Zur Theorie der Außenwirtschaft. Ökonomischer Imperialismus - Kaufkraftparität: Eine zugleich dogmengeschichtliche Studie [1 ed.] 9783428407767, 9783428007769


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Zur Theorie der Außenwirtschaft. Ökonomischer Imperialismus - Kaufkraftparität: Eine zugleich dogmengeschichtliche Studie [1 ed.]
 9783428407767, 9783428007769

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Volkswirtschaftliche Schriften Heft 106

Zur Theorie der Außenwirtschaft Ökonomischer Imperialismus – Kaufkraftparität Eine zugleich dogmengeschichtliche Studie

Von

Maximilian Klafkowski

Duncker & Humblot · Berlin

MAXIMILIAN

KLAFKOWSKI

Zur Theorie der Außenwirtschaft

Volkswirtschaftliche

Schriften

Herausgegeben von Dr. J. B r o e r m a n n , Berlin

Heft 106

Zur Theorie der Außenwirtschaft ökonomischer Imperialismus — Kaufkraftparität E i n e zugleich dogmengeschichtliche Studie

Von Dr. Maximilian

D U N C K E R

&

Klafkowski

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1967 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1967 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany

„Keiner bescheidet sich gern m i t dem Teile, der i h m gebühret, U n d so habt i h r den Stoff immer u n d ewig zum Krieg". Goethe „ W i e selbstsüchtig auch i m m e r der Mensch eingeschätzt werden mag, so liegen doch offensichtlich bestimmte Grundverankerungen i n seiner Natur, die i h n am Schicksal anderer A n t e i l nehmen u n d i h m die Anteilnahme an deren Glück notwendig werden lassen, obwohl er keinen anderen V o r t e i l daraus zieht als das Vergnügen, Zeuge davon zu sein." Ad. Smith Belügt einander nicht. Ziehet den alten Menschen aus m i t seinen Werken. Ziehet den neuen Menschen an, der neu geschaffen w i r d zur Erkenntnis, nach dem Bilde dessen, der i h n erschaffen hat. Da gibt es nicht mehr Heiden u n d Juden, Beschnittene u n d Unbeschnittene, Barbaren u n d Scythen, Sklaven und Freie, sondern alles u n d i n allen ist Christus. Brief des hl. Apostels Paulus an die Kolosser, 3, 9

Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung

11

Erster Teil Der ökonomische Imperialismus

13

A . Der Imperialismus, insbesondere der ökonomische Imperialismus. griff im allgemeinen sowie im wissenschaftlichen Sprachgebrauch Entstehung

Beund

13

B. Die Grundlagen des ökonomischen Imperialismus I. Imperialismus und Wirtschaftssystem I I . Außenwirtschaft u n d handelspolitische Theorien I I I . Außenwirtschaftstheorie u n d Imperialismus I V . Das Gesetz der komparativen Kosten (der komparativen Preise) V. Das reale Austauschverhältnis V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien) V I I . Bevölkerungszuwachs, Nahrungsmittel, Rohstoife und Imperialismus (Kolonialismus)

36 36 45 49 50 57 60

C. Die Technik

73

des internationalen

Zahlungsausgleichs

68

D. Die imperialistische Außenwirtschaft im Rahmen der allgemeinen Preistheorie 75 I. Allgemeine Theorie 75 I I . Das Monopol i n der Außenwirtschaft 89 I I I . Dumping 99 I V . Das K a p i t a l i n der Außenwirtschaft, insbesondere über die Anleihe 105 E. Die Triebkräfte F. Konjunktur G. Der I. II. III. IV. V. VI. II. Kritik

des wirtschaftlichen

Imperialismus

116

und Krise

128

Marxismus Marx Hilferding Rosa L u x e m b u r g Lenin Sternberg Ulbricht

135 135 151 160 171 176 202

an der marxistischen

I. Die Zukunft

Theorie

203

des Imperialismus

K . Geld- und Wechselkurspolitik bilanz

207 in ihrer

Auswirkung

auf die

Zahlungs-

210

Inhaltsverzeichnis

8

Zweiter

Teil

Die Kaufkraftparität A . Zahlungsbilanztheorie B.

I . Die Theorie

223

— Inflationstheorie

223

der Kaufkraftparität

236

a) Cassels Darstellung der Theorie 1. Die K a u f k r a f t p a r i t ä t 2. Folgerungen aus der Theorie 3. Abweichungen von der Kaufkraftparität

236 236 239 242

b) Geschichtliche Entwicklung der Theorie 1. D a v i d Ricardo 2. W. Blake 3. Spätere Theoretiker a) J. St. M i l l ß) G.J.Goschen y) W . L e x i s "8" >

so findet eine Bewegung des Gutes A vom Lande I zum Lande I I und des Gutes B vom Lande I I zum Lande I statt, weil — unter Berücksichtigung des intervalutarischen Kurses der Währung — i m erstgenannten Falle der Preis des Gutes A i m Lande I niedriger ist als i m Lande I I und der Preis des Gutes B i m zweiten Falle i m Lande I I niedriger ist als i m Lande I 1 1 6 . Da sich das Verhältnis der Preise der Produktionsfaktoren ständig ändert und ein voller internationaler Ausgleich unmöglich ist, ergeben sich aus den unterschiedlichen Preisen der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital entsprechende Unterschiede i n den Produktpreisen. 114 115

S. 32 f. S. 53 f. S. 64 f.

IV. Das Gesetz der komparativen Kosten (der komparativen Preise)

55

Diese internationalen Preisunterschiede rufen einen internationalen Handel hervor, der direkt auf einen internationalen Ausgleich der Warenpreise hintendiert. Indirekt w i r d durch den internationalen Handel zugleich tendenziell ein Ausgleich der Preise der Produktionsfaktoren erreicht 1 1 7 . A n unseren Schlußfolgerungen würde sich, wie schon angedeutet, nichts ändern, wenn ein Land alle Güter billiger, d. h. mit Einsatz geringerer Mengen sämtlicher Produktionsfaktoren, herstellen könnte als ein anderes Land. A l l e i n entscheidend dafür, daß internationaler Handel Vorteil bringt, ist die Tatsache, daß ein Land gewisse Güter m i t relativ geringerem Einsatz von Faktoren herzustellen vermag als andere Güter, verglichen m i t den Produktionsmöglichkeiten eines anderen Landes 1 1 8 . Vollständige Spezialisierung eines Landes i n der Produktion einzelner Güter kann, wenn Massenproduktion m i t Kostendegression verbunden ist, zu einer beträchtlichen Erhöhung der Weltproduktion führen. Freihandel setzt nationale Kartelle und Konzerne der Konkurrenz der ganzen übrigen Welt aus und muß daher zu einer Erhöhung des Wettbewerbsgrades mit der daraus zu erwartenden Allokationsverbesserung führen 1 1 0 . Die Differenzen zwischen den Faktorpreisen, die vor Aufnahme des Außenhandels existierten, werden zumindest teilweise beseitigt, wenn sich jedes Land auf die Produktion jenes Gutes spezialisiert, das den weniger knappen Faktor besonders stark beansprucht. Während Ricardo glaubte, daß Unterschiede i n den Faktorpreisen nur zu beseitigen wären, wenn internationale Wanderungen der Produktionsfaktoren möglich sind, zeigt sich nunmehr, daß die Beweglichkeit der Güter die mangelnde Faktormobilität zum Teil ersetzen kann 120. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, muß bei freiem Außenhandel der Preis eines beliebigen Produktionsfaktors i m Inland dem Preis des gleichen Faktors i m Ausland entsprechen, auch wenn die internationale Mobilität der Produktionsfaktoren nicht gewährleistet ist. Die Beweglichkeit der Güter wäre dann ein voller Ersatz für die Beweglichkeit der Produktionsfaktoren 1 2 1 . Die Hindernisse, die sich einer Anpassung der Faktorpreise i n den Weg stellen, sind jedoch derart groß, daß niemals ein vollständiger Ausgleich, sondern bestenfalls eine Annäherung zu erwarten ist, da die Produktionsfaktoren eben nicht v o l l mobil sind 1 2 2 . 117 118 119 120 121 122

Kruse, S. 45. Vgl. Sohmen, S. 69 f. Sohmen, S. 70. Rose, S. 212. Vgl. Rose, S. 214. S. 227.

56

B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

Kann man also einerseits feststellen, daß der Außenhandel durch unterschiedliche Faktorausstattungen bedingt ist, so werden andererseits auch umgekehrt Divergenzen i n den relativen Faktorbeständen zweier Länder durch den Außenhandel selbst hervorgerufen. Der Außenhandel ist also zugleich Folge und Ursache unterschiedlicher Faktorproportionen. Das m i t reichlich Arbeit ausgestattete Inland stellt sich z. B. auf die Produktion und den Export des arbeitsintensiven Gutes 1 ein, so daß die Lohnsätze gegenüber dem autarken Zustand zu steigen tendieren. Reagiert das Arbeitsangebot auf Lohnerhöhungen positiv, so wächst die Zahl der verfügbaren Arbeitseinheiten — m i t der Folge, daß das Verhältnis zwischen Arbeits- und Bodenmenge, das schon i m Ausgangszustand größer als i m Ausland war, sich i n noch stärkerem Maße von den entsprechenden Proportionen i m Ausland entfernt. Bei inversen Reaktionen des Arbeitsangebots können die Unterschiede i n den Faktorproportionen allerdings gemildert werden. Natürlich w i r d die Divergenz desto größer werden, je mehr gleichzeitig das Arbeitsangebot i m Ausland sinkt, das Bodenangebot i m Ausland steigt und i m Inland abnimmt — Veränderungen, die zu erwarten sind, wenn die Angebotselastizitäten für alle Faktoren größer als N u l l sind, Faktormengen und Faktorpreise sich also i n die gleiche Richtung bewegen. Diese Änderungen i n den Faktorproportionen, die durch den Außenhandel bedingt sind, machen es i n der Folge möglich, den Grad der Spezialisierung und damit das Ausmaß der Handelsbeziehungen noch weiter zu vergrößern 1 2 3 . „Nachdem Divergenzen i n den Faktorproportionen zur Aufnahme des Außenhandels geführt haben, verstärkt der Außenhandel diese Divergenzen, die ihrerseits den Grundstein legen f ü r eine weitere Ausdehnung der H a n delsbeziehungen. „Der Außenhandel ist die Ursache f ü r die Verstärkung des Außenhandels" — so könnte man die Zusammenhänge schlagwortartig, wenn auch i n vereinfachter F o r m u n d unter Ausschaltung vieler störender F a k toren, vor allem auf der Nachfrageseite, charakterisieren." 1 2 4

Handelsbeziehungen werden zwar durch komparative Kostendifferenzen möglich gemacht, aber eben diese Handelsbeziehungen tragen dazu bei, die komparativen Kosten selbst zu verändern 125. U m sich ein B i l d über den Nutzen zu machen, der der Außenwirtschaft zuzuschreiben ist, hat man (individuelle und gesellschaftliche) Indifferenzkurven konstruiert und hat diese definiert als den geometrischen Ort aller Kombinationen zweier Güter Nr. 1 und Nr. 2, die dem Haushalt gleichen Nutzen stiften, bzw. als geometrischen Ort aller Güterbündel, die der Gesellschaft die gleiche Wohlfahrt stiften 1 2 6 . 123

S. 228. Rose, S. 229. 125 S. 231. ™ S. 232 ff. 124

V. Das reale Austauschverhältnis

57

Bei starker Nachfrage nach Gut 1 i m Inland und nach Gut 2 i m Ausland ist der relative Preis des Gutes 1 i m Inland höher und der des Gutes 2 geringer als i m Ausland (Preislinie I ist steiler als II), obwohl Gut 1 i m Inland und Gut 2 i m Ausland mit niedrigeren relativen Kosten herzustellen sind: Die Produkte mit einem komparativen KostenVorteil haben einen komparativen Preisnachteil 127. „Beide Länder exportieren also solche Waren, die i m anderen L a n d günstiger herzustellen sind, u n d importieren folglich andere Güter, die sich besser zur Produktion i m eigenen L a n d eignen. Dennoch bringt auch hier der Außenhandel Vorteile, w e i l es beiden Ländern möglich ist, ihre Transformationskurve zu verlassen u n d mehr von beiden Gütern, zumindest aber von einem Gute zu verbrauchen, als es die eigenen Produktionsmöglichkeiten erlauben würden. Wenn der Außenhandel eine andere Richtung n i m m t , als nach Lage der Kostenvorteile zu erwarten wäre, so läßt sich dieses Abweichen von der „normalen" Richtung n u r durch die Tatsache erklären, daß kostenbedingte Preisvorteile durch die besondere S t r u k t u r der Nachfrage aufgehoben u n d ins Gegenteil verkehrt werden. Nicht Differenzen in den komparativen Kosten, sondern Unterschiede den relativen Preisen sind es, die Außenhandel möglich machen." 128

in

Es mag zunächst paradox erscheinen, daß sich die Wohlfahrt eines Landes nach einer Produktivitätserhöhung i n der Exportgüterindustrie verschlechtern kann; aber kann nicht auch eine gute Ernte das Einkommen der Landwirtschaft verringern? Die Zusammenhänge sind genau die gleichen. Ebenso wie eine gute Ernte die Preise der Agrarprodukte (und damit evtl. die Einkommen) sinken läßt, mag auch eine Produktivitätserhöhung i n der Exportgüterindustrie die Preise dieser Güter so stark fallen, d. h. die relativen Importgüterpreise so stark steigen lassen, daß die wohlfahrtsmindernde Wirkung der Verschlechterung des Tauschverhältnisses größer ist als der positive Wohlfahrtseffekt der inländischen Produktionssteigerung. Manche Entwicklungsländer, die eine Zunahme ihrer Rohstoffproduktion m i t sinkenden Exportgüterpreisen bezahlen müssen, bieten dafür Beispiele. Aber man sollte diesen Fall nicht verallgemeinern. Wenn sich die terms of trade nur wenig verschlechtern, dürfte die positive Wohlfahrtswirkung wohl die Oberhand behalten 1 2 9 . V. Das reale Austauschverhältnis Das Austauschverhältnis zwischen je zwei Gütern — ganz allgemein — ist bestimmt durch das Verhältnis jener Mengen, die das Produkt gleichwertiger Produktionsmittel sind, d. h. derjenigen Produktionsmittel, die an der Grenze einander ersetzen können. M i t anderen Wor127 128 129

S. 252. Rose, S. 252. S. 296.

58

B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

ten: Das Austauschverhältnis ist gleich dem (indirekten) Substitutionsverhältnis ( = opportunity cost) 130 . Das Verhältnis der Menge der eingeführten Güter zu der Menge der ausgeführten Güter, das Verhältnis der ausgetauschten realen Gütermengen also, bezeichnet man als das „reale Austauschverhältnis" 131 . Unter dem Netto-Tauschverhältnis versteht Taussig das Verhältnis, i n dem die Import- zu den Exportpreisen stehen. Für das reale Austauschverhältnis ursächlich bestimmend ist die Relation, i n dem die Intensität der Auslandsnachfrage nach Inlandsgütern zur Intensität der Inlandsnachfrage nach Auslandsgütern steht. Ein günstiges Austauschverhältnis w i r d immer dann realisiert sein, wenn die Intensität der Auslandsnachfrage nach Inlandsgütern groß und die Intensität der Inlandsnachfrage nach Auslandsgütern gering ist. Ob bei einseitigen (exogen bedingten) Wertübertragungen die empfangende Volkswirtschaft einen Gewinn erzielt oder aber einen Verlust erleidet, ist davon abhängig, ob diese Leistungen auf ihre wirtschaftliche Entwicklung — infolge einer Verbesserung i n der Kombination der Produktionsfaktoren — einen expansiven, oder aber ob sie — infolge einer Verschlechterung i n der Kombination der Produktionsfaktoren — einen kontraktiven Einfluß ausüben. I m letzteren Falle werden die einseitigen Wertübertragungen einen Verlust darstellen; i m erstgenannten Falle w i r d hingegen immer dann ein Gewinn aus ihnen entstehen, wenn die durch die außenwirtschaftlichen Leistungen induzierte Steigerung i m Umfange der Erzeugung bzw. die sich hieraus ergebende Kostendegression zu einer Ersparnis an Kosten führt, die — i m volkswirtschaftlichen Rahmen — größer ist als die dem Auslande zu erstattenden Leistungen. Nach Kruse 1 3 2 stellt man zur Beurteilung des realen Austauschverhältnisses das Verhältnis der Exportgüterpreise zu den Importgüterpreisen zu verschiedenen Zeitpunkten einander gegenüber, i n algebraischer Form also P * i . P*o Pnij ' Pm 0 ' wobei Px der Index der Exportgüterpreise, Pm der Index der Importgüterpreise ist und die Ziffern o bzw. 1 für das Basis jähr bzw. für einen späteren Zeitpunkt stehen. Ein Sinken des späteren Bruchwertes gegenüber dem Bruchwert des Basisjahres gilt als Verschlechterung und ein entsprechendes Steigen 130 131 132

Haberler, S. 137. Forstmann, S. 129 ff. S. 58 f.

V. Das reale Austauschverhältnis

59

als Verbesserung des realen Austauschverhältnisses, wobei man die Verschlechterung m i t einer nachteiligen und die Verbesserung mit einer günstigen Wirkung für die Volkswirtschaft gleichsetzt. Dieses Werturteil gründet sich auf die Überlegung, daß man bei einer „Verbesserung", also bei einem Steigen der Meßziffer gegenüber dem früheren Zeitpunkt, i m Austausch für die gleiche Exportgütermenge eine größere Importgütermenge erlangen kann oder für die gleiche Menge Importgüter nur eine geringere Menge von Exportgütern hingeben muß. Für das Partnerland oder die Partnerländer würde dementsprechend eine „Verschlechterung" des realen Austauschverhältnisses eintreten. Daß ein solches Werturteil über die jeweiligen Veränderungen der Terms of Trade aber wenig sinnvoll sein kann, w i r d deutlich, wenn man den U r sachen der Veränderung dieser Meßziffer nachgeht. Der inlandsbestimmte Grund einer „Verbesserung" oder „Verschlechterung" kann, abgesehen von Wechselkursänderungen, entweder i n der Änderung der Nachfrage nach Importgütern oder i n der Änderung des Angebots von Exportgütern liegen. Die inlandsbedingte Ursache des Nachfragerückganges kann aber sowohl eine Änderung der Bedürfnisse (Modeänderung z. B.) als auch eine Verbilligung von Substitutionsgütern (Nylon, Perlon z. B.) oder eine Verteuerung anderer lebenswichtiger Güter (also eine Minderung des Realeinkommens) oder eine Einkommensschrumpfung sein. Die „Verbesserung" des realen Austauschverhältnisses erlaubt somit keine Aussage darüber, ob sie als günstig oder ungünstig für die Volkswirtschaft anzusehen ist; sie kann u. U. ein Symptom für eine Verschlechterung der Wirtschaftslage sein. Rose 138 hat für seine Definition des Begriffes „reales Austauschverhältnis (terms of trade)" besonders hervorgehoben, daß es sich hierbei um ein in den gleichen Währungseinheiten ausgedrücktes Preisverhältnis zwischen Exporten und Importen, also oder —^ m

handelt, da diese Relation angibt, welche Importgütermengen die Volkswirtschaft durch Hergabe einer Einheit des Exportgutes zu kaufen vermag. Taussig hat darauf hingewiesen, daß man nicht von einem Verlust sprechen könne, wenn sich das internationale Tauschverhältnis gegen ein Land kehrt, w e i l die Nachfrage dieses Landes sich ausländischen Waren zugewendet hat. Denn eine Nachfrageverschiebung sei ein gewollter A k t und, wenn sich jemand entschließt, ohne gezwungen zu 133

S. 80 f.

60

B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

sein, andere Güter als bisher zu höheren Preisen zu kaufen, so tut er es, w e i l es i h m Vorteil bringt. Für derartige Beurteilungen muß man also stets den Vergleichszustand präzisieren. U m bei der Erörterung des „Vorteils" des internationalen Handels überhaupt realistisch zu bleiben, darf man verschiedene sich negativ auswirkende Umstände, wie Verteilungsverschiebungen und Reibungsverluste, nicht übersehen 184 . V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien) Zölle sind staatliche Abgaben, die erhoben werden, wenn Waren die Grenzen des Staats- bzw. Zollgebiets überschreiten, also exportiert, importiert oder nur durchgeschleust werden. Dementsprechend unterscheidet man zwischen Ausfuhr-, Einfuhr- und Durchfuhrzöllen, von denen Einfuhrzölle heute die bei weitem größte Bedeutung haben 1 3 5 . Die Einfuhrzölle stellen Dämme dar, welche das Ausströmen der Nachfrage aus einem gegebenen Gebiet behindern (jedoch nicht den Strom i n der entgegengesetzten Richtung, wenn ein solcher vorhanden ist). Wenn ein Teil der Nachfrage über den Damm hinausfließt, w i r d i m allgemeinen der Preis i m Inland denjenigen draußen um den Zollbetrag übersteigen. Wenn jedoch der Zoll vollständig prohibitiv ist, dann kann der Preis i m Inland zwischen dem Preis des Auslandes plus dem Zoll und dem Auslandspreis stehen. Wenn der Preis unmittelbar innerhalb des Dammes unter den Preis unmittelbar außerhalb fällt, so fließt Nachfrage von außen herein, und der Einfuhrzoll verliert seinen Sinn 1 3 6 . Haberler 137 hat die unmittelbare Wirkung eines Einzelzolls auf Preis und Absatz der betroffenen Ware wie folgt umschrieben: Steigende Kosten vorausgesetzt, bewirkt ein Einfuhrzoll des Einfuhrlandes oder ein Ausfuhrzoll des Ausfuhrlandes eine Preissteigerung i m Einfuhrland, eine Preissenkung i m Ausfuhrland, eine Produktionssteigerung sowie einen Absatzrückgang i m Einfuhrland und einen Produktionsrückgang sowie eine Absatzsteigerung i m Ausfuhrland. Die Preiswirkungen des Zolles verändern also andere ökonomische Größen. Rose138 hat dies so formuliert: Der Inlandsverbrauch des Gutes geht zurück. Die inländische Produktion steigt, was man den Schutzeffekt des Zolles (Kindleberger) nennen 154 135 138 137 138

Vgl. Haberler, S. 126 f. Vgl. Rose, S. 305. Vgl. Harrod I, S. 70 f. S. 166. S. 308.

V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien)

61

könnte. Die Produzentenrente wächst, während gleichzeitig die Konsumentenrente kleiner w i r d ; man könnte das als Umverteilungseffekt (Kindleberger) bezeichnen. Zölle haben aber auch noch weitere Wirkungen. Die die Gesamteinfuhr vermindernde Wirkung eines Zolles ebenso wie der schließlich dadurch bedingte Rückgang der Ausfuhr können dadurch abgeschwächt (und i n Extremfällen auch aufgehoben) werden, daß die Kaufkraft sich auf andere Einfuhrgüter richtet; statt Tee w i r d z. B. mehr Kaffee eingeführt oder statt Garne Gewebe, statt der Produktionsmittel das Produkt oder umgekehrt statt des Produktes die Produktionsmittel. I m allgemeinen bewirkt jeder Zoll aber — von Fällen der eben erwähnten A r t abgesehen — eine Schrumpfung des Außenhandelsvolumens, eine Einschränkung der internationalen Arbeitsteilung und eine Lockerung der Verbindung m i t der Weltwirtschaft. Daß ein Land überhaupt Zollpolitik betreibt, w i r d wirtschaftlich vielfach m i t der Furcht vor Monopolen begründet. Man fürchtet einerseits die Schädigung durch zu niedrige Importpreise, andererseits eine Belastung und Ausbeutung durch übermäßig hohe Preise. Durch defensive Zollpolitik kann man den zu niedrigen Importpreisen m i t Einfuhrzöllen entgegentreten, der Ausbeutung durch zu hohe Preise kann man durch zollpolitische Revanchemaßnahmen begegnen 139 . Agressive Zollpolitik versucht, den Zoll auf das Ausland abzuwälzen bzw. das reale Austauschverhältnis zu verbessern. Dies ist ganz oder doch zum Teil unter bestimmten Umständen möglich, indem der Gewinn, der daraus (für den Staat, dem die Zolleinnahmen zufließen) entsteht, unter Umständen den Verlust, den die Konsumenten erleiden, übersteigt, so daß der Zoll per saldo für die heimische Volkswirtschaft von Vorteil sein kann. Es ist das eines der wenigen diskutablen Zollargumente rein statischer Natur. Wenn Deutschland auf Weizen einen Einfuhrzoll von z. B. 20 M pro 100 kg einführt und der Preis daraufhin i n Deutschland um 20 M steigt, so zahle nicht der Ausländer, sondern der inländische Konsument den vollen Zoll. Wenn jedoch infolge verminderter Nachfrage Deutschlands der Auslandspreis fällt, beispielsweise u m 2 M, und daher der Inlandspreis nur u m 18 M steigt, könne man sagen, daß das Ausland einen Beitrag von 2 M pro 100 kg der nach Einführung des Zolles importierten Menge zu den deutschen Zolleinnahmen leistet 1 4 0 . Auch wenn der inländische Konsument den vollen Zoll zahlt, kann das Ausland durch den Zoll geschädigt werden, wenn es durch Steigerung der inländischen Produktion zurückgedrängt wird. Allerdings könnte dann — streng theoretisch — der Inlandspreis meist nicht u m den vollen Zollbetrag ge139 140

Vgl. Haberler, S. 177. Ebd., S. 215 f.

