab, Ehegesetzgebung, Teil IV, Kap. III. Schwab, Ehegesetzgebung, S. 55. Zum Gallikanismus als wesentlichem Motor für die Entwicklung des modernen Eherechts, vgl. Conrad, ZRGGerm 67, (1950), S. 342; Conrad, FS Lehmann, S. 113. 22 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 55. 23 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 55 und Kap. V, S. 193 ff. 24 Dilcher, Ehescheidung, S. 1021 f. 21
20
Einleitung
a) Fragestellung Die für die Beurteilung eines solchen Prozesses beachtenswerten Kriterien sind 1. die Gesetzgebungskompetenz für das Eherecht und deren Wahrnehmung durch die kirchliche oder weltliche Macht, 2. der Inhalt eherechtlicher Normen, das heißt, wie wird bei wahrgenommener Gesetzgebungskompetenz das Eherecht materiell ausgestaltet, 3. die Zuständigkeit für den Abschluß der Ehe, womit nach der für die Trauung und die Heiratsregister zuständigen Behörde gefragt wird und 4. die Wahrnehmung der Ehegerichtsbarkeit, das heißt, entschieden kirchliche oder weltliche Gerichte über den Bestand und/oder die (bürgerlichen) Wirkungen der Ehe.25 Allerdings sind diese Kriterien um einen weiteren Aspekt zu ergänzen, da ansonsten eine deutliche Verkürzung der historischen Entwicklung im Prozeß der Verweltlichung des Eherechts die Folge wäre. Zu berücksichtigen sind die oben dargelegten Kriterien auch im Verlöbnisrecht. Die Verlobung als Versprechen, in Zukunft eine Ehe einzugehen, hatte als einklagbarer Vorvertrag auf Abschluß einer Ehe zu dieser Zeit erhebliche gesellschaftliche Bedeutung, so daß die weltlichen Herrscher, bevor sie auf das Eherecht zugriffen, zunächst das Verlöbnisrecht in ihrem Sinne ausgestalteten.26 Es geht also nicht um die dogmatische Entwicklung des die Ehe konstituierenden Aktes unter Berücksichtigung der verschiedenen Einflüsse auf das Eherecht27, sondern um die Frage, wann, wo und wie der weltliche, hier der bayerische, Staat auf das Eherecht Zugriff nehmen konnte. b) Untersuchte Quellen Hauptgegenstand der Untersuchung bilden bayerische Normen aus den Jahren 1756 bis 1875, die im weitesten Sinne Eherecht enthalten. Das Eherecht regelt im wesentlichen folgende drei rechtlichen Bereiche: das Zustandekommen einer gültigen Ehe, das Leben in der Ehegemeinschaft und die Auflösung der Ehegemeinschaft. Für die Untersuchung des Prozesses der Verweltlichung des Eherechts interessieren nur die Bereiche, die das Entstehen oder die Auflösung des Ehe25 Ähnliche Kriterien hat Coing, Auseinandersetzung, S. 1081 ff., in seinem Aufsatz „Die Auseinandersetzung um kirchliches und staatliches Eherecht im Deutschland des 19. Jahrhunderts“ formuliert. 26 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 208. 27 Man könnte zum Beispiel untersuchen, ob nun eher der „zivile Willensakt“ oder der „Sakramentscharakter“ bei den verschiedenen Auffassungen zur Ehe(schließung) von Katholiken und Protestanten im Vordergrund steht, wie dies in der Einleitung bei HdB PrRG/Buchholz Bd III Tlbd II, S. 1628 f. zum Ausdruck kommt.
2. Gegenstand der Untersuchung
21
bandes betreffen. Dies liegt darin begründet, daß die Kirche hauptsächlich für das Recht des Ehebandes ein Regelungsmonopol für sich in Anspruch nahm, um die christlichen Vorstellungen über Ehehindernisse, aber vor allem die Unauflöslichkeit der Ehe besser durchsetzen zu können.28 Die Regelungen die Existenz des Ehebandes betreffend waren hinsichtlich einer Verweltlichung des Eherechts der eigentlich empfindliche Bereich. Nur dort, wo der Staat über eigene Eheschließungsregeln verfügt und die Auflösung der Ehe zu Lebzeiten zuläßt, kann von vollständig vollzogener Trennung von kirchlichem und weltlichem Eherecht gesprochen werden. Es bestehen dann zwei voneinander unabhängige Systeme des Eherechts.29 Anderes gilt für das Ehegüterrecht, das vielerorts seit langer Zeit durch bürgerliche Gesetzgebung geregelt worden war – so enthielt beispielsweise auch das bayerische Landrecht von 1616 Ehegüterrecht –, und das deswegen für die vorliegende Untersuchung unberücksichtigt bleiben kann.30 Allerdings werden in der Arbeit nicht nur Normen des privaten Eherechts berücksichtigt, sondern auch alle Regelungen öffentlichen bzw. polizeilichen Rechts, die auf die Eingehung oder die Aufhebung einer Ehe Einfluß haben. Mit diesem Ansatz folgt diese Arbeit nicht der gängigen Unterscheidung von privatem und öffentlichem, verwaltungsrechtlich geprägtem, Eherecht. Diese gleichzeitige Berücksichtigung von Vorschriften privaten und öffentlichen Eherechts rechtfertigt sich aus zwei Gründen: Die klare Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht, wie wir sie heute kennen, hat sich erst in den letzten 200 Jahren entwickelt,31 man denke nur an die Inhalte von Polizeiordnungen bzw. polizeirechtlichen Regelungen;32 außerdem besteht beim Eherecht eine besondere Schwierigkeit der Unterscheidung von privatem und öffentlichem Recht,33 da das Eherecht gleichzeitig privatrechtliche und ordnungsrechtliche Komponenten umfaßt, denn schließlich reicht seit dem tridentinischen Konzil das „heimliche“ Versprechen zwischen den Brautleuten nicht mehr für eine Eheschließung aus, es bedarf vielmehr eines Publizitätaktes.34 28
HRG/Mikat, Ehe, Bd 1, Sp. 818 ff., 824. Schwab, Ehegesetzgebung, S. 102. 30 Landrecht, Polizei-, Gerichts-, Malefiz- und andere Ordnungen der Fürstentumen Obern- und Niedernbayern von 1616; siehe dazu auch HdBbayG/Albrecht, Bd II, S. 586 und die kritische Ausgabe des Landrechts von Günter, H. Das bayer. Landrecht von 1616. 31 Schmelzeisen, Polizeiordnungen, S. 14. 32 Vgl. dazu vor allem die Einleitung bei Schmelzeisen, Polizeiordnungen, S. 1 ff. 33 Kaufmann, FS Erler, S. 651 weist zu Recht daraufhin, daß eine Unterscheidung nach moderner Begrifflichkeit von öffentlichem und privatem Recht in der Rechtsgeschichte, vor allem der germanischen, den Blick verstelle. Allerdings beschränkt er dies wohl auf noch frühere Epochen. 29
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Einleitung
Außer den damals geltenden Normen werden gescheiterte Zivilgesetzgebungsentwürfe dieser Zeit herangezogen,35 die Eherecht enthielten, um staatliche Ziele und politische Entscheidungen im Bereich des Eherechts vollständiger beurteilen zu können. Aus diesem Grund wertet vorliegende Arbeit auch politische Stellungnahmen zu Reformgesetzen aus, die in Gesetzesberatungen oder Literatur geäußert worden sind. c) Zeitlicher Rahmen der Untersuchung Der Grund dafür, daß diese Untersuchung 1756 begonnen wird, liegt in der Tatsache, daß der CMBC von 1756 erstmals auch materielles Eherecht zur Eheschließung und Eheaufhebung enthielt.36 Außerdem werden die Weichen für die Entwicklung Bayerns vor allem am Anfang des 19. Jahrhunderts im ausgehenden 18. Jahrhundert gestellt.37 Mit dem Reichspersonenstandsgesetz von 1875 soll diese Arbeit abgeschlossen werden, da es für das ganze Reich endgültig die obligatorische Zivilehe brachte, und damit die eigenständige Entwicklung Bayerns im Bereich des Eherechts endete. Die weitere Entwicklung im Eherecht bis zum Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 ist eine gesamtdeutsche Entwicklung und daher nicht mehr in dieser Arbeit zu berücksichtigen. d) Gründe für die Wahl Bayerns als Untersuchungsraum Daß gerade der Territorialstaat Bayern als Untersuchungsraum gewählt wird, hat allgemeingeschichtliche und forschungsgeschichtliche Gründe. Bayern war im 18. Jahrhundert ein geschlossenes katholisches Territorium, Herrscher und Bevölkerung waren katholisch. Hauptquelle für das Eherecht, vor allem für das Eheschließungsrecht, war das kanonische Recht in der Form des nachtridentinischen Rechts. 34 Friedberg, Gutachten, I, S. 272 schreibt, daß das Eherecht seinen früheren privatrechtlichen Charakter verloren habe, und führt dies allein schon auf den Umstand zurück, daß das Eherecht in starkem Maße durch die Kirche geregelt worden sei, „denn das Recht der Kirche war im eminenten Sinne des Wortes ein öffentliches, wie die Kirche überhaupt die Funktionen des Staates fast ganz übernommen und durch ihre Satzungen geregelt hatte“. 35 Es werden neben den Entwürfen von 1808/09 und 1811, auch die bislang noch ungedruckten Gesetzgebungsentwürfe aus den Jahren 1816/18 und 1834 ausgewertet. 36 CMBC I 6 „Vom Ehestande“. 37 So HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 999 hinsichtlich der Aufklärung in Wissenschaft und Gesellschaft. Die meisten Persönlichkeiten, die sich mit der Aufklärung am Ende des 18. Jahrhunderts auseinandersetzen rücken nach 1799 in Schlüsselpositionen von Montgelas’ neuem bayerischen Staat.
2. Gegenstand der Untersuchung
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Diese in sich geschlossene Gesellschaft erfuhr tiefgreifende Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Bevölkerung war infolge von zahlreichen Gebietszuwächsen konfessionell durchmischt worden. Vor allem die fränkischen Gebiete und die ehemals freien Reichsstädte erhöhten die Zahl der Protestanten im Land. Zur gleichen Zeit hatte ein wichtiger Regierungswechsel in Bayern stattgefunden; der neue Kurfürst und erste König von Bayern, Max Joseph (IV./ I.), dessen Frau Protestantin war, wollte gemeinsam mit seinem wichtigsten Minister, Freiherrn v. Montgelas, Bayern zu einem modernen und vor allem paritätischen Staat machen. Den großen christlichen Konfessionen im Land sollten gleiche Rechte zustehen.38 Die Parität der Konfessionen wurde auch in den ersten bayerischen Verfassungen von 1808/09 und 1818 festgehalten.39 Diese Veränderungen zeigten auch auf die Eheschließung Auswirkungen, da nun Mischeheschließungen zwischen Katholiken und Protestanten möglich waren. Die Gebietszuwächse brachten zudem eine weitere, für das Recht generell interessante Veränderung nach Bayern. Bayern hatte nun zwar ein „arrondiertes“ Territorium, aber auf diesem einheitlichen Territorium herrschte kein einheitliches Recht, denn jedes Gebiet behielt sein Provinzialrecht.40 Diese starke Rechtszersplitterung bildete einen erheblichen Druck, ein neues, einheitliches Recht für das neue Königreich zu schaffen. Vor allem waren die Unterschiede zwischen den Rechten nicht unbedingt gering, wenn man sich vor Augen hält, daß in Bayern der CMBC, das ALR, wenn auch weitgehend nur subsidiär, und der Code Civil neben vielen anderen Statuarrechten galten. Diese großen Kodifikationen enthielten vor allem für das Eherecht sehr unterschiedlich geprägte Normen, das ARL evangelisches Recht, der Code Civil kannte die Zivilehe. e) Eherecht als Spiegel der Entwicklung Diese bayerischen Koordinaten haben gerade für ein eherechtliches Thema ihren Reiz. Zum einen verläuft die Entwicklung des Eherechts in einem katholischen Land anders als beispielsweise im protestantisch geprägten Preußen, denn „eine politische Herrschaft, die sich als Beschützerin des katholischen Glaubens sieht und sich in ihrem Handeln den Lehren 38 Letzteres war unter den veränderten konfessionellen Bedingungen von großer Notwendigkeit, denn die Protestanten verfügten in Bayern bis 1803 über keine Bürgerrechte. Ebenso die Juden, die jedoch erst etliche Zeit später das Indeginat erhielten. 39 Vgl. unten Kap. II. 2. 40 Das Königreich Bayern hatte unter allen deutschen Staaten die meisten Partikularrechte zu dieser Zeit. Vgl. Roth, Bayerisches Civilrecht, S. 1.
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Einleitung
des katholischen Christentums verpflichtet weiß, hat bis zur vollen Entfaltung einer Gesetzgebung über das Eheband ein wesentliches Hindernis zu überwinden, den Widerstand der Kirche“.41 Zum anderen bot die beschriebene Situation Bayerns aber gerade für das Eherecht interessantes Entwicklungspotential. Es stießen zwei Extreme aufeinander: der revolutionäre Einfluß Frankreichs mit der radikalen Trennung von Kirche und Staat, die auch in der kodifizierten Zivilehe zum Ausdruck kommt, und ein katholischer Staat.
3. Stand der Forschung Auch aus forschungsgeschichtlicher Sicht lädt Bayern zu dieser Untersuchung ein. Bayern hat im Unterschied zu Preußen42 und Österreich43 in der jüngeren Forschung zum Familienrecht eine untergeordnete Rolle gespielt. Es existiert zum bayerischen Eherecht nur eine Monographie von Hermann v. Sicherer, Eherecht und Ehegerichtsbarkeit in Bayern (1875). Dies mag zum Teil darin begründet liegen, daß das Königreich Preußen im 19. Jahrhundert im norddeutschen Bund die führende Rolle übernahm und daher von dort aus viele neue Impulse für das spätere Reich ausgingen. Bayern hatte hingegen als Forschungsraum, besonders für die Rechtsgeschichte, wohl zum Teil deswegen an Attraktivität verloren, weil man in Bayern vielfach nur den konservativen, beinahe reaktionären, katholischen 41 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 194. Auch die katholische Aufklärung verläuft anders als die Aufklärung in protestantisch geprägten Gebieten, vgl. dazu HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 986 ff. 42 Vgl. die Untersuchungen von: Blasius, Dirk, Die Revision der Reform, Das preußische Scheidungsrecht im Vormärz, in: Konflikt und Reform, FS für Helmut Berding, hrsg. von Speitkamp, Winfried und Ullmann, Hans-Peter, 1995; Buchholz, Stephan, Eherecht zwischen Staat und Kirche, Preußische Reformversuche in den Jahren 1854 bis 1861, Frankfurt am Main 1981; Buchholz, Stephan, Preußische Eherechtsreform im Vormärz (1830–44), Ius Commune Sonderheft 15, 1981; Fonk, Friedrich Hermann, Das staatliche Mischehenrecht in Preußen vom allgemeinen Landrecht an, Bielefeld 1961; Gerlach, Otto von, Kirchenrechtliche Untersuchung der Frage: Welches ist die Lehre und das Recht der evangelischen Kirche, zunächst in Preußen, in Bezug auf die Ehescheidungen und die Wiederverheirathung geschiedener Personen, Erlangen 1839; weitere Nachweise, vgl. HdB PrRG/Buchholz, Bd III Tlbd 2, S. 1661 f. 43 Vgl. die Untersuchungen: Pototschnig, Franz, Staatlich-Kirchliche Ehegesetzgebung im 19. Jahrhundert (Instructio austrica), Problematik – Auswirkungen – Gegenwartsbedeutung einer österreichischen Rechtsreform, Freistadt 1974; Primetshofer, Bruno, Rechtsgeschichte der gemischten Ehen in Österreich und Ungarn 1781– 1841, in: Beihefte zum Österreich. Archiv für Kirche und Recht, Wien 1967; Fuhrmann, Inken, Die Diskussion über die Einführung der fakultativen Zivilehe in Deutschland und Österreich seit Mitte des 19. Jahrhunderts, u. Frankfurt a. Main 1998, weitere Nachweise bei Kundert, HdB PrRG Bd III Tlbd II, S. 1806.
3. Stand der Forschung
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Staat sah, der immer „romtreu“ war und dem es daher an neuen, interessanten Entwicklungen fehlte. So ging man zum Teil davon aus, daß in Bayern bis zum Inkrafttreten des BGB im Jahre 1900 einfach kanonisches Eherecht gegolten habe. In diesem Sinne möchte sich diese Arbeit auch als ein Beitrag zur „noch ausstehenden bayerischen Rechtsgeschichte“44 verstehen.
44 So Jaroschka in seinem Geleitwort zum Ausstellungskatalog „Gerechtigkeit erhöht ein Volk“, S. 5.
I. Das Eherecht im Bayern des Ancien Régime ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799 1. Übersicht Die Untersuchung beginnt mit dem Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (CMBC) von 1756, der aus der Regierungszeit von Max III. Joseph (1745–1777) stammt. Wir befinden uns in der Zeit des Ancien Régime, also vor der französischen Revolution von 1789. Die Regierungszeiten von Max III. Joseph (1745–1777) und Karl Theodor (1777–1799) markieren für Bayern den Ausklang dieses Régimes; es wird auch vom „Ende des alten Bayern“1 gesprochen. Diese Zeit trägt jedoch bereits den Keim für die umwälzenden Entwicklungen nach der französischen Revolution in sich, die in Bayern mit dem Regierungsantritt Max IV. Joseph zur Jahrhundertwende einsetzen werden.2 Aufgrund seiner Erziehung durch Stadler3 und vor allem Ickstatt4, die aufgeklärtem Gedankengut nahestanden, war Max III. Joseph zu staatlichen Reformen bereit.5 Diese betreffen vor allem auch das Verhältnis von Staat und Kirche. Unterstützung in dieser Richtung erhielt Max III. Joseph auch durch Peter von Osterwald6, einem Vertreter des Gallikanismus in Bayern, der in seiner anonym veröffentlichten Schrift „Veremund’s von Lochsteins Gründe sowohl für als wider die geistliche Immunität in zeitlichen Dingen“, seine wesentlichen Vorstellungen zum Verhältnis von Kirche und Staat niedergeschrieben hatte.7 Zu diesen staatlichen Reformen gehört ein umfassendes Gesetzgebungswerk,8 das drei Gesetzbücher hervorgebracht hat: den Codex juris Bavarici criminalis von 1751, den Codex juris Bavarici judiciarii von 1753 und 1
HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 983. HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 985–1033; Kleeberger, Gesetzgebung, S. 5; vgl. zu dieser Zeit auch Gimbel, Wandel, S. 8 ff. 3 Stadler, Alois Martin in: ADB/v. Oefele, Bd. 55, S. 380. 4 Ickstatt, Johann Adam in: ADB/v. Oefele, Bd. 13, S. 740 f. 5 HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 988, 1035: Ickstatt und Stadler „hatten ihm seine Verantwortung gegenüber allen Untertanen eingeprägt und ihn gelehrt, daß der moderne Fürst seine wahre Ehre nicht im Kriege gewinne, sondern durch friedlichen Aufbau und weitblickende Reformen für sein Land.“. 6 ADB/v. Schulte, Bd. 24, S. 525. 7 Lazik, Gerichtsbarkeit, S. 70. 2
2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756
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schließlich den CMBC von 1756. Ausgearbeitet wurden alle Gesetzbücher von dem Juristen und späteren Hofrat W. X. A. Kreittmayr9. Kurfürst Karl Theodor bewahrte im wesentlichen die landesherrlichen Rechte in kirchlichen Dingen, die Max III. Joseph für den Staat errungen hatte, obwohl eine größere Nähe zu kurialer Politik und weniger Toleranz zu beobachten ist.10
2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 (CMBC) a) Die vollständige Regelung des Eherechts im CMBC Der CMBC11 enthält eine vollständige Regelung des materiellen Eherechts, also nicht nur des Ehegüterrechts,12 sondern sämtlicher Voraussetzungen für die Eheschließung wie Abgabe des Konsenses der Brautleute13, Zustimmung der Eltern, Vormünder und der Obrigkeit,14 die für die Gültigkeit erforderliche Form,15 entgegenstehende Ehehindernisse16 sowie die Möglichkeiten einer Auflösung der Ehe17. Die Aufnahme des vollständigen Eherechts in ein Zivilgesetzbuch, also in eine weltliche Rechtsquelle, ist in Bayern etwas Neues. In dem vorher geltenden Gesetzgebungswerk des Kurfürstentums Bayerns, dem Landrecht von 1616,18 waren nur das Ehegüterrecht19 und die Morgengabe20 geregelt. 8
Vgl. auch HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 1073 ff.; Schlosser, Grundzüge, S. 97–99 m. w. N. 9 Kreittmayr, Wiguläus Xaver Aloys in: ADB/Eisenhart, Bd. 17, S. 102 ff. 10 Sicherer, Staat, S. 14 ff.; s. auch Habenschaden, ZRG Kan. 28 (1939), S. 333 ff. (338 f.) und Schwaiger, MtheolZ 10 (1959), S. 123 ff. (125). 11 Diese Zivilrechtskodifikation des Ancien Régime stellte den Auftakt der Naturrechtskodifikationen dar. Schlosser, Grundzüge, S. 99. 12 CMBC I 6 §§ 1–49. Davon betreffen das Eheschließungsrecht, §§ 1–11, das Eheauflösungsrecht, §§ 40–46, und die Pflichten und Rechte der Ehegatten während bestehender Ehe sowie das Ehegüterrecht i. w. S. §§ 12–38. 13 CMBC I 6 § 2. 14 CMBC I 6 § 4. 15 CMBC I 6 § 5. 16 CMBC I 6 §§ 6, 7, 8, 9, 10. 17 CMBC I 6 §§ 40–46. 18 Landrecht/Policey: Gerichts-Malefitz- und anderen Ordnungen. Der Fürstenthumben Obern und Nidern Bayrn 1616; siehe dazu auch HdBbayG/Albrecht, Bd II, S. 586 und die kritische Ausgabe des Landrechts von Günter, Das bayerische Landrecht 1616. 19 Landrecht Erster Titul, S. 1 ff.: „Von Heuratguet und Widerlegung/auch anderer Handlung zwischen Eheleuten.“.
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I. Das Eherecht ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799
Auch in der Landts- und Policeyordnung von 1616 finden sich lediglich vereinzelte Vorschriften über die Gestaltung des Hochzeitstages21, über das Ehehalten22 und den Ehebruch23, sowie Vorschriften für Heiraten von armen Leuten und die Einwilligung der Eltern24. Die übrigen Vorschriften des Eherechtes ergaben sich aus kirchlichen Quellen. Die Gesetzgebungskompetenz für das Eheschließungs- und -aufhebungsrecht oblag der katholischen Kirche25, wenngleich ein Streit darüber herrschte, ob die Zuständigkeit eine originäre oder eine vom weltlichen Herrscher abgeleitete sei.26 Allerdings verfügte die katholische Kirche über keine aktuelle Kodifikation des Kirchenrechts, also auch nicht des Eherechts. Die Quellenlage war äußerst schwierig und unübersichtlich. Kanonische Eherechtsregeln hatte Gratian 1140 in seinem Werk Concordia discordantium canonum, das als Decretum Gratiani bekannt ist, aufgezeichnet; diese Aufzeichnungen sind in den folgenden Jahrhunderten durch päpstliche Dekretalensammlungen ergänzt worden.27 Eine deutliche jüngere Quelle, die das kanonische Eherecht tiefgreifend, jedoch nur partiell veränderte, war das Dekret „Tametsi“ vom Trienter Konzil im Jahre 1563. Diese Neuerungen hatten aber nicht zu einer kompletten Überarbeitung und Neuzusammenstellung des kanonischen Eherechts geführt. Es existierten nur verschiedene lehrbuchartige Abhandlungen und Darstellungen. Daher ist die vollständige Aufnahme des Eherechts, auch wenn es ganz der kanonischen Praxis der Zeit entsprach,28 wie noch zu zeigen sein wird, in den bayerischen Kodex als eine besondere Leistung zu würdigen. Kreitt20
Landrecht, der ander Titul, S. 6 ff.: „Von Gebrauch und Freyheit der Morgen-
gab“. 21 Landts- und Policeyordnung der Fürstenthumben Obern und Nidern Bayern, Drittes Buch, Sechster Titul, S. 562 ff.: Ordnung wie fürohin die Heuratstäg und Hochzeiten/auch die Tauff-Kindlmahl/und Todtenbesingnuß sollen gehalten werden. 22 Landts- und Policeyordnung der Fürstenthumben Obern und Nidern Bayern, Viertes Buch, Zwölffter Titul, S. 659 ff.: Von den Ehehalten. 23 Landts- und Policeyordnung der Fürstenthumben Obern und Nidern Bayern, Fünfftes Buch, Neunter Titul, S. 701 ff.: Vom Ehebruch/Kuplerey und anderer sträflicher Leichfertigkeit. 24 Landts- und Policeyordnung von 1616 IV Art. 6, 9. 25 Das gilt nicht allein für Bayern, sondern auch für verschiedene andere Territorien, wo die „Staatsreligion“ das katholische Bekenntnis war. 26 Von einer originären Gesetzgebungskompetenz der Kirche geht bspw. Hergenröther, Lehrbuch, S. 417 aus. A. A. war Michl, Kirchenrecht, S. 306 ff. Letztere Auffassung fand vor allem im Absolutismus immer mehr Anhänger, weil damit der „Kunstgriff“ möglich war, daß diese delegierte Zuständigkeit jederzeit durch den weltlichen Herrscher widerruflich war. Die Reformatoren hatten sich von dieser Verteilung der Zuständigkeiten bezüglich des Eherechts gelöst. 27 HRG/Merzbacher, Corpus iuris canonici, Bd 1, Sp. 638 f. 28 Dazu unten Kap. I. 2. c.
2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756
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mayr war es lange vor einer neuen Kodifikation der katholischen Kirche gelungen, kirchliches Eherecht in einem Gesetzbuch festzuhalten.29 b) Kanonisches Eherecht wird zum staatlichen Eherecht Neben diesem bedeutenden Ordnungsaspekt hatte die Kodifizierung des Eherechts eine weitere bedeutende Folge. Das kanonische Eherecht war in einer weltlichen Quelle kodifiziert worden und galt nun aufgrund Herrscherbefehls, also aufgrund weltlichen, staatlichen Willens. Bislang hatte man die Geltung des kanonischen Rechts, zumindest was die älteren Quellen anlangte, mit der Omnipräsenz der Kirche begründet. Die Veränderungen des Eherechts durch das Dekret „Tametsi“ waren nur in Kraft getreten, so sah es das Dekret selbst vor, wenn es in dem betreffenden Gebiet zu einem Publikationsakt gekommen war. Für das bayerische Territorium ist eine einheitliche Veröffentlichung nicht festzustellen. Dies liegt darin begründet, daß die Veröffentlichung nicht Aufgabe des Kurfürsten bzw. des Papstes30, sondern der Bischöfe war. Für das Eherechtsdekret können flächendeckend für das bayerische Staatsgebiet im 18. Jahrhundert keine genauen Veröffentlichungsdaten ausgemacht werden.31 Allerdings ist davon auszugehen, daß das tridentinische Dekret im Laufe der Zeit immer größere Bekanntheit und Befolgung genoß.32 Kreittmayr war der Auffassung, daß die disziplinären Dekrete, wie auch das Eherecht, also jene, die Ordnungsrecht beinhalteten, im Unterschied zu den dogmatischen Dekreten, wo es um Glaubensinhalte ging, nur durch staatliche Rezeption Rechtsgeltung erlangen könnten.33 29
Der katholischen Kirche ist dies erst 1917 gelungen. Landau, FS für Kreittmayr, S. 122, spricht von päpstlicher Publikation des Dekretes Tametsi. Dies dürfte wohl in diesem Fall nicht zutreffen. Sondern die Promulgation war den Bischöfen übertragen worden, die dies an die Pfarreien delegierten. Nicht umsonst unterschied man je nach Veröffentlichungsstand und -vornahme tridentinische und vortridentinische Orte, was auch Auswirkungen auf die Eheschließung hatte. Vgl. dazu auch Salis, Publikation, S. 49 ff., insbesondere 63. 31 Eine Ausnahme bildet hier das Bistum Eichstätt, wo man das Datum genau kennt: 1585. Schnitzer, Eherecht5, S. 174 mit Fn. 6. Zur Publikation auch Friedberg, Eheschließung, S. 148; Michl, Kirchenrecht, S. 273. Jedenfalls war die Lage eine andere als in Frankreich, wo das Dekret in veränderter Form durch königliche Rechtsetzungsgewalt (Ordonnance von Blois, 1579) in Kraft gesetzt wurde, vgl. Conrad, ZRGGerm 67 (1950) S. 342 f. 32 Dies kann man indirekt aus mancher Quelle entnehmen, wo sich die Bischöfe in Auseinandersetzung mit staatlichen Behörden hinsichtlich eines Verbots der Eheschließung für arme Leute auf die Quellen des tridentinischen Ehedekrets berufen, vgl. Hausberger, Weihbischof, S. (63 ff.) 223 f. 33 Vgl. dazu auch die Aussage Kreittmayrs in seinen Anmerkungen zum CMBC, I 2 § 8 Nr. 2, S. 30 f.: „Von Conciliis Generalibus et Oecumenicis aber, welche die 30
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I. Das Eherecht ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799
Mit dieser Ansicht folgte Kreittmayr der Meinung gallikanischer Autoren zum Staatskirchenrecht, die eine unmittelbare Geltung von Rechtsnormen des Trienter Konzils aufgrund von Promulgation durch den kirchlichen Gesetzgeber bestritten.34 Für Landau35 hat „Kreittmayrs Unterscheidung innerhalb der Trienter Bestimmungen nur theoretische-grundsätzliche aber keine praktische Bedeutung“, da in Bayern „die Dekrete von Trient insgesamt publiziert und rezipiert“36 worden seien. Es kann aber, wie erwähnt, nicht von einer einheitlichen Publikation ausgegangen werden. Mit dieser Einschätzung Landaus wird die Leistung Kreittmayrs zudem heruntergespielt. Die Auffassung, es gelte ja sowieso kanonisches Eherecht, da mache es auch keinen großen Unterschied, weswegen dieses Recht gelte, verkennt nämlich, daß Kreittmayr mit dieser Form der Rezipierung das bislang kanonische Recht zum staatlich anerkannten bürgerlichen Eherecht gemacht hat, das eben auch oder ausschließlich aufgrund des Herrscherbefehls auf bayerischem Territorium galt. Dies entspricht ganz dem absolutistischen Staatsverständnis. Hierin ist eine deutliche Abgrenzungstendenz der Staatsmacht von der kirchlichen Macht zu sehen. Bayern verfügte damit über ein eigenes positives staatliches Eherecht.37 Das Eherecht des CMBC wird auch in späterer Zeit, also vor allem im 19. Jahrhundert als bürgerliches Ehegesetz bezeichnet.38 Es entsprach zwar inhaltlich dem kanonischen Recht seiner Zeit, war jedoch gegenüber päpstlichen Veränderungen autark39. Darin ist bereits eine erste Emanzipation der weltlichen Gewalt von der Kirche zu sehen. Es hätte durchaus die Mögganze Christenheit obligiren, ist das Tridentinische das letzte und merkwürdigste, hat jedoch auch nur quo ad Canones et Dogmata Fidei Vim obligandi universalem, dahingegen gilt solches quo ad Regulas Morum et Disciplinae andergestalt nicht als ex Receptione.“ Anm. CMBC V 19 § 44, S. 2192. Das übrige kanonische Recht hatte nur soweit Gesetzeskraft, „als [es] dem Corpori Juris inserirt, promulgirt, oder recipirt seynd“. Anm. CMBC I 2 § 8, S. 30. 34 Vgl. dazu Landau, FS für Kreittmayr, S. 122. Landau zitiert dafür folgende Autoren: Martin, V., Le Gallicanisme et la réforme catholique. Essai sur l’introduction en France des décrets du concile de Trente (1563–1615), Paris 1919; François, M., La réception du concile en France sous Henri III, in: Il concilio di Trento e la riforma tridentina (Roma 1965) S. 383–400. 35 Landau, FS Kreittmayr, S. 122. 36 Landau, FS Kreittmayr, S. 122 Fn. 7. 37 Dies verkennt Kleeberger, Gesetzgebung, S. 103 vor allem für die Begründung und Beendigung der Ehe mit dem Hinweis der anerkannten kirchlichen Gerichtszuständigkeit in Ehesachen, CJBJ 1 § 13, der gleichzeitig aber richtig den Unterschied zu Gesetzen, als Beispiel diente das Bamberger Landrecht, sieht, die nur auf rein zivilrechtliche Fragen des Eherechts eingehen, wie dies auch der Fall für das bayerische Landrecht von 1616 war. 38 Vgl. Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 233.
2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756
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lichkeit bestanden, diesen Bereich mangels Zuständigkeit nicht im CMBC zu regeln, so wie es in der vorherigen Gesetzgebung, dem bayerischen Landrecht von 1616, der Fall war, oder eine gleitende Verweisung in das kanonische Recht zu normieren, wie Kreittmayr dies für die genaueren Regeln der Dispensation vorsah, CMBC I 6 § 6. Mit einer solchen gleitenden Verweisung hätte das Eheschließungsrecht immer in der Form des jeweils aktuellen Kirchenrechts gegolten. Mit der vorliegend gewählten Form ist hingegen der status quo zum Gesetz geworden. Die kirchliche Gewalt wird nicht mehr als gleichberechtigte Gewalt betrachtet, nicht als Staat im Staat geduldet, sondern in den Staat integriert.40 Im staatlichen Machtbereich wird – wenn auch noch vorsichtig – der kirchliche Einfluß beschränkt, ein Bestreben, dessen Wurzeln in der Gedankenwelt der Aufklärung liegen.41 Damit ist im Eherecht des CMBC ein erster Schritt auf dem Weg zu einem bürgerlichen Eherecht zu sehen. Man kann nicht nur von zivilem Eherecht sprechen, wenn die Inhalte deutlich im Widerspruch zum kanonischen Recht stehen.42 Eine kanonistische Prägung der zivilen Eheordnungen ist allein wegen der Übernahme des Konsensprinzips und der öffentlichen Form bis heute in allen europäischen Rechtsordnungen nachweisbar. Kreittmayr stand mit seiner Konzeption nicht alleine; der Kurfürst hatte sie bewilligt.43 Wenige Jahre später teilte der geistliche Rat44 ausdrücklich diese Auffassung. Diese Abgrenzungstendenz des Staates ist beachtlich, 39 Dagegen könnte der Umstand sprechen, daß Kreittmayr in seinen Anmerkungen zum CMBC I 6 § 6, S. 110, schreibt, daß weiterhin der Papst nur berechtigt sei, trennende Ehehindernisse zu erlassen. Allerdings verlangte der bayerische Staat später, z. B. Verfassung von 1809, § 65 (vgl. Regbl. 1809, Sp. 909 f.), daß kirchliches Recht, das in Bayern in Kraft treten sollte, durch Plazet genehmigt werden müsse. Damit war der Kirche doch nicht ohne weiteres möglich, das geltende Eherecht in Bayern zu ändern. 40 Das verkennt Kleeberger, Gesetzgebung, S. 50 ff. 41 Schwarz, Gesetzgebungswerk, S. 103. 42 Dazu Coing, Privatrecht, Bd II, S. 306: „Was die Form des Eheschlusses angeht, so haben sich bei den gesetzlichen Regelungen die bereits erörterten weltanschaulichen und politischen Gegensätze ausgewirkt. Es stehen sich daher unterschiedliche Systeme gegenüber: manche Rechte, die an der kirchlichen Form festhalten, aber trotzdem die Voraussetzungen einer gültigen Ehe selbst regeln; andere erklären konsequenterweise auch hierfür das kirchliche Recht für maßgebend.“ 43 Schwarz, Gesetzgebungswerk, S. 103. 44 Vgl. die Denkschrift des geistlichen Rates vom 30. November 1769 aus der Handschrift der Königlichen Bibliothek in München Cod. bavar. No. 389 fol. 98, zitiert nach Friedberg, Gränzen, S. 258, Fn. 1: „Sonst wird überhaupt widersprochen das in Bayrn extra res fidei das Trident. Concilium schlechterdings angenohmen worden, da man factis ipsis villen stücken bis heutigen Tag contradiciert hat, und eine bischöfliche Publikation allein sine placito regio den Landsfürsten nicht binden kan.“
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I. Das Eherecht ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799
weil nach Ansicht der katholischen Kirche, anders als nach protestantischer Auffassung, die Gesetzgebungskompetenz bei der Kirche lag. Bei den protestantischen Landesherren ist es schon seit der Reformation zu beobachten, daß Eherechte verfaßt werden. Der bayerische Kurfürst nahm damit gleiches Recht wie die Fürsten protestantischer Konfession wahr.45 Hierin ist Ausübung seiner absolutistischen Herrschaftsgewalt zu sehen.46 Damit geriet er zunächst nicht in Konflikt mit der Kurie, weil er inhaltlich keine vom kanonischen Recht abweichenden Normen erlassen hatte. Die von der Kirche beanspruchte Gesetzgebungsgewalt wurde noch nicht spürbar berührt. c) Inhaltliche Gestaltung Inhaltlich greift die gängige Beurteilung des Eherechts im CMBC vielfach zu kurz. Die bisherige Literatur zum CMBC sieht die Eherechtsvorschriften, sofern man dem Eherecht überhaupt Beachtung geschenkt hatte, pauschal als übernommenes kanonisches Eherecht.47 In der Tat entsprechen die Vorschriften im wesentlichen dem kanonischen Eherecht48 und damit den Bedürfnissen und der gängigen Auffassung im katholischen Bayern.49 Das Wesen der Ehe als unzertrennliche Geschlechtsgemeinschaft, die Eheschließung durch den Konsens der Brautleute in der Öffentlichkeit, also vor dem Priester und mindestens zwei Zeugen50, und die Ehehindernisse (bei den trennenden das Hindernis der Priesterweihe und der Ordensgelübde51, das Ehehindernis wegen Verschiedenheit des Glaubens52, also zwischen Christen und Nichtchristen, oder auch wegen geistlicher Verwandtschaft53 oder aber auch bei den aufschieWasserschleben, Gutachten, I, S. 253 ff. (254); Schnitzer, Eherecht5, S. 52. Zur Staatslehre Kreittmayrs: Conrad, Absolutismus, S. 15; Gierke, Bd. IV, S. 456 rechnet Kreittmayr zu den Vorkämpfern der landesherrlichen Machtvollkommenheit. Vgl. dazu auch: Quint, Souveränitätsbegriff, S. 62 ff.; Kleeberger, Gesetzgebung, S. 30, 34. 47 HdB PrRG/Buchholz, Bd III, Tlbd 2, S. 1641; Sicherer, Eherecht, S. 3; Coing, Auseinandersetzung, S. 1089; Friedberg äußert sich in „Das Recht der Eheschließung in seiner geschichtlichen Entwicklung“ von 1865 etwas differenzierter, vgl. S. 149; Leisching, Vertrag, S. 139. 48 So auch Landau, FS, S. 135. 49 Das Verlöbnisrecht wurde im CMBC parallel zu den Eherechtsvorschriften mitgeregelt. „Dann es sihet gar zu viehisch und unvernünftig aus, wann man ohne vorläufiger Abred so wilderdings, wie ein toller Hengst in den Ehestand rennt.“ vgl. dazu auch Anm. CMBC I 6 § 2, S. 102 f. 50 CMBC I 6 § 5. 51 CMBC I 6 § 8, 3, 4. 52 CMBC I 6 § 8, 7. 45 46
2. Das Eherecht des Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756
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benden Ehehindernissen, das Hindernis nicht in den Fastenzeiten eine Hochzeitsfeier abzuhalten oder Publicae Honestatis) berücksichtigen die katholische Vorstellung von der Ehe.54 Außerdem kennt der CMBC bei vollzogener Ehe55 nur die Ehescheidung von Tisch und Bett und nicht dem Bande nach56. Allerdings faßt Kreittmayr dies als Ausnahme zum Grundprinzip der Scheidung einer Ehe dem Bande nach auf, denn in § 4057 heißt es einfach allgemein, daß eine geschlossene Ehe wieder aufgehoben werden könne und § 4158 schränkt diese Möglichkeit in der ebengenannten Weise für Katholiken ein. Interessant ist vor allem aber, daß Kreittmayr in seinen Anmerkungen zu den einzelnen Vorschriften als Belegstellen nicht das corpus iuris canonici mit den Sammlungen von Gratian und den päpstlichen Dekretalen, sondern verschiedene, meist deutsche Rechtsgelehrte zitiert. Nur ganz ausnahmsweise beruft er sich auf kirchliche Quellen, wenn es um die Veränderungen durch das tridentinische Konzil geht.59 Noch seltener finden sich im Gesetzestext selbst Verweise auf „geistliches Recht“.60 Zu den meistzitierten Autoren im Eherecht gehören Engel, Böhmer, Lauterbach, Reiffenstuhl, Pichler, Moser, Struv und Stryk. Dabei handelt es sich nicht bei allen um Kanonisten, sondern es sind auch Rechtsgelehrte dabei, die sich 53
CMBC I 6 §§ 8; 9, 2. CMBC I 6 § 6 ff. 55 Man unterschied zwischen dem matrimonium ratum und consumatum. Unter ersterem verstand man die nur die vor dem Priester geschlossene Ehe, die wohl auch gültig, aber erst mit der Vollziehung des Beischlafes (consumatum) nicht mehr lösbar war. So ist es auch von Kreittmayr im CMBC I 6 § 1 normiert. 56 CMBC I 6 §§ 40, 41. 57 CMBC I 6. 58 CMBC I 6. 59 Bei der Eheschließungsform und der nur notwendigen passiven Assistenz des Priesters, Anm. CMBC I 6 § 5, S. 109 f.; bei der Einwilligung der Eltern, der Obrigkeit bei der Verehelichung von armen Leuten Anm. CMBC I 6 § 4, S. 106, 108; im Bereich des Ehehindernisrechtes beim Zwang, Anm. CMBC I 6 § 8, 1 S. 112, bei der Priesterweihe und der Gelübde der Keuschheit, Anm. CMBC I 6 § 8, 3, 4 S. 111, bei der Polygami, Anm. CMBC I 6 § 8, 5 S. 111, der gewaltsamen Entführung, Anm. CMBC I 6 § 8, 9 S. 113, der geistigen Verwandtschaft, Anm. CMBC I 6 § 9 S. 114, bei einem Hindernis, das die Ehe nur unerlaubt macht, bei Heiraten während der Fastenzeit, Anm. CMBC I 6 § 7, S. 111 und schließlich bei der Nichtscheidbarkeit der vollzogenen Ehe außer durch den Tod, Anm. CMBC I 6 § 41, S. 173 f. Allerdings verweist Kreittmayr nicht auf alle Regelungen des Dekrets „Tametsi“, besonders bemerkenswert ist, daß er beim Wesen der Ehe nicht auf das tridentinische Dekret verweist, obwohl dies nochmals ausführlich die Sakramentsnatur der Ehe bespricht. Zu ihr äußert sich Kreittmayr auch in den Anmerkungen nicht. 60 Bei der Form der Eheschließung CMBC I 6 § 5 wird auf die tridentinische Veränderung hingewiesen. 54
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generell zum Zivilrecht geäußert haben, oder aber sich mit der reformatorischen Lehre beschäftigt haben und dieser nahe standen. Engel61, Reiffenstuhl62 und Pichler63 waren Kanonisten an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert. Lauterbach64, Moser65, Struv,66 Stryk67, Böhmer68 waren überwiegend Zivilisten mit Ausnahme von Moser, der überwiegend Staatsrechtler war und Böhmer, der sich insbesondere auch mit Kirchenrecht befaßte. Diese Autoren waren zum Teil Anhänger der reformierten Konfession69 oder hatten sich mit den Lehren der Reformatoren auseinanderge61 Engel, Ludwig, (†1674) hatte eine Professur für kanonisches Recht in Salzburg inne. Vgl. ADB/v. Schulte, Bd. 6, S. 117 f. 62 Reiffenstuhl, Johann Georg (*1641, †1703) war Kanonist und Moraltheologe und hatte seit 1683 eine Professur am bischöflichen Lyceum in Freising. Sein Hauptwerk ist das „Jus canonicum universum“, das für seine „Vollständigkeit der Darstellung, der Berücksichtigung fast aller für das Rechtsleben wichtigen Fragen, der eingehenden Herbeiziehung des Conzils von Trient, der päpstlichen Constitutionen und der Entscheidungen der römischen Behörden“ gelobt wird. Vgl. ADB/ v. Schulte, Bd. 27, S. 695 f. 63 Pichler, Vitus (†1736) war Kanonist. Er war Jesuit und hatte am Colleg in Augsburg eine Professur der Theologie. Er wurde 1716 Professor des canonischen Rechts als Nachfolger von Schmalzgruber. Vgl. ADB/v. Schulte, Bd. 26, S. 108 f. 64 Lauterbach, Wolfgang Adam (*1618, †1678) war Rechtsgelehrter und hatte seine Ausbildung im Recht in Jena und Leipzig absolviert und wurde in Tübingen zum Doktor beider Rechte promoviert, wo er 1648 den Lehrstuhl für Pandekten erhielt. Sein bekanntestes Werk ist das Compendium juris, brevissimis verbis sed amplissimo sensu et allegationibus universam fere materiam juris exhibens. Vgl. ADB/ Eisenhart, Bd. 18, S. 75–78. 65 Moser, Johann Jacob (*1701, †1785) machte keine geradlinige Karriere, sondern wechselte vom Professorendasein in Regierungsdienste unterschiedlicher Fürsten. Er war aber immer seinem reformierten Glauben treu geblieben und hatte sich nicht zum Katholizismus konvertiert, wenn dies auch seiner Karriere am österreichischen kaiserlichen Hof dienlicher gewesen wäre. Sein Hauptinteresse galt dem Staats- und Völkerrecht. In diesem Fach entstand auch sein anerkanntestes Werk „Teutsches Staatsrecht“ in mehreren Bänden, das von Kreittmayr auch im Eherecht zitiert wurde. ADB/Schulze, Bd. 22, S. 372–382. 66 Struve, Georg Adam (*1619, †1692) war u. a. Professor an der Universität Jena. Seine Bekanntheit hatte er durch sein Lehrbuch „jurisprudentia romano-germanica forensis“ erworben. Stolleis/Luig, S. 591 f. 67 Stryk, Samuel (*1640, †1710) wirkte hauptsächlich an den Universitäten Frankfurt a. d. Oder und Halle. Sein Hauptwerk ist ein Pandektenkommentar, der usus modernus pandectarum bezeichnet wird, nach dem eine ganze Epoche im Recht benannt wurde. Vgl. Stolleis/Luig, S. 592. 68 Böhmer, Justus Henning (*1674, †1749) begann seine Professorenkarriere in Halle. Er war einer der Hauptvertreter des usus moderni pandectarum in der Nachfolge von Stryk. Besonderes Verdienst kommt ihm aber im Bereich des Kirchenrechts zu, weil er als erster das evangelische Kirchenrecht auf der Grundlage des kanonischen Rechts systematisch bearbeitete, vgl. Böhmers Hauptwerk „Ius ecclesiasticum protestantium“ (1714–1737). Vgl. Stolleis/Landau, S. 93. 69 So Moser ADB/Schulze, Bd. 22, S. 372.
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setzt bzw. hatten ihre Ausbildung oder Lehrtätigkeit an den reformierten Universitäten aufgenommen. Zu dieser Zeit veränderte sich erstmals auch die strenge Abriegelung Bayerns gegenüber akatholischen Schriften.70 Die Zitate von evangelischer Kirchenrechtsliteratur lassen sich auch damit erklären. Kreittmayr war also offen gegenüber der Literatur seiner Zeit und bezog sein Wissen und seine Lösungen nicht ausschließlich von Kanonisten. Es überrascht aber um so mehr, daß er das corpus iuris canonici nicht zitierte, da ihm eine Neuausgabe von Böhmer im Jahr 1747 zur Verfügung gestanden haben dürfte. Damit hatte Kreittmayr aus der Zusammenschau der verschiedenen deutschen Autoren die in Deutschland gängige Praxis, natürlich unter Berücksichtigung der bayerischen Eigenheiten, zur Norm erhoben. Das verkennt Landau, der davon ausgeht, Kreittmayr folge der allgemeinen Auffassung der Kanonisten.71 Für diese Annahme sprechen auch die folgenden Umstände: Bei den „nur strafbaren“ Ehehindernissen nimmt Kreittmayr von den ursprünglich 12 nur noch die „Übung befindlichen“ in den CMBC auf.72 Dazu gehörten die dreimalige Verkündung, das Verbot großer Hochzeitsfeierlichkeiten in den Fastenzeiten, andere Kirchenverbote, ein mit einer anderen Person bestehendes Eheverlöbnis und das einfache Gelübde der Keuschheit.73 d) Die Einwilligung Dritter zur Eheschließung Daß Kreittmayr gerade auch nicht durch kanonisches Recht geprägte Regelungen kodifizierte, wird an der ausführlichen Regelung der Einwilligung Dritter zur Ehe74 deutlich.75 Dritte sind Eltern, Vormünder und die Obrigkeit. Fehlte die Einwilligung dieser Personen, war zwar die Ehe nicht ungültig, aber unerlaubt, weil dies gegen die Ehrbarkeit verstoße; deshalb setzte man die Eheleute empfindlichen Vermögensstrafen aus. Für das kanonische Recht war seit dem 12. Jahrhundert nur noch der Konsens der Eheleute wesentliche Voraussetzung der Eheschließung (consensus facit nuptias), so daß andere Förmlichkeiten für die Gültigkeit der Eheschließung keine Rolle mehr spielen sollten.76
70 71 72 73 74 75 76
Sicherer, Staat, S. 6. Landau, FS Kreittmayr, S. 135. Anm. CMBC I 6 § 7, S. 110 unter Verweis auf Pichler. CMBC I 6 § 7 Nr. 1–5. Gleiches galt für das Verlöbnis CMBC I 6 § 4. CMBC I 6 § 4. HRG/Schwab, Heiratserlaubnis, Bd 2, Sp. 60 ff.
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aa) Einwilligung der Eltern Mit seiner Regelung zur Einwilligung der Eltern setzte sich Kreittmayr zwar grundsätzlich nicht in Widerspruch zu kanonischem Recht, da ein Verstoß gegen die vorgesehene Förmlichkeit nicht die Ungültigkeit der Eheschließung zur Folge hatte, aber die Entscheidung für den Inhalt dieser Regelung rechtfertigte er, soweit er im Einklang mit kanonischem Recht stand, als auch bezüglich festgesetzter Sanktionen bei Außerachtlassung dieser Vorschrift ganz mit bestehendem bayerischen Statuarrecht77. Kreittmayr folgte der kanonischen Ansicht, daß vor allem der Einwilligung der Eltern nur moralisch-sittliche Bedeutung zukomme.78 Diese Auffassung hatte sich auf dem tridentinischen Konzil durchgesetzt.79 Dabei spielte die Abgrenzung zu den reformierten Auffassungen eine besondere Rolle, weswegen alle, die behaupteten, eine Ehe sei ohne die Einwilligung der Eltern ungültig, unter Anathem gestellt wurden.80 Gleichwohl brachte das Dekret „Tametsi“ zum Ausdruck, daß Ehen ohne elterliche Einwilligung „verabscheut und untersagt“ würden.81 Somit heißt es in den Anmerkungen Kreittmayrs zu diesen Einwilligungen, daß der Konsens der Eltern zu Eheschließung nur aus Anstand und Ehrbarkeit, de honestate, und nicht notwendigerweise, de necessitate, einzuholen sei.82 Allerdings sah das „Jus Statutarium Bavaricum“,83 wie die Regelungen das Landrechts von 1616 zeigen,84 abweichend vom kanonischen Recht bei 77
Anm. CMBC I 6 § 4, S. 106. Im Unterschied zu den österreichischen Vorschriften im Codex Theresianus I Caput III § I, 8, zitiert nach Harrasowsky, Philipp Harras von, Codex Theresianus, Bd. I, Wien 1883, S. 88, ist die Einwilligung der Eltern nicht an ein bestimmtes Alter der Kinder geknüpft. Im Codex Theresianus geht es aber um die Gültigkeit des Verlöbnisses. Im Gegensatz dazu formuliert gleiches das Josephinische Ehepatent vom 16. Jenner 1783, § 3, zitiert nach einer Ausgabe aus Gräz 1801, S. 11 für die Eheschließung. Von der Anordnung der Ungültigkeit der Ehe bei fehlender Einwilligung ist der CMBC noch weit entfernt. Vielmehr wird die Ausrichtung nach dem kanonischen Recht betont, wo es nur um den moralisch-sittlichen Aspekt geht, und damit unabhängig vom Alter von den Kindern erwartet wird, aber ohne Auswirkung auf die Gültigkeit ihrer Eheschließung. Nichtsdestotrotz sind aber die zu erwartenden Vermögensstrafen je nach Alter verschieden. Vgl. unten Kap. I. 5. 79 Kreittmayr geht auf diese unterschiedlichen Ansichten zu diesem Thema kurz in seinen Anmerkungen ein. Das Trienter Konzil habe Klarheit gebracht. Anm. CMBC I 6 § 4, Nr. 1, S. 105 f. 80 Schnitzer, Eherecht 5, S. 290; Schulte, HdB, S. 322 f. und Fn. 9: 1 de ref. Matr. Sess. 24; vgl. dazu auch die Regelungen späterer Zivilgesetzgebungen mit protestantischer Prägung wie das ALR oder auch der erste Entwurf von Cocceji Project corporis iuris Fridericiani von 1749/51 Part. I Libr. II Tit. III § 5, Art. I § 34 II. 81 Schnitzer, Eherecht 5, S. 290 Fn. 3. 82 Anm. CMBC I 6 § 4, 1, S. 106. 78
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nichteingeholter Einwilligung empfindliche Vermögensstrafen vor. Deswegen mußte nun auch § 4 des ersten Teils Kapitel 6 des CMBC dieses landesübliche Recht kodifizieren85, wenn auch in gänzlich überarbeiteter Form86. Die Strafen reichen vom Verlust des Anspruches auf das Heiratsgut, der Aussteuer (Fertigung), der Heimsteuer oder anderer Hilfe bis zum Verlust des vollen Erbrechts. Die hier angeordneten Strafen gelten auch für die Ahnherren und -frauen, wenn die Eltern nicht mehr am Leben sind. Allerdings machen sich nur Kinder strafbar, die „noch unter Vätterlicher Gewalt, oder in der Eltern Pfleg und Unterhalt stehen, annebens der Sohn das 30iste, die Tochter das 25iste Jahr noch nicht erfüllet habe, und endlichen auch denenselbigen unter solchen Jahren von ihren Elteren bereits eine andere anständige Heyrath angetragen, oder wenigst keine Hindernuß daran im Weeg gelegt worden seye.“87 Damit hatte man ein geeignetes Mittel gefunden, diese Einwilligungen durchzusetzen, ohne mit der katholischen Kirche in Konflikt zu geraten. Daß dieser Regelung durchaus eine große Bedeutung zukam, ist vor allem ihrer Stellung im Gesetz zu entnehmen. Sie steht gleich nach der Einwilligung der Brautleute, also dem ehestiftenden Konsens, und nicht etwa bei den Ehehindernissen, obschon die Wirkung einem aufschiebendem Ehehindernis gleichkam. Es wird auch begrifflich gleichermaßen von der Einwilligung der Brautleute und jener der Eltern und Vormünder gesprochen, nicht etwa von Genehmigung oder Zustimmung. Das Gesetz räumte den Brautleuten einen Schutz vor elterlicher Willkür ein, indem die Einwilligung der Eltern, die ausdrücklich oder stillschweigend gegeben werden konnte,88 von der Obrigkeit ersetzt werden durfte, wenn die Eltern sie ohne offenbaren Grund „hartnäckig verweigerten“.89
83
Anm. CMBC I 6 § 4 Nr. 1, S. 106. Landrecht T. 40 Art. 9. 85 CMBC I 6 § 4, 2–6. Aber auch partikuläre Synoden haben dergleichen Ehen verboten und die einzelnen Übertreter mit Strafen belegt. Vgl. dazu Schulte, HdB, S. 323 f. und Fn. 10. 86 Anm. CMBC I 6 § 4, 1, S. 106: Der neue Kodex habe diese Vermögensstrafen in eine wesentlich differenziertere Ordnung gebracht. Letztlich handele es sich bei der Regelung um „eine blosse Miscellanz von dem Jure Romano, Canonico & Germanico antiquo“. Aus dem römischen Recht stammt hauptsächlich, die Unterscheidung nach gewaltabhängigen Kindern oder bereits aus der Gewalt der Eltern gelösten, und aus dem germanischen Recht stammt die Beurteilung der Ehen nach standesgleichen oder -ungleichen und die Einteilung nach Alter. 87 CMBC I 6 § 4, 6. 88 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 106 f. 89 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 107. 84
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bb) Einwilligung der Vormünder und „nächsten Befreundten“ Die erforderliche Einwilligung der Vormünder oder „nächsten Befreundten“ in die Ehe ihrer Pflegekinder90 führte Kreittmayr ausschließlich auf bayerisches oder germanisches Gewohnheitsrecht zurück.91 Auch bei Verstoß gegen diese Vorschrift drohten Strafen.92 Männer, die das 21. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten, kamen ins Gefängnis, und Frauen, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht hatten und sich an Männer von ungleichem Stand verehelicht hatten, drohte der Verlust des Vierten, oder sofern es gar eine „schlechte, leichtfertige oder verleumdte Person“ wäre, des dritten Teils ihres väterlichen oder mütterlichen Erbes, es sei denn, es wäre kein „Befreundter“ mehr am Leben, dem „diese verwürkte Portion von Rechtswegen zufallen könte“. Daß es sich bei diesen Vorschriften nicht um kanonisches Recht handelte, zeigt auch ein Blick in die modernen Kodifikationen der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Im CIC von 1917 und 1983 findet man keine Vorschrift zur Einwilligung der Eltern oder Vormünder. cc) Obrigkeitliche Bewilligung Neben der elterlichen und vormundschaftlichen Einwilligung regelt § 4 auch die obrigkeitliche Einwilligung.93 Zum einen bedurften die hohen und niederen Bedienten und Offizialen94, zum anderen die armen und „unvermöglichen“ Personen95 der kurfürstlichen Einwilligung. Mit dieser Regelung knüpfte der CMBC an eine bereits bestehende Praxis an.96 Was die armen und „unvermöglichen“ Personen betrifft, enthielt schon das Landrecht von 1616 Vorschriften, die die Verehelichungsfreiheit dieser Personen beschränkten, um die Armut im Staat besser kontrollieren und eindämmen zu können.97 Die Prinzipien der Gesetzgebung von 1616 be90
CMBC I 6 § 4. Anm. CMBC zu I 6 § 4, 8, S. 107: Nach römischem und kanonischem Recht sei diese Zustimmung zur Verlobung und Heirat nicht erforderlich. 92 CMBC I 6 § 4 und Anm. CMBC I 6 § 4 unter Verweis auf das vorige Landrecht T. 40 Art. 9. 93 CMBC I 6 § 4 Nr. 10 und 11. 94 CMBC I 6 § 4, 10. 95 CMBC 6 § 4 Nr. 11. 96 Vgl. auch die weiterhin ergehenden Mandate in diesem Bereich, dazu weiter unten Kap. I. 3. und II. 3. 97 Das Landrecht von 1616 enthielt Vorschriften zur Regelung des Bettels, der durch die Kontrolle der Eheschließungen verhindert werden sollte. Diese Vorschriften werden deswegen auch zum sogenannten „öffentlichen Verehelichungsrecht“ ge91
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züglich der Armenversorgung, der Heimat, der Verehelichung und der Ansiedlung unvermöglicher Leute behaupteten auch in den folgenden Jahrhunderten ihre Geltung, unter anderem in dem Signat vom 17. September 1728.98 Auch mit der Vorschrift obrigkeitlicher Einwilligung für arme und unvermögliche Leute übernahm Kreittmayr kein Kirchenrecht. Im Vordergrund stand aus Kreittmayrs Sicht ein legitimes Staatsinteresse99, das auch mit Hilfe von Strafdrohungen durchgesetzt werden konnte.100 Die Eheschließungsfreiheit sollte aus der Sicht Kreittmayrs nicht auf Kosten des Gemeinwesens mißbraucht werden können. Deswegen dürfe auch die „Favor & Libertas Sacramenti“, die von den Pfarrern und Seelsorgern vorgeschützt werde, nicht als Entschuldigung dienen. „Dann so gefreyt und begünstiget auch der von Gott selbst unmittelbar eingesetzte Ehestand immer seyn mag, kann sich doch die Freiheit desselben nimmermehr so weit erstrecken, daß das ganze gemeine Wesen hierunter zu leiden haben solle, und da Favor & Libertas Sacramenti bey der Priesterweihe nicht hindert, daß all jene, welche mit hinlänglichen Vermögen nicht und titulo mensae nicht versehen seynd, davon ausgeschlossen werden; so siehet man die geringste Disparität nicht, warum solches nicht auch in Sacramento Matrimonii ex eadem vel fortiori ratione geschehen könne und solle.“101 Kreittmayr hatte damit ausgesprochenes Ordnungsrecht in das zivile Eherecht integriert. Dadurch unterstützte er das damalige Staatsverständnis, Fürsorgepflichten für die Allgemeinheit wahrzunehmen.102 Diese Vorschriften mazählt. Vgl. dazu Faber, Verehelichungsrecht, S. 5 und Riedel, Kommentar, S. 2 Das Landrecht von 1616 hatte seinerseits Anleihe bei reichsrechtlichen Bestimmungen genommen. Vgl. Riedel, Kommentar, S. 1, 2. Zur inhaltlichen Gestaltung der Vorschriften im Landrecht von 1616 und deren Wertung vgl. Faber, Verehelichung, S. 6, 7 und Riedel, Kommentar, S. 4. 98 Döllinger, Verordnungen, Bd XIV S. 578; vgl. auch: Riedel, Kommentar, S. 7. 99 „Also hat es mit arm- und unvermöglichen Leuten die nemliche Beschaffenheit, dann dergleichen Ehen seynd dem gemeinen Wesen wegen des beschwerlichen Unterhalts solcher Leuten und ihrer Kindern höchst schädlich und nachtheilig, indem sie sich selbst auf ehrliche Weis nicht zu nähren vermögen, folglich entweder rauben und stehlen, oder dem Publico sonst zu Last fallen müssen.“ Vgl. Anm. CMBC I 6 § 4, 11, S. 108. Zusätzlich führt Kreittmayr in diesem Zusammenhang ein fürstl. Bischöfl. Patent Augspurgischer Diöces an vom 14. Mai 1737. Dort heißt es: „Quemadmodum salutem publicam supremam in Republica Legem judicamus, ita volumus, ut nec proprii Parochiani Pauperes & mediis pro honesta eorum & Liberorum inde progenitorum sustentatione destitui anseque legitimo attestato a Domino Territoriali aut Magistratu vel loci Praefecto, quod sint tolerati & ut Subditi in Loco recepti Matrimonio jungatur.“. 100 Vgl. Codex Criminalis P.I C. II. § 7. Auch war daneben üblich, daß den unvermöglichen Brautleuten, den für sie notwendigen Unterhalt von Temporalien desjenigen Pfarrers geweiht wurde, der sie „ungebührlicher Weis“ verehelicht habe. Vgl. CMBC I 6 § 4, 11, S. 108. 101 Anm. CMBC I 6 § 4, 11 S. 108.
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chen deutlich, welches Interesse der Staat an der Kontrolle und Mitwirkung des Eherechtes hatte, und daß das Eherecht mehr als nur eine privatrechtliche Komponente umfaßt. Wenngleich Kreittmayr an dieser Stelle sicher kein kanonisches Recht normierte, so setzte er sich trotzdem nicht in Widerspruch zum kanonischen Recht, da diese Vorschriften keine Sanktionen enthielten, die die Gültigkeit der Ehe als solcher in Frage gestellt hätten. Außerdem hatte das tridentinische Konzil solche Einwilligungen bzw. staatliche Kontrollen für arme und nicht seßhafte Personen durchaus empfohlen und sogar die Verehelichung „vagirender, unbekannter Leute“ ausdrücklich verboten.103 Trotz dieser Konzilsregelung war es bereits am Anfang des 18. Jahrhunderts zu Auseinandersetzungen mit den Bischöfen gekommen, weil die Regierung ein allgemeines Eheverbot für die unvermögenden, nicht seßhaften Personen, besonders für die Angehörigen der bayerischen Truppen einzuführen versuchte.104 Diese Umstände hatten Kreittmayr aber nicht davon abgehalten, das Erfordernis obrigkeitlicher Bewilligung in das Zivilgesetzbuch aufzunehmen und sogar die obrigkeitliche Heiratsbewilligung für die „hoh als niedern Churfürstl. Bedienten und die Offizialen“ zu verlangen.105 Diese Einwilligungen hatten ähnliche Gründe wie bei unvermögenden Leuten. Der Staat wollte sich vor armen Leuten und bei Beamten vor allem vor zu großen Belastungen hinsichtlich der Unterhaltung der Witwen und Kinder schützen. Der Staat etablierte also sein eigenes „Eheordnungsrecht“, das, aufgrund empfindlicher Sanktionen, nicht so leicht umgangen
102
Dazu Müller, Wohlfahrt, S. 81 ff. Kreittmayr beruft sich auf das Concil. Trient. Sess. 24 de Reform C. 7. Vgl. Anm. CMBC I 6 § 4, 11 S. 108. 104 Pfeilschifter, Kongreß, S. 80 ff.; vgl. dazu Bettelmandate v. 24. März 1737 und vom 6. 1726 (L). Im Bettelmandat v. 24. III 1737 § 14 (L) war beispielsweise verordnet: „und letztlich will man alle Beamte und Obrigkeiten auf die wegen verbottener Zusambheyrathung der Armen und Pettl-Leüth so vilfältig erlassen heylsambe Mandata nochmahlen und ultimo mit allem Ernst angewiesen und denselben die Darobhaltung solchergestalten hiemit ernstlich aufgetragen haben, daß wofern sie Obrigkeiten gleichwohlen solch verbottene Zusambheyrathung gestatten, oder da solche haimblich ohne ihr Vorwissen mit der Einseegnung erschlichen worden, sie die Übertretter nit alsogleich auf einen Karren außer Lands verführen lassen werden, man derley Leuth mit der Umgestaltung keineswegs denen Gemeinden zuschieben, sondern ihnen Obrigkeiten, solche ex propriis zu ernähren, zuschaffen würde, in welchem Punkt auch mit denen Herrn Ordinariis weitere Correspondenz gepflogen werden solle“. Ebenso VO vom 27. Juli 1756 Sammlung der neuest und merkwürdigsten Churbayrischen Generalien 1771, II. Auch für das Regensburger Bistum sind derartige Spannungen zwischen Regierung und bischöflichem Konsistorium für die Zeit Anfang des 18. Jahrhunderts überliefert. Vgl. dazu Hausberger, Weihbischof, S. 224 f. 105 CMBC I 6 § 4 Nr. 10 und Anm. CMBC I 6 § 4, S. 107. 103
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werden konnte. Dieses Recht nahm er auch ohne die Billigung durch die Kirche wahr.106 dd) Ausnahmen Von diesen Vorschriften zur Einwilligung ausgenommen waren die Kurfürsten und Stände des Reichs. Sie gaben ihre Verehelichung dem Kayserlichen Hof an – aus geziemenden Gründen, nicht wegen des Konsenses.107 Auch des Konsenses der Landstände bedürfen die Landesherren nicht, wenn nicht durch Vertrag etwas anderes bestimmt worden war.108
ee) Die Rechtfertigung der Sanktionen gegen Ehen, die ohne erforderliche Einwilligung geschlossen wurden Alle Ehen, die gegen die Einwilligungsvorschriften verstießen, bezeichnete man als Winkelehen. Für den Abschluß einer solchen Ehe waren nicht nur diejenigen zu bestrafen, die die Ehe eingingen, sondern auch jene, die einen solchen Eheschluß fördern.109 „Bey vorfallenden Zweifel aber, ob die Ehe Standesmäßig sey oder nicht“, überläßt es zwar der Codex dem „Arbitrio Judicis, jedoch mit dem Addito, daß man unter anderen vorzüglich dahin zu sehen habe, ob der Verwandtschaft dadurch merklicher Schimpf oder Schaden zuwachse. Zwischen Adelichen und anderen wird in all obigen Stücken kein Unterschied gemacht.“110 Was die Sanktionierung mit Vermögensstrafen betrifft, setzt sich Kreittmayr in seinen Anmerkungen mit der Frage auseinander, ob ein weltlicher Herrscher dazu Kompetenz besitze, und kommt zu dem Ergebnis, daß dies wohl in der Theorie umstritten, in der Praxis aber durchaus usus sei.111 Au106 Kleeberger, Gesetzgebung, S. 104. Die gezielte Gestaltung der ordnungsrechtlichen Komponente bei der Eingehung einer Ehe entsprach der generellen Entwicklung, daß „in den Fragen der äußeren Lebensordnung der Staatsgewalt die maßgebliche, letzte Entscheidung zusteht“. 107 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 108: Moser Staatsrecht T. 18 p. 510. 108 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 108: Moser Staatsrecht T. 18 p. 520 § 14 et T. 22 p. 294 § 136, Struv. Jur her. T. 1. C.3.§. 23 C. 4.§. 15.17. 109 CMBC I 6 § 4 „12mo Jene, welche zu dergleichen hieroben verbottenen Winkel-Ehen aus Eigennutz, oder anderen ungebührlichen Ursachen rathen helffen, oder Gelegenheit machen, sollen von ihrer ordentlichen Obrigkeit ernstlich gestraft werden. Bey vorfallendem Zweifel aber, ob die getroffene Ehe Standesmäßig seye oder nicht, soll man 13tio in richterlicher Ermäßigung unter anderen Umständen vorzüglich dahin sehen, ob der Verwandschaft dadurch merklicher Schimpf oder Nachtheil zuwachse.“. 110 Anm. CMBC I 6 § 4. 111 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 106.
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ßerdem sieht er diese Meinung durch den Reichsabschied von 1548 gestützt, wo es unter dem Titel über das Ehesakrament heißt, daß es jeder Obrigkeit freigestellt werde, „Maas und Ordnung zu geben, ob und wie weit die Eltern hierinn Macht haben sollen, den Ungehorsam ihrer Kinder mit Verhaltung der Erbschaft, Weigerung des Heyrath-Guts oder sonst in anderweeg zu bestraffen“.112 Was aber die Heiraten von armen Leuten betrifft, konnte sich auch Kreittmayr bereits noch größere staatliche Eingriffe vorstellen, obwohl die Administratio Sacramentorum und damit auch die Ehe als Sakrament zu den causis ecclesiasticis vel spiritualis intrinsecis113 zu rechnen seien und damit „privative ad Forum ecclesiasticum“, also ausschließlich vor das geistliche Gericht gehören114. „Alles, was die weltliche Obrigkeit hierbey thun kann, geschiehet nur Vorstellungs- oder Manutenenz weis nach der einem jeden Lands- und Obrist Kirchenschutzherrn obliegender Vorsorg und Inspection.“115 Bei zu vielen Heiraten von armen Leuten sieht Kreittmayr das Wohl des Staates offenbar so stark gefährdet, daß er staatliche Übergriffe zuläßt. So heißt es in seinen Anmerkungen zum fünften Teil über die geistlichen Rechte116: „Und ob man es schon (. . .) von Seiten der Landsherrschaft bey der blosen Vorstellung nicht allemal bewenden last, sondern oft weiter gehet, und der geistlichen Obrigkeit vorgreift, so geschiehet doch solches nur auf dem Fall, wenn die letzte bey solchen spiritualibus, welche zur ewigen Seeligkeit nicht absolute nothwendig, und der zeitlichen gemeinen Wohlfahrt per Abusum schädlich seynd, keine Remedur und Abstellung macht, z. E. wann das Sakrament der Ehe mittels allzu häuffiger Copulierung unvermöglicher Leuten mißbraucht wird . . . In solchen Fällen sagt der Venetianer: Noi sommo Venitiani, doppo Christiani.“117
112 Anm. CMBC I 6 § 4, S. 106 vgl. Reichsabschied von Anno 1548 Tit. Von Sacrament der Ehe. 113 Anm. CMBC V 19 § 42, Nr. 13, S. 2177: zu causis ecclesiasticis vel spiritualibus intrinsecis gehören für Kreittmayr nur Dinge, die für das Seelenheil und „ewige Wohlfahrt“ des Menschen absolut notwendig bzw. dafür wenigstens gut sind. Dazu zählt man die Religion und Glaubenssachen, Gottesdienste und die „Administratio Sacramentorum“. 114 Anm. CMBC Bd V (V), 19 § 42, Nr. 13, S. 2177. Darin seien sich katholische als auch protestantische Rechtslehrer einig. Kreittmayr verweist an dieser Stelle auf Pichler, Barthel, Böhmer und Pütter. 115 Anm. CMBC Bd V (V), 19 § 42, Nr. 13, S. 2177. 116 Anm. CMBC Bd V (V), 19 § 42, Nr. 13, S. 2177. 117 Anm. CMBC Bd V (V), 19 § 42, Nr. 13, S. 2177: Verweis auf die neuverbesserte Hofratsordnung Art. 3 § 6; vgl. dazu auch Landau, FS für Kreittmayr, S. 131 Fn. 63.
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e) Religionsverschiedenheit und Mischehen aa) Die Auffassung Kreittmayrs Wie sehr Kreittmayr die damals in Deutschland gängige Praxis normierte, wird ganz besonders augenfällig bei dem Ehehindernis der Religionsverschiedenheit, cultus disparitatis, und Kreittmayrs Ausführungen insbesondere zu den Ehen zwischen Katholiken und Protestanten. Das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit sollte Ehen zwischen Christen und Ungläubigen verhindern.118 Zu den Ungläubigen gehörten jedenfalls alle Nichtgetauften119, auch Juden zählten dazu, weswegen schon das römische und alte germanische Recht die Ehe zwischen Juden und Christen verboten hat.120 Nicht so unumstritten war die Beurteilung von Ehen zwischen Christen und Häretikern.121 Kreittmayr behandelte diese Frage nur im Hinblick auf Ehen von Katholiken und Protestanten. So heißt es in seinem Kommentar: „Ein anderes ist mit Abtrinnigen und Atheisten122 oder Ketzern, worunter man Protestantes im Reich ohnehin niemal verstehet.“123 Damit war klar, daß eine Ehe zwischen Katholiken und Protestanten nicht nichtig sein konnte. Interessanterweise bezieht sich Kreittmayr für die Beurteilung, ob Protestanten als Häretiker beurteilt werden müssen oder nicht, auf die Auffassungen im Reich und nicht auf kirchliche Ansichten. Er fügt noch hinzu, wenn „einige ex Matrimonio Catholici cum Lutherana impedimentum dirimens auf den Fall machen wollen, wann solches mit dem Pacto geschiehet, daß die Kinder in protestantischer Religion erzogen werden sollen“124, so stehe die „communis opinio“ entgegen.125 Vielmehr würde „ein solches Pactum adjectum wenigst in foro externo secundum communem praxin Imperii für zuläßig geachtet werden“.126 Mit der 118 CMBC I 6 § 8, 7; Anm. CMBC I, 6 § 8, 7, S. 112; vgl. zur Religionsverschiedenheit und der Glossenliteratur auch Freisen, Eherecht, S. 635–643. 119 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7, S. 112. 120 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7, S. 112. 121 Freisen, Eherecht, S. 641 ff. 122 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7, S. 113. 123 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7, S. 113. Was unter Ungläubigen, Juden, Ketzern, Schismatikern oder Abtrünnigen und Protestanten zu verstehen war, klärte Kreittmayr vor allem auch im fünften Theil seiner Anmerkungen, 20. Kap.: „Von dem Religionsrecht“, in den §§ II–VI, S. 2205 ff. 124 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7 S. 113. 125 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7 S. 113: Kreittmayr verweist hier auf Pichler, was deswegen sehr interessant ist, weil Pichler ein Kanonist ist. 126 Anm. CMBC I 6 § 8 Nr. 7 S. 113 und Verweis auf seine Ausführungen Anm. CMBC I C. 4. § 3 n. 1.
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„communi opinioni“ vertrat Kreittmayr also die Auffassung, daß diese Ehen erlaubt seien, was man indirekt auch der Erwähnung von Mischehen oder deren Voraussetzung an anderen Stellen im CMBC entnehmen kann. So geht Kreittmayr bei dem Ehehindernis der Verwandtschaft auf Mischehen ein hinsichtlich der Beurteilung der die Ehe hindernden Verwandtschaft, da es hier Unterschiede in den beiden Konfessionen gebe127, und äußert sich zur Regelung der religiösen Kindererziehung bei gemischtkonfessionellen Ehen.128 bb) Die Auffassung der katholischen Kirche Mit diesen Ausführungen gab Kreittmayr also nicht die päpstliche Haltung zu gemischtkonfessionellen Ehen wieder. Es hatte sich eine päpstliche Praxis zum Umgang mit Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten herausgebildet im Rahmen von Dispenserteilungen hinsichtlich anderer Ehehindernisse; meist betrafen sie die zu nahe Verwandtschaft bei Eheschließungen in Herrscherhäusern.129 Bei der Prüfung der Anträge wurde die Konfessionsverschiedenheit der Partner entdeckt und vielfach der Dispens nur unter bestimmten Bedingungen erteilt, denn man ging davon aus, daß Ehen zwischen Katholiken und Protestanten einen Widerspruch in sich trügen und für das Seelenheil des Katholiken äußerst gefährlich seien.130 Deswegen gingen die Päpste mit Dispensen bei Mischehen sehr restriktiv um und verlangten dafür die eidliche Lossagung von der Häresie.131 Man forderte also die Bekehrung des Häretikers zum katholischen Glauben, zumindest mußte Hoffnung darauf bestehen und der Katholik durfte nicht in seinem Glauben gefährdet werden. Zudem mußte die Kindererziehung im katholischen Glauben gewährleistet sein.132 Ausnahmen von diesen Grund127 Anm. CMBC I 6 § 9, S. 115 f.: „Und soviel endlich Matrimonia mixtae Religionis belangt, wird jedes Ehegatt nach seinen besonderen Religions-Principiis geachtet, da es mithin leicht kommen kan, daß die Ehe sub diverso respectu für giltig und ungiltig gehalten wird, dergleichen Exempla man bereits in hohen Häusern gehabt hat.“; Anm. Bd V 20 „Von dem Religionsrecht. § IX, S. 2216“. 128 Anm. CMBC Bd V 20 „Von dem Religionsrecht.“ § IX, S. 2216; Anm. CMBC I 7 § 11, S. 216 unten, 217 oben. 129 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 141–173; zur geschichtlichen Entwicklung auch: Uhrig, Eherecht, S. 489 ff. vor allem Fußnotentext; Schulte, HdB S. 239 ff.; Schnitzer, Eherecht5, S. 236 ff.; Permaneder, HdB2, S. 751 f.; Richter, Lehrbuch4, S. 589 ff.; Aich, ArkKr 14 (1865), S. 321 ff. 130 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 140 f.; Permaneder, HdB2, S. 749 ff. 131 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 166, 175. Allerdings sollte gewährleistet sein, daß man aus Überzeugung von der Häresie Abstand nahm und nicht aus bloßer Interessenverfolgung, vgl. ebd. S. 167 f. 132 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 160, S. 169 f., 172.
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sätzen wurden aus Gründen des allgemeinen Wohls133 oder zur Vermeidung größerer Übel gewährt.134 Dies galt insbesondere in Gebieten, wo Katholiken als Minderheit unter den evangelischen Glaubensgenossen lebten.135 Ein Ausnahmezustand hinsichtlich der Eingehung von Mischehen bestand vor allem auch für Deutschland, für das röm. Reich dt. Nation.136 Es gehörte zu den Ländern, in denen Katholiken mit evangelischen Glaubensgenossen, die gewohnheitsrechtlich aufgenommen worden waren, zusammenlebten. Der nach kirchlicher Lehre und Praxis notwendige päpstliche Dispens wurde in diesen Ländern allein aus zahlenmäßigen Gründen nicht eingeholt, sondern von den Bischöfen erteilt, die gemischte Ehen um des friedlichen Zusammenlebenswillen zuließen, wenn kein Glaubensabfall des Katholiken zu befürchten war und die Kinder in der katholischen Religion erzogen würden.137 Diese abweichende Praxis billigte der Papst u. a. in Deutschland unter den eben genannten Voraussetzungen.138 Das Problem der Eheschließungen zwischen Katholiken und Protestanten, das vor allem Gebiete betraf, wo es zur Reformation gekommen war, hatte erst nach dem tridentinischen Konzil seine ganze Tragweite entfaltet, weil seither nach kanonischem Recht nur noch durch öffentliche Eheschließung vor dem Priester und zwei Zeugen eine gültige Ehe geschlossen werden konnte.139 Damit konnte man dieses Problem nicht mehr durch eine heimliche, im Sinne einer nichtöffentlichen, Eheschließung einfach umgehen. Das tridentinische Konzil hatte die Mischehenproblematik gar nicht behandelt, da die katholische Kirche immer noch eine Kirchenspaltung verhindern wollte. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche verweigerte sie deshalb auch nicht die Einsegnung dieser Ehen.140 cc) Ursprung und Würdigung Kreittmayrs Auffassung zu den Mischehen Von diesen päpstlichen Voraussetzungen ist weder im CMBC noch in den Anmerkungen etwas zu lesen; es finden sich auch keine Ausführungen zu einem impedimentum impediens (aufschiebendes Ehehindernis) der religonis mixtae. Kreittmayr hielt also fest, was in Deutschland gängige Praxis war und beurteilte Mischehen nach den Grundsätzen des westfälischen Frie133
Kunstmann, gemischte Ehen, S. 156 ff. (164), 171 f. Kunstmann, gemischte Ehen, S. 177. 135 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 174–177; Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 49 ff., 74 ff. 136 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 60 f. 137 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 62 f., S. 81 Fn. 120. 138 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 62 f., S. 81 Fn. 120. 139 Schnitzer, Eherecht5, S. 240; Beykirch, Ehe, S. 51 ff. (52). 140 Kunstmann, gemischte Ehen, S. 38, 40. 134
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dens, den der Hl. Stuhl nicht akzeptiert hatte, und der Folgekongresse, Anm. CMBC V 20. Das zeigen vor allem die Ausführungen zur religiösen Kindererziehung bei gemischtkonfessionellen Ehen. Darauf kommt Kreittmayr an drei Stellen zu sprechen, bei der Kindererziehung generell,141 bei Kindern unter vormundschaftlicher Betreuung142 und im Rahmen der Stellungnahme zur paritätischen Behandlung der Konfessionen in seinem fünften Anmerkungsband im Kapitel über das Religionsrecht.143 Wenn es auch keine Rechtsvorschrift gebe144, so habe es sich eingebürgert, daß bei fehlenden vertraglichen Vereinbarungen die Söhne bis zu den Diskretionsjahren145 in der Religion der Väter erzogen werden sollten.146 Die Gültigkeit solcher Verträge könne „zumindest de Jure et Praxi Imperii quo ad forum externum et effectus civiles, vor allem an Orten, wo keine speziellen Landsstatuten entgegenstünden“ nicht angezweifelt werden. Die Kanonisten würden zwar foro interno diese Verträge für nichtig halten, aber dies müsse hier nicht beachtet werden. Diese Stelle macht deutlich, daß Kreittmayr deutlich zwischen kirchlicher Rechtsauffassung, die die Sakramentalität der Ehe bzw. Glaubensinhalte betraf, und bürgerlichrechtlicher Sicht unterschied und ihn hier nur die bürgerlichrechtliche Seite interessierte. Auch wenn der westfälische Frieden versuchte, für die Parität der Konfessionen zu sorgen147 und den obrigkeitlich verordneten Bekenntniswechsel unterband, blieb die Gestaltung der Religionsausübung (exercitium) in der Hand des Territorialfürsten.148 Es blieb daher auch dem Landesherrn überlassen, ob er Mischehen dulden oder verhindern wollte. Die Friedens141
Anm. CMBC I 4 § 3 Nr. 1, S. 68. Anm. CMBC I 7 § 11, S. 216. 143 Anm. Bd. V 20 „Von dem Religionsrecht.“ § IX, S. 2216 ist von religiöser Kindererziehung im Rahmen der aus Paritätsgesichtspunkten gewährten Gewissensfreiheit die Rede. 144 Bei Moser, Reichs-Hof-Raths-Conclusio hieße es wohl in einer solchen Concluso, „daß keine gewisse Ordnung und Observanz vorhanden seye, in was für einer Religion die ex matrimonio mixto erzeugte Kinder erzogen werden sollen“, „auch habe man hierüber auf dem Nürnberger Executions-Congreß stark gestritten. vgl. Anm. CMBC I 4 § 3 Nr. 1, S. 68 und Anm. CMBC V 20 „Von dem Religionsrecht.“ § IX, S. 2216. 145 Damit bezeichnet man das Alter der Kinder, bis ihnen gestattet ist, selbst über ihren Glauben zu entscheiden. 146 Anm. CMBC I 4 § 3 Nr. 1, S. 68. Dafür verweist Kreittmayr u. a. auf Meiern, Acta pacis Westphalicae. 147 Vgl. Art. V § 1 i.V. m. § 47 IPM und auch die folgenden, zitiert nach Textausgabe Müller, Instrumenta, S. 25, 113; 86, 159. 148 Vgl. HRG/Heckel, Cuius regio eius religio, Bd. 1, S. 657. 142
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vereinbarungen gaben Anlaß zu Interpretationsschwierigkeiten, die man auf dem Nürnberger Exekutionskongreß beizulegen versuchte. Dort wurden auch die gemischten Ehen und die damit zusammenhängende Frage der religiösen Kindererziehung diskutiert. Es ging zunächst um die Religion der Waisenkinder und das Diskretionsjahr. Was die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen anbelangte, war zu klären, welche Religion zu wählen sei, wenn nichts darüber in Eheverträgen bestimmt sei. Man entschied, daß hier wie in anderen Erziehungsbereichen die väterliche Religion maßgeblich sein solle. In der Frage auf welches Alter das Diskretionsjahr festzulegen sei, fand man zu keiner Einigkeit.149 Bayern war ein rein katholisches Land. Die evangelischen Gläubigen, dies galt insbesondere für Adelige, hatten ohne Wechsel der Konfession kein Recht auf das Bürgerrecht und Zugang zu den Beamtenstellen.150 Daran änderte sich auch nichts, als im achtzehnten Jahrhundert vereinzelte evangelische Gebiete mit Kurbayern vereinigt wurden.151 Vor diesem Hintergrund einer so ausgeprägten katholischen Politik erstaunen die neutralen Ausführungen Kreittmayrs um so mehr. Kreittmayr half damit, die Vereinbarungen des westfälischen Friedens umzusetzen, der nach dem Vorbild des Augsburger Religionsfriedens von 1555 Parität und Toleranz unter den Konfessionen vorsah. Es findet sich kein Hinweis im CMBC, daß in Bayern Mischehen verboten seien. Die Berücksichtigung der Auffassungen des westfälischen Friedens sind deswegen um so bemerkenswerter, als man vor allem in Altbayern noch unter Kurfürst Karl Albrecht, der von 1726 bis 1745 regierte,152 alles getan wurde, um auch von Staats wegen die Mischehen zu verhindern, was den Bayern das höchste Lob des Papstes einbrachte.153 Diese vollständige Berücksichtigung der Inhalte des westfälischen Friedens,154 die deutlich auch in anderen Bereichen zum Ausdruck kommen, mag vielleicht auch Grund für die Erwähnung von abweichendem Recht 149 Gleiches referierte Kreittmayr in seinen Anmerkungen, Anm. CMBC I 4 § 3 Nr. 1, S. 68 unter Verweis auf Meiern, Acta Pacis Wetsphalicae. 150 Sicherer, Staat, S. 3: Es war sogar die Ansässigmachung auf bayerischem Territorium an die Bedingung geknüpft das katholische Bekenntnis zu haben bzw. sich zu diesem zu bekehren. 151 Geiger, Konkordat, S. 2 f. In diesen Gebieten war jedoch die Heirat mit katholischen Gläubigen gestattet, „weil diesetwegen keine eigenen landesherrlichen Verordnungen, doch aber Reichsgesetze vorhanden sind, vermöge welcher Katholische und Protestantische ohne Glaubensveränderung einander heiraten dürfen.“ Vgl. MS 1788 Bd. 4 S. 664 und 855. 152 HdBbayG/Kraus, Bd II, S. 457. 153 Vgl. dazu Sicherer, Eherecht, S. 16 ff. 154 Vgl. auch die Einschätzung von Bechmann, Kanzler, S. 23 unter Hinweis auf Anm. CMBC V 20 §§ 7, 14; Schwarz, Gesetzgebung, S. 79.
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der Protestanten im Eherecht sein. In Kreittmayrs Anmerkungen findet man nämlich durchgehend ausführliche Hinweise auf die abweichende Handhabung der protestantischen Lehre und auch kurze Informationen zur jüdischen Praxis155. Dies gilt für die Formvorschrift der Eheschließung, zahlreiche Ehehindernisse wie etwa die abweichende Auffassung zum Irrtum156, zur Priesterweihe, zum Gelübde der Keuschheit157 und zur Impotenz158 und Ehescheidung159. Zwar verwirklichte Kreittmayr im Gesetz selbst nicht die Gleichberechtigung beider Konfessionen, aber er erkannte bei gemischten Ehen die von protestantischen Obrigkeit ausgesprochenen Scheidungsurteile auch für Katholiken als bindend an,160 und berücksichtige in seinen Anmerkungen immer auch die protestantische Lehre. Kreittmayr war also durchaus auf die Verbreitung auch der akatholischen Lehren bedacht, denn auf diese Weise hatten die Juristen aber auch die Wissenschaft leichteren Zugang.161 Die vorsichtige Einführung von neuem Gedankengut zeichnet Kreittmayr als wohlbedachten Gesetzgeber aus. Andernfalls hätte Kreittmayr vielleicht auch das Scheitern der ganzen Reformen provoziert, da Bayern für stärkere aufklärerische Veränderungen noch nicht reif war.162 Kreittmayr bleibt so seiner Devise treu, nicht viel Neues zu schaffen, keine neuen Rechtsinhalte zu präsentieren, sondern nur das Bekannte zusammenzutragen und zu ordnen, zu klären.163 Man könnte diese Devise aber auch als gute Tarnung bezeichnen, weil Kreittmayr auf diese Weise in seinen Anmerkungen leichter neue Inhalte darstellen konnte.
155 Kreittmayr verweist auf Beck, Judenrecht. Z. B. Bigamie, Anm. CMBC I 6 § 8 S. 111 und Scheidung Anm. CMBC I 6 § 40 S. 173. 156 Vgl. dazu Anm. CMBC I 6 § 8, S. 112. 157 Die Protestanten kannten kein Priesterzölibat mehr und auch keinen Orden, daher ist dieses Ehehindernis für sie überflüssig. Anm. CMBC I 6 § 8, S. 111. 158 Anm. CMBC I 6 § 8, S. 112. 159 Anm. CMBC I 6 § 49 S. 172 f. 160 Anm. CMBC I 6 § 49 Ziff. 5, S. 192. 161 Kreittmayr hatte in seiner Vorrede zu den Anmerkungen zum CMBC I, S. 3, selbst auf die Reformbedürftigkeit des Studiums hingewiesen. Mit seinen ausführlichen Anmerkungen hoffte er, zu einer Veränderung in Studium und Wissenschaft beitragen zu können. Vgl. dazu Gàgner, Wissenschaft, 7 ff. 162 Schwarz, Gesetzgebungswerk, S. 104. 163 Einl. zum CMBC von 1756, S. 2 f.
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f) Die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit aa) Die Regelung des § 49 Teil I Kapitel 6 CMBC Am Ende des Eherechtskapitels findet sich eine Vorschrift, die die gerichtlichen Zuständigkeiten in Ehesachen genau regelt.164 Ihr kommt eine besondere Rolle für die Bewertung und Einordnung des Eherechts im CMBC zu. § 49, 1 besagt, daß „wenn es um die Ehe selbst, und deren Contrahir- oder Dissolvirung zu thun ist“, geistliche Gerichte zuständig sind.165 Für Streitigkeiten aber, die „nur die Güter der Eheleute, Insonderheit die Succession, Alimentation, oder Rechtmäßigkeit ihrer Kindern und andere dergleichen Effectus mere Civilis betrift“, gilt hingegen, daß „sich die Weltliche Obrigkeit von der Geistlichen weder unter dem Vorwand der Connexion noch sonst hierin einigermaßen vorgreiffen lassen“ solle und „viel weniger die Partheyen selbst bey Vermeidung unnachlässiger Straf und Ahndung ihren Recurs dahin nehmen“.166 § 49 enthält damit genauere Ausführungen zum ehelichen Prozeßrecht als der CJBJ, wo in § 13 des ersten Kapitels nur allgemein die „geistlichen Sachen, soweit sie den Rechten, Concordaten und der Observanz nach dafür erkannt seynd, ohne Unterschied, ob der Beklagte eine Geistlich- oder weltliche Person“ sei, von der ordentlichen Gerichtsbarkeit ausgeschlossen und der geistlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen werden.167 Was § 49 gesetzlich regelt, konnte man aber auch schon den Anmerkungen zu § 13168 entnehmen, nämlich daß unter die geistlichen Sachen (causas ecclesiasticas) auch die Ehe- und Verlöbnissachen fallen, soweit sie das Sakrament betreffen, wenn es aber um die bürgerlichen Wirkungen der Ehe geht, wofür Kreittmayr Ähnliches aufzählt wie in § 49 – aber zusätzlich auch die Be164
CMBC I 6 § 49. CMBC I 6, vgl. dazu auch die Anm. CMBC I (Bd I) 6 § 49, S. 190, wo es heißt: „Causae matrimoniales werden propter respectum Sacramenti unter die Ecclesiasticas & Spiritualies gerechnet, gehören also nicht ad Forum Saeculare sed Ecclesiasticum. C.2.X. de Judiciis. Conc. Trident. Sess. 24 de Sacram. Matr. Can. 12 Bayerische Concord. mit Augspurg § 7.“ Kreittmayr hält auch hier den abweichenden protestantischen Gebrauch fest, der diese Ehesachen pro Causis mixti Fori ansah. 166 CMBC I 6 § 49, 2. 167 Codex Juris Bavaricii Judiciarii (CJBJ) von 1753 I, § 13: „Von dem ordentlichen Gerichtszwang seynd folgende Sachen eximirt 1mo Geistliche Sachen, soweit sie den Rechten, Concordaten und der Observanz nach dafür erkannt seynd, und zwar ohne Unterschied, ob der Beklagte eine Geistlich- oder weltliche Person ist, wohingegen auch keine weltliche Sach, wann der Beklagte ein weltlicher ist, an geistliche Gericht gezogen werden soll.“. 168 Anm. CJBJ 1, § 13, S. 54 (von 1754). 165
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strafung derjenigen, die gegen ein obrigkeitliches Verbot heirateten – weltliche Gerichte zuständig sind.169 bb) Die Beurteilung der Regelung Aus § 49 Satz 1 und 2 CMBC und § 13 CJBJ ist zu entnehmen, daß die geistliche Ehegerichtsbarkeit für die Fragen, die das Eheband betrafen, bestehen blieb. Die Formulierung des § 49 Satz 5, wo es heißt, daß „im übrigen (. . .) der Geistlichen Obrigkeit durch obige Verordnungen an dem, was das Ecclesiasticum betrift, keinesweegs vorgegriffen seyn, sondern solches dem Weltlichen Richter nur quo ad Effectus Civilis zur Richt-Schnur dienen solle“,170 veranlaßt Bechmann171 zur Annahme, Kreittmayr habe voranstehendes Eherecht dadurch entkräftet. Es sei zwar vollständig im Landrecht geregelt, aber zum einen werde die geistliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen beibehalten und zum anderen fügte Kreittmayr die „clausula salvatoria“ des § 49 Satz 5 CMBC ein.172 Bechmann meint, Kreittmayr sei „ein viel zu klarer und scharfer Geist, um sich des hierin liegenden Widerspruchs nicht vollkommen bewusst zu sein“.173 Dieser Bewertung des Eherechts im CMBC kann nicht zugestimmt werden. Der Prozeßrechtskodex hatte bereits drei Jahre vor dem Erlaß des CMBC die Fragen des Zustandekommens und der Auflösung des Ehebandes bei der geistlichen Gerichtsbarkeit belassen. Dennoch hatte Kreittmayr das materielle Eherecht vollständig in den CMBC aufgenommen. Dies ist wohl zum einen damit zu erklären, daß Kreittmayr an der Rezeption der disziplinären Dekrete des Trienter Konzils großes Interesse hatte, weil diese seiner Auffassung nach sonst gar nicht auf bayerischem Territorium galten.174 Schon deswegen kann es sich nicht um eine „clausula salvatoria“ handeln, denn die Normen sollten mehr als nur deklaratorischen Charakter haben. Zudem sollte das Augenmerk nicht ausschließlich auf die Sätze eins und fünf des § 49 gerichtet werden, sondern auch auf Satz 2, der ausdrücklich und mit Nachdruck anordnet, daß die res connexae175, dazu gehören im 169
„Wenn es aber nicht um die substantiam matrimonii vel sponsalium, das ist, um die Frage, ob sie zu contrahiren, oder aufzulösen sey, sondern um die effectus mere civiles z. E. um die dotem, alimentationem, legitimationem oder Bestrafung derjenigen, welche sich gegen obrigkeitliches Verbot heirathen, zu thun ist, so wird die Sache ad forum saeculare gezogen.“ Vgl. Anm. CJBJ Kap. 1 § 13, S. 58. 170 CMBC I 6 § 49. 171 Bechmann, Kanzler, S. 23. 172 Bechmann, Kanzler, S. 22 f. 173 Bechmann, Kanzler, S. 23. 174 Vgl. oben.
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Eherecht das eheliche Güterrecht, insbesondere das Erbrecht und der Unterhalt von Ehegatten oder auch die Legitimität ihrer Kinder und dergleichen bürgerlichrechtliche Wirkungen der Ehe, vor den weltlichen Richter gehören und daß der Staat sich diese Sache weder „unter dem Vorwand der Connexion“ noch aus irgendeinem anderen Grund aus der Hand nehmen lassen solle.176 Den Parteien wird unter Strafe verboten, sich in diesen Fragen an geistliche Gerichte zu wenden.177 Diese Ermahnung staatlicher Gerichte und der Parteien, sich gegen Übergriffe der geistlichen Gerichte zu wehren, findet sich nur in § 49178, nicht hingegen in den Anmerkungen zu § 13 des CJBJ. Dem Gesetzgeber war es offensichtlich am Herzen gelegen, daß alle bürgerlichrechtlichen Wirkungen einer Ehe ausschließlich von ordentlichen Gerichten entschieden würden. In der strikten Herauslösung der res connexae in Ehesachen aus der kirchlichen Gerichtsbarkeit lag eine nicht zu unterschätzende Entwicklung und Leistung des CMBC. Denn die Kirche hatte immer wieder versucht auch in diesen Bereich vorzudringen und ihn kraft Sachzusammenhangs mitzuregeln.179 Wenn sie auch nicht immer erfolgreich und in diesem Bereich am ehesten zu Zugeständnissen bereit war, hatte es Zeiten gegeben, wo die Tendenz gerade in die andere Richtung ging und die Kirche versuchte, weltliches Eherecht an geistlichen Gerichten zu entscheiden. Daß dieser Bereich der res connexae von der kirchlichen Seite nicht ohne weiteres der weltlichen überlassen wurde, zeigen auch die Auseinandersetzungen, die nach 1769 durch die bayerische Sponsalienrechtsreform ausge175 Was generell unter den rebus connexis zu verstehen war, hat Kreittmayr in den Anmerkungen zum CMBC V 19 § 42 Nr. 9, S. 2174 festgehalten: „Causae connexae (. . .) heissen, welche so beschaffen seynd, daß eine ohne der anderen so leicht nicht vollständig untersucht und erschöpft werden mag“, mit der Folge, daß sie nicht voneinander getrennt werden können, „sondern coram uno, eodemque Judice, und zwar entweder coram omnium Rerum vel Personarum superiore, oder wo Causa principalis vel potior pars anhangt, zusamm verhandelt und ausgemacht werden solle“. 176 CMBC I 6 § 49. 177 CMBC I 6 § 49, 2. 178 CMBC I 6. 179 Die Begründung für die Beschäftigung auch mit den letztgenannten Bereichen war einfach, es waren dépendances accessoires, die sich als Folge aus der Hauptsache ergaben und „l’accessoire devait suivre le principal“, Esmein, Bd I, S. 33 f. In seinen Anmerkungen zum CMBC Band V Kapitel 19 „Von dem geistlichen Recht“ § 42 Nr. 9, S. 2174 äußert Kreittmayr dagegen die Auffassung, daß der untrennbare Zusammenhang von Hauptsache und causis connexis „nicht soweit extendiert, daß der Richter auch solche Dinge, welche von seiner Jurisdiction specialiter eximiert seynd, ex connexione vel continentia causae an sich ziehen könnte“. Vgl. dazu auch die Ausführungen von Lazik, Gerichtsbarkeit, S. 80.
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löst wurden.180 Hier ging es darum, die Gerichtsbarkeit in Verlöbnissachen weltlichen Gerichten zu übertragen, die bislang wegen ihrer Nähe zum Sakrament von dem geistlichen Gerichten judiziert wurden. Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen des bayerischen Episkopats und der kurfürstlichen Regierung berief sich die Regierung gegen die Auffassung der Bischöfe, daß die causae connexae zur geistlichen Gerichtsbarkeit gehörten, da „accessorium sequitur principale“, auf die § 49 Nr. 2 des Teil I Kap. 6 des CMBC. Diese Vorgehensweise der Regierung spricht gegen die Interpretation Bechmanns, der Kreittmayrs § 49 als weise entschiedenen Kompromiß wertet, um einem bevorstehenden Konflikt mit der Kirche – er spielte hier auf die bevorstehende Sponsalienreform von 1769 an181 – zu entgehen. Es ist auch deshalb fraglich, ob diese Erklärung haltbar ist, da wir uns im Zeitpunkt der Abfassung des CMBC im Jahr 1756 und der Anmerkungen zu Teil I im Jahr 1758 deutlich vor der Sponsalienreform befinden und nicht erwiesen werden kann, daß Kreittmayr um diese bevorstehende Reform wußte. Kreittmayr ging es wohl auch weniger um Konfliktvermeidung, er hatte vielmehr eine eindeutige Meinung zu dieser Frage, die er auch in seinem „Grundriß der gemeinen – und baierischen Privatrechtsgelehrsamkeit, für Anfänger“ ausführt: „Ehehändel und Streitigkeiten, so weit es um die Contrahierung oder Dissolvirung der Ehe zu thun ist, gehören als causae ecclesiasticae zum geistlichen Gerichte, in Betreff der Eheleute Güter aber, sonderbar quo ad successionem, alimentationem vel legitimionem librorum et alios affectos civiles aber zum weltlichen Gerichte. Diese letztere sind auch nur allein das objectum der Landesherrlichen Verordnungen, welche in Ehesachen ergehen, und wird dadurch der geistlichen Obrigkeit quo ad ecclesiastica nicht vor- oder eingegriffen.“ Darin kommt deutlich zum Ausdruck, das Kreittmayr die res connexae als Materie der weltlichen Gerichte betrachtet.182 Diese Auffassung paßt gut zu der allgemein feststellbaren Entwicklung dieser Zeit, in der der Staat begann, die Grenze zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt zu bestimmen.183 Der Wortlaut des § 49 Teil I Kap. 6 des CMBC regt aber noch zu einer anderen Überlegung an. Die entscheidende Vorfrage für die Klärung vermögensrechtlicher Fragen des Unterhaltsrechtes, Ehegüterrechtes oder auch des 180
Siehe unten Kap. I.4.d. Bechmann, Kanzler, S. 23 Fn. 47, Vgl. dazu später. 182 Anm. CMBC V 19 § 42 Nr. 9, S. 2174: Kreittmayr wollte nicht, daß die „Canonistenlehr“ in der Praxis zur Anwendung komme, nach der die res connexae vom geistlichen Gericht in zeitlichen Dingen eher mitentschieden werden könnten, als umgekehrt, da es dem weltlichen Gerichten stärker am Sachverständnis für geistliches Recht fehlen würde als den Geistlichen. 183 Demel, Staatsabsolutismus, S. 307. 181
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Erbrechtes von Ehegatten ist der rechtliche Bestand der Ehe. Für die Entscheidung dieser Frage wird der weltliche Richter nach dem Gesetz nicht an den geistlichen Richter verwiesen; er entscheidet diese Vorfrage also nach den ihm an die Hand gegebenen Regeln. Damit könnte es grundsätzlich zu verschiedenen Ergebnissen hinsichtlich des Bestandes der Ehe kommen; praktisch natürlich kaum, da der CMBC das kanonische Recht in den den Ehebestand berührenden Bereichen beachtet hat. Dennoch kann man hier vom Beginn eines „Doppelsystems“ sprechen, da der weltliche Richter den CMBC, der geistliche Richter hingegen die kanonischen Quellen heranziehen wird. Zumindest ist die Anlage für eine derartige Entwicklung gegeben, da durchaus denkbar ist, daß sich die kanonischen Quellen verändern und der CMBC diese Veränderungen nicht nachvollzieht oder umgekehrt. Landau spricht zu Recht von einer Eliminierung des kanonischen Rechts als eigenständiger Rechtsquelle184, weil das kanonische Recht im Codex allgemein eine geringere Rolle als die weiterhin vorrangig geltenden Partikular- und Stadtrechte, aber auch als römisches und lombardisches Lehnrecht spiele.185 Das kanonische Recht wurde von Kreittmayr als „geistliches Recht“ bezeichnet und sollte auch nur von Geistlichen angewandt werden: „Das letztere (geistliche Recht) soll nur in geistlichen Händen und so weit solches mit den Concordatis und der Observanz einstimmig ist, beobachtet werden.“186 Diese Bestimmung zeigt deutlich, „daß das kanonische Recht jedenfalls von weltlichen Gerichten bei Entscheidungen auf dem Gebiete des Zivilrechts nicht mehr herangezogen werden soll.“187 „Kreittmayrs Arbeiten markieren den Beginn einer neuen Entwicklung, gehören einer Zwischenzeit an, die noch dem Geist und der Methode des Usus modernus verhaftet sich erst allmählich vernunftrechtlichen Gedankengut zu öffnen beginnt.“188 g) Zusammenfassung Der CMBC ist die erste bayerische Rechtsquelle, die vollständige Regelungen zum Eherecht enthält. Hierin ist eine besondere kodifikatorische Leistung zu sehen. Auf diese Weise wird kanonisches Eherecht zu staatlichem Eherecht, das nur kraft kurfürstlichem Geltungsbefehls gilt. Inhaltlich entspricht das Eherecht des CMBC in weiten Teilen kanonischem Recht, 184
Landau, FS für Kreittmayr, S. 120. Landau, FS für Kreittmayr, S. 120 f. 186 CMBC I 2 § 8. 187 Landau, FS für Kreittmayr, S. 121 vgl. auch Anm. CMBC V, Auflage 1844, I 2 § 8 S. 48. 188 Lipp, FS für Kreittmayr, S. 182. 185
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was den Bedürfnissen eines katholischen Staates entsprach. Kreittmayr führt als Belege jedoch nicht nur Kanonisten, sondern auch Zivil- und Staatsrechtler mit reformatorischem Hintergrund an. Nicht kanonistischer Herkunft sind die Strafvorschriften für Eheleute, die sich ohne die erforderliche Einwilligung von Eltern, Vormündern oder der Obrigkeit trauen lassen. Das Fehlen der Einwilligung hat jedoch noch keine Auswirkungen auf die Gültigkeit der Ehe, so daß kein Konflikt mit kirchlichen Rechtsvorstellungen entstand. Auch bezüglich der Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten, weicht Kreittmayr von der kirchlichen Übung ab und stellt sich auf die Grundlage des westfälischen Friedens. Die Zuständigkeit geistlicher Gerichte beschränkt der CMBC ausschließlich auf geistliche Angelegenheiten. Wer sich in anderen Angelegenheiten an geistliche Gerichte wendet, wird bestraft. In der bisherigen Forschungsliteratur wurden diese Punkte nicht gewürdigt. Was Lipp189 für Kreittmayrs Arbeiten insgesamt feststellt, gilt insbesondere auch für das Eherecht des CMBC: Es markiert den Beginn einer neuen Entwicklung.
3. Mandate zum Eherecht a) Heiratsbewilligungsmandate Außer den eherechtlichen Vorschriften des CMBC ist zwischen 1756 und 1799190 eine erhebliche Anzahl von Mandaten und Verordnungen, die sich mit der Eheschließung befassen, ergangen. Ein großer Teil dieser Mandate behandelt die Genehmigung der Eheschließung durch die Obrigkeit, die auch im CMBC Teil I Kap. 6 § 4 Nr. 10 und 11 vorgeschrieben ist191, die sogenannten „obrigkeitlichen Heiratsbewilligungen“. Diese Mandate ergingen nach dem Erlaß des CMBC, so daß § 4 Nr. 10 und 11 CMBC eine Art „Rahmengesetzgebung“ bildete, die durch die einzelnen Mandate ausgestaltet wurde. Heiratsbewilligungen waren für die unterschiedlichsten Berufsgruppen erforderlich. Zunächst bedurften „Militärpersonen“ einer solchen Genehmigung192, wobei die Kompetenz zur Erteilung der Genehmigungen ganz unterschiedlich verteilt war und vom Dienstgrad des in Ehe tretenden Militär abhing. So war der Hofkriegsrat beispielsweise für die Heiratslizenz von 189
Lipp, FS für Kreittmayr, S. 182. Es gab auch vorher schon Mandate in diesem Bereich. 191 Vgl. oben. 192 MS 1784 Bd II, Nr. 44, S. 1235 ff.: 30. Mai 1778, u. a. Heiratslizenzen für Soldaten; MS 1784 Bd II, Nr. 33, S. 1217 f.: 22. Nov. 1768, Heiratslizenz für Pensionisten; MS 1797 Bd V, Nr. 31, S. 556: 28. März 1789, Heiratsbewilligung für Feldwebel, Wachtmeister und Soldaten. 190
3. Mandate zum Eherecht
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Pensionisten zuständig193, die Regimentskommandanten für die Feldwebel, Wachtmeister und Soldaten194. Bei der Erteilung dieser Heiratslizenzen war z. T. zu beachten, ob die elterliche Einwilligung195 vorlag und ob die Brautleute imstande waren, die Familie zu ernähren.196 Wurde eine Ehe ohne die vorgeschriebene Genehmigung eingegangen bzw. das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten197, waren verschiedene Strafen bzw. empfindliche Rechtsnachteile angedroht, insbesondere Verlust der Pension. Außer dem Militär kontrollierte der Staat natürlich seine Staatsdiener. Auch sie bedurften einer Heiratsbewilligung198, wobei auch hier je nach Einsatz der Beamten und ihrem Arbeitsfeld unterschiedliche Stellen damit befaßt waren.199 Aber auch bei anderen Berufsgruppen wurde die Heirat 193 MS 1784 Bd II, Nr. 33, S. 1217 f.: 22. Nov. 1768, Kompetenz des Hofkriegsrates für Erteilung der Heuratslizenz für Pensionisten, andernfalls Verlust der Pension; allerdings ist dafür der Hofrat zuständig bzw. Revisorium im Falle einer Appellation der Militärpersonen. 194 MS 1797 Bd. V, Nr. 31, S. 556: 28. März 1789, Erteilung der Heiratsbewilligung für Feldwebel, Wachtmeister und Soldaten durch die Regimentskommandanten ohne Kaution oder Pensionsverzicht auf geschehenen Nachweis der Selbsterhaltung und sonstige Bedingungen. 195 Vgl. dazu auch CMBC I 6 § 4, 1 ff. 196 MS 1797 Bd V, Nr. 43, S. 569 f.: 5. Aug. 1789, „Hinweisung der Regimentskommandanten auf die bestimmte Verordnung wegen Erteilung der Heiratslizenz für die Soldaten bei vorhandener Einwilligung der Eltern oder Vormünder, und bei genügl. Beweis der Theile, daß sie sich und ihre Kinder in der Folge ernähren können.“. 197 MS 1797 Bd. V, Nr. 103, S. 672: 23. Mai 1795, „Unstatthaftigkeit der Erteilung der Heiratslizenz für Soldaten durch die Regimenter, ohne Benehmung mit dem foro originis, daß zur Folge hat: Verzicht der Weiber auf den Pensions- und Kasernenbezug“. 198 Auch in einem Mandat vom 19. Juni 1798, vgl. MS 1799 Bd IV, Nr. 19, S. 141 war die Trauung von landesherrlichen Dienern ohne „Lizenz“ durch den Pfarrer verboten. Es erfolgte verordnungsmäßige Bestrafung und soweit keine Strafe vorgesehen war, waren zumindest 10 Reichstaler in die Witwenkasse einzuzahlen. 199 Mand. 23. Aug. 1778: Die Heiratsbewilligung für die subalterne Civildienerschaft soll nur bei hinreichendem Vermögen oder Besoldung und nach Reversierung der Braut mittels Kaution wegen Pensions- und Beisteuer-Gesuchen erteilt werden, vgl. MS 1784 Bd I, Nr. 77, S. 381, siehe auch Mandate vom 6. Juni 1781 (MS 1784, Bd III, Nr. 26, S. 18), 2. Dez. 1784, 23. Juli 1796 (MS 1797 Bd. V, Nr. 155, S. 875); Mandat vom 19. Sept. 1796, vgl. MS 1797 Bd V, Nr. 168, S. 882: Auf dem Mandate v. 23. Aug. 1778 vorgeschriebene Bedingungen bei Erteilung der Heiratslizenzen wird nicht weiter bestanden. Mandat 6. Juni 1781, vgl. MS 1784, Bd III, Nr. 26, S. 18: Die Erteilung der Heiratslizenz geht für das untergebene Personal von den Vorständen der Hofstäbe und Diskasterien, und für die Vorstände selbst von der höchsten Stelle. Siehe auch Mandat v. 27 März 1787 (MS 1788, Bd III, Nr. 103, S. 111), 11. März 1796 (MS 1797 Bd. V, Nr. 163, S. 344), 23. Juli 1796 (MS 1797 Bd. V, Nr. 155, S. 875). Mandat vom 2. Dez. 1784, MS 1788 Bd III, Nr. 54, S. 182: Von dem Revers bei Heiratsbewilligungen für die Dienerschaft kann nach Umständen und dem Ermessen
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erst genehmigt, wenn man eine gewisse Sicherheit hatte, daß sich die junge Familie ernähren könne.200 Der gesicherte „Nahrungsstand“ des Brautpaares spielte generell bei der Erteilung der Heiratslizenzen ein große Rolle.201 Man legte besonderen Wert darauf, die Anzahl armer Leute klein zu halten, um auf diese Weise des Kollegialvorstandes Umgang genommen werden; hiervon soll die übrigen Dicasterial-Behörden benachrichtigt werden. Mand. 27. März 1787, MS 1788, Bd III, Nr. 103, S. 111: Die Erteilung der Heiratslizenz für die Hofbedienten und Stabsparteien soll der Hofrat nur nach beigebrachter Bewilligung der Hoftsäbe erteilen; Mand. 11. März 1796, MS 1797 Bd. V, Nr. 163, S. 344: Die Erteilung der Heiratsbewilligung für die Untergebenen ist den Vorständen der Hof-, Stabs- und Dikasterialstellen mit allenfallsigen Benehmen mit der oberen Landesregierung, und unter Vermeidung aller übermäßigen Sportulirung überlassen. Mand. 10. Juni 1796, MS 1797 Bd V, Nr. 140, S. 849: Die Erteilung der Heiratslizenz für die der Hofkammer untergebenen Individuen steht der Hofkammer zu. Mand. 23. Juli 1796, MS 1797 Bd. V, Nr. 155, S. 875: Die Gutachten über die Heiratsgesuche der Regierungsräte und Subalternen, dann der Advokaten und Prokuratoren wird vom Regierungsdirektorium, bei den Hofkammerräten, Beamten, Amtsdienern und subalternem Personal vom Hofkammerdirektorium abgegeben unter Berücksichtigung, ob die ganze Besoldung bereits bezogen wird, oder der Unterhalt durch Familien- oder erheiratetes Vermögen bestritten werden kann. Mandat vom 18. Jan. 1799, MS 1799, Bd VI, Nr. 20, S. 233: Heiratsbewilligungen für die Polizeidiener und deren Beschränkung; es handelt sich um eine Einzelbewilligung für einen Polizisten, der zur zweiten Ehe schreiten möchte. Mandat vom 17. Sept. 1791, MS 1797 Bd V, Nr. 89, S. 466: Unstatthaftigkeit der Erteilung der Heiratslizenz für Schullehrer; Präzeptoren, Adstanten und Lehramtskandidaten vor der Aufnahme als Schullehrer, Befugnis der ersteren zur Aufnahme und Entlassung der letzteren. 3. Signet vom 26. Juni 1769: Die Erteilung der Heiratslizenz steht in der Regel der ordentlichen Obrigkeit zu, bei den Untergeordneten des herzoglich Clementinischen Hofstabs, und bei den Hartschieren und Trabanten dem Obersthofmeisteramte, bei den bürgerlichen Magistratspersonen dem Magistrate, bei den landesherrlichen Fabriken der Kammer, und bei anderen Fabriken dem Hofrat; die Lizenzen der Gesandten sind nur so weit zu berücksichtigen, als sie mit schriftlicher Versicherung des lebenslänglichen Unterhaltes oder Versorgung begleitet sind, und die Herrschaften können ihren Bedienten und Domestiquen, wenn sie nicht zugleich unter ihrer Jurisdiktion stehen, das Heiraten nicht erlauben, womit die Obrigkeit nur unter Kavierung der Herrschaft für den Unterhalt willfahren soll s. auch Mand. 27. März 1787 (MS 1784, Bd I, Nr. 68, S. 49 und dazu gehörig 4. Signet v. 12. Juli 1769 in MS 1784 Bd I, Nr. 70, S. 50: Vorschriften über die Heiratslizenz für die Diener des Klementinischen Hofstaates: Das Signet vom 26. Juni 1769 bezieht sich nur auf die in des Herzogs Clements Durchl. selbst eigenen Sold und Verpflegung stehende Bediente. Die übrigen, die in Churfürstl. Sold stehen, haben ihre Heiratslizensen bei den Stäben zu suchen, wo sie ihren Dienst nach einschlagen.). 200 Mandat vom 7. März 1786, MS 1788 Bd IV, Nr. 162, S. 686: Verbot der Zulassung zu Haus oder Gutskäufen, zur Heirat, zum Bürgerrecht oder Ansässigmachung der Bader und Wundärzte vor bestandenem Examen und erhaltenem Approbationszeugnisse des collegium medicum.
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kein Heer von Bettlern und Vermögenslosen zu schaffen, die erheblich zur Unsicherheit in der Gesellschaft beigetragen hätten, und kontrollierte deshalb den „Herd der Vermehrung.“ Aus diesem Grund bedurften vor allem auch arme, „unvermögliche“ Leute oder unansässige, vagabundierende und Fremde, bei denen die Mittellosigkeit vermutet wurde, einer obrigkeitliche Bewilligung für die Verehelichung. Es existierten in diesem Bereich zahlreiche Mandate. So zum Beispiel das Mandat vom 5. Juli 1756202, wo verordnet wird, daß „ohne obrigkeitlichen Konsens [. . .] keine armen und unvermöglichen Leute mehr zu kopulieren“ sind. Die Bettelmandate vom 27. Juli 1779203 und 3. März 1780204 bringen eine Verschärfung dieser Bestimmungen.205 Wegen schlechter Befolgung dieser staatlichen Ehevorschriften, wurden sie in regelmäßigeren Abständen erneut erlassen. Um jedoch ihre Durchsetzung zu verbessern, wurden sie mit immer empfindlicheren Strafen sanktioniert bis zu einem Jahr Arbeitshaus mit Anwendung von wöchentlichen Streichen.206 Ähnliches ordnet auch die Codex juris Bavarici criminalis von 1751 in Teil I Kapitel XI an207. b) Verbot von Auslandsehen Vor allem die Eigeninteressen anderer Gewalten im Lande, allen voran der Kirche, aber auch des Adels und der Hofmarken oder Gemeinden und Magistrate führten zu den genannten Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Mandate. Der bayerische Staat fand jedoch ein weiteres Mittel, seinen Mandaten die Eheschließung betreffend zu größerem Erfolg zu verhelfen. Es wurden nach und nach die Eheschließungen außer Landes verboten. So erging am 6. Februar 1793 ein Mandat mit dem folgenden Inhalt: „Die Pfarrer sollen 201 3. Juni 1762 zitiert nach Döllinger, Repertorium, S. 258: Heiratslizenz bei Spinnern und Webern nur bei hinlänglichem Nahrungsstand und Attestat, Privilegierung bestimmter Gruppen, z. B. Gespundverleger zum Ankauf des Materials. 202 MS 1784 Bd II, Nr. 17, S. 1061. 203 MS 1771 Bd II S. 421. 204 MS 1784 Bd II, Nr. 153, S. 948; Riedel, Kommentar, S. 9 ff. 205 Sie gehen alle auf das Signet von 1728 zurück. Faber, Verehelichungsrecht, S. 8. 206 Signet vom 3. Juni 1762, MS 1788 Bd IV, Nr. 81, S. 624: Bestrafung der ohne Lizenz heiratenden unvermöglichen Leute; 1. Mandat vom 23. Jan. 1751, MS 1784 Bd I, S. 13. 207 § 1 enthält Vorschriften für den ausländischen Bettler und § 4 für den inländischen Bettler. § 6 versieht all jene mit Strafen, die Almosen geben oder ohne churfürstlichen Consens Tagwerkshäuser errichten.
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allen Vierteljahre einmal nach der Predigt das Verbot über Kopulationen außer Landes öffentlich vortragen, und mit Ausdruck einschärfen. Diese im Ausland sich trauenden Inländer werden anschließend wie ausländische Vaganten behandelt. Es wird auch ein verschärfter Vollzug von den Regierungen, Beamten und Obrigkeiten gefordert“208 und am 24. November 1798 hieß es in einem Mandat: „Wird bei Katholiken die Ehe im Auslande ohne Gegenwart oder Erlaubnis des parochi ordinarii richtig vollzogen, so soll der Mann statt der Landesverweisung ad militiam, oder bewandten Umständen nach in das Arbeitshaus zur Verpflegung gebracht, die Weibsperson sammt ihren etwaigen Kindern aber in ihren Geburtsort zurückgewiesen werden. Bey den protestantischen Untertanen hingegen, deren Ehe nicht ungültig ist, solle die Landesverweisung noch ferner statt haben. Doch ist dem Freyherrn von Tautphäus zu Nürnberg anheute aufgetragen worden, sich dahin zu wenden, daß die im Bericht angeführte Bekisch-Poppische Eheleute in Ihrem Copulations-Ort geduldet, dann für die Zukunft von der Reichsstadt Nürnberg all ihren Beamten, und Pfarrern geschärftest eingebunden werde, bey Strafe der Selbst-Alimentation keine solchen Copulationen mehr zu gestatten und vorzunehmen, als durch welche ähnliche Vorkehr diesseitiger Ländern, auch den benachbarten der Vorteil zugehet, daß ihre Unterthanen nicht ebenfalls in unglückliche Ehe-Verbindung gerathen, dann ihren Staat zu Last fallen. Was die Anspach- und Bayreuthische Lande betrift, desfals hat Churfürstl. Regierung Amberg mit jenseitigen Regierungen sich dahin zu benehmen, daß alldort ein gleichmäßiges Verbot veranlaßt werde“209. c) Die Rolle der Mandatsgesetzgebung Mit diesen staatlichen Mandaten, die als „Anlaßgesetzgebung“ bezeichnet werden,210 versuchte der Staat gezielte Bevölkerungspolitik zu betreiben.211 Neben dem Aspekt der absolutistisch-merkantilistisch geprägten Bevölkerungspolitik, von der wohl erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gesprochen werden kann212, spielt auch die allgemeine Sicherheit im Staat eine Rolle, die man durch wenige Arme im Land eher für gewährleistet hielt. Deshalb wollte man im besonderen Maße die Vermehrung von vermögenslosen Personen verhindern. Dieser Ansatz ist aber nichts Neues. Vielmehr 208 MS 1797 Bd V, Nr. 111, S. 479 und Mandat vom 26. Nov. 1800, MS 1802 Bd II, Nr. 63, S. 189. 209 MS 1799 Bd VI, S. 143, vgl. vorher 1770, 1780, 1793 (MS 1797 Bd V, Nr. 111, S. 479). 210 Müller, Wohlfahrt, S. 81. 211 Müller, Wohlfahrt, S. 81 ff. 212 Müller, Wohlfahrt, S. 81 ff. So jetzt auch Fuhrmann, Volksvermehrung, S. 23.
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geht diese Art der Vorschriften bereits auf die bayerische Landesgesetzgebung von 1616 zurück.213 Welches Ziel der Staat im einzelnen mit diesen Mandaten verfolgte, dürfte von der jeweiligen Bevölkerungspolitik abhängig gewesen sein,214 spielt aber für eine Beurteilung bezüglich des Zugriffes auf das Eherecht eine untergeordnete Rolle.215 Die Verwirklichung der staatlichen Ziele war jedoch nicht ganz einfach. Da man vor allem bei der Eheschließung ansetzte, spielte die Geistlichkeit als Verantwortliche für die Einsegnung der Ehen, eine ganz besondere Rolle.216 Zum Teil versuchte man, sie für die Mitwirkung an dem staatlichen Programm zu gewinnen,217 was aber nicht immer gelang. Ein Beispiel für die Mitwirkung ist ein Rezeß des Ordinariats Augsburg aus dem Jahre 1785, das allgemein bestimmte: „Kein Ehepaar soll ohne Consens der weltlichen Obrigkeit eingesegnet werden“.218 Damit verordnete also auch bischöfliches Recht, daß Ehen nur mit staatlicher Kontrolle eingegangen werden durften. Allerdings gab es auch Diözesen, die diese Beschränkungen der Eheschließungsfreiheit für arme Personen ablehnten, da das kanonische Recht dafür kein Ehehindernis vorsah.219 Aus diesem Grund war der Staat 213 Landrecht, Policey-, Gerichts-Malefitz- und andere Ordnungen der Fürstenthumben Obern- und Nidern-Bayern.“ München 1616. In der „Landts- und Policeyordnung“ findet man eine Beschränkung der Verehelichungsfreiheit: „Von den Ehehalten und ihrer Belohnung“ 12. Titel des IV. Buches der Policeyordnung, Art. 7: „Und diweil sich auch diser zeiten dergleichen Ehehalten gar jung und gemainklich darum zusammenheuraten, dass sie nachmalen in die Winkelherbergen ziehen, welches denn nit die wenigist ursach, darumben die Ehehalten so gar vertheuert und schier um keinen billigen Lohn zu bekommen sein. . . . so mainen wir, wo diesselben jungen winkl Ehelaut erfunden, dass sie aussgetrieben, weiter nit geduldet, noch zugelassen werden.“ Das Gesetz erlaubt solche „winkl Ehelaut“, wenn „an einem Ort der Tagwerker halb Mangel vorhanden, also dass dieselben der notturfft nach nit zu bekommen“, freilich nur „mit vorwissen und bewilligen der Obrigkeit und one Beschwerung der anderen Hausgesessen“. 214 Vgl. dazu umfassende Untersuchung von Martin Fuhrmann, Volksvermehrung als Staatsaufgabe? 215 Vgl. dazu die Ausführungen von Faber, Verehelichungsrecht, S. 6. 216 Müller, Wohlfahrt, S. 81 ff. 217 Vgl. dazu Pfeilschifter, Kongreß, S. 80 f. und Hausberger, Weihbischof, S. 224. 218 MS 1788, Bd 4, Nr. 137 S. 819. 219 Als Beispiel kann hier die Auseinandersetzung des Regensburger Ordinariats mit staatlichen Behörden Anfang des 18. Jahrhunderts genannt werden. Die bayerische Regierung war bemüht, Eheverbote für alle unvermögenden, nicht seßhaften Leute und insbesondere für Soldaten einzuführen. Für die bessere Durchsetzung dieser Mandate sollten die Ordinariate gewonnen werden. 1713 wurde das Regensburger Konsistorium um eine Stellungnahme zum kurfürstlichen Trauungsverbot armer, nicht seßhafter Leute von der bischöflichen Behörde Freising gebeten. Die Regensburger Geistlichen Räte waren von dem Widerspruch der staatlichen Forderungen zum kanonischen Eherecht überzeugt; „paupertas“ sei kein „impedimentum canonicum“. Deswegen sei auch die Mithilfe der Kirche bei der Durchset-
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gezwungen, andere Maßnahmen zu ergreifen. Wurden Ehen ohne die erforderliche obrigkeitliche Bewilligung eingesegnet, wurden nicht nur die Brautleute dafür bestraft220, sondern auch die Pfarrer, die diese Ehe eingesegnet hatten. Für den Fall, daß das Paar vermögenslos wurde, mußte der Pfarrer ihren Unterhalt übernehmen.221 Der Staat wagte also keinen direkten Zugriff auf das Eheband, indem er gesetzwidrig geschlossene Ehen für nichtig erklärte. Inwieweit die geschilderten Sanktionen den einzelnen Pfarrer getroffen haben, erscheint fraglich, da vorstellbar ist, daß die Bistümer die Pfarrer von ihrer Unterhaltsverpflichtung befreiten, indem sie diese Pflicht übernommen haben. Trotzdem wird anhand dieser staatlichen Maßnahmen deutlich, daß es für den Staat Zwecke gab, die vor allem seinem Erhalt galten und ihm wichtiger waren als die Eheschließungsfreiheit, auf die sich die Kirche bei ihrer Verweigerung der Mitwirkung gern berief. Deswegen war es dem Staat auch geboten, neben dem kirchlichen Recht ein eigenes Eherecht zu begründen, das ihm half diese Ziele zu verwirklichen.222 d) Kirchenrechtliche Mandate Außer den Mandaten zur obrigkeitlichen Kontrolle der Heiraten ergingen auch Mandate zum kirchlichen Eherecht. In einem neu nach Bayern gekommenen Gebiet mit überwiegend protestantischer Bevölkerung (Pyrbaum) wurde die Eheschließung zwischen Katholiken und Protestanten gestattet, ohne daß die Verpflichtung bestand, die Kinder im katholischen Glauben zu erziehen. Es sollte nur zwanglos auf die katholische Kindererziehung hingewiesen werden.223 Mit dieser Regelung wurde auf dem Verordnungsweg Gesetz, was Kreittmayrs Auffassung zu den Mischehen entsprach und er in den Anmerkungen zum CMBC224 festgehalten hatte. Wenn auch dieses Mandat nicht für das gesamte kurfürstliche Hoheitsgebiet galt, so behandelte man doch die Protestanten, wo sie in der Mehrzahl lebten, als gleichberechtigte Konfession. zung dieser staatlichen Vorschriften abzulehnen. Das Generalmandat vom 10. Mai 1718 bestätigte diese Auffassung. Vgl. Hausberger, Weihbischof, S. 224 f. 220 Geistliche unterlagen nicht der staatlichen Strafgewalt. Codex iuris Bavarici criminalis I 11 § 7; dazu Kleeberger, Gesetzgebung, S. 107 Fn. 64 und S. 53. 221 Mandat 27. Juli 1756, MS 1784 Bd II, Nr. 17, S. 1061 f.: Verbot der Kopulation und Einsegnung armer und unvermöglicher Leute ohne obrigkeitlichen Konsens durch die Geistlichen bei Vermeidung des verordnungsgemäßen Unterhalts der Kopulierten aus Einkünften des kopulierenden Pfarrers. 222 Kleeberger, Gesetzgebung, S. 107 und vgl. auch oben. 223 MS 1788 Bd IV, Nr. 165, S. 855: Mand. 21. Juni 1786; auch MS 1800, Bd I, Nr. 10, S. 256 ff.; vgl. dazu Sicherer, Eherecht, S. 20 Anm. 22. 224 Vgl. die Ausführungen oben.
4. Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769
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Daneben finden sich verschiedene andere Bestimmungen für protestantische Glaubensgenossen, so das Mandat vom 14. Februar 1786: „Bei reuwilligen, nicht zu Stande gekommenen Ehelichungen soll vor dem richterlichen Spruch auf Satisfaktion ohne allen weitern Zwang die Güte versucht, und die Protestanten den Katholiken hierin gleichgestellt werden, Verbot der auswärtigen Rathserholungen in Sponsalien-Matrimonial- und Konsistorialsachen der Protestanten“225 oder das Mandat vom 11. Juli 1786226: „oberpfalzische und protestantische Untertanen dürfen auch durch benachbarte nürnbergische Pastoren getraut werden, wenn der obrigkeitliche Konsens beigebracht wird“. Diese Mandate zu Kirchenorganisationsfragen zeigen, daß der bayerische Landesherr langsam begann, seine Aufgaben als kirchliches Oberhaupt der protestantischen Konfession wahrzunehmen. Bayern befindet sich auf dem Weg, die Protestanten – wie im augsburgischen Religionsfrieden von 1555 angelegt und im westfälischen Frieden 1648 wiederholt – als gleichberechtigte Konfession neben den Katholiken anzuerkennen. Ein anderes Mandat befaßte sich mit der Organisation des Dispensationsverfahren bei Katholiken und legte fest, daß Dispensationsgesuche von kurfürstlichen Untertanen in Ehesachen in Rom oder bei der Nuntiatur vorgebracht werden müssen, außer bei Dispensen im 3. und 4. Grad der Verwandtschaft/Schwägerschaft. Dafür seien die Bischöfe zuständig.227 Dieses Mandat kam eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu, da es bestehende Kompetenzen der Ehegesetzgebung nicht angriff. Ganz anders ist die Bedeutung des Sponsalienmandats aus dem Jahr 1769 einzuschätzen, mit dem der bayerische Staat versuchte der Kirche einen Rechtsbereich vollständig streitig zu machen.228
4. Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 a) Einführung Das Sponsalienmandat von 24. Juli 1769229 verdient innerhalb der Mandatsgesetzgebung zum Eherecht gesonderte Erwähnung. Die gerade besprochenen230 „Ehemandate“ beinhalteten im wesentlichen die Regelung obrig225
MS 1788 Bd IV, Nr. 96, S. 1015. MS 1788 Bd IV, Nr. 167, S. 856. 227 Mandat vom 9. September 1797 in: MS 1799 Bd IV, Nr. 33, S. 131. 228 Dazu der folgende Abschnitt. 229 MS 1771, Tl 4, Nr. 9, S. 514 ff. Abgedruckt bei Pfeilschifter, Kongreß, Blge Nr. 59, S. 774 f. 230 Vgl. oben. 226
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keitlicher Einwilligungsvoraussetzungen, nur vereinzelte Mandate ergingen zu interkonfessionellem Recht bzw. zum katholischen oder evangelischen Kirchenrecht. Mandate, die kirchenrechtliche Fragen im engeren Sinne berührten, waren also sehr selten. Strenggenommen ist das Verlöbnisrecht nicht Gegenstand dieser Arbeit, allerdings lassen sich zum Teil aufgrund von geschichtlichen Entwicklungen Verlöbnis und Eheschließung nicht voneinander trennen, ohne den Gesamtzusammenhang zu zerreißen;231 außerdem ist die Neuregelung des Verlöbnisrechtes durch den Staat, wie wir sehen werden, ein Meilenstein auf dem Weg zur Verweltlichung des Eherechts.232 Darüber hinaus greift die Regelung des kurfürstlichen Sponsalienrechts in den Bereich der Ehehindernisse, nämlich das impedimentum publicae honestatis233 ein, dessen Regelung nach herkömmlicher Auffassung ausschließlich der Kirche zustand. b) Inhalt des Sponsalienmandats Durch das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 wird für das Verlöbnis eine bestimmte Form der Eingehung vorgeschrieben. Dabei wird zwischen siegelmäßigen234 und unsiegelmäßigen Personen unterschieden.235 Letztere dürfen sich nur vor der weltlichen Obrigkeit verloben. Dafür zuständig sind das forum ordinarium oder privilegiatum. Das Verlöbnis ist in einem förmlichen Protokoll festzuhalten.236 Die siegelmäßigen Personen dürfen auch 231 Zwar verstand Kreittmayr das Verlöbnis nicht mehr als Teil der Eheschließung, vgl. Anm. CMBC I 6 § 2, S. 102, wie es im Mittelalter z. T. durch germanische Einflüsse der Fall war, vgl. HRG/Schwab, Verlöbnis, Bd 5, Sp. 764 ff. (765); Freisen, Eherecht, S. 103 ff.; Schwab, FamRZ 1968, S. 637 ff. (638), aber die Kirche hatte das Verlöbnis wegen der bestehenden Sachnähe zur Eheschließung, quasi als Vorstufe zum Ehesakrament immer in den Bereich der geistlichen Gerichtsbarkeit gestellt. Aufgrund dieser Entwicklungen hatte es sich auch eingebürgert, daß vor der Eheschließung ein Verlöbnis eingegangen wurde. 232 Vgl. dazu auch bei Schwab, Ehegesetzgebung, S. 208 ff. 233 Dazu oben. 234 Siegelmäßigkeit bezeichnet allgemein das Recht, ein eigenes Siegel und Wappen zu führen und damit Urkunden zu siegeln, die als Beweismittel dienten. Vgl. Habekern/Wallach, „Siegelurkunde“, S. 576. Vgl. auch Anm. CMBC V 22 „Von dem Recht des Adels, Patritiat- und Sigelmäßigem Stande“ § 16. 235 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. I: „I.mo bey allen künftigen Eheversprechungen zwischen siegelmäßigen und andern Personen ein Unterschied gemacht werde. Jene welche nicht siegelmäßig sind“. 236 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. II: sollen sich II.do andergestalt nicht mehr als obrigkeitlich und zwar vor der ordentlich-weltlichen Obrigkeit, worunter entweder beede oder wenigist eins von beeden Theilen sein forum ordinarium oder privilegiatum hat, auf die Eheverlobniß einlassen worüber auch allemal ein förmliches Protocoll zu halten und hievon einem jeden Theil ein gefertigter Extract
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außergerichtlich das Verlöbnis eingehen, allerdings muß es schriftlich festgehalten werden und zwei siegelmäßige Zeugen müssen anwesend sein.237 Außerdem schreibt das Mandat vor, daß „bey jung- oder unversorgten Leuten, welche sich entweder noch bey ihren Eltern befinden, oder unter der Vormundschaft stehen, auch [der] elterlich-respective vormundschaftlichen Consens,“ notwendig sei.238 Blieben die genannten Vorschriften unberücksichtigt, war das Verlöbnis nicht nur unzulässig und strafbar, sondern sogar ungültig.239 Das Mandat regelte schließlich auch die Gerichtsbarkeit für Verlöbnissachen neu. Man sah den contractum sponsalitum nicht als geistliche, sondern als eine rein weltliche Handlung an, weswegen Entscheidungen und Prozesse über Verlöbnisse vor den weltlichen Gerichten verhandelt werden sollten.240 Mit dieser Auffassung hatte sich das Mandat von 1769, das zu einer Reihe von Reformmandaten241 unter dem Kurfürsten Max III. Joseph gehörte, in deutlichen Widerspruch zum kanonischen Recht gesetzt.
gegen die in der Taxordnung auf simple Protocollirungen gesetzte Tax pr. 17. kr. zu ertheilen ist. [. . .]“. 237 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. III: [„Siegelmäßige Personen mögen sich“] „III.tio zwar außergerichtlich jedoch andergestalt nicht als schriftlich und sowohl unter selbst eigner als zweyer siegelmäßiger Gezeugen Unterschrift und Fertigung versprechen.“. 238 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. IV: „Nebst jetzt erwehnten Formalitäten erfordern wir IV.to bey jung- oder unversorgten Leuten, welche sich entweder noch bey ihren Eltern befinden, oder unter der Vormundschaft stehen, auch den elterlich-respective vormundschaftlichen Consens.“. 239 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. V: „declariren sofort V.to alle jene sponsalia clandestina oder Winkelversprechungen, welchen es an obigen requisitis ermangelt, nicht nur für unzulässig, und sträflich, sondern auch für null, nichtig und kraftloß, also und dergestalt, daß weder auf den Vollzug derselben, noch auf eine Indemnisation oder Satisfactionsleistung irgendwo geklagt, gesprochen, oder erkannt werden möge, und gleichwie wir nun.“. 240 Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 Nr. VI: „VI. to an dem contractu sponsalito gar nichts Geistliches befinden können, sondern solchen für eine bloße weltliche Handlung ansehen, so ist unser Will und Meinung, daß die darüber entstehende Processen und Irrungen auch nirgend als bey unsern nachgesetzten Obrigkeiten und Dicasteriis, wie all andere Justizsachen, von den Klägern angebracht, verhandelt und ausgemacht werden sollen, mit dem alleinigen Unterschied, daß die Verhandlung hierinnen allemal summarissime zu desto mehrern Beschleinigung dieser keinen langen Verschub leidenden Sachen längst inner 30 Tagen sub poena desertionis geschehen, der Recours aber an die geistliche Obrigkeiten in hac causa mere saeculari nimmermehr Platz haben solle.“. 241 Pfeilschifter, Kongreß, S. 168 ff.
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Inhaltlich wurde die Formfreiheit des Verlöbnisses aufgehoben und für Minderjährige die Einwilligung der Eltern bzw. Vormünder zur Gültigkeitsvoraussetzung gemacht. Durch die strengeren Voraussetzungen an einen Verlöbnisvertrag konnte es leichter zur Ungültigkeit dieses Vertrages kommen; damit verliert das impedimentum publicae honestatis an Bedeutung.242 Aufgrund des inneren Zusammenhanges des Verlöbnisses mit dem eigentlichen Ehesakrament hatten die Kanonisten die ausschließliche kirchliche Zuständigkeit auch für das Verlöbnis gefordert; das Verlöbnis sei res spiritualis. Diese Auffassung wurde nun staatlicherseits in ihr Gegenteil verkehrt, das Verlöbnis wegen seiner Rückwirkung auf das zeitliche Wohl der Staatsuntertanen zur res mere temporalis erklärt und dementsprechend die Sponsaliengesetzgebung und Rechtspflege als die alleinige Angelegenheit des Staates in Anspruch genommen. Die Begründung lieferte Max III. Joseph im Mandat selbst: „Wir [können] nun [. . .] an dem contractu sponsalitio gar nichts Geistliches befinden [. . .], sondern solchen für eine blosse weltliche Handlung ansehen. . .“243 Der Entschluß ein Verlöbnis einzugehen bestimme „das zeitliche Glück oder Unglück des Menschen meistentheils“.244 c) Die Entstehung des Mandats Dank der ausführlichen Forschungsarbeit von Georg Pfeilschifter-Baumeister zum Salzburger Kongreß 1770–1777 aus dem Jahre 1929 ist es möglich, die Hintergründe des Sponsalienmandats von 1769 detailliert darzustellen. Das Mandat vom 24. Juli 1769 hatte der Hofrat abgefaßt. Es wurde sehr eilig veröffentlicht und interessanterweise wurde dabei der kurfürstlich geheime Rat, der nach Art. 6 III Hofratsordnung von 1750 hätte beteiligt werden müssen, übergangen.245 Dieser Umstand erstaunt umsomehr, als der geistliche Rat246 bzw. eines seiner Mitglieder mit großem Einfluß, Peter von Osterwald247, im Vorfeld stark mit einer Reform des Sponsalienrechts befaßt waren.248 242
Pfeilschifter, Kongreß, S. 275. MS 1771, Tl 4, Nr. 9, S. 514 ff. 244 MS 1771, Tl 4, Nr. 9, S. 514 ff. 245 Pfeilschifter, Kongreß, S. 123 f. 246 Zusammensetzung des geistlichen Rates, Pfeilschifter, Kongreß, S. 115–118; zur Entwicklungsgeschichte des kurfürstlich geistlichen Rates vgl. Bauer, Rat, S. 1 ff. 247 ADB/v. Schulte, Bd 24, S. 525. 248 Zu generellen staatskirchenrechtlichen Reformen hatten Ickstatt und Lori aufgerufen. Sehr bald wurde der kurfürstlich geistliche Rat zu Gutachtertätigkeiten her243
4. Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769
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Peter von Osterwald hatte in seiner Flugschrift „Wider die geistliche Immunität“249 zu einer Reform des kirchlichen Sponsalienrechts aufgerufen, „da es sich hier um eminent wichtige zivile Rechtsverhältnisse handle, bei deren dringlichen Neuordnung die weltliche Gewalt, wenn nicht überhaupt ein ausschließliches, so doch wenigstens ein sehr bedeutendes Wort zu sprechen habe“.250 Diese Forderung wurde dann auf Betreiben des geistlichen Rates in wesentlich bestimmterer Fassung bei der Vorberatung der reformbedürftigsten Punkte des alten Konkordatenrechts aus dem Jahr 1583 erneut vorgebracht. Man wollte über die bisher zuständigen kirchlichen Stellen hinweg, allein aus landesherrlicher Macht, eine bestimmte Verlöbnisform einführen und die Sponsaliengerichtsbarkeit überhaupt den staatlichen Gerichten übertragen. Schließlich fertigte der kurfürstliche geistliche Rat einen Entwurf zur Reform des Sponsalienrechts, den er dem Hofrat am 28. Juni 1769 zur Begutachtung vorlegte.251 Dieser war jedoch milder als das Manangezogen. Eine besondere Rolle kam dabei Peter von Osterwald zu. Pfeilschifter, Kongreß, S. 99 f. 249 Es handelt sich um die unter Pseudonym 1766 erschienene Schrift Veremund v. Lochstein, „Gründe sowohl für als wider die geistliche die geistliche Immunität in zeitlichen Dingen.“ Diese Schrift enthält nach Bauer, Rat, S. 49, eine offen verkündete Rezeption des Gallikanismus. 250 Osterwald, Veremund v. Lochsteins Gründe, 2. Teil 2. Kap. § 3: „Zweyter Theil, welcher die Gründe wider die geistliche Immunität in zeitlichen Dingen enthält.“, Kapitel II: „Vom wesentlichen Unterschiede der geistlich- und weltlichen Macht, und von ihren beyderseitigen Gränzen“, § 3: „So ist die Ehe an sich selbst eine natürliche und bürgerliche Contract-Handlung. Weil aber Christus Jesus, unser Erlöser, dieselbe, nach der Erklärung seiner Kirche, zu der geheiligten Würde eines Sacraments erhoben hat: so ist sie dadurch zugleich auch zu einer geistlichen Religions-Handlung geworden. Gleichwie nun in dieser letzteren Absicht die Kirche Macht und Gewalt hat, die Art und Weise und die Bedingnissen durch canonische Gesetze zu bestimmen, ohne welche diese Handlung die Kraft und Wirkung eines Sacraments nicht erreichen kann: und gleichwie sie gewisse Personen unter gewissen Umständen und Bedingnissen von der Theilhaftigkeit dieses Sacraments ausschliessen kann, ohne hierinnfalls von der weltlichen Macht im geringsten abzuhangen: eben so ist diese letztere an sich selbst unabhängig von der geistlichen Macht, berechtigt, die Art und Weise und die Bedingnissen durch weltliche Gesetze zu bestimmen, ohne welche diese Handlung zu keinem gültigen bürgerlichen Contract erwachsen kann. Und eben so kann sie, wenn es die Wohlfahrt des Staats unumgänglich erfordert, gewisse Personen unter gewissen Umständen und Bedingnissen unfähig machen, diesen Contract in seinem bürgerlichen Wesen gültig zu schließen.“ Doeberl, Konkordatsverhandlungen, S. 11 behauptet wohl zu Unrecht, daß Osterwald auch die Eheschließung den res mixtae zugeordnet habe, also „jenen zeitlichen Dingen, „welche mit den geistlichen nur zufälligerweise verbunden sind und nicht wesentlich dazu gehören“. Bezüglich dieser res mixtae habe Osterwald die Rechte der Kirche zugunsten des Staates so weit beschränkt, daß den kirchlichen Behörden nur noch eine höchst untergeordnete Rolle zukomme. 251 Entwurf zum kurf. Sponsalienmandat 28. Juni 1769, abgedruckt bei Pfeilschifter, Kongreß, Blge Nr. 58, S. 773 f.