B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

62

stiegen sein, da ein Umsatzrückgang beim Auslandsangebot meist nur i m Zusammenhang mit einer Preisfalltendenz infolge des Sinkens der Grenzproduktionskosten i m Ausland denkbar erscheint. I n diesen Fällen dürfte es sich aber meist nur u m kleine Differenzen handeln, die praktisch nicht ins Gewicht fallen. Wenn aber das ausländische Angebot verhältnismäßig unelastisch ist, so ist es denkbar, daß ein genügender Nachfragerückgang i m Inlande hier den Preis überhaupt nicht steigen läßt und das Ausland den ganzen Zoll trägt. Offensichtlich hängt es also von den Angebots- und Nachfrageelastizitäten i n beiden Ländern ab 1 4 1 , i n welchem Maße sich die Handelspartner i n die Preiswirkungen des Zolls zu teilen haben. Der Inlandspreis (Auslandspreis) w i r d um so weniger (stärker) steigen (sinken), je elastischer Angebot und Nachfrage i m Inland und je kleiner die entsprechenden Elastizitäten i m Ausland sind. Trotz Einführung des Zolles könnten größere Preissteigerungen vermieden werden, w e i l bei stark steigendem Inlandsangebot die Nachfrage i n größerem Umfange schrumpft, während gleichzeitig die ausländischen Produzenten ihr A n gebot nur i n geringerem Maße einschränken, ohne ein Absatzventil i m eigenen Land finden zu können. Daß ein Einfuhrzoll überhaupt die realen Austauschverhältnisse für das Inland verbessert und daher der Zoll den Reichtum der Nation vergrößern muß 1 4 2 , ist nicht unbedingt richtig. Es darf daran erinnert werden, daß zugleich wegen der Minderung der internationalen Arbeitsteilung das Gesamtvolumen der Ein- und Ausfuhren zurückgeht. Das den Zoll erhebende Land zieht somit zwar einen größeren Gewinn aus der Einheit der exportierten oder importierten Ware, dies aber bei kleinerem Volumen seines internationalen Handels. Einschränkung des internationalen Handels ist aber für die Beteiligten, also auch für das zollerhebende Land, gleichbedeutend m i t einer Minderung des Realeinkommens. Die Verbesserung des realen Austauschverhältnisses w i r k t zwar tendenziell einkommensteigernd, die Außenhandelsschrumpfung aber einkommenmindernd. Ob hieraus ein nationaler Nettogewinn oder Nettoverlust entsteht, ist von den jeweiligen Bedingungen abhängig. Da der Umfang des Außenhandels zurückgeht, muß auch w eltwirtschaftlich ein Reichtumsverlust die Folge sein. Gewinnt demnach wirklich ein Land infolge seiner protektionistischen Maßnahmen, so muß das notwendigerweise auf Kosten anderer Länder gehen. Es läßt sich allgemein die Schlußfolgerung ziehen, daß mäßige Einfuhrzölle durchaus nicht von vornherein gegen das nationalwirtschaftliche Gesamtinteresse gerichtet sein müssen. Solange der Gewinn aus 141 142

Vgl. Rose, S. 307. Vgl. zum Folgenden Kruse, S. 333 ff.

V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien)

63

der Verbesserung der realen Austauschverhältnisse größer ist als der Verlust aus Desintegration der Weltwirtschaft, läßt sich die Zollpolitik der Nationalstaaten vielmehr mit der Handlungsweise eines Monopolisten vergleichen, der einen für ihn günstigen Preis festsetzt, sich dafür allerdings mit einer kleineren Absatzmenge abfinden muß. Hier kann der einzelne gewinnen, während die Gesamtheit allerdings verliert. Ebenso i n der Weltwirtschaft: Die einzelne Nationalwirtschaft kann gewinnen, die Weltwirtschaft als ganzes aber nur verlieren. Verschlimmernd kommt hier jedoch hinzu, daß i n der Weltwirtschaft i m Gegensatz zu den Konsumenten innerhalb einer Volkswirtschaft die geschädigten Nationalwirtschaften sich wehren können (Retorsionszölle) und die Schäden dadurch noch vergrößern, daß die Gegenmaßnahmen über das angemessene Maß hinaus getrieben werden. Wenn es durch Einführung eines Zolles gelingt, das Weltmarkttauschverhältnis zwischen Export- und Importgütern zugunsten des Inlandes zu verschieben 143 , erhält das Land für jede exportierte Gütereinheit — wie gesagt — eine größere Menge an Importgütern als i n der Freihandelssituation. Daher kann der terms of trade-Effekt die Wohlfahrt des Landes erhöhen. Neben der Verbesserung der terms of trade hat der Zoll jedoch — wie ebenfalls bereits erwähnt — noch eine zweite W i r kung: Er reduziert das Handelsvolumen, wodurch die Wohlfahrt negat i v beeinflußt wird. Daher kann eine Zollerhöhung die Position der Gesellschaft so lange verbessern, wie der „Grenzgewinn an Wohlfahrt", der m i t dem Preiseffekt verbunden ist, den „Grenzverlust an Wohlfahrt" übersteigt, welcher sich aus dem Rückgang des Austauschvolumens ergibt. Derjenige Zoll unter allen Zollsätzen eines Landes heißt optimal, welcher das Weltmarktpreisverhältnis so beeinflußt, daß das den Zoll erhebende Land auf die höchstmögliche Indifferenzkurve gelangt. Die Zollpolitik eines Landes ist — wie erwähnt — der Preispolitik des Monopolisten vergleichbar, weil die Verbesserung des Preisverhältnisses nur so lange zu einer Wohlfahrtssteigerung führt, wie nicht die Verringerung des Importvolumens die Oberhand behält. M i t Hilfe der Optimalzolltheorie w i r d gezeigt, daß das zollerhebende Land die Wohlfahrt zu seinen Gunsten verändern kann. Würde es dann nicht naheliegen, den Freihandel durch Zölle zu ersetzen, also die Chance zu nutzen, den bei Freihandel erreichbaren Wohlfahrtsgrad durch die Einführung von Zöllen zu verbessern? Nichts wäre indessen falscher als eine solche Konsequenz. Theorien m i t rigorosen und vereinfachenden Annahmen eignen sich nicht als Basis wirtschaftspolitischen Handelns, es sei denn, man verfolgt das Ziel, massive Sonderinteressen irgendwelcher Gruppen mit dem Mäntelchen der Theorie notdürftig zu 143

Z u m Folgenden vgl. Rose, S. 319 ff.

64

B. Grundlagen des konomischen Imperialismus

verhüllen. Auch das Optimalzollargument beruht auf solchen einschränkenden Voraussetzungen, die genau bekannt sein müssen, bevor an eine Anwendung überhaupt gedacht werden kann. Zunächst müssen alle A n nahmen akzeptiert werden, die die Konstruktion eines gesellschaftlichen Systems von sich nicht schneidenden Indifferenzkurven möglich machen. Man muß also davon ausgehen, daß eine „optimale" Einkommensverteilung existiert, die durch Redistributionsmaßnahmen konserviert wird. Läßt man diese Annahme fallen, so werden sich die Kurven schneiden, und es ist möglich, daß es verschiedene Optimalzollsätze mit jeweils unterschiedlichen Verteilungen der wirtschaftlichen Wohlfahrt gibt. Sodann muß beachtet werden, daß die Einführung eines Zolles nicht nur die Importe sondern auch die Exporte vermindert, wenn der Handel — zumindest auf lange Sicht — ausgeglichen werden soll. Zwar mag es i n vielen Fällen möglich sein, die i m Exportgüterbereich freigesetzten Produktionsfaktoren anderweitig einzusetzen, doch kann auch Dauerarbeitslosigkeit entstehen, wenn die Umlenkung der Faktoren durch sachliche und räumliche Immobilitäten verhindert wird. Diese Frage bleibt i n der Optimalzolltheorie jedoch unberücksichtigt, w e i l unterstellt wird, daß auf den Güter- und Faktorenmärkten das Idealmodell der vollständigen Konkurrenz verwirklicht ist. Daher w i r d auch nicht beachtet, daß der Zoll den Auslandswettbewerb am Binnenmarkt verringert und es daher den inländischen Produzenten unter Umständen möglich macht, sich als Monopolisten zu verhalten. Neben weiteren Einwendungen, die die praktische Bedeutung der Optimalzolltheorie verringern, muß schließlich vor allem die Annahme, daß nur das eine, nicht aber auch das andere Land einen Zoll erhebt, als unrealistisch zurückgewiesen werden. Weil das zollerhebende Land seine Wohlfahrt nur auf Kosten des Handelspartners vermehren kann, muß immer mit der Möglichkeit von Gegenzöllen gerechnet werden, die den Zweck haben, eingetretene Wohlfahrtsverluste ganz oder teilweise rückgängig zu machen. So kann es zu einem Zollkrieg kommen. Erhebt nur ein Land Zölle, dann kann es seine Lage verbessern, erheben aber alle beiden Länder Zölle, so w i r d seine Position (und die des anderen Landes) verschlechtert. Keinem der beiden Länder ist es dann möglich, die terms of trade erheblich zu seinen Gunsten zu verändern. Die Rückkehr zum Freihandel erlaubt es aber beiden Ländern, Exporte und Importe zu erhöhen und somit an der internationalen Arbeitsteilung i n stärkerem Maße teilzuhaben. Handelt es sich um allgemeine (nicht Einzel-)Zölle, so werden diese (ohne eine Stärkung der außenwirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit der eigenen Industrie zu bewirken, ja sogar unter Schwächung dieser Konkurrenzfähigkeit durch Steigerung der Grenzkosten) nichts weiter

V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien)

65

bewirken können als eine dem Grade ihrer wirtschaftlichen Illegitimität entsprechende Verteuerung der Lebenshaltung. Sie begünstigen weiter eine Aufzucht von Industriezweigen, die nur unter einem Zollschutz rentabel, also grundsätzlich gesehen, volkswirtschaftlich nicht legitimiert sind 1 4 4 . Einfuhrzölle vermindern das Volkseinkommen, gemessen i n den Veränderungen der Konsumenten- u n d Produzentenrenten sowohl i n dem Exportland als auch i n dem Einfuhrland 1 4 5 . Als indirekte Wirkung berührt die Erhebung von Zöllen nicht nur die Interessen der inländischen Produzenten und Konsumenten, sondern in hohem Maße auch die der ausländischen Produzenten und — in schwächerem Maße — der ausländischen Konsumenten. Die Hersteller und Lieferanten der durch den Zoll betroffenen Ware i m Ausland erleiden zweifellos einen Schaden. I m Gegensatz zu den geschädigten inländischen Konsumenten finden die ausländischen Produzenten nicht selten Gehör bei ihrer Regierung, wenn sie Gegenmaßnahmen fordern. Die exportierenden Volkswirtschaften werden m i t handelspolitischen Vergeltungsmaßnahmen antworten. Solche Gegenmaßnahmen sind insbesondere Retorsionszölle, die als Kampfzölle zur Aufgabe des diskriminierenden Zolles führen sollen und unmittelbar auch die Schädigung des Partnerlandes zum Ziel haben. Der zollerhebenden Volkswirtschaft wird, wenn der Handelspartner nicht auch tatsächlich zur Beseitigung oder zum teilweisen Abbau des Zolles gezwungen wird, damit ein weiterer Schaden zugefügt. Vergeltung u m der Vergeltung w i l l e n führt wegen der abermaligen Einschränkung des freien Handelsverkehrs nur zu weiterem eigenem Schaden. Es sind nun aber Fälle denkbar, i n denen trotz Minderung des Sozialprodukts das gesamte Lohnniveau einer Volkswirtschaft durch Schutzzölle erhöht wird. W i l l man den Anteil des Produktionsfaktors Arbeit am Gesamtertrag vergrößern, so kommt es darauf an, die Nachfrage nach Arbeit i m Vergleich zur Nachfrage nach anderen Produktionsfaktoren zu erhöhen. Die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sind i n verschiedenem Verhältnis zueinander i n den einzelnen Wirtschaftszweigen beschäftigt. Deshalb würde eine Verschiebung der Güternachfrage nach Waren, zu deren Herstellung viel Arbeit nötig ist, die Nachfrage nach Arbeit und damit tendenziell die Löhne erhöhen. A m deutlichsten t r i t t das zu Tage, wenn die Exportbranche überdurchschnittlich arbeitsextensiv und der auf dem heimischen Markt m i t der ausländischen Produktion konkurrierende Wirtschaftszweig arbeitsintensiv ist. Die Förderung der Inlandsproduktion auf Kosten der Exportproduktion 144 145

Vgl. Forstmann, S. 84. Vgl. hierzu u n d zum Folgenden Kruse, S. 300 ff.

5 Klafkowski

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B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

läßt das Einkommen aus Kapital und Boden absinken, das Einkommen aus Arbeit ansteigen. Das Ausland, i n das die Arbeitslosigkeit demnach zunächst „exportiert" wurde, w i r d seinerseits versuchen, die Arbeitslosigkeit durch protektionistische Maßnahmen weiterzugeben, wobei auch hier wieder die Hoffnung maßgebend ist, daß jeweils nicht das Inland, sondern das Ausland der Leidtragende sein wird. Man hat diese Wirtschaftspolitik i n den angelsächsischen Ländern treffend m i t „beggar my neighbour-policy" bezeichnet, nach jenem Kartenspiel, das dem deutschen Schwarzen Peter entspricht. Die Leidtragenden sind nicht nur die Handelspartner, sondern die gesamte Weltwirtschaft ist betroffen. Ein Beschäftigungsprotektionismus i n einem Währungssystem m i t flexiblen Wechselkursen ist jedoch grundsätzlich unmöglich 1 4 6 . Unter der Voraussetzung nicht flexibler Wechselkurse kann man auch so argumentieren: Werden die Einfuhrgüter durch den Zoll verteuert, so sinkt der Wert des Imports bei konstantem Wert des Exports 1 4 7 ; m i t h i n steigt ceteris paribus das Volkseinkommen und folglich die Beschäftigung. Daher scheint der Importzoll ein geeignetes Instrument der Beschäftigungspolitik zu sein. Der Enthusiasmus w i r d aber erheblich durch die Überlegung gedämpft, daß der Beschäftigungszuwachs i m zollerhebenden Land auf Kosten des Auslandes geht; denn der Exportüberschuß des einen Landes ist zugleich der Importüberschuß des anderen Landes. Und dieser bewirkt dort einen Kontraktionsprozeß. Die Arbeitslosigkeit w i r d also i m Rahmen der „beggar my neighbour-policy" i n das Ausland exportiert. Die anderen Länder haben deshalb allen Grund, Gegenmaßnahmen i n Form von Importbeschränkungen zu ergreifen. Daher erweist sich der Zoll letztlich doch als schwaches M i t t e l der Beschäftigungspolitik, und das u m so mehr, je stärker das Volkseinkommen i m Ausland durch den Zoll vermindert, der Export des Inlands durch Rückwirkungen und Retorsionsmaßnahmen verkleinert wird. Zölle 1 4 8 erhöhen i m allgemeinen die internationale Beweglichkeit der Produktionsfaktoren. Was insbesondere den Erziehungszoll betrifft, so dürfte er zwar universal theoretisch nur dann befürwortet werden können, wenn durch i h n eine bereits bestehende Entwicklung beschleunigt werden soll. Dann w i r d aber der durch den Zoll induzierte Kapitalstrom i m Inland die Menge des Produktionselements Kapital vermehren, was schon für sich allein betrachtet ein großer Gewinn für die Volkswirtschaft ist. Vor allem aber werden durch einen solchen Zoll Produktionsmittel zu Verwendungen gebracht, die einen größeren volks146 147 148

Vgl. Kruse, S. 448 f. Vgl. Rose, S. 351 f. Vgl. Kruse, S. 333.

V I . Zölle (Kontingente, Exportprämien)

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wirtschaftlichen Ertrag als vor der Zuwanderung aus dem Ausland abwerfen. Die i n diesen Unternehmungen verdienten und ins Ausland abfließenden Gewinne, Zinsen und Facharbeiterlöhne sind daher keinesfalls ein Ausfluß von Ausbeutung, solange die Inländer, die an der Produktion als Arbeiter, Kapitalgeber, Bodenbesitzer usw. mitwirken, keine niedrigeren Preise für ihre Güter und Leistungen bekommen, als sie dafür i n anderen inländischen Verwendungen erhalten würden. Es wäre denkbar, daß die durch den Zoll bedingte Produktionsausdehnung zu sinkenden Kosten erfolgt 1 4 9 , bis das Produktionsklima so verbessert ist, daß das Ausland seinen Produktionsvorteil verliert und die zollgeschützte Industrie auch ohne Zollschutz i n der Lage ist, dem Wettbewerb des Auslandes standzuhalten. Das auf der Ausnutzung von komparativen Kosten- bzw. Preisvorteilen beruhende Prinzip der internationalen Arbeitsteilung widerspricht nicht den Forderungen nach Erziehungszöllen. Die komparativen Kosten (Preise) werden durch solche Zölle nur geändert, die Handelsströme nur in andere Betten umgelenkt, aber es sind die (neuen) komparativen Kostendifferenzen (Preisdifferenzen) die die Richtung der neuen Ströme bestimmen. Ein solcher Zoll kann die Voraussetzung eines Freihandels auf gehobener Wohlfahrtsbasis sein. Ausfuhrzölle verhindern genauso wie grundsätzlich Einfuhrzölle den optimalen Einsatz der Produktionselemente 150 . Welches sind nun die Wirkungen von Kontingenten? Wenn bei der Eröffnung von Einfuhrkontingenten vom Importeur keine besondere staatliche Einfuhrabgabe zu zahlen ist, dann fließen die Einnahmen, die dem Fiskus bei Beschränkung des Imports durch einen Zoll zufallen würden, i n private Taschen. Wer diese „Kontingentsrente" schließlich bekommt, hängt von den jeweiligen Marktbedingungen ab. W i r d bei einer kurzen Ausschreibungsfrist des Kontingents die Stellung des ausländischen Exporteurs besonders stark, dann ist es denkbar, daß er den Verkaufspreis bis in die Nähe des Inlandspreises heraufsetzt und dadurch die Kontingentsrente an sich zieht. I n diesem Falle w i r d der volkswirtschaftliche Nachteil des Kontingents besonders deutlich. W i r d die Stellung des Exporteurs nicht so stark, so werden sich Ausländer und Inländer die Kontingentsrente teilen 1 5 1 . Ein den Zöllen sinngemäß korrespondierendes außenwirtschaftspolitisches M i t t e l ist die Exportförderung mittels Exportprämien 1 5 2 . 149 150 151 152

5*

Vgl. Rose, S. 341 ff. Kruse, S. 367. Vgl. Kruse, S. 374 f. Vgl. Forstmann, S. 89.

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B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

V I I . Bevölkerungszuwachs, Nahrungsmittel, Rohstoffe und Imperialismus (Kolonialismus) Schon frühzeitig mußte dem aufmerksamen Beobachter volkswirtschaftlicher Entwicklungen auffallen, daß die infolge der Zunahme der Bevölkerung steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Industrierohstoffen ceteris paribus nur m i t steigenden Kosten gedeckt werden kann. Wie schon vor i h m Hobson 1 5 3 hat Mombert darauf hingewiesen, daß, was vor allem auch die Daten der Handelsstatistik dartun, die Preise wichtiger Nahrungsmittel und Rohstoffe i m Laufe der Jahre zum Teil ganz erheblich gestiegen sind. Er hat darin vor allem auch eine bedeutungsvolle Ursache für die allgemeine Teuerung gesehen. Diese Erscheinung, die als das Gesetz vom sinkenden Ertrag — auch für die gewerbliche Produktion — formuliert worden ist, würde für ein Land i n dem Maße weniger problematisch sein, i n dem es sich aus eigenen Kolonien oder auf Grund freier wirtschaftlicher Bindungen aus anderen Ländern m i t den notwendigen Nahrungsmitteln und Rohstoffen besser versorgen könnte: „denn soweit einheimisches Kapital i n jenen tätig wäre, würde diese ungünstige Wirkung auf die Neubildung von Kapital nicht i n dem gleichen Maße und den gleichen Formen einzutreten brauchen 1 5 4 ". I n diesem zunehmenden Widerstreit zwischen Volkszahl und vor allem Nahrungsspielraum 1 5 5 haben w i r eine der tiefsten u n d wichtigsten Ursachen der Entwicklung des Imperialismus zu erkennen, einen Zusammenhang, der auch von zahlreichen Seiten durchaus richtig erkannt worden ist. Kjellen hat i h m Ausdruck gegeben. Ähnliche Gedankengänge hat Keynes i n seinem bekannten Buche „Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages" ausgesprochen. Den gleichen Gedanken hat auch E. Troeltsch 156 einmal während des ersten Weltkrieges m i t den folgenden Worten ausgedrückt: „Die Tatsache enorm gesteigerter Volksmassen begründet praktisch die Konkurrenz der Weltstaaten, die doch n u r i n den Dienst der Versorgung jener gestellt w i r d . Das begründet den Rückgang der liberal-humanitären 153 S. 174 f.: A nation w i t h growing population must either send a constant flow of population into other lands to grow food for themselves, or, failing this, i t must produce at home an ever-growing surplus of manufactures which evade the l a w of decreasing returns and find markets for them, so as to obtain payment i n food from foreign lands, which, i n their turn, are thus forced more quickly to experience the pinch of the same natural law. Vgl. hierzu E. van Dyke Robinson, Political Science Quarterly, Dec. 1900, War and Economics. 154 Mombert I , S. 78. 155 Z u m Folgenden vgl. Mombert I I , S. 383 f. 158 Deutsche Zukunft, B e r l i n 1916.

V I I . Bevölkerungszuwachs u n d Imperialismus (Kolonialismus)

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Bestrebungen i m Leben der Völker. Dadurch entsteht das natürliche A u s dehnungsbedürfnis der Staaten als sittliche Pflicht (!) den I n d i v i d u e n gegenüber."

Diese Hinweise, die sich noch leicht mehren ließen, mögen genügen, um darzutun, welch enger Zusammenhang zwischen dem Volkswachstum und den Ausdehnungsbestrebungen moderner Staaten, die man gemeinhin als imperialistisch bezeichnet, vorhanden ist. Andere Schriftsteller (z. B. Schumpeter) gehen bei der Betrachtung und Erklärung des Imperialismus an dem Momente des Volkswachstums gänzlich vorüber. Eine besondere Form nimmt der Imperialismus dort an, wo er sich zur Rechtfertigung seiner Expansionstendenzen des Volkstumsgedankens bedient und den Anspruch erhebt, Volksteile unter fremder Staatsgewalt i n mehr oder minder weitgehender Weise betreuen zu müssen 157 . Die Erkenntnis vom Zusammenhang der Bevölkerungsbewegung m i t dem Entstehen und Wachsen imperialistischer Bestrebungen hat dann auch zu Versuchen geführt, über große Gebiete, vielleicht auch über die ganze Welt, eine Monopolwirtschaft für Nahrungsmittel und Rohstoffe, einzuführen 1 5 8 . I n Ländern aber, deren Hauptexporterzeugnisse umgekehrt Nahrungsmittel und Rohstoffe sind, schwankt das Volkseinkommen i m Konjunkturverlauf beträchtlich, w e i l das A u f und A b der Preise dieser Erzeugnisse i m Wechsel der K o n j u n k t u r übermäßig groß ist. Besonders i n der Depression können die Preise dieser Güter relativ sehr viel tiefer sinken als die Preise der importierten Fertigprodukte. Durch die Verschlechterung des realen internationalen Austauschverhältnisses sind die Agrar- und Rohstoffländer schweren Schädigungen ausgesetzt. Aus diesen und anderen nachteiligen Folgen dynamischer Änderungen und zyklischer Preisschwankungen hat die Wirtschaftspolitik der betroffenen Länder die Konsequenz gezogen und versucht, durch Einschränkungen des freien Außenhandels das Risiko zu mindern und das Volkseinkommen oder die Wohlfahrt zwar nicht i n der Gegenwart, dafür aber auf einen längeren Zeitraum hinaus zu maximieren. Es kommt eben nicht unbedingt darauf an, das Maximum an Volkseinkommen oder Wohlfahrt i n der Gegenwart zu erreichen. Wirtschaftlich, aber auch politisch bedenklich wäre es, wenn, was m i t unter vorkommt, inländische Unternehmungen durch ausländische Beteiligung u. U. i n ein Abhängigkeitsverhältnis auf dem Gebiet der Rohstoffbelieferung und der Absatzverpflichtung geraten 1 5 9 . 157 158 159

Vgl. N o l l von der Nahmer, S. 58. Vgl. Schnee, S. 45, S. 77; N o l l von der Nahmer, S. 19, S. 57. Vgl. Kruse, S. 61.

B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

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Die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit für ein Land, durch Bereitstellung eines Teiles seiner Produktion für die Ausfuhr die Nahrungsmittel- und Rohstoffeinfuhren zu ermöglichen, die es braucht, u m leben zu können, gilt daher auch als Maßstab für die Beurteilung z. B. von Ausfuhrsubventionen 1 6 0 . Dabei spielt auch die Bildung von Ausfuhrkartellen der Industrie zur einheitlichen Gestaltung von Preis- und Lieferbedingungen und dadurch erleichterten Einfuhr von Nahrungsmitteln und begehrten Rohstoffen eine besondere Rolle 1 6 1 . Heimann 162 hält es für eine höchst überraschende Tatsache, daß die industriell fortgeschrittenen „imperialistischen" Nationen der westlichen Zivilisation ihre imperialen Besitzungen mehr oder weniger unterentwickelt gelassen haben. I n der Regel wurden nur die kolonialen Gebiete m i t Rohstoffvorkommen für die Industrien des Mutterlandes voll entwickelt und mehr oder weniger monopolisiert. Die marxistischen Schriftsteller hätten es nicht leicht zu erklären, warum das Kapital des „Mutterlandes" i m eigenen Lande durch dessen Industrialisierung Profite erzielen soll, aber i n den Kolonien dadurch, daß es sie unterentwickelt hält. Nach Marx gebe es keinen anderen Weg zum Profit als über die Beschäftigung und Ausbeutung besitzloser Arbeiter. Und es liege auf der Hand, daß unorganisierte, unterdrückte farbige Arbeiter schließlich genau so gut eine Möglichkeit zur Ausbeutung bieten, wie 150 Jahre vorher die Arbeiter i m eigenen Lande. Wenn das Existenzminimum und das Lohnniveau i n den Kolonien niedriger sei als i n den weißen Ländern, enthielten die Arbeitswerte (und sogar die Produktionspreise) eine höhere Profitrate, und diese würde einem Fallen der Profitrate für das i m Inland investierte Kapital entgegenwirken. Es muß aber wohl beachtet werden, daß brauchbare Arbeitskräfte erst herangebildet werden müssen, und daß sich nicht alle Menschenrassen schon i m Hinblick auf die verschiedenen Klimata dazu eignen. Das Ziel der merkantilistischen Kolonisationspolitik war, wie v. Philippovich 163 zusammenfassend bemerkt hat: l.eine Produktenausfuhr aus den Kolonien soll nur nach dem Mutterlande stattfinden; 2. die Einfuhr von Gütern aus fremden Ländern i n die Kolonien w i r d verboten oder beschränkt; 3. die Produktion von Industrieartikeln i n den Kolonien w i r d auf Verarbeitung von Rohstoffen beschränkt, die i n den Kolonien gewonnen worden sind; 4. i n das M u t terland dürfen Kolonialprodukte nur aus den Kolonien gebracht werden; 5. der Transport von Waren von und zu den Kolonien ist auf Schiffe des Mutterlandes beschränkt. 160 161 182 163

Vgl. L a n k , S. 27. Ebd., S. 61. I , S. 190 f. S. 343.

V I I . Bevölkerungszuwachs und Imperialismus (Kolonialismus)

71

Das Ziel war also die Monopolisierung der industriellen Produktion und des Schiffsverkehrs zugunsten des Mutterlandes. I n seinem Werk „Der moderne Kapitalismus", 1. Band, 1. Halbbd., S. 430 ff., gibt Sombart einen Überblick über die Kolonialpolitik. Die Bedeutung der Koloniälwirtschaft w i r d an verschiedenen anderen Stellen des Werkes gewürdigt. I m 1. Bd., 2. Halbbd., S. 687 ff., berichtet Sombart über die Sklavenwirtschaft i n den Kolonien. Hasse 164 unterscheidet von der Kolonisation die Kultivation. Er hält die letztere für eine ungleich schwierigere Aufgabe, aber sie sei auch nicht um ebensoviel, sondern etwa i m verdoppelten Verhältnis rentabler als die Kolonisation. Insbesondere der Handelsverkehr der Stammländer mit Kultivalländern sei sehr viel rentabler als derjenige mit Kolonialländern. Je größer die kulturelle Verschiedenheit zweier handeltreibender Länder oder Völker sei, desto größer werde auch die Rentabilität des Handels sein. Daß es sich mindestens i n den Tropen für die Europäer nicht u m ein geflissentliches Zurückdrängen einer augenblicklich oder auch dauernd wirtschaftlich minderbegabten Rasse zugunsten einer wirtschaftlich tüchtigeren handeln darf, beweist, worauf Michels 165 hingewiesen hat, die Beobachtung, daß i n diesen Gegenden die Mehrzahl der eingewanderten europäischen Familien nicht über drei Generationen hinauskommt. Das durch klimatische Einflüsse bedingte Aussterben der Europäer schließe die Möglichkeit, daß die wirtschaftlicheren Europäer allgemein als Ersatz für die Eingeborenenbevölkerung dienen könnten, von vornherein aus. Die Weltwirtschaft könne keine Rasse missen. Schon Hobson 166 hat davor gewarnt, daß der Kolonialismus (the attempt to govern „lower races") die Nation unweigerlich zum Militarismus treibt, hierfür die finanziellen Hilfsquellen des Landes erschöpft und die Durchführung produktiver öffentlicher Projekte ausschöpft und damit der Nachwelt schwere Verpflichtungen auflädt. Es könnte scheinen, so bemerkt Schumpeter 1* 1, als ob gegenüber ebenfalls „hochkapitalistischen", z. B. europäischen Ländern kein solches Expansionsinteresse bestünde, weil ihre Industrie den heimischen K a r tellen nur Konkurrenz machen würde. Aber es genüge, daß die Industrie des erobernden Staates der des unterworfenen an Kapitalkraft, Organisation, Intelligenz, Selbstbewußtsein überlegen ist, u m den unterworfenen Staat nicht ganz so, aber sehr ähnlich behandeln zu können wie eine Kolonie, mag man auch mit einzelnen, besonders mächtigen Interessentengruppen paktieren müssen. Viel wichtiger noch sei: Der 164 165 166 167

S. 705. S. 102. S. 128 f., S. 152. S. 134.

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B. Grundlagen des ökonomischen Imperialismus

Eroberer könne dem unterworfenen Volk i n der Haltung des Siegers gegenübertreten. Er habe zahllose Mittel, ihm seine Rohstofflager usw. zu rauben. Es gab schon früher aber auch Stimmen 1 6 8 , die gemeint haben, das Kolonisieren sei nichts anderes als ein Ausweg aus der zunächst bestehenden Unmöglichkeit, starke soziale Ideen zu verwirklichen. Bei der gegenwärtigen Ausstattung mit industriellen Produktionsanlagen und bei dem augenblicklichen Stand der Landwirtschaft ist der Lebensstandard i n manch einem Lande verhältnismäßig niedrig. Die Begriffe Übervölkerung bzw. Untervölkerung sind nicht absolut, sondern relativ zu verstehen. Wenn bei Anwachsen der Bevölkerung der Lebensstandard zu steigen tendiert, liegt Untervölkerung vor, wenn er jedoch zu sinken tendiert, Übervölkerung 1 6 9 . Solange also das größtmögliche Sozialprodukt je Kopf bei anwachsender Arbeitsbevölkerung noch nicht erreicht ist, befindet sich das Land i m Stadium der Untervölkerung. Nach Überschreiten des Optimums nimmt das Sozialprodukt je Kopf bei weiter wachsender Arbeitsbevölkerung ab, und das Land gelangt i n das Stadium der Übervölkerung 1 7 0 . Gegenüber der früher üblichen saisonbedingten internationalen Wanderarbeit spielt i n neuerer Zeit das Problem der ausländischen Gastarbeiter, die also für längere Zeit oder für immer i m Lande bleiben, eine größere Rolle. Wenn die Arbeiterknappheit mit der Konjunkturlage wechselt oder z. B. Furcht vor Überfremdungsgefahr (Schweiz) einen plötzlichen Umschwung dieses Teiles der Außenwirtschaftspolitik i n einem Einwanderungslande herbeiführt, w i r d ein Teil des Beschäftigungsrisikos seitens der Einwanderungsländer auf das Ausland abgewälzt. Ganz abgesehen von den mitunter aufgewandten Erziehungs- und Ausbildungskosten trägt das Auswanderungsland die Lasten der Sozialausgaben bei A r beitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit, wenn die Arbeitskräfte i n der Krise oder aus anderen Gründen wieder i n die Heimat zurückkehren müssen, sofern nicht internationale Verträge die erwähnten Kosten anders verteilen. Auch i n der Gestaltung dieser Verhältnisse kann eine Form des Imperialismus gesehen werden. I m Hinblick auf von Sternberg 171 geäußerte Bedenken w i r d man sich wohl damit abzufinden haben, daß Länder, die von Rohstoffeinfuhren stärker abhängig sind, sich künftig m i t Rohstoffen mehr werden einrichten, also insoweit ihre Akkumulationsrate werden einschränken müssen. 188 169 170 171

Z. B. Steiner, S. 81. Vgl. Kruse, S. 67. Vgl. Kruse, S. 75. I I , S. 62.

C. Die Technik des internationalen Zahlungsausgleiches A u f lange Sicht spielt es für alle Beteiligten eine Rolle, ob die Exportüberschüsse i n Form a) einseitiger Schenkungen, b) langfristiger privater oder öffentlicher Anleihen, c) kurzfristiger Geldanlage oder d) durch Anhäufung von Gold und Devisen seitens der Zentralbank „finanziert" werden 1 7 2 . Müssen Auslandszahlungen geleistet werden, so ist, wenn das Land keinen Goldstandard besitzt, die Devisenmethode die einzige Möglichkeit, diese Auslandszahlungen zu leisten, und die Sätze unterliegen dem Einfluß des Angebots und der Nachfrage. Wie andere Preise müssen sie normalerweise das Angebot der Nachfrage anpassen 178 . Es kommt alsdann zu Transaktionen auf dem Devisenmarkt (dem Markt, auf dem die Währungen verschiedener Länder gehandelt werden). Kaufverträge über bestimmte Beträge verschiedener Währungen werden ebenso wie Kaufverträge über Güter zu bestimmten Preisen pro Einheit, den „Wechselkursen", abgeschlossen. Man erspart sich alle Risiken und Kosten des Transports, wenn man sich des Bankensystems bedient und die Schuld durch Belastung eines Kontos und Gutschrift auf einem anderen begleicht. Falls es eine Besonderheit gibt, welche die Devisenmärkte von den meisten anderen Märkten unterscheidet, so ist es ihr hoher Grad an „Vollkommenheit" nach dem Sprachgebrauch der Wirtschaftswissenschaft 174 . Einen i m wesentlichen noch heute gültigen instruktiven Abriß der Zahlungsausgleichs-Technik i n der Außenwirtschaft, insbesondere i m Außenhandel, hat Lexis 175 gegeben. Da die Kenntnis dieser Seite des Problems zum Verständnis des Folgenden erforderlich erscheint, sei aus den Ausführungen Lexis* das Wesentliche hier wiedergegeben: Der Wechsel bildet „noch immer das beste Hilfsmittel für die internationalen Zahlungsausgleichungen", „da sich m i t i h m eine Kreditgewährung verbindet, die aber eine strenge und präcise Form besitzt, fest terminiert ist und die größten Garantien der Sicherheit darbietet . . . " Der internationale Wechselverkehr vollzieht sich 172

173 174 175

Sohmen, S. 30.

Harrod I, S. 106.

Sohmen, S. 72 f. S. 623 ff.

74

C. Die Technik des internationalen Zahlungsausgleiches

„größtenteils durch V e r m i t t l u n g der Bankiers. E i n Kaufmann, der i n England Zahlungen zu leisten hat, k a n n allerdings etwa an der Berliner Börse selbst Wechsel auf jenes L a n d ankaufen, aber er w i r d häufig nicht die i h m gerade passende Summe finden oder aus mehreren Wechseln zusammensetzen k ö n nen, u n d auch die verschiedenen Verfallzeiten der einzelnen Wechsel bilden eine Unbequemlichkeit; überdies k a n n er die Güte der Wechsel meistens nicht genügend beurteilen u n d noch weniger weiß er, wie diese von dem englischen Gläubiger beurteilt w i r d . Es ist also einfacher u n d bequemer, wenn er sich von seinem Bankier einen von diesem selbst ausgestellten Wechsel oder auch eine Zahlungsanweisung i n dem gewünschten Betrage auf ein englisches B a n k haus geben läßt, u n d eine solche Rimesse w i r d auch dem englischen Empfänger am genehmsten sein. Das deutsche Bankhaus aber deckt seinerseits seine Wechsel oder Zahlungsanweisungen auf England durch Handelswechsel, die es entweder von K u n d e n übernimmt oder an der Börse ankauft, wobei es zugleich durch Diskontierungen sein K a p i t a l ausnutzt. So stehen also die Bankwechsel für den unmittelbaren internationalen Verkehr i m Vordergrunde. Sie sind gewissermaßen sekundäre Bildungen, denen die Handelswechsel als Grundlage dienen. Die Banken können auch unabhängig von dem Angebote i n Handelswechseln jeden verlangten Betrag i n Wechseln auf ein anderes L a n d von sich aus liefern, n u r müssen sie, w e n n sie die Deckung nicht vollständig i n Handelswechseln beschaffen können, i h r K o n t o bei ihren ausländischen Korrespondenten auf andere A r t ausgleichen. Zunächst erhalten sie vielleicht ungedeckten K r e d i t , aber i n nicht allzulanger Frist werden sie einen Gegenwert für die auf ihre Rechnung ausgezahlten Summen einsenden. So findet also auch die Ausgleichung des Überschusses der Wechselforderungen des einen Landes gegenüber denen eines anderen hauptsächlich durch die V e r m i t t l u n g der Bankiers statt. Daß ein solcher Überschuß zu Lasten des einen Landes vorhanden sei, oder daß, w i e man es auszudrücken pflegt, seine Zahlungsbilanz dem anderen gegenüber ungünstig sei, w i r d dem P u b l i k u m i n dem Steigen des Wechselkurses auf das letztere L a n d k u n d getan. Die Banken geben zwar, w i e gesagt, i m m e r noch Wechsel auf dieses L a n d ab, aber sie fordern eine besondere Vergütung f ü r die nicht mehr durch Handelswechsel mögliche Deckung derselben. Welche anderweitigen M i t t e l stehen ihnen n u n zur Zahlung einer Schuld i m Auslande zu Gebote? Zunächst könnten Wechsel auf dritte Länder i n Betracht kommen. Wenn i n Deutschland der Vorrat an Handelswechseln auf London erschöpft ist, findet sich vielleicht ein Überschuß von Wechseln auf Paris, was sich durch den niedrigen Preis derselben zu erkennen gibt. Wenn n u n gleichzeitig die „Devise" Paris i n London günstig steht, so besteht v i e l leicht die zweckmäßigste A r t , w i e eine deutsche Bank ihre Tratten auf London decken kann, darin, daß sie i n B e r l i n Wechsel auf Paris k a u f t u n d diese i n London f ü r ihre Rechnung verkaufen läßt; oder sie k a n n auch v i e l leicht den Weg über Paris nehmen, indem sie f ü r die gekauften Wechsel dort Wechsel auf London e r w i r b t u n d diese remittiert. I n beiden Fällen würde sie also zugleich ein Arbitragegeschäft machen." 1 7 6

Diese Ausführungen gehen natürlich von freien Wechselkursen aus. Sie gelten tendenziell aber auch für fixierte Kurse. 176

S. 625 f.

D. Die imperialistische Außenwirtschaft im Rahmen der allgemeinen Preistheorie I . Allgemeine Theorie Perroux 177 h a t k r i t i s i e r t , daß m a n sich z u m Z w e c k d e r A n a l y s e u n d sogar f ü r p r a k t i s c h e E m p f e h l u n g e n noch i m m e r einer T h e o r i e b e d i e n t , d e r e n G r u n d v o r a u s s e t z u n g e n n i r g e n d s d e r W i r k l i c h k e i t unserer W e l t entsprächen. D e n n i n u n s e r e r W e l t f i n d e n sich k e i n e f r e i e n M ä r k t e , k e i n e f r e i e K o n k u r r e n z , k e i n e „ l a n g e " P e r i o d e usw., f e r n e r k e i n e W ä h r u n g , d i e d e m A u t o m a t i s m u s des M a r k t e s z u H i l f e k o m m t u n d sogar eine gewisse S t a b i l i t ä t der B e z i e h u n g e n zwischen W e c h s e l k u r s u n d S a c h g ü t e r n sichert. Das klassische M o d e l l sei gerade eine U m k e h r u n g d e r beobachteten W i r k l i c h k e i t . „Die gewohnten Ansichten über den zwischenstaatlichen Verkehr u n d den internationalen Austausch hindern uns am Verständnis der W i r k l i c h k e i t u n d sogar an der Möglichkeit des Handelns, w e i l i n einem deutlichen Sinn die industrielle Produktion u n d der Güteraustausch — für Wohlstand i n Friedens zeiten, für Macht i n Kriegszeiten — nicht mehr von den V ö l k e r n u n d Staaten i m einzelnen abhängen, sondern n u r noch von i n Gruppen zusammengeschlossenen K r ä f t e n der Industrie u n d der Wirtschaft über Völker u n d Staaten hinweg, die nicht international i m alten Sinne, sondern vielmehr „ p l u r i n a tional" sind. Industrielle Produktionen u n d wirtschaftlicher Austausch hängen heute v i e l weniger von einzelnen „Volkswirtschaften" ab als noch i m 19. J a h r hundert u n d wie die bisherige Wirtschaftstheorie dies voraussetzte." 1 7 8 Z u der Frage der Unterschiede i m Produktivitätszuwachs u n d der S t ö r u n g e n i m G l e i c h g e w i c h t d e r Z a h l u n g s b i l a n z e n b e d i e n t sich P e r r o u x 1 7 9 d a n n aber selbst b i s z u e i n e m gewissen G r a d e des klassischen M o d e l l s . O h n e u n s m i t diesen seinen A u s f ü h r u n g e n i n a l l e n P u n k t e n z u i d e n t i f i z i e r e n , seien sie h i e r w i e d e r g e g e b e n : „Die Gleichgewichtsstörungen der Zahlungsbilanzen, die auf ungleiche Z u wachsraten der P r o d u k t i v i t ä t folgen, werden am klarsten u n d einfachsten durch ein Schema erklärt, das n u r zwei Wirtschaftsräume kennt: eine Volkswirtschaft A u n d den Rest der übrigen Welt R. I n jedem dieser beiden W i r t schaftsräume w i r d zunächst das Bestehen einer ungefähr vollkommenen K o n kurrenz angenommen. Beide Volkswirtschaften, so nehmen w i r weiter an, sind durch Handel i m klassischen S t i l miteinander unmittelbar verbunden. Weiter w i r d das Bestehen eines inneren Gleichgewichts innerhalb jedes Rau177 178 179

S. 235. S. 286. S. 340 ff.

76

D. Imperialistische Außenwirtschaft und allgemeine Preistheorie

mes vorausgesetzt, und schließlich soll auch von einem Raum zum anderen die Zahlungsbilanz vollkommen ausgeglichen sein. Nehmen w i r jetzt an, daß i m Lande A ein technischer Fortschritt die Produktionskosten, sagen w i r , u m 5 Prozent herabsetzt. Zwei theoretische Möglichkeiten bieten sich nun, die w i r zunächst einzeln untersuchen wollen; ihre Verbindung w i r d dann ebenfalls möglich sein. Die Verringerung der Produktionskosten kann i n einer allgemeinen proportionalen Herabsetzung der Preise ihren Ausdruck finden. Dann sinken die Preise der Exportgüter i m Staate A, und wenn die Nachfrage des Auslandes R nach diesen A r t i k e l n elastisch ist, dann w i r d die Ausfuhr von A zunehmen. Gleichzeitig w i r d auch i m Lande A die Einfuhr von Gütern aus R abnehmen; denn da die Inlandspreise sich ermäßigt haben, verringern sich auch die Preise für jene i m Inland erzeugten Güter, die an Stelle der aus R eingeführten, nunmehr ebenfalls zu geringeren Preisen angeboten werden können. Die Einwohner von A werden jetzt mehr i m eigenen Lande kaufen wollen. Gegenüber dem ursprünglichen Gleichgewicht der Zahlungsbilanzen t r i t t bei A jetzt ein Zahlungsbilanzüberschuß ein. Seine Ausfuhr steigt und seine Einfuhr sinkt. Es ändern sich außerdem die „terms of trade". Für einen Vergleich der Handelsabschlüsse zwischen A und R ist jetzt gegen früher der Preisindex der wichtigsten Exportgüter gesunken und der Preisindex für Importgüter gestiegen. I m Wirtschaftsraum R vollziehen sich symmetrische Veränderungen i n u m gekehrter Richtung. Die Störung des Gleichgewichtes i n A besteht weiter fort, solange es nicht durch eine ausgleichende K r a f t wiederhergestellt wird. Eine solche existiert tatsächlich. Der Uberschuß der Zahlungsbilanz von A vermehrt die Summe aller Geldeinkommen i n A. Und bei gegebener Neigung zu importieren w i r d die Einfuhr zunehmen; der Unterschied zwischen Ausund Einfuhr verringert sich, bis er ganz verschwindet. Betrachten w i r jetzt den zweiten Fall: Die Senkung der Produktionskosten i n A w i r d durch eine proportionale Lohnsteigerung ausgeglichen. Wenn dieser Effekt sich gleichmäßig verteilt, gibt es weder für Inlandsware noch für Ausfuhrgüter Preisermäßigungen. Das Nominaleinkommen i n A hat einfach durch die Lohnerhöhungen zugenommen und auch durch zusätzliche Gewinne, wenn die Löhne nicht zugleich m i t der Kostensenkung sofort gestiegen sind. Falls die Neigung zum Import unverändert bleibt, w i r d jetzt i n A die Zahlungsbilanz m i t einem negativen Saldo abschließen. Dieses Defizit verringert das gesamte Nominaleinkommen i n A, und bei einer als gegeben angenommenen Importneigung werden die Einfuhrüberschüsse allmählich verschwinden. Bisher sind die gleichgewichtsstörenden Wirkungen der Produktivitätssteigerung isoliert dargestellt worden. Jetzt soll dadurch ein zusätzliches Element eingeführt werden, daß die Preisveränderungen der von A nach R exportierten und der von R nach A importierten Güter untersucht werden. Nehmen w i r zuerst den Fall an, daß eine Preissenkung i n A der Senkung der Produktionskosten proportional wäre. Als augenblickliche Folge t r i t t eine Verbilligung der nach R ausgeführten Güter ein und eine Senkung der Preise der Inlandsgüter, welche die Einfuhrgüter ersetzen können. Wenn von W i r t schaftsperiode zu Wirtschaftsperiode die Preise der Ausfuhrgüter i n A rascher sinken als die Preise der Einfuhrgüter, zeigt der ursprüngliche Uberschuß der Zahlungsbilanz von A eine steigende Tendenz. Wenn das Gesamteinkommen i n A immer größer w i r d und daher eine Vergrößerung der Nachfrage nach den aus R importierten Gütern eintreten muß, so w i r d dadurch das Gleichgewicht wiederhergestellt. Wenn aber aus Gründen, die von diesem Mechanismus

I. Allgemeine Theorie

77

unabhängig sind, schließlich die Realkosten i n R höhergetrieben werden, zum Beispiel infolge eines dauernden strukturellen Druckes i n Richtung auf reale Preis- u n d Kostensteigerungen i n R, dann steigen auch die Preise der A u s fuhrgüter von R nach A , u n d die W i r k u n g e n des Antriebs zur Wiederherstellung des Gleichgewichts werden ausgeschaltet. Nehmen w i r jetzt den andern F a l l an, daß i n A die Kostensenkung durch proportionelle Lohnerhöhungen kompensiert w i r d . Unter der Voraussetzung gleichmäßiger Verteilung t r i t t die Gleichgewichtsstörung nicht durch Preisverschiebungen, sondern durch Einkommensverschiebungen ein. Die t r e i bende K r a f t zur Wiederherstellung des Gleichgewichts ist die Erhöhung des Gesamteinkommens i n A u n d die dadurch bedingte Zunahme der E i n f u h r i n A aus R. Wenn unabhängig davon, zum Beispiel infolge eines dauernden strukturellen Hanges zur inflationistischen Erhöhung der Preise u n d Realkosten i n R die Preise seiner Exportgüter steigen, w i r d die Tendenz zur Wiederherstellung des Gleichgewichts wieder aufgehoben."

Da Perroux dem Einfluß eines elastischen Geld- und Kreditsystems, das ja wohl zu dem klassischen Modell gerechnet werden muß, i n seiner Betrachtung keine besondere Aufmerksamkeit widmet, kann er fortfahren 1 8 0 : „Diese Analyse widerspricht der klassischen Auffassung einer automatischen Wiederherstellung des Gleichgewichts von Zahlungsbilanzen durch Geld- u n d Preisbewegungen. Sie widerspricht sogar auch den quasi-statischen Darlegungen von L o r d Keynes, welche die W i r k u n g e n von Einkommensveränderungen einbezogen haben. Die hier dargestellte Analyse ist rein dynamisch: Sie vergleicht Zuwachsraten der P r o d u k t i v i t ä t u n d untersucht die Folgen des Unterschiedes zwischen solchen Zuwachsraten. Sie zeigt — sowohl f ü r kurze Expansionsperioden als auch f ü r langfristiges Wachstum —, w i e die V e r schiedenheiten dieser Zuwachsraten einander steigernde Gleichgewichtsstörungen der Zahlungsbilanzen verursachen; aber die Größe u n d Dauer solcher Gleichgewichtsstörungen hängen von viel zahlreicheren und mit geringerer Genauigkeit berechenbaren Variablen ab, als es in den klassischen Modellen der Fall ist Offensichtlich ist der technische Fortschritt u n d das Tempo seiner V e r w i r k lichung von Staat zu Staat u n d von Volkswirtschaft zu Volkswirtschaft v e r schieden. Ebenso ist die Bereitschaft, eher die Preise zu senken als die Gehälter zu erhöhen oder umgekehrt, von L a n d zu L a n d nicht die gleiche. Auch die Zuwachsrate des Gesamteinkommens, das nicht aus Gründen des technischen Fortschritts wächst, ferner die Importneigung u n d der strukturbedingte Druck zu inflationistischen Maßnahmen durch Kostenerhöhungen oder zu säkularer I n f l a t i o n ist von Staat zu Staat verschieden. Die Beobachtung des Verhaltens der westeuropäischen Staaten i n i h r e n Beziehungen zueinander u n d zu den Vereinigten Staaten von Nordamerika zeigt uns dies zur Genüge. Gleichgewichtsstörungen zwischen dem Wachstum u n d der Expansion i n verschiedenen Staaten sind daher m i t einem Wahrscheinlichkeitsgrad vorauszusehen, der auf die Doktoren des Marktautomatismus u n d der Spontaneität beunruhigend w i r k e n muß. Zugleich findet die Ungleichheit der einzelnen Volkswirtschaften, verstanden als einzelne Sternbilder i m Gravitationsfeld des Zusammenwirkens von Kräftezentren f ü r industrielle Entwicklung, ohne große Schwierigkeiten ihren 180

S. 343 f.

78

D. Imperialistische Außenwirtschaft und allgemeine Preistheorie

angemessenen Platz i m Koordinatensystem dieser dynamischen Analyse der Außenhandelsbeziehungen: Durch den Einsatz dieser Größen w i r d eine solche Analyse spezifiziert — u n d dadurch erneuert."

Die Theoretiker des Kapitalismus hätten lange Zeit gebraucht, u m zu erkennen, daß — unabhängig von allen Störungen durch Veränderungen der Geldseite — die Unterschiede i n den Zunahmequoten der Produktivität eine Ursache von kumulativen Gleichgewichtsstörungen sind, die nicht automatisch durch die Wirkungen der Zahlungsbilanzen ausgeglichen werden 1 8 1 . Vor allem sei i m Innern der Staatengruppen ein Ausgleich m i t M i t t e l n klassischer Wirtschaftspolitik und durch die Geldpolitik führenden Staates der betreffenden Zone immer wieder durch stungspolitik behindert worden und habe stetig unter dem Einfluß Macht der Vereinigten Staaten gestanden 182 .

den des Rüder

Trotz aller Bedenken gegen die Möglichkeit, die Methoden der i n der nationalökonomischen Wissenschaft bisher entwickelten Theorie anzuwenden und auf ihrer Grundlage zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen, soll der Versuch hier unternommen werden. U m eine wirkliche Theorie des ökonomischen Imperialismus aufstellen zu können, muß zunächst eine Preistheorie entwickelt und auf ihrer Grundlage der Zusammenhang der Außenwirtschaften mehrerer Volkswirtschaften an Modellkonstruktionen aufgezeigt werden. Es erscheint dem Verfasser höchste Zeit, daß endlich mit dem unklaren und propagandistisch so mißbrauchten Begriff des Imperialismus aufgeräumt, und daß Ernst damit gemacht wird, den Begriff, soweit er eine ökonomische Grundlage hat, klar und verständlich — nach Möglichkeit mit den Mitteln mathematischer Exaktheit — abzugrenzen und zu analysieren. Es sei r die Zahl der Produktionsmittel i n einer Einheitsperiode. U m die Einheitsmenge des Gutes 1 herzustellen, mögen die Mengen ai/i, ai/2, •.. ai/ r der Produktionsmittel erforderlich sein, für die Einheitsmenge des Gutes 2 seien die Mengen a 2 /i, a 2 / 2 , . . . a 2 / r derselben Produktionsmittel erforderlich usw., endlich für die Einheitsmenge des Gutes n die Mengen a„/i, a n / 2 , . . . a n / r , wobei der jeweils erste Koeffizient das Gut, der jeweils zweite das Produktionsmittel kennzeichnet. Die Preise für die verschiedenen Produktionsmittel seien q t , q 2 , . . . q r . Dann ergeben sich als Preise (p) der Einheitsmengen der n fertigen Güter 181 182

S. 462. S. 504.

I . Allgemeine Theorie a

l / l + a4/2

~ d4'> + • • • + a4/r Qr = P4 +

d

4"

unter der Annahme, daß a

4/l d 4 = a4/2 d 4' + d 4"

bzw. a

4/l Ql (! + x 4) + a4/2 0 ) [a = marginale Absorptionsquote, h = marginale Hortungsquote] oder die autonome Absorption aus gegebenen Geldeinkommen kleiner w i r d . A n d e r n falls w ü r d e n die Preise so lange steigen, bis der durch die A b w e r t u n g bedingte Preisvorteil beseitigt ist u n d die Leistungsbilanz ihren alten Stand erreicht... W i r gehen [hinsichtlich der internationalen Übertragung von Beschäftigungsschwankungen bei nicht festen K u r s e n 5 3 4 ] wieder davon aus, daß die L e i stungsbl'ianz des Inlands (Deutschland) i m Ausgangszustand ausgeglichen ist. N u n entsteht i m Ausland (England) ein Kontraktionsprozeß, der z. B. durch Abnahme der Investitionsausgaben bedingt sein mag. I m Zuge dieses K o n traktionsprozesses sinken die Ausgaben für deutsche Exportgüter, so daß die deutsche Leistungsbilanz bei stabilen Kursen ins Defizit geraten, die K o n t r a k t i o n also auf das I n l a n d übertragen w ü r d e . . . N u n w i r k t aber auch hier der terms of trade-Effekt: Durch Senkung des DM-Kurses verschlechtern sich die terms of trade — es schrumpft folglich das Realeinkommen —, so daß das Sparen bei gegebenem Geldeinkommen kleiner, die monetäre Absorption also größer w i r d . Ist der I m p o r t w e r t ( = Exportwert) gegenüber dem Ausgangszustand größer, so gehen die Inlandsausgaben für heimische Güter nicht i m Ausmaß der Importwertsteigerung ( = Exportwertsteigerung) zurück, u n d es entsteht ein expansiver Prozeß. Andererseits ist es möglich, daß der Wert des Imports (und damit auch der des Exports) verglichen m i t der Ausgangslage kleiner ist. I n diesem Falle w i r d der Rückgang des Imports ( = Rückgang des Exports) von einer Zunahme der heimischen Absorption mehr als ausgeglichen — die gesamte monetäre Absorption (heimische Absorption A h plus I m p o r t A f ) w i r d durch die Realeinkommenswirkung größer —, u n d das Volkseinkommen steigt auch jetzt. M a n erhält also das paradoxe, von Laursen u n d Metzler formulierte Resultat, daß die Depression i m Ausland einen (wenn auch nicht starken) K o n j u n k t u r auf schwung i m I n l a n d zur Folge hat, ganz i m Gegensatz zum F a l l stabiler Kurse, i n welchem die Auslandsdepression eine K o n t r a k t i o n 534

Bei festen Kursen s. Harrod I, S. 114.