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dat des Hofrats. Es wäre nach diesem Entwurf nur eine Form für das Verlöbnis eingeführt worden und die Nichtigkeit desselben bei Verstoß dagegen, die geistliche Gerichtsbarkeit wäre beibehalten worden. Aber erst nach der Veröffentlichung des Sponsalienmandats am 24. Juli 1769 wandte sich der Hofrat an den geistlichen Rat, als es mit dem neuen Recht zunehmend Schwierigkeiten gab.252 Peter von Osterwald, der der Auffassung war, daß diese Probleme bei ordnungsgemäßer Beteiligung des geistlichen Rates vermeidbar gewesen wären, gab im Nachhinein eine Erklärung mit Einverständnis des geistlichen Rates ab, wie er das Mandat verstanden wissen wollte. Das Sponsalienmandat sollte mit einem Erläuterungsmandat versehen werden, was aber vom Hofrat abgelehnt wurde. Vielmehr blieb der Hofrat mit dem Einverständnis des Kurfürsten bei der Zuweisung der Gerichtsbarkeit auch hinsichtlich der das Verlöbnis beeinflussenden Ehehindernisse an die weltlichen Gerichte.253 Für diese offensichtliche Uneinigkeit zwischen den beiden staatlichen Organen, dem Hofrat und dem kurfürstlichen geistlichen Rat, fand Pfeilschifter-Baumeister eine überzeugende Erklärung.254 Sie ist auf Spannungen zwischen Peter von Osterwald, Mitglied des geistlichen Rats, und Johann G. von Lori, Hofrat255, zurückzuführen, die aber erst nach der Veröffentlichung des Mandats und im Verlaufe der Verhandlungen mit dem bayerischen Episkopat ans Licht gekommen sind. Beide sind wesentliche Persönlichkeiten der bayerischen staatskirchenrechtlichen Reformen dieser Zeit mit sehr unterschiedlicher charakterlicher Veranlagung.256 Osterwald trat in Sponsaliensachen immer für ein maßvolleres Vorgehen ein, Lori für radikale Neuerungen.257 An einem maßvollen Vorgehen schien die Regierung zunächst nicht interessiert, denn die Vorgeschichte zum Mandat zeigt, daß die Äußerungen von Osterwald und dem geistlichen Rat dem Hofrat, der mit dem Einverständnis des Kurfürsten handelte, bereits bekannt waren.258 252 Pfeilschifter, Kongreß, S. 129, mit der Fn. 91 m. w. N.: Das Mandat hatte bei den Bischöfen starke Proteste ausgelöst, die soweit gingen, daß die bayerischen Ordinariate zum Teil Verordnungen erließen, in denen angeordnet wurde, daß die Trauung von Brautleuten zu verweigern sei, die sich nach dem Mandat vom 24. Juli 1769 verlobt hatten. 253 Pfeilschifter, Kongreß, S. 131 f. 254 Pfeilschifter, Kongreß, S. 123 i.V. m. S. 553–556. 255 Lori, Johann Georg v. L., in: ADB/Eisenhart, Bd 19, S. 183 ff. 256 Pfeilschifter, Kongreß, S. 441 ff.; HdBbayG/Hammermayer, Bd II, S. 1091, 1093. 257 Pfeilschifter, Kongreß, S. 123, S. 441 f. 258 Dafür spreche der erhebliche Einfluß von Lori auf den Kurfürsten. Pfeilschifter, Kongreß, S. 444.
4. Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769
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Hofrat von Lori259 sprach der geistlichen Gewalt jedes Recht auf Mitwirkung an der Gestaltung des Sponsalienrechts und in der Sponsalienrechtspflege ab. Sogar die Gerichtsbarkeit über die kirchlichen Ehehindernisse, soweit solche der Gültigkeit der Verlöbnisse im Wege stehen konnten, wurde durch seinen Einfluß den staatlichen Gerichten zugewiesen. Auch das impedimentum publicae honestatis sollte nur noch aus dem formgerechten Verlöbnis entstehen, so die Verordnung vom 24. Juli 1769. Dagegen hielt Osterwald nach französischem Muster an der geteilten Kompetenz fest.260 Die Gerichtsbarkeit sollte in den Händen der geistlichen Gewalt bleiben, wenn es um die „Verlöbnishindernisse“ und um alle Pflichten, die sich aus dem Verlöbnisvertrag die Eingehung der Ehe betreffend ergaben, ging. Die staatlichen Reformen des Sponsalienrechts sollten auch auf den bürgerlichen Rechtsbereich eingeschränkt werden. In der kirchlichen Praxis sollte das Verlöbnis unverändert eingegangen werden können.261 Trotz dieser Gegensätze zwischen Osterwald und Lori scheiterte die Reform nicht, sondern die Regierung hielt an ihren Vorstellungen fest. Grund dafür war, daß über die Notwendigkeit einer Reform Einigkeit herrschte. Das Verlöbnisrecht hatte gewisse Schwächen, da das Verlöbnis formfrei eingegangen werden konnte, woraus sich erhebliche Unsicherheiten ähnlich der Eheschließung vor dem Tridentinum ergaben, da man auch aus dem geheimen Verlöbnis auf den Vollzug der Ehe klagen konnte. Es ging insbesondere um das impedimentum nihil transeat, mit dem man einen untreuen angeblichen Verlobten von einer weiteren Eheschließung abhalten konnte, bis geklärt war, ob tatsächlich ein rechtsgültiges Verlöbnis bestand.262 Schließlich beanspruchte die geistliche Gerichtsbarkeit auch alle Entscheidungen über die causis connexis in Verlöbnissachen für sich; hierbei ging es vor allem um Satisfaktionsklagen.263 Diese Mängel hatten manche Ordi259
Dies kann man seiner Nota als Reaktion auf die Proteste der Bischöfe entneh-
men. 260
Pfeilschifter, Kongreß, S. 124. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 124 und Fn. 77: Gutachten des kurfürstlichen Geistlichen Rates 19. Oktober 1769 KM, GR 5151/73 a; Osterwalds Flugschrift „Nahe Beleuchtung derjenigen Entwürfe, welche einige Canonisten wider das churbayerische Sponsaliengesetz vom 24. Juli 1769 machen“ München 1770 4º 99 S. dazu seine wiederholten Äußerungen während der späteren Verhandlungen über die bayer. Sponsalienrechtsreform unten S. 559, 585, 591 Anm. 87; weitere Flugschriften zum bayerischen Sponsalienmandat, vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 134 Fn. 100. 262 Pfeilschifter, Kongreß, S. 127. 263 Vgl. dazu Heiner, Verlöbnis, 21 f. Dreher, Heinz Das Verlöbnis, Eine hist.-juristische Untersuchung. Jur. Dissert. Greifswald 1914. Smet, Tractatus theologicocanonicus de sponsalibus et matrimonio 19274. 261
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nariate zu dem Versuch bewogen, die Klagbarkeit der geheimen Verlöbnisse vor dem geistlichen Gericht aufzuheben und bestimmte Solemnitäten vorzuschreiben.264 Die Regierung beklagte im Rahmen ihrer Reformbestrebungen besonders die folgenden Mängel:265 die Verschleppung der Sponsalienprozesse bei den Diözesangerichten, kostspielige und langdauernde Aufklärungsprozesse und die gerichtliche Erzwingung der Erfüllung des Eheversprechens vor allem auch durch leibliche und besonders durch schwere Gefängnisstrafen. Der Streit bestand also nur darüber, wie diese Mängel behoben werden sollten.266 Schon sehr schnell nach der Veröffentlichung des Mandats haben die bayerischen Bischöfe Protest gegen die deutlichen Abweichungen vom kanonischen Recht erhoben.267 Sogar Osterwald ging daraufhin in einer Erklärung gegenüber dem Kurfürsten am 30. Dezember 1769 von seinem maßvollen Kurs ab. Da durch die Angriffe der Bischöfe die Hoheitsrechte im bürgerlichen rechtlichen Bereich stärker bedroht würden als in kirchlichen Bereichen könne nicht mit einer maßvollen Politik, wie er sich ursprünglich vorgestellt hatte, vorgegangen werden, sondern es müsse generell, nicht nur im Sponsalienrecht, umfassend reformiert werden. Es müßten alle „ad forum ecclesiasticum privilegiatum gehörigen Sachen“ an die weltlichen Gerichte zurückgeholt werden, damit die Kirche nicht aus der weiteren Überlassung dieser Gerichtsbereiche schließen könne, daß ihr diese „nicht mehr privilegienweise, sondern iure proprio unwiderruflich“ zustünden.268 Osterwald hatte den bischöflichen Protest in seiner Schrift „Nähere Beleuchtung der Bambergischen Regierungsbedenken über die Churbayer. Verordnung vom 24. Juli 1769 in betreff der Sponsalien“ widerlegt, die anonym unter dem Titel „Nahe Beleuchtung derjenigen Entwürfe, welche einige Canoni264 Pfeilschifter, Kongreß, S. 125 und Verweis auf die Voten zum Sponsalienrecht vom Ordinariat Regensburg, ebd. S. 268, Chiemsee S. 269, Salzburg S. 273 Fn. 28. 265 Inwieweit diese Kritik den realen Umständen entsprach, hat Pfeilschifter stichprobenartig untersucht. Pfeilschifter, Kongreß, S. 128. 266 Pfeilschifter, Kongreß, S. 124 f. 267 Pfeilschifter, Kongreß, S. 131. Der Salzburger Erzbischof Siegmund v. Schrattenbach hatte noch im August 1769 gegenüber der Regierung zum Mandat ablehnend Stellung genommen. Dieses Schreiben hatte er auch an alle bayerischen Ordinariate versandt. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, Beilage 61, S. 776. Dieses Schreiben war die Antwort auf das Regierungsschreiben, in dem allen bayerischen Ordinariaten das erlassene Verlöbnismandat mitgeteilt worden war. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, Beilage 60, S. 775, Protestschreiben des Erzbischofs v. Salzburg 17. Aug. 1769, des Bischof von Eichstätt 5. August, Freising 28. August, Chiemsee 1. September, Regensburg 6. Oktober, Passau 13. Oktober, Bamberg 8. November, Augsburg 18. November, Konstanz 24. November, ebd. S. 131 Fn. 92, vgl. hierzu auch S. 189 Nr. 3. 268 Pfeilschifter, Kongreß, S. 132 Fn. 93: K. Geistl. Ratsgutachten v. 30. Dez. 1769.
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sten wider das churbayerische Sponsaliengesetz v. 24. Juli 1769 machen.“ in den Druck gegeben worden war.269 Auch Lori hatte dem Geheimen Rat eine „Nota“ über die bischöflichen Beschwerden gegen das kurfürstliche Sponsalienmandat eingereicht.270 Lori hatte wohl nicht unerheblichen Einfluß auf die Antwort der Regierung auf den einmütigen bischöflichen Protest, vom 9. März 1770. So wurde das „mit guttem Bedacht abgefaßte“ Sponsalienmandat gegen den Willen Osterwalds und des kurfürstlichen geistlichen Rates nicht gemildert, sondern verschärft: Zukünftig wollte man auch die weltlichen Gerichtsbehörden mit der Untersuchung und Verhandlung aller kanonische Ehehindernisse betrauen, soweit die Gültigkeit strittiger Sponsalien berührt würde. Die bayerische Regierung drohte sogar mit Zwangsmittel gegen die Pfarrer, die nicht bereit seien diesem Gesetz nachzukommen.271 „Damit war nun freilich die Spitze der Herausforderung erstiegen.“272 Die Bischöfe entschlossen sich zur Einberufung des „Salzburger Kongresses“. Ende Juni wurde die Regierung vom Salzburger Erzbischof davon in Kenntnis gesetzt.273 Beim Kurfürst löste die Mitteilung Besorgnis aus274 und veranlaßte das geistliche Ratskollegium Anfang August schnellst möglich ein Gutachten zu erstellen, wie man sich nun zu verhalten habe. Er war sogar bereit das Sponsalienmandat zurückzunehmen. Osterwald hielt diese Überlegung für einen politischen Fehler, da dadurch die gesamten in Angriff genommenen staatskirchenrechtlichen Reformen gefährdet würden. Davon konnte er auch den aufgebrachten Kurfürsten überzeugen.275 Er riet vielmehr zur Veröffentlichung seiner Widerlegung des Bamberger Rechtsgutachtens über das Churf. Sponsalienmandat 276; denn diese – und das war ganz richtig berechnet – werde den „hitzigen Übereifer der bayerischen Bischöfe gewiß merklich kühlen, wenn sie ihnen vor oder doch wenigstens 269
Pfeilschifter, Kongreß, S. 132. Lori hatte sich aber bereits einen Monat vor Osterwald geäußert, am 30. Nov. 1769., vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 133 Fn. 95: Orig. in KM, GR 515/73 a; vgl. Abdruck bei Pfeilschifter, Kongreß, Blge 7, S. 678–684. 271 Pfeilschifter, Kongreß, Beilage 61, 62. Dieses Vorgehen war durchaus begründet, denn es ist zu zahlreichen Protesten durch die bayerischen Bischöfe gegen das Sponsalienmandat gekommen und die Pfarrer waren z. T. angehalten, Trauungen zu verweigern, wenn ein Verlöbnis nach der staatlich vorgeschriebenen Form eingegangen worden war. Vgl. dazu die Fn. 91 bei Pfeilschifter, Kongreß, S. 129. 272 Pfeilschifter, Kongreß, S. 133. 273 Pfeilschifter, Kongreß, S. 133 Fn. 98: Orig. KM/GR 515/73a; Beilage Nr. 36, S. 733. 274 Pfeilschifter, Kongreß, S. 447 ff., 456. 275 Pfeilschifter, Kongreß, S. 134. 276 „Nahe Beleuchtung derjenigen Entwürfe, welche einige Canonisten wider das churbayerische Sponsaliengesetz v. 24. Juli 1769 machen.“ München 1770 4º 99 S. 270
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noch während des Kongresses zu Gesichte käme.“277 Osterwald und der kurfürstliche Hofrat waren sich einig, daß auf die Ankündigung des Kongresses überhaupt nicht geantwortet werden sollte.278 d) Verhandlungen zum Sponsalienmandat auf dem Salzburger Kongreß Gegenstand des Salzburger Kongresses war neben anderen Reformgesetzen vor allem das Sponsalienmandat, wobei es im wesentlichen um folgende vier Fragenkomplexe ging:279 – die Annullierung der heimlichen und der ohne Einwilligung der Eltern oder der Vormünder eingegangenen Verlöbnisse Minderjähriger, – die Erforderlichkeit einer Verlöbnisform – was die Gestaltung der Gültigkeitsvoraussetzungen anlangt, zeigten sich manche Bistümer aufgeschlossen, weil sie ebenfalls hier einen Handlungsbedarf sahen. In diesem Zusammenhang spielt das Bistum Regensburg eine besondere Rolle, da es versucht, das kurfürstliche Mandat durch einen theoretischen Unterbau zu stützen, indem es die werdende und die vollendete Verlobung unterscheidet und für erstere noch keinen Zusammenhang zum Ehesakrament sieht, so daß dem Staat ohne weiteres Regelungskompetenz zukomme –280, – die Gerichtsbarkeit in rein geistlichen Verlöbnissachen, insbesondere hinsichtlich Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verlöbnisse und der Rechtmäßigkeit des Rücktritts vom Verlöbnis, und – die Gerichtsbarkeit in Bezug auf die sog. causae connexae, worunter in Verlöbnissachen im wesentlichen die bürgerlichen Satisfaktionsklagen aus Verlöbnissen zu verstehen sind. Im Verlaufe der Sitzungen kam der Kongreß zu folgenden Ergebnissen: Einstimmig beschlossen die Deputierten, daß die ohne Konsens der Eltern oder Vormünder eingegangenen Verlöbnisse minderjähriger Personen von den bayerischen Ordinariaten annulliert werden sollten, allerdings mit päpstlicher Genehmigung, obwohl die Bischöfe sich der Schwierigkeiten mit der Kurie bewußt waren. Sie hielten dieses Problem für behebbar, „wenn man nur auf alle mögliche Weise begreiflich mache, daß dieses 277
Pfeilschifter, Kongreß, S. 134. Vgl. Gutachten des kurfürstl. Geistl. Ratsdirektors Peter v. Osterwald über die Berufung des Salzburger Kongresses vom 16. August 1770 abgedruckt als Beilage Nr. 37 bei Pfeilschifter, Kongreß, S. 734 und vgl. auch ebd., S. 134 und Fn. 100 m. w. N. 279 Pfeilschifter, Kongreß, S. 265. 280 Pfeilschifter, Kongreß, S. 266. 278
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„dem Geiste der alten Kirche“ angemessene Zugeständnis „der erste Grundstein zu einem Vergleich inter Sacerdotium et imperium“ in Bayern sein werde.281 Die Übernahme der durch das bayerische Gesetz vorgeschriebener Formvorschriften und die Nichtigerklärung der dagegen verstoßenden Verlöbnisse in das kirchliche Recht, lehnte man hingegen ab. Einverstanden war man jedoch damit, daß aus solchen nichtigen Verlöbnissen, soweit dies auch für den kirchlichen Bereich galt, weder vor den weltlichen, noch geistlichen Gerichten geklagt werden könne. Die causae connexae dem weltlichen Gericht zu überlassen, fand noch keinen großen Beifall, man wollte „diese erst dann opfern, wenn die Hauptsache nicht anders gerettet werden könnte.“282 Die Einschränkung bzw. die völlige Abtretung der Kompetenz des geistlichen Gerichts in Streitigkeiten über die Gültigkeit des Verlöbnisvertrages wurde einstimmig abgelehnt. Man fürchtete, daß, wenn man in diesem Punkt nachgeben würde, auch die Gerichtsbarkeit in Ehesachen gefährdet sein könnte. Hierbei war man sich der Hilfe des Papstes und des Kaisers sicher.283 e) Eintritt in Verhandlungen zu einem ersten bayerischen Einheitskonkordat aa) Allgemeines In einer zweiten Etappe des Kongresses kam es zu Verhandlungen zu einem ersten bayerischen Einheitskonkordat284 mit dem bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph. Dort sollte auch das Sponsalienrecht geregelt werden. Die Verhandlungen über die Reform des bayerischen Sponsalienrechts mündeten schließlich in den Vertrag vom 15. November 1776. Das bayerische Episkopat ging wenigstens teilweise mit der Überzeugung in diese Verhandlungen, „daß die Einführung einer bestimmten Sponsalienform eines der vordringlichsten modernen Bedürfnisse sei, auf dessen Befriedigung der weltliche Staat mit Recht bestehen könne.“285 Diese Bereitschaft des Epi281
Pfeilschifter, Kongreß, S. 274. Pfeilschifter, Kongreß, S. 274. 283 Pfeilschifter, Kongreß, S. 274. 284 Dabei ging es um eine umfassende Neuregelung aller Bereiche, die das Verhältnis von Kirche und Staat betrafen. Bislang gab es neben dem Konkordat von 1583 auch verschiedene Rezesse, die sich mit diesem Recht befaßten. 285 So hatte es Pfeilschifter, Kongreß S. 552 zusammengefaßt, vgl. dazu auch Fn. 5 mit einem Gutachten des Bamberger Vikariats vom 17. August 1769 über die 282
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skopat der bayerischen Regierung entgegenzukommen bestand zum Teil aus Angst, dem Sponsaliengesetz könne schon sehr bald eine zivile Ehegesetzgebung folgen.286 Es sollte also Schlimmeres verhindert werden. Nicht unerheblich für diese Haltung war fehlender Rückhalt durch den Papst, der riet, keine Forderungen zu stellen, solange die Gerichtsbarkeit in Ehesachen nicht angegriffen werde.287 Auf kurfürstlicher Seite „wurden die Verhandlungen bestimmt durch einen offenen Konflikt zwischen dem Hofrat und dem Geistlichen Ratskollegium“,288 der aus der Vorgeschichte des Sponsalienmandats herstammte. Die kurfürstliche Konkordatenkommission, ein Ausschuß aus dem kurfürstlichen geistlichen Ratskollegium, trat mit der Absicht, in wesentlichen Punkten eine Milderung der Sponsalienrechtsreform eintreten zu lassen, in die Verhandlungen ein. Dies geschah in Opposition zum Hofrat; man wollte nun den rechtmäßigen Einfluß, der bei der Vorbereitung des Gesetzes hintertrieben289 worden war, nachholen. Zwei Jahre dauerten die Verhandlungen zu einem von beiden Seiten annehmbaren Vertrag. Dabei wurden verschiedene Kompromißvorschläge zur Regelung des Sponsalienrechts vorgelegt. bb) Der Vergleichsentwurf der Bischöfe Der Vergleichsentwurf der Bischöfe290 machte zur Bedingung, daß das Mandat vom 24. Juli 1769 durch ein besonderes Ergänzungsgesetz auf die Berechtigung des bayerischen Kurfürsten, eine Verlöbnisform pro foro civili einzuführen: „welche befugnüss einem Landesherrn nicht wohl abzusprechen seyn wirdt undt einige erhebliche und würkende Einwendung kaum zu machen, sondern wenigstens ex ratione politica darüber hinauszugehen seyn werde und zwar destoi mehr, als bereits auch durch eine diesseitige Diocesanverordnung die heimliche Eheversprechen wenigstens pro foro externo (wie denn die vorwürffige Landeskonstitution gleichermaßen nur pro foro externo zu verstehen ist) für null und nichtig erklärt seyn und in praxi dicasteriali dafür angesehen werden, somit man wohl geschehen lassen könnte, wann nur berührte Diözesanverordnung durch das landesherrliche Ansehen noch mehr befestigt wirde“ 286 Die Bischöfe hatten bei der Vorbereitung ihrer Verhandlungsgrundsätze verkannt, daß den Reformmandaten der Regierung ein ganzes System zugrundelag. Sie verfolgten daher vor allem das Ziel, die Unabhängigkeit beider Gewalten zu erhalten. Pfeilschifter, Kongreß, S. 462 f. 287 Pfeilschifter, Kongreß, S. 552 f. und Fn. 6. 288 Vgl. zu dem Ganzen auch oben. 289 Vgl. oben. 290 Pfeilschifter, Kongreß, S. 557 ff.: Dieser Entwurf wurde der bayerischen Regierung am 28. November 1774 von Ferdinand Christian v. Zeil, dem hauptsächlich die Leitung des Kongresses und die Verhandlungen zum bayerischen Konkordat von 1773–1777 übertragen waren, vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 199, vorgelegt.
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bürgerlichen Rechtswirkungen eingeschränkt würde und diese Veränderungen vom Papst zu ratifizieren seien. Hinsichtlich der Form für die Eingehung eines gültigen Verlöbnisses, schlug man drei Möglichkeiten vor, nämlich die Eingehung vor dem zuständigen Priester oder der zuständigen weltlichen Behörde beider oder nur eines Verlobten in der Gegenwart zweier „unverwerflicher“ Zeugen unter Einhaltung der weiteren Vorschriften des § 2 des Mandats von 24. Juli 1769 oder aber die „außergerichtliche“ Eingehung vor zwei Zeugen mündlich oder schriftlich. Für minderjährige Personen sollte die Einwilligung der Eltern oder Vormünder erforderlich sein (vgl. § 5). Geistliche Gerichte sollten über die Existenz, Gültigkeit oder Ungültigkeit der Verlöbnisse auch bezüglich der formgerechten Eingehung und außerdem über die Rechtmäßigkeit des Rücktritts vom Verlöbnis und der Verweigerung der elterlichen bzw. vormundschaftlichen Erlaubnis zur Verlobung minderjähriger Kinder und Mündel entscheiden. Für Hauptsacheklagen über die Verlöbnisfolgen sollten weltliche Gerichte zuständig sein. Ist in diesem Verfahren über die Gültigkeit des Verlöbnisses zu entscheiden, sollte das weltliche Gericht diese Frage dem geistlichen Gericht zur Entscheidung vorlegen (§§ 10 f). Außerdem sollten alle bayerischen Diözesangerichte eine einheitliche Prozeßordnung erhalten. cc) Der Vergleichsentwurf der kurfürstlichen Konkordatenkommission Das von der kurfürstlichen Konkordatenkommission erarbeitete Gegenprojekt291 der Regierung, stimmte mit dem bischöflichen Vorschlag lediglich in dem Punkt überein, daß man für die Feststellung der Gültigkeit/Ungültigkeit der Verlöbnisse einschließlich der Prüfung bestehender kanonischer Ehehindernisse sowie für die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Rücktritts oder der Verweigerung des Konsenses das geistliche Gericht als zuständig ansah (§ 4). Abweichend von bischöflicher Vorstellung sollten die Prozesse über die Gültigkeit und die Rechtmäßigkeit des Rücktritts nicht mehr über drei Instanzen, sondern nur mehr in einer, vor den Diözesangerichten geführt werden (§ 7).292 291
Pfeilschifter, Kongreß, S. 559 f. Pfeilschifter, Kongreß, S. 560 „Diese Bestimmung wurde unter Hinweis auf c. 1, X de sponsal. IV, 1 damit begründet, daß die Tätigkeit der Appelationsinstanzen am Ende doch keine andere Wirkung haben könne, als daß „die Partheyen öfters mit ihrem gänzlichen Ruin in vergebliche Kösten und Weitwendigkeiten“ gestürzt würden, „indem am Ende, utcumque valida sint sponsalia etiam jurata, doch niemand gezwungen werden kann die versprochene Ehe zu vollzihen propter favorem libertatis matrimonii, quod coactum difficiles solet habere exitus“ (§ 5). 292
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Außerdem forderte man, daß innerhalb der unter bayerischer Landeshoheit stehenden Diözesangebiete die bischöfliche Ehe- und Verlöbnisgerichtsbarkeit, ebenso wie die gesamte übrige geistliche Rechtsprechung, nicht unmittelbar von dem exterritorialen Diözesangericht, sondern nur von einem besonders bestellten Offizial ausgeübt werden sollten, der seinen ständigen Sitz im bayerischen Territorium hätte (§ 6). Dadurch sollte das Ausfließen bayerischen Geldes zur Deckung der Gerichtskosten in fremde Territorien verhindert werden. Auch blieb man bei der Zuständigkeit des weltlichen Gerichts für Klagen der Minderjährigen wegen Unrechtmäßigkeit der Konsensverweigerung ihrer Eltern oder Vormünder zur Verlobung (§ 3). Hinsichtlich der Verlöbnisform änderte man nichts, es blieb bei der Unterscheidung von unsiegelmäßigen und siegelmäßigen Personen wie im Mandat von 1769. Die schriftliche Fixierung der Eheversprechen sollte jedoch für alle gelten. Die Erklärung sollte in zwei Exemplaren ausgefertigt und von den Spondenten, bei minderjährigen auch von den Eltern oder Vormündern, bei außergerichtlicher Verlobung auch von den beiden Zeugen persönlich unterschrieben werden (§ 2). Minderjährige sollten zur Verlobung die Erlaubnis der Eltern oder Vormünder bedürfen (§ 3). Im übrigen wurde die Anfrage nach einer päpstlichen Ratifikation den Bischöfen allein aufgetragen; die Regierung fühlte sich zu Verträgen über Landeshoheitsrechte nicht verpflichtet, eine päpstliche Ratifikation einzuholen, (§ 8). Wegen der großen Gegensätzlichkeiten führten die Entwürfe zu keiner Annäherung der Parteien und wurden verworfen.293
dd) Das Entgegenkommen der kurfürstlichen Konkordatenkommission Schließlich fand eine mündliche Aussprache zwischen dem Kongreßgesandten und dem kurfürstlichen Ministerium294 und fünf Mitgliedern der Konkordatenkommission295 statt. Dort sollten der bayerischen Regierung die Hintergründe für die Entscheidungen des Episkopates in den Sponsaliensachen nahe gebracht werden. Diese Besprechung brachte ein großes Entgegenkommen staatlicherseits. Ferdinand Christian v. Zeil,296 hatte betont, daß die bayerischen Bischöfe nicht grundsätzlich eine Abstellung der Mißstände im Sponsalienrecht durch eine Gesetzgebung auch innerhalb des kirchlichen Rechtsbereichs ablehnten; allerdings dürfe das Mandat vom 293 294 295 296
Pfeilschifter, Kongreß, S. 561 ff. Kreittmayr war Mitglied des Ministeriums. Pfeilschifter, Kongreß, S. 576. Mitglied war u. a. von Osterwald. Pfeilschifter, Kongreß, S. 576. Zur Person, vgl. Fn. 290 weiter oben unter bb.
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24. Juli 1769 nicht Verhandlungsgrundlage sein, da es zu stark durch die Auffassung geprägt sei, daß das Verlöbnis eine causa mere temporalis sei. Von der Forderung einer ausschließlichen weltlichen Gerichtsbarkeit in Verlöbnissachen war Bayern im Verlaufe des Kongresses bereits abgerückt. Von der Forderung, bayerische Offiziale einzurichten, wich man jetzt ebenfalls ab, nachdem Zeil zur Entkräftung der staatlichen Argumente eine Gesamtberechnung über die Einnahmen, die im letzten Dezennium bei allen bayerischen Konsistorialgerichten aus Sponsalienprozessen angefallen sind, vorgelegt hatte. Es waren nur 954 Gulden und nicht 150.000,–, wie auf bayerischer Seite geschätzt worden war. Was die Möglichkeit einer außergerichtlichen Verlobung betraf, einigte man sich auf einen näher bestimmten privilegierten Personenkreis. Es wurde die Teilung der Gerichtsbarkeit nach Schuldurteil und Strafzumessung für die causas connexas vereinbart. Die Vollstreckung von in Sponsalienprozessen verhängter Gefängnisstrafen (bei Erfüllungsklagen) sollte durch die kurfürstliche Behörde am Wohnort des Verurteilten vorgenommen werden und nicht mehr durch den Bischof auf seinem Territorium. Das kurfürstliche Ministerium machte eine wichtige, wenn auch unverbindliche Zusicherung, daß der Kurfürst die Gerichtsbarkeit über den dissensus paternus vel tutorius dem forum ecclesiasticum überlassen würde, nachdem er selbst dies genau überprüft hätte und wenn die kirchliche Seite eine Erklärung abgeben würde, die sie verpflichten würde, vor dem Urteilsspruch das Gutachten der zuständigen weltlichen Gerichtsstelle einzuholen, falls die Konsensverweigerung durch weltliche Interessen bedingt sein sollte.297 ee) Einigung Nach weiteren kontroversen Verhandlungen kam es am 15. November 1776 endlich zur Annahme folgenden Gesamtergebnisses von beiden Parteien, das sogleich am 16. November ratifiziert wurde:298 Man hatte sich hinsichtlich der Sponsalienform auf gleiche Voraussetzungen für die Gültigkeit des Verlöbnisses im staatlichen und kirchlichen Bereich geeinigt: Das Verlöbnis mußte in der Gegenwart mindestens eines Zeugen vor dem Ortspfarrer oder vor der weltlichen Behörde eines oder beider Spondenten abgeschlossen werden, § 2299. Die Pfarrer und die Behörden waren verpflichtet, das Verlöbnis genau zu dokumentieren und den 297
Pfeilschifter, Kongreß, S. 577. Abdruck des Vertrages vom 15. November 1775 bei Pfeilschifter, Kongreß, Beilage Nr. 64, S. 782 ff., vgl. auch S. 587 ff. 299 Die Paragraphen entsprechen dem Vertragstext vom 15. November 1775, vgl. Pfeilschifter, Kongreß, Beilage Nr. 64, S. 782 ff. 298
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Verlobten eine Urkunde darüber mitzugeben, § 3. Der gesamte bayerische Geburts- und Ernennungsadel, die kurfürstlichen Titular- und wirklichen Räte, die Offiziere des kurfürstlichen Stabes, alle übrigen höheren Offiziere und die Bürgermeister der fünf bayerischen Hauptstädte (München, Landshut, Straubing, Amberg und Burghausen) waren als Privilegierte von dieser Regelung ausgenommen und durften auch außergerichtlich und ohne den Ortspfarrer nur in der Gegenwart zweier Zeugen ihr Verlöbnis eingehen; jedoch unter zwei Bedingungen: Die Zeugen mußten gleicher Herkunft sein und das Eheversprechen bedurfte der Schriftform wie auch die Urkunde zusätzlich zu den Spondenten auch von einem Zeugen unterschrieben werden mußte, § 4. Bezüglich der Einwilligung der Eltern oder Vormünder zum Eheversprechen minderjähriger Personen war man zu keiner einheitlichen Lösung für Staat und Kirche gekommen. Im staatlichen Recht waren diese Einwilligungen unter Strafandrohung geboten und ohne sie das Verlöbnis ungültig. Im kirchlichen Rechtsbereich waren sie für die Gültigkeit, wie bisher, unerheblich. Allerdings sollten die Pfarrern unter „Androhung kanonischer Zensuren“ verpflichtet werden, daß sie den minderjährigen Spondenten ohne Nachweis der elterlichen Erlaubnis die erforderliche Assistenz verweigern mußten. Würde aber bereits ein Einspruch gegen diese „heimliche Verlobung“ durch Eltern oder Vormünder vorliegen, sei das Aufgebot auszusetzen und das Ordinariat zu verständigen, § 5.300 Bezüglich der Sponsaliengerichtsbarkeit hatten sich die kirchlichen Forderungen durchsetzen können: Die kirchliche Gerichtsbarkeit blieb für Fragen der Gültigkeit eines Verlöbnisses und für die daraus entstehenden kanonischen Hindernisse sowie für die Rechtmäßigkeit des Rücktritts vom gültigen Verlöbnis zuständig, § 7. Die weltlichen Gerichte durften sich nur mit der Vollstreckung der Gefängnisstrafen befassen, die durch das geistliche Gericht zur Erzwingung der Verlöbniserfüllung verhängt worden waren, § 13. Auch der Bereich der causae connexae wurde nach der kirchlichen Forderung aufgeteilt, während die bayerische Regierung die geistliche Gerichtsbarkeit in diesem Bereich unter Berufung auf I 6 § 49 CMBC völlig abgelehnt hatte301: der geistliche Richter sprach das Schuldurteil, der weltliche Richter war auf die Benennung des Ausmaßes der schuldigen Satisfaktionsleistung beschränkt, § 9 und § 10. Nur Satisfaktionsprozesse als 300 Die Regierung hatte für den Fall der Verlobung coram parocho den Antrag gestellt, diese Verlobung nur dann als gültig anzuerkennen, wenn vorher ein sogenannter „Willensschein“ (analog den Heiratsbewilligungen, vgl. oben) der Ortsbehörde ausgestellt worden sei, um sich nicht völlig der Kontrolle der Verlobungen zu begeben. Allerdings hatte sie sich nicht durchsetzen können. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 580 vor allem mit Fn. 64. 301 Dazu oben.
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Hauptklagen gehörten ausschließlich vor das weltliche Gericht, § 11. Auch für das Urteil über Recht- und Unrechtmäßigkeit der elterlichen bzw. vormundschaftlichen Zustimmung zum Verlöbnis blieb das geistliche Gericht zuständig. Man hatte aber die Prüfung der möglichen weltlichen Gründe in diesem Zusammenhang den weltlichen Gerichten überlassen. Das Zwischenurteil des weltlichen Gerichtes war dem Urteilsspruch des geistlichen Gerichtes zugrunde zu legen, § 6. Hierin sieht Schwab302 eine Rückkehr zum System einer doppelten, nämlich geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit. Eine Einführung „einer gleichen, summarischen Sponsalienprozeßordnung bei allen bayerischen Konsistorialgerichten“ hatte das Episkopat zugesichert, § 14. Ebenfalls nach bischöflicher Vorstellung bedurften diese Vereinbarungen für ihre Gültigkeit der päpstlichen Ratifikation und anschließend der Publikation. Die Regierung versprach, die bischöflichen Bemühungen um die päpstliche Ratifikation zu unterstützen und verpflichtete sich vor allem ausdrücklich, erst nach der Ratifikation durch den Papst, den Vertrag als Landesgesetz anzuwenden, § 15. Nicht ausdrücklich geregelt war die Frage, welches Recht anwendbar sei, wenn sich bayerische Untertanen mit Nichtbayern oder außerhalb des bayerischen Territoriums verloben wollten. Wegen der Betonung der Unabänderlichkeit der vorliegenden Regelungen in jeder Hinsicht in § 14 wurde vertreten, daß auch diese Fälle nach dem neuen bayerischen Recht zu bewerten seien.303 ff) Das Scheitern der päpstlichen Ratifikation nach dem Tode Max III. Joseph Damit der nun abgeschlossene Sponsalienvertrag durch die päpstliche Ratifikation die volle Rechtskraft erlangte, übergab man ihn im Juni 1777 in lateinischer Übersetzung dem Papst. Ende 1777 äußerte sich der Papst zur Sponsalienrechtsreform, die er nicht grundsätzlich ablehnte. Er forderte aber für die Ratifizierung verschiedene Abänderungen des Vertrages vom 15. November 1776:304 Wesentliche Kritik traf die Verlöbnisform. Man verlangte den Verlöbnisabschluß in Gegenwart eines oder mehrere Zeugen vor einem notarius publicus, der von der Kirche hierzu generell oder im Einzelfall zu ernennen sei, (Art. II). Völlig abgelehnt wurden die unterschiedlichen Sponsalienformen nach Standesunterschieden, (Art. IV), da dies mit dem Neuen Testament305 nicht vereinbar sei, da bezüglich der Spende des 302 303 304
Schwab, Ehegesetzgebung, S. 211. Pfeilschifter, Kongreß, S. 589. Pfeilschifter, Kongreß, S. 591 ff.
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Ehesakraments kein Unterschied nach Ständen gemacht werden könne und dies wegen des inneren Zusammenhanges von Verlöbnis und Ehesakrament auch für die Verlobung gelte. Wegen dieses inneren Zusammenhanges von Verlöbnis und Ehesakrament müsse die Verlöbnisaufnahme auch als ausschließliches Recht der geistlichen Gewalt behauptet werden und daher dürften auch nur die Pfarrer „Vewahrer und Hüter“ der Sponsalienregister sein.306 Im Bereich der Sponsaliengerichtsbarkeit wurden im allgemeinen nur kleine Änderungen vorgenommen.307 Allerdings unterbrach der plötzliche Tod von Max III. Joseph am 15. Dezember 1777 den weiteren Verlauf der Verhandlungen. Seitdem waren die Bischöfe an der Verwirklichung des Vertrages nicht mehr interessiert308 und hofften, daß das Mandat durch den Regierungswechsel in Vergessenheit geriete. f) Die einseitige Publikation des Vertrages durch den bayerischen Staat aa) Allgemeines Nach anderthalb Jahren verlor die bayerische Regierung die Geduld, die päpstliche Ratifikation abzuwarten. Im Jahre 1779 entschloß sie sich zu einer einseitigen provisorischen Publikation des neuen Vertrages nur mit bürgerlich rechtlicher Wirkung.309 Diese Aufgabe fiel dem kurf. Hofratskollegium zu und Kreittmayr machte eigenhändig eine Abschrift. Allerdings unterlief ihm dabei eine Verwechslung. Er hielt den früheren Vertragsentwurf der Regierung vom 20. Februar 1775 für den Originalvertrag. Die am 5. März 1779 erscheinende „Provisionalverordnung“ brachte darum statt des Textes des eigentlichen Sponsalienvertrages den des Regierungsentwurfs aus dem frühesten Verhandlungsstadium.310 Nachdem dieser Irrtum aufgeklärt worden war und sich Kreittmayr entschuldigt hatte, wurde diese Provinzialverordnung am 25. April 1779311 widerrufen und der richtige Text wiedergegeben.
305
Gal. 3, 28 und Col. 3, 11. Pfeilschifter, Kongreß, S. 594. 307 Pfeilschifter, Kongreß, S. 594. 308 Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 596. 309 Pfeilschifter, Kongreß, S. 597. Die Beschränkung auf die nur bürgerlich rechtliche Wirkung der Sponsalienreform hatte Osterwald mehrfach angeregt. Er erhoffte sich von dieser Variante mehr Erfolg, denn er glaubte nicht, daß die Kurie den jetzigen Vertragsinhalt ratifizieren würde. 310 MS 1784, Bd I, S. 146. 306
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bb) Die Reaktion der Bischöfe Diese einseitige Veröffentlichung durch den bayerischen Staat, die gegen § 15 des Sponsalienvertrages verstieß, veranlaßte die Bischöfe zugunsten einer einheitlichen Sponsalienrechtspflege die Anerkennung des Vertrages als ein „Provinzialnormativ“ auch „quoad forum ecclesiasticum“ zu beschleunigen. Man wählte diese Übergangslösung, weil es bis zu einer päpstlichen Ratifizierung noch eine Weile dauern würde. Man war sich jedoch einig, auf einer bedingungslosen Ratifizierung zu bestehen, nachdem man die von der Kurie vorgebrachten Einwände nicht mit bayerischem Landesrecht, das, wie man meinte, in Rom nicht bekannt sei, vereinbar waren. Der Salzburger Erzbischof veröffentlichte daraufhin den Sponsalienvertrag vom 15. November 1776 im August 1779, jedoch nicht nur provisorisch. Allerdings erfuhren die bayerischen Bischöfe davon erst ein Jahr später.312 Sie waren mit der Handlung des Erzbischofs, der sich einfach über die Kurie hinweggesetzt hatte, nicht zufrieden. Sie hielten ausschließlich den Papst für befugt, die Gültigkeit der Sponsalien an eine Form zu binden. Die mehrheitliche Ablehnung der Handlungsweise des Salzburger Erzbischofs erforderte zumindest seine scheinbare Einwilligung, sich weiterhin um Ratifikation in Rom zu bemühen. Durch den „Sturm des Josephinismus“, der bald darauf über Österreich ging, geriet das bayerische Anliegen des Sponsalienvertrages allerdings in den Hintergrund. cc) Die Wiedereinführung des Sponsalienmandats vom 24. Juli 1769 Für das bayerische Territorium hatte dies zur Folge, daß die Rechtsunsicherheit im Sponsalienrecht keinesfalls beseitigt war. Die eigenmächtige Publikation des Salzburger Erzbischofs wurde nur von einigen Bischöfen anerkannt313. In den übrigen Bistümern waren die Konsistorien gezwungen, das kanonische Sponsalienrecht von vor 1769 anzuwenden.314 Es kam zu Konflikten in Sponsaliensachen. Die Regierung versuchte die Gegensätzlichkeiten von staatlichem und kirchlichem Recht durch die Wiedereinführung des Sponsalienmandats von 1769 im Jahre 1782 zu beheben. Den äußeren Anlaß gab die Verhandlung der Streitigkeiten in den Sponsalien311 MS 1784, Bd I, S. 147: „Erläuterung zu der vorigen Verordnung unter nachträglicher Bekanntmachung des Vergleiches vom 15. Nov. 1776, besonders hinsichtlich der Ungültigkeit der heimlichen Sponsalien und der näheren Ausscheidung, was zur geistlichen und was zur weltlichen Kognition gehört.“ 312 Pfeilschifter, Kongreß, S. 598 f. 313 Dazu gehörten Konstanz, Bamberg und Chiemsee. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 608. 314 Hierzu gehörten Eichstätt, Regensburg, Freising und Augsburg. Vgl. Pfeilschifter, Kongreß, S. 608.
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sachen Heiß-Huber (Regensburg)315 und Stoll-Angermaier (Eichstätt)316 in einer Sitzung des kurfürstlichen Geheimen Rates am 12. April 1782. Dort war von einem Referenten, Geheimen Rat Kuntzmann, unter Berufung auf die Kanonisten Riegger und Samschütz317 ausgeführt worden, „daß die Aufstellung gewisser impedimenta contractus matrimonii-iure proprio et vi suae iurisdictionis, d.h. ohne Einmischung der kirchlichen Gewalt-unanfechtbares Majestätsrecht sei“.318 Er bestritt wohl den Sakramentscharakter der Ehe nicht, betonte aber, daß das Sakrament vom gültigen Ehevertrag abhänge, der bürgerlich staatlichen Gesetzen unterworfen sei. Trotzdem befürwortete er aufgrund frommer Gesinnung gegen die Kirche die päpstliche Ratifikation des Sponsalienvertrages.319 Radikaler hatte sich vorher der kurfürstlich geistliche Rat von Eisenreich erklärt. Die päpstliche Ratifikation brauche der Kurfürst nicht abzuwarten, da es hier ausschließlich um Landeshoheitsrechte ginge. In der Zwischenzeit bis zur päpstlichen Ratifikation gelte das Sponsalienrecht von 1769 weiter und nicht der vorherige Rechtszustand des kanonisches Rechts.320 Der Kurfürst teilte diese Auffassung. Am 16. Juli 1782321 gab die Obere Landesregierung eine entsprechende Weisung an den Münchener Stadtmagistraten und machte die Weitergeltung des Mandats von 1769 bekannt. dd) Der erneute Widerruf des Mandats von 1769 Einen Monat später war der kurfürstlich geistliche Rat davon benachrichtigt worden. Dies hatte bei den Ordinariaten Proteste ausgelöst. Daraufhin nahm der Kurfürst die Entschließung vom 16. Juli 1782 sofort wieder zurück; am 16. Januar 1783 wurde der Oberen Landesregierung und den Regierungen Pfalz-Sulzbach befohlen, die von ihnen ausgeschriebene Verordnung vom 16. Juli 1782 sofort zu widerrufen und sich wieder an das Provinzialmandat vom 25. April 1779 zu halten.322 Es blieb also bei der konfliktträchtigen Lage.
315
Pfeilschifter, Kongreß, S. 609 f. Pfeilschifter, Kongreß, S. 609. 317 Pfeilschifter, Kongreß, S. 612 Fn. 137. 318 Pfeilschifter, Kongreß, S. 612. 319 Pfeilschifter, Kongreß, S. 612 Fn. 138. 320 Pfeilschifter, Kongreß, S. 612 f. Fn. 139. 321 MS 1784, Bd I. S. 209: „Die Streitigkeiten in Sponsaliensachen sollen ausschließend gemäß Mand. vom 24. Juli 1769 von der weltlichen Obrigkeit beendigt werden.“ 322 Pfeilschifter, Kongreß, S. 613. 316
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ee) Versuch der Übernahme der österreichischen Sponsalienverordnung von 1782 Erst 1793 ist der kurfürstlich geistliche Rat gewillt, an dieser Situation etwas zu ändern und regt an, die in Österreich am 30. August 1782 in Kraft getretene Sponsalienverordnung auch in Bayern einzuführen. Man glaubte, dadurch vielen Problemen leichter entkommen zu können, etwa den Schwierigkeiten des gerichtlichen Erfüllungszwanges und dem impedimentum publicae honestatis. Vor allem aber würden sich die fruchtlosen Bemühungen um einen Vergleich zwischen beiden Mächten hinsichtlich der Sponsaliengerichtsbarkeit erübrigen.323 Bedenken wegen eines Verstoßes gegen das Anathem „si quis dixerit, causas matrimoniales non spectare ad iudices ecclesiasticos a. s.“, versuchte man zu zerstreuen, da das Anathem nur vom Ehesakramente, aber nicht vom Ehevertrag und dessen Wirkungen pro foris externis zu verstehen sei. „Höchstdieselben (Kurf. Karl Theodor) haben eben die Gründe, eben das Befugniß für sich, die Verbindlichkeit der Eheversprechen ganz aufzuheben, als Höchstdero Regierungsvorfahrer (Max III. Jos.) hatte, sie bereits zur Hälfte kraftlos zu machen.“324 Ein größeres Hindernis stellte für die Behörde die versöhnliche Haltung Karl Theodors dar, der alles vermeiden wollte, wodurch der augenblickliche Friede mit den Ordinariaten gestört werden konnte. Dies führte trotz verschiedener Auseinandersetzungen mit den Ordinariaten dazu, daß es zu Karl Theodors Lebzeiten bei der nicht zufriedenstellenden, weil ungeklärten, Rechtslage blieb. Erst nach dem Tod Karl Theodors unter der neuen Regierung und den Einflüssen Montgelas kam es zu einer endgültigen Klärung dieser Frage vgl. Kap. II.4.d.aa. g) Beurteilung Das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 wurde von Lori als „das einzige bayerische Original“, das man in Kirchensachen unter dieser Regierung entworfen habe, bezeichnet, „die übrigen schönen Verordnungen sind von anderen Catholischen Staaten nur glücklich copiert worden“.325 Außerdem habe es durch die Publikation in allen Zeitungen „in ganz Europa Aufsehen gemacht“.326 323
Pfeilschifter, Kongreß, S. 615. Pfeilschifter, Kongreß, S. 614 f. 325 Nota über die Bischöflichen Beschwerden gegen das Churf. Sponsalienmandat, verfaßt von dem kurf. Hofrat Gg. v. Lori. 30. Nov. 1769, Text siehe Blge Nr. 7 bei Pfeilschifter, Kongreß, S. 678 f. 324
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Allerdings konnten sich diese aufsehenerregenden Inhalte, was sich vor allem auf die Zuordnung der Sponsaliensachen zur weltlichen Gerichtsbarkeit bezog, gegenüber den Angriffen der Kirche trotz zähem Ringens während des Salzburger Kongresses nicht behaupten. Vor allem fehlte es nach dem Tod von Kurfürst Max III. Joseph an einem diese tiefgreifenden staatskirchenrechtlichen Reformen tragenden Regenten. Erst Max IV. Joseph sollte zu Beginn des 19. Jahrhunderts diese Reformen weiter vorantreiben.327 Aber das Mandat hatte für die kommende Entwicklungen eine vorbereitende Funktion als „direkter Wegbereiter der Montgelas’schen Mischehegesetze und in gewissem Sinne auch ein Vorläufer und Ankündiger der modernen zivilen Ehegesetzgebung“. 328 Für diese Entwicklungen im Verlöbnisrecht finden sich im CMBC noch keine Anhaltspunkte. Kreittmayr hatte das damals gängige Verständnis vom Verlöbnis als ein vorläufiges gegenseitiges Versprechen der künftigen Eheschließung kodifiziert329, wobei zwischen künftigen und gegenwärtigen und öffentlichen und heimlichen Verlöbnissen nicht unterschieden wurde, sondern das Verlöbnis lediglich beweisbar sein mußte. Daß Verlöbnis kam also einfach durch den Konsens der Spondenten zustande, ohne daß diese an eine besondere Form gebunden gewesen wären oder die Zustimmung der Eltern Voraussetzung für die Gültigkeit des Verlöbnisses gewesen wäre.330 Die gerichtliche Zuständigkeit für Verlöbnissachen kam dem geistlichen Gericht zu, § 13 Kapitel I des CJBJ.331 Zur Klagbarkeit auf Erfüllung des Verlöbnisses findet man im CJBJ nichts. In den Anmerkungen zum CMBC kann man nur lesen, daß die Wirkung, die sich aus dem Verlöbnis ergebe, die gleiche sei, wie bei allen anderen Verträgen: die Verpflichtung, das Versprechen zu halten. Mit welchen Mitteln man nun „den widerspenstigen Theil hierzu anzuhalten pflegt“.332 Der CMBC und der CJBJ stehen damit in der Tradition des Konkordats von 1583 VII (De Causis Matrimonialibus), das unter causae matrimoniales auch die Sponsalsachen verstanden wissen wollte.333 Allerdings gilt dies nicht hinsichtlich der causae connexae. Auf die entsprechende Regelung in Teil I Kap. 6 § 49 CMBC hat sich der bayerische Staat in der Auseinander326 Nota über die Bischöflichen Beschwerden gegen das Churf. Sponsalienmandat, verfaßt von dem kurf. Hofrat Gg. V. Lori 30. Nov. 1769, Text vgl. Blge Nr. 7 bei Pfeilschifter, Kongreß, S. 678. 327 Vgl. Kap. II.4.d.aa. 328 Pfeilschifter, Kongreß, S. 551. 329 CMBC I 6 § 2. 330 CMBC I 6 §§ 3, 4 mit den Anm. CMBC I 6 § 3, 4, S. 104 f. 331 CJBJ 1 § 13 und Anm. CJBJ 1 § 13, S. 54. 332 Anm. CMBC I 6 § 2, S. 104. 333 Pfeilschifter, Kongreß, S. 46 Fn. 115.
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setzung um das Sponsalienmandat auch berufen.334 Der CMBC hatte also zwar staatliches Verlöbnisrecht geschaffen, ohne sich jedoch – anders als das Sponsalienmandat – inhaltlich mit dem kirchlichen Recht in echten Widerspruch zu setzen. Dieser Umstand zeigt, daß man nun eine wesentlich größere staatskirchliche Eigenständigkeit verfocht als nur etwa fünfzehn Jahre zuvor. Der Anreiz für die Verfassung des Sponsalienmandats war wohl aus Österreich gekommen, wo 1766 ein Entwurf des Codicis Theresiani ergangen ist, in dem ausführlich das Verlöbnisrecht geregelt war und der Staat vor allem neue „Verlöbnishindernisse“ aufgestellt hatte, die die Zustimmung der Eltern und Vormünder zu einer konstitutiven Voraussetzung für das Verlöbnis machten. Bayern war aber über diese Neuerungen mit dem Sponsalienmandat von 1769 hinausgegangen und hatte zusätzlich zu dieser Einwilligung Dritter eine eigene Verlöbnisform entworfen, die für die Gültigkeit des Verlöbnisses erforderlich war, und vor allem der Kirche die Gerichtsbarkeit in Verlöbnissachen streitig gemacht. Damit hatte Bayern auch im Vergleich zu Frankreich einen bislang noch nicht gewagten Eingriff in kanonisches Recht unternommen. Daher läßt sich auch die Bemerkung des Hofrats Lori, des radikalsten Reformer bei der bayerischen Regierung335, verstehen, daß es sich hier um „das einzige baierische Original“ handle. Sicherer336 geht aufgrund von zu dieser Zeit erschienenen Schriften337 davon aus, daß dem 334
Vgl. dazu Kap. I.1.f. Pfeilschifter, Kongreß, S. 121. 336 Sicherer, Eherecht, S. 3 Fn. 5; vgl. auch Friedberg, Emil, Gränzen zwischen Staat und Kirche, Tübingen 1872, S. 253 Note 1. 2. 337 U. a. von Osterwald „Der Ehecontract ist, wie alle Welt weis, seiner Wesenheit nach, ein bloßer bürgerlicher und natürlicher Contract, der ohne Sacrament bestehen kann, und sehr lange ohne dasselbe bestanden hat (. . .) Das Sacrament kömmt als ein Accessorium erst als dann dazu, wenn er im Angesicht der Kirche, mit denen von ihr vorgeschriebenen Solennitäten und Bedingnissen, feyerlich erkläret und begangen wird. Da fängt das Amt der geistlichen Obrigkeit, und ihre Theilnehmung an der Ehe erst an. Alle vorhergehende Handlungen sind eben so, wie der Ehecontract selbst, ehe er von der Kirche solennisiret wird, bloße bürgerliche und natürliche Handlungen; folglich auch die Sponsalien.“ Vgl. Nahe Beleuchtung derjenigen Entwürfe, welche einige Canonisten wider das churbaierische Sponsaliengesetz vom 24. Juli 1769 machen, S. 12 und eine Denkschrift des geistlichen Rates vom 30. November 1769: „Die Fürsten haben die Macht, über Civil Contracte Gesäze zu geben und zu richten von Gott. Die Ehe ist ihrem Wessen nach nichts als ein Civil Contract. Die Erhebung zum Sacrament hat die Macht des Fürsten nicht beschränkt. Regnum meum non est de hoc mundo sagt Christus, also auch nit der Bischöfe ihres.“ Zitiert nach Sicherer, Eherecht, S. 3 Fn. 5. Dieser wiederum hatte es von Friedberg, Emil, Gränzen zwischen Staat und Kirche, Tübingen 1872, S. 253 Note 1.2 und verweist auf eine Handschrift der Königlichen Bibliothek zu München Cod. bavar. No. 389. fol. 94. 335
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I. Das Eherecht ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799
Kurfürsten und der Regierung sehr wohl bewußt war, welche Entwicklung sie mit der Erklärung des Verlöbnisses als rein weltliche Angelegenheit lostreten würden. Doch die Motivation für den Erlaß dieses Mandats ging sicherlich, wie Pfeilschifter feststellt, nicht allein auf aufklärerische, kirchenfeindliche Gedanken zurück.338 Ein solches eher monokausales Verständnis von geschichtlichen Zusammenhängen würde den Umständen nicht gerecht werden. Es gab natürlich eine objektive Notwendigkeit dieser Sponsalienreform für einen modernen Wohlfahrtsstaat, da vor allem der CMBC diese Mißstände noch nicht beseitigt hatte.339 Allerdings wäre eine so weitreichende Regelung allein deshalb ganz sicher nicht erforderlich gewesen. Die Tatsache, daß der Staat selbst sich der Lösung dieses Problems annimmt und darüber hinaus in der Abweichung von kirchlichen Auffassungen und kirchlichem Recht neues Recht entwirft und der Kirche Zuständigkeiten abspricht, zeigt deutlich, daß zeittypische Ideen bei der Gestaltung mit am Werk waren. Die Vorgeschichte des Sponsalienmandats ist durch Kennzeichen der staatskirchenrechtlichen Reformbewegung der früheren bayerischen Aufklärungsepoche bestimmt. h) Zusammenfassung Neben dem CMBC haben sich im „alten Bayern“, also bis 1799, eine Reihe von Mandaten mit eherechtlichen Fragen beschäftigt. Eine Reihe von Mandaten regelt detailliert die für die Eheschließung erforderliche Einwilligung, deren Fehlen jedoch nur Sanktionen zu Lasten der Brautleute und z. T. der Priester zur Folge hat, die Gültigkeit der Ehe aber nicht berührt. Unterstützend wurde die Eheschließung bayerischer Staatsangehöriger im Ausland untersagt. Einige weitere Mandate zeigen, daß der Kurfürst begann, seine Rolle als Gesetzgeber evangelischen Kirchenrechts wahrzunehmen. Eine Sonderstellung nimmt das Sponsalienmandat von 1769 ein. Hier nahm der bayerische Staat zweifelsohne vorhandene Mißstände im Verlöbnisrecht zum Anlaß, ein eigenständiges staatliches Verlöbnisrecht mit eigenen Formvorschriften, Verlöbnishindernissen und der Zuständigkeit weltlicher Gerichte zu schaffen. Über das Vorbild, den Entwurf zum österreichischen Codex Theresianus von 1766, ging man damit weit hinaus. 338 Pfeilschifter, Kongreß, S. 125, vgl. aber auch die Ausführungen zu den Gegebenheiten der damaligen Zeit. S. unter Verweis auf Pfeilschifter. 339 Erstaunlicherweise wurde der CMBC während der ganzen Diskussion nur im Zusammenhang mit dem Streit um die Gerichtsbarkeit in causis connexis als Argumentationshilfe gegen die Kirche herangezogen.
5. Der Einfluß Österreichs
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Allerdings konnte Bayern seine Position bei den zähen Verhandlungen mit den gegen dieses Mandat protestierenden Bischöfen auf dem Salzburger Kongreß nicht behaupten. Mit dem Tod Max III. Joseph erlahmte in Bayern zudem der reformerische Elan. Unter seinem Nachfolger Karl Theodor wurden verschiedene Versionen dieses Mandats in Kraft gesetzt, was die Rechtsunsicherheit im Verlöbnisrecht noch verstärkte.
5. Der Einfluß Österreichs auf die bisherige Entwicklung des Ehe- bzw. Sponsalienrechts Abschließend soll der Einfluß österreichischer Entwicklungen im Bereich des Eherechts auf Gesetzesvorhaben im Bayern des Ancien Régime in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts untersucht werden. Zwar kann hinsichtlich der Regelungen im CMBC von 1756 noch nicht von einem solchen Einfluß ausgegangen werden, da die bayerische Kodifikation am Anfang der Naturrechtskodifikationen stand und in Österreich mit dem Codex Theresianus erst zehn Jahre später 1766 ein Entwurf zu einem neuen Zivilgesetzbuch entstand, der allerdings nie Gesetz geworden ist. Etwas anderes gilt jedoch für den Erlaß des Sponsalienmandats, daß 1769, also drei Jahre nach dem genannten österreichischen Entwurf von Bayern erlassen worden war. Im Codex Theresianus war unter Caput III, „Von den Ehebindnissen“ das gesamte Eherecht geregelt.340 Im Unterschied zum CMBC umfaßte das Eherecht jedoch keine Regelungen zur Eingehung bzw. Auflösung einer Ehe, sondern nur zum Güterrecht.341 Stattdessen regelte der Entwurf umfassend unter dem Paragraph „Von den Eheverlobnissen“ das Verlöbnisrecht,342 wofür man eigene staatliche Ehehindernisse geschaffen hatte. Der zehn Jahre nach dem Inkrafttreten des CMBC entstandene Codex Theresianus behandelt im Gegensatz zum CMBC das Verlöbnis also eingehend. Man regelte dort, was man erst später unter Zugriff auf das Eheband für die Ehe zu übernehmen wagte.343 Über das Eheverlöbnis heißt es: „Die Eheverlobniß ist ein Versprechen und Gegenversprechen der künftigen Ehe, woraus die beiderseitige Verbindlichkeit der eheversprochenen Personen erwachset, ihr Versprechen zu erfüllen und mittelst priesterlicher Zusammengebung die Ehe anzutreten.“344 Allerdings kommt es zu jener Verbindlichkeit nur, „wenn nicht al340 341 342 343 344
Harrasowsky, CTheres, Bd Harrasowsky, CTheres, Bd Harrasowsky, CTheres, Bd Schwab, Ehegesetzgebung, Vgl. dazu I, Caput III, § I,
I, S. 86 und ff. I, S. 86. I, S. 86 ff. §§ 1–63. S. 210. 5 in: Harrasowsky, CTheres, Bd I, S. 86 f.
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I. Das Eherecht ab der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1799
lein nach den geistlichen, sondern auch nach Unseren weltlichen Gesetzen abgemessen werden muß“.345 Außerdem wird angeordnet, daß die für das Eheversprechen zuständigen geistlichen Gerichte auch das hierfür einschlägige weltliche Recht anzuwenden haben.346 Darüber hinaus bestimmt Nr. 8 des § 1, ein Eheversprechen von Minderjährigen oder auch Großjährigen, die noch „in der Eltern Brod stehen“, sei ganz und gar ohne Kraft und Wirkung, „wann ein Sohn oder Tochter heimlich oder vor Zeugen schriftlich oder mündlich solches ohne angesuchter Einwilligung der Eltern eingegangen“.347 Der Codex Theresianus kannte wie der CMBC auch die Einwilligung des Vormundes.348 In Bayern wagte man erst im Sponsalienmandat, eigene staatliche Regelungen bezüglich der Wirksamkeit einer Verlobung aufzustellen. Im Unterschied zum Codex Theresianus trat dieses jedoch in Kraft349 und ging außerdem über die Regelungen des Codex Theresianus insofern hinaus, als die Gerichtsbarkeit in Verlöbnissachen ausschließlich den weltlichen Gerichten zugewiesen war.350 Bayern hatte damit die Auseinandersetzung mit der Kirche bereits zu diesem Zeitpunkt provoziert.351 Der Codex Theresianus ging von einer Weitergeltung des kanonischen Eherechts und der geistlichen Ehegerichtsbarkeit aus.352 Nur „in der ersten Beratungsphase [war] eine gewisse Reserviertheit gegenüber der geistlichen Gerichtsbarkeit“ bemerkbar gewesen.353 Dies begründet Hofmeister354 damit, daß man das Ehegüterrecht vor Zugriffen der kirchlichen Ehegesetzgebung und -gerichtsbarkeit schützen wollte. Auf eben dieser Linie lag I 6 § 49 des CMBC. Abgesehen von dem Versuch, die österreichische Sponsalienverordnung aus dem Jahre 1782, mit der vor allem die Klagbarkeit des Verlöbnisses abgeschafft wurde, in Bayern einzuführen,355 nahm Bayern am Ende des An345
Vgl. dazu I, Caput III, § I, 6 in: Harrasowsky, CTheres, Bd I, S. 88. Vgl. dazu I, Caput III, § I, 7 in: Harrasowsky, CTheres, Bd I, S. 88. 347 Vgl. dazu I, Caput III, § I, 8 in: Harrasowsky, CTheres, Bd I, S. 88. 348 CTheres I Caput III § I, 22 sieht bei vaterlosen Kindern, die zusätzliche Einwilligung eines Vormunds neben der Mutter vor und § I, 24 regelt die vormundschaftliche Einwilligung bei elternlosen Kindern, allerdings reicht diese allein nicht aus, sondern es bedarf zusätzlich einer gerichtlichen Genehmigung. Das Ehepatent vom 16. Jenner 1783 kennt die gleiche Regelung in § 8, S. 13 wie der CTheres in § I, 24. 349 Vgl. Kap. I.4. 350 Vgl. Kap. I.4.b. 351 Vgl. Kap. I.4.c. 352 Hofmeister, FS für Kreittmayr, S. 232. 353 Hofmeister, FS für Kreittmayr, S. 232. 354 Hofmeister, FS für Kreittmayr, S. 232. 355 Vgl. Kap. I.4.f.ee. 346
5. Der Einfluß Österreichs
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cien Régimes nicht mehr an der einschneidenden Entwicklung des österreichischen Eherechts in der „Josephinischen Ära“ durch den Erlaß des Josephinischen Ehepatents von 1783 teil. Erst im 19. Jahrhundert besann man sich auf das österreichische Vorbild zurück.356
356
Vgl. vor allem Gesetzgebungsentwurf von 1834, s. Kap. III.4.b.
II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat 1. Übersicht Mit dem Regierungsantritt von Max IV. Joseph, dem späteren ersten König von Bayern,1 begann nach dem Tode von Karl Theodor im Februar 1799 eine neue Epoche bayerischer Geschichte.2 Umfassende territoriale Veränderungen im bayerischen Staat und tiefgreifende innere Reformen machten Bayern rasch zu einem modernen Staat. Sehr bald nach dem Regierungsantritt von Max Joseph kam es zu erheblichen Gebietszuwächsen nach den napoleonischen Eroberungen und dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803. Bayern gelang es durch französische Unterstützung alle Territorien zu erlangen, die nach einem von Montgelas entworfenen Arrondierungsplan von 1797 notwendig waren. Es kam in dieser Zeit zu einer Annährung an Frankreich3 im Kampf gegen eine Vereinnahmung durch Österreich4 und brachte Bayern im Jahre 1806 auch die Königswürde. Der Friede von Preßburg, nach dem dritten Koalitionskrieg, bescherte Bayern nochmals beträchtliche Gebietszuwächse.5 Diese territorialen Veränderungen waren im Jahre 1816 weitgehend abgeschlossen.6 Sie führten zu einer starken Rechtszersplitterung und bedeuteten den endgültigen Verlust der ausschließlichen Katholizität der bayerischen Bevölkerung.7 Die veränderten territorialen Umstände, die Mitgliedschaft im Rheinbund,8 der auf das Betreiben Napoleons zurückging, und starker französischer Einfluß, der jedoch mit dem Machteinbußen Napoleons abnahm,9 förderten einen politisch neuen Kurs in Innenpolitik, Staatsverwaltung und im 1 Mit der Erhebung Bayerns zum Königreich wurde 1806 der Kurfürst Max IV. Joseph zum König Max I. Joseph. Aus diesem Grunde werden ab sofort beide Schreibweisen zitiert: Max VI./I. Joseph. 2 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 3 f.; vgl. zu dieser Zeit auch Gimbel, Wandel, S. 26 ff. 3 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 16 f. 4 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 3 f. und 8 und Krauss-Meyl, Enfant terrible, S. 32 f. 5 HdBbayG/Weis, Bd IV, S. 18 f. 6 HdBbayG/Weis, Bd IV, S. 62. 7 Kap. II.4.a. 8 1806 tritt Bayern dem Rheinbund bei. HdBbayG/Weis, Bd IV, S. 20 ff. 9 HdBbayG/Weis, Bd IV, S. 24 ff.
1. Übersicht
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Verhältnis von Staat und Kirche. Max IV./I. Joseph10 hatte die Regierung mit ganz anderem und neuen Elan angetreten als sein Vorgänger. Dabei übte er nicht „eine selbständige Regierungstätigkeit im Sinne absolutistischer Fürsten“ aus,11 vielmehr stand ihm bis 1817 der nach Meinung Doeberls „fähigste Staatsmann zur Seite, der jemals die Geschicke Bayerns geleitet hat“, Maximilian Joseph Frhr. (seit 1809 Graf) von Montgelas (1759– 1838).12 Montgelas wurde mit Karl Theodors Tod, also mit Regierungsantritts von Max IV./I. Joseph der bedeutendste Minister.13 Bereits 1796 hatte Montgelas dem Herzog Max Joseph in Ansbach ein Programm für spätere Reformen in Bayern vorgelegt.14 Es verband „bewährte Grundzüge der altbayerischen Verwaltungs- und Rechtstradition mit den Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, aber auch mit den Erfahrungen des aufgeklärten Absolutismus in Preußen und Österreich“. Im Mittelpunkt Montgelas’scher Erwägungen stand immer der Staat, insbesondere der bayerische Staat, dem er soviel Souveränität wie reichsrechtlich möglich zudachte, und vielleicht schon damals als Endziel die „souveraineté pleine et entière“ anstrebte.15 Zu den Hauptpunkten des Reformprogramms gehörten unter vielen anderen die Reform der niederen Gerichtsbarkeit und des Zivilrechts, wozu auch 10
HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 4. HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 4. 12 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 5: Seine Erziehung genoß er in einem Jesuitenorden in Nancy, studierte u. a. in Straßburg Staatsrecht und legte 1779 in Ingolstadt mit ausgezeichnetem Erfolg die juristische Abschlußprüfung ab. „Er genoß die Gunst seines Paten Max III. Joseph, fiel aber bei Karl Theodor in Ungnade weil er aufklärerische Schriften gefördert hatte und seine Mitgliedschaft im Illuminatenorden bekannt wurde. Montgelas war ein durch die Aufklärung geformter Diplomat und Staatsmann: „verstandesbetont, kühl, gewandt, scharfsinnig, berechnend, ganz der Staatsräson dienend und doch [. . .] besonders bis etwa 1810 von einem reformerischen Elan erfüllt, der den ihm anvertrauten Staat gemäß den durch Napoléon institutionalisierten und teilweise in eine andere Richtung gelenkten Ideen der Französischen Revolution modernisieren wollte, ihn in den Stürmen der Zeit nach außen und innen gewachsen zu machen.“; vgl. dazu auch Gimbel, Wandel, S. 26 ff. Fn. 69 m. w. N.; Doeberl, Entwicklungsgeschichte, Bd 2, S. 381 ff., Laubmann/Doeberl, Denkwürdigkeiten des Grafen Maximilian Joseph von Montgelas über die innere Staatsverwaltung Bayerns, 1799–1817; Du Moulin Eckart, Bayern, Bd I, S. 50 ff.; Sicherer, Staat und Kirche in Bayern vom Regierungsantritt des Kurfürsten Maximilian Joseph IV. bis zur Erklärung von Tegernsee, 1799–1821; Freyberg, Rede zum Andenken an den Grafen Montgelas; Hoffmann, Geschichte, S. 11 ff.; Perthes, Zustände, Bd 2, S. 374 ff., Doeberl, Montgelas, S. 4 ff. 13 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 8. 14 Weis, ZbLG 33 (1970), S. 219–256; dort ist der franz. Text des Mémoire ediert 243–256. 15 HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 7; vgl. auch Gimbel, Wandel, S. 28 ff. zur Staatsauffassung Montgelas’. 11
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
das Eherecht gehörte. Außerdem schlug er die Einführung der Toleranz vor.16 Dieser Gedanke spielte eine starke Rolle für die Prägung des Verhältnisses von Staat und Kirche.17 Dieses Verhältnis war unter Max IV./I. Joseph nicht mehr durch eine Unterordnung unter die kirchliche Gewalt gekennzeichnet, vielmehr versuchte der Staat, das Verhältnis souverän und nach eigenem Ermessen zu gestalten.18 Toleranz und Parität der Konfessionen wurden als wichtige Eckpfeiler in Religionsedikten und der Verfassung festgehalten.
2. Einfluß der Gebietsveränderungen auf das Eherecht a) Einführung Aufgrund von politischen Ereignissen, die im wesentlichen mit den napoleonischen Kriegen, dem Reichsdeputationshauptschluß und der Auflösung des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation zusammenhingen, gewann Bayern eine beträchtliche Anzahl von neuen Territorien hinzu. Mit dem Reichsdeputationshauptschluß von 1803 kamen aufgrund der Säkularisierung und Mediatisierung vorwiegend Kirchenterritorien und freie Reichsstädte zu Bayern.19 Durch spätere Friedensschlüsse und Verträge kam es zu weiteren Gebietsveränderungen, die bis zum Jahre 1816 weitgehend abgeschlossen waren.20 Diese neuen nach Bayern eingegliederten Gebiete brachten zu einem großen Teil eigene Rechtsordnungen mit,21 die auch nicht zugunsten des im kurfürstlichen Bayern geltenden Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis außer Kraft gesetzt wurden.22 In vielen dieser Partikularrechte ist auch Eherecht zu finden. Vom gemeinen kanonischen Eherecht, so wie es auch der CMBC kodifiziert hatte,23 abweichende Regelungen wiesen besonders die evangelisch 16
HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, S. 7. Vgl. dazu Gimbel, Wandel, S. 33 ff. 18 Sicherer, Staat, S. 24. 19 Bayern erwarb vor allem die Hochstifte Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising, Eichstätt, Passau, vom Erzstift Salzburg die Enklave Mühldorf. Hinzu kamen dreizehn Reichsabteien (u. a. Ebrach, Ottobeuren, Waldsassen und Fürststift Kempten) und fünfzehn Reichsstädte (u. a. Dinkelsbühl, Kaufbeuren, Kempten, Memmingen, Nördlingen, Regensburg, Rothenburg, Schweinfurt, Weißenburg, Ulm) in Franken, Schwaben und der Oberpfalz. Vgl. HdBbayG/Weis, Bd IV, 1, A. I. § 1 d) S. 13 Fn. 1. 20 Vgl. HdBbayG/Weis Bd IV, 1, A. I. § 2. b) S. 19, c) 22, e) 30, h) 37 f. 21 Vgl. dazu Weber, Provinzialrechte, Bde 1–5; Arnold, Privatrecht, Bd 1; Roth, Civilrecht, Bd 1, S. 19 ff. 22 Roth, Civilrecht, Bd 1, S. 1 der Einleitung; Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. IV. 23 Kap. I.2.c. 17
2. Einfluß der Gebietsveränderungen auf das Eherecht
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geprägten Territorien auf. Die ehemaligen Kirchenterritorien hatten seltener eigene eherechtliche Vorschriften. In katholisch geprägten Gebieten, die ehemals zu Österreich oder Frankreich gehört hatten, war die Lage etwas anders. Dort galt bereits staatliches Eherecht, das sich zum Teil deutlich vom kanonischen Recht unterschied. Damit entstand nun auch im Bereich des Eherechts ein sehr uneinheitliches Bild. Um eine annähernde Vorstellung von der damaligen Rechtszersplitterung im bayerischen Territorium zu haben, sollen vor allem die Abweichungen vom gemeinen kanonischen Recht, wie sie in den protestantischen Ehebzw. Konsistorialordnungen24, und im preußischen allgemeinen Landrecht, das in einigen Gebieten subsidiär galt, geregelt waren, im Vergleich zum CMBC zusammenfassend dargestellt werden. Anschließend sollen die staatlichen Ehegesetze der ehemals österreichischen und französischen Gebiete kurz in ihren Unterschieden zum CMBC beschrieben werden. b) Protestantische Ehe- und Konsistorialordnungen Die protestantischen Ehe- und Kirchenordnungen enthalten nur unvollständige Darstellungen des Eherechts. Dies liegt darin begründet, daß sie häufig nur die Abweichungen vom kanonischen Recht regelten und ansonsten das kanonische Recht anerkannten, soweit es nicht grundsätzlich der protestantischen Lehre widersprach.25 Zu verschiedenen Ehehindernissen26 und vor allem auch zum Verständnis der Ehe selbst27 hatte die evangelische Lehre andere Auffassungen entwickelt. Die Bedeutung mancher Fragen zum Eherecht, die sich bei Luther und in der unmittelbar anschließenden Zeit herauskristallisiert hatten28, ergibt sich aus der Häufigkeit bestimmter 24 Die Bezeichnungen der evangelischen Rechtsordnungen, die Eherecht enthalten, sind nicht einheitlich, wobei die angeführten Bezeichnungen sehr häufig zu finden sind, es kann aber auch nur Ordnung, Kirchenordnung, Agende, Abschied, Reformation oder Artikel heißen. Sehling, Kirchenordnungen, Vorwort zu Bd I, S. VIII f. 25 Schumacher, Begriff, S. 9: Diese Widersprüche entstanden im Eherecht vor allem bezüglich des Ehesakramentes. Luther hatte auch das kanonische Recht anerkannt, „wo es gut ist“. Luther versagt dem geistlichen Recht aber die Wirksamkeit: „wenn der Kaiser viel vergeben wollte, und sich sogar unter den Pabst werfen, bis dass er auch uber all mein Leib und Gut wollt gebieten, müssen wir dem Kaiser nicht folgen“. Vgl. auch Luther, Erlanger Ausgabe Bd 23, S. 96, 136, 150 f. 26 Vgl. dazu Mejer, ZKR 1881, S. 35 ff.; Tietz, Verlobung, S. 13 ff. 27 Die evangelische Lehre hielt die Ehe nicht für ein Sakrament. Vgl. dazu Scheurl, Eherecht, S. 15, 19 f. 28 Vgl. dazu Mejer, ZKR 1881, S. 35 ff.: In den Schmalkaldischen Artikeln wurde bereits das Ehehindernis der Verwandtschaft und der Priesterehe kritisiert, genauso wie die nicht mögliche Wiederverehelichung geschiedener Ehegatten und die heimliche Eingehung der Ehe ohne das Wissen und die Einwilligung der Eltern.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
Regelungen in den damals in Bayern geltenden evangelischen Eheordnungen. Regelmäßig finden sich vom CMBC abweichende, aber keineswegs einheitliche Vorschriften über das notwendige Heiratsalter29, über die Einwilligung der Eltern zur Eingehung einer Ehe30, über die „zu nahen“ Heiraten, also die Verwandtschafts-31 bzw. Schwägerschafts-32 und Vormund29 Kemptener Statuten Tit. III § V, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 1, S. 603 § 7: Mann 22 und Frau 20 Jahre; Memminger Zuchtordnung von 1751, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2, S. 768 ff.: Mann 18 und Frau 20 Jahre; gleiche Altersgrenze sah das Lindauer Recht vor, Ehegerichtsordnung, renoviert 1737, nach Weber, Provinzialrecht, Bd 4, 2, S. 719 § 3. Die Castell’sche Eheordnung verbot Ehen, bei denen die Frau 15–20 Jahre älter ist; die Obrigkeit konnte davon dispensieren. Vgl. Eheordnung von 1795, Art. III, 8 in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 231. 30 Kempten: Statuten 1748/49, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, S. 600 (615): Ehe und Eheversprechen; Memminger Zuchtordnung von 1751, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2, S. 769 ff. §§ 5–10; Nördlingen: Statuten von 1650, „Der andere Titul, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 470 ff.: Ehe-Verlobung, ehelich-verpflichten; Ulm: „Gesaz und Ordnung von Straf offenbarer Laster auch leichtfertigen Verheiratens und anderer Unzucht.“ Ulm 1683 oder „Statut von Straf offenbarer Laster auch leichfertigen Verheurathungen Tit. XIII § 3, 4: Einwilligungen zum Eheversprechen nur für Kinder, die noch unter elterlicher Gewalt stehen; fehlte Einwilligung wurde Eheversprechen nicht verkündet und blieb auch ungültig, wenn Beischlaf schon erfolgt war. Rothenburg: Eheordnung 1656, Das erste Gesetz, in: Arnold, Privatrecht, Bd I, S. 685: Einwilligung zu Ehegelübdnüssen vor allem für Kinder unter elterlicher Gewalt. Beachte folgende Anmerkung von Arnold: Soweit von der Notwendigkeit des älterlichen oder vormundschaftlichen Consenses und der Form der Sponsalien die Rede ist, tritt jetzt die königliche bayer. Verordnung vom 2. Mai 1806 (Rgbl. 1806, S. 175) ein, vgl. auch Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 470 Note 2.; Lindau: Ehegerichtsordnung, nach Weber, Provinzialrechte, Bd IV, 2, S. 719 f. § 4: Einwilligung zum Eheversprechen; bei Fehlen bestand keine Verpflichtung der Eltern Aussteuer zu zahlen; Ansbach: Eheartikel 1743, Art. 7: Verlobung und die Verordnung über die Winkelverlöbnisse von 1785, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 89; Fürstentum Oettingen Spielberg und Wallerstein: Eheordnung von 1660, Art. 1 „Von heimblicher unordentlicher Eheverpflichtung der Kinder ohne Vorwissen und Willen der Eltern oder Vormünder“, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 575 ff.; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Theil: Von Ehesachen. Tit. 1. Von den Ehe-Verlöbnissen, § 2, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 366 f.; Schwarzenberg in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 719: 1. Art., Nr. 4: elterliche Einwilligung zur Ehe/Ehegelobnus für Kinder unter elterlicher Gewalt; Castell’sche Eheordnung vom 20. 8. 1795, Art. 1 notwendig für gültige Verlobung und gültiges Eheversprechen, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 228 ff.; Bayreuth: Eheartikel 1741, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 198 ff. 31 Memminger Kirchenordnung von 1671 verbietet die Ehe in auf- und absteigender Linie und in der Seitenlinie bis zum dritten Grad, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2 S. 768 f. § 3; Ulm: Gesaz in Ehesachen, nach Weber Provinzialrechte, Bd 4, 1, S. 524 § 3; Nördlinger Statuten von 1650, vierter Titul, Nr. 1–3, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 472 f., allerdings derogiert durch eine bayer. Verordnung vom 31. Dezember (Regbl. 1811 S. 516) zum Teil war preußisches Recht zum Teil bayerisches Verordnungsrecht anwendbar, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 472 Fn. 2 i.V. m. S. 68 Fn. 1; Rothenburger Eheordnung von 1656, viertes Gesetz, in: Arnold,
2. Einfluß der Gebietsveränderungen auf das Eherecht
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schaftsverhältnisse33 und über die Wiederverehelichung34 bzw. Ehescheidung35. Schon seltener findet sich eine der Ehe zugrundeliegende Defi-niPrivatrecht, Bd 1, S. 685 ff.; Augsburger Polizeiordnung von 1630/1764, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 1, S. 362 § 1; Ansbacher Eheartikel, von 1743, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 68.; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Teil Von den Ehesachen, Tit. 1 Von Ehe-Verlöbnissen § 4, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 374; Schwarzenberg: Ehegerichts- und Consistorialordnung vom 2. 8. 1752, Nr. 2, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 718; Bayreuth: Ehegerichtsordnung von 1567 und Eheartikel 1741, S. 157 und 199; Castell’sche Eheordnung vom 20. 8. 1795, III, Nr. 8, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1; S. 230; Lindau: Ehegerichtsordnung von 1737, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2, S. 723 § 15. 32 Memminger Kirchenordnung von 1671 zählt gewisse Schwägerverhältnisse auf, wo die Ehe verboten ist, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, S. 768 f. Fn. 12; Ulm: Gesaz in Ehesachen, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 1, S. 524 § 3; Nördlinger Statuten von 1650, vierter Titul, Nr. 6, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 472 f., allerdings derogiert durch eine bayer. Verordnung vom 31. Dezember (Regbl. 1811 S. 516) zum Teil war preußisches Recht zum Teil bayerisches Verordnungsrecht anwendbar, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 472 Fn. 2 i.V. m. S. 68 Fn. 1; Rothenburger Eheordnung von 1656, viertes Gesetz, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 690, fehlt allerdings bereits der Text, weil er in Fn. auf bayer. Verordnung von 1810 verweist; Ansbacher Eheartikel, von 1743, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 68.; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Teil Von den Ehesachen, Tit. 1 Von Ehe-Verlöbnissen § 4, Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 374; Schwarzenberg: Ehegerichts- und Consistorialordnung vom 2. 8. 1752, Nr. 2, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 718; Bayreuth: Ehegerichtsordnung von 1567 und Eheartikel 1741, S. 157 und 199. 33 Nördlinger Statuten von 1650, vierter Titul, Nr. 4, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 473; Rothenburger Eheordnung von 1656, fünftes Gesetz, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 690; Augsburger Polizeiordnung von 1630/1764, nach Weber, Provinzialrecht, Bd 4, 1, S. 362 § 1; Ansbacher Eheartikel, von 1743, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 69.; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Teil Von den Ehesachen, Tit. 1 Von Ehe-Verlöbnissen § 4, Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 374; Schwarzenberg: Ehegerichts- und Consistorialordnung vom 2. 8. 1752, Nr. 3, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 718; Bayreuth: Ehegerichtsordnung von 1567 und Eheartikel 1741, S. 157 und 199; Castell’sche Eheordnung vom 20. 8. 1795, III, Nr. 8, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1; S. 230; Lindau: Ehegerichtsordnung von 1737, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2 S. 723 f. § 16. 34 Kemptener Statuten von 1748/49, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2, S. 769 § 4; Ulm: Ehegerichtsordnung von 1737, nach Weber, Provinzialrecht, Bd 4, 1, S. 537 ff. §§ 33 ff., wobei es hier vorwiegend um die Abfindung der Kinder aus vorheriger Ehe geht. Gleiches gilt für die Wiederverehelichungsvorschriften der Stadt Augsburg, nach Weber, Provinzialrecht, Bd 4, 1 S. 378 ff. § 58 ff.; Ansbach: Eheartikel von 1743, Nr. 15, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 71 f., allerdings ist diese Vorschrift z. T. durch preuß. Recht verdrängt worden. Es existiert eine eigene Verordnung zur Wiederverehelichung von geschiedenen Ehepartnern, die Ehebruch miteinander betrieben hatten. Das Fürstentum Oettingen Wallerstein hat auch eine Verordnung über die Eingehung zweiter Ehen vom 15. 6. 1759 erlassen, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 611; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Teil, Tit. 5 „Von den andern und weiteren Ehen: Trauerzeit und Abfindung, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 384 f.; Schwarzenberg: Ehegerichts- und Consistorialordnung vom 2. 8. 1752, Nr. 10 und 11: Trauerzeit, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1 S. 720; Bayreuth:
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tion.36 Andere Vorschriften zum Eherecht tauchen nur noch vereinzelt auf, das Eheverbot wegen Entführung der Braut37, wegen Ehebruchs oder wegen ansteckender Krankheiten, die zur Eheuntüchtigkeit führen38. Die Nürnberger Eheordnung von 1803 enthielt überdies eigenes Scheidungsrecht.39 Eheartikel von 1741, Nr. 8: Einhaltung der Trauerzeit, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 200. 35 Im Unterschied zum kanonischen Recht kannte die evangelische Lehre die Scheidung der Ehe auch dem Eheband nach und nicht nur eine dauerhafte Trennung von Tisch und Bett. Luther interpretierte die Bibelauffassung, daß die vor Gott geschlossene Ehe nicht durch den Menschen geschieden werden dürfe, so, daß eine Scheidung durch ein berufenes Gericht, keine Scheidung durch Menschen sei. Allerdings bedurfte es für die Scheidung ähnlich wie für die dauerhafte Trennung von Tisch und Bett bestimmte außerordentliche Gründe. Vgl. Beispiele aus den Eheund Konsistorialordnungen: Ansbach: Ehescheidungen betr. 1779, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 82 ff.; Bayreuth: Ehegerichtsordnung von 1567: Ehescheidung wegen Ehebruchs und heimlichen und muthwilligern Weglaufens, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 160 f.; Hohenlohisches Recht, Tit. 7 Nr. 10 Ehescheidung bei einfachem und doppelten Ehebruch, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 394, Tit. 8 Von uneinigen Ehen, und von der Ehe-Scheidung. Dieser Titel gilt nur für die protestantischen Untertanen, so eine Anmerkung des Herausgebers Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 396 Fn. 2. Die Ehescheidung kommt auch hier nur aus zwei Gründen in Frage, wegen Ehebruchs oder boshafter Verlassung, Nr. 3., vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 396 ff. (397); Nürnberger Ehescheidungsordnung von 1803, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 501 ff.: in dieser Nürnberger Ehegerichtsordnung wird die Scheidung auch wegen anderer Gründe als Ehebruch und böslicher Verlassung gewährt. Ulm: Ehescheidung hauptsächlich wegen Ehebruchs und böslicher Verlassung, vgl. Statut von Straf und offenbarer Laster usw. Tit. IV und Satzung in Ehesachen Tit. XL ff. zitiert nach Weber, Bd 4, 1, S. 540 ff.; Lindau: Ehescheidung wegen Verweigerung der ehelichen Pflichten und böslicher Verlassung, vgl. Ehegerichtsordnung und soweit diese Lücken aufweist gemeines Recht, zitiert nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 1, S. 724 ff. 36 Bayreuth: Eheartikel 1741, Einl. in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 198; Castell’sche Ehegerichtsordnung von 1785, I, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1 S. 227 f.; Schwarzenberg: Ehe- und Consistorialordnung, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1 S. 716; Hohenlohe: Landrecht von 1738, Erster Theil: Von Ehesachen Tit. 1 Von Ehe-Verlöbnissen. § 1: Die Ehe, als heilige Ordnung Gottes, soll auf eine rechtmäßige und Christliche Art angefangen werden. Dahero diejenigen Personen, welche in den Stand der heiligen Ehe tretten wollen, vor deren Vollziehung, beyderseits, mit reifem Vorbedacht und freier Einwilligung, einander die Ehe, vermittelst einer ordentlichen Ehe-Verlöbniß, zu versprechen haben.“, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 372; Ansbach: Eheartikel 1743: „Alldieweilen die Ehe ein nach Göttlicher Ordnung geschlossene rechtmäßige Zusammenfügung, Verbindnüß und Gemeinschaft eines Mannes und eines Weibes ist, welche kein Mensch, ohne wichtige in heil. Göttlicher Schrifft gegründete Ursachen und obrigkeitliche Erkänntnüß, zu scheiden noch aufzulösen Macht und Gewalt hat; So soll jedermänniglich bey Vermeydung Unserer Fürstlichen Ungnade und unnachläßiger Straffe sich mit allem Fleiß fürsehen und hüten.“, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 67; vgl. auch Tietz, Verlobung, S. 7 f. 37 Lindau: Ehegerichtsordnung von 1737, nach Weber, Provinzialrechte, Bd 4, 2, S. 724 § 17; Castell’sche Eheordnung vom 20. 8. 1795, Art. III Nr. 8, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 231.
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c) Das Eherecht des ALR Aufgrund der territorialen Veränderungen, die vielfach auf einem Gebietstausch mit Preußen beruhten, gab es im „neuen“ Bayern auch Gebiete, wo preußisches allgemeines Landrecht von 1794 galt. Es handelte sich in der Mehrzahl um fränkische Gebiete; meistens galt das ALR nur subsidiär.40 Eine Ausnahme von der subsidiären Geltung bilden einige Landgerichtsbezirke, wo eigentlich bayerisches Landrecht galt, also der CMBC, aber für die protestantischen Ehe- und vor allem Ehescheidungssachen mangels anderer lokaler Vorschriften das preußische ALR herangezogen wurde.41 Es gab aber auch in Oberfranken etliche Gebiete, in denen preußisches Recht und das partikulare Rechte nebeneinander anwendbar waren.42 Das Eheschließungsrecht des ALR weicht in verschiedenen Bereichen vom CMBC ab. Zu den Eheverboten, die zu einer nichtigen Ehen führten,43 gehörten im Unterschied zum CMBC auch die Ehen der Militärpersonen, die ohne Einwilligung der Obrigkeit eingegangen worden waren.44 Der CMBC und die bayerischen Mandate sehen hier nur Sanktionen vor. Bei den Eheverboten der Verwandtschaft unterscheidet sich das ALR vor allem dadurch vom CMBC, daß nach dem Vorbild der gängigen Dispenspraxis der katholischen Kirche Ehen, die nach kanonischem Recht und nach dem CMBC bis in den vierten Grad nach geistlicher Zählung unter Verwandten und Verschwägerten Personen verboten, aber dispensfähig waren, gleich für erlaubt erklärte.45 Zum Teil unterschieden sich die Eheverbote aber auch inhaltlich, das Ehefähigkeitsalter lag nach ALR im Unterschied zum CMBC bei den Männern bei 18 Jahren statt 14 und bei den Frauen bei 14 statt bei 12 Jah38
Castell’sche Eheordnung vom 20. 8. 1795, Art. III Nr. 8, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 231; Schwarzenberg: Ehegerichts- und Consistorialordnung vom 2. 8. 1752, Nr. 12, vgl. Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 720. 39 Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 501 ff. 40 Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 47 ff. (Mittelfranken), vereinzelt auch in Unterfranken, S. 95. 41 Vgl. Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 53 ff., 61. 42 Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 31 ff. 43 ALR Teil II Tit. 1 Abschn. 10 §§ 947 ff. 44 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 §§ 34, 35. 45 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 § 7; nicht dispensfähig waren Verwandtschaftsbeziehungen in der auf- und absteigenden Linie, zwischen Voll- und Halbgeschwistern unehelicher und ehelicher Geburt und zwischen Schwieger- bzw. Stiefkindern und den Schwieger- und Stiefeltern auch nach dem Tod oder der Trennung der verwandtschaftsvermittelnden Ehe. ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 §§ 3–5. In etwas ferneren Verwandtschaftsbeziehungen bedurfte man die Erlaubnis des Staates. ALR Teil II, Tit. 1 Abs. 1 §§ 8, 9.
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ren.46 Auch bei den Willensmängeln, vor allem beim Irrtum, gab es dogmatische Änderungen.47 Die fehlende Einwilligung der Eltern bzw. des Vaters führte prinzipiell zwar anders als im CMBC zur Ungültigkeit, jedoch nicht zur Nichtigkeit der Ehe.48 Ungültige Ehen konnten im Unterschied zu nichtigen Ehen, die von Amts wegen getrennt werden mußten,49 nur durch die Rüge des Berechtigten zur nichtigen Ehe werden.50 Der Vater mußte innerhalb von sechs Monaten nach erhaltener Nachricht, daß eine Ehe ohne seine Einwilligung geschlossen wurde, dies gerichtlich rügen; ansonsten behielt die Ehe ihre Gültigkeit und der Vater hatte nur das Recht, das Kind bis auf die Hälfte des Pflichtteils zu enterben.51 Soweit es also nicht durch Rüge zur Nichtigkeit der Ehe gekommen war, bestand eine parallele Regelung wie im CMBC, wo „ungehorsam“ auch vermögensrechtliche Konsequenzen hatte.52 Die Einwilligung des Vaters war nach dem ALR grundsätzlich für alle Kinder53 erforderlich, sogar für bereits schon einmal Verheiratete und aus der Gewalt entlassene Söhne oder Töchter, die das 24te Lebensjahr ab46
ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 § 37. ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 § 39 i.V. m. §§ 75–83. 48 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 10 §§ 1006 ff. i.V. m. Abs. 1 §§ 45, 49, 50, 52. 49 ALR Teil II Tit. 7 Abs. 4 §§ 962 f. 50 ALR Teil II Tit. 7 Abs. 4 § 985. 51 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 10 §§ 1006–1008. Für vaterlose Waisen, die ohne die Einwilligung von Großeltern bzw. Mutter heiraten gelten die Vorschriften über die Pflegbefohlenen analog, § 1011. Der Mutter steht nach dem Tode des Vaters in diesen Fällen wie dem Vater ein Enterbungsrecht zu, § 1012. 52 Kap. I.2.d.aa. 53 Wer an Kindes statt angenommen worden ist, bedarf der Einwilligung desjenigen, der ihn an Kindesstatt angenommen hat, § 47 Teil II, Tit. 1, Abs. 1 ALR, und jene, die Pflegeeltern haben, die Einwilligung des Pflegevaters, § 48 Teil II, Tit. 1, Abs. 1 ALR. Für minderjährige Waisen muß die Einwilligung durch die Mutter und des Vormunds erteilt werden, § 49 Teil II, Tit. 1, Abs. 1 ALR; §§ 49–58 Teil II, Tit. 1, Abs. 1 ALR. Ist die Mutter nicht mehr am Leben treten an ihre Stelle die Großeltern, §§ 50 ff. Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR, und soweit auch diese nicht mehr leben der Vormund und das vormundschaftliche Gericht, §§ 53 f. Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Gleiches gilt für die gerichtlich unter Vormundschaft stehenden Verschwender, § 55 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Die für die Eheschließung notwendige Einwilligung soll nicht ohne erheblichen Grund versagt werden, § 58 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Das Gesetz gibt einen Katalog von erheblichen Gründen an, §§ 59–67 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Das Gesetz sieht die Möglichkeit der Ersetzung der Einwilligung vor, §§ 68 ff. Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR: und zwar bei versagter Einwilligung durch Eltern oder Großeltern durch den ordentliche Richter und bei dem Vormund durch das vormundschaftliche Gericht durch Dekret. Wobei der Vormund, der auf seiner Weigerung beharrt, richterliches Gehör und Erkenntnis darüber beantragen kann, § 70 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Dazu ist auch derjenige befugt, der eine Person heiraten möchte, die unter Vormundschaft steht, und dem die Heirat dieser Person versagt worden ist, § 71 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. 47
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geschlossen hatten.54 Doch führt in diesen Fällen die mangelnde Einwilligung nicht zur Ungültigkeit der Ehe, sondern nur zum Enterbungsrecht des Vaters.55 Das ALR kannte im Unterschied zum CMBC56 auch ein Eheverbot des ungleichen Standes. Eine solche Eheschließung führte zwar nicht zur Ungültig- oder gar Nichtigkeit der Ehe, aber es kam nur zur einer Ehe zur linken Hand, statt zur rechten Hand.57 Der Unterschied einer Ehe zur linken Hand im Vergleich zu einer Ehe zur rechten Hand lag vor allem darin, daß die Frau nicht alle Standes- und Familienrechte ihres Mannes erlangte.58 Ein wesentlicher Unterschied zum CMBC lag schließlich darin, daß das ALR die Ehescheidung, also die Trennung des Ehebandes, geregelt hatte.59 Das Gesetz regelte, wie häufig in evangelischen Ehe- und Konsistorialordnungen60, auch die Wiederverheiratung für verwitwete und geschiedene Personen.61 54
ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 §§ 45 f. ALR Teil II Tit. 1 Abs. 10 §§ 1009, 1010. 56 Kreittmayr hatte dies zwar auch in seinen Anmerkungen zum CMBC I 6 § 45, S. 180 erwähnt und eine solche Ehe für wenig ratsam bezeichnet „si vis nubere, nube pari“; ein Ehehindernis bestand jedoch nicht. Es konnten allenfalls Nachteile bezüglich des elterlichen Vermögens entstehen, Anm. CMBC 6 § 4, S. 106. 57 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 § 30: „Mannspersonen von Adel können mit Weibspersonen aus dem Bauer- oder geringerem Bürgerstande keine Ehe zur rechten Hand schließen.“ § 31: „Zum höheren Bürgerstande werden hier gerechnet, alle öffentliche Beamte, (die geringern Subalternen, deren Kinder in der Regel dem Canton unterworfen sind, ausgenommen;) Gelehrte, Künstler, Kaufleute, Unternehmer erheblicher Fabriken, und diejenigen, welche gleiche Achtung mit diesen in der bürgerlichen Gesellschaft genießen.“ Ausnahmen davon waren für Adliche möglich, die den Nachweis von drei ihrer nächsten Verwandten erbringen konnten, die in diese Eheschließung einwilligten. Dann war eine Dispensation durch das Landesjustizcollegium der Provinz möglich. Konnte er die Einwilligung nicht nachweisen, konnte nur der Landesherr die Dispensation unmittelbar erteilen, ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 §§ 32, 33. Die Ehen zwischen Partnern ungleichen Alters, zumindest bei großen Altersunterschieden waren zum Teil auch in den partikularen Ehe- und Konsistorialordnungen verboten. Vgl. Ansbacher Recht: Verordnung vom 2. August 1775, in: Arnold, Privatrecht, Bd 1, S. 81; Die Castell’sche Eheordnung von 1795, Art. III, 8, verbot die Ehe zwischen Partnern mit zu großem Altersunterschied insbesondere, wenn die Frau 15–20 Jahre älter war als der Mann; die Obrigkeit konnte aber dispensieren. Vgl. ebd, Bd 1, S. 231. 58 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 9 § 835; weitere Regelungen der Ehen zur linken Hand, ALR Teil II Tit. 1 Abs. 9 §§ 836 ff. 59 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 8 „Von der Trennung der Ehe durch richterlichen Ausspruch“, §§ 668 ff. 60 Vgl. vorher Kap. II.2.b. 61 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 1 §§ 17 ff.: Dabei muß die Trennung dem Pfarrer, der das Aufgebot und jenem, der die Trauung verrichtet, nachgewiesen werden, § 17 Teil II, Tit. 1, Abs. 1 ALR. Sind Kinder aus der ersten Ehe vorhanden, die sich 55
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Das ALR erklärte eine entgegen seinen Vorschriften im Ausland geschlossene Ehe für nichtig oder ungültig und setzte auf derartige Umgehungen auch fiskalische Strafen von zehn bis dreihundert Talern.62 Ähnliche Vorschriften hatte der bayerische Staat 1793 im Wege der Mandatsgesetzgebung erlassen,63 wobei in der Regierungszeit von Karl Theodor keine Ungültigkeit oder Nichtigkeit der Ehe als Sanktion angedroht wurde, sondern lediglich faktische Trennung der Eheleute, da der Mann ins Arbeitshaus musste und die Ehefrau an ihren Geburtsort zurückverwiesen wurde.64 d) Das Eherecht von Österreich In Gebieten, die vor 1811 von Österreich an Bayern abgetreten worden sind, blieb das österreichische Recht erhalten, wie es vor Inkrafttreten des ABGB gegolten hatte.65 Für das Eherecht war das Ehepatent von 1783 einschlägig. Es brachte in Österreich einen echten Einschnitt, da der Staat es wagte, auf den Bereich des kanonischen Eherechts und die geistliche Gerichtsbarkeit zuzugreifen. Dort heißt es gleich zu Beginn: „Obgleich der Monarch diese seine Verordnung nur auf den bürgerlichen Vertrag beschränket, so sind doch andurch die vorbestandenen Disziplinarsatzungen des geistlichen Rechts nicht nur allein mit Rücksicht auf die Gültigkeit des Kontraktes aufgehoben, sondern haben auch in Bezug auf das Sakrament nicht mehr zu bestehen.“ § 1 des Ehepatentes66 bestimmte, daß die Ehe selbst als „bürgerlicher Kontrakt“ betrachtet werde und auch alles mit ihr im Zusammenhang stehende durch die landesfürstlichen Gesetze geregelt werde. Gleichzeitig wies er alle Streitigkeiten in Ehesachen den staatlichen Gerichten zu. Der österreichische Gesetzgeber hatte also rein formal das noch nicht selbst ernähren können, ist vor der Trauung ihre Abfindung nachzuweisen, § 18 Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. Im übrigen gibt es genaue Vorschriften, nach welchem Zeitraum Witwen und geschiedene Frauen wieder heiraten dürfen, §§ 19 ff. Teil II Tit. 1 Abs. 1 ALR. 62 ALR Teil II Tit. 1 Abs. 3 § 170. 63 Kap. I.3.b. 64 Kap. II.3.d. 65 Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 177: Das betrifft ehemalige österreichische Besitzungen im schwäbischen Rechtskreis, die schon durch den Preßburger Frieden am 26. Dezember 1805 an Bayern gekommen sind. Diese Territorien wurden auch vorderösterreichische Lande genannt. Daher findet man auch zu weilen die Bezeichnung vorderösterreichisches Recht. 66 „Die Ehe an sich selbst als ein bürgerlicher Vertrag (Kontrakt) betrachtet, wie auch die aus diesem Vertrage herfließenden und den Vertrag errichtenden gegeneinander zustehenden bürgerlichen Gerechtsame und Verbindlichkeiten erhalten ihre Wesenheit, Kraft und Bestimmung ganz und allein von unseren landesfürstlichen Gesetzen: Die Entscheidung der hierüber entstehenden Streitigkeiten gehöret also für unsere landesfürstlichen Gerichtsstellen.“.
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Eherecht aus der Kompetenz der Kirche herausgelöst. Damit geht das Ehepatent deutlich weiter als der bayerische CMBC, denn man nahm der Kirche jegliche Entscheidung über das Eheband. Außerdem erklärte man die disziplinären Dekrete im Bereich der Ehe für ungültig und ersetzte sie durch staatliches Recht. In Bayern gab es einen umgekehrten Prozeß: Kreittmayr ging davon aus, daß erst mit der Rezeption die disziplinären Dekrete in Bayern Gesetzeskraft erlangt hätten.67 Bayern hatte also das kirchliche Eherecht erstmals auch als staatliches Recht für verbindlich anerkannt. Inhaltlich entsprach das josephinische Ehepatent im wesentlichen dem kanonischen Vorbild: Es galt Eheschließungsfreiheit. Die Ehehindernisse waren ganz auf die katholische Konfession abgestimmt, wie das Verbot von Ehen zwischen Christen und Nichtchristen, § 10, oder auch bei abgelegtem feierlichen Gelübde der Geistlichkeit oder der Ordensbrüder, § 21. Die inhaltliche Eigenständigkeit des Ehegesetzes wurde hinsichtlich der Regelung für minderjähriger Brautleute deutlich. Der österreichische Staat wagte sich an den Bestand des Ehebandes heran, indem er die Einwilligung des leiblichen Vaters oder ersatzweise Großvaters väterlicherseits zum konstitutiven Merkmal für eine gültige Ehe machte. Hierin besteht ein echter Unterschied zum CMBC, da der bayerische Gesetzgeber von einer Sanktion in Form der Nichtigerklärung der Ehe abgesehen hatte.68 Ein weiterer Zugriff auf das Eheband wurde mit § 20 gewagt. Militärpersonen konnten ohne die schriftliche Erlaubnis ihres Regiments, Korps oder sonst zuständiger Obrigkeit keine gültige Ehe eingehen.69 Daneben wurden zusätzlich die Brautleute und der Pfarrer, Pastor oder Pope, der ohne die erforderliche Erlaubnis getraut haben sollte, bestraft. Zwar hatte Kreittmayr diese Art der obrigkeitlichen Genehmigungen auch in den CMBC aufgenommen, aber der Verstoß gegen diese Norm machte die Ehe zwar unerlaubt, brachte aber ansonsten nur vermögensrechtliche Nachteile. Kreittmayr anerkannte damit noch die alleinige Gesetzgebungszuständigkeit für die Errichtung trennender Ehehindernisse durch den Papst an.70 Das josephinische Ehepatent behielt aber die Eheschließung vor dem Religionsdiener des jeweiligen Bekenntnisses bei, § 29, der damit gleichzeitig als Zivilstandsbeamter fungierte. Diese Regelung barg Probleme, wenn sich 67
Vgl. Kap. I.2.b. Vgl. CMBC I 6 § 4, vgl. Kap. I.2.d. 69 Landau geht fälschlicherweise davon aus, daß man in Österreich bereits 1753 und 1756 Mandate mit diesem Inhalt eingeführt habe, allerdings handelte es sich hier nur um Verlöbnisrecht. Vgl. Landau, FS für Kreittmayr, S. 131 Fn. 61. Deswegen bleibt Kreittmayr in dieser Beziehung nicht hinter den Österreichern zurück. 70 Vgl. oben Kap. I.2.d. 68
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Ehepartner ungleicher Religion trauen lassen wollten. Der österreichische Staat war jedoch nicht gewillt diese Konfliktfälle zu verhindern und erklärte in einer Anordnung aus dem Jahre 178571, daß, wenn ein Katholik einen Akatholiken heiraten wollte, der katholische Priester zuständiges Organ sei. Man gestand dem akatholischen Teil allenfalls zu, daß sein Seelsorger an der Trauung zusätzlich teilnehmen durfte. In Bayern gab es im 18. Jahrhundert noch keine Regelung für Eheschließungen unter Katholiken und Akatholiken.72 Was die Auflösung der Ehe betrifft, hat das josephinische Ehepatent von 1783 für die Katholiken nur eine Trennung von Tisch und Bett zugelassen, §§ 30 ff.: „Wenn der Vertrag der Ehe auf die bisher verordnete Art eingegangen worden, so soll derselbe unauflöslich seyn, und dieses Band so lange beide Eheleute leben, unter keinem Vorwande getrennet werden können.“73 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird in § 49 für die akatholischen Bürger zugelassen74 In diesem Punkt unterscheidet sich das Josephinische Ehepatent also nicht vom CMBC, außer daß es etwas expliziter Ausnahmeregelungen für Akatholiken schafft. Der CMBC erscheint an dieser Stelle beinahe fortschrittlicher, indem er generell die Scheidung der Ehe als Regel aufstellt, § 40 und deswegen umgekehrt diese Regel für Katholiken auf die nicht vollzogene Ehe einschränken muß.75 Obwohl Österreich das Eherecht in erheblichem Umfang verstaatlicht hatte, hatte man die konfessionelle Prägung beibehalten und damit auch konfessionelle Unterschiede im Eherecht keiner allgemeinen gleichen staatlichen Lösung zugeführt. In diesem Bereich hatte das Ehepatent auch keinen immensen Vorsprung zum CMBC. Es hatte lediglich vereinzelte Regelungen für die Akatholiken formuliert – ein Fortschritt, der auf die Tole71 „Nachdem Se. Majestät auf die von den Landeshauptmannschaft in Oesterreich ob der Ens diesfalls gemachte Anfrage zu resolviren geruhet haben, daß in einem solchen Falle die Kopulazion durch den katholischen Pfarrer zum Beweise des Vorzugs der dominanten Religion auch damals zu verrichten sey, wenn wirklich der akatholische Theil lieber von der Ehe abstehen, als sich von einem katholischen Priester trauen lassen wollte, und hierunter nicht weiter gegangen werden solle, als daß, weil doch die Verkündigung einer solchen Ehe von beider Theile Seelsorgern geschieht, auf Verlangen des einen, nemlich des akatholischen Theils gestattet werde, daß der Pastor oder Zeug bei der Einsegnung, welche von dem katholischen Pfarrer vorzunehmen ist, gegenwärtig seyn möge: Wie dann, und daferne der akatholische Theil sich mit dieser Nachgiebigkeit nicht begnügen, und von dem Kontrakt lieber gar abstehen wollte, solches geschehen zu lassen sey, da dem Staate und dem gemeinen Wesen vollkommen gleichgültig ist, ob ein Unterthan mit dieser oder jener Unterthanin sich vereheliche.“ Vgl. Ehepatent 1783, S. 43. 72 Das soll sich Anfang des 19. Jahrhunderts ändern. Vgl. Kap. II.4.b. 73 Ehepatent 1783, S. 73. 74 Ehepatent 1783, S. 91, vgl. dazu auch die §§ 50 ff. 75 Vgl. oben Kap. I.2.f.
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ranzgesetzgebung von 1781 zurückzuführen ist. „Das typisch josephinische „Gießen“ konfessioneller Inhalte in „weltliche Schläuche“ führt im einzelnen vielfach zu Konsequenzen, die aufklärerischem Denken keineswegs entsprachen, ja diesem zuwiderliefen. So hatte beispielsweise die Zuständigkeit des katholischen Pfarrers auch zur Eheassistenz bei Mischehen negative Auswirkungen auf die Entscheidungsfreiheit der Nupturienten im Zusammenhang der religiösen Kindererziehung.“76 Es bleibt abzuwarten, ob nach dem Tode des wenig reformfreudigen Karl Theodor im Jahre 1799 unter Max IV. Joseph die Rechtsentwicklung in Österreich das bayerische Eherecht würde beeinflussen können. Zudem finden sich wenige Orte, in denen Salzburger Provinzialrecht galt.77 e) Das Eherecht des Code Civil in der bayerischen Pfalz Mit der Angliederung der Pfalz an Bayern 1816 galt auf bayerischem Territorium auch der 1804 in Kraft getretene französische Code Civil.78 Der wesentlichste Unterschied zum CMBC war die öffentliche Trauung vor dem Zivilstandsbeamten bzw. Standesbeamten79, nach vorangegangenem Aufgebotsverfahren.80 Der Code Civil hatte die Ehehindernisse bzw. -verbote im Vergleich zum CMBC und dem kanonischen Eherecht deutlich reduziert. Trennende Ehehindernisse81 waren noch das Ehefähigkeitsalter82, das Verbot der Polygamie83, keine zu nahe Verwandtschaft bzw. Schwägerschaft84, die Einwilligung der Eltern85, und der zwang- und irrtumsfreie 76
Hofmeister, FS für Kreittmayr, S. 233 f. Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 186. Davon ist hier von Interesse die Verordnung vom 2. Januar 1787 und 12. Januar 1787 über die Ungültigkeit der Sponsalkontrakte, ebd S. 187 und das Ehepatent vom 13. April 1808, das für Protestanten und in Bezug auf das Zivilrechtliche gilt, ebd. S. 188. 78 Hier wird das französische Gesetzbuch nach Code Civil des Francais, édition originale et seule officielle, Paris 1804 zitiert. 79 CC Tit. V Chap. II Art. 165; Zachariä v. Lingenthal spricht in seinem Handbuch des Französischen Civilrechts, Bd 3, S. 12, auch vom „Beamten des Civilstandes“. 80 CC Tit. V Chap. II Art. 166 f. i.V.m. Tit. II Chap. III Art. 63 ff.: Dort finden sich auch die genauen Regelungen, wie und wo das Aufgebot und Trauung vorgenommen werden mußte. 81 Die Einteilung in trennende und bloß hemmende bzw. hindernde Ehehindernisse war dem Code Civil fremd. Man sprach von schlechthin oder nicht schlechthin notwendigen Bedingungen für die Ehe. Vgl. dazu Zachariä v. Lingenthal, HdB frz. Civilrecht, Bd 3, S. 15. 82 CC Chap. I Tit. V Art. 144 f. 83 CC Chap. I Tit. V Art. 147. 84 CC Chap. I Tit. V Art. 162–164. 77
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
Ehekonsens86. Hindernde bzw. hemmende Ehehindernisse87 bestanden beim nichteingeholtem ehrerbietigen Gesuch von Kindern, die keiner Einwilligung der Eltern mehr bedurften,88 im Adoptionsverhältnis89 und bei der Wiederheirat der Frau90. Zum Teil hatten sich die Eheverbote auch inhaltlich stark geändert. Man hatte beispielsweise das Ehefähigkeitsalter für Männer auf das 18. und für Frauen auf das 15. Lebensjahr erhöht.91 Die verbotenen Verwandtschaftsgrade waren stark eingeschränkt worden.92 Im Gegensatz zum kanonischen Recht, aber auch zum CMBC, spielte die Einwilligung der Eltern eine außerordentlich große Rolle. Die Einwilligung der Eltern war bis zum 21. Lebensjahr der Tochter und bis 25. Lebensjahr des Sohnes für die Eheschließung zwingend erforderlich.93. Hatten die Kinder dieses Alter erreicht, waren die Söhne bis zum 30. Lebensjahr und die Töchter zum 25. dennoch verpflichtet den Rat ihrer Eltern bzw., soweit sie nicht mehr leben oder aus anderen Gründen eine Willensäußerung ihnen nicht möglich ist, ihrer Verwandten einzuholen. Die Standesbeamten, die die Trauung der Söhne unter 25 Jahren oder der Töchter unter 21 vornahmen, ohne daß die Einwilligung der Eltern, Großeltern oder der Verwandtschaft vorlag, wurden auf Betreiben der betroffenen Parteien und des commissaire du Gouvernement bei dem Gericht „de la première Instance“ des Ortes, wo die Ehe geschlossen worden ist, zu einer Geldbuße bis zu einer Höhe von maximal 300 Francs,94 und zusätzlich zu einer Gefängnisstrafe 85
CC Chap. I Tit. V Art. 148 ff. CC Chap. I Tit. V Art. 146. 87 Vgl. dazu Zachariä v. Lingenthal, HdB frz. Civilrecht, Bd 3, S. 15 und hier Fn. 81. 88 CC Tit. V Chap. I Art. 151–156. 89 CC Tit. VIII Chap. I Art. 343 i.V. m. 348. 90 CC Tit. V Chap. VIII Art. 228; Tit. VI Chap. IV Art. 296. 91 CC Tit. V Chap. I Art. 144. Aus schwerwiegend Gründen konnte die Regierung (Gouvernement) dispensieren, ebd. Art 145. 92 CC Tit. V Chap. I Art. 162 ff. 93 CC Tit. V Chap. I Art. 148 ff. Im Falle der Uneinigkeit der Eltern war die Einwilligung des Vaters entscheidend. Im Falle des Todes eines Elternteils oder wenn ihm die Willensäußerung unmöglich war, reichte die Einwilligung des anderen Teils, ebd. Art. 149. Leben beide Elternteile nicht mehr, wird die Einwilligung durch die Vorfahren ersetzt, ebd. Art. 150. Die Vorschriften über die Einwilligung waren mit Ausnahme des Art. 150 CC auch auf die „enfans naturels légalement reconnus“ anzuwenden, Art. 158 CC. Ein „enfans naturel“, das nicht anerkannt worden war, oder nach der Anerkennung seine Eltern verloren hatte, oder dessen Eltern ihren Willen nicht äußern konnten, konnte nicht vor dem vollendeten 21. Lebensjahr heiraten, nachdem es die Einwilligung eines Vormunds bekommen hatte, der ihm ad hoc ernannt wurde, Art. 159 CC. Sind weder Eltern noch Verwandte am Leben bzw. konnten diese nicht ihren Willen äußern, so konnte ein Sohn oder eine Tochter, die jünger als 21 Jahre war, nur mit der Einwilligung des conseil de famille eine Ehe eingehen, Art. 160 CC. 86
2. Einfluß der Gebietsveränderungen auf das Eherecht
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von mindestens sechs Monaten verurteilt.95 Traute der Standesbeamte in den Fällen, wo die vorgeschriebene höfliche Anfrage nicht stattgefunden hatte, wurde er zur gleichen Geldbuße verurteilt, die Mindestgefängnisstrafe lag aber nur bei einem Monat.96 Eine ohne die Einwilligung der Eltern, Vorfahren oder des conseil de famille geschlossene Ehe konnte nur von jenen angefochten werden, deren Einwilligung erforderlich war oder von dem Gatten, der dieser Einwilligung bedurfte.97 Bei den Eheverboten, die das Heiratsfähigkeitsalter 98, die Mehrehe99 und die Verwandtschaft100 betreffen, war der anfechtungsberechtigte Personenkreis größer: die Ehegatten selbst, all’ jene, die hieran Interesse hatten101 und das ministère public konnten anfechten.102 Der Code Civil unterschied sich in einem weiteren Punkt wesentlich vom CMBC. Die Ehe konnte außer durch den Tod auch durch Scheidung aufgelöst werden.103 Die Ehescheidung war aus causes déterminées104 und bei gegenseitigem Einverständnis möglich105. 94
CC Tit. V Chap. I Art. 192. CC Tit. V Chap. I Art. 156. 96 CC Tit. V Chap. I Art. 157. 97 CC Chap. Tit. Art. 182: Eine Nichtigkeitserklärung der Ehe kann weder von den Gatten noch von den Eltern, deren Einwilligung erforderlich gewesen wäre, intentiert werden, wenn die Ehe ausdrücklich oder stillschweigend von jenen gebilligt wurde, deren Einwilligung notwendig war oder wenn seitdem ein Jahr ohne Reklamation von ihrer Seite verstrichen ist, seitdem sie von der Heirat erfahren haben. Sie kann ebenfalls nicht mehr vom Gatten beabsichtigt werden, wenn ein Jahr ohne seine Reklamation verstrichen ist, seitdem er das notwendige Alter erreicht hat, um selbst der Heirat einwilligen zu können, Art. 183 CC. 98 CC Chap. III Tit. V Art. 144. 99 CC Chap. III Tit. V Art. 147. 100 CC Chap. III Tit. V Art. 161–163. 101 Ausgeschlossen waren die Seitenverwandten oder die Kinder, die aus einer anderen Ehe stammten, zu Lebzeiten der beiden Gatten die Nichtigkeit der Ehe zu beantragen, außer sie hatten hieran ein „né et actuel“ Interesse, CC Chap. Tit. Art. 184, 187. Anderes galt für den Ehegatten: Der Ehegatte zu dessen Nachteil eine zweite Ehe geschlossen worden war, konnte ihre Nichtigkeit beantragen noch zu Lebzeiten des Gatten, der mit ihm verheiratet war, Art. 188. Wenn die neuverheirateten Gatten die Nichtigkeit der ersten Ehe behaupteten, mußte die Gültigkeit oder die Nichtigkeit dieser Ehe zunächst beurteilt werden, Art. 189 CC. 102 CC Chap. Tit. Art. 184, Ausnahmen davon vgl. Art. 185 ff. 103 CC Tit. V Chap. VII Art. 227 Nº1, 2. Einen dritten Fall (Art. 227 Nº 3) für die Auflösung der Ehe kannte das Gesetz bei einer endgültigen Verurteilung eines Ehegatten zu einer Strafe, die die Aberkennung aller bürgerlichen Rechte (mort civile) mit sich brachte. Allerdings bestand auch die Möglichkeit, die Scheidung nicht dem Bande nach zu verlangen, sondern nur eine Sonderung von Tisch und Bett vorzunehmen. Vgl. dazu auch Zachariä v. Lingenthal, HdB Fr. Civilrecht, Bd 3, S. 100, 152 f., 164 ff. 104 CC Tit. VI Chap. I Art. 229–232. 95
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
Mit der Einführung der Zivilehe hatte der französische Staat festgelegt, daß der kirchlichen Trauung je nach Religionsbekenntnis, die staatliche Eheschließung vorausgehen musste, was auch im pfälzischen Territorium Bayerns beibehalten wurde. f) Ausblick Diese immense Rechtszersplitterung in verschiedensten Quellen staatlichen Eherechts mit unterschiedlichstem Inhalt und das grundsätzliche Bedürfnis nach einer modernen Zivilrechtskodifikation führte zu einer Anzahl von Zivilgesetzbuchentwürfen in den Jahren 1808–1816.106 Außerdem wurde in den Verfassungen von 1808 (Teil I § 7)107 und 1818 (Tit. VIII § 7)108 die Rechtsvereinheitlichung im Bürgerlichen Recht als Programmsatz aufgenommen.
3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses a) Die Mandatsgesetzgebung in den ersten Regierungsjahren Max’ IV./I. Joseph Mit Beginn der neuen Regierungszeit wurden natürlich nicht alle Gesetzgebungsgewohnheiten und -instrumentarien über Bord geworfen. Der Staat verfolgte weiterhin seine Bevölkerungs-, Wirtschafts-, Sicherheits- und Haushaltspolitik durch „Einzelfallgesetzgebung“ in Form von Mandaten oder Verordnungen und baute so sein Eheordnungsrecht aus. Vor allem in den ersten zehn Regierungsjahren ergingen zahlreiche Mandate, die Vorschriften für die Eheschließung enthielten. Diese Mandate oder Verordnungen wurden wie schon bisher als „Novellen zum Baierischen Landrecht“ verstanden, also im vorliegenden Falle als Änderungen zu § 4 Nr. 10 f. des 1. Teils Kap. 6 CMBC.109
105 CC Tit. VI Chap. I Art. 233: aber nur bei ausreichendem Nachweis, daß ihnen das gemeinsame Leben unerträglich sei und dass zwischen ihnen ein unwiderlegbarer Scheidungsgrund besteht; Chap. III Art. 275 ff. 106 Vgl. dazu später Kap. II. 5. 107 Regbl. Bayern 1808, Sp. 988. 108 Gbl. Bayern 1818, Sp. 135. 109 Moritz, Novellen zum Baierischen Landrecht, 1820, vgl. dort S. 43–69.
3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses
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b) Beschränkung der Eheschließungsfreiheit Oft ging es um die bereits bekannten obrigkeitlichen Heiratsbewilligungen, die man vor einer kirchlichen Trauung einzuholen hatte, andernfalls man sich Strafen aussetzte.110 Bis auf wenige Ausnahmen bedurfte jeder Heiratswillige in der Bevölkerung einer solchen obrigkeitlichen Bewilligung. Dennoch gab es für verschiedene Personengruppen wie schon in den vorherigen Jahren gesonderte Vorschriften: für das Militär111, die Staatsdiener112 oder auch Beamten und Personen in ähnlicher Stellung113, sonstige Berufe114 und die armen und unansässigen Leute. Je nach Berufsgruppe waren auch unterschiedliche Stellen für die Bewilligung der Heirat zustän110
Vgl. Kap. I.2.d.cc. und 3. Mand. 18. Aug. 1799, MS 1800, Bd I, Nr. 16, S. 226: Die Erteilung der Heiratslizenzen für die Stabsparteien steht deren Jurisdictionsobrigkeit mit Einwilligung des Staabes zu. Am 23. Dezember 1801 ergeht eine Verordnung (Regbl. Bayern 1802, S. 10), die im Anschluß an eine Verordnung vom 11. September 1801 (Reg/ Intbl. 1801, Nr. 39, S. 607, 608) sich mit der Verehelichung der Landkapitulanten beschäftigt. Es wird nochmals nachdrücklich betont, daß keinem Landkapitulanten, der im Militärdienst steht, die Verehelichung noch die Gutsübernahme gestattet werden soll, bevor er nicht den Abschied aus seinem Regiment oder Korps erhalten hat. Verordnung vom 9. März 1813, § 39 f.: Auch für die Gendarmeriepersonen gibt es Bestimmungen über die Erteilung von Heiratsbewilligungen. Sie müssen auf dem gewöhnlichen Dienstweg eingeholt werden. 112 Die zentrale Verordnung für Staatsdiener war vom 16. Dezember 1806, Regbl. Bayern 1807, S. 11 ff. Verordnung vom 25. Jänner 1807, Regbl. Bayern 1807, S. 218: Konkretisierung der Verordnung über die Heiratsbewilligungen für die Staatsdiener bezüglich Magistrats- und Stadtgerichtsräte und der „im bürgerlichen nexu stehenden Individuen“; Verordnung vom 21. Juni 1813, Regbl. Bayern 1813, Sp. 817: Modifizierung bestehender Vorschriften hinsichtlich der Heiratsbewilligungen administrativer Staatsdiener. 113 Verordnung vom 1. July 1803, Regbl. Bayern 1803, Sp. 430, Heiratsbewilligungen für ledige Gebietsgerichtsdiener. Bei vielen „staatsdienerähnlichen“ Posten wurde auf die Staatspragmatik vom 16. 12. 1806 (vorherige Fn.) verwiesen: Für die Erteilung von Heiratsbewilligungen für das Postpersonal 17. Juni 1807, Regbl. Bayern 1807, Sp. 1081, mit Ausnahme der Postangestellten, die nicht in die Kategorie der Staatsdiener gehören (vgl. Regbl. Bayern 1809 Sp. 1206 f) Heiratsbewilligungen für Landgerichtsassessoren, vgl. Bekanntmachung vom 15. April 1809, Regbl. Bayern 1809, S. 666. Die Heiratsbewilligungen für die den Regierungen untergeordneten Beamten, Dienern richtete sich ebenfalls nach der Staatsdienstpragmatik, Regbl. Bayern 1817, S. 233 ff. (264), § 56 und 86. 114 Verordnung „die Heuraths-Bewilligungen für die Forstwärter betreffend“, Regbl. Bayern 1807, Sp. 1914 f.; Heiratsbewilligung für die protestantische Geistlichkeit, Konsistorialverordnung vom 8. September 1809, Regbl. Bayern 1809, S. 1491 ff. (1503); keine Heiratsbewilligung an Handwerksgesellen, die nicht ihre dreijährige Wanderschaft beendet haben, Verordnung vom 9. Januar 1810, Regbl. Bayern 1810, Sp. 33 (Wiederholung einer Verordnung vom 26. Oktober 1799, MS 1800 Bd 1, Nr. 30, S. 240, 241); Mand. 30. Oct. 1799, MGS 1800, Bd I, Nr. 35, S. 241: Tristamsarbeitern soll keine Heuratslizenz erteilt werden. 111
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
dig, nämlich entweder die Polizeibehörden115 im Sinne einer staatlichen Verwaltungsbehörde, die Standesherren116 oder Gutsherren117 oder „spezielle Staatsstellen“118. Diese starke staatliche Kontrolle der Eheschließung weiter Bevölkerungskreise verstieß zwar im engeren Sinne nicht gegen das kanonische Recht und die Vorstellung der Kirche von der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten, aber das staatliche Eheordnungsrecht geriet in Konflikt mit der vom kanonischen Recht propagierten Eheschließungsfreiheit. Diese Wirkung war, soweit man den Worten in den staatlichen Verordnungen Glauben schenken darf, nicht beabsichtigt, mußte jedoch aus Staatswohlgründen in Kauf genommen werden. So hieß es in der „zentralen Verordnung für Staatsdiener“ vom 16. Dezember 1806119: „Wir wollen auch, daß Unseren Staatsdienern der Eintritt in den Ehestand auf keine Weise erschwert, und hierin die Freyheit des Privatlebens nicht weiter beschränkt werde, als es das Interesse des Staats, in Hinsicht auf Dienstes- und Nah115 (Provinzial)polizeibehörden waren zuständig für Forstwärter, Regbl. Bayern 1807, Sp. 1914 f.; für Postangestellte, die nicht zur Kategorie der Staatsdiener gehören, Regbl. Bayern 1809, Sp. 1206 f.: Da aber auch das königliche Postinstitut darauf Wert legt, in der Hinsicht auf das Dienstverhältnis, von der Verehelichung Kenntnis zu nehmen, so erhalten alle höhere und untergeordnete königliche Polizeistellen die Weisung, den Postangehörigen nur dann die Heiratsbewilligung zu erteilen, wenn dieselben (postangehörigen Gesuchsteller) von der Generalpostdirektion an die Polizeistellen hingewiesen werden und sich durch ein Zertifikat legitimieren können. Bei der niederen Hofdienerschaft, dazu gehören jene Personen, die zu niederen Diensten am Hof oder zu Handwerksarbeiten, zu Gesinde- oder „TaglohnsVerrichtungen“ bei der Domainenverwaltung, oder in einem sonstigen Institute des Staates arbeiteten, war außer der schriftlichen polizeilichen Lizenz auch noch der schriftliche Konsens der anstellenden Behörde notwendig, Regbl. Bayern 1810, Sp. 33; für Advokaten, Regbl. Bayern 1813, Sp. 301. 116 Die Heiratsbewilligung für die Mediatbeamten hängt vom Standesherren ab. Verordnung vom 14. Mai 1807, Regbl. Bayern 1807, S. 811. 117 Bei der Heiratsbewilligung für Herrschafts- und Patrimonialbeamte vgl. Regbl. Bayern 1812, Sp. 1549, §§ 158, 176 und Gbl. 1818, S. 212 § 64, S. 214 § 57; Am 26. Juni 1815 erging eine Verordnung, die Erteilung des Heiratskonsenses durch Gutsherren betreffend, Regbl. Bayern 1815, Sp. 533. Der von den Gutsherren, die nur ortspolizeiliche Rechte ausüben dürfen, erteilte Heiratskonsens muß vor dem Vollzuge der Trauung solcher Heiratsbewilligungen auch den Konskriptionsbehörden vorgelegt werden und soll mit unentgeltlicher Beisetzung des Visas bestätigt werden. Geschieht dies nicht, verstoßen die „Hintersassen“ gegen das Konskriptionsgesetz. Die Orts- und Patrimonialgerichte haben ihre Hintersassen zur Einholung des Visas anzuweisen. Die Pfarrer werden verantwortlich gemacht, bei den Trauungen darauf Rücksicht zu nehmen. 118 Das Ministerium des Innern ist für Heiratsbewilligungen der protestantischen Geistlichen zuständig, Regbl. Bayern 1809, Sp. 1491 ff. (1503); für Gendarmeriepersonen, Regbl. Bayern 1813, Sp. 381. 119 Regbl. Bayern 1807, Sp. 11 ff.
3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses
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rungs-Verhältnisse, unmittelbar erfordert.“120 Im Vordergrund der meisten Regelungen standen die gesicherten Nahrungsverhältnisse;121 zum Teil forderte man für die Erteilung einer Heiratserlaubnis den Schulentlaßschein.122 Damit versuchte der Staat für innere Sicherheit zu sorgen, aber gleichzeitig spielten vielfach fiskalische Interessen eine große Rolle. Dies läßt sich gut der landesherrlichen Verordnung vom 23. November 1805123 entnehmen. In diesem Fall wollte man den Militärwitwenfonds vor zu zahlreichen Ansprüchen schützen, weswegen man die Erteilung der Heiratslizenzen, ein anderes Wort für Heiratsbewilligung, für die Militärpensionisten von einer bestimmten Voraussetzung abhängig machte: So heißt es, daß „sämtliche Civilbehörden keinen verabschiedeten Soldaten mehr die Heiratslizenz zu bewilligen“ haben, „wenn nicht zuvor ganz zuverlässig hergestellt worden ist, daß der um Heiratskonsens bittende Mann völlig verabschiedet, und nicht ein pensionirtes Militär-Individuum ist. In letzterem Falle ist er von der Civil-Behörde ohne weiteres mit seinem Gesuche um die Heiraths-Erlaubniß an die einschlägige Kommandantschaft hinzuweisen.“ Wenn die Militärpensionisten keine Heiratsbewilligung bei den betreffenden Kommandantschaften eingeholt haben, hatten die Witwen und Kinder keine Ansprüche gegen den Militärfonds. Die Motivation für diese Verordnung war häufiger Mißbrauch: „Wir haben aus häufig vorgekommenen Fällen ersehen, daß Civil-Obrigkeiten, besonders Hofmarksgerichte, und die Magistrate kleinerer Städte, den männlichen Militär-Pensionisten, anstatt sie mit ihren Heirathsgesuchen, den bestehenden Verordnungen gemäß, an die betreffenden Kommandantschaften hinzuweisen, ohne weiters die Heiratslizenz ertheilen.“124 Dieser Schutz vor zu zahlreichen Ansprüchen von Witwen war sehr häufiger Grund für die obrigkeitlichen Heiratsbewilligungen.125 120 Gleicher Passus wurde in der Verordnung zur Konkretisierung der Heiratsbewilligungen für Staatsdiener vom 25. Jänner 1807, Regbl. Bayern 1807, Sp. 218 f. wiederholt. 121 Mandat vom 12. Februar 1800, MS 1802 Bd II, Nr. 13, S. 162: Beim Ausweis eines hinlänglichen Lebensunterhaltes und Verdienstes kann der Konsens zum Heiraten gegeben werden. 122 Verordnung vom 23. Dezember 1802 zitiert nach Döllinger, Register, S. 626. 123 Regbl. Churpf. 1805, S. 1218 f. 124 Am 9. Mai 1809 erging eine Erinnerung an die Behörden vor allem bezüglich der Heiratsbewilligungen für die Militärpensionisten, in der die Behörden nochmals auf die Einhaltung der Verordnung vom 23. November 1805 nachdrücklich hingewiesen wurden. Vgl. Regbl. 1809, S. 771. 125 Am 12. Dezember 1807, Regbl. Bayern 1807, Sp. 1914 f., ergeht eine Verordnung „die Heuraths-Bewilligungen für die Forstwärter betreffend“. Die Bewerber um die Heiratsbewilligung müssen bei der Provinzialpolizeibehörde den Besitz eines zur Ernährung einer Familie hinlänglichen Vermögens, entweder von seiner, oder von Seiten seiner Frau, nachweisen.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
c) Strafdrohungen für verordnungswidrig handelnde Pfarrer Diese Art des staatlichen Eheordnungsrecht erlangte unter Max IV./I. Joseph jedoch eine andere Qualität. Es wurde in der Verordnung „die Einsegnung der Ehen betreffend“ vom 21. Juli 1806126 ein an alle Untertanen gerichtetes Verbot formuliert, daß keine Trauung vom ordentlichen Pfarrer ohne eine vorgewiesene obrigkeitliche Heiratserlaubnis vorgenommen werden durfte: „Den Geistlichen aller Konfessionen wird daher ernstlich verbothen: 1. Keine Personen, sowohl vom Militär- als vom Civilstande zu trauen, welche sich nicht mit legalem Erlaubnißschein von ihrer ordentlichen Obrigkeit rechtfertigen können. 2. Ist es schon nach weltlichen und geistlichen Gesetzen jedem Pfarrer, Seelsorger oder Priester verbothen, einen Untertan aus einer fremden Pfarrey ohne besondere Bewilligung zu trauen; so erstreckt sich diese Verboth noch um so mehr für die Trauung von Vaganten.“ Um der Verordnung zu besserer Durchsetzung zu verhelfen, drohte man den Pfarrern und Benefizianten bei verordnungswidrigem Handeln an, sie ohne Nachsicht von ihren Pfründen zu entsetzen und unpräbendierte Geistliche aber nach Umständen zu bestrafen.127 Außerdem wies man diesen Eine weitere Verordnung vom 25. Febr. 1813 „Die Verehelichung der Advokaten vor Entrichtung der Eintritts-Gebühren zur Zentral-Pensions-Anstalt betreffend.“ (Regbl. Bayern 1813, Sp. 301), erging bezüglich der Bedingungen für die Heiratslizenzen bei Advokaten. Sie erging zum Schutz der Pensionsanstalt für die Witwen und Waisen der Advokaten des Königsreichs vor Ansprüchen der Witwen und Waisen von Advokaten. Sie verweist nochmals auf die Stiftungsurkunde dieser Anstalt vom 27. Juni 1808 (Regbl. Bayern 1808 Stück 32), in der Art. IX § 3 und 7 ausdrücklich verordnet, „daß jeder Advokat, der nach seiner Rezepzion in den Stand der Ehe tritt, das Komplement der hierfür regulirten Eintritts-Gebühr zu entrichten habe, und daß ein solcher Advokat vor dem beigebrachten Beweise der geschehenen Entrichtung der Eintrittsgebühr zum Trauungsakte nicht zugelassen werden solle“. Der erneute Hinweis auf diese Vorschrift war nötig, da die zuständigen Polizeibehörden diese Norm nicht ausreichend beachtet haben. Die Polizeibehörden wurden dazu besonders angehalten, den Advokaten die Heiratsbewilligungen solange zu versagen, bis „sie sich durch Beibringung legaler, von den einschlägigen königlichen Justiz-Behörden, bei welchen sie angestellt sind, ausgestellte Atteste legitimirt haben werden, daß sie die ihnen obliegende Verbindlichkeit gegen die AdvokatenWittwen und Waisen-Pensions-Anstalt in Hinsicht auf Errichtung der Eintritts-Gebühr oder des Komplements desselben aufs Genaueste erfüllt haben“. Bei Verstößen müssen die Polizeibeamten diese Gebühr aus eigenen Mitteln ersetzen. 126 Regbl. Bayern 1806, S. 275 f. 127 Inwieweit man die Geistlichen wirklich mit diesen Strafen erreichte ist fraglich, da es für die „Strafgerichtsbarkeit“ für Geistliche, die eine heimliche Trauung vorgenommen hatten, eine nicht ganz einheitliche Übung gab. Zum Teil überließ man die Aburteilung auch den geistlichen Richtern, zum Teil nahmen dieses Recht aber auch die weltlichen Gerichte war. Vgl. Lazik, Gerichtsbarkeit, S. 122 f.
3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses
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Geistlichen die Alimentation der ohne Erlaubnis der weltlichen Obrigkeit getrauten Untertanen nach der Vorschrift der Landesgesetze zu. Für die Untertanen sah man gleichfalls eine Strafe vor. Bei Umgehung der Verordnung durch Ehescheidung im Ausland ohne Konsens der landesherrlichen Behörden wurden die Eheleute als Vaganten behandelt und an den Ort zurückverwiesen, wo sie getraut worden waren.128 Was bislang nur von einzelnen Berufssparten verlangt wurde, galt nun also für jeden Bürger des Staates. Gleichzeitig hatte der Staat nun endgültig die Pfarrer zur effektiveren Durchsetzung seiner Ziele mit eingebunden, was bislang nur in begrenztem Maße geschahen war.129 Vor allem hatte man die Strafen für verordnungswidriges Handeln verschärft. Nicht nur die Eheleute hatten mit Sanktionen zu rechnen, wie das bereits in den früheren Verordnungen gehandhabt wurde, sondern auch den Geistlichen drohten erhebliche Vermögensnachteile, wenn sie eine Ehe ohne obrigkeitlichen Erlaubnisschein trauten. Im Unterschied zu früheren Regelungen130 drohte der Vermögensnachteil nicht nur im Fall der Verarmung des getrauten Paares. Es ist also eine deutliche Verschärfung der Sanktionen festzustellen, die einer besseren Befolgung dieser Vorschrift dienen sollte, da es immer wieder vorgekommen war, daß die Geistlichkeit sich überhaupt nicht an die staatlichen Vorgaben bei der Eheschließung gerichtet hatten. Diese Verstöße der Priester und Seelsorger wurden ausdrücklich als Motiv für den Erlaß dieser Verordnung genannt.131 Inhaltlich entsprach sie einer Verordnung, die bereits zwei Jahre vorher für die kurpfälzische Provinz in Schwaben am 19. Oktober 1804132 ergangen war und gegen die gleichen Mißstände ankämpfte. Dort wurde ausdrücklich erklärt, daß man auf diese Weise die heimlichen Eheschließun128
Regbl. Bayern 1806, S. 276. Ein derartiges generelles Verbot Ehen ohne Erlaubnis einzusegnen war in einem Rezeß des Ordinariats Augsburg bereits im Jahre 1785 ergangen, vgl. Kap. I.3.c. 130 Mandat vom 27. Juli 1756, MS 1784, Bd II Nr. 17, S. 1061 f., vgl. auch Kap. I.3.c. 131 Regbl. Bayern 1806, S. 276. 132 Regbl. Churpfb. Schwaben 1804, Sp. 980–982: Verordnung die Einsegnung der Ehen betreffend. Im Namen Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht zu Pfalzbaiern. In allen deutschen Staaten ist verordnet: daß a) kein Ehepaar ohne ausdrückliche Bewilligung der weltlichen Obrigkeit eingesegnet werden soll; – und daß b) die Copulation überhaupt nicht anders, als von dem ordentlichen Pfarrer, oder von einem Geistlichen, der hiezu eine besondere Erlaubniß von dem ordentlichen Pfarrer erhalten hat, mit Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten vorgenommen werden sollen. Nur durch die genaueste Befolgung dieser Verordnungen können Winkelehen vermieden, und der Staat gegen die Vermehrung schädlicher Bettler gesichert werden. 129
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
gen, die sogenannten „Winkelehen“, bekämpfen und sich vor allem gegen Armut schützen wollte.133 Damit hatte der Staat sich ernstzunehmenden Einfluß auf die Eheschließung verschafft. Geiger134 vergleicht diesen staatlichen Zugriff sogar mit dem Voraustrauungsgebot des § 67 des Gesetzes vom 6. Februar 1875 über die Beurkundung des Personenstandes, was allerdings zu weit gehen dürfte. d) Ein erster Zugriff auf das Eheband Nur zwei Jahre später ging der Staat mit seinen Sanktionen noch einen Schritt weiter. Er verordnete135, daß Ehen, die zur Umgehung der innerstaatlichen Vorschriften im Ausland geschlossen wurden, vom bayerischen Staat als ungültige Ehen betrachtet werden. Freilich hatte es bereits in früheren Zeiten derartige Umgehungsverbote für das Ausland gegeben, aber die Sanktionen berührten nicht die Gültigkeit der Ehe, sondern die Eheleute wurden als ausländische Vaganten behandelt.136 Damit hatte der Staat erstmals einen Zugriff auf das Eheband unternommen. Demel interpretiert dies als eine Vorhut der Zivilehe,137 die zu dieser Zeit auch schon diskutiert wurde, nachdem 1808/09 in einem Zivilgesetzbuchsentwurf vollständig ziviles Eherecht mit aufgenommen worden war.138 Schön139 sieht in dieser Regelung ebenfalls einen „bürgerlichen Charakter der Eheschließung“. Formal betrifft die Verordnung zwar nur die Frage der Anerkennung eines ausländischen Rechtsaktes (der Eheschließung). De facto schafft Bayern hier in der Tat erstmals ein staatliches Ehehindernis mit direkter Auswirkung auf die Gültigkeit der Eheschließung, so daß die Interpretationen von Demel und Schön durchaus zutreffen. Der Anlaß dieser Verordnung war es, die Heiraten auf dem Lande zu erleichtern, da „während dem Laufe Unserer Regierungsjahre Wir Uns [der 133
Vgl. Regbl. Churpfb. Schwaben 1804, Sp. 980–982, unter Buchst. b). Geiger, Konkordat, S. 16 mit Fn. 4. 135 Verordnung vom 12. Juli 1808 „die Beförderung der Heurathen auf dem Lande betreffend“, Regbl. Bayern 1808, Sp. 1505 ff. 136 6. Februar 1793, MS 1797, Bd 5, Nr. 111, S. 479 (vgl. dazu Kap. I.3.b.) und 26. November 1800, MS 1802 Bd 2, S. 189, vgl. auch Verordnung vom 5. Oktober 1801, 3. Nov. 1801, Regbl. 1801, S. 641, in der für Eheleute, die im Ausland geheiratet haben und anschließend dem „Bettel“ verfallen, angeordnet wird, daß der Mann zum Militär versetzt wird oder anderen Züchtigungsmaßnahmen unterworfen wird und die gesamte Familie, wenn sie von keiner Gemeinde geduldet wird, an seinen Geburtsort oder Domizil ausgewiesen wird. 137 Demel, Staatsabsolutismus, S. 326. 138 Vgl. dazu Kap. II.5.b. 139 Schön, FS Regelsberger, S. 206 unter Verweis auf Mayer, E. Die Kirchenhoheitsrechte des Königs von Bayern, München 1884, S. 98. 134
3. Die neue Qualität des behördlichen Heiratskonsenses
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König] (. . .) von den nachtheiligen Wirkungen jener einschränkenden Verfügungen überzeugt, wodurch die Heurathen im Lande mehr, als es die nothwendige Vorsorge der Polizei erfordert, erschwert wurden“.140 Die restriktive Heiratspolitik sollte im Rahmen der Gewährung von mehr Freiheit, also auch Verkehrs- und Erwerbsfreiheit, und Aufhebung der Leibeigenschaft in dieser Regierungszeit beendet werden.141 Dadurch sollte der allgemeine Wohlstand gehoben und die bürgerliche Freiheit der unteren Bevölkerungsschichten besser verwirklicht werden.142 Man hatte den gemeindlichen Konsens zu den Heiraten unangesessener Leute auf dem Lande aufgehoben; die Gemeinden brauchten nicht einmal gehört zu werden.143 Dafür war jetzt für alle ehewilligen Paare – und nicht mehr nur für die unvermögenden Leute und Ehehalten, d.h. für den Eheschluß von Dienstboten144 – auf dem Lande notwendig, daß sie außer der in den bürgerlichen Gesetzen – damit war also auch der CMBC gemeint – verordneten Einwilligung der Eltern und Vormünder die Bewilligung der ordentlichen Polizeiobrigkeit des Ortes, wo sie „mit hinreichender Aussicht auf Nahrung“ ihren Wohnsitz nahmen, einholten.145 Diese angestrebte Erleichterung der Eheschließung versuchte die Verordnung durch das Verfahren bei der örtlichen Polizeibehörde, die nicht gleichzeitig für die Finanzierung der Armen zuständig war, zu erreichen. Die Ermessensentscheidungen der Behörde wurden durch genauere gesetzliche Anweisungen gebunden. So sollten die Heiraten der „Untertanssöhne und -töchter“, die für ihre Sittlichkeit und Arbeitsamkeit der Lokalpolizei bekannt und ausreichend nachgewiesen waren, bei vorliegender Einwilligung der Eltern und Vormünder nicht erschwert und nur unter bestimmten Ausnahmetatbeständen untersagt werden: (a) bei ärztlicher bestätigter körperlicher Unfähigkeit zur Ehe oder zur Arbeit, (b) bei allgemeiner Gefährlichkeit eines Ehepartners für Familie und Gesellschaft aufgrund begangener Verbrechen oder (c) bei unstetem Lebenswandel, Liederlichkeit und Müßiggang.146 Allgemein hielt die Verordnung die Obrigkeit dazu an, verheiratete unangesessene Leute zu unterstützen, „und sie von keinem Ort zu vertreiben, wo sie Herberge finden, sich durch Arbeit ordentlich ernähren und nichts verbrechen“.147 Diesen Leuten sollte die Ansässigmachung durch konkrete 140 141 142 143 144 145 146 147
Regbl. Bayern 1808, Sp. 1505. Vgl. Faber, Verehelichungsrecht, S. 9. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1505 f. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1506 Nr. 1. Faber, Verehelichungsrecht, S. 9 f. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1506 Nr. 2. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1507. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1508 Nr. 8.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
Hilfe, wie Unterstützung beim Hausbau und Schutz ihres Gewerbes, erleichtert werden.148 Keinesfalls sollte die Heiratsbewilligung an harte Bedingungen und insbesondere nicht persönliche Dienstleistungen oder Fronen gebunden werden.149 Diese Inhalte verdeutlichen die Bemühung, die Ansässigmachung und Eheschließung zu erleichtern. Diese Erleichterung bezog sich jedoch nur auf Leute vom Land. Berücksichtigt man den Umstand, daß das Gesetz aus einer Zeit stammt, in der man die Leibeigenschaft aufgehoben hatte,150 erklärt sich der Hintergrund für dieses Gesetz leichter: man wollte alte Strukturen durch neue ersetzen und damit die Menschen dort halten, wo sie herstammten. Dennoch betrieb man diese Maßnahme der Erleichterung sehr maßvoll, denn die Verordnung hob keine Vorsichtsmaßnahme auf, die bezüglich der größeren Städte und Vorstädte ergangen waren, um den Aufenthalt zu vieler unangesessener und gewerbsloser Leute zu vermeiden.151 Vielmehr sollte in dem Maße wie Erleichterungen geschaffen worden waren, der Kampf gegen den „Bettel“ und die Verarmung verstärkt werden.152 Unberührt blieben auch alle bestehende und zukünftigen Vorschriften über die Militärpflichtigkeit und das Konskriptionswesen.153 Die Verordnung sah sogar eine Beschwerdeinstanz, die Generalkreiskommissariate, vor, die über die Erteilung oder Nichterteilung einer Heiratsbewilligung nach der Vernehmung der Lokalpolizei zu entscheiden hatten.154 Letztlich kann man auch bei dieser Verordnung die Entwicklung zur Verallgemeinerung ihrer Geltungskraft feststellen; sie bezog sich auf jeden Untertan, der auf dem Land lebte. Diese Entwicklung brachte gleichzeitig eine bessere Erfassung der gesamten Bevölkerung und trug zum Abbau von willkürlichen Handlungen in diesem Bereich bei, da nicht für verschiedene Personengruppen unterschiedliche obrigkeitliche Organe nach unterschiedlichen Gesetzen vorgehen konnten. Gleichzeitig sicherte man sich den Gehorsam der Beamten beim Verordnungsvollzug, in dem man die Haftung der Beamten für die Erteilung der Heiratsbewilligung an fremde, unbekannte, unangesessene Leute, die sich weder bisher in dem Orte oder Gerichtsbezirke aufgehalten haben, noch ihren künftigen Unterhalt an dem Orte wahrscheinlich machen könne, aufrechterhalten hatte. Sie mußten die Alimentierung einer solchen Familie, wenn sie sich nicht selbst ernähren konnte, übernehmen.155 148 149 150 151 152 153 154
Regbl. Bayern 1808, Sp. 1508 Nr. 9. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1507 f. Nr. 7. Faber, Verehelichungsrecht, S. 9. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1508 f. Nr. 10. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1509 Nr. 12 und 13. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1509 Nr. 11. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1507 Nr. 5.
4. Mandate zum kirchlichen Eherecht
113
Diese durch die Verordnung gewährte größere Freiheit, sollte dadurch besser verwirklicht werden, daß man Eheschließungen im Ausland verbot. Dieses Verbot war mit der Ungültigkeit der im Ausland geschlossenen Ehe und mit Gefängnisstrafe sanktioniert worden.156 Fraglich bleibt jedoch, ob die staatliche Politik die Eheschließungen zu erleichtern mit diesen Normen auch erreicht werden konnten. Schon die Tatsache, daß sich diese Verordnung nicht mehr nur an unangesessene Leute wandte bzw. vermögenslose oder Dienstboten157, könnte daran zweifeln lassen, da nun abstrakt bereits mehr Leute einer Heiratsbewilligung bedurften. Außerdem dürfte der einzelne Beamte weiterhin sehr vorsichtig mit der Bewilligung von Heiraten geblieben sein, weil die persönliche Haftung bei Erteilung von Heiratsbewilligungen an fremde, unbekannte und unangesessene Leute für diese Familien, die in der Folge verarmten, beibehalten wurde. e) Zusammenfassung Die Mandats- und Verordnungsgesetzgebung in Ehesachen erhält unter Max IV./I. Joseph eine neue Qualität. Erstmals wurde Pfarrern, die das Erfordernis des obrigkeitlichen Ehekonsenses nicht beachteten, in jedem Fall und nicht bei Verarmung des im Verstoß gegen das staatliche Gesetz getraute Paar empfindliche Sanktionen angedroht.158 Außerdem griff im Jahre 1808 erstmals ein bayerisches Gesetz direkt auf das Eheband zu: im Ausland gültig geschlossene Ehen wurden in Bayern als ungültig behandelt. Auch wenn diese Norm formal nur die Anerkennung eines ausländischen Rechtsaktes betraf, so entschied hier doch erstmals eigenes staatliches Ehehindernis über die Gültigkeit der Ehe.
4. Mandate zum kirchlichen Eherecht Außer den Verordnungen zum staatlichen Eheordnungsrecht gab es auch Verordnungen, die das kirchliche Eherecht betrafen. Dabei handelte es sich überwiegend um protestantisches oder interkonfessionelles und nur vereinzelt um katholisches Eherecht.
155
Regbl. Bayern 1808, Sp. 1506 f. Nr. 3. Regbl. Bayern 1808, Sp. 1510 Nr. 16 f. 157 Faber, Verehelichungsrecht, S. 9 f. 158 In Stapfs „Pastoralunterricht“ von 1831, S. 86 ff. einem Handbuch über das „gesetz- und pflichtmäßige Verhalten des Pfarrers“ bezüglich von Trauungen wird auf die von den Pfarrern zu beachtende obrigkeitliche Bewilligung zur Eheschließung hingewiesen. 156
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
a) Einleitung Am Anfang des 19. Jahrhunderts änderte sich die Haltung des bayerischen Staates gegenüber den Akatholiken in Bayern159. Der bayerische Staat hatte zahlreiche Gebiete mit überwiegend bzw. ausschließlicher evangelischer Bevölkerung hinzugewonnen. Damit war Bayern endgültig kein rein katholischer Konfessionsstaat mehr.160 Diese äußere Situation wurde von der neuen Regierung genutzt, um Bayern zu einem toleranten161 und paritätischen Staat auszubauen, also den Akatholiken und vor allem zunächst den Protestanten eine gleichberechtigte Stellung neben den Katholiken einzuräumen.162 Diese Entwicklung hatte der Reichsdeputationshauptschluß in § 63 begünstigt, denn dieser besagte: „Die bisherige Religionsausübung eines jeden Landes soll gegen Aufhebung und Kränkung aller Art geschützt sein, insbesondere jeder Religion der Besitz und ungestörte Genuß ihres eigentümlichen Kirchengutes, auch Schulfonds, nach der Vorschrift des Westfälischen Friedens ungestört verbleiben. Dem Landesherren steht es jedoch frei, andere Religionsverwandte zu dulden und ihnen den vollen Genuß bürgerlicher Rechte zu gestatten.“ Das Edikt vom 10. Januar 1803163 gewährte den „christlichen Religionsverwandten“ alle bürgerlichen Rechte und die Religionsfreiheit. Dieses Edikt wandte sich speziell an die neuhinzugewonnenen Gebiete von Franken und Schwaben und wollte damit erreichen, daß auch dort die für die alten Staaten erlassenen Verordnungen der Religionsfreiheit und Duldung Geltung erlangen.164 Von einer Erstreckung der im altbaierischen Stammlande bestehenden Rechte konnte allerdings nur hinsichtlich der Güter- und Bürgerrechtserwerbe und des Ansässigmachungsrechts die Rede sein, eine Toleranzgesetzgebung bezüglich konfessioneller religiöser Eigenheiten 159 Mit der Verordnung vom 26. August 1801 gestatte Max IV./I. Joseph auch den Akatholiken die Ansässigmachung in Bayern. vgl. Regbl. 1801, S. 560 f. Günstig auf diese Entwicklung hatte sich sicherlich der Umstand ausgewirkt, daß der Kurfürst mit einer Protestantin verheiratet war, die sich in ihrem Ehevertrag einen Hofprediger ausbedungen hatte. Geiger, Konkordat, S. 7. 160 Moy, Staatsrecht Tl I, Abt. 1, S. 90. Pütter, HdB dt. Staaten, Tl 1, S 311 f. §§ 49 f. In der Pfalz war der größere Teil der Bevölkerung evangelisch, z. T. lutherisch, z. T. reformiert, vgl. Pütter, ebd. S. 443–447 §§ 52–54. 161 Die katholische Religionseigenschaft nicht mehr als Bedingung für die Ansässigmachung in Bayern an, vgl. Verordnung vom 10. November 1800 in MS 1800, Bd. 2 S. 259. 162 Zur Garantie von Gewissens- und Glaubensfreiheit in Bayern zwischen 1806 und 1817, vgl. Demel, Staatsabsolutismus, S. 366 ff. 163 Regbl. Bayern 1803, Sp. 25–28; vgl. dazu auch Kolde, Das bayerische Religionsedikt vom 10. Januar 1803 und die Anfänge der protestantischen Landeskirche in Bayern. 164 So der einleitende Text zum Religionsedikt vom 10. Januar 1803.
4. Mandate zum kirchlichen Eherecht
115
kannte Altbayern bis dahin noch nicht. Nur für das Pfälzer Gebiet war 1799 ein Toleranzedikt ergangen. So nutzte man dieses Religionsedikt, um auch in Altbayern Toleranznormen einzuführen.165 Sicherer166 hält durch diese Gleichstellung der Konfessionen das Verhältnis des Staates zur Kirche für „von Grund auf verändert“. Bayern war mit dieser Toleranzgesetzgebung manchem europäischen Staat vorangegangen.167 Kurz nach Erlaß dieses Ediktes hatte der Papst Pius VII. in dem Breve vom 12. Februar 1803 die neue Akatholiken begünstigende Gesetzgebung in Bayern kritisiert.168 Zwei Jahre später, am 30. September 1805, verkündete die Kurie, daß Kinder aus gemischten Ehen nicht als legitim zu betrachten seien.169 Damit konnte jedoch die Entwicklung nicht mehr aufgehalten werden. Drei Jahre später sah man die Möglichkeit, diese Bestimmungen auch für Altbayern einzuführen; ausschlaggebend dafür war die Rheinbundakte.170 Die Verfassung vom 1. Mai 1808171 und das Religionsedikt vom 24. März 1809172 hatten die in einem Mandat für die Kurpfalz vom 9. Mai 1799 und dem Religionsedikt für Franken und Schwaben vom 10. Januar 1803 niedergelegten Prinzipien für ganz Bayern aufgenommen.173 Die Verfassung gewährte ausschließlichen und vollkommenen Besitz der Pfarr-, Schul- und Kirchengüter allen Religionsteilen ohne Ausnahme, Teil I § 6174 die Gewissensfreiheit, Teil I § 7175. Gleichzeitig hatte das Religionsedikt vom 24. Mai 1809 als erste umfassende Gesetzgebung eine durchgehende Scheidung des weltlichen und geistlichen Gebietes vorgenommen.176 Geiger spricht sogar davon, daß das Religionsedikt Bayern in konfessioneller Hinsicht zu einem neutralen Staat gemacht habe.177 Diese Veränderungen zeigten auch Auswirkungen auf das Eherecht. So ergingen vor allem Verordnungen, die sich mit der Frage von gemischtkonfessionellen Ehen oder mit protestantischem Eherecht befaßten. 165
Gimbel, Wandel, S. 51 ff. (56). Schwaiger, Bistümer, S. 61 geht davon aus, daß dieses Edikt für alle bayerischen Bewohner Religionsfreiheit in dieser Form gewährte. 166 Sicherer, Staat, S. 27. 167 Gimbel, Wandel, S. 63 ff. 168 Sicherer, Eherecht, S. 14. 169 Sicherer, Eherecht, S. 15 vgl. Abdruck der Beschwerdeschrift bei Höfler, Concordat, S. 213. 170 Geiger, Konkordat, S. 9 ff. (11). 171 Regbl. Bayern 1808, Sp. 985–1000. 172 Regbl. Bayern 1809, Sp. 898–920. 173 Vgl. dazu Kolde, Religionsedikt, S. 25 ff. 174 Regbl. Bayern 1808, Sp. 988. 175 Regbl. Bayern 1808, Sp. 988. 176 Sicherer, Eherecht, S. 2. 177 Geiger, Konkordat, S. 13 f.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
b) Interkonfessionelles Recht aa) Das Pfälzer Toleranzedikt Kurz nach Regierungsantritt Max IV./I. Joseph erging für die bayerische Pfalz das bereits erwähnte Mandat vom 9. Mai 1799, das einleitend von Gewissensfreiheit und Toleranz, „sowohl in Beziehung auf die Regierung des Landes, als auf die darin sich findende verschiedene Religionsverwandte betreffend“ sprach. Es befaßte sich mit der Eingehung von gemischtkonfessionellen Ehen und Eheschließungen der Protestanten unter sich. „Künftig [sollen] die vermischten Heurathen ganz frey von jedermann ungehindert nach dem bloßen Willen der kontrahirenden Theile für sich bestehen [. . .], und jedem dieser Neuverlobten ohne Unterschied, ob sie sich bey dem parocho sponsi oder sponsae trauen lassen wollen, wenn sie die Proklamations-Gebühr bezahlt, die Dimissoriales unentgeltlich ertheilt, und in Absicht der künftigen Erziehung ihrer Kinder ihnen die unbeschränkte Freyheit gelassen werden, hierüber mit Beyrath der Eltern oder Vormünder das Nöthige in ordnungsgemäßen Ehepakten zu bestimmen. Wollen sie keine Heurathsberedungen eingehen, so sollen die Söhne in der Religion des Vaters, und die Töchter in der Religion der Mutter erzogen werden, auch sollen solchen Kindern keine andere Vormünder als von gleicher Religion bestellt werden, und wenn sie die annos discretionis, die Wir auf das zurückgelegte 18te Jahr bestimmen, erreicht haben, soll von ihrer freyen Wahl abhangen, zu einer oder dere anderen Religion überzutretten“.178 Damit wurde die Auffassung, die Kreittmayr in seinen Anmerkungen zum CMBC über die gemischten Ehen geäußert hatte und die schon 1785 für Pyrbaum in der Oberpfalz in Kraft getreten war,179 auch auf die Pfalz ausgedehnt. Die Verordnung gestattete den Protestanten außerdem, sich auch in geschlossenen Zeiten, also den Fastenzeiten nach katholischem Ritus trauen zu lassen. Allerdings bedurften sie dafür eines Dispenses; die Zuständigkeit dafür wurde dem Kirchenrat übertragen. Im übrigen erließ man den evangelischen Gläubigen bei verschiedenen kirchlichen Gegenständen, wie bei Dispensationen im nahen Grad der Verwandtschaft, Beobachtung geschlossener Zeiten, Hauskopulationen oder Trauung ohne Kanzelruf die „Landes-Fundi-Gebühren“, weil auch die katholischen Untertanen davon befreit waren.180
178
MS 1800 Bd I, Nr. 10, S. 256 ff. Vgl. oben Kap. I.3.d. 180 Mandat vom 9. Mai 1799, „die Gewissensfreiheit und Toleranz, sowohl in Beziehung auf die Regierung des Landes, als auf die darin sich findende verschiedene Religionsverwandte betreffend“, vgl. MS 1800 Bd I, Nr. 10, S. 256 ff. 179
4. Mandate zum kirchlichen Eherecht
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bb) Protestantische Trauungen in München Schon bald darauf erging das Mandat vom 8. April 1800,181 in dem der Kurfürst dem Hofprediger seiner protestantischen Ehefrau gestattete, in München privat Trauungen zweier Protestanten vorzunehmen, diese Eheschließungen im Pfarrbuch zu registrieren und die Stollgebühren182 an die ordentlichen Pfarrer abzuführen. Gemischte Ehen durfte der Hofprediger nur nach Erlaubnis des Kurfürsten trauen und diese Eheschließungen mußten, solange bis dazu nicht eine allgemeine Verfügung ergangen sein würde, in private Register eingetragen werden.183 cc) Die Heirat geschiedener Protestanten Als nächstes wurde am 8. November 1802184 die Frage entschieden, ob eine Ehe zwischen Katholiken und geschiedenen Protestanten zu Lebzeiten des Ehepartners der ersten Ehe möglich sei. Aus staatlicher Sicht sprach man sich für die Gültigkeit dieser Ehen aus, denn gemischte Ehen seien nach deutschen Gesetzen grundsätzlich gültig und dazu komme, daß ein richterlich geschiedener Ehegatte als ledige Person anzusehen sei; deswegen könne er wieder eine gültige Ehe eingehen. Die bürgerliche Obrigkeit, die die richterliche Scheidung anerkenne, könne den geschiedenen Gatten nicht an einer neuen Eheschließung hindern, ohne die deutschen Gesetze zu verletzen. Der Kopulationsschein dürfe deswegen weder bei einer Ehe zwischen einem geschiedenen protestantischen Ehegatten, der einen Katholiken heiratet, noch bei der Ehe zwischen einem in einer Mischehe geschiedenen Katholiken mit einem Katholiken, auch wenn ihre früheren Ehefrauen bzw. -männer noch am Leben sind, verweigert werden; vielmehr müßten diese Ehen in allen bürgerlichen Wirkungen als gültig angesehen werden. Dies sei auch gegen die Meinung mehrerer katholischen Theologen zu vertreten. Der katholische Priester könne zwar nicht zur Trauung einer solchen Ehe gezwungen werden, aber in einem solchen Fall könnten die Brautleute auf einen protestantischen Pfarrer ausweichen, weil in diesem Fall die Ehe gleichermaßen bürgerlich gültig sei. Zudem seien die Eheleute 181 MS 1802, Bd II, Nr. XX, S. 252. Diese Erlaubnis erging im Anschluß an eine Entschließung vom 24. Januar 1800, MS 1802 Bd II, Nr. 6, S. 242 in der der Kurfürst dem Hofprediger bereits andere Pfarrechte übertragen hatte. 182 MS 1802, Bd II, S. 252 Nr. XX. 183 MS 1802, Bd II, S. 252 Nr. XX. 184 In: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 241 f.: Entschließung, die an das rheinpfälzische General-Landes-Commissariat ergangen ist. Eine Entschließung mit gleichem Inhalt ist an die Churfürstlich Bergische Landesdirection zu Düsseldorf ergangen am 13. Juni 1803, vgl. dazu ebd. S. 242 f.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
vor für die bürgerliche Ehe nachteiligen Strafen der geistlichen Obrigkeit zu schützen. Die weltliche Obrigkeit überlasse aber die Gewissensseite ausschließlich den geistlichen Behörden. Diese Verordnung zeigt, daß der Staat inzwischen eine selbständige Auffassung entwickelt hatte, wie Ehen zwischen einem geschiedenen protestantischen Ehepartner und einem Katholiken zu bewerten seien. Man betrachte diese Ehen als bürgerlichrechtlich gültige Ehen und gestand sogar dem Katholiken, sofern er in einer Mischehe gelebt hatte die Möglichkeit der echten Scheidung mit der Möglichkeit zur Wiederheirat zu. Unmöglich war ab diesem Zeitpunkt also nur noch die Scheidung zweier Katholiken dem Bande nach. Man hatte sich damit entschieden gegen die Auffassung der katholischen Theologen und der römischen Kirche gestellt, die eine Trennung des Ehebandes durch Scheidung überhaupt nicht anerkannten. Der Staat war gewillt, seine Auffassung durchzusetzen, und es sollte vor allem auch darauf geachtet werden, daß die geistliche Gewalt diese Gesetze nicht durch Strafen behindert. Die Entscheidung, diese Art von Ehen für gültig zu erklären, wurde von den Bischöfen verschieden aufgenommen und gehandhabt.185 Das erzbischöfliche Mainzer Vikariat zu Aschaffenburg hatte sich auch aufgrund eines theologischen Gutachtens vom 1. Juni 1803 für die Zulässigkeit dieser Ehen entschieden. Das Würzburger Vikariat hatte sich grundsätzlich gegen die Gültigkeit dieser Ehen ausgesprochen, gestatte aber in einem Fall einem Garnisonspfarrer die Vornahme der Trauung, weil keine Einigkeit unter den Theologen hinsichtlich der vollkommenen Unauflöslichkeit der Ehe bestehe und zum anderen der evangelische Pfarrer sowieso die Trauung vornehmen könne, weswegen das kleinere von zwei Übeln zu wählen sei. Für die Zukunft beschloß das Würzburger Vikariat die Sache zu ignorieren, da man sich in der Theologie noch nicht eindeutig für die Gültigkeit oder Ungültigkeit entschieden habe und man die Meinung Roms nicht genau kenne. Auch die übrigen Bischöfe Bayerns verneinten die Gültigkeit dieser Ehen, sprachen sich aber gegen einen Ausschluß von den Sakramenten aus, sofern Katholiken dennoch eine solche Ehe eingingen. Die Kirche belege auch die unierten Griechen, die nach der Scheidung wieder heirateten, nicht mit dem Anathem, sondern dulde diese Ehen.186 Die Ordinariate, die praktisch mit derartigen Fällen befaßt waren, verfuhren also nach der kirchlichen Dissimulationspraxis.187 185 Geiger, Konkordat, S. 43; Kopp, Kirche, S. 387 ff.; Breve des Papstes Pius VII. an den Kurfürsten Erzkanzler vom 8. Oktober 1803 bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 86 ff.; Schwab, Johann Baptist, Franz Berg, ein Beitrag zur Charakteristik des katholischen Deutschlands zunächst des Fürstbisthums Würzburg im Zeitalter der Aufklärung, Würzburg 1869. 186 Geiger, Konkordat, S. 44.
4. Mandate zum kirchlichen Eherecht
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Der Staat blieb dieser seiner Entscheidung treu, wie die Äußerungen auf konkrete Anfragen zu Eheschließungen zwischen einem rechtmäßig geschiedenen Protestanten/in und einem Katholiken/in zu Lebzeiten des ersten Gatten hin am 16. April 1804188 und am 1. Mai 1814189 zeigen, wo man sich auf das Reskript vom 8. November 1802 bezog. In dem Fall aber, wo sich ein Katholik von seiner Gattin dauerhaft von Tisch und Bett trennen läßt und er anschließend zur evangelisch-lutherischen Religion übergeht, bedarf es für eine erneute Heirat erst einer Umerkennung der Scheidung von Tisch und Bett in eine Trennung des Ehebandes.190 dd) Die Verordnungen über gemischte Ehen Am 18. Mai 1803191 erging erneut eine Verordnung, die gemischte Ehen betraf, jetzt aber für das gesamte bayerische Territorium. Diese Verordnung stand in engem Zusammenhang mit dem Religionsedikt vom 10. Januar 1803.192 Im Vordergrund stand die Frage nach der religiösen Kindererziehung, die den Eltern wie auch schon 1799193 völlig freigestellt wurde; nur für den Fall, daß zum Zeitpunkt der Eheschließung nichts über die religiöse Kindererziehung festgelegt sei, griffen die oben genannten staatlichen Regelungen ein.194 Also unabhängig von der Entscheidung bezüglich der Kindererziehung – im Unterschied zum kanonischen Recht – wurde nochmals aus187
Vgl. dazu das Urteil des Freisinger Ordinariats in einem Gutachten vom 20. August 1802. Ebert, Territorialismus, S. 83. Zum Begriff des Dissimulierens, vgl. Kap. III.2.a. 188 Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 243. 189 Dort geht es um eine weitere Verehelichung eines Landgerichtsassessors: „Da nach den bürgerlichen Gesetzen ein richterlich geschiedener Protestant in der Art als ledig angesehen werden muß, daß er eine weitere eheliche Verbindung giltig eingehen kann, und andererseits über die Giltigkeit gemischter Ehen nach den in Unsern Staaten in Bezug auf Religionsverhältnisse bestehenden constitutionellen Bestimmungen kein Anstand obwalten kann, so kann der weiteren Verehelichung des von seiner noch am Leben befindlichen Gattin durch richterliches Erkenntnis geschiedenen, der protestantischen Religion zugethanen Landgerichtsassessors N., mit der Anna N., katholischer Religion daselbst, in bürgerlicher Hinsicht kein Hindernis im Wege stehen. Für die Gewissensbereiche gilt bereits Gesagtes, auch für die Vornahme der Trauung durch den katholischen Geistlichen. in: Döllinger, Verordnungen, Band VIII, Abt. VIII, S. 245 f. Diese Entschließung wird am 29. März 1824 bestätigt gegenüber der königlichen Regierung des Untermainkreises, vgl. dazu ebd. S. 247, §§ 257, 258. 190 München am 28. Dezember 1810 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 245, § 254. 191 Regbl. Bayern 1803, Sp. 321 ff. „die Religionsverhältnisse der Kinder bei vermischten Ehen betreffend.“ 192 Vgl. oben und Schwaiger, Bistümer, S. 61. 193 Vgl. vorher.
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drücklich die gemischtkonfessionelle Ehe als erlaubte Ehe bezeichnet, wobei es der freien Wahl der Brautleute unterstellt sei, ob der katholische oder protestantische Priester/Pfarrer195 die Trauung vornehme, wenn nur die notwendige Gebühr bezahlt worden sei. Die Bedeutung der staatlichen Regelung kommt u. a. darin zum Ausdruck, daß Stürmer196, der sich zu dieser Zeit mit dem Verhältnis von Staat und Kirche insbesondere in Bayern beschäftigte, diese Verordnung als Basis für die Regelung der religiösen Kindererziehung betrachtete. Stürmer ging sogar in mancher Ausgestaltung über diese Verordnung hinaus, indem er die Bestimmung der Konfession der Kinder durch Vertrag auch noch während der Ehe zuließ und damit die Abänderung der ursprünglichen vertraglichen Einigung gestattete.197 ee) Die Haltung der katholischen Kirche zur Mischehengesetzgebung Aufgrund der zunehmenden Toleranz gegenüber den Protestanten hatte sich der Kurerzkanzler Dalberg am 16. April 1803 an den Papst gewandt mit der Bitte, sich zur Mischehefrage grundsätzlich zu äußern.198 Das Antwortbreve vom 8. Oktober desselben Jahres gab kompromißlos die kirchlichen Ehegesetze wieder, wie sie das Konzil von Trient199 und Papst Benedikt XIV. (1740–1758) formuliert hatten.200 Allerdings blieb diese päpstliche Äußerung weitgehend unbekannt und damit beinah einflußlos.201 Die Ordinariate waren durch diese ungeklärte Situation, dies blieb letztlich bis in die dreißiger Jahre so,202 stark verunsichert. Das galt insbesondere für die Diözese Freising, wo besonders viele Protestanten zugezogen waren. 194 Für uneheliche Kinder wurde in einer VO vom 13. März 1807 bestimmt, daß diese Kinder in der Religion der Mutter zu erziehen seien, vgl. Regbl. 1807 S. 518 und Religionsedikt 1809 § 24. Die religiöse Erziehung der unehelichen Kinder stimmte damit mit dem preußischen Landrecht Teil II Tit. 2 § 642 überein. 195 Der Begriff des Pfarrers verriet, daß mit dieser Verordnung keine Ehen zwischen Juden und Christen gemeint sein konnten. Daran wies Demel, Staatsabsolutismus, S. 372, nach, daß die Toleranz, auf die diese Haltung des Staates gegenüber Mischehen zwischen den christlichen anerkannten Konfessionen zurückzuführen war, tatsächlich nur auf diese beschränkt war. 196 Stürmer, Entwurf, S. 42 ff. 197 Stürmer, Entwurf, S. 43 f. 198 Schwaiger, Bistümer, S. 63; Doeberl, HPB 154, S. 111. 199 Sess. 24 Kap. 1 de ref. Matr. 200 Schwaiger, Bistümer, S. 63. 201 Schwaiger, Bistümer, S. 63; Abdruck des Breves „Etsi fraternitas“ von 1802 bei Wüstenberg, MtheolZ, 1951, S. 294. Der Einfluß des Breves auf die staatliche Gesetzgebung der Zeit wurde überschätzt. Vgl. Wüstenberg, MtheolZ, 1951, S. 290– 293 und Wüstenberg, Mischehenfrage, 1951. 202 Vgl. Kap. III.
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Man zeigte sich gegenüber Mischeheschließungen weitgehend tolerant und beschränkte sich auf Gewissensermahnungen bezüglich einer Ehe mit einem Nichtkatholiken. Von schriftlichen oder eidlichen Zusicherungen der Brautleute, den sogenannten Reversen, sah man ab, da diese durch staatliche Bestimmungen untersagt waren.203 Insgesamt war der Hl. Stuhl gut über die neue Religions- und Kirchenpolitik in Bayern unterrichtet204 und vor allem durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 sehr beunruhigt.205 In dieser Situation wandte sich der Papst mehrfach in den Jahren 1803–1805 an den Kurfürsten. Einen breiten Raum nahmen dabei die Fragen des Eherechts, insbesondere der Mischehen, ein. Dabei machte Pius VII. auf den Widerspruch der bayerischen Ehegesetzgebung seit 1800 zu den Dekreten des Tridentinums aufmerksam. Die Äußerungen des Papstes zu den Mischeheschließungen nahm der Kanonist Pater Zallinger zum Ausgangspunkt „einer scharfsinnigen kanonistischen Auseinandersetzung“, über die Eingehung einer gemischten Ehe ohne Beachtung des tridentinischen Dekrets. Das Tridentinum verpflichte alle Getauften, also auch die Protestanten, soweit nicht das Tridentinum selbst oder spätere päpstliche Dekrete eine Ausnahme hiervon getroffen hätten.206 Da solche Befreiungen von der Beobachtung der tridentinischen Eheschließungsform in Bayern zu diesem Zeitpunkt nicht bestünden, seien auch die Akatholiken in Bayern dem Dekret „tametsi“ unterworfen. Damit könne nur eine gültige Ehe eingegangen werden, wenn die Trauung vor dem zuständigen katholischen Geistlichen vorgenommen werde. Andernfalls sei die Ehe nicht nur unerlaubt sondern auch nichtig, d. h. die Kinder aus diesen Ehen seien unehelich, und es trete auch keine Erbfolge ein.207 Der staatliche Gesetzgeber könne auch mit davon abweichenden Verordnungen nichts an der 203
Schwaiger, Bistümer, S. 63. Vgl. Höfler, Constitutionseid, S. 14–24. 205 Geiger, Konkordat, S. 51. 206 Geiger, Konkordat, S. 57 f. 207 Vgl. die Ausführungen von P. Zallinger in den Gravamina, bei Geiger, Konkordat, S. 58 (Leider konnten die Gravamina bislang nicht aufgefunden werden.): „Si matrimonium coram praecone protestantico excluso vel absente catholico parocho sponsi sponsaeve proprio contrahitur in loco, ubi decretum Concilii Tridentini de clandestinis nuptiis promulgatum receptque fuit (uti in plerisque non tantum Bavariae, sed etiam Sueviae et Franconiae locis), aut si contrahentes ex domicilio suo egrediuntur in locum, ubi decretum illud non fuit promulgatum, animo ibidem coram protestantico praecone ineundi matrimonium, istud non tantum gravissime prohibitum et illicitum, sed etiam nullum et irritum censendum erit; unde consequens est, ut progressu temporis inter propinquos sic contrahentium et scelerato cohabitantium gravissimae exurgant lites non tantum de illegitimis natalibus prolium, sed etiam de iure haereditatum, testamentorum, successionum ab intestato. (vgl. ebenso Congr. Inquis. 14 Dez. 1859). 204
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verbindlichen Kraft des Tridentinums ändern.208 Geiger209 geht jedoch bezüglich der Darstellung von Zallinger davon aus, daß die kirchliche Ehe die Grundlage für die staatlich anerkannten Rechtsbeziehungen zwischen den Ehegatten und zu den Kindern bilde. Bayern hatte aber bereits im CMBC ein vollständiges staatliches Eherecht geschaffen und das kanonische Recht – wenn auch nicht inhaltlich – aus dieser Position verdrängt.210 ff) Die Verordnungen über Mischehen in München vom Dezember 1806 Erneut wurde das Thema der Mischehen in einer Verordnung vom 21. Dezember 1806 für die protestantische Gemeinde von München211 aufgenommen. Im wesentlichen wurde auf die Verordnung vom 15. Mai 1803212 verwiesen.213 Allerdings wurde die Wahlfreiheit der Ehegatten im Vergleich zu der Verordnung vom 18. Mai 1803 insofern eingeschränkt, daß die Trauungen in der Regel in der Konfession des Bräutigams vorgenommen werden sollten. Die Trauung konnte aber auch dann von dem protestantischen Pfarrer vorgenommen werden, wenn der katholische Geistliche dem Verlobten seiner Konfession die Einsegnung versagen sollte. Voraussetzung war jedoch, daß „die Verlobten alle durch die bürgerlichen Gesetze vorgeschriebenen Bedingungen erfüllet haben, und sich darüber ausweisen“.214 208
Geiger, Konkordat, S. 58. Geiger, Konkordat, S. 58. Zallinger habe sich über die Eingehung einer gemischten Ehe bei einem akatholischen Priester so geäußert: „Certum est non posse hominem catholicum sine gravissimo piaculo in divinis communicare cum haereticis, quantumvis isti per leges politicas tolerati sunt.“. 210 Das übersieht Geiger, Konkordat, S. 58, der dem bayerischen Staat widersprüchliches Verhalten vorwirft, weil er für bestimmte Fälle eine vom kirchlichen Recht abweichende Regelung geschaffen habe, aber sonst dem kirchlichem Recht treu geblieben sei. 211 Regbl. Bayern 1807, Sp. 77 ff. Diese Verordnung ist auch in den engeren Zusammenhang mit der Rheinbundakte zu stellen, vgl. Kap.II.4.a. 212 Wohl 18. Mai gemeint, da die angegebene Fundstelle, Regbl. XXI Stück, Mittwoch, den 25. May 1803, auf die Verordnung vom 18. Mai verweist. 213 Regbl. Bayern 1807, Sp. 80. 214 Regbl. Bayern 1807, Sp. 80 f. Am Rande sei hier nur auf die Entscheidung bezüglich der religiösen Kindererziehung bei unehelichen Kindern verwiesen. Auf die Anfrage der vormaligen sulzbachischen Religions- und Kirchendeputation, was bezüglich der Taufe und der Erziehung eines unehelichen Kindes zu tun sei, das von Eltern „vermischter“ Religion stamme, „wo die Mutter protestantischer Religion einen katholischen Zuhalter in dem obrigkeitlichen mit ihr vernommenen constitutio angegeben hat, dieser aber hiernach ab instantia absolviert worden ist“ und auf die Anzeige hin, daß in dem Landgerichte Parkstein die unehelichen Kinder, deren Mutter eine Protestantin ist und dessen Vater ein Katholik, in der katholischen Religion erzogen werden müssen, wenngleich der Vater diese Frau nicht ehelicht und sich auch nicht um die Kindererziehung kümmert, ist folgende Entschlie209
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Schwab215 sieht in dieser Regelung zu Recht bereits eine Vorform der Zivilehe, weil sich die Brautleute bei Schwierigkeiten mit der katholischen Geistlichkeit, etwa einer Verweigerung der Trauung wegen der fehlenden Zusicherung der religiösen Kindererziehung durch einen protestantischen Priester trauen lassen konnten. Diese Einschätzung trifft freilich erst recht auf die Verordnung vom 18. Mai 1803 zu, die den Ehegatten bei der Wahl des Priesters bzw. des Pfarrers völlige Freiheit eingeräumt hatte. gg) Die Handhabung der Mischehen in anderen Staaten Ein Vergleich zum österreichischen Ehepatent von 1783 und auch zum ABGB von 1811 zeigt, daß Bayern in den Verordnungen von 1803 und 1806 den Eheleuten erheblich große Freiheiten eingeräumt hatte. In Österreich hatte die Trauung durch einen katholischen Geistlichen Vorrang, wenn nur einer der Brautleute katholisch war. Damit mußte bei Mischehen eventuell Zwang auf den Priester ausgeübt werden, die Trauung auch vorzunehmen, wenn kein Versprechen der religiösen Kindererziehung im katholischen Glauben abgegeben worden war.216 Die bayerische Regelung aus der Verordnung vom Dezember 1806 entsprach vielmehr einer Vorschrift des ALR, wo bei gemischtkonfessionellen Ehen sich die Trauung grundsätzlich nach der Konfession des Bräutigams richtete.217 Allerdings ist anzumerken, daß gerade die Verordnung vom Dezember 1806 im Vergleich zu der Verordnung von 1803 durch den Einschub „in der Regel nach dem Bräutigam“ eine Öffnung hin zu einem Vorrang der katholischen Trauung brachte, da nur in Problemfällen ausgewichen werden konnte. In der freieren Fassung von 1803 und später 1814 lag die Wahl jedenfalls de iure allein in der Hand der Brautleute. Allerdings erscheint es durchaus möglich, daß die katholische Kirche diesen Freiraum ßung erteilt worden: „daß den protestantischen Müttern unehelicher Kinder ohne einige Beschränkung gestattet werden solle, diese in ihrer Religion taufen und erziehen zu lassen, in so lange nicht eine wirkliche Ehelichung mit dem katholischen Vater erfolgt, in welchem Falle Unsere Verordnung vom 18. Mai 1803 eintritt.“ Nach dieser Bestimmung sollen alle Landgerichte angewiesen werden. Diese Entschließung soll als Nachtrag zu der Verordnung vom 18. Mai 1803 bekannt gemacht werden. München, den 13. März 1807 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 51 f. 215 Schwab, Ehegesetzgebung, S. 216. 216 § 77 Tl. 1 ABGB und § Ehepatent 1783. In der Wissenschaft wurde zum Teil jedoch vertreten, daß im Falle der verweigerten Trauung wegen nichtabgegebenen Versprechen der katholischen Kindererziehung, die Trauung vom nichtkatholischen Seelsorger vorgenommen werde, Vgl. Nippel, F. X. J. F. Erläuterungen des ABGB, zu Tl. 1 § 77, N. 2. 217 Vgl. ALR Teil 2 Tit. 11 Abschn. 6 §§ 435 ff. (442).
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besser zu nutzen wußte, indem sie einen gewissen Druck auf die Brautleute ausübte und damit die Wahl zugunsten der katholischen Trauung erfolgte. Interessanterweise verfolgte der König selbst hinsichtlich der Verheiratung seiner Kinder keine einheitliche Linie. Bei der Verheiratung seiner Tochter Auguste mit dem Mecklenburg-Strelitzischen Erbprinzen war er bereit gewesen, auf päpstliche Vorstellungen Rücksicht zu nehmen, hingegen bei der Eheschließung des Kronprinzen Ludwig mit Therese von SachsenHildburghausen 1810 wurde kein Dispensantrag beim Hl. Stuhl gestellt.218 hh) Die Regelungen bei Mischehen im Religionsedikt von 1809 Bezüglich der religiösen Erziehung der Kinder hatte man in dem Religionsedikt vom 24. Mai 1809219 Regelungen aufgenommen, die die freie Wahl der Eltern bestätigten, die sie in Eheverträgen festhalten konnten. Nur im Falle des Fehlens einer vertraglichen Regelung fanden die staatlichen Vorschriften Anwendung, die die Religion der Söhne nach jener des Vaters und die der Töchter nach jener der Mutter bestimmten. Indirekt wurde damit abermals die staatliche Erlaubtheit von gemischten Ehen bestätigt, ohne die Eingehung einer solchen Ehe von der Bedingung abhängig zu machen, alle Kinder im katholischen Glauben zu erziehen.220 Keine Aussagen hingegen traf das Religionsedikt, welchem Pfarrer das Traurecht zukommen sollte. Ein Zugeständnis an die Kirche kann bei diesen Regelungen des Religionsediktes von 1809 darin gesehen werden, daß auch die „geistlichen Obern“ neben dem Familienrat, den Vormündern und Paten das Recht haben, über die Einhaltung dieser Vorschriften zu wachen, wobei es insbeson218
Zittel, gemischte Ehen, S. 110 ff. (112 ff., 121 f.). Regbl. Bayern 1809, Sp. 900 ff. Am 11. Mai 1815, Regbl. Bayern 1815, S. 381 f., erging eine Verordnung, in der die Vorschriften des Edikts zur religiösen Kindererziehung näher erläutert wurden. Ergänzend wurde festgehalten, daß die Vereinbarungen über die religiöse Kindererziehung bei gemischten Ehen zur Bestimmung der Religion der Kinder als Eheverträge einzuordnen sind, deren Gültigkeit sich nach den bürgerlichen Gesetzen bestimme, wie das RE von 1809 § 14 f. schon besagt. Wegen der Vertragsnatur ergebe sich also, daß sie sowohl vor als auch nach der Eheschließung durch beiderseitige Einwilligung der Eheleute aufgehoben und abgeändert werden können, weswegen nach dem Tode eines Gatten einseitig durch den Überlebenden nichts mehr geändert werden könne. Auch Vormünder und obrigkeitliche Personen dürfen nichts an dem Vertrag ändern. Diese Verträge sind in der gesetzlichen Form der Eheverträge abzufassen. Gimbel, Wandel, S. 160 bemerkt richtig, daß die interkonfessionellen Normen des vierten Abschnittes des RE zum großen Teil dem ALR entlehnt seien. §§ 95 ff. und 105 ff. RE glichen den §§ 37 ff. und 309 ff. ALR, Teil II Tit. 11. 220 Etwas anderes hatte die katholische Kirche gefordert. Vgl. dazu oben Kap. I.2.e.bb. 219
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dere um die Abfassung der Eheverträge bezüglich der religiösen Kindererziehung ging, § 26 Satz 1 RE.221 Zu diesem Zweck dürfen sie die Eheverträge, aber auch sonstige Urkunden über die religiöse Erziehung einsehen, § 26 Satz 2 RE.222 ii) Die Bekanntmachung über Mischehen vom September 1814 In einer Bekanntmachung vom 25. September 1814223, die sich wieder mit gemischten Ehen, deren Schließung und der Erziehung der Kinder auseinandersetzte, wurde der Passus zur Wahl des Priesters bei gemischten Ehen „in der Regel nach dem Bräutigam“ aus der Verordnung vom 21. Dezember 1806 wieder aufgehoben und durch die freie Wahl der Verlobten, sich beim Pfarrer des Bräutigams oder der Braut trauen zu lassen, ersetzt. Durch diese Verordnung sollten vor allem Verwirrungen durch die Verordnungen vom 21. Dezember 1806224 und 6. Juli 1811225 behoben werden. Es wird ausdrücklich daraufhingewiesen, daß das nicht trauende Pfarramt die Entlaßscheine gegen Erlegung der herkömmlichen Gebühren niemals verweigern dürfe. Mit dieser Bekanntmachung sollten alle bisherigen Widersprüchlichkeiten bezüglich der Trauung von Mischehen beseitigt werden. Inhaltlich knüpfte man an die Verordnung vom 18. Mai 1803226an. Damit ermöglichte diese Verordnung die Trauung von gemischten Ehen durch den akatholischen Seelsorger und verpflichtete den jeweils nicht trauenden Priester zur Verkündung und der Vornahme der Dimissorialien, ohne daß daran eine Bedingung wie die katholische Kindererziehung geknüpft werden durfte. Allerdings wurde bereits im Jahre 1819 die Zurücknahme dieser Verordnung vom apostolischen Nuntius, der kurz nach dem Abschlusse des Konkordates an den bayerischen Hof entsendet worden war, gefordert, da dies das Gewissen der Pfarrgeistlichkeit beschwere und den Bestimmungen des Konkordates widerstreite.227 Gleichzeitig untersagte der Nuntius dem Kle-
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Regbl. Bayern 1809, Sp. 902. Regbl. Bayern 1809, Sp. 902. 223 Regbl. Bayern 1814, Sp. 1537; vgl. auch Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 216 f. 224 Vgl. hier Kap. II.4.b.ff. 225 Regbl. Bayern 1811 Sp. 878 f.: Dort war festgesetzt worden, daß bei den Protestanten zukünftig für die Trauung ausschließlich der Pfarrer des Sprengels der Braut zuständig sein soll. 226 Fundstelle: Regbl. Bayern 1803 Sp. 321. 227 Vgl. Text bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 148 Nr. 128; dazu auch Hacker, Beziehungen, S. 77. 222
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rus die Beobachtung jener Verordnungen, die eine „verbrecherische“ Mitwirkung zu „sündhaften“ ehelichen Verbindungen vorschreibe.228 Bei wiederholt auftretenden Weigerungen der katholischen Priester, das Aufgebot oder die Dimmissorialen zu gewähren, behalf sich die Regierung in der Weise, daß sie dem protestantischen Geistlichen gestattete, die Trauung auch ohne diese eigentlich notwendigen Voraussetzungen vorzunehmen.229 kk) Die Bestätigung der bayerischen Haltung in weiteren Verordnungen Am 11. Januar 1818230 erging eine Ermahnung an das bischöfliche Ehegericht, eine bürgerlich gültige Ehe zwischen einer Katholikin und einem geschiedenen Protestanten nicht weiterhin zu boykottieren. Die staatlichen Auffassungen zu den Mischehen und vor allem auch zur Auflösbarkeit von Ehen wurden gegenüber den katholischen Behörden verteidigt. Trotz vieler klärender Verordnungen und einer klaren staatlichen Auffassung kam es auch nach der Erlaß der Verfassung, die wie sich später zeigen wird, die bisherige Linie in Mischehefragen bestätigt hatte,231 immer wieder zu Konflikten mit der Geistlichkeit. Am 13. Juli 1824 wurde folgende Entscheidung gefällt: „Wenn der katholische Pfarrer zu N. auf seiner Verweigerung beharrt, die Ehe, welche der Schumacher zu N. Johann N., protestantischer Religion mit der Margaretha N, eben daselbst katholischer Religion einzugehen gedenkt, zu proclamiren, und die Dimissorialien zu ertheilen; so ist dadurch die eheliche Einsegnung denselben nicht im Geringsten weiter aufzuhalten, sondern es ist den Eheleuten freizustellen, ihre Trauung durch das protestantische Pfarramt vornehmen zu lassen, nachdem ihr Ehevertrag vor der ordentlich weltlichen Obrigkeit gehörig aufgenommen worden sein wird.“232 Mit dieser Entscheidung hielt man 228
Schreiben des apostolischen Nuntius an das Consistorium in Regensburg vom 28. März 1819 vgl. Kunstmann, gemischte Ehen, S. 244 ff. 229 Rescriptum Regium Bavaricum de copulatione mixtarum nuptiarum etiam per Ministros Protestanticos praestari queunte, dd. 23. April. 1823 vgl. Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 147 f. Nr. 125; Instructio Consistorii Regii Supremi Protestantici ad Decanatus et Parochias, in merito dimissorialium per Parochos Catholicos denegatarum, dd. 13. September 1824, vgl. Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 148 Nr. 127. Zwischenzeitlich erging auch eine Weisung an die königliche Regierung des Regenkreises, keinen Zwang bezüglich der Wahl der Religion der Kinder bei gemischten Ehen zu gestatten. Vgl. Rescriptum in casu particulari de vitanda omni coactione circa religionem prolium, dd. 25. Apr. 1823. In: Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 148 Nr. 126. 230 Döllinger, Verordnungen, Band VIII, Abt. VIII, S. 246 f. 231 Vgl. später Kap. II.6.c. 232 Döllinger, Verordnungen, Band VIII, Abt. VIII, S. 218.
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also von staatlicher Seite daran fest, den Katholiken, die eine Mischehe schließen wollten, eine Ausweichmöglichkeit zu schaffen und damit die Eingehung einer gemischten Ehe zu garantieren, der von staatlicher Seite keinerlei Hindernis entgegenstand.233 ll) Die gerichtliche Zuständigkeit in Mischehesachen Am 4. August 1808234 war ein provisorisches Gesetz zum Gerichtsstand in Ehesachen bei verschiedener Religion der Ehegatten ergangen. Sie sollte diese Angelegenheit nur vorläufig regeln, eine endgültige sollte die angestrebte Zivilgesetzgebung enthalten.235 Der Gerichtsstand sollte sich nach der Konfession des klagenden Teils richten, sofern es um „Schließung, Erhaltung oder Trennung“ und nicht um „die bisher sogenannten bürgerlichen Wirkungen (effectus civiles)“ gehe, die „jederzeit als reiner Gegenstand der bürgerlichen Gerichtsbarkeit nur von dem ordentlichen weltlichen Richter des Ehemanns beurtheilt werden“. Wenn es also um die nicht bürgerlichen Wirkungen der Ehe ging, so war bei einem protestantischen Kläger das „zum protestantischen Ehegerichte konstituirte Stadt- oder Hofgericht“, bei einem katholischen Kläger die katholische geistliche Behörde zuständig. Wurde von einem katholischen Ehegericht auf die Scheidung von Tisch und Bett erkannt, so durfte das protestantische Ehegericht auf die Beschwerde des protestantischen Teils, die Ehe dem protestantischen Recht nach auflösen. Es war also nicht möglich, daß das katholische Gericht den protestantischen Ehegatten, soweit es das protestantische Eherecht in diesem Fall zuließ, dem Bande nach zu scheiden. Vielmehr war eine Ehescheidung in diesem Sinne für den protestantischen Ehepartner erst möglich, wenn dieser sich nochmals an das protestantische Ehegericht wandte. c) Protestantisches Eherecht im engeren Sinne Durch die Rheinbundakte hatten sich die Verhältnisse der Protestanten im gesamten bayerischen Territorium geändert, so daß man seither Vorschriften findet, die sich an alle protestantischen Gläubigen Bayerns richten. Der bayerische Staat begann damit allmählich seine Aufgabe als oberstes Gesetzgebungsorgan der protestantischen Kirche wahrzunehmen: „(. . ..) so wie Wir nächstens für sämmtliche Protestanten Unseres Königreiches eine allge233
Vgl. dazu die Verordnungen von 1803, 1806 und 1814, Kap. II.4.b.dd.,ff.,ii. Abgedruckt in: Schelhaß, Magazin, Bd 2, S. 118 f. 235 So ausdrücklich in der Verordnung vom 4. August 1808, vgl. Schelhaß, Magazin, Bd 2, S. 118 f. 234
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meine Konsistorial-Ordnung, Ehe-Ordnung und Ehegerichtsordnung bekannt machen werden.“236 Vielfach ging es um Fragen der Dispenspraxis237 oder aber um neue Gerichtszuständigkeiten in Ehesachen238. Wiederholt wird den Protestanten die Eheschließung in geschlossenen Zeiten unter der Bedingung gestattet, daß sie ohne große Festlichkeiten, vor allem ohne Tanz, abgehalten werden.239 Das Ministerium des Innern bestimmt am 6. Juli 1811240, daß bei den Protestanten zukünftig die Trauung ausschließlich dem Pfarrer des Sprengels der Braut zukommen soll. Diese Anordnung war wichtig, um eine Ein-
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Regbl. Bayern 1807, Sp. 81 ff. Am 27. Februar 1809 ergeht eine Verordnung, „die Dispensation von dem kirchlichen Aufgebot der Protestanten betreffend“ Regbl. 1809 Bayern, Sp. 499 f.: Dort heißt es, daß die Dispensationen von der dritten und letzten Proklamation (Aufgebot) bei den Generalkreiskommissariaten beantragt werden sollen und diesen nicht verweigert werden dürfen, sondern gegen eine Tax von 1 fl. 30 kr. zu erteilen sind. Von der zweiten Proklamation darf nur das Ministerium des Innern dispensieren, jedoch nur bei erheblichen Gründen und gegen eine Taxe von 5 fl. Die völlige Befreiung von dem Aufgebot soll im allgemeinen nicht möglich sein, jedoch behält es sich der König vor, selbst in dringenden Fällen diesen Dispens zu erteilen und die Taxe nach den Verhältnissen bestimmen zu lassen. Vgl. auch Konsistorialordnung vom 8. September 1809, Regbl. Bayern 1809 Sp. 1491, § 62: In diesem Abschnitt wird auch bestimmt, wie mit den Dispensationsgesuchen bei verbotenen Verwandtschaftsgraden von Brautleuten, sowie mit dem Erlaß der Proklamation der Brautleute zu verfahren ist. Derlei Gesuche sind an das Ministerium des Innern an die Kirchensektion als Generalkonsistorium zu richten und von dieser Sektion nach den bestehenden gesetzlichen Normen zu erledigen. In einer Verordnung vom 31. Dezember 1810, (Regbl. Bayern 1811, Sp. 516 f.) wurde für Protestanten genau festgelegt, welche Taxe für Ehedispensationen bei verbotenen Verwandtschaftsgraden zu entrichten sei, um damit der Willkür und zu hoher Gebühren vorzubeugen. Eine weitere Vereinheitlichung erfolgte hinsichtlich der Verwandtschaftsverbote evangelischer Territorien durch eine bayerische Verordnung vom 31. Dezember 1810 (Regbl. Bayern 1811, Sp. 516–518). 238 Am 8. Juli 1806 wird durch eine allerhöchste Entschließung „das gerichtliche Verfahren in Ehestreitigkeiten der Protestanten, und die Konsistorialangelegenheiten derselben in Baiern und Neuburg betreffend“ verfaßt. Daraus ergibt sich, daß alle protestantischen Ehestreitigkeiten in der Regel vor das Hofgericht gehören, wo der Ehemann angesessen ist. Es geht hauptsächlich um das Scheidungsgesuch und das einzuhaltende Verfahren des Gerichts, das angehalten sein kann, einen Versuch zur Aussöhnung herbeizuführen (Regbl. Bayern 1806, S. 285 ff.). In der Konsistorialordnung vom 8. September 1809 (Regbl. Bayern 1809, Sp. 1491 ff.) wird bestimmt, daß die Ehestreitigkeiten und die Ehefälle überhaupt, von dem Ressort des Generalkonsistoriums ausgeschieden sind, und vor die Zivilobrigkeit gehören, § 64 (Regbl. Bayern 1809, Sp. 1511). 239 Verordnung vom 27. Februar 1809, Regbl. Bayern 1809, Sp. 499 f. 240 Regbl. 1811, Sp. 878 f. 237
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heitlichkeit im Pfarrecht für die Trauung in allen Pfarreien des Königreichs herzustellen. In zwei Verordnungen vom Dezember 1810241 für den Rezatkreis und den Regenkreis geht es um das Instanzenverhältnis bei katholischen und protestantischen Ehesachen. Dort wurde ausdrücklich festgelegt, daß in Gebieten, wo das ALR galt bzw. dort, wo die Ehe als bürgerlicher Vertrag angesehen wurde, der weltliche Richter ausschließlich für Ehesachen zuständig war, provisorisch auch für Katholiken, es deswegen auch nur einen zweistufigen Instanzenzug, nach evangelischem Vorbild gebe und sich das Verfahren nach ALR richte.242 Nur in Gebieten, wo kein preußisches Recht anwendbar war und die Ehe noch nicht als bürgerlicher Vertrag anerkannt war, sollten die Ehesachen einstweilen nach der altbayerischen Verfassung behandelt werden. Alles, was die Trennung einer Ehe betraf, gehörte vor das geistliche Gericht und alles, was die bürgerlich rechtlichen Wirkungen einer Ehe betraf, zum weltlichen Richter. Die Zuständigkeit bei Mischehen war bereits in der Verordnung vom 4. August 1808 (oben) festgelegt worden. Damit fehlte es an einer einheitlichen Zuständigkeit der Gerichte in Ehesachen und ebenso an einem einheitlichen Verfahren. d) Katholisches Eherecht aa) Verlöbnisrecht Durch die Verordnungen vom 12. März 1804243 und vom 2. 5. 1806244 wurde das Sponsalienmandat vom 24. Juli 1769 wieder in Kraft gesetzt. Der erneuten Veröffentlichung der Verordnung in dieser Form war eine längere Zeit von Rechtsunsicherheit vorangegangen.245 Zu Beginn der Regierungszeit von Max IV. Joseph war es zu einem erneuten Konflikt zwischen dem bayerischen Staat und der katholischen Kirche auf diesem Gebiet gekommen, der den kurfürstlichen geistlichen Rat zu dem Beschluß kommen ließ, daß in dem Sponsalienprozeß des Peter Ernst aus Egweil aus dem Hochstift Eichstätt gegen die kurbayerische Anna Ostermayr aus Dünz241 Vom 4. und vom 19. Dezember 1810, vgl. Regbl. Bayern 1810, S. 1378 sowie Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 237 ff. und Regbl. Bayern 1811, Sp. 42; vgl. auch Regbl. Bayern 1811, Sp. 817 f. und Bek. vom 5. 9. 1811 Regbl. Bayern 1811, Sp. 1119 f. 242 Dabei wurde auf die Verordnung vom 8. Juli 1806, Regbl. 1806, S. 285 f., verwiesen, die „das gerichtliche Verfahren in Ehestreitigkeiten der Protestanten, und die Konsistorial-Angelegenheiten derselben in Baiern und Neuburg“ regelte. 243 Weber, Provinzialrechte, Bd 4, S. 1421. 244 Regbl. Bayern 1806, S. 175 f. 245 Dazu auch oben Kap. I.4.f.
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lau,246 in dem die Beklagte 1801 an das Eichstätter Offizialatgericht vorgeladen worden war, der Vorladung nicht Folge geleistet werden dürfe. Als Begründung wurde angegeben, daß es sich um die Vorladung eines ausländischen Gerichtes handele und befürchtet werden müsse, das Offizialatgericht werde nach seinem bisherigen Grundsätzen gegen die kurfürstliche Verordnung vom 25. April 1779, in der vorläufig das auf dem Salzburger Kongreß beschlossen Sponsalienrecht in Kraft gesetzt worden war,247 entscheiden. Außerdem befürchtete man, dass aus diesem ersten Sponsalienkonflikt in der Regierungszeit Max IV./I. Joseph Präjudizien abgeleitet werden könnten.248 Dieser Fall führte im April 1801 zu dem Entschluß, das Sponsalienmandat in seiner ursprünglichen Fassung aus dem Jahre 1769 wieder in Kraft zusetzen, um die Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet des Verlöbnisrechts zu beenden. Die Umsetzung erfolgte allerdings erst durch Verordnungen vom März 1804 und vom Mai 1806. Diese inhaltsgleichen Verordnungen haben viele Jahre später erhebliche Zweifel aufgeworfen, ob durch sie das Sponsalienrecht auch in allen zu Bayern neu hinzugekommenen Gebieten in Kraft getreten sei. Der Wortlaut der Verordnung vom 2. Mai 1806 läßt daran eigentlich keinen Zweifel zu, da es dort heißt: „Sämmtliche Behörden und Unterthanen haben sich nach dieser allerhöchsten Verordnung gehorsamst zu achten.“249 Natürlich konnte sich dies aber nur auf Gebiete beziehen, die bis zu diesem Zeitpunkt, zum bayerischen Territorium gehörten.250 Diese Neugestaltung des Sponsalienrechts hatte freilich nicht nur Auswirkungen auf das katholische Eherecht. Im nunmehr konfessionsgemischten Bayern entstand nun vielmehr einheitliches staatliches, überkonfessionelles 246
Vgl. dazu Pfeilschifter, Kongreß, S. 621 Fn. 155. Vgl. oben Kap. I.4.f. 248 Pfeilschifter, Kongreß, S. 621. 249 Vgl. am Ende der Verordnung vom 2. Mai 1806, Regbl. Bayern 1806, S. 176. Davon ging man lange Zeit im Schrifttum aus: vgl. Roth, Civilrecht, S. 279, Moritz, Novellen, S. 42.; Spieß, Bamberger Provinzialrecht, S. 33. Auch Weber, Bamberger LR, Bd 2, 829 druckt sie ab, hielt sie also als für dieses Rechtsgebiet verpflichtend. 250 Peißl, Civilgesetzstatistik, S. 6, Fn. 5, ging ohne weitere Differenzierung von einer Ausdehnung dieser Verordnung auf die neuen bayerischen Gebiete aus. Für Würzburg gelte jedoch diese Verordnung vom 2. Mai 1806 nicht, da zu diesem Zeitpunkt Würzburg nicht zu bayerischem Territorium gehörte und später diese Verordnung nicht ausgedehnt worden sei. Die Zuständigkeit weltlicher Gerichte gelte jedoch kraft usus. Vgl. Schelhaß, Darstellung § 11, S. 28; für Arnold, Privatrecht, Bd 1, galt diese Sponsalienverordnung in den wenigsten Gebieten, weil sie noch nicht zum bayerischen Territorium gehörten, d.h. die Geltung scheitere an einem formalen Kriterium. Die Sponsalienverordnung gelte danach nicht in Ansbach, Bayreuth, Eichstätt, Castell und Hohenlohe, dagegen schon in Nördlingen und Rothenburg, ebd., S. 70, 199, 227, 340, 373, 470, 686. 247
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Verlöbnisrecht, so daß Arnold von einer Verdrängung der Sponsalienregelungen in den protestantischen Stadtrechten ausgehen konnte.251 Die Verordnung vom 19. Juni 1807252 verwies Klagen aus Sponsalien der Protestanten folgerichtig an die Zivilgerichte. Die Verlobung schien dem Staat generell sehr am Herzen zu liegen, denn im Jahre 1805 hatte er sogar eine Verordnung erlassen, die Verlobungen unter Studierenden für ungültig erklärt.253 Dies mag insofern erstaunen, weil seit der Einführung des Formerfordernisses für die Eheschließung durch das tridentinische Konzil an sich die Verlobung an Bedeutung verloren hatte, da ein Verlöbnis nicht mehr durch copula carnalis in eine Ehe münden konnte.254 Plöchl ist der Auffassung,255 die Bedeutung des Verlöbnisses im Unterschied zur heutigen Zeit sei soziologisch begründbar: Nicht nur in adeligen, sondern auch in den ländlichen Kreisen habe das Verlöbnis einen Vorbereitungscharakter auf materielle, standesgemäße und berufliche Voraussetzungen der Familiengründung gehabt. Diese Auffassung findet auch ausreichend Stütze in der drastischen Einschätzung Kreittmayrs zum Verlöbnis:256 „Dann es sihet gar zu viehisch und unvernünftig aus, wann man ohne vorläufiger Abred so wilderdings, wie ein toller Hengst in den Ehestand rennt.“ bb) Dispensrecht Im übrigen überließ der Staat in katholischen Ehesachen, zumindest in organisatorischen Fragen, nicht alles der geistlichen Gewalt. Man versuchte mehr Klarheit und Einfachheit in den Verfahren herzustellen. Dies betraf vor allem den Bereich der Dispenspraxis, aber auch die Ehegerichtsbarkeit, wo man vor allem darum bemüht war, den Instanzenzug innerhalb des Landes zu halten, um damit große Verzögerungen zu vermeiden, aber auch mehr Einfluß zu gewinnen. Am 27. Februar 1804 ergeht eine höchstlandesherrliche Verordnung257 zur Regelung der Dispense, die in geistlichen Gegenständen beim heiligen Stuhl nachgesucht werden müssen. Zur Erleichterung des Ablaufs und der Kostenersparnis sollten alle diese Gesuche in Zukunft bei der einschlägigen 251 Arnold nahm die Geltung der Sponsalienverordnung von 1769 für zwei ehemals freie Reichsstädte, Nördlingen und Rothenburg, an. Er ging davon aus, daß die in den Lokalrechten geregelten Formvorschriften für das Verlöbnis durch das Sponsalienmandat von 1769 verdrängt seien. 252 Zitiert nach Döllinger, Register, S. 192. 253 Regbl. Bayern 1805, S. 298. 254 Gaudemet, Mariage, S. 302 f., 362–364. 255 Plöchl, Geschichte, S. 205. 256 Anm. CMBC I 6 § 2, S. 102 f. 257 Regbl. Bayern 1804, Sp. 229 f.
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Landesdirektion eingereicht werden. Dort werden die formellen Voraussetzungen der Nachfrage überprüft, um bestehende Mängel beseitigen lassen zu können. Die revidierte Nachfrage (Supplik) war dann an das geheime Ministerialdepartement der auswärtigen Angelegenheiten einzusenden. Von dort aus sollte alles Weitere durch die Gesandtschaft in Rom erledigt werden. Die ergehende Entscheidung des Papstes sollte durch die zuständige Landesdirektion den Parteien mit einer Mitteilung der dafür anfallenden Gebühren bekannt gemacht werden. In einer weiteren Bekanntmachung vom 6. November 1804258 wird bezüglich der „Dispensationsgesuche am päpstliche Stuhl“ mitgeteilt, daß diejenigen Bewohner, die den heiligen Stuhl um Dispensationen in foro externo nachsuchen müssen, alle an den Papst gerichteten Bittschriften in lateinischer Sprache abzufassen seien, ein Zeugnis des Ortspfarrers für den Wahrheitsgehalt der vorgebrachten Umstände beizulegen sei und bei Dispensationsgesuchen in forma pauperum mußte ein von den bischöflichen Ordinariaten über die Armut beider Bittsteller ausgestelltes Zeugnis beigelegt werden. Diese Verordnungen259 hatten neben den genannten Gründen noch einen weiteren sehr wichtigen Zweck. Der Staat wollte sich eine Kontrolle über den Schriftverkehr vor allem in Dispensangelegenheiten mit dem Hl. Stuhl verschaffen. Diese Praxis war ein typisches Instrumentarium des Staatskirchentums. Man mißtraute den geistlichen Verfügungen und wollte vermeiden, daß die Dispensentscheidungen verfassungswidrige Zusätze enthielten.260 Von kirchlicher Seite versuchte man diese Vorschriften zu umgehen, was häufig auch trotz schwieriger Überwachung gelang. Man versuchte immer wieder die Regierung zur gänzlichen Freigabe des Schriftverkehrs zu bewegen, was aber nie gelang. Die Regierung zeigte sich aber vielfach sehr großzügig bei der Handhabung. Immerhin konnte sich die Kirche nach 1817 darauf berufen, daß diese Verordnung gegen Art. 12 des Konkordats261 verstoße, in dem sich Bayern verpflichtet hatte, freien Schriftverkehr der Katholiken mit dem Hl. Stuhl zu ermöglichen.262 Erst durch die Entschließung des Innenministeriums vom 18. April 1830 ergab sich eine Änderung, daß nun alle Gesuche um amtliche Stellungnahme durch den Papst nicht mehr erst an das Außenministerium gesandt 258 Regbl. Bayern 1804, Sp. 963 f.; So wurde auch daraufhingewiesen, daß alle Dispensationen, die beim Papst eingeholt wurden, beim Staatsministerium des Hauses und des Äußeren vorzulegen seien. Vgl. Verordnung vom 15. April 1817 Regbl. Bayern S. 336 § 21. 259 Vgl. weitere Verordnungen dieser Art bei Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 1005 ff. 260 Vgl. dazu Hacker, Beziehungen, S. 62 f. 261 Zum Konkordat ausführlich unten Kap. II. 6. 262 Bastgen, Bayern und der Hl. Stuhl II, S. 747 ff., 858 ff.
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werden mußten, sondern direkt an die Gesandtschaft nach Rom und die erlassenen Dispense oder Breven über das Außen- oder Innenministerium zurückgeschickt wurden.263 Wegen dieser Entschließung von 1830 kam es erneut zu Beschwerden von Seiten des Hl. Stuhls, aber erst durch eine Verfügung aus dem Jahre 1841 wurde der Schriftverkehr endgültig freigegeben, indem diese beiden Entschließungen aus dem Jahre 1804 aufgehoben wurden.264 cc) Ehegerichtsbarkeit Eine wichtige Aussage zur Ehegerichtsbarkeit machte das Religionsedikt von 1809:265 Ehegesetze, sofern sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkung betreffen, seien „als weltliche [. . .] Gegenstände“, in welchen „der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit zukomme“ anzusehen, § 74 d RE.266 Damit wurde den geistlichen Gerichten erneut die Zuständigkeit für Ehesachen in bürgerlichen Bereichen entzogen, aber diesmal ging man deutlich weiter als im CJBJ § 13, 1. Kap. und im CMBC § 49 Tl 1 Kap. 6,267 denn auch der bürgerliche Vertrag wurde als weltlicher Gegenstand bezeichnet und damit wurden auch die Fragen über den Bestand dieses Vertrages der weltlichen Gesetzgebung und der weltlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen. Das Religionsedikt brachte damit auch im Bereich des Eherechtes eine Neuerung von großer Bedeutung, wie es auch ansonsten als die erste umfassende Gesetzgebung in Bayern galt, die eine durchgehende Scheidung des weltlichen und geistlichen Gebietes vorgenommen habe.268 Damit hatte man nun die Unterscheidung zwischen bürgerlichem Vertrag und Sakrament aufgenommen, die zunächst in Frankreich von den Regalisten formuliert worden war, um die Rechte des Staates in Ehesachen gegenüber der kirchlichen Zuständigkeit zu begründen.269 Diesen Gedanken hatte bereits Peter von Osterwald in seiner Schrift „Nahe Beleuchtung derjenigen Entwürfe, 263
Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIIII, S. 1014 f. Hacker, Beziehungen, S. 66, vgl. den Text dieser Aufhebung, ein Rundschreiben des Innenministers von Abel an die Regierungspräsidenten, Erzbischöfe und Bischöfe vom 25. März 1841, bei Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 458 f. 265 Regbl. Bayern 1809, Sp. 897 ff. 266 Regbl. Bayern 1809, Sp. 911. 267 Vgl. dazu Kap. I.2.f. 268 Sicherer, Eherecht, S. 2; Mit ähnlichem Inhalt erging auch eine bischöfliche Verordnung am 20. Mai 1801 in Bamberg, wo die „eigentlichen Ehesachen“ mit Einschluß der Trennung von Tisch und Bett dem bischöflichen Vikariate zugewiesen wurden, aber alles, was Sponsalien und alle damit verbundenen Streitigkeiten sowie die Gütersonderung nach erfolgter Trennung an das „Säkulargericht“ verwiesen werden sollte. Vgl. Weber, Bamberger LR, Bd 2, 2, S. 832–834. 264
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welche einige Canonisten wider das churbaierische Sponsaliengesetz vom 24ten Julii 1769 machen“ aus dem Jahre 1770 nach Bayern eingeführt.270 Bereits zuvor war jedoch am 7. Mai 1808271 eine Verordnung des Inhalts ergangen, daß die Trennung der Ehe den geistlichen Gerichten oblag und die weltlichen Gerichte nur für die Streitigkeiten über die bürgerlichen Wirkungen der Ehe zuständig waren. Es wird jedoch berichtet, daß weltliche Gerichte versuchten die Gerichtsbarkeit gänzlich an sich zu ziehen.272 Außerdem haben die weltlichen Polizeibehörden versucht, das Recht für sich in Anspruch zu nehmen, die von einem Geistlichen ohne staatliche Bewilligung getrauten Paare wieder zu trennen.273 Am 24. Oktober 1812274 wird eine Verordnung den Appellationszug in katholischen Ehescheidungssachen betreffend veröffentlicht. Es ging vor allem darum, daß eigene Appellationsstellen innerhalb der Grenzen „unseres Reiches“ gefunden werden sollten, wo die erstinstanzlichen Entscheidungen der Diözesanbezirke Augsburg, Eichstätt und Regensburg in zweiter Instanz überprüft werden konnten. Das Aschaffenburger Metropolitangericht hatte auf das Ansuchen des Regensburger Konsistoriums nun vorgeschlagen, daß für Regensburger erstinstanzliche Entscheidungen die zweite Instanz das Eichstätter Konsistorium, für erstinstanzliche Entscheidung von Eichstätt das bischöfliche Konsistorium von Augsburg und für erstinstanzliche Entscheidungen von Augsburg das Regensburger Konsistorium zweite Instanz sein solle. Diese Lösung wurde durch die Verordnung vom Oktober 1812 genehmigt. Außerdem wurde im Jahre 1813 ein Ehegericht erster Instanz bei dem Konsistorium zu Salzburg genehmigt, das für die aus dem Salzburger Diözesenanteil in den älteren bayerischen Staaten dort eingehenden katholischen Ehescheidungssachen zuständig war.275 dd) Bewertung Geiger276 ist der Auffassung, daß durch die in dieser Zeit vorgenommenen Veränderungen auch die Entscheidungen in Ehe- und Verlöbnissachen, die Scheidung von Tisch und Bett, die Schwangerschaftsklagen und die frü269 Sicherer, Eherecht, S. 2; Schnitzer, Eherecht5, S. 52; dazu auch Schwab, Ehegesetzgebung, S. 70 ff. 270 Vgl. dazu Kap. I.4.c. 271 Vgl. Döllinger, Verordnungen Bd VIII, Abt. VIII, S. 1044. 272 Lazik, Gerichtsbarkeit, S. 118 unter Verweis auf die Beschwerden des Fürstbischofs von Trient, Graf v. Thurn über die Kirchenverhältnisse in Bayern. 273 Lazik, Gerichtsbarkeit, S. 118. 274 Regbl. Bayern 1812, Sp. 1836 f. 275 Regbl. Bayern 1813, Sp. 1554. 276 Geiger, Konkordat, S. 54.
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her vom Bischof genehmigte Ergänzung der elterlichen oder vormundschaftlichen Einwilligung zur Eheschließung, die nach dem tridentinischen Konzil eigentlich dem geistlichen Forum unterstanden, der weltlichen Gerichtsbarkeit unterstellt worden sei. Diese Aussage ist in ihrer Pauschalität nicht richtig. Noch weniger trifft die Auffassung Lindes277 zu, der unter Berufung auf ein Edikt vom 8. September 1808, das jedoch nicht auffindbar ist,278 behauptet, in Bayern sei die bürgerliche Trauung eingeführt worden. Die Mandate zeigen jedoch, daß der Staat in einigen Bereichen versuchte seine Vorstellungen bezüglich der Eheschließungen und der Ehegerichtsbarkeit durchzusetzen, vor allem auch unter Berücksichtigung der veränderten konfessionellen Lage im bayerischen Territorium. Allerdings blieben sie auf die uneingeschränkte Zulassung von Mischehen gegenüber der restriktiven kirchlichen Auffassung, versuchter Kontrolle des kirchlichen Instanzenzuges und die Erweiterung der weltlichen Ehegerichtsbarkeit für alles, was die bürgerlichen Wirkungen der Ehe betraf, wozu man seit dem Religionsedikt von 1809 auch die Existenz des Ehebandes faßte, beschränkt. Wenn der Staat in der Montgelas’schen Regierungsepoche auf eine deutliche Unterordnung der Kirche unter den Staat achtete, so wollte er dennoch keinen „Staat ohne Kirche(n)“, sondern hatte der Kirche und ihren Geistlichen bestimmte „Dienstleistungen für den Staat“ zugedacht.279 Der Geistliche wurde bei der Eheschließung vor allem auch in der Funktion als staatlicher Beamter herangezogen, wie sich dies auch im Eherecht in den Zivilrechtsentwürfen noch zeigen wird. e) Zusammenfassung In der Regierungszeit Karl Theodors (bis 1799) war die bayerische Reformgesetzgebung, die auch das Verhältnis von Staat und Kirche betraf, erlahmt. Sein Nachfolger Max IV./I. Joseph führte innerhalb weniger Jahre umfangreiche Reformen durch, auf die sein Minister Montgelas großen Einfluß hatte. Neben der bereits erörterten Mandatsgesetzgebung bezüglich der obrigkeitlichen Zustimmung zur Eheschließung (II. 3.) hat Max IV./I. Joseph in den Jahren 1799–1803 eine umfassende Toleranzgesetzgebung erlassen, die erhebliche Auswirkungen auf das interkonfessionelle Eherecht hatte.
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Linde, Ehe, S. 43. Linde mag die Konsistorialordnung vom 8. September 1809 meinen, die jedoch in dem von Linde genannten § 18 keine solche Regelung enthält. 279 Demel, Staatsabsolutismus, S. 310. 278
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Ehen zwischen geschiedenen Protestanten und Katholiken wurden gestattet, in mehreren Verordnungen wurde gemischtkonfessionellen Eheleuten gegen den Protest des Hl. Stuhls die volle Wahlfreiheit zwischen der Trauung vor dem katholischen Priester oder dem protestantischen Pfarrer zugestanden – eine Vorform der Zivilehe. Max IV. Joseph begann seine Aufgabe als oberstes Gesetzgebungsorgan der protestantischen Kirche wahrzunehmen und erließ unter anderem eine Konsistorialordnung, die auch Eherecht enthielt. Durch die erneute Inkraftsetzung des Sponsalienmandats in der Fassung der Reformgesetzgebung aus dem Jahre 1769 schuf Max IV./I. Joseph ein staatliches, überkonfessionelles Verlöbnisrecht. Schließlich bediente sich Max. IV./I. Joseph weiterer typischer Instrumentarien des Staatskirchenrechts: Er kontrollierte den Schriftverkehr zwischen bayerischen Gläubigen und dem Hl. Stuhl in Dispensangelegenheiten, indem er anordnete, daß der Schriftwechsel über Staatsbehörden durchzuführen sei. Außerdem erreichte er, daß der Instanzenzug der katholischen Ehegerichtsbarkeit für Bayern nicht mehr an ausländische Kirchengerichte führen konnte. Auch dadurch wurde staatliche Einflußnahme und Kontrolle möglich. Für die Ehegerichtsbarkeit wurde die regalistische Trennung von bürgerlichem Vertrag (weltliche Gerichtsbarkeit) und Sakrament (geistliche Gerichtsbarkeit) durch das Religionsedikt von 1809 streng durchgeführt. Ein weiteres Reformanliegen Max IV./I. Joseph war die Neukodifikation des bayerischen Zivilrechts, die Gegenstand des folgenden Abschnitts (II.5.) ist, soweit sie auch auf das Eherecht Auswirkungen haben konnte.
5. Gesetzgebungsentwürfe a) Einführung Durch die geschilderten Gebietszuwächse280 hatte sich ein immer unerträglicherer Zustand der Rechtszersplitterung in Bayern ergeben. Dieser Befund gilt auch für das Eherecht.281 Es bereitete große Schwierigkeiten, das geltende Recht für das jeweilige Gebiet zu bestimmen.282 Dieser Umstand, außenpolitische Motive283, aber nicht zuletzt auch die durch die Gebietszuwächse veränderte konfessionelle Lage und die begonnene Entflechtung von Kirche und Staat284 führten zum Entschluß des bayerischen Staates, ein 280 281 282 283 284
Vgl. oben II. 1. Vgl. oben II. 2. Vgl. die Zivilgesetzstatistiken von Völderndorff, Peißl. Demel, Staatsabsolutismus, S. 39. Geiger, Konkordat, S. 14 f.
5. Gesetzgebungsentwürfe
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neues einheitliches bayerisches Zivilgesetzbuch285 zu schaffen. Der CMBC sollte nicht in den hinzugewonnenen Gebieten in Kraft gesetzt werden.286 Für das Eherecht war dies insbesondere deshalb notwendig, weil der CMBC das Eherecht nicht weltanschaulich neutral geregelt hatte. Diese Absicht hatten die bayerischen Verfassungen von 1808287 (und 1818288) zum Staatziel erklärt. Die Verfassung von 1808 und das Religionsedikt von 1809 hatten auch die notwendigen Rahmenbedingungen für ein überkonfessionelles Eherecht geschaffen, indem sie den drei christlichen Religionsgesellschaften gleiche Rechte eingeräumt und vor allem die Gewissensfreiheit gewährt hatten.289 Außerdem waren „Ehegesetze, in sofern sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkung betreffen“ zu weltlichen Gegenständen erklärt worden.290 „In allen diesen Gegenständen kommt der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und die Gerichtsbarkeit zu“.291 Diese Bestimmungen wurden später fast wörtlich in die zweite Beilage zur Verfassungsurkunde vom 26. Mai 1818 übernommen.292 285 Die Redaktoren des Zivilgesetzbuchsentwurfs von 1811 stellten in der Einleitung zu den „Motifs“ fest, „die Verschiedenheit der Gesetze ist wie die Verschiedenheit der Sprachen, sie trennt Nationen, die sich in ein Ganzes verschmelzen sollten, sie gibt dem Provinzialgeiste, dem Grabe ächter Vaterlandsliebe, täglich neue Nahrung, sie stellt der Regierung bei jedem Schritte oft unüberwindliche Hinderniße entgegen. Einförmigkeit der Geseze aber zeigt den Unterthanen aller Provinzen, dass sie Einen König, Ein Vaterland haben, sie macht den Schlussstein in der Baierischen Monarchie, welche der Weisheit Seiner Majestät des Königs ihre Entstehung und ihr Wachstum verdankt.“ Einleitung zu den Motifs des BE II vgl. Demel/ Schubert, Entwurf 1811, S. 96. 286 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1472; vgl. auch bspw. eine Verordnung vom 22. April 1811, wo im Inn- und Hausruckviertel die österreichische Ehegesetzgebung beibehalten wurde, bis eine neue Zivilgesetzgebung kommen würde, vgl. Regbl. 1811, Sp. 816 f. 287 Konstitution für das Königreich Bayern 1808, Tit. V Von der Justiz: § VII: Es soll für das ganze Reich ein eigenes bürgerliches und peinliches Gesezbuch eingeführt werden. Regbl. Bayern 1808, Sp. 998. 288 Verfassungs-Urkunde des Königreiches Bayern 1818, Tit. VIII Von der Rechtspflege, § 7: Es soll für das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und Straf-Gesetzbuch bestehen. Vgl. Gbl. Bayern 1818, Sp. 135. 289 In der Verfassung vom 25. Mai 1808 Teil I § VII i.V. m. dem Religionsedikt vom 24. März 1809. Regbl. Bayern 1808, Sp. 988 und Regbl. Bayern 1809, Sp. 898– 920. 290 § 74 „Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt: (. . .) d) Ehegeseze, in soferne sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkung betreffen.“ Regbl. Bayern 1809, Sp. 912. Vgl. dazu auch Kap. II.4.d.cc. 291 § 75, Regbl. Bayern 1809, Sp. 912 f. 292 Vgl. Edict über die äußeren Rechtsverhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften (Beilage II zu Titel IV, § 9 der Verfassungs-Urkunde des Reichs) Abschnitt III „Verhältnisse
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
Der bayerischen Gesetzgebung lag damit jene Unterscheidung zwischen Ehe als bürgerlichem Vertrag und der Ehe als Sakrament zugrunde, die in Frankreich aufgestellt worden war, um Rechte des Staates gegenüber den kirchlichen Ansprüchen zu begründen. In der Regierungszeit von Max IV./I. Joseph kam es zwischen 1808 und 1818 zu drei Entwürfen für ein neues bayerisches Zivilgesetzbuch, 1808/09, 1811 und 1816/18.293 In allen drei Entwürfen war auch das Eherecht berücksichtigt. b) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1808/09 aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht Vorbild für den Entwurf von 1808/09 (BE I), der von Feuerbach294 stammte, war der französische Code Civil von 1804. Für die Regelungen des Eherechts kann man von wenigen Ausnahmen295 abgesehen von einer freien Übersetzung des Code Civil sprechen.296 Die Einteilung in Titel und Kapitel war bis zu den gleichen Überschriften übernommen worden. Die Ehe sollte öffentlich vor dem Standesbeamten am Wohnsitz eines der Ehegatten geschlossen werden.297 Man hatte auch die gesamten standesamtlichen Regelungen für die Eheschließung übernommen298 und das besonder im Staate aufgenommenen Kirchengesellschaften zur Staatsgewalt“, Kapitel 2 „In ihren bürgerlichen Handlungen und Beziehungen“ § 64 „Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt (. . .) d) die Ehegesetze, in sofern sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkung betreffen“ und § 65 „In allen diesen Gegenständen kömmt der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und die Gerichtsbarkeit zu“ Gbl. Bayern 1818, Sp. 167 f. 293 Vgl. Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 138 ff.: Insgesamt kam es während des 19. Jahrhunderts in Bayern zu sieben Gesetzgebungsversuchen für eine neues Zivilgesetzbuch. Außer den hier bereits genannten gab es noch einen unvollendeten Entwurf Gönners von 1826, einen Entwurf von Leonrod 1834, Teilentwürfe von 1861/64. Die Gesetzeskommission von 1844 hatte ihre Arbeit nicht aufgenommen. Allerdings behandelt nur noch der Entwurf von 1834 das Eherecht, dazu im Kap. III, 4. 294 Jan Schröder, in: Kleinheyer/Schröder: Deutsche Juristen aus fünf Jahrhunderten, 2. Aufl. 1983, S. 7985. 295 Abweichungen gab es vor allem bei der Artikelzählung. 296 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1472; dazu Rezensionen in: Rhein. Bund 12 (1809) Heft 34, p. 34 f. (Gönner); Jenaische Allg. Lt. Ztg. 1813, 25–34; siehe auch Schelhaß Magazin II (1810) 249 ff., 257 ff., 263 ff. 297 Im zweiten Kapitel dieses Titels werden die „Förmlichkeiten bei der Abschließung der Ehe“ geregelt. Die Eheschließung bedarf für ihre Gültigkeit einer bestimmten Form, Art. 176 ff., 202 ff. BE I. 298 Also vor allem das vor der Ehe notwendige Aufgebotsverfahren, Art. 177 ff. i.V. m. Art. 69 BE I. Der Verstoß gegen die öffentliche Form führte durch Anfech-
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dere Interesse an der staatlichen Eheschließung mit der Übernahme des Voraustrauungsgebots manifestiert. Art. 81 BE I lautete daher: „Die kirchlichen Gebräuche, zu deren Beobachtung die Religion jeden Ehegatten verpflichtet, dürfen von den Geistlichen nicht eher, als bis die Ehe bürgerlich geschloßen worden ist, und auf das ihnen hierüber einzuhändigende Zeugniß des Civilstands-Beamten vollzogen werden. Geistliche, welche früher, oder ohne das vorhin gedachte Attestat des Civilstands-Beamten eine Trauung vorgenommen haben, sind in eine Geldstrafe von hundert Gulden verfallen, vorbehaltlich der allenfalls noch verwirkten härteren Strafen.“ Feuerbachs Ausführungen ergeben, daß der bayerische Entwurf am französischen Vorbild der ausschließlichen Ziviltrauung aus Gründen der weltanschaulichen Neutralität festhält. Damit sollte nach Feuerbach das staatliche Interesse verwirklicht worden, allen Kirchengesetzen eine gleichberechtigte Stellung einzuräumen, denn neben der Zivilehe sei jedem Staatsbürger eine Trauung nach seinem kirchlichen Ritus seinem Gewissen anheimgestellt.299 Ehehindernisse gab es im Vergleich zum CMBC bzw. dem kanonischen Recht nur noch wenige: das Heiratsalter für den Mann (18 Jahre) und der Frau (15 Jahre)300, in sehr eingeschränktem Maße die Verwandtschaft und die Schwägerschaft301, das Mehreheverbot302, Willensmängel303 und das Verbot zu schneller Wiederheirat von Frauen304. Hinsichtlich der Eheverbote des Alters und der Verwandtschaft stand dem König ein Dispensrecht aus wichtigem Grund zu.305 Damit hatte der Entwurf verwirklicht, was man tung auch von Amts wegen zur Nichtigkeit der Ehe, Art. 202 BE I. Alle übrigen Verstöße gegen die vorgeschriebene Form, die nicht zur Ungültigkeit der Ehe führen sollten, Art. 204, vor allem aber die Nichtbeachtung der zwei erforderlichen Aufgebote und die damit verbundenen Fristen, Art. 203, sollten mit einer Strafe des Zivilstandsbeamten in Form einer Geldbuße bis zu 100 Gulden und der Eheschließenden bzw. jener, unter deren Gewalt die Eheschließenden gehandelt haben, auch in Form einer angemessenen Geldstrafe geahndet werden. 299 Demel, Staatsabsolutismus, S. 325. 300 Trennendes Ehehindernis, Art. 154 BE I. 301 Die Ehe hindernde Verwandtschaft liegt in den folgenden Fällen vor: 1. in gerader Linie unter allen Aszendenten und Deszendenten, bei ehelicher als auch unehelicher Abstammung, Art. 156 CC, 2. in derselben Linie bei Verschwägerten, Art. 156 BE I, 3. in der Seitenlinie a) zwischen Bruder und Schwester, auch hier bei ehelicher und unehelicher Abstammung, Art. 157 BE I, b) bei Onkel und Nichte oder bei Tante und Neffe und c) bei Verschwägerten des 2. Grades, Art. 158 BE I. Als nur hinderndes Eheverbot: Art. 334 Eheverbot zwischen Adoptanten, dem Adoptierten und dessen Descendenten, zwischen den adoptierten Kindern derselben Person, zwischen dem Adoptierten und den vom Adoptanten nachher erzeugten Kindern, zwischen dem Adoptierten und dem Ehegatten des Adoptanten, so wie zwischen dem Adoptanten und dem Ehegatten des Adoptierten. 302 Art. 160 BE I. 303 Trennende Ehehindernisse, Art. 161, 192 ff. BE I. 304 Verhinderndes Eheverbot Art. 239 BE I.
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in einem kurfürstlichen Reskript vom 22. Mai 1801306 bereits in Aussicht genommen hatte.307 Einige Mitglieder des geheimen Rats hatten gegen eine solche Vorschrift Bedenken gehegt, da die Katholiken nach den Grundsätzen ihres Glaubens verpflichtet seien, diese Dispensation nur bei den geistlichen Oberen nachzusuchen. Der Minister Graf Morawitzky hatte dem König darüber in der geheimen Staatskonferenz vom 30. Juni 1808 einen besonderen Vortrag gehalten; daraufhin verfügte der König die unveränderte Aufnahme dieser Vorschrift, die Art. 164 CC entsprach, in den Entwurf.308 Eine besondere Rolle kam wie im Code Civil der elterlichen Einwilligung zu, die Söhne bis zum 25. Lebensjahr und Töchter bis zum 21. Lebensjahr einholen mußten.309 Bei Uneinigkeit der Eltern war die Einwilligung des Vaters maßgeblich.310 Kinder, die das 25. bzw. 21. Lebensjahr überschritten hatten, mußten ihre Eltern um Rat zur Eheschließung in Form eines „ehrerbietigen Gesuchs“ bitten.311 Schloß ein Standesbeamter eine Ehe unter Verstoß gegen diese Vorschriften, drohte ihm Geldbuße und z. T. auch Gefängnisstrafe.312 Die Ehe konnte vor ihrer Eingehung durch Einspruch der berechtigten Personen verhindert werden313 und nachher durch einen entsprechenden Antrag für nichtig erklärt werden.314 305
Art. 155, 159 BE I. MS 1802 Bd 2 Nr. 38, S. 261. 307 Geiger, Konkordat, S. 14. 308 Demel, Staatsabsolutismus, S. 325. 309 Art. 162 BE I. Für uneheliche Kinder, oder wie der Entwurf sie nennt, natürliche Kinder gelten bezüglich Einwilligung der Eltern und Gesuch die gleichen Vorschriften wie für eheliche, soweit sie gesetzlich anerkannte Kinder sind, Art. 172 BE I. Für die natürlichen nicht anerkannten Kinder, und die natürlichen Kinder, deren Eltern verstorben sind oder die ihren Willen nicht mehr äußeren können, ist die Einwilligung zur Eheschließung eines eigens hierfür bestellten Vormunds einzuholen, bis sie das 21. Lebensjahr vollendet haben. 310 Art. 162 S. 2. Art. 163 ff. BE I regeln die Ersetzung der Einwilligung der Eltern für die Fälle, in denen ein Elternteil oder beide verstorben sind, bzw. ihren Willen nicht mehr äußern können. Zunächst treten an die Stelle der Eltern die Großeltern, Art. 164 f. BE I und fallen auch sie aus, tritt an ihre Stelle der Familienrat, Art. 166 BE I. 311 Dabei ist strengstens auf den „ehrfurchtsvollen Ausdruck“ zu achten, da ansonsten das Gesuch ungültig war, Art. 167 und ff. BE I. 312 Geldbuße, Art. 203 BE I und Gefängnisstrafe, Art. 174, 175 BE I. 313 Im dritten Kapitel Art. 183 ff. BE I. Einspruchsberechtigt sollten sein 1. die Person, die mit einem der Brautleute bereits verheiratet war, 2. der Vater, nach seinem Tod die Mutter, nach dem Tod beider Eltern, der Großvater, nach seinem Tod die Großmutter, auch wenn die Kinder bereits das 25. Lebensjahr bereits vollendet hatten. Ein Vormund oder Kurator (Pfleger) darf in diesen eben genannten Fällen während der Vormundschaft oder der Kuratel nur Einspruch erheben, wenn er vom Familienrat, den er zu diesem Zweck einberufen darf, ermächtigt worden ist, 306
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Auch was die Auflösung der Ehe betraf, hatte man sich ganz am französischen Vorbild orientiert. Neben der Auflösung durch den Tod315 konnte die Ehe auch dem Bande nach geschieden werden.316 Diese Scheidung war aus den gleichen Gründen möglich wie im Code Civil317 nur mit dem Unterschied, daß man die Frau bessergestellt hatte und sie auch die Scheidung bei bloßem Ehebruch des Ehemannes beantragen konnte.318 Feuerbach, der das Rechtsinstitut der Ehescheidung sehr begrüßte, hatte die Scheidung nicht auf die Fälle von Ehebruch oder schwerer Mißhandlung etc. beschränkt, sondern übernahm nach französischem Vorbild319 auch die von beiden Ehegatten einverständlich erklärte Ehescheidung, sofern die Ehegatten nach ausreichenden Probezeiten beharrlich auf der Scheidung beharrten, weil ihnen ein Zusammenleben unerträglich sei.320 Zudem kannte der Entwurf die Scheidung in Form der Trennung von Tisch und Bett.321 Art. 186 BE I. Art. 187 ff. BE I regelten die Form und das Verfahren des Einspruchs. 314 Viertes Kapitel Art. 192 ff. BE I. Nichtigkeitsklagen kamen in Betracht bei Willensmängeln, Art. 192 BE I, bei fehlender Einwilligung durch die Eltern oder durch den Familienrat möglich, Art. 194 f. BE I, bei Eheverboten, wie Bigamie, Heiratsfähigkeitsalter und Verwandtschaft, (Art. 154, 156 ff., 160); hier war aber der Kreis der Klageberechtigten aus einem größeren öffentlichen Interesse heraus größer: Ehegatten, und alle Personen, die ein Interesse daran haben sowie von Staats wegen sollten die Ehe angreifen dürfen, Art. 196. Angreifbar auch von Amts wegen waren auch alle Ehen, die gegen die öffentliche Form verstoßen hätten, Art. 202. 315 Art. 238 Nr. 1 BE I. 316 Art. 238 Nr. 2 i.V. m. Art. 240 ff. BE I. 317 Unter dem sechsten Titel wird die Ehescheidung geregelt, Art. 240 ff. Kapitel I: Ehescheidungsgründe: Ehescheidung für Mann und Frau bei Ehebruch, Art. 240, wegen Exzessen, harter Mißhandlungen und anderer grober Beleidigungen (Injurien), Art. 241 sowie die Verurteilung eines Ehegatten in das Zucht- oder Strafarbeitshaus, Art. 242 BE I i.V. m. Kapitel II, Art. 244 ff. BE I; einverständliche Scheidung, Art. 243 i.V. m. Kapitel III Art. 262 ff. 318 Art. 240 BE I. 319 CC Tit. VI Chap. I Art. 233. Vgl. dazu hier Kap. II. 2. e. 320 Demel, Staatsabsolutismus, S. 325. 321 Neben der Scheidung der Ehe dem Bande nach, kennt der Entwurf auch die „Trennung von Tisch und Bette“, 6. Titel, 5. Kap., Art. 292 ff. Diese Trennung von Tisch und Bett ist in den gleichen Fällen möglich, wie die Scheidung; sie findet allerdings nicht auf „bloße Übereinkunft“ der Ehegatten statt, Art. 292. Die Klage auf Trennung von Tisch und Bett wird wie jede andere Zivilklage erhoben, verhandelt und entschieden, Art. 293. Ist es zwischen den Ehegatten zu einer Trennung von Tisch und Bett gekommen und war dafür nicht ein Ehebruch ursächlich, so kann der ursprünglich beklagte Ehegatte, wenn die Trennung schon drei Jahre gedauert hat, eine wirkliche Ehescheidung bei Gericht beantragen. Das Gericht gestattet die Ehescheidung, „wenn der anfängliche Kläger, nachdem er erschienen, oder doch gehörig vorgeladen worden ist, nicht sogleich in die Aufhebung der Trennung von Tisch und Bett einwilligt“, Art. 294. Die Trennung von Tisch und Bett zieht immer die Gütertrennung nach sich.
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1808/09 Mit diesem Entwurf hatte sich Bayern vollkommen vom kanonischen Eherecht gelöst. Die Ehe bedurfte keiner priesterlichen Einsegnung und konnte dem Bande nach geschieden werden. Auch alle Ehehindernisse, die im Zusammenhang mit der katholischen Glaubenslehre standen – also Verbot der Ehe bei feierlichen Gelübden, bei Religionsverschiedenheit und bei geistlicher Verwandtschaft – wurden nicht mehr berücksichtigt.322 Für Demel stand 1808/09 die Zivilehe in Bayern „gewissermaßen vor der Tür“, „die Säkularisation des Eherechts [war] beschlossene Sache“.323 Er begründet seine Behauptung damit, daß nicht die Bischöfe mit gemeinsamen Protest das Inkrafttreten des Entwurfes verhindert hätten, sondern daß das Scheitern des Entwurfs maßgeblich auf regierungsinterne Spannungen und Änderungswünsche zurückzuführen sei. In der Tat waren die Ordinariate durch stark vom kanonischen Recht emanzipierten Eherechtsvorschriften des Entwurfs 1808/09 beunruhigt,324 so daß es 1809/10 auch zu kirchlichen Protesten kam, die jedoch keinen Einfluß auf die Haltung der Regierung hatten.325 Die Tendenz wird bereits an der im vorigen Abschnitt erörterten auf die Verordnung die Beförderung der Heiraten auf dem Lande betreffend vom 12. 7. 1808326, die im Ausland geschlossene Ehen für ungültig erklärte, deutlich. Auch wenn der Entwurf letztlich nicht in Kraft getreten war, herrschte Einigkeit darüber, „daß das ganz auf den Grundlagen der Bestimmungen der katholischen Kirche aufgebaute Eherecht des diesem Entwurf sonst in allen Punkten zugrundegelegten Codex Maximilianeus für die Zukunft nicht mehr anwendbar sein könnte“.327 Das Scheitern des Entwurfs geht vielmehr auf den Widerstand des bayerischen Adels und des Klerus gegen den dritten Teil des Gesetzbuches zurück;328 dort geht es im wesentlichen um eigentumsrechtliche Fragen, die insbesondere auch die Sonderrechte der Adeligen und ihre Gerichtsbarkeit 322 Für diesen Entwurf existieren im Unterschied zu den Folgenden keine Motive oder Gesetzesbegründungen, die hier hätten berücksichtigt werden können. Es existieren allerdings Protokolle der geheimen Staatskonferenz bzw. des Geheimen Rates, vgl. dazu Schubert, Entwurf 1808–1809, S. XI. 323 Demel, Staatsabsolutismus, S. 326. 324 Ebert, Territorialismus, S. 79; Geiger, Konkordat, S. 15. 325 Schwaiger, Bistümer, S. 80 f. Auch 1803 hatten die abweichenden kirchlichen Vorstellungen an der staatlichen Gesetzgebung nichts mehr ändern können. Vgl. vorher Kap. II. 4.b.ee. 326 VO v. 12. 7. 1808 (Regbl. 1808, Sp. 1510). 327 Demel, Staatsabsolutismus, S. 326. 328 Fehrenbach, Gesellschaft, S. 136 ff.
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berührten. Es kam daraufhin zu Änderungen im dritten Teil, die eine Gefährdung des gesamten Entwurfs verursachten, da sie z. T. im Widerspruch mit den bereits gedruckten ersten beiden Teilen standen.329 Das Personenrecht, zu dem das Eherecht gehörte, hatte hingegen bereits die Klippe des Druckes genommen. Feuerbach überarbeitete schließlich den Entwurf und hielt einen Vortrag zum Thema: „Was ist Bayerns Absicht bei seiner neuen Gesetzgebung“, in dem er nochmals die Grundsätze, die er in seinem Entwurf verfolgt hatte, darstellte.330 Zu diesen Grundsätzen gehörte zweifellos auch die Trennung von Kirche und Staat. Diese Ausführungen lösten einen „Sturm der Entrüstung“ im Geheimen Rat aus.331 Auch wenn Feuerbach im Einklang mit Montgelas die ersten beiden Bücher des Entwurfs nicht zurücknahm, in der Hoffnung, einen günstigeren Moment für die Diskussion dieses Entwurfs zu finden, wurde dieser Entwurf nicht mehr wieder herangezogen. Es hatte sich die konservativere Richtung durchgesetzt,332 nachdem sich die außenpolitischen Verhältnisse, durch den Einfluß- und Machtverlust Napoléons, verändert hatten. Bayern hätte mit diesem Eherechtsentwurf als einziger der von Frankreich innenpolitisch unabhängigen Rheinbundstaaten die Trennung zwischen staatlichen und kirchlichem Eherecht konsequent vollzogen.333 „Am Beispiel Bayerns zeigt sich vielleicht am deutlichsten, wie eng die rheinbündischen Reformen an die Wandlungen der napoleonischen Politik gekettet waren. Die einander widerstreitenden Tendenzen, die Richtungskämpfe und die Kurswechsel der Politik beweisen aber auch, welche politischen und gesellschaftlichen Spannungen in dieser Epoche ausgetragen wurden. Der Höhepunkt des aufgeklärten Absolutismus war längst überschritten.“334 329
Fehrenbach, Gesellschaft, S. 139. Fehrenbach, Gesellschaft, S. 139; Alleruntertänigster Einleitungsvortrag das Bürgerliche Gesetzbuch für das Königreich Baiern oder die Frage betreffend Was ist Baierns Absicht bei seiner neuen Gesetzgebung?, vgl. Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 143 Fn. 25, auszugsweise abgedruckt in Feuerbachs Leben, Bd 1, S. 162 ff. 331 Vgl. dazu Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 144. 332 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 144, 145: Die Ablehnung der Einführung des Code ohne wesentliche Modifikationen scheiterte in den Beratungen des Geheimen Rats, vor allem durch die Einwände der konservativen Adeligen und Grundbesitzer, der Code war ihnen „republikanisch“ und „revolutionär“. Es waren hauptsächlich wirtschaftliche und gesellschaftliche Gründe für die Ablehnung maßgebend, und nicht außenpolitische, wie man in Bayern oft betonte. Dafür spreche, „die Tatsache, daß sich besonders die „Altbayern“, d.h. vor allem die grundbesitzenden Adeligen und Patrimonialherren, im Geheimen Rat durch die Grafen Arco, Törring, Preysing vertreten, so heftig gegen den Code wandten.“. 333 Demel, Staatsabsolutismus, S. 323 ff. und Schubert, Recht, S. 443 f. 330
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
c) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1811 aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht Nach dem Scheitern des Entwurfs von 1808/09 wurden Feuerbach und Johann Adam von Aretin, später auch Nikolaus Thaddäus von Gönner335 beauftragt, auf der Grundlage des Codex Maximilianeus ein neues bürgerliches Gesetzbuch zu verfassen, die organischen Edikte336 einzuarbeiten und für das Eherecht das österreichische Eherecht in der Fassung des für Salzburg und Berchtesgaden ergangenen Gesetzes vom 13. April 1808337 zum Vorbild zu nehmen.338 Im September 1811 lag der Entwurf, der sogenannte „Revidirte Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis“339 (BE II) vor, der sich systematisch an sein Vorbild anschloß, aber in vielen Materien eigene Lösungen brachte. Dieser Entwurf wurde in den Jahren 1812–1814 im Geheimen Rat beraten und im Jahre 1814 wurden die Beratungen wegen Unstimmigkeiten in Detailfragen abgebrochen.340 Der Entwurf trat nie in Kraft.341 Er regelte, wie auch der CMBC, im ersten Teil, sechstes Kapitel das Eherecht. In § 1 (VI 2. 39)342 war das Eheverlöbnis hinsichtlich seiner Abschlußform nach dem Vorbild der Sponsalienverordnung von 1769, die für das gesamte bayerische Territorium 1806 wieder in Kraft getreten war,343 normiert. Was die rechtlichen Wirkungen eines Verlöbnisses anbelangt, wurde eine Klage auf Eheschließung abgelehnt, ebenso ein Einspruchsrecht gegen eine andere Ehe und lediglich, nach österreichischem Vorbild, dem Teil, der durch einen unerlaubten Rücktritt des anderen enttäuscht wird, ein Schadensersatzanspruch eingeräumt.344
334
Fehrenbach, Gesellschaft, S. 145. HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1473 Fn. 14: Bearbeiter des Eherechts war Gönner. 336 Dies waren Ausführungsedikte zur Verfassung. 337 Ehegesetz für Salzburg und Berchtesgaden vom 13. April 1808 in: Kropatschek, Sammlung, Bd 24, S. 386 ff. Das Eherecht des ABGB von 1811 stimmt mit diesem Gesetz fast völlig überein. 338 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 149. 339 Textausgabe von Demel/Schubert, Entwurf 1811. 340 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1473. 341 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1473 Fn. 16. 342 Die den Paragraphen in Klammern angefügten Ziffern entsprechen der wörtlichen Wiedergabe der Zählung im Entwurf (BE II). Vgl. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 3 ff., 27 ff. 343 Vgl. dazu oben Kap. II.4.c. 344 Mot. BE II § 1. 335
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Wie im Entwurf von 1808/09, aber im Unterschied zum CMBC, war den Regelungen des Eherechts keine Definition der Ehe vorangestellt. Die Redaktoren hatten dafür die folgende Begründung: „Den Schulbegriff der Ehe haben wir ausdrücklich umgangen, um sie weder blos für einen Civilcontract, noch für ein Sakrament zu erklären, und um auch ihren Zweck nicht positiv zu fixiren, wobei wir sonst in viele unnöthige Controversen z. B. ob Kindererzeugung oder mutuum adjutorium wesentlicher Zweck sei, gerathen wären.“345 Deswegen regelte § 2 (VI 10) gleich, wem die Ehefähigkeit fehlte. Es waren „Wahnsinnige, Rasende, Blödsinnige“, „Männer vor zurückgelegtem achtzehnten Lebensjahr und Frauen vor zurückgelegtem fünfzehnten Lebensjahre“. Damit hatte man das Heiratsalter im Unterschied zum CMBC, wo es bei 14 und 12 Jahren lag, heraufgesetzt. Die Motive begründeten dieses Alter mit dem Klima und damit zusammenhängend der körperlichen Reife bei Männer und Frauen.346 Letztlich stimmte der Entwurf an dieser Stelle mit dem Entwurf von 1808/09 und damit mit dem Code Civil347 überein. Außerdem konnten keine Ehe eingehen, „wer in gültiger Ehe lebt“ und jene, „denen nach den Grundsätzen ihrer Religion oder ihres kirchlichen Standes zu heiraten nicht erlaubt ist“, damit waren die katholischen Geistlichen und jene, die feierliche Ordensgelübde abgelegt haben, gemeint.348 Bei einem Mangel des Alters konnte königlicher Dispens erteilt werden. Im § 3 (VI 8.9) war geregelt, „zwischen welchen Personen eine Ehe nicht Statt findet“. Unter anderem war untersagt eine Ehe zwischen Christen und Nichtchristen. Verboten war die Ehe auch wegen zu enger Verwandtschaft, § 4 (VI 9). Der Dispens sollte wie im Entwurf von 1808/09 durch den Landesherrn ausgesprochen werden; im übrigen blieb „es (. . .) jedem Eheteil unbenommen (. . .) annoch die Dispensation der Kirchenobern seiner Religion nachzusuchen“, § 4 (VI 9) Nr. 8. Der Entwurf von 1811 folgte hinsichtlich der Aufteilung der Ehehindernisse einer anderen Systematik als der CMBC, so waren beispielsweise die trennenden Ehehindernisse der Mehrehe und der Priesterweihe bzw. des Ordensgelübdes gemeinsam mit den Ehehindernissen der fehlenden Willensbildung bzw. des fehlenden Heiratsfähigkeitsalters genannt. Bei der Verwandtschaft hatte man die verbotenen Grade beschränkt und diese nur soweit es die „Reinigkeit der Sitten in den Familien fordert, weswegen die 345
Mot. BE II § 2. Mot. BE II § 2. 347 CC Tit. V Chap. I Art. 144. 348 Im übrigen sind unter Nummer 4, § 2 die katholischen Geistlichen und jene, die feierliche Ordensgelübde abgelegt haben zu verstehen, § 2. 346
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Ehe in auf- und absteigender Linie und unter den Geschwistern durchaus und ohne Dispensationsmöglichkeit verboten ist und bei den übrigen Graden besteht Dispensmöglichkeit“, beibehalten.349 Gleiches galt für die Schwägerschaft, „nur daß bereits die Ehe mit Geschwistern eines verstorbenen Eheteils schon durch Dispens möglich ist“.350 Dazu hatte man sich entschlossen, „weil sogar nach katholischen Grundsäzen in einem solchen Falle dispensirt werden kann, und der Pabst öfters dispensirt hat.“351 Hinsichtlich der die Ehe hindernden Willensmängel hatte sich im Vergleich zum CMBC eine Änderung den Irrtum betreffend ergeben, § 5 (VI 3). Er wurde auch bei der vor der Ehe bereits vorhandenen organischen Unfähigkeit zum Beischlaf vermutet, gleiches galt, wenn die Ehefrau zum Zeitpunkt der Eheschließung bereits von einem anderen schwanger war, § 5 (VI 3) Nr. 3, 4. Allerdings kommt bei den letzten beiden Fällen eine zusätzliche Voraussetzung hinzu, daß die Kenntnis dieser Umstände dem anderen Ehepartner nicht bewiesen werden können, § 6 (VI 3) Nr. 5. Diese Veränderung entsprach dem klassischen protestantischen Verständnis vom Irrtum.352 Gleichzeitig verschwand damit der Anwendungsbereich für die bedingte Ehe und so hieß es in § 5 (VI 3) Nr. 6, daß die Eheschließung selbst nicht von aufschiebenden oder auflösenden Bedingungen oder einer Befristung abhängig gemacht werden dürfe. Die Motive zu § 5 BE II verrieten aber nicht, welche Rechtsordnung für dieses neue systematische Verständnis Pate gestanden hatte, sondern hielt nur fest: „Das Ehehindernis der Unfähigkeit zum Beischlaf hat man dem Irrtum zugeordnet, und nicht mehr als absoluten Grund der Unfähigkeit, eine Ehe einzugehen.“ Dies mit der Begründung, weil ein Ehegatte durchaus im Wissen der Impotenz des anderen die Ehe eingehen kann, unter Verzicht auf das Recht zum Beischlaf, und dann auch seine Einwilligung in die Ehe nicht mehr anfechten können soll. Nach § 6 (VI 4) BE II ist eine Ehe mit der Einwilligung der Eltern und Vormünder einzugehen. Söhne müssen die Einwilligung der Eltern einholen bis sie das fünfundzwanzigste Lebensjahr, Töchter bis sie das einundzwanzigste Jahr vollendet haben, § 6 (VI 4), Nr. 1 BE II. Wird von den zur Einwilligung berechtigten Personen die Einwilligung ohne hinreichende Ursache verweigert, so kann von den Beteiligten darüber bei der Obrigkeit, der die Obervormundschaft übertragen ist, Beschwerde geführt, und nach „gepflogener“ Untersuchung über die Rechtmäßigkeit des Verweigerungsgrundes die Einwilligung ergänzt werden, § 6 (VI 4), Nr. 5 BE II. 349
Mot. Mot. 351 Mot. 352 Vgl. Sp. 1061. 350
BE II § BE II § BE II § Luther,
4. 4. 4. Von Ehesachen, S. 232; Melanchthon, De connubio, CR 21,
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Haben die Kinder sich unter dem vorgeschriebenen Alter verehelicht, ohne die Einwilligung der Eltern oder Vorfahren nachzusuchen, so verlieren sie in allen Fällen das Recht, von diesen eine Ausstattung zu fordern, § 6 (VI 4), Nr. 7 BE II. Die Ehe ist aber nicht ungültig. Die Ungültigkeit kann nur herbeigeführt werden, wenn die wirklich eingegangene Ehe angefochten wird und eine rechtmäßige Ursache ihrer Mißbilligung nachgewiesen werden kann, § 6 (VI 4), Nr. 9 BE II. Bezüglich der Einwilligungen der Eltern und Vormünder hat sich der Entwurf an sein Vorbild, den CMBC, gehalten. Allerdings war die Ehe wie im Entwurf von 1808/09, Art. 184 BE I, durch die Eltern bzw. des Vormunds, deren Einwilligung fehlte, anfechtbar oder auch durch den Ehegatten, dessen Eltern bzw. Vormund nicht eingewilligt hatten, § 11 (VI 44) BE II. Was die notwendigen obrigkeitlichen Bewilligungen anbelangte, ordnete § 7 BE II grundsätzlich an, daß niemand sich ohne Einwilligung seiner ordentlichen Polizeiobrigkeit verehelichen könnte. Die Pfarrer wurden zur genauen Befolgung der hierüber vorhandenen königlichen Verordnungen wiederholt angewiesen. Für die Eheschließungen der Staatsdiener und Militärpersonen wurde auf die erlassenen Verordnungen verwiesen. Man sicherte dieses staatliche Eheordnungsrecht mit dem Umgehungsverbot, wie bereits in der Verordnung vom 12. Juli 1808 geschehen war.353 Der Entwurf folgte damit der bisher gediehenen Entwicklung des Eheordnungsrechts in Bayern, insbesondere der Verordnung von 1806,354 und wagte auch Zugriffe auf das Eheband, soweit es sich um Auslandsehen handelte. Im Unterschied zum CMBC regelte der Entwurf auch ausführlich, die für die öffentliche Trauung notwendige Vorbereitung im Sinne des Aufgebotsverfahrens, § 8 BE II. Dabei wurde auch gesondert auf Ehen zwischen Katholiken und Nichtkatholiken Rücksicht genommen. Sie mußten sich aber nicht nur in ihren Kirchen oder Bethäusern, sondern auch in der zuständigen katholischen Pfarrkirche aufbieten lassen, § 8 Nr. 4 BE II. Aus wichtigen Gründen war es sogar dem „General-Kreiscomißariate“, und damit einer weltlichen Behörde, gestattet, vom zweiten Aufgebot zu dispensieren. Wird die Ehe, außer in den genannten Fällen, ohne Aufgebot geschlossen, so ist zwar die Ehe nicht ungültig, doch werden die schuldigen Teile polizeilich bestraft, § 8 Nr. 9 BE II. Was die Förmlichkeiten anbelangt, haben sich die Redaktoren für ein zweimaligen Aufgebot in der Kirche entschieden, weil die Kirche der gewöhnliche Versammlungsort der Nation und weil dem Seelsorger das Amt des Zivilstandsbeamten übertragen sei. Dem König sei lediglich die Dispensation vorbehalten, § 8 BE II. Dem Pfarrer wurde damit die staatliche Funktion eines Zivilstandsbeamten übertragen. 353 354
Vgl. oben Kap. II.3.d. Vgl. oben Kap. II.3.c.
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In diesem Amt verlangte der Staat von ihm, § 9 BE II, die Überprüfung aller Erfordernisse für die gültige Eheschließung. Es war den Pfarrern unter schwerer Strafe verboten, die Trauung vorzunehmen, bis die Verlobten die notwendigen Zeugnisse beigebracht und alle Anstände behoben haben, § 9 Nr. 2 BE II. Damit hatte man im Unterschied zum CMBC die Priester als Vertreter der Zivilstandsbeamten bezeichnet, aber anders als im Entwurf von 1808/09 keinen eigenen Beamten mit einem eigenen staatlichen Eheschließungsakt betraut. Der Entwurf von 1811 übertrug jedoch wie auch der vorherige Entwurf355 den staatlichen Gerichten die Ehesachen. An der Form der Eheschließung änderte man im Vergleich zum CMBC grundsätzlich nichts, § 10 (VI 5.11) BE II. Die beiden Verlobten mußten in Person vor dem ordentlichen Seelsorger eines der beiden Brautleute oder vor seinem Stellvertreter in Gegenwart zweier männlichen Zeugen feierlich ihre Einwilligung in die unter ihnen geschlossene Ehe erklären. Man hielt die tridentinische Form für die geeignete Form, da unter allen Konfessionen die Eheschließung ein religiöser Akt sei.356 Man hatte aber den nichtkatholischen Konfessionen zusätzlich ihre Trauungsfeierlichkeiten vorbehalten, § 10 Nr. 1 BE II.357 Die Trauung in der genannten Form mußte jedoch nur dann vor dem katholischen Priester stattfinden, wenn beide Ehepartner oder mindestens einer von ihnen katholisch war. Es konnte jedoch in diesem Fall auf Verlangen des andern Teils, auch der nichtkatholische Seelsorger bei dieser feierlichen Handlung erscheinen. Außerdem konnten sich die Verlobten darauf einigen, daß nach der Trauung des katholischen Pfarrers auch die Trauung von dem nichtkatholischen Seelsorger geschehe, § 10 Nr. 2 BE II. Mit diesen Regelungen hatte man ein eigenständiges staatliches Trauungsritual geschaffen, wenngleich dieses seiner Form nach ganz am kanonischen Recht orientiert war.358 Daneben hatte man, wenn auch nicht ganz gleichberechtigt, die akatholischen Trauungsrituale berücksichtigt. Damit hatte man sich auch für Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten und gegen die Wahlfreiheit der Brautleute bezüglich des trauenden Priesters entschieden. Die Trauung durch den katholischen Seelsorger hatte den Vorrang erhalten. Allerdings hatte die Verordnung vom 21. 12. 1806359 bereits formuliert, daß sich die Wahl des Priesters in der Regel nach dem 355
Siehe oben Kap. II.5.a. Mot. BE II § 10. 357 Mot. BE II § 10. 358 Diese Regelung blieb hinter der Verordnung vom 21.12.06 zurück, die nur bestimmte, dass die Trauung in der Regel in der Konfession des Bräutigams vorgenommen werden soll, aber bei Mischehen damit nicht den Vorrang der katholischen Trauung vorschrieb. Vgl. Kap. II.4.b.ff. 359 Vgl. oben Kap. II.4.b.ff. 356
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Bräutigam richte und nur wenn sich ein katholischer Priester weigere, dürfe der protestantische Priester trauen. Immerhin hatte diese Verordnung noch nicht endgültig den Vorrang der katholischen Trauung festgelegt, allerdings kündigt sich in dieser vorläufigen Regelung bereits eine derartige Tendenz an. Erst die Verordnung vom 25. September 1814360 ermöglichte wieder die völlige Wahlfreiheit der Brautleute bezüglich des trauenden Seelsorgers. Weiter als die Regelung des bayerischen Entwurfs von 1811 war man auch nicht in Österreich gegangen, § 27 Ehegesetz von 1808.361 Ausführlich geregelt wurden im Unterschied zum CMBC auch die Voraussetzungen, wann Nichtigkeitsklagen gegen die Ehe erhoben werden können, § 11 (VI 44) BE II. Die Befugnis zu einer solchen Nichtigkeitsklage stand den Ehegatten selbst, jenen, die an der Eheschließung beteiligt waren, wie auch dem Staat zu, wenn die Ehe 1. vor Auflösung einer früher eingegangenen gültigen Ehe, oder 2. in einem nicht dispensationsfähigen Grad der Verwandtschaft (§ 4 BE II), oder 3. vor erlangtem Heiratsfähigkeitsalter (§ 1 BE II), oder 4. von einer nach ihren Religionsgrundsätzen oder kirchlichen Verhältnissen heiratsunfähigen Person (§ 1 BE II) oder in einem § 3 Nr. 1 bis 5 BE II bestimmten Fälle, wie eine Ehe unter Christ und Nichtchrist, bei Ehebruch mit oder ohne Nachstellungen nach dem Leben des anderen Ehegatten oder eine Ehe zwischen Adoptivelternteil und Kind oder Pfleger und Pflegebefohlenem, oder nicht in der § 10 BE II bestimmten Form eingegangen worden war, § 11 Nr. 2 BE II. Die Tatsache, daß auch der Staat eine Ehe anfechten konnte, zeigt deutlich die ordnungsstaatliche Vorstellung. Insgesamt zeigte der § 11 (VI 44) BE II große Ähnlichkeiten zu Regelungen des Entwurfs von 1808/09, passagenweise glich § 11 (IV 44) Nr. 2 BE II dem Art. 196 BE I, fast wörtlich und sehr ähnlich waren § 11 (IV 44) Nr. 7 BE II und Art. 195 BE I und § 11 (VI 44) BE II und Art. 192 f. BE I. Beibehalten wurde auch die Möglichkeit der Anfechtung bei fehlender Einwilligung durch Eltern und Vormünder, § 11 (VI 44) Nr. 4 BE II,362 vgl. auch vorher. Die Vorschrift über die Wirkungen bei erkannter Nichtigkeit, § 12 (IV 44) BE II waren an Art. 211 und 212 BE I angelehnt. Im Unterschied zum CMBC363 äußerte sich dieser Entwurf auch zur religiösen Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen, § 14 BE II. Grundsätzlich galt, daß Kinder in der Religion der Eltern zu erziehen sind. Bei Kindern aus konfessionell gemischter Ehe richtete sich ihre Religionszugehörigkeit nach den Bestimmungen im Ehevertrage der Eltern, § 14 Nr. 1 BE II, oder sofern nichts im Ehevertrag angeordnet war, waren die Söhne 360
Vgl. oben Kap. II.4.b.ff. Vgl. aber auch die im Anhang zum § 29 des Ehepatentes von 1783 abgedruckte Verordnung vom 25. September 1785. 362 Vgl. weiter oben Kap. II.5.b.aa. 363 Dort nur in den Anmerkungen vgl. oben Kap. I.2.e.aa. 361
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in der Religion des Vaters und die Töchter in der Religion der Mutter bis zur „Erreichung des Unterscheidungsjahres“ zu erziehen, § 14 Nr. 2 BE II. Damit hatte man auch hier die bisher in Bayern angewandte Praxis zum Gesetz gemacht. Die Motive gaben als Grundlage für diese Entscheidung auch die „Königliche Verordnung vom 18. Mai 1803 mit Rücksicht auf das Edict über das Kirchenwesen“ an.364 Diese Regelungen hatte man auch im Religionsedikt vom 24. Mai 1809 übernommen.365 Mit § 15 (VI 42) BE II beginnen die Regelungen über die Trennung einer gültig geschlossenen Ehe. Neben dem Tod, § 21 (VI 46) BE II, kannte der Entwurf von 1811 die Trennung auf Zeit und die Scheidung dem Ehebande nach. § 15 BE II regelte die „zeitliche Absonderung der Ehegatten“. Allerdings sollte diese Art der Trennung soweit wie möglich vermieden werden, und die Seelsorger waren berufen, kraft des ihnen übertragenen Vermittleramtes für Schlichtung des Streits zu sorgen, und eventuell mit Unterstützung der Obrigkeit die Streitursache zu beseitigen, § 15 Nr. 1–7 BE II. Dieses Verfahren hat geradezu „Mediationscharakter“. Über die Einführung der Ehescheidung in § 15 BE II findet man in den „Motifs“ folgendes: „Desto mehr müßen wir uns über den Vorschlag wegen der Ehescheidung, dieser gefährlichen Klippe in der Legislation, verbreiten. Vordersamst haben wir den Seelsorgern das Vermittlungsamt, dagegen die eigentliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen den Königlichen Gerichten nach dem Vorbild der österreichischen Ehegesetze übertragen. So behält die Kirche ihren Einfluß, um durch Moralität und sanfte Mittel die Ehen aufrecht zu erhalten, und der Staat tritt da, wo nur das Recht entscheidet, in seine Sphäre ein.“366 Der Entwurf nahm zusätzlich auch die lebenslängliche Scheidung auf und berücksichtigte damit auch die protestantische Auffassung von der Ehe und ihrer Auflösbarkeit. § 16 (VI 43) BE II gibt verschiedene Gründe an, die Voraussetzung für eine lebenslängliche Scheidung der Ehegatten sein können. Eine Ehescheidung ist u. a. auch dann möglich, wenn beide Ehegatten die Scheidung beharrlich verlangen. § 16 der „Motifs“ nimmt Stellung zur Begriffswahl: „Dieser Absonderung auf bestimmte Zeit setzen wir blos eine lebenslängliche Ehescheidung entgegen. Diese ist wirklich die bürgerliche Trennung der Ehe, aber wir haben mit allem Vorbedacht sorgfältig jeden andern Ausdruck vermieden, wir haben weder von einer separationi a thoro et mensa, noch von einem divortio, noch von einer Trennung der Ehe, noch vom Eheband gesprochen; denn jeder Ausdruck als der „lebenslänglichen Ehescheidung“ hätte uns in Labyrin364 365 366
Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 112 f. Vgl. oben Kap. II.4 b.hh. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 113.
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the ohne Ausweg geführt. Wir hätten sonst eines Theils dem künftigen Concordate367 oder Arrangement mit dem Pabst im Voraus widersprochen, wenn etwa der Pabst über das ohnehin zweifelhafte Dogma der Unauflösbarkeit des Ehebandes zur Nachgibigkeit gebracht wird, und diesen durften wir nicht vorgreifen – anderntheils hätten wir auf einmal die Einförmigkeit des Gesezes für alle Confeßionen aufgegeben und etwas anders für Katholiken, etwas anders für Protestanten, vielleicht auch für Juden und Wiedertäufer festsetzen müßen, und doch hätten wir niemals verbürgen können, daß dadurch alle auch künftige Confeßionen erschöpft sind. Allen diesen Bedenklichkeiten konnten wir nur dadurch ausweichen, daß wir die bürgerlichen Wirkungen einer lebenslänglichen Ehescheidung aus dem Gesichtspunkte, daß sie die Ehe auflösen, bestimmten, und die Frage, ob die geschiedenen Ehegatten sich weiters verehelichen dürfen, als worauf das ganze Intereße des Unterschieds inter separationem et divortium zurückgehet, von den Grundsäzen der Religion eines jeden Theils abhängig machten. Auf diesem Wege konnten wir die Grenzen des Civilgesezbuchs einhalten ohne irgend eine Kirche in ihren Principien anzugreifen, oder traurige Collisionen zwischen Staat und Kirche zu veranlaßen.“368 Hinsichtlich der Formulierung der Ehescheidungsursachen sind diese zum Teil wörtlich dem § 58 Ehegesetz für Salzburg und Berchtesgaden von 1808 entnommen worden. Zur einverständlichen Scheidung, die in § 18 BE II in ihren Voraussetzungen eingehend geregelt ist, führen die „Motifs“ aus, daß es „bei beharrlicher Einwilligung (. . .) nicht sowohl Willkühr der Ehegatten“ ist, „was ihre Ehe scheidet, wie etwa die Contrahenten einen andern Vertrag unter sich nach Wohlgefallen aufheben, sondern die gegründete gesezliche Vermuthung, daß eine hinreichende Scheidungsursache hinter ihrer beharrlichen Einwilligung verborgen sey. Um sich deßen zu versichern, muß also der Gesezgeber die beharrliche Einwilligung mit Beschwerden so umgeben, daß es moralisch gewiß ist, die Ehegatten werden sich ohne hinreichende Ursache denselben nicht unterwerfen. Auffallend war es uns zu sehen, wie leicht das österreichische Gesez v. J. 1808369 darüber hinwegging, und wir suchten diesen Gegenstand so zu bestimmen, daß der Gesezgeber jene Gewißheit erlangt, ohne welche dieses Institut die Heiligkeit der Ehen stark compromittiren würde.“370 Die Vorschriften im ABGB §§ 104 f. übernahm die Regelung des Ehegesetzes für Salzburg und Berchtesgaden von 1808 wörtlich.
367
Das Konkordat kam 1817 zustande. Vgl. dazu unten II.6. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 113 f. 369 §§ 54 f. des Ehegesetzes für Salzburg und Berchtesgaden, Patent vom 13. April 1808 in: Kropatscheck, Sammlung, Bd 24, S. 386 ff. (401 f.). 370 Mot. BE II § 18. 368
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In § 20 BE II heißt es, ob und wie weit durch die bürgerliche Ehescheidung das Band der Ehe selbst aufgelöst werde, und ein geschiedener Ehepartner wieder heiraten dürfe, müsse nach den Grundsätzen der Religion beurteilt werden, zu der sich ein jeder der geschiedenen Ehegatten für seine Person öffentlich bekennt, § 20 Nr. 1 BE II.371 Auch hier hatten sich die Verfasser um eine vorsichtige Formulierung bemüht: „§ 20 bei den Wirkungen in Ansehung des Ehebandes vermieden wir abermal davon geradehin zu sprechen, vielmehr drückten wir es in der Frage von der Wiederverehelichungs-Befugniß aus. Wir haben dieses abhängig gemacht von den Grundsäzen der Religion, wozu sich der geschiedene Ehegatte für seine Person öffentlich bekennt. Wir glauben, diese Bestimmung verdiene den Vorzug vor jener des preußischen Landrechts, welches diesen wichtigen Gegenstand dem Gewißen des geschiedenen Theils überläßt. Das Gewißen ist eine zu viel subjective und schwankende Sache, als daß darauf ein Gesez mit Würde und Zuverläßigkeit verweisen dürfte. Die übrigen Beschränkungen der Wiederverehelichung sind von der Religion unabhängig, und durch ihre Zweckmäßigkeit selbst gerechtfertiget.“372 bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1811 In dem Entwurf von 1808 hatte man mit nur geringen Modifikationen das französische Eheschließungs- und Ehescheidungsrecht übernommen,373 der neue Entwurf von 1811 sollte dann auf Wunsch von Montgelas374 dem österreichischen Eherecht folgen. Auch wenn sich der Entwurf von 1811 „revidirter Codex Maximilianeus“ nannte und für sich in Anspruch nahm, weniger Neues zu enthalten als einst der CMBC im Vergleich zum vorhergehenden Landrecht, so hatte man sich im Eherecht deutlich vom kanonischen Recht gelöst und nun auch inhaltlich ein eigenes staatliches Eherecht entworfen.375 Ganz nach dem österreichischen Vorbild, § 27 des Ehegesetzes von 1808 bzw. später § 75 371 Es gab daneben auch von der Religion unabhängige Voraussetzungen für eine Wiederverehelichung. Vgl. § 20 Nr. 2 f. BE II. 372 Mot. BE II § 20. 373 Vgl. dazu vorher Kap. II.5.b., aber auch Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. LXXV Fn. 88; Demel, Staatsabsolutismus, S. 323 ff. 374 Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. LXXV Fn. 89. 375 Man hatte sich in den Geheimratssektionen dafür ausgesprochen, deutliche Änderungen im Kernbereich der Ehe vorzunehmen, dem Staat also bei der Entscheidung über die Gültigkeit des Ehebandes und die Festsetzung der verbotenen Grade bzw. der Dispensation davon die primäre Gesetzgebungsbefugnis einzuräumen anstatt der Kirche. Vgl. dazu Demel, Staatsabsolutismus, S. 327. Demel verweist vor allem auf die Protokolle dieser Beratungen. Vgl. GRS = Sektionen des Geheimen Rats (Sitzungsprotokolle) v. 31. 1., 8. 2., 10. 2., 23. 2., 9. 3., 21. 3., 23. 3. 1813.
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ABGB, hatte man sich grundsätzlich für die tridentinische Trauungsform als staatlichen Trauungsakt entschieden, § 10 BE II. Insgesamt war der Entwurf von 1811 in der Sektionskommission nicht auf grundsätzlichen Widerstand gestoßen. Man war sich lediglich nicht ganz einig, „inwieweit man sich bei der Aufstellung von Hindernissen vom kanonischen Recht entfernen sollte“. Die Mehrheit hatte sich für eine gewisse Zurückhaltung ausgesprochen. Trotzdem hatte sich die Kommission für befugt gehalten, unabhängig vom Kirchenrecht trennende Ehehindernisse aufzustellen.376 Neben den Ähnlichkeiten zum Österreichischen Recht kann man auch einige Überbleibsel des Entwurfs von 1808/09 entdecken; dies betrifft vor allem die Nichtigkeitsklage und die Anfechtbarkeit der Ehe bei fehlender elterlicher Einwilligung.377 Außerdem wird der trauende Seelsorger als Zivilstandsbeamter deklariert. Die Redaktoren dieses Entwurfes hatten die Probleme bei der Normierung eines staatlichen Eherechts durchaus erkannt und deswegen ihre Aufgabe richtig eingeschätzt: „Die Wichtigkeit der Ehe für das Wohl des Staates und der Familien, nahm unsere ganze Aufmerksamkeit desto mehr in Anspruch, je weniger es verkannt werden kann, dass der Codex Maximilianeus diesen Gegenstand im Geist seiner Zeit mehr dem kanonischen Recht überlaßen hat. Wir mußten hier gleichsam neu schaffen, jedoch mit großer Behutsamkeit und Umsicht zu Werk gehen, um weder auf der einen Seite die legislative und richterliche Gewalt des Staates über ihre unveräußerliche Grenze zu verengen, noch auf der andern Seite den Gewissen der Bürger zu nahe zu treten oder den Staat mit der Kirche in unnöthige Collisionen zu versezen. Die Erfahrung aller Zeiten bestätigt, daß die Gesezbücher unfruchtbare Ansprüche über die Ehe machen, wenn sie nur Ideale darstellen, ohne die kirchlichen Verhältniße, die nun einmal aus keinem civilisirten Staate hinweggedacht werden können, so weit zu berücksichtigen, als es mit den Rechten und dem Intereße des Staats vereinbar ist.“378 d) Bayerischer Entwurf für ein Zivilgesetzbuch von 1816/18 aa) Inhalt des Entwurfs zum Eherecht 1816 erging ein neuer Gesetzgebungsauftrag an Johann Christoph von Aretin379; Vorbild sollte ebenfalls der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis sein.380 376 377 378 379 380
Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. LXXV Fn. 96. Vgl. Kap. II.b.aa. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 108. Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 146. HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1474 Fn. 17.
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Im ersten Teil, sechstes Kapitel des Entwurfes von 1816/18 von Aretin,381 oder auch „Neuverbessertes Allgemeines bayerisches Land-Recht“ (BE III) findet sich wie im CMBC und dem Entwurf von 1811 das Eherecht. Im Unterschied zu dem vorherigen Entwurf von 1811 schickte der Entwurf wie der CMBC eine Definition der Ehe als „eine von zwei Personen verschiedenen Geschlechts hauptsächlich zur Erzeugung von Kindern, zur Erziehung derselben und zu gegenseitigem Beistand eingegangene Verbindung“, voran, § 1 BE III. Man hatte im Unterschied zum CMBC das Wörtchen „hauptsächlich“ eingefügt, um damit dem Schulenstreit zu entgehen, welche Rolle die Erzeugung der Kinder für die Ehe spielt.382 § 2 BE III definierte wie der CMBC das Verlöbnis, allerdings mit dem Unterschied, daß das Versprechen der zukünftigen Eheschließung vor zwei Zeugen abgegeben werden mußte. Damit sollten vermutlich die Veränderungen durch die Sponsalienmandate von 1769 bzw. 1806 berücksichtigt werden; ausdrücklich wird dies jedoch auch nicht in den Motiven erwähnt.383 Der vorherige Entwurf hatte sich in den Motiven hingegen ausdrücklich auf eine „ältere Baierische Verordnung“ bezogen.384 Ebenfalls wie im CMBC bezogen sich die weiteren Vorschriften auf Verlöbnis bzw. Ehe gleichermaßen, soweit die rechtlichen Unterschiede nicht erheblich waren. Der Entwurf behielt, wie auch der CMBC, die Handschuhehe bei, indem die Brautleute sich auch durch einen Anwalt bei der Eheschließung vertreten lassen konnten, § 3 Nr. 1, 4 BE III. Hinsichtlich der Einwilligung war der Entwurf ebenfalls ganz am CMBC orientiert, fehlende Einwilligungen der Eltern hatten keinerlei Einfluß auf die Gültigkeit der Ehe, sondern lediglich auf die vermögensrechtlichen Ansprüche gegenüber den Eltern, § 4 Nr. 1–4 BE III. Neu war lediglich die Regelung, daß es bei Meinungsverschiedenheit zwischen den Eltern auf den Willen des Vaters ankommen sollte. Diese Regelung findet sich bereits in Art. 162 S. 2 BE I und § 6 BE II. Verweigerten die Eltern die Einwilligung, obwohl keine rechtmäßigen Gründe für die Versagung vorlagen, bestand für die Kinder die Möglichkeit, die Einwilligung durch das Gericht ersetzen zu lassen, § 4 Nr. 4 BE III. Allerdings verloren sie trotzdem den 381 Der Entwurf „Neuverbessertes allgemeines Bayerisches Land-Recht“ befindet sich als handschriftliches Manuskript samt den Motiven im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, Staatsrat 2184–2195. Vgl. hier Auszug zum Eherecht im Anhang. 382 Mot. BE III § 1. 383 Mot. BE III § 2: „Für die Feyerlichkeit des Eheverlöbnißes war es zweckmäßig, die Beiziehung zweyer Zeugen vorzuschreiben. Daher mußte auch die Stelle des alten Cod. Max. wegbleiben, daß kein Unterschied mehr zwischen öffentlichem und heimlichen Eheverlöbnißen seye.“ 384 Mot. BE II § 1 bei Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 108.