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

214

auch i m I n l a n d verursacht. Gegen d i e . . . Modelle von . . . Laursen — Metzler sind n u n allerdings eine Reihe von Einwendungen möglich. Zunächst muß w o h l beachtet werden, daß der terms of trade-Effekt normalerweise eine n u r kleine Änderung des Realeinkommens i n d u z i e r t . . . der terms of trade-Effekt [ist] unter Umständen Voraussetzung f ü r den ,resource-reallocation-effect', d. h. die Änderung der relativen Preise von I m p o r t - u n d Exportgütern k a n n bewirken, daß strukturelle Änderungen auftreten, die m i t einer Umlenkung der Produktionsfaktoren i n günstigere Verwendungen verbunden sind. Ferner k a n n man nicht annehmen, daß eine A b w e r t u n g die terms of trade stets verschlechtert. Schließlich — u n d dieser E i n w a n d wiegt am stärksten — w i r d der Wert der Ergebnisse durch die Annahme, daß ein Ausgleich der Leistungsbilanz dank flexibler Kurse i n jedem Augenblick gesichert ist, aufs schwerste beeinträchtigt. Da zeitliche Verzögerungen wahrscheinlich sind, k a n n sich i n der ersten Periode nach der Störung ein Defizit der Leistungsbilanz ergeben. Dadurch entsteht ein Kontraktionsprozeß, der durch den expansiven terms of trade-Effekt k a u m ausgeglichen w i r d . "

Die hypothetische Formulierung all dieser Ausführungen Roses macht die Unmöglichkeit der vorherigen genaueren Abschätzung der Folgewirkungen der von i h m vorausgesetzten Erscheinungen bzw. von gezielten Maßnahmen oder Unterlassungen, auf denen diese Erscheinungen beruhen, offensichtlich. Soweit aber die Folgewirkungen nicht i n etwa zutreffend abzuschätzen sind, können auch dahinzielende Maßnahmen bzw. Unterlassungen vernünftigerweise kaum einer zielstrebigen außenwirtschaftlichen Politik, insbesondere einer aggressiven Politik, also imperialistischen Bestrebungen, dienstbar gemacht werden. Auch von anderer Seite ist übrigens das „Absorptionsargument" skeptisch beurteilt worden. Es beginnt — so hat sich Sohmen585 geäußert — m i t der richtigen Feststellung, daß ein Land bei Vollbeschäftigung nur dadurch seine Importüberschüsse vermindern (bzw. seine Exportüberschüsse erhöhen) kann, daß es der übrigen Welt einen größeren Teil seines Sozialproduktes überträgt. Wenn keine Ressourcen brachliegen und somit die heimische Produktion nicht durch Einsatz zusätzlicher Produktionsfaktoren gesteigert werden kann, müsse die „Absorption" durch die eigene Volkswirtschaft, d. h. die Verwendung von Ressourcen für den inländischen Bedarf (Konsum, Investition und Nachfrage der öffentlichen Hand) vermindert werden. Eine Abwertung der Währung allein könne i n der Regel die Beanspruchung der inländischen Ressourcen nicht verringern. U m die gewünschte Wirkung zu erzielen, müßten die üblichen Werkzeuge zur Verminderung der effektiven Nachfrage eingesetzt werden, insbesondere restriktive Finanz- und Geldpolitik oder direkte Bewirtschaftung. Aus diesen Argumenten scheine sich die zwingende Schlußfolgerung zu ergeben, daß eine Abwertung völlig überflüssig ist, solange die Regierung bereit ist, restriktive Maßnahmen anzuwenden, daß sie aber andererseits völlig u n w i r k sam bleiben muß, wenn diese Bereitschaft fehlt. 535

S. 81 ff.

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

Obwohl das Absorptionsargument auf den ersten Blick durchaus überzeugend erscheint, stehe es doch i n krassem Widerspruch zu einigen fundamentalen Erkenntnissen der Volkswirtschaftslehre. Vor allem sehe es fälschlicherweise i n der Differenz zwischen Export- und Importwerten (einschließlich der Dienstleistungen) die einzig bedeutsame Variable. Das absolute Niveau der Exporte und Importe werde dabei völlig außer acht gelassen. Damit vernachlässige jedoch das Absorptionsargument implizite die Gültigkeit eines der Fundamente der Nationalökonomie, des Theorems der komparativen Kosten. Solange das Sozialprodukt eines Landes durch internationalen Handel erhöht werden kann, müßten alle Maßnahmen, die zu einer Intensivierung des Außenhandels beitragen und dadurch das Sozialprodukt erhöhen, es dem betreffenden Lande auch ermöglichen, einen Teil der erhöhten Gesamtproduktion für die Verbesserung der Leistungsbilanz abzuzweigen. Das Land könne i n diesem Falle sogar mehr Güter und Dienstleistungen für den Inlandsbedarf zur Verfügung haben als vorher. Die Abwertung einer überbewerteten Währung ermögliche i n aller Regel die Beseitigung oder Lockerung von Importkontrollen und damit nicht selten die Steigerung des Handels i n beiden Richtungen. Selbst wenn die Importe nicht gleichzeitig m i t den Exporten steigen, könne die Lockerung der Importkontrollen nach einer Abwertung die A l l o kation der Ressourcen dadurch verbessern, daß andere Güter als vor der Abwertung importiert und exportiert werden. Auch auf diese Weise könnten günstige Wirkungen auf die Leistungsbilanz eintreten. Diese höchst bedeutsame Schlußfolgerung erschüttere das Absorptionsargument i n seinen Grundfesten. Solche Überlegungen lassen gleichzeitig auch die schweren Mängel sichtbar werden, die der MakroÖkonomik herkömmlicher A r t i n der Behandlung der subtileren Fragen des internationalen Handels anhaften. Intensivere Teilnahme am internationalen Handel gehe immer mit einer Verschlechterung der „terms of trade" einher; die Austauschverhältnisse erreichen ihr Maximum, wenn ein Land der Autarkie nahe ist. Da eine Abwertung den Preis einer Einheit ausländischer Währung erhöht, erscheine die inflationsfördernde Wirkung einer Abwertung auf die inländischen Preise gesichert. Dieses Argument sei unter der Voraussetzung vollkommener Freiheit des internationalen Handels ganz richtig. Sobald aber der Handels- und Zahlungsverkehr Beschränkungen unterliegt, bestehe nicht unbedingt immer Proportionalität zwischen ausländischen und inländischen Güterpreisen. Devisenbewirtschaftung, Schutzzölle und Einfuhrkontingente tendieren immer dahin, die inländischen Preise der geschützten Güter zu erhöhen. Schafft die Abwertung die Möglichkeit, die Handelsbeschränkungen zu lockern, so werde dies auf die inländischen Preise aller

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

216

liberalisierten Waren eine Tendenz zum Fallen auslösen. Für die Exportindustrien andererseits werde sich eine Tendenz zu Preissteigerungen ergeben, da eine Abwertung dort m i t Sicherheit zu einer Erhöhung der ausländischen Nachfrage führt. Ohne eingehendere empirische Analyse lasse sich keine eindeutige A n t w o r t auf die Frage geben, ob die preissenkende Wirkung der Importliberalisierung oder die Tendenz zur Preiserhöhung i m Exportsektor einen stärkeren Einfluß auf das gesamte Preisniveau ausüben wird. Es zeige sich, daß die durch die Abwertung ermöglichte Aufhebung der Importrestriktionen und die damit verbundene Verbesserung der Allokation ohne weiteres zu einem Sinken des allgemeinen Preisniveaus führen kann. Interne Expansion greife immer auch auf andere Länder über, falls dies nicht durch Importrestriktionen verhindert wird. I m allgemeinen können Zahlungsbilanzschwierigkeiten trotz zahlreicher gegenteiliger Behauptungen, so meint Sohmen 536 , immer auf Wechselkursverzerrungen zurückgeführt werden. Die Vermeidung von Störungen der Devisenmärkte solle daher i n erster Linie dem Ziel größtmöglicher Freizügigkeit des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs i m Interesse der optimalen Allokation aller Ressourcen dienen. Und Forstmann 537 hat eine Wirtschaft dann als i m wesentlichen gesund bezeichnet, wenn der intervalutarische Kurs ihrer Währung tendenziell stabil ist. Als ungesund hingegen müsse eine Wirtschaft dann angesehen werden, wenn diese Voraussetzung nicht zutrifft. Sehen w i r uns nun die Geld- und Wechselkurspolitik, soweit Unterlassungen bzw. Maßnahmen und deren Ergebnisse dem Imperialismus zugerechnet werden könnten, etwas näher an. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge läßt deutlich werden, daß i m wesentlichen nur freie Wechselkurse und eine lediglich durch die innere Entwicklung einer Volkswirtschaft bestimmte Geldpolitik als zusammenhangsneutral i n bezug auf den Vorwurf des Imperialismus angesehen werden kann. Gleichzeitig erhellt daraus die Bedeutung der Kaufkraftparitätentheorie, m i t den Kaufkraftparitäten als gleichsam naturbedingten Ausgleichsimpulsen gegen währungspolitische Angriffe auf ausländische Volkswirtschaften. So w i r d sich die Theorie der Kaufkraftparitäten, der der zweite Teil dieser Arbeit gewidmet sein soll, organisch an diesen ersten Teil anschließen. Unsere noch hier anzustellenden Überlegungen unterscheiden zunächst die freie Währung bei festen Wechselkursen und die freie Währung m i t schwankenden Wechselkursen. Bei dieser letzteren kann man 536 537

S. 67. S. 206.

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

von Politik insofern reden, als es eine politische Entscheidung bedeutet, sich diesem System zu verschreiben. Bei freier Währung m i t festem Wechselkurs interessiert zunächst die Geldpolitik. Bei chronischer A k t i v i t ä t der Leistungs- oder Kapitalverkehrsbilanz des Landes X w i r d die Zentralnotenbank des Landes Y einmal aus beschäftigungspolitischen Gründen vor deflatorischen Maßnahmen zurückschrecken, da eine Deflation sehr leicht krisenhafte Folgen hat. Zum anderen kann bei Deflation das reale Austauschverhältnis leicht zuungunsten der eigenen Volkswirtschaft verändert werden. Die Exportgüter werden, verglichen m i t den Importgütern, billiger, so daß schließlich eine größere Menge von Gütern und Leistungen exportiert werden müßte, u m die gleiche Menge an Gütern und Leistungen aus dem Auslande zu beziehen. Dadurch werden möglicherweise die A n passungslasten, die sich bei der Umstellung der Nationalwirtschaft auf veränderte Auslandsleistungen beim Zahlungsbilanzausgleich ergeben, nicht gleichmäßig auf die Partnerländer verteilt 5 8 8 . Häufiger sind wohl Abwertungen von Wechselkursen als einmalige Anpassungen an die natürliche Wechsellage, wenn z. B. das Land Y dadurch einen schwachen Export beleben w i l l 5 8 9 . Eine derartige A b wertung kann aber auch imperialistisch gemeint sein. Die Abwertung (Devalvation) ist gleichbedeutend mit einer Herabsetzung des Außenwerts der eigenen Währung. Da man i n kontinental-europäischen Ländern unter Wechselkurs den Preis der fremden Valuta, ausgedrückt i n heimischer Währung, versteht, kann der Ausdruck Abwertung — wie übrigens auch der Ausdruck Aufwertung — irreführen. Abwertung heißt demnach nicht Senkung des Wechselkurses, sondern Erhöhung. Der Ausdruck Abwertung bezieht sich auf das eigene Geld 5 4 0 . Da w i r nicht fragen, wie eine Änderung des Wechselkurses den Export eines bestimmten Gutes beeinflußt, sondern wie er sich auf den Gesamtexport auswirkt, wäre es für die A n t w o r t notwendig, M a r k t diagramme für jedes Exportgut zu konstruieren. Ein solches Verfahren wäre aber viel zu unhandlich, und man nimmt zweckmäßigerweise an, daß die Kurven, die für das Exportangebot und die Exportnachfrage konstruiert werden, die Gesamtmenge der exportierten Güter — ausgedrückt durch einen Mengenindex — repräsentieren. Man folgt damit Marschairs Vorbild, der mit „Güterballen" anstatt m i t Einzelgütern operiert hat 5 4 1 . Bei einer Wechselkursänderung (DM gegen Dollar) kann man unterscheiden: Menge der ausgetauschten Güter zum DM-Preis (Exportwert 538 539 540 541

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Kruse, S. 208 f. dazu auch Forstmann, S. 255 ff.; Sohmen, S. 79 ff., S. 105 f. Kruse, S. 218; Sohmen, S. 11. Rose, S. 49.

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

218

und Importwert i n DM) sowie zum Dollar-Preis (Exportwert und I m portwert i n Dollar). Als Wirkung einer Abwertung 5 4 2 kann zunächst festgestellt werden, daß der DM-Preis und die Menge der Exportgüter größer werden. Daher erhöht sich auch der i n D M gemessene Exportwert, das Produkt aus DM-Preis und Exportgütermenge. Von der Elastizität des Exportangebots hängt es ab, i n welchem Maße Menge und Preis als Komponenten des Exportwertes steigen. Ist das Exportangebot völlig unelastisch, so erhöht sich der Preis bei konstanter Menge; ist das Exportangebot dagegen v o l l elastisch, so steigt nur die Menge bei konstantem Preis. I n beiden Fällen wächst der Exportwert auch, nur setzt sich diese Zunahme nicht aus Mengen- und Preiserhöhung, sondern aus Mengenoder Preiserhöhung zusammen. Der i n D M gemessene Exportwert bleibt bei Abwertung der D M nur dann unverändert, wenn die ausländische Exportnachfrage völlig unelastisch ist. I n allen anderen Fällen nimmt der Exportwert zu, und zwar um so mehr, je elastischer die Exportnachfrage ist. Eine Zunahme des DM-Exportwertes bedeutet gleichzeitig eine Erhöhung der Nachfrage nach DM. Ganz i m Unterschied zum Exportwert, der normalerweise immer zunimmt und nur i m Grenzfall unverändert bleibt, kann der i n D M gemessene Importwert steigen, fallen oder konstant bleiben. I n der folgenden Tabelle werden die möglichen Ergebnisse einer DM-Abwertung bei DM-Rechnung zusammengestellt 543 :

Fall Exportwert in D M

1

steigt i m m e r (um so mehr, je elastischer 2 die ausländische E x p o r t 3 nachfrage ist; Ausnahme: Elastizität = 0)

542 543

Elastizität der inländischen I m portnachfrage (absolut gemessen)

Importwert in D M

Reaktion der Leistungsbilanz

> 1

sinkt

Verbesserung = normal

= 1

bleibt konstant steigt

Verbesserung = normal

< 1

a) Verbesserung = normal b) Verschlechterung = anomal

Vgl. zum Folgenden Rose, S. 50 ff., S. 350, S. 351. Vgl. neben Rose a.a.O. auch Sohmen, S. 79.

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

Da der Exportwert normalerweise zunimmt, w i r d sich die Leistungsbilanz verbessern, d. h. ein Überschuß w i r d größer oder ein Defizit kleiner, wenn der Importwert sinkt (Fall 1) oder zumindest konstant bleibt (Fall 2). Die Leistungsbilanz reagiert daher i n den Fällen 1 und 2 normal. Wenn aber der Importwert zunimmt — der absolute Wert der Importelastizität ist dann kleiner als 1 —, kann sich die Leistungsbilanz verbessern, oder sie kann sich verschlechtern, also normal oder anomal reagieren, je nachdem ob der Exportwert um mehr oder weniger zunimmt als der Importwert. Generell kann man sagen: Eine normale Reaktion ist u m so eher zu erwarten, je elastischer die Importnachfrage und die Exportnachfrage sind. I m Fall 3 b) würde sich ein Defizit der Leistungsbilanz weiter vergrößern, denn der Importwert wächst stärker als der Exportwert. Daher würde nicht die Abwertung, sondern eine Aufwertung das geeignete M i t t e l sein, u m durch Verbesserung der Leistungsbilanz das Ungleichgewicht zu beseitigen. Dies gilt normalerweise nur für einen bestimmten Bereich. Die Importwertkurve w i r d i n der Regel nur i n Teilbereichen negativ geneigt sein; i n anderen Bereichen verläuft sie normal. Die für die Export- und Importseite gewonnenen Ergebnisse gelten streng genommen nur dann, wenn das Volkseinkommen trotz der A b wertung unverändert bleibt. Der Saldo der Leistungsbilanz — ebenso wie Konsum und Investition — ist aber Bestandteil des Volkseinkommens. Wenn die Abwertung den Saldo der Leistungsbilanz vergrößert, also ein Überschuß zunimmt oder ein Defizit kleiner wird, erhöht sich ceteris paribus auch das Volkseinkommen, sei es monetär durch Preissteigerungen, sei es real durch Produktionszunahme. Steigt aber das Volkseinkommen, so erhöht sich die Importnachfrage auch bei gegebenen DM-Preisen. Bei einer nicht nur realen Erhöhung des Volkseinkommens steigen alle Preise, normalerweise also auch die Preise der Produktionsmittel. Die Kosten der Exporteure erhöhen sich demnach. Diese Abwertungswirkungen sind aber Sekundäreffekte der Abwertung: Sie treten erst dann auf, wenn die Abwertung die Leistungsbilanz bereits verbessert hat. Daher kann man sie zu Recht vernachlässigen, wenn nur nach den unmittelbaren Wirkungen einer Abwertung auf die Leistungsbilanz gefragt ist. Zur Analyse der „Fernwirkungen" bedarf es aber einer Einbeziehung der Einkommenseffekte, wenn man ein vollständiges B i l d des Ablaufs gewinnen w i l l . Während — wie ausgeführt — der DM-Exportwert nach einer A b wertung steigt (im Grenzfall konstant bleibt), kann der Dollar-Exportwert durchaus auch abnehmen. Auch der Dollar-Importwert kann auf eine Abwertung anders reagieren als der DM-Importwert. Während — wie ausgeführt — der DM-Importwert steigt, konstant bleibt oder

220

K . Geld- und Wechselkurspolitik

fällt, w i r d der Dollar-Importwert — von dem Grenzfall abgesehen — immer fallen und zwar um so mehr, je elastischer die inländische I m portnachfrage ist. Während i n der DM-Rechnung die Veränderungsrichtung des Exportwerts eindeutig ist, die des Importwerts aber unterschiedlich sein kann, gelten für die Dollar-Rechnung die umgekehrten Beziehungen. I n der folgenden Tabelle werden die möglichen Ergebnisse einer DMAbwertung bei Dollar-Rechnung zusammengestellt: Fall Importwert i n Dollar 1 2

3

sinkt immer (um so mehr, je elastischer die I m p o r t nachfrage ist; Ausnahme: Elastizität = 0)

Elastizität der Exportwert Exportnachfrage i n Dollar (absolut gemessen)

Reaktion der Leistungsbilanz

> 1

steigt

Verbesserung = normal

= 1

bleibt konstant

Verbesserung = normal

< 1

sinkt

a) Verbesserung = normal b) Verschlechterung = anomal

W i r d die Devisenbilanz durch eine Abwertung 5 4 4 verbessert, so können negative Konsequenzen für Volkseinkommen und Beschäftigung nicht völlig ausgeschlossen werden. Umgekehrt kann eine Zunahme des Volkseinkommens eventuell nur um den Preis eines verminderten Devisenvorrates erreicht werden 5 4 5 . Bei der Untersuchung der Stabilitätskriterien sind beide Seiten — Angebot und Nachfrage — gleichermaßen von Bedeutung. Die Chancen für eine normale Reaktion wachsen m i t geringer werdenden Angebotselastizitäten ebenso wie m i t zunehmenden Nachfrageelastizitäten. Die meisten Autoren sind der Ansicht, daß die Leistungsbilanz sich bei einer Abwertung verbessern und bei einer Aufwertung verschlechtern wird. Allerdings werden dabei die Fernwirkungen der Wechselkursänderungen nicht beachtet, die den primären Erfolg nach einiger Zeit wieder aufheben. Solche Fernwirkungen sind i n der Tat wahrscheinlich. Bei nicht ausdehnungsfähiger Produktion, d. h. bei Vollbeschäftigung, kann die Leistungsbilanz sich nur verbessern, der Export zunehmen und der Import abnehmen, wenn Inlandskonsum und Inlandsinvestitionen sowie Nachfrage der öffentlichen Hand verringert, also weniger Güter i m Inland absorbiert werden. W i l l man aber Kon544

Z u m Folgenden vgl. Rose, S. 71 ff. Z u dem ganzen Problemkreis vgl. Woll, A., Wechselkursvaritationen u n d Beschäftigungsniveau, Freiburger Diss. 1958. I n dieser A r b e i t ist die Problematik der modernen Wechselkurstheorie verbal, tabellarisch u n d analytisch vollständig dargestellt. 545

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

sum und Investition durch expansive Lohn- und Kreditpolitik auf der alten Höhe halten, so kommt es zu Preissteigerungen, die die Leistungsbilanz normalerweise verschlechtern und den Erfolg der Abwertung neutralisieren. Der Abwertung ist dann also ein Mißerfolg beschieden, ohne daß dies an zu kleinen Importelastizitäten liegt. Der Mißerfolg ist vielmehr auf das Fehlen des Willens zurückzuführen, die Absorption i m Inland zu verringern. Bei Vollbeschäftigung kann die Volkswirtschaft nicht größere Gütermengen exportieren, wenn nicht zugleich durch Konsum- und Investitionsverzicht sowie Verzicht der öffentlichen Hand M i t t e l für die Ausfuhr freigesetzt werden. Wirtschaftliche Wunder gibt es nur bei Unterbeschäftigung: hier kann man mehr Güter exportieren und gleichzeitig Verbrauch und Investition erhöhen. Generelle Aussagen über die terms of trade-Effekte 5 4 6 einer Abwertung sind nicht möglich. Das reale Tauschverhältnis dürfte i m allgemeinen u m so eher verbessert werden, je geringer die Angebotselastizitäten und je größer die Nachfrageelastizitäten für Export- und Importgüter i n beiden Ländern sind. Eine Verschlechterung der terms of trade scheint große Angebotselastizitäten und geringe absolute Werte der Nachfrageelastizitäten vorauszusetzen. Setzt man jeweils eine Angebots- und Nachfrageelastizität gleich Null, so dürfte zu erwarten sein, daß der Verbesserungseffekt des unelastischen Angebots durch den Verschlechterungseffekt der unelastischen Nachfrage gerade ausgeglichen wird. Eine Abwertung w i r d das Austauschverhältnis immer dann verbessern, wenn das Produkt aus den Elastizitäten der Nachfrage des Inlandes nach Importgütern und der Nachfrage des Auslandes nach den inländischen Exportgütern größer ist als das Produkt aus den Elastizitäten des Export- und Importangebots. Verschlechtert sich die Leistungsbilanz nach einer Abwertung, so verschlechtert sich auch das Tauschverhältnis. Einer Verbesserung der Leistungsbilanz entspricht aber nicht unbedingt auch eine Verbesserung der terms of trade; hier sind alle Reaktionen denkbar. Bei freischwankenden Wechselkursen 547 kommt der Zahlungsbilanzausgleich fast ausschließlich durch den Wechselkursmechanismus zustande. W i r d die Zahlungsbilanz beispielsweise dadurch gestört, daß das Inland eine längere Zeit hindurch Zahlungen an das Ausland leisten muß (z. B. laufende Kreditrückzahlungen), so w i r d sich der inländische Schuldner auf den Devisenmärkten die erforderlichen Devisen beschaffen. Die zusätzliche Nachfrage treibt den Wechselkurs i n die Höhe. Die Änderung des Wechselkurses verändert automatisch die Posten der Lei546 547

Vgl. hierzu auch Sohmen, S. 79 f. Vgl. hierzu Kruse, S. 246 f.

222

K . Geld- u n d Wechselkurspolitik

stungsbilanz so, daß die Zahlungsbilanz immer ausgeglichen ist. Da die Notenbank nicht interveniert, erfolgt keine Beeinflussung der inländischen Geldmenge. Kreditrückzahlungen an das Ausland finden, abgesehen von kurzfristiger Zurverfügungstellung, nicht durch Übertragung von Inlandsgeld oder von i m Inland befindlichem Auslandsgeld statt; Geld- und Goldübertragungen von Land zu Land kommen kaum vor. Daher w i r d auch weder der Geldmengen-Preis-Mechanismus noch der Geldmengen-Einkommen-Mechanismus sich auswirken können. Dem System der freischwankenden Wechselkurse dürfte nach Ansicht mancher Wissenschaftler 548 gegenüber der freien Währung m i t festem Wechselkurs die Zukunft gehören, da durch freischwankende Wechselkurse der Ausgleich der Zahlungsbilanz bei strukturellen Veränderungen am besten gewährleistet sein dürfte. Es darf damit gerechnet werden, daß, allen Vorurteilen und allen scheinbar schlechten Erfahrungen i n der Vergangenheit zum Trotz, das System freischwankender Wechselkurse — neben Kanada — auch von anderen Ländern übernommen wird. Es scheint eine ständige leichte Inflationierung zur Struktur der modernen Volkswirtschaften zu gehören, — aus Gründen der Lohnbildung, der Tendenz zur Überinvestition i m Boom und aus Gründen der wachsenden staatlichen Verschuldung i n einer Zeit revolutionärer technischer Entwicklung auf militärischem Gebiet. Da eine solche Inflationierung i n den einzelnen Ländern immer ungleich voranschreiten wird, müssen sich bei freier Währung m i t festem Wechselkurs stets von neuem fundamentale Ungleichgewichte i n den Zahlungsbilanzen ergeben, die die Binnenwirtschaften und die Weltwirtschaft i n immer neue Bedrängnisse bringen werden. Das System metallfreier Währung m i t schwankendem Wechselkurs allein kann derartige Veränderungen ohne große Störungen überstehen. Die Ausführungen über Geld- und Wechselkurspolitik dürften gezeigt haben, wie unsicher es ist, durch derartige Maßnahmen Ergebnisse zu erzielen, die bei einseitiger Schädigung eines anderen Landes bzw. einer anderen Volkswirtschaft als „imperialistisch" bezeichnet werden könnten. Sofern durch eine bewußte Einengung des Welthandels eine paritätische Schädigung der einheimischen und der ausländischen Volkswirtschaften hervorgerufen wird, dürfte dies außerhalb des Begriffsbereichs „Imperialismus" überhaupt liegen. Die Möglichkeit, mittels Geld- und Wechselkurspolitik imperialistische Maßnahmen zu verwirklichen, dürfte aber weitgehend entfallen, wenn man sich — innerhalb der westlichen Welt wenigstens — entschlösse, allgemein wieder zu dem System freischwankender Währungen überzugehen. Das Problem der Einbeziehung der östlichen Außenhandelsmonopole i n eine friedliche Weltwirtschaftsentwicklung wäre damit allerdings noch nicht gelöst. 548

So z. B. Kruse, S. 271 f.

Zweiter Teil

D i e Kaufkraftparität A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie Unter Zahlungsbilanztheorie einerseits und Inflationstheorie andererseits werden hier Theorien verstanden, die lediglich etwas über den kausalen, nicht aber etwas über einen bestimmten größenmäßigen Zusammenhang von Geldvermehrung, Preisniveau der Güter- und Leistungen, Wechselkursen und Handels- bzw. Zahlungsbilanz aussagen wollen. Für das Verhältnis Güterpreisniveau — Wechselkurse den Zusammenhang mengenmäßig näher zu bestimmen, versucht die Theorie der Kaufkraftparität. Da die Theorie der Kaufkraftparität auf der wohlverstandenen Inflationstheorie basiert, m i t ihr steht oder fällt — von Seiten der Zahlungsbilanztheoretiker hat wohl keiner versucht, den fraglichen Kausalzusammenhang (Wechselkurse — Güterpreise) i n eine näher bestimmte Beziehung zu bringen —, da aber die Einschränkungen, die man gegen die Theorie der Kaufkraftparität anführt, z. T. i m K e r n richtigen Erwägungen der Anhänger der Zahlungsbilanztheorie entlehnt sind, so erscheint es begründet, zunächst auf diese beiden Kausalzusammenhangstheorien kritisch näher einzugehen. Forstmann 1 hat die zur Erklärung der Währung herangezogenen zwei Grundtheoreme als „Zahlungsbilanztheorie" und unmittelbar als „ N i vellierungs"- bzw. „Kaufkraftparitätstheorie" bezeichnet. Beide Theoreme haben sich i m wesentlichen bereits während der sog. „BullionKontroverse" und i m Anschluß daran entwickelt. Eine für den vorliegenden Zweckzusammenhang gute Darstellung der Elemente, aus denen die Zahlungsbilanz eines Landes gebildet wird, gibt u. a. Lexis 2 . Die Zahlungsbilanztheorie, die i n einfacher Form bereits von den Anhängern merkantilistischer Ansichten vertreten worden ist 3 , führt die Verschlechterung der Valuta und — als Folge davon — das Steigen der Preise auf eine passive Handels- bzw. Zahlungsbilanz zurück. 1 1 5

S. 238. S. 624 ff. Vgl. Forstmann, S. 238.

224

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

Gesunkene Produktivität habe die Passivierung der Handels- und Leistungsbilanz, Reparationsverpflichtungen haben die Passivierung der Kapitalbilanz und damit ein Steigen der auswärtigen Wechselkurse zur Folge. Euchen 4 hat die einseitige Form dieser Theorie die „naive" Zahlungsbilanztheorie genannt. Sie taucht, schon von Ricardo bekämpft, immer wieder i m Verlaufe von Kriegen auf. Die dann stark zurückgehende Ausfuhr und die wegen des Kriegsbedarfes immer weiter erhebliche Einfuhr, so argumentiert man 5 , d. h. also die passive Handelsbilanz, erkläre die „Passivität" auch der Zahlungsbilanz, und diese verschulde wieder den Rückgang der Wechselkurse und die Preissteigerung i m Innern. So sagte z. B. Helfferich i n seiner Reichstagsrede am 10. März 1915: „Die Entwicklung der ausländischen Wechselkurse steht nach meiner Ansicht i n gar keinem Zusammenhang mit der inneren Stärke unserer finanziellen Position. Sie beruht lediglich auf gewissen technischen Momenten unseres auswärtigen Verkehrs." Dann erklärte Helfferich, welche technischen Momente maßgebend seien: Deutschland habe früher seine passive Handelsbilanz durch die Zinsen der i m Ausland angelegten Kapitalien ausgeglichen, was während des Krieges jedoch unmöglich sei, kurz, die passive Handels- bzw. Zahlungsbilanz, nicht die künstliche Geldschöpfung verursache den ungünstigen Stand des Markkurses 6 . Noch 1918 hat z. B. K. Diehl (Über Fragen des Geldwesens und der Valuta, Jena 1918) die Spannung zwischen dem inneren und dem ausländischen Preisniveau neben der Devisenspekulation zu den „sekundären" Ursachen der Valutaentwertung gerechnet; als „primär" galt i h m nur die „Passivität" der Zahlungs- und vor allem der Handelsbilanz. Seine Polemik gegen Cassel (Deutschlands wirtschaftliche Widerstandskraft, Berlin 1916) und Alfr. Lansburgh (Die großen Notenbanken i m Dienste der kriegführenden Staaten i n „Die Bank" 1915), die frühzeitig (wie i n England Hawtrey, Nicholson, Withers u. a.) auf die Inflationsgefahr hinwiesen, hatte nach Ansicht Palyis 7 insofern einige Berechtigung, als der Mechanismus der „Weltwirtschaft" i m Kriege z. T. außer Funktion gesetzt war. Die naiven Zahlungsbilanztheoretiker behaupten also den folgenden Kausalzusammenhang: Handelsbilanz | — Valuta (— Preise) Zahlungsbilanz 4

S. 5. Vgl. z. B. die Verwaltungsberichte der Reichsbank 1915, S. 4; 1916, S. 4; 1917, S. 19; Helfferich, S. 642. « Vgl. R. Lewinsohn (Morus), S. 6 ff. 7 S. 475. 5

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

Als früher Vertreter einer überlegteren Zahlungsbilanztheorie kann H. Thornton genannt werden. Die Untersuchengen von Thornton — daneben auch die von Th. Tooke — führten zur „Zahlungsbilanztheorie" i n ihrer eigentlichen begründeten Form. Das Wesen dieser Theorie liegt — kurz gesagt — darin, die Gestaltung des intervalutarischen Kurses aus Angebot an und Nachfrage nach ausländischen Zahlungsmitteln zu erklären, ohne dabei allerdings auch die Ursachen aufzuzeigen, die für die einzelnen Posten der Zahlungsbilanz bestimmend sind. 8 Insbesondere wurde vielfach auch nach den Kriegen versucht, die Wechselkurse und die Teuerung von der Güterseite her zu erklären: Infolge der Absperrung während eines Krieges entstehe ein großer Güterhunger, der nach dem Kriege eine starke Lebensmittel- und Rohstoffeinfuhr hervorrufe. Die Gebietsabtretungen und die damit verbundene weitere Verknappung der Lebensmittel und Rohstoffe hielten den Bedarf an gesteigerter Einfuhr auch weiterhin aufrecht, ebenso der Umstand, daß nach einem Kriege die betroffene Volkswirtschaft zunächst nur einen Bruchteil ihres Vorkriegssozialproduktes liefere. Die Gütereinfuhren, von denen ein Teil noch dazu unnötigen Luxus darstelle, belasteten die Passivseite der Zahlungsbilanz schon ganz ungeheuer. Hinzu kämen noch Zinszahlungen aus Darlehen, Zahlungen an ausländische Schiffahrtsgesellschaften für Transportleistungen, Erwerb fremder Valuten zum Zwecke der Kapitalflucht ins Ausland etc., dann besonders die mehr oder weniger großen fälligen Reparationsverpflichtungen aus dem verlorenen Kriege, die Barzahlungen, Sachleistungen und Ausgleichszahlungen. Demgegenüber seien auf der Aktivseite nur geringe Posten für Ausfuhr, Zinseinnahmen aus Eigentum i m Ausland, Transportleistungen der einheimischen Handelsflotte etc. zu buchen. Der Passivsaldo der Zahlungsbilanz werde teils durch Kreditgewährung, teils durch Notenexport ausgeglichen. I m Laufe der Zeit werde aber die Bereitwilligkeit des Auslandes, Kredit zu gewähren und Noten i n Zahlung zu nehmen, geringer. Das Ausland verliere auch besonders infolge politischer Vorgänge den Glauben an das i m Kriege unterlegene Land. Die Währung dieses Landes stürze, der Währungssturz wieder wirke steigernd auf das Preisniveau i m Innern, und folglich müsse der Geldumlauf vermehrt werden. Diese „motivierte" Zahlungsbilanztheorie, wie Euchen 9 sie genannt hat, die also gegenüber der „naiven" alle Posten der Zahlungsbilanz einschließlich des Notenexports berücksichtigt, weist folgenden Kausalzusammenhang auf: 8 9

Forstmann, S. 238. S. 3.

15 Klafkowski

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

226

.Passive" Zahlungsbilanz (besonders infolge eines verlorenen Krieges) Ausströmen von Papiergeld

Nachfrage nach ausländischem K r e d i t

Preissteigerung der Devisen

I Erhöhung der Warenpreise i m I n l a n d Defizit i m Staatsbudget

I

Stärkere Diskontierung von Handelswechseln

. I

I

Geldvermehrung

Betont werden häufig auch die schädlichen Wirkungen der Spekulation und die Verkäufe inländischer Währungseinheiten zum Zwecke der Anlage. Nach Forstmann 10 unterscheidet sich die motivierte von der naiven Zahlungsbilanztheorie vor allem dadurch, daß sie das Entstehen von Angebot und Nachfrage nach ausländischen Zahlungsmitteln zu motivieren versucht. Ihre Vertreter weisen darauf hin, daß der Einfuhrbedarf eines Landes abhängig von A r t und Umfang der i m Lande selbst fuhr. Die Preise der Einfuhrgüter hängen dabei offenbar von dem Stande der Preise i m Auslande und von der Höhe der intervalutarischen Kurse ab. Ein günstiger Kurs und ein niedriger Preisstand i m Ausland müssen die Einfuhr anregen, die entgegengesetzten Umstände müssen sie lähmen. Die Ausfuhr w i r d natürlich, da ja der ausländische Impordaß also die nachgefragte Menge an Lebensmitteln unabhängig von der Höhe des intervalutarischen Kurses festgegeben sei. Die „naive" Theorie, eine passive Handesbilanz verschlechtere die Valuta, übersieht, daß der internationale Güteraustausch, bei Freiheit des Verkehrs, ebenso wie der inländische einer willkürlichen Beschränkung oder Vermehrung nicht unterliegt, sondern daß er mindestens auch „ein zwangsläufiges Resultat der Preisverhältnisse ist". 1 1 Je höher einerseits das Preisniveau i m Innern u n d je niedriger andererseits die Preise der einzuführenden Güter sind, desto mehr lohnt sich die Einvorhandenen Naturschätze ist. Man gehe weiter davon aus, daß der Nahrungsmittelbedarf von Industrieländern mit Rücksicht auf seine Unelastizität unabhängig von der Preisgestaltung befriedigt werden muß, teur den gleichen Motiven folgt, entsprechend beeinflußt. Die Preise also greifen regulierend i n das Verhältnis von Ausfuhr und Einfuhr ein. Deshalb kann eine passive Handelsbilanz für sich allein, da sie selbst 10 11

S. 240 f. Hahn, I, S. 596 ff.

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

227

mindestens auch aus den Güterpreisen folgt, nicht die Ursache, höchstens vielleicht der Ausgangspunkt für die Erklärung einer ungünstigen Valuta sein. Das gleiche gilt auch hinsichtlich der Güterbewegungen i n Anbetracht der „motivierten" Zahlungsbilanztheorie. Forstmann 12 bemerkt, daß die Ansicht einzelner Vertreter der motivierten Zahlungsbilanztheorie, der Einfuhrbedarf eines Landes sei von A r t und Umfang der i m Lande selbst vorhandenen Naturschätze abhängig und die nachgefragte Menge an Lebensmitteln sei fest gegeben, für einzelne Posten der Zahlungsbilanz zweifellos zutreffen mag, aber nicht verallgemeinert werden dürfe, wie dies die Vertreter der Zahlungsbilanztheorie tun. I n dieser Verallgemeinerung liege der Grundfehler der Zahlungsbilanztheorie, und zwar der „naiven" ebenso wie der „motivierten": Sie gehe von der Annahme aus, daß die einzelnen Posten der Zahlungsbilanz fest gegeben seien, daß man auf sie also — wie J. M. Keynes sagt — die Theorie der starren Körper statt die der flüssigen angewandt hat. Der Fehler der „motivierten" Zahlungsbilanztheorie bestehe hierbei i m besonderen darin, anzunehmen, daß das Bedürfnis nach Gütern schon identisch mit einer Nachfrage nach ihnen wäre, ohne zu berücksichtigen, daß ein Bedürfnis sich erst dann als Nachfrage aktivieren kann, wenn es durch Kaufkraft unterstützt wird. N u n erhalte man aber Kaufkraft immer erst dann, wenn man selber eine entsprechende Leistung zur Verfügung gestellt hat. Da es sich i n der Außenwirtschaft aber u m Kaufkraft bzw. Kaufmittel handelt, m i t deren Hilfe eine Nachfrage nach ausländischen Gütern aktiviert werden soll, so setze das eine entsprechende außenwirtschaftliche Leistung voraus. W i r d hingegen m i t inländischen Zahlungsmitteln eine außenwirtschaftliche Nachfrage ausgeübt, so führe das zu einer Steigerung des Kurses der ausländischen Währungen. Daraus ergebe sich eine Preissteigerung der ausländischen Güter, die sich zu einer allgemeinen innerwirtschaftlichen Preissteigerung auswachsen wird, wenn die Kreditpolitik einer solchen Entwicklung nachgiebig folgt, oder wenn eine Ausweitung des Umlaufes durch eine „autonome" Geldschöpfung vor sich geht. Die „naive" wie — m i t ihrer breiteren Grundlegung — die „motivierte" Zahlungsbilanztheorie ist ferner insofern unzutreffend, als man bei Ländern m i t Papierwährungen von einer „passiven", durch Goldsendungen auszugleichenden Zahlungsbilanz i n dem gewöhnlichen Sinne von Jahresbilanz, die sämtliche Einnahmen und Ausgaben eines Landes überhaupt gegenüberstellt, gar nicht sprechen kann, da alle Forderungen entweder durch Kreditgewährung seitens des Auslandes oder durch Notenexport ausgeglichen werden müssen, so daß der Saldo auf jeden Fall gleich N u l l ist. « S. 240 f. 15*

228

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

Versteht man unter „Zahlungsbilanz" die Gegenüberstellung der innerhalb eines Zeitraumes tatsächlich erfolgten Käufe und Verkäufe von fremden Zahlungsmitteln, so ist die Zahlungsbilanz natürlich immer ausgeglichen, denn die Käufe von fremden Zahlungsmitteln sind immer gleich den Verkäufen; i n diesem Sinne ist die Ausgeglichenheit der Zahlungsbilanz kein Zufall und auch kein anzustrebendes Ziel, sondern eine Tautologie, die aus dieser Definition des Begriffes sich von selbst ergibt. 1 3 Forstmann u hat darauf hingewiesen, daß der Saldo einer unausgeglichenen „natürlichen" 1 5 Zahlungsbilanz durch entsprechende außenwirtschaftliche Goldbewegungen ausgeglichen werden kann. Die Zahlungsbilanz schlechthin müsse aber immer ausgeglichen sein; und sie sei dies auch bei fehlenden außenwirtschaftlichen Goldbewegungen. Der Ausgleich trete dann nämlich durch entsprechende Veränderungen i n der Höhe des intervalutarischen Kurses der Währung ein. Man w i r d hier auch die Rolle des Kredits nicht vergessen dürfen. Vor allem die naive Zahlungsbilanztheorie sei bei ihren Betrachtungen von der Annahme ausgegangen, daß es einen echten Zahlungsbilanzsaldo geben könnte, also einen Saldo, der nicht ausgeglichen würde, daß also die Möglichkeit bestände, daß nicht nur die „natürliche" Zahlungsbilanz, sondern daß auch die Zahlungsbilanz schlechthin unausgeglichen sein könnte. Die motivierte Zahlungsbilanztheorie vermeidet nach Ansicht Forstmanns diesen Fehler eher. Ihre Vertreter erkennen meist, daß die Zahlungsbilanz i n einem jeden Falle entweder durch außenwirtschaftliche Goldbewegungen oder durch eine Veränderung des intervalutarischen Kurses zum Ausgleich kommt. Auch auf den Kredit muß hier wohl wieder hingewiesen werden. Es gibt danach eigentlich keine unausgeglichene Zahlungsbilanz 16 . Gleicht sich also die Zahlungsbilanz immer aus, so können höchstens die einzelnen Teile der Zahlungsbilanz, wie Kreditbilanz, Notenexportbilanz etc., aktiv oder passiv sein. Eine sich ausgleichende Zahlungsbilanz kann aber — für sich allein betrachtet — wohl kaum einen Maßstab für die laufende Entwicklung des intervalutarischen Kurses abgeben. Was von der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Handelsbilanz und Preisen gesagt wurde, gilt auch für die meisten anderen Posten der Zahlunsbilanz, auf welche die motivierte Zahlungsbilanztheorie abstellt; 13 14 15 16

Vgl. Haberler, S. 14; vgl. auch Kruse, S. 165. S. 200, S. 240. Bestehend aus Handels-, Kapitalverkehrs-, Zinsleistungsbilanz. Vgl. hierzu Rose, S. 15 ff.

A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

so ist z. B. die Bereitwilligkeit, Kredit zu gewähren, von dem Unterschied der Zinshöhe i n den verschiedenen Ländern abhängig. Es ist auch — wie bereits einer früheren allgemeineren kritischen Andeutung entnommen werden kann — keineswegs der passive Teil einer Zahlungsbilanz selbst bzw. allein, der den Notenexport notwendig zur Folge hat. Motive für die Nachfrage nach einer Papiervaluta i m Auslande dürften vielfach sein der Glaube an die Zukunft des betroffenen Landes, das Vertrauen auf die Wiederherstellung seiner Währungsstabilität, die Spekulation, das Papiergeld doch noch nutzbringend verwerten zu können. Würde diese Nachfrage nicht vorausgesetzt werden können, so könnte der Importeur zur Bezahlung der weiteren Importe keine Devisen kaufen; oder aber das Angebot an Devisen würde nicht den erforderlichen Umfang erreichen, und dadurch würde die Einfuhr i n das betroffene Land automatisch gehemmt werden. Was den Kauf von fremder Valuta seitens der Spekulation oder für Vermögensanlage betrifft, so liegt i n diesen Zwecken schon die selbstverständliche Voraussetzung einer — mindestens vorstellungsweisen — vorherigen Verschlechterung der Inlandswährung. Die „Zahlungsbilanztheorie", die vor dem ersten Weltkriege namentlich i n der deutschen und französischen Literatur entschieden vorherrschte, ist nach Ansicht Palyis 17 i n Wirklichkeit überhaupt keine „Theorie", weil sie die Frage offen läßt, wodurch die Faktoren der Zahlungsbilanz i n ihrer Höhe bestimmt werden; sie habe ebensoviel und ebensowenig Wert wie das „Gesetz", wonach Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Theoretische Bedeutung erlange diese Auffassung erst als Ergänzung der Quantitätstheorie, die bereits von Malthus und i m Anschluß an i h n von M i l l verfochten wurde: daß es nämlich Veränderungen der Zahlungsbilanz gibt, mögen sie aus Krieg, Hungersnot, staatlichem Eingriff, Kapitalwanderungen oder woher immer rühren, die m i t der relativen Geldmenge der beteiligten Länder nichts zu t u n haben. Triffin 18 hat noch 1963 betont, daß Kriege und Kriegsvorbereitungen vor wie nach 1914 die Haupttriebkraft der Preissteigerungen gewesen sind. Allerdings dürfe man annehmen, daß die Loslösung von der Goldwährung das Ergebnis — nicht die Ursache — sowohl einer gewissen Dosis Inflation als auch der ebenso unweigerlich dazu führenden Kriege war. I m Gegensatz zu der Zahlungsbilanztheorie wurde von den sog. Inflationstheoretikern darauf hingewiesen, daß die Zahlungsbilanz keine 17 18

S. 504. S. 131 f.

230

A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

feststehende Größe, sondern ihrerseits von der Gestaltung der Wechselkurse abhängig sei. Man sah die Ursache der Wechselkursverschlechterungen vielmehr i n der Inflation, i n der Vermehrung der Geldmenge i m Inlande. 1 9 Die Inflationstheorie lehrt also, daß die starke Vermehrung des Geldes die Ursache der Preissteigerung und damit der entsprechenden Veränderung der ausländischen Wechselkurse sei. Findet eine Geldvermehrung ohne entsprechende Zunahme der Produktion oder sogar noch bei rückläufiger Entwicklung statt, d. h. w i r d Inflation getrieben, so w i r d eine künstlich vergrößerte Nachfrage nach Gütern und Leistungen geschaffen, und die Preise der Güter müssen steigen. Da Devisen vom Inlande gesehen nichts anderes sind als Güter, wenn auch Güter einer besonderen A r t , so steigen gegenüber dem vermehrten Geldangebot auch ihre Preise; durch die erhöhten Preise i m Innern und die steigenden Wechselkurse werden wieder die Handels- und damit die Zahlungsbilanz bestimmt. Die Inflationstheorie stellt also folgenden Kausalzusammenhang auf: Defizit i m Budget

Z u niedriger Zinsfuß

(besonders durch die Lasten eines verlorenen Krieges) Inflation

I Steigerung der Güterpreise

1 Bestimmung der Handels-

' ( bzw. Zahlungsbilanz Steigerung der Devisenpreise >

Fast alle Stufen dieses Kausalzusammenhanges sind angegriffen worden. A u f die Einwände gegen den ersten Satz, das Defizit i m Staatsbudjet und die Zinspolitik seien Quellen der Inflation bzw. des Preisniveau-Auftriebs, braucht i n diesem Zusammenhang nicht mehr eingegangen zu werden. Sie sind heute durch geschichtliche Tatsachen widerlegt. Aber auch die Behauptung, daß die Wechselkurse infolge der Steigerung des Preisniveaus ebenfalls hochgetrieben würden, hat man geleugnet. Man hat geltend gemacht, der intervalutarische Kurs sei ein Preis und bilde sich wie jeder Preis durch Angebot und Nachfrage, d. h. er werde durch die „Zahlungsbilanz" i m Sinne Bendixens 2 0 — Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage auf dem Valutamarkt i n einem Augenblick — bestimmt. Bendixen 21 selbst sagt: 19 20 21

Vgl. Kruse, S. 35. S. 103. S. 104.

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

231

„Die ,Geldentwertung', richtiger ausgedrückt die Steigerung des Preisdurchschnitts, ist die unvermeidliche Folge einer durch regelwidrige Geldschöpfung b e w i r k t e n Vermehrung der numerischen K a u f k r a f t . Dagegen ist die V e r schlechterung der Valuta Ergebnis der Zahlungsbilanz u n d der Spekulation (Marktlage f ü r . . . Wechsel). Beide Phänomene haben begrifflich nichts m i t einander zu tun, doch k a n n die Geldentwertung die Valuta beeinflussen, i n dem die hohen Inlandspreise den Transport beeinflussen."

Gegenüber diesem Einwand ist folgendes zu bemerken: Die Inflationstheorie hat den Satz, Angebot und Nachfrage (die Marktlage) reguliere die Wechselkurse, nie bestritten. Sie behauptet i h n i m Gegenteil selbst, sucht aber die Kausalzusammenhänge aufzudecken, die Angebot und Nachfrage bestimmen. Die Nachfrage nach Gütern w i r d durch die inflationistische Geldschöpfung künstlich vergrößert, und folglich steigen die Güterpreise. Auch die Nachfrage nach Devisen w i r d durch die Inflation künstlich aufgebläht und zwar auf zwei Wegen: einmal durch unmittelbare Nachfrage auf dem Devisenmarkt, dann aber auch — und dies besonders — auf dem Wege über den Gütermarkt. Steigt nämlich i m Innern das Preisniveau, so wächst die Tendenz, Güter einzuführen, und demzufolge die Nachfrage nach Devisen zur Bezahlung der Einfuhr. Außerdem hemmt das gesteigerte Preisniveau die Ausfuhr, schraubt also die Nachfrage nach eigenem Gelde i m Auslande zurück oder, was sich gleicherweise auswirkt, das Angebot an Devisen. Die Inflationstheorie w i r d also von dem genannten Einwand überhaupt gar nicht berührt. M i t diesen Ausführungen sind zugleich die Einwirkungen der Wechselkurse auf die Gestaltung der Handelsbilanz gekennzeichnet. Bei steigenden Preisen i m Inlande herrscht die Tendenz, die Handelsbilanz i n Richtung der Passivität zu beeinflußen, allerdings nur so lange, wie die anderen Untergruppen der Zahlungsbilanz (Notenexport-, Kreditbilanz) imstande sind, das Passivum auszugleichen. Ist dies nicht mehr der Fall, dann muß sich auch die Handelsbilanz ausgleichen, da dann die sich erhöhenden Wechselkurse den Handel i n entgegengesetzter Richtung beeinflußen werden. Störungen dieses Ablaufs werden umso weniger auftreten, je regelmäßiger die Inflation fortschreitet. Es ergibt sich demnach umseitiger Kausalzusammenhang. Aus diesem Schema erhellt wohl besonders deutlich das Dynamische der Inflation. Schon immer, bevor ein Ausgleich zustande kommt, sind Kräfte am Werke, die i h n verhindern. Z u beachten ist, daß ein Preisauftrieb nicht die Folge eines natürlichen Nachfrageüberhangs sein muß, sondern sich aus der Ausnutzung der Marktmacht von Gewerkschaften und Unternehmen ergeben kann („Kosteninflation", i n der englischsprachigen Literatur vielfach noch treffender unter der Bezeichnung „sellers' inflation" bekannt). 22 22

Vgl. Sohmen, S. 20.