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Anspruch auf das Heiratsgut, die „Ausfertigung„ oder die „Heimsteuer“ gegen ihre Eltern; die anderen erwähnten Strafen, also die Konsequenzen für das Erbrecht, traten jedoch nicht ein, § 4 Nr. 4 BE III. Auch hinsichtlich der übrigen Vorschriften zur elterlichen oder vormundschaftlichen Einwilligung, die sich auf die angedrohten Strafen bei fehlender Einwilligung bezogen, hatte man verschiedene jedoch kleinere Änderungen im Vergleich zum CMBC vorgenommen und sich zum Teil auch am österreichischen Recht orientiert. Weggefallen war jedoch die Möglichkeit der Anfechtung der Ehe bei fehlender Einwilligung der Eltern wie sie im Entwurf von 1808/09 und 1811 bestand.385 Was die obrigkeitlichen Einwilligungen betraf, blieben vor allem für die Zivilstaatsdiener und das Militär die geltenden bayerischen Verordnungen beachtlich, § 4 Nr. 8, 9, 10 BE III. Für alle übrigen Einwohner galt, daß sie nicht ohne die Einwilligung der Polizeibehörden heiraten durften, § 4 Nr. 11 BE III. Die Förderung solcher heimlicher Eheschließung stand unter Polizeistrafe, § 4 Nr. 12 BE III. Man hatte auch im Unterschied zum CMBC das Umgehungsverbot für Auslandsehen mit der drohenden Ungültigkeit der Ehe wie im Entwurf von 1811 und der Verordnung vom 12. Juli 1808386 beibehalten. Die Ehe konnte von jedem der ein Interesse dabei hatte, angefochten werden, § 4 Nr. 13 BE III. Die Eheschließungsform war ganz nach dem tridentinischen Ritus ausgerichtet, allerdings mit der Möglichkeit, die persönliche Anwesenheit durch vom Gericht bewilligte Vertreter zu ersetzen, § 5 Nr. 1, 2 BE III. Daß der bayerische Staat kein reiner katholischer Konfessionsstaat mehr war, wurde in den Formulierungen zum Teil berücksichtigt, da man vom zuständigen Seelsorger bei der Trauung, auch von „Pfarrer, Pastor, oder wie er sonst immer heißen (mag)“ sprach; § 5 Nr. 3 BE III. Außerdem wurde die Regelung des Entwurfs von 1811 nach österreichischem Vorbild387 übernommen, die bei einer Eheschließung zwischen einem Nichtkatholiken und einem Katholiken die Einwilligung zwar vor dem katholischen Pfarrer in Gegenwart zweier Zeugen erklärt werden mußte, aber auf Verlangen des anderen Teils auch der nichtkatholische Seelsorger bei dieser feierlichen Handlung erscheinen durfte, § 5 Nr. 4 BE III. Ein großer Unterschied zum CMBC liegt jedoch darin, daß der Entwurf die Regelung des Entwurfs von 1811 beibehielt, die bei fehlender gütlicher Einigung durch den Seelsorger in Fällen eines Einspruchs gegen die Ehe385
Vgl. dazu Kap. II.5.b.aa und c.aa. Vgl. Kap. II.3.d. 387 Vgl. dazu die Mot. BE III § 5 N.4–6: „N. 4–6. ward aus § 11 ss des oesterr Gesezbuches beigesezt nach welchem man sich wegen dergegen die katholische Kirchengewalt zu beobachtenten Verhältniße am besten richten zu können glaubte.“. 386
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schließung die Beteiligten an die königlichen und nicht etwa kirchlichen Gerichte verwies und die Trauung vertagte, § 6 Nr. 6 BE III. Die Ehehindernisse wurden systematisch neu nach bedingten und unbedingten geordnet, § 6 BE III. In den Motiven zum Entwurf 1816/18 findet man auch eine ausführliche Begründung zu dieser neuen Gestaltung: „§. 6. Die Materie von den Ehehindernißen mußte ganz neu bearbeitet werden, da der alte Cod. Max. sich hierin lediglich an das ius canonicum gehalten hatte.“ Als Muster für die vorliegende Regelung habe das im Jahre 1808 für Salzburg und Berchtesgaden gegebene Ehegesetz gedient, das auch der kaiserliche Hofrat von Zeiller für die Abfassung des Eherechts im österreichischen bürgerlichen Gesetzbuch von 1811 heranzogen habe. Diesen beiden Ehegesetzen entnahm Aretin die Rechtfertigung, daß die weltliche Macht sich bezüglich der Ehehindernisse nicht an die kirchlichen Satzungen zu halten brauche. Vielmehr dürfe der Staat, wo die „Staatsrücksichten“ es erfordern, nicht nur Ehehindernisse aussprechen, die von der kirchlichen Gewalt nicht anerkannt seien, sondern er dürfe auch die von der Kirche festgesetzten Ehehindernisse nach den Staatszwecken beschränken und modifizieren, ohne deswegen der Kirchengewalt zu nahe zu treten.388 Aretin berief sich auch auf eine Aussage Zeillers in dessen Kommentar über § 47 des österreichischen Gesetzbuchs, der zwar den Staatsbürger als Mitglied einer Kirchengesellschaft auch an die von der Kirche gegebenen Ehegesetze gebunden sieht, diese kirchlichen Gesetze bezögen sich ihrer Natur nach allerdings allein auf das Gewissen und nicht auf die bürgerliche Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vertrages. Diese österreichischen Grundsätze seien schon seit mehreren Jahren „ohne Einwilligung der Kirchengewalt und Beunruhigung der Gläubigen gesetzlich“ erprobt und sollen deswegen in das neu verbesserte bayerische Landrecht übernommen werden. Hinsichtlich der Begrifflichkeit war Aretin aber von dem österreichischen Gesetzbuch abgewichen, das von auflösbaren und unauflösbaren Ehehindernissen spreche, „in sofern nämlich dieselben durch landesfürstl. Dispensation aufgelößt werden können oder nicht“, da diese Bezeichnung zur Verwirrung beitragen könne, weil man bei „auflösbar und unauflösbar“ an die Ehe selbst denke und nicht an das Ehehindernis. Daher wählte Aretin die Einteilung in bedingte und unbedingte Hindernisse.389 Bei den bedingten Ehehindernissen sollte die Ehe durch „landesfürstliche Nachsichtserklärung“ (Dispensation) oder durch Bewilligung des an dem Hindernis unschuldigen Ehegatten nach Bestimmung des § 7 BE III gestattet werden können, § 6 BE III. Die unbedingten Ehehindernisse hätten die 388 389
Mot. BE III § 6. Mot. BE III § 6.
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gesetzliche Ungültigkeit der Ehe zur Folge gehabt, vgl. dazu § 8 und § 6 BE III. Bedingte Ehehindernisse sind 1. die Unterlassung des dreimaligen Aufgebots, das im Unterschied zum CMBC ausführlich geregelt war; auch dort waren die akatholischen Konfessionen berücksichtigt, 2. das bereits mit einer anderen Person rechtsgültig eingegangene Verlöbnis, 3. die Entdeckung, daß die Frau schon von einem anderen Mann geschwängert ist, wobei hier vom Mann abhängen soll, ob er die Ehe fortsetzen soll, oder ob er innerhalb von 3 Monaten nach geschehener Entdeckung er auf Trauung der Ehe klagen will; 4. der nicht durch Betrug veranlaßte Irrtum in der Person, 5. die nicht durch einen im Strafgesetzbuch verbotenen Zwang bewirkte Einwilligung, in den Fällen 4 und 5 bleibt dem getäuschten oder gezwungenen Teil die Klage auf Trauung innerhalb von 3 Monaten von der Entdeckung des Irrtums oder von dem angeordneten Zwang vorbehalten; oder wenn 6. der Vormund sein Mündel vor abgelegter Vormundschaftsregelung und ohne vormundschaftliche Genehmigung heiratet, § 7 BE III. § 8 BE III nennt die unbedingten Ehehindernisse, die auch für die Verlobung bereits gelten und zur völligen Nichtigkeit des betreffenden Vertrages führen: Dazu zählen unter anderem widerrechtlicher schwerer Zwang, ein betrügerisch veranlaßter Irrtum in der Person, die höhere Priesterweihe, das feierliche Gelübde der Ehelosigkeit, die mit einer anderen Person bereits wirklich bestehende Ehe, eine unheilbare nicht erst nach geschlossener Ehe entstandene Untüchtigkeit zum Beischlaf, Religionsverschiedenheit, zu nahe Verwandtschaft (die Regelung in § 9 entsprach dem Entwurf von 1811), Unmündigkeit und Eheschließung außer Landes zur Umgehung der Landesgesetze, vgl. § 4 Nr. 13 BE III. Besonders auffällig ist das letzte unbedingte Ehehindernis; damit war staatliches Ordnungsrecht endgültig als echtes Ehehindernis in den Katalog der trennenden Ehehindernisse aufgenommen worden und die Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenz auch hinsichtlich der Aufstellung von trennenden Ehehindernissen tatsächlich ausgefüllt, was Aretin dem österreichischen Vorbild entnommen hatte.390 Der Entwurf von Aretin kennt die zeitliche und die lebenslängliche Scheidung. Soll es wegen bestehender Mißhelligkeiten zu einer zeitlichen Scheidung kommen, wird auch in diesem Entwurf dem Seelsorger eine umfassende Vermittlungsaufgabe zugewiesen mit der Unterstützung des Gerichtes, um die Ehe zu retten. Scheitern aber alle Versuche der Vermittlung soll die lebenslängliche Scheidung die gescheiterte Ehe trennen, § 40 BE III. Die lebenslängliche Scheidung ist aber auch aus anderen schwerwiegenden Gründen, wie Ehebruch oder einer Zuchthausstrafe eines Ehegatten etc. möglich, § 41 BE III. 390
Vgl. auf Seite vorher.
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Bei der Regelung dieser Vorschriften hat Aretin eine völlige Umarbeitung vorgenommen, wie er selbst in den Motiven schreibt,391 und sich stark an das österreichische Recht und den vorherigen Entwurf angelehnt, wie es die „Rechenschaft“ zum Entwurf zeigt. Wie zuvor Gönner hatte auch Aretin im Unterschied zum CMBC die bürgerliche Ehescheidung durch staatliche Gerichte vorgesehen und damit der kirchlichen Gerichtsbarkeit die umfassende Entscheidung über den Bestand einer Ehe entzogen. Die Begründungen waren zu großen Teilen wörtlich dem Entwurf von 1811 übernommen worden. Aretin vermied es ebenfalls, ausdrücklich von den Auswirkungen der Ehescheidung auf das Eheband zu sprechen, sondern hatte diese Frage auf die Wiederverehelichungsbefugniß verschoben, die er von den Grundsätzen der Religion abhängig machte, zu der sich der jeweilige Ehegatte bekannte. Der § 49 des CMBC wurde völlig aufgehoben und in die Gerichtsordnung verwiesen.392 bb) Hintergründe und Beurteilung des Entwurfs von 1816/18 Der Entwurf Aretins ist im Eherecht stärker an den Regelungen des CMBC orientiert als der Entwurf von 1811. Dennoch zeigt auch dieser Entwurf, daß der Staat ein inhaltlich eigenes Eherecht einführen wollte, das allerdings bezüglich der Eheschließungsform und mancher Ehehindernisse dem kanonischen Recht sehr nahe blieb. Trotzdem hatte man beim Eheschließungsakt andere Konfessionen berücksichtigt und auch das Eheordnungsrecht in vollem Umfang aufgenommen, auch mit der Sanktion der Ungültigkeit der Ehe, so die Ungültigkeitsfolge bei im Ausland geschlossenen Ehen.393 Bei den bedingten Ehehindernissen sind kanonische Ehehindernisse entfallen, z. B. Heirat in den Advents- und Fastenzeiten oder einfaches Gelübde der Keuschheit. Außerdem hatte man die Regelungen zur Ehescheidung aus dem Vorentwurf weitgehend beibehalten. In dieser Form entsprach das Eherecht ganz dem Verständnis des Gesetzesauftrages an Aretin: „den Codex Maximilianeus mit Rücksicht auf die in der bürgerlichen Gesetzgebung eingetretenen Änderungen neu zu redigieren“.394 Dabei sollte möglichst das System des bayerischen Landrechts bei391
Mot. BE III § 40, 41, 42. Mot. BE III § 49. 393 Vgl. vorher. 394 Aretin: „Rechenschaft über die bei der Redaction im allgemeinen beobachteten Grundsätze“, Staatsrat 2184; Aretin bemerkt über die Gründe, die zu seinem Auftrag geführt hatten, „es habe sich während der Beratungen über den Entwurf von 1811 gezeigt, daß eine größere Annährung an den Codex Maximilianeus wünschenswert wäre; . . .“ 392
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behalten und nur die Änderungen vorgenommen werden, die infolge der Bestimmungen der Konstitution und der organischen Edikte, sowie der „geänderten Zeitumstände“ notwendig waren. Aretin als Führer der altbayerischen Partei und Herausgeber zahlreicher konservativ-patriotischen Flugschriften war für eine solche Überarbeitung mit begrenztem Umfang der geeignete Mann.395 Trotzdem wollte sich Aretin im Eherecht deutlich vom CMBC abgrenzen. So findet sich in den von ihm verfaßten Rechenschaften zum Entwurf ein Hinweis darauf, daß die Materie des Eherechts verändert werden solle, weil sie mangelhaft bzw. nicht mehr zeitgemäß geregelt sei,396 aber vor allem, weil „in Bezug auf die Staatsgewalt hellere Begriffe allgemein geworden sind“; dies betreffe „z. B. die landesfürstliche Gesezgebung und dispensations Recht in Ehesachen“.397 Außerdem wurden in der Rechenschaft Zusätze für das Ehegesetz angekündigt, weil das Eherecht „wirklich vorhin zu mangelhaft behandelt“ war.398 Trotz der stärkeren Rückbesinnung auf das bayerische Landrecht von 1756, hat Aretin sogar einen Abschnitt über den Zivilstand aus dem Code Civil übernommen.399 Der von Aretin zu erarbeitende Gesetzbuchentwurf sollte möglichst schnell fertig gestellt werden, er sollte am 1. 10. 1818400 als allgemeines Gesetzbuch im Königreich Bayern, allerdings mit Ausnahme des Rheinkreises, in Kraft treten. Diese Eile bei der Erstellung des Entwurfs401 führte an vielen Stellen zu einer technisch schlechten Ausarbeitung. Auch dieser Entwurf scheiterte jedoch, denn der König wollte kurz vor Inkrafttreten der Verfassung 1818 nicht ohne die Mitwirkung der Ständeversammlung ein neues Zivilgesetzbuch veröffentlichen.402 Der Beschluß der Einführung wurde vor allem auf das Betreiben von Gönner rückgängig gemacht.403 Gönner mag sich Hoffnungen darauf gemacht haben, daß der von ihm mitverfaßte Entwurf von 1811 nochmals debattiert würde, was 1821 auch geschah,404 ohne daß er jedoch Gesetz wurde. Damit kam es auch in der Regierungsperiode Max VI./I. Joseph zu keinem umfassenden neuen Eherecht in Bayern. 395
Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 146, vgl. auch Fn. 30 m. w. N. Mot. BE III, S. 2. 397 Mot. BE III, S. 17. 398 Mot. BE III, S. 14. 399 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 162. 400 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1474 Fn.19. 401 Der Entwurf „Neuverbessertes allgemeines Bayerisches Land-Recht“ befindet sich als handschriftliches Manuskript samt den Motiven im Bayerischen Hauptstaatsarchiv Staatsrat 2184–2195. Vgl. hier Auszug zum Eherecht im Anhang. 402 Schwartz, ABR I (1889), S. 124. 403 Schwartz, ABR I (1889), S. 124. 404 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1473 Fn. 16. 396
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
e) Zusammenfassung Nach einer sehr ungeordneten Anlaßgesetzgebung im bürgerlichen Recht, vor allem dem Eherecht, in den ersten Jahren seiner Regierungszeit war Max IV./I. Joseph bemüht, eine neue Zivilrechtskodifikation für Bayern zu schaffen. Alle Entwürfe, die in den Jahren 1808 bis 1816 entstanden waren, scheiterten jedoch. Der Entwurf Feuerbachs aus den Jahren 1808/09 hätte die radikalsten Neuerungen im Eherecht gebracht. Die unter napoléonischem Einfluß angestrebte völlige Trennung von Staat und Kirche hätte zur Einführung der obligatorischen Zivilehe in Bayern geführt. Mit dem Nachlassen des außenpolitischen Einflusses Napoléons konnten sich die Gegner dieses Entwurfs, der im Eherecht den Code Civil nahezu vollständig übernommen hatte, mehr Gehör verschaffen. Die beiden Folgeentwürfe aus den Jahren 1811 und 1816 brachten lediglich Überarbeitungen des CMBC. Sie übernahmen aber alle staatskirchlich motivierten Änderungen, die bereits im Verordnungswege eingeführt worden waren. Dabei konnte man sich zudem auf die Rechtsentwicklung in Österreich stützen. Die Übernahme von staatlichem Eheordnungsrecht in diese Entwürfe macht nochmals deutlich, daß Eherecht untrennbar ordnungsrechtliche und privatrechtliche Komponenten vereint, weshalb eine vollständige Betrachtung staatlichen Eherechts über die Erörterung von Privatrechtsquellen hinausgehen muß. Selbst der konservativste Entwurf von Aretin beruhte auf der Annahme, daß der Staat eigene Ehehindernisse etablieren und kirchliche Ehehindernisse beschränken dürfe, um staatliche Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. Beide Entwürfe regelten – wenngleich unter Vermeidung konfliktträchtiger Begriffe wie „divortium“ oder „Scheidung dem Bande“ nach – die Ehescheidung. Alle drei Entwürfe hätten damit anders als der CMBC nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach, eigenes staatliches Eherecht geschaffen. Nach dem Scheitern der Entwürfe blieb es bei der unübersichtlichen Rechtslage in Ehesachen, die sich durch das Inkrafttreten des Konkordats im Jahre 1817 nochmals verkomplizieren sollte (dazu gleich II. 6.).
6. Das Konkordat von 1817
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6. Das Konkordat von 1817 a) Abschluß und Ratifizierung des Konkordats Am 5. Juni 1817 wurde zwischen dem bayerischen Staat und dem Hl. Stuhl ein Konkordat405 geschlossen. Am 22. Juli 1818 wurde das Konkordat wie vereinbart als bayerisches Staatsgesetz veröffentlicht,406 allerdings jedoch als Anhang Nro. I zum § 103 des Abschnittes IV „Von dem Verhältniße verschiedener Religions-Gesellschaften gegeneinander“, Kap. II des Religionsediktes.407 Kurz vor dieser Veröffentlichung waren nämlich am 26. Mai 1818 in Bayern eine neue Verfassung, im Gesetzblatt veröffentlicht am 6. Juni 1818,408 und ein neues Religionsedikt, im Gesetzblatt veröffentlicht am 17. Juni 1818,409 ergangen. b) Regelungen des Konkordats mit möglichen Auswirkungen auf das Eherecht Das Konkordat von 1817 enthielt für den Bereich des materiellen Eherechts keine ausdrücklichen Regelungen. Allerdings könnten Veränderungen durch generelle Anordnungen im Konkordat eingetreten sein. Im ersten Artikel des Konkordates wurde vereinbart, daß „die römisch katholische-apostolische Religion [. . .] in dem ganzen Umfange des Königreichs Baiern und in den dazu gehörigen Gebieten unversehrt mit jenen Rechten und Prärogativen erhalten werden [wird], welche sie nach göttlicher Anordnung und den canonischen Satzungen zu genießen hat“.410 Dazu kam eine für das bisherige durch den bayerischen Staat erlassene Eherecht noch viel ein405 Diesem war eine langwierige Entstehung vorangegangen. Vgl. Silbernagl, Verfassung, S. 3; Lerchenfeld, Geschichte (1883); Doeberl, Konkordatsverhandlungen (1924); Geiger, Konkordat (1918); Sicherer, Staat (1874); Kucharzik, Kirchenpolitik, S. 42 ff. Es war vor allem immer wieder zu Problemen bezüglich der vom Staat gewährleisteten Parität und den überkonfessionellen Regelungen gekommen, auch im Bereich des Mischehenrechtes. 406 Gbl. 1818, Sp. 399 f.: „Conventio inter Sanctissimum Dominum Pium VII. Summum Pontificem et Majestatem Suam Maximilianum Josephum Bavariae Regem. = Uebereinkunft zwischen Sr. Heiligkeit Pabst Pius VII. und Sr. Majestät, Maximilian Joseph, König von Baiern“. 407 Gbl. Bayern 1818, Sp. 178. Für diese späte Publizierung des Konkordates als Staatsgesetz gab es natürlich auch Gründe. Vgl. Silbernagl, Verfassung, S. 5: Leitende Staatsmänner hatten sogar grundsätzliche Bedenken das Konkordat als Staatsgesetz zu verkünden. Vor allem war es aber der nicht geglückte Versuch, die sogenannten Majestätsrechte wie das Oberaufsichtsrecht, das landesherrliche Supremat etc. in das Konkordat mit aufzunehmen. 408 Gbl. Bayern 1818, Sp. 101 ff. 409 Gbl. Bayern 1818, Sp. 149 ff.
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schneidendere Vorschrift, die lautete: „Durch die gegenwärtige Uebereinkunft werden die bisher in Baiern gegebenen Gesetze, Verordnungen und Verfügungen, in so weit sie derselben entgegen sind, als aufgehoben angesehen“, Art. 16.411 Eine ausdrückliche Regelung fand sich zudem bezüglich der geistlichen Ehegerichtsbarkeit für Katholiken in Art. 12 des Konkordates: „In Leitung der Diöcesen sind die Erzbischöfe und Bischöfe befugt, alles dasjenige auszuüben, was ihnen vermöge ihres Hirtenamtes Kraft der Erklärung oder Anordnung der canonischen Satzungen nach der gegenwärtigen und vom heiligen Stuhle bestätigten Kirchen-Disciplin zusteht, und insbesondere: [. . .] c) Geistliche Sachen und insbesondere Ehesachen, welche nach dem Canon 12. Sess. 24. des heiligen Concilium von Trient vor den geistlichen Richter gehören, bey ihrem Gerichte zu verhandeln und zu entscheiden [. . .]“.412 Durch diese Vorschriften wäre das bayerische Eherecht zugunsten des kanonischen Rechts beseitigt worden.413 Die katholische Kirche, die die alte Vorherrschaft bzw. den Vorrang des kanonischen Rechtes in Bayern wieder herstellen wollte,414 hätte ihr Ziel erreicht. c) Konfligierende Regelungen in Verfassung und Religionsedikt – Normwidersprüche und Überschneidungen Die Verfassung von 1818 gewährte wie die Verfassung von 1808415 die vollkommene Gewissensfreiheit und die gleichberechtigte Stellung aller christlicher Konfessionen im Staat, Tit. IV § 9,416 mit der näheren Ausge410 Gbl. Bayern 1818, Sp. 401 f.: Articulus I: Religio Catholica Apostolica Romana in toto Bavariae Regno terrisque ei subjectis sarta tecta conservabitur cum iis juribus, et praerogativis, quibus frui debet ex Dei ordinatione, et Canonicis sanctionibus. 411 Gbl. Bayern 1818, Sp. 433 f.: Art.XVI: Per praesentem Conventionem Leges, Ordinationes et Decreta in Bavaria huc usque lata, in quantum illi adversantur, abrogata habebuntur. 412 Dieser Artikel war jedoch nur für die Gebiete diesseits des Rheins in Kraft getreten. Vgl. dazu die Erklärung vom 12. Juni 1818, durch die die Verfassungsurkunde im Rheinkreis verkündet wurde. Abgedruckt nach dem Amtsblatt S. 717 bei Siebenpfeiffer, HdB, Bd 1, S. 117 f. 413 Vgl. dazu auch Sicherer, Eherecht, S. 21. Dies war auch erklärtes Ziel von der Kurie, die die ersten Ermahnungen von 1803 und 1805 wegen zu großer Toleranz gegenüber den Akatholiken mit zur Grundlage für die Konkordatsverhandlungen machte. Vgl. zu den Beschwerden der Kurie hier Kap. II. 414 Doeberl, Verfassungsleben, S. 38; anonymer Aufsatz „Das bayerische Konkordat im Verhältnisse zum Religionsedikt, respektive zur II. Beilage der bayerischen Verfassungsurkunde, in: Lipperts Annalen, 1831, 1, S. 6 f.; Sicherer, Staat, S. 189 ff.; Sicherer, Eherecht, S. 8 Fn. 1. 415 Regbl. Bayern 1808, Sp. 988: Tit. 1 § VII.
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staltung im Religionsedikt, wo „die äußern Rechts-Verhältnisse der Einwohner des Königreichs Baiern in Beziehung auf Religion und Kirchliche Gesellschaften“ geregelt waren417. Inhaltlich knüpfte man an die bisherige Praxis und die ergangenen Normen hinsichtlich der gemischten Konfessionslage an und konsolidierte damit die Parität der christlichen Bekenntnisse im Land. Dieses Religionsedikt enthielt wie das vorherige Edikt vom 24. März 1809418 auch Regelungen zur religiösen Erziehung von Kindern aus gemischten Ehen. Diese wurden im Abschnitt I Kap. III in den §§ 12–21, 23 geregelt. Es blieb bei der den Eltern frei überlassenen Wahl der Konfession der Kinder, die in einem gültigen Ehevertrage, § 13, festgehalten werden konnte, § 12. Bestand kein solcher Ehevertrag bestimmte das Edikt in § 14, daß die Töchter in der Religion der Mutter und die Söhne in der Religion des Vaters zu erziehen seien. Die Religion der Kinder konnte auch bei Tod oder Scheidung der Eltern nicht beliebig abgeändert werden. Allenfalls wenn die gemischtkonfessionelle Ehe der Eltern sich in eine reinkonfessionelle verwandelte, und die Kinder nicht durch Kommunion bzw. Konfirmation als Mitglied vollständig in ihre Kirche aufgenommen worden waren, folgten die Kinder der nun einheitlichen Konfession der Eltern, § 18. Die Vorschriften entsprachen zum Teil wörtlich den Regelungen des Religionsedikts von 1809.419 Hinsichtlich der Ehegerichtsbarkeit hieß es im Abschnitt II „Von Religions- und Kirchengesellschaften, Kap. II § 38: „Jeder genehmigten Privatoder öffentlichen Kirchen-Gesellschaft, kömmt unter der obersten StaatsAufsicht nach den im III. Abschnitte enthaltenen Bestimmungen die Befugniß zu, nach der Formel und der von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung ihrer Kirche, alle inneren Kirchen-Angelegenheiten anzuordnen. Dahin gehören die Gegenstände: [. . .] h) der Ausübung der Gerichtsbarkeit in rein geistlichen Sachen; nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchen-Pflichten einer Kirche, nach ihren Dogmen, symbolischen Büchern und darauf gegründeter Verfassung.“420 Im dritten Abschnitt des Religionsediktes „Verhältniße der im Staate aufgenommenen Kirchen-Gesellschaften zur Staats-Gewalt“, Kap. II „In ihren bürgerlichen Handlungen und Beziehungen“, § 64, wird ausgeführt: Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als 416
Gbl. Bayern 1818, Sp. 117. Vgl. Blge II in: Gbl. Bayern 1818, Sp. 149 ff. 418 Kap. II.4.b.hh. 419 Regbl. Bayern 1809, Sp. 900 f. §§ 14–17, vgl. auch Kap. II.4.b.hh. 420 Gbl. Bayern 1818, Sp. 158 f. Vgl. gleichen Wortlaut im Religionsedikt vom 24. März 1809, Abschnitt II, Kap. II § 42 in: Regbl. Bayern 1809, Sp. 904 f. 417
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weltliche Gegenstände erklärt: [. . .] d) Ehe-Gesetze, in so ferne sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkungen betreffen“.421 In § 65 heißt es weiter: „In allen diesen Gegenständen kömmt der Staatsgewalt allein die Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit zu.“422 Damit standen sich in verschiedenen Bereichen, vor allem auch im Eherecht,423 Normen der Verfassung bzw. des Religionsedikts und des Konkordates mit sich widersprechendem oder überschneidendem Inhalt gegenüber.424 Dies gilt insbesondere für das interkonfessionelle Eherecht aber auch für die Ehegerichtsbarkeit. Die Bereinigung dieses Konfliktes beschäftigte Politiker und Juristen während des ganzen Jahrhunderts.425 Jedenfalls mit der Verkündung des Konkordats als staatliches Gesetz entfalteten dessen Vorschriften auch innerstaatlich ihre rechtlichen Wirkungen und könnten die Rechtslage gravierend verändert haben. d) Die Auseinandersetzungen mit dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat Diese Situation führte zu erneuten Auseinandersetzungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat.426 Die katholische Kirche sah durch das Inkrafttreten der Verfassung und des Religionsediktes den Vollzug des Konkordates in bestimmten Bereichen beeinträchtigt und damit ihre sicher geglaubten Rechte erneut in Gefahr.427 421
Gbl. Bayern 1818 Sp. 167. Vgl. gleichen Wortlaut im Religionsedikt vom 24. März 1809, Abschnitt III, Kap. II § 74 d) in: Regbl. Bayern 1809, Sp. 913. 422 Gbl. Bayern 1818 Sp. 168. Vgl. gleichen Wortlaut im Religionsedikt vom 24. März 1809, Abschnitt III, Kap. II § 75 in: Regbl. Bayern 1809, Sp. 913. 423 Seydel, BayStaatsrecht, Bd 6, Tlbd 1, S. 15: „Ein das bürgerliche Leben tief berührender Kampf zwischen der weltlichen und geistlichen Gewalt, bei welchem der Widerstreit von Concordat und Religionsedict eine Rolle spielte, entspann sich alsbald hinsichtlich des Eherechtes und insbesondere der gemischten Ehen. 424 Stahl, Rechtsgutachten, S. 64–70, wobei aus Stahl nicht hervorgeht, daß vor allem auch das Eherecht von den Konflikten betroffen war. Silbernagl, Verfassung, S. 7; Strodl, Recht der Kirche, S. 32 ff., 42 ff., S. 101 Ehesachen ebd. insb. S. 44, 55, 75; Strodl, Concordate, S. 18 ff. Eine Zusammenstellung der konfligierenden Normen bei Kucharzik, Kirchenpolitik, S. 63 ff.; Wallerstein, Beiträge, S. 131, sieht keinen Widerspruch zwischen Konkordat und Religionsedikt, der behoben werden müßte. 425 Vgl. hier später Kap. II.6.f. 426 Schrift von einem „Baierischen Patrioten“ „Bemerkungen ueber die Verfassungsurkunde des Koenigreichs Baiern“ Germanien 1818, S. 14: Über den Vertrag sagte er aus, daß er hätte nie geschehen dürfen. 427 Diese Gefährdung durch das bis dahin bestehende staatliche Recht bestand vor allem auch im Eherecht, da bereits am Anfang des Jahres 1819 der apostolische Nuntius versuchte auf der Grundlage des Konkordates die Regierung zur Rück-
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Aus dem Jahre 1819 existiert eine umfangreiche Mitteilung des Hl. Stuhls an die bayerische Regierung, die vor allem als wichtigstes Aktenstück eine Lehrauseinandersetzung über die bayerische Verfassung enthielt.428 Dort wurde vor allem der Widerspruch zu katholischen Auffassungen bei den interkonfessionellen Bestimmungen des bayerischen Verfassungsrechtes gerügt.429 Insbesondere wurden die Bestimmungen des Religionsedikts über die religiöse Kindererziehung in gemischten Ehen und die Einschränkungen des Kirchenrechts auf das rein geistliche Gebiet kritisiert. Im Konkordat sei die schrankenlose Geltung kanonischen Rechts vereinbart worden. Sollte aber das Religionsedikt auch für die Katholiken in Geltung bleiben, würde der ordentliche Vollzug des Konkordats vereitelt. Die bayerische Regierung berief sich in ihrer Antwort, die lang auf sich hatte warten lassen, auf den westfälischen Frieden und die Wiener Bundesakte, nach denen allen christlichen Konfessionen gleiche Rechte zuständen. Eine Abweichung von diesen Verträgen stehe außerhalb der Macht des Königs. Deswegen könne er bei gemischten Ehen nicht verbieten, daß die Kinder in der Religion ihren Eltern folgen.430 Diese Ausführungen hatten dennoch zur „schmerzlichsten Enttäuschung“ beim Papst geführt.431 Bezüglich der durch das Konkordat begründeten geistlichen Gerichtsbarkeit in Ehesachen hatte es eine Petition zur Beseitigung der kirchlichen Jurisdiktion in Ehesachen kurz nach der Eröffnung der Ständeversammlung in der zweiten Kammer gegeben, wie dem Bericht des Grafen de la Garde an den Marquis de Dessolle v. 21. 3. 1819 zu entnehmen ist.432 Außerdem gab es kontroverse Diskussionen zu der Frage, ob durch die im Konkordat festgesetzte geistliche Ehegerichtsbarkeit für die Katholiken die Garantie der sog. Pfälzer Institutionen verletzt sei, „oder ob es auch in der Pfalz eine Kontinuität in der Ausübung geistlicher Gerichtsbarkeit gäbe“433.
nahme der Verordnung vom 25. September 1814 zu veranlassen, wo man die Trauung der gemischten Ehen durch den akatholischen Priester gestattet hatte. Die Ausweitung dieser Forderung auf das gesamte interkonfessionelle Recht des bayerischen Staates war zu befürchten. Vgl. Sicherer, Eherecht, S. 38 f. 428 Sicherer, Staat, S. 303. 429 Sicherer, Staat, S. 304 und Quelle bei Höfler, Constitutionseid, S. 143 f., 146. Dazu gehörte auch die generelle Kritik an der Gleichstellung der katholischen Religion mit den anderen Bekenntnissen wie des lutherischen und des calvinistischen. 430 Sicherer, Staat, S. 317 f. 431 Sicherer, Staat, S. 319. 432 Chroust, Gesandtschaftsberichte, Abt. I, Bd I, S. 91. 433 Demel, Staatsabsolutismus, S. 328 Fn. 249.
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e) Die Tegernseer Erklärung und ihre Einordnung Zur Beilegung vor allem des Konfliktes bezüglich der Stellung von Religionsedikt und Konkordat kam es nach längeren Verhandlungen434 schließlich zur königlichen Erklärung von Tegernsee am 15. September 1821. Sie endete mit folgender Wendung: „Nachdem die wichtigsten Anstände, welche bisher den Vollzug des mit dem päpstlichen Stuhle unterm 5. Juni 1817 abgeschlossenen und von Uns unterm 24. October des nämlichen Jahres ratificirten Concordats verzögert haben, nunmehr beseitigt sind, so ist es Unser Wille, dass dasselbe in allen seinen Theilen in volle Ausübung gebracht und das hiernach der Publication und der Vollziehung, der zur Ausführung der Circumscription der neune Diöcesen in Unserm Königreiche unterm 1. April 1818 ergangenen päpstlichen Bulle, welche anfängt mit den Worten: „Deu ac Domini Nostri Jesu Christi“, nebst den darauf sich beziehenden Executions-Decreten des für dieses Geschäft von Seiner päpstlichen Heiligkeit an Unser Hoflager in der Person des Herrn Franz Serra, aus dem herzoglichen Geschlechte Cassano, Erzbischofes von Nicäa, abgeordneten apostolischen Nuntius kein weiters Hinderniss gesetzt werden soll. (. . .) Auch erklären Wir neuerdings, dass das Concordat, welches als Staatsgesetz gilt, als solches angesehen und vollzogen werden soll, und dass allen Behörden obliege, sich genau nach seinen Bestimmungen zu achten.“435 Die Kirche gab sich mit dieser Erklärung zufrieden. Man hatte jedoch keine echte Einigung erzielt; es war lediglich ein Formelkompromiß zustande gekommen. Die Regierung war tatsächlich nicht bereit, an der bestehenden Lage etwas zu verändern und „Rom“ gab sich mehr oder weniger geschlagen.436 Die Erklärung hatte an dem bestehenden Normenkonflikt also nichts geändert, sondern ihn nur gut bemäntelt.437 „Die Kirche hatte sich dem Staat unterzuordnen, und wie schon die Regierung im allgemeinen weit davon entfernt war, sich von irgend jemandem vorschreiben zu lassen, was im Interesse des Gemeinwohls zu tun oder zu unterlassen sei, so galt dies natürlich besonders für Initiativen aus kirchlichen Kreisen.“438 434 Sicherer, Staat, S. 320 ff. Der Hl. Stuhl versuchte mit allen Mitteln, sein Ziel des Vorrangs des Konkordates vor der Verfassung durchzusetzen. Es wurde bei der Aushandlung der klärenden Formulierung zur Bedeutung des Verfassungseides und des Verhältnisses des Konkordates zur Verfassung bzw. Religionsedikt über zwei Jahre hinweg über beinah jedes Wort gestritten. Die Regierung gab jedoch nicht klein bei. Sie trug die Verantwortung auch für die evangelischen Glaubensgenossen im Lande, deren Rechte durch die von Rom geforderten Veränderungen deutlich geschmälert worden wären. 435 Sicherer, Staat, S. 335 f. und dort Fn. 106. 436 Sicherer, Staat, S. 336 unten ff. 437 Hacker, Beziehungen, S. 7. 438 Demel, Staatsabsolutismus, S. 310.
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f) Der Streit über die Rechtsnatur des Konkordates in der Lehre Abgesehen von dieser inhaltlichen Schwäche und Aussagelosigkeit der königlichen Erklärung, konnte sie auch rein juristisch betrachtet nichts an der bestehenden Situation verändern, denn formell fehlte es dem König an der Kompetenz, durch seine Erklärung einen Legislativakt zu beseitigen bzw. zu verändern. Dieser Einwand war bereits unter Zeitgenossen laut geworden.439 Allerdings war diese Einschätzung der Lage nicht unumstritten. Es fanden sich auch vehemente Verteidiger der Tegernseer Erklärung, die den ursprünglichen Konflikt zwischen Konkordat und Verfassung sowie Religionsedikt beseitigt habe. Ein anonymer Aufsatz „Das bayerische Konkordat im Verhältnisse zum Religions-Edikte, resp. zur II. Beilage der bayerischen Verfassungs-Urkunde“440 vertrat, daß die Widersprüche durch den König am 15. September 1821 zugunsten des Konkordats bereinigt worden seien: „Dieses allerhöchste Reskript verfügt, „daß das Konkordat in allen seinen Theilen in volle Ausübung gebracht werde,“ und sonach ist es eo ipso alles gesetzlich zurückgenommen, was der vollen Ausführung des Konkordats im Wege steht. Die Konstitution sammt den ihr angehängten Edikten kann den Katholiken zu Nichts verbinden, was den göttlichen Gesetzen oder den katholischen Kirchensatzungen entgegen wäre.“441 Das Argument, daß der König nicht einseitig ohne Zustimmung der Stände des Reichs Interpretationen des Inhalts der Verfassung abgeben könne, da bereits die Verfassung in Kraft war, wird damit entkräftet, daß die Verfassung oktroyiert sei, also ein Geschenk, so daß der König allein nur wisse, wie sein Geschenk verstanden werden müsse. Er könne also die Verfassung auch einseitig interpretieren.442 Auch im Staatslehrbuch von Cucumus von 1825443 wurde der Konflikt zwischen Konkordat und der nachfolgenden Verfassung in diese Richtung gelöst. Die eingeschränkte Anwendung des Konkordats durch die Bestimmungen vor allem des Religionsediktes werde durch die Tegernseer Bekanntmachung des Königs behoben.444 439
Anonymus, Lipperts Annalen, 1831, 1, S. 19. Anonymus, Lipperts Annalen 1831, 1, S. 5 ff. Anonymus, Verfassungsurkunde, S. 14 befürwortete auch die einseitige Abänderung des Konkordates durch den König zugunsten des bayerischen Staates. 441 Anonymus, Lipperts Annalen 1831, 1, S. 17, 18. 442 Anonymus, Lipperts Annalen 1831, 1, S. 19. 443 Cucumus, Lehrb., S. 562. 444 Cucumus, Lehrb., S. 562: „Erst durch eine Bekanntmachung vom 15. September 1821 erklärte der König das Konkordat nach Beseitigung der wichtigsten Anstände als Staatsgesetz (Art. XVIII des Conc.) vollziehbar, auch daß der von den katholischen Unterthanen auf die Constitution abzulegende Eid sich lediglich auf die bürgerlichen Verhältnisse beziehe, sie also dadurch zu nichts verbindlich ge440
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Mit etwas Abstand zu den Geschehnissen kam man in der Mitte des 19. Jahrhunderts anläßlich erneuter Auseinandersetzungen mit dem Episkopat, das verkündet hatte, die zweite Beilage der Verfassung niemals anzuerkennen,445 überwiegend zu der Einschätzung, daß die Tegernseer Erklärung nicht geeignet war, das bestehende Verhältnis von Religionsedikt, Verfassung und Konkordat zu ändern.446 Inhaltlich war sie nicht geeignet, weil sie bestehende Widersprüche leugnete, aber auch formell konnte die Tegernseer Erklärung am bestehenden Zustand nichts mehr ändern, weil der König nach dem Inkrafttreten der Verfassung ohne die Zustimmung der Stände keine Auslegung der Gesetze mehr vornehmen konnte. Inwieweit das Konkordat das staatliche Eherecht überhaupt verändern konnte, hängt letztlich von der rechtlichen Beurteilung dieses Regelungswerkes ab. Aus völkerrechtlicher Sicht entfaltete das Konkordat bis zum 26. Mai 1818 als ratifizierter bzw. ratihabierter447 völkerrechtlicher Vertrag nur Bindungswirkung unter den Vertragspartnern, also dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat, besaß jedoch keinerlei Wirkung gegenüber den „Untertanen“, denn es war als staatliche Rechtsnorm noch nicht existent. Diese Auffassung wurde jedenfalls bereits 1851 von Pözl vertreten.448 Als Begründung gab er zum einen die Natur der Sache an, aber auch den Wortlaut des Konkordates selbst, wo es in Art. XVIII heißt, daß der König das Konkordat als Staatsgesetz erklären werde. Zum Teil wurde dem Konkordat der völkerrechtliche Charakter449 abgesprochen. Andere vertraten, daß das Konkordat als bloßer Staatsvertrag natürlich die Kontrahenten mit der Ratifizierung band und das Volk „schon vor der Erlangung seiner Constitution sich durch seinen König verpflichtet hatte, jenen Vertrag genau zu beobachten“450 oder sich die Gültigkeit des Konkordates für die bayerischen Katholiken aus der Promulgation durch die macht würden, was den göttlichen Gesetzen oder den kath. Kirchensatzungen entgegen wäre.“. 445 Silbernagl, Verfassung, S. 7. 446 Stahl, Rechtsgutachten, S. 71; Pözl, Lehrb.1, S. 29; Strodl, Concordate, S. 25. 447 Von Bayern wurde der Vertrag am 14. Oktober (teilweise liest man auch 24. Oktober, so z. B. Anonymus Lipperts Annalen 1831, 1, S. 16 und in: Höfler, Constitutionseid, S. 50 und vom römischen Stuhl am 15. November 1817 ratihabiert. Pözl, Lehrb.1, S. 28. 448 Pözl, Lehrb.1, S. 28. Von einem völkerrechtlichen Vertrag geht auch aus Stahl, Rechtsgutachten, S. 72, 74 f. 449 Silbernagl, Verfassung, S. 4 f., spricht dem Konkordat den völkerrechtlichen Charakter ab, die Kirche sei keine auswärtige Macht und bilde auch keinen Staat im Staate. Bei Konkordaten handele es sich vielmehr um Verträge, „wodurch die Kompetenz zweier in ihrer Sphäre selbständigen aber in Bezug auf den äußeren Bestand gegenseitig sich bedingenden Gewalten im Staat reguliert wird“. 450 Höfler, Constitutionseid, S. 52.
6. Das Konkordat von 1817
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„höchste Autorität der Kirche“ aufgrund ihres „Zusammenhanges mit der Gesammtkirche“ sich ergebe.451 Dieses Verständnis dürfte den Vorstellungen der kirchlichen Kreise entsprochen haben, die die Veröffentlichung des Konkordates als Staatsgesetz im Zusammenhang mit der Verfassung und dem Religionsedikt im folgenden Jahr als große Enttäuschung empfunden hatten.452 Andere wählten einen rein zeitlichen Ansatz, um den Nachweis zu erbringen, daß jedenfalls innerstaatliche Normen durch das Konkordat nicht außer Kraft getreten seien. Mit der gleichzeitigen Bekanntmachung von Konkordat und Religionsedikt entkräftete ein Autor sofort die Überlegung, daß das Konkordat das Religionsedikt von 1809 außer Kraft gesetzt haben könne.453 Auch Stahl454 schrieb, daß wenn man das Konkordat als ein inländisches Staatsgesetz betrachte, sich zwischen ihm und dem Religionsedikt kein zeitlicher Vorrang feststellen lasse: „Denn beide sind gleichzeitig als Ein sich ergänzendes Gesetz verkündet, und daß der ursprünglichen Entstehung nach das Konkordat später ist als das Religionsedikt von 1809, und wieder das Religions-Edikt von 1818 später als das Konkordat, kann nichts entscheiden.“ Diese Art der Betrachtung erfaßt jedoch nicht das ganze Problem. Der Vorrang eines Gesetzes vor einem anderen ist vor allem abhängig von der Einordnung in die Gesetzeshierarchie. Allerdings wurde in der Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat mit diesem Problem häufig unjuristisch umgegangen. Man sprach von Einschränkungen, Beeinträchtigungen und Widersprüchen des Konkordats, ohne genau zu klären, wie sich die verschiedenen Normen zueinander verhalten. Es ging vor allem um den eingeschränkten Vollzug des Konkordats. Diese Idee wurde auch von Cucumus455 aufgenommen, der sich auf § 103 Abschnitt IV Kapitel II des Religionsediktes berief, wo es hieß: „Dieses allgemeine Staats-Grundgesetz bestimmt, in Ansehung der Religions-Verhältnisse der verschiedenen Kirchen-Gesellschaften, ihre Rechte und Verbindlichkeiten gegen den Staat, die unveräußerlichen Majestätsrechte des Regenten, und die jedem Unterthan zugesicherte Gewissensfreiheit Religionsausübung.“ Nur „in Ansehung der übrigen innern Kirchenangelegenheiten sind die weitern Bestimmungen, in Beziehung auf die katholische Kirche, in dem mit dem päpstlichen Stuhle abgeschlossenen Concordat vom 5. Junius 1817 [. . .]“456 maßgeblich. 451 452 453 454 455 456
Strodl, Concordate, S. 24. Sicherer, Staat, S. 189 ff. Anonymus, Lipperts Annalen, 1831, 1, S. 12 f. Stahl, Rechtsgutachten, S. 72. Cucumus, Lehrb., S. 562. Gbl. Bayern 1818, Sp. 178 ff.
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Auch spätere Autoren457 waren der Auffassung, daß das Konkordat nicht mit dem ganzen Inhalt Staatsgesetz geworden sei, sondern nur soweit dies in § 103 angeordnet sei, d. h. nur für die Bereiche, die nicht im Religionsedikt geregelt waren.458 Stehe also eine Konkordatsbestimmung im Widerspruch zu einer Bestimmung im Edikt, könne nur die Regelung des Ediktes zur Anwendung kommen, da die Konkordatsregelung schon gar keine Gesetzeskraft besitze. Dadurch könne zwar der König Art. XVIII des Konkordats verletzt haben; dies sei aber eine völkerrechtliche Frage und deswegen hier irrelevant.459 Aus dieser Sicht kam es zu keinem echten Normenkonflikt, weil das Konkordat insoweit es dem Religionsedikt widersprach, nicht als bayerisches Gesetz existierte. Der Unterschied zwischen diesen beiden Meinungen war aber, daß Cucumus mit seiner Auffassung wohl der Ansicht der katholischen Kirche Recht gab und die Lösung des Konfliktes in der Tegernseer Erklärung sah, während Pözl den Widerspruch der Normen auf diesem Wege beseitigen wollte. Seine Meinung blieb aber nicht unwidersprochen.460 Das Konkordat ist nach Auffassung von Moys mit seinem ganzen Inhalt in Bayern in Kraft getreten und könne durch das allgemeinere Gesetz, die Verfassung, auch nicht teilweise verdrängt werden. Daß das Konkordat früher zustande kam, als die Verfassungsurkunde, ändere am Verhältnis von Konkordat zur Verfassung nichts zum Nachteil des ersteren. „Dessen Bestimmungen konnten durch diese jüngeren Gesetze keineswegs abrigiert werden, indem a) ein späteres allgemeines Gesetz an und für sich niemals einem früheren besonderen derogiert; b) zweiseitige Verträge überhaupt nicht durch einseitige Akte aufgehoben werden können, zumal wo weder Zwang noch Täuschung mituntergelaufen, und c) im Konkordate selbst ausdrücklich bestimmt ist, daß aa) die darin geregelten Punkte der inneren Kirchenverfassung nur nach der Lehre der katholischen Kirche und deren bestehender und anerkannter Disziplin geordnet, bb) die Anstände aber, die hierüber, oder über die Deutung und Ausführung des Konkordats künftig sich ergeben dürften, Pözl, Lehrb.1, S. 28 f. Pözl, Lehrb.1, S. 28 f. interpretierte diesen Teil des Religionsediktes als eine sogenannte Publikationsformel, die gemeinsam mit der Art der Publikation bestimme, in welchem Umfang das Konkordat in Bayern zum Staatsgesetz geworden sei. Pözls Ansicht teilten unter den Zeitgenossen: Henner, Kirchenfrage, S. 10 ff.; Stahl, Rechtsgutachten, S. 75 ff. 459 Pözl, Lehrb.4, S. 33 Fn. 7. 460 Vgl. Moy, Staatsrecht Tl I, Abt. I, S. 345: Das Verhältnis des Konkordates, oder des Anhanges I zur Verfassungsurkunde, zu dem Edikt Beilage II ist so zu verstehen, daß die Bestimmung des Edikts lediglich dazu da ist, die Hoheitsrechte des Königs überhaupt in Sachen der Religion und Kirche in der Verfassung zu garantieren und die Rechte der Protestanten neben der katholischen Kirche im Reiche zu sichern. 457 458
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nur durch beiderseitige Übereinkunft gehoben werden sollen, und cc) von Seite des Königs den Artikeln des Konkordats nie etwas beigefügt, oder daran etwas abgeändert, noch auch dieselben ausgelegt werden dürfen ohne Dazwischenkunft und Mitwirkung des apostolischen Stuhles.“461 So ergebe es sich aus dem Konkordat Artikel 17462. Vor allem lasse die Abfassung von Artikel 17 des Konkordates keinen Raum für einseitige Bestimmungen des Königs „über kirchliche Gegenstände und Personen“. „Konkordat und Religionsedikt bestehen also nebeneinander und wo letzteres in Gegenständen, die nicht das Verhältnis der geistlichen Gewalt zum katholischen Regenten betreffen, dem ersteren widerspricht, oder zu widersprechen scheint, muß ersteres, als die gesetzliche Ausnahme, dem letzteren, als der allgemeinen, nur vorbehaltlich der Ausnahmen aufgestellten Regel vorgehen.“463 Silbernagl hatte sich gegen einen doktrinellen Lösungsversuch sehr skeptisch geäußert. Nur die Gesetzgebung könne den Konflikt wirklich beseitigen und solange müsse das Konkordat loyal vollzogen werden.464 Die Auffassungen von Pölzl und von v. Moy haben vor allem aus heutiger juristischer Sicht ihre Schwächen. Es erscheint nicht richtig, wie Pözl annimmt, daß das Konkordat nur ausschnittsweise und in Abhängigkeit von der sogenannten Publikationsformel § 103 des Religionsediktes zum Staatsgesetz geworden sei. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn das Konkordat auch nur lückenweise im Bayerischen Gesetzblatt veröffentlicht worden wäre. Aber das Konkordat ist dort vollständig abgedruckt worden. Damit besteht ein echter Normenkonflikt von Konkordat und Religionsedikt bzw. Verfassung. Dieser jedoch kann auch nicht nach der Ansicht von v. Moy gelöst werden, zumindest ist von Moys Auffassung aus der heutigen staatsrechtlichen Sicht nicht nachvollziehbar. Zum einen verkennt von Moy den Zeitpunkt, wann das Konkordat Gültigkeit innerhalb des bayerischen Staates erlangt hatte,465 zum anderen ist die Verfassung kein späteres allgemeines Gesetz, 461
Moy, Staatsrecht Tl I, Abt. I, S. 345. Art. 17: Alles Uebrige, was kirchliche Gegenstände und Personen betrifft, wovon in diesen Artikeln nicht ausdrückliche Meldung geschehen ist, wird nach der Lehre der Kirche und nach der bestehenden und angenommenen Disciplin derselben behandelt werden. Sollte aber in Zukunft sich ein Anstand ergeben, so behalten Sich Seine Heiligkeit und Seine Königliche Majestät vor, Sich darüber zu benehmen, und die Sache auf freundschaftliche Weise beyzulegen. Gbl. Bayern 1818, Sp. 433 f.: Art. XVII: Caetere, quae ad res et personas Ecclesiasticas spectant, quorum nulla in his Articulis expressa facta est mentio, dirigentur omnia et administrabuntur juxta doctrinam Ecclesiae, ejusque vigentem et approbatam disciplinam. Si vero in posterum supervenerit difficultas, Sanctitas Sua, et Regia Majestas secum conferre et rem amice componere sibi reservant. 463 Moy, Staatsrecht, Tl I, Abt. I, S. 345. 464 Silbernagl, Verfassung, S. 7. 462
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sondern ihr kommt als Verfassung ein höherer Rang in der Normenhierarchie zu. Außerdem geht es bei der Inkraftsetzung als Staatsgesetz nicht um die Abänderung des Vertrages, die natürlich, wie im Konkordat festgehalten, nur durch beide Parteien möglich war, sondern nur um die vereinbarte Umsetzung des Konkordates in ein Staatsgesetz. Ein einfaches Staatsgesetz ist am übergeordneten Verfassungsrecht hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit zu überprüfen und im Konfliktfalle wird das widersprechende einfache Gesetz durch das Verfassungsrecht gebrochen.466 Andere Autoren versuchten den Konflikt zwischen Konkordat und Religionsedikt zugunsten des einen oder das anderen zu entscheiden. So war Stahl467 auch der Auffassung, daß das Konkordat als völkerrechtlicher Vertrag nicht gegen das Edikt ausgelegt werden dürfe. Als Gründe führte er ins Feld, daß Verträge immer zugunsten der Promittenten ausgelegt werden müßten.468 Der bayerische König könne aber nicht auf bestimmte Gegebenheiten wie die Parität der christlichen Konfessionen verzichten, so daß Art. I des Konkordates dahingehend zu verstehen sei, daß die katholische Religion in Bayern als öffentliche Kirche mit ihrer bestimmten hierarchischen Organisation aufgenommen worden sei. Dieses Verständnis ergebe sich aber selbstverständlich daraus, daß „ein öffentlicher Vertrag die wechselseitige Anerkennung der Eigentümlichkeit und Selbständigkeit der sich vertragenden Mächte voraussetzt, so können sich die Zugeständnisse eines Promittenten nur auf das beziehen, was er von seiner Macht, von seinem Rechte dem anderen Theile gewährt.“469 Zum zweiten könne das Konkordat in den fraglichen Anordnungen, wo es durch das II. Edikt eingeschränkt würde, ganz 465 Vgl. die Kritik in Pözls Rezension des Lehrbuches des bayerischen Staatsrechts von Dr. Ernst von Moy, in: NkJDtR, 6, 1847, S. 47 ff.; gegen Moy auch Dresch, Grundzüge, § 216 III 2. 466 Döderlein, Religionsedikt, S. 50 ff. Dieser Ansatz Döderleins war jedoch nichts Neues, denn bereits Henner schrieb 1854 in seinem Buch „Die Katholische Kirchen-Frage in Bayern“, S. 10 ff. (12, 13) das Folgende: „Hierarchisch ist das Concordat der Verfassung untergeordnet, d.h. vor allem auch dem Edikt. Dies geht insbesondere aus II § 103 hervor. Inwieweit dadurch der König vertragbrüchig wurde (Art. XVIII des Conc. 1817) ist eine völkerrechtliche hier nicht interessierende Frage, sondern diese geht nur die „Kabinette“ an nicht die Behörden und Untertane, die nach den geltenden Gesetzen handeln und leben müssen.“ Oeschey, Verfassungsurkunde, S. 133 meinte, aufgrund der Eingliederung des Konkordats als Staatsgesetz als Anhang zur Verfassung deute der Staat schon äußerlich an, „wo im allgemeinen und bei Auslegungsschwierigkeiten der Vorrang ruhe“. 467 Rechtsgutachten über die Beschwerden der Protestanten in Bayern, Berlin 1846, S. 74 f. 468 Stahl, Rechtsgutachten über die Beschwerden der Protestanten in Bayern, S. 75 verweist auf Heffter, Völkerrecht, § 95: „So kann denn vorab niemals bei unklarer Fassung die dem Rechtsstand des Promittenten, seinen und seines Volkes Wohl nachtheilige Deutung entscheiden; ist ein Recht verschiedener Abstufungen fähig, so darf zunächst nur die geringste Stufe als zugestanden angenommen werden.“
6. Das Konkordat von 1817
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grundsätzlich kein verbindender Vertrag sein, auch wenn es die Verfassung und das Religionsedikt nicht gäbe, weil dadurch wesentliche Souveränitätsrechte verloren gingen; derartige Majestätsrechte seien aber unveräußerliche Rechte.470 Und drittens sei das Konkordat ungültig, weil es gegen Bestimmungen des westfälischen Friedens verstoße. Damit versuchte Stahl dem Argument zu begegnen, daß das Religionsedikt gegenüber dem Konkordat ungültig sei, weil alles ungültig sei, was früheren Gesetzen widerstreite. Das Konkordat verstoße gegen den den bayerischen Fürsten seit Jahren bindenden Vertrag des westfälischen Friedens.471 Diese für uns heute gut nachvollziehbaren Argumente wurden besonders von Strodl juristisch wenig schlagkräftig angegriffen.472 Art. I könne nicht die Existenz als christliche Konfession mit der eigenen Organisation im Staate gewähren, weil die katholische Kirche schon immer da gewesen sei; deshalb spreche die Argumentation, Verträge seien immer zugunsten des Promittenten auszulegen, für die Superiorität des Konkordates. Die Einschränkung des Konkordats wegen ansonsten verlorengehender Souveränitätsrechte sei nicht möglich, weil man innerhalb der katholischen Kirche nicht mit dem Landeskirchentum argumentieren könne. Die Berufung auf den westfälischen Frieden wird überhaupt nicht ernst genommen, da er ohnehin ungültig sei. Vielmehr streicht Strodl heraus, daß das Konkordat auch als inländisches Staatsgesetz den Vorzug vor dem II. Edikt genieße, da der Zeitpunkt des Inkrafttretens irrelevant sei, das allgemeinere Staatsgesetz, wie das Edikt von dem spezielleren Konkordat derogiert werde. Die zum Teil unsaubere juristische Argumentation in dieser Frage mag zum einen an unklarer staatsrechtlicher Dogmatik liegen, doch die größere Schwierigkeit steckt in der Verwobenheit von Machtpolitik und juristischen Klärungsversuchen zugunsten der einen oder anderen Partei. Dieses Problem hat Sicherer in seinem Werk „Staat und Kirche in Bayern“473 Mitte der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts bereits erkannt: „Das Verhältnis von Religionsedikt und Concordat ist eine leicht zu lösende Rechtsfrage, wenn die landesherrliche Geltung des Concordats zu bestimmen ist; es ist eine unter grossen Erschütterungen zu lösende Machtfrage, wenn der Vorrang der päpstlichen vor der königlichen Gesetzgebung verwirklicht werden will. Dann ist der Widerstreit zwischen Religionsedict und Concordat nicht 469 Strodl, Recht der Kirche, S. 108/109. Allerdings wird diese Argumentation von Weber, Konzil, S. 21, fälschlicherweise „als Konstruktion eines Juristen, der ein allzu guter Anwalt seines Mandanten ist“ bezeichnet, obwohl es sich hier wohl um die einzig vertretbare Auffassung handelt. 470 Stahl, Rechtsgutachten, S. 75 ff. 471 Stahl, Rechtsgutachten, S. 78 f. 472 Strodl, Recht der Kirche, S. 115 ff. 473 S. 339, vgl. vorher auch S. 189 ff.
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der Widerstreit zweier Rechtsquellen, welche demselben Rechtskreise angehören, sondern der Widerstreit zweier Rechtssysteme, der Kampf zweier Herrscher, welche im Lande um das Uebergewicht ringen, mit Einem Worte der Kampf um die Souveränität.“ Damit lag das eigentliche rechtliche Problem darin, ob der König bzw. der bayerische Staat vertragsbrüchig geworden war, da es in Art. 18 ausdrücklich hieß: „Beyde contrahirende Theile versprechen für Sich und Ihre Nachfolger die genaue Beobachtung alles dessen, worüber man in diesen Artikeln gegenseitig übereingekommen ist, und Seine Königliche Majestät werden gegenwärtige Uebereinkunft als Staats-Gesetz erklären. Ferner versprechen Seine Königliche Majestät für Sich und Ihre Nachfolger, nie aus irgend einem Grunde den Artikeln dieser Uebereinkunft etwas beyzufügen, oder dieselben auszulegen ohne Dazwischenkunft und Mitwirkung des apostolischen Stuhls [. . .]“474 Doch dies ist für die Frage, ob das Konkordat und seine Regelungen bayerisches Eherecht zugunsten der kanonischen Auffassungen korrigiert hatte, irrelevant. Nachdem das Konkordat als einfaches Staatsgesetz mit allen Normen in Kraft getreten war und nun an der Verfassung gemessen werden mußte, konnte es nicht die Rechtslage in Bayern nach kanonischen Ansichten ändern, da das Religionsedikt die bisherige Rechtslage aufrecht erhalten hatte. Damit hatte sich am bayerischen Eherecht nichts geändert. Das Religionsedikt hatte im wesentlichen das staatskirchenrechtliche System von Montgelas bewahrt und stand damit im Gegensatz zum Konkordat, daß auf die Gleichordnung von Kirche und Staat aufgebaut war.475 Die Veröffentlichung des Konkordates als Anhang zu den Verfassungsgesetzen und damit einer „Ein- und Unterordnung“ dürfte ganz den Vorstellungen von Montgelas entsprochen haben, der den weiteren Weg des Konkordats wegen Amtsverlustes nicht mehr bestimmen konnte.476 Am Anfang der Regierungszeit von Ludwig I. hatte man sogar noch einmal an eine Revision des Religionsediktes gedacht, wozu der Innenminister Schenk Vorschläge anfertigen mußte, die aber kaum einschneidende Änderungen enthielten. Hinsichtlich der Vorschriften für Mischehen und die religiöse Kindererziehung sollten lediglich alle Kinder zukünftig in der Reli474 Gbl. Bayern 1818, Sp. 433 ff.; Art. XVIII: Untraque Contrahentium pars spondet Se, successoresque Suos omnia, de quibus in his Articulis utrinque conventum est, sancte servaturos, et a Majestate Regia praesens Conventio Lex Status declarabitur. Praeterea Majestas Sua Regia spondet, nihil unquam SE, Successoresque Suos, quavis de causa, Articulis, hujus Conventionis addituros, neque in iis quidquam immutaturos, vel eosdem declaraturos esse absque Sedis Apostolicae auctoritate et cooperatione. 475 Hacker, Beziehungen, S. 6. 476 Vgl. Gimbel, Wandel, S. 197.
6. Das Konkordat von 1817
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gion des Vaters erzogen werden.477 Der König jedoch wollte viel weiterreichende Änderungen, es sollten alle Vorschriften geändert werden, die im Widerspruch mit dem Konkordat standen. Allerdings hätten derartige Änderungen der Zustimmung der Ständeversammlung bedurft, die aber wegen der kirchenfeindlichen Haltung des Landtags nicht zu erwarten war. Aufgrund dieser Umstände und der Passivität des amtierenden Nuntius Mercy d’Argenteau wurde dieser Plan jedoch nicht verwirklicht.478 Für Demel479 ist die Veröffentlichung des Konkordates als Anhang zu einer Beilage zur Verfassung klarer Ausdruck für eine deutliche Grenzziehung zwischen Kirche und Staat; es handelte sich bei dem Konkordat um eine Ergänzung des staatlichen Verfassungsrechts. Diese Einschätzung kommt wahrscheinlich der geschichtlichen Wirklichkeit am Nächsten, da Rechberg bereits im Herbst 1817 den Vorschlag gemacht hatte, dem Konkordat, wie Doeberl480 sich ausdrückt, „durch erläuternde Gesetze [. . .] die Spitze abzubrechen“. Eine Möglichkeit für staatliche Veränderungen bot Art. 18, der dem Papst die Veröffentlichung des Konkordates als Staatsgesetz zu gesichert hatte, da hier weltliche Gesetzgebung erforderlich war, um den Vollzug des Konkordates zu sichern. Zentner soll am 11. März 1818 vorgeschlagen haben das Konkordat gleichzeitig mit dem Religionsedikt zu veröffentlichen, damit die königlichen Hoheitsrechte und die Rechte der protestantischen Kirche gewahrt blieben.481 g) Die Sonderrolle der Gerichtsbarkeit in Ehesachen aa) Die Zuständigkeit katholischer Ehegerichte Hinsichtlich der Regelungen der Ehegerichtsbarkeit war es zwischen Konkordat und dem Religionsedikt zu keinem echten Konflikt gekommen.482 Das muß erstaunen, denn die Verfassung von 1818 ordnete an, daß die Gerichtsbarkeit vom König ausgehe, Tit. VIII § 1, und im Religionsedikt §§ 64, 65 wurde normiert, daß die Gerichtsbarkeit in Ehesachen, „in477
Hacker, Beziehungen, S. 51. Hacker, Beziehungen, S. 51 f. 479 Demel, Staatsabsolutismus, S. 329. 480 Doeberl, Entwicklungsgeschichte, Bd II (1912), S. 480. 481 Doeberl, Entwicklungsgeschichte, Bd II (1912), S. 481. 482 Seydel, BayStaatsrecht, S 15. stellte fest, daß der Konflikt von Konkordat und Religionsedikt vor allem auch im Eherecht und dort insbesondere bezüglich der gemischten Ehen zum Tragen kam, jedoch die staatliche „Widerstandsfähigkeit“ gegen den Ansprüchen der katholischen Kirche durch die Bestimmungen des Art. XII c des Konkordats, der die Gerichtsbarkeit in Ehesachen dem geistlichen Richter zuwies, deutlich beschränkt gewesen sei. 478
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soferne sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkung betreffen, [. . .] allein der Staatsgewalt zukomme“. Das Konkordat Art. 12 c hatte die Ehegerichtsbarkeit hingegen dem geistlichen Richter überlassen.483 In § 38 des Religionsediktes484 war angeordnet, daß die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch die verschiedenen zugelassenen Religionsgemeinschaften, damit auch der katholischen Kirche, nur im Bereich der „rein geistlichen Sachen, nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchenpflichten einer Kirche nach ihren Dogmen, symbolischen Büchern und darauf gegründeten Verfassung“ möglich sei. Daß es hier zu keinem Konflikt gekommen ist, kann nur an dem Umstand liegen, daß die staatliche Gewalt trotz gesetzlicher Möglichkeit, vgl. § 13 Kap. 1 CJBJ und § 49 Teil 1 Kap. 6 CMBC, noch nie die ihr übertragene Zuständigkeit für die rein bürgerliche Wirkungen der Ehe durch bürgerliche Gerichte und Richter ausführen hat lassen und daher schon immer die geistlichen Behörden als Ausführungsorgan ihrer Rechte, quasi als Beliehene, benutzt hat.485 Für die Belassung der gesamten Ehesachen bei geistlichen Behörden spricht auch die Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern vom 1. 2. 1869,486 nach deren Art. 8 noch immer für alle Ehesachen katholischer Bürger die katholischen Ehegerichte zuständig sind.487 Vor diesem Hintergrund läßt sich auch die Aussage Sicherers488 verstehen, durch Art. 12 c des Konkordates sei die Gerichts483 Gbl. Bayern 1818, Sp. 134, 168, 427 f. Dieser Artikel war jedoch nur für die Gebiete diesseits des Rheins in Kraft getreten. Vgl. weiter oben II. 6. b. 484 Gbl. Bayern 1818, Sp. 158. 485 Im „Entwurf der Prozeß-Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern von 1825“ wurde nichts ausdrücklich über die Zuständigkeit bürgerlicher oder auch kirchlicher Gerichte für Ehesachen in der Prozeßordnung ausgesagt. In § 42 heißt es lediglich Rechtssachen, welche unter sich in einer solchen Verbindung stehen, daß sie ohne Nachtheil nicht getrennt werden können, – (wie präparatorische, präjudicielle, accessorische, Incidentsachen, und deren Hauptsachen) – sollen bei dem Gerichte, welches in der Hauptsache zuständig ist, behandelt werden, so ferne nicht dasselbe in Ansehung der Nebensache als ganz unzuständig erscheint.“, zitiert nach dem Reprint aus dem Jahr 1993 von Schubert, Entwurf Prozeßordnung 1861, S. 14. Im „Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern (mit Motiven) von 1861“, vgl. Reprint von 1993 von Schubert, Entwurf Prozessordnung 1861, S. 9, findet sich der Art. 25 der Prozeßordnung, wo es um Ehegerichte geht: „Streitigkeiten über die Gültigkeit oder Trennung eingegangener Ehen von Katholiken und Protestanten sind den betreffenden Ehegerichten ausschließlich vorbehalten und zwar in der Art, daß die Sache, wenn der Kläger Katholik ist, vor das katholische, wenn er Protestant ist, vor das protestantische Ehegericht gebracht werden soll.“. 486 Zitiert nach dem Neudruck von 1975 „Bayerische Prozeßordnung“. 487 Für die protestantischen Bürger waren die protestantischen Ehegerichte und für die Dissidenten, die nach Art. 17 des EheGD vom 2. Mai 1868 zuständig. 488 Sicherer, Eherecht, S. 24 f.
6. Das Konkordat von 1817
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barkeit in Ehesachen für Katholiken den geistlichen Behörden übertragen worden. Diese Lösung barg freilich erhebliche Probleme: „Mag man immerhin behaupten, [. . .] dass die geistlichen Behörden die Ehegerichtsbarkeit über die Katholiken, insoweit dieselbe mit bürgerlicher Wirkung ausgestattet ist, im Auftrage des Monarchen üben, so ist damit doch nur eine theoretische Vereinigung erzielt, keineswegs aber der Zwiespalt beseitigt, welcher im Rechtsleben daraus entstehen muss, dass die Anwendung der weltlichen Gesetze Behörden anvertraut ist, die sich nur an das kanonische Recht gebunden erachten.“489 Dieser Zwiespalt kann auch nicht durch den § 60 des Religionsediktes beseitigt werden, der dem König die Bestätigung der geistlichen Gerichte und ihrer Verfassung vorbehielt, denn diese Form der Kontrolle hatte der König wiederum allenfalls innerhalb des eigenen Territoriums. Die dritte Instanz in Ehesachen lag jedoch noch immer in den Händen des Papstes. Aus diesem Grunde versuchte die bayerische Regierung seit Anfang des 19. Jahrhunderts diese Instanz innerhalb der Landesgrenzen zu installieren. Allerdings ließ sich der Papst zunächst nur auf eine Delegation im Einzelfall auf einen inländischen Bischof oder Erzbischof ein, ein Verfahren, das den Parteien langwierige Prozesse und hohe Kosten zumutete. Erst seit dem Jahre 1833 erklärte sich der Papst einverstanden, dem apostolischen Nuntius eine Vollmacht zu erteilen, damit er zukünftig den beiden Erzbischöfen im Auftrage des Papstes die Ehegerichtsbarkeit in dritter Instanz jeweils für den anderen Metropolitansprengel übertrage. Aber trotz dieser Maßnahmen stand dem Staat kein wirksames Mittel der Kontrolle der Ehegerichte zur Verfügung. So brachte die Bestätigung der Gerichte durch den König keine Gewähr für das Verfahren der Gerichte noch dafür, welches Recht sie anwendeten. Im Zweifel stand ihnen das kanonische Recht näher. Dies hatte zur Folge, daß nach staatlichen und bürgerlichem Recht nicht mehr geltende kanonische Satzungen zur Geltung verholfen wurde, ohne daß der Staat dies hätte verhindern können. Als Beispiel nannte Sicherer490 hierfür das Verfahren der freiwilligen Ehegerichtsbarkeit. Wenn bei gemischten Ehen ein Ehehindernis vorlag und sie deswegen auf einen Dispens angewiesen waren, dann machte die geistliche Behörde diesen von dem Versprechen der katholischen Kindererziehung abhängig, auch wenn dies nach staatlichem Gesetz keine anerkannte Voraussetzung für die Eingehung einer Mischehe war. Aber auch in der streitigen Gerichtsbarkeit konnte es zu erheblichen Problemen kommen, da es auf bayerischem Territorium zu viele verschiedene Rechte gab, die die Ehe in ihrer Entstehung und ihren Voraussetzungen, aber auch bei ihrer 489 490
Sicherer, Eherecht, S. 25. Sicherer, Eherecht, S. 28 f.
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Auflösung sehr unterschiedlich beurteilten. So fand beispielsweise eine in der bayerischen Pfalz bürgerlich gültig geschlossene Ehe, die nicht gleichzeitig den katholischen Anforderungen entsprach keinen ausreichenden Rechtsschutz, da die Ehegerichte rechts des Rheins zwar gleichzeitig auch als staatliche Organe fungierten, aber die Richter sich nicht an staatliches Recht gebunden fühlten. Ein weiteres Problem konnte sich dann ergeben, wenn vor einem ordentlichen Gericht über eine Sache entschieden werden mußte, die nur die Wirkungen der Ehe und nicht den Vertrag betraf, weil hier nun die Frage entstünde, inwieweit diese Gerichte sich an die Ansicht der geistlichen Gerichte zum Bestand oder Nichtbestand der betreffenden Ehe gebunden gefühlt hätten. Für eine genauere Antwort bedürfte es einer Untersuchung der Spruchpraxis der Konsistorien bzw. der bürgerlichen Gerichte dieser Zeit.491 bb) Die Gerichtsbarkeit in Mischehesachen Was die Kompetenz bei Ehestreitigkeiten in gemischten Ehen anbelangt, versuchte eine Verordnung vom 28. Juli 1818492 bestehende Zweifel zu beseitigen. „(I.) Der Gerichtsstand in Ehesachen unter Personen, welche verschiedener Religion zugethan sind, richtet sich nach der Person des Beklagten, so ferne es sich um die Schließung, Erhaltung und Trennung der Ehe, und nicht um die hieraus entspringenden civilrechtlichen Wirkungen handelt, welche jederzeit als ein reiner Gegenstand der bürgerlichen Gerichtsbarkeit nur vor dem ordentlichen weltlichen Richter des Ehemannes beurtheilt werden.“ „(II.) Wurde hingegen die Klage bei der katholischen geistlichen Behörde angebracht, und von derselben auf Scheidung von Tisch und Bett erkannt, so steht dem protestantischen Ehegericht frei, in Ansehung des protestantischen Ehetheiles, wenn dieser die Auflösung der Ehe nachsuchen würde, auf dessen Beschwerde zu beschließen, was es dem protestantischen Eherechte in dieser Hinsicht gemäs finden wird.“ „(III.) Tritt der Fall ein, daß von dem protestantischen Ehegerichte auf die Auflösung der Ehe erkannt würde, so soll diese Erkenntnis der katholischen geistlichen Behörde vorgelegt werden, welcher vorbehalten bleibt, in Ansehung des katholischen Ehetheils dasjenige auszusprechen, was dem katholischen Ehegerichte gemäs ist.“ 491 Vereinzelte Beispiele finden sich bei Sicherer, Eherecht, S. 28 ff. Die Arbeit von Lazik zur Entwicklung der geistlichen Gerichtsbarkeit in Bayern äußert sich dazu jedoch nicht. 492 In: Döllinger, Verordnungen, Band VIII, Abt. VIII, S. 240; vgl. dazu unbedingt Gbl. 1818, St. 20 S. 474; darauf Bezug nehmend die Entscheidung vom 21. August 1818, vgl. dazu Döllinger, ebd., S. 240 f. § 249.
6. Das Konkordat von 1817
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Diese Verordnung bestätigt das Verfassungsrecht von 1818 in vollem Umfang, indem die Ehesachen der Katholiken nur bezüglich der Fragen des Ehebandes in den Zuständigkeitsbereich der geistlichen Gerichte fallen sollten. Sie verdrängte die Verordnung vom 4. August 1808, die den Gerichtsstand nicht nach dem Beklagten sondern nach dem klagenden Teil bestimmt hatte.493 Unverändert war die Situation für den protestantischen Eheteil, auf dessen Betreiben die Ehescheidung eingereicht wurde, da er bei dem katholischen geistlichen Gericht die Scheidungsklage einreichen mußte und dort nicht dem Bande nach geschieden werden konnte. Erst auf sein weiteres Gesuch beim protestantischen Ehegericht konnte die Ehe für ihn dem Bande nach geschieden werden. Diese Lösung wurde in der Literatur kritisiert,494 da es umgekehrt von katholischer Seite verlangt wurde, daß das protestantische Ehegericht, soweit der Kläger also ein Protestant war, den Katholiken nach seinen Ehegesetzen, also nur von Tisch und Bett trennte und gerade nicht dem Bande nach. Deswegen hielt man die Behandlung eines Protestanten durch das katholische Gericht für ungerechtfertigt und für den Protestanten nur kostenaufwendiger. cc) Die Ehegerichtsbarkeit in der Pfalz Größere Konflikte der Verfassung, des Religionsedikts und des Konkordat mit bestehendem Recht ergaben sich im linksrheinischen Gebiet Bayerns. Dort waren für die Zivilehe auch bezüglich der Trennung der Ehe die bürgerlichen Gerichte zuständig. Aufgrund dieser Rechtslage waren Verunsicherungen im Rheinkreis aufgetreten und auf eine Anfrage der königlichen Regierung im Rheinkreis vom 21. September 1821 erging die Mitteilung vom 6. Dezember 1821,495 daß man an bestehendem Eherecht und Ehegerichtsbarkeit gegenwärtig nichts ändern wolle, sich dieses Recht jedoch „lediglich auf die bürgerlichen Wirkungen erstreckt, wobei die Gewissensache in kirchlicher Beziehung den Betheiligten völlig überlassen bleibt, so erleidet dieselbe bei dem Vollzuge des Concordats durch die im XII. Art. desselben lit. c. enthaltenden Bestimmungen, welche nur in obiger Beziehung eine Anwendung finden kann, keine Aenderung.“
493
Vgl. dazu oben II. 4.b.ll. Lippert, Lipperts Annalen, 4, 1833, S. 122 ff. (127). Dabei ging es aber gar nicht speziell um die bayerische Verordnung, sondern dieses Problem stellte sich auch in anderen deutschen Staaten. Ebd., S. 130 f. 495 Döllinger, Verordnungen, Band VIII, Abt. VIII, S. 241 § 250. 494
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dd) Die Protestantische Ehegerichtsbarkeit Am 12. Dezember 1822 erging eine Verordnung zur Bildung protestantischer Ehegerichte,496 um der verfassungsmäßig verbürgten Gleichheit der Konfessionen gerecht zu werden. Aus diesem Grund wurde die dazu ergangene Verordnung vom 26. August 1810 einer Revision unterzogen. Für protestantische Ehesachen in Bayern waren in Zukunft in erster Instanz die Appellationsgerichte des Rezat- und des Obermainkreises zuständig, Nr. I.497 Alle anderen Zuständigkeiten waren damit aufgehoben, Nr. I.498 Ausgenommen von dieser Regelung waren die Protestanten im Rheinkreis, Nr. I.499 Die Kompetenz des Appellationsgerichtes des Rezatkreises erstreckte sich auf alle Ehestreitigkeiten des Konsistoriumsbezirkes Ansbach einschließlich der Hauptstadt München und jene des Appellationsgerichtes des Obermainkreises auf den Konsistoriumsbezirk Bayreuth, Nr. II.500 Die zuständigen Senate sollten mit protestantischen Mitgliedern besetzt sein, Nr. III.501 Die zweite und letzte Instanz in protestantischen Ehestreitigkeiten wurde dem Oberappellationsgericht zugewiesen, Nr. V.502 h) Zusammenfassung Im Jahre 1817 wurde zwischen dem Hl. Stuhl und Bayern ein Konkordat geschlossen, das 1818 als Anhang zum neuen Religionsedikt, das wiederum einen Anhang zur neuen Verfassung von 1818 bildete, veröffentlicht wurde. Nach Art. 16 des Konkordats sollten durch das Konkordat alle diesem widersprechende Gesetze wieder aufgehoben werden. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf das staatliche bayerische Eherecht gebracht. Besonders problematisch war, daß Verfassung und Religionsedikt, die das bisherige Eherecht stützten, im Widerspruch zu ihrem eigenen Anhang, dem Konkordat, standen. In der Folge entstand ein Konflikt zwischen dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat über das Verhältnis dieser Normen zueinander, der durch die „Tegernseer Erklärung“ durch den König in einem „Formelkompromiß“ beendet wurde, ohne daß daraufhin von bayerischer Seite die dem Konkordat widersprechenden Gesetze nicht mehr angewendet worden wären. 496 497 498 499 500 501 502
Regbl. Regbl. Regbl. Regbl. Regbl. Regbl. Regbl.
Bayern Bayern Bayern Bayern Bayern Bayern Bayern
1822, 1822, 1822, 1822, 1822, 1822, 1822,
Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp.
1313 ff. 1315. 1315. 1315. 1315. 1315. 1316.
7. Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. Sept. 1825 181
In der staats- und völkerrechtlichen Literatur wurde ein umfangreicher Meinungsstreit zum Verhältnis von Verfassung/Religionsedikt und Konkordat geführt, bei dem nicht immer die juristische Argumentation im Vordergrund stand. Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen oblag weiterhin – soweit die Katholiken betroffen waren – vollständig den katholischen Ehegerichten, die die dem Staat übertragene weltliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen quasi als Beliehene ausübten, sich dabei aber staatlicher Kontrolle zum Teil entzogen und kanonisches Recht anwendeten.
7. Das Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825 a) Vorgeschichte Seit der Verordnung vom 12. Juli 1808, die die Eheschließungen auf dem Lande erleichtern sollte, deren Erfolg aber wegen der finanziellen Verantwortung der die Heiratsbewilligung erteilenden Beamten beschränkt war,503 war es wieder zu Erschwernissen hinsichtlich der Ehebewilligungen gekommen. Die Armenverordnung vom 17. November 1816 hatte für unangesessene Leute die Eheschließung wieder eingeschränkt, Art. 58, Titel 3, Kap. 3, da für die Bewilligung ihrer Ehe der Armenpflegschaftsrat hinzugezogen werden mußte.504 Eine weitere Einschränkung brachte das Gemeindeedikt vom 17. Mai 1818505, das die Erteilung der Heiratslizenzen in den Städten den Magistraten506 übertrug, § 62.507 In den Landgemeinden waren der Gemeindeausschuß und die Gemeinde selbst zu hören, Kap. 6 §§ 101, 104.508 Vorher waren hingegen die staatlichen Polizeibehörden für die Erteilung der Heiratsbewilligungen zuständig gewesen, also eine Behörde die von den Kommunen unabhängig war. Dies hatte Eheschließungen insoweit erleichtert, als 503 Vgl. VO vom 12. Juli 1808, Regbl. Bayern 1808, Sp. 1506 f. und Graf v. Seinsheim VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 318. 504 Regbl. Bayern 1816, Sp. 801. 505 Gbl. Bayern 1818, Sp. 49–96. 506 Die Magistrate nannte man die Stadtverwaltung, die je nach Gemeindegröße aus einem oder zwei Bürgermeistern, ein oder zwei rechtskundigen Räten, einem Baurat bzw. Stadtschreiber und maximal 12 und minimal 6 Bürgern, die vorzugsweise Gewerbetreibende sein sollten, bestand, §§ 46 f. Gemeindeedikt, Regbl. Bayern, 1818, Sp. 63 f. 507 Gbl. Bayern, 1818, Sp. 70. 508 Gbl. Bayern, 1818, Sp. 85 f.
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die für den Unterhalt der Armen aufkommenden Gemeinden keinen unmittelbaren Einfluß auf die Bewilligungen der Ehen hatten. Die Gemeinden gebrauchten das ihnen eingeräumte Recht sofort zur Erschwerung der Eheschließungen.509 Die erneuten großen Schwierigkeiten vieler Bürger, eine Ehe zu schließen, und das Bedürfnis, für das bayerische Staatsgebiet ein einheitliches Verehelichungsrecht zu schaffen, führten zum Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 1825.510 b) Inhalt des Gesetzes Das Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung511 (GAV) war Bestandteil eines Gesetzespaketes, zu dem auch das Heimat- und Gewerberecht gehörte. Anknüpfungspunkt für vorliegende Untersuchung bilden die Regelungen für die Verehelichung der Staatsbewohner, die hier trotz der Zuordnung dieser Vorschriften zum öffentlichen Eherecht, das seinen Ursprung im Polizeirecht hat512 und sich vor allem in seiner Herkunft von dem bürgerlichen und kirchlichen Eherecht unterscheidet,513 berücksichtigt werden, um ein vollständigeres Bild über staatliches Eherecht in der damaligen Zeit zu erhalten,514 insbesondere aber im Hinblick auf die Entwicklung Ende der sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts, wo die Reform der Sozialgesetze im Bereich des Verehelichungsrechts Diskussionsplattform für die noch immer nicht eingeführte Zivilehe wird, und das reformierte Verehelichungsgesetz letztlich Stellvertreterfunktion für ein fehlendes staatliches Eheschließungsverfahren bereithält.515 Bezüglich der Eheschließung formulierte das Gesetz in § 8 Nr. 1,516 daß keinem Staatseinwohner, der in irgendeiner Gemeinde über einen Titel der Ansässigmachung verfügt, die notwendige örtliche Erlaubnis zur Vereheli509
Vgl. Graf v. Seinsheim VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 318; GesetzesEntwürfe über Heimat-rechte, Ansäßigmachung und Verehelichung und das Gewerbswesen für die älteren 7 Kreise des Königreichs Baiern. Nebst von dem königlichen Staatsrath Ritter v. Stürmer in der 26ten Sitzung am 15ten Juni in der Kammer der Abgeordneten erstatteten Vortrag hierüber. München 1825, S. 1, 15 vgl. auch Faber, Verehelichungsrecht, S. 11. 510 Gbl. Bayern 1825, Sp. 111. 511 Gbl. Bayern 1825, Sp. 111–126, Verehelichungsrecht ab Sp. 120 §§ 8 ff. GAV. 512 Faber, Verehelichungsrecht, S. 5; vgl. auch: HRG/Schmelzeisen, Polizeiordnungen, Bd 3, Sp. 1806, Hesse, Sozialgesetzgebung, S. 18 ff. 513 Faber, Verehelichungsrecht, S. 5. 514 Vgl. dazu auch Einleitung. 515 Vgl. dazu Kap. IV. 2. 516 Gbl. Bayern 1825, Sp. 120.
7. Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. Sept. 1825 183
chung oder Wiederverehelichung verweigert werden dürfe, außer es lägen privat- oder kirchenrechtliche Hindernisse oder außerordentliche Polizeigründe vor. Konnte ein Staatseinwohner jedoch einen solchen Ansässigkeitstitel nicht vorweisen, durfte keine Verehelichungs- bzw. Wiederverehelichungserlaubnis erteilt werden.517 Diese Norm war äußerst fortschrittlich abgefaßt. Sie richtete sich im Unterschied zur Verordnung vom 12. Juli 1808518 uneingeschränkt an alle Staatsbewohner. Es machte keinen Unterschied, ob sie Stadtbürger oder vom Lande waren, und welchen Beruf sie ausübten.519 Damit wurde in Anknüpfung an die Verordnung vom 21. Dezember 1806 ein immer einheitlicheres Eheordnungsrecht geschaffen. Die Formulierung, daß keinem Staatsbürger die Erlaubnis zur Verehelichung- bzw. Wiederverehelichung verweigert werden dürfe, läßt beinah die Annahme einer Art subjektiven Rechts zu. Dieser Schein trügt jedoch, denn die eigentliche Hürde lag im Erwerb eines Ansässigkeitstitels, wenngleich auch hier die Anforderungen reduziert worden waren. Zumindest jedoch konnte man mit diesen genauen Regelungen die „arbitrischen“ Handlungen der Magistrate einschränken.520 Der Erwerb eines Titels der Ansässigkeit setzte den Besitz eines Grundvermögens, für das mindestens mit 45 kr. Grundsteuer entrichtet werden mußte, und das bis zum Kapitalbetrag dieser Steuer schuldenfrei war, § 2 Nr. 1 GAV, den Besitz eines Gewerbes nach den Bedingungen der Gesetze und Verordnungen über das Gewerbswesen, § 2 Nr. 2 GAV, oder einen auf andere Weise gesicherten Nahrungsstand, § 2 Nr. 3 GAV, oder den Eintritt in ein öffentliches Amt des Staates, der Kirche oder der Gemeinde mit definitiver Anstellung, § 4 GAV521, voraus. § 3 GAV enthielt überdies Regelungen zur Erleichterung des Grunderwerbs. Neben diesen speziellen Voraussetzungen mußten sogenannte in § 1 Nr. 1–3 GAV522 aufgezählte Grundvoraussetzungen gegeben sein, damit ein Ansässigkeitstitel erworben werden 517
Gbl. Bayern 1825, Sp. 120, § 8 Nr. 2 GAV. Vgl. oben Kap. II.3.d. 519 Gbl. Bayern 1825, Sp. 120 § 8 GAV. 520 Dr. Rudhart VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 450. 521 Gbl. Bayern 1825, Sp. 110 f. § 4 GAV: Was die öffentlichen Ämter anbelangt, so sind die mittelbar, definitiv ernannten Beamten an den Orten ihrer Amtssitze, sowie die Oberoffiziere und definitiv ernannten Militärbeamten an ihren ständigen Garnisonen und Berufsorten den unmittelbaren Zivilstaatsdienern gleich zu setzen, (§ 4). „Staatsdiener, welche durch freywilligen Verzicht auf den Staatsdienst oder durch gesetzwidriges Betragen den Anspruch auf Pension verloren haben, und verarmen, fallen nebst ihren Angehörigen nicht der Gemeinde, sondern dem Staate zur Last“, (§ 4). 522 Gbl. Bayern 1825, Sp. 113 f. 518
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II. Bayern auf dem Weg zum modernen Staat
konnte: es dürfen erstens weder zivilrechtliche Verhältnisse, das Militärkonskriptionsgesetz, noch gegen einzelne Einwohnerklassen bestehende Ausnahmengesetze entgegenstehen, zweitens mußte man über einen guten Leumund verfügen, und drittens wurde die Vollendung des vorschriftsmäßigen Schulunterrichts und der fleißige Besuch des Religionsunterrichts während der Sonntagsschulpflicht gefordert; von der letzten Voraussetzungen konnten jedoch verschiedene Ausnahmen bei vorgebrachter Begründung gemacht werden. War das Grundeigentum obrigkeitlich zugeschrieben, die Gewerbekonzession erlangt oder der Eintritt in das öffentliche Amt vollzogen, wurde der Titel der Ansässigmachung und Niederlassung kraft Gesetzes erlangt, § 5 GAV. Konnte keine der speziellen Voraussetzungen für die Ansässigmachung nachgewiesen werden, gab es für den betreffenden Bürger noch die Möglichkeit den Titel zu erlangen, indem die ausreichenden Mittel zur Sicherung der familiären Ernährung offenkundig waren oder nachgewiesen wurden, § 5 GAV. Bestanden jedoch Zweifel an den ausreichenden Mitteln für den Familienunterhalt, oblag es obrigkeitlichen Ermessen nach allen obwaltenden persönlichen, örtlichen und anderen besonderen Verhältnissen, den Titel zuzuerkennen, § 5 GAV. Bei der Ausübung des Ermessens mußten bestimmte im Gesetz festgelegte Kriterien berücksichtigt werden, § 5 Nr. 1–4 GAV523: Zunächst „Gelegenheit, Lust und Tüchtigkeit zur Arbeit“; wenn diese Erfordernisse vorlagen, durfte der einfache Lohnerwerb nicht den Anspruch auf Ansässigmachung ausschließen. Außerdem waren ausgediente Soldaten zu begünstigen, wie auch die Dienstboten, die zehn Jahre lang treu und fleißig ohne häufigen Dienstwechsel gedient haben und durch Ersparnisse häuslichen Sinn beweisen. Diese Regeln galten auch für die Übersiedlung schon ansässiger Staatsangehöriger von einer Gemeinde in die andere und für Einwanderungen aus dem Ausland, insofern diese Einwanderungen mit erforderlicher Bewilligung geschehen waren.524 Ausländer, die sich in einer Gemeinde des Königreichs ansässig machten, waren in Fragen der Eheschließung nach gleichen Vorschriften, wie die Inländer zu behandeln, §§ 8, 5 GAV. Der Verstoß gegen diese staatlichen Vorschriften hatte, außer bei den im Ausland geschlossenen Ehen, § 8 Nr. 4 GAV,525 nicht die Ungültigkeit der Eheschließung zur Folge. Einzige Sanktion blieb, daß die Religionsdiener, 523
Gbl. Bayern 1825, Sp. 117 f. Gbl. Baiern 1825, Sp. 119 § 6 GAV. 525 Gbl. Bayern 1825, Sp. 121. Dieses Verbot müsse aufrecht erhalten werden, vgl. Verordnung von 1808, und rechtfertige sich um so mehr, je weniger Schwierigkeiten die Ausstellung der Verehelichungserlaubnis im Inland mache. Vgl. GesetzesEntwürfe über Heimat-Rechte, Ansäßigmachung und Verehelichung und das Gewerbswesen für die älteren 7 Kreise des Königreichs Baiern. München 1825, S. 21. 524
7. Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. Sept. 1825 185
die eine Trauung ohne vorherige obrigkeitliche Heiratsbewilligung vornahmen, für die Schäden und Kosten, die einer Gemeinde hieraus entstanden, aufkommen mußten, § 8, 6 GAV.526 Auch die Beamten, die dem Gesetz zuwider handelten, hafteten persönlich für alle daraus entstehenden Kosten und Schäden.527 Aufgehoben war damit die Bestimmung der Verordnung vom 21. Dezember von 1806, die Pfarrer grundsätzlich mit einer Bußzahlung belegt hatte, wenn sie eine Ehe trauten, ohne daß vorher von den Brautleuten eine Erlaubnisschein beigebracht worden war.528 In diesem Punkt war dieses Gesetz also wieder milder geworden, denn die Priester hafteten nur im Falle der Verarmung des betreffenden Paares. Um die angestrebte Einheitlichkeit zu erreichen, setzte dieses Gesetz auch „alle bisherigen polizeylichen Verordnungen über Ansässigmachung und Verehelichung“ außer Kraft, § 10.529 Davon gab es wenige Ausnahmen und dazu gehörten im Verehelichungsrecht das Auslandseheverbot, das die Ungültigkeit der Ehe nach sich zog – eine Bestimmung, die erstmals in der Verordnung vom 12. Juli 1808 geregelt war, allerdings mit der Abwandlung, daß die zur Ungültigkeit hinzukommende Gefängnisstrafe in bloßen Polizeiarrest verwandelt worden war, § 8 Nr. 4530 – und die Beibehaltung der Zuständigkeiten und des Verfahrens, § 9.531 Allerdings hatte das Gesetz nur die Einheitlichkeit für die „sieben älteren Kreise des Königreichs“ verwirklicht.532 Es war nicht im rheinischen Gebiet in Kraft getreten. Man hatte keine Veranlassung gesehen, die dort bestehenden Einrichtungen zu ändern.533 Die Rheinpfalz hatte seit der französischen Besatzungszeit alle Freiheiten des Revolutionsrechtes behalten, die vor allem durch den Code Civil gesichert waren. Dazu gehörte Grundfreiheit, Niederlassungs- und Gewerbefreiheit sowie die Eheschließungsfreiheit. Neben der Einheitlichkeit der Regelungen sollte aber durch das GAV in den übrigen Gebieten eine gewisse Kontinuität der Gesetze für Ansässigma526
Gbl. Bayern 1825, Sp. 121 § 6 GAV. Gbl. Bayern 1825, Sp. 124 § 9 Nr. 4 GAV. 528 Vgl. vorher Kap. II.3.c. 529 Gbl. Bayern 1825, Sp. 124. 530 Gbl. Bayern 1825, Sp. 124 § 10 GAV und Sp. 121 § 8 Nr. 4 GAV. 531 Gbl. Bayern 1825, Sp. 124 vgl. dazu § 9 GAV des dritten Abschnittes: „Die Zuständigkeit und das Verfahren in Angelegenheit für Ansässigmachung und Verehelichung richtet sich nach den bisherigen Vorschriften, unter ausdrücklichem Vorbehalte der Befugnisse, welche den Standesherren, den Gutsherren und den Gemeinden nach der Maaßgabe der Verfassungs-Urkunde so wie in Verbindung hiemit, nach Maßgabe der Declaration über die ehemalige Ritterschaft und ihre Hintersassen vom 31. Dezember 1806, und nach den Bestimmungen der Verordnung über das Gemeindewesen vom 17. May 1818 zukommen“. 532 Gbl. Bayern 1825, Sp. 124 § 10 GAV. 533 Ent.HAVG 1825, S. 1. 527
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chung und Verehelichung der Staatsangehörigen gewährleistet werden. Auch wenn man nicht die völlige Verehelichungs- und Niederlassungsfreiheit einführen wollte, so sollte die Möglichkeit für die Eheschließung doch nicht nur von ständig widerrufbaren und von der Polizei zu vollziehenden Vorschriften abhängen.534 c) Beurteilung Das GAV stellte den Auftakt zur Sozialgesetzgebung Bayerns im 19. Jahrhundert dar. Es knüpft vor allem an die Verordnung vom 12. Juli 1808 „Zur Beförderung der Heiraten auf dem Lande betreffend“ an535 mit dem großen Unterschied, daß sich dieses Recht nun an alle Staatsbewohner richtete. Beibehalten wurde die Ansässigkeit als wesentliche Voraussetzung für die Verehelichung.536 Ansässigmachung und Verehelichung werden noch immer als zwei eng miteinander verbundene Materien betrachtet, die in einem Gesetz geregelt werden müssen.537 Hinter dem Ziel der Erleichterung von Eheschließungen verbarg sich ein weiteres und umfassenderes Ziel: die Wirtschaft des Landes sollte angekurbelt und die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Staaten hergestellt werden. „Baiern soll an Fülle lebendiger Kraft nicht hinter seinen Nachbarn zurückbleiben.“538 Aber man hoffte auch andere Mißstände beheben zu können: „was uns noch näher liegt, der Verdorbenheit, welche durch die steigende Zahl unehelicher Geburten von Jahr zu Jahr offenbarer wird, soll endlich einmal wohltätiger Abzugs-Kanal geöffnet werden.“539 Dieses Gesetzesvorhaben war aufgrund seiner wirtschaftlichen Bezüge also von besonderer Wichtigkeit gewesen. Dies beweist auch die große Anzahl der Beiträge in der Kammer der Abgeordneten.540 Die Diskussion 534
Ent.HAVG 1825, S. 15. Kutzer, Heimatrecht, S. 77, sieht in den §§ 11–14 der Bettelordnung von 1780 den Vorläufer für die Bestimmungen des Gesetzes von 1825, vgl. Kap. II.3.a., da es auch schon das Erfordernis der obrigkeitlichen bzw. gutsherrlichen Erlaubnis zur Eheschließung enthielt. Leute ohne Vermögen (Leerhäusler, Innleute, Tagewerkern, Handlager) bedurften sogar der Einwilligung der Gemeinde. Damit greift er aber zu kurz, da es wesentlich mehr dieser Vorschriften gab, die eine obrigkeitliche Bewilligung zur Eheschließung verlangten. 536 Ent.HAVG 1825, S. 7. 537 Ent.HAVG 1825, S. 15. 538 Ent.HAVG 1825, S. 14. 539 Ent.HAVG 1825, S. 14. 540 Die bayerische allgemeine Ständeversammlung setzte sich aus zwei Kammern zusammen, die aber eine Einheit bildeten, d. h. keine der beiden Kammern konnte für sich allein Beschlüsse fassen bei Gegenständen, die in den Wirkungskreis des Landtages gehörten. Es handelte sich um die sogenannte erste Kammer oder auch 535
7. Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. Sept. 1825 187
selbst war jedoch nicht durch heftige Kontroversen gekennzeichnet, vielmehr bestand eine allgemein positive Haltung gegenüber dem Entwurf. In den Verhandlungen der zweiten Kammer wurde der enge Zusammenhang von den Gesetzen über die Heimat, das Gewerbswesen, der Ansässigmachung und der Verehelichung betont,541 um durch die angestrebten Veränderungen hin zu größerer Freiheit in allen Gebieten einen positiven Einfluß auf die staatliche Wirtschaft zu erreichen.542 Bei der Verehelichung wurde immer wieder die Notwendigkeit der Erleichterung hervorgehoben.543 Dies war aus Gründen der Bevölkerungsvermehrung notwendig, denn auch davon versprach man sich positive Auswirkung auf die Nationalökonomie.544 Aber auch die Sittlichkeit im Lande sollte gehoben werden, weil viele Bürger aufgrund der strengen Gesetze nicht heiraten konnten und es zu immer mehr unehelichen Geburten kam.545 Gleichzeitig sah man in den staatlichen Eheschließungsvoraussetdie Kammer der Reichsräte und die zweite Kammer, die sogenannte Kammer der Abgeordneten. Die Kammer der Reichsräte war zusammengesetzt aus den volljährigen Prinzen des königlichen Hauses, den Kronbeamten des Reiches, den beiden Erzbischöfen, den Häuptern der ehemals reichsständischen – fürstlichen und gräflichen Familien als erblichen Reichsräten, aus einem vom König ernannten Bischof, dem jeweiligen Präsidenten des protestantischen Generalkonsistoriums und aus den Personen, die der König wegen ausgezeichneter dem Staat gegenüber geleisteten Diensten, oder wegen ihrer Geburt, oder wegen ihres Vermögens zu Mitgliedern dieser Kammer entweder erblich oder lebenslänglich ernennt. Die Kammer der Abgeordneten, die im Unterschied zur Kammer der Reichsräte gewählt wurde, setzte sich aus verschiedenen Klassen zusammen, innerhalb derer auch gewählt wurde, dazu gehörten: die Grundbesitzer mit Gerichtsbarkeit, die Abgeordneten der Universitäten, die katholischen und evangelischen Priester, die Abgeordneten der Städte und Märkte und die Landeigentümer ohne Gerichtsbarkeit. Vgl. Cucumus, Lehrb., S. 308 ff. § 224. Vgl. auch Tit. VI §§ 5 & 17, VII und Beilage X. „das Edict über die StändeVersammlung“ vgl. Gbl. 1818, Sp. 123, 126 f., 349 ff. 541 Graf. Armansperg, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 220; Frhr. v. Closen, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 279; Hörhammer, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 4; Jakobi, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 229. 542 Vetterlein, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVII, S. 497; Henke, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 169 f. 543 Häcker, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVII, S. 511; Dr. Wirschinger, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVII, S. 634; kritisch demgegenüber Mätzler VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 154, da er als Grund für die fehlende Sittlichkeit und die steigenden unehelichen Geburten die fehlende positive Einstellung zur Ehe ansah; Flurschütz, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 218. 544 Graf Armansperg, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 221; Graf v. Soden, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 270; Vetterlein, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVII, S. 504 f. 545 Graf. Armansperg, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 221; Graf v. Seinsheim, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 335; Rudhart, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 438 ff.; Vetterlein, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVII, S. 504 f.; Dörfler,
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zungen, zu starke Einschränkungen eines „Menschenrechtes“, das jedem zustehe, wie es die christliche Eheschließungsfreiheit auch zeige,546 aber auch Widersprüche zu Grundauffassungen der Verfassung.547 Bedenken gegen leichtfertige und damit auch staatsschädliche Verbindungen versuchte man zu zerstreuen, indem man sich eine Art vernünftige Selbstregulierung erhoffte, denn nur „der Mensch, der überall Heiratsverbote erblickt, wird durch das Verbot selbst angespornt, alles anzuwenden, um nur zu heiraten, wie der Sklave vor allem nur seine Ketten zerbrechen möchte“.548 Aus diesen Gründen begrüßten die meisten der Redner im Gesetzgebungsverfahren im Großen und Ganzen das GAV.549 Vereinzelt wurde aber auch Kritik geübt. Einige Redner wollten eine stärkere gemeindliche Beteiligung bei der Ansässigmachung beibehalten, was natürlich indirekt auf die Verehelichungsfreiheit Auswirkungen gehabt hätte.550 Anderen ging die eheordnungsrechtliche Sanktion der Ungültigkeit von im Ausland geschlossenen Ehen zu weit, da dies „über die Gränze der bürgerlichen Gewalt“ gehen würde.551 Eine Verehelichung im Ausland sei zwar aus ordnungsrechtlichen Gründen als unerlaubt zu sanktionieren, jedoch mit anderen VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 204 f.; Jäger, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 262; Lösch, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 272. 546 Graf Armansperg, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 223; Lehmus, VKAStV 1825, V, S. 292 f. 547 Frhr. v. Closen, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 293. 548 Frhr. v. Closen, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 288. 549 Graf v. Armansperg, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 211, Graf v. Soden, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 253 f., speziell bezogen auf die Vorschriften der Verehelichung, S. 269 f.; Frhr. v. Closen, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXV, S. 294; Endres, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 302; Frhr. v. Seinsheim, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 347; Klar, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 405; Krämer, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 160; Heinzelmann, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 25, 29; Greyer, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 56 ff.; Pollmann, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 118, der jedoch auf die strenge Beobachtung der Normen hinwies, damit es nicht zu Mißbrauch komme und die armen Leute im Staat überhand nähmen; v. Heynitz, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 134, stimmte zu, denn es könnte nur besser werden; mehr Freiheit bedeute nicht mehr Armenlast und Hunger, wie er dem Vergleich mit anderen Staaten entnehmen könne; v. Oerthel, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 187; VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 185, 187; v. Dippel, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 193; Kober, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 208; Flurschütz, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 218; VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 218; Lösch, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 271; Gegner des Entwurfs war Kaufmann, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 296 ff. 550 Endres, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 306; ähnlich Abt, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 163. 551 Dr. Rudhart, VKAStV 1825, IV, Prot. XXXVI, S. 451.
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Mitteln. Bei aller Einigkeit hinsichtlich der größeren Freiheit in den genannten Bereichen war jedoch umstritten, welches Vermögen ausreichen sollte, um sich ansässig zu machen. Dies betraf insbesondere den Nachweis von Grundbesitz.552 Nicht ganz einig war man sich auch, inwieweit eine Verehelichung aus polizeilichen Gründen verweigert werden dürfe.553 Die wenigen Zweifel an der Einführung von mehr Freiheit bei der Verehelichung,554 aber auch im Gewerbswesen555 versuchte man mit Erfahrungen des Rheinkreises zu zerstreuen. Den Gesetzen von 1808 und 1825 war gemeinsam, daß sie vor allem die Armut im Staat gering halten wollten und Bayern durch gute Bevölkerungspolitik zu einer blühenden Wirtschaft verhelfen wollten. Allerdings wurde statt der von jedermann im Munde geführten Erleichterung der Ansässigmachung und vor allem auch der Verehelichung jedoch eine Erschwerung erreicht. Dies lag wohl an der Formulierung der Gesetze, die sich nun ganz allgemein an alle Staatseinwohner richteten und damit dieses System zur lückenlosen Erfassung der sich ansässigmachenden und heiratenden Bevölkerung etablierten. Interessanterweise hielten sich auch die Priester an diese Gesetze, denn sonst hätte es nicht so viele uneheliche Geburten gegeben – die kirchliche Trauung war die Voraussetzung auch für die bürgerliche Anerkennung der Ehe. In diesem Bereich hatte die Kirche keinen Konfrontationskurs gegen den Staat gefahren, obwohl es hierfür wirklich Gründe gegeben hätte. Die Politik des Staates hatte unbeabsichtigt die Gründung von Familien stark behindert und damit genau die Armut und soziale Mißstände hervorgebracht, die diese Gesetze eigentlich verhindern und bekämpfen wollten.
552 Frhr. v. Leonrodt, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 16 ff.; etwas skeptisch v. Poschinger, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 47 ff.; v. Utzschneider, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 137; Käser, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 180; Dr. Clarus, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 210; Schneider, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 254; Steinacher, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 267; Höß, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 303. 553 Frhr. v. Leonrodt, VKAStV 1825, V, Prot. XXXVIII, S. 19. 554 Thinnes, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 281 f. 555 Wanzel, VKAStV 1825, V, Prot. XXXIX, S. 197 ff.
III. Bayern im Vormärz 1. Übersicht Mit dem Regierungsantritt Ludwigs I. im Jahre 1825 erfolgte eine Neuorientierung in den geistigen Grundlagen des bayerischen Staates. Dies galt besonders für die Kultur- und Kirchenpolitik.1 Ludwig I. wollte „den von Max Joseph und Montgelas im Geist des Rationalismus aufgebauten Staat mit konservativen und christlichen Grundsätzen [. . .] durchdringen und ein christlich-patriarchalisches Gemeinwesen [. . .] schaffen“.2 Diese Vorstellung vom Staat war wesentlich durch Ludwigs Erzieher geprägt. Ludwig hatte eine tiefe kirchlich-katholische Gesinnung, ohne ein religiöser Zweifler zu sein.3 Seine religiöse Erziehung oblag vor allem dem Bischof Johann Michael Sailer,4 der kirchenpolitisch sehr einflußreich war. Die politische Erziehung genoß er bei dem Staatsrechtler, Nikolaus Thaddäus Gönner,5 der die Aufklärungsbewegung an der Landshuter Universität maßgeblich beeinflußte und „der seine Schüler im Sinn des Staatsideals Montgelas unterrichtete“ und bei August Ludwig Schlözer,6 der Ludwig in der Regierungs- und Kameralwissenschaft unterrichtete. Ludwig verstand sich als König von Gottes Gnaden. Die Religion war für ihn erstes Staats- und Bildungsprinzip. Mit dieser Einstellung widersprach die Auffassung von Königtum völlig der radikalen Aufklärung und der Sicht Montgelas’. Diese Auffassung von der Regierung reduzierte im Unterschied zur Montgelas’schen Epoche Einfluß und Macht der Minister.7 Ludwig führte die meisten unter seinem Vater Max und Montgelas eingerichteten Ministerien fort. Eine Ergänzung erhielt nur das Ministerium des Innern mit der Bezeichnung „Oberster Kirchen- und Schulrat“ als eigene 1 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 105 ff., 107; Kucharzik, Kirchenpolitik, S. 71 ff. 2 Hacker, Beziehungen, S. 13. 3 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 90–92. 4 Johann Michael Sailer war die bedeutenste Gestalt der katholischen Erneuerungsbewegung in Bayern, die sich von der Aufklärung und dem Rationalismus weg zu Gläubigkeit und Frömmigkeit hinorientierten. Er verkörperte eher einen milden und duldsamen Katholizimus. Hacker, Beziehungen, S. 11. 5 ADB/Ullmann, Bd 9, S. 367 ff. 6 ADB/Frensdorf, Bd 31, S. 567 ff. 7 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 108.
1. Übersicht
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Ministerialsektion, die „für Angelegenheiten des Kultus, des Unterrichts und der für diese Zwecke bestimmten Stiftungen“ zuständig und „mit programmatischer Zielsetzung“ geschaffen wurde.8 Wenn Ludwig auch in vielen Bereichen eine andere Politik als zur Zeit Montgelas verfolgte, wünschte er eine Verwaltung nach französischem bzw. rheinischem Vorbild, deren Kennzeichen Transparenz und Klarheit im Sinne der Einfachheit war.9 Was das Verhältnis von Kirche und Staat anlangte, setzte der Hl. Stuhl große Hoffnungen in die Regierung Ludwigs I. Der Papst war durch seine Vertreter in München über den König und seine Absicht, das kirchliche Leben zu fördern, aber auch am Staatskirchenrecht festzuhalten, genau unterrichtet. Letztlich hoffte der Hl. Stuhl unter Ludwig sein Ziel, den Vorrang des Konkordates vor dem Religionsedikt, durchzusetzen.10 Trotz seiner inneren religiösen Grundhaltung bekannte Ludwig sich eindeutig zum bestehenden Staatskirchenrecht, indem er anordnete, die Vorschriften des Religionsedikts unter Abschnitt III zu den staatlichen Kirchenhoheitsrechten „auf das strengste zu handhaben“ und die Kirche durch das Plazet als einem „unveräußerlichen von der Krone unabtrennbaren Recht“ zu kontrollieren.11 Er kehrte sich vom Eoskreis12 und allem Ultramontanen ab.13 Wenn Ludwig auch im starken Maße die katholische Kirche im Staat förderte, versuchte er sich immer von radikalen Auffassungen und Richtungen fernzuhalten; als Vorbild galt ihm immer die „irenische und duldsame Geisteshaltung“ seines Erziehers Johann Michael Sailer.14
8 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 110 und Fn. 5: RBl. 1033 ff. „Unterstützung der Absichten des Königs, die den Schutz der Kirche, die Veredelung der Sitten, die Beförderung der Künste und Wissenschaften und die Heranbildung tüchtiger Staatsbürger“ bezwecken. – Mit VO v. 15. Dezember 1846 (RBl. 921) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1847 eine eigene für sich bestehende Abteilung des Innenministeriums gebildet, unter der Benennung „Ministerium des Innern für kirchliche Angelegenheiten“. Damit beginnt die Geschichte des bayerischen Kultusministeriums. Der Oberste Kirchen- und Schulrat wurde aufgehoben. Durch die VO v. 27. Februar 1847 (RBl. 169) wurde das neue Ministerium zu einem „Ministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten“ erweitert. Dieser Name blieb ihm bis 1918. Vgl. HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 209. 9 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 114. 10 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 193. 11 Hacker, Beziehungen, S. 61 und dort Anhang S. 161 f. (Nr. 5). 12 Vgl. dazu Karpfinger, Eoskreis, S. 21 f. 13 HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 194. 14 Hacker, Beziehungen, S. 13.
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III. Bayern im Vormärz
2. „Entschließungen“ zum interkonfessionellen Eherecht a) Einleitung In der Regierungszeit Ludwig I. erging eine beträchtliche Anzahl von „Verfügungen“ des Staatsministerium des Innern „Auf Befehl des Königs“ im Bereich des interkonfessionellen Eherechts.15 Bezüglich der Eingehung von Mischehen hatte der Staat eine von der Kirche abweichende Auffassung entwickelt, wie verschiedene Verordnungen aus der Regierungszeit Max I. Joseph gezeigt haben.16 Den gemischtkonfessionellen Paaren stand die Wahl des Priesters genauso frei wie die Entscheidung über die religiöse Erziehung ihrer Kinder. Die katholische Kirche, die nach dem Abschluß des Konkordates und vor allem nach der Tegernseer Erklärung wieder eine etwas sicherere Position hatte, versuchte die staatlichen Vorstellungen zu boykottieren und ihre eigenen Ansichten durchzusetzen, indem sie immer häufiger Trauungen verweigerte oder auch die Dimmissorialien nicht ausstellte und keine Verkündung vornahm, wenn nicht das Versprechen der katholischen Kindererziehung abgegeben worden war.17 Diese Auseinandersetzung stand im großen Zusammenhang des Kampfes um die Hierarchie von Verfassung, Religionsedikt und Konkordat.18 Dies mag ein Grund sein, weswegen die Kirche seit dem Abschluß des Konkordates und dem Inkrafttreten von Verfassung und Religionsedikt vehementer für die Durchsetzung ihrer Vorstellungen zu den Mischehen kämpfte. Sie hoffte und glaubte durch den Abschluß des Konkordates an Einfluß und Macht in Bayern nach der antiklerikalen Epoche unter Montgelas zurückgewonnen zu haben. Die bayerischen Bischöfe suchten wieder stärken Kon15 Die zunehmende Anzahl von Entscheidungen zu Mischeheschließungen hängt mit der konfessionellen Veränderung auf dem bayerischen Territorium zusammen. Allerdings waren 1840 immer noch etwa Dreiviertel der rechtsrheinischen Bevölkerung katholisch; dabei waren die Gebiete Niederbayern und danach Oberbayern am wenigsten konfessionell durchmischt. Zu dieser Zeit wurden auf 100 Ehen etwa 0,56 Mischehen in Niederbayern, 1,45 in Oberbayern, 1,30 in der Oberpfalz, 0,79 in Schwaben, 1,55 in Unterfranken, 3,38 in Mittelfranken und 1,36 in Oberfranken geschlossen. Nur in der linksrheinischen Pfalz, lag die Quote bei 9,14, was auf die ausgewogensten Mischungsverhältnisse von Katholiken und Protestanten zurückgeführt werden kann. Vgl. Held, Verschiebungen, S. 43 und S. 8. Vgl. allgemein zu dieser Thematik auch Mayer, Bayerns Bevölkerung in konfessioneller Schichtung und Entwicklung seit den letzten hundert Jahren 1811/12–1910, München 1917. Die Häufigkeit der Mischeheschließungen war also nicht der einzige Grund für die Brisanz des Themas. 16 Vgl. oben Kap. II.4.b. 17 Vgl. dazu auch Berichte über das Vorgehen des Bischofs Michael Wittmann in Regensburg bei Mischehesachen, Mittermüller, Bischof Wittmann, S. 96–99; ebenso: Remling, Bischöfe zu Speyer, S. 410 ff., aber auch S. 423–429. 18 Vgl. Kucharzik, Kirchenpolitik, S. 82 ff. und oben Kap. II.6.
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takt zum Hl. Stuhl, was sich deutlich bei Fragen zu Mischeheschließungen zeigte. Die katholische Geistlichkeit orientierte sich stärker als je zuvor an der strengen Handhabung der Mischehen durch die kirchlichen Lehren.19 Diese Auffassungen des Hl. Stuhls zu den gemischtkonfessionellen Ehen waren im 18. Jahrhundert unter dem Einfluß der Aufklärung weniger berücksichtigt worden.20 Auch in Bayern hatten diese Lehren keinen erheblichen Einfluß, denn Kreittmayr hatte im CMBC nicht die päpstliche, sondern die in deutschen Ländern übliche Praxis normiert.21 Vor allem aber Anfang des 19. Jahrhunderts wich man insbesondere in den neuhinzugewonnenen gemischtkonfessionellen Gebieten, Franken, Schwaben und der Pfalz von dieser strengen Praxis ab. Man ging sogar deutlich über die staatlichen Forderungen hinaus, das Aufgebot vorzunehmen und die Dimissorialien auszustellen, indem man die gemischten Paare auch traute, wenn nicht alle Kinder im katholischen Glauben erzogen würden und gab sich damit zufrieden, wenn einige Kinder katholisch erzogen wurden.22 Diese mildere Praxis wurde vom Hl. Stuhl mit dem Begriff des „Dissimulierens“ umschrieben, worunter man die „Duldung von Mißständen, die unter den gegebenen Verhältnissen nicht geändert werden konnten,“ verstand.23 Die altbayerischen Diözesen folgten am ehesten der strengen Ansicht des Papstes,24 jedoch war man auch hier großzügiger.25 Allerdings, und dies begründete den eigentlichen Konflikt, bestand für die deutschen Gebiete noch kein Kirchengesetz, das die strengere päpstliche Praxis in den Augen des Staates gerechtfertigt hätte, zumindest hätte für die Geltung in Bayern, wie in der Diskussion auch immer wieder betont wurde, das königliche Plazet gefehlt. Ein solches Plazet war nach § 58 RE erforderlich. Bislang waren spezielle Entscheidungen des Papstes nur für Holland, Belgien und Polen ergangen. Daß es tatsächlich noch keinen solchen Rechtssatz für Deutschland, bzw. eines der deutschen Gebiete gegeben hatte, beweist auch die Kirchenrechtsliteratur.26 19 Kunstmann, gemischte Ehen; Sägmueller, Lehrbuch, Bd II, S. 195 ff. und Sicherer, Eherecht, S. 45 ff. 20 Sicherer, Eherecht, S. 37 ff.; Hacker, Beziehungen, S. 76. 21 Vgl. oben Kap. I.2.e. 22 Hacker, Beziehungen, S. 76 f.; Sieweck, Gebsattel, S. 110–113; Remling, Bischöfe zu Speyer, S. 275 ff.; Sicherer, Eherecht, S. 42 ff. 23 Hacker, Beziehungen, S. 11 m. w. N. für Deutschland insgesamt; für Bayern: Sicherer, Eherecht, S. 37 ff., Literatur speziell für nachsichtige Behandlung der Mischehen in Herrscherhäusern vor allem für Bayern: Zittel, gemischte Ehen, S. 110 ff. 24 Hacker, Beziehungen, S. 77. 25 Mittermüller, Bischof Wittmann, S. 96 ff. 26 Michl, Kirchenrecht, S. 348 ff. äußerte sich zu den gemischtkonfessionellen Ehen unter Bezugnahme auf die päpstliche Entscheidung von Benedikt XIV. aus
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Der Staat seinerseits war jedoch – mindestens im rechtsrheinischen Gebiet, wo es noch keine Zivilehe gab – auf die Kirche angewiesen, weil für eine gültige bürgerliche Eheschließung vor allem das Aufgebot in Form der dreimaligen Verkündung von der Kirche, d. h. dem jeweils zuständigen Pfarramt, durchgeführt werden mußte und bestätigt werden mußte, daß keine Ehehindernisse vorlagen.27 Deswegen bestand der Staat in allen seinen Verordnungen auch auf die Vornahme der dafür notwendigen Handlungen durch die Priester. Es wäre im Interesse der Regierung zur Wahrung des konfessionellen Friedens gewesen, wenn den gemischten Ehen generell mit mehr Milde begegnet worden wäre und die Ehen auch dann eingesegnet worden wären, wenn nicht das Versprechen der katholischen Erziehung aller Kinder abgegeben worden war.28 Auffassungen der Bischöfe und ihre Praxis blieben jedoch unterschiedlich. Manche Bischöfe und Geistliche fühlten sich vor allem an eine Mitteilung des Nuntius Serra Cassano aus dem Jahre 1819, an die strenge Handhabung der katholischen Kirche gebunden. Hiernach war den Geistlichen die Ausstellung von Entlaßscheinen für gemischtkonfessionelle Paare verboten.29 Aus diesem Grunde entschloß sich die Regierung, mit dem Hl. Stuhl in dieser Sache in diplomatische Verhandlungen zu treten mit dem Ziel, vom Hl. Stuhl eine Ermächtigung für die bayerischen Bischöfe zu erlangen, „nach eigenem Ermessen und Gewissen die kirchliche Einsegnung von Mischehen auch dann zu gestatten, wenn die katholische Erziehung aller Kinder nicht zugesichert war“.30 Man erwartete dabei „von der Kurie nicht ein Nachgeben in einem Prinzip, wohl dem Jahre 1741 kritisch. Walter, Lehrb. KR6 von 1833, erwähnt die konfessionsverschiedenen Ehen zwischen Katholiken und Protestanten gar nicht, sondern geht nur auf die Ehen zwischen Christen und Nichtchristen ein. In den Kirchenrechtslehrbüchern, die seit der Jahrhundertmitte erschienen, findet man durchwegs eigene z. T. ausführliche Abhandlungen zu den gemischtkonfessionellen Ehen zwischen Katholiken und Protestanten. Bei Walter, Lehrb. KR, ab der 7. Aufl. 1836, S. 630 ff.; Richter, Lehrbuch4, S. 589 ff.; Permaneder, HdB, S. 749 ff.; Schulte, Lehrbuch2, S. 426 ff.; Uhrig, Eherecht, S. 489 ff. 27 „Die Bescheinigung über die Vornahme des Aufgebots und das Fehlen von Ehehindernissen konnte nach katholischem Kirchenrecht auf zweierlei Weise erfolgen: entweder durch die „Ledigscheine“, in denen der eine von zwei zur Trauung berechtigten Pfarrern dem anderen die Tatsache des erfolgten Aufgebotes bestätigte, oder durch die eigentlichen Dimissorialien oder „Entlaßscheine“, mit denen der trauungsberechtigte Pfarrer nach erfolgtem Aufgebot einem anderen, an sich nicht berechtigten Pfarrer die Vollmacht zur Eheschließung übertrug.“ Hacker, Beziehungen, S. 75 mit Verweis auf Ernst Freiherr von Moy, Von dem kirchlichen Aufgebot der Ehe, ArkKr 1 (1857), S. 129 ff. (135), Schnitzer, Eherecht5, S. 131. Hacker, Beziehungen, S. 75 weist nach, daß die Regierung in ihren Erlassen nicht sauber zwischen Dimissorialien und Ledigschein unterschieden habe. 28 Hacker, Beziehungen, S. 78. 29 Hacker, Beziehungen, S. 77; Text bei Kunstmann, gemischte Ehen, S. 244 f. 30 Hacker, Beziehungen, S. 79.
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aber ein Zugeständnis im Wege der Dispensation.“31 Dieser ständige Konflikt wurde in seiner ganzen Tragweite ausgetragen, als der Regensburger Freiherr von Thon-Dittmer32, ein Protestant, die katholische Baroneß Rummel33 heiraten wollte. Hauptquelle für die staatlichen „Verfügungen“ über die Eingehung von Mischehen ist die „Sammlung der im Gebiete der inneren Staats-Verwaltung des Königreichs Bayern bestehenden Verordnungen“.34 Bei diesen „Verfügungen“, oder wie der Titel der Sammlung sagt, „Verordnungen“, handelt es sich nicht um Verordnungen im heutigen Sinne; es sind keine Gesetze mit unmittelbarer Außenwirkung, denn die meisten dieser „Verfügungen“ wurden nicht im Gesetzesblatt veröffentlicht. Aus heutiger Sicht entsprechen sie eher verwaltungsinternen Weisungen, bestehende Verordnungen und Gesetze auf bestimmte Weise zu handhaben. Zum Teil ist auch von „Reskripten“ die Rede. Darunter verstand man in der Behördensprache des 19. Jahrhunderts „ganz allgemein einen auf Anfrage ergehenden schriftlichen Bescheid einer Oberbehörde an eine nachgeordnete Behörde oder Person“.35 b) Entschließungen bis 1831 Bis ins Jahr 1831, in dem der Fall Thon-Dittmer behandelt wurde, erging eine beträchtliche Anzahl von Verfügungen zu Mischehefällen. aa) Das Reskript vom 24. Oktober 1826 Am 24. Oktober 1826 erging ein Reskript,36 das das Verfahren bei der Eheschließung von gemischtkonfessionellen Partnern regeln sollte, bis eine allgemeine „Allerhöchste Entschließung“ auf diesem Gebiet erlassen würde. Darin erhielten die Kreisregierungen den Auftrag, „mit allem Nachdrucke innerhalb der Schranken ihrer gesetzlichen Befugnisse dahin zu wirken“, daß die geistlichen katholischen Behörden, die für die Gültigkeit der Ehe auch aus bürgerlichrechtlicher Sicht notwendige Proklamation und die Dimissorialien, die man für Trauung in einer andern Pfarrei bedurfte, in keinem Fall verweigerten. Durch dieses Verhalten würden sie den Frieden 31
Hacker, Beziehungen, S. 79. Thon-Dittmer wurde später Abgeordneter und Minister in Bayern, vgl. Lempfrid, Anfänge, S. 224 Fn. 5. 33 Bei Silbernagl, Zustände, S. 130. 34 Döllinger, Verordnungen, Bd. VIII Abt. VIII. 35 HRG/Dilcher, Reskript, Reskriptprozeß, Bd 4, Sp. 936. 36 München 24. Oktober 1826 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 220 § 225. 32
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nicht nur unter den verschiedenen Religionsgemeinschaften, sondern auch unter den Eheleuten selbst stören und dies könne kaum im Sinne ihres Berufsverständnisses sein. Davon war das erzbischöfliche Ordinariat in Kenntnis zu setzen. Am 30. März 1827 erging daraufhin eine Weisung an die Erzbischöfe von München-Freising und Bamberg,37 in der der König verlangte, das Verhalten der katholischen Kirche bei der Eingehung von gemischten Ehen so zu ändern, daß es dem in der Verfassung und dem Religionsedikt bestimmten Verhältnis der christlichen Religionen in Bayern entspreche. Zu dieser Maßnahme sah sich der König veranlaßt, „da mehrere erzbischöfliche und bischöfliche Ordinariate den katholischen Pfarrämtern die Weisung ertheilt“ hatten, „bei Eingehung gemischter Ehen in dem Falle, wenn nicht eine genügende Versicherung vorliegt, daß alle in solchen Ehen zu erzeugenden Kinder im katholischen Glaubensbekenntnisse werden erzogen werden, nicht nur die Copulation nach katholischem Ritus, sondern auch die Proclamation und die Dimissorialien zum Behufe der Trauung durch einen anderen katholischen Pfarrer zu verweigern“. Dieses Verhalten widersprach aus der Sicht des Königs und damit des bayerischen Staates dem Verständnis von „christlicher Duldung“ und vor allem den in allen deutschen Staaten seit dem westfälischen Frieden beachteten Grundsätzen. Am selben Tage erging die gleiche Anweisung als Antwort an die Königliche Regierung des Regenkreises, aber auch an alle anderen königlichen Kreisregierungen außer des Isar-Oberdonau- und des Rheinkreises,38 in der nochmals von den königlichen Kreisregierungen verlangt wurde, daß sie „mit allem Nachdrucke innerhalb der Gränzen ihrer verfassungsmäßigen Competenz“ bewirken mögen, daß die dringend auch für den bürgerlichen Vertrag der Ehe notwendige Proklamation und die Dimmissorialen nicht verweigert würden. Auf einen weiteren Bericht über verweigerte Dimissorialien auf Befehl eines bischöflichen Ordinariats hin erging erneut eine königliche Entschließung,39 die das betroffene Ordinariat in diesem Falle anwies, sehr zügig das katholische Pfarramt mit der Ausstellung der Dimmissorialen zu beauftragen, denn andernfalls müßte zum Schutz der konstitutionellen Rechte 37 München, den 30. März 1827 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 221 § 226. 38 München, den 30. März 1827 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 221 § 227. 39 Es handelte sich um die Verehelichung des protestantischen Gutsbesitzers N. mit einer Katholikin. München, den 20. März 1828 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 222, § 229.
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den protestantischen Oberkonsistorien gestattet werden, den untergeordneten evangelischen Pfarrämtern die Trauung gemischtkonfessioneller Brautpaare bei Verweigerung der Dimmissorialen durch des zuständige katholischen Pfarramt auch ohne den Entlaßschein zu gestatten. Diese Entschließung brachte nochmals zum Ausdruck, daß die bischöflichen Stellen das durch die Verfassung den Brautleuten gemischter Konfession gewährte Recht, sich außerhalb des katholischen Pfarramtes trauen zu lassen, nicht durch die Weisung an die katholischen Pfarrämter, die Dimissoriales zu verweigern, „indirekt“ entziehen dürften. Auch die katholischen Oberbehörden seien dazu angehalten, bürgerlich oder kirchlich ungültige Eheschließungen zu verhindern. Dies könne jedoch sehr leicht eintreten, wenn der Entlaßschein verweigert würde, weil man in diesem Fall nicht wisse, ob und welche kanonischen Ehehindernisse vorlägen. Die Reaktion aus dem Kreis der Bischöfe auf dieses Schreiben der Regierung war sehr schroff, nachdem sie im Jahre 1825 selbst noch um nachsichtige Behandlung bei der Trauung der gemischten Ehen beim Papst bitten wollten.40 Mit zunehmender Rückbesinnung des bayerischen Klerus auf das kanonische Recht waren die Forderungen des Papstes jedoch schärfer geworden. Bitten des bayerischen Staates wurden mit „schmerzlichstem Bedauern“ abgelehnt, da man von einem katholischen König und Staat eine andere Haltung erwartete.41 Am 27. März 1828 wurde vom Staatsministerium des Innern auf eine Anfrage der königlichen Regierung des Rezatkreises noch eine Klarstellung zur Entschließung vom 30. März 1827 erlassen, daß die Verordnung vom 25. September 181442 durch diese Anweisungen in keiner Weise aufgehoben sei, sondern eher erweitert werde, „als nach Vorschrift derselben die Erlaßscheine auch in dem Falle nicht verweigert werden [dürften], wenn die Trauung nicht durch ein protestantisches Pfarramt, sondern mit Ausschluß des zuständigen katholischen Pfarrers, durch einen anderen Geistlichen derselben Confession vollzogen werden [dürfte]“.43 In der Verordnung vom 25. September 1814 war es den Brautleuten überlassen worden, in freier Wahl zu entscheiden, ob sie sich in der Pfarrei des Bräutigams oder der Braut trauen lassen wollen.44
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Sicherer, Eherecht, S. 47. Sicherer, Eherecht, S. 49. 42 Regbl. Bayern 1814, Sp. 1537; vgl. auch. Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII S. 216 f., vgl. dazu auch Kap. II.4.b.ii. 43 München, den 27. März 1828 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 223. 44 Vgl. oben II. 4. b. ii. 41
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bb) Das Reskript vom 22. April 1829 Am 22. April 182945 kam es bezüglich der Eingehung von Ehen zwischen Katholiken und geschiedenen Protestanten zu einer Wende. Durch ein königliches Reskript, das auf eine Anfrage des Erzbischofs von Bamberg vom 22. Oktober 1828 erging, wurde bestimmt, daß die Zivilbehörden, die nach dem Gesetz über die Ansässigmachung und Verehelichung vom 11. September 182546 § 8 Nr. 1 bei der Bearbeitung der Heiratsgesuche auch die kirchenrechtlichen Hindernisse zu beachten hatten, bei einer Eheschließungsabsicht einer katholischen Person mit einer geschiedenen protestantischen zu Lebzeiten des anderen Ehegatten dieses Gesuch abzulehnen hätten. Daß die Zivilbehörden die kirchenrechtliche Auffassung zu berücksichtigen hätten, sah der König durch die II. Beilage der Verfassung §§ 38, 39 und 51 begründet, in der zugesichert war, „daß jede Kirchengesellschaft in rein geistlichen Sachen, nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchenpflichten ihrer Mitglieder nach ihren Dogmen und der darauf gegründeten Verfassung die Gerichtsbarkeit selbst auszuüben und hiernach die Befolgung ihrer Gesetze zu erzwecken und gegen jede Verletzung derselben den Schutz der Staatsgewalt anzurufen befugt sein [sollte]“. Mit dieser Entscheidung wurde die bisherige Auffassung des bayerischen Staates, die erstmals in der Entscheidung vom 8. November 180247 festgehalten worden war, verworfen. Damals war man davon ausgegangen, daß aus bürgerlicher Sicht eine Heirat zwischen einer katholischen Person und einer geschiedenen protestantischen auch zu Lebzeiten des anderen Ehegatten möglich sei, weil nach evangelischer Lehre ein Protestant rechtmäßig geschieden werden und deswegen auch eine neue Ehe eingehen könne und den Staat auch nur diese Betrachtungsweise interessiere.48 cc) Das Reskript vom 14. Juni 1830 Bereits im folgenden Jahr, am 14. Juni 1830, wurde dieses „allerhöchste Reskript“ vom 22. April 1829 jedoch zu großen Teilen eingeschränkt. „In denjenigen Gebietstheilen diesseits des Rheins, in welchen das preussische Landrecht noch als giltig [bestand]“, sollten diese Bestimmungen vom 45
Rom, am 22. April 1829 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 248 f. 46 Vgl. oben II. 7. 47 Vgl. Kap. II4.b.cc. 48 Vgl. dazu Ausführungen von Gengler, Verhandlungen, S. 68–77. Er war Professor des Kirchenrechts und der Kirchengeschichte am königlichen Lyzeum zu Bamberg.
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22. April 1829 so lange nicht zur Anwendung gebracht werden, „als desfalls nicht auf gesetzlichem Wege eine abändernde Bestimmung erfolgen [würde]“. Vielmehr solle das „allerhöchste Reskript“ vom 8. November 1802 angewendet werden, auch wenn diese Entschließung für die damalige rheinpfälzische Landesdirektion in Mannheim nicht als ein allgemeines Gesetz eingeordnet werden könne.49 Noch ein Jahr später, am 29. Juli 1831, wurde das Reskript vom 22. April 1829 zugunsten der Entschließung vom 8. November 1802 vollständig zurückgenommen bis auf gesetzlichem Wege eine Änderung herbeigeführt worden sei. Grund dafür war, daß man den König davon überzeugt hatte, daß die Entschließung vom 8. November 1802 nun doch nicht nur eine Einzelfallentscheidung, sondern eine auf das gesamte Königreich ausgedehnte Vorschrift darstelle.50 Um weiteren Mißverständnissen und Anfragen hierzu vorzubeugen, sandte die königlichen Regierung die von nun ab wieder geltenden Bestimmungen hinsichtlich der gesetzlichen Zulässigkeit der Eingehung von Ehen zwischen Katholiken und geschiedenen Protestanten in vollständigen Abschriften an alle königlichen Regierungen, diesseits des Rheins und als Mitteilung an die Regierung des Rheinkreises zu.51 Die Verordnung vom 22. April 1829 hatte jedoch zu einer Beschwerde des Abgeordneten Hagen, dem ersten Bürgermeister von Bayreuth,52 geführt. Diese Verordnung sei „durch eine Vorstellung des Erzbischofs von Bamberg veranlaßt worden, aber ohne Einvernehmen mit dem Staatsrat oder den Ständen zustande gekommen“.53 Diese Beschwerde hatte sich jedoch durch die vollständige Rücknahme erledigt, bevor sich der fünfte Ausschuß eingehend mit ihr befassen konnte.54 dd) Weitere Maßnahmen Der bayerische Staat versuchte Mischehen vor allzu starken Angriffen seitens der katholischen Kirche zu schützen. Das Staatsministerium des Innern rügte beispielsweise die Androhung eines katholischen Pfarrers, eine 49 München, den 14. Juni 1830 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 250. 50 München den 29. Juli 1831, in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 250 f. 51 München den 29. Juli 1831 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 251: zu den genannten Abschriften zählen: Entschließung vom 8. November 1802 und die Reskripte 13. Juni 1803, 16. April 1804, 1. Mai 1814, 11. Januar 1818 und 29. März 1824 (vgl. dazu auch Döllinger, Verordnungen §§ 251 ff.). 52 Müller, Verfassungsbeschwerde, S. 186. 53 Hagen, in: VKAStV 1831, Prot. Bd. 7, Prot. 36, S. 34 Nr. 3. 54 Hagen, in: VKAStV 1831, Prot. Bd. 15, Prot. Bd. 81, S. 113 ff.
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Katholikin vom Sakrament auszuschließen, weil sie mit einem evangelischen Christen verheiratet sei.55 Die Ausschließung vom Sakrament in diesem Fall weise eine „verfassungswidrige Tendenz“ auf. Dies wurde damit begründet, daß die Ehe 1813 nach preußischem Landrecht bürgerlichrechtlich gültig geschlossen worden und in ihrem Bestand schützenswert sei. Wenn nun die Brautleute den Schutz ihrer Ehe durch den Staat einfordern, so könne der Staat nicht erlauben, daß eine kirchliche Behörde mithilfe kirchlicher Zwangsmittel insgesamt die Gültigkeit der Ehe gefährde, denn die bürgerliche Gültigkeit der Ehe knüpfe sich an den kirchenrechtlichen Bestand der Ehe. Diese Vorgehensweise widerspreche § 71 des II. konstitutionellen Edikts. Dieses Reskript ging an die königliche Regierung des Rezatkreises mit dem Auftrag das betreffende Ordinariat in Kenntnis zu setzen. Dennoch reißen die Probleme mit der Eingehung von Mischehen nicht ab. Immer wieder werden dem Staatsministerium des Innern „Anstände“56 berichtet. Deswegen wird in dem Reskript vom 16. Juni 1830 nochmals darauf hingewiesen,57 daß es den katholischen Pfarrämtern nicht erlaubt sei, bei der Verehelichung von Personen verschiedenen Glaubensbekenntnisses von dem protestantischen Teil einen schriftlichen Nachweis oder eine eidliche Zusicherung über die Erziehung der Kinder in der katholischen Religion zu verlangen. Vielmehr müßten sie sich darauf beschränken, sich von den Eheleuten die gerichtliche Vereinbarung über die Kindererziehung vorlegen zu lassen, sofern eine solche bestehe oder noch angeschlossen werden solle, und davon eine beglaubigte Abschrift zu den Pfarrakten zu nehmen. Diese Verfügung richtete sich zunächst an die Regierung des Isarkreises, die den Auftrag hatte, diese Stellungnahme allen zum Isarkreis gehörigen Pfarrämtern mitzuteilen. Aber auch alle übrigen Unterbehörden58 und auch das erzbischöflichen Ordinariat München-Freising waren in Kenntnis zu setzen. Allerdings hielten die Diözesen München-Freising und Regensburg an der kirchlichen Praxis fest,59 was dazu führte, daß bei der Eheschließung eines prominenten Regensburger Bürgers, Freiherr von Thon-Dittmer, ei55 München, den 2. September 1829 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 249. 56 Auslösend waren hier Ereignisse aus dem Isarkreis, vgl. Reskript vom 16. Juni 1830 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 224 f. § 232. 57 Reskript vom 16. Juni 1830, ein weiteres Reskript vom 23. März 1831 wiederholt für einen Einzelfall, daß ein katholischer Pfarrer die Proklamation von einem gemischtkonfessionellen Paar nicht verweigern dürfe, wenn das Paar keine Übereinkunft über die religiöse Kindererziehung getroffen habe und sich nur den verfassungsmäßigen Bestimmungen unterwerfen möchte; in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 224 f. § 232. 58 Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 224 f. § 232. 59 Hacker, Beziehungen, S. 83; Sieweck, Gebsattel, S. 116 f.; vgl. im Folgenden.
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nem Protestanten, mit der Katholikin Baroneß Rummel diese strenge Praxis durch eine Beschwerde bei der Ständeversammlung besonders öffentlich gemacht wurde.60 Auch die Entschließung vom 23. März 183161 beschäftigt sich mit einem Bericht des protestantischen Oberkonsistoriums und der Bitte, den katholischen Pfarrer zur Verantwortung zu ziehen, der eine Proklamation verweigert hatte, weil die Verlobten kein Versprechen über die religiöse Erziehung ihrer Kinder im katholischen Glauben abgegeben hatten. Das Staatsministerium unterstützte die Bitte des Konsistoriums und betonte nochmals, daß es den Verlobten freistünde, in welcher Religion sie die Kinder erzögen. Unter Berufung auf die Reskripte vom 30. März 1827 und vom 16. Juni 1830 wird am 17. April 1831 erneut darauf hingewiesen,62 daß katholische Pfarrer zur Proklamation und zur Ausstellung der Dimissorialien verpflichtet seien, da dies für die Gültigkeit der Ehe aus bürgerlich rechtlicher Sicht unerläßlich sei und vor allem zur Vermeidung von ungültigen Eheschließungen beitrage, da Ehehindernisse besser aufgedeckt werden könnten. Allerdings wird die vorgebrachte Rechtsverletzung und damit verbundene Beschwerde des Freiherrn von N. wegen verweigerter Einsegnung zurückgewiesen. Das betreffende Paar war inzwischen schon nach katholischem Ritus von einem anderen Pfarrer verheiratet worden; im übrigen sei die Ehe auch gültig, wenn eine Trauung im evangelischen Ritus stattgefunden hätte. Aus diesem Grunde bestehe in vorliegendem Fall keine Veranlassung gegen das Pfarramt einzuschreiten, das ursprünglich die Proklamation und die Dimissorialien verweigert hatte. Überdies ermahnte das Staatsministerium des Innern die königliche Regierung des Regenkreises in diesem besagten Fall zu weit gegangen zu sein, indem sie den Curatus zu N. unter Androhung von Zwangsmitteln bestimmt habe, die Trauung des besagten Paares vorzunehmen ohne Untersuchung, ob er zur Trauung berechtigt gewesen sei. Damit würden die erwähnten Reskripten zu stark ausgeweitet. Außerdem rügte die Regierung im gleichen Reskript63 zum wiederholten Male die Vorgehensweise bestimmter geistlicher Behörden, wie sie einem Bericht der Königlichen Regierung des Regenkreises vom 12. Januar entnehmen konnte, wo Beispiele im Regenkreise genannt waren, „daß die blos von den protestantischen Pfarrern eingesegneten Ehen als Concubinate, die Kinder aber als illegitim betrachtet, daß der katholische Theil der Sacra60
Dazu gleich. Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 225 § 233. 62 München, den 17. April 1831 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 226 § 234. 63 München, den 17. April 1831 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 227 § 234. 61
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mentsspende enthoben, und in articulo mortis auf die grausamste Weise geängstigt [würde].“ Ein solches Verfahren einzelner geistlicher Behörden stehe mit den bereits genannten Grundsätzen im Widerspruch und könne nicht geduldet werden. c) Der Fall Thon-Dittmer aa) Stellungnahmen des Staatsministeriums des Inneren zu Mischehen vom 31. Mai 1831 Am 31. Mai 183164 äußerte sich das Staatsministerium des Innern anläßlich einer Beschwerde des Freiherrn von Thon-Dittmer, die bereits am 17. April beantwortet worden war, nochmals grundsätzlich zur Handhabung künftiger Eheschließungen von gemischtkonfessionellen Brautleuten gegenüber der königlichen Regierung des Regenkreises:65 Unter Verweis auf die Verordnungen vom 25. September 181466 und der Entschließung vom 30. März 182767 dürften die Pfarrämter bei der Trauung von gemischten Ehen die Proklamation, die Ausstellung des amtlichen Zeugnisses oder den Ledigschein nicht verweigern. Grund dafür sei zum einen, daß die Proklamation das gesetzliche Mittel für die Entdeckung von Ehehindernissen sei und bei der Verweigerung riskiert würde, daß ungültige Ehen entstünden, zum anderen gebe es kein von der Staatsbehörde anerkanntes Kirchengesetz, das die Verweigerung der Proklamation durch die kirchlichen Behörden gerade wegen ihrer Bedeutung für die bürgerlichrechtlichen Verhältnisse rechtfertigen könne. Das Staatsministerium des Innern wies nun die Kreisregierung an, dem Regensburger Ordinariat das Folgende über die Auseinandersetzungen mit dem Hl. Stuhl über die gemischten Ehen mitzuteilen: „In Betreff der Erklärung des päpstlichen Stuhles über gemischte Ehen vom Jahre 1819,68 wo64
In: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 228 ff. § 237. Es handelt sich hier um das Verfahren, das in den §§ 53 f. des Religionsediktes, II. Beilage zur Verfassung geregelt war. § 53 bot die Möglichkeit, daß sich der einzelne „Genosse einer Kirchengesellschaft“, § 52, gegen den Mißbrauch der geistlichen Gewalt bei der einschlägigen Regierungsbehörde beschwerte, die darüber dem königlichen Staatsministerium des Innern Bericht erstatten mußte bzw. sich auch direkt an den König wenden konnte. Das Staatsministerium hatte den Fall seinerseits zu untersuchen und dann das Geeignete zu verfügen, § 54. Die Stellungnahme des Staatsministeriums ging an die Kreisregierung. 66 Diese Verordnung stellte die Wahl des Priesters den gemischtkonfessionellen Brautleuten völlig frei. Ausführlicher vgl. Kap. II.4.b.ii. 67 Vgl. hier weiter oben. 68 Es handelte sich hier um ein päpstliches Breve/Schreiben, in dem auf Anfrage des Bischofs Wittmann, vgl. Mittermüller, Bischof Wittmann, S. 97, erklärt wurde, 65
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von das bischöfliche Ordinariat glaubt, daß dieselbe der Staatsregierung durch die päpstliche Nuntiatur dahier unmittelbar mitgetheilt worden sei, ist der besagten geistlichen Stell zu eröffnen, daß die diesseitigen Acten von einer solchen Mittheilung keine Spur enthalten, daß im Gegentheile dem von der Nuntiatur unter dem 3. März 1819 gestellten Ansinnen wegen der Aufhebung der Verordnung vom 25. September 1814, die Trauungen bei gemischten Ehen betreffend, nicht entsprochen und überdies schon durch die Entschließung vom 17. October 1818 erklärt worden sei, wie auf die Einwendung der ganzen ungeeigneten Instructionseinholung bei dem päpstlichen Stuhle über die Religionsverhältnisse verschiedener Confessionen irgend eine Rücksicht nicht genommen werden könne.“ Außerdem wurde das Zirkular69 des Regensburger Ordinariats vom 4. Januar 183170 über „das pflichtgemäße Verfahren des katholischen Pfarrers bei gemischten Ehen“ gerügt. Dort hieß es, daß bei gemischten Ehen kein schriftlicher Nachweis oder keine eidliche Zusicherung über die katholische Erziehung aller Kinder verlangt werden dürfe, jedoch diese Ehen, wenn keine gerichtliche Übereinkunft der Brautleute über die katholische Taufe und Erziehung aller Kinder vorliege, unerlaubt und die Pfarrer angewiesen seien, entgegen der staatlichen Bestimmungen auch die Verkündung solcher Ehen und die Entlassung des katholischen Eheteiles zu verweigern. Von dieser Regelung könne nur in „ganz ausserordentlichen Fällen“ eine Ausnahme gemacht werden, wenn dem protestantischen Ehepartner eine solche gerichtliche Übereinkunft wegen besonderer Umstände moralisch unmöglich sei, was jedoch von der oberhirtlichen Stelle begutachtet werden müsse. Überdies sei der katholische Ehegatte, indem man ihn auf die Gefahren einer ohne kirchliche Einsegnung eingegangenen Ehe aufmerksam mache, von der Eheschließung abzuhalten. Die Regierung erwartete hingegen die Einhaltung der verfassungsmäßigen Formen, ohne daß weiteres Einschreiten nötig werde, und fügte hinzu, „daß die wegen der gemischten Ehen eingeleiteten Verhandlungen mit dem päpstlichen Stuhle sich blos auf die Vornahme der Trauung, keineswegs aber auf die Proclamationen und Dimissorialien beziehen, hinsichtlich welcher bereits durch die erwähnte Entschließung vom 30. März 1827 das Geeignete verfügt worden ist, auf deren Vollzug sofort unnachsichtlich und strenge bestanden werden muß“. daß gemischtkonfessionelle Ehen verboten seien und die Ausstellung von Entlaßscheinen rein geistliche Sache sei und im Falle einer protestantischen Trauung deswegen verboten seien. 69 Bei einem Zirkular handelte es sich vermutlich um eine verwaltungsinterne Weisung innerhalb der katholischen Kirche. 70 Text des Zirkulars bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, S. 161 Nr. 135.
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Überdies mußten nach § 58 RE71 Gesetze, Verordnungen oder Anordnungen der Kirchengewalt vor ihrer Veröffentlichung vom König genehmigt werden. Sie beduften des sogenannten Plazets, das auch in der Veröffentlichung zu erwähnen war. Ausgenommen von diesem Verfahren waren Ausschreiben der geistlichen Behörden, die sich nur auf die ihnen untergeordnete Geistlichkeit bezogen und aus den bereits genehmigten Verordnungen hervorgingen, § 59.72 Bereits die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen des Zirkulars waren nach Auffassung des bayerischen Staates also nicht gewahrt. Ebenfalls vom 31. Mai 1831 stammt eine weitere Stellungnahme des Staatsministerium des Innern, die sich ebenfalls an die Königliche Regierung des Regenkreises und an das Ordinariat Regensburg richtete.73 Aus der Verfassung ergebe sich, daß gemischte Ehen uneingeschränkt zulässig seien. Daher könne weder die Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses noch die fehlende Übereinkunft über die Erziehung aller Kinder in der katholischen Religion als ein impedimentum impediens, also ein die Ehe hemmendes Ehehindernis, angesehen werden. Es sei die Verkündung auch nach den Zivilgesetzen für eine gültige Eheschließung notwendig und daher dürfe nicht zugelassen werden, daß die katholischen Kirchenbehörden bei gemischten Ehen durch die Verweigerung der Proklamation eine nach den bestehenden Gesetzen unerlaubte Eheschließung verursachten. Gleiches gelte für die Entlaßscheine, die notwendig seien, damit ein anderes Pfarramt die gemischten Ehen auf gesetzlich erlaubte Weise trauen könne; dies ergebe sich aus der Verordnung vom 25. September 1814. Die vom bischöflichen Ordinariat Regensburg vorgebrachte Begründung für eine andere Vorgehensweise müsse abgewiesen werden. Die §§ 3874 und 5075 des Religionsediktes, II. Beilage zur Verfassungsurkunde, berechtigten die kirchlichen Behörden „nur unter der obersten Staatsaufsicht“, „nach der von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung ihrer Kirche alle inneren Kirchenangelegenheiten zu ordnen“. „Die weltliche Regierung soll sich in rein geistliche Gegenstände des Gewissens um die Religionslehre nicht einmischen, als in soweit das Königliche oberste Schutz und Aufsichtsrecht dabei eintritt.“ Die Ehen überhaupt und die gemischten Ehen insbesondere könnten jedoch nicht als rein geistliche Gegenstände betrachtet werden. Der Staat könne das Hindernis, das die katholischen Kirchenbehörden der Eingehung gemischter Ehen nach ihrer von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung 71 72 73 74 75
Vgl. Gbl. Bayern 1818, Sp. 165. Gbl. Bayern 1818, Sp. 165. Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 230 f. Gbl. Bayern 1818, Sp. 158. Gbl. Bayern 1818, Sp. 162 f.
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entgegensetzten, nicht anerkennen. Vielmehr müsse der Staat sein oberstes Schutz- und Aufsichtsrecht zur Wahrung der gegenseitigen Rechte der verschiedenen christlichen Gläubigen wahrnehmen. Das bischöfliche Ordinariat dürfe daher nicht einseitig mit den Staatsgesetzen unvereinbare Verfügungen bezüglich der gemischten Ehen treffen, die dazu ohne landesherrliche Genehmigung in Vollzug gesetzt würden. Aus diesem Grunde müsse das Ordinariat alle Weisungen an Pfarrämter zurücknehmen, wonach Proklamationen und Entlaßscheine wegen fehlendem Versprechen katholischer Kindererziehung zu verweigern seien. bb) Der Mischehefall Thon-Dittmer Beiden Entschließungen des Staatsministeriums lag der Mischehefall Thon-Dittmer zugrunde.76 Der protestantische Freiherr und seine katholische Braut hatten um die Trauung beim Pfarramt St. Ruppert in Regensburg gebeten. Das Pfarramt hatte sich verweigert, diese Ehe einzusegnen, solange nicht ein Versprechen über die Erziehung der Kinder in katholischer Religion abgegeben war. Andernfalls müßten sich die Brautleute mit der Eheschließung nach evangelischem Ritus begnügen.77 Nach einer Beschwerde bei der königlichen Regierung des Regenkreises über das Pfarramt St. Ruppert teilte der Magistrat der Stadt Regensburg am 18. November 1830 dem Freiherrn mit, daß sich das betreffende Pfarramt zur „buchstäblichen Erfüllung des Reskripts vom 16. Juni 1830“78 bereit erklärt habe. Der Freiherr trat erneut an das Pfarramt St. Ruppert heran, wurde aber wieder zur Abgabe des Versprechens aufgefordert und andernfalls abgewiesen.79 Daraufhin wandte sich der Freiherr mit der Bitte um Trauung an den Nittendorfer Pfarrer Curatus Schmid, wo seine Braut längere Zeit Gemeindemitglied war und auch noch ihre Wohnung hatte. Dieser berichtete den Fall dem Ordinariat Regensburg, erhielt zur Antwort, daß keine eidlichen noch schriftlichen Versprechen hinsichtlich der religiösen Kindererziehung verlangt werden dürften, aber eine beglaubigte Abschrift des hierüber erstellten Vertrages zu den Akten gelegt werden solle. Allerdings wurde er aber auch daraufhingewiesen, daß eine gemischte Ehe nur vom katholischen Pfarrer geschlossen werden dürfe, bzw. daß eine Mischehe nach katholischen 76
S. dazu auch: Hacker, Beziehungen, S. 83. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 43, vgl. den genauen Ablauf S. 43 ff. 78 Dieses Reskript des Innenministeriums untersagte dem Klerus bei Mischehenschließung schriftliche oder eidliche Versprechungen der religiösen Erziehung der Kinder in der katholischen Religion zu verlangen, vgl. dazu Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 224 f. 79 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 45 § 232. 77
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Grundsätzen nur erlaubt sei, wenn alle Kinder in der katholischen Religion erzogen werden und dies mit Sicherheit durch einen Vertrag nachgewiesen sei. Nur in diesem Falle dürfe die Ehe verkündet bzw. dem katholischen Teil der Entlaßschein ausgehändigt bzw. die Ehe getraut werden. Curatus Schmid hat die Ehe dennoch verkündet und getraut. Eine Beschwerde Thon-Dittmers bei der Regierung des Regenkreises mit der Bitte, gegen das Pfarramt St. Ruppert wegen verweigerter Trauung vorzugehen, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, daß die Trauung inzwischen nach katholischem Ritus vorgenommen worden sei und selbst dann nicht anfechtbar sei, wenn sie nur nach evangelischem Ritus vorgenommen worden wäre. Daher bestehe keine Veranlassung, gegen das Pfarramt St. Ruppert einzuschreiten.80 Die Kreisregierung vertrat also die Auffassung, daß es in dem Fall ThonDittmer sozusagen am Rechtschutzbedürfnis fehle, da aus bürgerlichrechtlicher Sicht jedenfalls eine gültige Ehe geschlossen worden sei. Die Aussage in einem bischöflichen Dekret vom 28. Dezember 1830, daß die Ehe durch den unzuständigen Curatus Schmid ungültig geschlossen worden sei, habe für den bürgerlichrechtlichen Bestand der Ehe keinerlei Relevanz, da das Ehehindernis unterschiedlicher Konfession bzw. das fehlende Versprechen der katholischen Erziehung aller Kinder vom Staat nicht anerkannt werde und ein Zuständigkeitsmangel aber auch nach kanonischem Recht kein Gültigkeitshindernis sei. d) Die Debatte über den Fall Thon-Dittmer in der Kammer der Abgeordneten aa) Die Beschlußempfehlung des fünften Ausschusses Die geschilderten Entschließungen des Staatsministeriums waren im Anschluß an eine Beschlußfassung der Kammer der Abgeordneten vom 31. Mai 1831 ergangen81. Zu diesem Beschluß der Ständeversammlung war es gekommen, weil Rabel, ein Patrimonialrichter aus Brennberg,82 bereits am 80
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 55 f. Verlesung des Resultats der Abstimmung am 31. Mai 1831 in der XXVI. Sitzung in: VKAStV 1831, Bd 7, Prot. der XXVI: Sitz., S. 1 ff. 82 Müller, Verfassungsbeschwerde, S. 186. Leider liefert die Verfasserin keinen Beleg für diese Aussage; Gölz, Landtag, S. 149: Rabel gilt als „verlässig“. Diese Einschätzung stammt aus einem Brief Wredes an den König vom 18. August 1831. Mit ihr könne man sich ein zutreffenderes Bild von dem einzelnen Abgeordneten machen, als durch die Einteilung in Konservative und Liberale, etc., da in der damaligen Zeit Parteien nach dem heutigen Verständnis nicht existierten. Gölz, Landtag, S. 34, 40. Wrede unterschied drei Abstufungen von „verlässig“, „zweifelhaft“ 81
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11. März 183183 Beschwerde wegen einer Verfassungsverletzung durch das Ordinariat Regensburg bei der Kammer der Abgeordneten eingereicht hatte. Rabel hatte beantragt: „Seine Königliche Majestät auf verfassungsmäßigem Wege zu bitten, seine Staatsbürger in ihren constitutionellen Rechten zu sichern, und von seinem obersthoheitlichen Schutz- und Aufsichtsrechte Gebrauch zu machen, ob durch allerhöchst eigene Macht, nach dem königlichen Worte durch Beobachtenmachen der Verfassung, oder auf diplomatischem Wege mit dem römischen Hofe – gleich viel, wenn nur schnelle Abhülfe geschieht.“84 Der Beschlußfassung ging eine umfangreiche Aussprache in der Ständeversammlung voraus, die im folgenden dargestellt werden soll. Aus den Beiträgen der Hauptredner werden die unterschiedlichen Auffassungen zum Verhältnis von Staat und Kirche und zum staatlichen bayerischen Eherecht in der Zeit um 1830 deutlich. Auch wird deutlich, welche Erwägungen den unterschiedlichen Rechtsakten zu Mischehen zugrunde liegen, die bisher nur im Ergebnis dargestellt wurden. Bevor die Beschwerde Rabels von der Kammer der Abgeordneten beraten wurde, hatte man diesen Fall dem fünften Ausschuß der Abgeordnetenkammer zur Begutachtung vorgelegt. Vermutlich war der ganze Fall also einer Art Fachausschuß zur Beurteilung übergeben worden, der eine Beschlußempfehlung aussprach: „Es sey die Beschwerde gegründet, sohin auf verfassungsmäßigem Wege Abhülfe nachzusuchen und Gehorsam für das Gesetz unter dem Präjudiz der unbedingten Sperre der Temporalien bey einem ferneren Entgegenwirken gegen die für gemischte Ehen bestehenden Staatsgesetze von den bischöflichen Ordinariaten und deren untergeordneter Geistlichkeit zu verlangen.“85 Dieser Empfehlung lagen Überlegungen zugrunde, wie man sie dem Vortrag des Berichterstatters des fünften Ausschusses, Eberz, entnehmen kann.86 Die Rechtfertigung der formellen Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Kammer hielt Eberz für überflüssig,87 da durch das Verhalten der katholischen Priester offenbar die Verfassung verletzt worden sei. Die Beund „Opposition“, die sich aus den Erfahrungen der Regierung mit diesen Personen ergaben. Gölz, Landtag, S. 40. 83 Die Beschwerde des Abgeordneten Rabel „über das Benehmen des bischöfl. Ordinariats zu Regensburg, wegen Verweigerung der priesterl. Einsegnung bey gemischten Ehen“ wurde im Einlauf der Kammer der Abgeordneten vom 8. bis 10. März registriert. Vgl. VKAStV 1831, Bd 1, Prot. Nr. II, S. 101, Abdruck der Beschwerde auch in VKAStV 1831, BlgenBd 2, Blge XV, S. 21 f. 84 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 8. 85 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 9. 86 VKAStV 1831, Blgen Bd 2, Blge XV, S. 1–20. 87 VKAStV 1831, Blgen Bd 2, Blge XV, S. 3.
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gründetheit einer solchen Beschwerde ergebe sich materiell aus einer Verletzung der Gewissensfreiheit, die durch die Verfassung von 1818 Tit. IV § 9 den drei christlichen Konfessionen88 gewährleistet werde und in der Gewährung der freien Wahl der religiösen Kindererziehung bei gemischtkonfessionellen Eheleuten, §§ 12 ff. RE von 1818 Ausdruck finde. Diese Vorschriften des Religionsediktes seien im übrigen auch nicht neu, sondern fänden sich auch schon in sehr viel älteren bayerischen Gesetzen, wie den Anmerkungen zum CMBC Teil 1 Kapitel 6 § 989 Nr. 7 zu entnehmen sei: „Obwohl einige ex matrimonio catholici cum Lutherana impedimentum dirimens machen wollen, wenn die Erziehung der Kinder nicht katholisch, sondern protestantisch geschieht, so ist doch communis opinio entgegen und die Reichspraxis erklärt diese Ehen als zulässig.“90 Diese Wertungen hätten bereits die Verordnung über die Religionsverhältnisse der Kinder aus gemischten Ehen vom 15. Mai 1803 und das Religionsedikt vom 24. März 1809 übernommen.91 Außerdem rechtfertige „kein allgemein verbietendes Kirchengesetz“ die Handlung der katholischen Priester, da zumindest in Bayern kein solches Gesetz Geltung erlangt habe.92 Das Verhalten der katholischen Geistlichkeit stelle letztlich nur eine Störung des inneren Friedens der Familien- und Staatsgemeinschaft dar und bedrohe die junge bayerische Verfassung, die versucht habe die Bayern „aus einem Chaos von Indolenz und Willkür zu einem schönen Gebilde constitutioneller Ordnung umzuschaffen“.93 bb) Das Problem der formellen Kompetenz der Abgeordnetenkammer Die Beratung dieser Beschwerde wurde in der Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 18. Mai 1831 eröffnet.94 Als erster hatte der Staatsminister des Innern, von Schenk, das Wort.95 Zwar hatte der Antrag Rabels sich 88
Es gab noch nicht in allen Teilen Bayerns eine einheitliche evangelische Kirche. 89 Hier handelt es sich wohl um einen Fehler, denn dies steht in § 8. 90 Vgl. dazu auch die Ausführungen in Kap. I.2.e. 91 VKAStV 1831, Blgen Bd 2, Blge XV, S. 7 f.; vgl. zu der Verordnung von 1803 und dem Religionsedikt auch Kap. II. 4.b.dd. und hh. 92 VKAStV 1831, Blgen Bd 2, Blge XV, S. 9 ff. (11). 93 VKAStV 1831, Blgen Bd 2, Blge XV, S. 17. 94 VKAStV 1831, Bd 6 Prot. Nr. XXX, S. 7 ff. Sie dauerte drei Tage lang. Vergleiche die drei Prot. der verschiedenen Sitzungstage XXX., XXXI., XXXII. Sicherer, Eherecht, S. 50 beurteilt die Verhandlungen als leidenschaftlich, aber kritisiert die geringe Sachkenntnis. 95 VKAStV 1831, Bd 6 Prot. Nr. XXX, S. 8 ff.; Eduard v. Schenk wurde am 1. September 1828 mit der Führung des Innenministeriums betraut. HdBbayG/Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 118, 142.
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nicht unmittelbar gegen das Innenministerium gerichtet, aber von Schenk verspürte eine Verpflichtung – er wollte doch die Handlungsweise und die Stellung des Ministeriums in dieser Angelegenheit klarstellen – sich zu diesem Thema zu äußern, wenngleich mit „widerstrebendem Gefühle“, denn: „Keine Beschwerde sträubt sich so sehr, wie die vorliegende, gegen jeden Versuch einer rechtlichen Zergliederung, denn die zartesten Nerven des Gewissens sollen hier entblößt, die Conflikte zwischen politischen und kirchlichen Grundsätzen, ja selbst zwischen den Ansichten verschiedener christlicher Confessionen mit strenger Hand berührt werden.“96 Die Mahnung von Schenks zur Vorsicht könnte dahingehend motiviert sein, daß empfindliche Bereiche von Verfassung und Konkordat berührt würden und damit der alte Streit um das Verhältnis von Konkordat und Verfassung bzw. Religionsedikt wieder aufbrechen könnte, denn dieser Konflikt stellte erneut die Frage nach der Abgrenzung von kirchlicher und staatlicher Kompetenz.97 Man war sich nach wie vor nicht einig, ob der Staat Einfluß auf die Eheschließung nehmen durfte oder ob sie als geistlicher Gegenstand in den Händen der Kirche lag. Je nachdem wie die bereits erörterten Bestimmungen der Verfassung bzw. des Religionsediktes interpretiert wurden, werteten die Redner die Verweigerung der Einsegnung und vor allem auch der Proklamation oder der Dimissorialien von Seiten des katholischen Klerus als Verfassungsverletzung oder nicht. (1) Von Schenk untersuchte, wie die meisten der nachfolgenden Redner, die „formelle und materielle Kompetenz“ der Kammer. Er kam mit der überwiegenden Auffassung98 zu dem Ergebnis, daß es der Kammer an der „formellen Zuständigkeit“ fehle.99 Zwar könnte nach Tit. II § 21 der Ver96
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 9. Gölz, Landtag, S. 78; Lempfrid, Anfänge, S. 225; Karpfinger, Eoskreis, S. 109. 98 Vgl. Mätzler, S. 82 ff., in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, und Weinzierl, S. 4 f.; Seuffert, S. 40 ff. in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI; VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 61–65 (Jäger), S. 75–85 (Dresch, er gehörte in das Lager der Konservativen, wie auch Weinzierl, Seinsheim und Sebastian Freiherr von Schrenk, vgl. Gölz, Landtag, S. 44), S. 88–95 (Künsberg), S. 95–99 (Riegg), S. 123– 125 (König), anders Lösch S. 108–115 und vor allem auch Hagen S. 40, der mit § 53 des II. Edikts der Verfassungsurkunde das Recht der Ständeversammlung bejahte, gegen den Mißbrauch der geistlichen Gewalt beim König Beschwerde zu führen, sowie es jedem Staatsbürger zustehe. 99 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 61–65 (Jäger), S. 75–85 (Dresch), S. 91 (Künsberg), S. 95–98 (Riegg), S. 121 (Seinsheim), S. 123–125 (König) anderer Auffassung waren aber Foliot, Prot. Nr. XXXI, S. 73, Fraunhofer Prot. Nr. XXXI S. 101 wegen der Brisanz des Themas, Willich Prot. Nr. XXXII S. 9 wegen der Aufrechterhaltung der Staatsverfassung, Hagen Prot. Nr. XXXII, S. 40, der mit § 53 des II. Edikts der Verfassungsurkunde das Recht der Ständeversammlung bejahte, gegen den Mißbrauch der geistlichen Gewalt beim König Beschwerde zu führen, so wie es jedem Staatsbürger zustehe, Lösch, Prot. Nr. XXXII S. 108 f. 97
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fassungsurkunde jeder einzelne Staatsbürger Beschwerden über Verletzungen von konstitutionellen Rechten bei der Ständeversammlung vortragen, und die Ständeversammlungen könnten nach § 5 Tit. X auch aufgrund von Beschwerden wegen Verfassungsverletzungen durch königliche Staatsministerien oder andere Staatsbehörden einen Antrag vor den König bringen, aber dazu müßten die Erfordernisse des § 33 Tit. II des X. Ediktes beachtet werden. Die betreffende Beschwerde sei danach mit den notwendigen Beweisen zu belegen und es müsse bescheinigt sein, daß sie bei den betreffenden Behörden vorgebracht worden sei und daraufhin keine, oder eine der Verfassung zuwiderlaufende Entscheidung ergangen sei. Eine Beschwerde bei der Ständeversammlung erforderte also ein eigenes Vorverfahren, vergleichbar mit dem heutigen Widerspruchsverfahren in Verwaltungssachen, und den Nachweis einer Rechtsverletzung. An der Rechtsverletzung fehlte es. Nach von Schenks Auffassung, weil die Trauung bereits stattgefunden habe. Überdies sei die Beschwerde nicht gegen eine Staatsbehörde gerichtet, sondern gegen das bischöfliche Ordinariat von Regensburg, gegen das als Kirchenbehörde keine Beschwerde bei der Ständeversammlung des Reiches (Bayern) erhoben werden könne. Die Mitglieder einer Kirchengesellschaft, die durch Handlungen der geistlichen Gewalt gegen die festgesetzte Ordnung, vor allem der Staatsverfassung, beschwert würden, hätten vielmehr die Befugnis, dagegen den königlichen landesfürstlichen Schutz anzurufen. Diese Form des Rekurses gegen Mißbrauch der geistlichen Gewalt könne bei der zuständigen Regierungsbehörde, die dem Staatsministerium des Innern darüber alsbald Bericht zu erstatten hätte, oder beim König selbst vorgebracht werden. Es handelt sich also genau um das Verfahren, das einer Vielzahl der erörterten Entschließungen und Reskripten zugrunde lag.100 Das heiße für den vorliegenden Fall, daß nur bei einer solcher beim Ministerium vorgebrachten Beschwerde, die von diesem säumig oder falsch behandelt worden sei, und daß dadurch die Verfassung verletzt hätte, Beschwerde bei der Ständeversammlung erhoben werden könnte, aber auch nur gegen das Ministerium, nicht gegen das Ordinariat selbst. Damit hätte auch in diesem Fall eine Rechtsverletzung durch einen Hoheitsträger und nicht durch eine autonome Körperschaft nachgewiesen und das Vorverfahren durchgeführt werden müssen. Im Fall von Thon-Dittmer ist zwar irgendwann die Kreisregierung eingeschaltet worden, allerdings hatte diese eine Abhilfe mangels Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt.
100
Dazu oben Kap. III.2.a. und b.
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(2) Eine andere Meinung vertrat der Antragsteller Rabel. Die nach § 33 der X. Beilage der Verfassungsurkunde Titel II Abschnitt III notwendigen Beweise seien schon durch das andere Verfahren erbracht. Es ging in diesen Fällen ebenfalls um Trauungsverweigerungen im Ordinariat München-Freising. In dieser Sache hatte das Staatsministerium des Innern zu Gunsten der Brautleute mit dem erörterten Reskript vom 16. Juni 1830 entschieden, wo es ausdrücklich hieß, daß die Proklamation und die Dimissorialien auch ohne Versprechen der katholischen Kindererziehung ausgeführt werden müßten.101 Das Regensburger Ordinariat fühlte sich aber an diese Anordnungen nicht gebunden, sondern erließ das oben erwähnte Zirkular für alle Pfarrämter des Bistums mit gegenteiligem Inhalt. Aus diesem Grunde sei im vorliegenden Fall offensichtlich, daß die Kirche Verfassungsrecht verletze. Ein erneutes Vorverfahren nach §§ 52 f. der II. Beilage zur Verfassungsurkunde, wie es die anderen Antragsteller durchlaufen hatten, sei deswegen nicht mehr zumutbar gewesen. Auch wenn ein Vorverfahren wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit überflüssig gewesen sein mag, so hat Rabels Argumentation jedoch insoweit deutliche Schwächen, als es trotzdem an einer Rechtsverletzung durch einen Hoheitsträger fehlte und das Staatsministerium weder untätig geblieben war noch eine verfassungswidrige Entscheidung gefällt hatte. (3) Der Abgeordnete Kapp, ein evangelischer Geistlicher,102 hielt die Kompetenz der Kammer deswegen für gegeben, weil es sich bei dieser Sache um eine nicht nur innere Kirchenangelegenheit handele, wie vor allem die katholische Geistlichkeit ausgeführt hatte, sondern um äußere Rechtsverhältnisse beider Kirchen. Deswegen sei die Kammer berufen, die Aufrechterhaltung der Verfassung und des zweiten Edikts zu überwachen.103 Damit schlug Kapp eine ganz andere Verfahrensweise vor. Er rief die Kammer als Aufsichtsorgan zur Kontrolle der Konfessionsparität im Staate an. Kapp formulierte sozusagen eine „Paritätsverletzungsbeschwerde“, die allerdings in der Verfassung von 1818 nicht vorgesehen war. Aus heutiger Sicht zeigt sich hierin eine Schwäche der bayerischen Verfassung von 1818, weil das Paritätsgebot durch kein Verfahren abgesichert war. cc) Das Problem der materiellen Kompetenz der Abgeordnetenkammer Unabhängig von der Auffassung zur „formellen Kompetenz“ erörterte von Schenk, wie auch alle nachfolgenden Redner, die „materielle Kompe101 102 103
Vgl. zum Inhalt des Reskriptes oben Kap. III.2.b.dd. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 105. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 105–122.
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tenz“, nach heutigem Verständnis die Begründetheit der Beschwerde. Dies geschah wohl, wie Rudhart104 hervorhob, da „ein brennendes allgemeines Interesse zur Hebung des Konfliktes“ bestehe, der durch die immer häufigeren Verweigerungen von Amtshandlungen bei der Trauung von gemischten Ehen durch die katholischen Priester provoziert werde.105 (1) Aus der Sicht von Schenks galt es, die folgende verfassungsrechtliche Frage zu überprüfen, ob in der Verweigerung der Einsegnung gemischter Ehen durch den katholischen Klerus, wenn die Erziehung aller Kinder nicht in katholischer Religion zugesichert werde, eine Verletzung verfassungsmäßiger Rechte liege.106 Schenk räumte zwar ein, daß das den Brautleuten vom katholischen Klerus abverlangte Versprechen der katholischen Kindererziehung gegen die Vorschriften §§ 12–14 der II. Beilage zur Verfassungsurkunde verstoße, denn es heiße dort: „Wenn in einem gültigen Ehevertrage zwischen den Eltern, die verschiedenen Glaubensbekenntnissen zugethan sind, bestimmt worden ist, in welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen, so hat es hiebey sein Bewenden.“ Durch das Verlangen der katholischen Kirche könne die Verfassung jedoch nur verletzt werden, wenn es die Gültigkeit der Ehe oder auch die rechtliche Verbindlichkeit der im Edikt bezeichneten Eheverträge behindere. Genau dies sei jedoch nicht der Fall. Auch eine Ehe, die vor einem protestantischen Priester geschlossen sei, sei für einen Katholiken bindend und unauflösbar. Die Einsegnung durch den katholischen Priester sei keine Gültigkeitsvoraussetzung. Deswegen sei auch die Temporaliensperre im Falle der Verweigerung der Einsegnung ein unmögliches Zwangsmittel. Dieses Verweigerungsrecht stehe dem Priester wegen der durch die Verfassung gewährleisteten Gewissenfreiheit zu. Anders liege die Sache jedoch, wenn der katholische Geistliche auch die Proklamation und das damit verbundene Aufgebot sowie die Dimissorialien, d. h. die Ausstellung des Ledigscheins und die Ermächtigung eines anderen Pfarrers zur Vornahme der Trauung, verweigere. Diese Akte hätten Bedeutung für die Gültigkeit der Ehe in kirchlicher und in rechtlicher Hinsicht und damit stelle ihre Verweigerung eine Verfassungsverletzung dar. Dagegen müsse der Staat auch effektiven Schutz bieten, gegebenenfalls auch durch Temporaliensperre, um die Priester zur Ausübung dieser Aufgaben zu zwingen, denn hierbei handelten sie nicht als Seelsorger, sondern als Zivilstandsbeamte. Deswegen stelle sich auch nicht die Frage, was hier104 Der Regierungsdirektor Ignaz von Rudhart war das Zentrum der Gruppe der Gemäßigt-Liberalen. Er galt der Regierung gegenüber als „verlässig“. Gölz, Landtag, S. 44 f., 149, vgl. auch ADB/Heigel, XXIX, S. 459. 105 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 95. 106 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 13.
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bei ihr Gewissen gebiete oder verbiete, sondern, „was die Gesetze des Staates von ihnen erheischen“107. Von Schenk argumentiert durchaus modern, wenn er die Gewissensfreiheit des Priesters gegen die freie Wahl des Pfarrers durch die Brautleute abwägt und zu dem Ergebnis kommt, daß die Gewissensfreiheit des einzelnen Priesters höher einzustufen sei. Anders beurteilt er jedoch die Lage, wenn es um die allgemeinen Gültigkeitsvoraussetzungen der Ehe geht. Dort stehe der Gewissensfreiheit des einzelnen Priesters in Frage, denn er sei bei dieser Aufgabe nicht Seelsorger, sondern Beamter. Damit befinde er sich in einer Art besonderem Gewaltverhältnis und könne sich nicht auf sein Gewissen berufen. (2) Nach dieser sehr präzisen Aufarbeitung des vorliegenden Problems folgten nun zur Beurteilung der materiellen Verfassungsverletzung sehr verschiedene Ausführungen, die zum Teil sehr unstrukturiert präsentiert wurden. Zunächst hatte nach v. Schenk der Antragsteller Rabel das Wort,108 der natürlich eine umfassende Verfassungsverletzung nachwies, wobei er sich aber im besonderen auf das Zirkular vom 4. Januar 1831 konzentrierte.109 Ausgangspunkt der Argumentation bildete § 9 des IV. Titels der Verfassungsurkunde, wo ganz generell den drei christlichen Kirchgesellschaften Gewissensfreiheit gewährt wird.110 Im fünften Absatz von § 9 werden die Wirkungskreise von Staat und Kirche abgegrenzt. Der Staat hat sich jeder Einmischung in den rein geistlichen Bereich zu enthalten mit der Einschränkung, daß „keine Verordnungen und keine Gesetze der Kirchengewalt, ohne vorgängige Einsicht und das Placet des Königs, verkündiget und vollzogen werden dürfen“111. Hieraus ergebe sich die klare Unterordnung der Kirche unter den Staat, die durch das erwähnte Zirkular verletzt werde. Dieses Genehmigungsverfahren sei Ausdruck für das Staatskirchentum, das Rabel durch die Hand107
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 19. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 41 ff. Mit den folgenden Worten leitet er seine Rede ein, vgl. ebd. S. 41: „Sie werden sich wundern, daß ein Katholik heute den Rednerstuhl betritt, um mit verwegener Kühnheit seinem Bischofe zur öffentlichen Fehde den Handschuh zu bieten.“ „Sie kennen meine Gewissenhaftigkeit, mit der ich an der Verfassung hänge, und diese Gewissenhaftigkeit, dieses Festhalten an der Verfassung, das mir so sehr zur Sünde gerechnet wird, gebeut mir das Wort zu nehmen.“. 109 Text des Zirkulars bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, S. 161 Nr. 135. Vgl. auch Kap. III.2.b.cc. 110 Vgl. Gbl. Bayern 1818, Sp. 117. 111 Vgl. Gbl. Bayern 1818, Sp. 117 f. 108
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lungsweise der katholischen Kirche verletzt sah. Über § 9 Absatz 6 gelangte Rabel zum Kern der Verfassungsverletzung. Dort wird auf das Edikt über die äußeren Rechtsverhältnisse des Königreichs Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften verwiesen. Im Kapitel I des I. Abschnittes wird die Freiheit des Gewissens noch genauer definiert, nämlich als die Abwesenheit jeglichen Zwanges in Glaubenssachen und auch bei der Wahl des Glaubensbekenntnisses, §§ 2, 5, 8.112 Diese Freiheit sah Rabel durch das Versprechen der katholischen Kindererziehung für die Einsegnung der Ehe in katholischem Ritus und darüber hinaus vor allem für die Verkündung und die Ausstellung des Entlaß- bzw. Ledigscheines, wie es das Zirkular vorgesehen hatte, verletzt. Dies um so mehr, nachdem Kapitel III desselben Abschnittes die religiöse Erziehung für Kinder aus gemischten Ehen genau regelte. Die Verletzung der Verfassung liege in der Weigerung des Pfarramtes, die Ehe auch ohne Versprechen, alle Kinder in der katholischen Religion zu erziehen, einzusegnen und in dem bischöflichen Zirkular, das in direktem Widerspruch zu §§ 12 ff. RE stehe. Beide Akte, die Verweigerung als auch der Erlaß des Zirkulars, verstießen also gegen das bayerische Verfassungsrecht. Schließlich führt Rabel noch ein weiteres Argument an: Was Gesetze und Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchengewalt betreffe, müßten diese das Placet des Königs erhalten, § 58. Dies gelte zwar nicht für „Ausschreiben der geistlichen Behörden, die sich blos auf die ihnen untergeordnete Geistlichkeit beziehen, und aus genehmigten allgemeinen Verordnungen hervorgehen“, § 59. Das Regensburger Ordinariat habe mit dem Zirkular ein nicht genehmigtes und damit ungültiges Gesetz erlassen.113 Rabel argumentiert staatskirchenrechtlich. Das wird auch daran deutlich, daß er nochmals auf die Position der katholischen Kirche als eine der drei anerkannten Religionsgemeinschaften innerhalb des bayerischen Staates hinweist. Gleichzeitig bezieht er damit eindeutig Stellung zum Verhältnis von Konkordat und Verfassung. Rabel leitet die Einordnung der katholischen Kirche innerhalb des bayerischen Staats aus dem Religionsedikt von 1818 ab; daraus ergebe sich auch die Anerkennung der katholischen Kir112 Gbl. Bayern 1818, Sp. 149 ff.: § 2: „Es darf demnach niemand in Gegenständen des Glaubens und Gewissens keinem Zwange unterworfen, auch darf Niemanden, zu welcher Religion er sich bekennen mag, die einfache Haus-Andacht untersagt werden.“; § 5: „Die Wahl des Glaubens-Bekenntnisses ist jedem Staats-Einwohner nach seiner eigenen freyen Ueberzeugung überlassen.“; § 8: „Keine Parthey darf die Mitglieder der andern durch Zwang oder List zum Uebergang verleiten.“ 113 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 63 ff.
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chenverfassung für kircheninterne Angelegenheiten. Mit diesem Ansatz stütze er den Vorrang der Verfassung und des Ediktes vor dem Konkordat. Rabel prüfte schließlich hilfsweise die Verletzung des Konkordats,114 weil vermutlich die Vertreter der katholischen Kirche diese Vorschriften für nicht einschlägig hielten.115 Aus der Regelung, daß Ehesachen vor den geistlichen Richter gehören, Art. XII, schließt Rabel einen Verstoß gegen das Konkordat, weil dort eben gerade nicht von gemischtkonfessionellen Ehen gesprochen werde, weil die Ehen nach Kan. 12 sess. 24 des Dekrets „tametsi“ zu behandeln seien.116 An dieser Argumentation wird deutlich, daß der Konflikt zwischen Verfassung und Konkordat keinesfalls gelöst war, wenn auch die Erklärung von Tegernsee einen Versuch in diese Richtung unternommen hatte.117 Zum anderen wird die hohe Argumentationskultur von Rabel deutlich, der die katholische Kirche mit ihren eigenen Waffen schlägt. Zur Untermauerung seiner Auffassung führte Rabel ausländische Regelungen von Österreich118 und Preußen119 und den Osnabrücker Frieden Art. V § 35 an, wo den Katholiken und den Protestanten gleiche bürgerliche Rechte gewährt wurden. (3) Die katholische Geistlichkeit verneinte die Verfassungsverletzung überwiegend.120 Der Abgeordnete Mätzler, katholischer Priester,121 sah die 114
Zum Konkordat oben Kap. II. 6. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 67–71. 116 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 68 f. Dieses Argument wurde von Strodl, Das Recht der Kirche, Sp. 239 Fn. * zwanzig Jahre später als nicht ernst zunehmendes, weil zu „seicht“, eingeordnet, das damals ein „liberaler Gockelhahn“ vorgebracht hätte. 117 Vgl. Kap. II.6.e. 118 Das bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten deutschen Erbländer der österreichischen Monarchie Bd I, Wien 1811, Teil I Hauptstück III § 140, S. 57 ordne an, in welcher Religion ein Kind aus einer gemischten Ehe zu erziehen sei. Auch gebe es bereits eine Verordnung von 1799 des k.k. Österreichs, wo ausdrücklich bestimmt sei, daß ein Brautpaar, wo ein Teil katholisch ist und der andere einer anderen Religion angehöre, nur vom katholischen Geistlichen getraut werden könne. Diese Vorschriften seien politische Vorschriften wie in Bayern und in Österreich werde die Trauung nicht verweigert. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 71 ff. 119 In Preußen regle die Einsegnung der gemischten Ehen durch den katholischen Klerus die Verordnung vom 16. April 1819. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 71 ff. 120 Vgl. die Ausführungen der Abgeordneten Mätzler und Weinzierl, der in das Lager der Konservativen, wie u. a. Dresch, Seinsheim und Sebastian Freiherr von Schrenk gehörte, vgl. Gölz, Landtag, S. 44, in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 82–105 und Prot. Nr. XXXI, S. 2–39. Allerdings ist diese Aussage tatsächlich nicht zu pauschalieren, da der Abgeordnete Socher, ebenfalls katholischer Geistlicher, sich gegen die Verweigerung der Proklamation und des Entlaßscheines ausge115
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Handlungsweise der katholischen Geistlichkeit gerade durch § 9 Tit. IV i.V. m. § 1 des Religionsediktes, II. Beilage der Verfassung wegen der ihr, also der Geistlichkeit, gewährten Gewissensfreiheit gerechtfertigt. Auch § 38 II. Kapitel des Religionsediktes sei nicht verletzt, weil die Ehe, „sofern es sich um das Sakrament und den dasselbe aussprechenden Copulationsakt handelt“122, ein rein geistlicher Gegenstand sei. Die Ehegesetze seien nur, soweit sie den bürgerlichen Vertrag und seine Wirkungen beträfen, durch das Religionsedikt Kap. II § 64 Lit. d der Staatsgewalt unterstellt. § 76 III. Kapitel, wo die gemischten Gegenstände genannt werden, spreche überhaupt nicht von der Ehe. Die vom Staat anerkannte Verfassung der katholischen Kirche sei nun das Konkordat und dieses erkläre die Ehe für eine rein geistliche Sache (Art. 12). Als Sache der Kirche, soweit nicht bürgerlicher Vertrag, müsse die Trauung und alles, was mit ihr nach den kanonischen Vorschriften in unmittelbaren Zusammenhang stehe, wie die Verkündung und der Ledigschein, in der Art der Ausführung den Geistlichen überlassen werden. Dies ergebe sich auch aus § 9 Titel IV Verfassungsurkunde und Religionsedikt § 50. So garantiere die Verfassung die Rechte der katholischen Kirche und der akatholischen Konfessionen. Unter der Gleichberechtigung der Konfessionen sei zu verstehen, daß jede nach ihrer anerkannten Kirchenverfassung leben dürfe, alles andere sei Schmälerung ihrer Rechte und damit Verfassungsverletzung. Mätzler knüpft an die Trennung von bürgerlichem Vertrag und Sakrament an, wobei das Sakrament als rein kirchliche Angelegenheit zu verstehen sei, um die allein es auch der Kirche ginge. Dazu gehörten aber auch die unmittelbar im Zusammenhang stehende Proklamation und die Dimissorialien, deren Gestaltung der Kirche obliege. Diese Argumentation ist aus der Sicht der Kirche gut nachvollziehbar, jedoch übergeht Mätzler das Problem, daß der Staat für die Existenz einer bürgerlichen Ehe auf die priesterliche Trauung angewiesen ist, da bislang eine höchst unvollständige Trennung in diesem Bereich staatgefunden hatte und der bayerische Staat über keine zivilen Standesbeamten verfügte. sprochen hatte, auch ohne das Versprechen der katholischen Kindererziehung. Er sah darin einen Kompromiß, weil schließlich jede der beiden Konfessionen sich auf die Gewissensfreiheit berufen könne und man deswegen sich soweit wie möglich entgegengehen müsse. Das heißt für Socher keine erzwungene Einsegnung solcher Ehen, vielmehr solle ein Pfarrer, der sich in Gewissensnot sieht, dies Brautpaar aus seinem Amtsverbande entlassen, damit es sich von einem anderen Pfarrer trauen lassen könne. Die Durchführung bzw. auch die Pflicht zur Proklamation und der Dimissorialienausstellung solle gesetzlich abgeordnet werden, S. 57 ff. in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 46 ff., XXXII S. 54 f. 121 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 82–105. 122 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 96.
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Aus seiner Sicht folgerichtig bestritt Mätzler, daß durch die Verweigerung der Einsegnung bzw. durch das geforderte Versprechen der katholischen Kindererziehung eine Einschränkung der Gewissensfreiheit entstehe, da die Ehe nicht behindert, der Gültigkeit der Ehe nicht widersprochen und kein Katholik aus der Kirchengesellschaft ausgeschlossen werde. Auch die §§ 12, 13, 14 und 23 des Kapitels III des Religionsedikts würden nicht verletzt, da die katholische Kirche es schließlich den Eheleuten überlasse, wie sie die religiöse Erziehung ihrer Kinder gestalten. Sie verweigern eben nur den Vollzug der Trauung.123 Diese Argumentation war freilich perfide, weil die Trauung der gemischten Ehen auf diese Weise vollständig boykottiert werden konnte, da auch die Proklamation und die Dimissorialien verweigert wurden. (4) Der Abgeordnete Weinzierl124 folgte der Auffassung von Mätzler. Weinzierl war der Stadtpfarrer zu St. Ruppert in Regensburg, der alle pfarramtlichen Handlungen bei der Mischeheschließung des protestantischen Freiherrn Thon-Dittmer mit der Katholikin Rummel verweigert hatte.125 Er verteidigte auch die Haltung des Ordinariats. Weinzierl bestritt insbesondere die Verletzung der §§ 12, 13, 14 des Religionsediktes, II. Beilage der Verfassung. Diese Paragraphen gewährten gerade den Eheleuten die Freiheit, die Religion ihrer Kinder in Verträgen festzusetzen und diese Freiheit werde nur von der katholischen Kirche in Anspruch genommen, wenn die Eheleute eine gemischte Ehe mit katholischem Segen schließen wollten. Da aber den Eheleuten freistünde, die Ehe auch vor einem protestantischen Pfarrer zu schließen, und sie damit eine gültige Ehe mit allen rechtskräftigen bürgerlichen Wirkungen eingehen könnten, sei kein verfassungsmäßiges Recht verletzt.126 Auf die Verweigerung der Verkündung und der Ausstellung der Entlaßscheine ging er gar nicht ein. Damit umging er das eigentliche Problem bei Mischehen, daß diese nämlich auch von keinem anderen Pfarrer auf ordnungsgemäße Weise vorgenommen werden konnten. Vielmehr widmete er sich dem Unterschied zwischen der katholischen und der protestantischen Konfession und betonte, 123
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 90, 101 f. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 2–39; Gölz, Landtag, S. 149: Er galt der Regierung gegenüber als „verlässig“. 125 Cölestin Weinzierl ragte aus der Reihe katholischer Geistlicher hervor und war „ein dem Thron und der Kirche unerschütterlich treu ergebener Mann“. Gölz, Landtag, S. 44 Fn. 4: Ministerialakt neueste Extradition 1098. Er gehörte vor der Säkularisation dem Benediktinerorden an. Auf diesem Landtag machte er sich zum Sprecher des gläubigen altbayerischen Volkes gegen die rationalistisch gesinnten Liberalen. 126 Ebenso Wörndle, in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 115–118. Wörndle behauptete überdies, gemischte Ehen seien in der Geschichte schon immer ein Übel gewesen. 124
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daß erstere für sich in Anspruch nehme die einzig seligmachende zu sein und daher auch weniger tolerant ihren Mitgliedern gegenüber verfahren könne, da sie sonst an dieser Seligkeit nicht teilhaben könnten.127 Mit dieser Aussage mißachtete Weinzierl freilich das Paritätsgebot in der Verfassung. Die Beteiligung des politisch aktiven Thon-Dittmer, der später Minister wurde, und des ebenfalls politisch aktiven Priesters Weinzierl als Hauptpersonen der Auseinandersetzung zeigt, warum dieser Fall nicht wie andere Fälle einfach zu den Akten gelegt worden war. (5) Der Abgeordnete Kapp, evangelischer Priester,128 war durch die Handlungen der katholischen Geistlichkeit allgemein um die Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen im Land besorgt und rügte aus dieser Sicht verschiedene Verstöße gegen die Verfassung. Zunächst habe man nur die Heirat unter gleichen Konfessionsverwandten geraten, später die katholische Kindererziehung empfohlen und schließlich habe man die katholische Kindererziehung zur Bedingung der Eheschließung gemacht. Dies laufe der Gleichheit der Rechte der christlichen Religionen zuwider, wie sie in der Verfassung Edikt II § 24 garantiert werde, da eine „ecclesia dominans“ und eine „ecclesia pressa“ existieren würden. Vor allem rügte Kapp § 9 Titel IV und § 24 des II. Edikts, wo die Gleichberechtigung der drei christlichen Konfessionen im Staat ausgedrückt werde, weil „gemischte Ehen eine Pflanzstätte nur für die katholische Kirche“ werden sollten.129 Kapp sah in den Handlungen der katholischen Kirche umfassend die junge Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen angegriffen. Gefährlich für den Staat sei, daß bei gleichen Rechten für alle Konfessionen sich auch die protestantischen Geistlichen in Zukunft weigern könnten, gemischte Ehen einzusegnen und dann würde der Staat „das Recht auf Trauungen zu dringen, ganz aus der Hand geben“ müssen; viele Ehen blieben uneingesegnet. Dadurch entstünden viele wilde Ehen und Sittenverfall trete ein. Schließlich wetterte Kapp gegen die angebliche Gewissensnot der katholischen Geistlichkeit, die verstärkt erst seit vier bis sechs Jahren aufgetreten sei. Damit spielte er auf die gewandelte Mischehenpolitik der katholischen Kirche aus den letzten Jahren an, die sich auch darin äußerte, daß man Katholiken, die eine Mischehe geschlossen hatten, die Absolution verweigere und solchen Ehen den Segen abspreche. Wohl könne ein einzelner Geistlicher Probleme mit seinem Gewissen haben, er sei jedoch dann verpflichtet, 127 128 129
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 26 f. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 105–122. Vgl. dazu VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 111.
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seine Pflicht von einem anderen katholischen Priester verrichten zu lassen. Weder Proklamation noch Dimissorialien hätten sakramentalen Charakter; sie seien vielmehr Zivilstandsakte; der Geistliche habe neben seiner pastoralen Funktion auch eine staatliche als Vollzieher der Staatsverordnungen. Dies besage schon die Verordnung von 1814.130 (6) Der zweite Präsident der Kammer, Seuffert, brachte, nachdem die Auffassung der Regierung durch von Schenk und der beiden im wesentlichen betroffenen christlichen Konfessionen durch Mätzerl und Weinzierl sowie Kapp vorgetragen worden war, als Vertreter der Doktrinär-Liberalen131 noch wichtige Aspekte in die Diskussion. Ihm gelang es, für die im vorliegenden Fall fragliche Verfassungsverletzung eine wesentliche Einordnung vorzunehmen. Bei der materiellen Begründetheit gehe es um die Frage, ob die katholischen Geistlichen die Ausübung ihrer pfarramtlichen Funktion bei der Eheschließung, also Verkündung, Dimissorialienausstellung und Einsegnung, im Falle einer gemischten Ehe von der Zusicherung der katholischen Erziehung aller Kinder aus dieser Ehe abhängig machen dürften. Er hatte damit gleich zu Beginn seiner Ausführung ein wesentliches Beurteilungskriterium die pfarramtliche Funktion eingeführt, das auch schon bei von Schenk und Kapp angeklungen war, indem von Schenk Handlungen, die die Priester als Seelsorger vollzogen von jenen, die sie als Zivilstandsbeamte vollzogen, unterschied, und Kapp Proklamation und Dimissorialien den sakramentalen Charakter abgesprochen hatte. Welche Funktion nun dem Priester für die unterschiedlichen Handlungen bei der Eheschließung zukam, hing nach Seuffert von der notwendigen Form der Eheschließung nach kirchlichem bzw. staatlich-bürgerlichem Recht ab. Die jeweilige Rechtsordnung fordere vom Priester verschiedene Aufgabenwahrnehmung. Kirchliche Zeremonien, die üblichen Gebete bei einer Trauung, die priesterliche Einsegnung und Segensspendung seien „außerwesentliche Zugaben“, die eine vollgültige Eheschließung aus bürgerlichrechtlicher Sicht nicht hinderten und die deswegen von der Bedingung des Versprechens der katholischen Kindererziehung abhängig gemacht werden könnten. Anders stehe es mit der Verkündung der Ehe und der Ausstellung der Dimissorialien, die zur Vermeidung von Ehehindernissen und für die Eheschließung auch für die bürgerliche Gültigkeit der Ehe notwendig seien. Gleiches gelte für die bloße Assistenz des Pfarrers bei der Abgabe des Versprechens der Brautleute in der Gegenwart zweier Zeugen, also des Eheschließungsaktes. „Die Ehe ist nicht blos ein Institut der Kirche, sondern auch eine Einrichtung des Staates; das Band der Ehe begründet auch 130
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXX, S. 118 f., vgl. Kap. II.4.b.ii. Seuffert war Wortführer dieser Gruppierung und rechtsrheinischer Anhänger. Vgl. dazu Gölz, Landtag, S. 47 und ADB/Heigel, Bd XXXIV, S. 58. 131
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ein bürgerliches Verhältniß, und aus diesem Verhältnisse entwickeln sich die wichtigsten bürgerlichen Rechte. Die Eingehung der Ehe ist nicht bloß eine kirchliche Handlung, sondern auch ein bürgerlicher Rechtsakt, und da der Staat die Vollgültigkeit, die Wirksamkeit desselben abhängig macht von der kirchlichen Form, so erscheint dabey der Beamte der Kirche zugleich in der Eigenschaft eines Staatsbeamten. In dieser Eigenschaft muß er sich an die Gesetze des Staates halten, und darf denselben weder geradezu entgegenhandeln, noch deren Wirksamkeit durch Verweigerung seiner Funktion, oder durch Beunruhigung der Gewissen vereiteln.“ 132 Es bestehe für den einzelnen Priester die Möglichkeit sich auf sein Gewissen zu berufen, dessen Freiheit ihm auch durch die Verfassung gewährt werde. „Allein der Staat kann weder den Beamten noch den übrigen Genossen der sich seines Schutzes erfreuenden Kirchengesellschaften die Befugniß einräumen, unter Beziehung auf religiöse Pflichten den Gehorsam, welcher den Geboten der Staatsgesetze gebührt, zu verweigern.“133 An dieser Stelle schränkt Seuffert also die Gewissensfreiheit des Priesters stark ein. Dies erinnert wieder an das „besondere Gewaltverhältnis“, das auch bei dem Staatsminister des Innern von Schenk schon angesprochen worden war.134 „Die Unterwürfigkeit unter die Gesetze des Staates ist die Bedingung des Schutzes, welchen die Kirchengesellschaften im Staate genießen, und die Freiheit der Gewissen darf nicht zum Vorwande dienen, die Uebertretung oder Umgehung der Staatsgesetze zu beschönigen. So lange nicht der Staat das Institut der rein bürgerlichen Ehe anerkannt, so lange er noch das rechtliche Daseyn des ehelichen Bundes abhängig macht von der kirchlichen Form, so lange muß er darauf bestehen, daß die das eheliche Verhältnis betreffenden Staatsgesetze auch von der Seite der Kirchenbeamten respektirt, und so weit ihres Amtes ist, vollzogen werden. Der Pfarrer ist nicht nur gegen seine Kirche, sondern auch gegen den Staat verbunden, die zur Eingehung einer Ehe erforderlichen Handlungen vorzunehmen, wenn ihn ein zur Pfarrey gehöriger Staatsgenosse zum Behufe seiner Verehelichung dazu auffordert, sofern nicht Hindernisse, welche entweder auf Gesetzen des Staates, oder auf vom Staate anerkannten Kirchengesetzen fußen, im Wege stehen.“135 Bei dem Zirkular vom 4. Januar 1831 handele es sich zwar um ein solches Kirchengesetz. Allerdings werde es gerade nicht vom Staat anerkannt, da es nicht formgerecht veröffentlich worden sei, §§ 58 59 RE. Diese Nichtberücksichtigung des Gewissens des Pfarrers läßt deutlich die staats132 133 134 135
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 44 f. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 45 f. Vgl. Kap. III.2.d.cc.(1). VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 46.
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kirchenrechtliche Argumentation erkennen. Doch steckt nicht ausschließlich der Wille dahinter, die Kirche im Staat gefügig zu machen, sondern das Problem einer unvollständigen Trennung von Kirche und Staat, denn der Staat hatte kein eigenes Organ, das Eheschließungen hätte durchführen können. Damit nahm der Priester eine Doppelfunktion wahr. Hier lag das eigentliche Dilemma dieses Systems, weil damit staatliche und kirchliche Interessen in einer Person Konflikte auslösten, die kaum lösbar waren. Die Folge daraus ist für Seuffert, daß die Einführung des Instituts der reinen Zivilehe notwendig werde.136 Seuffert formulierte damit als erster, daß der einzige Weg aus diesem Konflikt letztlich die Einführung der Zivilehe sei. Allerdings formulierte er dies nicht in seinem Antrag, sondern forderte nur die Durchführung der Proklamation und Ausstellung der Dimissorialien, aber im Unterschied zu beispielsweise v. Schenk auch die einfache Assistenz des Priesters bei der Trauung ohne das Versprechen der katholischen Kindererziehung. Auch mit dieser Forderung ging er allerdings über die Praxis der Regierung hinaus. (7) Mit dem Beitrag Seufferts war eine zunehmende Verschärfung in der Beurteilung der pfarramtlichen Funktion und den sich daraus ergebenden Pflichten zu erkennen. Nicht wenige Abgeordnete schlossen sich auch der Forderung an, daß der Priester zur reinen Assistenz verpflichtet sei,137 zum Teil mit anderen Begründungen. Die Zivilehe wurde von weiteren Abgeordneten zumindest als geeignetes Druckmittel gegenüber „Rom“ ins Feld geführt. Mit dem Beitrag Seufferts waren gleichzeitig die wesentlichen Argumente ausgetauscht. So schloß sich der Abgeordnete Closen138, der zur Gruppe der DoktrinärLiberalen gehörte139, im Ergebnis dem Antrag von Seuffert an. Closen betonte ebenfalls die Trennung kirchlicher und bürgerlicher Aspekte bei einer Eheschließung. Er behauptete, daß sogar die Trauung, also aktive Assistenz, einer gemischten Ehe von einem katholischen Priester ohne das Versprechen der katholischen Kindererziehung verlangt werden könne.140 Mit 136
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 49. Vollständige Unterstützung Seufferts durch Fraunhofer Prot. Nr. XXXI S. 101 f., Anns XXXII S. 2 ff., Platner XXXII, S. 106 ff., teilweise nur Closen Prot. Nr. XXXI S. 66 und vor allem Dresch, der nicht die passive Assistenz forderte XXXII, S. 75 ff. in: VKAStV 1831, Bd. 6. 138 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 66–72. 139 Baron Karl von Closen stand neben Seuffert an der Spitze der Opposition. Er war im Unterschied zu Closen linksrheinischer Abgeordneter. Vgl. Gölz, Landtag, S. 49. 140 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 67–69. Diese Ansicht teilten Ehrne, ebd. Prot. XXXI, S. 107 f., Willich, ebd. Prot. XXXII, S. 13: Thomasius, ebd. Prot. XXXII, S. 75 forderte die Assistenz des katholischen Priesters. 137
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dieser Auffassung stand er durchaus nicht allein.141 Der Abgeordnete Willich begründete diese Verpflichtung sogar mit der Verfassung und den auf sie abgeleisteten Eid. Genau dagegen hatte sich die katholische Kirche 1818/19 gewehrt.142 Kein Beamter dürfe die Funktionen seines Amtes verweigern, wenn kein gesetzlicher Hinderungsgrund bestünde. Ein Beamter sei seines Amtes „unwürdig“ oder „verlustig“, wenn er gesetzeswidrige Gründe für die Amtsverweigerung suche.143 Rudhart, ein Gemäßigt-Liberaler144, hob nochmals hervor, daß kein Kirchengesetz existiere145, das die Ehe zwischen Katholiken und Protestanten verbiete oder unerlaubt mache, daran habe auch das tridentinische Konzil nichts geändert. Der westfälische Friede habe dies ebenfalls festgehalten und vor allem auch gleiche Rechte für die evangelische und katholische Konfession gesichert. Wie Rudhart war auch Mussinan146 über die Vorgehensweise der katholischen Seite im Vergleich zu früheren Zeiten äußerst verwundert. Auch bei Kreittmayr im CMBC Teil I Kapitel 6 § 8 und der von ihm in den Anmerkungen festgehaltenen Auffassung zu gemischten Ehen, die die Reichspraxis nach dem westfälischen Frieden wiedergebe, finde man kein Ehehindernis oder Bedingungen für die gemischte Eheschließung. Die heutige Praxis bezüglich gemischter Ehen hätte wohl auch den Ende des 18. Jahrhunderts existieren Geistlichen Rat unter Leitung von Peter Osterwald sehr erstaunt.147 (8) Eine materielle Verfassungsverletzung war letztlich von der Mehrzahl der Redner festgestellt worden,148 wenn auch mit unterschiedlichen Begrün141 Lösch war auch der Auffassung, daß die bayerische Verfassung die Möglichkeit garantiere, eine Mischehe ohne das Versprechen der katholischen Kindererziehung eingehen zu können, weil kein (von Bayern) anerkannter Kirchensatz existiere, der eine Mischehe andernfalls unerlaubt mache. Lösch sah insbesondere die Gewissensfreiheit eines Katholiken verletzt, wenn ein Katholik nicht nach katholischem Ritus heiraten könne. Er könnte auf diese Weise kein Ehesakrament empfangen, was für ihn das Wichtigste sei. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 108– 115. 142 Vgl. dazu die Ausführungen im Kap. II. 143 Willich in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 13. Hier tritt der alte Streit über das Verhältnis von Verfassung und Konkordat hervor. 144 In dieser Gruppe bildete er den Mittelpunkt. Vgl. Gölz, Landtag, S. 44 ff. und ADB/Heigel, Bd XXIX, S. 459; Lerchenfeld, Geschichte Bayerns, S. 160. 145 Darauf wiesen auch Willich, in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 17, Hagen, ebd., S. 38, Socher, ebd. S. 52 und Thomasius, ebd. S. 67 hin. 146 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 99–106. 147 Mussinan, VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 99; vgl. dazu Kapitel I.4., Abschnitt über die Sponsalienmandat.
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dungen. Was die Lösung des Konflikts anlangte, sprach sich die Mehrheit149 für Zwangsmaßnahmen gegen die „renitente“150 katholische Geistlichkeit aus. Nur vereinzelte Redner erhoben die Stimme für die Einführung der Zivilehe. Der kühnste unter ihnen war Willich,151 der gegebenenfalls der Vorbild des Rheinkreises folgen wollte und die Trennung der kirchlichen und bürgerlichen Seite der Eheschließung hinsichtlich des Ehebandes vornehmen wollte. Seinen Antrag jedoch formulierte auch er milder, indem er für die Einführung der Zivilstandsregister plädierte und die Einsetzung von nichtgeistlichen Zivilstandsbeamten. Vor ihm hatte schon von der Tann152 von der Einführung der Zivilehe für gemischte Ehen gesprochen, jedoch als 148 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 61–66 (Heinzelmann: Die Verfassungsverletzung sei vor allem durch das päpstliche Breve, das man ohne Placet beachten würde, verursacht worden, S. 64), S. 75–78 (Schmaus: Verfassungsverletzung der §§ 12, 14, forderte die Erhaltung der Verfassung; gegebenenfalls sei sie mit Temporaliensperre durchzusetzen), S. 102 (Ehrne), Prot. Nr. XXXII S. 11–17 (Willich), S. 108–115 (Lösch: Verletzung der Verfassung, weil Verweigerung von Heilsmitteln, obwohl auch nach Kirchengesetzen kein Impedimentum bestehe, S. 109– 114) anderer Auffassung: Prot. Nr. XXXI, S. 72–75 (Foliot: Verteidiger der Kirche, die aus seiner Sicht in ihren Rechten übergangen worden war, S. 75. Er galt der Regierung gegenüber als „verlässig“ Gölz, Landtag, S. 149); Prot. Nr. XXXII, S. 41 (Hagen), S. 61–65 (Jäger), S. 75–85 (Dresch), S. 88–95 (Künsberg), S. 95–99 (Riegg sah die Verfassungsverletzung nicht, vor allem aufgrund der Tegernseer Erklärung vom 15. September 1821, S. 95–98; der Eid der Bischöfe bezog sich nur auf die bürgerlichen Verhältnisse, S. 98), S. 121 (Seinsheim: bezieht sich generell auf Dresch), S. 123–125 (König). 149 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 44 f. (Hagen), der den Zwang sogar auch auf die Einsegnung ausgedehnt wissen möchte, zumindest in den Teilen Bayerns, wo das preußische Allgemeine Landrecht noch gilt, weil sich dort aus § 136 Abschnitt III Tit. 1 Teil II sich diese Pflicht ergebe; dagegen jedoch VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 5–9 (Schultz, zur Person: Gölz, Landtag, S. 50), S. 93 (Künsberg), S. 108 (Westernach), S. 123 (Seinsheim), S. 75–85 (Dresch, der aber nur den Zwang zur Einsegnung verhindern wollte) für die Temporaliensperre waren Schmaus Prot. Nr. XXXI S. 74–78, Willich Prot. Nr. XXXII S. 24, Hagen Prot. Nr. XXXII S. 44, Mussinan Prot. Nr. XXXII S. 105; Ziegler Prot. Nr. XXXII S. 121. Zum Teil sprach man sich für diplomatische Verhandlungen mit Rom aus. VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 72–75 (Foliot), Prot. Nr. XXXII, S. 6–9 (Schultz), S. 85 (Dresch), S. 94 f. (Künsberg), S. 108 (Westernach), S. 122 (Seinsheim), S. 123–125 (König). 150 Schultz, S. 7; Wörndle, S. 115; Schenk, S. 119, in: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII. 151 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 9–24, vgl. vor allem nochmals S. 14–19, wo er die katholischen Geistlichen als Zivilstandbeamte bezeichnete. Außerdem formulierte er die Einsegnungspflicht, S. 13; zur Person Willich, vgl. Gölz, Landtag, S. 50. 152 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 60 f.; Gölz, Landtag, S. 149: T. galt der Regierung gegenüber als „verlässig“.
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Notlösung, wenn Bayern mit dem Hl. Stuhl nicht in Kürze den bestehenden Konflikt zufriedenstellend lösen könne. Rudhart153 spricht auch von der Einführung der Zivilehe, wobei hier schon sehr deutlich wird, daß dies nur letzter Notanker ist. Am Ende des letzten Verhandlungstages faßte der Berichterstatter Eberz als Ergebnis dieser Beratungen zusammen:154 Die Kompetenz der Kammer sei zu bejahen, weil die Kammer sonst die Verfassung nicht umfassend schützen würde. Sogar die Gegner hätten sich auf eine Diskussion eingelassen, ohne ausreichend Gründe für die Widerlegung vorzutragen. Was die formelle Begründetheit anlange, könne man durchaus zu der Auffassung kommen, diese abzulehnen, weil im konkreten Fall Abhilfe geschaffen wurde. Geblieben sei jedoch die allgemeine Brisanz des Themas. Die materielle Begründetheit sei jedenfalls allein aufgrund des Zuwiderhandelns der katholischen Priester zu bejahen. Bei der Abstimmung über die wichtigsten Fragen zu dieser Beschwerde155 kam die Kammer der Abgeordneten zu folgenden Beschlüssen:156 1. „Die Kammer der Abgeordneten hält ihre Zuständigkeit (Competenz) für gegründet, um über die ihr zur Vorlage gebrachte Beschwerde wegen des Verfahrens der katholischen Geistlichkeit bey gemischten Ehen Beschluß fassen zu können.“ Dafür fand sich eine Mehrheit von einundneunzig gegen elf Stimmen.157 2. „Es sey der Antrag dahin zu stellen, daß die Staatsregierung die katholische Geistlichkeit zur genauen Befolgung des III. Kap. Abschn. II. des Edikts II. zur Verfassungsurkunde anweise, und dieselbe zur Ausübung ihres Amtes bey gemischten Ehen, insbesondere zur Vornahme der Proclamationen zur Entlassung, so wie zur Assistenz bey dem Verehelichungsakte, auch wenn die Erziehung aller Kinder in der katholischen Religion nicht zugesichert wird, nöthigenfalls durch alle nach dem Gesetze zulässigen Mittel anhalte.“ Dies wurde ebenfalls mit einer deutlichen Mehrheit von sechsundsechzig gegen siebenunddreißig Stimmen beschlossen.158 3. Außerdem beschloß man, „daß bey Entgegenwirken gegen die für die gemischte Ehe bestehenden Staatsgesetze der Gehorsam für das Gesetz von den bischöflichen Ordinariaten und denselben untergeordneten Geistlichkeit 153 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXI, S. 97 f.; ebenso Dresch: VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 82. 154 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXII, S. 125–131. 155 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXVI, S. 2 ff. 156 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXVI, S. 6 f. 157 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXVI, S. 2. 158 VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXVI, S. 3.
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durch das Präjudiz der unbedingten Temporaliensperre, und dessen Realisierung im Falle Bedürfens erwirkt werden möge. – Damit glaubt die Kammer der Abgeordneten den Wunsch verbinden zu müssen, daß, wenn dem hinsichtlich der gemischten Ehen bestehenden Mißstande, welcher die vorliegende Beschwerde veranlaßt hat, nicht in kurzer Zeitfrist auf die beantragte Weise oder im Wege diplomatischer Unterhandlungen abgeholfen werden sollte, derselbe durch im gesetzlichen Wege zu bewirkende Erklärung der Ehe als ein civilrechtliches Institut, und damit zu verbindende Einführung von Civilstandsregistern und Civilstandsbeamten, wie solche im Rheinkreise bestehen, möge beseitiget werden.“ Für die Temporaliensperre fand sich eine Mehrheit von dreiundsechzig gegen vierzig Stimmen und für die Erklärung der Ehe als zivilrechtliches Institut zweiundsechzig gegen vierzig Stimmen.159 Obwohl nun die meisten Redner zu dem Ergebnis gekommen waren, daß die Beschwerde (formell) nicht zulässig sei und auch ein großer Teil an der Begründetheit ihre Zweifel hatten, konnten sich diese Stimmen in der Abstimmung also nicht durchsetzen. Damit unterlagen die katholisch konservativen Kräfte, und die Rabelsche Beschwerde hatte wohl ihr Ziel erreicht. Der Antrag hatte sogar die Forderung aufgenommen, daß der Priester zur reinen Assistenz verpflichtet werden könne. Damit hatten sich Seuffert und seine Anhänger durchgesetzt. e) Die Debatte über den Fall Thon-Dittmer in der Kammer der Reichsräte Dieser Beschluß ging nun an die Kammer der Reichsräte160 und wurde in der Sitzung vom 1. Juli 1831 diskutiert.161 aa) Referentenbericht Zuvor hatte der Referent im dritten Ausschuß, Sitzung vom 28. Juni 1831, einen ausführlichen Bericht über die Beschwerde Rabels und das Beratungsergebnis der Kammer der Abgeordneten geliefert.162 In der zweiten Hälfte seines Vortrages erstattete er auch ein Gutachten. Der Referent bejahte die Kompetenz der Ständeversammlung in dieser Frage, während er 159
VKAStV 1831, Bd 6, Prot. Nr. XXXVI, S. 4 f. Dem Bericht des Referenten war zu entnehmen, daß gleich am 31. Mai 1831 der Beschluß der Kammer der Abgeordneten der Kammer der Reichsräte mitgeteilt worden war. Dort wurde dieser am 1. Juni dem dritten Ausschuß überwiesen. in: VKRKB 1831, Bd. 2, S. 137 ff. 161 VKRKB 1831, Bd 2. 162 VKRKB 1831, Bd 2, S. 137 ff. (137–160). 160
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die „formelle Begründetheit“ der Beschwerde ablehnte, da der Beschwerde durch den Vollzug der Trauung durch einen katholischen Pfarrer bereits abgeholfen sei, § 33 Tit. II des X. Edikts. Was die materielle Prüfung anbelangt, sah der Referent keine große Schwierigkeit, da es sich nur um die Frage handeln könne, „ob rechtliche Gründe vorhanden sind, wonach es der katholischen Geistlichkeit gestattet seyn könnte, ihre Beywirkung zur Schließung gemischter Ehen von einer Bedingung abhängig zu machen, welche mit den erwähnten verfassungsmäßigen Grundsätzen offenbar nicht im Einklange steht.“163 Für den Referenten gab es keinen solchen Grund,164 weil das Konzil von Trient keine Vorschrift kenne, die dieses Verhalten rechtfertigen würde, und sich das bayerische Konkordat auf dieses Eherecht beziehe. Das päpstliche Breve vom 28. März 1819 könne diesen verfassungsmäßigen Rechtszustand in Bayern nicht erschüttern, weil diesem das erforderliche Placet des Königs fehle. Mit diesem kirchlichen Eherecht von Trient stünden auch die zivilrechtlichen Regelungen im Einklang. Vor allem habe nach dem westfälischen Frieden kein deutscher Staat die Zulässigkeit der Ehe zwischen Protestanten und Katholiken bestreiten können. Der Referent betonte, daß besonders das bayerische Landrecht Teil I Kap. 6 § 8 Nr. 7 entschieden habe, daß nur Ehen zwischen Christen und Ungläubigen ungültig seien; Kreittmayr habe auch in seinen Anmerkungen ausdrücklich festgestellt, daß nur eine Mindermeinung von einem Ehehindernis ausgehe, wenn alle Kinder in der protestantischen Religion erzogen werden sollten.165 Aus der Betrachtung des Rechtsverhältnisses der Ehe leitete er her, daß das Wesen der Ehe nicht in einem kirchlichen Akt liege, sondern die wesentliche Form für die Gültigkeit der Ehe, wie es das tridentinische Konzil festgelegt hatte, sei das gegenseitige Versprechen der Ehe in der Gegenwart von zwei Zeugen und des Pfarrers. Dieses Argument untermauerte der Referent mit einem Zitat von Anton Michl166: „Nur die Gegenwart, nicht die Einsegnung des Pfarrers, ist bey Katholiken wesentlich. Er ist bey Schließung der Ehe eigentlich als Zeuge im Namen der Kirche gegenwärtig. Es wäre also eine Ehe gültig, wenn der Pfarrer in der Excommunication, wenn er noch nicht Priester, und wenn er sogar wider seinen Willen gegenwärtig wäre.“ Der Referent meint, daß der CMBC ganz nach diesen Grundsätzen entschieden habe, Teil I Kap. 6 § 5 Nr. und 2: „die blosse Einwilligung ist 163 164 165 166
VKRKB 1831, Bd 2, S. 163. VKRKB 1831, Bd 2, S. 163–165. Vgl. dazu auch oben Kap. I.2.e.aa. Michl, Kirchenrecht, S. 370 f.
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zwar wohl zum Ehe-Verlöbnisse, nicht aber zur wirklichen Ehe erklecklich, sonder zu der Letzteren wird nach dem Schlusse der tridentinischen Kirchenversammlung auch die Gegenwart des Pfarrers und zweyer Zeugen bey Vermeidung der Nullität erfordert, also und dergestalten, daß bey der Copulation sowohl beyde Brautpersonen, als verstanden zwey Zeugen nebst dem Pfarrer zu gleicher Zeit anwesend sind, und von dem, was hierunter vorgeht, gute Wissenschaft tragen sollen.“ Hierbei handele es sich um eine äußere Handlung, die vom bürgerlichen Gesetz auch vorgeschrieben werde und vor allem die Proklamation und die Dimissorialien zur bürgerlichen Gültigkeit der Ehe notwendig seien; der Priester handele als Zivilstandsbeamter. Deshalb sei der Staat auch zu Zwangsmaßnahmen berechtigt.167 Gleichzeitig stellte der Referent aber auch fest, daß die Erfüllung dieser Pflicht an keine Bedingungen geknüpft werden könne, da es kein Kirchengesetz gebe, das dies rechtfertige und außerdem nur der Staat in diesem Punkt Anordnungen treffen dürfte. In Gesetzen von anderen Ländern werde dies auch sehr deutlich, nämlich Österreich und Preußen; in Bayern dagegen gebe es dazu nur eine sehr allgemeine Regel, Teil I Kap. 4 § 3 CMBC, die besage: „die Eltern sollen ihre Kinder christlich und ehrlich zum Dienste Gottes und des gemeinen Wesens erziehen.“ Aber die Anmerkungen zu dieser Stelle besagten wie jene zu Teil I Kap. 6 § 8 Nr. 7, daß eine vertragsmäßige Vereinbarung, die Kinder im protestantischen Glauben zu erziehen, nach allgemeiner Reichspraxis zulässig sei. Daran anknüpfend erlaube auch die Verordnung vom 18. Mai 1803,168 daß die Eltern die religiöse Erziehung ihrer Kinder bestimmen können. Gleiches gelte für das Religionsedikt Kap. III § 12 ff.169 Aus den angeführten Gründen ergab sich für den Referenten, daß der Priester „zur Schließung gemischter Ehen, so viel zu deren bürgerlichen Giltigkeit erforderlich sey, (Assistenzleistung, Proclamation und Dimissorialien)“ herangezogen werden kann, und daß der Staat geradezu eine Pflicht habe, gegen etwaige Verweigerungen aufgrund ungerechtfertigter Bedingungen mit Zwangsmaßnahmen einzuschreiten. Als geeignetes Mittel nannte er die Temporaliensperre, soweit sie in angemessener Weise angewendet werde. Weniger überzeugend fand er die alternative Notlösung, die Zivilehe einzuführen, damit würde man in diesem Zusammenhange den Rahmen sprengen.170 Damit formulierte der Referent folgendes Ergebnis, mit dem auch der dritte Ausschuß vollkommen einverstanden war:171 „I. daß der vorliegende 167 168 169 170
VKRKB 1831, Bd 2, S. 165–167. Kap. II.4.b.dd. VKRKB 1831, Bd 2, S. 168–172, § 14. VKRKB 1831, Bd 2, S. 172–175, § 15.
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Gegenstand sich zur Competenz der Kammer eigne, II. daß für die, deßfalls im anher mitgetheilten Beschluße der Kammer der Abgeordneten vom 3. May sub Nro. II et III gestellten Anträge Zustimmung der ersten Kammer zu begutachten, jedoch III. der beygefügte Wunsch dahin zu fassen seyn möchte, daß die Staatsregierung die Ausscheidung der zur bürgerlichen Gültigkeit der Ehe erforderlichen öffentlichen Handlungen, und die Uebertragung derselben an Beamte im bürgerlichen Dienste des Staates, bey Abfassung des den Ständen des Reiches seiner Zeit vorzulegenden neuen bürgerlichen Gesetzbuches in reife Erwägung und Berücksichtigung ziehen möge.“ bb) Die weitere Diskussion In der Diskussion wurden noch Argumente für und gegen den Beschluß der Kammer der Abgeordneten ausgetauscht. Der erste Redner172 verteidigte das Verhalten der Priester und sah darin keine Verletzung der Verfassung. Für ihn nahm der Priester hauptsächlich seelsorgerische Aufgaben war, die nicht von den staatlichen Pflichten des Priesters dominiert werden könnten, denn zunächst sei dieser Diener der Kirche und damit dem kirchlichen Oberhaupt untergeordnet. Deswegen sah er in dem Vorgehen der Kammer eine Verletzung des Konkordates, Art. 12 c, 16 ff. Ein anderer Redner brachte vor, daß ein Priester keinesfalls gezwungen werden könne, an einer gemischten Eheschließung mitzuwirken, wenn er nicht einmal gezwungen werden könne, das Begräbnis einer Person fremder Religion vorzunehmen, § 101 2. Kap. 4. Abs. RE. Bei einer Trauung handele es sich im Gegensatz zu einem Begräbnis sogar um eine sakramentale Handlung und nicht nur um eine zeremonielle.173 Andere sahen das Einschreiten der Kammer hingegen als eine Pflicht an, da es bei der Eheschließung insbesondere auch um bürgerlich rechtliche Belange gehe.174 Man bestätigte unter anderem auch die Auffassung, daß es sich bei der Assistenz, der Proklamation und den Dimissorialien lediglich um bürgerliche Handlungen handele, weswegen der Priester hier unterschiedslos wie andere Staatsbeamte zur Ausführung ihrer Pflicht angehalten werden könnte.175 Ein weiterer Redner vertrat die Auffassung, daß man die geistliche und die weltliche Funktion nicht trennen könne, weswegen man den katholi171 172 173 174 175
VKRKB VKRKB VKRKB VKRKB VKRKB
1831, 1831, 1831, 1831, 1831,
Bd Bd Bd Bd Bd
2, 2, 2, 2, 2,
S. S. S. S. S.
175 f. 201–209. 216. 222. 224 ähnlich vgl. S. 225.
2. „Entschließungen‘‘ zum interkonfessionellen Eherecht
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schen Priester auch zu nichts zwingen könne; vielmehr müßten gegebenenfalls Proklamation und Dimissorialien von einem Zivilstandsbeamten ausgestellt werden.176 cc) Der Beschluß der Kammer der Reichsräte Der Referent betonte abschließend, daß der Priester zwei Aufgaben bei einer Eheschließung wahrzunehmen habe, die geistliche und die weltliche, die in anderen Ländern schon seit längerer Zeit von verschiedenen Personen wahrgenommen würden, in Bayern jedoch noch immer in einer Person vereint seien, was aber nicht hindern würde, die jeweiligen Akte nach ihren eigenen Gesetzen zu beurteilen.177 Daran sei auch durch das Konkordat und durch die Tegernseer Erklärung nichts geändert worden.178 Nach dieser Diskussion wurde in der Sitzung vom 9. Juli der Beschluß der Kammer der Reichsräte veröffentlicht.179 Die Kammer der Reichsräte trat dem Beschluß der Kammer der Abgeordneten nur mit den folgenden Modifikationen bei: „Es sey der Antrag an die Staatsregierung zu stellen: daß die katholische Geistlichkeit zur genauen Befolgung des Abschnitts I. Kap. III. der Beylage II. zur Verfassungs-Urkunde angewiesen werde, und dieselbe zu Ausübung ihres Amtes bey gemischten Ehen, zur Vornahme der Proclamation und Entlassung, so wie zur Assistenz bey dem Verehelichungsacte – jedoch mit Ausnahme der Einsegnung selbst dann, wenn die Erziehung aller Kinder in der katholischen Religion nicht zugesichert werde, nöthigenfalls, wenn das ernste Wort der Staatsregierung nicht ausreicht, durch alle nach den Gesetzen zuläßigen Mittel angehalten werde.“ „Daß bey fernerem Entgegenwirken gegen die für gemischte Ehen bestehenden Staatsgesetze der Gehorsam für das Gesetz von den bischöflichen Ordinariaten und der denselben untergeordneten Geistlichkeit durch Zwangsmittel, und im Falle Bedürfens, durch eine verhältnismäßige Verfügung auf die Temporalien, erwirkt werden möge.“ „Was den von der Kammer der Abgeordneten mit ihrem Beschluße verbundenen Wunsch betrifft, – so glaubt die Kammer der Reichsräte demselben nur unter nachstehender Fassung beytreten zu können: daß die Staatsregierung die Ausscheidung der zur bürgerlichen Gültigkeit der Ehe erforderlichen öffentlichen Handlungen und die Uebertragung derselben an Beamte im bürgerlichen Dienste des Staates bey Abfassung des den Ständen des 176 177 178 179
VKRKB VKRKB VKRKB VKRKB
1831, 1831, 1831, 1831,
Bd Bd Bd Bd
2, 2, 2, 2,
S. S. S. S.
228 f. 233 f. 234 f. 310–312.
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III. Bayern im Vormärz
Reichs seiner Zeit vorzulegenden neuen bürgerlichen Gesetzbuches in reife Erwägung und Berücksichtigung ziehen möge.“180 Mit diesen Veränderungen zeigte sich die Kammer der Abgeordneten in der Abstimmung vom 26. Juli 1831 einverstanden und nahm nur noch eine Veränderung vor, die die Befolgung „des ernsten Wortes der Staatsregierung“ durch die Priester sichern sollte, indem ihnen eine Frist von drei Tagen gesetzt wurde.181 Nachdem es in der Sitzung vom 10. August 1831 nochmals eine kurze Diskussion über den Beschluß der Kammer der Abgeordneten gab, in der zum Teil das frühere Ergebnis in Frage gestellt wurde, aber insbesondere auch die zu kurze Frist kritisiert wurde,182 kam es aber schließlich in der Sitzung vom 20. August 1831 zur Zustimmung der Kammer der Reichsräte zum Vorschlag der Kammer der Abgeordneten vom 26. Juli 1831, jedoch mit der Einschränkung, daß die Einführung der bürgerlichen Eheschließung bis zur Vorlage eines neuen bürgerlichen Gesetzbuches aufgeschoben werden sollte.183 In der öffentlichen Sitzung vom 10. September 1831 wurde endlich der Antrag beider Kammern an den König formuliert: „Die allerunterthänigst treugehorsamsten Stände haben den an sie gebrachten Antrag des Abg. Rabel, das Verfahren der katholischen Geistlichkeit bey gemischten Ehen betreffend, geeignet berathen und, geleitet durch die Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde Tit. VII. §. 2. und 21. und des Edicts über die äußern Rechtsverhältnisse des Königreichs Bayern in Beziehung auf Religion und kirchliche Verhältnisse §§ 12., 13., 14. sich zu nachstehenden Beschlüssen vereinigt. Es sey der ehrfurchtvollste Antrag zu stellen, daß die katholische Geistlichkeit zur genauen Befolgung des Abschnitts I. Kapitels III. der Beylage II. zur Verfassungs-Urkunde angewiesen werde, und dieselbe zur Ausübung ihres Amtes bey gemischten Ehen, zur Vornahme der Proclamation und Entlassung, so wie zur Assistenz bey dem Verehelichungsacte, jedoch mit Ausnahme der Einsegnung, selbst dann, wenn die Erziehung aller Kinder in der katholischen Religion nicht zugesichert werde, nöthigenfalls, wenn das ernste Wort der Staatsregierung nicht ausreicht, nach fruchtlosem Ablaufe von 3 Tagen, durch alle nach dem Gesetze zulässigen Mittel angehalten werde; daß bey fernerem Entgegenwirken gegen die für gemischte Ehen bestehende Staatsgesetze der Gehorsam für das Gesetz von den bischöflichen Ordinariaten und der denselben untergeordneten Geistlichkeit durch Zwangsmittel und im Falle des Bedürfens durch eine verhältnißmäßige Ver180 181 182 183
VKRKB VKRKB VKRKB VKRKB
1831, 1831, 1831, 1831,
Bd Bd Bd Bd
2, 3, 3, 3,
S. S. S. S.
310–312. 373 f. 422 ff. 471 f.
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fügung auf die Temporalien erwirkt werden möge. Hiemit glauben die Stände auch den ehrfurchtsvollsten Wunsch verbinden zu dürfen, daß die Ausscheidung der zur bürgerlichen Gültigkeit der Ehe erforderlichen Handlungen, und die Uebertragung an Beamte in bürgerlichem Dienste des Staates bey Abfassung des den Ständen des Reichs seiner Zeit vorzulegenden neuen bürgerlichen Gesetzbuches in reife Erwägung und Berücksichtigung gezogen werden möge. In allertiefster Ehrfurcht verharren Euerer Königlichen Majestät allerunterhänigst treugehorsamste Kammer der Reichsräthe. allerunterthänigst treugehorsamste Kammer der Abgeordneten.“ f) Die Haltung des Königs Im Landtagsabschied vom 29. Dezember 1831184 erklärte der König bezüglich des „Verfahrens der katholischen Geistlichkeit bey der Eingehung gemischter Ehen“: „Es ist Unser ernster Wille, daß bey der Eingehung gemischter Ehen die Bestimmungen der bestehenden Gesetze über die Vornahme der Proclamation, die Ausstellung der Dimissorialien und die Rechte der Brautleute hinsichtlich der künftigen religiösen Erziehung der Kinder mit Nachdruck gehandthabt werden.“ Damit ging der König zwar nicht unmittelbar auf den Antrag der Kammer ein, aber er versicherte die Beibehaltung der bisherigen Praxis.185 Nach der Ansicht der Regierung handelte es sich, wie auch in den Kammerberatungen vielfach vertreten,186 um zivilrechtliche Handlungen, zu denen die Priester in ihrer gleichzeitigen Funktion als Standesbeamten verpflichtet waren.187 Deswegen wurden die bisherigen staatlichen Vorschriften unter Verweis auf den königlichen Willen, Abs. III Nr. 19 des Landtagsabschie184 Das Ergebnis aus dem Abschied der Ständeversammlung des Königreichs Bayern wurde am 29. Dezember 1831 im Gbl. Bayern 1831 Nr. 19, S. 88 abgedruckt. 185 Hacker, Beziehungen, S. 86; Müller, Verfassungsbeschwerde, S. 188; Ostadal, Kammer, S. 104. Aufgrund der sehr offenen Formulierung interpretierte Strodl diese Aussage zunächst als eine Verwerfung des Kammerbeschlusses – zu diesem Ergebnis kam man, wenn man die „Bestimmungen der bestehenden Gesetze“, mit dem Verständnis der katholischen Kirche von Verfassung, Religionsedikt und Konkordat lesen wollte. Allerdings erkannte auch Strodl, das diese Interpretation aufgrund des Fortgangs dieser Auseinandersetzung nicht nahe lag, sondern wieder einmal ein offener Bruch zwischen Kirche und Staat vermieden worden war. Strodl, Recht der Kirche, Sp. 259 f. Für diese Interpretation spricht, daß der König am 31. August 1831 auch vom Bamberger Bischof gebeten wurde, keine Zwangsmaßnahmen gegen die katholischen Geistlichen ausüben zu lassen. Vgl. Repraesentatio Archiepiscopi Bambergensis ad Regem in obiecto mixtorum matrimoniorum, in: Roskovány, De matrimonio mixtis, Bd II, S. 205 Nr. 164. 186 Vgl. vorher. 187 Hacker, Beziehungen, S. 86.
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des vom 29. Dezember 1831, durch den Ministerialerlaß vom 30. Januar 1832188 erneuert und allen Kreisregierungen mitgeteilt, daß alle Abforderungen von Reversen189 über die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen zurückzuweisen seien. Die Ordinariate kamen dem nur zum Teil nach.190 g) Die Reaktion der Ordinariate und des Hl. Stuhls Diese Situation veranlaßte die Regierung zu weiteren Reskripten und Entschließungen.191 Aus allen Reskripten geht hervor, daß die Regierung an 188 In: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 232 f. § 241. Zur ordnungsgemäßen Ausführung der Verordnung erging ein Erlaß vom 17. März 1832 an alle Polizeibehörden. Vgl. Roskovány, De matrimonio mixtis, Bd II, S. 210 ff. Nr. 166. 189 Nachweise bzw. Versprechungen. 190 Hacker, Beziehungen, S. 86; Strodl, Recht der Kirche, Sp. 260; Silbernagl, Zustände, S. 131. 191 Am 20. Juni 1832 erging eine Erwiderung vom Staatsministerium an das Ordinariat Passau, daß die staatlichen Weisungen hinsichtlich der gemischten Ehen einzuhalten seien, „als die Vornahme der Proclamation zur ordnungsgemäßen Eingehung der Ehen auch nach den bürgerlichen Gesetzen (cod. civ. Thl. I Cap. VI. § 7) erforderlich ist, und demnach die Entscheidung der Frage, ob dieselbe bei gemischten Ehen auch von der Seite der katholischen Pfarrämter statt finden, und ob von dieser den deshalb bestehenden landesherrlichen Verordnungen Folge geleistet werden soll, weder von den abweichenden Ansichten der einzelnen geistlichen Behörden noch von einer angeblich von Rom erhaltenen Entschließung hierüber abhängig gemacht werden kann“. München, den 20. Juni 1832 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 233 § 242. Am 7. Juli 1831 erhielt die königliche Regierung des Rezatkreises den Auftrag, München, den 7. Juli 1831 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 231 f. § 239, aus gegebenem Anlaß, dem bischöflichen Ordinariat Eichstätt nahezulegen, daß gemäß der Verordnung vom 25. September 1814 und der Entschließung vom 30. März 1827, die Proklamation sowie die Ausstellung des Ledigscheines nicht verweigert werden dürfe, da die Proklamation das gesetzliche Mittel zur Entdeckung von Ehehindernissen sei und bei Nichtvornahme die Gefahr ungültiger Ehen bestünde. Außerdem gebe es kein von der Staatsbehörde anerkanntes Kirchengesetz, das diese Handhabung rechtfertigen könne. Als sehr auffallend wurde auch befunden, daß man der katholischen Braut die Einsegnung der Ehe vor dem katholischen Pfarrer auferlegte, um „die Gnade des Sacraments der Ehe“ empfangen zu können. Schließlich wurde am 30. September der Königlichen Regierung des Regenkreises, Kammer des Innern, erwidert, München, den 30. September 1832 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 234 § 243., „daß gegen den Pfarrer N.N. ohne weiters mit den geeigneten Strafverfügungen einzuschreiten sei, indem nach Bestimmung des § 68 [Anm. des Verfassers: Hier handelt es sich höchstwahrscheinlich um einen Druckfehler, und in Wahrheit ist der § 58 gemeint, wo es um die Regelung des Placets geht] der II. Beilage zur Verfassungs-Urkunde Gesetze, Verordnungen oder sonstige Anordnungen der Kirchengewalt ohne Allerhöchste Einsicht und Ge-
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ihrer Auffassung zu den Mischehen ungebrochen festhielt und deswegen auf die Proklamation und die Ausstellung der Dimissorialien ohne die Abgabe des Versprechens der katholischen Kindererziehung bestand. Neu war nur, daß in dem Reskript vom 20. Juni 1832 die Notwendigkeit der Proklamation und der Dimissorialien nicht nur unter Berufung auf die bürgerlichen Gesetze im allgemeinen begründet wurde, sondern daß explizit der CMBC zitiert wurde. Bayern hatte also in der Tat seit 1756 ein von der Kirche verschiedenes Ehegesetz. Daran konnte auch der Umstand nichts ändern, daß zur gültigen Eheschließung die priesterliche Trauung notwendig war. Der CMBC bot einen echten Anhaltspunkt für die Annahme, daß für die Eingehung einer gemischten Ehe kein Versprechen, wie es die katholische Kirche seit geraumer Zeit forderte, notwendig sei.192 Damit vertrat der Staat in diesem Punkt eine sich deutlich vom kirchlichen Standpunkt dieser Zeit verschiedene Auffassung, die Bayern bei den diplomatischen Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl über die Mischehenfrage nicht zur Disposition stellen wollte. Bayern hoffte, den Hl. Stuhl davon zu überzeugen, daß auch die Trauung der Ehe oder mindestens die passive Assistenz bei der Ehe ohne das besagte Versprechen vom Priester verlangt werden könne.193 Während die Regierung nun versuchte, ihre Vorstellung bei den Ordinariaten durchzusetzen, erging am 27. Mai 1832 das päpstliche Breve „Summo jugiter studio“ an alle bayerischen Bischöfe, das zur Wahrung des katholischen Glaubens erneut den Priestern jegliche Mitwirkung bei den gemischten Ehen verbot.194 Es ging außerdem auf die Mischehen ein, die zwischen nehmigung weder publicirt, noch vollzogen werden dürfen, und demnach das Verfahren des besagten Pfarrers bei der Eingehung der gemischten Ehen der Maria N. mit dem N.N. durch die Berufung auf entgegenstehende, erst nach erschienenem Reskripte eingetretene Ordinariatsweisungen, denen ein Königliche Placet nie ertheilt worden ist, nicht gerechtfertigt werden kann“. Auf die Entscheidung vom 30. September 1832 nimmt auch eine Entscheidung vom 6. Juli 1833 Bezug, wo es heißt, „daß den katholischen Geistlichen nicht gestattet werden könne, die Vornahme der Verkündungen und die Ausstellung der Dimissorialien bei gemischten Ehen von der Zusicherung der Brautleute über die katholische Kindererziehung abhängig zu machen, und die Nichtbefolgung der Verordnung vom 25. September 1814 (Regbl. Bayern 1814. S. 1537) durch Berufung auf Ordinariatsweisungen zu entschuldigen, welche des landesherrlichen Placet entbehren, und daher in Gemäsheit der Bestimmungen des § 58 der zweiten Beilage zur Verfassungsurkunde nicht vollzogen werden dürfen.“, vgl. Döllinger, Verordnungen, S. 234 § 244. 192 Dies wurde z. T. auch schon in den Debatten festgestellt. 193 Vgl. dazu Hacker, Beziehungen, S. 83 unten 84 oben, S. 90 f.; Strodl, Recht der Kirche, Sp. 262–264. 194 Text bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 212 ff.; Text in Übersetzung bei Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 464 ff.; zum Inhalt: Strodl, Recht der Kirche, Sp. 266, Hacker, Beziehungen, S. 87.
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einem geschiedenen Protestanten zu Lebzeiten seines früheren Ehepartners und einem Katholiken geschlossen werden sollten und bezeichnete diese Ehen als nichtig und ehebrecherisch, weil keine menschliche Autorität das Eheband lösen könne. Dieses Breve brach mit der bisherigen Praxis des Dissimulierens. Sicherer bezeichnet es als einen Versuch, „zunächst auf dem Gebiete des interconfessionellen Eherechts das Concordat nach seinem vollem Inhalte durchzuführen.“ Die bayerischen Bischöfe erklärten dem König in einer Denkschrift vom Oktober 1832, daß sie sich nach den Anweisungen des Papstes richten würden.195 Interessant ist dabei vor allem, daß die Bischöfe ausführen, die Verordnungen vom 25. September 1814196 über die Trauung gemischter Ehen, auf die sich die bayerische Regierung berufe, existiere nach Inkrafttreten des Konkordats nach 1817 nicht mehr.197 Dieses Breve war in einer für den bayerischen Staat politisch sehr stürmischen Zeit ergangen.198 Trotzdem blieb das Staatsministerium seiner Auffassung treu und erließ am 6. Juli 1833 ein Reskript an die königliche Regierung des Obermainkreises mit gleichzeitiger Benachrichtigung aller übrigen königlichen Kreisregierungen,199 daß die Verweigerung der Proklamation und der Dimissorialien nicht vom Versprechen der katholischen Kindererziehung abhängig gemacht werden dürfe, und die Nichtbefolgung der Verordnung vom 25. September 1814 nicht entschuldigt werden könne, da die Ordinariatsweisungen dem erforderlichen Placet entbehrten, § 58 der II. Beilage zur Verfassungsurkunde. Diesem Reskript lagen zwei Gutachten – eines stammte vom Innenminister Fürst von Oettingen-Wallerstein – zugrunde, die den bisherigen Standpunkt der Regierung festhielten und die geforderten Handlungen der Proklamation und der Dimissorialien als zivilrechtliche ansahen.200 Man hatte jedoch von allen radikaleren Maßnahmen, wie die Anwendung der Zwangsmittel gegen Priester und die Übertragung der Zivilstandsregister auf staatliche Behörden und die Wahrnehmung der Aufgebote im Falle der Weigerung des zuständigen Priesters durch die bürgerlichen Gerichte, Abstand genommen.201 Der König wollte keinen Anlaß für noch radikalere Forderungen – nämlich die Einführung der Zivilehe – auf dem nächsten Landtag geben.202 195
Remling, Neuere Geschichte, S. 418 f.; Strodl, Recht der Kirche, Sp. 268. Kap. II.4.b.ii. 197 Zum Konflikt s. auch oben II. 6. 198 Sicherer, Eherecht, S. 52. 199 Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, Teil 1, S. 234 § 244. 200 Hacker, Beziehungen, S. 88. 201 Hacker, Beziehungen, S. 89. 202 Hacker, Beziehungen, S. 89 vor allem auch Fn. 83. Man fürchtete vor allem auch die oppositionellen Stimmen aus der Pfalz, wo man sich besonders über die strenge Praxis der katholischen Kirche ärgerte. 196
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Aufgrund dieser brisanten innenpolitischen Lage blieb Bayern an den diplomatischen Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl interessiert und gab die Hoffnung auf Zugeständnisse nicht auf,203 wenngleich der Papst schon die Vornahme von Aufgebot und Dimissorialien bei gemischten Ehen verboten hatte.204 Man wollte eine günstige Situation mit den richtigen Begründungen nutzen und den Papst zu einem Zugeständnis bewegen: Es sollte auf den innerpolitischen Druck hingewiesen werden, die Zivilehe einführen zu müssen, die Bedrohung des inneren öffentlichen Friedens, die vor allem von revolutionären Strömungen für die Einführung der Zivilehe genutzt würde und die Tatsache, daß Österreich über die gewünschte Regelung schon lange verfüge. h) Die weitere Erörterung der Frage auf dem Landtag von 1834 Schließlich führte diese ganze Auseinandersetzung zu einem weiteren Landtag am 28. April 1834.205 Der Abgeordnete Willich206 hatte beantragt: „es möge dem Gesetzentwurfe der Wunsch der Stände beygefügt werden, daß der Landtags-Abschied von 1831 in Bezug auf gemischte Ehen im Sinne des damaligen Gesammtbeschlusses der Stände endlich vollzogen werde.“ Bei diesem Gesetzesentwurf handelte es sich um die Gleichstellung der übrigen christlichen Konfessionen.207 Da die Umsetzung bzw. Durchsetzung aufgrund der kirchlichen Opposition gerade Probleme bereitete, befürchtete Willich, daß sich diese Probleme nun auch auf die Griechen erstrecken würden. Aus diesem Grunde und den zunehmenden Schwierigkeiten mit den „widerspenstigen“ Priestern forcierte er die Verwirklichung des Landtagsabschieds von 1831.208 Diesen Ausführungen von Willich pflichteten einige der nachfolgenden Redner bei.209 Die Abgeordneten Mätzler und Weinzierl, die schon in der Landtagsdebatte von 1831 eine prokirchliche Haltung eingenommen hatten, bestritten hingegen, daß die Bischöfe die hier genannten Weisungen an ihre Pfarrer gegeben hatten, da es sich um keinen zur Veröffentlichung geeigne203
Hacker, Beziehungen, S. 90 ff. Vgl. Breve „Summo jugiter studio“ hier weiter oben. 205 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 89 ff. 206 Zur Person vgl. Kap. III.2.d.cc.(8) Fn 151. 207 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 89. 208 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 89 ff. 209 Schickedanz, S. 95, Dr. Schultz S. 96 f., Heidenreich, S. 99 ff., auch Rudhart, der nochmals ausführlich daraufhin weist, daß es kein Kirchengesetz gebe, das Mischehen in dieser Form verbiete oder nur gestatte. In: VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII. 204
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III. Bayern im Vormärz
ten Rechtsakt des Papstes gehandelt habe, sondern am 27. Mai 1831 lediglich eine „admonitio paterna“ (väterliches Ermahnungsschreiben) an die Bischöfe ergangen sei.210 Am Ende der Debatte ergriff der königliche Staatsminister Fürst von Oettingen-Wallerstein211 das Wort und formulierte nochmals sein Unverständnis über die Praxis der katholischen Kirche hinsichtlich der Mischehen in Bayern, die um so unverständlicher sei, weil in anderen Staaten der Hl. Stuhl eine andere Verfahrensweise zulasse.212 Er versprach Abhilfe; falls man mit der katholischen Kirche nicht zu einer Einigung komme, werde jedenfalls dafür gesorgt, daß die Verfassung durchgesetzt werde.213 Der Antrag Willichs, „dem Gesetzentwurfe über die bürgerlichen und politischen Rechte der griechischen Glaubensgenossen den Wunsch beyzufügen, daß der Landtags-Abschied von 1831 bezüglich der gemischten Ehen im Sinne des damaligen Gesammtbeschlusses der Stände endlich vollzogen werde“, wurde mit „eminenter Majorität“ von 96 zu einer Stimme angenommen.214 Interessanterweise hatten auch Mätzler und Weinzierl zugestimmt.215 i) Der Abschluß der Auseinandersetzung zwischen Bayern und dem Hl. Stuhl Dieser Landtag, aber vor allem ein persönliches Schreiben des Königs an den Papst216 bewirkte, daß die diplomatischen Verhandlungen zwischen 210
VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 102 f. Fürst v. Oettingen Wallerstein war der Nachfolger von Innenminister v. Schenk, der nach einem Konflikt zwischen dem König und der zweiten Kammer die Pressezensur betreffend zum Ende des Jahres 1831 zurücktreten mußte. HdBbayG/ Spindler, Bd IV, Tlbd 1, S. 152 ff. (155). Wallersteins politische Gesinnung war wandlungsfähig; er galt als konservativ-liberaler Hocharistokrat. HdBbayG/Spindler, Band IV, Tlbd 1, S. 175 f. 212 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 109 ff. (110); Strodl, Recht der Kirche, S. 273 ff. versuchte die Kritik von Oettingen-Wallerstein zu widerlegen, indem er nachzuweisen versuchte, daß Bayern und Österreich nicht zu vergleichen seien, weil in Österreich der Josephinismus herrsche und Rom nur Zugeständnisse gemacht habe, weil dieser nicht zu beseitigen war. Und in Preußen sei die Lage auch eine völlig andere, da die überwiegende Zahl der Bevölkerung und der Regierung evangelisch sei. Auch sei in den preußischen Rheinprovinzen die Zivilehe gesetzlich erlaubt und in Bayern mit der Ausnahme der Rheinpfalz nicht. Wallersteins Forderungen bezogen sich auf den Inhalt des Breves Pius VIII. vom März 1830 an Preußen. Er hatte den Inhalt vermutlich auf geheimen Wege von Bunsen erfahren. 213 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 111 f. 214 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 113. 215 VKAStV 1834, Bd 3, Prot. XIII, S. 113. Es werden dort alle Namen der Abgeordneten aufgeführt, die dem Antrag zugestimmt oder abgelehnt hatten. 216 Es handelt sich um zwei Schreiben, einem offiziellen in lateinischer Sprache und einem vertraulichen in italienischer Sprache. Vgl. die Texte bei Hacker, Bezie211
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Bayern und dem Hl. Stuhl über die Mischehenfrage endgültig zu einem Abschluß fanden.217 Der König trug nochmals auf sehr unterwürfige Weise218 das ursprüngliche Anliegen der Regierung vor und erbat eine Entscheidung des Papstes, wie sie bereits Österreich und Preußen zuteil geworden sei. Es wurde allgemein nochmals zum Ausdruck gebracht, wie wichtig die Entscheidung des Papstes im Sinne des Staates sei. Außerdem drohte man mit dem Vollzug der Zwangsmaßnahmen gegen die Priester.219 Die Bischöfe baten um mehr Ermessen bei den ehevorbereitenden Handlungen bei Mischehen, wobei auf dem Ledigschein das kirchliche Verbot einer Mischehe zum Ausdruck gebracht werden sollte.220 Dieser Hinweis auf dem Ledigschein erinnert an die Handhabung der Ausstellung des Beratungsscheins durch katholische Beratungsstellen bei Schwangerschaftsabbrüchen. Daraufhin erfolgte am 12. September 1834 die Instruktion des Staatssekretärs Bernetti.221 Kundgegeben wurde der Inhalt der Instruktion, die der Papst am 12. September 1834 den Erzbischöfen und Bischöfen Bayerns bereits zukommen hatte lassen. „Der römische Stuhl gestattet durch diese Instruction dem katholischen Clerus bei Behandlung der gemischten Ehen ein Benehmen der Klugheit, Verkündung in den katholischen Kirchen, Ausstellung der Dimissorialien, und selbst die Präsens bei der Copulation, und gibt den Herren Erzbischöfen und Bischöfen anheim, von diesen mildernden Bestimmungen den dem Erforderniß der Umstände entsprechenden Gebrauch zu machen.“222 Für den dispositiven Teil war das Mischehenbreve, das Pius VIII. am 25. März an die Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz erlassen hatte, Vorbild.223 Wenn größere Übel zu vermeiden waren, waren das Aufgebot, die Ausstellung von Zeugnissen hierüber und sogar die passive Assistenz, aber unter Ausschluß aller kirchlichen Riten, d. h. der Pfarrer durfte nur als qualifizierter rechtskräftiger Zeuge auftreten, gestattet, auch wenn kein Versprechen hungen, S. 168 f. Das offizielle Schreiben ist bei Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 466 f. übersetzt. 217 Hacker, Beziehungen, S. 97 f.; Strodl, Recht der Kirche Sp. 278. 218 In seinem offiziellen Schreiben schließt er mit den Worten „Filiali affectu confidentes Sanctitatem Vestram votis annuere Nostris“. Vgl. Hacker, Beziehungen, S. 169. 219 Hacker, Beziehungen, S. 96 f. 220 Hacker, Beziehungen, S. 98. 221 „Instructio ad Archiepiscopos et Episcopos in Bavariae Regno“ Text bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 291 ff.; Kunstmann, gemischte Ehen, S. 262 ff.; Remling, Neuere Geschichte, S. 664 ff.; Strodl, Das Recht der Kirche, S. 280 f. und in der Übersetzung bei Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 468 ff. 222 München, den 23. November 1834 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 235 f. 223 Hacker, Beziehungen, S. 99.
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der religiösen Erziehung aller Kinder im katholischen Glauben abgegeben worden war. Auf den Zeugnissen sollte aber die Konfessionen der Brautleute nicht erwähnt werden, und nur das kirchliche Verbot der Mischehe vermerkt werden, wenn sonst kein trennendes Ehehindernis vorlag. Mit diesem Zugeständnis des Papstes sollte jedoch das vorherige Breve Summo jugiter studio nicht aufgehoben werden, sondern es war so zu interpretieren, daß es nicht den Grundsatz der Toleranz und der Klugheit aufhebe. Um größere Nachteile zu vermeiden, konnte die Kirche dissimulieren, also wohlwollend über Verstöße gegen Kirchenrecht hinwegsehen.224 Dem Wunsch der Regierung, auch die Einsegnung der Mischehen zu gestatten, war der Papst wie auch in dem Kölner Mischehenbreve von 1830 nicht nachgekommen, aber im Vergleich zu dem Breve „Summo jugiter studio“ hatte er sich auf erhebliche Zugeständnisse eingelassen. Damit hatte die Regierung zwar nicht ihr Ziel der aktiven Beteiligung des Priesters erreicht, aber es war ihre bisherige staatliche Praxis jedenfalls sichergestellt, so daß der König sich damit zufrieden gab, auch wenn es sich wieder nur um ein „zeitweiliges Zugeständnis“ handelte.225 Sehr wichtige Fragen in Bezug auf die Gültigkeit von akatholischen Ehen und gemischter Ehen, die nicht nach der tridentinischen Form geschlossen worden waren, wurden in dieser Instruktion gar nicht angesprochen, obwohl sie wegen der bürgerlichrechtlichen Bedeutung der Urteile geistlicher Ehegerichte von großer Tragweite waren.226 Etwa zur gleichen Zeit hatte man beispielsweise für die westlichen Diözesen der preußischen Gebiete Mischehen, die nicht nach tridentinischem Ritus getraut worden waren, für gültig erklärt.227 Dem bayerischen Klerus versuchte man jedoch wieder nahe zu bringen, daß Mischehen dieser Art nichtige Verbindungen seien.228 Am Ende des Jahres erging ein königliches Reskript,229 wo der Staat den Erzbischöfen und Bischöfen bezüglich der päpstlichen Dispenserteilung bei 224 Huber/Huber, Staat und Kirche, S. 469 mit Fn. 27: „dissimulatio“ = „das wohlwollende Hinwegsehen über Verstöße, ein herkömmliches Prinzip kirchlicher Toleranz; statthaft, wo Glaubenssätze nicht in Frage gestellt sind.“ 225 Sicherer, Eherecht, S. 56 und auf S. 53 kommentierte er das Ganze mit den Worten: „Dennoch ist es der bayerischen Regierung geglückt, den römischen Hof noch einmal zum Systeme des „Dissimulirens“ zurückzubringen. 226 Sicherer, Eherecht, S. 57. 227 Sicherer, Eherecht, S. 57. 228 Sicherer, Eherecht, S. 57. 229 27. Dezember 1834 in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 253 f. § 266: „1) Die Religionsverschiedenheit der christlichen Confessionen begründet bekanntlich nach dem in Deutschland angenommenen Kirchenrechte kein trennendes Ehehinderniß und wurde auch nach der neuesten päpstlichen Instruction von dem
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gemischten Ehen mitteilt, daß die Verschiedenheit der christlichen Konfessionen nach deutschem Kirchenrecht kein trennendes Ehehindernis begründe. Gleiches gelte nach der neuesten päpstlichen Instruktion. Bei einem notwendigen päpstlichen Dispens wegen zu naher Verwandtschaft dürfe das Versprechen der katholischen Kindererziehung nicht zur Bedingung gemacht werden, sonst verstoße dies gegen die Verfassung. Noch 1830 hatte die königliche Gesandtschaft aus Rom berichtet, daß die päpstlichen Dispense von Bittstellern verschiedener Konfession nur dann auf entsprechende Weise erwirkt werden, „wenn in den zur Unterstützung solcher Gesuche auszustellenden Ordinariats-Zeugnissen, die in dem abgedruckten Formulare hinsichtlich des nicht zu hoffenden Uebertritts des protestantischen Theiles zur katholischen Kirche und hinsichtlich der religiösen Erziehung der Kinder ausgedrückten Bemerkungen enthalten sind.“230 Die Instruktion vom 12. September 1834 hatte zwar die Probleme deutlich reduziert, jedoch gab es unterschiedliche Auffassungen bezüglich ihrer päpstlichen Stuhle selbst als kein solches behandelt. Die Herren Erzbischöfe und Bischöfe werden sich demnach von selbst berufen fühlen, weder aus dem gedachten Titel Dispensen zu verlangen, noch etwa aus solchem Titel gegebene zur Ausführung zu bringen. 2) In jenen Fällen, wo ein päpstlicher Dispens ob des zwischen den Bittstellern wirklich bestehenden Ehehindernisses der nahen Verwandtschaft nothwendig wird, kann ein etwa angehängtes päpstliches Commissorium der obbezeichneten Art bei den bestehenden verfassungsmäßigen Bestimmungen nur dort, wo die katholische Erziehung sämmtlicher Kinder auf einem schon vorher eingegangenen freiwilligen, rechtsförmlichen und giltigen Vertrage beruht, und auch hier nur vorbehaltlich der Bestimmungen des § 18 der zweiten Verfassungs-Beilage, Legalität erlangen, wie denn auch 3) selbst in solchem Falle die Betheiligten ausdrücklich darüber belehrt werden müßen, daß die Aufforderung am Schluße der päpstlichen Dispense nur nach Inhalte des § 8 der Verfassungs-Beilage verstanden und aufgegriffen werden dürfe.“ Auf diese Weise erhofft sich die Staatsregierung die Einhaltung und Wahrung der Verfassungsgrundsätze. 230 München, den 9. April 1830; diese Bestimmung ist an sämtliche Erzbischöfe und Bischöfe ergangen und sämtliche königliche Kreisregierungen. Der Bericht ist als Kopie abgedruckt. „Copia. Tenore praesentium fidem facimus et attestamur N:N: orthodoxae fidei cultorem, qui cum sorore defunctae uxoris suae N:N: protestanticae confessionis matrimonium inire desiderat, tam pauperem esse ac miserabilem, ut pro clementissima quam enixe rogat, dispensatione solvere nihil queat, eumque eomagis dispenstionis gratia indigere, quod ipsi, ut annexum schema exbibet, obstet impedimentum affinitatis in gradu primo linae transversae, et orator in loco protestanticae confessioni addicto habitans, duosque liberos ex priori matrimonio relictos habens, mulierem catholicam, quam in matrimonium ducere possit, non inveniat, ac insuper erga dictam personam tanto amore sit captus, ut negata dispensationis gratia periculum sit evidentissimum; ne a fide catholica deficeat, et ad confessionem acatholicam sponsae suae, quae fidem catholicam amplectere recusavit, transeat. Aliaque gravia scandalia oriantur, cum e contra utraque pars, gratia dispensationis obtenta liberos ex matrimonio provenientes in religione catholica educari ses obliget. In quorum fidem etc. etc. in: Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 252.
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III. Bayern im Vormärz
Handhabung bzw. Auslegung.231 In einer Entschließung vom 31. Mai 1838232 wird klargestellt, daß die Wahl der religiösen Erziehung der Kinder auch nach der Eheschließung vertragsmäßig festgelegt werden könne bzw. die bestehenden Vereinbarungen abgeändert werden können, solange die Kinder nicht durch die Kommunion oder die Konfirmation einer bestimmten Kirche beigetreten sind. Daß man die Wahl nicht auf die Zeit vor bzw. bei der Eheschließung habe beschränken wollen, hatte auch eine Entschließung vom 11. Mai 1815 bereits zum Ausdruck gebracht. In einer weiteren Ministerialentschließung vom Mai 1839233 wurden die Pfarrer von der passiven Mitwirkung bei gemischten Ehen entbunden, wenn der protestantische Ehegatte geschieden war. k) Die zeitgenössische Bewertung der Mischehendiskussion aa) Die Presse Um die gemischten Ehen wurde ein leidenschaftlicher Weltanschauungskampf geführt.234 Dieser Kampf spiegelte sich z. T. in der periodischen Presse wieder, aber es erschienen auch verschiedene Monographien. An dieser Stelle soll auf die wichtigsten dieser Monographien eingegangen werden. Für die zum Teil sehr unterschiedliche Beurteilung durch die Presse sei vor allem auf die Arbeiten von Lempfrid235 verwiesen. Als Ergebnis dieser Untersuchungen kann hier jedoch festgehalten werden, daß die katholischen Zeitschriften sich ganz auf den Standpunkt des kanonischen Rechts stellten. Die bayerische Regierung blieb aber in ihren offiziellen Äußerungen und Handlungen von diesem Einfluß weitgehend unberührt.236 Es äußerten sich vor allem der Görreskreis in seinem Organ „Eos“237, aber auch andere Kirchenzeitungen „teils parierend“, „teils ausfallend“.238
231
Anonymus, ArkKr 16 (1866), S. 23 ff. Döllinger, Verordnungen, Bd VIII, Abt. VIII, S. 45 f. 233 Döllinger, Verordnungen, Bd XXIII, S. 60. 234 Franz, Verfassungskämpfe, S. 150, vgl. dazu vor allem auch Lempfrid, ZbLG 24 (1961), S. 22 ff. 235 Lempfrid, ZbLG 24 (1961), S. 22–30 und Lempfrid, Anfänge, S. 222–226; außerdem Friedrich, Döllingers Leben, S. 317 ff.; Karpfinger, Eoskreis, S. 109 ff.; Franz, Verfassungskämpfe, S. 150. 236 Lempfrid, Anfänge, S. 226 auch S. 77–97; Kapfinger, Eoskreis, S. 24–92. 237 Vgl. dazu auch Karpfinger, Eoskreis, S. 110 f. 238 Franz, Verfassungskämpfe, S. 150. 232
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bb) Die Sichtweise Genglers Eine ausführliche zeitgenössische Stellungnahme zum Konflikt zwischen Bayern und dem Hl. Stuhl bezüglich der Mischehen liegt schon aus dem Jahre 1831 von Gengler239 vor, der als katholischer Geistlicher240 in der Kammer vorgebrachte Argumente berichtigen wollte. Er beurteilt diese Verhandlung aus theologischer241 und staatsrechtlicher Sicht242 und kommt zu dem Schluß, daß die katholischen Priester unter Berücksichtigung des Kirchenrechts nicht anders handeln durften, als sie gehandelt haben. Zunächst gehöre dieser Gegenstand schon nicht vor die Deputiertenkammer.243 Aus theologischer Sichte verbiete das Wesen der Ehe in seinem Idealzustand eine Mischehe, weil man nicht zur vollständigen Lebensgemeinschaft kommen könne.244 Die Kirche könne aus Gründen der Erhaltung des gemeinsamen Glaubens eine solche Ehe nicht billigen.245 Sie habe Mischehen, entgegen manchen Ausführungen in der Kammer, immer mißbilligt, was Gengler mit verschiedenen Konzilien und Synodenbeschlüssen belegt.246 Nach gegenwärtigem kirchlichem Recht sei eine Mischehe nur dann erlaubt, wenn alle Kinder im katholischen Glauben erzogen würden. Dagegen könne man auch nicht das Tridentinische Konzil ins Feld führen, denn dieses habe nur nichts Neues bezüglich der Mischehen festgelegt. Vielmehr seien die Mischehen mit den evangelischen Glaubensgenossen als Ehen mit Häretikern anzusehen und die seien vor und auch nach dem tridentinischen Konzil verboten.247 Damit argumentierte er gegen die Behauptung mancher Abgeordneter, daß die katholische Kirche kein neues Gesetz zur Regelung der Mischehen habe.248 Aufgrund dieser Gesetze der katholischen Kirche sei die Mischehe grundsätzlich nicht erlaubt und deswegen sei es gerechtfertigt, bestimmte Bedingungen an die Eingehung einer Mischehe zu knüpfen.249 Danach hätten sich Priester und Laien zu richten, andernfalls würden sie sündigen. Der 239 Gengler, Verhandlungen der bayerischen Deputirtenkammer in der XXX., XXXI und XXXII öffentlichen Sitzung über die gegen die katholischen Geistlichen vorgebrachte Beschwerde, die Weigerung der Einsegnung gemischter Ehen betreffend. Bamberg 1831. 240 Gengler, Verhandlungen, S. 10 f. 241 Gengler, Verhandlungen, S. 10 ff. 242 Gengler, Verhandlungen, S. 36 ff. 243 Gengler, Verhandlungen, S. 10. 244 Gengler, Verhandlungen, S. 12 ff. 245 Gengler, Verhandlungen, S. 14 ff. 246 Gengler, Verhandlungen, S. 16 ff. 247 Gengler, Verhandlungen, S. 18 f. 248 Gengler, Verhandlungen, S. 22 f. 249 Gengler, Verhandlungen, S. 26 ff.
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Priester sündige, wenn er an einer Mischehe mitwirke und dies sei auch bei den Dimissorialien der Fall, weil er damit einem anderen Pfarrer erlauben würde, an seiner Stelle zu trauen.250 Auch die Ausstellung des Ledigscheins bereitete Schwierigkeiten; keine Frage des priesterlichen Gewissens stelle hingegen die Proklamation der Ehe dar. Das Regensburger Zirkular, das auch die Proklamation untersage, gehe deshalb zu weit. Es könne aber trotzdem eine gültige Mischehe auch nach katholischem Kirchenrecht eingegangen werden, wenn auf die Einsegnung der Ehe durch den katholischen Priester verzichtet werde.251 Aus staatsrechtlicher Sicht bejahte Gengler die Kompetenz der Kammer, „soferne es sich nämlich bloß um die bürgerlichen Beziehungen des an den katholischen Geistlichen gerügten Verfahrens handelt“. Er rügte, daß die Frage nach der Kompetenz der Kammer von sehr vielen Rednern mit der formellen Begründetheit der Beschwerde verwechselt worden sei. Gengler teilte aber in diesem Punkt die Auffassung von Seuffert und verwies auf dessen Ausführungen.252 Intensiver beschäftigte Gengler die Frage der materiellen Begründetheit der Beschwerde bzw. die Verfassungsverletzung durch die Verweigerungshaltung der katholischen Priester. Er teilte nicht die Auffassung, daß eine Verfassungsverletzung bestehe.253 Die Verfassung werde weder formell noch materiell durch das Verfahren der katholische Geistlichen verletzt. Vielmehr seien die staatlichen Forderungen an die Priester hinsichtlich der gemischten Ehen in den letzten Jahren strenger geworden, denn es habe Reskripte in den Jahren 1819, 1820 und 1823 gegeben, die bei Verweigerung der Proklamation und der Dimissorialien durch den katholischen Priester einfach dem evangelischen Priester die Trauung überlassen hätten. Verordnungen und Reskripte aus früherer Zeit, die generell die Proklamation und die Dimissorialien verlangten, seien aber aufgrund von Art. XVI Konkordat nicht verbindlich.254 Es werde aber auch nicht gegen die §§ 12 ff. der II Beilage zur Verfassungsurkunde verstoßen, weil das betreffende Individuum selbst entscheiden könne, ob es von der gewährten Freiheit die Konfession der Kinder betreffend Gebrauch machen wolle oder nicht. Natürlich sei für einen Katholiken der § 12 nicht anwendbar, aber er sei freiwillig Katholik und verzichte daher freiwillig auf diese ihm vom Staat gewährte Freiheit, die sich mit den Grundsätzen seiner Glaubensge250 So hatte es auch Bischof Wittmann gesehen, jedoch weitete Wittmann dies auch auf die Proklamation aus. Vgl. Wittmann, Principia, S. 22 ff. 251 Gengler, Verhandlungen, S. 33 ff. 252 Gengler, Verhandlungen, S. 36 ff. 253 Gengler, Verhandlungen, S. 37 und ff. 254 Gengler, Verhandlungen, S. 44 f.
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meinschaft nicht vertrügen. Damit nehme die katholische Kirche nur die ihren Mitgliedern gewährte Freiheit in Anspruch.255 Gengler sieht auch keine Vernachlässigung der Pflichten durch den katholischen Priester im Amt des Zivilstandsbeamten, wenn er die Ehe ohne das besagte Versprechen der katholischen Kindererziehung nicht einsegne bzw. auch keine Dimissorialien ausstelle, da die Ehe jedenfalls durch den evangelischen Priester geschlossen werden könne, zumindest solange dieser sich nicht weigere, oder aber zumindest vom Pfarrer die reine Assistenz verlangt werden könne, um die Eheschließung bezeugen zu können. Dann sei schon die für die bürgerliche Eheschließung notwendige Form gewahrt.256 Ein Rezensent257 teilte Genglers Auffassung, daß die §§ 12 ff. Religionsedikt nicht verletzt würden, wenn die katholischen Priester von gemischtkonfessionellen Eheleuten die katholische Erziehung aller Kinder forderten, wenn diese nach katholischem Ritus getraut werden wollten. Die von Gengler gewählte Interpretation, daß die durch das Religionsedikt den Brautleuten gewährte Freiheit bei der Wahl der Konfession ihrer Kinder durch die katholische Kirche wahrgenommen werde (d. h. der Katholik verzichte freiwillig auf diese Freiheit, weil er Katholik sein wolle), gehe allerdings von einer falschen Prämisse aus. Der Staat habe bei Erlaß des Religionsedikt nicht nur an den Staatsbürger gedacht, der sich irgendwann einer Konfession anschließe und dann auf bestimmte ihm zukommende Rechte verzichte, sondern bei der Konzeption des Ediktes sei man von konfessionsgebunden Staatsbürgern ausgegangen und habe sich in diesem Wissen um die Haltung der katholischen Kirche zu den gemischten Ehen für diese Regelung entschlossen. Der Staat habe sich damit bewußt gegen die Auffassung der katholischen Kirche entschieden. Der Priester, der eine Ehe jedoch nur trauen wolle, wenn alle Kinder katholisch erzogen würde, erkenne folglich diesen Teil des Religionsediktes seinerseits nicht an. cc) Die Sichtweise Strodls Auch in der Schrift „Das Recht der Kirche und die Staatsgewalt in Bayern seit dem Abschluß des Concordates“, die zwanzig Jahre nach den geschilderten Verhandlungen anonym erschien,258 und Michael A. Strodl zugeschrieben wird,259 werden ausführlich die Ereignisse zur Mischehenpraxis in den zwanziger und dreißiger Jahren kommentiert, die sicherlich ihren 255 256 257 258 259
Gengler, Verhandlungen, S. 46 ff. Gengler, Verhandlungen, S. 59 ff. Anonymus, Lipperts Annalen, 1832, 3, S. 140 ff. (145–149). Schaffhausen 1852. So viele Bibliographien und Datenbanken.
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III. Bayern im Vormärz
Höhepunkt in den Verhandlungen vor der Kammer der Abgeordneten bis zur endgültigen Klärung im Jahre 1834 in Bayern erlebt haben. Die politische Bedeutung des Mischehenstreits lag im Kampf der Staates gegen die wiedererstarkende Kirche oder wie Strodl es ausdrückte: der Mischehestreit zeigte, „wie die Staatsgewalt alles aufbot, um dem Geiste des Staatskirchentums die Herrschaft zu sichern, anderseits aber ebenso das starke Ringen der Kirche sich seiner zu entledigen und ihrem Rechte und ihrer Freiheit die Anerkennung zu verschaffen“.260 Strodl kritisierte unter den Gegnern der Verweigerung der pfarramtlichen Handlungen bzw. der katholische Kirche vor allem Rabel und Eberz wegen ihrer „Seichtigkeit und Unwissenheit“, die Ausführungen des evangelischen Priesters Kapp hält er für „aberwitzig“ und Seuffert, Rudhart und Willich bezichtigt er der „liberalen Gründlichkeit“ und „der Rabulisterei“.261 Unter den Beiträgen, die die katholische Kirche stärkten, hob er jene von Mätzler, Wörndle, Seinsheim und besonders von Weinzierl hervor, weil sie „mit niederwerfenden Gründen die Einwürfe und das Sophismengewebe der Gegner zerrissen“.262 Strodl behauptete vielmehr, daß nicht durch die Verweigerung der pfarramtlichen Handlungen bei einer Mischehenschließung, sondern durch die Verordnungen der Regierung263 und insbesondere auch durch den Kammerbeschluß, der kein „Akt der Gerechtigkeit, sondern ein Akt der Revolution war“, die Verfassung verletzt werde.264 Indem die katholischen Pfarrer das Versprechen der katholischen Kindererziehung von den gemischtkonfessionellen Paaren verlangten, nähmen sie nur die von dem Religionsedikt gewährte Freiheit in Anspruch, den einzelnen auf seine Pflicht hinzuweisen.265 Die Eheschließung sei auch ein rein geistlicher Gegenstand, wie es sich aus dem Konkordat und der II. Beilage zur Verfassungsurkunde ergebe. Der Staat knüpfe nur an die gültige kirchliche Eheschließung die bürgerliche Gültigkeit der Ehe. Durch diese Verknüpfung werde aber der Priester nicht partiell auch zum Zivilstandsbeamten, sondern die Trauung erfolge mit allen Vorbereitungshandlungen nach katholischem Recht, Canon 12 sess. 24.266 Deswegen sei den katholischen Pfarrern auch die Mitwirkung durch Vornahme der Proklamation bzw. Ausstellung der Dimissorialien nicht möglich, wenn die Trauung durch einen evangelischen Pfarrer ausgeführt werde. Den Vorwurf, die restriktive Handhabung der gemischten Eheschlie260 261 262 263 264 265 266
Strodl, Strodl, Strodl, Strodl, Strodl, Strodl, Strodl,
Recht Recht Recht Recht Recht Recht Recht
der der der der der der der
Kirche, Kirche, Kirche, Kirche, Kirche, Kirche, Kirche,
Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp. Sp.
219. 236. 237. 251. 251 ff., 255. 240, 246. 239, 248 f.
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ßungen und die sonst bestehenden Gewissensnöte, seien insbesondere durch ein nicht durch den bayerischen Staat anerkanntes Schreiben des apostolischen Nuntius in Bayern vom 28. März 1819,267 hervorgerufen worden, wies Strodl zurück, da das Breve kein neues Recht nach Bayern gebracht habe, das des Placet des Königs bedurft hätte, sondern nur altes Recht der Kirche wegen der beständigen Übergriffe des Staates den Katholiken wieder ins Gedächtnis rufen wollte.268 dd) Weitere Schriften Die Landtagsverhandlungen von 1831 zur Lösung des Mischehenkonfliktes waren auch immer wieder Gegenstand weiterer zeitgenössischer Literatur. Noch im Jahre 1831 war eine Schrift in Würzburg „Curiosa in den Verhandlungen der bayerischen Deputirtenkammer vom Jahre 1831269 über gemischte Ehen“ erschienen. Diese sechzehnseitige Abhandlung ist keine ernstzunehmende Kritik, sondern ironische, polemisierende Ausführungen zu diesen Ereignissen. Der noch harmlose Anfang dieser Ausführungen vergleicht die Verhandlungen in der Kammer mit einer Pastoralkonferenz. Anders steht es mit einer Schrift von Lorenz Wolf, ebenfalls 1831 in Würzburg270 erschienen, die die Handlung der katholischen Priester zu verteidigen versuchte. Lorenz hatte seine Meinung dazu noch vor Kammerbeschluß verfaßt.271 Die katholische Geistlichkeit sei dazu verpflichtet, so viele Mischehen zu verhindern wie möglich. Dies ergebe sich aus dem Umstand, daß Christus nur eine Kirche gestiftet habe und es deswegen nur eine wahre Religion gebe und dies sei die katholische. Mischehen stünden der „innigsten Vereinigung“, die das Sinnbild der Ehe sei, entgegen, gefährdeten den katholischen Ehegatten in seinem Glauben und seien nachteilig für die Kindererziehung.272 Könne eine gemischte Ehe nicht verhindert werden, so müßten zumindest alle Kinder im katholischen Glauben erzogen werden. Der katholische Elternteil versündige sich aber, wenn er „für die Seinigen 267
Vgl. Text bei Roskovány, De matrimoniis mixtis, Bd II, S. 148 Nr. 128. Strodl, Recht der Kirche, Sp. 238, 252. 269 Teilweise findet man in den Bibliotheksdatenbanken die Titeljahreszahl von 1834. Dabei muß es sich um einen Fehler handeln. 270 „Kurzgefaßte Rechtfertigung der katholischen Geistlichkeit im Königreiche Bayern in ihrer Forderung, daß alle Kinder aus gemischten Ehen katholisch erzogen werden.“ 28 Seiten. 271 Wolf, Rechtfertigung, Vorwort, S. 3. Wolf gab dort zur Vertiefung zur Frage der Behandlung der Mischehen durch die katholischen Priester folgende Zeitschriften an: „Der Katholik“; „Der Religions- und Kirchenfreund“, Dr. Benkert in: „Athanasia“ Heft XVI auch Bd. III Heft I sowie Dr. Müllers Lexikon des Kirchenrechts, Würzburg 1830 Bd. II Art. „gemischte Ehen“. 272 Wolf, Rechtfertigung, S. 5–7. 268
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und besonders für seine Hausgenossen nicht sorgt, hat den Glauben verläugnet, und ist ärger als ein Heide.“273 Wird aber das Versprechen, alle Kinder katholisch zu erziehen nicht abgegeben, dann müsse auch die katholische Trauung verweigert werden, denn jeder Katholik sei solange er katholisch ist und bleiben möchte, an die Satzungen der katholischen Kirche gebunden. Diese von Lorenz vorgebrachte Verteidigung der katholischen Priester war auch Inhalt vieler Denkschriften der bayerischen Ordinariate. Sie sind in einer Schrift aus dem Jahr 1833 abgedruckt.274 Der anonyme Autor der Schrift bespricht nochmals die wesentlichen Punkte der Verhandlungen von 1831 über die Mischehen und verteidigt die Haltung der katholischen Kirche. Im Bezug auf das Argument, es bestehe kein Kirchengesetz, das die Mischehenpraxis der katholischen Kirche verteidige, führte er das allgemeine „Moral-Prinzip“ an, das verböte, „das hohe Unterpfand seines Glaubens und seiner religiösen Ueberzeugung aus zeitlichen Rücksichten oder aus Connivenz gleichgültig aufzuopfern“.275 Der Autor sieht auch in der „Trennung des bürgerlichen Ehe-Kontrakts vom kirchlichen Sakramente“ die endgültige Möglichkeit, den Konflikt zu beheben, wenn es auch für ihn nur der Notanker ist, da ansonsten die Ehe nur zum „Fortpflanzungs-Institut“ herabgewürdigt würde.276 Interessant an dieser Schrift ist, daß auch ein kirchentreuer Autor in der Zivilehe den letzten Ausweg zur Verteidigung kirchlicher Positionen sieht. l) Zusammenfassung und Wertung In der Regierungszeit Ludwig I. erging eine erhebliche Anzahl von Verfügungen zu interkonfessionellen Ehen, weil die katholische Kirche in diesem Punkt ihre Vorstellungen durchsetzen wollte und es deshalb immer häufiger zu Trauungsverweigerungen kam, wenn die Ehegatten nicht die katholische Erziehung ihrer Kinder gelobten. Die wieder erstarkte Kirche versuchte auf diese Weise gegen den als kirchenfreundlich eingeschätzten Ludwig I. ihre Vorstellungen von der Rang273
Wolf, Rechtfertigung, S. 7 f. Anonymus, Lipperts Annalen, 4, 1833, S. 24 ff. Denkschrift des Erzbistums München vom 3. Juni 1831, vgl. dort Blge I S. 24–28; Denkschrift des Erzbistum Bamberg, vom 1. August 1831, vgl. dort Blge, S. 29–34; Denkschrift des Bistums Regensburg vom 7. Juni 1831, Blge III S. 35–39; Denkschrift des Bistums Passau, vom 2. August 1831, vgl. dort Blge IV, S. 39–46; Denkschrift des Bistums Eichstätt vom 18. August 1831, vgl. dort Blge V, S. 47–53; Denkschrift des Bistums Augsburg vom 9. September, vgl. dort Blge VI, S. 54–59. 275 Anonymus, Lipperts Annalen, 4, 1833, S. 16. 276 Anonymus, Lipperts Annalen, 4, 1833, S. 22 f. 274
2. „Entschließungen‘‘ zum interkonfessionellen Eherecht
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folge zwischen Verfassung/Religionsedikt und Konkordat durchzusetzen. Die Mischehenfrage war demnach ein Politikum, denn zahlenmäßig waren diese Fälle sehr selten. In den meisten Gebieten Bayerns war nur eine von hundert Ehen eine Mischehe. Das Vorgehen des Hl. Stuhls war auch nicht auf Bayern beschränkt. In anderen Teilen Deutschlands änderten die Bischöfe und Priester ebenfalls ihren Umgang mit gemischtkonfessionellen Brautleuten und es kam deshalb zu massiven Konflikten zwischen Staat und Kirche, etwa den „Kölner Wirren“. Ludwig I. war in den ersten drei Jahren seiner Regierungszeit zunächst genau darauf bedacht, die seit 1802 geltende staatliche Position in Mischehefragen gegen den wachsenden Widerstand der Kirche aufrechtzuerhalten, wie eine ganze Anzahl von Reskripten aus den Jahren 1826–28 zeigt. Dann öffnete er sich jedoch plötzlich kirchlichen Vorstellungen und vollzog im April 1829 eine Kehrtwende in der staatlichen Mischehepraxis. Bereits im Juni 1830 kehrte Ludwig I. jedoch wieder zur alten Praxis zurück. Die Ursache für die erneute Kehrtwende lag im Einfluß liberaler Kräfte in Bayern und ist vermutlich auch unter dem Eindruck revolutionärer Strömungen in Frankreich, wo 1830 eine Revolution stattfand, erfolgt. In Bayern waren viele Mischehefälle vermutlich nicht durch staatliche Weisungen an einzelne Priester, die sich nicht an die staatlichen Gesetze hielten, sondern dadurch gelöst worden, daß sich schließlich doch noch eine Möglichkeit zur Eheschließung im katholischen Ritus durch einen anderen gesetzestreuen Priester fand, so daß der Fall zu den Akten gelegt werden konnte. Das änderte sich, als der protestantische Freiherr Thon-Dittmer aus Regensburg eine Katholikin heiraten wollte und ihm die Trauung vom zuständigen Priester verweigert wurde. Zwar erfolgte auch hier eine Eheschließung vor einem anderen Priester, aber der politisch aktive ThonDittmer, er war später bayerischer Innenminister, ließ die Sache genauso wenig auf sich beruhen, wie der zuständige Priester Weinzierl, ebenfalls politisch aktiv und Mitglied des Landtages von 1831. Der Fall Thon-Dittmer wurde umfassend auf dem Landtag von 1831 diskutiert. Der erstarkten Kirche stand nach der französischen Revolution von 1830 ein starkes liberales Potential entgegen. Auf dem bayerischen Landtag von 1831 waren sehr viele liberale Abgeordnete vertreten. Der Streit die Behandlung von Mischehen auf diesem Landtag führte in Bayern zu einer der ersten Auseinandersetzungen zwischen konservativen und liberalen Kräften, zwischen denen in der Folge auch der spätere Streit über die Einführung der Zivilehe in Bayern ausgetragen werden wird.277 Die beiden Kammern beantragten bei der bayerischen Landesregierung schließlich, daß katholische Priester zur Vornahme der Proklamation und 277
Coing, Privatrecht, Bd II, S. 304 und unten Kap. IV.