232

A . Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

Defizit i m Staatsbudget

Künstliche Niedrighaltung des Zinses

I

Inflation

I

Valutamarkt

Gütermarkt Preissteigerung der Devisen

Preissteigerung der Güter

Rückgang der Ein-, Z u nahme der Ausfuhr

Zunahme der Ein-, Rückgang der Ausfuhr

Tendenz zur aktiven Handelsbilanz

Tendenz zur passiven Handelsbilanz

I I

I

I

I

Güterpreissteigerung

Preissteigerung der Devisen

I

I

I

Tendenz zum Ausgleich der Handelsbilanz durch erhöhten Kurs

Rückgang der Aus-, Z u nahme der E i n f u h r Tendenz zum Ausgleich der Handelsbilanz

Tendenz des Ausgleichs durch Kreditgewährung u n d Notenexport

1 Weitere Nachfrage nach Devisen zu Anlagezwecken

I

Preissteigerung der Devisen

Teuerung des Auslandskredits, Verbilligung der Noten

Tendenz zur aktiven Handelsbilanz

Tendenz zum Ausgleich

I

Steigerung der Güterpreise

1

Tendenz zum Ausgleich der Handelsbilanz

I

Erhöhte Kreditansprüche der Privaten

R ü c k w i r k u n g auf das Staatsbudget

I Inflation

I usw.

A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

Manche Theoretiker, z. B. Schilcher 23 , unterscheiden Überschußnachfrage-Inflation und Anbieter-Inflation. Entsprechend seien auch die Inflationstheorien zu klassifizieren. Überschußnachfrage-Inflation setze „marktdeterminierte" Preisbildung voraus, d. h. eine Verhaltensweise der Marktteilnehmer, durch die die Preise flexibel an die relative Knappheit der Güter angepaßt werden. Ursache der Inflation sei ein makroökonomischer ex-ante-Nachfrageüberschuß i n realen Größen über eine Reihe von Perioden hinweg, oder, was auf dasselbe hinauslaufe, ein entsprechendes Angebotsdefizit. Der Prozeß werde durch Änderung des Anbieterverhaltens oder bei gegebenem Verhalten entweder durch Steigerung des realen Angebots oder durch Senken der realen Nachfrage beendigt. Überschußnachfrage-Inflation sei der traditionelle Inflationstyp. Aus den Ausführungen über die Inflationstheorie geht aber auch hervor, daß hier ebenfalls eine kausale Wechselwirkung anzunehmen ist. Ein entstandenes Mißverhältnis zwischen Gütern und Geld, eine Ungleichung, tendiert dahin, sich über die Preise auszugleichen. Wiederum erscheint es für den Fortgang unserer Untersuchungen nicht sehr wesentlich, von welcher Seite der Anstoß erfolgt. Allerdings w i r d man sich des Eindrucks kaum erwehren können, daß die Steigerung des Geldumlaufs das ins Auge Springende ist und der gesamten Erscheinung ihren Stempel aufprägt. So verstanden, nähern sich die beiden Standpunkte einander, wobei der Bedeutung der Inflationstheorie i n diesem Sinne insofern ein gewisses Übergewicht zuzusprechen sein dürfte, als die Vermehrung der Umlaufsmittel keineswegs wie eine Naturkatastrophe über eine Volkswirtschaft hereinbricht. Eine von der Güterseite ausgelöste Zahlungsmittelabwertung kann nämlich durch entsprechende Handhabung des Währungssystems gebremst werden. Dafür gibt es i n der modernen Wirtschaftsgeschichte Beispiele genug. Geschieht dies aber nicht, so w i r d der Rhythmus des Auseinanderfalls der Güter- und Valutapreise einerseits und des Geldrealwerts andererseits ohne Zweifel von der Geldseite her bestimmt. Diese auf Erfahrung beruhende Erkenntnis dürfte der eigentliche Inhalt der Inflationstheorie sein. Was die Vertreter der sog. Zahlungsbilanztheorie angeht, so liegt der Gedanke nahe, daß hier unbewußt oder bewußt politische Einstellungen mit i m Spiele sind. Dies hat Bajkitch

24

bereits 1925 betont:

„Die für die I n f l a t i o n — als einzige Ursache des Währungsverfalls — verantwortlichen Minister haben die Handelsbilanztheorie sehr geschickt be23 24

S. 81 f. S. 206.

234

A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

nutzt, u m die Verantwortung von sich abzuwälzen. U n d m i t Rücksicht auf die Handelsbilanzbesessenheit der Massen ist ihnen dies sehr gut gelungen. Die Valuta sinke infolge der passiven Handelsbilanz, a n welcher die produktiven Schichten Schuld trügen: produzieret, produzieret, produzieret u n d exportieret, exportieret, exportieret, das werde den Geldwert auf die alte Höhe bringen."

Hiermit i m Zusammenhang steht auch die Tatsache, daß zeitweilig die Deflationsgefahr bzw. die Inflationsgefahr über- bzw. unterschätzt wird.25 Man w i r d also zwischen der Passivgestaltung einer Handelsbilanz und den Güterpreisen eine Wechselwirkung annehmen müssen, wobei es — dies sei nochmals betont — für die Feststellung des theoretischen Ergebnisses der Überlegungen hinsichtlich der Kaufkraftparität unwesentlich sein dürfte, ob der Anstoß zu den Veränderungen — verallgemeinernd gesprochen — von der Güter- oder von der Geldseite her ausgeht. Da die wirtschaftlichen Dispositionen der Individuen auf Kalkulationen beruhen, die sie bei sich anstellen oder die i n Gremien ausgehandelt werden, ist es sowieso nicht immer möglich, m i t einiger Sicherheit klar zu scheiden, ob Handlungsmotive auf die eine oder auf die andere Seite abzielen bzw. Maßnahmen oder Entwicklungen auf der einen oder der anderen Seite spekulativ vorabnehmen. Auch Palyi 26 hat i n dieser Beziehung den Gegensatz zwischen „Quantitätstheorie" 2 7 und „Zahlungsbilanztheorie" der Wechselkurse für logisch völlig unhaltbar angesehen: selbstverständlich komme es für den Wechselkurs auf die Zahlungsbilanz an, aber ebenso selbstverständlich werde die Zahlungsbilanz durch Veränderung der Geldmenge und des inneren Preisniveaus wesentlich beeinflußt. I m gleichen Sinne meint E. Lukas (Geld und Kredit, Heidelberg 1951, S. 145)28, es liege zwischen Zahlungsbilanz und Wechselkurs „keine einseitig kausale Determiniertheit vor, sondern ein wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis ausgesprochen funktionalen Charakters". Letzterem werde man „vielleicht am besten gerecht, wenn man solchen Wechselkurs nicht als durch die Zahlungsbilanz des Währungsgebietes bestimmt erklärt, sondern i h n von der zahlungspolitischen Kapazität des betreffenden Landes her bedingt sieht". Wenn wir, so meint Forstmann 29 die Kausalität einer Währungsentwertung für eine Inflation auch ablehnen und demgegenüber einen genau umgekehrten Kausalzusammenhang feststellen müssen, so soll dam i t doch keinesfalls bestritten werden, daß exogene Einflüsse struktur25 26 27 28 29

Vgl. Schmölders, S. 113. S. 475. I m Sinne der „Inflationstheorie". Vgl. auch Forstmann, S. 240. S. 242 f.

A. Zahlungsbilanztheorie — Inflationstheorie

konträrer A r t ein — vielfach kaum vermeidbarer — Anlaß für eine I n flation sein können, die aber ursächlich nicht intervalutarisch, sondern immer nur geldseitig und insbesondere durch eine „autonome" Geldschöpfung exogener Zweckbestimmung gekennzeichnet ist. Die Zahlungsbilanztheorie vermag eine kausaltheoretische Erklärung der Bildung und der Veränderung des intervalutarischen Kurses deshalb nicht zu geben, w e i l ihre einzelnen die Nachfrage und das Angebot von ausländischen Zahlungsmitteln zum Ausdruck bringenden Posten nicht, wie dies erforderlich wäre, unabhängige Variable, sondern w e i l sie vielmehr im wesentlichen abhängige Variable i n dem Sinne sind, daß ihre Höhe eine Funktion jenes intervalutarischen Kurses ist, der durch sie bestimmt werden soll. Aus beobachteten guten Korrelationen dürfe nicht auf Kausalbeziehungen geschlossen werden 3 0 .

30

Vgl. Schilcher, S. 88.

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität a) Cassels Darstellung der Theorie

1. Die Kaufkraftparität Bajkitch 3 1 hat die Ansicht geäußert, es gebe gebildete Menschen, welche die Casselsche Theorie über die Kaufkraftparitäten nicht erfassen können. Er hat — allerdings etwas unklar — hinzugefügt: „Was den Export anbetrifft, erachtet diese Theorie kein Opfer f ü r zu groß, u m i h n zu heben. Befreiung von Ausfuhrzöllen (was an und f ü r sich ein Fortschritt wäre, w e n n sie nicht gleichzeitig auf Rohstoffen weiter bestünden), wesentliche Reduktion von Frachtsätzen, Ausbau von Eisenbahnen, handelspolitische Sicherung des Absatzes i m Auslande usw., alles w i r d von der Handelsbilanzlehre d i k t i e r t . "

W i r wollen sehen, was es mit dieser Theorie i n der Tat auf sich hat. Suchen die Zahlungsbilanz- bzw. die Inflationstheorie den funktionskausalen Zusammenhang von Güterpreisniveau und Wechselkursen zu erklären, so geht die Theorie der Kaufkraftparität einen Schritt weiter und bestimmt die Parität bei Papierwährungen, d. h. den Punkt, um den die Wechselkurse oszillieren. Unter Parität zweier Währungen versteht man zunächst die Gleichung, die sich für die Werteinheit zweier Länder gleicher Metallwährung aus den beiderseitigen gesetzlichen Preisen für dieses Metall ergibt. 8 2 Der Begriff der Parität läßt sich des weiteren auf das Verhältnis zweier Währungen m i t verschiedener metallischer Grundlage anwenden. Allerdings ergibt sich die Währungsgleichung dann nicht ohne weiteres aus den Münzgesetzen, sondern erst unter Hinzuziehung der Marktnotierung für beide Währungsmetalle. 33 Was aber bestimmt die Parität bei Papierwährungsländern? U m diese Frage zu beantworten, stellt Cassel 34 eine weitere Frage, deren Beantwortung der Erkenntnis förderlich ist: „Welches ist der Hauptgrund für die Nachfrage nach einer fremden Währung, und welche Wirkung hat eine Veränderung des inneren Wertes jener Währung auf die Nach2 9 9 f. Wagemann, S. 340/41. Ebd., S. 341. I I , S. 138.

31 g

32 33 34

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frage nach derselben?" W i r zahlen nur deshalb einen Preis für Devisen, weil w i r mit ihnen ausländische Güter und Leistungen kaufen können. Ebenso bieten w i r i n unserem eigenen Gelde dem Ausland nur Kaufkraft gegenüber Gütern und Leistungen des eigenen Landes an. Die Kaufkraft, die sich i n der Höhe des Preisniveaus ausdrückt, ist also das Primäre, Bestimmende. Danach richtet sich der Wechselkurs. Herrscht zwischen zwei Ländern A und B m i t Währungen von fester innerer Kaufkraft Freihandel, so w i r d sich ein gewisser Wechselkurs von selbst zwischen ihnen bilden, der nur leichten Schwankungen unterliegen, i m großen ganzen aber stabil bleiben wird, allerdings nur unter den beiden gemachten Voraussetzungen, daß Freihandel besteht, und die innere Kaufkraft der Währungen sich nicht ändert. Geschieht nun das letztere i n A, so w i r d der „Wert der A-Valuta i m Lande B notwendigerweise i m gleichen Verhältnis fallen". 3 5 Ist gleichzeitig die innere Kaufkraft auch der B-Valuta gesunken, so „ w i r d sich die Schätzung der A-Valuta i n B folglich i n entsprechendem Grade heben". 3 6 Wenn z. B. die innere Kaufkraft der A-Valuta auf ein Viertel und der B-Valuta auf ein D r i t tel gesunken ist, so w i r d der neue Wechselkurs, A-Valuta i n B-Valuta ausgedrückt, drei Viertel des alten Kurses ausmachen. Die Regel lautet also: Ist i n zwei Ländern infolge Inflation das Preisniveau gestiegen, d. h. die innere Kaufkraft gesunken, so w i r d der normale Wechselkurs gleich sein dem alten multipliziert m i t dem Quotienten zwischen dem Grade der Kaufkraftverschlechterung i n dem einen und dem anderen Lande. 8 7 Natürlich w i r d der wirkliche Kurs besonders i n Übergangs35 I I , S. 140: „the value of A's currency i n the country B w i l l necessarily fall i n like proportion". 36 Ebd., S. 140: „the valution of A's currency i n B w i l l , as a consequence, rise i n a corresponding degree". 37 Cassel wendet mehrmals den Ausdruck „ I n f l a t i o n " an, der i n der obigen Darstellung absichtlich durch „Steigerung des Preisniveaus", „ K a u f k r a f t verschlechterung" ersetzt wurde. So S. 140: 'When t w o currencies have undergone i n f l a t i o n ' . . . ' m u l t i p l i e d by the quotient of the degree of i n f l a t i o n ' . . . Da hier unter I n f l a t i o n künstliche Geldschöpfung verstanden w i r d , so könnte man Einwendungen, die man gegen die „naive" Quantitätstheorie erhebt (welche Proportionalität zwischen Geldschöpfung u n d Preiserhöhung behauptet), auch hier anführen. Es ist deshalb besser, man geht von dem „gesteigerten Preisniveau" oder der „gesunkenen K a u f k r a f t " aus, w i e es Cassel j a auch sonst tut. Da sich Cassel zur „naiven" Quantitätstheorie — i n etwas modifizierter Weise — bekannt hat (vgl. I V , S. 472), so brauchte er die Unterscheidung nicht scharf durchzuführen. Was auch die Ursache der Preissteigerung sei, sagt z. B. F l u x , The Foreign Exchanges, London 1924, S. 98 f., früher oder später müsse sich die Geld- bzw. Kreditmenge dem gestiegenen Preisniveau anpassen, w e n n ihre Vermehrung der Steigerung der Preise nicht sogar vorangegangen ist. v. Bortkiewicz hat, indem er die Disproportionalität zwischen Geldmengenänderung u n d Preissteigerung während der deutschen, russischen u n d österreichischen I n f l a t i o n feststellte, den landläufigen Erklärungsversuch, der m i t dem Hinweis auf veränderte Zirkulationsgeschwindigkeit des Geldes arbeitet, als unzureichend abgelehnt. Vgl. Palyi, S. 477 ff. Vgl. weiterhin D. H. Robertson,

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Perioden von diesem so theoretisch konstruierten, normalen immer mehr oder weniger abweichen. Aber er w i r d doch trotz aller zeitlicher Schwankungen immer das Bestreben haben, sich diesem neuen Gleichgewichtspunkte, den Cassel die „Kaufkraftparität" (purchasing power parity) 8 8 nennt, zu nähern. 80 Selbstverständlich kommt es bei der Theorie, wie es Hawtrey 40 betont hat, auf die relativen Preise aller Güter und nicht nur der Waren an. Der Wechselkurs sei demnach zwischen zwei Ländern m i t verschiedenem Währungsstoff als das rechnerische Produkt des beiderseitigen Preisniveauverhältnisses anzusehen. (So auch bei Keynes, A revision of the treaty, London 1922, S. 93; G. Kemeny, Die fremden Wechselkurse und die Umwälzung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen, Essen 1921, S. 119; L. Mises, Die geldtheoretische Seite des Stabiliserungsproblems, i n „Schriften des Ver. f. Soz.-Pol.", Bd. 164, 2. Teil, S. 21 ff.. I m „Tract" (S. 96) formuliert Keynes die Theorie sehr viel vorsichtiger.) Anders ausgedrückt: Die Kaufkraft der Geldeinheit i m Inlande sei „normalerweise" stets ebenso groß wie ihre Kaufkraft i m Auslande; die inländische Kaufkraft aber — und dies sei das Entscheidende — stehe i n reziprokem Verhältnis zu der sie bestimmenden Geldmenge. Gemeint können wohl nur die Kaufkräfte unter Berücksichtigung der verschiedenen Entwicklungsstufen der Länder sein, unter Ausklammerung also der Rentenniveaus. A u f diese Zusammenhänge w i r d sogleich noch eingegangen werden. Nach Haberlers 41 Ansicht trägt Cassel die Theorie i n einer allzusehr vereinfachten Form vor, wie sich ja überhaupt sein System mehr durch leichte Verständlichkeit und propagandistische K r a f t als durch wissenschaftliche Genauigkeit, Kasuistik und Strenge auszeichne. I n Cassels Formulierung erweise sich das Gesetz der Kaufkraftparitäten als eine jener zahlreichen Halbwahrheiten der Geldtheorie, die diese so brauchbar machen, weil sie als Faustregeln für die Praxis meist vollauf ausreichen — Halb Wahrheiten, die jedoch bei näherem Zusehen als übervereinfacht bezeichnet werden müßten und gewisser Einschränkungen und Vorbehalte bedürften. S. 31; E. R. A. Seligman, Currency I n f l a t i o n and Public Debts, New Y o r k 1921; Walre de Bordes, Die Ursachen einer potenzierten W i r k u n g des vermehrten Geldumlaufes auf das Preisniveau, i n den „Schriften d. Ver. f. Sozialpolitik", 170. Bd., 1925, S. 256 ff.; F. von Wieser, Theorie der gesellschaftlichen W i r t schaft, i m „Grundriß der Sozialökonomik", I , Tübingen 1914; A. C. Pigou, The economics of welfare, 2. Aufl., London 1924. 38 I I , S. 140. 89 Der Ausdruck wurde zuerst von Cassel i n einem A r t i k e l i n dem „Economic Journal" (Dez. 1918) angewandt. 40 Vgl. Palyi, S. 504. 41 S. 30.

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Forstmann 42 hat das Wesentliche der Kaufkraftparitätstheorie Cassels i n der Verallgemeinerung, vor allem i n der Übertragung der einschlägigen Gedanken auf Länder m i t „Papierwährung", gesehen, aus der sich auch der Unterschied der „Kaufkraftparitätstheorie" gegenüber der „Nivellierunsgtheorie" ergebe. Dieser Unterschied liege darin, daß bei der „Nivellierungstheorie" der Ausgleich der Preisniveaus innerwirtschaftlich durch Veränderungen des Umlaufs m i t entsprechenden Rückwirkungen auf die Preise infolge von Goldbewegungen erfolgt, während der Ausgleich bei der „Kaufkraftparitätstheorie" auch außenwirtschaftlich durch Veränderungen des intervalutarischen Kurses bew i r k t wird. 2. Folgerungen aus der Theorie Die theoretischen und praktischen Folgerungen aus der Lehre von der Kaufkraftparität sind von der größten Bedeutung. Abgesehen davon, daß die Theorie i n einer Inflationszeit der Statistik eine Handhabe bietet, fremdes Geld vernünftig umzurechnen und so irreführende Zahlenangaben zu vermeiden, erleichtert sie auch die Erkenntnis anderer theoretischer Betrachtungen und bewahrt vor Irrtümern. So führt die Theorie der Kaufkraftparität die auch bei Freihandel und flexiblen Wechselkursen oft gehörte und geschriebene Behauptung, die Steigerung des Preisniveaus i m Auslande verschulde die Preissteigerung i m Inlande, ad absurdum, denn sie zeigt ja, daß ein Sinken des ausländischen Wechselkurses die Folgen der fremden Geldentwertung wettmacht. Besonders leicht verständlich erscheint bei Ländern m i t freien Papierwährungen vom Standpunkt der Theorie der Kaufkraftparität auch die heute i m Zeichen der EWG so bedeutsame klassische Theorie, daß der internationale Güteraustausch durch die relativen Kosten bestimmt w i r d . 4 3 Es ist klar, daß, wie hoch auch das Gesamtniveau der Preise i n zwei Ländern steigt, nach der Theorie der Kaufkraftparität der Wechselkurs zwischen ihnen sich immer so ausgleichen wird, daß 42

S. 246 f. Vgl. Ricardo/Waentig, S. 125 ff., sowie K . Diehl, S. 306—25. Ricardo stellt als Beispiel das vorteilhaft Tuch produzierende England dem vorteilhaft Wein produzierenden Portugal gegenüber. — Näheres, allerdings unter dem Gesichtswinkel des Zusammenhangs von Wechselkursen, Preisen u n d Güterbewegung, vgl. bei A . Hahn, S. 596 ff. N i m m t m a n unter Ausklammerung des Rentenproblems an, daß das Kostengesetz den Verlauf der großen L i n i e der E n t w i c k l u n g beherrscht, so k a n n man statt „Preise" „Produktionskosten" setzen. Dann k o m m t m a n zu folgenden Erwägungen: Augenscheinlich richten sich, — beiderseitig Freihandel u n d Nichtberücksichtigung der Transportkosten vorausgesetzt — die Gebote bzw. Forderungen, zu denen sich die auf den Devisenmärkten erscheinenden Käufer u n d Verkäufer — Importeure u n d Exporteure — entschließen, nach der Differenz zwischen den Produktionskosten einer bestimmten Gütergattung u n d -menge i m I n - u n d Auslande, 43

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ein internationaler Warenaustausch stattfinden kann. Es sind eben nicht die absoluten Preisunterschiede (die gerade durch den Wechselkurs eliminiert werden) jenseits der Entwicklungsstufen der Länder, sondern — abgesehen also von den Renten — die „relativen Kosten" ausschlaggebend. Der Handel zwischen zwei Ländern kann also nicht, wie man häufig hört, durch ein hohes Preisniveau i n einem der Länder überhaupt verhindert werden. Abgesehen von der Zwischenzeit, die der Wechselkurs braucht, u m sich dem neuen Preisniveau anzupassen, kann sich auf

ehe ein zwischenstaatlicher Güteraustausch einsetzt. Der Preis des ausländischen Wechsels muß, i n eigenem Gelde ausgedrückt, u m so v i e l höher oder tiefer sein, w i e die Durchschnittsproduktionskosten zwischen Inlands- u n d Auslandswaren differieren. Kosten z. B. verschiedene Güter i m Ausland 100, 105 u n d 125 (Durchschnitt 110), i m I n l a n d 115, 120 u n d 125 (Durchschnitt 120), so w i r d sich der Wechselkurs zunächst auf etwa 110 zu 120 einstellen. Das bedeutet f ü r die internationale Güterbewegung: A l l e Güter, deren Produktionskosten i m Inlande i n etwa u m mehr als 10 höher sind als i m Ausland, können m i t V o r t e i l importiert werden. A l l e Güter hingegen, deren Inlandsproduktionskosten gegenüber den Auslandsproduktionskosten i n etwa u m weniger als 10 differieren, können m i t V o r t e i l nicht importiert werden, da der Bezug dieser Güter aus dem Ausland bei einem K u r s der ausländischen Valuta von etwa 110 zu 120 teurer wäre als ihre Produktion bzw. ihre Bereitstellung i m Inlande. Sie werden i m Gegenteil m i t Gewinn exportiert werden können. Entsprechendes gilt vice versa für den ausländischen Handelspartner. (Da der Wechselkurs auf G r u n d der E r m i t t l u n g des arithmetischen Mittels von Gütern nach ihren Kosten gefunden wurde, so ist i n unserem Beispiel die Summe aller Gütereinheiten, deren Kostendifferenz höher als etwa 10 ist, etwa gleich der Summe aller Gütereinheiten, deren Kostendifferenz i n etwa geringer als 10 ist, woraus man den Schluß ziehen kann, daß, solange ein Ausgleich weder durch Kreditgewährung noch durch Notenexport geschaffen ist, ebensoviel importiert w i e exportiert w i r d , daß also die Handelsbilanz stets zum Ausgleich tendiert). Infolge des einsetzenden Imports u n d Exports werden die Inlandspreise der Importgüter die Tendenz bekommen zu sinken, bei den Inlandspreisen der Exportgüter w i r d sich eine steigende Tendenz bemerkbar machen. Bei Nichtvorhandensein von Transportkosten u n d Zöllen dürfte eine Ausgleichsbewegung der Preise der ein- bzw. ausgeführten Güter eintreten, die Tendenz nach einer Gleichmäßigkeit der Differenz der Inlands- gegenüber den Auslandspreisen, nach einer Differenz, die der Differenz der a r i t h metischen M i t t e l der Kosten i n dem einen bzw. anderen Lande entspricht u n d i n dem hierauf schließlich abgestimmten Wechselkurs zum Ausdruck kommt. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob i n den beiden betrachteten Ländern die gleichen Güter zu verschieden hohen Kosten hergestellt werden, oder ob i n dem einen Lande Bedarf an Gütern besteht, die dort noch nicht produziert werden oder überhaupt nicht produziert werden können, aber aus dem anderen Lande angeboten werden. M i t dem Beispiel w i r d auch erläutert, daß der Kostendurchschnitt i n dem einen bzw. anderen Lande differiert, also auch der Lebensstandard unterschiedlich sein dürfte. Dies ist i m Zusammenhang m i t dem Begriff „Imperialismus" von Wichtigkeit. Der Vergleich von Arbeitszeitaufwendung genügt für die hierauf bezügliche Analyse demnach nicht. Es muß auch die verschieden hohe Fruchtbarkeit der Aufwendungen berücksichtigt werden. M a n kommt, ob man es w i l l oder nicht, auf die Begriffe „hochentwickelte" u n d „unterentwickelte" Länder. H i e r m i t hat sich auch der Kommunismus auseinanderzusetzen.