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III. Bayern im Vormärz
der Entlassung sowie auch zur passiven Assistenz bei gemischten Ehen durch Anwendung aller zulässigen Zwangsmittel, notfalls auch der Temporaliensperre, angehalten werden mögen. Einzelne Redner hatten darüber hinaus sogar darauf hingewiesen, daß auch die Einführung der Zivilehe in Bayern denkbar sei, wenn der Konflikt mit der Kirche nicht auf anderem Wege beigelegt werden könne. Die unterlegenen konservativen Kräfte hatten sich hingegen gegen jede Ausübung von Druck auf katholische Priester verwahrt. Dem König fiel die Rolle zu, zwischen den konservativen und liberalen Positionen zu vermitteln, um den inneren Frieden im Staat zu erhalten. Er ging auf den Antrag der Kammern nicht ein, erklärte aber im Landtagsabschied gleichzeitig, es sei sein ernstlicher Wille, daß bei der Eingehung gemischter Ehen die bestehenden staatlichen Gesetze mit Nachdruck gehandhabt würden. Damit verlangte der König den Priestern die Handlungen ab, die von der überwiegenden Auffassung des Landtags als zivilrechtliche Akte bezeichnet worden waren. Dieses Ziel suchte er jedoch nicht durch staatlichen Druck auf die einzelnen Priester, sondern in Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl zu erreichen. Damit wollte er liberalen wie konservativen Kreisen entgegenkommen. Die Verhandlungen Bayerns mit den Hl. Stuhl zogen sich jedoch in die Länge, so daß der Landtag von 1834 mit überwältigender Mehrheit die Vollziehung des Antrags von 1831 einforderte. Im September 1834 wies Pius VII. schließlich nach eindringlicher und untertäniger Bitte des Königs die bayerischen Bischöfe an, bei der Behandlung gemischter Ehen wieder zu dissimulieren. Damit kehrte die Kirche zu der in den Jahren vor der Auseinandersetzung geübten Praxis zurück, ohne sich freilich in irgendeiner Weise, etwa durch einen entsprechenden Rechtsakt bindend darauf festzulegen. Ähnliches war einige Monate zuvor in anderen Teilen Deutschlands erfolgt, wo ebenfalls Auseinandersetzungen um die Behandlung von Mischehen stattgefunden hatten. Das päpstliche Breve „Summo jugiter studio“, das jegliche Mitwirkung eines Priesters bei der Trauung einer gemischten Ehe, also selbst die Ausstellung von Entlaß- und Ledigscheinen, vom Versprechen der katholischen Kindererziehung abhängig machte, wurde nicht aufgehoben und hätte die Kirche ihre Mischehenpraxis unter Berufung auf dieses Breve jederzeit wieder ändern können. Eine dauerhafte Lösung des Konflikts wurde also nicht erreicht, weil von bayerischer Seite ebenfalls auf allen Positionen beharrt worden war. Bayerische Entschließungen aus den Folgejahren zeigen, daß Mischehen wieder nach der seit 1802 gängigen Praxis behandelt wurden. Die Machtprobe zwischen konservativen und liberalen Kräften hatte im Bereich des Eherechts also letztlich für keine der beiden Seiten einen Ge-
3. Revision des Gesetzes zur Ansässigmachung und Verehelichung
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winn gebracht. Insgesamt dürfte sich das Klima in Bayern jedoch zugunsten konservativerer Strömungen verändert haben, wie beispielsweise der eherechtliche Abschnitt im Entwurf zu einem bayerischen Zivilgesetzbuch von 1834 erahnen läßt (dazu gleich unten III. 4.).278
3. Die Revision des Gesetzes zur Ansässigmachung und Verehelichung von 1825 im Jahre 1834 1834 wurde das Gesetz vom 11. September 1825 über Ansässigmachung und Verehelichung 279 einer Revision unterzogen. Am 1. Juli 1834 traten die Gesetzesänderungen in Kraft.280 Diese Revision des Ansässigmachungs- und Verehelichungsrechts ging auf vehemente Beschwerden der Gemeinden und der Gewerbemeister zurück.281 Man hatte wohl in den Anfangsjahren das neue Ansässigmachungsund Verehelichungsrecht von 1825 großzügiger gehandhabt, so daß es zu mehr Ansässigmachungen, Niederlassungen und Verehelichungen geführt hatte282 und überall gab es deshalb zahlreiche Familien, die mangels ordentlichen Nahrungsstandes den Gemeinden zur Last fielen.283 Dieser Umstand hatte den Wunsch nach einer Gesetzesänderung hervorgerufen.284 a) Die inhaltlichen Veränderungen Verändert wurden hauptsächlich die Voraussetzungen für den Erwerb eines Ansässigkeitstitels und damit indirekt auch die Voraussetzungen für die Verehelichungsbewilligung, die von einem solchen Titel abhing.285 § 2 des Gesetzes hatte u. a. die Bewertung des nachzuweisenden Grundeigentums nach gesetzlichem Steuerminimum deutlich verschärft, die in Landgemeinden etwas niedriger angesetzt wurden als in Gemeinden mit magistratischer Verfassung. Außerdem wurde für die Erteilung des Ansässigkeitstitels und dem hierfür nachzuweisenden Steuersimplum für Grundstücke zwischen Gemeindebürgern und Gemeindefremden unterschieden, die ein deutlich höheres Steuersimplum nachweisen mußten als die Gemeindebürger. Gleiches 278
Vgl. zu dieser Entwicklung auch Golo Mann, Ludwig I., S. 111 ff. Dazu oben Kap. II. 7. 280 Gbl. Bayern 1834, Sp. 133–146 (145 f.). 281 Faber, Verehelichungsrecht, S. 15 f. 282 Faber, Verehelichungsrecht, S. 15 f.; vgl. Hagen, VKAKB 1834, Blgenbd 6, S. 231 f. (Blge LXIV). 283 VKRKB 1834, Bd 1, Prot. 10, S. 120. 284 VKRKB 1834, Bd 1, Prot. 10, S. 120. 285 Gbl. Bayern 1834, Sp. 133 ff. (134). 279
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III. Bayern im Vormärz
galt für Angehörige auswärtiger Staaten, außer es bestanden spezielle Verträge diesbezüglich.286 Der Erwerb des Ansässigkeitstitels trat nicht einfach kraft Gesetzes mit der obrigkeitlichen Zuschreibung eines Grundeigentums, mit der Konzession zum Gewerbe oder mit dem Eintritt in das Amt ein, sondern man erhielt ihn nur noch,287 wenn man die Anstellungsurkunde oder die Konzessionsurkunde erwarb.288 Alle übrigen Arten der Ansässigmachung setzten einen in Rechtskraft erwachsenden Beschluß über das Vorhandensein der allgemeinen und besonderen Bedingungen (§§ 1 und 2 RGAV) voraus.289 Außerdem betrachtete man Übersiedlungen schon ansässiger Bürger wieder als neue Ansässigmachung, wenn mit ihrer Ortsveränderung eine Veränderung ihrer Heimat verbunden war. Auch Einwanderungen aus dem Ausland wurden im Gegensatz zu dem Gesetz von 1825, selbst wenn sie mit der notwendigen Bewilligung geschahen, erschwert, indem sich die betreffenden Personen ihren Ansässigkeitstitel erst nach § 2 des Gesetzes erwerben mußten.290 Außerdem wurden auch die Regelungen über das Verfahren und die Zuständigkeiten zugunsten der Gemeinden verändert, § 9 RGAV.291 Den Gemeinden kam bei dem Nachweis eines Grundstücks, eines Gewerbes bzw. einer persönlichen Gewerbekonzession das Recht der Erinnerung zu.292 Ging es aber um den Nachweis des gesicherten Nahrungsstandes auf sonstige Weise, so hatte sie ein „absolut hinderndes Widerspruchsrecht“. Davon bestanden zwei Ausnahmen, wenn es sich „um die Niederlassung auf ein gegenwärtiges schon bestehendes häusliches Anwesen oder um die Nachweisung eines Titels der Ansässigmachung Behufs der Verehelichung 286
Gbl. Bayern 1834, Sp. 135 f. Gbl. Bayern 1825, Sp. 117. 288 Gbl. Bayern 1834, Sp. 140. 289 Gbl. Bayern 1834, Sp. 140 Im Gesetz von 1825 lautete § 5: „Mit der obrigkeitlichen Zuschreibung des Grundeigentums – mit der Conceßion zum Gewerbe, sobald sie in Berufungsfällen bestätigt ist, – mit dem Eintritt in das Amt (alles dieses nach Maßgabe des § 2 Nr. 1. 2. und des § 4) ist das Recht der Ansässigmachung und Niederlassung in der betreffenden Gemeinde Kraft des Gesetzes gegeben.“ Der neue § 5 von 1834 lautete hingegen: „Die Ansäßigkeit wird bey definitivem Eintritte in ein öffentliches Amt des Staates, der Kirche, oder der Gemeinde, durch die Anstellungs-Urkunde, und bey persönlichen Gewerbs-Concessionen durch die im Berufungsfalle bestätigte Concessions-Urkunde erworben. Alle übrigen Arten von Ansäßigmachung setzen einen in Rechtskraft erwachsenen Beschluß über das Vorhandenseyn der allgemeinen und besonderen Vorbedingungen (§§ 1 und 2) voraus.“ 290 Gbl. Bayern 1834, Sp. 140 f. 291 Gbl. Bayern 1834, Sp. 143 ff. § 9. 292 Gbl. Bayern 1834, Sp. 143 § 9 a. 287
3. Revision des Gesetzes zur Ansässigmachung und Verehelichung
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eines noch nicht definitiv angestellten Dieners des Staates, der Kirche oder Gemeinde handelt“.293 b) Die Beurteilung der Revision Mit dieser Revision hatte man die größeren Freiheiten bei Ansässigmachung und Verehelichung, die durch das Gesetz von 1825 erreicht worden waren, wieder eingeschränkt. Man verfolgte zwar immer noch das gleiche Ziel, die Armut im Staat zu reduzieren. Allerdings waren vor allem die Gemeinden zu der Auffassung gelangt, daß die größere Freiheit diesen Zustand nicht verbessern könne, vor allem seien die unehelichen Geburten nicht zurückgegangen.294 Diese Gesetzesänderung wurde sowohl von der Kammer der Reichsräte als auch von der Kammer der Abgeordneten im wesentlichen unterstützt. Eine Minderheit der Kammer der Abgeordneten wies jedoch daraufhin,295 daß Mißstände auch behoben hätten werden können, indem die Regierung einfach auf einen strengeren Vollzug des Gesetzes von 1825 gedrungen hätte.296 Einer der Hauptkritikpunkte an der Revision, der von Befürwortern und Gegnern angebracht wurde, war die zu starke Erhöhung des Steuerminimums für den Erwerb des Ansässigkeitstitels.297 Man könne wegen dieser Verschärfungen bei dieser Revision auch von einem „Entvölkerungsgesetz“ sprechen.298 Während einige Redner die Mittel zur Senkung der armen Bevölkerung in Frage stellten,299 hielten andere sie für notwendig und geeignet, vor allem um die Zahl der unehelichen Kinder zu reduzieren,300 die man wegen der sittlichen Verdorbenheit der Bevölkerung bislang nicht in den Griff bekomme.301 Aus diesem Grund hielt man die Erleichterungen des Gesetzes von 1825 für das falsche Mittel, versuchte dem Verfall der Sitten mit mehr Strenge zu begegnen und schlug deswegen auch andere Mittel vor, wie die Abschaffung der Paternitätsklage, Fürsorge für das Neu293
Gbl. Bayern 1834, Sp. 143 § 9 a. VKRBR 1834, Bd 1, Prot. 10, S. 134. 295 VKAKB 1834, Bd 11, Prot. L. 296 Z. B. Korb, VKABK 1834, Bd 11, Prot. L. S. 276 ff. (276, 284 f.); so auch Mutz, ebd., S. 290 f.; Schwindel, ebd. S. 291. 297 Korb VKAKB 1834, Bd 11, Prot. L, S. 276 ff. (278, 284 f.), so auch Mutz, ebd., S. 290 f.; Schwindel, ebd. S. 291, Drechsler, VKABK 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 299 ff., Frhr. V. Fraunhofer, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 311 ff.; Rudhart, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 368; Vetterlein, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 375 f. 298 Korb, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. L, S. 276 ff. (278, 284 f.). 299 Vetterlein, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 375 f. 300 Anns, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 303 ff. 301 VKRKB 1834, Bd 1, Prot. 10 S. 134. 294
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geborene und angemessene Bestrafung der Mutter in Polizei- und Arbeitsanstalten.302 Es ging jedoch weniger um den moralischen Aspekt, als die Angst vor der Zunahme armer unterstützungswürdiger Bevölkerung.303 Zum Teil fürchtete man sich vor armer und damit unkontrollierbarer, unzufriedener Bevölkerung und glaubte, beeindruckt durch die politischen Ereignisse in Frankreich im Juli 1830, durch die völlige Freigabe von Ansässigmachung und Verehelichung würde der „Geist der Revolution, der Widerspenstigkeit des Raubes und des Mordes überhand nehmen“.304 Der Minister des Innern Fürst v. Oettingen-Wallerstein verteidigte das Gesetz, es habe nur verwirklicht, was allgemein gefordert werde. Mehr Mitsprache der Gemeinden, die Unterscheidung der Land- von den Stadtgemeinden etc. Das Gesetz sollte aus seiner Sicht den Mittelstand retten und stärken und die „Vermehrung der besitz- und eigenthumslosen Massen“ vorbeugen, damit man nicht demnächst in Bayern eine Revolution habe, die die Monarchie in eine Republik verwandele.305 Eine besondere Bedeutung kam auch den Modifikationen des § 9 RGAV, Zuständigkeiten und Verfahren, zu, die entsprechend den Ausführungen des Staatsministers als „Seele des Gesetzes“ bezeichnet wurden.306 Man hatte den Gemeinden wieder ein Mitspracherecht, in Form eines letztinstanzlichen Vetos, eingeräumt.307 Wurde also weder das Steuersimplum noch eine persönliche Gewerbskonzession oder eine endgültige Anstellung bei einer Staatsbehörde nachgewiesen, so kam der Gemeinde eine absolute endgültige Entscheidung über die Ansässigmachung zu. Diesen erneut308 starken Einfluß der Gemeinden hielt man nicht für unproblematisch. Zum Teil fürchtete man das demokratische Element bei der gemeindlichen Entscheidung,309 das nicht dem Magistrat oder einer sonstigen gemeindlichen Obrigkeit zukam, sondern durch einen die Gemeindebevollmächtigten oder durch die Gemeinde repräsentierenden Ausschuß gefällt wurde. Deswegen seien die Gemeinden, als kleine Republiken, durch das monarchische Prinzip besonders wachsam von Oben zu überwachen. Andere wollten das absolute Veto deswegen einschränken, weil es unter den Gemeinden 302
VKRKB 1834, Bd 1, Prot. 10 S. 134 f. Graf v. Seinsheim, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 308; Volkert, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 402 ff. 304 Graf v. Seinsheim, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI S. 396 f., ähnlich auch Frhr. v. Fraunhofer, VKAKB 1834, Bd 11, Prot. LI, S. 311 ff. 305 Oettingen-Wallerstein, VKAKB 1834, Bd 11, S. 316 ff. (320, 321, 332). 306 Vgl. Rudhart, VKAKB 1834, Bd 12, Prot. LII, S. 79 Vgl. Auch die Ausführungen des Staatsministers des Innern Fürst v. Oettingen-Wallerstein, ebd. S. 91. 307 Gbl. Bayern 1834 Sp. 143 § 9. 308 Wie in der Zeit vor dem Gesetz von 1825. 309 Vgl. Rudhart, VKAKB 1834, Bd 12, Prot. LII, S. 80. 303
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zum Zankapfel werden könne, indem sie sich die armen Staatsbürger unterzuschieben versuchten, das heißt die Stadtgemeinden werden sie wegen der milderen Anforderungen an die Landgemeinden verweisen, und diese wiederum werden sie auch von sich wegweisen.310 Wieder andere stimmten „mit Vergnügen“ diesem Vetorecht zu, weil die Gemeinden als Nächste am Geschehen am besten beurteilen könnten, ob der Betreffende in dem besonderen Ausnahmefall für seinen Unterhalt ausreichend sorgen könne.311 Der Staatsminister des Innern verteidigte die „Seele des Gesetzes“. Damit werde der Zweck verfolgt, „das bisher bestandene Uebel an der Wurzel zu ergreifen“. Es gehe vor allem um die Beschwerden wegen der Ansässigmachungen aufgrund „Lohnerwerbes und des sonst gesichert scheinenden Nahrungstandes“. Dieses Kriterium habe für die Ansässigmachung „Tür und Tor geöffnet“.312 In der LIV. Kammersitzung wurde ein Kompromiß erreicht: ein absolutes Widerspruchsrecht sollte nur für die Nahrungssicherung durch Lohnerwerb gegeben sein, „wenn es sich nicht um die Niederlassung auf ein gegenwärtig schon bestehendes häusliches Anwesen, oder um die Nachweisung eines Titels der Ansässigmachung Behufs der Verehelichung eines noch nicht definitiv angestellten Dieners des Staates, der Kirche, oder Gemeinde handelt“.313 Trotzdem hatte man sich von der Freigabe der Eheschließung wieder entfernt und versuchte die Ansässigmachung und Verehelichung der Bevölkerung wieder stärker zu kontrollieren, in der Hoffnung dadurch die Vermehrung armer und unterstützungsberechtigter Bevölkerung zu verhindern. Der liberale Charakter des Gesetzes von 1825 ging damit verloren. „Willkür, Chikane und Böswilligkeit [der Gemeinden war] Thür und Thor geöffnet.“314 Diese Ansässigmachungs- und Verehelichungsgesetze waren nicht in der Weise abschließend, daß auch die Verehelichung von Staatsbeamten ausschließlich nach diesen Vorschriften beurteilt wurde. Für die königlichen Staatsdiener erging am 2. Februar 1845 eine Verordnung,315 die Präzisionen zum § 8 Ziff. 3 des revidierten Ansässigmachungs- und Verehelichungsgesetzes vom 1. Juli 1834 enthält. Jeder unmittelbar im Staatsdienst Angestellte, unterschiedslos, ob provisorisch oder definitiv, bedurfte einer 310 311 312 313 314 315
Vgl. Vetterlein, VKAKB 1834, Bd 12, Prot. LII, S. 85 f. Vgl. Graf v. Seinsheim, VKAKB 1834, Bd 12, Prot. LII, S. 86 f. In: VKAKB 1834, Bd 12, Prot. LII, S. 91. Gbl. Bayern 1834, Sp. 143 f. § 9 a) a, b. Faber, Verehelichungsrecht, S. 19. Gbl. Bayern 1845, S. 97 ff.
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III. Bayern im Vormärz
dienstlichen Bewilligung seiner Eheschließung. Provisorisch angestellte Staatsdiener rechts des Rheins bedurften zusätzlich der Ansässigmachungsbewilligung gemäß § 8 Ziff. 3 RGAV, Art. 1 der Verordnung. Ohne eine solche Bewilligung war dem Staatsdiener die Eheschließung untersagt, Art. 2. Je nach Rang der Beamten war zum Teil für die Bewilligung der Eheschließung sogar der König zuständig, Art. 3, 4. Für die Bewilligung war der zukünftige Ehepartner zu nennen. Bei provisorisch angestellten Staatsdienern mußte auch die rechtmäßige Ansässigmachung des Ehepartners und der gesicherte Nahrungsstand nachgewiesen werden. Für das Militär galten weiterhin Sonderregeln, Art. 7. Mit dieser Verordnung wurden alle früheren Regelungen die Formation, den Wirkungskreis und den Geschäftsgang betreffend und die Bestimmungen für Staatsdiener aus früheren Verordnungen, soweit sie der aktuellen widersprachen, außer Kraft gesetzt, Art. 8.
4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts a) Der Entwurf von 1826 Auch in der Regierungszeit Ludwig I. wurde das Projekt einer einheitlichen bayerischen Zivilgesetzgebung weiter verfolgt.316 Ein entsprechender Auftrag zur Rechtsvereinheitlichung war in beiden bayerischen Verfassungen niedergelegt.317 Gönner erhielt am 27. August 1826 den Auftrag für die Erarbeitung eines Entwurfs für ein bayerisches Zivilgesetzbuch318 für das gesamte Territorium, das heißt vor allem auch für den Rheinkreis oder die spätere bayerische Pfalz, also die linksrheinischen Gebiete, die Bayern 1816 erworben hatte. Bayern hatte nie die Absicht, im Rheinkreis den Codex Maximilianeus einzuführen. Man hatte in Bayern grundsätzlich eine Rechtsvereinheitlichung bezogen auf das linksrheinische Gebiet nur im Sinne eines neuen allgemeinen Zivilgesetzbuchs verstanden. Allerdings blieb dieser Entwurf aufgrund des Todes von Gönners im Jahre 1827 unvollendet.319 Das Ehe316 Zu den gescheiterten Versuchen einer Neukodifikation unter Max I. Joseph siehe oben, Kap. II. 5. 317 Beide Verfassungen, also von 1808 (Teil I § 7, Regbl. 1808, Sp. 988) und von 1818 (§ 7 des VIII. Titels, Gbl. Bayern 1818, Sp. 135) hatten einen Gesetzgebungsauftrag im Zivil- und Strafrecht für das gesamte Königreich formuliert. 318 Vgl. HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1475 Fn. 25 m. w.N.; s. auch Mussinan, Bayerns Gesetzgebung, S. 196.
4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts
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recht hatte Gönner bereits fertiggestellt. Leider konnte das Manuskript nicht aufgefunden werden,320 so daß dieser Entwurf hier nicht berücksichtigt werden kann. b) Der Entwurf von 1834 1832 wurde auf das Drängen der Ständeversammlung ein neuer Kodifikationsauftrag an Ludwig Karl von Leonrod erteilt.321 Am 15. Oktober 1834 legte er einen Entwurf vor. aa) Inhalt des Entwurfs von 1834 Der Entwurf Leonrod (BE IV) regelt im ersten Teil, dritter Titel, im Rahmen der Personenrechte das Eherecht. Unter dem zweiten Titel „Von der Beurkundung des bürgerlichen Standes“ regelt dieser Entwurf das Zivilstandsrecht. Als Vorbild diente das französische Recht. Leonrod bemerkte hierzu: „Ein neues Zivilgesetzbuch kann diese Materie nicht mit Stillschweigen übergehen, seitdem das französische Recht hierin die Bahn gebrochen hat.“322 Neben der Geburt, der Adoption und dem Tod sollte auch die Eingehung und die Aufhebung der Ehe durch einen Zivilstandsbeamten registriert werden;323 als Zivilstandsbeamten sollten die Pfarrer besonders verpflichtet werden.324 Bei der Gestaltung dieser Normen wollte Leonrod sich auf die Prinzipien beschränken.325 (1) Eheschließung Der erste Paragraph des Eherechts definiert das Eheverlöbnis als ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, das aber keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich zieht, weder zur Eheschließung, noch zur Leistung dessen, was auf den Rücktrittsfall bedungen wurde, noch zur Entschädigung, § 41 BE IV.
319
Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 159. Genauso Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 160 Fn. 78: Es gibt nur Angaben in der zeitgenössischen Literatur. 321 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1475; Mussinan, Bayerns Gesetzgebung (1835), S. 330, 364. 322 Mot. BE IV, I 2. 323 BE IV, I 2 § 32 (ff.); Mot. BE IV, I 2. 324 BE IV, I 2 § 34. 325 Mot. BE IV, I 2. 320
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Man hatte sich also nach kanonischem, bayerischem und preußischem Recht für die Aufnahme einer Verlöbnisregelung entschlossen, jedoch nicht mit den nach diesen Rechten üblichen Verpflichtungen326 und auch nicht mit einem Schadensersatzanspruch des unschuldigen Teils bei Aufhebung des Verlöbnisses, wie es das österreichische Recht geregelt hatte (§ 46 ABGB).327 Unter dem Eheverlöbnis verstand man also einfach das vorläufige Eheversprechen ohne weitere rechtliche Verpflichtungen. Dies sah man wegen der Bedeutung des Ehevertrages „bei der Wandelbarkeit des menschlichen Willens, bei dem mächtigen Einflusse veränderter Umstände, bei dem Werthe der Freiheit, bei dem Lästigen der Gebundenheit, bei der Unstatthaftigkeit der Zwangsehe, bei der Unwürdigkeit eines Geldsurrogats im Gebiete der Liebe, endlich bei der stets vorenthaltenen Freiheit“ für notwendig an, um „statt des ungültigen Ehegelöbnisses einen gültigen Ehevertrag“ abschließen zu können. „Dieser einfachen Behandlung des Gegenstandes [wurde] der Vorzug gegeben, und dadurch ein Objekt auf eine unschädliche Weise aus der neuen Gesezgebung entfernt, welches in den alten einen nicht unbedeutenden Raum eingenommen- und zuweilen Prozessen Anlaß gegeben hat.“ Hier spielt Leonrod auf die oben328 geschilderten Konflikte zwischen Staat und Kirche im Bereich der Verlöbnisgerichtsbarkeit an und möchte dieses Problem einer einfachen Lösung zuführen. „Will man aber das Ehegelöbniß für ungültig erklären, so muß man noch einen Schritt weiter gehen als das oesterreichische Recht, und nicht blos die Klage auf Erfüllung der Konventionalstrafe, sondern auch die Klage auf Entschädigung abscheiden; da es keine Zwangsehe mehr gibt, und die Conventionalstrafe selten ist, so wird gewöhnlich mit Entschädigung geklagt, diese Klage gelten lassen, hieße also, das Geschäft zur gleichen Zeit für gültig und ungültig erklären – ein Widerspruch.“329 Im Anschluß daran definiert § 42 BE IV das Wesen der Ehe als einen Vertrag, in dem sich zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen erklären, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen und sie zu erziehen und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. Mit dieser Definition knüpfte man an den § 44 ABGB an, aber auch an den Inhalt des CMBC I 6 § 1, wie es auch in den Motiven heißt.330 Über die Heiratsfähigkeit besagt § 43 BE IV, daß jedermann eine Ehe schließen kann, sofern kein gesetzliches Hindernis entgegensteht. Ausgenommen davon sind generell Wahnsinnige, Blödsinnige, Unmündige, § 44 BE IV. Mit 326 327 328 329 330
Vgl. CMBC I 6 § 2; ALR Teil II Tit. 1 Abschn. 2 §§ 75 ff. Vgl. Mot. BE IV, I 3 § 41. Vgl. oben Kap. I. 4. Mot. BE IV, I 3 § 41. Mot. BE IV, I 3 § 42.
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dieser Norm aber auch den folgenden über die notwendige Einwilligung der Eltern bzw. Vormünder (§§ 45 ff. BE IV) hatte sich Leonrod stark an den Vorschriften des ABGB, §§ 49 ff. orientiert, so daß sich die Normen fast im Wortlaut glichen. Unmündig zur Eheschließung war man bis zum Alter von 14 Jahren.331 Leonrod hatte von einer Erhöhung des Alters nach dem Vorbild des preußischen (ALR Teil II Tit. 1 Abschn. 1 § 46) oder auch französischen Rechts (CC I Tit. V Chap. 1, Art. 148) Abstand genommen, da er einen ausreichenden Schutz der Minderjährigen durch das Erfordernis einer Einwilligung des Vaters gegeben sah.332 Mit dieser Regelung entfernte er sich von der zentralen Stellung der Einwilligung der Eltern im französischen, preußischen und letztlich auch im bayerischen Recht, wo zwar der Einwilligungsmangel keine Nichtigkeit der Ehe, aber dennoch erhebliche finanzielle Nachteile zur Folge hatte.333 Minderjährige oder Volljährige, die nicht unter die ebengenannten Unmündigen fallen, aber nicht fähig sind eine Verbindlichkeit allein einzugehen, können nur mit der Einwilligung ihres ehelichen Vaters eine gültige Ehe eingehen; ist der Vater verstorben oder selbst zur Vertretung unfähig, so ist die Einwilligung des ordentlichen Vertreters und des vormundschaftlichen Gerichts zur Gültigkeit der Ehe erforderlich, § 45 BE IV. Minderjährige unehelicher Geburt bedürfen zur Gültigkeit ihrer Ehe nebst der Erklärung ihres Vormunds, der Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts, § 46 BE IV. Wird einem Minderjährigen oder Pflegbefohlenen die Einwilligung versagt und fühlen sich die Beteiligten dadurch beschwert, so haben sie das Recht, beim ordentlichen Richter um Hilfe nachzusuchen, § 47 BE IV. § 48 BE IV nennt die rechtmäßigen Gründe, die Einwilligung zur Heirat zu verweigern: Mangel am nötigen Einkommen, schlechte Sitten, ansteckende Krankheiten, dem Zweck der Ehe hinderliche Gebrechen. Was die obrigkeitlichen Heiratsbewilligungen, die Eheschließung der Angestellten, der Inländer im Ausland, der Ausländer im Inland und die Verantwortlichkeit des Trauungsbeistandes anbelangt, verweist § 49 BE IV auf das Ansässigmachungs- und Verehelichungsgesetz vom 11. September 1825 in der Fassung vom 1. Juli 1834.334 Mit dieser Regelung wurde das Eheordnungsrecht in das bürgerlich-rechtliche Eherecht integriert. Dies zeigt, daß eine Trennung von bürgerlichem und öffentlichem Eherecht nicht so leicht möglich und auch nicht sinnvoll ist. 331 332 333 334
BE IV Mot. I 3 § 44. BE IV Mot. I 3 § 44. Vgl. oben. BE IV Mot. I 3 § 49.
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III. Bayern im Vormärz
In §§ 50 bis 64 BE IV wurden die allgemein üblichen Ehehindernisse geregelt. Dabei folgte Leonrod dem Vorbild des ABGB, §§ 63, 64 und behielt auch die Ehehindernisse der Priesterweihe und des Ordensgelübdes, § 58, sowie das Verbot der Ehe zwischen Christen und Nichtchristen bei, § 59. Das Ehehindernis zwischen Christen und Nichtchristen hatte Leonrod aufrecht erhalten, da es aus staatlicher Sicht nicht erwünscht sein könne, daß solche Mischehen entstünden; darin seien sich bislang alle Gesetzgebungen einig bis auf die französische.335 Diese Regelung verstoße auch nicht gegen die Verfassungsurkunde, wie aus den Tit. IV § 9 Abs. 6 und Beilage II § 11 enthaltenen Beschränkungen hervorgehe. Den Grund für ein solches Verbot entnahm Leonrod einem österreichischen Kommentar, der sich aus der „zwischen Christen und Nichtchristen aus den Religionsbegriffen entspringenden Verschiedenheit der Gesinnungen, Sitten, Lebensweise, häuslichen Ordnung u.s.w.“ ergebe, „welche sehr nachteilige Folgen in Hinsicht auf Gewissensfreiheit, Unzertrennbarkeit der Gemeinschaft, Eintracht der Gemüther, und eine ungleichförmige, zweckwidrige Erziehung der Kinder besorgen läßt“.336 Im Unterschied zur österreichischen Gesetzgebung normierte Leonrod nach preußischem Vorbild das Ehehindernis bei gesetzlicher Verwandtschaft §§ 60 ff.337 Er fand das österreichische Gesetz zum Teil zu großzügig. Für eine gültige Eheschließung war das Aufgebot erforderlich, § 65. Die Brautleute mußten an drei aufeinanderfolgenden Sonntagen in der zuständigen Pfarrei aufgeboten werden, §§ 66 ff. Bloße Formmängel oder fehlende Wiederholungen des Aufgebots machten die Ehe nicht ungültig; nur der verkündende Pfarrer war dienstverantwortlich, § 70. Für das trennende Ehehindernis bei fehlendem Aufgebot hatte Leonrod sich im Unterschied zu vielen anderen Gesetzgebungen, wo das fehlende Aufgebot die Ehe allenfalls unerlaubt machte und dies mit Strafen sanktioniert war, nach dem österreichischen Vorbild entschieden, wo seit der Josephinischen Gesetzgebung, also dem Ehepatent von 1783, das fehlende Aufgebot zum trennenden Ehehindernis erklärt worden war.338 Diese Sanktion hielt Leonrod bei dem Aufwand des Aufgebots und seiner Bedeutung, bestehende Ehehindernisse herauszufinden, für angemessener als bloß eine Geldstrafe.339 Vom zweiten und dritten Aufgebot kann die Regierung dispensieren, § 71, bei attestierter naher Todesgefahr kann das Aufgebot von der Ortsobrigkeit ganz erlassen werden; die Verlobten müssen aber dann eidlich versichern, daß ihnen kein Ehehindernis bekannt sei, § 72. 335 336 337 338 339
BE BE BE BE BE
IV IV IV IV IV
Mot. Mot. Mot. Mot. Mot.
I I I I I
3 3 3 3 3
§ § § § §
59. 59. 62. 65–70. 65–70.
4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts
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Die Trauung der Brautleute, d.h. ihre feierliche Erklärung, sich zu Mann und Frau zu nehmen, muß vor dem ordentlichen Pfarrer eines der Verlobten oder vor einem Stellvertreter dieses ordentlichen Pfarrers und zwei Zeugen, die nach der Prozessordnung nicht „untüchtig“ sind, stattfinden, § 73. Leonrod hatte sich damit für die tridentinische Trauungsform entschlossen mit der Begründung, daß sich zwar die Trauungsformen von Katholiken und Protestanten unterschieden, nachdem die Katholiken sich die Ehe als Sakrament ohne Segen des Pfarrers vor zwei Zeugen spenden, die Protestanten hingegen des priesterlichen Trauungssegens aber keiner Zeugen bedürften. Die Protestanten könnten hinsichtlich der Form aber leichter nachgeben, da sie durch kein Kirchengesetz an diese Form gebunden würden, die Katholiken hingegen an Kirchengesetze gebunden seien, die vor allem ins Konkordat und deswegen in die bayerische Verfassungsurkunde aufgenommen seien. An diese Form würden die Protestanten jetzt nur aufgrund der Regelung im Zivilgesetzbuch gebunden. Dazu entschloß er sich trotz des in der Ständeversammlung von 1831 vorgetragenen Wunsches, „bei der Ehe das Weltliche vom Kirchlichen zu trennen“. Leonrod lehnte jedoch ab, „an der religiösen Idee des Sakraments etwas zu ändern“, weil dies „außer dem Wirkungskreise der Zivilgesetzbücher“ liege. Man dürfe zwar die Frage hier diskutieren, „ob nicht die besagte Trauung unbeschadet der religiösen Seite des Geschäfts geschehen könne nach dem Saze: Gebt dem Staate, was des Staats- und der Kirche, was der Kirche ist.“340 Durch eine klarere Trennung könne man „Uebergriffe, Reibungen, Beschwerden“ beseitigen, was „gewiß ein schöner und löblicher Zweck, würdig des hohen und reinen Begriffs von Staat und Kirche“ sei.341 „Die Ehe würde dann zunächst als bürgerliches Institut aufgefaßt, die Formen, welche die Giltigkeit des Vertrags bedingen, würden in die Hände der weltlichen Beamten gelegt, die Ehe würde dadurch gültig, die Frau, Ehefrau, die Kinder, ehelige Kinder, den Eheleuten stünde frei, das geistliche Amt um Vollziehung, in geistlichen Formen anzugehen, dem geistlichen Amte stünde frei, diese Formen zu ertheilen oder zu versagen; ob die Eheleute diese Formen nachsuchen sollen; ob das geistliche Amt dieselben ertheilen kann, wäre Gewissenssache, in Gewissenssachen kein Zwang, weder auf den einen- noch auf den anderen Seite so und nur so, sagt man, könnten die wichtigen Linien gezogen, die wechselseitigen Beschwerden gehoben werden, so würde ein Institut purifizirt, welches für den Staat von der höchsten Wichtigkeit ist, wovon das Familienwohl abhängt, und wobei die Freiheit der Staatsbürger nur insoweit beschränkt werden darf, als es der Staatszweck erfordert.“342 340 341 342
BE IV Mot. I 3 § 73. BE IV Mot. I 3 § 73. BE IV Mot. I 3 § 73.
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III. Bayern im Vormärz
Leonrod lehnte jedoch diese von ihm als sinnvoll betrachtete Trennung ab, da sie gegen das Konkordat und dadurch gegen die Verfassung verstoßen würde. Zu einer Änderung der Verfassung „hält sich der Entwurf nicht berufen“.343 Auch in den drei Jahre jüngeren Personenrechtsentwürfen von Hessen-Darmstadt, wo die Bevölkerung überwiegend protestantisch war, hatte man sich aus ähnlichen Gründen nicht für die obligatorische Zivilehe entschlossen, sondern die Trauung sollte nach „religiösem Gebrauche“ in der Kirche oder einem zu Gottesverehrung bestimmten Gebäude vorgenommen werden. Allerdings hatte man für den Fall der Weigerung des Priesters eine Möglichkeit vorgesehen, sich bürgerlich trauen zu lassen.344 Entgegen dem österreichischen Gesetz und den bayerischen Verordnungen von 1803 und 1814345 wollte Leonrod auch nicht den Brautleuten die Wahl lassen, ob sie sich vom Pfarrer des Bräutigams- oder der Braut trauen ließen. Diese Bestimmung sei „im Interesse der bürgerlichen Freiheit gegeben, ohne dem Interesse des Staats zu nahe zu treten“.346 Den Brautleuten wurde gegen die Beschwer durch Trauungsverweigerungen ein Rechtsmittel, die Beschwerde bei der Kreisregierung, bereitgestellt, § 75. (2) Eheaufhebung Ab § 80 geht es um die Aufhebung der Ehe. Eine Ehe darf von den Ehegatten nicht eigenmächtig aufgehoben werden; sie müssen vor Gericht die Ungültigkeit behaupten oder die Ehescheidung beantragen, § 80. Die §§ 88 ff. regeln die Aufhebung der Ehe durch Scheidung. Danach können die Eheleute auf den Antrag eines oder beider Ehegatten durch den gesetzlich zuständigen Richter aus gesetzlich gehörig erwiesenem Grund geschieden werden, § 88. Zu den gesetzlichen Scheidungsgründen gehören (§ 89): 1. Ehebruch, 2. dringende Vermutung verletzter ehelicher Treue, entnommen aus dem Umgang mit einer dritten Person, wonach die Unschuld des beklagten Teils zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich ist; ist der Umgang zweideutig, ohne eine solche Vermutung zu begründen, so hat ihn der Richter zu untersagen. Setzt der andere Teil den Umgang fort, so ist dies ein Scheidungsgrund, 3. bösliche Verlassung, 4. beharrliche Versagung der ehelichen Pflicht nach fruchtloser richterlicher Aufforderung, 5. gefährliche Nachstellungen nach dem Leben oder der Gesundheit, 6. wiederholte schwere Mißhandlungen, 7. Verbrechen und Vergehen, die bezüglich der Ehrenfolgen den Verbrechen gleichgestellt sind, 8. gegenseitige 343 344 345 346
BE IV Mot. I 3 § 73. Vgl. dazu Schubert, ZRGGerm 88 (1971), S. 127 ff. Vgl. zu diesen beiden Verordnungen Kap. II.4.b.dd., ii. BE IV Mot. I 3 § 73.
4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts
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unüberwindliche Abneigung unter folgenden Bedingungen: a) vorgängige einjährige Trennung, b) Übereinkunft bezüglich des Vermögens, des Unterhalts, der Kinder, sowohl während der Trennung als auch der Scheidung. Die Scheidungsklage ist ausgeschlossen, wenn der verletzte Teil zum Scheidungsgrund Anlaß gegeben, ihm ein gleicher Grund zur Last liegt, oder nach erlangter Kenntnis vom Scheidungsgrund die Ehe fortgesetzt hat, § 90. Das Verfahren der Scheidung bestimmt die Prozeßordnung, § 91. Die Wirkung der Scheidung ist für die Katholiken die beständige Trennung von Tisch und Bett und für die Protestanten die Auflösung des ehelichen Bundes; bei gemischten Ehen bestimmen sich die Folgen für die Ehegatten nach ihrer jeweiligen Religionszugehörigkeit, § 93. Damit hatte der Entwurf auf die verschiedenen Ansichten der Konfessionen Rücksicht genommen und sah also für die Protestanten eine Scheidung dem Bande nach vor. Leonrod nahm weiterhin auf die konfessionellen Unterschiede hinsichtlich der Ehescheidung Rücksicht und führte nicht generell die Ehescheidung ein. Wie auch schon die vorigen Entwürfe nahm man bei dem Scheidungstatbestand nicht auf die verschiedenen Ansichten der verschiedenen Konfessionen bezüglich der Auflösung der Ehe Rücksicht347, sondern unterschied nur bei der Rechtsfolge. Leonrod hatte vielmehr eine Zusammenstellung aller Gründe für jede Form der Trennung bzw. Scheidung der Ehe nach Ansicht der Katholiken und Protestanten aber auch nach allen geltenden großen modernen Zivilgesetzbüchern geprüft, um dann zu einer eigenen Auswahl für diesen Entwurf zu kommen.348 „Das österreichische Recht unterscheidet unter Scheidung und Trennung, jene geschieht blos von Tisch und Bett, diese ist Auflösung des ehelichen Bands; es unterscheidet ferner unter Scheidungs- und Trennungsgründen, jene sind gelinder, diese strenger; es gründet aber diesen Unterschied nicht auf die Verschiedenheit der Religion, denn es läßt auch bei Protestanten die blose Scheidung zu.“349 Diese Unterscheidung lehnt Leonrod ab. Wenn geschiedene Ehegatten erneut heiraten, ist diese Eheschließung wieder unter Berücksichtigung aller gesetzlichen Voraussetzungen zu vollziehen, § 97. Die Wiederverehelichung ist jedem erlaubt, der die Auflösung des vorherigen ehelichen Bundes nachweisen kann, wenn kein gesetzliches Ehehindernis entgegensteht, § 98. Für Frauen gibt es eine Sonderregelung, sie dürfen erst zehn Monate nach Auflösung der vorigen Ehe eine neue schließen, es sei denn, sie haben früher entbunden, § 99. 347 348 349
Vgl. §§ 104 ff., 111 ABGB. BE IV Mot. I 3 § 89. BE IV Mot. I 3 § 89.
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III. Bayern im Vormärz
§ 100 äußert sich zu den Judenehen und verweist für Ausnahmen von diesem entworfenen Eherecht auf die Gesetze über die Verhältnisse der Juden. Diese Bestimmung zeigt die Nähe zu der österreichischen Gesetzgebung, da auch das ABGB §§ 129 ff. spezielle Vorschriften für die Juden kannte. bb) Hintergründe und Beurteilung Vorbild für Leonrod war das ABGB von 1811. Die Begründung dafür findet sich in den Motiven.350 Das bayerische Landrecht von 1756 passe auf heutige Verhältnisse, Sitten und Gebräuche u. a. wegen unverständlicher Sprache und „doktrinellem Bau“ nicht mehr. Auch das ALR sei als Vorbild abzulehnen.351 Das ABGB hingegen sei frei von Kasuistik und Spitzfindigkeiten und habe sich in der Praxis gut bewährt.352 Es zeichne sich einfach durch „Richtigkeit und strenge Rechtlichkeit der Bestimmungen, Einfachheit der Rechtsinstitute, Kürze und Deutlichkeit aller Normen, Ungebundenheit von alten Vorurtheilen und veralteten Instituten, Achtung gegen bestehende Einrichtungen und Verhältnisse“ aus.353 Auch der Code Civil wurde als zu fremdes Recht abgelehnt. Es bestehe ein zu enger Zusammenhang zur französischen Zivilprozeßordnung und Gerichtsverfassung und es sei für einen Staat mit einer ganz anderen Gesellschaftsordnung verfaßt, die bspw. keine Standesunterschiede mehr kenne.354 Schon aus politischen Gründen konnte das französische Recht nach der Julirevolution von 1830 nicht mehr als Vorbild akzeptiert werden,355 sondern viel geeigneter erschien in dieser Situation „das ABGB als Gesetzbuch eines Staates, der wie die österreichische Monarchie zu dieser Zeit die Restauration repräsentierte“ trotz der für die Zeit fortschrittlichen Grundprinzipien. Im Unterschied zum Code Civel regelte das ABGB viele konfliktträchtige Gegenstände, „wie Lehen, Fideikommisse, etc. nicht, sondern verwies dafür auf das öffentliche Recht“. „Diese gesellschaftspolitische Abstinenz war wohl ein weiterer Vorteil auch in den Augen der Regierung.“356 Leonrod hat sich bezüglich der Einteilung und des Inhalt stark am ABGB orientiert, wie er dies auch in den Motiven angibt.357 350
Mot. BE IV, S. 2 ff. Allerdings hatte Leonrod 1818 einen Erbrechtsentwurf nach Muster des ALR verfaßt: Das Erbrecht, ein Versuch als Beitrag zum allgemeinen Zivil-Gesetzbuche, Nürnberg, 1818. 352 Mot. BE IV, S. 3 f. und 5 f. 353 Mot. BE IV, S. 6. 354 Mot. BE IV, S. 5. 355 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 162. 356 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 162. 357 Mot. BE IV, S. 7 ff. 351
4. Bestrebungen zur Vereinheitlichung des bayerischen Zivilrechts
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Die Orientierung dieses Entwurfs am ABGB kann für das Eherecht bestätigt werden, wenn auch in manchen Fragen das preußische Landrecht als Vorbild herangezogen worden ist oder bspw. Paragraph § 48 über die rechtmäßigen Versagungsgründe bei der Einwilligung zur Eheschließung der Regelung des Entwurfs von Aretin358 wörtlich entspricht. Im Unterschied zu den zwei vorangehenden Entwürfen von 1811 und 1816 überzeugt dieser Entwurf in der sprachlichen und systematischen Abfassung. Inhaltlich sind keine neuen Entwicklungen gegenüber den vorherigen Entwürfen festzustellen. Ganz im Gegenteil es ist eher ein restaurativer Charakter erkennbar. Dies kommt vor allem in der Gestaltung der Eheschließungsform zum Ausdruck, wo Leonrod sich eindeutig für die tridentinische Form entschieden hatte und damit die Verfassung/Religionsedikt in ihrem Verhältnis zum Konkordat auf katholische Weise interpretierte. Gleichzeitig gestand Leonrod den verschiedenkonfessionellen Brautleuten nicht mehr die Wahlfreiheit bezüglich des Priesters zu, die ja als Vorform der Zivilehe betrachtet werden konnte.359 cc) Das Scheitern der Neukodifikation bayerischen Zivilrechts Der Entwurf Leonrods wurde an die Staatsminister und Mitglieder des Staatsrats verteilt.360 Es sind jedoch keine Protokolle über eine Beratung des Entwurfs im Staatsrat auffindbar. Auch dieser Entwurf scheiterte also in einem frühen Stadium. Auch nach dem Scheitern dieses Entwurfs beantragten die Stände die Fortführung der Gesetzgebungsarbeiten. 1844 wurde wieder eine Gesetzkommission einberufen und mit umfassenden Arbeiten, nämlich einem Zivilgesetzbuch, einer Zivilprozeßordnung, einem Strafgesetzbuch, einer Strafprozeßordnung und einem Handelsgesetzbuch betraut. Über die Arbeit dieser Kommission ist nicht viel bekannt.361 Dies gilt vor allem für das Zivilgesetzbuch. Bekannt sind lediglich aus einem Vortrag von Arndts362 die Hauptgrundsätze für die Verfassung des Zivilgesetzbuches: „1) Geltung des Gesetzbuchs auch im Rheinkreis, 2) Verhältnis zum geltenden bürgerlichen Recht, 3) materielle Grundlage, 4) System.“363 Die Kommission 358
Kap. II.5.d. Vgl. dazu Kap. II.4. 360 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 163. 361 Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 163 ff.; HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III Tlbd 2, S. 1475. 362 Karl Ludwig Arndts war für den Zivilgesetzbuchentwurf verantwortlich. Vgl. dazu: HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III Tlbd 2, S. 1475. 363 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III, Tlbd 2, S. 1475; vgl. dazu Arndts’ Vortrag, in: Gesammelte Civilistische Schriften III, S. 274 ff. 359
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III. Bayern im Vormärz
wurde bereits im April 1847 aufgelöst. Die politische Situation wurde immer stärker durch den Liberalismus und die nationale Bewegung geprägt. Diese Umstände hatten natürlich auch Auswirkungen auf Gesetzgebungsvorhaben.364 1861 und 1864 wurden Teilentwürfe unter dem Titel „Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern“ veröffentlicht. Sie enthalten allerdings kein Familienrecht. Dieses wurde erst nach Auflösung der Kommission 1864 von Karl Friedrich von Dollmann allein entworfen.365 Allerdings blieben der Familien- und Erbrechtsentwurf, letzterer blieb infolge des Todes von Dollmann unvollendet366, ungedruckt. Sie wurden auch nicht ständisch beraten.367
364
HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III Tlbd 2, S. 1475; Ius Commune/Dölemeyer, Bd V, S. 166. 365 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III Tlbd 2, S. 1477 f. 366 ADB/Berchthold Bd V, S. 320. 367 HdB PrRG/Dölemeyer, Bd III Tlbd 2, S. 1478.
IV. Bayern nach der Revolution von 1848 und auf dem Weg ins Deutsche Reich 1. Übersicht Im vierten Kapitel werden die Regierungszeiten Max II. (1848–1864) und Ludwig II. (1864–1886), soweit sie noch in den Untersuchungszeitraum fällt, zusammengefaßt. Das rechtfertigt sich zum einen dadurch, daß während der Regierungszeit Max II. kaum Veränderungen stattfanden1, zum anderen gehen verschiedene Gesetzgebungsprojekte Ludwig II. Ende der sechziger Jahre auf das Regierungsprogramm Max II. zurück, so daß die beiden Regierungsperioden in engem Zusammenhang stehen. Eckpunkte sind die deutsche Revolution von 1848/49 durch deren Einfluß Ludwig I. 1848 zur Abdankung gezwungen wurde, und die Reichsgründung 1870/71, in deren Folge das Reichspersonenstandsgesetz entstand, das eine reichsweite Vereinheitlichung des staatlichen Eherechts mit sich brachte. Die Regierungszeiten Max II. und Ludwig II. sind durch das Spannungsverhältnis zwischen liberalen Forderungen und kirchlicher Restauration gekennzeichnet. Auf einer Konferenz in Freising im Jahre 1850 forderten die bayerischen Bischöfe erneut eine Änderung des Religionsedikts, um bestehende Widersprüche zum Konkordat von 1817 zu beseitigen.2 Sie erreichten allerdings nur eine Anweisung des Königs vom 8. April 1852 an alle Behörden zur möglichst kirchenfreundlichen Auslegung des Religionsedikts.3 Der König hatte der Kirche zwar eine legislative Änderung in Aussicht gestellt4, hätte dafür aber wohl keine Mehrheit in den Kammern erhalten. Im Jahre 1863 stellte Max II. das Programm für eine umfassende Sozialgesetzgebung und die Neufassung der Gewerbeordnung im Sinne einer Gewerbefreiheit auf. Auch das Gesetz über Heimat, Aufenthalt und Verehelichung, das noch in seiner Fassung aus dem Jahre 1834 galt, sollte revidiert 1 Es ergehen lediglich Bestimmungen zur Ansässigmachung und Verehelichung von Lehrern (Gbl. Bayern 1849, S. 45 ff.) und Staatsdienstaspiranten (Gbl. Bayern 1854, Sp. 385 ff.). 2 Dazu oben Kap. II. 6. 3 HdBbayG/Rall, Bd IV, Tlbd 1, S. 230 ff. 4 Hübner, Kirche, S. 80.
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IV. Bayern nach der Revolution von 1848
werden. Der Tod Max II. am 10. März 1864 verhinderte zunächst diese Reformen, die erst von Ludwig II. im Jahre 1868 durchgesetzt wurden. In der Folge verschärften sich die Spannungen zwischen Staat und Kirche zunehmend, nachdem am 18. Juli 1870 auf dem vatikanischen Konzil das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Entscheidungen ex cathedra beschlossen wurde. Ludwig II. ermahnte seinen Justiz- und Kultusminister Lutz5, er möge darüber wachen, daß sich die neue, staatsgefährliche Lehre nicht im Schatten des Krieges mit Frankreich durchsetze.6 Rall sieht hierin den Auftakt des kommenden Kulturkampfes, in dem Lutz zu einer der bedeutendsten Figuren wurde. Der König verweigerte das Plazet zur Ingeltungsetzung dieses neuen Kirchenrechts in Bayern, trotzdem wendete die katholische Kirche in Bayern die Konzilsbeschlüsse an und exkommunizierten eine Reihe zum Teil bedeutender Persönlichkeiten – etwa Döllinger, die sich gegen das Unfehlbarkeitsdogma wandten. Diese erheblichen Spannungen zwischen katholischer Kirche und staatlichen Machthabern spielten auch bei der Reichsgesetzgebung in Ehesachen durch das RPStG von 1875 eine ganz erhebliche Rolle. Lutz verstand es, die Auseinandersetzungen im Kulturkampf aus Bayern heraus auf Reichsebene zu verlagern, denn Ludwig II. selbst war grundsätzlich an guten Beziehungen zur Kurie interessiert, so daß Lutz innerhalb Bayerns sehr vorsichtig vorgehen mußte.7
2. Die Überarbeitung des Gesetzes über Ansässigmachung und Verehelichung von 1825/34 (GAV/RGAV) a) Inhaltliche Veränderungen 1868 wurde das Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung8 völlig überarbeitet. Die Überarbeitung bildete eine Ergänzung der Gewerbeordnung vom 30. Januar 1868.9 Unter Titel II wurden auch die Voraussetzungen über die Verehelichung neu gefaßt.10
5
Grasser, Biographie, 1967. HdBbayG/Rall, Bd IV, Tlbd 1, S. 269. 7 Grasser, Biographie, S. 76 ff.; Weber, Konzil, S. 311. 8 Gleichzeitig wurde auch das Heimatgesetz von 1825/34 überarbeitet. 9 Vgl. dazu HdBbayG/Rall, Bd IV, Tlbd 1, S. 245 f., 264. 10 Gbl. Bayern 1868, Sp. 378–388: Art. 32–42. 6
2. Die Überarbeitung des Gesetzes über Ansässigmachung
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aa) Anspruch auf Eheschließung Der erste Artikel formulierte für „jeden Angehörigen der Landesteile diesseits des Rheins“ ein Recht, unter den nachfolgenden Voraussetzungen zu heiraten.11 Es bestand also nunmehr ein Anspruch des Einzelnen gegen den Staat, die Ehe schließen zu dürfen12, was schon lange zu den bürgerlichen Grundfreiheiten gezählt worden war. Kein Anspruch bestand jedoch auf Durchführung der Trauung durch den Priester oder den Zivilstandbeamten, da das Gesetz sich nicht mit den Formalitäten der Eheschließung befaßte.13 Damit kam man der allgemeinen Eheschließungsfreiheit, wie sie im bayerischen Staat nur in der linksrheinischen Pfalz seit Anfang des Jahrhunderts gewährt wurde, ein Stück näher. Aber Bayern hatte sich immer noch nicht zu einer völligen Freigabe der Eheschließung ohne staatlichen „Erlaubnisvorbehalt“ entschließen können. So durfte ein „Angehöriger der Landestheile diesseits des Rheins nur heiraten, wenn die zuständige Behörde in einem Zeugnis bestätigt hatte, daß gegen die beabsichtigte Eheschließung, dabei war gleichgültig, ob es die erste oder eine weitere Ehe war, kein im gegenwärtigen Gesetz begründetes Hindernis bestehe“, Art. 33 I HG. Zu den Angehörigen der Landesteile diesseits des Rheins zählten alle in den Landesteilen rechts des Rheins heimatberechtigten Männer14 ohne Unterschied ihres Standes, also auch Beamte, die bisher von der Einholung eines besonderen polizeilichen Zeugnisses befreit waren.15 Frauen bedurften also eines solchen Verehelichungszeugnisses nicht. Damit konnte eine Ehe zwischen einer aus dem rechtsrheinischen Bayern stammenden Frau und einem Pfälzer oder Nichtbayern ohne ein solches Zeugnis geschlossen werden.16 Zuständig für die Ausstellung des Verehelichungszeugnisses war die Distriktsverwaltungsbehörde der Gemeinde, in der der Mann beheimatet war.17 bb) Das Verehelichungszeugnis Das Verehelichungszeugnis hatte die Funktion, obrigkeitlich zu bescheinigen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen zur beabsichtigten Ehe vorhan11
Gbl. Bayern 1868, Sp. 378 Art. 32. Riedel, Kommentar, Anm. 4 zu Art. 32, S. 176. 13 Riedel, Kommentar, Anm. 4 zu Art. 32, S. 176. 14 Art. 1 ff. HG in Gbl. Bayern 1868, Sp. 357 ff. 15 Vgl. oben Kap. II. 3. 16 Faber, Verehelichungsrecht, S. 34. 17 Wie die Gesuche bei der Distriktsverwaltungsbehörde eingereicht werden mußten, regelte eine Verordnung vom 19. Juni 1868, Ziff. XII abgedruckt bei Nar, Handbuch, S. 485. 12
268
IV. Bayern nach der Revolution von 1848
den waren.18 Um das Zeugnis zu erlangen, verlangte das Gesetz vom einzelnen Bewerber eine gewisse Mitwirkung. Der Bewerber mußte zunächst bei der Distriktsverwaltungsbehörde ein Gesuch einreichen und hatte „alle zur Würdigung des Gesuchs erforderlichen Aufschlüsse zu ertheilen und Nachweis über Alter, Stand und Heimat der Braut, sowie ihrer etwa vorhandenen Kinder beizubringen“, Art. 34 HG. Die Distriktsverwaltungsbehörde war im Falle der Nichtmitwirkung des Bewerbers zur Verweigerung der Ausfertigung des Verehelichungszeugnisses berechtigt.19 Die Ausstellung des Verehelichungszeugnisses durch die Distriktsverwaltungsbehörde war davon abhängig, daß keine Hindernisse im Wege standen. Als Hindernisse in Betracht kamen nach Art. 33 f. HG: – die Militärdienstpflicht des Mannes,20 – ein vorliegender Einspruch nach Art. 35 aufgrund zivilrechtlicher Ehehindernisse, – eine fehlende dienstliche Bewilligung der Heirat, sofern der Mann im Dienst des Staates, der Kirche oder einer öffentlichen Korporation oder Stiftung stand, deren Dienstherr das Staatsoberhaupt oder eine Staatsbehörde war, die über die Anstellung der betreffenden Person entschied,21 – eine fehlende Auswanderungsbewilligung, falls die Braut eine Ausländerin und nach den Gesetzen ihres Landes eine Bewilligung zur Auswanderung erforderlich war, – ein gemeindlicher Einspruch. An dem Nachweis einer dienstlichen Bewilligung bei Beamten oder Angestellten in ähnlichen Verhältnissen bzw. der Militärdienstpflicht hatte man nichts Grundlegendes verändert. Fehlte es an einer dienstlichen Bewilligung bzw. war der Militärdienst noch nicht geleistet, war das Verehelichungszeugnis zu versagen. Es sollte jedoch vermieden werden, daß eine Verehelichungsbewilligung aus rein dienstlichen Gründen versagt wurde.22 Auf dem Weg in Richtung Eheschließungsfreiheit war es wichtig, so wenig wie möglich Einschränkungen und Hindernisse einzubauen, die eine Eheschließung wieder von eigentlich fremden Einflüssen zu stark abhängig 18
Faber, Verehelichungsrecht, S. 48. Riedel-Müller, Kommentar, Art. 34, Anm. 11, S. 195. 20 Vgl. eine Art Ausführungsverordnung dazu vom 29. Juni 1868, Ziff. XIII. abgedruckt bei Nar, Handbuch, S. 486. 21 Es erging auch eine neue Verordnung, die dienstliche Verehelichungsbewilligung für Beamte und öffentliche Diener betreffend, ebenso für Staatsdienstadspiranten und der widerruflich im öffentlichen Dienste verwendeten Individuen, vom 20. August 1868, vgl. Nar, Handbuch, S. 487 f. 22 Faber, Verehelichungsrecht, S. 52 Fn. 5. 19
2. Die Überarbeitung des Gesetzes über Ansässigmachung
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gemacht hätten.23 Aus diesem Grund hatte man auch versucht, den gemeindlichen Einfluß zu reduzieren. Allerdings wurde das Mitspracherecht der Gemeinden nicht völlig beseitigt, da man der Auffassung war, daß die Einspruchsmöglichkeit der Gemeinden zum Ausgleich dafür gerechtfertigt sei, daß sie nach Art. 13 HG für den Fall eintretender Hilfsbedürftigkeit Unterstützung gewährten. Diesen Anspruch erwarb man kraft Gesetzes mit dem Heimatrecht.24 Im Unterschied zu den Regelungen vorher war das Mitspracherecht der Gemeinden jedoch deutlich eingeschränkt worden. Zum gemeindlichen Einspruch war ausschließlich die Heimatgemeinde des Mannes nur unter ganz begrenzten Voraussetzungen befugt, Art. 36 ff. HG: – wenn der Mann wegen Vergehens oder Verbrechens verurteilt war und nicht nachweisen konnte, daß er die Strafe abgebüßt hatte oder ihm die Strafe erlassen worden war, – solange der Mann sich wegen Verbrechens oder Vergehens in Untersuchungshaft befand, – wenn der Mann in den letzten drei Jahren eine Armenunterstützung in Anspruch genommen hatte,25 – wenn der Mann sich im Zahlungsrückstand gegenüber der Gemeindekasse oder Armenkasse befand, oder – wenn der Mann sich unter Kuratel befand26. Der Einspruch durch die Heimatgemeinde das Mannes mußte den Gemeinden durch Aufforderung der Distriktsverwaltungsbehörde ermöglicht werden, d. h. die Distriktsverwaltungsbehörde mußte die betreffende Gemeinde von dem Gesuch in Kenntnis setzen und unter einer Ausschlußfrist von 14 Tagen um den Einspruch bitten.27 Im Unterschied zu den übrigen Voraussetzungen, mit der Ausnahme der zivilrechtlichen Ehehindernisse,28 war die Distriktsverwaltungsbehörde nicht 23
Faber, Verehelichungsrecht, S. 60. Faber, Verehelichungsrecht, S. 60. 25 Was man unter „öffentlicher Armenunterstützung“ verstand, beurteilte sich nach dem Gesetz über öffentliche Armen- und Krankenpflege vom 29. April 1869. Zu diesem Begriff VGH Bd I S. 5; S. 41; S. 209; Bd II S. 191; S. 241; S. 261; Bd III S. 274; Bd IV S. 258; S. 325; Bd V. S. 239; S. 312; S. 326; Bd IX S. 342. Nicht zur öffentlichen Armenpflege gehörten Zuwendungen der privaten und kirchlichen Wohltätigkeit. 26 Die Vormundschaft konnte wegen Minderjährigkeit oder Geisteskrankheit (CPO § 593) oder Verschwendung (CPO § 621) bestehen. 27 Nar, Handbuch, S. 491. 28 Faber, Verehelichungsrecht, S. 50 schrieb, daß auch zivilrechtliche Voraussetzungen zur Eheschließung positiv von Amts wegen festgestellt hätten werden müs24
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verpflichtet, von Amts wegen das Vorliegen von Einspruchsgründen zu prüfen, sondern immer erst auf Antrag der Gemeinde bzw. des Regierungsfiskalates. Das Heimatgesetz sah auch Schutz gegen die Beschlüsse der Distriktsverwaltungsbehörde in Form eines Beschwerdeverfahrens vor, Art. 40 HG. Die Beteiligten konnten innerhalb einer Notfrist von 14 Tagen Beschwerde bei der vorgesetzten Kreisregierung, Kammer des Innern, einlegen. Dort wurde in kollegialer Beratung in zweiter und letzter Instanz über den Beschluß der Distriktsverwaltungsbehörde entschieden. cc) Zivilrechtliche Ehehindernisse Neben den öffentlich rechtlichen Voraussetzungen durften der Eheschließung auch keine zivilrechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Ermittelt wurden jene durch ein speziell dafür vorgesehenes Einspruchsverfahren, Art. 35 HG. Notwendig war die Bekanntgabe der Eheschließung durch einen öffentlichen Anschlag während 10 Tagen bei der Gemeindeverwaltung. In diesem Anschlag war darauf hinzuweisen, daß Einsprüche wegen Verstößen gegen zivilrechtliche Ehehindernisse von Privatpersonen bei der Gemeindeverwaltung bzw. bei der nach Art. 33 zuständigen Distriktsbehörde zu erheben seien. Zuständig für den öffentlichen Anschlag war die Gemeinde, wo die Brautleute ihren Aufenthalt hatten. Lebten die Brautleute in verschiedenen Orten war der öffentliche Anschlag von den jeweiligen Gemeinden der Brautleute durchzuführen. War es zu einem fristgerechten und begründeten Einspruch gekommen und wurde binnen von 10 Tagen nach dem Einspruch nachgewiesen, daß man Einspruch bei Gericht erhoben habe, war die Distriktsverwaltungsbehörde verpflichtet, das Zeugnis nicht auszustellen, bis durch das Gericht die legale Beseitigung des erhobenen Einspruchs bestätigt wurde. Ähnliches galt in dem Fall, wo zwar kein Einspruch erhoben worden war, aber „amtsbekannt oder aus bestimmten Gründen wahrscheinlich“ war, daß der beabsichtigten Ehe ein zivilrechtliches Verbot hindernd im Weg stehe.29 Diese Möglichkeit des Einspruchs für Privatpersonen, denen die Aufgabe zukam, bei der Entdeckung von zivilrechtlichen Ehehindernissen zu helfen, sen. Dies traf aber erst nach 1875 zu; es hatte nämlich Änderungen diesbezüglich durch das RPStG gegeben. 29 Faber, Verehelichungsrecht, S. 57, behauptete, daß die Distriktverwaltungsbehörde, wenn jemand Einspruch wegen zivilrechtlicher Hindernisse erhoben hatte, das Zeugnis zunächst nicht ausstellen durfte. Die Distriktsverwaltungsbehörde sei jedoch berechtigt und verpflichtet, zu prüfen, ob der Grund des Einspruchs wirklich ein zivilrechtliches Ehehindernis sei und wenn nicht, d.h. wenn es sich nicht um ein anerkanntes Hindernis handele, sei sie verpflichtet, daß Zeugnis trotz des Einspruchs unverzüglich auszustellen, wenn die anderen Voraussetzungen gegeben seien.
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war in diesem Gesetz über die Verehelichung neu. Es war nicht mehr die Aufgabe der für die Ausstellung des Verehelichungszeugnisses zuständigen Behörde, der Distriktsverwaltungsbehörde der Heimatgemeinde des Mannes, von Amts wegen nach zivilrechtlichen Ehehindernissen zu forschen.30 Art. 35 war also Einfallstor für das materielle zivilrechtliche Eherecht, denn die zivilrechtlichen Ehehindernisse wurden nicht explizit und abschließend im Titel über die Verehelichung aufgeführt. Die zivilrechtlichen Ehehindernisse ergaben sich vielmehr aus den „in den einzelnen Landestheilen bestehenden Ehegesetzgebungen, deren ungeschmälerte Gültigkeit [. . .] außer Zweifel gestellt ist“.31 Was im einzelnen für zivilrechtliche Ehehindernisse zu berücksichtigen waren, hatte Riedel, um die Arbeit in der Praxis zu erleichtern, versucht in seinem Kommentar zusammenzustellen.32 Dies war keineswegs einfach, weil es nach wie vor an einer einheitlichen Kodifikation für das Zivilrecht fehlte und damit auch keine einheitlichen Regelungen für die Ehe existierten, sondern – wie im Kapitel 1 und 2 geschildert – verschiedene Statuarrechte einschlägig waren. Unter den zivilrechtlichen Ehehindernissen verstand man auch die staatlich anerkannten kirchlichen Ehehindernisse33; dies wurde in den Ausschußberatungen ausdrücklich anerkannt.34 Außerdem ergebe sich dies aus dem 30 Vgl. dazu auch die Ausführungsverordnung vom 29. Juni 1868 Ziff XIV abgedruckt bei Nar, Handbuch, S. 489; Nar, Erläuterungen, S. 113 f. Anm. 1 zu Art. 35: „Bisher lag es den Polizeibehörden ob, sich, bevor sie eine Verehelichungsbewilligung ertheilten, im Verlaufe der Instruktion des Gesuches sich darüber Gewißheit zu verschaffen, daß der Eingehung der Ehe kein civilrechtliches Hinderniß entgegenstehe. Nachdem nun in Zukunft eine förmliche Instruktion von Verehelichungsgesuchen nicht mehr Statt zu finden und die Polizeibehörde sich auf die Ausstellung eines Zeugnisses zu beschränken hat, daß der beabsichtigten Eheschließung kein gesetzliches Hindernis entgegenstehe, und nachdem die bürgerlichen Gesetze mancherlei Ehehindernisse bezeichnen, die in den Familienpersönlichen oder Standesverhältnissen der Betheiligten begründet sind, und wovon möglicher Weise die Behörden keine amtliche Kenntnis haben, so war es nothwendig, ein Verfahren einzuführen, durch welches das Nichtvorhandensein, und gegebenen Falles die erfolgte Beseitigung zivilrechtlicher Hindernisse konstatiert wird. Unverkennbar wird durch ein solches Verfahren, das künftighin bei allen Verehelichungsgesuchen, also auch dann eingeschlagen werden muß, wenn es offenkundig ist, daß kein civilrechtliches Hinderniß besteht, die Erledigung der Verehelichungsanträge sich verzögert, allein es wird auf der andern Seite auch eine größere Bürgschaft dafür erzielt, daß wirklich bestehende civilrechtliche Hindernisse nicht unbeachtet bleiben.“. 31 Riedel, Kommentar, Art. 32, Anm. 1, S. 175. 32 Daß die Überprüfung der zivilrechtlichen Hindernisse in der Praxis Probleme bereitete, beweist auch eine ausführliche Darstellung der einschlägigen zivilrechtlichen Ehehindernisse für Bayern in der Zeitschrift „Der Standesbeamte“ aus dem Jahre 1875, Beilage Nr. 6 vom 1. März 1875, S. 57 ff. 33 Riedel, Kommentar, Anm. 1 zu Art. 32, S. 175. 34 Riedel, Kommentar, unter der Anm. 6 a/b zu Art. 34.
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verfassungsmäßig geregelten Schutzverhältnis, das zwischen dem Staat und den öffentlichen Religionsgemeinschaften bestehe.35 dd) Die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe Lagen keine Hindernisse im Sinne des Art. 33, 34 HG vor, mußte das Verehelichungszeugnis nach Durchführung der Proklamation in der gesetzlichen Form durch die zuständige Distriktsverwaltungsbehörde ausgestellt werden, Art. 32 HG. Faber36 spricht von der bloß deklarativen Bedeutung des Zeugnisses. „Die Ausstellung jenes Zeugnisses ist nicht in das Belieben der Verwaltungsbehörde gestellt, sondern diese sind zur Ausstellung desselben verpflichtet, sofern ihnen das Vorhandensein der gesetzlichen Erfordernisse zur Eheschließung nachgewiesen wird.“ So wurde das Recht eines jeden Bürgers, die Ehe zu schließen, verwirklicht. Allerdings durfte kein Staatsangehöriger aus Bayern rechts des Rheins im In- oder Ausland eine Ehe schließen, ohne ein distriktspolizeiliches Verehelichungszeugnis eingeholt zu haben. Es bestand ein absolutes staatliches Ehehindernis, von dem auch nicht dispensiert werden konnte. Sanktioniert wurde ein Verstoß gegen diese Vorschrift mit der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe, Art. 33 HG. Die bürgerliche Ungültigkeit der Ehe wurde nur durch gravierende Mängel verursacht. Dazu zählten folgende formelle Verstöße:37 Eheschließung ohne oder mit einem annulliertem oder von einer unzuständigen Behörde ausgestellten Verehelichungszeugnis. Eine aus diesem Grund bürgerlich ungültige Ehe wurde ab dem Augenblick gültig, in dem die Ausstellung des Zeugnisses erfolgte war.38 Alle Rechtsnachteile, die mit einem fehlenden Verehelichungszeugnis zusammenhingen, wurden mit der Ausstellung und der Aushändigung des Zeugnisses rückwirkend auf den Zeitpunkt der Eheschließung aufgehoben.39 35
Riedel, Kommentar, unter der Anm. 6 a/b zu Art. 34. Faber, Verehelichungsrecht, S. 34. 37 Es bestand Streit über die Ermittlung der zuständigen Behörde nach Art. 33 I i.V. m. 33 IV. Vgl. dazu Riedel, Kommentar, Anm. 9 b zu Art. 33, S. 179; RiedelMüller, Kommentar, Anm. 5, S. 185 und vor allem Faber, Verehelichungsrecht, S. 37 ff. 38 Die nachträgliche Einholung des Verehelichungszeugnisses ist jedoch nur solange möglich, wie die betreffende Ehe besteht, also nicht durch Scheidung oder Tod bereits wieder aufgelöst ist. Vgl. VGH Bd II S. 180, Blätter f. adm. Praxis Bd XXII S. 400. Eine nachträgliche Ausstellung von Amts wegen wird sich ebensowenig rechtfertigen lassen, als direkter Zwang zur Erholung des Zeugnisses. Eine indirekte Einwirkung ist nicht ausgeschlossen, dies ergibt sich aus Staatsinteresse und Interesse der beteiligten Personen. Riedel, Kommentar, Anm. 10 zu Art. 33, S. 180. 39 VGH VI S. 260. 36
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Bestanden Streitigkeiten bezüglich der Ungültigkeit, waren hinsichtlich zivilrechtlicher Bereiche wie bei dem Erbrecht die Zivilgerichte zuständig, die Verwaltungsbehörden hingegen, wenn es sich um öffentlich rechtliche Verhältnisse z. B. die Heimat handelte.40 Die Ungültigkeit der Ehe trat kraft Gesetzes ein; es bedurfte keiner Ungültigkeitserklärung.41 Die bürgerliche Ungültigkeit der Ehe hatte zur Folge, daß sie weder im Bereich des öffentlichen Rechts noch im Privatrecht bestand. Mit dem öffentlichen Recht waren Bereiche wie das Heimatrecht gemeint und im Privatrecht der Familienstand oder auch das Erbrecht. Diese Folgen für das Erbrecht waren in den Motiven42 und in den Abschlußberatungen43 ausdrücklich anerkannt worden.44 Damit stand die bürgerliche Ungültigkeit im Kontrast zur kirchlichen Bewertung. Sie umfaßte im Unterschied zu unserem heutigen Verständnis von „bürgerlich“ aber nicht nur das zivile bzw. Privatrecht, sondern auch das öffentliche Recht. Die Ausweitung der Ungültigkeit auf das private Recht war sogar überraschend und neu, da das Gesetz an sich das zivile Eherecht unberührt lassen wollte. Daß man die Ungültigkeit der Ehe nicht nur auf den öffentlich-rechtlichen Bereich beschränkte, lag an der Auffassung, eine Ehe könne nicht nur partiell für ungültig erklärt werden.45 Damit war zunächst nur die Abgrenzung zur kirchlichen Gültigkeit gemeint. Es ging also um die Nichtanerkennung des Bestandes der Ehe durch den Staat.46 ee) Strafbestimmungen Außer der Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe bei Eheschließung ohne vorschriftsmäßiges Verehelichungszeugnis sorgte man auch mit Strafbestimmungen für die effektive Durchsetzung des Gesetzes. Diese Strafen trafen zum einen die Angehörigen47 des rechtsrheinischen Bayerns, die mit einer Geldstrafe bis zu 100 fl oder mit Arrest bis zu 30 Tagen be40
Riedel, Kommentar, Anm. 9c zu Art. 33, S. 180. Riedel, Kommentar, Anm. 9c zu Art. 33, S. 180. 42 VKAbL 1866/69, Sozialgesetzgebung, Abt. I BlgenBd, S. 51, Blge B. 43 VKAbL 1867/69, Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 156 f. und 171 ff. 44 Riedel, Kommentar, 4. Aufl. Anm. 9 a zu Art. 33, S. 178 f. 45 Vgl. Beilage B in: VKAbL 1866/69, Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 50 f. 46 Vgl. dazu auch Riedel, Kommentar, 4. Aufl. Anm. 9 a zu Art. 33, S. 178 f.: „Keinerlei Auswirkung hat dieser Verstoß hingegen auf das Kirchenrecht, d.h. eine pfarramtliche Trauung, die ohne das Verehelichungszeugniß durchgeführt worden ist, ist aus kirchenrechtlicher Sicht als gültige Ehe anzusehen.“. 47 Es war etwas zweifelhaft, ob damit nur die Ehemänner gemeint waren, da auch nur sie verpflichtet waren, ein solches Zeugnis einzuholen. Vgl. Riedel, Kommentar, Anm. c zu Art. 41, S. 209 f. 41
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legt wurden, wenn sie ohne das Verehelichungszeugnisses im Ausland die Ehe geschlossen hatten, Art. 41.48 Zum anderen drohte den Geistlichen rechts und den Zivilstandsbeamten links des Rheins eine Bestrafung, wenn sie eine Eheschließung vornahmen, ohne sich das entsprechende Verehelichungszeugnis vorweisen zu lassen. Keine Bestrafung sah das Gesetz für jene vor, die im rechtsrheinischen Bayern ohne das erforderliche Verehelichungszeugnis nach Art. 33, 38 oder 39 eine Ehe geschlossen hatten. Dafür sah das Gesetz die Bestrafung der Priester vor, die man offenbar für die ordentliche Durchsetzung als ausreichende Sanktion ansah. ff) Keine einheitliche Geltung des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt Besondere Bestimmungen gab es hinsichtlich der Pfalz, Art. 38. Von dem ursprünglichen Ziel, das Verehelichungsrecht auf dem gesamten bayerischen Territorium zu vereinheitlichen, hatte man Abstand genommen. Man hatte sich nicht dazu durchringen können, für ganz Bayern die völlige Verehelichungsfreiheit einzuführen, aber andererseits wollte man auch nicht diese in der Pfalz seit Anfang des 19. Jahrhunderts existierende Freiheit wieder einschränken. Deswegen hatte man sich für das Verehelichungsrecht darauf geeinigt, die Pfalz von den Vorschriften auszunehmen. So bedurften die männlichen Bewohner der Pfalz keines Verehelichungszeugnisses, wenn sie in der Pfalz heiraten wollten. Etwas anderes galt jedoch, wenn ein im rechtsrheinischen Bayern heimatberechtigter Mann eine Ehe in der Pfalz schließen wollte. Er bedurfte für eine bürgerlich gültige Ehe des Verehelichungszeugnisses, Art. 38 I HG. Ein Pfälzer brauchte seinerseits auch ein Verehelichungszeugnis, wenn er die Ehe im rechtsrheinischen Bayern eingehen wollte, Art. 38 II HG. b) Beurteilung des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt in der Fassung von 1868 aa) Zielsetzung der Überarbeitung von 1868 Das „öffentliche“ Verehelichungsrecht von 1868 hatte im Vergleich zu den vorherigen Gesetzen eine neue Qualität. Man hatte endlich das Recht der Eheschließung vom Recht der Ansässigmachung losgelöst und sogar 48 Damit hatte man die Sanktion der Ungültigkeit von Auslandsehen, wie sie die Verordnung von 1808 eingeführt und das Gesetz von 1825 beibehalten hatte, abgeschafft. Vgl. dazu oben Kap. II. 3. und 7.
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einen Anspruch auf Eheschließung formuliert.49 Man hatte außerdem in Art. 35 HG eine Art Aufgebotsverfahren eingeführt, und bei Verstoß gegen das Gesetz war z. T. die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe, Art. 33 III HG, vorgesehen. Diese Neuerungen können eine gewisse Nähe zum Verfahren bei der Zivilehe nicht leugnen. Allerdings war man an die Revision des Verehelichungsrechtes nicht mit der Absicht herangegangen, den Bereich des Eherechts generell und möglichst dem Verfahren der Zivilehe ähnlich zu gestalten. Die Überarbeitung des Verehelichungsrechtes war Bestandteil einer allgemeinen Reform, der umfassenden Revision der „Heimat- und Sozialgesetze“ 50. In diesem Rahmen wurden die Gesetze über das Gemeindewesen, Ansässigmachung, Verehelichung, Heimat, Aufenthalt, aber auch die Gesetze über das Armenund Gewerbswesen erneuert. Anlaß für diese Revision war, zumindest nach den öffentlichen Begründungen,51 die Förderung der Wirtschaft in Bayern, damit das Land konkurrenzfähig bleibe und dadurch der Nationalwohlstand gesichert werden könne.52 Dabei standen der Freiheit und Freizügigkeit stark reglementierende Gesetze wie im Bereich des Ansässigkeits-, Niederlassungs-, Gewerbs-, aber auch Verehelichungsrechts im Weg. Alle diesem Ziel entgegenstehenden Hemmnisse sollten beseitigt werden. Die Herstellung von mehr Freiheit war auch im Bereich der Ansässigmachung und Verehelichung notwendig, da die letzte Revision von 1834 die Ansässigmachung und die Verehelichung deutlich erschwert hatte.53 Das ursprüngliche Ziel, die Armut zu reduzieren und zu verhindern, hatte man nicht erreicht. Im Gegenteil, die Armenlast war gestiegen, weil es zu wesentlich mehr unehelichen Geburten gekommen war54, die aus den Armenkassen zu unterhalten waren. Viele Paare lebten unverheiratet zusammen, weil sie nicht die ausreichende Absicherung ihres Unterhalts nachweisen konnten, um eine Heiratsbewilligung zu erhalten. Neben diesen kontraproduktiven Maßnahmen, die zu einer Änderung der Gesetzgebung drängten,55 49
Art. 32 HG, Gbl. Bayern 1868, Sp. 378; vgl. auch Nar, Erläuterungen, S. 7 f. Darunter verstand man die von der Regierung verfaßten fünf Gesetzesentwürfe über das Gemeindewesen, Ansässigmachung und Verehelichung, Heimat und Aufenthalt, das Armenwesen und das Gewerbswesen, die aufgrund des Landtagsabschiedes vom 10. November 1861 am 8. und 9. Januar 1867 der Kammer der Abgeordneten vorgelegt wurden. 51 Vgl. dazu Blge B in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 46 ff. 52 Vgl. dazu Blge B in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 47. Es handelte sich um die gleichen Ziele wie 1825 und 1834. Vgl. auch Kap. II.7., III.3. 53 VKAbL 1866/69 Abt. I, S. 46 f. 54 Vor allem auch im Vergleich zur Pfalz lag die Rate der unehelichen Geburten in den Gebieten rechts des Rheins deutlich höher. Vgl. die angeführte Statistik vom Abgeordneten Kolb in: VKAbL 1866/69 Sozialgestzgebung, Abt. II S. 151. 55 Vgl. zur Motivation dieser Gesetzgebung Nar, Erläuterungen, S. 1 ff. 50
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war man zu der Erkenntnis gelangt, daß auch der Nachweis von ausreichendem Vermögen keine Garantie gegen Verarmung sei.56 Interessant ist auch, daß die staatlichen Regeln die Leute damals auch tatsächlich davon abhielt, sich kirchlich trauen zu lassen. Das zeigt wie effektiv die Regelungen waren, die zwar keine Ungültigkeit der Eheschließung zur Folge hatte, aber Bestrafung der Eheleute und vor allem auch der Priester, die im Falle der Verarmung zum Unterhalt verpflichtet gewesen wären. Mit einer neuen Gesetzgebung im Bereich der Verehelichung wollte man vor allem die Zahl der unehelichen Geburten reduzieren und dadurch auch die Armenlast der Gemeinden senken.57 Dabei verfolgte man das ehrgeizige Ziel, die Interessen des Einzelnen und der Gemeinden zum Ausgleich zu bringen. Auf der einen Seite sollte also die Eheschließung und Ansiedlung in einer Gemeinde leichter werden und auf der anderen Seite sollten die Gemeinden dadurch nicht mehr Arme zu unterstützen haben.58 Im Rahmen der vollständigen Überarbeitung der Heimat- und Sozialgesetze sollten diese Gesetze auch in der Pfalz in Kraft treten, um dadurch einen einheitlichen Gesetzeszustand auf diesem Gebiet zu schaffen.59 Bislang hatte man die bayerische Pfalz immer ausgeklammert, da sie seit der Einführung der „Codes napoléons“ viel größere Freiheiten kannte, die man ihr nicht entziehen konnte. Da die geplante Revision die Freiheiten in ganz Bayern vergrößern sollte, zog man eine Erweiterung dieses Gesetzes auf das pfälzische Gebiet ernsthaft in Betracht.60 Die Verwirklichung dieser Ziele in den neuen Gesetzen über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt etc. war über mehrere Jahre durch einen Sonderausschuß beraten worden.61 Der ursprüngliche Entwurf der Regierung enthielt viel weniger Neuerungen, als die endgültige Fassung.62 Allerdings 56 Vgl. die Motive VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I S. 46 f.; Riedel, Kommentar, S. 172 f., dann die Anmerkung 1 zu § 10 der Einleitung. Riedel, Kommentar, S. 173: Die Gefahr der Verarmung sollte durch die größere Gewerbefreiheit, die Freizügigkeit, bessere Schulbildung verringert werden. Andererseits sollten leichtsinnige Ehen durch die Regelungen vermieden werden und Belehrung durch die Gemeinden soweit der sittlich-religiöse Lebenswandel gehoben werden. 57 Die Korrektur der stark die Freiheit der Bevölkerung reglementierenden Gesetze war keine Besonderheit für Bayern. Zur gleichen Zeit wurden im Norddeutschen Bund diese Art beschränkender Gesetze abgeschafft. Vgl. später. 58 Die neue Social-Gesetzgebung für das Königreich Bayern in den Entwürfen sammt Motiven. Nördlingen 1867, S. 131–135. Vgl. dazu Blge B in: VKAbL 1866/ 69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, Blgen Bd, S. 47. 59 VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, Blgen Bd, S. 48. 60 Vgl. dazu Blge B in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I., Blgen Bd, S. 47 f.
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blieb man vor allem bezüglich des Eherechts deutlich hinter dem pfälzischen Zustand zurück, weswegen man die revidierten Gesetze nicht uneingeschränkt auf die Pfalz ausdehnte, sondern nur im Bereich der Heimat und des Aufenthalts, nicht jedoch bezüglich der Verehelichungsvorschriften. Man wollte nichts an den Voraussetzungen der Eheschließung ändern.63 bb) Die Verwirklichung der Verehelichungsfreiheit Was die Verwirklichung der Verehelichungsfreiheit anbelangte, war man sehr vorsichtig und zaghaft vorgegangen. Das wird aus den Rednerbeiträgen im Gesetzgebungsverfahren deutlich. Zwar hatte man in den Motiven des Gesetzes über die Herstellung von mehr Freiheit gesprochen, aber von einem wesentlichen Hemmnis, der Verkoppelung von Ansässigmachung und Verehelichung, hatte sich der Regierungsentwurf nicht gelöst.64 Dies war zwar auch unter Berücksichtigung eines der Hauptziele des Entwurfes, die Eheschließung so wie in der Pfalz auch in den bayerischen Gebieten rechts des Rheins zu erleichtern, diskutiert worden, aber der Entwurf entschied sich bei dem oben dargelegten hohen Interesse des Staates und der Gemeinden an dem Bestand „geordneter Familien und Haushaltungen“ gegen die völlige Freigabe des Eheschließungsrechtes.65 Überdies glaubte man, auf die Mitwirkung der Gemeindebehörden nicht verzichten zu können, weil in den Gebieten rechts des Rheins die Eheschließung von keinem Zivilstandsbeamten, sondern von Priestern vollzogen wurde und ihnen die Würdigung der in Betracht kommenden öffentlich rechtlichen Verhältnisse nicht übertragen werden könne. So verteidigte der Ministerialkommissär den Regierungsentwurf im Sozialgesetzgebungsausschuß mit den Worten:66 „Man sei im diesrheinischen Bayern und zwar nicht erst seit dem Jahre 1825, sondern seit Jahrhunderten gewöhnt, die Erwerbung des Bürgerrechts und das Recht der Verehelichung in unmittelbaren Zusammenhange mit der Ansässigkeit zu sehen, eine Gewöhnung, die so stark sei, daß z. B. die Verordnung vom Jahre 1808 über die Beförderung der Ehen auf dem Lande, welche andere Anschauungen verfolgte, praktisch 61
Mit Gesetz vom 4. Juni 1865 hatte man einen besonderen Ausschuß der Kammer der Abgeordneten eingesetzt, der die „Sozialgesetzgebung“ vorberaten sollte. Ihr Referent war der Abgeordnete Fischer. Vgl. Faber, Verehelichungsrecht, S. 21. 62 Vgl. Blge B in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 44 ff. (45 f.). 63 Nar, Erläuterungen, S. 11. 64 So hieß es im II. Abschnitt über die Verehelichung: „Art. 10 Jeder ansässige Staatsangehörige ist berechtigt, sich zu verehelichen.“ Vgl. Blge B in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, BlgenBd, S. 45. 65 VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, BlgenBd, S. 46 ff. Blge B. 66 VKAbL 1867/69, Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 83.
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nahezu undurchführbar gewesen sei. Diese Gewöhnung entspreche aber auch der Natur der Sache, denn die Eheschließung, die Bürgerrechtsgewinnung und wohl auch der Erwerb der Heimat in einer fremden Gemeinde gingen fast stets Hand in Hand mit der Etablierung eines eigenen Hausstandes; dies sei so gewesen, und sei so und werde auch in Zukunft so bleiben.“67 Der Regierungsentwurf stieß bei den Beratungen in der Kammer der Abgeordneten auf starke Kritik. Der Abgeordnete Fischer führte etwa aus,68 daß das Rechtsinstitut der Ansässigmachung aufzugeben sei. „Die Eheschließung wird, was auch die Natur der Sache empfiehlt, nach meinen Vorschlägen als ein Act von überwiegender privatrechtlicher Bedeutung behandelt; irgendwelche politische Folgen, wie sie der Regierungsentwurf an die Vorbedingung einer Eheschließung gesetzte Ansässigkeit geknüpft hat, sollen mit der Verehelichung nicht verbunden werden.“ Um jedoch mit seinem Vorschlag nicht zu weit zu gehen, betonte er, daß er nur die Voraussetzungen für eine Eheschließung regeln möchte, „nicht die Formen zur Eheschließung“. Er fügte jedoch hinzu: „Eine Regelung der Formen bleibt besonderer Gesetzgebung vorbehalten, die freilich nicht lange mehr verschoben werden sollte und die dem täglich weitere Geltung sich verschaffenden Satze, daß die Eheschließung zunächst ein dem Gebiete des Civilrechts angehöriger Akt ist, ihre Anerkennung nicht versagen dürfe.“69 An die Stelle der Ansässigkeit setzte er das Heimatrecht, das jedoch anders als die Ansässigkeit nicht erst erworben werden mußte, da er das Recht zur Verehelichung und zur Gründung eines eigenen Hausstandes als Ausfluß des Heimatrechtes eines jeden Mannes ansah. Damit wollte er die Eheschließung erheblich erleichtern, ohne dabei die Interessen der Gemeinden allzu sehr zu gefährden.70 Daraufhin wurde der Regierungsentwurf unter Berücksichtigung des Vorschlags von Fischer, die Verehelichung vom Institut der Ansässigmachung zu lösen, überarbeitet.71 Dazu ergingen die Modifikationsanträge von den Abgeordneten Kolb und Dr. Brater.72 67
VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 83. Blge H in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung Abt. I, S. 195. 69 Blge H in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung Abt. I, S. 195. 70 Vgl. dazu Tit. II des Entwurfs vgl. Blge H in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 204. 71 Der Ausschuß hatte in der VII. Sitzung dem Antrag Fischers zugestimmt, die Verehelichung vom Institut der Ansässigmachung zu lösen und die Entwürfe über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt zu vereinigen. VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 83 ff. Über die neuen Entwürfe der Regierung wurde anschließend in 3 Lesungen und 13 Sitzungen beraten. VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 245 Beilage K, „Redaktion der Regierungsvorschläge nach Beseiti68
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Der Modifikationsantrag des Abgeordneten Kolb, eines Pfälzers,73 zielte auf die bessere und uneingeschränkte Umsetzung der Verehelichungsfreiheit nach pfälzischem Vorbild ab. Er plädierte für die völlige Verehelichungsfreiheit ohne staatliches Kontrollverfahren: „Jeder Angehörige des bayerischen Staates, dem nicht civilrechtliche Hindernisse, Verpflichtungen bez. des Militärdienstes oder übernommene Verpflichtungen als Staatsdiener entgegenstehen, ist zur Verehelichung berechtigt, ohne irgend einer obrigkeitlichen Erlaubniß oder Ermächtigung zu bedürfen und ohne zur Entrichtung einer Heirathsgebühr, unter welchem Namen es auch sei, angehalten werden zu können.“ Kolb setzte sich damit den Beratungen bewußt in in Gegensatz zu den übrigen Vorschlägen durch den Regierungsentwurf, durch den Referenten Fischer, und schließlich durch den Modifikationsantrag des Abgeordneten Dr. Brater, die einheitlich ein „Konstatierungsverfahren“, also ein staatliches Feststellungs- bzw. Kontrollverfahren, für erforderlich hielten und den Gemeinden ein, wenn auch beschränktes, Widerspruchsrecht einräumten. Kolb rechtfertigte seinen Antrag damit, daß nach diesem System nicht nur in der Pfalz, sondern auch in Frankreich und vielen anderen Ländern verfahren würde und es schon erprobt sei.74 Kolb sah in der Freigabe der Verehelichung die Ursache der besseren sozialen Verhältnisse in der Pfalz, vor allem in Bezug auf die unehelichen Geburten, die z. T. nur die Hälfte oder sogar nur ein Drittel des Prozentsatzes der übrigen bayerischen Bezirke betrugen. Auch das Argument, daß dort dafür mit diesem System mehr leichtsinnige und damit unglückliche Ehen geschlossen würden, sei nicht haltbar, da die Statistik die Scheidungsrate bzw. die Trennungen von Tisch und Bett im diesseitigen Bayern um das fünffache höher lägen als in der Pfalz.75 Der Antrag Kolb war der radikalste gewesen. Ihm wurden große Zweifel entgegengebracht. Der Abgeordnete Dr. Brater, der den zweiten Modifikationsantrag eingebracht hatte,76 erklärte sich zwar prinzipiell mit den Ausführungen seines Vorredners einverstanden, da die wirtschaftlichen und sittgung des Institutes der Ansässigmachung“. Und ebd. Abt. I S. 273 Beilage Q und ebd. Abt. II S. 91 bis S. 237 und S. 275 bis 303; vgl. neuer Entwurf zum Verehelichungsrecht Art. 17a–k Blge K in: VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. I, S. 245 ff. 72 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II: Protokolle der Sitzungen des Ausschusses. 73 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 151 ff. (153). 74 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 151. 75 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, II. Abt., S. 151 ff. (153). Allerdings verkannte diese Argumentation, daß der Code Civil die Scheidung sehr erschwert hatte. 76 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 150.
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lichen Vorteile der Verehelichungsfreiheit allgemein anerkannt seien, aber er hielt diese Art des Systems für praktisch nicht durchführbar. Der Sprung vom jetzigen Regelungsstand im rechtsrheinischen Bayern zur Verehelichungsfreiheit sei zu groß und man würde bei der Kammer aber auch generell im Land auf unüberwindlichen Widerstand stoßen. Deswegen müsse man sich auf Modifikationen des Regierungsentwurfs beschränken.77 Insgesamt zielte sein Antrag auf deutliche Vereinfachung des Vorschlags von Fischer und dabei auf die aus seiner Sicht überflüssige Verknüpfung des Verehelichungsrechtes an das Heimatrecht ab. Diese von ihm vorgeschlagenen Veränderungen führten zu dem schlichten Wortlaut: „Jeder Staatsangehörige hat unter den in den nachfolgenden Artikeln festgestellten Voraussetzungen das Recht, sich zu verehelichen.“ Die Vertreter der Regierung, der königliche Ministerialkommissär und der Staatsminister Freiherr von Pechmann, verteidigten den Regierungsentwurf.78 Er beruhe ebenfalls auf dem Prinzip der Verehelichungsfreiheit. Man habe nur versucht, auch die Rechte und Interessen der Gemeinden zu schützen. Der Staatsminister machte aber unmißverständlich deutlich, daß der Antrag Kolb bei der Bevölkerung des diesseitigen Bayern kein Verständnis fände. Der Abgeordnete Kolb versuchte gegen diese Ansicht nochmals das Pfälzer Modell und die Einführung der Zivilehe im rechtsrheinischen Bayern zu verteidigen und sprach dabei zwei wesentliche Dinge an: Zum einen wies er auf Ähnlichkeiten zwischen linksrheinischem und rechtsrheinischem System hin. Er verglich das Konstatierungsverfahren mit dem Aufgebotsverfahren des Code Civil,79 das sich nur darin unterscheide, vorwiegend auf die ordnungsgemäße Publizierung der beabsichtigten Ehe zu achten, und machte deutlich, daß man für die Einführung der Zivilstandsakten bzw. -register nicht die gesamte pfälzische Zivilgesetzgebung übernehmen müsse. Zum anderen griff er in diesem Zusammenhang nochmals das Problem der Abgrenzung von öffentlichem und zivilen bzw. kirchlichem Eherecht auf und knüpfte an eine Aussage Fischers an, der die Eheschließung „zunächst“ dem Gebiete des Zivilrechts zuordnete. Diesen Hinweis hielt er in der Sache nicht förderlich. „Hier wäre behauptet, es liege ein wesentlich civilrechtliches Verhältniß vor, andererseits behaupte man das Gegentheil. Es seien dies zwei sich diametral entgegenstehende Ansichten, welche sich nicht vereinigen ließen.“ Er sah die Lösung in der franzö77
VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 153. VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 154. 79 Diesen Vergleich hatte vor ihm bereits Dr. Edel angestellt, der den Unterschied allein darin sah, daß man das Verfahren rechts des Rheins den Gemeindeverwaltungen und Distriktsverwaltungsbehörden zuteilen müßte, da es keine anderen Organe gebe, die dazu befähigt seien und dem Richter untergestellt. VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 153 f. 78
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sischen Auffassung, daß es bezüglich des Eherechts vielmehr auf die Unterscheidung von weltlichen und kirchlichen Belangen ankomme.80 Zwar sei die Kirche gegen die Einführung der Zivilehe und die Führung der Zivilstandsregister durch weltliche Beamte, dennoch sei die Zivilehe aber von katholischen Völkern zuerst eingeführt worden. „Wenn man aber auch jetzt über die Civilehe weggehe, so werde man doch bald, um die Ordnung in die Sache zu bringen, genöthigt sein, auf dieselbe einzugehen. Aber gerade jetzt, wo es gelte, das bestehende Recht zu ändern, sollte man dies vollständig thun, und es wäre sehr wohl ausführbar.“81 Die Endfassung des Gesetzes zur Verehelichung hatte den Modifikationsantrag Braters berücksichtigt.82 Man hatte sich damit formal zur Formulierung der Verehelichungsfreiheit durchgerungen, ohne aber dabei gänzlich den „Erlaubnisvorbehalt“ abzuschaffen. Es bedurfte also eines Verfahrens, das die jedermann zustehende Eheschließungsfreiheit bestätigte. Berücksichtigt werden konnten dabei die Militärdienstpflicht, dienstliche Verpflichtungen der Beamten und Angestellten, beamtenähnliche Verhältnisse sowie gemeindliche Interessen in eng begrenztem Umfang. Vor allem mit der Loslösung des Verehelichungsrechtes von der Ansässigkeit hatte man im Vergleich zur Gesetzgebung von 1834 jedoch eine Erleichterung für die Eheschließung erreicht.83 Auch der Eheschließungsfreiheit war man im linksrheinischen Bayern ein kleines Stück näher gekommen.84 Dadurch war zwar der Unterschied zum pfälzischen Gebiet nicht mehr so groß, aber die ursprünglich angestrebte Vereinheitlichung hatte für das Eherecht nicht stattgefunden. Zu einer Einführung der völligen Eheschließungsfreiheit hatte man sich nicht entschließen können, da 80
„Der Standpunkt der französischen Gesetzgebung sei einfach der, daß, was weltlich sei, vor die weltliche Behörde gehöre, daß dagegen die geistlichen Behörden in geistlicher Beziehung nach ihren Ansichten verfahren möchten.“ VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 155. 81 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 155. 82 Text in: VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 150: „Der Unterzeichnete beantragt, die Art. 17a bis 17f des Regierungsentwurfes resp. Art. 19 bis 24 des Referates durch folgende Bestimmungen zu ersetzen: Art. a: „Jeder Staatsangehörige hat unter den in den nachfolgenden Artikeln festgestellten Voraussetzungen das Recht, sich zu verehelichen.“ 83 Das Recht der Eheschließung ist losgekoppelt von dem Besitz eines Ansässigkeitstitels (§ 8 Ziff. 1 und 2 des revidierten GAV von 1834). Damit sind Hindernisse, die sich aus der Ansässigmachung ergeben haben, hinfällig geworden, wie das weitgehende Veto der Gemeinden. Die Gemeinden können nur noch nach Art. 36 Einspruch erheben. Riedel, Kommentar, S. 171 f. 84 Nar, Erläuterungen, zu Art. 32 HG, S. 103 f.: Durch den Art. 32 ff. wurde das bisher geltende öffentliche Recht bezüglich der Verehelichung unter Auslassung der zivil- und kirchenrechtlichen Seite wesentlich in einer die individuelle Freiheit und Selbstbestimmung fördernden Weise abgeändert.
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man auf staatliche Kontrolle Wert legte, und die man mangels Zivilehe sonst völlig verloren hätte. Gleichzeitig wurde man sich sehr schnell klar darüber, daß man den Pfälzern nicht das rechtsrheinische Prozedere bei der Eingehung einer Ehe zumuten könne und außerdem sich das dortige Recht bewährt habe. Deswegen sprach man sich für Ausnahmeregelungen für die Pfalz aus. cc) Einschränkungen der Verehelichungsfreiheit dienstlicher Art Nach der Entscheidung für die abgemilderte Einführung der Verehelichungsfreiheit durften natürlich keine zu schwer überwindbaren Hindernisse der Eheschließung aufgestellt werden. Unter dieser Prämisse wurden vor allem die öffentlich-rechtlichen Erfordernisse wie der geleistete Militärdienst, die dienstliche Bewilligung und die gemeindliche Bewilligung auf ihre einschränkende Wirkung überprüft. Hinsichtlich der Verehelichungserlaubnis für die Militärpersonen und der Verehelichungsbewilligung der Zivilbeamten meldeten einige Abgeordnete Bedenken an, daß dieses Verlangen des Staates nichts anderes als eine Bevormundung seiner Beamten sei, die sehr oft aus rein fiskalischen Interessen geschehe und nicht mit der Verehelichungsfreiheit als einem ursprünglichen Recht des Menschen vereinbar sei.85 Andere betonten aber immer wieder die Möglichkeit des Mißbrauchs der Eheschließung, um Pensionsansprüche für Witwen und Kinder zu sichern, was zu einer immensen finanziellen Belastung des Staates und zu skandalösen Heiraten von Beamten führe.86 Im Ergebnis behielt man die dienstliche Verehelichungsbewilligung für Zivilbeamte bei.87 dd) Verfahren zur Aufdeckung bürgerlichrechtlicher Ehehindernisse Außer der Annährung an die völlige Eheschließungsfreiheit zeigen weitere Vorschriften des HG Ähnlichkeiten zum zivilen Eheschließungsrecht. Dazu gehört das Verfahren zur Aufdeckung bürgerlich-rechtlicher Ehehindernisse und die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe. Durch das Konstatierungsverfahren sollte erreicht werden, daß die Ausstellung des Zeugnisses bzw. die gerichtliche Bestätigung, daß keine Ehehindernisse vorliegen, nicht nur „eine leere Formel“88 ist. In der Diskussion 85 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 165 f. (Edel, Ausschußvorstand). 86 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 166 (Staatsminister Freiherr von Pechstein, von Schlör, Ministerialkommissar). 87 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 167.
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wurde z. T.89 vorgeschlagen, das gleiche Verfahren einzurichten wie in der Pfalz, wo mit dem Aufgebot gleichzeitig die Aufforderung an die Öffentlichkeit geht, Ehehindernisse bekanntzugeben. Für die Bekanntmachung der beabsichtigten Eheschließung sollte die Gemeinde, für die Ausstellung des Zeugnisses das zuständige Zivilgericht zuständig sein. Die Kirche wahre ihre Interessen an der Entdeckung kirchenrechtlicher Hindernisse durch dreimalige Verkündung und deswegen müsse auch der Staat auf ähnliche Weise die zivilrechtlichen Ehehindernisse ermitteln. Die staatliche Verkündung sollte nichts an dem bestehenden kirchlichen System ändern, d.h. es sollte also zusätzlich die dreimalige Verkündung an den Sonntagen stattfinden. Diese strikte Trennung von staatlichem und kirchlichem Aufgebot praktiziere man auch in der Pfalz90 und mache auch den Gegensatz von kirchlicher und staatlicher Ehe deutlich91. Der königliche Ministerialkommissar92 meldete grundsätzliche Bedenken gegen den Vorschlag an, weil die gegenwärtige Gesetzesvorlage hauptsächlich die öffentlich-rechtlichen Verhältnisse der Eheschließung in ihrer Beziehung zur Gemeinde zu regeln habe und die Diskussion, so wie sie jetzt geführt werde, nicht mehr diesem Zweck entspräche. Er schlage vor, daß die Ausstellung der Zeugnisse und die Verpflichtung zum Erlasse der Bekanntmachung als Aufgabe an die Distriktspolizeibehörden verwiesen werde. Diese Behörde hätte den gesamten Vorgang erst mal zu würdigen und hätte das Gesuch der Gemeinde mit dem Auftrage zu schließen, daß die Gemeinde die Proklamation zu erlassen habe und der Gemeinde gleichzeitig eine 14tägige Frist zur Geltendmachung ihres Einspruchs zu eröffnen. Dieses Verfahren passe besser zu den bisherigen Vorschlägen und Zielen des Entwurfs. Außerdem hielte er es für nötig, daß bestimmte Ehehindernisse von Amts wegen erforscht würden, weil sie sicherlich nie zur Anzeige gebracht würden.93 Der Abgeordnete Fischer kommentierte die Unentschlossenheit hinsichtlich der Zuständigkeitsverteilungen – die natürlich durch die Kompetenzund Abgrenzungsprobleme zum bislang kirchlich geprägten Aufgebotsverfahren erschwert war – mit den Worten: „Man überzeuge sich mehr und mehr, daß es ein verhältnißmäßig einfacher Ausweg wäre, sofort die Civilehe obligatorisch und allgemein einzuführen.“94 88
VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 159. VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 159 f. 90 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 160 (Kolb). 91 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 160 (Ausschußvorstand). 92 VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 160. 93 Vgl. Vorschlagsformulierung in: VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 161. 94 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 164. 89
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Schließlich fand der Vorschlag der Überprüfung durch die Distriktspolizeibehörde Akzeptanz. Damit gab es ein staatliches Aufgebotsverfahren. In Riedels Kommentar zum Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt95 hieß es: „Bisher war im diesrheinischen Bayern nur eine kirchliche Proklamation notwendig. Jetzt gibt es nun auch eine Proklamation durch die Gemeindebehörden.“ Die Dispensation von dem gemeindlichen Aufgebot war nicht zulässig.96 Die gemeindliche Proklamation konnte auch nicht durch die kirchliche Proklamation ersetzt werden.97 Vielmehr existierten diese zwei Aufgebotsverfahren völlig unabhängig nebeneinander. Dieses Nebeneinander des staatlichen und kirchlichen Verfahrens erinnert sehr an die späteren getrennten und unabhängig stattfindenden Verfahren der obligatorischen Zivilehe, wie sie bereits in der bayerischen Pfalz bestand. Ein Indiz dafür, daß der Staat noch kein völlig von kirchlichem Recht unabhängiges System geschaffen hatte, war jedoch die Tatsache, daß man bei dem Aufgebotsverfahren neben den zivilrechtlichen auch kirchenrechtliche Ehehindernisse berücksichtigen wollte. ee) Die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe Die Androhung der bürgerlichen Ungültigkeit von Ehen, die im Widerspruch zum Gesetz über Heimat, Aufenthalt und Verehelichung eingegangen waren, Art. 33 HG, war eine Neuerung von großer Bedeutung. „Art. 33 stellt ein absolutes staatliches Ehehindernis dar, bezüglich dessen auch keine Dispensation möglich ist, d. h. kein Staatsangehöriger diesseits des Rheins darf ohne das Zeugnis im In- noch im Auslande eine Ehe schließen.“98 Bislang hatte es keine staatliche Eherechtsnorm in Bayern gegeben, die die Ungültigkeit der Ehe nach sich gezogen hätte, mit Ausnahme der Ehen die verbotswidrig im Ausland geschlossen worden waren.99 Die Verordnung vom 12. Juli 1808100 ordnete erstmals deren Ungültigkeit an. Die Ausdehnung der bürgerlichen Ungültigkeit in den Bereich des Privatrechts verwundert deswegen, weil in den Verhandlungen101 und in den 95
Riedel, Kommentar, S. 194 Art. 35 Anm. 3a. Riedel, Kommentar, S. 194 Art. 35 Anm. 3a im Unterschied zur Dispensation vom kirchlichen Aufgebot, wofür Riedel auf die allerhöchste Entschließung vom 27. Februar 1809 (Döllinger XIX S. 257) verweist. 97 Riedel, Kommentar, S. 194 Art. 35 Anm. 3c. 98 Riedel, Kommentar, Anm. 4 zu Art. 33, S. 177. 99 Vgl. dazu Verordnung vom 12. Juli 1808 und vom 11. September 1825 und 1. Juli 1834, s. dazu Kap. II.3.d. und 7., Kap. III.3, vgl. auch Riedel, Kommentar, Anm. 9 a zu Art. 33, S. 178 f. 100 Vgl. oben Kap. II.3.d. 96
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Kommentaren102 der öffentlichrechtliche Charakter der Verehelichung betont wurde. Gleichzeitig kann man aber in einem Kommentar zum Gesetz über Aufenthalt und Verehelichung als Erklärung für die Erstreckung der Sanktion auf das Privatrecht lesen:103 Die Bestimmung des Art. 33 II HG wurde in das Gesetz vom 16. April 1868 aufgenommen, „hauptsächlich zu dem Zwecke, um dem weltlichen Recht in Bezug auf die Eheschließung gegenüber dem kirchlichen energischen Ausdruck zu geben“. Die Bestätigung dieser Einschätzung lieferte die Aussage des Ausschußreferenten Fischer: „Was da, wo die Civilehe obligatorisch ist, der Civilakt sei, das solle bei uns vorerst das polizeiliche Verehelichungszeugniß sein“. Liege das Zeugnis vor, so müsse die aufgrund desselben geschlossene Ehe vom Staat als gültig anerkannt werden, selbst wenn die Polizeibehörde das Zeugnis eigentlich hätte verweigern sollen; würde das Zeugnis aber nicht erlangt, so sei die trotz der geschlossenen Ehe nach bürgerlichem Rechte ungiltig.“104 Fischer105 hoffte für die endgültige Lösung dieses Problems auf die baldige Einführung der Zivilehe, „bis dahin aber müsse man wenigstens durch die Gesetzes-Bestimmung dafür sorgen, daß Trauungen, welche unter Nichtbeobachtung der gesetzlichen Vorschriften vorgenommen wurden, als bürgerlich unwirksam und ungiltig erscheinen“. Bis dahin vertrete das distriktspolizeiliche Zeugnis die Stelle des Zivilaktes. Der Ausschußvorstand schloß sich der Auffassung Fischers an, da sonst dem Gesetz völlig „die Bedeutung und Würde“ abgesprochen würde. „Die Vorschläge der Staatsregierung und des Referenten enthielten auch nichts Neues, denn schon im Jahre 1808 habe der Staat in einer Verordnung gewisse Bedingungen statuirt, von denen die Ertheilung der Verehelichungsbewilligung abhängig gemacht worden sei, und habe die Umgehung derselben mit Nichtigkeit der Ehe bedroht.“106 Während also auf der einen Seite versucht wurde, dem Staat ein Instrument in die Hand zu geben, das die Kontrolle über die Eheschließungen im Land ähnlich sicherte wie die Zivilehe, und man sich auch bei den Regelungen sehr an das Verfahren und die Sanktionen der Zivilehe annäherte, so wurde auf der anderen Seite in den Kommentaren zu diesem Gesetz betont, daß die Ausstellung des Verehelichungszeugnisses nicht mit einem zivilen Trauungsakt verwechselt werden dürfe. Eine Ehe sei also erst nach einer förmlichen Kopula101
Vgl. dazu oben. U. a. k. Ministerialkommissar. VKAbL 1866/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 160. 102 Nar, Erläuterungen, S. 113 f.; vgl. Nar, Handbuch, S. 484; Riedel, Kommentar, S. 194 Art. 35 Anm. 3c. 103 Riedel-Proebst, Kommentar, S. 64. 104 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 172. 105 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 156. 106 VKAbL 1867/69 Sozialgesetzgebung, Abt. II, S. 172.
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tion oder Trauung vorhanden. Es wurde auch ausdrücklich hervorgehoben, daß das Verehelichungszeugnis durchaus keinen Anspruch auf Trauung gewähre; vielmehr sei der die Trauung vornehmende Geistliche dazu berechtigt und verpflichtet, die Zulässigkeit der Ehe aus der Sicht des Kirchenrechts zu prüfen und gegebenenfalls trotz ausgestellten Zeugnisses zu verweigern.107 Dadurch sollte der „Nichteingriff“ in kirchliche Belange demonstriert werden. Die gleiche Funktion erfüllte der Beschluß, Ehen, die trotz fehlenden Verehelichungszeugnisses vom Priester geschlossen wurden, nicht als Konkubinate i. S. d. Art. 15 des Polizeistrafgesetzes anzusehen.108 Riedel109 schreibt in seinem Kommentar: „Die kirchliche Proklamation wird aber durch die gemeindliche auch nicht unbedingt überflüssig, denn nach den bestehenden Zivilgesetzen vertritt die kirchliche Copulation zugleich die Stelle des Ziviltrauungsaktes und es sind daher die hiermit zusammenhängenden und in den einzelnen Statuarrechten ausdrücklich vorgeschriebenen Formalitäten zu erfüllen, zumal das vorliegende Gesetz jeden Übergriff in die Sphäre des Zivil- und Kirchenrechts grundsätzlich vermeidet, und sich überhaupt nicht mit den Formen der Eheschließung befaßt.“ Dieser Kommentar zum Aufgebotsverfahren zeigt aber, wie sehr man sich gegen Ähnlichkeiten zur Ziviltrauung verwahrte. Diese öffentlich vertretene und immer wieder zitierte Meinung schien vor der ganzen Wahrheit die Augen zu verschließen, wenn man die Auffassungen, die in den Ausschüssen und Verhandlungen vertreten wurden, betrachtet. Nar110 hingegen sah die Dinge klarer. Er hielt das Einspruchsverfahren für eine „Art bürgerlicher Proklamation als Vorbedingung für die Ausfertigung des Verehelichungsattestes, das seinerseits wieder die alleinige Grundlage für die bürgerliche Gültigkeit der Ehe [bildet]“. Dieses Verfahren trage dazu bei, „die Qualität der Ehe als eines bürgerlichen Rechtsaktes gegenüber der kirchlichen Seite klarer hervortreten zu lassen“. Aber auch er schloß mit dem wichtigen Satz, „daß durch die bürgerliche Proklamation die kirchliche Proklamation nicht beseitigt werden wollte“. Dies sei Selbstverständlichkeit, „da das Gesetz die Verehelichung nur von der Seite ihres öffentlich rechtlichen Charakters in den Bereich seiner Dispositionen zieht, im übrigen aber die kirchen- und zivilrechtlichen Bestimmungen über die Ehe ganz unberührt läßt“. 107
Riedel, Kommentar, Anm. 6 a, b zu Art. 33, S. 177. Riedel, Kommentar, Anm 9a zu Art. 33, S. 178 f. 109 Riedel, Kommentar, S. 194 Art. 35 Anm. 3c. 110 Nar, Erläuterungen, S. 113 f.; nicht nur „öffentliche[s] Verehelichungsrecht“. Es wurde aber ganz im Gegenteil überall in der Literatur und den Kommentaren betont, daß das neue Gesetz „nur die staatspolizeilichen Verhältnisse bei der Verehelichung der Staatsangehörigen“ regele und „die civil- und kirchenrechtlichen Verhältnisse“ unberührt ließe. Vgl. Nar, Handbuch, S. 484. 108
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Abschließend ist jedoch festzuhalten, daß sich Bayern 1868 stark auf die völlige Trennung von Staat und Kirche im Bereich des Eherechts zubewegte. Für eine Zivileheschließung fehlte es nur an der Möglichkeit, bei einer staatlichen Einrichtung die Ehe wirksam einzugehen. Außerdem wurden noch keine Zivilstandsregister geführt. Alle anderen Voraussetzungen waren gegeben: ein staatliches Aufgebotsverfahren und die staatliche Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit der Ehe bei Verstoß gegen staatliches Verehelichungsrecht. An diesem Befund ändert die Tatsache, daß die Regelungen im Gesetz über Heimat, Aufenthalt und Verehelichung von 1868 in der Öffentlichkeit nicht in diesem Sinne interpretiert wurden, nichts. Die Beiträge der Abgeordneten im Gesetzgebungsverfahren sprechen eine klare Sprache.
3. Das „Gesetz über Schließung und Trennung der Ehen keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehörenden Personen“ vom 2. Mai 1868 a) Inhalt des Gesetzes Am 2. Mai 1868 wird ein Gesetz über Schließung und Trennung der Ehen von Personen, die keiner anerkannten öffentlichen oder privaten Religionsgemeinschaft111 angehören (Dissidenten, Art. 1112), erlassen.113 Zwei Brautleute, die beide keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehörten, konnten nach diesem Gesetz eine bürgerlich rechtsgültige Ehe „durch eine Verhandlung vor dem Gericht“ eingehen, was man „bürgerliche Trauung“ nannte (Art. 1, 3). Nach Art. 5 liegt die Zuständigkeit zur Vornahme der Trauung bei dem „Einzelngericht“, in dessen Sprengel die Brautleute woh111 Staatlich anerkannte Religionsgesellschaften waren in Bayern zu dieser Zeit die öffentlichen Religionsgesellschaften, wozu die katholische Kirche und die „protestantische Gesammtgemeinde“ gehörten. Letztere unterteilte sich in die Bekenntnisse der Lutherischen und der Reformierten, weswegen das Religionsedikt § 24 von drei öffentlichen Religionsgesellschaften sprach. In der Pfalz hatten sich die Lutherischen und die Reformierten bereits zu einer Gemeinde, den Unierten, zusammengeschlossen; dort existierten dadurch nur zwei öffentliche Religionsgesellschaften. Staatlich anerkannt waren aber auch die privaten Religionsgesellschaften. Dazu zählten die Gemeinschaft der Israeliten, durch das Edikt vom 10. Juni 1813 § 23, sowie die Anhänger gewisser christlicher Bekenntnisse: a) die unierten und nichtunierten Gesellschaften der griechischen Kirche – Moy, Lehrb. Bd I S. 91 rechnet die griechische Confession zu den öffentlichen Religionsgesellschaften –, b) die Mennoniten und die Herrnhuter Brüdergemeinde und c) die Irvigianer. Umstritten ist die Lage der Anglikaner. Nicht anerkannt waren die freien Gemeinden oder Deutschkatholiken. Vgl. Pözl, Lehrb., S. 243 f. 112 Vgl. Gbl. Bayern 1868, Sp. 406. 113 Gbl. Bayern 1868, S. 405 ff.
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nen. Haben die Brautleute unterschiedliche Wohnsitze, so haben sie ein Wahlrecht zwischen den „Einzelngerichten“ an ihren jeweiligen Wohnsitzen. Haben beide Brautleute keinen Wohnsitz im Inland, gilt Gleiches in Bezug auf den Heimatort. Bevor der Richter zur Trauung schreiten darf, muß die Zulässigkeit der Eheschließung nach den gesetzlichen Voraussetzungen nachgewiesen sein, Art. 6. Das Gesetz führt nicht näher aus, was unter den gesetzlichen Voraussetzungen zu verstehen ist. Es ist aber anzunehmen, daß hiermit auch das im rechtsrheinischen Bayern notwendige Verehelichungszeugnis gemeint war. Vor Erteilung dieses Zeugnisses wurden auch die zivilrechtlichen Ehehindernisse mit überprüft. Nachdem das Dissidentengesetz keine materiellen Ehevorschriften mit Ausnahme des Ehehindernisses der zu nahen Verwandtschaft114 enthält, ist davon auszugehen, daß für diese Ehen das in Bayern für die verschiedenen Gebiete geltende Eherecht anwendbar war. Die Eheschließung ist vom Richter bekannt zu machen, wobei er darauf hinzuweisen hat, daß nur binnen 10 Tagen Einspruch erhoben werden kann, Art. 7. Ist Einspruch erhoben worden, muß der Richter die Trauung solange verweigern, bis er durch rechtskräftige Entscheidung des zuständigen Gerichts verworfen oder das Ehehindernis beseitigt worden ist, Art. 8. Wenn die beabsichtigte Eheschließung bereits von einer anderen dazu befugten Staats- oder Gemeindebehörde nach Vorschrift der einschlägigen Gesetze bekannt gemacht worden ist, und auch die Aufforderung zu Einsprüchen auf diese Weise stattgefunden hat, so hat die Bekanntmachung durch den Richter zu unterbleiben, Art. 9 Abs. 2.115 Hat diese Bekanntmachung an einem außerhalb des Königsreiches gelegenen Orte stattgefunden, so genügt der Nachweis, daß hinsichtlich der Verkündung der beabsichtigten Eheschließung die Vorschriften eingehalten worden sind, Art. 9 Abs. 2. Wird die Trauung von dem betreffenden Einzelgericht verweigert, kann Beschwerde an das vorgesetzte Bezirksgericht erhoben werden, Art. 10. Die Trauung muß unter Beiziehung eines Gerichtsschreibers und in ununterbrochener Anwesenheit der Brautleute und zweier Zeugen vorgenommen werden, Art. 11. Die Trauung ist öffentlich im Gerichtsgebäude vorzunehmen; eine Ausnahme davon ist nur möglich, wenn einer der Brautleute au114 Nach Art. 4 ist das Ehehindernis zu naher Verwandtschaft für Dissidenten beschränkt; es gilt nur unter Blutsverwandten und Verschwägerten in gerader Linie und vollblütigen oder halbbürtigen Geschwistern. Was die übrigen Ehehindernisse und die rechtlichen Voraussetzungen für die Eheschließung anbelangt, verweist das Gesetz auf das Eherecht, das am Wohnort der Brautleute für Protestanten gilt, soweit es mit den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes vereinbar ist (Art. 4). 115 Zu denken ist hier an das Konstatierungsverfahren wie es Art. 35 HG vorsah. Dieses Verfahren trat auch später nach Inkrafttreten des RPStG an die Stelle des Aufgebotsverfahrens. Vgl. dazu später.
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ßer Stande ist, sich persönlich in das Gerichtsgebäude zu begeben, Art 13. Bei der Trauung hat der Richter den urkundlichen Nachweis der Ehefähigkeit (Art. 6) zu verlesen und die Brautleute auf die rechtliche Bedeutung der Ehe aufmerksam zu machen, Art. 14 Abs. 1. Anschließend stellt der Richter die Frage, ob sich beide anwesenden Teile ehelich verbinden wollen, Art. 14 Abs. 2. Wenn die Brautleute diese Frage bejaht haben, erklärt der Richter die Ehe für geschlossen, Art. 14 Abs. 4. Mit dieser Erklärung beginnt die Rechtswirksamkeit der Ehe, Art. 14 Abs. 5. Über die Trauung ist sofort eine Urkunde zu erstellen mit dem in Art. 15 bestimmten Inhalt, Art. 15. Diese Urkunde bleibt mit allen Beilagen in gerichtlicher Verwahrung; Ausfertigung ist auf Verlangen den Eheteilen, sowie Personen, die daran ein rechtliches Interesse haben, zu erteilen, Art. 15 Abs. 4. Der Richter hat der Distriktsverwaltungsbehörde von der erfolgten Eheschließung zum Zwecke des Eintrags in die Zivilregister unverzüglich Nachricht zu erteilen, Art. 15 Abs. 5. Art. 16 gibt an, bei welchen Formverstößen die Ehe von Personen, die ein berechtigtes Interesse daran haben, von zuständigen Staatsbehörden oder der Gemeinde, eine Ehe von Dissidenten für ungültig erklärt werden kann. Die folgenden Artikel 17–22 beschäftigen sich mit den im Falle von Ehestreitigkeiten zuständigen Ehegerichten und dem Verfahren. Art. 17 erklärt, daß für Ehestreitigkeiten unter Dissidenten durch eine königliche Verordnung mehrere Bezirksgerichte als Ehegerichte erster Instanz und ein Appellationsgericht als zweite und letzte Instanz bezeichnet werden. Entsprechend den formellen Regelungen zur Eingehung einer Dissidentenehe, die ausschließlich unter Dissidenten eingegangen werden konnte, blieb die Ehegerichtsbarkeit in den übrigen Fällen erhalten. So lautet Art. 18: „Bei gemischten Ehen behalten die besonderen Ehegerichte, welche für die Katholiken und beziehungsweise Protestanten eingesetzt sind, ihre bisherige Zuständigkeit bezüglich der betreffenden Religionsgenossen, auch wenn es sich um eine Ehe zwischen einer solchen Person und einem Dissidenten handelt, soferne die Ehe durch kirchliche Trauung geschlossen oder diese der bürgerlichen Trauung nachgefolgt ist.“ In allen verbleibenden Angelegenheiten sind die in Art. 17 genannten Ehegerichte zuständig, wenn gegen die Ehepartner anerkannter Religionsgesellschaften „von ihrem zu den Dissidenten gehörigen Ehegatten oder einem Dritten in Ehesachen Klage gestellt wird“. Die nach Art. 17 eingesetzten Ehegerichte haben materiell in Ehescheidungssachen das „am Wohnort des Beklagten für Protestanten geltende Eherecht“ anzuwenden, soweit dasselbe mit den Vorschriften dieses Gesetzes
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vereinbar ist, Art. 20.116 Das Verfahren der nach Art. 17 eingesetzten Ehegerichte soll sich nach dem Verfahren für protestantische Ehegerichte richten. Wird vor einem nach Art. 17 eingesetzten Ehegericht auf Ehescheidung oder Trennung von Tisch und Bett geklagt, so soll vor der Verhandlung ein Sühneversuch vorgenommen werden, zu dem die Ehepartner ohne Beistand persönlich zu laden sind, Art. 22.117 Zu diesem Sühneversuch kann auf Antrag des Beklagten oder aber auch von Amts wegen ein Seelsorger des Bekenntnisses der Ehegatten bzw. bei gemischten Ehen der jeweils betreffenden Religion geladen werden, Art. 22 Abs. 2. Wird eine „Dissidentenehe“ für nichtig oder ungültig erklärt, geschieden oder von Tisch und Bett getrennt, so ist eine beglaubigte Abschrift des Urteils der Eheschließungsurkunde hinzuzufügen und in alle Ausfertigungen dieser Urkunde in Zukunft aufzunehmen, Art. 23 Abs. 1. Gleichzeitig ist die Distriktsverwaltungsbehörde von dieser Entscheidung in Kenntnis zu setzen, damit sie dies in das Zivilstandsregister einträgt, Art. 23 Abs. 2. Die Art. 24–26 sanktionieren die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes durch die Richter, die eine solche bürgerliche Trauung vornehmen, mit verschiedenen Geldstrafen. Art. 2 des Gesetzes stellt klar, daß die ursprüngliche „Dissidentenehe“ auch dann ihre Gültigkeit behielt, wenn einer der Eheleute nach Eheschluß zu einer anerkannten Religionsgemeinschaft wechselte. Umgekehrt wurde auch Gültigkeit einer Ehe zwischen Mitgliedern einer anerkannten Religionsgesellschaft nicht durch den Austritt aus dieser Religionsgemeinschaft nach Abschluß der Ehe berührt, Art. 2 Abs. 2, also eine einmal zwischen zwei Katholiken oder auch zwischen Katholiken und Protestanten geschlossene Ehe konnte auch nicht im nachhinein durch eine Veränderung der Konfession erschüttert werden. Ebenfalls begründete die durch den Einoder Austritt eines Ehegatten in oder aus einer Religionsgemeinschaft bedingte Verschiedenheit des Glaubensbekenntnisses für den anderen Ehegatten keinen Scheidungsgrund (Art. 2 Abs. 3). Im Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1868 finden sich vom 2. Juli 1868 Vollzugsanordnungen.118
116 117 118
Gbl. Bayern 1868, Sp. 415. Gbl. Bayern 1868, Sp. 416. Gbl. Bayern 1868, Sp. 1273 ff., 1473 ff.
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b) Entstehung des Gesetzes aa) Die Diskussion in der Kammer der Abgeordneten Der Entwurf eines Gesetzes über „die Schließung und Trennung der Ehen der keiner anerkannten Religionsgesellschaft angehörigen Personen“ wurde vom Staatsminister von Lutz in der öffentlichen Sitzung der Kammer der Abgeordneten vom 24. Januar 1868 vorgelegt.119 Dieser Gesetzesentwurf erging auf einen Wunsch des Landtages120, genauer gesagt auf den Antrag der Abgeordneten Dr. Brater und Genossen im Jahr 1863 zurück, die die Vorlage eines Gesetzesentwurfes forderten, der für alle Staatsangehörigen ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses die Eingehung einer rechtsgültigen Ehe durch einen staatlichen Eheschließungsakt ermöglichen sollte. Damit war wohl das erste Mal121 ein Antrag auf Einführung der Zivilehe eingebracht worden.122 Dieser Antrag war 1865 im III. Ausschuß der Kammer der Abgeordneten kontrovers diskutiert worden und es konnten sich nicht die Abgeordneten durchsetzen,123 die an 119 VKAbL 1866/68, Bd 2, S. 559; Vgl. den Text des Regierungsentwurfes zum EheGD, Blge CVII, in: VKAbL 1866/69, Blgen. Bd 3, S. 381–384. 120 So die Ausführungen von Lutz, VKAbL 1866/68, StB Bd 1, 2, S. 559. 121 Zumindest ließ sich in den vorherigen Registerbänden zu den Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten kein Stichwort „Civilehe“ auffinden. Der Abgeordnete Bomhard führte nur während der Verhandlungen des Notzivilehegesetzes im Jahre 1868 aus, vgl. VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 466, daß bereits am 11. Mai 1850 das Kultusministerium die Regelung der eherechtlichen Verhältnisse der Dissidenten als dringendes Bedürfnis anerkannt hätte und bei dem Ministerium der Justiz dies auch vorgebracht habe. Das Justizministerium habe am 24. Januar 1851 sein Einverständnis gegeben; zwischenzeitlich schien das Bedürfnis weggefallen zu sein, da die freien Gemeinden als Privatgesellschaften aufgelöst worden waren. Dennoch wurde im April 1851 die Sache von dem Kultusministerium wieder angeregt und im Jahr 1861 seien bereits beide Ministerien einig geworden, den Zustand zu regeln, so wie es jetzt in der Regierungsvorlage gemacht werden solle. 122 Interessanterweise hatte man sich im Rahmen der Vorbereitung der Freisinger Bischofskonferenz von 1850 (allgemeines zur Berufung der Bischofskonferenz, vgl. Abschnitt über das Konkordat von 1817 im Kap. II bzw. Hübner, Kirche, S. 79 ff.) bereits mit der Frage beschäftigt wie man sich kirchlicherseits verhalten solle, wenn man im rechtsrheinischen Gebiet auch die Zivilehe einführe. Man war sich einig, daß man wohl den Staat davon nicht abhalten könne, aber man erkannte diese Eheschließung in keiner Weise an, sondern hätte sie als Konkubinate eingestuft. Außerdem wollte man unter keinem Umstand die kirchliche Einsegnung der Ehe vom Zivilakt als conditio sine qua non abhängig machen. Hübner, Kirche, S. 651 f. 123 Der Referent Ruland erklärte alle Anträge als mit der Verfassung unvereinbar. Uneingeschränkt für die Einführung der Zivilehe erklärten sich Münch, Gelbert und Bischoff, die jedoch in der Abstimmung unterlagen. Es setzte sich Förg mit seinem Antrag durch, die Zivilehe nur für die Personen einer nichtanerkannten Religionsgesellschaft einzuführen. Vgl. die Protokolle der Sitzungen des III. Ausschusses der
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den König die Bitte richten wollten, ein Gesetz zu entwerfen, das „allen Staatsangehörigen ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses die Eingehung einer rechtsgiltigen Ehe“ ermöglichen sollte, sondern der Antrag lautete:124 „An Seine Majestät den König sei die allerehrfurchtvollste Bitte zu richten, es wolle dem Landtage ein Gesetzentwurf vorgelegt werden, wodurch denjenigen Staatsangehörigen, welche keiner der vom Staate anerkannten Religionsgesellschaften angehören, die Eingehung einer rechtsgiltigen Ehe ermöglicht und die sachgemäße Behandlung der mit dieser Maßregel im nächsten Zusammenhange stehenden Gegenstände geregelt wird.“ Damit war der Antrag auf Einwilligung der Zivilehe gescheitert, es kam nur die sogenannte „Notzivilehe“ in Frage. Bevor nun der Regierungsentwurf vorgelegt wurde, hatte Krumbach in der öffentlichen Sitzung vom 19. Januar 1867 den Antrag von Crämer und zwölf weiteren Abgeordneten „die Rechte der nicht anerkannten Religionsgesellschaften und ihrer Mitglieder betr.“ vorgebracht,125 der wortgleich den Antrag von Brater und Genossen aus dem Jahr 1863 wiederholte und damit vor allem erneut forderte, die zivile Eheschließung für alle Staatsangehörigen ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses einzuführen. Im Verlaufe des Jahres 1867 bis Anfang 1868 gingen bei der Kammer der Abgeordneten auch weitere Bitten (Petitionen) die Einführung der obligatorischen Zivilehe betreffend ein, die zum Teil eigene Entwürfe mitlieferten.126 Kammer der Abgeordneten vom 12. und 29. Mai 1865 in: VKAbL 1863/65, Blgen Bd 6, S. 199 ff. 124 Ausführungen des Frhrn. v. Schrenk in: VKAbL 1863/65, Blgen Bd 6, S. 201; vgl. auch VKAbL 1863/65, StB Bd 1, S. 335. 125 VKAbL 1866/68, StB Bd 1, S. 179. Als Referent wurde bereits in der nächsten Sitzung vom 23. Januar 1867 der Abgeordnete Münch bestellt. VKAbL 1866/ 68, StB Bd 1, S. 181. In der Sitzung vom 23. März 1867 fragte der Abgeordnete Dr. v. Hofmann an, was aus diesem besagten Antrag geworden sei, nachdem man nun schon neun Wochen gar nichts mehr gehört habe, und er ein ähnliches Schicksal wie des ersten Antrages vermeiden wollte, der eine ganze Landtagsperiode lang in Vergessenheit geraten war. 126 Bitte des Münchener Volksvereins, Vorlage eines Gesetzesentwurfes: „die Einführung der obligatorischen Zivilehe betr.“ VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 259. Diese Vorlage des Münchener Volksvereins und eine Vorlage des Bürgervereins zu Nürnberg (vgl. auch VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 362) wurde dem IV. Ausschuß in der öffentlichen Sitzung vom 10. Dezember zugewiesen. VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 283. Eine weitere Eingabe zur obligatorischen Zivilehe erging durch den Bürgerverein der Stadt Augsburg, VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 387. Diese Eingabe und eine des Arbeitervereins in Nürnberg (VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 452) wurde ebenfalls dem IV. Ausschuß zugewiesen, VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 440. Schließlich schlossen sich in einer Erklärung die Mitglieder des Reformvereins „Eintracht“ in Kempten an die Eingaben des Augsburger Bürgervereins und des Nürnberger Arbeitervereins an. VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 542. Diese Erklärung ging auch wieder an den IV. Ausschuß, VKAbL 1866/68, StB Bd 2, S. 555. In
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Bevor nun aber dieser Antrag Crämer in der Kammer der Abgeordneten beraten wurde, wurde doch der Regierungsentwurf, „die Schließung und Trennung der Ehen . . .“, in der öffentlichen Sitzung vom 27. Februar 1868 zur Beratung vorgelegt. Es sollte bei der Beratung auch ganz konkret dieser Gesetzentwurf diskutiert und nicht im allgemeinen zum Thema der Einführung der Zivilehe Stellung genommen werden. Dieser Tagesordnungspunkt war zum Erstaunen mancher Abgeordneter erst auf die nächste Sitzung vom 29. Februar 1868 gelegt worden. Unberührt von diesem Entwurf blieb das weitgehend beschlossene Gesetz zu Aufenthalt und Verehelichung, das am 16. April 1868 in Kraft trat. Der Hauptzweck des Gesetzes bestand nämlich darin, für Personen, die keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehörten, eine Möglichkeit zu schaffen, die Ehe zu schließen.127 Dafür gab es ein dringendes Bedürfnis, da es noch kein generelles ziviles, konfessionsungebundenes Eheschließungsrecht gab und nur den Priestern der anerkannten Religionsgesellschaften das Recht zukam, bürgerlichrechtlich gültige Ehen zu schließen. Damit stand ein Staatsangehöriger einer nicht anerkannten Religionsgemeinschaft vor dem Problem, daß er sich nicht durch einen „Religionsdiener“ seines Glaubens aus staatlicher Sicht rechtswirksam trauen lassen konnte. Bei der Gestaltung des Gesetzes war besonders darauf geachtet worden, daß man sich den bestehenden Regelungen zum Eheschließungsrecht so weit wie möglich anschloß. Dies galt vor allem für die zivilrechtlichen Regelungen, das Verfahren und die Zuständigkeit der Behörden.128 Andererseits sah man sich aber verpflichtet, mit der Ermöglichung eines staatlichen Eheschließungsaktes auch Regelungen für die Aufhebung einer Ehe zu schaffen. Ansonsten würde man es der Willkür der Eheleute überlassen, was sich mit der Bedeutung und Würde dieses Rechtsgeschäftes der Ehe nicht vereinbaren ließe.129 Im Unterschied zum in Kraft getretenen Ehegesetz für Dissidenten sah der Regierungsentwurf vor, daß die Dissidenten „unter den allgemeinen rechtlichen Voraussetzungen mit Personen eines jeden religiösen Glaubensbekenntnisses“ die Ehe eingehen konnten.130 Am 27. und 29. Februar 1868 wurde der Regierungsentwurf in der Kammer der Abgeordneten beraten. Der vom I. Ausschuß dieser Kammer ernannte Referent, Dr. Barth,131 empfahl der Kammer der Abgeordneten unden StB der VKAbL wurden diese Eingaben lediglich aufgeführt. Es ist kein Inhalt etc. abgedruckt. 127 Mot. Entwurf EheGD. Blge CVII, in: VKAbL 1866/69, Blgen Bd III, S. 384. 128 Mot. Entwurf EheGD. Blge CVII, in: VKAbL 1866/69, Blgen Bd III, S. 384. 129 Mot. Entwurf EheGD. Blge CVII, in: VKAbL 1866/69, Blgen Bd III, S. 384. 130 Art. 1 des Regierungsentwurfes, Blge CVII in: VKAbL 1866/69, Blgen Bd 3, S. 381. 131 VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 115.
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ter Verweis auf seinen schriftlichen Vortrag vom 18. Februar 1868132 grundsätzlich die Annahme des Regierungsentwurfs. Diese Empfehlung stützte er auf die folgenden Gründe: Es bestehe aus rein praktischer Sicht ein dringendes Bedürfnis, den Personen, die keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehören, die Möglichkeit zu verschaffen, eine staatlich anerkannt gültige Ehe zu schließen. Bislang könnten diese Personen in Bayern überhaupt keine Ehe eingehen.133 Aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kritisierte Barth den Entwurf allerdings, weil er nur die Notzivilehe einführe, die er im Vergleich zur Zivilehe als nachteilig ansah.134 Die Notzivilehe bliebe auf halbem Weg stehen und schaffe nur einen „unfertigen Zustand“, der sogar soweit reichte, daß selbst bezüglich der Notzivilehe eine unvollständige Regelung getroffen werde, da zwar Katholiken und Protestanten mit Dissidenten eine Ehe eingehen könnten, nicht jedoch mit Juden. Trotzdem hielt es Barth für sehr notwendig diesen Schritt hin auf die Zivilehe zu tun, damit endlich die vielen Vorurteile durch das Verständnis und die Berührung in der Praxis abgebaut würden.135 In der Beratung des Entwurfs am 27. Februar 1868 äußerten sich außer dem Referenten136, der nochmals seine Auffassung wiederholte, nur drei weitere Abgeordnete. Zwei davon waren Gegner des Entwurfs. Der Abgeordnete Dr. Ruland137 lehnte den Entwurf als überzeugter katholischer Christ ab, da durch verschiedene Vorschriften das bestehende katholische Kirchenrecht angegriffen werde, Dissidenten könnten auch mit Katholiken oder Protestanten die Ehe eingehen, was dem Ehehindernis des cultus disparitatis widerspreche, aber auch hinsichtlich des Ehehindernisses der Verwandtschaft seien Veränderungen vorgenommen worden, die nicht im Einklang mit dem Kirchenrecht stünden. Mit diesem Gesetz würden weniger fest im Glauben verwurzelte Personen zu leichtsinnigen Ehen verführt. Er unterstütze den Entwurf durchaus, wenn den Dissidenten nur die Eheschließung unter sich gestattet würde. Dr. Schmid138 lehnte diesen Entwurf einer Notzivilehe ab, weil es zur Rechtsungleichheit komme bezüglich der Möglichkeiten, die Deutschkatholiken oder Juden bei der Eheschließung hätten. Deutschkatholiken könnten mit jedermann eine Ehe schließen, Juden jedoch nicht mit Christen. 132 133 134 135 136 137 138
VKAbL VKAbL VKAbL VKAbL VKAbL VKAbL VKAbL
1866/69, 1866/69, 1886/69, 1866/69, 1866/68, 1866/68, 1866/68,
Blgen Bd IV, S. 1 ff. Blgen Bd IV, S. 5 § 11. Blgen Bd 4, S. 4 § 10 und vorher. Blgen Bd 4, S. 5 § 11 unten. StB Bd 3, S. 115, 117 f. StB Bd 3, S. 115 f. StB Bd 3, S. 117.
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Als einziger Diskussionsteilnehmer befürwortete Kolb139 den Regierungsentwurf, aber auch er sah wie der Referent darin nur eine Notlösung und hätte am liebsten gleich die obligatorische Zivilehe eingeführt, deren Ruf er zu retten versuchte, indem er darauf hinwies, daß mit ihrer Einführung nicht die Kirche unter den Staat unterworfen, sondern lediglich eine klare Trennung von bürgerlichem Recht und religiösen Anforderungen durchgeführt werden solle. Als Nachweis, daß durch die Zivilehe der Ehe an sich nicht ihre „Heiligkeit“ genommen würde, führte er die frappierend geringe Scheidungsquote in der Pfalz an.140 Bei der Beratung bzw. Abstimmung über die Abfassung der einzelnen Vorschriften wurden die im wesentlichen nur redaktionellen Veränderungen des Ausschusses mehrheitlich von der Kammer der Abgeordneten mit 93 gegen 27 Stimmen bei 27 Abwesenden angenommen.141 In der darauffolgenden Sitzung am 29. Februar 1868 wurde nun der erneute Antrag, die Zivilehe für alle Staatsangehörigen ohne Unterschied ihres Glaubensbekenntnisses einzuführen, beraten. Nach einer kurzen Einführung des Referenten zu diesem Antrag, der nochmals auf die zahlreichen guten Erfahrungen mit der Zivilehe vor allem auch in dem zu Bayern gehörenden Gebiet der Pfalz hinwies und gegen die allgemeine Hetze gegen die Zivilehe antrat, äußerten sich zehn Abgeordnete zu diesem brisanten Thema. Sechs von ihnen standen dem Institut der Zivilehe ablehnend gegenüber und übten heftige, zum Teil aber argumentarme Kritik. Im Vordergrund ihrer Kritik stand der Zweifel an einem dringenden Bedürfnis, die obligatorische Zivilehe in Bayern einzuführen.142 Dies wurde vielfach damit begründet, daß der auslösende Mißstand, daß die Dissidenten überhaupt keine Möglichkeit im rechtsrheinischen Bayern hätten, eine staatlich anerkannte Ehe zu schließen, durch das in der vorangegangen Sitzung beschlossene Gesetz zur Notzivilehe gelöst sei.143 Die geschickte Gestaltung der Tagesordnung im Wege des Vorziehens der Beratung des Regierungsentwurfs zeigte aber Wirkung. Wegen der übrigen problematischen Fälle, also alle denkbaren Arten von Mischehen vor allem für jene, bei denen das Ehehin139
VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 116 f. Hinsichtlich dieser geringen Scheidungsquote wies sehr richtig der Reichsrat Harleß auf die äußerst strengen Vorschriften des CC hin, die Napoléon einführen hatte lassen. Vgl. VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 539. 141 VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 118 ff. 142 Vgl. v. Lutz, Th. Völk, Ruland, Frhr. v. Pfetten, in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 142 ff., 149 f. Das mangelnde Bedürfnis für die Einführung der Zivilehe hatte auch bei den Verhandlungen in Preußen zur Einführung der obligatorischen bzw. fakultativen Zivilehe immer wieder eine Rolle gespielt. Vgl. dazu Schubert, ZRGGerm 97, S. 47, 49, 55 f. 143 Vgl. Th. Völk, VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 143. 140
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dernis von Gläubigen und Nichtgläubigen zum Tragen komme, z. B. bei Juden und Christen, könne ein Partner zugunsten des anderen aus seiner Religionsgemeinschaft austreten; man könne aber nicht verlangen, daß zugunsten solcher Minderheiten die restliche Bevölkerung mit der Zivilehe „belästigt“ werde.144 Die Einführung der obligatorischen Zivilehe widerspreche dem Gefühl des bayerischen Volkes145, im Volk bestehe geradezu eine Abneigung gegen die Zivilehe.146 Deswegen dürfe man nicht „Millionen [Menschen] in ihrer Anschauung und ihrer Ueberzeugung [mit einem solchen Gesetz] wehe thun“.147 Im übrigen widerspreche die Zivilehe der Lehre der katholischen Kirche, wo die Ehe von Jesus Christus zum Sakrament erhoben worden sei, und man könne von dieser Eheschließung auch nichts Weltliches abtrennen, weil es sich um unveräußerliche Rechte handele.148 Dr. Völk hatte als einen gewichtigen Grund, die obligatorische Zivilehe und damit auch die staatliche Ehegerichtsbarkeit einzuführen, das veraltete kirchliche Gerichtsverfahren genannt, das ein unmündliches Inquisitionsverfahren war.149 Der Abgeordnete, Dr. Schmid, verteidigte aber die Arbeit des Bamberger Ehegerichts und sah keinerlei Grund zu klagen, zumal zu den Verfahren auch Zeugen vorgeladen würden.150 Auch Gründe wie die Gewissensfreiheit, die nur vollständig gewährleistet werden könne, wenn es für alle Staatsangehörigen eine Zivilehe geben würde, oder auch die Tatsache, daß das kirchliche Eherecht zum Teil auch zu Konkubinaten führe, weil die betreffenden Partner keine Ehe eingehen könnten, wurden als bloße Scheingründe bestritten.151 Wenn die Befürworter die Gegner der Zivilehe damit zu gewinnen versuchten, daß sie auf die geringe Quote ausschließlich bürgerlicher Eheschließungen, die deutlich geringere Scheidungsquote in der Pfalz hinwiesen oder aber einen Pfälzer Bischof zitierten, der durch die obligatorische Zivilehe keine Rechte der Kirche verletzt sah152, dann versuchte die Gegenseite die Befürworter mit ihren eigenen Argumenten zu widerlegen. Wenn 144
Th. Völk in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 143. Dr. Ruland in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 146. 146 Frhr. v. Pfetten in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 149. 147 Dr. Ruland, VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 146; ähnlich wurde auch noch Anfang der 70er Jahre in Preußen argumentiert. Vgl. Schubert, ZRGGerm 97, S. 56. 148 Dr. Ruland in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 146. 149 VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 151 f. Dr. Joseph Völk, nicht zu verwechseln mit Th. Völk, war späterer Verfechter der Einführung der Zivilehe auf Reichsebene, vgl. dazu Kap. IV. 5. 150 VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 154. 151 Dr. Ruland in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 145 f. 152 Kolb in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 150. 145
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es trotzdem so viele kirchliche Trauungen gab, dann könne die Zivilehe die Probleme wegen bestehender Ehehindernisse bezüglich der Mischehen nicht beheben;153 die geringe Scheidungsquote liege allein an der Gläubigkeit der Menschen, nicht jedoch an der Zivilehe. Der Abgeordnete Jörg schloß seinen Beitrag mit den Worten: „Ich frage Sie nun, meine Herren, ob es sich schickt, dennoch diesen Anlaß als einen Hebel zu benützen, um damit die verfassungsmäßigen Rechte Anderer, die wohlverbürgten Rechte der alten historischen Kirchen aus den Angeln zu heben.“ „Ich bin der Meinung, es schickt sich nicht.“ „Ich bin auch der Meinung, es ist speziell für dieses Haus nicht einmal räthlich, ein solches Unternehmen noch zu wagen. Denn wie mir scheint, will es stark Abend werden mit uns und es dürfte bald Zeit sein zum Schlafengehen.“154 Der Abgeordnete Dr. Schmid sah das Ansehen des Staates sinken, wenn er eine Ehe für rechtlich erlaubt erklärte, was aus kirchlicher Sicht verboten war.155 Insgesamt wurde der Antrag auf Einführung der allgemeinen Zivilehe mit 74 gegen 52 Stimmen bei 22 abwesenden Abgeordneten abgelehnt. bb) Die Diskussion in der Kammer der Reichsräte Am 30. März 1868 kam schließlich der von der Kammer der Abgeordneten im wesentlichen angenommene Regierungsentwurf zur Schließung und Trennung von Ehen der Dissidenten in der Kammer der Reichsräte zur Beratung und zur Abstimmung. Zuvor hatte der Referent Freiherr von Schrenk einen Vortrag vor dem ersten und dritten Ausschuß der Kammer der Reichsräte über den Gesetzentwurf gehalten. Er sah zwar die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes, da man, wenn Gewissensfreiheit gewährt werde, auch den Dissidenten vollständige Bewegungsfreiheit gewähren müsse, d. h. auch sie die Möglichkeit haben müßten, grundsätzlich eine Ehe zu schließen, was ihnen aufgrund der bestehenden Gesetzgebung verwehrt sei.156 Allerdings gehe der Regierungsentwurf über dieses Ziel hinaus, da man den Dissidenten gestatte, Ehen mit allen anderen Staatsangehörigen einzugehen. Damit stelle man diese Gruppe besser als die übrigen Staatsangehörigen, da diese auch nur Personen ehelichen könnten, wenn ihnen keine Ehehindernisse im Weg stünden. Der Gesetzesentwurf hebe nun bestimmte gesetzliche Ehehindernisse für die Dissidenten auf. Deswegen sei der ge-
153 154 155 156
Frhr v. Pfetten in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 149. Jörg in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 154. VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 155. VKRKB 1867/68, Blgen Bd 3, S. 265 ff.
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samte Entwurf auf Eheschließungen der Dissidenten unter sich zu beschränken.157 Frhr. von Schrenk empfahl daher, den Regierungsentwurf nur mit dieser Modifikation anzunehmen. Mit dieser Empfehlung hatte er sich bereits im ersten und dritten Ausschuß der Kammer der Reichsräte durchgesetzt.158 Nun sprach er die gleiche Empfehlung mit der Unterstützung des ersten und dritten Ausschusses auch vor der Kammer der Reichsräte aus.159 In der Diskussion über diesen modifizierten Entwurf zu diesem Gesetz ergriff als erster der Staatsminister der Justiz, v. Lutz, als Regierungsvertreter das Wort, um den Regierungsentwurf gegen die vorgebrachte Kritik zu verteidigen.160 Er teile nicht die Auffassung, daß der Gesetzentwurf der Regierung über das eigentliche Ziel hinausgehe, da den Dissidenten natürlich die Eheschließung mit der Person ihrer Wahl gestattet werden solle, und dies sei kaum möglich, weil es nur eine kleine Gruppe von Dissidenten gebe.161 Im übrigen sehe er auch die Rechtsungleichheit zwischen den Dissidenten und den Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften nicht, da den Dissidenten überhaupt erst gewährt werden müsse, was Katholiken und Protestanten schon lange zur Verfügung stehe; außerdem werde es auch Katholiken und Protestanten durch dieses Gesetz möglich, die Ehe mit einem Dissidenten einzugehen.162 Das Bedürfnis einer solchen Regelung könne auch nicht damit verneint werden, daß der betreffende Katholik oder Protestant aus seiner Religionsgemeinschaft austreten könne. Soweit dürfte eine staatliche Gesetzgebung nicht gehen, daß sie derartige Zwänge fördere.163 Aus den genannten Gründen forderte der Staatsminister der Justiz die Zustimmung zu dem Regierungsentwurf ohne die vom Referenten, Frhrn. von Schrenk, vorgeschlagenen Modifikationen.164 In der anschließenden Diskussion meldeten sich sechs Reichsräte zu Wort, von denen sich vier für den Regierungsentwurf aussprachen und nur zwei die vom Freiherrn v. Schrenk vorgeschlagenen Modifikationen unterstützten. An dem Bedürfnis für ein solches Gesetz hatte keiner der Redner irgendeinen Zweifel.165 Die Geister schieden sich jedoch bei der Frage der 157
VKRKB 1867/68, Blgen Bd 3, S. 266–268; VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 459 ff. Auch in Preußen vertrat der Kultusminister Mühler 1872 noch die Auffassung, daß man die Notzivilehe nur auf ganz wenige Ausnahmefälle beschränken müsse, um nicht den Indifferentismus zu fördern. Schubert, ZRGGerm 97, S. 57. 158 VKRBR 1867/68, Blgen Bd 3, S. 287. 159 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 459 ff. (vor allem 462), vgl. auch S. 491–493. 160 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 462 ff. 161 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 463. 162 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 463 f. 163 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 465. 164 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 466.
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Ausgestaltung und jene, die sich für den Regierungsentwurf ausgesprochen hatten, brachten dafür zum Teil unterschiedliche Gründe vor. Wenn man den Dissidenten die Möglichkeit zur Eheschließung endlich ermögliche, dann müßten sie aber auch frei ihren Partner wählen können.166 Diese Beschränkung wurde z. T. als „Derision“ empfunden.167 Auch könne man nicht die zwanzig Jahre alte preußische Regelung als Vorbild wählen, da es bezüglich dieser Regelung häufig schon zu Beschwerden gekommen sei.168 Die Gegner des Regierungsentwurfes, die diesem Gesetz nur unter der Bedingung der Modifikation zustimmten, brachten vor, daß es durch diese Regelung zu einer Rechtsungleichheit komme, da den Dissidenten im Vergleich zu den anderen Religionsgemeinschaften Begünstigungen zukämen.169 Für Bischof Dinkel lag darin auch ein Eingriff in die Rechte der anerkannten Religionsgemeinschaften. Ähnliches gelte auch für das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft, das man deutlich eingeschränkt hatte.170 Dinkel appellierte an den bayerischen Staat, daß man doch nicht weitergehen könne als Preußen.171 Die Lösung des Problems, daß Dissidenten auf diese Weise in ihrer Partnerwahl durchaus sehr eingeschränkt würden, sah er in der Möglichkeit, daß der Partner einer anerkannten Religionsgesellschaft aus seiner Gemeinschaft austreten könne oder aber den Ehepartner auch außerhalb des Landes suchen und finden könne.172 Fürst v. Hohenlohe, der den Regierungsentwurf befürwortete, sah das Problem der Rechtsungleichheit ebenfalls. Für ihn war die Schlußfolgerung eine wesentlich radikalere, die Abschaffung dieses Ehehindernisses auch für die Staatsangehörigen anerkannter Religionsgemeinschaften.173 In seinen Schlußworten nahm der Staatsminister Lutz174 zum Problem der Ungleichbehandlung nochmals Stellung und gab zu, daß hier ein 165
VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 466 ff. von Bomhard VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 467. 167 Fürst v. Hohenlohe VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 478. 168 Graf v. Bothmer VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 485. 169 Zweiter Präsident, Bischof v. Dinkel VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 468 f., 471 f. Ein Befürworter des Regierungsentwurfs, Reichsrat v. Maurer, sah aber einen Widerspruch, wenn man auf der einen Seite wegen der Gewährung vollständiger Gewissensfreiheit, wie es die Verfassung verlange, den Dissidenten die Eheschließung gestatte, aber auf der anderen Seite sie wegen eines bestehenden kirchlichen Ehehindernisses des cultus disparitatis die Wahl des Partners deutlich einschränke, weil auf die Weise doch die Religion wieder ins Spiel komme. Vgl. VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 481 f. 170 Bischof v. Dinkel in: VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 471 ff. 171 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 476. 172 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 477, 480 f. 173 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 478. 174 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 488 ff. 166
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Schwachpunkt des Gesetzes liege. Es sei aus seiner Sicht durchaus begründet, auch die Eheschließung zwischen Juden und Dissidenten und Juden und Christen zu ermöglichen. Wegen der öffentlichen Meinung, die über Ehen zwischen Juden und Christen bestünde, habe sich die Regierung zu vorliegender Lösung entschlossen. Eine andere Lösung hielt er deswegen für problematisch, weil es dann eher zur Zivilehe kommen könnte. Der Staatsminister bestritt, daß die von Bischof v. Dinkel175 behauptete Rechtsgarantie der Kirchengesellschaften bezüglich ihres eigenen Eherechtes so weit gehe, daß dieses Eherecht auch bindend für den bayerischen Staat bleibe, vor allem, wenn es sich nur um die bürgerlichen Wirkungen der Ehe handele.176 Bei der Abstimmung unterlag die Fassung des Art. 1 des Regierungsentwurfs, der die wesentlichste Veränderung mit Auswirkungen auf den gesamten Entwurf erfahren sollte, mit nur zehn Ja-Stimmen gegenüber der Referentenmodifikation mit nur 7 Nein-Stimmen.177 cc) Der Fortgang des Verfahrens Am 2. April 1868 wurde der modifizierte Entwurf in der Kammer der Abgeordneten beraten.178 In der Diskussion sprach sich allein Dr. Ruland179 uneingeschränkt für den durch die Reichsrätekammer modifizierten Entwurf aus. Der Referent Barth wurde angesichts dieser erneuten Einschränkung des Projektes in seinen Ausführungen sehr deutlich. Der Hauptgrundsatz heiße: „Aufräumen mit dem Wust von Bevormundung des bürgerlichen Lebens, welchen eine minder aufgeklärte Zeit und eine aus dem Mangel der Aufklärung hervorgegangene falsche Gesetzgebung uns zurückgelassen hat.“180 Der Staat habe für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, nicht jedoch den Menschen vorzuschreiben, was sie glauben sollen. Allerdings nehme er auf diesen Bereich indirekt Einfluß, wenn er Eheschließungen nicht zulasse, bloß weil beide Partner nicht dasselbe Glaubensbekenntnis hätten. Wolle der Staat diese Betrachtungsweise aufgeben, dann müsse er die Ehe als bürgerlichen Vertrag betrachten. „Er muß jedem Staatsangehörigen das Recht und die Möglichkeit der Eheschließung ohne unnatürliche Beschränkung sichern, und zwar schon deshalb, weil die Ehe die Basis bleiben muß für das Familienrecht, das ein Fundamentalstein des bürgerlichen Wesens ist, und er darf hiebei auf den Glauben keine Rücksicht 175 176 177 178 179 180
VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 474. VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 490. VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 494. VKAbL 1866/68, Bd 3, S. 457 ff. VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 457 f. VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 460.
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nehmen.“181 „Der Staat darf auch nicht zugeben, daß die Kirche über ihn (den Staat) herrsche, wie sie das ganze Mittelalter hindurch über ihn geherrscht hat, sondern er muß ihr in ihren Angelegenheiten volle Freiheit geben, muß aber auch verlangen, daß sie seinen allgemeinen Gesetzen sich unterordne, wie jeder andere Verein, und er muß der Kirche, [. . .], zu verstehen geben, daß außer ihr auch noch andere Religionsgemeinschaften im Staate sind, und daß er die Pflicht hat, allen gerecht zu werden.“182 Vor diesen Erwägungen sei der Regierungsentwurf sehr gemäßigt, selbst Österreich habe sich zur allgemeinen Zivilehe entschlossen. Irgendeine Beschränkung durch das Konkordat lehnte Barth ab, da es sich dabei um unzulässige Beschränkungen der Staatsgewalt handele.183 In der sich anschließenden Abstimmung blieb die Kammer der Abgeordneten mehrheitlich bei der Fassung des Gesetzes, wie sie es in der Sitzung vom 27. Februar bereits beschlossen hatten, mit Ausnahme der Fassung des Artikels 5, in dem das Ehehindernis der Verwandtschaft geregelt wurde, und Artikel 8.184 Dieser Beschluß ging nun wieder an die Kammer der Reichsräte, wo er am 15. April 1868 beraten wird, mit dem Ergebnis, daß die Kammer auf ihrem Vorschlag beharrt.185 Zum Beharren auf dem Modifikationsentwurf hatte der Referent, Frhr. von Schrenk und die vereinten Ausschüsse geraten, da jedenfalls für die Dissidenten der gewünschte Vorteil erreicht werde, daß diese eine Ehe eingehen können, wenn auch nicht mit dem Partner ihrer Wahl, sofern dieser einer anerkannten Kirchengemeinschaft angehört und nicht bereit ist, diese zu verlassen.186 Am 20. April 1868 gelangte nun dieser Beschluß abermals in die Kammer der Abgeordneten. Dort hatte Dr. Barth187 aufgerufen, dem durch die Kammer der Reichsräte modifizierten Entwurf zuzustimmen, damit man überhaupt etwas erreicht habe. Gleichzeitig forderte man diejenigen auf, die eigentlich die obligatorische Zivilehe einführen wollten, in Zukunft sich weiterhin dafür einzusetzen. Damit wurde die vom Frhrn. von Schrenk ausgearbeitete Fassung zum Gesetz, die die Notzivilehe auf den kleinstmögli181
Barth in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 460. Barth in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 460. 183 Barth in: VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 461. 184 VKAbL 1866/68, StB Bd 3, S. 461. 185 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 544. Es gab bei diesem Mehrheitsbeschluß lediglich zehn Nein-Stimmen. 186 VKRKB 1867/68, Bd 4, S. 531 f., vgl. auch den Vortrag im ersten und dritten Ausschusse vom Frhrn. von Schrenk vom 6. April 1868, Beilage CXXXVI. in: VKRKB 1867/68, Blgen Bd 3, S. 310 ff.: Der Ausschuß unterstützte diese Auffassung gegen die einzelne Stimme des Reichsrates von Maurer. Vgl. VKRKB 1867/ 68, Blgen Bd 3, S. 315 ff. (317). 187 VKAbL 1866/68, StB Bd 4, S. 125 f. 182
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chen Anwendungsbereich beschränkte, denn Dissidenten konnten nur unter sich heiraten. Man hatte den praktischen Anwendungsbereich damit deutlich reduziert. Deswegen vielleicht findet man auch keine Literatur zu diesem Gesetz. Damit hatte man jeden weiteren Eingriff in bestehendes Eherecht vermieden. Die Endfassung des Gesetzes hatte sogar auf klarstellende Verweise in das bestehende Eherecht verzichtet. Man konnte nur e contrario aus der einzigen ausdrücklichen materiellen Regelung der zu nahen Verwandtschaftsverhältnisse schließen, daß für das restliche materielle Eherecht das bestehende maßgeblich sei. Damit hatten sich letztlich die konservativen Kräfte in der Kammer der Reichsräte durchgesetzt, die den Anwendungsbereich der Notzivilehe möglichst beschränken wollten und einen Eingriff in das kirchliche Ehehindernis der Religionsverschiedenheit scheuten. c) Entwurf eines Gesetzes über die obligatorische Zivilehe von 1871 Bereits drei Jahre später (1871) hatte das Justizministerium einen Gesetzesentwurf „die obligatorische Civilehe und die Schließung und Trauung der Ehe betreffend“ ausgearbeitet.188 Ursächlich für einen erneuten Versuch, die Zivilehe einzuführen, könnten die Schwierigkeiten sein, die sich nach dem I. Vatikanischen Konzil vom Dezember 1869, das die Unfehlbarkeit des Papstes in Entscheidungen ex cathedra zum Dogma erhoben hatte,189 ergeben hatten.190 Dieser Entwurf umfaßte 109 Bestimmungen, die das formelle und materielle Eherecht, allerdings ohne personen- und vermögensrechtlichen Regelungen während und nach einer Ehe,191 normieren und bezüglich des Verfahrens in das allgemeine Prozeßrecht verweisen. 188
Als handschriftliches Manuskript im Bayerischen Hauptstaatsarchiv München, MJu 12021. 1873 legte auch die preußische Regierung einen Gesetzentwurf zur Einführung der obligatorischen Zivilehe vor. Neben den Problemen, die sich aus dem Dogma der Unfehlbarkeit und den ablehnenden Reaktionen, die es innerhalb der katholischen Kirche gab, vgl. dazu auch Schäfer, Eherecht, S. 18, war der eigentliche Anlaß für diesen Gesetzesentwurf jedoch die Schwierigkeiten, die sich zwischen Kirche und Staat in den preußischen Ostprovinzen ergeben hatten. Vgl. Fuhrmann, Zivilehe, S. 51 ff. 189 Der Text ist abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd 2, S. 421. 190 Es kam zu Verweigerungen bei der Spendung von Sakramenten, aber auch das Begräbnis und die Eheschließungen wurden zum Teil verweigert. Vgl. Weber, Konzil, S. 264 ff. (270). Außerdem kam es infolge des Konzils in der Landtagsperiode 1871/72 zu Anträgen verschiedener Abgeordneter, die Trennung von Kirche und Staat endgültig einzuführen. Vgl. Weber, Konzil, S. 273 ff. Unter Ignaz von Döllinger begannen sich die Gegner des Konzils unter den Katholiken zu der Gruppierung der Altkatholiken zusammenzuschließen. Weber, Konzil, S. 208 ff. und 219 ff.
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Artikel 1 des Entwurfes legte fest, daß eine Ehe mit bürgerlicher Rechtsgültigkeit nur noch nach den Vorschriften dieses Gesetzes eingegangen werden könne, und sich auch die Voraussetzungen dafür ausschließlich nach diesem Gesetz richteten. Daran schließen sich alle Artikel, die die Voraussetzungen einer gültigen Eheschließung regeln, d. h. Ehehindernisse, die die Willensbildung der Ehegatten betreffen, wie die Willensfähigkeit und -freiheit, Art. 2, das notwendige Heiratsalter, Art. 3, und die der Willensfreiheit entgegenstehenden Umstände wie der Irrtum und die Täuschung, Art. 5–7. Die Eingehung der Ehe unter einer Bedingung wurde durch Art. 8 ausgeschlossen. Außerdem standen einer Ehe die folgenden privatrechtlichen Hindernisse entgegen, Art. 9 i.V. m. Art. 10–21: ein bereits gültiges Verlöbnis mit einer anderen Person, Art. 10; damit berücksichtigte man die bestehenden bayerischen Verlöbnisregelungen,192 die zwischen den Verlobten bestehende zu nahe Verwandtschaft oder Schwägerschaft, Art. 11–13, die Bigamie und die fehlende Zustimmung von Vater, Mutter oder Vormund, Art. 15–21. Bei der Wiederverehelichung nach Scheidung war zu beachten, daß kein Heiratsverbot mit der Scheidung ausgesprochen worden war, Art. 24. Wenn ein Ehegatte schuldig geschieden worden war, „wissentlich eine Doppelehe abschloß“ oder „im Einverständnisse mit einer Person des anderen Geschlechts seinem Ehegatten nach dem Leben trachtete“, so war eine Eheschließung mit der Person, mit der er diese Verfehlung begangen hatte, auch nach dem Tod seines Ehegatten nicht möglich oder im Falle der Scheidung auch dann nicht, wenn kein Wiederverehelichungsverbot im Urteil ausgesprochen worden war. Schließlich waren noch die öffentlichrechtlichen Eheerfordernisse zu beachten, Art. 31. Zudem konnte ein gemeindlicher Einspruch wegen bestimmter Gründe, vgl. Art. 36 HG, der Eheschließung entgegenstehen. Hiermit trug man auch den Verehelichungsvorschriften, Art. 32 ff. HG, Rechnung.193 Bevor die Ehe geschlossen werden konnte, war ein öffentliches Aufgebot 10 Tage in den Wohnsitzgemeinden auszuhängen, Art. 37 ff. Im Unter191
Art. 64: „Die civil- und staatsrechtlichen Wirkungen einer rechtsgültig abgeschlossen Ehe auf die persönlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten und der von ihnen miteinander erzeugten Kinder sind nach den einschlägigen anderweitigen Gesetzen zu beurtheilen.“ Und Art. 94 Abs. 1: „Die Wirkungen der Ehescheidung, sowie der Trennung von Tisch und Bett in Bezug auf die persönlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten und der von denselben miteinander erzeugten Kinder sind nach den Bestimmungen der einschlägigen allgemeinen und besonderen Civilgesetze zu beurtheilen.“ 192 Vgl. oben Kap. II.4.d. 193 Vgl. oben Kap. IV.2.
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schied zum öffentlich-rechtlichen Konstatierungsverfahren, Art. 35 HG, konnte vom Aufgebot hier durch das zuständige Bezirksgericht dispensiert werden, Art. 44. Bis zum Abschluß der Ehe konnten Einsprüche gegen die Eheschließung wegen bestehender Ehehindernisse vorgebracht werden, Art. 46. In den meisten Fällen durfte nur der durch das Ehehindernis Beeinträchtigte Einspruch erheben; in bestimmten Ausnahmefällen, wie z. B. einem Wiederverehelichungsverbot, war jedermann befugt, Art. 29 f. Der Trauungsbeamte darf erst nach Überprüfung „der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Eheschließung“ die Trauung vornehmen, Art. 55. Die Ehe wird durch die bürgerliche Trauung geschlossen, dafür zuständig sind die durch die Staatsgesetzgebung zur Führung der Zivilstandsregister betrauten Beamten, Art. 34 f.; bis zur endgültigen Regelung sind die „Einzelngerichte“ zuständig. Während der öffentlichen Trauung müssen die Brautleute und die beiden Zeugen ununterbrochen anwesend gewesen sein, und die bürgerliche Trauung von dem zuständigen Beamten durch seine Erklärung, Art. 60 Abs. 4, vorgenommen und vom Protokollführer festgehalten sein, sonst ist die Ehe ungültig, Art. 57 f., 67 Nr. 4, ff. Die Ehe erlangt ihre bürgerliche Rechtsgültigkeit durch die vom Trauungsbeamten „gemäß Art. 60 Abs. 4 ausgesprochene Erklärung und der Errichtung der in Art. 61 vorgeschriebenen Urkunde“, „sofern nicht ein die letztere gesetzlich ausschließender Mangel vorliegt“, Art. 63. Dieser Entwurf sah auch ein Voraustrauungsgebot vor, Art. 65, wie es später das RPStG kannte:194 „Insolange der Abschluß der Ehe in der vorgeschriebenen bürgerlichen Form nicht erfolgt ist, darf von keinem Geistlichen oder Religionsdiener eine Einsegnung der Ehe oder ein sonstiges auf die Schließung des Ehebandes bezügliches religiöses Ritual vorgenommen werden.“ Die Art. 70 ff. regeln die Ungültigkeit der Ehe und das notwendige Verfahren, um die Ungültigkeit richterlich feststellen zu lassen. Der Entwurf sieht aber auch die anderen Möglichkeiten der Auflösung der Ehe vor. Die Ehescheidung ist wegen Ehebruchs, Art. 75–78, „Verletzung der Treue“ bereits während des Verlöbnisses, Art. 80, wegen „böslicher Verlassung“, Art. 81 f., wegen Mißhandlungen oder Taten, die nach dem Leben des anderen trachteten oder wegen der „Verurtheilung zu einer Verbrechensstrafe nach Maßgabe des Art. 86“ möglich. Beibehalten wird aber auch die Trennung von Tisch und Bett, die im Falle dringenden Verdachts ehebrecherischen Umgangs, bei Mißhandlungen, Gefährdungen des Nahrungsstandes der Familie durch Verschwendung und ekelhafte anstekkende Krankheit nach Eingehung der Ehe, bei lebensgefährlichen Wirkun194
Vgl. später Kap. IV.5.
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gen des Beischlafs wegen einer länger andauernden Krankheit ausgesprochen werden kann, jedoch nicht länger als für fünf Jahre, Art. 87 f. Für die Wirkungen der Scheidung bzw. Trennung von Tisch und Bett verweist Art. 95 auf die allgemeinen und besonderen Zivilgesetze. Bezüglich der Ehegerichtsbarkeit regelt Art. 96, daß „die Gerichtsbarkeit in Ehesachen [. . .] durch die bürgerlichen Gerichte ausgeübt [wird]“. „Es gilt dieser auch bezüglich solcher Ehen, welche schon vor der Geltung der gegenwärtigen Gesetze oder außerhalb des Königreiches abgeschlossen wurden. Die bisher bestandenen besonderen Ehegerichte sowie der bei dem obersten Gerichtshof gemäß Art. 116 Abs. 3 Ziff. 2 der Einf. Ges. zur Proz. Ord. in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten v. 29. 4. 1869 gebildete außerordentliche Senate sind aufgehoben, vorbehaltlich der in Art. 97 getroffenen transistorischen Bestimmungen.“ Das Gesetz sollte jedoch nicht für die Pfalz gelten, Art. 104 und 107. Der Entwurf ist jedoch nie beraten worden, vermutlich hat man ihn zugunsten einer reichseinheitlichen Lösung zurückgestellt. Justizminister Lutz, eine der Hauptfiguren im bayerischen Kulturkampf, sah wohl die besseren Möglichkeiten zur Einführung der Zivilehe über den „Umweg“ eines einheitlichen Reichsgesetzes, das er – wie im fünften Abschnitt gezeigt werden wird – stark vorantrieb. Das entsprach seiner allgemeinen Strategie, den Kulturkampf aus Bayern heraus auf Reichsebene zu heben. Inhaltlich umfaßt der Entwurf das komplette Eheschließungs- und -scheidungsrecht. Damit wäre – mit Ausnahme der Pfalz – endlich ein einheitliches bayerisches Eherecht entstanden, das die Regelungen des CMBC und der verschiedenen Partikularrechte und auch das umfangreiche Verordnungsrecht im Eherecht zu weiten Teilen aufgehoben hätte. d) Zusammenfassung 1863 wurde erstmals im bayerischen Landtag die Einführung der allgemeinen Zivilehe beantragt. Nach kontroversen Diskussionen konnte sich der Antrag jedoch nicht durchsetzen. Trotzdem hat Bayern durch die Gesetzgebungsprojekte des Jahres 1868 einen Schritt hin zur Zivilehe unternommen. Für Dissidenten wurde eine Notzivilehe eingeführt. Ihr Anwendungsbereich war jedoch auf Ehen zwischen zwei Dissidenten beschränkt. Die Mehrheit, vor allem der Reichsräte, wollte den Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts offenbar möglichst klein halten, damit es nicht Ausgangspunkt für die Einführung einer allgemeinen Zivilehe werden könne. Im Rahmen der Überarbeitung des Heimatgesetzes wurden in Bayern einige Bestandteile einer zivilen Eheschließung eingeführt: ein staatliches Aufgebotsverfahren und die Sanktion der Ungültigkeit der Ehe bei Verstoß
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gegen staatliches Eherecht. Es fehlte freilich weiterhin an einem zivilen Trauorgan und entsprechenden Zivilstandsregistern. Ein im Justizministerium Lutz ausgearbeiteter Entwurf zur Einführung der allgemeinen Zivilehe wurde zugunsten einer leichter durchsetzbaren reichseinheitlichen Lösung nicht weiterverfolgt.
4. Veränderungen im Bereich des Eherechtes durch die Reichsgründung von 1870/71 a) Das Schicksal des bayerischen öffentlichen Verehelichungsrechtes Mit der Reichsgründung zur Jahreswende 1870/71 veränderte sich die Staatlichkeit für Bayern. Bayern war einem „Deutschen Bund“ beigetreten, der am 10. Dezember 1870 zum „Deutschen Reich“ erklärt worden war.195 Bayern verblieben zwar, wie auch den anderen Bundesstaaten des Deutschen Reiches, Hoheitsrechte (originäre Rechte) wie z. B. das Recht auf eigene Verfassung, das Recht auf Besitz und Ausübung seiner Zuständigkeiten in Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Verwaltung etc., aber Reichsrecht konnte in das Land hineinregieren. Allerdings hatte sich Bayern besondere Hoheitsrechte als sogenannte Reservatrechte gesichert.196 Zu diesen gesicherten Rechten gehörte unter anderem das Heimat- und Niederlassungswesen und das Verehelichungswesen.197 Damit blieben die erst 1868 in Kraft getretenen Gesetze erhalten und wurden nicht auf dem Umweg der Reichsgründung durch ein Bundesgesetz vom 4. Mai 1868 für alle Staaten des Norddeutschen Bundes198 beseitigt, das volle Verehelichungsfreiheit eingeführt,199 d.h. alle Gesetze mit polizeilichem Charakter, 195
HdBbayG/Albrecht, Bd IV, Tlbd 1 § 15 a). Faber, Verehelichungsrecht, S. 24: „Die bayerische Forderung wurde in dem Bündnisvertrage, ausgefertigt zu Versailles am 23. November 1870, Ziff. III § 1 anerkannt.“ In dem hierzu gehörigen Schlussprotokoll wurde die vertragsmäßige Erklärung gegeben: „dass die Bundeslegislation nicht zuständig sei, das Verehelichungswesen mit verbindlicher Kraft für Bayern zu regeln“. 197 HdBbayG/Albrecht, Bd IV, Tlbd 1, § 15 a). 198 Es gab auch in vielen anderen deutschen Staaten diese Art der reglementierenden Gesetzgebung bezüglich der Niederlassung und Verehelichung. Vgl. dazu eine Zusammenstellung bei Schübler, Eduard, Die Gesetze über Niederlassung und Verehelichung in den verschiedenen deutschen Staaten nebst Kritik und Vorschlägen, Stuttgart 1855. Dort sind aufgezählt die Gesetze vom Königreich Bayern, Königreich Württemberg, Großherzogtum Baden, Großherzogtum Hessen, Herzogtum Nassau, Freistadt Frankfurt a. Main, Königreich Preußen, Großherzogtum SachsenWeimar-Eisenach, Königreich Sachsen, Königreich Hannover, Kurfürstentum Hessen, Herzogtum Braunschweig und Kaiserstaat Österreich. 196
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die die Eheschließung beschränkten, außer Kraft gesetzt hatte.200 Diese und ähnliche Gesetze konnten nur mit der Zustimmung Bayerns in Kraft treten, § 78 Abs. 2 Reichsverfassung. Die Absicht dieses Vorbehalts ging dahin, die erst kurz vorher in Bayern geschaffene Sozialgesetzgebung in ihren Grundlagen erhalten zu können und dem Land die unausbleiblichen Folgen einer rasch wiederholten Systemänderung zu ersparen, für die zwingende innere Gründe nicht vorlagen.201 Jedoch blieben Bayern kleinere Änderungen in dem Bereich des Verehelichungsrechtes trotz der Reservatrechte nicht erspart. So trat das Gesetz die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundesangehörigen im Auslande betreffend vom 4. Mai 1870 aufgrund des Reichsgesetzes vom 22. April 1871 in Kraft, das die Einführung norddeutscher Gesetze in Bayern regelte. Es wurden Änderungen im Heimat- und Aufenthaltsrecht und vor allem auch Verehelichungsrecht nötig, da die Unterscheidung zwischen Inländern (Bayern) und Ausländern zu modifizieren war. Als Ausländer konnten nur Nichtdeutsche, d. h. Personen, die weder Bayern noch Angehörige eines anderen Deutschen Bundesstaates waren, betrachtet werden. Das Wort „Ausländer“ kam im Gesetz vom 16. April 1868 hinsichtlich der Verehelichungsnormen in Art. 34 Abs. 1 und Art. 35 Abs. IV sowie Art. 39 vor. Am 17. August 1872 erging Bekanntmachung den Vollzug des Art. 39 des Gesetzes über Heimat Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 1868 betreffend.202 Darin wird bestimmt, daß als „Ausländer“ im Sinne des Art. 39 nur Untertanen eines nicht zum Deutschen Reiche gehörenden Staates zu verstehen sind, demzufolge findet Art. 39 auf Angehörige eines deutschen Bundesstaates keine Anwendung. Es bleibt aber dennoch im Interesse eines geordneten Gesetzesvollzuges dabei, daß in jedem Falle, in dem ein nicht bayerischer Reichsangehöriger eine Ehe in Bayern schließen will, festgestellt wird, ob derselbe das deutsche Indeginat besitzt und nicht durch seine Militärdienstpflicht an der Verehelichung gehindert ist. Zu dieser Feststellung sind nach dem allgemeine Kompetenzverhältnissen die Distriktsverwaltungsbehörden berufen. 199
Faber, Verehelichungsrecht, S. 23 f. Riedel, Kommentar, S. 174: In Württemberg und Baden befinden sich die Gesetze zur Ansässigmachung und Verehelichung auf dem Stand der bayerischen Gesetze von 1834, d.h. die Gemeinden haben sehr weitgehende Rechte. In Österreich werden nur in einzelnen Ländern politische Ehekonsense gefordert, allerdings ist ein Antrag auf Beseitigung 1863 in der II. Kammer gestellt worden und ist in jüngster Zeit durch die Einzellandtage wiederholt worden. In Preußen gibt es kein administratives Vorverfahren noch Einspruchsrechte der Gemeinden, obwohl auch dort den Gemeinden das Armenwesen obliegt. 201 Riedel-Müller, Kommentar, S. 54. 202 Gbl. Bayern 1872, Bd 2, Nr. 60–92. 200
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b) Die Gesetzesnovelle vom 23. Februar 1872 zum Gesetz vom 16. April 1868 Die Veränderungen durch die Reichsgesetzgebung gaben dazu Anlaß, daß die königliche Staatsregierung dem Landtag im Dezember 1871 den Entwurf für die Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt vom 16. April 1868 vorlegte.203 Dieser Entwurf wurde am 23. Februar 1872 als Gesetz erlassen.204 Im Bereich des Verehelichungsrechtes205 hatte man Veränderungen in Art. 33, 35, 41 und 42 HG vorgenommen.206 Art. 33 Abs. 2 HG hatte man abgemildert, indem er statt „Eine im Widerspruche mit dieser Bestimmung eingegangene Ehe ist so lange bürgerlich ungültig, als die Ausstellung jenes Zeugnisses nicht nachträglich erwirkt wurde.“ lautete „Eine im Widerspruche mit dieser Bestimmung eingegangene Ehe ist so lange, als die Ausstellung jenes Zeugnisses nicht nachträglich erwirkt wurde, bürgerlich ungiltig, es sei denn, daß die Ehe von einem Manne, der außerhalb Europas seinen Wohnsitz hat, am Orte dieses Wohnsitzes oder sonst außerhalb Bayerns abgeschlossen wurde und nach den Gesetzen des betreffenden Staates als giltig zu erachten ist“, Art. 5.207 An der bürgerlichen Ungültigkeit als Sanktion gesetzwidriger Eheschließungen wurde nichts verändert. Erst mit der Gesetzesnovelle von 1892 wurde die generelle Ungültigkeit der Ehe wegen eines Verstoßes gegen die Bestimmungen des Gesetzes, Art. 33 Abs. 2 HG zugunsten der folgenden Regelung abgeschafft: „Auf die Rechtsgiltigkeit der geschlossenen Ehe ist der Mangel dieses Zeugnisses ohne Einfluß; die Ehe hat aber so lange, als die Ausstellung des Zeugnisses nicht nachträglich erwirkt wurde, für die Ehefrau und die aus der Ehe entsprossenen oder durch dieselbe legitimirten Kinder in Bezug auf die Heimat nicht die Wirkungen einer giltigen Ehe [. . .].“208 Der Grund für die Sanktion der bürgerlichen Ungültigkeit für eine Ehe, die ohne das Verehelichungszeugnis abgeschlossen war, war nach der Einführung des RPStG vom 6. Februar 1875209 weggefallen.210 203
Faber, Verehelichungsrecht, S. 24. Faber, Verehelichungsrecht, S. 24. 205 Es war auch zu Veränderungen im Heimat- und Aufenthaltsrecht gekommen, Art. 1–4 und 9–11 des Gesetzes vom 23. Februar 1872 in Gbl. Bayern 1872, Sp. 213–224. 206 Gbl. Bayern 1872, Art. 5–8. 207 Gbl. Bayern 1872, Sp. 218. 208 Vgl. Art. 7 des Gesetzes vom 17. März 1892, die Auslegung und Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes vom 16. April 1868/23. Februar 1872 über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt betreffend, Gbl. Bayern 1892, S. 53. 209 Vgl. folgender Abschnitt. 204
5. Das Reichspersonenstandsgesetz vom 6.2.1875
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5. Das Reichspersonenstandsgesetz (RPStG) vom 6.2.1875 a) Einführung Die einschneidenste Veränderung auf dem Gebiet des Eherechtes nach der Reichsgründung brachte für Bayern das Reichspersonenstandsgesetz vom 6. Februar 1875. Dieses Gesetz, das kein bayerischer Hoheitsakt war, soll in dieser Arbeit über das bayerische Eherecht deswegen noch Berücksichtigung finden, weil die Entstehung dieses Bundesgesetzes maßgeblich auf das Betreiben bayerischer Politiker zurückgeht, und die Eigenständigkeit bayerischen Eherechts mit dem RPStG ihr Ende findet. Das Reichspersonenstandsgesetz wird auch als die lex Voelk-Hinschia211 bezeichnet, da es auf die Initiative der Mitglieder der nationalliberalen Reichstagsfraktion Völk212 und Hinschius213 zurückging. Joseph Völk, Katholik und Rechtsanwalt aus Augsburg war als Abgeordneter des Reichstags ein Vertreter Bayerns. b) Der eherechtliche Inhalt des RPStG Das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung erging am 6. Februar 1875.214 Es bestimmte ganz generell, daß die Beurkundung von Heiraten, aber auch Geburten und Sterbefällen, ausschließlich durch die vom Staate bestellten Standesbeamten mittels Eintragung in die dazu bestimmten Register zu erfolgen habe.215 210 Riedel-Proebst, Kommentar, S. 64. Allerdings hatte man diese Änderung erst 17 Jahre nach Inkrafttreten des RPStG vorgenommen und vor allem nicht schon mit einer früheren Novelle vom 1. Mai 1884 (Gbl. Bayern 1884, S. 123 f.). Die Beibehaltung der bürgerlichen Ungültigkeit bei Verstößen gegen das bayerische Verehelichungsrecht nach dem RPStG bestätigen Riedel, Kommentar, Art. 33 Anm. 10a, Völk, PStG3, S. 127 f. mit der Begründung, daß das RPStG dies nicht abändern könne wegen des den Bayern durch das Reich zugestandenen Reservatsrechtes. 211 von Mallinckrodt RTV 1874, Band I, S. 1223 f. 212 Dr. Joseph Völk war ein Rechtsanwalt aus Augsburg, vgl. Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XXVIII. Er war ein Führer der bayerischen Liberalen und außerdem verband ihn Freundschaft zum bayerischen Justizminister Fäustle und dem Innenminister Pfeufer. Vgl. Grasser, Biographie, S. 74; Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 297. 213 Der Protestant und Kirchenrechtslehrer Hinschius war wohl der bedeutendere Schöpfer des Reichspersonenstandsgesetzes, doch soll seine Person in dem Zusammenhang der bayerischen Haltung des bayerischen Weges zum RPStG weniger interessieren. Vgl. dazu Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 297. 214 Rgbl. 1875, S. 23 ff. 215 Rgbl. 1875, S. 23 § 1 des ersten Abschnittes, allgemeine Bestimmungen.
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Die einschneidenste Neuerung dieses Gesetzes waren die Regelungen zum Eherecht. Die Eingehung einer bürgerlichrechtlich gültigen Ehe fiel ab jetzt im gesamten Deutschen Reich in den Aufgabenbereich der staatlichen Standesbeamten. Dieser Kerninhalt war in § 41 RPStG, im Abschnitt über die Form und die Beurkundung der Eheschließung,216 geregelt: „Innerhalb des Deutschen Reiches kann eine Ehe rechtsgültig nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden“, § 41 RPStG. An diese Aussage knüpften sich weitere präzisierende Regelungen über die Zuständigkeit des Standesbeamten, § 42 Abs. 1 RPStG, und die Notwendigkeit eines Aufgebots, §§ 44 ff. Eine Ehe konnte allerdings nicht wegen der Unzuständigkeit eines Standesbeamten angefochten werden, § 42 Abs. 2 RPStG. Das Aufgebot war regelmäßig in der Gemeinde oder den Gemeinden, wo die Verlobten ihren Wohnsitz hatten, bekannt zu geben, §§ 46 f. RPStG. Der Standesbeamte war verpflichtet, die Eheschließung abzulehnen, wenn er Kenntnis von Ehehindernissen hatte, § 48 RPStG. Vom Aufgebot konnte man dispensiert werden. Dieses Recht stand nur dem Staat zu. Über die Ausübung dieses Rechts hatten die Landesregierungen zu bestimmen, § 50 RPStG. Das Aufgebot verfiel, wenn seit dessen Vollziehung sechs Monate verstrichen waren, ohne daß die Ehe geschlossen worden war, § 51 RPStG. Der förmliche Akt der Eheschließung folgte zum Teil dem tridentinischen Muster: die Verlobten mußten in der Gegenwart zweier Zeugen217 und des Standesbeamten, auf die an sie einzeln gerichtete Frage des Standesbeamten, ob sie miteinander die Ehe eingehen wollen, mit „Ja“ antworten; aber zum Teil wurden auch Wesensmerkmale des evangelischen Eheschließungsrechts des 17. Jahrhunderts übernommen, das den Schwerpunkt auf die Trauungshandlung des Geistlichen legte218. Der Standesbeamte muß, nachdem beide Ehegatten mit „Ja“ geantwortet haben, sie als „nunmehr kraft des Gesetzes für rechtmäßig verbundene Eheleute erkläre[n]“, § 52 RPStG. Anschließend mußte die Eheschließung ins Heiratsregister eingetragen und den Eheleuten sofort über diese Eintragungen eine Bescheinigung ausgestellt werden, § 54 f. RPStG. Ein ganz ähnliches Verfahren hatte bereits der bayerische Entwurf von 1871 vorgesehen. Damit war der Staat in allen Bundesstaaten hinsichtlich der Eingehung einer bürgerlich gültigen Ehe und der Führung der Heiratsregister gänzlich 216
Rgbl. 1875, §§ 41–55 des vierten Abschnittes. § 53 enthält Bestimmungen über die Eigenschaft der Zeugen, die nur großjährig sein dürfen und Verwandtschaft bzw. Schwägerschaft spielt keine Rolle. Vgl. Rgbl. 1875, S. 33. 218 Conrad, FS Lehmann, S. 127. Aufgrund dieser Regelung entspricht die Form nicht dem tridentinischen Recht. Erst bei den Vorschriften für das Eherecht im BGB konnte sich das Zentrum durchsetzen, den Konsens der Ehegatten zum konstitutiven Element der Eheschließung zu machen. Vgl. Conrad, Hist. Jahrb. 72 (1953), S. 488. 217
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von der Kirche unabhängig.219 Das Gesetz hatte eine eigene Regelung vorgesehen, damit diese Art der Trennung von Kirche und Staat auch wirklich nicht unterlaufen werden konnte, indem „Geistlichen und anderen Religionsdienern [. . .] das Amt des Standesbeamten oder die Stellvertretung eines solchen nicht übertragen werden [durfte]“, § 3 Abs. 3 RPStG. Entgegen dem ursprünglichen Vorhaben220 enthielt das RPStG auch die materiellen Voraussetzungen für eine gültige Eheschließung, die im Rahmen des Aufgebots zu berücksichtigen waren. Als erstes war die Einwilligung und die Ehemündigkeit der Eheschließenden genannt. Die Ehemündigkeit des Mannes trat mit vollendetem zwanzigsten, die Ehemündigkeit der Frau mit vollendetem sechzehnten Lebensjahr ein. Durch Dispens konnte die Ehemündigkeit auch herabgesetzt werden, § 28 RPStG. Eine zentrale Voraussetzung war die Einwilligung der Eltern bzw. Vormünder, § 28 RPStG. Bei versagter Einwilligung zur Eheschließung stand den großjährigen Kindern die Klage auf richterliche Ergänzung zur Verfügung, § 32 RPStG. Als Ehehindernisse, die die Gültigkeit der Ehe beeinträchtigten, §§ 33 ff. RPStG, kamen die Verwandtschaft der Brautleute in auf- und absteigender Linie, zwischen voll- und halbbürtigen Geschwistern und zwischen Stiefeltern und -kindern, Schwiegereltern und Schwiegerkindern jeden Grades in Betracht. Damit hatte man wie in allen neueren staatlichen Ehegesetzgebungen die Verwandt- und Schwägerschaftsverhältnisse deutlich eingeschränkt. Beibehalten hatte man das Eheverbot zwischen einem der wegen Ehebruchs geschieden war und seinem Mitschuldigen; allerdings gab es hier die Möglichkeit der Dispensation, § 33 RPStG. Natürlich bestand auch das Verbot der Mehrehe, Bigamie, § 34 RPStG. Es gab jedoch auch noch Bereiche, die man den Regelungen des Landesrechts vorbehalten hatte. „Hinsichtlich der rechtlichen Folgen einer gegen die Bestimmungen der §§ 28 bis 35 geschlossenen Ehe sind die Vorschriften des Landesrechts maßgebend. Dasselbe gilt von dem Einflusse des Zwangs, Irrthums und Betrugs auf die Gültigkeit der Ehe“, § 36 RPStG. Für Bayern hieß dies, daß die Vorschriften über die Ehe mit Militärpersonen, mit Landesbeamten oder Ausländern, die von einer Erlaubnis abhängig waren, durch das vorliegende Gesetz nicht berührt wurden. Jedoch hatte der Mangel einer solchen Erlaubnis keinen Einfluß auf die Rechtsgültigkeit der Ehe. Gleiches galt bei Vorschriften, die vor der Eheschließung einen Nach219 Die Standesbeamten waren generell für die Führung der Standesregister zuständig, also auch Geburts- und Sterberegister. Rgbl. 1875, S. 25 § 12. In §§ 13 und 14 wird genau beschrieben wie diese Register zu führen sind. § 15 beschreibt die Funktion der Standesregister. 220 Dazu später Kap. IV.
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weis oder Sicherstellung des Vermögens forderten, § 38 RPStG. Alle sonstigen Vorschriften, die die Eheschließung weiter als durch das vorliegende Gesetz beschränkten, waren aufgehoben, § 39 RPStG. Das Recht zur Dispensation von Ehehindernissen stand nur dem Staat zu. Über die Ausübung dieses Rechtes hatten die Landesregierungen zu bestimmen, § 40 RPStG. Im achten Abschnitt, den Schlußbestimmungen des RPStG, befand sich ein besonders wichtiger Paragraph, § 67 RPStG. Dort hieß es, daß ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener nicht die Ehe trauen, einsegnen durfte, bevor ihm nicht nachgewiesen worden war, daß die Ehe vor dem Standesbeamten geschlossen sei. Wurde gegen diese Vorschrift verstoßen, war der betreffende Geistliche mit bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten zu bestrafen. Außer der Eheschließungsform und den materiellen Voraussetzungen zur Eheschließung, schaffte das RPStG Vereinheitlichung hinsichtlich der Auflösung der Ehe und der Ehegerichtsbarkeit. Endgültig wurde die Gerichtsbarkeit in streitigen Ehe- und Verlöbnissachen an bürgerliche Gerichte verwiesen; eine geistliche oder eine durch die Zugehörigkeit zu einem Glaubensbekenntnis bedingte Gerichtsbarkeit war damit ausgeschlossen worden, § 76 RPStG. Außerdem mußte jede Ehe, die getrennt werden sollte, dem Bande nach geschieden werden, § 77 RPStG. Damit war die Trennung von Tisch und Bett abgeschafft.221 Für Bayern allerdings kannte das Gesetz eine Übergangsregelung hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit in Ehesachen, § 78 RPStG: „Ehestreitigkeiten, welche in Bayern vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz daselbst in Kraft tritt, durch Zustellung des Beschlusses über die Zulässigkeit der Klage anhängig geworden sind, werden von dem mit der Sache befaßten Gericht bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach Maßgabe der bisher geltenden Gesetze durchgeführt. Daselbst kann die Auflösung der Ehe auf Grund eines die beständige Trennung von Tisch und Bett verfügenden Urteils geltend gemacht werden, nachdem das Gericht auf Anrufen eines Ehegatten in dem nach Artikel 675 Abs. 1 und 2 der Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. April 1869 vorgesehenen Verfahren die Auflösung des Bandes der Ehe ausgesprochen hat. Das Verfahren in streitigen Ehesachen richtet sich in Bayern in den rechtsrheinischen Gebietsteilen nach den Bestimmungen des Hauptstückes XXVI. der genannten Prozeßordnung, in der Pfalz nach den Bestimmungen des Artikels 69 des Gesetzes über die Einführung dieser Prozeßordnung.“ 221 § 77 kennt eine Übergangslösung für Trennungen von Ehen von Tisch und Bett, die gerade ein Tag vor Inkrafttreten ausgesprochen worden sind. Wenn keine Wiedervereinigung stattgefunden hat, kann jeder der Eheleute aufgrund des ergangenen Urteils auch Scheidung beantragen.
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In den Schlußbestimmungen wurde festgehalten, daß mit diesem Gesetz die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf Taufe und Trauung durch dieses Gesetz nicht berührt wurden, § 82 RPStG. Damit wurde ganz deutlich die Trennung von Staat und Kirche ausgesprochen. Es existierten zwei Systeme völlig unabhängig nebeneinander. c) Die Umsetzung des RPStG in Bayern Die Landesregierungen waren berufen die erforderlichen Bestimmungen zur Ausführung des Gesetzes zu erlassen, „soweit dieselben nicht durch eine vom Bundesrathe erlassene Ausführungsverordnung getroffen werden“, § 83 RPStG. Eine Ministerialentschließung, die sich mit dem Vollzug des § 84 RPStG befaßte, erging am 14. Oktober 1875 und legte für Bayern fest, was unter höherer Verwaltungsbehörde, unterer Verwaltungsbehörde, Gemeindebehörde, Gemeindevorstand und Gericht erster Instanz zu verstehen sei.222 Im Anschluß an diese Ministerialentschließung erging eine weitere vom 19. Oktober 1875, die sich mit der Bildung der Standesamtsbezirke befaßte und dabei berücksichtigt haben wollte, daß den Leuten die zum Teil, §§ 19, 52, 58, persönlich beim Standesamt zu erscheinen hätten, nicht allzu große Mühen abverlangt würden.223 Das RPStG hatte am Bestand der Gesetze bezüglich der Heimat, Verehelichung und des Aufenthalts als bayerische Reservatrechte nichts verändert.224 Das hieß, daß ein im rechtsrheinischen Bayern heimatberechtigter Mann für eine Verehelichung, egal an welchem Ort innerhalb oder außerhalb Bayerns sie erfolgte, nach wie vor ein Verehelichungszeugnis benötigte. Dieses Zeugnis mußte er dann beim zuständigen Standesbeamten vorlegen. Für die Ausstellung des Zeugnisses war weiterhin die Distriktsverwaltungsbehörde zuständig, wenn auch unter einem etwas veränderten Verfahren.225 Allerdings gab es Veränderungen bei der Handhabung bestimmter Normen.226 Die größte Veränderung betraf den Art. 35 bayerisches Verehelichungs- und Aufenthaltsgesetz. Im RPStG lautete § 74: „Wo die Zulässigkeit der Ehe nach den bestehenden Landesgesetzen von einem Aufgebote abhängig ist, welches durch andere bürgerliche Beamte als die Standesbeamten vollzogen wird, vertritt dieses die Stelle des von den Standesbeamten 222 223 224 225 226
Abgedruckt bei Völk, RPStG, S. 250 f. Abgedruckt bei Völk, RPStG, S. 252 f. Riedel-Müller, Kommentar, S. 59. Faber, Verehelichungsrecht, S. 58. Faber, Verehelichungsrecht, S. 50 ff.
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anzuordnenden Aufgebots.“ In Bayern kannte das Heimat- und Verehelichungsrecht auch ein Aufgebotsverfahren, Art. 35. Ein Verehelichungszeugnis, Art. 33 HG, durfte nämlich nur dann ausgestellt werden, wenn der beabsichtigten Ehe auch keine zivilrechtlichen Hindernisse entgegenstanden. Diese zivilrechtlichen Hindernisse waren nicht von Amts wegen durch die das Verehelichungszeugnis ausstellende Distriktsverwaltungsbehörde zu erforschen, sondern sollten mit Hilfe dieses Einspruchsverfahrens aufgedeckt werden. Nur wenn es zu einem „berechtigten“ Einspruch gekommen war,227 durfte die Behörde das Verehelichungszeugnis nicht ausstellen. In Bayern wurde also das durch das RPStG vorgeschriebene Aufgebot, § 44 RPStG, durch die Distriktsverwaltungsbehörde wahrgenommen. Allerdings hatte sich aufgrund des RPStG die Aufgabe der Distriktsverwaltungsbehörde etwas gewandelt. Sie durfte im Unterschied zur Zeit vor dem Inkrafttreten des RPStG die Ausstellung eines Verehelichungszeugnisses nicht mehr nur vom Vorliegen eines Einspruches wegen eines zivilrechtlichen Ehehindernisses abhängig machen, sondern war von Amts wegen verpflichtet, positiv bestimmte Voraussetzungen für die Eheschließung festzustellen. Seit dem Inkrafttreten des RPStG hatten „die Behörden zwar auch keine förmliche Untersuchung über das Nichtvorhandensein civilrechtlicher Ehehindernisse zu pflegen, gleichwohl aber ist es veranlasst, dass wenigstens das Vorhandensein der positiven Voraussetzungen der Eheschliessung geprüft werde“.228 Diese Änderung ergab sich, da Art. 34 Ziff. 2 HG das Nichtvorhandensein von zivilrechtlichen Ehehindernissen zur Voraussetzung für die Ausstellung eines Verehelichungszeugnisses gemacht hatte. Diese zivilrechtlichen Ehehindernisse ergaben sich seit dem RPStG nur aus diesem selbst. Alle weiteren Einschränkungen aus dem CMBC und allen Partikular- und Statuarrechten waren außer Kraft getreten, § 39 RPStG. Daß die Behörde jedoch positive Voraussetzungen zu bestätigen hatte, lag an der Formulierung des Eherechtes in §§ 45 ff. RPStG. Dazu gehörte der Nachweis der Ehemündigkeit nach § 28 RPStG, die anhand der vor dem Aufgebot dem Standesbeamten beglaubigt vorzuweisenden Geburtsurkunden nach § 45 RPStG festgestellt werden konnte. Außerdem mußte ein Nachweis über die erforderliche Einwilligung des Vaters, der Mutter oder des Vormundes nach §§ 29–31 RPStG bzw. die die Zustimmung ergänzende richterliche Erklärung, § 32 RPStG, oder auch die Sterbeurkunden der Eltern bereits vor dem Aufgebot vorgelegt werden, § 45 Nr. 2 RPStG. Die Distriktsbehörde mußte positiv festgestellt haben, daß kein Verwandtschaftsverhältnis in auf- bzw. absteigender Linie oder ein gesetzliches 227
Vgl. weiter oben. Erlaß des k. Staatsministeriums des Innern vom 5. Dezember 1875, Vollzug des RPStG, Ziff. III A Nr. 1, MBl. S. 675. 228
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vorlag nach § 33 Ziff. 1 und 4, ebenso durfte kein Verhältnis von Vormund zu seinem Pflegbefohlenen gegeben sein, § 37 RPStG. Bei Personen, die nicht ihre erste Ehe eingingen, mußte der Nachweis über das Ableben des früheren Gatten bzw. über die Ehetrennung und zum Teil über die Auseinanderstellung und Sicherstellung des Vermögens, §§ 34 und 38 Abs. 2 RPStG erbracht werden. Bei Witwen und geschiedenen Frauen war auf die einzuhaltende Trennungs- bzw. Trauerzeit zu achten oder der Nachweis eines Dispenses erforderlich.229 Erst wenn alle diese Dinge nachgewiesen waren, war die Distriktsbehörde befugt, das Verehelichungszeugnis auszustellen.230 Mit den übrigen Voraussetzungen nach Art. 34 HG war wie bisher zu verfahren.231 Damit hatte Art. 35 V HG durch das RPStG seinen wesentlichen Inhalt verloren.232 Ehehindernisse, die nach früheren Landesrechten nur auf den Antrag Dritter zu berücksichtigen waren, waren durch § 39 RPStG aufgehoben und Ehehindernisse, die nach RPStG ein Ehehindernis bildeten, schon von Amts wegen zu berücksichtigen. Art. 35 V HG ist jedoch nicht ganz überflüssig geworden, da er noch zur Anwendung kommen konnte, wenn gegen die Eheschließung wegen Mangels der Nachweisung, Auseinandersetzung oder Sicherstellung des Vermögens, § 38 Abs. 2 RPStG Einspruch erhoben wurde.233 Konnte ein Mann aus dem rechtsrheinischen Bayern also ein Verehelichungszeugnis vorlegen, so konnte und mußte der Bundesbeamte überall in Deutschland ohne weiteres die Trauung vornehmen.234 Anders als das Gesetz über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt ist das Gesetz über die Notzivilehe von Dissidenten vom 2. Mai 1868235 jedoch mit dem Inkrafttreten des RPStG am 1. Januar 1876 außer Kraft getreten.236
229 Erlaß des k. Staatsministeriums des Innern vom 5. Dezember 1875, Vollzug des RPStG, Ziff. III A Nr. 1, MBl. S. 675. 230 VGH Bd II S. 427. 231 Erlaß des k. Staatsministeriums des Innern vom 5. Dezember 1875, Vollzug des RPStG, Ziff. III A Nr. 1, MBl. S. 675. 232 Faber, Verehelichungsrecht, S. 58. 233 VGH Bd VI S. 52. 234 Riedel-Müller, Kommentar, S. 182; Müller, HdB für Standesbeamte, S. 21 ff. 235 Dazu vorher Kap. IV.3. 236 Riedel-Proebst, Kommentar, S. 204.
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d) Der bayerische Beitrag zur Entstehung des RPStG aa) Die Vorlagen von Hinschius und Völk Am 19. 6. 1872 legte der Augsburger Abgeordnete Völk eine Resolution237 vor, „nach der der Reichstag beschließen sollte, daß diesem Hause bei seinem nächsten Zusammentritt seitens des Reichskanzlers Gesetzentwürfe über die Einführung der obligatorischen Zivilehe und die Ordnung der Zivilstandsregister vorgelegt werden“.238 Diese Resolution kam nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahrzehnten war die Einführung der obligatorischen Zivilehe ein sehr aktuelles Thema in allen deutschen Staaten. Die Frankfurter Nationalversammlung hatte 1848/ 49 den Grundsatz der Zwangszivilehe und der bürgerlichen Standesbuchführung in die Grundrechte und die Verfassung aufgenommen: § 150. Die bürgerliche Gültigkeit der Ehe ist nur von der Vollziehung des Civilaktes abhängig; die kirchliche Trauung kann nur nach Vollziehung des Civilaktes stattfinden. Die Religionsverschiedenheit ist kein bürgerliches Ehehindernis. § 151. Die Standesbücher werden von den bürgerlichen Behörden geführt.239 Daraufhin setzte sich in manchen deutschen Staaten die obligatorische Zivilehe durch.240 In Preußen nahm man diese Forderung auch in die Verfassung auf.241 Allerdings kam es erst während des Kulturkampfes zur Verwirklichung der obligatorischen Zivilehe in Preußen242, nachdem man immer wieder Entwürfe vorgelegt hatte.243 Aber auch auf dem achten deutschen Juristentag wurde von juristischem Standpunkte aus die Zivilehe als „die einzig berechtigte Eheschließungsform“ gerechtfertigt.244 237 Vgl. Drucksache Nr. 188, StBVDtR 1872, Bd I 3. Session, S. 1150 ff.; Schubert, ZRGGerm 97, S. 64. 238 StBVDtR 1872, Bd II, S. 1149 f. 239 Huber/Huber, Staat und Kirche, Bd II, S. 34; vgl. auch Friedberg, Eheschließung, S. 659 ff. 240 Conrad, FS Lehmann, S. 114. 241 In der oktroyierten Verfassung vom 5. 12. 1848 und in der revidierten Verfassung vom 31. 1. 1850 (Art. 19: Die Einführung der Civil-Ehe erfolgt nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes, was auch die Führung der Civilstandsregister regelt.) war in den „Rechten der Preußen“ die Einführung der Zivilehe aufgenommen worden. Conrad, FS Lehmann, S. 114; Hinschius, RPStG, S. 8. 242 Conrad, FS Lehmann, S. 114. 243 Schubert, ZRGGerm 97, S. 43 ff.; vgl. auch Fuhrmann, Zivilehe, S. 50 ff. Zu den früheren preußischen Reformversuchen in den Jahren 1854 bis 1861, vgl. Buchholz, Stephan, Eherecht zwischen Kirche und Staat. Preußische Reformversuche in den Jahren 1854 bis 1861, Frankf. a. Main 1981.
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Als Begründung für diese Resolution führte Völk vor allem das Problem der Altkatholiken in Bayern an.245 Bayerische Priester verweigerten die Assistenz zur Eheschließung, wenn die Verlobten sich nicht vorher ausdrücklich dem Unfehlbarkeitsdogma unterwürfen. Als Alternative bot man ihnen den Austritt aus der Kirche an, um schließlich als Dissidenten nach dem Gesetz vom 2. 5. 1868246 eine bürgerliche Ehe vor dem Richter schließen zu können. Diese Lösung widersprach aber den Vorstellungen der altkatholischen Richtung. Wegen dieser Umstände begriff Völk die Einführung der obligatorischen Zivilehe als „Notwehrakt“. Der Zentrumsführer Windthorst247 äußerte sich gegen die Zivilehe, da man die „Anschauungen der überwiegenden Mehrheit“248 den Ansprüchen einer Minderheit opfere. Trotz dieser Einwände wurde die Resolution mit 151 gegen 100 Stimmen angenommen249.250 In der Reichstagssitzung vom 29. 3. 1873 wurde bekannt gegeben,251 daß der Resolution von Dr. Völk nur bezüglich der Zivilstandsregister entsprochen werde; dafür werde bereits ein Entwurf im Reichskanzleramt erstellt. Dieser Entwurf wurde dem preußischen Staatsministerium vorgelegt, fand dort aber keine Billigung und wurde daher nicht weiterverfolgt.252 Deswegen legten am 2. 4. 1873 die Abgeordneten Völk und Hinschius einen eigenen Entwurf über die „bürgerliche Form der Eheschließung“ vor.253 Die Notwendigkeit dieses Entwurfs begründeten sie mit der üblichen Argumentation des Kulturkampfes, „die Selbständigkeit des Staates und seiner Gesetzgebung durch die ihm zu Gebote stehenden Mittel vor den Übergriffen der einzelnen Kirchen zu wahren“254. Der betreffende Ent244 Gutachten von Wasserschleben, Gutachten, I, S. 253 ff. und Gutachten von Friedberg, Gutachten, I, S. 271 ff. 245 Es gab 1871 etwa 30.000 Altkatholiken in Bayern. Grasser, Biographie, S. 70. Zur Konstituierung der Altkatholiken als Religionsgemeinschaft. Vgl. Weber, Konzil, S. 298 ff. 246 Gbl. Bayern 1868, Sp. 406–420. 247 Staatsminister a. D. Ludwig Windthorst aus Hannover, vgl. Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XXIX. 248 StBVDtR 1872, Bd II, S. 1152 f. 249 StBVDtR 1872, Bd II, S. 1153 f. 250 Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 298 f. 251 StBVDtR 1873, Bd I, S. 135 f. 252 Schubert, ZRGGerm 97, S. 65. 253 StBVDtR 1873, Bd III, Anl. Nr. 37 S. 165–167; dazu auch Schubert, ZRGGerm 97, S. 64. Huber, Verfassungsgeschichte, Bd 4, S. 733 ff. behauptet allerdings, daß Bismarck den Entwurf von H. und V. einbringen ließ, um „Widerstände, die sich im Bundesrat gegen eine Vorlage der Reichsleitung ergeben könnten, zu überspielen.“. 254 StBVDtR 1873, Bd III, S. 165–167.
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wurf enthielt nur Vorschriften über die obligatorische Zivilehe. In der ersten Beratung dieses Entwurfs, in der Sitzung vom 23. 4. 1873255 rügte das Zentrum zu Recht die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit des Reichs. Bislang kam ihm nach Artikel 4 Ziff. 13 der Reichsverfassung vom 16. 4. 1871256 nur die Gesetzgebungszuständigkeit für das Obligationenrecht zu. Die nächste Vorlage von Völk-Hinschius kam am 2. 3. 1874.257 Ihr waren zwei wichtige Entscheidungen vorausgegangen. Das Reich hatte inzwischen die Reichsgesetzgebungskompetenz für das gesamte bürgerliche Recht erhalten, d. h. Artikel 4 Ziffer 13 der Reichsverfassung war erweitert worden. Gegen diese Kompetenzerweiterung hatte sich vor allem das Zentrum ausgesprochen. Man befürchtete eine „überwuchernde Spezialgesetzgebung“258 ohne die vollständige Erstellung einer allgemeinen Kodifikation abzuwarten. Außerdem war am 24. 2. 1874 das preußische Personenstandsgesetz verabschiedet worden, das die bürgerliche Eheschließung zwingend vorschrieb.259 An das preußische Gesetz war auch die neue Vorlage von Völk und Hinschius angeglichen. Aus Rücksichtnahme auf vorhergehende einzelstaatliche Gesetze sah der Entwurf ein Subsidiaritätsprinzip vor. In den Staaten, wo man bereits die obligatorische Zivilehe eingeführt hatte, war die Mehrzahl der Vorschriften nicht anwendbar.260 Damit richtete sich dieser Entwurf vorwiegend an das katholische Bayern und verschiedene andere Mittelstaaten, wie Sachsen, Mecklenburg und Württemberg.261 bb) Die Debatte im Reichstag über die Zivilehe Die Reichstagsdebatten über den Entwurf vom 24. 3. 1874262 boten schließlich das Aktionsfeld für die bisher verschobene oder unterdrückte politische Konfrontation,263 die man aus parteipolitischer Sicht mit Buchholz264 folgendermaßen einschätzen kann: Das Zentrum war in seiner ab255
StBVDtR 1873, Bd I, S. 265–281. Rgbl. 1871, S. 64–85. 257 StBVDtR 1874, Bd III, Anl. Nr. 52, S. 204–208. 258 Windthorst, StBVDtR 1873, Bd I, S. 170–172. 259 Vgl. zur Verwirklichung der Zivilehe in Preußen, Schubert, ZRGGerm 97, S. 43 ff., vor allem auch 66 ff. 260 § 49 des Entwurfs, StBVDtR 1874, Anl. Nr. 52, S. 204–208. 261 Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 301. 262 StBVDtR 1874, Bd I, S. 537–555, 578–619, 641–651. 263 Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 301; Fuhrmann, Zivilehe, S. 64 ff. arbeitete den Standpunkt des Reichstags und des Bundesrates zur fakultativen Zivilehe in dieser Diskussion heraus und kam zu dem Ergebnis, daß diese Form der Eheschließung überhaupt nicht mehr in Betracht kam. 256
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lehnenden Haltung gegenüber der Zivilehe herausragend. Als Träger der Zivilehe ist „das breite Spektrum der Rechts- und Linksliberalen ergänzt, um die neukonservativen Kräfte“ zu nennen. Nationalliberale und Fortschritt hielten sich bei der Erörterung von Grundsatzfragen zurück. Die Protestanten, die im Inneren als gespalten bezeichnet werden können, einigten sich hier auf die Trennung des geistlichen und des bürgerlichen Bereichs der Ehe. Der Augenmerk dieser Arbeit richtet sich jedoch anders als die Untersuchung von Buchholz265 auf die Herauskristallisierung des spezifisch bayerischen Problems während der Debatten.266 Dr. Völk als einer der Gesetzesinitiatoren eröffnete die Beratungen mit seinem Beitrag. Die Dringlichkeit der Vorlage ergebe sich vor allem in Bayern dadurch, daß die katholischen Priester vor der Eheschließung den Verlobten das Anerkenntnis des Unfehlbarkeitsdogmas abverlangten und ansonsten die Eheschließung verweigerten.267 Aus dieser Situation entstehe für die Eheschließenden und den Priester eine Einschränkung ihrer Gewissensfreiheit, weswegen die Einführung der Zivilehe auch für die Priester ein großes Entgegenkommen sei, da sie auch ihre persönlichen religiösen Überzeugungen besser wahren könnten. Außerdem habe der Staat die Pflicht, die Zivilstandsregister, auch aus Interesse des genauen Vollzugs der Militärgesetze und diesen wichtigen Vertrag selbst zu ordnen, damit die Staatsbürger nicht von Gewalten außerhalb des Staates abhängig sind. Im Anschluß an Dr. Völk kam der bayerische Abgeordnete Dr. Westermayer, ein katholischer Stadtpfarrer aus München,268 zu Wort.269 Er versuchte die Argumentation von Dr. Völk zu widerlegen, daß es, besonders auch für die Priester, sehr sinnvoll sei, den Zivilakt und das Sakrament voneinander zu trennen. Dafür zitierte er die Erklärung von Papst Pius IX. vom 19. September 1852, die dieser auf die Vorlage eines Gesetzesentwurfs des Königs Viktor Emanuel über die Zivilehe verfaßt hatte. Danach sei das Sakrament keine „zufällige, zum Kontrakt hinzugesetzte Eigenschaft“. Deswegen könne kein bürgerliches Gesetz den Vertrag getrennt vom Sakrament regeln, ohne gegen die Lehre der Kirche zu verstoßen. Deswegen könnten nur jene die Zivilehe befürworten, die „los von Rom“ wollten.270 Westermayer sieht in der Zivilehe die Gefahr, daß auch die Katholiken sich nicht mehr vom Pfarrer trauen lassen.271 Ein Bedürfnis für die Zivilehe in Bay264
Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 301 f. Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 229 ff. 266 Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 302. Dazu in Zusammenfassung Buchholz, S. 302 f. 267 StBVDtR 1874, Bd I, S. 538. 268 Westermayer war einer der Hauptredner der Zentrumspartei. Vgl. Conrad, FS Lehmann, S. 125. 269 StBVDtR 1874, Bd I, S. 539–545. 265
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ern bestreitet er, weil das Volk mehrheitlich das Zentrum gewählt habe und es daher keine Institute unterstützen wolle, die dem liberalen Ideengut zuzuordnen seien. Als nächster äußerte sich ein weiterer bayerischer Abgeordneter, Dr. Schulte, der Verfasser eines gängigen Lehrbuchs zum katholischen Kirchenrecht. Schulte nutzte seine langjährigen Erfahrungen als Mitglied der geistlichen Ehegerichte, um nachzuweisen, daß es unabhängig von verschiedenen politischen Konflikten zwischen Kirche und Staat bzw. zwischen Altkatholiken und Katholiken, sehr handfeste Gründe gebe, die Zivilehe im Dt. Reich einheitlich einzuführen. Schwierigkeiten bestünden vielfach bei der Auflösung von Ehen, da vielfach nicht festzustellen sei, ob die Ehe gültig eingegangen sei. Es gebe Gebiete im Dt. Reich, wo das tridentinische Dekret nicht in Kraft getreten sei und deswegen eine Ehe nach vortridentinischen Regeln allein durch den Konsens der Eheleute geschlossen werden könne. Ein bayerisches Ehegericht müsse diese Ehe als gültig anerkennen. Probleme gebe es vor allem auch bei den Mischehen. Hier sei für Gebiete in Pommern entschieden worden, daß bei Mischehen die tridentinische Form nicht beachtet werden müsse. Allerdings sei nicht klar, ob dann aber protestantisches Kirchenrecht zu beachten sei. Schwierig sei vor allem auch die Scheidung von gemischten Ehen. Ein Protestant könne dem Bande nach geschieden werden und ein Katholik nicht. Deswegen sei auch nach katholischem Kirchenrecht seine Wiederverehelichung nicht möglich. Allerdings weicht in diesem Falle auch das bayerische Staatsgesetz von der kanonischen Auffassung ab und gestattet einem von einem Protestanten geschiedenen Katholiken die Wiederverheiratung. Diese Umstände führten dazu, daß es zu uneinheitlichen Entscheidungen im Ehe- und Familierecht kommen könne, da geistliche Gerichte zum Teil Ehen nach ihrem Recht für ungültig betrachten, die nach staatlichem Recht gültig sind und umgekehrt. Aufgrund der im Reich möglichen Freizügigkeit schaffe diese Situation aber zunehmend Probleme. Außerdem könne ein Staat nicht mehr an einem konfessionell geprägten Eherecht festhalten, wenn er selbst mehreren Konfessionen gleiche Rechte gewähre. Aus diesem Grunde bestehe ein dringendes Bedürfnis nach einem staatlichen Eherecht. Der Ehesegen müsse nach kanonischem Recht nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Konsenserklärung stehen; das Konzil von Trient verbiete nur, daß die Gatten vor Empfang des Segens bereits unter einem 270 In gewisser Weise ist diese Aussage richtig. Es ging nach wie vor um die Emanzipation des Staates von der katholischen Kirche. Vgl. dazu Wasserschleben, Gutachten, I, S. 260 ff. 271 So auch die Befürchtungen von einem der Gegner der Zivilehe, Hergenröther, Civilehe, S. 41 ff.
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Dach wohnen. Aus diesem Grunde verletze die zivile Eheschließungsform nicht die Vorschriften des tridentinischen Dekrets und störe vor allem die Sakramentsnatur der Ehe nicht. „Die Bestimmung des Koncils von Trient ist nichts als eine einfache Rechtsvorschrift, hat gar keinen dogmatischen Charakter, steht auch nur in den Disziplinardekreten; die Lehre des Sakraments ist etwas ganz Anderes, hängt damit nicht zusammen.“ Schulte referierte außerdem, daß man in der Kirche sich nicht schon immer ganz einig gewesen sei über die Form der Eheschließung und deren Auflösbarkeit, um der Meinung etwas entgegen zu setzen, daß die heutigen Zeiten die heiligen Grundsätze der Eheschließung erstmals erschütterten. Er bestritt auch die Einschätzung Westermayers, daß die Zivilehe ein „Skandal für die Gläubigen“ sei. Man habe in Frankreich seit 90 Jahren gute Erfahrungen gemacht, außerdem gebe es wesentlich weniger Probleme mit Dispensen als in Österreich oder Preußen.272 Er betonte abschließend nochmals, daß für ihn die Einführung der Zivilehe ausschließlich juristische und soziale und weder kirchliche noch politische Gründe habe. Daß nur politisiert werde, wies er an der Tatsache nach, daß beinahe ausschließlich um die Form der Eheschließung gestritten werde und weniger um die materielle Ausgestaltung von Ehehindernissen etc., wo eigentlich viel größere Unterschiede zwischen staatlichem und kirchlichem Recht vorhanden seien. Die weiteren Wortmeldungen stammen von vier Abgeordneten aus anderen deutschen Ländern, darunter auch Hinschius. cc) Die Debatte über Einzelprobleme In der Fortsetzung der Beratungen am 26. März 1874 wird die Gestaltung der einzelnen Normen diskutiert. Es stehen hier weniger ausschließlich bayerische Interessen im Vordergrund. Allerdings bringt der Zentrumsführer Windhorst273 im Rahmen der Diskussion des § 44 RPStG, der der weltlichen Behörde die Dispenserteilung vom Aufgebot aber auch von den sonstigen Ehehindernissen gestattet, die bayerische Situation nochmals besonders ins Spiel. Er hält die Dispensation bezüglich sonstiger Ehehindernisse durch die weltliche Behörde für sehr problematisch, weil bislang keine reichseinheitlichen staatlichen Eherechtsnormen existierten und man außerhalb einer allgemeinen Zivilrechtskodifikation nicht befugt sei, materielles Eherecht auf Reichsebene zu schaffen. Windthorst will die Einführung der obligatorischen Zivilehe deswegen zumindest außerhalb einer allgemeinen Zivilrechtskodifikation ablehnen und hofft hierbei auf bayerische Unterstützung, 272 Anderes berichtet der Gegner der Zivilehe, Hergenröther, Civilehe, S. 43. In Frankreich gebe es bereits junge Leute, die sich mit „bloßen Concubinaten“ zufrieden geben und gar keine Ehe mehr eingehen würden. 273 StBVDtR 1874, Bd I, S. 597.
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denn der Justizminister Fäustle274 habe sich in diesem Sinne vor der bayerische Kammer geäußert. Außerdem verwies er auf die bayerischen verfassungsrechtlichen Probleme, wenn, wie es § 44 RPStG vorsah, die bürgerlichen Gerichte für die Nichtigkeit und Scheidung zuständig würden.275 Der bayerische Minister Fäustle276 ließ sich aber auf diese Diskussion nicht ein. Hinsichtlich der Behauptung, bayerisches Landesrecht werde durch das Gesetz verletzt, enthielt er sich jeglicher Äußerung und verwies auf eine zukünftige Stellungnahme der bayerischen Regierung zum gesamten Entwurf. Er befürwortete die Einführung der Zivilehe, weil ein Bedürfnis bestehe, andernfalls müsse man eben auf Landesebene Abhilfe schaffen, wie es in Preußen geschehen sei. Der bayerische Abgeordnete Dr. Schulte277 widerlegte die behauptete Verletzung von bayerischen Kirchenhoheitsverhältnissen, die durch die Verfassung garantiert seien. Kirchliches Eherecht gelte in Bayern auch gleichzeitig als anerkanntes Zivilrecht, das der Staat abändern könne; außerdem sei die vollständige Trennung auch im Bereich der Zuständigkeiten, wenn man eine völlige Lösung vom konfessionellen Eherecht wolle, folgerichtig, wenn man nicht in den kirchlichen Bereich eingreife. Neben dem Mainzer Abgeordneten Moufang278 übte auch der Passauer Abgeordnete Dr. Kraetzer, ein Appellationsgerichtsrat,279 Kritik an § 44 RPStG. Staatliche Behörden dürften nicht nach kanonischem Recht beurteilen, ob Ehehindernisse vorliegen. Die Möglichkeit, daß der Staat auf dem Verordnungswege eigenes Eherecht schaffe, hielt er mit bayerischem Verfassungsrecht für unvereinbar. Deswegen sei der vorliegende Entwurf nur zu verwirklichen, wenn staatliches materielles Eherecht existiere. Die Bedenken, die man gegen den landesstaatlichen Verordnungsweg vorgebracht hatte, zerstreute Dr. Völk mit dem Hinweis, daß es nicht zwingend Verordnungen sein müßten, sondern daß man auch Gesetze erlassen könnte. 274 Zur Person vgl. ADB/Döhring, Bd V, S. 743. Johann Nepomuk Fäustle soll der Fortschrittspartei nahegestanden und mit dem bayerischen Kultusminister Johann Adam Lutz freundschaftliche Beziehungen unterhalten haben. Grasser, Biographie, S. 73. Vgl. dazu auch Rummel, Fritz, Das Ministerium Lutz und seine Gegner 1871–1882. Ein Kampf um Staatskirchentum, Reichstreue und Parlamentsherrschaft in Bayern, München 1935. In diese freundschaftliche Verbindung gehörte auch Sigmund Heinrich Freiherr von Pfeufer, der ebenfalls der Fortschrittspartei nahestand. Fäustle und Pfeufer waren ihrerseits mit den Führern des bayerischen Liberalismus Völk und Marquardsen freundschaftlich verbunden. Grasser, Biographie, S. 74. 275 StBVDtR 1874, Bd I, S. 598. 276 StBVDtR 1874, Bd I, S. 600 f. 277 StBVDtR 1874, Bd I, S. 601–603. 278 StBVDtR 1874, Bd I, S. 603 f. 279 Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XX.
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Um ein echtes bayerisches Anliegen ging es in der dritten Beratung vom 28. März 1874, wo der bayerische Abgeordnete Marquardsen in § 49 Abs. 3 RPStG berücksichtigt haben wollte, daß in Ländern, wo es bereits ein staatliches Aufgebotsverfahren gebe, das durch andere bürgerliche Beamte als die Standesbeamten durchgeführt werde, dieses an die Stelle des Aufgebots durch den Standesbeamten trete. Dieser Umstand traf vor allem für Bayern zu, da es in dem Gesetz über Verehelichung und Aufenthalt ein staatliches Aufgebotsverfahren eingeführt hatte.280 dd) Der Fortgang des Verfahrens Die Vorlage vom 28. 3. 1874 wurde mit entschiedener Mehrheit angenommen.281 Der Entwurf wurde Ende März 1874 dem Justizausschuß des Bundesrates übergeben,282 der ihn begutachtete. Am 16. 5. 1874 legte dieser einen Abschlußbericht vor.283 Die Notwendigkeit einer reichseinheitlichen Regelung für die Eheschließung und die Personenstandsbeurkundung wurde bestätigt. Keinen Anklang fand das „Subsidiaritätsprinzip“, das dazu führte, daß in allen Gebieten, wo bereits die Zivilehe bestand, das RPStG nicht zur Anwendung kam. Außerdem kritisierte man die fehlenden materiellen Bestimmungen und die Verpflichtung der Landesregierungen, die zur Ausführung notwendigen Gesetze im Verordnungswege zu regeln.284 Der Ausschuß schlug daher die Ablehnung des Entwurfs vor. Damit dies aber nicht als generelle Ablehnung gelte, stellte ein Württemberger Abgeordneter den Antrag, „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, unter Betheiligung der Bundesregierungen einen Gesetzentwurf über die Einführung der obligatorischen Civilehe und die Beurkundung des Personenstandes aufstellen zu lassen, und denselben baldthunlichst dem Bundesrath zur Beschlußnahme vorzulegen“285. Vor der erneuten Beratung im Plenum war die bayerische Regierung noch für den württembergischen Antrag zu gewinnen, nachdem der bayerische Bevollmächtigte sich im Justizausschuß des Bundesrates der Stimme 280
Vgl. dazu vorher Kap. IV.2.a.cc. und b.dd. StBVDtR 1874, Bd I, S. 651; Bd III, Anl. Nr. 126, S. 402–410. 282 Schubert, ZRGGerm 97, S. 76. 283 Dieser Bericht beschäftigte sich hauptsächlich mit zwei Fragen: 1. ob das Reich die obligatorische Zivilehe und ein staatliches Personenstandsgesetz einführen könne, 2. ob bei Bejahung der ersten Frage, dem aktuellen Entwurf des Reichstages zuzustimmen sei. Bayern hatte sich hinsichtlich der ersten Frage noch nicht entschieden. Schubert, ZRGGerm 97, S. 77. 284 Bericht des Ausschusses für Justizwesen, betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung vom 16. 5. 1874, in: Drucksachen des Bundesrates 1874, I, Nr. 68, S. 5. 285 Drucksachen des Bundesrates 1874, Bd I, Nr. 68, S. 6. 281
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enthalten hatte, um die definitive Entscheidung der Regierung zu überlassen.286 Dafür setzten sich die Minister Dr. v. Lutz und Dr. v. Fäustle ein, indem sie dem König einen ausführlichen Bericht vom 22. 5. 1874287 über den Werdegang und die Entwicklung der Verhandlungen zum Personenstandsgesetz schickten und gleichzeitig die Einführung der obligatorischen Zivilehe auf Reichsebene als einzige vertretbare Lösung darstellten. „Unstrittig ist es eine rechtliche wie sittliche Pflicht des Staates, Jedem dem er ein Recht gibt, auch die Mittel zu dessen Ausübung zu gewähren. Aus diesem Satze folgt aber bezüglich der Anwendung auf das Ehewesen, daß für die Eingehung der Ehe andere Voraussetzungen nicht aufgestellt werden dürfen, als solche, welche jeder einzelner Staatsangehörige unabhängig von seinem individuellen Glauben, ohne Beeinträchtigung seines Gewissens, ohne Zwang zur auch nur zeitweiligen Verläugnung seiner wahren Gesinnung, ohne Beeinträchtigung seiner persönlichen Handlungs- und Willensfreiheit in irgendeiner Richtung zu genügen im Stande ist.“ Die Notwendigkeit der Einführung der Zivilehe wurde mit dem Prinzip der Gewissensfreiheit begründet, die ein „so großes Gut“ sei, vor allem „bei der Mischung der Glaubensbekenntnisse eine so wesentliche Vorbedingung für die Existenz der Staaten“ ist, daß man die Ehe nicht auf ihre Kosten schützen dürfe. Aus diesem Grunde sei auch die Notzivilehe in der Form des Gesetzes vom 2. Mai 1868 keine Lösung, weil sie gerade nur für Angehörige nicht anerkannter Religionsgemeinschaften gelte. Daß die obligatorische Zivilehe die einzige Lösungsmöglichkeit biete, wurde außerdem damit begründet, daß die fakultative und die Notzivilehe die kirchliche Trauung ersetzen würden, und sich daraus der Nachteil ergebe, „daß jeder einzelne bürgerliche Trauungsakt eine positive Kundgebung des bestehenden Zwiespaltes der Betheiligten und zugleich des Staates mit der Kirche ist“. Damit hafte dieser staatlichen Ehe ein Makel an, was für das Ansehen des Staates und seines Eheinstitutes nicht von Vorteil sei. Ganz anders sei es bei der obligatorischen Zivilehe. Bei ihr komme die kirchenfeindliche Gesinnung erst dann zum Ausdruck, wenn das betreffende Paar sich ausschließlich bürgerlich trauen lasse. Damit schwänden auf der einen Seite die Vorurteile gegen die bürgerliche Eheschließung und auf der anderen Seite gebe es auch keinen Wertverlust bei der kirchlichen Einsegnung, wenn diese nun nicht mehr erzwungen werden könne, sondern auf dem freien Willen der Brautleute beruhe. Im übrigen wurden die positiven Erfahrungen mit der Zivilehe in den anderen Ländern vorgebracht. Mit diesen Argumenten versuchten die Minister nachzuweisen, „daß für die Religion aus der obligatorischen Civilehe keine ernste Gefahr erwachse 286 287
Vgl. BayHStA München Abt. I, MJu 12019. BayHStA München, Abt. I, MJu 12019.
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und daß die Opposition der Ultramontanen gegen ihre Einführung mehr eine gemachte und auf politischen Motiven beruhende [. . .] als auf wahre Religiosität aufgebaute“ sei. König Ludwig II. genehmigte daraufhin die Mitwirkung der Regierung an der Verwirklichung des württembergischen Antrags. ee) Die Beratung des Württembergischen Antrags Der Bundesrat folgte in der Sitzung vom 11. 6. 1874 dem württembergischen Antrag.288 Preußen und vor allem die süddeutschen Staaten befürworteten die weitere Bearbeitung des Personenstandsgesetzes. Die protestantischen Staaten Sachsen und Mecklenburg lehnten die Fortsetzung ab. Zögerlich von den süddeutschen Staaten war nur Bayern. Es befürchtete einen Eingriff der Reichsgesetzgebung in bayerische Reservatrechte bezüglich der polizeirechtlichen Seite des Verehelichungs- und Niederlassungswesens289.290 Der Bundesrat forderte die einzelnen Regierungen auf, motivierte Abänderungsvorschläge beim Reichskanzleramt einzubringen, die dann in einer Kommission beraten werden sollten. Daraufhin hat Bayern, das selbst bereits über einen entsprechenden Entwurf verfügte, in einer Denkschrift die Erweiterung der bisherigen Vorlage um die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen291 angeregt. Der Justizausschuß legte am 20. 12. 1874 seinen Gesetzesentwurf vor. Am 5. 1. 1875 beriet der Bundesrat über die vom Ausschuß erstellte Fassung. Der mehrheitlichen Annahme (43 gegen 15 Stimmen) traten Mecklenburg und Sachsen entgegen. Der Bundesratsentwurf292 sah verschiedene Abweichungen von dem im Reichstag beschlossenen Entwurf vor. So ging man davon aus, „daß es der Stellung der Reichsgesetzgebung nicht entspreche, sich mit der Schaffung eines blos subsidiären Rechts zu begnügen“, vielmehr sei ein „einheitliches, in allen Bundesstaaten gleichmäßig zur Anwendung gelangendes Recht“ erforderlich.293 Dies war vor allem auch im Interesse Bayerns, das wiederholt daraufhin wies, daß es keine Möglichkeit sehe, in den bayerischen Kammern die Einführung der Zivilehe wegen des immensen Einflusses der katholischen Geistlichen durchzusetzen.294 Ein wesentlicher Schritt, der den 288
Prot. BR, Session 1874, § 301 S. 198 f. Versailler Beitrittsvertrag mit Bayern vom 23. 11. 1870, III § 1, Schlußprotokoll Ziff. I, vgl. Huber, Dokumente, Bd II, S. 333. 290 Im übrigen dazu Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 304, vgl. Fn. 96c. 291 Vgl. StBVDtR 1874/75, Bd IV, Anl. Nr. 153, S. 1055 ff. 292 StBVDtR 1874/75, Bd IV, Anl. Nr. 153, S. 1041–1055. 293 StBVDtR 1874/75, Bd IV, Anl. Nr. 153, S. 1047. 294 Schubert, ZRGGerm 97, S. 81 f. 289
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rein verfahrensrechtlichen Charakter der bisherigen Vorlagen ablöste und das Gesetz einer vorgezogenen Teilkodifikation des Eherechts annäherte, war die Einbeziehung von Vorschriften über Eheschließungsvoraussetzungen, Ehehindernisse und – im engeren Rahmen – über die Scheidung. Diese Veränderung ging im wesentlichen auf einen Antrag Bayerns zurück.295 Neben das „formelle“ trat das „materielle Eheschließungsrecht“296. Die auf diesem Gebiet völlig unüberschaubare Zahl partikulärer Quellen sollte ebenso abgelöst werden wie die überkommenen kirchlichen Satzungen. In den Prozeß der Aufhebung konfessioneller Sonderformen gehörte die generelle Ersetzung der Trennung von Tisch und Bett durch die Scheidung. Ergänzt wurden diese Maßnahmen um die Beseitigung der bestehenden Reste der geistlichen Ehegerichtsbarkeit297. In materiellrechtlichen Detailfragen setzte sich in den meisten Fällen Preußen gegenüber den ausführlicheren Vorschlägen Bayerns durch.298 Alle Ehehindernisse, die nicht im Reichspersonenstandsgesetz geregelt waren, sollten wegfallen, insbesondere ging es um das Ehehindernis der Glaubensverschiedenheit, des Gelübdes der Ehelosigkeit und der geistlichen Verwandtschaft.299 Bayern hatte auch die Regelung der Nichtigkeit, der Anfechtbarkeit, der Scheidung und der zeitweiligen Trennung der Ehe beantragt; damit hatte es sich aber nicht durchsetzen können.300 Dieses Interesse Bayerns wurde dadurch gewahrt, daß eine Ehe, die nach bisherigem Recht beständig von Tisch und Bett getrennt worden war, von nun an dem Bande nach geschieden werden mußte. Für Ehen, die vor Geltung des RPStG beständig von Tisch und Bett getrennt worden waren, galt, daß dieses Er^ Urteil) mit dem Inkrafttreten des RPStG die Ehe dem Bande kenntnis ( nach auflöste.301 Am 5. 1. 1875 wurde es in der Plenarsitzung des Bundesrates beraten.302
295 Schubert, ZRGGerm 97, S. 82. Bayern verfügte über einen Gesetzesentwurf zur obligatorischen Zivilehe aus dem Jahre 1871, vgl. HStA München, MJu 12021 und hier Kap. IV.3.c., der auf diese Weise mit eingebracht werden konnte. 296 StBVDtR 1874/75, Bd IV, Anl. Nr. 153, S. 1047. 297 §§ 75–77 des Entwurfs, StBVDtR 1874/75, Bd IV, Anl. Nr. 153, 1046. 298 Vgl. ausführlicher dazu Schubert, ZRGGerm 97, S. 83. Es ging im wesentlichen um das Heiratsfähigkeitsalter und die Einwilligung der Eltern, vor allem des Vaters, zur Ehe. Bayern wollte diese nur bis zur Volljährigkeit des Sohnes verlangen. Vgl. die Drucksachen Nr. 137, 173, 272; Bericht, StB S. 226 ff., 262 ff.; Motive zu § 28 RT-Vorlage (Drucksache 153, S. 1049 d) 299 Schubert, ZRGGerm 97, S. 84. 300 Schubert, ZRGGerm 97, S. 84. 301 Vgl. § 74 der Ausschußvorlage (§ 77 RPStG). Die Regelung wurde im Plenum dahingehend ergänzt, daß dies nur möglich sei, wenn vorher keine Versöhnung der Ehegatten stattgefunden habe.
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ff) Die Beratung des neuen Entwurfs im Reichstag Dieses Gesetz wurde im deutschen Reichstag während 6 Sitzungen kontrovers diskutiert.303 In der ersten Lesung (Beratung)304 ging es um die grundsätzliche Annahme, eines solchen Gesetzes; in der zweiten Lesung (Beratung) um die Abfassung der einzelnen Normen, Paragraphen. Für vorliegende Untersuchung ist vor allem die erste Beratung von Bedeutung, in der es um das „Ob“ des Gesetzes ging. Zu dieser Frage äußerten sich überwiegend bayerische Abgeordnete305, wobei sich Bayern nicht als Einheit präsentierte, sondern die innerbayerischen Kontroversen im Reichstag austrug. Zu den Befürwortern dieses Gesetzes gehörte der Vertreter der bayerischen Regierung, Justizminister Dr. Fäustle, aber natürlich auch einer der Initiatoren des RPStG, Dr. Völk; die übrigen Wortmeldungen von bayerischen Abgeordneten äußerten sich negativ zu diesem Gesetzentwurf. Die zweite Beratung soll nur insoweit interessieren, als Bayern mit seinen unterschiedlichen Vertretern versucht hat, seinen Einfluß auf verschiedene brisante Normen durchzusetzen. Die 42. Sitzung wird mit dem Vortrag des Abgeordneten Dr. Jörg306 begonnen,307 der bayerische Interessen vertritt und dem Gesetzentwurf des RPStG ablehnend gegenüber steht. Als erstes beruft er sich auf Beratungen des bayerischen Landtages, vor allem zitiert er die Sitzung vom 29. Februar 1868308, in der eine „lehrreiche Verhandlung“ über die obligatorische Zivilehe in der zweiten Kammer stattgefunden habe. Es habe sich zwischenzeitlich nicht viel in Bayern verändert, so daß auch jetzt von keinem Bedürfnis für die obligatorische Zivilehe gesprochen werden könne, zumal auch durch das Dissidentengesetz vom Mai 1868 für 302 Prot. BR von 1874, S. 2–9. Für Bayern waren anwesend Perglas und Loë, vgl. Schubert, ZRGGerm 97, S. 86 und Prot. BR 1875. 303 Vgl. dazu die StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 960 ff. 304 Sitzung 42. 305 Von 9 Wortmeldungen waren 5 von bayerischen Vertretern, inklusive des bayerischen Justizministers. Die Abgeordneten anderer Länder äußerten sich weniger zu dieser Grundsatzfrage und brachten eher Detailkritik vor. Vgl. Abgeordnete Stumm, ein preußischer Vertreter aus dem Rheinland, Freiherr von Maltzahn-Gültz aus Preußen und Dr. Schroeder aus dem Großherzogtum Hessen, StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 968 ff. Vgl. zur Herkunft der Abgeordneten das Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XXI, XXVII, XXVI. 306 Dr. Josef Edmund Jörg, Königlicher Kreisarchivar und Schloßinspektor aus Trausnitz bei Landshut in Bayern. Vgl. Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XIX. 307 StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 960 ff. 308 Dazu hier Kap. IV.3.b.
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bayerische Staatsangehörige, die keiner anerkannten Religionsgemeinschaft angehören, Abhilfe geschaffen worden sei. Das Problem der Altkatholiken möchte er damit lösen, daß sie sich zu einer neuen Religionsgemeinschaft formieren sollen. Jörgs Auffassung zu einem neuen Gesetz für Ehesachen, das nach den Grundsätzen des Rechtsstaats als Zivilrecht geschaffen werden soll, ist derart, „daß jede anerkannte kirchliche Existenz bei ihren Rechten bliebe“. Er zeigt Verständnis, daß auch für die Nichtchristen die Eheschließung zu regeln sei, möchte aber unter keinen Umständen, daß von dieser Notwendigkeit der Neuorganisation des Eherechts auch die Christen ergriffen werden. Er lehnt damit eine einheitliche Regelung für alle Staatsangehörigen ab. „Die Zivilehe will keineswegs den geschehenen Abschluß der Ehe konstatiren, sondern es macht in der That die Ehe durch den Staat und richtet die Ehe durch den Staat, während für uns Katholiken nun einmal die Ehe ein Sakrament ist, welches materiell nur in der Kirche gemacht und gerichtet werden kann. Sehen Sie, deshalb wird die Kirche stets gegen das Institut der obligatorischen Zivilehe protestiren, als gegen einen Eingriff in ihre Sphäre und in das Gewissen der Einzelnen.“ Das Gesetz in dieser Form tue dem Rechtsbewußtsein des bayerischen Volkes und dem religiösen Volksgewissen von Katholiken und einer Mehrzahl von protestantischen Geistlichen Zwang an. Die Durchsetzung geschehe also gewaltsam, was nicht mit der Rechtsstaatsidee vereinbar sei. Diese Aussage erfährt Zustimmung durch das Zentrum, ansonsten löst sie Heiterkeit aus. Jörg bringt nun einen zweiten wichtigen Grund vor, weswegen er und seine Parteifreunde den Entwurf ablehnen.309 Die bayerische Regierung habe gegen bayerisches Staatsrecht, also das geltende Verfassungs- und Vertragsrecht, verstoßen, indem sie ohne Genehmigung durch den bayerischen Landtag diesem Reichsgesetz zugestimmt habe. „Denn wir behaupten, die Ehesachen in Baiern, insbesondere die katholischen, sind ein Reservat, und wenn sie das selbst nicht wären, so müßten sie es für unsere Regierung sein in Anbetracht des noch geltenden öffentlichen Rechts in Bayern.“ Er zitiert das Schlußprotokoll vom 23. November 1870 Nr. 1, in dem es heißt: „Es wurde auf Anregung der königlich bayerischen Bevollmächtigten von seiten des königlich preußischen Bevollmächtigten anerkannt, daß, nachdem sich das Gesetzgebungsrecht des Bundes bezüglich der Heimats- und Niederlassungsverhältnisse auf das Königreich Bayern nicht erstreckt, die Bundeslegislative auch nicht zuständig sei, das Verehelichungswesen mit verbindlicher Kraft für Bayern zu regeln, und daß also das für den norddeutschen Bund erlassene Gesetz vom 4. Mai 1868, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließungen betref309
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 961 f.
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fend, jedenfalls nicht zu denjenigen Gesetzen gehöre, deren Wirksamkeit auf Bayern ausgedehnt werden könnte.“310 Ein Spezialgesetz oder auch eine Kodifikation könne sowohl das bestehende Recht eines Reservats als auch vertrags- und verfassungsmäßige Verhältnisse Bayerns nicht verändern. Dieses Verhältnis der bayerischen Gesetzgebung in Ehesachen, insbesondere der katholischen, beruhe auf dem Konkordat. Die Verhandlung wird mit dem Beitrag von Dr. Völk fortgesetzt.311 Völk führt aus, es könne, was das Konkordat und das bayerische Religionsedikt anbelange, nicht von Vertragsbruch die Rede sein. Es sei allgemein anerkannt, daß das Konkordat in Bayern nur Gesetzeskraft habe, „soweit es mit der Verfassungsurkunde vom König verkündet worden ist“. Es handele sich also um ein Gesetz und nicht mehr um einen Vertrag.312 Er wiederholt, daß Bayern Reichshilfe gegen den Zustand nicht vorhandener Zivilehe, der für viele nachteilig ist, wollte. Das Argument, die Zivilehe widerspreche dem bayerischen religiösen Bewußtsein, versucht er zu widerlegen, indem er den antireligiösen Charakter der Zivilehe untersucht. Um dem zu begegnen, führt er an, „daß die Zivilehe, die Eingehung der Ehe vor Laien und durch Laien, eine uralte nicht gerade katholische, aber deutsche Institution war.“ Die Behauptung, daß in Bayern kein Bedürfnis für eine Zivilehe bestehe, da die passive Assistenz des Priesters ausreiche, weil die sakramentale Natur der Ehe auch ohne Einsegnung der Ehe erlangt werde, versucht er mit einem Beispiel zu widerlegen. In einer Gemeinde in Straubing habe ein Protestant und eine Altkatholikin von einem katholischen Priester getraut werden sollen. Da es sich um eine Mischehe handelte, verlangte er das Versprechen, die Kinder im katholischen Glauben zu erziehen, was zunächst vom Brautpaar abgelehnt wurde, das schließlich aber doch diese Erklärung abgab, die der Pfarrer nun in einem Zeugnis festhalten sollte; dieser erklärte sich dafür aber inkompetent. Völk313 fragt: „Ist es nun recht und kann es verantwortet werden, wenn Leuten, die nichts verbrochen haben, als daß sie an die vatikanischen Dekrete nicht glauben, das Recht, sich ehrlich zu verheiraten, auf diese Weise entzogen oder nur verkümmert wird“. Die von Jörg vorgeschlagene Lösung dieser Art von Konflikten durch das Dissidentengesetz vom Mai 1868 lehnt Völk ab, weil der Staat sich heute nicht mehr mit einem Notrecht zufrieden geben dürfe. Die Zeiten vor 310 311 312 313
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 962. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 963 ff. Dazu Kap. II.6.e. und f. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 965.
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IV. Bayern nach der Revolution von 1848
dem ersten vatikanischen Konzil und der Zustand jetzt seien aufgrund der kirchlichen Veränderungen nicht mehr vergleichbar. Völk behauptete, daß man erst seit diesem Konzil nicht nur in eingeweihten Kreisen von der tridentinischen Trauungsform wisse. Vorher habe es dafür auch gar kein Bedürfnis gegeben. Hier handelt es sich um eine Wahrheitsverzerrung durch einen Politiker. Völk bezeichnet die Zivilehe als ein Postulat der Gewissensfreiheit. Die verfassungsmäßig garantierte Gewissensfreiheit stehe allen Bürgern gleichermaßen zu, d. h. man könne keine Unterschiede zwischen dem Gewissen eines normalen Bürgers und eines Geistlichen oder Pfarrers machen. Wie niemand gezwungen werden könne an bestimmte religiöse Inhalte zu glauben, so könne auch kein Pfarrer gezwungen werden, eine Ehe einzusegnen, wo er nach seiner Religionsauffassung diese Ehe für unzulässig erachte. Wenn aber bestimmte Ehen staatlich erlaubt seien, müsse auch die Möglichkeit für eine gültige Eheschließung bestehen. Nicht zumutbar sei, daß man sich einen Geistlichen suchen müsse, der die Eheschließung nicht verweigere. Deswegen habe der Staat die Pflicht, eine Form und Organe für die Eheschließung zu schaffen. Gleichzeitig könne jeder, der das Bedürfnis nach kirchlicher Eheschließung habe, auch kirchlich heiraten. Den von Jörg bedauerten Verlust von Rechten der Partikularstaaten zugunsten des Reiches, hier vor allem im Bezug auf den Verlust der Regelungskompetenz von Zivil- und damit Eherecht, empfand Völk nicht, sondern er war sehr dankbar für die Schützenhilfe des Reiches.314 Hauck315 und Frankenstein316 widersprechen entschieden den Äußerungen von Völk. Hauck behauptet, daß das Reservatrecht für die Gesetze über Heimat, Verehelichung und Aufenthalt durch das Reichspersonenstandsgesetz vollständig beseitigt würde. Für diese Auffassung führt er § 38 ins Feld, der besage, daß alle Vorschriften, die das Recht zur Verehelichung weiter beschränken als das Reichspersonenstandsgesetz, aufgehoben sind. Dadurch seien alle Rechte aufgehoben, die nach dem bayerischen Reservatrecht den Gemeinden in Bezug auf die Eheschließung zustünden. Hauck äußert auch eine andere Auffassung als Völk zur Stellung des Konkordats. Damit bricht der alte Streit317 erneut aus. „Nun steht unzweifelhaft in der zweiten Beilage der Verfassungsurkunde, daß das Konkordat 314
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 967 f. Thomas Hauck, Bezirksamtmann aus Markt Scheinfeld Mittelfranken. Vgl. Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. XVII; StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 973 f. 316 Georg, Freiherr zu Frankenstein, Reichsrat aus Ullstadt bei Langenfeld in Bayern. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975. 317 Vgl. Kap. II.6. 315
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für die religiösen Verhältnisse der Katholiken vollständig maßgebend ist, so weit es nicht abgeändert wurde in dieser zweiten Beilage. In dieser zweiten Beilage ist aber die katholische Ehegerichtsbarkeit ausdrücklich anerkannt, nicht blos in dem Konkordat. In dem Konkordat im letzten Paragraphen steht, daß daran nichts geändert werden darf ohne Zustimmung beider Theile.“318 Frankenstein319 greift ebenfalls stark die Position von Dr. Völk an und betont die ablehnende Haltung des bayerischen Volkes gegenüber der Zivilehe, die auch in der bayerischen Kammer der Reichsräte zum Ausdruck gekommen sei. Als die Regierung im Jahre 1868 den Kammern des bayerischen Landtages eine Gesetzesvorlage über die Ehen zwischen Dissidenten und zwischen Dissidenten und Angehörigen anerkannter Kirchengesellschaften machte, habe die Kammer der Reichsräte den Beschluß der Kammer der Abgeordneten dahin abgeändert, daß sie nur dem Gesetz für Ehen unter Dissidenten zustimmte.320 Der königlich bayerische Justizminister Dr. von Fäustle unterstützt als Vertreter der bayerischen Regierung das Reichsgesetzvorhaben zur Einführung der obligatorischen Zivilehe uneingeschränkt und versuchte die wiederholten Vorwürfe an die bayerische Staatsregierung zu entkräften.321 Insbesondere äußert er sich zu dem Vorwurf der Konkordatsverletzung. Das Konkordat habe eine bestimmte Stellung innerhalb des bayerischen Verfassungsrechts, die durch das Religionsedikt in dessen Schlußsatz genau bezeichnet werde: „In Ansehung der übrigen inneren kirchlichen Angelegenheiten sind die weiteren Bestimmungen in Beziehung auf die katholische Kirche in dem mit dem päpstlichen Stuhle abgeschlossenen Konkordate vom 5. Juni 1817 und in Beziehung auf die protestantische Kirche in dem hierüber unter dem heutigen Tage erlassenen eigenen Edikte enthalten.“ Das Edikt besage nun im § 64:322 „Zur Beseitigung aller künftigen Anstände werden nach solchen Beziehungen als weltliche Gegenstände erklärt: d) Ehegesetze, insofern sie den bürgerlichen Vertrag und dessen Wirkungen betreffen.“ Außerdem sei auch § 38 des zweiten Edikts zu beachten: „Jeder genehmigten Privat- oder öffentlichen Kirchengesellschaft kommt unter der obersten Staatsaufsicht nach den im dritten Abschnitt enthaltenen Bestimmungen die Befugniß zu, nach der Formel und der von der Staatsgewalt anerkannten Verfassung ihrer Kirche alle inneren Kirchenangelegenheiten zu ordnen. Dahin gehören die Gegenstände: Lit. h. der Aus318 319 320 321 322
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II S. 973. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975. Dazu oben. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 974 f. Gbl. Bayern 1816, Sp. 134. Vgl. dazu auch Kap. II.6.g.aa.
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IV. Bayern nach der Revolution von 1848
übung der Gerichtsbarkeit in reingeistlichen Sachen, nämlich des Gewissens oder der Erfüllung der Religions- und Kirchenpflichten, nach ihren Dogmen symbolischen Büchern und darauf gegründeter Verfassung.“ Auf Grund dieses Verfassungsrechtes habe die bayerische Staatsregierung in der Pfalz, obwohl dort das Konkordat ebenso gelte, die dortigen weltlichen Ehegerichte niemals aufgehoben. Wenn es in den Kreisen rechts des Rheines noch bei der alten Uebung verblieben sei und es die Staatsregierung vorerst dabei belassen habe, so hat das seinen Grund vorwiegend in dem Umstand, daß bisher die Eheschließung in Bayern auf konfessioneller Grundlage geordnet gewesen sei. Wenn die bürgerliche Eheschließung eingeführt werde, sei die Trennung der Gerichtsbarkeit unvermeidlich. „Meine Herren, es ist gar nicht an dem, daß die kirchliche Gerichtsbarkeit in den reingeistlichen Sachen durch den vorliegenden Gesetzentwurf irgendwie ausgeschlossen werden soll. Die kirchliche Gerichtsbarkeit bleibt nach wie vor in denjenigen Gebieten bestehen, welche auf den sakramentalen Charakter des Ehebandes sich beziehen. Es verbleibt der Kirche das Entscheidungsrecht mit der für das Gewissen ihrer Angehörigen maßgebenden Wirkung. Nichts liegt dem gegenwärtigen Gesetze ferner, als diese Richtung der Gerichtsbarkeit zu beseitigen.“323 Fäustle vermag auch keine Verletzung der bayerischen Verfassung zu erkennen. Man könne ansonsten bei jedem Reichsgesetz behaupten, es liege ein Verstoß gegen die bayerische Verfassung vor. Durch die Reichsgesetzgebung sei ein Teil der Landesgesetzgebung absorbiert, was eine Konsequenz der Reichsverfassung sei, die auf konstitutionellem Weg in den einzelnen Staaten angenommen worden sei. Auch liege entgegen der vorgebrachten Meinungen keine Verletzung des Reservatrechtes durch § 38 vor, dazu müsse man nur die Motive lesen, in denen es heiße: „Die verfassungsmäßig gewährleisteten Vorbehalte für das Königreich Bayern in Nr. III § 1 des Versailler Bündnisvertrages vom 23. November 1870 und in Nr. 1 des Schlußprotokolls von demselben Tage werden durch das gegenwärtige Gesetz selbstverständlich nicht berührt.“324 Auch die Artikel 43 bis 46 verletzen das bayerische Reservatrecht nicht. Dies ergebe sich aus § 73 des Entwurfs. „Wo die Zulässigkeit der Ehe nach den bestehenden Landesgesetzen von einem Aufgebot abhängig ist, welches durch andere bürgerliche Beamte als die Standesbeamten vollzogen wird, vertritt dieses die Stelle des von den Standesbeamten anzuordnenden Aufgebots.“ „Diese Bestimmung ist getroffen im Interesse Bayerns; sie ist getroffen, um jede Aenderung des gegenwärtigen bayerischen Verhältnisses und jede Aenderung der bayerischen Gemeindegesetzgebung dadurch zu be323 324
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 974. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975.
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seitigen. Ich werde hier im Namen der verbündeten Regierungen wohl betonen dürfen, daß gar Niemand an eine Verletzung des für Bayern in Bezug auf Heimats- und Niederlassungsverhältnisse und in Bezug auf das polizeiliche Verehelichungswesen bestehenden Sonderrechts gedacht hat und denken wird.“325 Fäustle hält zusammenfassend fest: „das vorliegende Gesetz ist einfach das Produkt der durch die Zeit geschaffenen neuen Verhältnisse. In die heutige Gesetzgebung über Staatsbürgerrecht, über Freizügigkeit, in unsere heutigen Verkehrsverhältnisse, zu den Grundsätzen des modernen Staats hinsichtlich der Glaubens- und Gewissensfreiheit seiner Angehörigen passen die gegenwärtigen Ehegesetze nicht mehr. Bei den Zuständen, wie sie gegenwärtig bestehen, sind Staat und Kirche fortwährenden Irrungen preisgegeben. Die bayerische Staatsregierung – ich kann das wohl aussprechen – hat in dieser Frage Nebenrücksichten ganz bei Seite gelassen; die entscheidende Rücksicht war und ist für sie, daß die Kirche und der Staat bei der bisherigen Vermischung ihrer Befugnisse sich übel befunden haben, und daß nur dann Frieden werden wird, wenn die Befugnisse der beiden Gewalten durch möglichst gerecht gezogene und bestimmte Grenzen auseinander gehalten werden. In dem Momente, wo diese Grenzbestimmung gelungen ist, werden wir, dem Frieden näher gerückt sein, den jeder Patriot wünschen muß.“326 In der Sitzung, am 16. Januar 1875, wird schließlich über die Form der Eheschließung beraten, die im Gesetz unter dem vierten Abschnitt geregelt ist. Zu einer umfassenden bayerischen Stellungnahme kam es nochmals bei dem eigentlichen Kernparagraphen, § 40 der Vorlage (späterer § 41) des RPStG, der vorschreibt, daß eine rechtsgültige Ehe im deutschen Reich nur vor dem Standesbeamten geschlossen werden könne. Der bayerische Abgeordnete Dr. Anton Westermayer ergriff mit der Feststellung, daß durch dieses Gesetz auch in Bayern die Zivilehe eingeführt werde, als erster das Wort.327 Darüber räsoniere er „als Bayer, als Katholik, insbesondere aber als Pfarrer einer großen Gemeinde in der Hauptstadt Bayerns“.328 Vorliegendes Gesetz sei aber der Entwurf eines konfessionslosen Staates und diesen Entwurf habe auch der bayerische Staat unterstützt. Westermayer warf deswegen der bayerischen Regierung Verfassungs- und Konkordatsbruch vor. Die Einführung der obligatorischen Zivilehe könne auch nicht den von Dr. von Fäustle angesprochenen Frieden zwischen den beiden Gewalten durch klare und gerechte Grenzziehung bezüglich ihrer Befugnisse brin325
StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975. 327 StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 1047 ff. 328 Er war zusätzlich auch Geistlicher Rat. Vgl. Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/ 76, S. XXIX. 326
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gen,329 da sich hierüber nicht beide Gewalten geeinigt hätten, und daher könne wohl auch nicht von gerechter Grenzziehung gesprochen werden. Außerdem sah er in der obligatorischen Zivilehe kein geeignetes Mittel, die veralteten Ehegesetze der heutigen Gesetzgebung in Staatsbürgerrecht, Freizügigkeit und den Verkehrsverhältnissen oder auch der Glaubens- und Gewissensfreiheit anzupassen.330 Ablehnend stand er auch der Argumentation mit dem Notstand der Altkatholiken gegenüber, da sie aus seiner Sicht sich selbst in diese Lage gebracht hätten, da sie bestimmte Dogmen der katholischen Kirche nicht anerkennen, sich aber nicht zu einer anderen anerkannten christlichen Konfession bekennen würden. Jedenfalls bestehe kein Grund den gläubigen Katholiken und Protestanten deswegen die obligatorische Zivilehe aufzuhalsen. Westermayer sah im RPStG „das Produkt der durch die neuere Zeit geschaffenen neuen Verhältnisse“ und geiselte es mit den Worten. „Der Vater dieses § 40 ist der Zeitgeist, d. h. der Fürst dieser Welt; die Mutter ist die Loge; der Geburtshelfer ist der omnipotente, konfessionslose Staat, und der Gevattersmann ist der moderne Liberalismus.“331 Westermayer sah in der Trennung des bürgerlichen Vertrages und des Sakramentes, die die Einführung der Zivilehe rechtfertigt, eine unerlaubte Auflösung der Einheit von Vertrag und Sakrament. Damit übertrete der Staat die Dogmen bzw. helfe einem nur ausreichend gewissenlosen Katholiken beim Übertreten der Dogmen. „Die Kirche wird von diesem § 40, der die Grundlage des ganzen Gesetzes ist, nicht blos berührt, sondern sie wird von ihm geschlagen.“ § 40 sei als „eine ständige Versuchung für alle treuen Katholiken“, denen „in der Stunde der Leidenschaft“ der Staat mit der Scheidung dem Ehebande entgegenkomme, weswegen sie sich nicht mehr um kirchliches Recht kümmern müßten. „Mir kommt es vor, als soll das ein Magnet sein, ein Zugmittel, um Priester, die nicht recht fest stehen, zum Abfall zu verlocken. Wenn ich dann noch obendrein bedenke, daß es an Agitatoren nicht fehlen wird, namentlich in Bayern, an kirchenfeindlichen Hetzern, die sich auf Grund dieses Paragraphen hinter das Volk stekken und ihm begreiflich machen, daß seine Ehe giltig ist, wenn es nur zum Beamten geht, und es genüge, so wird man bei uns, namentlich in den größeren Städten darauf rechnen können, daß hier eine Menge von Seelen zu Grunde gerichtet wird, die alle die Reichsregierung auf dem Gewissen hat.“ Ueber das bayerische Ministerium aber, dessen Thätigkeit auf dem Gebiete 329 An der Herstellung des Friedens zweifelt auch der Gegner der Zivilehe, Hergeneröther, Civilehe, S. 38. 330 Diese Argumente hatte der Justizminister in der 42. Sitzung vom 12. Januar 1875 vorgebracht, vgl. StBVDtR, II. Session 1874/75, Bd II, S. 975. 331 In diesem Sinne auch, aber in weniger scharfen Worten, Hergenröther, Civilehe, S. 41 ff.
5. Das Reichspersonenstandsgesetz vom 6.2.1875
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der Kirchenpolitik und namentlich der Schule ein dunkles Blatt in Bayerns Annalen bilden wird, wird die Geschichte selber richten und, wie ich hoffe, in diesem Jahre noch wird das katholische und das gläubige protestantische Volk für diese Ruthe des § 40 bei den Wahlen dem bayerischen Ministerium den gebührenden Dank ganz gewiß abstatten.“ Daraufhin ergriff der angesprochene bayerische Justizminister Dr. von Fäustle332 das Wort333 und protestierte gegen den Vorwurf, die bayerische Staatsregierung habe die Absicht, den Staat zu „entchristlichen“. In zwei Dritteln von Deutschland sei nun schon die Zivilehe eingeführt, sie gelte in Ländern mit überwiegend katholischer Bevölkerung, in Frankreich, in Belgien, Italien, in der Rheinprovinz, in der bayerischen Pfalz, und die Priester beklagten sich vom Standpunkt der katholischen Kirche aus nicht über die Existenz der Zivilehe. Die bayerische Regierung müsse so auf die Einführung der Zivilehe drängen, da von Seiten der protestantischen Landeskirche Anträge vorlägen, den bestehenden Notstand zu beseitigen. Es würde für die Dispensation von Ehehindernissen die katholische Kindererziehung als Zwangsmittel benutzt und „als Bedingung für die kirchliche Einsegnung der Ehe die Bekräftigung der vertragsmäßigen Uebereinkunft über die katholische Kindererziehung durch Ableistung von promissorischen Eiden oder durch Ablegung von Handgelöbnissen abverlangt“. e) Zusammenfassung Mit dem RPStG war zum 1. Januar 1876 in Deutschland einheitlich die obligatorische Zivilehe eingeführt worden. Gleichzeitig erfolgte eine einheitliche Regelung der Eheschließungsvoraussetzungen. Hinsichtlich der Ehescheidung ersetzte man nur reichseinheitlich die Trennung von Tisch und Bett durch die Ehescheidung dem Bande nach. Die Voraussetzungen für die Ehescheidung richteten sich jedoch nach Landesrecht. Von einigen Besonderheiten wie dem Aufgebotsverfahren nach dem HG vor den Distriktsverwaltungsbehörden abgesehen, endet damit die eigenständige Entwicklung staatlichen bayerischen Eherechts, die mit dem CMBC im Jahre 1756 begonnen hatte. Die Verabschiedung des RPStG beruht maßgeblich auf Beiträgen bayerischer Politiker, vor allem des Kultusministers Lutz und des Reichtagsabgeordneten Dr. Völk, die für ihre kirchenpolitischen Gesetzgebungspläne im bayerischen Landtag keine Mehrheit finden konnten. Der bayerische Kulturkampf wurde deshalb auf Reichsebene verlagert.334 332 333 334
Vgl. auch Verzeichnis Dt. Reichstag 1875/76, S. IX. StBVDtR, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874/75, Bd II, S. 1051 ff. Ius Commune/Buchholz, Bd IX, S. 297.
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IV. Bayern nach der Revolution von 1848
Die bayerischen Reichstagsabgeordneten nutzten die Reichstagsdebatten gern, um auf spezifisch bayerische Verhältnisse einzugehen. So begründete etwa Völk seine Gesetzesvorlage mit der Situation der Altkatholiken in Bayern, was freilich nur einen Vorwand darstellen dürfte. In der Debatte scheinen abschließend nochmals alle Argumente auf, die in den fast hundert Jahre währenden bayerischen Diskussionen über das Verhältnis von Staat und Kirche, von staatlichem und kirchlichem Eherecht, ausgetauscht worden waren. So wird beispielsweise erneut das Verhältnis der bayerischen Verfassung von 1818 zum Konkordat von 1817 in Frage gestellt. Die meisten Hauptredner stammten aus Bayern, der Reichstag erschien zeitweilig als bayerischer Landtag, freilich mit veränderten Mehrheiten, denn schließlich wurde das RPStG mit deutlicher Mehrheit verabschiedet. Der bayerische Zentrumsabgeordnete Jörg,335 ein erbitterter Gegner der Zivilehe, faßte in einer seiner Reden die Situation treffend zusammen: „Man sagt ja ohnehin nicht ganz mit Unrecht, daß dieser Gesetzesentwurf wenigstens einen Uebertitel tragen sollte, dahin lautend: Gesetz über die Einführung der obligatorischen Zivilehe in Bayern“. Auf Reichsebene wurde also schließlich die endgültige Trennung staatlichen und kirchlichen Eherechts vollzogen, die in Bayern selbst bis zuletzt nicht vollständig gelungen war.
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StBVDtR 1874/75, Bd II, S. 960.
Ergebnisse Kapitel I (1) Der CMBC ist die erste bayerische Rechtsquelle, die vollständige Regelungen zum Eherecht enthält. Hierin ist eine besondere kodifikatorische Leistung zu sehen. (2) Durch die Kodifikation des Eherechts im CMBC wird kanonisches Eherecht zu staatlichem, und damit zivilem, Eherecht, das nur kraft kurfürstlichen Geltungsbefehls gilt. Die inhaltlich weitgehende Übereinstimmung mit kanonischem Recht, was den Bedürfnissen eines katholisch geprägten Staates entsprach, kann daran nichts ändern. (3) Inhaltliche Abweichungen vom kanonischen Recht bestanden bezüglich Strafvorschriften des CMBC für Eheleute, die sich ohne die erforderliche Einwilligung von Eltern, Vormündern oder der Obrigkeit trauen ließen, und insbesondere bezüglich der Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten. (4) Der CMBC kennt noch kein Ehehindernis der Konfessionsverschiedenheit, faßt aber diese Ehen auch nicht unter das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit. (5) Der CMBC weicht bezüglich der Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten von der kirchlichen Übung ab und stellt sich auf die Grundlage des westfälischen Friedens. (6) Die Zuständigkeit geistlicher Gerichte beschränkt der CMBC ausschließlich auf geistliche Angelegenheiten in Ehesachen. (7) Das Eherecht des CMBC markiert damit den Beginn einer neuen Entwicklung. (8) Neben dem CMBC ist im „alten Bayern“, also bis 1799, eine Reihe von Mandaten zu eherechtlichen Fragen ergangen. (9) Zahlreiche Mandate regeln detailliert die für die Eheschließung erforderliche obrigkeitliche Einwilligung, deren Fehlen jedoch nur Sanktionen zu Lasten der Brautleute und z. T. der Priester zur Folge hat, die Gültigkeit der Ehe aber nicht berührt. Unterstützend wurde die Eheschließung bayerischer Staatsangehöriger im Ausland untersagt.
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(10) Einige weitere Mandate zeigen, daß der Kurfürst begann, seine Rolle als Gesetzgeber evangelischen Kirchenrechts wahrzunehmen. (11) Eine Sonderstellung unter den Mandaten nimmt das Sponsalienmandat von 1769 ein. Der bayerische Staat nimmt Mißstände im Verlöbnisrecht zum Anlaß, ein eigenständiges staatliches Verlöbnisrecht mit eigenen Formvorschriften, Verlöbnishindernissen und der Zuständigkeit weltlicher Gerichte zu schaffen. (12) Das bayerische Sponsalienmandat von 1769 geht dabei deutlich über sein Vorbild, den Entwurf zum österreichischen Codex Theresianus von 1766, hinaus. Die bayerische Regierung konnte diese Verordnung jedoch nicht lange gegen den Protest der Bischöfe auf dem Salzburger Kongreß behaupten. (13) Nach dem Tod Max III. Joseph und vor allem in der Regierungszeit Karl Theodors erlahmt im „alten Bayern“ der reformerische Elan; es kommt nicht mehr zur Verwirklichung der geplanten Verlöbnisreform.
Kapitel II (14) Die aufgrund der napoléonischen Kriege und der Säkularisierung eingetretenen territorialen Veränderungen Bayerns hatten eine immense Rechtszersplitterung zur Folge, weil jedes Territorium sein partikulares Recht behielt. (15) Von der Rechtszersplitterung betroffen war insbesondere auch das Eherecht. Erhebliche Abweichungen gab es vor allem in den zahlreich hinzugewonnenen protestantischen Gegenden und der französisch geprägten Pfalz. (16) Die Mandats- und Verordnungsgesetzgebung in Ehesachen erhält unter Max IV./I. Joseph eine neue Qualität. (17) Bayern schafft effektivere Mittel zur Durchsetzung staatlichen Eheordnungsrechtes, indem es den Pfarrern, die das Erfordernis des obrigkeitlichen Ehekonsenses nicht beachteten, in jedem Fall empfindliche Sanktionen androht. (18) Der bayerische Staat griff im Jahre 1808 erstmals mit einer Verordnung auf das Eheband zu: im Ausland gültig geschlossene Ehen wurden in Bayern als ungültig behandelt. (19) Unter Max IV./I. Joseph kam es in den Jahren 1799–1803 zu einer umfassenden Toleranzgesetzgebung, die erhebliche Auswirkungen auf das interkonfessionelle Eherecht hatte.
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(20) Ehen zwischen geschiedenen Protestanten und Katholiken wurden gestattet, in mehreren Verordnungen wurde gemischtkonfessionellen Eheleuten gegen den Protest des Hl. Stuhls die volle Wahlfreiheit zwischen der Trauung vor dem katholischen Priester oder dem protestantischen Pfarrer zugestanden – eine Vorform der Zivilehe. (21) Max IV./I. Joseph begann seine Aufgabe als oberstes Gesetzgebungsorgan der protestantischen Kirche wahrzunehmen und erließ unter anderem eine Konsistorialordnung, die auch Eherecht enthielt. (22) Max IV./I. Joseph setzte das Sponsalienmandat von 1769 wieder in Kraft und schuf damit ein staatliches, überkonfessionelles Verlöbnisrecht. (23) Im übrigen erreichte Max. IV./I. Joseph, daß der Instanzenzug der katholischen Ehegerichtsbarkeit für Bayern nicht mehr an ausländische Kirchengerichte führen konnte. Dadurch wurde staatliche Einflußnahme und Kontrolle möglich. (24) Für die Ehegerichtsbarkeit wurde die regalistische Trennung von bürgerlichem Vertrag (weltliche Gerichtsbarkeit) und Sakrament (geistliche Gerichtsbarkeit) durch das Religionsedikt von 1809 streng durchgeführt. (25) Nach einer sehr ungeordneten Anlaßgesetzgebung im bürgerlichen Recht, vor allem dem Eherecht, in den ersten Jahren seiner Regierungszeit war Max IV./I. Joseph bemüht, eine neue Zivilrechtskodifikation für Bayern zu schaffen. Alle Entwürfe, die in den Jahren 1808 bis 1816 entstanden waren, scheiterten jedoch. (26) Der nach französischem Vorbild verfaßte Entwurf Feuerbachs aus den Jahren 1808/09 hätte zur Einführung der obligatorischen Zivilehe in Bayern geführt. (27) Die beiden Folgeentwürfe aus den Jahren 1811 und 1816 brachten lediglich Überarbeitungen des CMBC. Sie übernahmen jedoch alle staatskirchlich motivierten Änderungen, die bereits im Verordnungswege eingeführt worden waren. (28) Alle Entwürfe regelten die Ehescheidung dem Bande nach. (29) Alle Entwürfe beruhten auf der Annahme, daß der Staat eigene Ehehindernisse etablieren und kirchliche Ehehindernisse beschränken dürfe, um staatliche Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. (30) Die Übernahme von staatlichem Eheordnungsrecht in die Entwürfe von 1811 und 1816, das bis dahin in Form von polizeirechtlichen Verordnungen ergangen war, macht nochmals deutlich, daß Eherecht untrennbar ordnungsrechtliche und privatrechtliche Komponenten vereint, weshalb eine vollständige Betrachtung staatlichen Eherechts über die Erörterung von Privatrechtsquellen hinausgehen muß.
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(31) Alle drei Entwürfe hätten damit, anders als der CMBC nicht nur der Form, sondern auch dem Inhalt nach, eigenes staatliches Eherecht geschaffen. Nach dem Scheitern der Entwürfe blieb es bei der unübersichtlichen Rechtslage in Ehesachen. (32) Im Jahre 1817 wurde zwischen dem Hl. Stuhl und Bayern ein Konkordat geschlossen, das 1818 als Anhang zum neuen Religionsedikt, das wiederum einen Anhang zur neuen Verfassung von 1818 bildete, veröffentlicht wurde. (33) Nach Art. 16 des Konkordats sollten alle dem Konkordat widersprechenden Gesetze wieder aufgehoben werden. Das hätte erhebliche Auswirkungen auf das staatliche bayerische Eherecht gebracht. (34) Verfassung und Religionsedikt, die das bisherige bayerische Eherecht stützten, standen im Widerspruch zu ihrem eigenen Anhang, dem Konkordat. (35) Es entstand ein Konflikt zwischen dem Hl. Stuhl und dem bayerischen Staat über das Verhältnis dieser Normen zueinander, der durch die „Tegernseer Erklärung“ durch den König beendet werden sollte; man hatte jedoch nur einen „Formelkompromiß“ geschlossen. (36) Die bayerische Regierung wandte die dem Konkordat widersprechenden Gesetze trotzdem weiterhin an. (37) Der umfangreiche Meinungsstreit in der staats- und völkerrechtlichen Literatur zum Verhältnis von Verfassung/Religionsedikt und Konkordat, bei dem nicht immer die juristische Argumentation im Vordergrund stand, hatte auch während des ganzen 19. Jahrhunderts keine rechtliche Lösung des Konflikts herbeigeführt. (38) Der Konflikt zwischen Verfassung/Religionsedikt und Konkordat wirkte sich weniger im Bereich der Ehegerichtsbarkeit aus, obwohl sich auch dort die Normen widersprachen. Die Gerichtsbarkeit in Ehesachen oblag weiterhin – soweit die Katholiken betroffen waren – vollständig den katholischen Ehegerichten, die die dem Staat übertragene weltliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen quasi als Beliehene ausübten, sich dabei aber staatlicher Kontrolle zum Teil entzogen und kanonisches Recht anwendeten. (39) In Anknüpfung an die Verordnung vom 12. Juli 1808 erging am 11. September 1825 ein Gesetz über Ansässigmachung, Verehelichung und Aufenthalt, das u. a. die Eheschließung erleichtern sollte. (40) Nach § 8 des Gesetzes durfte keinem ansässigen Staatseinwohner die notwendige örtliche Erlaubnis zur Verehelichung verweigert werden, wenn nicht die katalogisierten Hindernisse vorlagen. Dadurch sollte der gemeindliche Einfluß wieder beschränkt werden.
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(41) Die staatlichen Ziele der Vermehrung der Bevölkerung bei gleichzeitiger Bekämpfung der Armut konnte nicht erreicht werden, weil die Anforderungen an den auch für die Eheschließungsbewilligung notwendigen Ansässigkeitstitel zu hoch waren. Kapitel III (42) In der Regierungszeit Ludwig I. erging eine erhebliche Anzahl von Verfügungen zu interkonfessionellen Ehen, weil die katholische Kirche in diesem Punkt ihre Vorstellungen durchsetzen wollte und es deshalb immer häufiger zu Trauungsverweigerungen kam, wenn die Ehegatten nicht die katholische Erziehung ihrer Kinder gelobten. (43) Die wieder erstarkte Kirche versuchte mit den Trauungsverweigerungen gegen den als kirchenfreundlich eingeschätzten Ludwig I. ihre Vorstellungen von der Rangfolge zwischen Verfassung/Religionsedikt und Konkordat durchzusetzen. (44) Die zahlenmäßig seltenen Mischehen zwischen Protestanten und Katholiken wurden mit dem Fall Thon-Dittmer/Rummel zum Schauplatz der Auseinandersetzungen. (45) Die Streitigkeiten über die Behandlung von Mischehen führte in Bayern zu einer der ersten Auseinandersetzungen zwischen konservativen und liberalen Kräften, zwischen denen in der Folge auch der spätere Streit über die Einführung der Zivilehe in Bayern ausgetragen werden wird. (46) Diese Auseinandersetzung führte zu einem Antrag an den König, die Vornahme der Proklamation, der Entlassung sowie die passive Assistenz im Zusammenhang mit der Trauung gemischter Ehen unabhängig von dem Versprechen der Brautleute, ihre Kinder im katholischen Glauben zu erziehen, bei den Priestern mit Zwangsmitteln oder Temporaliensperre durchzusetzen. (47) Der König trat vermittelnd zwischen Landtag und katholischer Kirche auf, indem er den Antrag nicht vollständig berücksichtigte. Im Landtagsabschied von 1831 formulierte er lediglich seinen ernsten Willen, die bestehende staatliche Praxis in Mischehesachen nicht aufgeben zu wollen. Proklamation und Entlassung waren von den Priestern als zivilrechtliche Akte in jedem Fall auch bei Mischehen vorzunehmen. Im übrigen sollte der Konflikt durch Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl beigelegt werden. (48) Durch den beharrenden Willen des Königs und den Druck des Landtags hatte man im zweiten Anlauf in den Verhandlungen mit dem Hl. Stuhl erreicht, die bisherige staatliche Praxis zu erhalten. (49) Im September 1834 wies Pius VII. die bayerischen Bischöfe an, bei der Behandlung gemischter Ehen wieder zu dissimulieren. Die Kirche
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kehrte zu der in den Jahren vor der Auseinandersetzung geübten Praxis zurück, ohne sich freilich in irgendeiner Weise, etwa durch einen entsprechenden Rechtsakt, bindend darauf festzulegen. (50) Eine dauerhafte Lösung des Konflikts wurde nicht erreicht, weil Bayern ebenfalls auf seiner Position beharrte. (51) Zum 1. Juli 1834 trat die Revision des Ansässigmachungs-, Verehelichungs- und Aufenthaltsgesetzes vom 11. September 1825 in Kraft. Die Revision ging auf das Betreiben der Gemeinden und Gewerbsmeister zurück. (52) Ziel der Revision war es, die Ansässigmachung und damit vor allem auch die Verehelichung zu erschweren, da die Gemeinden die zahlreichen Armutsfälle beklagten. (53) Die Revision sah eine Erschwerung der Voraussetzungen für den Erwerb des Ansässigkeitstitels vor und gewährte den Gemeinden wieder ein größeres Mitsprache- bzw. sogar Widerspruchsrecht. (54) Im Oktober 1834 legte Leonrod einen weiteren Entwurf für eine einheitliche bayerische Zivilgesetzgebung vor. (55) Der Entwurf regelte das Eherecht bis auf kleine Ausnahmen nach dem österreichischem Vorbild des ABGB von 1811. Der CMBC wurde wegen seines Inhalts und der Form der Abfassung, das ALR vor allem wegen seiner Form der Abfassung und der Code Civil als zu fremdes Recht abgelehnt. (56) Inhaltlich kannte der Entwurf Leonrods gegenüber den Entwürfen von 1809, 1811 und 1816 keine Neuerungen; es fällt eher ein restaurativer Charakter auf. Die Form der zivilen Eheschließung richtet sich ganz nach tridentinischem Recht. (57) Wie bei den vorherigen Entwürfen handelt es sich um einen Entwurf eigenen staatlichen Rechts. Dies zeigt sich an der Integration des staatlichen Eheordnungsrechts und der einheitlichen Regelung der Ehescheidung. Kapitel IV (58) Im Jahre 1868 wurden die Gesetze über Heimat, Ansässigmachung und Verehelichung völlig überarbeitet. (59) Das „öffentliche“ Verehelichungsrecht von 1868 hatte im Vergleich zu den vorherigen Gesetzen eine neue Qualität. Die Neuerungen zeigten eine gewisse Nähe zum Verfahren bei der Zivilehe. (60) Das Recht der Eheschließung wurde vom Recht der Ansässigmachung losgelöst.
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(61) Das Gesetz von 1868 formulierte einen Anspruch auf Eheschließung, wenngleich man sich nicht für die völlige Eheschließungsfreiheit nach Pfälzer Vorbild entscheiden konnte, sondern eine Art „Erlaubnisvorbehalt“ einführte. Aufgrund des fehlenden staatlichen Eheschließungsverfahrens, wie es die bayerische Pfalz bereits kannte, befürchtete man einen zu starken Kontrollverlust des Staates. (62) Das Gesetz führte ein Konstatierungsverfahren ein, durch das alle öffentlich- und privatrechtlichen Ehehindernisse aufgedeckt werden sollten. Die Gestaltung des Verfahrens glich stark dem französischen Aufgebotsverfahren. Innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist konnte gegen die in Frage stehende Eheschließung Einspruch erhoben werden. (63) Art. 33 III HG sieht als Sanktion die bürgerliche Ungültigkeit der Ehe vor, wenn die Brautleute die Ehe ohne das erforderliche staatliche Verehelichungszeugnis eingegangen sind. Damit greift der Staat bei Verstoß gegen staatliches Eherecht auf das Eheband zu. (64) Das bayerische Verehelichungsrecht unterscheidet sich von der Zivilehe vor allem dadurch, daß es keine staatliche Form der Eheschließung vorsah. (65) Die Ambivalenz des Gesetzes, auf der einen Seite dem öffentlichen Recht zugehören zu wollen, aber auf der anderen Seite in privates Recht hineinzuwirken, spiegelt gut das Gespaltensein des bayerischen Landtags wieder. Das öffentliche Verehelichungsrecht übernahm im rechtsrheinischen Bayern, wie einige Abgeordnete richtig erkannten, Ersatzfunktion für die fehlende Zivilehe im rechtsrheinischen Bayern. (66) Eine Vereinheitlichung des öffentlichen Verehelichungsrechts auf rechts- und linksrheinischen Gebieten lehnte man entgegen der ursprünglichen Pläne ab, da man sich gegen eine völlige Eheschließungsfreiheit entschieden hatte. (67) Der Landtag von 1868 beschloß unter geschickter nachrangiger Behandlung erneuter Gesetzesanträge zur Einführung der allgemeinen obligatorischen Zivilehe aus den Jahren 1867/68 nur die Einführung der Notzivilehe. Ihr Anwendungsbereich war ausschließlich auf Ehen zwischen zwei Dissidenten beschränkt. Die Mehrheit, vor allem der Reichsräte, wollte den Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts möglichst klein halten, damit es nicht Ausgangspunkt für die Einführung einer allgemeinen Zivilehe werden könne. (68) Aus dem Jahre 1871 existiert ein im Justizministerium Lutz ausgearbeiteter Entwurf zur Einführung der allgemeinen Zivilehe; er wurde zugunsten einer leichter durchsetzbaren reichseinheitlichen Lösung nicht weiterverfolgt.
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(69) Die Gründung des Deutschen Reiches zur Jahreswende 1870/71 veränderte die bestehende Rechtslage in Bayern kaum. Das materielle private Eherecht und die Ehegerichtsbarkeit blieben unverändert. Das öffentliche Verehelichungsrecht blieb im Unterschied zu den übrigen Reichsgebieten in Kraft, da sich Bayern in diesem Bereich Reservatrechte gesichert hatte. (70) Einschneidende Veränderungen für das bayerische Eherecht brachte das RPStG vom 1. Januar 1876. (71) Das RPStG hatte in Deutschland einheitlich die obligatorische Zivilehe eingeführt. Gleichzeitig erfolgte eine einheitliche Regelung der Eheschließungsvoraussetzungen. Hinsichtlich der Ehescheidung ersetzte man nur reichseinheitlich die Trennung von Tisch und Bett durch die Ehescheidung dem Bande nach. Die Voraussetzungen für die Ehescheidung richteten sich jedoch nach Landesrecht. (72) Mit dem RPStG endet, von einigen Besonderheiten, z. B. dem Aufgebotsverfahren nach dem HG vor den Distriktsverwaltungsbehörden, abgesehen, die eigenständige Entwicklung staatlichen bayerischen Eherechts, die mit dem CMBC im Jahre 1756 begonnen hatte. (73) Die Verabschiedung des RPStG beruht maßgeblich auf Beiträgen bayerischer Politiker, vor allem des Kultusministers Lutz und des Reichtagsabgeordneten Dr. Völk, die für ihre kirchenpolitischen Gesetzgebungspläne im bayerischen Landtag keine Mehrheit finden konnten. (74) Die bayerischen Reichstagsabgeordneten nutzten die Reichstagsdebatten gern, um auf spezifisch bayerische Verhältnisse einzugehen. In der Debatte scheinen nochmals alle Argumente auf, die in der fast hundert Jahre währenden bayerischen Diskussion über das Verhältnis von Staat und Kirche, von staatlichem und kirchlichem Eherecht, ausgetauscht worden waren. (75) Auf Reichsebene wurde schließlich die endgültige Trennung staatlichen und kirchlichen Eherechts vollzogen, die in Bayern selbst bis zuletzt nicht vollständig gelungen war.
Quellenanhang Neuverbessertes Allgemeines bayerisches Land-Recht1 1. Theil, VI. Kapitel: Von dem Ehestand. §.1. Begriff der Ehe. Die Ehe ist eine von zwey Personen verschiedenen Geschlechts hauptsächlich zur Erzeugung von Kindern, zur Erziehung derselben, und zu gegenseitigem Beistand eingegangene gesezmäßige Verbindung. §.2. Eheverlöbniß. Das Eheverlöbniß ist ein vorläufiges gegenseitiges vor zwey Zeugen bestätigtes Versprechen künftigen ehelichen Zusammenlebens zwischen solchen Personen, welchen hiebey kein rechtliches Hinderniß entgegensteht. Zwischen Eheverlöbnissen für die Zukunft oder die Gegenwart (sponsalibus de futuro et praesenti) ist kein Unterschied mehr. (Von Auflösung des Eheverlöbnisse s. Hauptstück 39: Von den Strafen der gebrochenen Ehe Verl. § 44.) §.3. Gegenseitige Einwilligung. Sowohl zum gültigen Verlöbnis, als zur wirklichen Verehelichung wird 1) von beyden Theilen die freye Einwilligung erfordert; es sind daher 2) alle diejenigen davon ausgeschlossen, welchen es an Willen oder hinlänglicher Begriff der Sache mangelt; 3) muß der Wille durch Worte oder andere deutliche Zeichen nicht nur erklärt, sondern auch nöthigen Falls von dem sich darauf beziehenden Theil bewiesen seyn. 4) Gilt hiebey gleich, ob die Einwilligung von den Uebereinkommenden (Contrahenten) persönlich, oder durch einen Anwalt geschieht, wenn dieser nur besonders hiezu bevollmächtiget, und die Vollmacht nicht von Vollendung des Geschäfts widerrufen ist. Das bloße Stillschweigen wird 5) ohne andern Behelf für keinen hinlänglichen Beweis der Einwilligung geachtet, ausgenommen 6) bey Kindern, wenn sie selbst gegenwärtig von ihren leiblichen Aeltern zur Ehe verlobt werden. (Vom Irrthum s. §.8. Nummer 2.) 1 Auszug aus dem Gesetzentwurf von Johann Christoph von Aretin 1816–18; Handschriftliches Manuskript des Bayerischen Hauptstaatsarchivs Abteilung I, Staatsrat 2184–2195 (2185). Als Kopie des handschriftlichen Manuskriptes auch im MaxPlanck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main. Die ausgewählten Auszüge aus dem Manuskript werden hier ohne Berichtigung von Rechtschreib- oder Grammatikfehlern abgedruckt.
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Quellenanhang
§.4. Einwilligung der Aeltern, der Vormünder, des Gerichts. Eheverlöbniße und Verehelichungen, welche mit Umgehung der Aeltern, Vormünder und Gerichtsbehörden geschehen, sind zwar 1) an sich nicht ungültig, jedoch unerlaubt, sie werden daher mit verschiedenen Strafen belegt, und zwar so viel 2) die Kinder belangt, ist darauf zu sehen, ob sie gegen den aus rechtmäßigen Gründen versagten Willen der leiblichen Aeltern, unter welchen bey obwaltender Meinungsverschiedenheit vorzüglich auf den Vater gesehen wird, verehelicht haben. In diesem Fall sind ihnen dieselben in Lebzeiten weder Heyrathgut, noch Ausfertigung, oder andere Unterstützung schuldig, nach ihrem Tod aber erbt zwar der Sohn bey mangelndem letzten Willen mit anderen Kindern gleich, die Tochter hingegen bekömmt nur die Hälfte dessen, was ihr sonst von dem väterlichen oder mütterlichen Gut zugekommen wäre, und der Ueberrest fällt den anderen Geschwistern oder den nächsten Verwandten zu. 3) Rechtmäßige Gründe, die Einwilligung zu versagen sind: Mangel an nöthigen Einkommen, erwiesene oder allgemein bekannte schlechte Sitten, ansteckende Krankheiten, oder dem Zwecke der Ehe hinderliche Gebrechen desjenigen, mit welchem die Ehe eingegangen werden will. Bey Heyrathen, wo keine rechtmäßigen Gründe für die Versagung der Einwilligung vorhanden sind, können zwar 4), die Kinder sich an die Gerichts-Behörde um Ersezung der Einwilligung wenden, aber von dem umgangenen Altern bey Lebzeiten weder Heyrathgut noch Ausfertigung oder Heimsteuer mit Recht fordern, die übrigen obenerwähnten Srafen greifen jedoch solchenfalls nicht Platz. Was hier 5) von Vater und Mutter verordnet ist, versteht sich auch, wenn sie nicht mehr am Leben sind, oder wenn der Vater selbst noch unter väterlicher Gewalt ist, von Ahnherren und Ahnfrauen. Es wird hier nächst 6) zu obigem Strafen erfordert, daß die Kinder noch unter väterlicher Gewalt, oder in der Aeltern Unterhalt stehen, auch der Sohn das 25ste, die Tochter aber das 21ste Jahr noch nicht erreicht haben, und endlich auch denselben unter solchen Jahren von ihren Aeltern bereits eine andere anständige Heurath angetragen, oder dagegen wenigstens kein Hinderniß in den Weg gelegt worden sey. Vormünder ohne nächste Verwandte sollen zwar 7) ihre Pflegkinder, Verwandte, oder Anbefohlene nicht abhalten, sich anständig zu verheurathen, letztere aber sollen, wenn sie das aber zuvor (Nummer 6.) vorgeschriebene Alter noch nicht erreicht haben, ohne der erstern Wissen und Willen und Rath sich nicht verehelichen, und es tritt, wenn die Heurath mit Personen geschieht, welche die oben angegebenen rechtmäßigen Gründe (nr.3.) entgegenstehen, der Verlust des dritten Theils des väterlichen oder mütterlichen Erbs als Strafe nur, ausgenommen, wenn keine Verwandten mehr am Leben wären, welchen der verwirkte Erbtheil von Rechtswegen zufallen könnte. Die Gerichtsbehörde kann auch hier die Einwilligung ersezen (1.nr.4.) so wie sie auch bey unehelichen und fremden Minderjährigen die Genehmigung zu ertheilen hat. 8) Den civil. Staatsdiener sowohl als 9) den Militär-Personen ist die eigenmächtige Verehelichung ohne königliche Erlaubniß verbothen und es bleibt diesfalls 10.) bey den hierüber ergangenen besonderen Verordnungen, so wie 11) überhaupt keine Einwohner ohne Einwilligung seiner Polizeibehörde heurathen darf, und von 12) bey dergleichen (Nummer 8 bis 11) verbothenen Winkel Ehen Vorschub leistet, unterliegt einer Polizeystrafe. 13) die Ehe eines Bayerischen Staatsbürgers, welche zur Umgehung der Landesgeseze sich im Auslande trauen läßt, ist ungültig, und kann von jedem der ein Interesse dabey hat, angefochten werden.