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die Dauer kein Nachteil daraus ergeben, „da der Wechselkurs jenes Landes proportional i m internationalen Wert fällt". 4 4 Die Veränderung des Preisniveaus i n einem Lande w i r k t natürlich, wie schon einleitend gezeigt, vorübergehend störend auf seinen Handel ein, muß störend wirken, weil ja der Handel das Medium ist, durch das die Wechselkurse eben erst infolge der Störung dem gesunkenen oder gestiegenen Preisniveau angepaßt werden. Ist jedoch die Kaufkraft auf einem gewissen Niveau stabil geworden, so ist es ziemlich gleichgültig, ob dieses Niveau hoch oder niedrig ist. Dann werden niedrige ausländische Wechselkurse die Ausfuhr eines Landes nicht einschränken, wenn sie einem hohen Preisniveau i m Auslande oder einem niedrigen i m Inlande entsprechen. Umgekehrt w i r k t ein hoher ausländischer Wechselkurs nicht als Anreiz zur Ausfuhr, wenn er nur ein Ausdruck der relativen Kaufkraft der verschiedenen Valuten ist. Ebenso stachelt ein niedriger Preis für ausländische Valuten die Einfuhr vom Auslande nicht an, wenn der Wechselkurs nur die Kaufkraft des fremden Geldes i m Auslande widerspiegelt, und umgekehrt hemmen i n diesem Sinne berechtigt hohe Preise für ausländische Valuta die Einfuhr nicht. Die Ausdrücke „hoher" oder „niedriger" Wechselkurs besitzen also i n diesem Sinne keine absolute Geltung. W i l l man sich überhaupt ihrer bedienen, so erscheint dies nur i m Verhältnis zu den Kaufkraftparitäten sinnvoll. 4 5 Es heißt weiterhin praktisch keine Handelspolitik betreiben, etwa um die Konkurrenzkraft der Ausfuhrgüter i n anderen Ländern zu vergrößern, wenn ein Land bei flexiblen Wechselkursen sein allgemeines Preisniveau senkt. Denn das ist nichts anderes als eine Erhöhung des Geldwertes i n diesem Lande, und die Folge w i r d einfach eine Steigerung seines intervalutarischen Kurses sein. Ein Land kann also jenseits der Entwicklungsstufen der ausländischen Konkurrenz nicht auf allen Gebieten über- oder unterlegen sein. 46 Die relativen Kosten allein sind — abgesehen also von den Renten — maßgebend. Ebenso bewahrt die Kenntnis der Theorie der Kaufkraftparität vor falschen Schritten auf dem Gebiete der Lohnpolitik. Die Höhe des Lohnes w i r d als ein Hauptbestandteil der Kosten von großem Einfluß auf den Stand des Kurses sein. Es hat daher wenig Zweck, die Nominallöhne heraufzudrücken, wenn nämlich der intervalutarische Kurs des Landes infolge der Erhöhung der Kosten entsprechend sinkt. Denn dadurch werden wieder die Preise aller importierten Konsumgüter erhöht, und der erhoffte Vorteil w i r d ausgeglichen. 44 Cassel I I , S. 143: „ b y the exchange of that country falling i n porportion i n international value" . . . zu dem Folgenden vgl. auch I, T e i l I, 7. Kap., S. 38 ff. 45 I I , S. 157. 48 A u f die Mindestvoraussetzung i n dieser Beziehung w i r d später noch eingegangen werden.

16 Klafkowski

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3. Abweichungen

von der Kaufkraftparität

So einfach, wie die Theorie oben dargestellt wurde, ist sie jedoch i n Wirklichkeit nicht. Es kommen i n praxi häufig Abweichungen der Wechselkurse von der Kaufkraftparität vor, Abweichungen dauernden und vorübergehenden Charakters, die zu erklären sind. Gehen w i r wieder davon aus, daß die Nachfrage nach Devisen i m letzten Grunde darauf beruht, daß man dafür fremde Güter kaufen kann, so ist es ohne weiteres klar, daß der Umstand, daß man ja mittels der Devisen nicht wie i m eigenen Lande mit dem inländischen Gelde über Güter direkt verfügen kann, sondern daß der Weg zu dieser Verfügungsmacht allerlei Schwierigkeiten bietet, diese Abweichungen hervorrufen muß. Wird, allgemein gesprochen, der Handel zwischen zwei Ländern i n einer Richtung mehr gehemmt als i n der anderen, dann w i r d die Valuta desjenigen Landes, dessen Export relativ stärker gehemmt ist, i n dem anderen Lande unter die Kaufkraftparität sinken, da man alle Kosten, die die Überwindung jener Hemmungen verursachen, i n das A n gebot für die fremden Wechsel einkalkulieren muß, eben w e i l für die letzteren nur i n Ansehung dessen, daß man sich dafür aus jenem Lande Güter beschaffen kann, ein Preis gezahlt wird. Als Beschränkungen können i n Betracht kommen: Absolutes Ausfuhrverbot für bestimmte Artikel, Verbot m i t einem System von Lizenzen, Rationierung des Exports, Ausfuhrabgaben, Maßnahmen, u m höhere Preise für fremde Käufer aufrecht zu erhalten als die auf dem Inlandsmarkt von Inländern zu zahlenden etc. 47 I n umgekehrter Richtung w i r d jede Importbeschränkung wirken. Von dem Lande aus betrachtet, das den Import von Gütern erfolgreich verbietet, kann man die Tatsache so erklären, daß man nicht mehr gewillt ist, für das ausländische Geld einen so hohen Preis zu zahlen, da man es nicht mehr zur Beschaffung von Gütern verwenden kann. Das Ausland sieht den Fall so an, daß Importverbote die Beschaffung von Valuta des den Import verbietenden Landes und somit der gern aus diesem ausgeführten Güter erschweren. Indirekte Handelsbeschränkungen können auch i n Form von künstlichen oder natürlichen Schwierigkeiten auftreten, die den Transport aus einem Lande i n ein anderes stärker als i n entgegengesetzter Richtung aufhalten bzw. belasten. Auch i n diesem Falle w i r d das Geld des ersten Landes i n dem anderen gegenüber der inneren Kaufkraft unterbewertet werden. A l l diese Abweichungen haben mehr oder weniger dauernden Charakter. 4 8 47

I I , S. 148. M a n muß w o h l unterscheiden, ob diese den Handel erschwerenden Maßnahmen sich auf alle Güter gleichmäßig erstrecken, wie z. B. allgemeine Ausfuhrabgaben, ein gleichprozentiger Zuschlag f ü r Ausländer etc. oder nicht, w i e z. B. Zölle f ü r bestimmte Güter. I m ersteren Falle w i r d als Folge des 48

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Auch Palyi 49 hat Abweichungen von der Kaufkraftparität durch „Störungen" des internationalen Austausches erklärt, durch die entweder die Kaufkraft i m Inlande oder die Möglichkeit, das Wertverhältnis zum ausländischen Geld der inländischen Kaufkraft anzupassen, künstlich reguliert wird. Er verweist auch auf Walre de Bordes 50 bezüglich der zahlreichen Abweichungen der Kurve der fremden Wechselkurse von derjenigen des inneren Preisniveaus i n Österreich, die z. T. durch die Hemmungen des internationalen Austausches verursacht worden seien. I n gleicher Weise habe man es wiederholt versucht, die ähnlichen A b weichungen von der Kaufkraftparitäten-Theorie, die die deutsche Inflationsgeschichte aufzuweisen hatte, zu deuten. Wenn sich dagegen der Güterexport und -import keinen besonderen Hemmungen ausgesetzt sieht, so w i r d jede Unterschätzung der Valuta eines Landes die Nachfrage des Auslandes nach Gütern und Leistungen des Landes anreizen; die verstärkte Nachfrage nach und das infolge des gehinderten Imports geschwächte Angebot an der unterschätzten Valuta werden darauf hinwirken, den Wechselkurs bald wieder der Kaufkraftparität anzugleichen, ein Beweis dafür, daß die Kaufkraftparität die natürliche Gleichgewichtslage der Wechselkurse ist. Der Ausgleich kann jedoch unter Umständen, wenn nämlich der Kurs andauernd

Hauptgrundsatzes der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t die W i r k u n g die gleiche sein, w i e wenn eine Beeinflussung des Wechselkurses durch eine Vermehrung der Geldmenge stattgefunden hätte, d. h. die innere K a u f k r a f t gesunken wäre. I m zweiten Falle jedoch w i r d sich bei gleichbleibender Geldmenge ein ganz neuer K u r s bilden müssen, da sich infolge der durch den Z o l l künstlich erhöhten Einzelkosten das Austauschgleichgewicht ändern muß. Dann k a n n man insoweit wenigstens von einer Abweichung von der K a u f k r a f t p a r i t ä t nicht sprechen, sondern bei den neuen Preisen w i r d sich, w i e oben gezeigt (vgl. S. 239), ein neuer K u r s auf G r u n d von Durchschnittskosten herausstellen. Die Höhe des neuen Kurses w i r d bei unveränderter Geldmenge von dem neuen Austauschgleichgewicht abhängen, das wieder von den Produktionsbedingungen u n d der mehr oder minder großen Elastizität der Nachfrage nach den einzelnen Produkten, vielleicht auch von der voraussichtlichen Dauer der Maßnahmen abhängt. Natürlich kann diese Veränderung der K a u f k r a f t von der Güterseite her spekulativ vorweggenommen werden, sobald der Handel eines bestimmten Gutes erschwert werden soll u n d sich die Folgen voraussehen lassen. Folgende vier Hauptfälle sind z. B. bei Ausfuhrzöllen zu unterscheiden: 1. das betr. Produkt ist bei elastischer Nachfrage i n dem fremden Lande gar nicht herstellbar, 2. das betr. Produkt ist bei unelastischer Nachfrage i n dem fremden Lande gar nicht herstellbar, 3. das betr. Produkt ist bei elastischer Nachfrage i n dem fremden Lande n u r m i t (relativ) höheren Kosten herstellbar, 4. das betr. Produkt ist bei unelastischer Nachfrage i n dem fremden Lande n u r m i t (relativ) höheren Kosten herstellbar. 49 S. 505. 50 The Austrian Crown, London 1924. 16*

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und heftig herabgedrückt wird, i n Wirklichkeit lange Zeit i n Anspruch nehmen, so daß die Störung des Handels i n beiden Ländern fühlbaren Schaden stiftet. Meist sieht man dasjenige Land, dessen Valuta unterbewertet ist, als das am stärksten geschädigte an. Und eine solche Störung kann schließlich auch dahin führen, daß sogar Lebensmittel- und Rohstoffimporte unmöglich werden. Aber auch das andere Land, dessen Währung überbewertet wird, befindet sich i n übler Lage, da es unter einer neuen A r t von Dumping zu leiden hat und gleichzeitig sein eigener Export unterbunden wird. Ebenfalls vorübergehend können auch andere Gründe den Wechselkurs unter die Kaufkraftparität herabdrücken. So ist die Unterbewertung einer Währung häufig nur die Vorabrechnung eines erwarteten Falles der inneren Kaufkraft der Währung. 5 1 Jedoch schreibt Cassel der Spekulation keine allzu große Bedeutung zu, eher eine ausgleichende als die Schwankungen intensivierende Wirkung; dies aber wohl zu Unrecht. Es kommt wohl darauf an, ob sich die Valuta fortlaufend verschlechtert — dann w i r d die Spekulation verstärkend wirken, w e i l überwiegend ä la baisse spekuliert w i r d —, oder ob es sich u m Saisonschwankungen handelt — dann w i r d die Spekulation dazu beitragen, diese auszugleichen. Die größte Bedeutung mißt Cassel jedoch als die Unterbewertung einer Valuta verursachendem Faktor dem Umstand zu, daß ein Land um jeden Preis seine Valuta i m Auslande verschleudert, u m sich fremde Valuta zu beschaffen. Cassel hat wohl diesen Faktor überschätzt, und da er ihn noch dazu mit einem Blick auf Deutschland „an absolute swindle" (S. 151) nennt, so ist es angebracht, i n Anbetracht des Schadens, den solche Übertreibungen dem Ansehen Deutschlands i m Auslande zufügen können (das Werk ist 1923 bereits i n zweiter Auflage i n London, Bombay und Sydney erschienen), mit Nachdruck darauf hinzuweisen. Betont doch auch Keynes immer wieder, daß Deutschland mit den Markverkäufen eine Zeit lang seine Reparationen bezahlt habe. Der Bericht der Sachverständigen 52 : „ i n den meisten Fällen waren die Markkredite dieser Konten nicht unmittelbar benutzt worden und hatten durch die Markentwertung einen Schwundprozeß durchgemacht, der schließlich auf eine wirkliche Verflüchtigung hinauslief" . . . schlägt i n dieselbe Kerbe. Es w i r d dabei vollkommen vergessen, „daß ein großer Teil dieser Markguthaben dazu verwendet worden ist, deutsche Werte (Effekten und Grundbesitz) zu erwerben oder die Aufenthaltskosten i n Deutschland zu bestreiten" 5 2 , wenn dies auch mangels zuverlässiger statistischer Angaben hierüber nicht exakt nachweisbar ist. 51 52

Cassel I I , S. 149/150: „a tendency to anticipate events". Vgl. M e e r w a r t h I, S. 28 ff.

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Ein anderer Faktor, der eine Abweichung des Wechselkurses von der Kaufkraftparität verursachen kann, den Cassel 53 aber wohl viel zu wenig beachtet, der sogar geeignet wäre, einen prinzipiellen Einwand gegen die Theorie der Kaufkraftparität abzugeben, ist der Umstand, daß die Theorie der Kaufkraftparität streng auf der Voraussetzung beruht, daß die Preissteigerung i n den betreffenden Ländern alle Güter i m gleichen Ausmaße berührt hat. Trifft diese Voraussetzung nicht zu, dann kann der tatsächliche Wechselkurs von der berechneten Kaufkraftparität abweichen. Sind i n einem Lande z. B. die Exportgüter besonders hoch i m Preise gestiegen, so muß die Valuta dieses Landes unter der Kaufkraftparität bewertet werden, die auf Grund der Steigerung des allgemeinen Preisniveaus maßgebend wäre. Das folgt wieder aus der Beantwortung der schon mehrfach gestellten Frage, warum w i r überhaupt fremde Valuta kaufen. Natürlich kann diese Tendenz dadurch ausgeglichen werden, daß sie m i t einer gesteigerten Nachfrage seitens des Importlandes zusammenfällt, die fraglichen Güterpreise also auch i m Importlande nach einer relativen Steigerung tendieren. Trotz des eventuellen besonderen Einflusses einer Preissteigerung der Exportgüter darf man die neue Parität des Wechselkurses nicht nur auf Grund der Preise von Exportgütern berechnen wollen 5 4 . Wer das versucht, der verkennt, daß die Preise aller Güter funktionell voneinander abhängen und auch die Preise der fremden Währungseinheiten i n dieser Abhängigkeit befangen sind, daß diese letzteren Preise also auch selbst auf alle Güterpreise w i r k e n und dadurch den Kreis der Außenwirtschaftsgüter überhaupt mitbestimmen. Dem höheren Preis der Exportgüter braucht also kein sinkender Preis der Devisen des Exportlandes notwendigerweise zu entsprechen. Die Unsicherheit der Feststellung der Exportgüter, die während einer Inflation wegen der relativen Preisverschiebungen i m allgemeinen nicht 53 I I , S. 154: „ O u r calculation of the purchasing power p a r i t y rests strictly on the proviso that rise i n prices i n the countries concerned has affected a l l commodities i n a l i k e degree. I f that proviso is not fulfilled, than the actual exchange rate may deviate from the calculated purchasing power p a r i t y " . Palyi, S. 505, bemerkt hierzu w o h l zu Unrecht, daß diese Formulierung der Theorie jede praktische Anwendbarkeit nehme. 54 Das t u t z. B. Robertson, S. 114, der sich i m übrigen eng an die Casselsche Darstellung anschließt:... „daß das normale Niveau dieses Kurses durch die i n Geldeinheiten der beiden Länder ausgedrückten relativen Preise d e r jenigen Güter bestimmt w i r d , die zwischen beiden getauscht werden". Weiter S. 115: „ M i t h i n gilt der Satz, daß der Wechselkurs zwischen zwei Ländern m i t voneinander unabhängigen Währungen dahin tendiert, die vergleichsweise K a u f k r a f t der beiden Landesgelder gegenüber denjenigen Gütern zum A u s druck zu bringen, die zwischen beiden den Gegenstand des Handels bilden". Ebenso berücksichtigt Robertson, S. 115, bei der Feststellung etwaiger A b weichungen des Wechselkurses v o m Normalniveau auch n u r Transportkosten u n d sonstige Lasten, die diejenigen Güter betreffen, „welche zwischen beiden Ländern am meisten gehandelt werden".

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mehr die gleichen wie z. B. vor einem Kriege sind, und die Unmöglichkeit, sich genaue statistische Unterlagen zu beschaffen, lassen auch praktisch die Berechnung von Preisindices nur von Exportgütern kaum zu. Erwähnt sei noch, daß Hawtrey Abweichungen von der Theorie aus Differenzen zwischen consumers' income und outlay erklärt hat (vgl. Palyi, S. 504). Die Abweichungen ganz allgemein können je nach der tieferen Ursache sowohl einen dauernden als auch einen nur vorübergehenden Charakter haben. b) Geschichtliche Entwicklung der Theorie 1. David Ricardo Die ganze Lehre von der Kaufkraftparität, so wie sie Cassel darstellt, finden w i r bereits m i t Ausnahme des Namens bei D. Ricardo. Palyi 55 hat die Casselsche Theorie eine „nur sprachlich neue Fassung der klassischen Lehre" genannt, „die bereits von Hume, Ricardo und Torrens formuliert wurde". Forstmann 56 hat sie als „späteres K i n d " der „Nivellierungstheorie" Ricardos bezeichnet. Den Ansichten Ricardos schloß sich insbesondere C. F. Bastable (On Some Applications of the Theory of international Trade, Q. J., vol. 4, 1889) an. I n den dreißiger Jahren vertrat die A n schauungsweise Ricardos bzw. Cassels vor allem B. Ohlin (Interregional and international Trade, Cambridge 1933; s. hierzu auch J. Viner: Theorie des auswärtigen Handels, Wirtschaftstheorie der Gegenwart, hersg. v. H. Mayer, 4 Bde., Bd. 4, Wien 1928, S. 108 f.), insbesondere auch seine Diskussion m i t Keynes über das Transferproblem (Mr. Keynes* View on the Transfer Problem, Economic Journal, vol. 39, 1929, Transfer Difficulties, real and imagined, Econ. Journ., vol. 39, 1929). Jonas 57 ist i n seiner geschichtlichen Forschung noch bis weit vor Ricardo zurückgegangen. Danach ist es ein Klassiker des Merkantilismus, nämlich Thomas M u n gewesen, der i n seiner Schrift A Discourse of Trade, London 1621, also rd. 200 Jahre vor Ricardo, die Theorie der multilateralen Goldbewegungen entworfen hat, wie Jonas bemerkt, „kennzeichnenderweise i n Vertretung von Interessen der East-IndiaCompany". Vgl. hierzu auch Wilson, Thomas M u n and Specie Flows, Journal of Economic History, Vol. X V I I I , 1958, und den Aufsatz von 55 58 57

S. 505. S. 239. S. 118.

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Viner, English Theories of Foreign Trade, before Adam Smith, Journal of Political Economy, Vol. 38, 1930. W i r selbst wollen bei dem historischen Rückblick aber von Ricardo ausgehen, da dieser unzweifelhaft aus der Vergangenheit auf unsere Gegenwart am nachhaltigsten gewirkt hat. Auch bei Ricardo lassen sich die Hauptzüge: die elementare Theorie, Folgerungen und Abweichungen schon klar erkennen, nur hat er diese Theorie als Nebenergebnisse i n seinen Kapiteln über Lohnsteuern und über den auswärtigen Handel, nicht i n einer selbständigen Wechselkurstheorie entwickelt. Ricardo 5 8 geht dabei (S. 229 ff.) zunächst von Edelmetallwährungen aus, wobei das Gold immer i n seiner doppelten Eigenschaft, als Geld und als Gut betrachtet, i n der letzteren gewissermaßen an Stelle des allgemeinen Preisniveaus tritt, und eine Veränderung i n der relativen Geldmenge z. B. über eine Verbilligung des Gutes Gold gegenüber dem Auslandsgeld, solange der Edelmetallhandel frei ist, statt der zu erwartenden Wechselkursänderung einen Abfluß des billiger gewordenen Gutes Gold herbeiführt, und der Wechselkurs pari bleibt. Bei Edelmetallwährungen und freiem Edelmetallhandel könnte also der Wechselkurs i n allen Ländern „nur noch al pari" stehen. Höchstens könnte eine Abweichung vom Paristande durch die Veränderung der relativen Transportkosten der betrachteten Länder eintreten. Aber die Wechselkurse stehen eben nur so lange al pari, wie der Freihandel mit Edelmetallen einem Lande genau diejenige Menge von Umlaufsmitteln zuweist, die sie „nach dem jeweiligen Stande der Dinge haben müßten", um ihre Güter zirkulieren zu lassen. Dagegen könnte i n einem Lande mit Papierwährung der Wechselkurs „ i m selben Maße vom Paristande abweichen, wie sich sein Geld über diejenige Menge vermehren ließe, welche i h m nach dem allgemeinen Handelsstande zugekommen wäre, wenn man den Geldhandel freigegeben und die Edelmetalle entweder selbst als Geld oder als dessen Wertgrundlage i m Gebrauch gehabt hätte", d. h. w i r d Inflation getrieben, so müssen die Wechselkurse proportional der Geldentwertung sinken, wobei Ricardo allerdings die zunehmende Geldmenge eben noch nicht m i t dem steigenden Güterpreisniveau, sondern, was für ihn das gleiche ist, m i t der steigenden Bewertung des Goldes, den Wechselkurs also auch noch nicht mit dem allgemeinen Güterpreisniveau, sondern m i t dem dieses repräsentierenden Gut Gold vergleicht. Das kommt daher, weil Ricardo sich den Sachverhalt nicht wie Cassel von zwei Ländern mit unabhängigen Papierwährungen ausgehend klarmacht, sondern weil er nur i n einem Lande eine Papierwährung voraussetzt, und auf der anderen Seite immer noch 58

Die m i t „ " gekennzeichneten Stellen sind wörtlich der Übersetzung von O. Thiele entnommen.

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das Gold als festen Angelpunkt für seine Vergleiche ansieht. Aber eben auch als Gut; von der Vorstellung des Goldes nur als Geld macht er sich vollständig frei, was daraus erhellt, daß er, u m den rein quantitativen Zusammenhang zwischen Geldvermehrung und Wechselkurssteigerung recht klar darzustellen, einmal eine Inflation bei Papierwährung — eine einfache Ersetzung der normalen Goldumlaufsmenge durch die gleiche Papiergeldmenge hätte gar keine Wirkung —, ein andermal die Verschlechterung einer Goldwährung und schließlich sogar, etwa mittels erfolgreicher gesetzgeberischer Maßnahmen (Goldausfuhrverbot), Überfluß an guten, neugeprägten Pfunden, also wie w i r heute sagen w ü r den, Goldinflation, annimmt. Interessant ist besonders der letzte Fall, denn hier offenbart sich der oben ausgeführte i n bezug auf das „ G u t " Gold bei Ricardo unterschwingende Gedanke. Hier muß die Frage, weshalb überhaupt fremde Wechsel gehandelt werden, die Cassel so scharf formuliert und an die Spitze seiner Betrachtungen gestellt hat, auftauchen; denn jetzt kann das Gut Gold, da es nicht ausgeführt, d. h. vom Ausland eingetauscht werden kann, nicht mehr als Vergleichsmaßstab dienen. Und Ricardo beantwortet die Frage, ohne sie ausdrücklich gestellt zu haben, an einer früheren Stelle: „Wäre die letztere Summe (20 Millionen Pfd., d. Verf.) statt 10 Millionen i n England i n Gebrauch, so würde jede Ware daselbst auf das doppelte ihres ursprünglichen Preises erhöht sein und der Wechselkurs stände gegen England auf 50°/o." Es fehlt hier nur das Wort „daher": „und der Wechselkurs stände ,daher' auf 5 0 % " , und die Abhängigkeit zwischen Güterpreisniveau und Wechselkurs, wie er sich aus dem Zusammenhang ergibt, wäre auch bewußt folgernd ausgesprochen 59. Während Cassel vom Güterpreisniveau ausgeht, ist es Ricardo bei der Annahme der proportionalen Steigerung der Preise eines jeden Gutes gleichgültig, ob er von dem Gut Gold oder von dem ganzen Güterpreisniveau ausgeht. Läßt sich die bequeme Vergleichung mit dem Golde nicht mehr durchführen, 59 Wenn Cassel I I , S. 170, also gesagt hat: „Daher meint er (Ricardo, d. Verf.) m i t dem Geldwert die K a u f k r a f t des Goldes (oder Silbers) gegenüber Waren", so i r r t e er. Ebenso ist die von Cassel auf S. 174 a.a.O. aufgestellte Behauptung, daß Ricardos Studium „des Valutaproblems vornehmlich auf die M e t a l l Währungen gerichtet war, u n d daß eine Papierwährung einzig u n d allein als eine Abweichung von dem Normalzustande betrachtet wurde", wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht haltbar. Ricardo betrachtete die Zusammenhänge des Geldes m i t den Güter- u n d Wechselpreisen hier rein mengenmäßig, so daß er auf S. 138 Ausgabe Mc Culloch sogar sagen konnte: „ U m diese W i r k u n g (einen der Geldvermehrung entsprechenden Wechselkursfall, d. Verf.) zu erzeugen, ist es aber noch nicht einmal nötig (vom Verf. hervorgehoben), daß Papiergeld i m Gebrauch wäre; jede Ursache, durch die eine größere Menge von Pfunden i m U m l a u f zurückgehalten w i r d , als z i r k u l i e r t haben würde, w e n n der Handel frei u n d die Edelmetalle zu bestimmtem Münzgewicht u n d Feingehalt als Geld oder als Wertgrundlage desselben i n Benutzung gewesen wären, würde genau dieselben Folgen haben".

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität

wie z. B. bei der Betrachtung der Folgen für den Handel 6 0 , so kann Ricardo Gold durch einen anderen Standard ersetzen. A u f S. 138 (McCulloch) sagt Ricardo folgerichtig: „ M a n k a n n i h n (den Wechselkurs, d. Verf.) auch durch Vergleich m i t irgend einem beiden Ländern gemeinsamen Maßstab feststellen. Wenn ein auf England lautender 100 .£ Wechsel dieselbe Warenmenge (vom Verf. hervorgehoben) 61 i n Frankreich oder Spanien zu kaufen pflegt, die man m i t einem auf Hamburg lautenden Wechsel v o m gleichen Betrag ersteht, w i r d der Wechselkurs zwischen H a m b u r g u n d England al p a r i stehen. Pflegt m a n aber m i t einem auf England lautenden 130 £ Wechsel nicht mehr zu kaufen als m i t einem 100 £ Wechsel auf Hamburg, so steht der K u r s gegen England auf 30 °/o."