Quellenanhang
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§.5. Pfarrliche Trauung. Die blosse Einwilligung ist 1.) zwar wohl zum Eheverlöbniß, nicht aber zur wirklichen Ehe hinreichend, sondern zum lezten wird auch die Gegenwart des Pfarrers und zweyer von Natur nicht untüchtiger Zeugen bey Vermeidung der Nichtigkeit erfordert, und zwar so, daß 2) bey der Trauung sowohl beyde Brautleute, welche aber mit Einwilligung der Gerichtsbehörde besondere Bevollmächtigte schicken können, als auch die beyden Zeugen nebst dem Pfarrer zugleich anwesend seyn, und von dem was vorgeht, gute Wissenschaft haben müssen. 3) muß es der ordentliche Seelsorger eines der beyden Brautleute seyn, er mag nun nach Verschiedenheit der Religion Pfarrer, Pastor, oder wie sonst immer heißen, es ist demselben auch erlaubt, einen Stellvertreter zu ernennen; 4) wenn eine Katholische und eine nicht katholische Person sich miteinander verehelichen, so muß die Einwilligung vor dem katholischen Pfarrer in Gegenwart zweyer Zeugen erklärt werden; doch kann auf Verlangen des anderen Theils auch der nicht Katholische Seelsorger bei dieser feyerlichen Handlung erscheinen. 5) Solange die Brautleute die nöthigen Zeugniße über ihr Alter, über die obrigkeitliche Erlaubniß und die Richtigkeit des Aufgebots (§ 7 nr. 1) nicht beybringen, oder irgendein anderes vorgekommenes Ehehinderniß nicht gehoben ist, darf der Seelsorger die Trauung nicht vornehmen. 6) diese muß, wenn Einspruch geschieht, und keine gütliche Uebereinkunft Statt findet, die Betheiligten an die königlichen Gerichte verweisen, und inzwischen mit der Trauung einhalten. 7) die geschehene Abschließung der Ehe muß er in das besonders dazu bestimmte Trauungsbuch ordentlich eintragen. §.6. Ehehindernisse Die amtlichen Hindernisse der Ehe sind entweder bedingt oder unbedingt. Nur bei den ersten wird die Fortsezung der Ehe bey erfolgender Landesfürstlichen Nachsichts Erklärung (Dispensation) oder bey Bewilligung des an dem Hinderniß unschuldigen Ehegatten nach Bestimmung des nächstfolgenden § gestattet. Die unbedingten Hinderniße aber haben die gesezliche Ungültigkeit des Ehe zur Folge. (§.8. 44) §.7. Bedingte. Bedingte Hindernisse der Ehe sind 1) die Unterlaßung des dreymaligen Aufgebots (s. unter nr.7) 2) das bereits mit einer anderen Person rechtsgültig eingegangene Eheverlöbniß (1. §.10) 3) die Entdeckung, daß die Braut schon von einem andern geschwängert ist, in welchem Fall es von dem Mann abhängen soll, ob er die Ehe fortsezen, oder inner 3 Monaten nach geschehener Entdeckung auf Trauung der Ehe klagen will; 4) der nicht durch Betrug veranlaßte Irrthum in der Person, 5) die nicht durch einen im Strafgesezbuch verbotenen Zwang bewirkte Einwilligung, in welchen beiden Fällen dem getäuschten oder gezwungenem Theil ebenmäßig die Klage auf Trauung immer 3 Monate von Entdeckung des Irrthums oder von dem angeordneten Zwang angefangen vorbehalten bleibt. 6) Eben diese Beschaffenheit hat es, wenn der Vormünder seiner Mündel vor abgelegter Vormundschafts-Regelung und eingeholter vormundschaftlicher Genehmigung heurathet. 7) Das Aufgebot (Num-
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mer 1) muß an drey Sonn- oder Festtagen in der gewöhnlichen Kirchen-Versammlung des Pfarrbezirks, oder wenn jedes der Brautleute in einem andern Bezirke wohnt, der beyden Pfarrbezirke geschehen. Bey Ehen zwischen nicht katholischen christlichen Religions-Genossen muß das Aufgebot nicht nur in ihrem gottesdienstlichen Versammlungen, sondern auch in den Katholischen Pfarrbezirken, in deren Bezirke sie wohnen, und bey Ehen zwischen Katholischen und nicht Katholischen christlichen Religionsgenossen sowohl in der Pfarrkirche des Katholischen und in dem Betthause des nicht katholischen Theils, als auch in der katholischen Pfarrkirche, in deren Bezirk der leztere wohnt, vorgenommen werden. Des Aufgebots wegen kann die Landesfürstliche Magistratserklärung eintreten. (Von andern bedingten Hindernissen s. §.9 nr. 1 b 2.3.4. und §.10 von der Nichtigkeitsklage §.44) §.8. Unbedingte. Das Eheverlöbniß sowohl, als auch die Ehe selbst werden durch folgende Hinderniße ohne alle Ausnahme und Nachsichts Erklärung gänzlich entkräftet und vernichtet: 1) durch widerrechtlichen schweren Zwang, 2) durch einen betrügerisch veranlaßten Irrthum in der Person 3) die höhere Preisterweihe 4) das feyerliche Gelübd der Ehelosigkeit 5) die mit einer andern Person wirklich bestehende Ehe 6) unheilbare nicht erst nach geschlossenem Ehebindniß entstandene Untüchtigkeit zum Beyschlaf 7) wenn der eine Theil sich nicht zur christlichen Religion bekennt, 8) wenn der eine Theil vor dem Schluße des Ehebündnißes bürgerlich todt war, 9) wenn der eine Theil entführt werden und seine Einwilligung gegeben hat, bevor er in Freiheit gesezt war, 10) wenn der eine Theil früher dem Gatten des andern nach dem Leben gestrebt, oder den Mord wirklich vollführt hat, um die nachfolgende Ehe möglich zu machen, 11) wenn auch ohne Mord oder Nachstellung nur ein Ehebruch zwischen demjenigen erfolgt ist, die sich später miteinander verlobt oder verehelicht haben. (Von den unbedingten Hindernißen wegen Verwandschaft s. §.9 Alters s. §.10 wegen Mangels an Verstand s. oben §.2 N. 3, wegen Nichtbeyziehung des ordentlichen Seelsorgers s. oben § 5 nr.1 und schon § 4 nr. 13) §.9. Hinderniße, die aus der Verwandtschaft entstehen. Die Ehe hat nicht Statt 1) unter Bluts-Verwandten a) in auf- und absteigender Linie, so weit sich solche immer erstreckt, und in der Seiten Linie im ersten Grad b) vom zweyten Grad aber angefangen kann die Landesherrliche Nachsichts Erklärung eintreten, wobey denn Betheiligten überlassen bleibt, sich auch den Kirchlichen zu versichern. 2) Zur Ehe mit den Blutsverwandten des verstorbenen andern Theiles ist ebenfalls die landesfürstliche Nachsichts-Erklärung nothwendig, so wie auch 3 zur Ehe mit den durch Annehmung an Kindesstatt Verwandten (1. IV. Kap §.5. Nr.12) solang diese Annehmung an Kindesstatt dauert, auch 4) zur Ehe mit Verschwägerten ersten und zweyten Grades.
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§.10. Hinderniß. Das Alter findet an dem Ehevertrage nur die durch Alter Unmündigen (Kapitel III §.3) und hebt auch den Vertrag, wenn er wirklich geschlossen worden, gänzlich auf, doch mit §.44 Nr. 6 enthaltenen Beschränkung. (Von der bey den Minderjährigen erforderlichen Einwilligung s. §.4) §.11. In Rücksicht auf die dem Ehevertrage beygesezten Bedingniße, Ursachen, Bestimmungen u.s.w. gelten die über Verträge überhaupt bestehenden Geseze. Was die Strafen des nicht erfülten Eheverlöbnißes insbesondere betrifft, so verliert derjenige Theil, welcher ohne rechtmäßige Ursache, und wieder des Willen des andern Theiles von dem Verlöbniß zurücktritt, nicht nur die dem andern gegebenen Geschenke, und muß die empfangenen zurückgeben, sondern kann auch auf Schadensersaz belangt werden, und zwar so, daß wenn 3) bey dem Verlöbniß nichts anders hierüber bedungen worden, der unschuldige Theil von dem zurücktretenden nebst dem Ersaz alles wegen des Eheverlöbnißes aufgewandten Kosten den sechsten Theil desjenigen fordern kann, was er nach dem Ehevertrag oder nach den Gesezen von dem Zurücktretenden als Heurathgut, Widerlage, oder in die Güter-Gemeinschaft Eingebrachtes erhalten hätte. 4) die Entschädigungsklage nach erklärtem Rücktritt oder nachbekannt gewordener anderer Ehe Statt, 5) als rechtmäßige Ursachen des Rücktritts gelten nicht nur alle unauflösbaren Ehehinderniße, und solche Umstände, welche die Aeltern und Vormünder berechtigen ihre Einwilligung zur Ehe zu versagen, sondern insbesondere auch die Fälle, wenn der andere Theil bey dem Verlöbniß übernommene Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann, oder wenn sich in der Person oder den Vermögens-Umständen eines verlobten entscheidende Veränderungen ereignen, oder wenn es ohne Ursache die Vollziehung der Ehe ein Jahr lang verzögert, oder wenn endlich ein verlobter Theil sich einer Untreue schuldig macht, und im lezten Fall auf die Ermahnung des andern Theils von dem anstößigen Umgang nicht absteht; 6) wird die Erfüllung des Eheverlöbnißes durch den Tod eines verlobten verhindert, so hat der Ueberlebende die Wahl, ob er die erhaltenen Geschenke zurückgeben, und die seinigen zurückfordern, oder ob er die empfangenen Geschenke gegen diejenigen, welche er gegeben hatte, behalten wolle. (. . .)2 §.39. Aufhebung des Eheverlöbnisses Das Eheverlöbniß wird entweder beyderseits oder nur einerseits aufgelöst. Das erste ergibt sich 1) durch den Tod eines Eheverlobten, 2) durch ein heymliches Gelübde der Ehelosigkeit, 3) durch nachfolgende Verehelichung mit einer anderen Person, 4) durch beyderseitiges Einverständniß und Zurücknahme des gegebenen Wortes, wenn diese auch mit einem Eid bekräftigt worden. Das zweyte hingegen geschieht 5) wenn ein Theil untreu wird und sich mit einer anderen Person entweder auf ein 2 Anmerkung des Autors: Die Normen zur Gestaltung der ehelichen Gemeinschaft und des ehelichen Güterrechts wurden ausgelassen.
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weiteres Eheverlöbniß einläßt, oder sich leichtfertig mit ihr vorgeht; denn dadurch wird zwar der unschuldige nicht aber der schuldige Theil seines Versprechens entbunden; auch wenn 6) einserseits durch Entdeckung eines neuen und vorhin nicht bekannt gewordenen Umstandes die Sache dergestalt verändert wird, daß der andere Theil, wenn er Wissenschaft hievon gehabt hätte, sich auch der Eheverlöbniß nicht eingelassen haben würde, ist diesen alsdann nicht mehr hieran gebunden. Von den Strafen des gebrochenen Eheverlöbnißes s. oben §.2. §.40. Ehescheidung a) zeitliche Entstehen unter den Ehegatten Mißhelligkeiten, welche den Wunsch nach Ehescheidung hervorbringen, so müßte von allen von dem ordentlichen Seelsorger kraft des ihm übertragenen Vermittleramts die Beylegung derselben versucht, und auf Entfernung der Anlässe allenfalls mit Beystandleistung des Gerichts den Bedacht genommen werden. Bleibt der Versuch fruchtlos so kann 2) von dem beleidigten Ehetheil vor Gericht gegen den andern auf Erfüllung der ehelichen Verbindlichkeiten geklagt werden, und die Gerichte sind befugt, durch Zwangsmittel die Anläße der Mißhelligkeiten hinauszuräumen, auch durch Zurechtweisungen und Strafen den schuldigen Theil zu einem ordentlichen Lebenswandel und zu einem anständigen Betragen gegen den klagenden Ehetheil anzuhalten. Läßt sich aber 3) durch diese Mittel der Zweck nicht erreichen, so kann das Gericht den Ehegatten, wenn dieses zur Besänftigung der Gemüther und zur Wiederherstellung der Eintracht dienlich scheint, eine Absonderung, aber nicht länger, als auf ein Jahr bewilligen, wobey jedoch das Gericht rücksichtlich des Vermögens und der Erziehung der Kinder die den Umständen angemessenene Vorkehrungen zu treffen hat. Ist 4) das Prüfungs Jahr ohne Wiedervereingigung verstrichen, so müssen beyde Ehegatten sich persönlich vor den Seelsorger stellen, welcher noch einmal durch angemessene Vorstellungen und Ermahnungen ihre Wiedervereingigung zu bewirken suchen soll, bleibt aber auch dieser Versuch ohne Erfolg, so muß der Pfarrer die beyden Ehegatten an das Gericht verweisen und eine schriftliche Anzeige dranmachen. Das Gericht kann den Ehegatten 5) auf ihr Verlangen die Absonderung noch auf ein Jahr verstatten aber weder dieses Gericht, noch die Kirchen-Obern dürfen eine Absonderung auf längere, oder gar auf unbestimmte Zeit erlauben. Vielmehr muß 6) wenn noch abermals verstrichener Prüfungszeit unter den Ehegatten Wiedervereingung nicht Statt findet, das Gericht von Amtswegen das Scheidungsverfahren einleiten. §.41. b) Lebenslängliche Eine lebenslängliche Ehescheidung kann nur aus folgenden Ursachen Statt finden, wenn sich ein Ehegatte eines Ehebruchs schuldig macht, 2) wenn er zur Strafe des Zuchthauses, zur Festungsstrafe des zweyten Grades oder zu einer noch schwereren und peinlichen Strafe gerichtlich verurtheilt wird; 3) wenn ein Ehegatte den andern böslich verlaßen hat, und falls sein Aufenthaltsort bekannt ist, auf einer ihn gerichtlich zugestellten, oder wofern sein Aufenthaltsort unbekannt ist auf öffentliche geschehene Vorladung innerhalb Jahresfrist nicht erschienen ist. 4) Wegen Nachstellungen, welche dem Leben oder der Gesundheit eines Ehegatten gefährlich sind. 5) Wegen schwerer Misshandlungen. 6) Wenn ein Ehegatte ungeachtet dringlicher ge-
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richtlicher Zurechtweisung eine für den anderen Ehegatten, oder für das Hauswesen, oder für die Kinder-Erziehung schädlichen liederlichen Lebenswandel fortsezt. 7) Wenn beyde Ehegatten die Scheidung unter den oben (Nr.15 u. ff. angegebenene Bestimmungen) beharrlich verlangen. 8) die Ehescheidungsklage erlischt, wenn unter den Ehegatten nachdem ihnen der Scheidungsgrund bekannt war, eine Aussöhnung erfolgt ist, vorbehaltlich des Rechtes bey nachfolgender Pflicht-Verlegungen auch diejenigen Thatsachen geltend zu machen, worüber die Aussöhnung erfolgte. 9) Keine Ehescheidungsklage kann von dem Gericht, außer dem unter Nummer 2 und 3 angegebenen Fällen angenommen werden, wenn nicht vorher von dem ordentlichen Seelsorgern die Vermittlung versucht und darüber ein schriftliches Zeugnis beygebracht werden. Auch müssen, wenn die Scheidung blos wegen Mißhandlung oder unordentlichen Lebenswandels verlangt wird, zuerst die oben (§.40. und in diesem § Saz 3) angegebenen Besserungsmittel angewendet worden seyn. 10) Die Ehegatten, wenn sie anwesend sind, haben die Verbindlichkeit, bey der ersten Tagstagung sich in Person vor Gericht zu stellen. 11) die Frau, sie sey Klägerin oder Beklagte darf während des Rechtsstreits die Wohnung ihres Mannes verlassen, und von demselben einen standesgemäßen Unterhalt verlangen; erforderlichen falles wird die Wohnung, wo sich die Frau bis zur richterlichen Entscheidung aufhält, nebst den übrigen, auf Sicherstellung des Vermögens und auf die Erziehung der Kinder sich beziehenden Verhältnißen vom Gerichte bestimmt. 12) Die Ehescheidungsklage muß die Thatsachen, worauf sie gegründet wird, genau angeben; und diese müssen von demjenigen Theile bewiesen werden, der sich darauf beruft. 13) Das Urtheil muß bestimmt ausdrücken, wer der schuldige Theil sey, und welche bürgerliche Wirkungen die erkannte Scheidung hervorbringe. Ergeben sich aber 14) in Ansehung des Vermögens Streitigkeiten, welche eine genauern gerichtliche Verhandlung erfordern, so müßen diese, ohne das Urtheil in der Entscheidungssache aufzuhalten, zu besondren Verhandlung erwiesen, und in gewöhnlichem Verfahren verhandelt und entschieden werden. 15) Wenn die Ehe wegen beharrlichen Willens beyder Ehegatten geschieden werden soll, so muß der Mann das 25ste Jahr vollendet und die Frau das 21ste Jahr vollendet und sie müssen wenigstens zwey volle Jahre in der Ehe gelebt haben. 16) Sodann müssen beyde Ehegatten ihren Entschluß zur Scheidung zuvörderst ihren ordentlichen Seelsorgern eröffnen, dessen Pflicht es ist, sie allenfalls im Beyseyn ihrer Aeltern oder einziger nächster Verwandten an das bey der Trauung gemachte Versprechen zu erinnern und ihnen die nachtheiligen Folgen der Scheidung mit allem Nachdruck vorzuhalten. 17) Diese Handlung muß von dem Seelsorger noch zweymal und zwar jedesmal nach einem Zwischenraum von einer Woche wiederholt werden. 18) Bleiben die dreymaligen Vorstellungen fruchtlos, und beharren die Ehegatten auf dem Entschluß der Scheidung, so müssen sie mit dem Zeugniß über die Vergeblichkeit des Aussöhnungsversuchs sich an ihr ordentliches Gericht wenden. 19) Die Ehegatten sind verbunden, sich auch hier persönlich zu stellen, und ihren Entschluß zur Scheidung zu erklären, auch ihre Uebereinkunft in Bezug auf das Vermögen auf ihren Unterhalt und auf den Unterhalt und die Erziehung der Kinder genau anzugeben, wobey es, so fern diese Uebereinkunft nicht der nachfolgenden Bestimmungen zuwiderläuft, sein Bewenden hat. Das Gericht muß sodann 20) vördersamst unter den Ehegatten die Aussöhnung allenfalls unter Beyziehung der Aeltern oder einiger nächster Verwandten versuchen und diese Handlung muß bey Gericht in gleicher Art, wie es in Nummer 17 von dem Seelsorger bemerkt worden noch zweymal, jedesmal nach einem Zwischenraum von vier
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Wochen wiederholt werden. Bleiben nun 21) allen dieser nachdrücklichen Vorstellungen ungeachtete die Ehegatten beharrlich auf dem Entschluß der Scheidung stehen, so muß ihnen das Gericht erlauben, sich auf ein Jahr zur Prüfungszeit abzusondern. 22) Nach Verlauf dieser Zeit sind, wofür das Gericht von Amtswegen zu sorgen hat, die Ehegatten verbunden, sich abermal bey Gericht persönlich zu stellen, und wenn keine Wiedervereingung zu Stande kömmt, ihren beharrlichen Entschluß zu erklären, worauf sodann das Gericht nach Verlauf von weiteren vier Wochen vom Tage dieser lezten Erklärung angerechnet, ohne alle Erforschung der Ursache die beharrlich verlangte Scheidung bewilligen muß. §.42. Wirkungen der lebenslänglichen Ehescheidung a) im allgemeinen Die Ehescheidung auf Lebenszeit hat folgende Wirkungen. 1) Unter den geschiedenen Ehegatten werden alle diejenigen bürgerlichen Verbindlichkeiten aufgelöst, womit sie gemäß § 12 einander persönlich verpflichtet sind, vorbehaltlich der nachfolgenden persönlichen Bestimmungen. 2) Die Wirkungen rücksichtlich der Eheverträge und des Vermögens sind nach Verschiedenheit der Ehescheidungsursachen und der Güterstände im nachfolgenden § bestimmt. Was 3) in solchem Falle das Recht des Unterhalts betrifft, ist solches ebenfalls im nachstehenden § verordnet. 4) Die geschiedene unschuldige Ehegattin darf den Namen ihres Ehegatten ablegen und ihren Geschlechtsnamen wieder annehmen, wogegen dieselbe, wenn sie als schuldiger Theil verurtheilt worden, des Namens, des Standes und den anderen Vorzügen des Mannes von Rechtswegen verlustig ist. 5) Im Verhältniß der Kinder zu ihren Aeltern bringt die Ehescheidung keine Veränderung hervor, insbesondere behalten die Kinder alle ihnen durch das Gesez oder die Eheverträge zugedachten Vortheile, welche ihnen übrigens auf dieselbe Art und unter den denselben Umständen anfällig werden, wie wenn keine Ehescheidung vorgegangen wäre, vorbehaltlich dessen, was im nachfolgenden § über die Ehescheidung durch beharrlichen Willen verordnet ist. Was aber 6) die Erziehung der Kinder angeht, so kann diese im Mangel besonderer Uebereinkunft, wenn die Ehe wegen Verurtheilung des Ehemanns zu einer peinlichen Strafe oder wegen dessen böslicher Veranlassung, oder weil er der Frau nach dem Leben gestrebt, oder sich eines liederlichen Lebenswandels schuldig gemacht hat, nach richterlichen Ermessen und Erwägung aller Umstände auf Antrag der unschuldigen Mutter und nöthigenfalls mit Vernehmung der nächsten Verwandten entweder der Mutter oder einer dritten Person übertragen werden. In jedem Falle behalten beyde Aeltern gegenseitig das Recht, von dem Unterhalt und der Erziehung der Kinder Kenntniß zu nehmen. 7) Wenn sich geschiedene Ehegatten wieder vereinigen, so müssen sie hievon dem Gericht und dem Seelsorger die Anzeige machen. Von dem Zeitpunkt der Wiedervereinigung angefangen, hören unter den Ehegatten alle Folgen der Ehescheidung auf, weshalb sie in Rücksicht auf ihr Vermögen in das von der Scheidung bestandene Verhältniß zurücktreten, wenn sie nicht bey der Wiedervereinigung einen neuen Vertrag darüber abschließen. 8) Ob und inwieweit ein Ehegatte nach erfolgter bürgerlicher Ehescheidung sich wieder verehelichen dürfe, ist nach den Grundsäzen der Religion zu beurtheilen, zu welcher sich ein jeder der geschiedenen Ehegatten für seine Person öffentlich bekannt, doch sind 9) auch bey denjenigen Personen, welche sich nach den Grundsäzen ihrer Religion wieder verheurathen dürfen, die allgemeinen gesezlichen Vorschriften genau zu beobachten.
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10) Wo die Religion die Wiederverehelichung gestattet, darf der unschuldige Theil leztere in demselben Zeitraum vornehmen, welchen das Gesez bey der Trauung der Ehe durch den Tod bestimmt. (§ 16), dem schuldigen Theil aber kann das Gericht, wenn er dem andern nach dem Leben gestrebt hat, die Wiederverehelichung ganz verbieten. In andern Ehescheidungsfällen, oder auch besonderen Ursachen, darf ihm das Gericht die Wiederverehelichung je nach dem Grad und der Beschaffenheit seines Verschuldens bis zu dem Ablauf einer gewissen Zeit zum mindesten eines Jahres im Scheidungs-Urtheil untersagen. 11) Bey einer Ehescheidung wegen beharrlichen Willens beyder Theile ist die Wiederverehelichung des einen wie des andern Ehegatten erst nach zwey Jahren von dem Tag des Scheidungs Urtheils an erlaubt. 12) Uebrigens hat die Uebertretung des Verbots der Wiederverehelichung in den unter Nummer 17 bestimmten Fällen nicht die Ungültigkeit der Ehe, sondern nur eine bürgerliche Strafe zur Folge. §.43. Wirkungen in Bezug auf das Vermögen. (. . .) §.44. Von ungültigen Ehen Wenn sich nach der pfarrlichen Trauung ein unbedingtes Ehehinderniß zeigt, und die Ehe deßwegen für ungültig und kraftlos erklärt wird (§ 8 ff.) so sind drey Fälle wohl dabey zu unterscheiden, nämlich ob die Verehelichung 1) entweder von beyden Eheleuten, oder 2) nur von einem allein, oder 3) von keinem von beyden mit gutem Glauben und redlicher Meinung: daß dieselbe gültig und rechtsbeständig sey, vorgenommen worden. In dem ersten Falle nimmt die Ehefrau sowohl ihr Heuraths, als auch das Paraphernal- und Receptizgut, nebst der Morgengabe, und dem von der Errungenschaft, der gemeinvermischetn Hausfahrniß, und der Hochzeit-Geschenke ihr gebührenden Antheil, wie auch ihr End und Gebäud, Kleidungsstücke aller Art und Kleinodien wieder zurück. All anders hingegen verbleibt dem Mann, und was beyde von oder während der Ehe einander geschenkt haben, das fällt nebst dem Wittibsiz gleichfalls wieder zurück. Im übrigen wirkt eine solche vermeinte Ehe (matrimonium putativum) so lange sich die Ehegatten in redlicher Meinung befinden, eben das, was eine wahrhafte und rechtsbeständige Ehe, sowohl in Betreff der heurathlichen Sprüche und Vorrechte, als auch der Rechtmäßigkeit der Kinder, der väterlichen Gewalt, oder sonst den Rechten nach zu wirken pflegt. In dem zweyten Fall hat sich der unschuldige Theil aller Rechte und Vorzüge, welche einer gültigen Ehe anhängen zu erfreuen und erhält mithin alles, was einem Ehegatten auf früheres Abstreben des andern gesezlich oder durch Antrag gebührt, jedoch mit dem §§ 36.37.38 bemerkten Unterschied, ob Kinder vorhanden sind oder nicht, und weil derselbe hiernächst von dem andern Theil auf eine eben so betrügliche als nachtheilige Weise eingeführt worden, so gebührt ihm zur Genugthuung ein gleicher Kindstheil oder bey vermangelnden Kindern der vierte Theil von des schuldigen Ehegatten Vermögen alsogleich eigenthümlich; die Kinder aber werden für rechtmäßig gehalten, und wenn der Vater redlicher Meynung gewesen, so bleiben sie auch unter seiner väterlichen Gewalt, im entgegengesezten Fall folgen sie der Mutter, und müssen dessen ungeachtet von dem in unredlicher Meynung gewesenen Vater unterhalten werden. Im dritten Fall werden zwar die vor dem richterlichen Erkenntniß erzeugten Kinder für ächt gehalten, doch fallen die übrigen Wirkungen einer gültigen
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Ehe hinweg, vorbehaltlich der gesezlichen Strafe für allenfalls mit unterlaufene Verbrechen. 4) Ist aber das nach eingegangener Ehe sich offenbarende Hinderniß von der Art, daß es durch eine Landesfürstliche Nachsichts-Erklärung (dispensation) gehoben werden kann, so muß dieselbe erholt werden, und die Ehe bleibt gültig, doch verfallen die Ehegatten, welchen das Hinderniß bekannt war, in eine bürgerliche Strafe. 5) Eine Ehe gegen welche ein unbedingtes Hinderniß obwaltet, kann sowohl von den Ehegatten selbst, als von allen denjenigen welche dabey betheiligt sind, folglich auch von Staatswegen (durch den Kronfiskal) als ungültig angesprochen werden. 6) Nichtigkeitsklage wegen Heurathsunfähigem Alters (§ 10) ist erloschen, wenn der Ehegatte, in dessen Person dieser Mangel vorhanden war, während der Ehe das gesezmäßige Alter erreicht hat, oder wenn die Ehegattin schwanger geworden, in welchem Falle, jedoch die Landesfürstliche Nachsichts-Erklärung nachzusuchen ist. Uebrigens sind die Aeltern, welche zu einer solchen Ehe eingewilliget haben, von der Nichtigkeitsklage ausgeschlossen. 7) Was die Nichtigkeitsklage wegen mangelnder Einwilligung der Aeltern oder des Vormundes betrifft, so kann dieselbe nur von den Aeltern, von dem Vormund oder von demjenigen Ehegatten, welcher die älterliche oder vormundschaftliche Einwilligung mangelt, angestellt werden. 8) Waren die umgangenen Aeltern oder Vormünder an dem Orte wohnhaft, wo das Aufgebot geschehen ist und haben sie vor der Eingehung der Ehe keinen Einspruch gegen dieselbe gemacht, so können sie ihre Gültigkeit auch nachher nicht mehr anfechten. 9) Außerdem ist diese Klage erloschen, wenn die Aeltern oder Vormünder innerhalb drey Monaten von dem Tage an, wo ihnen die eingegangene Ehe bekannt geworden ist, die Klage nicht anstellen, oder noch vor Ablauf dieser Zeit die Ehe ausdrücklich oder durch unzweydeutige Handlungen genehmiget haben; wodurch jedoch keine Verbindlichkeit zu Ausstattung entstehen soll. Ueber die Nichtigkeitsklagen wegen bedingter Ehehinderniße ist schon oben (§.7 Nr. 3–6) das Geeignete bestimmt worden. §.45. Ungleiche Ehen. Die zwischen Personen von ungleichem Stand geschloßenen Heurathen werden ohne Unterschied für gültig erachtet. §.46. Weitere Verehelichung Nach dem Tod eines Ehegatten kann 1) der andere nach Gefallen zur weiteren Ehe schreiten und es haben dabey 2) keine andern Nachtheile mehr Statt, als die in dem nächstfolgendem § bemerkten, welche 3) auch auf die Wittwen sich erstrecken, die sich zwar nicht wieder verehelichen, aber einen bekannt unzüchtigen und schlechten Lebenswandel führen. 4) Zu welchen Fällen der Tod eines abwesenden Ehegatten aus dem Zusammentreffen der Umstände als erwiesen anzusehen sey, ist nach der Bestimmung über Abwesenheit oder Verschollenheits Erklärung (Hauptsstück VII § 39) zu ermessen. Eine Wittwe darf 5) wenn sie bey Auflösung der vorigen Ehe schwanger war, sich erst nach der Entbindung verehelichen. Ist man 6) über ihre Schwangerschaft im Zweifel, so darf sie nicht vor dem Ablauf des sechsten Monats zu einer neuen Ehe schreiten. 7) Wenn seit Trennung der Ehe drey Monate verfloßen, und sich aus dem Gutachten des Sachverständigen zeigt, daß die Wittwe nicht
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schwanger sey, so kann ihr von der obern Verwaltungs-Behörde zur Wiederverehelichung die Erlaubniß ertheilt werden. 8) Die Uebertretung dieses Gesezes zieht zwar die Ungültigkeit der Ehe nicht nach sich, beyde Ehegatten sind aber mit einer den Umständen angemessenen bürgerlichen Strafe zu belegen. Wird nun 9) von der Frau ein Kind innerhalb einer solchen Zeit geboren, daß nach dem obigen Bestimmungen über den Zeitpunkt rechtmäßiger Geburten ein Zweifel entsteht, ob es von dem vorigen oder dem nachherigen Ehemann erzeugt worden sey, so ist dem Kinde zur Vertretung seiner Rechte ein Pfleger (curator) zu bestellen, welcher auf denjenigen Familien-Stand antragen soll, der nach allen Umständen dem Kind am vortheilhaftesten ist. §.47. Nachtheile derselben. Die Nachtheile, womit die weitere Verehelichung verbunden ist, bestehen in folgendem: 1) Was der überlebende Ehegatte von des verstorbenen Ehegatten Vermögen schenkungsweise und durchaus unentgeltlich (titulus mere morativo et gratuito) bekommen hat, bleibt ihm bei der weitern Verehelichung zwar noch Zeitlebens nuznießlich, aber das Eigentum daran geht verloren und fällt den Kindern des Ehegatten, von welchem das Vermögen herrührt, zu gleichen Theilen dergestalt zu, daß keinem Kind mehr als dem andern hieran zugeeignet werden mag. 2) Gleiche Beschaffenheit hat es mit dem von vätterlicher (oder mütterlicher) Seite herrührenden Vermögen eines Kindes oder Enkels, so wird hievon der zur weitern Ehe schreitende Ahne (Ascendent) mit und nebst des Kinds oder Enkels Geschwistern oder Geschwisterkinder ererbt, indem solches den erwähnten Aeltern, welche entweder vor oder nach dem Tod ihres Kindes oder Enkels wiederheurathen, zwar nutznießlich verbleibt, das Eigenthum hinggegen den gedachten Geschwistern oder Geschwisterkindern von beyden Banden, in eben demselben Verhältniß der Theile zufällt, wie solches in der Erbfolgeordnung Theil 3 Hauptstück 5 bestimmt ist. 3) Kann auch der Ehegatte, welcher sich wieder verehelichet, von seinem eigenen Vermögen dem neuen Ehegatten für seine Person nicht mehr als einem Kind von voriger Ehe, welches am wenigsten bekömmt, schenkungsweise und durchaus unentgeltlich durch lezten Willen oder sonst zuwenden, und soll der allenfalls sich ergebende Ueberschuß unter den Kindern voriger Ehe allein verteilt werden. 4) Verliert endlich die Mutter oder Großmutter durch weitere Verehelichung die Vormundschaft über ihre Kinder und Enkel. §.48. Ausnahmen. Die eben erwähnten Nachtheile greifen nicht Plaz, wenn der verstorbene Ehegatte, von dessen Vermögen allenfalls die Frage ist, er die weitere Ehe erweislichermaßen selbst vorläufig (eventualiter) und ausdrücklich eingewilligt hat. Insbesondere aber fällt die im vorigen § angegebene 1 und 3 nachtheilige Folge hinweg, wenn von der vorigen Ehe kein Kind oder Enkel mehr vorhanden ist, oder die vorhanden gewesenen schon von dem zur weitern Ehe geschrittenen Ehegatten wieder sämtlich verstorben sind, oder die weitere Verehelichung bereits nach erlangter Volljährigkeit ohne Vorbehalt eingewilliget haben. Die zweite nachtheilige Folge hingegen hört erstens auf bei dem Vermögen, welches das beerbte Kind oder Kindeskind nicht von
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väterlicher (oder mütterlicher) Seite, sondern anderwärts für gehabt hat, zweytens wenn von diesem Kind oder Kindeskind kein Geschwister oder kein Geschwisterkind von beyden Banden mehr vorhanden gewesen, drittens, wenn diese sämmtlich schon vor dem zur weitern Ehe geschrittenen Ehegatten verstorben waren, viertens, wenn das Kind oder Kindeskind in die weitern Verehelichung mit ausdrücklich dem Vorbehalt, daß dadurch an dem Eigenthum nicht benommen seyn soll, einwilligt.
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Rechenschaft über die bei der Redaction im allgemeinen beobachteten Grundsätze1 Bemerkungen über die Redaction des I. Theils (. . .)2 VI. Hauptstück §.1. Der Unterschied zwischen Matrimonium Ratum et consumatum blieb lang als nicht zum bürgerlichen Recht gehörig. Bei der Definition der Ehe wurde beigesetzt „hauptsächlich“, um über den Streit der Schule nicht abzusprechen. §.2. Für die Feyerlichkeit des Eheverlöbnißes war es zweckmäßig, die Beiziehung zweyer Zeugen vorzuschreiben. Daher mußte auch die Stelle des alten Cod. Max. wegbleiben, daß kein Unterschied mehr zwischen öffentlichem und heimlichen Eheverlöbnißen seye. §.3. Der Deutlichkeit wegen wurde hier gesagt: die freie Einwilligung. §.4. N.2. Nach Aufhebung der Fidei Comisse giebt es keine sogenannten verzichteten Töchter mehr, man hat sie also hier weggelassen. Ebendaselbst. Ungleichheit des Stands und Herkommens konnte nach den §.45 und nach den geläuterten Begriffen unseres Zeitalters es nicht wohl als Enterbungsursache gelten. Die übrigen Ausdrücke sind nach dem § 59 des oesterreichischen bürgerl. Gesezbuches verändert worden. /:Weswegen auch bey N. 4 eine Aenderung eintreten mußte:/ /Ebendas: der Fall der Meinungsverschiedenheit des Vaters und der Mutter mußte erwähnt werden. /N.3 Hier wurde die Enterbungs Strafe weggelassen, dagegen die erlaubten Ursachen der Nichteinwilligung aufgezählt. /N.4 Der Zusatz von gerichtlicher Ersatzung der älterlichen Einwilligung ist den vorangeschickten Grundsätzen angemessen. /N.5 Der Zusatz wegen des Vaters dient zur größeren Deutlichkeit. /N.6 Die Bestimmung des Alters wurde aus für sich selbst sprechenden Gründen, zu Folge der geh. Raths Abstimmungen abgeändert. 1 Auszug aus den Motiven zum Gesetzentwurf von Johann Christoph von Aretin 1816–18; Handschriftliches Manuskript des Bayerischen Hauptstaatsarchivs Abteilung I, Staatsrat 2184–2195 (2184). 2 Die Anmerkungen zu den übrigen Hauptstücken wurden weggelassen.
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/N.7. Das Alter wurde hier wie in N.6 bestimmt. Die Strafe wurde ohne Unterschied des Geschlechts auf den Fall gesezt, wenn die Heurath mit einer nach obiger Bestimmung exzeptionsmäßigen Person geschieht. Der Zusatz wegen unehelicher und fremder Minderjährigen dient zur Vollständigkeit. /N.8. und 9. finden keine Anwendung mehr. Bei N.10 mußte die neuere Bestimmung eingeschaltet werden. N.11 konnte wegbleiben, dagegen wurde der Vollständigkeit wegen die außer Landes Trennung erwähnt. §.5. N.1. der Zusatz bey den Zeugen wurde aus dem N.4 des alten Cod. Max. genommen. N.2 und 3. wegen der Vollmacht und wegen Verschiedenheit der Seelsorger wurde aus dem oesterr. Gesezbuch /:§ 75 und 46:/ Zusätze gemacht N.4–6. ward aus § 11 ss des oesterr Gesezbuches beigeszt nach welchem man sich wegen dergegen die katholische Kirchengewalt zu beobachtenten Verhältniße am besten richten zu können glaubte. §.6. Die Materie vor den Ehehindernißen mußte ganz neu bearbeitet werden, da der alte Cod. Max. sich hierin lediglich an das ius canonicum gehalten hatte. Das im Jahre 1808 für Salzburg und Berchtesgaden gegebene Ehegesetz /:in des kaiserl. Hofraths von Zeiller jährl. Beyträgen A:/ und das bald darauf erfolgte oesterreichische bügerl. Gesetzbuch diente uns hier /:aus der bereits zum vorigen § bemerkten Ursache:/ als Muster. Beyde gehen von dem Grundsaze aus, daß die weltliche Macht sich bey Bestimmung der Ehehinderniße nicht an die kirchl. Satzungen zu binden braucht, daß sie folglich, wo die Staatsrücksichten überfordern, nicht nur Ehehindernisse aussprechen darf, welche von der kirchlichen Gewalt nicht anerkannt sind, sondern auch die von der Kirche festgesetzten Ehehinderniße nach den Staatszwecken beschränken und modifiziren kann, ohne darum der Kirchengewalt zu nahe zu treten. Herr von Zeiller bemerkte in seinem Kommentar über das oesterreichische Gesetzbuch § 47 sehr richtig, daß zwar der Staatsbürger als Mitglied einer Kirchengesellschaft auch den von der Kirche gegebenenen Ehegesetzen unterliegt, daß sich aber dieselben ihrer Natur nach einzig auf das Gewissen beziehen, nicht auf die bürgerliche Gültigkeit oder Ungültigkeit des Vertrags und /:was wohl zu merken ist:/ nur in sofern verpflichten können, als sie mit Landesfürstl. Begenehmigung /:placeto regio:/ bestehen. Es versteht sich übrigens von selbst, daß die Staatsgewalt diejenigen Hinderniße unerschüttert läßt, welche aufeinander völlig bestimmten, keiner Ausnahme unterliegenden natürlichen Sittengesetz oder nach den Lehren unserer Religion auf einem göttlichen positiven Gesetze beruhen. Siehe von Zeillers Kommendar über das oesterr. Bürgerl. Gesetzbuch § 89. Nach diesen Grundsätzen, welche schon seit mehreren Jahren in der oesterr. Monarchie ohne Einwilligung der Kirchengewalt und Beunruhigung der Gläubigen gesetzlich ausgeübt werden, sind auch die Bestimmungen des neu verbesserten baierschen Landrechts eingerichtet worden.
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Das oesterreichische Gesetzbuch statuiert auflösbare und unauflösbare Ehehinderniße. In sofern nämlich dieselben durch landesfürstl. Dispensation aufgelößt werden können oder nicht. Diese Benennung hat den Mißstand in sich, daß man bei den Worten auflösbar und unauflösbar an die Ehe selbst /:nicht an das Hinderniß:/ denkt, woraus nicht eine irrige Verwechslung entstehen kann. Wir wählten daher die Eintheilung in bedingte und unbedingte Hinderniße. Die letzten brauchen entweder auf Verbrechen, oder auf Handlungen, welche Theils gegen die Reinheit und Heiligkeit der Ehe anstossen, theils auf andere Art den Gesezen widersprechen. /:Siehe §.8.:/ die erstere aber machen die Ehe nicht ungültig, wenn sie durch landesfürstl. Dispensation oder durch Beruhigung des beleidigten Theils bestättigt würde/§.7:/ §.7. N.2.3. und 5/: des alten Cod. Max.:/ die Adventzeit, die andern verbothenen Zeiten, und das einfache Keuschheitsgelübde hat man, als blos auf das geistl. Recht sich beziehend, weggelassen. Dagegen mußte man die andern angeführten Fälle /:Die bedingten Hinderniße:/ hierher sezen /:N.3–6:/ meistens nach dem Fortgang des oesterreichischen Gesetzbuchs. N.7. Die Bestimmungen über das Aufgeboth sind ebenfalls aus diesem Gesetzbuche entlehnt. §.8. N.1. Die Entführung kömmt noch besonders vor N.9. N.8. des alten Cod. Max. blieb weg, dafür wurde der Fall des bürgerlichen Todes hiehereingeschaltet. N.9. wurde deutlicher ausgedrückt. Alle hier aufgezählte Hinderniße sind von der Art, wie sie oben /:am Schluß der Bemerkungen zum §.6:/ angegeben wurden. Auf Verbrechen beruhen N.1.2.5.8.9.10 gegen die Reinheit und Heiligkeit der Ehe stößt an N.11 /:und § 10:/ gegen andere verbiethende Geseze die N.3.4.6.7. /:dann §.9. N.1 und früher § 3.N.2:/ /Die Verheimlichung der Schwangerschaft /:§.7.N.3:/ scheint einem verbrecherischen Betrug nahe zu kommen, da aber das Strafgesetzbuch sie nicht dafür erklärt hat, konnte sie auch nicht unter die unbedingten Ehehinderniße gesetzt werden. §.9. N.1. Die Bestimmung über die landesfürstl. Nachsichts Erklärung ist dem aufgestellten Grundsatz gemäß, daß keine Dispensation eintreten dürfe, als in dem vom Gesez namentlich ausgedrückten Fällen. Die Nachsuchung der kirchlichen Dispensationen überließ man den Betheiligten selbst, nach den Grundsätzen, die in den Bemerk. zu §.6 entwickelt sind. N.2. Taufpathen u.s.w. wurden ausgelassen, dagegen das Impedimentum publicae honestatis beigesezt und §.8. N.8 des alten Cod. Max. N.4 man hat hier /:nach den eigenen Grundsäzen des Cod. Max:/ den Unterschied zwischen eheliche und unehelicher Schwägerschaft aufgehoben.
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§.10. Die neue Faßung ist den vorausgeschickten Grundsätzen gemäß. §.11. Die im alten Cod. Max. enthaltenen Bestimmungen, sind nun Wiederholungen, der bei den Vertrags Recht ohnehin vorkommenden Grundsäze, daher war eine Hinweisung genügend. Die Strafen gebrochener Eheverlöbnisse sind aus dem Entwurf genommen, welcher hier vorzüglich aus dem Preußischen Landrecht schöpft. (. . .)3 §.39. N. 6. „so leicht“ als zu unbestimmt blieb weg. Zulezt war die Hinweisung nöthig. §.§.40.41.42. wurden ganz umgearbeitet, aus folgenden in den Motiven des Entwurfs angegebenen Gründen. „Vordersamst aber wird den Seelsorgern das Vermittlungsamt, dagegen die eigentliche Gerichtsbarkeit in Ehesachen den königlichen Gerichten nach dem Vorbild des oesterreichischen Ehegesetze übertragen. So behält die Kirche ihren Einfluß, um durch Moralität und sanfte Mittel die Ehen aufrecht zu halten, und der Staat tritt da, wo nur das Recht entscheidet in seine Sphär ein. Ohnehin ist dabei wegen des Königl. Edictes über die Kirchen Verhältniße und nach dem Beispiel des katholischen oesterreichischen Gesetzes kein Bedenken. Wir nahmen dann zuerst die Aufrechthaltung der Ehe nicht als Entfernung aller Anläße zur Trennungen in Betracht und dürfen uns zum Verdienste anrechnen, daß wir bestimmten als die bisherigen Geseze die Erfüllung der Pflichten unter den Ehegatten, namentlich auf erdeutliches Betragen und zuständiger Behandlung zu einem klagbaren Rechte erhoben, auch das Amt des Richthers bei Ehedissidien genau vorgezeichnet haben. Nur unter den Mitteln der Aussöhnung nimmt eine Absonderung auf bestimmte Zeit eine Stelle ein. Die Permittimus ad tempus indefinitum, womit die Consistorien ein für den Staat und Kirche gleich schädliches Unwesen bisher getrieben haben, sind verboten, weil die Ehe schlechterdings keinen Zustand der Ungewißheit verträgt. Dieser Absonderung auf bestimmte Zeit setzen wir blos eine lebenslängliche Ehescheidung entgegen. Diese ist wirklich die bürgerliche Trennung der Ehe, aber wir haben mit allen Vorbedacht sorgfältig jeden andern Ausdruck vermieden, wir haben weder von einer separatio a thoro et mensa noch von einem divortium, noch von einer Trennung der Ehe, noch vom Eheband gesprochen, denn jeder andere Ausdruck als „lebenslängliche Ehescheidung“ hätte in Labyrinthe ohne Ausweg geführt. Wir hätten sonst einestheils dem künftigen Concordate oder arrangement mit dem Papst im voraus widersprochen, wenn aber der Papst über das ohngezweifelhafte4 dogma der Unauflösbarkeit des Ehebandes zur Nachgiebigkeit gebracht wird, und diesen durften wir nicht vorgreifen – andern Theils hätten Wir auf einmal die 3
Ausführungen zum Ehegüterrecht wurden weggelassen.
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Einstimmigkeit des Gesezes für alle Confessionen aufgegeben, und etwas anders für Katholiken, etwas anders für Protestanten, vielleicht auch für Juden und Wiedertäufer festsetzen müßen, und doch hätten wir niemals verbürgen können, daß dadurch alle auch künftigen Confessionen erschöpft sind. Allen diesen Bedenklichkeiten konnten wir nur dadurch ausweichen, daß wir die bürgerlichen Wirkungen einer lebenslänglichen Ehescheidung aus dem Gesichtspunkte, daß sie die Ehe auflösen, bestimmten, und die Frage, ob die geschiedenen Ehegatten sich weiters verehelichen dürfen, als worauf das ganze Interesse des Unterschieds inter separationem et divortium zurückgehet, von den Grundfragen der Religion eines jeden Theils abhängig machten. Auf diesem Wege konnten wir die Grenzen des Civilgesetzbuches einhalten, ohne irgend eine Kirche in ihren Prinzipien anzugreifen oder traurige Kollisionen zwischen Staat und Kirch zu veranlassen. Unter den Ursachen zur lebenslänglichen Scheidung nehmen wir nur solche auf, welche wichtig genug und von allen Gesetzgebern bisher dafür anerkannt und nur die beharrliche Einwilligung haben wir nicht allein dem Code Napoleon, sondern auch dem oestereichischen Geseze gemäß angenommen, jedoch waren wir dabey weit strenger, als das oesterr. Gesetz selbst, wie wir später zeigen werden.“5 Bey der gerichtlichen Untersuchung der Scheidungsursachen haben wir nur dasjenige angeführt, was nothwendig war, ohne in die Processordnung überzugreifen, denn nur eine genaue Untersuchung kann die Ehen gegen Willkühr sicherstellen.6 „Bey der beharrlichen Einwilligung ist es nicht sowohl Willkühr der Ehegatten, was ihre Ehe scheidet, wie etwa die Kontrahenten einen andern Vertrag unter sich nach Wohlgefallen aufheben, sondern die gegründete gesezliche Vermuthung, daß eine hinreichende Scheidungsursache hinter ihrer beharrlichen Einwilligung verborgen sey. Um sich dessen zu versichern muß also der Gesezgeber die beharrliche Einwilligung mit Beschwerden so umgeben, daß es moralisch gewiß ist, die Ehegatten werden sich ohne hinreichende Ursache denselben nicht unterwerfen. Auffallend war es uns zu sehen, wie leicht das oesterreichische Gesez v. J. 1808 darüber hinweggieng, und wir suchten diesen Gegenstand so zu bestimmen, daß der Gesezgeber jene Gewißheit erlangt, ohne welche dieses Institut die Heiligkeit der Ehe stark compromittiren würde.“7 „Nach dem oben angegebenen Gesichtspunkte haben wir die bürgerlichen Wirkungen der Ehescheidung getrennt von der Befugnis der Wiederverehelichung. Der Unterschied, ob ein Ehegatte an der Scheidung Schuld trägt oder nicht, ist die Basis der rechtlichen Folgen, welche hier durchgeführt wurden, jedoch nur in der Allgemeinheit, weil dasjenige, was einen besondern Güterstande allein anpaßt, dem folgenden Kapitel vorbehalten werden mußte. Der Entwurf hat nämlich die Rechtslehre von dem Vermögen der Eheleute in einem besondern Kapitel abgehandelt.8 Einer wegen Ehebruch und ähnlichen Ursachen geschiedenen Frau haben wir den 4 Bemerkung des Verfassers: Im Vorentwurf von 1811 heißt es „ohnehin zweifelhafte“, so zumindest in der Abschrift, Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 113 § 16. Hier jedoch heißt es eindeutig „ohngezweifelhafte“. 5 Bemerkung des Verfassers: Es handelt sich hier um die Abschrift der Motive zu den §§ 15 und 16 des Entwurfs von 1811 vgl. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 113 f. 6 Entspricht den Mot. zu § 17 des Entwurfs von 1811, vgl. bei Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 114. 7 Entspricht den Mot. zu § 18 des Entwurfs von 1811, vgl. bei Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 114.
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Namen und Würde des Mannes abgesprochen, denn kein Gesez kann zugeben, daß eine solche verworfene Person den Namen des Mannes ferne brandmarke. Bey den Wirkungen in Ansehung des Ehebandes vermieden wir abermals davon geradehin zu sprechen, vielmehr drückten wir es in die Frage von der Wiederverehelichungsbefugniß aus. Wir haben dieses abhängig gemacht von den Grundsätzen der Religion, wozu sich der geschiedene Ehegatte für seine Person öffentlich bekennt.9 §.43. Die Bestimmungen über die Wirkungen der Ehescheidung im Bezug auf das Vermögen wurden aus dem alten Cod. Max. soviel den Dotalgegengüterstand betrifft, beibehalten, nur deutlicher ausgedrückt; soviel aber die Gütergemeinschaft betrifft, wurden die Zusätze aus dem Entwurf aufgenommen. §.44. N.3. Die Konfiskation hat nicht mehr Platz. Die unschuldigen Kinder mußten mehr berücksichtigt werden. N.4. ss. Zusätze aus dem Entwurf. §.45. Abgekürzt. §.46. Ergänzt aus dem Entwurf. §.47. Die verzichteten Kinder wurden weggelassen. §.48. Der vierte Fall von dem Mönchsgelübden blieb weg. §.49. Der §.4.10 des alten Cod. Max. wurde als zur Gerichtsordnung gehörig ganz ausgelassen.
8 Der hier kursivgeschriebene Satz wurde wohl durch Aretin eingeführt, anschließend geht es wörtlich mit der Abschrift der Motive zu Entwurf von 1811 weiter, vgl. dort Motive zu § 19 vgl. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 114. Damit hielt er sich auch hier an den Entwurf von 1811, wo auch die vermögensrechtliche Seite gesondert geregelt war. Vgl. Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 115 Kap. VII. 9 Entspricht dem ersten Teil der Motive zu § 20 des Entwurfs von 1811, vgl. bei Demel/Schubert, Entwurf 1811, S. 114/115. 10 Anm. des Verfassers: wohl richtig: §.49.
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Entwurf eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern1 (. . .) Titel 3. Vom Eherechte. §.41. Eheverlöbniß. Ein vorläufiges Versprechen, sich zu ehelichen, zieht keine rechtliche Verbindlichkeit nach sich, weder zur Schließung der Ehe, noch zur Leistung dessen, was auf den Rücktrittsfall bedungen wurde, noch zur Entschädigung. §.42. Ehe. Im Ehevertrage erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie erziehen, sich gegenseitig Beistand zu leisten. §.43. Heirathsfähigkeit. Einen Ehevertrag kann Jedermann schließen, in so ferne ihm kein gesetzliches Hinderniß im Wege steht. §.44. Wahnsinnige, Blödsinnige, Unmündige. Wahnsinnige, Blödsinnige, Unmündige können keinen Ehevertrag schließen. §.45. Minderjährige. Minderjährige, oder Volljährige, welche außer dem Falle des Wahn- oder Blödsinns für sich allein eine gültige Verbindlichkeit nicht eingehen können, sind unfähig, ohne Einwilligung ihres ehelichen Vaters sich gültig zu verehelichen; ist der Vater todt, oder zur Vertretung unfähig, so wird nebst der Erklärung des ordentlichen Vertreters die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts zur Gültigkeit der Ehe erfordert. 1 Auszug aus dem Gesetzentwurf von Ludwig Karl von Leonrod von 1834; handschriftliches Manuskript des bayerischen Hauptstaatsarchivs, Staatsrat 4038. Als Kopie des handschriftlichen Manuskriptes auch im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main. Die ausgewählten Auszüge aus dem Manuskript werden hier ohne Berichtigung von Rechtschreib- oder Grammatikfehlern abgedruckt.
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§.46. Minderjährige unehelicher Geburt. Minderjährige unehelicher Geburt bedürfen zur Gültigkeit ihrer Ehe nebst der Erklärung ihres Vormunds- der Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichts. §.47. Rekurs wegen versagter Einwilligung. Wird einem Minderjährigen oder Pflegbefohlenen die Einwilligung versagt, und halten sich die Betheiligten dadurch beschwert, so haben sie das Recht, die Hilfe des ordentlich Richters nachzusuchen. §.48. Gründe der Verweigerung. Mangel am nöthigen Einkommen, schlechte Sitten, ansteckende Krankheiten, dem Zwecke der Ehe hinderliche Gebrechen sind rechtmäßige Gründe, die Einwilligung zu verweigern. §.49. Heiratserlaubnis. Ueber Nachsuchung und Ertheilung der obrigkeitlichen Heirathseinwilligung, über Verehelichung der Angestellten, der Inländer im Auslande, der Ausländer im Inlande, über Verantwortlichkeit des Trauungsbeistandes bestimmt das Ansässigmachungs- und Verehelichungs Gesetz. §.50. Zwang. Die Einwilligung zur Ehe ist ungültig, wenn sie durch eine gegründete Furcht erzwungen wurde; ob die Furcht gegründet war, muß aus der Größe, und Wahrscheinlichkeit der Gefahr, und aus der Leibs- und Gemüthsbeschaffenheit der bedrohten Person beurtheilt werden. §.51. Entführung. Die Einwilligung ist auch dann ungültig, wenn von einer entführten, und noch nicht in Freiheit gesetzten Person gegeben wurde. §.52. Irrthum in der Person. Irrthum in der Person des künftigen Ehegatten macht die Einwilligung zur Ehe ungültig.
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§.53. in den Eigenschaften. Wenn ein Ehemann seine Gattin nach der Eheschließung bereits von einem anderen geschwängert findet, kann er fordern, daß die Ehe als ungültig erklärt werde, es wäre denn, daß er eine Wittwe, oder geschiedene Frau vor Ablauf der in §.99 bestimmten Frist geehelicht hätte; ein Irrthum über eine andere vorausgesetzte Eigenschaft entkräftet die Ehe nicht. §.54. Bedingung. Getäuschte Erwartungen in Hinsicht auf verabredete Bedingungen stehen der Gültigkeit der Ehe nicht entgegen. §.55. Unvermögen. Das immerwährende Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten ist ein Ehehinderniß, wenn es zur Zeit des geschlossenen Ehevertrags schon vorhanden, und dem anderen Theile unbekannt war. §.56. Strafe. In wieferne eine Verbrechensstrafe der gültigen Verehlichung entgegenstehe, bestimmt das Strafgesetzbuch. §.57. Eheband. Niemand darf eine zweite Ehe schließen, bevor nicht die erste aufgelöst ist. §.58. Weihe und Gelübde. Die Priesterweihe ist ein Ehehinderniß, ebenso das Ordensgelübde auf die Dauer der Verpflichtung. §.59. Religion. Zwischen Christen und Nichtchristen findet keine Ehe statt. §.60. Verwandtschaft. Zwischen Verwandten in auf- oder absteigender Linie, und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern, ehelich, oder unehelich, findet keine Ehe statt; zur Ehe eines jüngeren Neffen mit einer älteren Muhme wird Erlaubnis der Regierung erfordert.
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§.61. Schwägerschaft. Stief- oder Schwägerältern dürfen sich mit ihren Stief- oder Schwägerkindern ohne Unterschied des Grads, und der ehelichen, oder unehlichen Geburt nicht verheirathen. §.62. Adoption. Zwischen Personen, deren eine die andere an Kindesstatt angenommen hat, kann, so lange als die Adoption nicht auf gesetzliche Art aufgehoben ist, keine gültige Heirath geschlossen werden. §.63. Ehebruch. Personen, welche wegen Ehebruchs geschieden werden, dürfen diejenigen, mit welchen sie den Ehebruch begangen haben, nicht heirathen. §.64. Gattenmord. Wenn zwei Personen (oder auch nur eine von ihnen) in der Absicht, sich zu ehelichen, den Gatten, welcher ihrer Ehe im Wege steht, nach dem Leben gestrebt haben, kann zwischen denselben auch dann, wenn der Mord nicht vollendet wurde, eine gültige Ehe nicht geschlossen werden. §.65. Aufgebot. Zur Gültigkeit der Ehe wird das Aufgebot erfordert. §.66. Verkündung. Das Aufgebot besteht in der Verkündung der bevorstehenden Ehe mit Anfügung des Vor- und Zunamens, Geburtsorts, Standes, Wohnorts beider Verlobten, mit der Aufforderung, daß Jedem, dem ein Ehehinderniß bekannt ist, solches anzeigen soll; die Anzeige kann beim Verkündenden, oder beim trauenden Pfarrer gemacht werden. §.67. Zeit – Ort. Die Verkündung muß an drei auf einander folgenden Sonntagen an die gewöhnliche Kirchenversammlung des Pfarrbezirks- und wenn jedes der Brautleute zu einer andere Pfarrei gehört, beider Pfarrbezirke geschehen.
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§.68. Wenn die Verlobten, oder eines von ihnen, in dem Pfarrbezirke, in welchem die Ehe geschlossen werden soll, noch nicht sechs Wochen wohnen, ist das Aufgebot auch an ihrem letzten Aufenthaltsort, wo sie wenigstens die oben bestimmte Zeit gewohnt haben, vorzunehmen; oder sie müssen ihren Wohnsitz an dem Orte, wo sie sich befinden, sechs Wochen fortsetzen. §.69. Wiederholung. Wird binnen sechs Monaten nach dem Aufgebote die Ehe nicht geschlossen, so müssen die drei Verkündungen wiederholt werden. §.70. Was zur Gültigkeit des Aufgebots genüge. Zur Gültigkeit des Aufgebots genügt zwar, daß die Namen der Brautleute, und ihre bevorstehende Ehe wenigstens Einmal sowohl im Pfarrbezirke des Bräutigams, als der Braut verkündet wurde, und sich in der Form oder Zahl der Verkündungen untergelaufener Mangel macht die Ehe nicht ungültig, es wird aber der verkündende Pfarrer dienstverantwortlich. §.71. Dispensation der Regierung. Vom zweiten und dritten Aufgebote kann die Regierung dispensiren. §.72. der Ortsobrigkeit. Wenn eine ärtzlich bestättigte nahe Todesgefahr keinen Verzug gestattet, kann von der Ortsobrigkeit das Aufgebot gänzlich erlassen werden; die Verlobten müssen aber eidlich erhärten, daß ihnen kein ihrer Ehe entgegenstehendes Hinderniß bekannt sey. §.73. Trauung. Die feierliche Erklärung der Einwilligung in die Ehe muß geschehen von den Brautleuten vor dem ordentlichen Pfarrer des einen oder des anderen, oder vor dessen Stellvertreter in Gegenwart zweier Zeugen, welche nach der Proceßordnung nicht durchaus untüchtig sind. §.74. Suspension. Wenn Brautleute das Geburts Zeugniß, die erforderliche Verehelichungserlaubniß, das Verkündigungszeugniß nicht beibringen, oder wenn ein Ehehinderniß angezeigt wurde, darf die Trauung nicht eher erfolgen, bis die nothwendigen Zeugnisse nach-
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gebracht sind, oder das Ehehinderniß auf gesetzliche Art gehoben ist; der entgegenhandelnde Pfarrer wird dienstverantwortlich. §.75. Rekurs. Finden sich die Brautleute durch die Trauungsverweigerung beschwert, so können sie ihre Beschwerde bei der Kreisregierung vorbringen. §.76. Rechte und Pflichten der Ehegatten Beide Eheleute haben gleiche Verbindlichkeiten der ehelichen Pflicht, Treue, anständigen Begegnung. §.77. des Mannes. Der Mann ist das Haupt der Familie, ihm steht vorzüglich das Recht zu, das Hauswesen zu leiten, er hat aber auch die Pflicht, der Frau nach seinem Vermögen den anständigen Unterhalt zu verschaffen, und sie in allen Vorfällen zu vertreten. §.78. der Frau. Die Frau erhält den Stamm des Mannes, und genießt die Rechte seines Standes; sie ist verbunden, dem Manne in seinen Wohnsitz zu folgen, in der Haushaltung und Erwerbung nach Kräften beizustehen, und, so weit es die häußliche Ordnung erfordert, die von ihm getroffenen Maßregeln zu befolgen, und befolgen zu machen. §.79. Vermögensrechte. Die Vermögensrechte der Eheleute kommen im Titel von Ehegatten vor. §.80. Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. Den Ehegatten ist nicht gestattet, die eheliche Verbindung eigenmächtig aufzuheben, sie mögen Ungültigkeit der Ehe Gemeinschaft behaupten, oder Ehescheidung beabsichtigen. §.81. Ungültigkeits Erklärung von Amts wegen – auf Antrag. Die Erklärung der Ungültigkeit einer Ehe, welche nur der in den §§.51.57–61.63.64. angeführten Hindernisse im Wege steht, oder welche nicht nach Vorschrift des §.73 geschlossen wurde, ist von Amtswegen zu beantragen, in den übrigen Fällen muß das Ansuchen derjenigen, welche durch die mit einem Hindernisse geschlossene Ehe in ihren Rechten verletzt sind, abgewertet werden.
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§.82. Befugnis zum Antrage. Nur der schuldlose Theil hat das Recht zu verlangen, daß die Ehe ungültig erklärt werde, er verliert aber dieses Recht, wenn er nach erlangter Kenntniß des Hindernisses die Ehe fortgesetzt; eine von einem Minderjährigen, oder Pflegbefohlenen eigenmächtig geschlossene Ehe kann von dem Vater, oder der Vormundschaft nur in so lange bestritten werden, als die väterliche Gewalt oder Vormundschaft dauert. §.83. Verfahren. Das Verfahren bei der Ungültigkeits Erklärung bestimmt die Proceßordnung. §.84. Beweiß. Das Ehehinderniß muß gehörig bewießen werden; Geständniß und Schiedseid sind ausgeschlossen. §.85. Wenn ein vorhergegangenes immerwährendes Unvermögen, die eheliche Pflicht zu leisten, behauptet wird, muß der Beweis durch Sachverständige geführt werden. §.86. Läßt sich mit Verläßigkeit nicht bestimmen, ob das Unvermögen immerwährend sei, so sind die Eheleute noch ein Jahr zusammen zu leben verbunden; hat das Unvermögen diese Zeit hindurch angehalten, so ist die Ehe für ungültig zu erklären. §.87. Strafe des Schuldigen – Entschädigung des Unschuldigen, Sorge für die Kinder. Zeigt sich aus der Verhandlung des Streits über die Gültigkeit der Ehe, daß einem Theile – oder beiden das Ehehinderniß vorher bekannt war, und daß es vorsätzlich verschwiegen wurde, so sind die Schuldigen dem Strafgesetze verfallen, ist ein Theil schuldlos, so steht ihm frey, Entschädigung zu fordern; sind in einer solchen Ehe Kinder erzeugt worden, so muß für sie nach den Grundsätzen gesorgt werden, welche im Titel von Rechten und Pflichten der Eltern und Kinder festgesetzt sind. §.88. Scheidung. Eheleute können auf Antrag eines, oder beider Theile durch den zuständigen Richter aus einem gesetzlichen -gehörig erwiesenen Grunde geschieden werden. §.89. Scheidungsgründe. Scheidungsgründe sind: 1.) Ehebruch, 2.) dringende Vermuthung verletzter ehelichen Treue, entnommen aus dem Umgang mit einer dritten Person, wonach die Unschuld des beklagten Theils zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich ist; ist der Umgang
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zweideutig, ohne eine solche Vermuthung zu begründen, so hat ihn der Richter auf Anrufen des unschuldigen Theils zu untersagen, setzt der andere Theil den Umgang fort, so ist dieß ein Scheidungsgrund; 3.) bösliche Verlassung, d.h. Entfernung ohne Wissen und Willen des anderen Theils, bei bekanntem Aufenthalte nach vereiteltem Richterzwange zur Rückkehr, bei unbekanntem Aufenthalt nach fruchtloser öffentlicher Vorladung, 4.) beharrliche Versagung der ehelichen Pflicht nach fruchtlosem – durch Anrufen des unschuldigen Theils veranlaßten richterlichen Aufforderung; 5.) dem Leben, oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen, 6.) wiederholte schwere Mißhandlungen; 7.) Verbrechen und Vergehen, welche bezüglich der Ehrenfolgen den Verbrechen gleichgestellt sind, 8.) gegenseitige unüberwindliche Abneigung unter folgenden Bedingungen: a.) vorgängige einjährige Separation, b.) Übereinkunft bezüglich des Vermögens, des Unterhalts, der Kinder, sowohl während der Separation, als auch der Scheidung. §.90. Wann die Scheidungsklage nicht stattfindet. Hat der verletzte Theil zum Scheidungsgrunde Anlaß gegeben, liegt ihm ein gleicher Grund zur Last, oder hat er nach erlangter Kenntniß des Scheidungsgrundes die Ehe fortgesetzt, so findet eine Klage auf Scheidung nicht statt. §.91. Verfahren. Das Verfahren bei der Scheidung bestimmt die Proceßordnung. §.92. Beweis. Wegen des Beweises gilt die Bestimmung des §.84. §.93. Wirkung der Scheidung. Ein rechtskräftiges Scheidungsurteil bewirkt unter Katholiken beständige Trennung von Tisch und Bett, unter Protestanten Auflösung des ehelichen Bundes, bei gemischten Ehen, für den katholischen Theil das erste, für den protestantischen das zweite. §.94. Die geschiedene Frau ist nicht nur berechtigt, sondern auf Verlangen ihres geschiedenen Mannes auch verpflichtet, den Namen des letztern aufzugeben, und ihren vorigen Familien- oder Wittwen-Namen wieder anzunehmen. §.95. Vermögensauseinandersetzung. Wenn sich bei der Scheidung Streitigkeiten ergeben, welche sich auf Absonderung des Vermögens, Unterhalt der Kinder, andere Forderungen, und Gegenforderungen beziehen, gehören sie vor den ordentlichen Richter.
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§.96. Tod. Bei Protestanten wird die Auflösung der Ehe bewirkt durch den natürlichen Tod, den bürgerlichen Tod, die Todeserklärung; bei Katholiken hat nur der natürliche Tod diese Wirkung, bei gemischten Ehen wird jedes nach seiner Religion beurtheilt. §.97. Wiedervereinigung. Wenn geschiedene Eheleute sich wieder vereinigen wollen, muß die Vereinigung als eine neue betrachtet – und mit allen zur Schließung eines Ehevertrags nach dem Gesetze erforderlichen Förmlichkeiten eingegangen werden. §.98. Wiederverehelichung. Jeder, welcher die Auflösung des ehelichen Bundes nachweisen kann, darf sich wieder verehelichen, wenn ihm nicht ein gesetzliches Hinderniß der Ehelichung, oder Wiederverehelichung entgegensteht. §.99. bezüglich der Frau. Die Frau kann erst zehn Monate nach Auflösung der vorigen Ehe eine neue schließen; sie müßte dann früher entbunden werden. §.100. Judenehe. In wie fern bezüglich der Judenehe Ausnahmen stattfinden, ist in Gesetzen über die Verhältnisse der Juden bestimmt.
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Motive zum Entwurfe eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern1 (. . .) Teil I Titel 3: Vom Eherechte Zu §.41. Ehegelöbniße haben drei Gesezgebungen für- und drei gegen sich; das kanonische – das bayrische – das preußische Recht sprechen für sie, das römische – das französische – das österreichische Recht sprechen gegen sie; das römische Recht gibt aus Sponsalien keine Klage, das französische Recht schweigt von Ehegelöbnissen, das oesterreichische Recht gibt blos dem unschuldigen Theile Anspruch auf Schadenersaz. Unter dem Ehegelöbnisse wird ein vorläufiges Eheversprechen verstanden, ein Pakt, dereinst einen Ehekontrakt abschließen zu wollen (sponsalia de futuro). Eine der hohen Wichtigkeit des Ehevertrags, des ersten aller Verträge, bei der Wandelbarkeit des menschlichen Willens, bei dem mächtigen Einflusse veränderter Umstände, bei dem Werthe der Freiheit, bei dem Lästigen der Gebundenheit, bei der Unstatthaftigkeit der Zwangsehe, bei der Unwürdigkeit eines Geldsurrogats im Gebiete der Liebe, endlich beider stets vorenthaltener Freiheit, statt des ungültigen Ehegelöbnisses einen gültigen Ehevertrag abzuschliessen, wurde dieser einfachen Behandlung des Gegenstandes der Vorzug gegeben, und dadurch ein Objekt auf eine unschädliche Weise aus der neuen Gesezgebung entfernt, welches in den alten einen nicht unbedeutenden Raum eingenommen – und zuweilen Prozessen Anlaß gegeben hat. Will man aber das Ehegelöbniß für ungültig erklären, so muß man noch einen Schritt weiter gehen als das oesterreichische Recht, und nicht blos die Klage auf Erfüllung der Konventionalstrafe, sondern auch die Klage auf Entschädigung abschneiden; da es keine Zwangsehe mehr gibt, und die Conventionalstrafe selten ist, so wird gewöhnlich mit Entschädigung geklagt, diese Klage gelten lassen, hieße also, das Geschäft zur gleichen Zeit für gültig und ungültig erklären – ein Widerspruch. Zu §.42. Mit dieser Bestimmung, entnommen aus dem österreichischen Rechte (44.) harmonirt das bayrische Recht (1.6.1.) und das preußische Recht (2.1.1. und 2.) das „gesezmäßig“ ist gerechtfertigt durch die besondern Formvorschriften, das „unzertrenn1
Auszug aus den „Motive(n) zum Entwurfe eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern“ von Karl Ludwig Leonrod von 1834; handschriftliches Manuskript des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, Staatsrat 4038. Als Kopie des handschriftlichen Manuskriptes auch im Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main. Die ausgewählten Auszüge aus dem Manuskript werden hier ohne Berichtigung von Rechtschreib- oder Grammatikfehlern abgedruckt.
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lich“ durch die Nichtbefugnis zur Privatauflösung, der mutum adjutorium dadurch, daß man auch alten Leuten das Heirathen nicht wehren darf. Zu §.43. Wer mit dem allgemeinen Saze: „heirathsfähig ist, wer kontraktsfähig ist“ durchzukommen glaubt, würde überall anstoßen; es soll zwar ein Gesezbuch diesen Titul von Verträgen auszusprechende Kontraktsfähig und -Unfähigkeit nicht bei jedem einzelnen Vertrage wiederholen, aber die Ehe, dieser hochwichtige Vertrag, dieses gemischte Geschäft, dieser Kontrakt, an welchem Staat, Kirche, Privaten Antheil nehmen, dieser Vertrag darf mit andern nicht gleichgestellt – hier kann mit der Eingangs gedachten Regel nicht ausgelangt werden. Die Heirathsfähigkeit mußte zur Ehren der bürgerlichen Freiheit als Regel aufgestellt und diese durfte nur durch gesezliche Ausnahmen limitirt werden. Die Ausnahme erscheinen nun in der folgenden Paragraphen. Zu §.44. Wahnsinnige pflegt man in rechtlicher Hinsicht den Kindern – Blödsinnige den Unmündigen gleich zu stellen; gleich wie man nun den Kindern und Unmündigen nicht gestattet, sich zu verehelichen, so kann auch den Wahnsinnigen und Blödsinnigen die Schließung eines Ehevertrags nicht erlaubt werden. Wie aber, wenn Wahnsinnige lichte Zwischenräume haben. Müller erzählt in seinem Pandektenkompendium (Mannheim 1755, § 1060 Nota b) einen Fall von einem Professor in Heidelberg (Peter Rotich), welcher alljährlich im Herbste wahnsinnig wurde, die übrige Zeit des Jahres aber mit Auszeichnung dozirte; ist ein solcher auch heirathsfähig – soll das Gesez für solche Fälle eine Ausnahme enthalten? Das oesterreichische, das preußische, das französische Recht unterscheiden nicht, die beiden leztern verwerten sogar die Ausnahme der lichten Zwischenräume ausdrücklich (Preußischisches Recht 1.4.25 – Französisches Recht 489); dagegen geben Thibaut (212), Kreitmair (Anmerkungen zum bayerischen Rechte 1.6.3.1.2.), Zeiller (Kommentar zum Oesterreichischen Rechte 48.1.) Anlaß zu dieser Ausnahme; der erste läßt in Augenblicken der wiederkehrenden Vernunft die Rechtsfähigkeit für diese Zeit aufleben, der zweite sagt beim Ausschlusse der Wahnsinnigen von der Heirathsfähigkeit, „ausgenommen tempore dilucidi intervalli“; der dritte meint, dem Richter, welcher über einen solchen besondren Fall entscheiden soll, liege ob, das Gutachten der Sachverständigen einzuholen. Genau betrachtet, hängt die Sache mit der Kuratelfrage zusammen; ist kein Kuratel eingeleitet, so ist das Subjekt heiratsfähig, ist das Kuratel eingeleitet, so ist entweder Grund da, diese aufzuheben, oder nicht, im ersten Falle sind sie aufzuheben und das Subjekt ist heiratsfähig, im zweiten Falle bleibt sie, und das Subjekt heiratsunfähig. Aus diesem Grunde hat der Entwurf geglaubt, die Regel ohne Ausnahme hinstellen zu sollen. Nach dem Entwurfe steht nun denen, die noch nicht vierzehn Jahre alt sind, das Alter entgegen; hiemit kennt das gemeine Recht (Thibaut 392, Böhmer 346) das bayrische Recht (1.6.0. und Anmerkungen) das oesterreichische Recht (48) und beim weiblichen Geschlechte auch das Preußische Recht (2.1.37), beim männlichen Geschlecht verlangt dieses Recht (L.c. und Anfang I. 66) 18 Jahre und das französi-
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sche Recht (144 und 146) fordert beim männlichen Geschlechte achtzehn – beim weiblichen fünfzehn Jahre; aber das Preußische Recht hat eine Ausnahme, und das Französische Recht gestattet Dispensation. Da der Minor durch die beiden folgenden Paragraphen so gerettet ist, daß er sich nicht schaden kann, so hat der Entwurf eine Erhöhung des Alters nicht für nöthig erachtet. Zu §.45. und 46. Da der Minor nicht physisch unfähig sey, zu heirathen, daß er moralisch unfähig sey zu konsentiren, daß er im Consense vertreten werden müsse, daß ihn hierin zunächst der Vater zu vertreten habe, darüber besteht wenig Streit; aber, ob die Vormundschaft der Vater mittel- oder unmittelbar repräsentiren solle, dieß wird von verschiedenen Gesezgebungen verschieden genommen, je nachdem sie Mutter und Großältern zwischen Vater und Vormund stellen. Will die Gesezgebung sich gleich bleiben, so muß sie diesen besonderen Gegenstand mit dem Kuratelwesen im allgemeinen in Verbindung sezen, und daher kann ein Gesezbuch, welches die Vormundschaft an die Stelle des Vaters sezt, und die Mutter und die Großältern nicht als Repräsentanten der väterlichen Gewalt – sondern in kuratorischen Eigenschaft auftreten läßt, eine andere Bestimmung als die gegebene nicht aufnehmen; auch die Hereinziehung der Obervormundschaft stimmt mit den Prinzipien des vormundschaftlichen Rechts, deren Rechtfertigung den Motiven zum Titul von Vormundschaften Kuratelen vorbehalten sind. Zu §.47. Die Konsensverweigerung kann gegründet – ungegründet seyn, im ersten Falle wirkt sie wohlthätig, im zweiten nachtheilig für den Minderjährigen, dieser soll geschüzt – nicht gedrückt werden; bei Verschiedenheit der Ansichten kann nur der Richter gültig entscheiden. Zu §.48. Die Gründe sind entnommen von der moralischen – von der physischen Persönlichkeit, vom Vermögen des andern Theils. Zu §.49. Gesez vom 11ten September 1825 und Novelle vom 1t Juli 1834 Zu §.50. Daß vis ein impedimentum dirimens sey, ist von allen bestehenden Gesezgebungen anerkannt, und muß von allen künftigen anerkannt werden, denn die Ehe ist ein Vertrag, zum Vertrage gehört freier Wille, Zwang schließt freien Willen aus, aber nicht jede Furcht genügt, sie muß gegründet seyn, dieß muß aus den Umständen hervorgehen, und diese muß das Gesez bezeichnen; es ist dem Oesterreichischen Rechte (55.) wie der Entwurf glaubt gelungen, die sub- und objektive Rücksicht, worauf es hier ankommt, kurz und gut zu geben.
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Zu §.51. Hiemit stimmen alle Gesezgebungen; das gemeine Recht (Thibaut 395), das bayrische Recht (1.6.8), das Oesterreichische Recht (56.) sagen dies ausdrücklich, das Preußische Recht (2.1.41.) fordert aufgehobenen Zwang, und das französische Recht (181) völlige Freiheit. Zu §.52. Darüber sind alle Gesezgebungen einig. Zu §.53. Nicht so einig, wie über den Irrthum der Person, sind die Gesezgebungen über den Irrthum in den Eigenschaften; das bayrische Recht (1.6.8.) und das Französische Recht (180) lassen es beim Irrthum in der Person bewenden; das oesterreichische Recht (58) leiht der fremden Schwängerung vernichtende Kraft; das gemeine Recht Thibaut (405) sezt dem Irrthum über die Person den Irrthum über die Freiheit und Zeugungsfähigkeit bei, und das Preußische Recht (2.1.4.0.) nimmt auf solche persönliche Eigenschaften Rücksicht, welche bey Schließung einer Ehe von dieser Art vorausgesezt zu werden pflegen. Der Entwurf ist dem œsterrreichischen Rechte beigetreten; Eine Ausnahme von der Regel, und diese so kräftig, daß sie Jeder, der sich in die Lage dieses Ehemanns sezt, gerne unterschreiben wird. Das Allegat des § 99 wird sich unten rechtfertigen. Zu §.54. Aufschiebende Bedingungen haben keinen Werth, weil Ehegelöbnisse nicht gelten, auflösliche Bedingungen haben keinen Werth, weil die Ehe nicht willkürlich aufgelößt werden kann, Bedingungen gegen den Zweck der Ehe sind durch den gesezlichen Begriff derselben ausgeschlossen, ein solches Geschäft wäre kein Ehevertrag. Zu §.55. Der Hauptzweck der Ehe, Kindererzeugung, rechtfertigt die Annahme der Impotenz als Ehehinderniß, jedoch nur unter einer dreifachen Bedingung, sie muß seyn immerwährend, vorausgehend, unbekannt, hiemit stimmt das gemeine Recht (Thibaut 392); die beiden ersten Requisiten hat auch das Bayrische Recht (1.6.8.) und das Oesterreichische Recht (60), das Preußische Recht (2.1.696) nimmt die Impotenz nur als Scheidungsgrund an, und das Französische Recht hat sie weder als Nichtigkeits- noch als Scheidungsgrund. Zu §.56. Entwurf des Strafgesezbuches von 1831 (.I.5.).
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Zu §.58.2 Das oesterreichische Recht sagt „höhere Weihen“, das bayrische Recht (1.6.8) sagt „Priesterweihe“, der Entwurf hat den einfachen Ausdruck des bayrischen Rechts vorgezogen. Daß ein Priester nicht heirathen darf, ist bekannt und unbestritten; wie aber, wenn er niederlegt, kann er dann zur Ehe schreiten? Die Kirche sagt nein, und der Gesezgeber würde nicht wohl thun, in Sachen des Sakraments mit der Kirche in Wiederspruch zu treten. Es gibt ja keinen Priesterzwang, wer Lust hat, sich über kurz oder lang zu verehelichen, halte sich fern von einem Zölibats-Institute. Auch das Ordensgelübde ist ein Ehehinderniß, weil es das Gelübde der Keuschheit enthält; da aber dieses Gelübde heut zu tage temporär zu seyn pflegt, so mußte der beschränkende Beisaz gemacht werden. Daß dies alles nur von Katholiken zu verstehen sey, bedarf kaum einer Erinnerung. Zu §.59. Hiemit stimmen alle Gesezgebungen, nur das französische Recht schweigt. Da diese gemischte Ehe neuer Art dem Staate keineswegs wünschenswert seyn kann, so hat der Entwurf geglaubt, es beim Bestehenden belassen zu sollen, welchem auch die Verfassungsurkunde nicht entgegen ist, wie die Tit. IV § 9 Abs. 3 und Beilage II § 11 enthaltenen Beschränkungen erkennen geben. Der Grund des Verbots sagt der Kommentar zum Oesterreichischen Rechte (64) liegt in der, zwischen Christen und Nichtchristen aus den Religionsbegriffen entspringenden Verschiedenheit der Gesinnungen, Sitten, Lebensweise, häuslichen Ordnung u.s.w., welche sehr nachtheilige Folgen in Hinsicht auf Gewissensfreiheit, Unzertrennbarkeit der Gemeinschaft, Eintracht der Gemüther, und eine ungleichförmige, zweckwidrige Erziehung der Kinder besorgen läßt. Was insbesondere die Juden betrifft, so hat der große Sanhedrin in Frankreich die Ehe zwischen Juden und Christen für religiös ungültig erklärt. (Kommentar, l. c. Köln) Zu §.60. Die Ehehindernisse der Verwandtschaft, Schwägerschaft, und was dahin gehört, sind im gemeinen Rechte für unsere Zeiten und Verhältnisse offenbar zu weit ausgedehnt (Thibaut 400 etc.), eben so im Bayerischen Rechte (1.6.9), richtiger haben die drei neuen Gesezbücher die Sache aufgefaßt (Preußisches Recht 2.1.3, Französisches Recht 161 etc., Oesterreichisches Recht 65 etc.). Darüber, daß zwischen Verwandten in auf -und absteigender Linie und zwischen voll- oder halbbürtigen Geschwistern ehelich oder unehelich, keine gültige Ehe geschlossen werden könne, ist man einig; nur über die Gültigkeit der Ehe zwischen Geschwisterkindern und mit Aelterngeschwistern bestehen noch Varianten. Das oesterreichische Recht findet in beiden Eigenschaften ein Ehehinderniß, das Preußische und das französische Recht finden in der ersten Eigenschaft kein Ehehinderniß, in der zweiten nur ein dispensables, und zwar das Französische Recht unbedingt, das Preußische nur in der Ehe mit der älteren Muhme. Das oesterreichische Recht schwächt den § 65 durch den § 83 (Dispensation) und letzterer hat die Fehler der Allgemeinheit bezüglich der Hindernisse, 2
§ 57 kommt in den Motiven nicht vor.
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der Gründe, des Verfahrens, welcher auch durch den Kommentar nicht gehoben ist. Dispensationen sind nicht zu begünstigen, sie sollen nur da Statt haben, wo sie durch legislative Klugheit geboren sind. Nur bei der Ehe des Neffen mit der ältern Muhme tritt ein Grund ein, welcher die Aufmerksamkeit des Staats in Anspruch nimmt; es wird vermuthet, die alte heirathslustige Muhme habe den jungen Neffen in ihr Garn gelockt, und dadurch einen zeugungsfähigen Manne, eine zeugungsunfähige Frau angehängt; ein unbedingtes Verbot wäre zu hart; ein bedingtes, mit Vorbehalt der Dispensation genügt. Die Grundsäze des Entwurfs über verbotene Grade stehen mit den Prinzipien des Srafrechts über Blutschande in Harmonie (Entwurf des Strafgesezbuchs von 1831. I.234.). Zu §.61. Gemeines und bayerisches Recht gehen auch hierin zu weit, oesterreichisches Recht bleibt sich gleich der Verwandtschaft gegenüber; Preußisches Recht nimmt nur die gerade Linie auf; französisches Recht auch die Seitenlinie bezüglich der Geschwister, und zwar ohne Dispensations-Zulassung; im Entwurfe von 1808 ist aber das Ehehinderniß der Schwägerschaft im zweiten Grade der Seitenlinie unter Dispensation gestellt (Artikel 158.159). Nimmt die Ehelichung des Schwagers oder der Schwägerin die Aufmerksamkeit des Staats auch so in Anspruch wie die Verehelichung des jüngern Neffen mit der ältern Muhme? weder die Bande des Bluts, noch das Zusammenleben in einer Familiengesellschaft, noch die Verschiedenheit des Alters rechtfertigen eine solche Beschränkung der bürgerlichen Freiheit. Aus diesen Gründen hat der Entwurf die Schwägerschaft im zweiten Grade der Seitenlinie weder zum indispensabeln noch zum dispensabeln Ehehindernisse erhoben. Zu §.62. Das Preußische Recht hängt den Ehehindernissen aus Verwandtschaft- und Schwägerschaft noch zwei analoge an, aus Adoption und Kuratel (2.1.3.14.) und wird hierin unterstützt vom Römischen Rechte (Thibaut 397–403), vom Bayrischen Rechte (1.6.9 und 1.17.18), vom Französischen Rechte (348 und 472). Da der § 14 (1.1.) des Preußischen Rechts durch den § 45 des Entwurfs absorbirt wird, welcher gleich dem Oesterreichischen Rechte (49) im gegebenen Falle zur Gültigkeit der Ehe die Einwilligung des vormundschaftlichen Gerichtes fordert, so bleibt noch das Adoptionshindeniß zu erwägen übrig, und hierin wird das Preußische Recht unterstützt vom Römischen, Bayrischen, Französischen nur das oesterreichische tritt nicht bei. Im Kommentar heißt es in der dritten Note zum § 65: „Ebensowenig besteht in unserm Geseze eine gesezliche Verwandtschaft aus der Adoption (§ 179). Zu § 183 heißt es: „Zwischen den Wahlältern und Wahlkindern finden, so weit das Gesez keine Ausnahme macht, gleiche Rechte- wie zwischen den ehelichen Statt; der Wahlvater übernimmt die väterliche Gewalt.“ Das Oesterreichische Recht hat also bezüglich des Adoptions-Hindernisses eine Stillschweigende Ausnahme gemacht, und der Kommentar hat sie dadurch zu motivieren gesucht: nach Oesterreichischem Rechte bestehe keine gesezliche Verwandschaft zwischen dem Adoptanten und Adoptaten. Wird dieser Satz durch den § 183 bestätigt oder widerlegt. Wenn das Gesez seine Zuflucht zu einer Fiktion nimmt; darf es dieselbe nicht selbst wieder aufgeben, es muß der Konsequenz huldigen, um die Fiktion aufrecht erhalten. Ist der Saz richtig: adoptio imitatur naturam, ist der Satz richtig: inter as- et descen-
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dentes non datur matrimonium, so ist die Adption ein Ehehinderniß bis zu ihrer gesezlichen Auflösung, dann erst kann Ehe Statt haben; das Preußische Recht sagt also ganz richtig: „Zwischen Personen, davon eine die andere an Kindesstatt angenommen hat, kann so lange, als die Adoption nicht auf gesezliche Art wieder aufgehoben werden, keine gültige Heirath geschlossen werden.“ Zu §.63. Fünf Gesezgebungen machen den Ehebruch zum Ehehindernisse, eine unbedingt, das Römische Recht (Thibaut 394), eine bedingt, das kanonische Recht (Thibaut l. c.), das bayerische Recht (1.6.8.), das Preußische Recht (2.1.25), das Oesterreichische Recht (67). Abgesehen vom Gattenmord, welcher nicht hieher gehört, sind die Bedingungen nach dem Kanonischen – und Bayrischen Rechte, Eheversprechen, nach dem Preußischen Rechte, Scheidungsbewirkung, nach dem Oesterreichischen Rechte Beweis vor der Ehe. Der Entwurf glaubte, das Ehehinderniß des Ehebruchs mit vier bestehenden Gesezgebungen bestimmt aufnehmen- hier aber dem Preußischen Rechte den Vorzug geben zu sollen, weil es ihm am bemessensten schien; soll der Ehebruch Ehehinderniß werden, so muß er Scheidungsgrund gewesen seyn. Eine Novelle zum Preußischen Rechte (15. März 1803) läßt zwar unter gewissen Umständen Dispensation zu, der Entwurf hat aber hievon Umgang genommen um das bedingte nicht noch mehr zu bedingen. Zu §.64. Das Kanonische Recht (Thibaut 394) und das Preußische Recht (2.1.28) verbinden den Mordversuch mit Ehebruch; das Oesterreichische Recht (68) verbindet ihn mit Eheversprechen, das bayerische Recht (1.6.8.) mit Ehelichungsabsicht. Im vorigen Paragraphe wurde der Ehebruch behandelt, abgesehen vom Morde, hier wird der Mord behandelt, abgesehen vom Ehebruche; es fragt sich also nur, soll der Mordversuch bedingt werden durch das Eheversprechen, oder blos durch Ehelichungsabsicht? Absicht ist weniger, Versprechen ist mehr, da das Minus hinreicht, so ist das Plus nicht nöthig. Zu §.65–70. Alle Gesezgebungen haben das Aufgebot, aber nur die Oesterreichische als impedimentum dirimens, nach den übrigen ist es blos impediens, kontrolirt durch Strafen. Gemeines Recht (Thibaut 391), Bayerisches Recht (1.6.7), Preußisches Recht 2.1. 154, Französisches Recht 192, Oesterreichisches Recht 69. Der Kommentar zum Oesterreichischen Rechte (74) sagt: „Durch das Josephinische Gesez wurde das Aufgebot zum impedimentum dirimens erhoben; beim Gesezbuche von 1811 wurde berathen, für die modifizierte Beibehaltung entschied die Betrachtung, daß ohne alles Aufgebot leicht eine Trauung mit einem unbekannt gebliebenen Hindernisse erschlichen- oder die Gegenwart des Seelsorgers bei der feierlichen Erklärung mit Gewalt erwirkt werden könnte.“ Mit dieser Betrachtung, und in Erwägung der Werthlosigkeit der umständlichen Vorschriften über Aufgebot, wenn es nur impedimentum impediens seyn soll, und durch ein Stück-Geld aufgewogen werden kann, ist der Entwurf der Ansicht des Oesterreichischen Rechts beigetreten. Die übrigen Bestimmungen, mehr dem For-
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mellen angehörend, und dem bestehenden größten Theils getreu, bedürfen wohl keiner besonderen Rechtfertigung. Zu §.71. Da die zwei letzten Aufgebote Ausfluße der Disziplin sind, so ist die Idee der Dispensation kompatibel. Zu §.72. Soll die Gesezgebung über diesen Gegenstand geschlossen seyn, so muß auch an den Nothfall gedacht werden, die Form darf das Wesen nicht erdrücken, wenn es darauf ankommt, dem Staatsbürger möglich zu machen, mit beruhigtem Gewissen über die wichtigsten Gegenstände der Zeitlichkeit dem eilenden Rufe in die Ewigkeit zu folgen; ein solcher Ausnahmsfall fordert aber strenge Kontrole, daher a) ärtzlich bestätigte nahe Todesgefahr, b) das juramentum libertatis. Zu §.73. Nach gemeinem Rechte (Thibaut 407) ist die Form der Trauung verschieden, je nach dem von Katholiken oder Protestanten die Rede ist; jene haben das Tridentinum, diese die Uebung für sich. Bei den Katholiken müssen beide Theile vor Zeugen und dem kompetenten Pfarrer [Anm. des Verfassers: Einschub einer Korrekturbemerkung vom linken Seitenrand des handschriftlichen Manuskriptes: des Bräutigams oder beider Theile oder einen dazu beauftragten Pfarrer] ihre Einwilligung blos erklären. Die Protestanten haben statt dessen die priesterliche Einsegnung des kompetenten Pfarrers als Kopulation angenommen, welche dann auch als absolutes Requisit betrachtet werden muß. Das Bayrische Recht (1.6.5.) folgt dem Tridentnum, das Preußische Recht /:2.11.435.440:/ bestimmt den Pfarrer der Braut (in der Regel) zur Kopulation, und weist ihn an zur genauen Befolgung der über die Trauung vorhandenen gesezlichen Vorschriften. Das Französische Recht (75) enthält spezielle Bestimmungen über die Trauungsform, aber für den Zivilbeamten: Gegenwart des Beamten und der (vier) Zeugen im Gemeindehause, Verlesung von Urkunden und Gesetzen, Erklärungen der Theile und des Beamten, Protokoll. Das Oesterreichische Recht (75) verlangt, daß die feierliche Erklärung der Einwilligung vor dem ordentlichen Seelsorger und der Brautleute, oder vor dessen Stellvertreter, in Gegenwart zweier Zeugen geschehe. In der Ständeversammlung von 1831 wurde der Wunsch geäußert, bei der Ehe das Weltliche vom Geistlichen zu trennen; bei einer neuen Gesezgebung für Bayern darf dieser Gegenstand nicht unberührt bleiben. Die Protestanten verbinden mit der Ehe die religiöse Idee des Sakraments nicht, bei ihnen ist es also kein Grund vorhanden, den Ehevertrag in das christliche Gebiet zu ziehen, er ist ein weltliches Geschäft. Bei den Katholiken ist die Ehe ein Sakrament, für diese ist sie also ein gemischtes Geschäft, ein Vertrag und ein Sakrament, jener gehört dem Staate, dieser der Kirche an. An der religiösen Idee des Sakraments etwas zu ändern, liegt außer dem Wirkungskreise der Zivilgesezbücher, aber die Frage darf hier verhandelt werden, ob nicht die besagte Trauung unbeschadet der religiösen Seite des Geschäfts geschehen könne? nach dem Saze: Gebt dem Staate, was des Staats- und der Kirche, was der Kirche ist. Eben durch diese Trauung soll Jedem das Seinige zugetheilt die Gränzlinie scharf und sicher gezogenUebergriffe, Reibungen, Beschwerden beseitigt werden, gewiß ein schöner und löb-
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licher Zweck, würdig des hohen und reinen Begriffs von Staat und Kirche. Die Ehe würde dann zunächst als bürgerliches Institut aufgefaßt, die Formen, welche die Giltigkeit des Vertrags bedingen, würden in die Hände der weltlichen Beamten gelegt, die Ehe würde dadurch gültig, die Frau, Ehefrau, die Kinder ehelige Kinder, den Eheleuten stünde frei, das geistliche Amt um Vollziehung, in geistlichen Formen anzugehen, dem geistlichen Amte stünde frei, diese Formen zu ertheilen oder zu versagen; ob die Eheleute diese Formen nachsuchen sollen; ob das geistliche Amt dieselben ertheilen kann, wäre Gewissenssache, in Gewissenssachen kein Zwang, weder auf der einen- noch auf der anderen Seite so und nur so, sagt man, könnten die wichtigen Linien gezogen, die wechselseitigen Beschwerden gehoben werden, so würde ein Institut purifizirt, welches für den Staat von der höchsten Wichtigkeit ist, wovon das Familienwohl abhängt, und wobei die Freiheit der Staatsbürger nur insoweit beschränkt werden darf, als es der Staatszweck erfordert. Allein – diese Trennung ist gegen das Konkordat, dadurch gegen die Verfassungs-Urkunde und zur Initiative zur Änderung derselben hält sich der Entwurf nicht berufen. Kann nun hier nach auf Trennung des Weltlichen vom Geistlichen nicht eingegangen werden, so ist die Aufgabe zu lösen, die christlichen Ehen unter Eine Form zu stellen, da beide Konfessionen den Pfarrer verlangen, und ihr Unterschied mit oder ohne Segen, mit oder ohne Zeugen, so wesentlich nicht ist, daß er nicht in einer neuen Gesezgebung gehoben werden könnte. Die Katholiken verlangen den Pfarrer ohne Segen, aber mit Zeugen, die Protestanten verlangen den Pfarrer mit Segen, aber ohne Zeugen. Die Katholiken erkennen in der Ehe ein Sakrament, und haben es bezüglich der Trauungsform zu thun mit einem Kirchengeseze, welches in das Konkordat – und dadurch in die Verfassungs-Urkunde aufgenommen ist. Den Protestanten steht kein Sakrament, kein Kirchengesez, keine Urkunde entgegen, sie können also hierin nachgeben, ohne etwas dabei zu verlieren, sie nehmen die Form der Katholiken an, wie sie im Tridentinum steht, diese bindet sie nicht, sondern weil sie im bayerischen Zivilgesezbuche steht, dieses bindet sie. Diesem nach käme es nur noch auf Beantwortung der drei Fragen an: müssen die Brautleute selbst erklären? – wer ist der ordentliche Pfarrer? – wer ist hier gültiger Zeuge? Mit dem gemeinen und Bayerischen Rechte gestattet das Oesterreichische die Ehe durch Vollmacht, jedoch nur bedingt; der Entwurf glaubte, wegen Wichtigkeit der Handlung hierauf nicht eingehen zu sollen, in wiefern bei Prinzessinnen des Königlichen Hauses, welche sich auswärtige Fürsten verehelichen, Trauung durch Vollmacht statt finde, scheint dem Entwurf nicht hierher zu gehören, zumal es eine Interimstrauung ist. Mit dem Oesterreichischen Rechte den Brautleuten die Wahl zu lassen, ob sie vom Pfarrer des Bräutigams- oder der Braut getraut werden seyn wollen, fand der Entwurf keinen Anstand; die Bestimmung ist im Interesse der bürgerlichen Freiheit gegeben, ohne dem Interesse des Staats zu nahe zu treten. Wegen der Zeugen sagt der Kommentar zu § 75. 76. des Oesterreichischen Rechts (N.6) „Endlich in Rücksicht der Zeugen fordert das Gesez nicht, daß sie mit allen jenen Eigenschaften, welche die Gerichtsordnung bei anderen Rechtsgeschäften von ihnen verlangt, versehen seyen. Genug daß ihnen kein natürliches Hinderniß im Wege steht, die einfache Handlung bezeugen zu können; weswegen auch nahe Verwandten, wie die Erfahrung lehrt, von dieser Zeugenschaft nicht ausgeschlossen werden.“
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Dieselbe Ansicht theilt der Entwurf, nur glaubt er, deshalb eine Bestimmung in das Gesez aufnehmen- und diese mit der Prozeßordnung (Entwurf der Zivilprozeßordnung von 1831, § 246) in Harmonie sezen zu sollen. Zu §.74 und 75. Das Geburtszeugniß, die erforderliche Erlaubniß, das Verkündungszeugniß sind Urkunden, deren Vorlage der trauende Pfarrer verlangen kann und soll, ihr Mangel suspendirt die Trauung, ebenso die Anzeige eines Ehehindernisses, jene müssen nachgebracht- dieses muß auf gesezliche Art beseitigt werden; die Suspension wird der Pfarrer zum Rechte und zur Pflicht gemacht, gegen Mißbrauch des Rechts wird der Weg der Beschwerde geöffnet, gegen Vernachlässigung der Pflicht wir durch das Präjudiz der Dienstverantwortlichkeit gewirkt. Zu §.76, 77, 78. Diese drei Paragraphen enthalten in Verbindung mit dem gesezlichen Begriffe der Ehe (§.42.). Das wesentliche der gemeinschaftlichen und privaten persönlichen Rechte und Verbindlichkeiten der Ehegatten, wie eine Vergleichung mit dem Bestehenden ergibt. Römisches Recht (Thibaut 431 etc.) Bayerisches Recht 1.6.12., Preußisches Recht 2.1.173 etc., Französisches Recht 212, Oesterreichisches Recht 89 etc. Warum die Vermögensrechte nicht mit aufgenommen wurden zeigt der folgende Paragraph. Zu §.79. Die beiden älteren Gesezbücher, das Bayrische und das Preußische, nehmen die Vermögensrechte in das Eherecht auf; die beiden neueren, das Französische und das Oesterreichische, weisen sie dem Sachenrechte zu; der Entwurf hat’s in seiner Hand, den einen oder den andern Weg einzuschlagen; weit irren kann er dabei nicht, theils wegen der vorliegenden Parität, theils weil das System mehr der Doktrin als der Legislation angehört. Ein Gesezbuch, welches das Personenrecht vom Sachenrechte trennt, und jenen einen eigenen Theil anweißt (den ersten) wird nicht inkonsequent handeln, wenn es das mit dem Personenrechte konkurrirende Sachenrecht scheidet, sofern lezterem auf seinem Felde ein schicklicher Plaz angewiesen werden kann. Daß das Vermögensrecht der Eheleute in das Sachenrecht unter den Theil „von Ehepakten“ eingestellt werden könne, wie das Oesterreichische Recht gethan, unterliegt keinem Zweifel, wenn sich dasselbe auf Vertragsverhältnisse gründet; wie aber, wenn hierüber kein Vertrag besteht? Dann muß eine gesezliche Bestimmung erfolgen, und diese kann man aufnehmen entweder in den Titul von der Ehe, oder in den Titul von Ehegatten; deutlicher wird sie dort, wo der Güterstand entwickelt wird, da kann man sagen, welche Art desselben in unverdingter Ehe gelten soll. Der Entwurf hat geglaubt, den ehelichen Güterstand mit dem Französischen und Oesterreichischen Gesezbuche in das Sachenrecht verweisen zu sollen. Zu §.80. Daß ein ungültiger Vertrag keiner Aufhebung bedarf, und ein gültiger durch wechselseitige Einwilligung aufgehoben werden kann, unterliegt in der Regel keinem Zweifel; daß aber der Ehevertrag hievon eine Ausnahme mache, zeigt der ganze Titul von der Ehe, und ist allgemein anerkannt.
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Zu §.81. Die Ehehindernisse sind entweder öffentliche- oder Privathindernisse, diesen kann entsagt werden, jenen nicht, diese anzuregen ist Sache der Partheien, jene anzuregen ist Sache des Staats; daher der im § 81 aufgestellte Unterschied. Zu §.82. Daß nur der Schuldlose anfechten könne, daß er auf dieses Recht stillschweigend verzichten könne, daß Vater und Vormund nur auf die Dauer ihrer Gewalt anfechten können, sind unbestrittene Säze; über Zeitbestimmung beim stillschweigenden Verzichte sieh’ Motive zu § 99. Zu §.83. Da auch § 10 und 338 des Entwurfs der Zivilprozeßordnung von 1831, der außerordentliche Gerichtsstand und die außerordentliche Prozeßart nur für die Ehescheidungssachen bestimmt sind, so gehört die Ungültigkeitserklärung dem ordentlichen Richter und dem ordentlichen Verfahren an. Zu §.84. Der Grund dieser Bestimmung ist: „um willkürlichen Trauungen vorzubeugen.“ Will man den Satz des § 80 festhalten, so darf man die Trauung nicht in die Hände der Eheleute legen, also auch nicht Beweismittel zu lassen, über welche sie disponiren können, wie Geständniß und Schiedseid, das Geständnis wird verabredet, der Eid wird nicht angenommen, oder nicht angeleistet. Das Oesterreichische Recht (99 und Kommentar) unterscheidet nicht unter freiwilligem und nothwendigem Eides. Der Entwurf hat unterschieden, nur jener steht in der Disposition der Partheien; dieser legt der Richter auf, und nicht ohne Beweisantrag. Der Entwurf der Zivilprozeßordnung von 1831 § 218 sagt: „Als Beweismittel können gebraucht werden: Geständnisse – Eide – so weit das Gesez nicht ein – oder das andere bei einem gewissen Verfahren ausschließt.“ Hiedurch ist dem Zivilgesetzbuche Spielraum gelassen. Zu §.85 und 86. Diese, wie dem Entwurfe scheint, zweckmässigen Bestimmungen, sind auch dem Oesterreichischen Gesezbuche (§ 100 und 101) entnommen. Zu §.87. Entwurf des Strafgesezbuchs von 1831 (.I.294 und 295.) Zu §.88. Wenngleich die bestehenden Gesezgebungen das willkürliche Auseinandergehen der Eheleute nicht zulassen, so gestatten sie doch Trennung der Ehe durch den Priester aus wichtigen Gründen; den Richter bestimmt die Prozeßordnung (Entwurf der Zivilprozeßordnung von 1831. §.10.b.) die Gründe bestimmt dieses Gesezbuch (89.).
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Zu §.89. Ueber die Scheidungsgründe des gemeinen Rechts, nämlich des Römischen, des Kanonischen, der Praxis der Protestanten verbreitet sich Thibaut 423–427., in Kürze können diese Gründe nach Schmid (II 171.) und Böhmer (.408.) so gegeben werden, Für Katholiken 1.) adulterium unius conjugis; 2.) apostasia a fide; 3.) periculum anima et corporis; 4.) saevitia mariti; Für Protestanten 1.) adulterium; 2.) malitiosa desertio; 3.) insidiae vitae structae; 4.) praefracta debiti conjugalis denegatio; 5.) delictum, ob quod poena mortis civilis contracta est. Scheidungsgründe3 nach Bayrischem Rechte (1.6.42.) 1.) große Leibes- oder Seelengefahr; 2.) Ehebruch (mit vier Ausnahmen) Scheidungsgründe nach Preußischem Rechte (2.1.670 etc.) 1.) Ehebruch; 2.) Bösliche Verlassung; 3.) Versagung der ehelichen Pflicht; 4.) Unvermögens; 5.) Raserei und Wahnsinn; 6.) Nachstellungen nach dem Leben; 7.) Grobe Verbrechen; 8.) Unordentliche Lebensart; 9.) Versagung des Unterhalts; 10.) Veränderung der Religion; 11.) Unüberwindliche Abneigung, eigentlich wechselseitige Einwilligung bei kinderlosen Ehen
3 Hier im Folgenden Kursivschrift hervorgehobener Text ist im Original in größerer Schrift geschrieben.
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Scheidungsgründe des Französischen Rechts (.223 etc) 1.) Ehebruch (das Klagrecht der Frau ist bedingt) 2.) Exzesse[s]; 3.) Mißhandlungen; 4.) Schwere Injurien; 5.) Difamierende Strafen; 6.) Wechselseitige Einwilligung, auf gesezliche Weise erklärt. Scheidungsgründe des Oesterreichischen Rechts (.109.) 1.) Ehebruch; 2.) Verbrechen; 3.) Bösliche Verlassung; 4.) Unordentlicher Lebenswandel wodurch ein beträchtlicher Theil des Vermögens des klagenden Theils, oder der guten Sitten der Familie in Gefahr gesetzt werden; 5.) Dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen; 6.) Schwere Mißhandlungen; 7.) Nach dem Verhältnisse der Personen sehr empfindliche wiederholte Kränkungen; 8.) Anhaltende mit Gefahr der Ansteckung verbundene Leibesgebrechen. Trennungsgründe dieses Rechtes /115/ sind: 1.) Ehebruch; 2.) Verbrechen mit einer Verurtheilung zu einer mindestens fünfjährigen Kerkerstrafe; 3.) bösliche Verlassung auf Kontumazialverfahren; 4.) dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen; 5.) Wiederholte schwere Mißhandlungen; 6.) Unüberwindliche Abneigung wegen welcher beide Theile die Trennung verlangen, dieser muß jedoch Scheidung von Tisch und Bett – und zwar nach Umständen, zu wiederholtemmalen vorangehen. Das Oesterreichische Recht unterscheidet unter Scheidung und Trennung, jene geschieht blos von Tisch und Bett, diese ist Auflösung des ehelichen Bands; es unterscheidet ferner unter Scheidungs- und Trennungsgründen, jene sind gelinder, diese strenger; es gründet aber diesen Unterschied nicht auf die Verschiedenheit der Religion, denn es läßt auch bei Protestanten die blose Scheidung zu. Vor allem fragt sich, soll der Entwurf dem Oesterreichischen Rechte hierin folgen und andere Gründe für die Scheidung, andere für die Trennung aufstellen, oder die Scheidung, sie geschehe von Tisch und Bett, oder vom Bande, nach gleichen Gründen behandeln, und den Unterschied nicht in die Ursache, sondern in die Wirkung legen?
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Nach gemeinem Rechte sind zwar die Scheidungsgründe der Katholiken und Protestanten nicht identisch, allein das Bayrische Recht, das Preußische, das Französische Recht machen keinen Unterschied, dies und das Prinzip der Rechtsgleichheit haben den Entwurf bestimmt, allgemeine Gründe aufzustellen, aus welchen Katholiken und Protestanten auf Scheidung klagen können; die Wirkung dieser Scheidung bezüglich der Auflösung des ehelichen Bands und der Befugniß zur Wiederverehelichung gehört auf eine andere Seite. Unter allen Gesezgebungen ist die Preußische bezüglich der Scheidungsgründe die vollständigste, man kann sagen, sie hat das Bestehende zusammengenommen, daher hat der Entwurf die einzelnen Gründe dieses Gesezes einer besonderen Prüfung unterworfen das Resultat hiervon war die Annahme oder die Verwerfung desselben und das Resultat hiervon der §.89. Ehebruch. Der Ehebruch ist überall als Scheidungsgrund aufgenommen. Mann und Frau hierin gleich zu stellen, fordert das Prinzip der Rechtsgleichheit, der Entwurf von 1808 ist schon von der Ansicht der Franzosen abgegangen. Artikel 240 heißt es: „Wegen begangenen Ehebruchs kann sowohl der Mann gegen seine Frau – als die Frau gegen ihren Mann auf Ehescheidung klagen.“ Ueber Ausdehnung des Begriffs vom Ehebruche, dann über Kompensation besonders. Sodomie. Sodomie und andere unnatürliche Laster dieser Art werden dem Ehebruche gleich geachtet (Preußisches Recht l.c.672). Dem gemeinen Eherechte, auch der Theorie der Protestanten ist dieser Scheidungsgrund nicht fremd (Thibaut 425), das Bayrische, Französische, Oesterreichische Recht haben ihn nicht. Daß Sodomie, Bestialität und dergleichen dem Ehebruch gleich sey, ist wohl nicht zu leugnen, denn darauf, daß das dritte Subjekt resp. Objekt gerade ein Mensch des anderen Geschlechts sey, kann es kaum ankommen, aber die Abscheulichkeit des Gegenstandes; wird er ins Detail geführt, und wenn nicht, die Unbestimmtheit des Ausdrucks „unnatürliche Laster“ die Seltenheit des Falls (wir wollten es zur Ehre der Menschheit annehmen.), das Beispiel der zwei neuesten Gesezbücher, des Französischen und des Oesterreichischen, haben den Entwurf bestimmt, von diesem Scheidungsgrunde Umgang zu nehmen. Vermuthete Treuverletzung. Das Preußische Recht behandelt diesen Punkt in 4 Paragraphen (673–76) es sagt: „Eben das (Gleichstellung mit dem Ehebruche) gilt von unerlaubtem Umgange, wodurch eine dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründet wird. Bloser Verdacht ist zur Trennung der Ehe nicht hinreichend, ist jedoch scheinbarer Anlaß zu einem solchen Argwohne vorhanden, so muß dem beschuldigten Ehegatten auf Anrufen des anderen der fernere Umgang mit der verdächtigen Person gerichtlich untersagt werden. Sezt derselbe dieses Verboth ungeachtet einen vertrauten Umgang mit der verdächtigen Person fort, so ist diese ein erheblicher Grund zur Ehescheidung.“ Das gemeine Recht, und zwar das Römische und Kanonische ist auf Vermuthungen eingegangen (Thibaut 423, Böhmer 409) nicht so die drei anderen mehr allegirten Gesezgebungen. Bleibt man beim Ehebruche stehen, ohne irgend eine Art von Vermuthung statt zu geben, so ist der Beweis, zumal wenn Geständnis und Schiedseid ausgeschlossen werden, kaum zu erbringen, und der vorzüglichste Scheidungsgrund fast werthlos. Vermuthung muß also aufgenommen werden, aber eine dringende (violenta) entnommene aus dem Umgange mit einer dritten Person, wonach die Unschuld des beklagten Theils zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich ist. Oft ist der Umgang zweideutig ohne eine dringende Vermuthung zu erzeugen, er reicht nicht hin zur Klage, zur Schei-
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dung, er stört aber den ehelichen Frieden, er beunruhigt den unschuldigen Theil, er wird mit Klugheit fortgesezt, was ist da zumachen, soll nicht die ehegerichtliche Polizei einschreiten, kann sie es ohne gesezliche Authorisation. Das Preußische Recht hat ein Mittel angegeben; es läßt diesen Umgang durch den Richter verbieten, und sezt den Ungehorsamen in das Präjudiz der passiven Scheidungsklage. Der Entwurf hält diese Mittel für zweckmässig und wohlthätig und nimmt es auf. Bösliche Verlassung. Auch wegen böslicher Verlassung kann eine Ehe getrennt werden (Preußisches Recht 677). Dieser Scheidungsgrund ist fast allgemein angenommen; das Französische Recht nennt ihn zwar nicht (Artikel 229–33) im Artikel 39 spricht aber doch von einer neuen ehelichen Verbindung des Ehegatten eines Abwesenden. Daß bösliche Verlassung aufzunehmen sey, ist nicht zweifelhaft, aber es muß unterschieden werden unter Verlassung mit bekanntem – und mit unbekanntem Aufenthalte; jene produzirt Imploration mit Zwangsvereinigung, diese – Klage auf Scheidung jedoch nach fruchtloser öffentlicher Vorladung. Versagung der ehelichen Pflicht. Halsstarrige und fortdauernde Versagung der ehelichen Pflicht soll der böslichen Verlassung gleich geachtet werden (Preußisches Recht 694). Nur das protestantische Eherecht tritt bei, die übrigen bestehenden Gesezgebungen schweigen. Wenn aber nach § 42 die Kindererzeugung der erste Ehezweck ist, wenn nach § 76 die Leistung der ehelichen Pflicht an der Spize der gegenseitigen Rechte und Verbindlichkeiten der Eheleute steht, soll die beharrliche Versagung der ehelichen Pflicht nicht ein Scheidungsgrund seyn? Der Entwurf hat geglaubt, in Consequenz der §§ 42 und 76 diesen Scheidungsgrund des Preußischen Rechts aufnehmen zu müssen, er hat aber auch geglaubt, die Art der Versagung mit „beharrlich“ ausdrükken – und diese dahin verdeutlichen zu sollen, daß eine durch Anrufen des unschuldigen Theils veranlaßte richterliche Aufforderung zur Pflichterfüllung fruchtlos vorangegangen seyn muß. Verhinderung des Zwecks der Beiwohnung. Ein Ehegatte, welcher durch sein Betragen bei oder nach der Beiwohnung die Erreichung des gesezmäßigen Zweckes desselben vorsäzlich hindert, gibt dem anderen zur Scheidung rechtmäßigen Anlaß (Preußisches Recht 695). Dieser Grund, wenngleich analog mit dem vorigen, hat wenig Anklang in den Gesezgebungen gefunden; er läßt sich nicht wohl beschreiben, nicht wohl beweisen, er dringt in die Geheimnisse des Ehebetts, er gehört (hoffentlich) zu den seltenen Fällen – der Entwurf hat geglaubt, die Nichtaufnahme verantworten zu können. Impotenz. Ein nicht während der Ehe erst entstehendes gänzliches Unvermögen zur Leistung der ehelichen Pflicht begründet ebenfalls die Scheidung (Preußisches Recht 696). Die überwiegenden Gesezgebungen schweigen und zwar, wie der Entwurf glaubt, mit Recht. Es ist zwar auch eine Versagung der ehelichen Pflicht, aber eine Versagung, welche ausgeht von der Natur, hier fällt das „halsstarrig“ das „beharrlich“ weg, es fehlt der Wille, dieser kann oft der beste seyn, hier muß Eines des Andern ertragen, der Gegensaz würde zu weit führen, wie ging es den alten Männern, welche die ärztliche Probe nicht bestehen können? Hat doch die Ehe auch einen sekundären Zweck: mutuum adjutorium. Praepotenz. Man hat Beispiele von solchen Klagen; soll ein neues Gesezbuch darauf eingehen? Der Entwurf glaubt nein; nicht blos des Beispiels der übrigen Gesez-
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gebungen wegen, denn auch die Legislation soll fortschreiten, sondern mehr deswegen, weil Zeit und Maß in diesem Punkte gesezlich nicht bestimmt werden können. Leibesgebrechen. Ein Gleiches (wie vom Unvermögen) gilt von andern unheilbaren körperlichen Gebrechen, welche Ekel und Abscheu erregen, oder die Erfüllung der Zwecke des Ehestands gänzlich verhindern (Preußisches Recht 697). Aehnlichkeit hiemit hat der alte Scheidungsgrund des Oesterreichischen Rechts (.109.) „Anhaltende mit Gefahr der Ansteckung verbundene Leibesgebrechen“. Zum Trennungsgrunde hat übrigens das Oesterreichische Recht diese Ursache nicht erhoben (.115.) Auch dieses malum superveniens kann die Eheleute nicht trennen; geloben sie doch am Altar, das Schicksal mit einander tragen – mit Freud und Leid miteinander Gleiches zu wollen. Raserei und Wahnsinn. Raserei und Wahnsinn, in welche ein Ehegatte verfällt, können die Scheidung nur alsdann begründen, wenn sie über ein Jahr, ohne wahrscheinliche Hoffnung zur Besserung fortdauern (Preußisches Recht 698). Die übrigen Gesezgebungen haben diesen Scheidungsgrund nicht; soll er aufgenommen werden? Das Preußische Recht hat den Grundsaz aufgestellt und durchgeführt: Was vohergehend ein Ehehinderniß ist, das ist nachfolgend ein Scheidungsgrund; wäre dieser Grundsaz richtig, so müßte der fragliche Scheidungsgrund aufgenommen werden; allein der Grundsaz ist nicht anerkannt, und wurde oben (beim Unvermögen) bereits verworfen. Den Schuldigen verstoßen, ist gerecht, den Unschuldigen – Unglücklichen verstoßen, wäre grausam; wer ist aber unglücklicher als der Geisteskranke, wer bedarf mehr der Unterstützung, der Hilfe, der Fürsorge, als er? Und wenn lichte Zwischenräume einbrechen, wenn er genesen und fragen sollte, warum bin ich geschieden? Weil ich das Unglück hatte gemüthskrank zu werden? Das Preußische Recht hat zwar im Sinne der Humanität, die man ihm nicht absprechen kann, auf verschiedene Art nachzuhelfen versucht, es hat eine Genesungszeit gesezt, es hat für nothdürftige Verpflegung gesorgt (759), allein dadurch hat es die schwache Seite seines Scheidungsgrundes aufgedekt, und den Entwurf bestimmt, sich hierin den andern Gesezgebungen anzuschließen. Nun kommt das Preußische Recht auf Nachstellungen, Mißhandlungen, Beleidigungen, und hier entwickelt es seine Theorie in 5 Paragraphen (699–703). Das gemeine Recht hat hierin keine festen Grundsäze; das Bayrische Recht spricht blos von großer Leibesgefahr, das Französische Recht enthält in 3 Zeilen (Artikel 201) 3 Scheidungsgründe: excés, dévices, injures graves; das Oesterreichische Recht (115) hat mit zweckmäßiger Umgehung der Injurien bezüglich der Nachstellungen und Mißhandlungen folgende Redaktion gewählt: „dem Leben oder der Gesundheit gefährliche Nachstellungen – wiederholte schwere Mißhandlung.“ Daß im ersten Saze die Gesundheit dem Leben gleich gestellt wurde, wird Niemand mißbilligen, was der Gesundheit gefährlich ist, das ist folgerecht auch dem Leben gefährlich, ob durch solche Handlungen ein schneller oder langsamer Tod erzeugt werde, ist gleichgültig; daß der zweite Saz schwere Mißhandlung fordert, stimmt mit anderen Gesezgebungen überein, welche grobe Thätlichkeiten, harte Mißhandlungen fordern, was schwere Mißhandlung sey, muß dem von den Umständen des Falles geleiteten richterlichen Ermessen überlassen bleiben; aber darüber, ob das Wort „wiederholt“ beigesezt werden soll, könnte gestritten werden. Das Französische Recht verlangt die Wiederholung nicht, das Preußische fordert sie nur bei geringern Thätlichkeiten. Rücksicht auf die Wichtigkeit der Ehe, besonders mit Kindersegen, Annahme der
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Hitze ohne Vorbedacht, Hoffnung auf Reue und Besserung haben den Entwurf bestimmt dem Oesterreichischen Rechte beizutreten. Verbrechen. Diesen Scheidungsgrund entwickelt das Bayrische Recht in 4 Paragraphen (704–707) überall den Ehrenpunkt ins Auge fassend. Boehmer spricht de delicto, ob quod poena mortis civilis contracta est; das Französische Recht von imfamirender Strafe, das Oesterreichische Recht bei den Scheidungsgründen von Verbrechen, bei den Trennungsgründen von Verbrechen mit Verurtheilung zu einer mindestens fünfjährigen Kerkerstrafe. Der Entwurf mußte hier auf die Theorie des Bayrischen Strafrechts Rücksicht nehmen. Nach dem Entwurf des Strafgesezbuchs von 1831 (I.22.) ist der Verlust der Standesehre nicht nur mit allen Verbrechensstrafen verbunden, sondern dieser Verlust tritt auch bei der Strafe derjenigen Vergehen ein, deren der Artikel 23 erwähnt. Hiernach hatte sich also der Entwurf bezüglich dieses Scheidungsgrunds zu richten. Unordentlicher Lebenswandel. (Preußisches Recht 708 etc) Versagung des Unterhalts. (Preußisches Recht 711 etc) Ueber diese beiden Scheidungsgründe schweigen die anderen Gesezgebungen, nur das Oesterreichsiche Recht nimmt den erstern als Scheidungsgrund – aber nicht als Trennungsgrund an (1099.115). Das Preußische Recht läßt dieser Gründe wegen nicht gleich zur Scheidung kommen, es läßt erst richterlich einschreiten, nur die Erfolglosigkeit erzeugt Klage. In Erwägung jedoch, daß durch Correktion und Exekution in der Regel geholfen werden kann, daß Ehescheidungsgründe ohne Noth nicht vervielfältigt werden sollen, daß andere Gesezgebungen diesen beiden Scheidungsgründen nicht hold sind, hat der Entwurf geglaubt, davon Umgang nehmen zu sollen. Veraenderung der Religion. In so weit, als der Unterschied der Religion von Anfang an ein Ehehinderniß ist (§ 36), in so fern gibt ein Ehegatte durch Veränderung seiner bisherigen Religion dem andern rechtmäßigen Anlaß auf Scheidungsklage (Preußisches Recht 715) und im § 36 heißt es: Ein Christ kann mit solchen Personen keine Heirath schließen, welche nach den Grundsätzen ihrer Religion sich den christlichen Gesezen zu unterwerfen verhindert werden. Das Kanonische Recht hat apostasia a fide, das Bayerische Recht große Seelengefahr, der Entwurf macht die Religion zum Ehehindernisse, insoweit als er die Ehe eines Christen mit einem Nichtchristen untersagt. Daß das Argument vom Ehehindernisse zum Ehescheidungsgrunde nicht Stich halte, ist beim Unvermögen und beim Wahnsinn vorgekommen; allein dieß sind impedimenta privata, und hier hat man es zu thun mit einem impedimentum publicum; eben deswegen bedarf es aber auch für den Entwurf eines Scheidungsgrunds wegen veränderter Religion nicht. Ist eine Ehe zwischen Christen und Nichtchristen ungültig, so ist die Nichtchristlichkeit der Grund der Ungültigkeit, und ist dieß, so kann es auf den Geburtstag dieses Grunds nicht ankommen, weil es sonst ein leichtes wäre, das Gesez zu umschiffen, der Nichtchrist geht vor der Trauung zum Christenthum über, und fällt nach derselben wieder ab; es muß vielmehr das nachfolgende Hinderniß so angesehen werden, als wenn es früher schon bestanden – und später erst entdeckt worden wäre, immer tritt das Rechtsverhältniß ein, welches durch die §§ 59 und 81 geregelt ist. Gegenseitige unüberwindliche Abneigung. Die drei neuen Gesezbücher nehmen diesen Scheidungsgrund auf, jedoch unter verschiedenen Modalitäten zum Zwecke der
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Versicherung, daß es Ernst sey, Preußisches Recht 2.1.716; Französisches Recht 233., Oesterreichisches Recht 115. Der Entwurf hat geglaubt, diesen Scheidungsgrund unter zwei Bedingnissen aufnehmen zu wollen: 1.) vorgänge einjährige Separation (als Probezeit) 2.) Uebereinkunft bezüglich des Vermögens, des Unterhalts, der Kinder, sowohl während der Separation, als nach der Scheidung. Wer einen Vertrag von solcher Wichtigkeit und solchem Umfange abschliesst, und nach ganzjähriger Trennung noch auf Scheidung beharrt, der hat die Vermuthung des Leichtsinns, der Uebereilung, des heimlichen Zwangs kräftig beseitigt. Zu §.90. Boehmer sagt (.410.) Actio de divortio cessat 1.) ob violationem fidei conjugalis tacite remissam, vel si 2.) auctor ipse non minus violatae fidei reus est, vel 3.) auctor fuit ejus violationis, quam accusat Hiemit harmonirt bezüglich der Kompensation und Komission das Bayerische Recht (1.6.42) und das Preußische Recht [Anm. des Verfassers: Einschub einer Korrekturbemerkung vom linken Seitenrand des handschriftlichen Manuskriptes: (2.1. –719 etc) bezüglich der Kommission] franz. Recht (272); und das Oesterreichische Recht (96) letzteres analog. Hiernach hat der Entwurf keinen Anstand gefunden, die Einreden des Reizes, der Compensation, der Komission wie geschehen aufzunehmen, und das Eingehen in die Arten des Verzichts durch den bei einer ähnlichen Gelegenheit (§ 85) gebrauchten Ausdruck, wenn er nach erlangter Kenntniß die Ehe fortsezt – zu beseitigen. Nur das könnte sich noch fragen, ob nicht bezüglich der Fortsezung eine Frist zu bestimmen sey, um Bedenkzeit zu gewinnen? Das Preußische Recht (721 und 722) ist darin so hinaus, daß es ein Jahr bewilligt, und die Leistung der ehelichen Pflicht als Verzicht nicht ansieht. Der Entwurf hat geglaubt, in Konsequenz mit § 82 auf eine Frist nicht eingehen zu sollen, da Scheidungsklagen ad [odi]osa gehören und keiner Beziehung zu begünstigen sind. Zu §.91. Entwurf der Zivilprozeßordnung von 1831 (§ 10 lit. b und § 338 etc.) Zu §.92. Aus den zu § 84 angeführten Gründen. Zu §.93. Das Sakrament begründet diesen Unterschied, es ist allgemein bekannt, und dem Entwurf steht, wenn er sich bezüglich der Katholiken an das Preußische Recht (734) anlehnen wollte, das Konkordat – und hiedurch die Verfassungsurkunde im Wege, diese spricht IV 9. die Beilage 2 – diese § 103 das Konkordat an, und auf dieses sind die Bestimmungen der Prozeßordnung § 10b und 338 etc. gegründet.
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Zu §.94. Es könnte sich fragen, ob man auch dem schuldigen Mann gegen die unschuldige Frau dieses Verlangen gestalten solle, allein konsequent muß dies Frage bejaht werden, denn das Recht der Frau auf den Namen des Mannes ist eine Folge der ehelichen Verhältnisse (Entwurf § 78), hört die Ursache auf, hört die Wirkung auf. Zu §.95. Diese Bestimmung ist eine nothwendige Folge der gesezlichen Aufstellung eines besondern Eherichters. Zu §.96. Todeserklärung a. Protestanten Von der Ediktalzitation zum Zwecke der Ehescheidung wegen böslicher Verlassung ist verschieden die Ediktal-Zitation zum Zwecke der Todeserklärung; die Wirkung der letzteren unter Protestanten hat richtig aufgefaßt und kurz gegeben das Preußische Recht (2.166 etc.) es sagt: Wird ein Ehegatte für tod erklärt, so steht dem andern frei, sich wieder zu verehelichen, und die Ehe besteht, wenn auch der Verschollene zurückkommt; ist eine Wiederverehelichung nicht erfolgt, so wird bei der Rückkehr des Verschollenen die Ehe als fortdauernd angesehen. b. Katholiken Das Oesterreichische Recht (112) hat einen Versuch gemacht, zu Gunsten der Katholiken dem Kanonikum nachzuhelfen, ob glücklich und deshalb nachahmungswerth ist die Frage. Es sagt, der Ablauf der zur Todeserklärung bestimmten Zeit gebe noch kein Recht zur Auflösung und Wiederverehelichung, wenn aber die Abwesenheit mit Anständen begleitet sey, welche keinen Grund zu zweifeln übrig ließen, daß der Abwesende verstorben sey, so könne die gerichtliche Erklärung nachgesucht werden, daß der Abwesende für tod zu halten, und die Ehe getrennt sey. Die Einwilligung muß das Obergericht zur höchsten Schlußfassung vorlegen. Im Kommentar (112.2.Note) heißt es: „Es ist hier nicht die Frage, ob durch die Todeserklärung die Ehe aufgelößt werden soll, es fragt sich, da das Zusammentreffen der Vorstände und insbesondere auch die ungeachtet der öffentlichen Vorladung fortgesezte Abwesenheit in andern sehr erheblichen Fällen (wie in Kriminalfällen-) einen vollständigen Beweis macht, ob das Zusammentreffen mehrere Wahrscheinlichkeitsgründe über den Tod eines Menschen verbunden mit den fruchtlosen Maßregeln, sich seiner Existenz zu versichern, nicht ebenfalls von dem Tode eines Menschen einen vollständigen Beweis – oder eine gesezliche Vermuthung begründe, welche das Recht der Wiederverehelichung zur natürlichen Folge hat.“ Und (114.2.) heißt es weiter: „Würde der Abwesende erst, nachdem der andere Gatte bereits eine neue Ehe geschlossen hat, erscheinen, so ist die spätere Ehe nicht nur auf Verlangen der theilnehmenden Partheien, sondern auch von Amts wegen für nichtig zu erklären, und der Gatte zur Vereinigung mit seiner rechtmässigen Gattin angehalten.“ Die Abwesenheit, begleitet von Umständen, die keinen Zweifel übrig lassen, soll die gerichtliche Todes- und Trennungserklärung bewirken, aber nur auf höchste Schlußfassung und mit der Nichtigkeit der neuen Ehe, wenn der alte Gatte zurück-
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kommt. Schwache Nachhilfe, wenn das Gesez sein eigenes Produkt für null erklärt, schreckliche Folge für Frau und Kinder – welches neue Gesezbuch möchte hier beipflichten? Zu §.97. Auch bei den Katholiken hat die Ehescheidung die volle bürgerliche Wirkung der Auflösung, wollen sie sich wieder vereinigen, müssen sie sich wieder ehelichen, und hier ist der Fall, wo die Wiederverehelichung gültig ist, obschon beide Theile noch am Leben sind, weil das geistliche Band dadurch nicht aufgelößt – sondern bestätigt wird. Ob bei der zweiten Trauung das Sakrament nochmal empfangen werde, ist eine theologische Frage, deren Eröterung nicht hieher gehört; so viel ist gewiß, daß die Geseze der Kirche durch die Wiederholung der Trauung nicht verlezt werden, pflegt doch auch bei der goldenen Hochzeit eine zweite Einsegnung zu erfolgen. Zu §.99. Das Preußische Recht behandelt diesen Gegenstand in 6 Paragraphen (2.1.29 etc und Anfang I § 64), das Oesterreichische Recht in 2 starken Paragraphen (120.121), beide auf eine umständliche und komplizirte Weise, das Französische Recht spricht sich hierüber (228) in fruchtbarer Kürze aus; der Entwurf hat geglaubt, diesen Ausspruch aufnehmen zu sollen, er ist einfach, klar, rechtssichernd; daß diese oder jene Frau vielleicht etwas früher zur andern Ehe schreiten möchte, ist kein gewichtvoller Gegengrund. Der Beisaz rechtfertigt sich selbst. Einer Kontrole durch Nichtigkeit oder Strafe bedarf es nicht, weil die zweite Trauung nur gegen Vorlage des Todesscheins oder Scheidungsurteils bewilligt wird, woraus die Einhaltung oder Nichteinhaltung der gesezlichen Frist erhellt.
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Personenregister Aretin, Johann Adam 144 Aretin, Johann Christoph 158 f., 263 Arndts, Karl Ludwig 263
153, 156,
Baroneß Rummel 201 Barth, Dr. (Abgeordneter) 293 f., 300 f. Böhmer, Justus Henning 33 f. Brater, Dr. (Abgeordneter) 278 f., 281, 291 Closen, Karl Baron v. (Abgeordneter) 221 Crämer (Abgeordneter) 292 f. Cucumus, Conrad 167 Curatus Schmid 205 f. Dalberg, Kurerzkanzler 120 Dinkel, v. (Bischof) 300 Döllinger 266 Dollmann, Karl Friedrich v. 264 Eberz 207, 224 Engel, Ludwig 33 f. Fäustle, Johann Nepomuk v. (Justizminister) 322, 324, 327, 331 ff., 335 Feuerbach, P. J. Anselm 138, 143, 144 Fischer (Abgeordneter) 278, 280, 283, 285 Frankenstein, Georg Frhr. v. (Abgeordneter) 330 f. Gengler, Adam 241 ff. Gönner, Nikolaus Thaddäus 144, 159, 190, 254 f. Gratian 28
Hagen (Abgeordneter) 199 Hauck, Thomas (Abgeordneter) 330 Henner, Georg 170 Hinschius, Paul (Abgeordneter) 296, 317 f. Hohenlohe, Fürst v. (Reichsrat) 299 Ickstatt, Johann Adam 26 Jörg, Dr. (Abgeordneter) 297, 327 ff. Joseph II. 19 Kapp (Abgeordneter) 211, 218 Karl Albrecht 47 Karl Theodor 26, 81, 88, 101, 135 Kolb (Abgeordneter) 278 f., 295 Kraetzer, Dr. (Abgeordneter) 322 f. Kreittmayr, Wiguläus Xaver Aloys 27, 29 ff., 78, 99, 116, 131, 193, 226 Lauterbach, Wolfgang Adam 33 f. Leonrod, Ludwig Karl v. 255 ff. Lori, Johann Georg von 66 ff. Ludwig I. 124, 190 f., 231 f., 246 f., 265 Ludwig II. 265 ff., Luther 91 Lutz v., Dr. (Justiz-/Kultusminister) 266, 291, 298 ff., 324 Maria Theresia 19 Mätzler (Abgeordneter) 215, 235 f. Max II. 265 ff. Max III. Joseph 26, 63, 71, 77
Personenregister Max IV./I. Joseph 23, 88 ff., 101, 104, 108, 113, 116, 117, 129 f., 135 f., 138, 159, 160, 190 Michl, Anton 226 Montgelas, Maximilian Joseph Frhr. v. 89, 190 f. Moufang (Abgeordneter) 322 Moy, Ernst v. 169 Mussinan (Abgeordneter) 222 Napoleon 88, 143, 159 Nuntius Mercy d’Argenteau 175 Nuntius Serra Cassano 194 Oettingen-Wallerstein, Fürst v. (Innenminister) 234, 236, 252 Osterwald, Peter von 26, 64 ff., 134 Papst Benedikt Benedikt XIV. 120 Papst Pius VII. 115, 121 Papst Pius VIII. 237 Papst Pius IX. 319 Pechmann Frhr. v. (Staatsminister) 280 Pichler, Vitus 33 f. Pözl, Joseph 168 f. Rabel (Patrimonialrichter) 206 ff. Reiffenstuhl, Johann Georg 33 f. Rudhart (Abgeordneter) 222, 224 Ruland, Dr. (Abgeordneter) 294, 300
413
Sailer, Johann Michael 190 f. Schenk, v. (Staatsminister des Innern) 208 ff. Schlözer, August Ludwig 190 Schmid, Dr. (Abgeordneter) 294 f., 297 Schrenk, Frhr. v. 297 ff., 301 Schulte, Dr. (Abgeordneter) 320 ff. Seuffert (Abgeordneter) 219 Stadler, Alois Martin 26 Stahl, Friedrich 168 Strodl, Michael A. 168, 243 ff. Struve, Georg Adam 33 f. Stryk, Samuel 33 f. Therese von Sachsen-Hildburghausen 124 Thon-Dittmer, Frhr. v. 195 ff., 202 ff. Völk, Joseph Dr. (Abgeordneter) 296, 316 ff., 327, 329 f. Weinzierl, Cölestin (Abgeordneter) 217, 236, 247 Westermayer, Dr. (Abgeordneter) 319, 334 f. Willich (Abgeordneter) 223, 235 Wolf, Lorenz 245 f. Zeiller (Hofrat) 156
Sachregister ABGB 123, 153, 256 f., 262 f. Allgemeines Preußisches Landrecht, s. ALR ALR 23, 95 ff., 129, 257 Altkatholiken 317, 328, 334 Ancien Régime 26 ff. Anfechtung 103, 149, 153 Ansässigmachung 181 ff., 249 ff., 266 ff. Arme (Leute), s. unansässige Leute 38, 105, 181 ff., 275 Aufgebotsverfahren 101, 147, 258, 275, 310 Aufklärung 18 Augsburger Religionsfriede 47 Auslandsehen 57 f., 110 ff., 155, 158, 185 Beamte, s. auch Staatsdiener 38, 105 Bettelmandate 57 Bewilligung der Obrigkeit 38 ff., 95, 105, 147, 155, 181 ff., 257, 268 Bewilligung, s. auch Einwilligung Bigamie 311 Brautentführung 94 Breve „summo jugiter studio“ 238, 248 CJBJ 26, 49, 133 CMBC 19, 26 ff., 90, 95, 99 f., 101 f., 111, 116, 122, 133, 137, 142, 144, 145, 148 f., 152 f., 154, 158, 193, 208, 222, 233 Code Civil 23, 101 ff., 138, 185, 257, 262, 280 Codex juris Bavarici criminalis 26 Codex juris Bavarici judiciarii, s. CJBJ
Codex Maximilianeus Bavaricus civilis, s. CMBC Codex Theresianus 85 f. Dekret „tametsi“ 19, 28, 29, 121, 221 Dimmissorialien 126, 192 ff. Dispensrecht 131 ff., 139 f., 145 f., 238 f., 321 Dissidenten 287 ff., 331 Disziplinäre Dekrete 29, 99 Ehe zur linken Hand 97 Ehe zur rechten Hand 97 Eheaufhebung, s. auch Scheidung 260 Ehebruch 94 Ehefähigkeitsalter 95, 101, 102, 103, 311 Ehegerichtsbarkeit, s. Zuständigkeit der Gerichte Ehegüterrecht 21, 27 Ehehindernis 19, 21, 27, 32, 91, 99, 101, 139, 145, 153, 156 f., 158, 268 f., 270 ff., 283, 297 Ehekonsens 17, 27, 32 Eheordnung 91, 128 Ehepatent v. 1783, s. Josephinisches Ehepatent Ehe(rechts)mandate, s. Heiratsbewilligungsmandate Ehescheidung, s. Scheidung Eheschließungsform 32, 99, 101, 138, 148, 155, 259, 304, 310 Eheschließungsfreiheit 54 ff., 104 ff., 186 ff., 249 ff., 267 ff., 277 ff., 281 Eheuntüchtigkeit 94, 146 Eheverbote, s. auch Ehehindernisse 95, 97
Sachregister Einspruch v. Privatpersonen 270 Einspruch, gemeindlich 268 f. Einwilligung der Eltern 27, 36 f., 63, 92, 96, 99, 101, 102, 140, 146, 153, 154 f., 257, 303, 311 Einwilligung der Obrigkeit, s. Bewilligung Einwilligung der Vormünder 27, 38, 63, 147, 303 Entführung der Braut, s. Brautentführung Formvorschrift 18 Freie Reichsstädte 90 Gallikanismus 19, 26 Gebietsveränderungen 90 ff. Gebietszuwachs, s. auch Gebietsveränderungen 88, 136 Gerichtszuständigkeit 20, 49 ff. Gesetz zur Ansässigmachung und Verehelichung 181 ff., 198, 249 ff., 265, 266 ff., 333 Gesetzgebung – päpstliche 17 – weltliche 17, 136 ff. Gesetzgebungsentwürfe 136 ff., 254 ff. Gesetzgebungsentwurf (1808/09) 138 ff. Gesetzgebungsentwurf (1811) 144 ff. Gesetzgebungsentwurf (1816/18) 153 ff. Gesetzgebungsentwurf (1826) 254 f. Gesetzgebungsentwurf (1834) 255 ff. Gesetzgebungsentwurf (1861/64) 264 Gesetzgebungskompetenz 20 Heiratsalter, s. auch Ehefähigkeitsalter 92, 139, 145 Heiratsbewilligung(smandate) 54 ff., 105, 108, 181 ff., 258 Heiratserlaubnis, s. Heiratsbewilligung Heiratslizenz, s. Heiratsbewilligung Interkonfessionelles 116 ff., 192 ff.
(Ehe)recht
113,
415
Irrtum 96, 101, 146, 157, 311 Josephinisches Ehepatent, S. 87, 96 ff., 123, 258 Kanonisches Recht 17, 29, 44 f., 90, 91, 95, 98, 102, 105, 152 f., 156 Katholisches Eherecht 129 ff. Kirchenterritorien 90 f. Kirchliches Recht 113 ff. Konkordat 71 ff., 125, 132, 161 ff., 191 f., 228, 234, 265, 329, 331, 332 Konsisitorialbehörde 18 Konsistorialordnung, s. auch Eheordnung 91, 97, 128 Konsistorium 18 Konstatierungsverfahren 282 ff. Konzil von Trient, s. Trienter Konzil Krankheit – ansteckende 94 Kulturkampf 266, 305, 316 Mandate 54 ff., 95, 98, 104 ff., 113 ff. – kirchenrechtlich 60 f. Mediatisierung 90 Mehrehe, s. Polygamie Militär 95, 99, 105, 107, 155, 311 Mischehen, s. auch interkonfessionelles (Ehe)recht 43 ff., 99 f., 116 ff., 119 ff., 148 f., 165, 192 ff. Nichtigkeitsklage 149, 153 Notzivilehe 287 ff., 315, 324, 329, 331 Ordonnanz von Blois 19 Österreichisches Eherecht, s. auch ABGB, Codex Theresianus, Josephin. Ehepatent (v. 1783) 98, 153 Parität 90 Partikularrecht 90
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Sachregister
Polygamie 101, 102, 139 Preußisches Eherecht, s. ALR Protestantisches Eherecht 113, 127 ff. Rechtsvereinheitlichung 104 Reformation 17 f. Reichsdeputationshauptschluß (v. 1803) 88, 121 Reichsgründung 1870/71 306 ff. Reichspersonenstandsgesetz, s. RPStG Religionsedikt 90, 115, 124 ff., 133, 161, 163 ff., 192 ff., 266, 329, 331 Religionsverschiedenheit 43 ff., 145, 157, 258 Religiöse Kindererziehung 44, 46, 119 f., 123, 125, 149, 165, 192 ff., Res connexae 50 RPStG 19, 309 ff. Säkularisation 90, 142 Salzburger Kongreß 64 Sanktion(en) 109, 113, 140, 148, 155, 185, 272 ff., 284 ff. Scheidung, s. auch Trennung von Tisch und Bett, Scheidungsrecht 33, 93, 100, 141, 150 ff., 157 f., 260 f., 304 f., 312, 326 Scheidungsrecht, s. auch Scheidung 94, 103 Schwägerschaft 92, 101, 135, 311 Sozialgesetzgebung 181 ff., 249 ff., 266 ff. Sponsalienmandat 61 ff., 130, 144, 154 Sponsalienrecht, s. Verlöbnisrecht Staatsdiener 38, 105, 155, 311 Standesbeamter 99, 101, 102, 138 f., 147, 212, 223, 225, 227, 229, 231, 254, 309 ff. Standesunterschied 97 Strafe(n), s. Sanktionen Tegernseer Erklärung 166, 229 Temporaliensperre 225, 227
Toleranz 90, 101, 114 f. Toleranzedikt 116 Trennung von Tisch und Bett, s. auch Scheidung 33, 100, 140, 150 f., 261, 305, 312, 326 Trienter Konzil 18, 19, 28, 29, 50, 121, 162, 222, 226, 321 Unansässige (Leute) 38 Unfehlbarkeitsdogma 266, 317, 319 Ungleicher Stand, s. Standesunterschied Verehelichung, s. u. a. Gesetz über Ansässigmachung und Verehelichung Verehelichungsfreiheit, s. Eheschließungsfreiheit Verehelichungszeugnis 267, 274, 286, 314 Verfassung 90, 137, 161, 162 ff., 191 f., 198, 332 Verlöbnisrecht 20, 52, 61 ff., 129 f., 144, 154, 256, 303 Verwandtschaft 92, 95, 101, 102, 139, 145, 157, 303, 311 Voraustrauungsverbot 304, 312 Vormundschaft 92, 157, 303 Westfälischer Friede 47, 222 Wiederverehelichung 93, 97, 158, 261, 303 Wiederverheiratung, s. auch Wiederverehelichung 97, 102, 117 ff., 139 Willensmängel, s. auch Irrtum 96, 101, 139, 145, 303, 311 Wohnsitzlose (Leute), s. Arme, Unansässige Zivilehe 22, 101, 104, 123, 142, 160, 182, 221, 223, 227, 235, 275, 281, 283, 285, 287 ff., 291, 309 ff. Zivilehe, obligatorisch 292, 295 f., 302 ff., 309 ff., 316, 324 Zivilgesetzgebungsentwürfe
Sachregister Zivilstandsbeamter, s. Standesbeamter Zivilstandsregister 223, 316, 319 Zuständigkeit der Gerichte, s. Gerichtszuständigkeit 49 ff., 127, 128 f., 131, 133 ff., 175 ff., 305, 312, 326 Zustimmung der Eltern, s. Einwilligung
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Zustimmung der Obrigkeit, s. Einwilligung Zustimmung der Verwandten, s. Einwilligung Zustimmung der Vormünder, s. Einwilligung