Hier spricht Ricardo die Theorie der Kauftkraftparität ziemlich deutlich aus. Als Folgerungen aus der Theorie stellt auch Ricardo schon (S. 229 ff. d. Übersetzg.) fest, daß ein der Steigerung des Preisniveaus entsprechendes Sinken der Wechselkurse „keine Störung i m auswärtigen Handel nnd auch keine Beeinträchtigung der Fabrikation irgend einer Ware" verursachen würde. „Stiege das Tuch z. B. i n England von 20 £ auf 40 £ pro Stück, so würden w i r es gerade so gut als vor der Preiserhöhung ausführen, denn dem fremden Käufer erwüchse eine Entschädigung von 50 °/o am Wechselkurse, so daß er mit 20 £ seines Geldes einen Wechsel erstehen könnte, der ihn i n den Stand setzen würde, eine Schuld von 40 £ i n England zu begleichen. A u f dieselbe Weise würde er beim Export einer Ware, die i m Inland 20 £ kostete und sich i n England für 40 £ absetzen ließe, nur 20 £ bekommen, denn 40 £ i n England vermöchten bloß einen 20 £ Wechsel auf ein fremdes Land zu kaufen." Und etwas weiter sagt Ricardo: „Doch hätten die englischen Gewerbe darunter nicht zu leiden; würden die einheimischen Waren i n England zu hohen Preisen verkauft, so würden es auch die fremden", d. h. also die Preise i m Auslande können die Preise i m Inlande normalerweise nicht beeinflussen. „Ob sie nun hoch oder niedrig ständen, so wäre das für den ausländischen Exporteur und Importeur so lange belanglos, als er sich einerseits genötigt sähe, bei einem teuren Verkauf seiner Waren eine Entschädigung am Wechselkurse zu gewähren, und er andererseits dieselbe Vergütung bekäme, falls er die englischen 60

Vgl. unten S. 251 f. Ricardo sagt: „the same quantity of goods". Meinte er d a m i t „verschiedene Güter", so wäre das genau die Theorie der Kaufkraftparität. Meinte er jedoch damit „ein u n d dieselbe Gütergattung", so würde das scheinbar i n Widerspruch m i t seinen anderen noch zu erwähnenden Ausführungen stehen, nach denen man von einem Vergleich der Wechselkurse m i t einzelnen Gütern wegen der Möglichkeit relativer Preisänderungen absehen müsse. Dieser scheinbare Widerspruch würde jedoch durch die W a h l des Beispiels, indem Ricardo vier Staaten m i t verschiedenen Produktionsbedingungen m i t e i n ander vergleicht, aufgehoben u n d das Problem rein auf Geldeinflüsse abgestellt sein. 61

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Waren zu höherem Preise einkaufen müßte", d. h. also solange der Wechselkurs der Kaufkraftparität entspräche. Schließlich findet man auch den dritten Punkt der Casselschen Darstellung der Theorie der Kaufkraftparität — die Abweichungen von derselben — bei Ricardo. I n dem Kapitel über den auswärtigen Handel (S. 138 ff. der Übersetzg.) gibt Ricardo als die beiden einzigen U r sachen, welche bei primitiven Volkswirtschaften i n den einzelnen Ländern den verhältnismäßigen Geldwert, d. h. die Höhe des Preisniveaus, bestimmen, die Entfernungen von den Goldproduktionsländern und mehr oder weniger große Fruchtbarkeit des Bodens bzw. Überlegenheit der Industrie an. Während m i t dem Fortschritt der Technik und somit der sozialen Vervollkommnung der Einfluß der Transportkosten der Edelmetalle auf den Geldwert zurücktritt, bestimmt diesen nunmehr hauptsächlich nur noch die Überlegenheit i n den Gewerben. Und zwar wird, wie Ricardo an einem Beispiel ausführt, dasjenige Land, das ein „nicht voluminöses", leicht transportierbares, i m Ausland hoch geschätztes Gut exportieren kann, einen größeren Geldzufluß, folglich auch ein höheres Preisniveau haben. „Dieser niedrigere 6 2 Geldwert kommt nicht i m Wechselkurse zum Ausdruck, die Wechselkurse können noch al pari stehen, auch wenn der Getreide- und Arbeitspreis i n dem einen Lande u m 10, 20 oder 30 °/o höher sein sollte als i n dem anderen." Hier haben w i r das, was w i r oben als Ursache einer dauernden Abweichung der Wechselkurse von der Kaufkraftparität bezeichneten. Hat es ein Land infolge Überlegenheit seiner Produktion oder der Transportverhältnisse leichter, seine Erzeugnisse zu exportieren, dann kann der Wechselkurs trotz des höheren Preisniveaus i n dem einen Lande auf seiner Metallparität bleiben. Durch den Vorteil hinsichtlich des Exports w i r d das höhere Preisniveau wettgemacht. Wie aus den Ausführungen hervorgeht, hat Ricardo also schon i n allen Teilen der Theorie der Kaufkraftparität den Grundstein gelegt. Das Verdienst Cassels bleibt es, die verstreuten Bemerkungen Ricardos unter dem einheitlichen Gesichtspunkte einer Wechselkurstheorie zusammengefaßt und eingehend durchdacht und erläutert zu haben. Indem Cassel von zwei Ländern mit unabhängigen Papierwährungen ausgeht, hat er auch mögliche Mißverständnisse über die Rolle des Goldes ausgeschaltet. Unverständlich ist es jedoch, daß Cassel 63 das Verdienst Ricardos schmälerte, indem er die von Ricardo erwähnten Schwankungen der Wechselkurse zwischen Goldwährungsländern, die infolge der 62 I n der Übersetzung steht „höhere", ebenso bei Mc Culloch „higher" (S. 83). Es muß jedoch sinngemäß „niedrigere" heißen; möglicherweise ist das W o r t „höhere" i m Zusammenhang m i t dem „Wechselkurs" gedacht worden. « I I , S. 173.

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Goldtransportkosten hervorgerufen werden, die „ein unabhängiger Faktor" seien und „ m i t der Kaufkraft des Geldes i n verschiedenen Ländern nichts zu tun" hätten, als von diesem besonders hervorgehoben betont hat. Erblickte doch Ricardo i m Stande der Wechselkurse gerade einen Beweis der Entwertung der Banknoten durch Zuvielausgabe 64 . Und wenn schließlich Cassel 65 die aus dem Zusammenhang gerissenen Sätze Ricardos (Mc Culloch, S. 84) anführte: „Wenn w i r von dem Wechselkurse und dem verhältnismäßigen Werte des Geldes i n verschiedenen Ländern sprechen, dürfen w i r das nicht i m mindesten auf den nach Waren geschätzten Geldwert i n jedem Lande beziehen. Der Wechselkurs läßt sich niemals durch Schätzung des verhältnismäßigen Geldwertes i n Getreide, Tuch oder überhaupt einer (vom Verf. hervorgehoben) Ware feststellen (vom Verf. hervorgehoben), sondern nach dem Werte des Umlauf mittels i n dem einen Lande dem anderen gegenüber", so hat Ricardo, wie w i r noch sehen werden, wenn er m i t dem „nach Waren geschätzten Geldwert" das „Güterpreisniveau" meint, tatsächlich m i t der Behauptung recht, daß man den Wechselkurs danach nicht feststellen kann, weil die Güterpreise ja nur einer von mehreren Bestimmungsgründen sind, denen der Wechselkurs unterliegt; andererseits beweist dieser Satz, eben weil er aus dem Zusammenhang gerissen ist, i n nichts, daß Ricardo die Rolle, die die Kaufkraftparität bei der Wechselkursbildung spielt, verkannt hat. Schon daraus, daß die oben 66 angeführte, Ricardos richtige Auffassung von der Kaufkraftparität besonders klar bezeugende Stelle unmittelbar auf den von Cassel wiedergegebenen Satz folgt, muß man auf den Gedanken kommen, daß hier etwas anderes gemeint sein kann. Ricardo stellt unmittelbar vor diesem Satz fest, daß, auch wenn jedes Land genau die Geldmenge besitzt, die es haben sollte, und der Wechselkurs al pari steht, „viele Waren um 5, 10 oder 20 °/o differieren". Aus diesem Grunde läßt sich der Wechselkurs nicht durch Schätzung des verhältnismäßigen Geldwertes einer einzelnen Ware (or any commodity whatever), sondern nach dem Verhältnis der Geldmenge (im Vergleich zu allen Gütern) des einen Landes zu der Geldmenge (im Vergleich zu allen Gütern) des andern feststellen. Gerade kurz vorher betonte Ricardo: „Der Wechselkurs w i r d unvermeidlich i n demjenigen Lande ungünstig stehen, wo zuviel Papiergeld vorhanden ist." Er meint also m i t den Worten „by estimating the value of the c u r r e n c y . . . " nur, der Wechselkurs ändere sich m i t dem Grade der Inflation, eine Ausdrucksweise, deren sich Cassel selbst auch mehrfach bedient, worauf aufmerksam gemacht wurde. Schon der Umstand, daß Ricardo als einzelnes Gut Getreide anführt, welches er (vgl. z. B. 64 65 66

Vgl. K . Diehl, S. 191. I I , S. 173/74. Vgl. S. 249.

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S. 139 d. Ubersetzg.) wegen der notwendigen Inanspruchnahme immer schlechteren Bodens als Beispiel einer relativen Wertsteigerung, die nichts mit einer Geldverschlechterung zu tun hat, angibt, weist darauf hin. Eine Wechselkursänderung ist von der Güterseite her nach der oben 67 entwickelten Theorie, abgesehen von Transport- und Handelsbeschränkungen, ja auch möglich. Liefert z. B. England an Frankreich Maschinen, Frankreich an England Getreide, und w i r d Getreide i m Verhältnis zu Maschinen i n England und Frankreich teurer, so w i r d man Getreide nur gegen mehr Maschinen eintauschen wollen, und der Wechselkurs muß sich ändern. Da es aber Ricardo darauf ankam, nicht eine Wechselkursänderung an sich, sondern nur die durch Geldentwertung hervorgerufene aufzuweisen, um die damals herrschende Streitfrage, ob die englische Währung infolge der Napoleonischen Kriege entwertet sei oder nicht, i m bejahenden Sinne zu entscheiden, so hielt er es für besser, den „Wert der Umlaufsmittel" in dem einen Lande m i t demjenigen i n dem anderen zu vergleichen. 2. W. Blake Etwa gleichzeitig mit Ricardo hat auch William Blake 68 die Theorie der Kaufkraftparität formuliert. Blake unterscheidet zwischen Real Exchange und Nominal Exchange. Bei dem Real Exchange nimmt er an, daß der innere Geldwert, die Kaufkraft, das Preisniveau i n den beiden Ländern konstant bleibt. Wenn unter dieser Voraussetzung eine Verschiebung der Wechselkurse eintritt, also eine Abweichung von der Kaufkraftparität, so werden sofort Gegenwirkungen ausgelöst, die Ausfuhr aus dem Lande, dessen Wechselkurs gefallen ist, w i r d gefördert, seine Einfuhr gehemmt und so die Parität wiederhergestellt (S. 19). Anders, wenn das Preisniveau, der innere Geldwert, und damit auch die Kaufkraftparität verschoben wurden. I n diesem Falle t r i t t eine dauernde Abweichung der Wechselkurse von der Münzparität ein. Diese dauernde Abweichung von der Münzparität, die nur einer Verschiebung der Kaufkraftparität (des Real Exchange) entspricht, nennt Blake eine Änderung des Nominal Exchange. „ . . . E i n Wechsel auf ein Land, wo das Geld entwertet ist, w i r d i m Ausland, wo das Geld seinen Wert behält, f ü r eine v i e l kleinere Nominalsumme als den Betrag, auf den er gezogen, gekauft w e r d e n . . . Nehmen w i r z. B. an, die Vermehrung der Gesamt-Geldmenge i n England wäre so stark, daß die Preise h i e r . . . auf das Doppelte stiegen; dann w ü r d e es i n England einer doppelt so großen Summe bedürfen, u m dieselbe Ware zu kaufen w i e i n Frankreich. Die gleiche Nominalsumme würde daher n u r den halben Wert

67 68

Vgl. A n m . 43, S. 239. Vgl. Haberler, S. 29 f.

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität haben: 24 Livres i n Frankreich würden eine Zahlungsanweisung auf 2 Pfund Sterling i n England kaufen, u n d der nominelle Kurs (Nominal Exchange) stünde auf 100 °/o gegen England." (S. 46)

3. Spätere Theoretiker a) J. St. M i l l J. St. M i l l betrachtet bei seinen Untersuchungen des Wechselproblems eine Papierwährung als eine entwertete Metallwährung. Eine entwertete Währung w i r d die Wechselkurse „affizieren": „Sobald Einfuhr u n d Ausfuhr i m Gleichgewicht stehen, werden die Wechselkurse bei einem Metallgeldwesen pari stehen. Sobald aber i n England 5 Sovereigns oder die i n denselben enthaltene Quantität Gold 6 Pfd. St. w e r t geworden ist, so folgt daraus, daß auch ein Wechsel auf Frankreich zum Betrage von 5 Pfd. St. einen Wert von 6 Pfd. St. haben w i r d . Während also der wirkliche Wechselkurs p a r i ist, w i r d der notierte Wechselkurs gegen das L a n d sein, nämlich gerade u m so viel Prozente, als die E n t w e r t u n g des Papiergeldes beträgt 6 9 ."

M i l l versteht unter dem „wirklichen" Wechselkurs den Kurs, der aus den Schwankungen der internationalen Zahlungen folgt, unter dem „nominellen" denjenigen, der sich von der Entwertung des Geldes herschreibt. Beide Faktoren oder Elemente bestimmen den Wechselkurs. M i l l sieht wie Ricardo i n der Ware Gold für die Geldentwertung einen ausreichenden Indikator, so daß er auf einen Vergleich der Kaufkraft des Geldes mit anderen Waren überhaupt verzichtet: „Da nun i n England der Wert der Edelmetalle i n derselben Proportion wie die übrigen Dinge gestiegen ist, kann der Kaufmann, wenn er das Gold oder Silber nach England bringt, die empfangenen 5 Pfd. St. 10 S. für 6 Pfd. St. 12 S. verkaufen 7 0 ." A n den Fall, daß Gold nicht beschaffbar, oder daß seine Ausfuhr nicht erlaubt ist, denkt M i l l nicht, so daß er bezüglich dieses Gedankens für die Theorie der Kaufkraftparität gegenüber Ricardo einen Rückschritt bedeutet. Hingegen entwickelt M i l l schon manchen anderen Gedanken, den w i r bei Cassel wiederfinden. So beschreibt er i m Rahmen von Goldwährungen den Mechanismus, der bei Störung des Gleichgewichts i m internationalen Handel und Veränderung der Wechselkurse, bei Verknappung an Zahlungsmitteln i n dem einen und Überfluß an Zahlungsmitteln i n dem anderen Lande, bei Goldzu- bzw. -abfluß über die Preisniveaus das Handelsgleichgewicht wiederherstellt. Für die Theorie der Kaufkraftparität ist der Handel auch der Mechanismus, der bei Papierwährungen allerdings umgekehrt einem veränderten Preisniveau die Wechselkurse anpaßt. Der Unterschied der 69 70

M i l l , Buch I I I , Kap. X X I I , § 3, S. 318. S. 317.

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eng verwandten Gedanken — beide lassen den Ausgleich durch den Handel erfolgen — liegt nur darin, daß bei Goldwährungen, bei denen die Schwankungen niemals so groß sein können wie bei Papierwährungen und der einzelne Handelspartner größere Schäden nicht zu befürchten, sich also weniger darum zu kümmern braucht, der Ausgleich meist wirklich erfolgt, während bei den an sich schon durch die Loslösung vom Stoff empfindlicheren Papierwährungen der Handel mehr mit der Drohung, den Ausgleich zu bewerkstelligen, nur i m Hintergrunde der Veränderungen steht und die Anpassung, bevor er tatsächlich i n Funktion tritt, erzwingen kann. Erst nach Stabilisierung der Papierwährungen gewinnt er wieder seine alte Bedeutung. Mills Wechselkurstheorie ist trotz der Unterscheidung des „ w i r k lichen" und des „nominellen" Wechselkurses unter einem einheitlichen Gesichtspunkte, nämlich dem der Geldquantität, dargestellt. Der „ w i r k liche" Wechselkurs w i r d durch die Veränderungen der Goldgeldquantitäten zur Gütermenge, der „nominelle" durch die Veränderungen der Quantität der Umlaufsmittel i m Verhältnis zur Goldmenge bestimmt. Auch den Gedanken, daß eine auf Inflation beruhende Veränderung des Preisniveaus durch die damit verbundene Änderung der Wechselkurse hinsichtlich einer Beeinflussung des Außenhandels auf die Dauer bedeutungslos ist, führt M i l l 7 1 schon aus; ebenso erwähnt er, daß es bei einer auf Inflation beruhenden Wechselkursänderung richtiger wäre „statt zu sagen, der Wechselkurs sei ungünstig", zu sagen, „das Pari habe sich geändert" 7 2 . Sogar den Ausgangspunkt der Casselschen Darstellung, die Frage, von der aus er das Problem beleuchtet, ist bei M i l l 7 3 schon erörtert, nämlich daß der Hauptzweck internationaler Zahlungen die Begleichung von Gütersendungen ist. ß) G. J. Goschen Auch Goschen betrachtet i n seiner Theorie der auswärtigen Wechselkurse hauptsächlich den Wechselkurs zwischen Staaten mit derselben Edelmetallwährung. „Wenn i n dem einen oder dem anderen der beiden Länder ein unbegrenzter oder uneinlösbarer Papierumlauf besteht, so muß man vollständig daran verzweifeln, zu zuverlässigen Resultaten zu gelangen 74 ." Goschen behält also auch mindestens i n einem Lande Edelmetallwährung und damit den Vergleichsmaßstab Edelmetall bei. Die Kaufkraft des Geldes diesem gegenüber, d. h. die auf Gold zu zah71 72 73 74

S. 317 f. M i l l , S. 318; Cassel I I , S. 157. X X , § 1, S. 292 f. S. 54.

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lende Prämie, bezeichnet dann die neue Parität. Und trotzdem kommt Goschen der Lösung i m Sinne der Theorie der Kaufkraftparität sehr nahe; denn auch er stellt die Frage, warum sich bei Geldentwertung i n einem Lande entsprechende Differenzen der Wechselkurse ergeben, Differenzen, die er m i t Recht „nur scheinbare Fluktuationen" 7 5 nennt. Die Kaufkraft des Geldes ist es, die diese Wertdifferenzen bestimmt. „ D a die E n t w e r t u n g des Umlaufsmittels i m allgemeinen die Preise aller A r t e n von Dingen berührt, so hat der Engländer von den 15 Gulden, die er für seinen Sovereign empfing, nicht mehr Nutzen als von den 10 Gulden, die er f ü r dieselbe Summe einige Zeit früher empfangen hatte. Wären die F l u k tuationen einzig u n d allein durch die Handelsbilanz bestimmt u n d nach Hausse u n d Baisse i n den Grenzen des Münzpari eingeschlossen, so würde der Käufer (des Wechsels), wenn er b i l l i g kaufte, d. h. w e n n er f ü r sein Geld eine größere als die gewöhnliche Summe i n ausländischem Geld erhielte, sich eines unmittelbaren Vorteils versichern, w e i l diese größere Summe ausländischen Geldes i n dem Augenblick, da er sie erhielte, eine größere K a u f k r a f t [!] hätte. Wenn aber die B i l l i g k e i t der Wechsel das Resultat einer E n t w e r t u n g des ausländischen Geldes ist, so hat der Käufer keinen V o r t e i l mehr, denn die K a u f k r a f t der größeren Nominalsumme, die er empfangen hat, ist nicht größer als die K a u f k r a f t der ¡geringeren Summe, die er früher erhielt 7 6 ."

Käufer und Verkäufer von Wechseln werden „sobald der neue Maßstab des Wechselkurses eingeführt ist" 7 6 , d. h. also sobald er der Kaufkraftparität, wie Cassel es nennt, angepaßt ist, weder Verlust noch Gew i n n haben, denn „die Produkte, welche dieser Wechsel Verkäufer exportiert hat und gegen die er seine Tratte machte, werden nach unserer Annahme gleichmäßig i m Preise gestiegen sein und i h m folgeweise gestattet haben, seine Tratte auf eine verhältnismäßig größere Zahl Gulden auszustellen" 77 . A u f Grund dieser Ausführungen kommt Goschen 78 zu dem Schluß, daß es doch „Grenzen dieser Schwankungen" gebe: „Die Wechsel auf ein gegebenes Land schwanken i m Wert genau i n demselben Verhältnis, wie alle käuflichen A r t i k e l einschließlich des Bargeldes i n Folge einer Münzentwertung i n ihrem Preise schwanken, m i t anderen Worten, i n dem Verhältnis des Disagio auf das Papiergeld oder des Agio auf das Gold 7 8 ." Das ist die Theorie der Kaufkraftparität, nur m i t der Einschränkung, daß entsprechend dem oben erwähnten Ausgangspunkte das Edelmetall als Vergleichsmaßstab bevorzugt und bei Annahme der 75

S. 60. S. 60. S. 61. I n diesen Worten Goschens liegt auch unausgesprochen die F o l gerung, daß eine durch E n t w e r t u n g einer Währung hervorgerufene Preisänderung ohne Einfluß auf den Außenhandel ist; denn w e n n der Außenhandelskaufmann weder Verlust noch V o r t e i l von der durch die Wechselkursänderung wettgemachten Preisänderung hat, so liegt k e i n G r u n d vor, das Austauschgleichgewicht auf die Dauer zu verschieben. 78 S. 64. 76

77

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Quantitätstheorie wenigstens für die Dauer (vgl. S. 61 f.) das allgemeine Preisniveau nicht herangezogen wird. Ist jedoch die Ausfuhr von Gold vollständig verboten oder eine Prämie auf Gold von den Gesetzen untersagt, „so kann für das Opfer, das er (der Gläubiger, d. Verf.) möglicherweise beim Verkauf seines Wechsels bringen muß, keine andere Grenze vorhanden sein, als i n der Konkurrenz derjenigen, welche etwa genötigt sind, den Wechsel zu kaufen" 7 9 , oder „kein anderes Maß als die Konkurrenz der Verkäufer" 7 9 . Aber auch für einen solchen Fall des Exportverbotes von Edelmetall weist Goschen den richtigen Weg. Der Schuldner kann nämlich, falls er keinen Wechsel von einer Person kaufen kann, die Produkte exportiert hat, selber Produkte exportieren und sie i m Auslande verkaufen 8 0 ; i n dem Hinweis auf diese Möglichkeit liegt wohl schon die Vermutung, daß man, solange Güterausfuhr überhaupt möglich ist, für die Beschaffung von Wechseln i m Inlande nur bis zu der Grenze mehr zu zahlen bereit sein wird, bis zu der es sich lohnt, selbst Güter auszuführen und sich auf diese Weise eine Gegenforderung zu beschaffen. Völlig auf Angebot und Nachfrage führt Goschen den Wechsel-Preis nur dann zurück, wenn der Export auch von Gütern gänzlich gehemmt ist, wenn es sich also um „Anticipation künftiger Ausfuhren" 8 0 handelt. Wenn dann an einem gegebenen Tage die Zahlungsverpflichtungen eines Landes die Forderungen übersteigen, so gibt es „keine Grenzen für die Schwankungen des Wechselkurses" 80 . Und i n der Tat hier verliert ja die Frage, warum überhaupt Wechsel gehandelt werden, für nicht absehbare Zeit ihre Bedeutung, und wie sich die Geldentwertung bis zur Wiederaufnahme des Handels entwickelt haben wird, ist häufig nicht zu überschauen, so daß die Wechselkurse infolge der einkalkulierten Risikoprämien der wahren Geldentwertung vorauseilen können. I m weiteren Fortgang seiner Untersuchungen betont Goschen 81 noch einmal, daß die Schuldner der W i l l k ü r derjenigen, die Tratten auf das Ausland zu verkaufen haben, nur dann vollständig preisgegeben sind und „keine Möglichkeit haben, der Nötigung, exorbitante Preise zu bezahlen, zu entgehen", wenn sie nicht Waren kaufen und exportieren können. Dagegen w i r d „unter sonst ähnlichen Verhältnissen" 8 1 , wenn es unmöglich ist, Gold zu exportieren, i n einem Moment, i n dem „die Einund Ausfuhren sich die Wage halten" 8 1 , also Warenausfuhren überhaupt möglich sind, der „natürliche Wert i n jenem Moment nicht der Nominalpreis des Wechsels noch der Wert des Silberrubels (Goschen vergleicht England mit Rußland, der Verf.) sein, sondern dieser Wert abzüglich der Depreciation i n einem Lande" 8 1 . Also: natürlicher Preis 79 80 81

S. 56. S. 65. S. 68.

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= Nominalpreis minus Depreciation. M i t dem Hinweis auf die Voraussetzung sonst ähnlicher Verhältnisse w i l l Goschen zu verstehen geben, daß die anderen Einflüsse 82 auf die Wechselkursbildung wie z. B. der Zinsfuß, dessen Wirksamkeit er besonders eingehend untersucht, nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Immer aber müsse man nach der fundamentalen Ursache suchen. Wie Cassel legt auch Goschen dem Einfluß der Spekulation keinen allzugroßen Wert bei: „als ob die Manöver der Spekulanten mehr vermöchten, als höchstens die W i r k u n g der natürlichen Ursachen zu modifizieren, zu beschleunigen oder aufzuhalten" 8 8 . Auch die die Abweichungen von der alten Parität, allerdings bei Goldwährungen, vergrößernden staatlicherseits verfügten Exporterschwerungen, ebenso die gleiche W i r k u n g der bloßen Furcht davor erwähnt Goschen 84 . M i t den obigen Ausführungen dürfte gezeigt worden sein, daß auch Goschen an der Entwicklung der Theorie der Kaufkraftparität seinen Teil beigetragen hat, und daß Cassels U r t e i l 8 5 Goschen nicht gerecht wird. r) W. Lexis Lexis hat i n dem A r t i k e l „Papiergeld" i m Hdwb. d. Stw. 8 6 , 5. Bd., S. 96 ff., einen Abriß seiner Anschauungen zum vorliegenden Thema gegeben. Er hat ausgeführt: „Nehmen w i r an, ein L a n d m i t Papierwährung müsse jährlich zur Befriedigung seines feststehenden Bedarfs an Baumwolle, Seide, Wolle, Kaffee, Tabak u n d anderen ausschließlich oder größtenteils aus dem Auslande zu beziehenden Rohstoffen u n d Genußmitteln auf d e m nach Gold rechnenden W e l t markte, etwa i n London, eine Summe von 20 M i l l i o n e n Pfd. St. verausgaben, während es selbst weder i n Münzen noch i n Barren Gold besitzt. V o n der Möglichkeit, Papiergeld ins Ausland als eine besondere A r t von Wertpapier an Zahlungsstatt abzugeben, sehen w i r ab, da dieses Verfahren doch weiter nichts ist, als ein Kreditnehmen gegen eine stets fällige Forderung. Das Papierwährungsland muß also den Gegenwert f ü r jene E i n f u h r w a r e n v o l l ständig durch eigene Ausfuhrwaren liefern, u n d n u n fragt es sich, ob der ausländische M a r k t f ü r die Aufnahme dieser Waren günstig oder ungünstig bestimmt ist. Bei schwacher Nachfrage oder großer Konkurrenz der V e r käufer muß das Papierwährungsland sich den Absatz seiner Waren durch eine Herabsetzung des i n Gold ausgedrückten Preises derselben geradezu erzwingen, da es n u r auf diesem Wege imstande ist, seine Schuld auszugleichen, u n d da es nicht, w i e die Länder m i t effektiver Goldwährung, einen gewissen Saldo i n diesem M e t a l l abtragen kann. Diese Erzwingung des A b 82

Vgl. auch S. 80 f. S. 102. S. 94 f. 85 I I , S. 177/78 'Goschen seems, therefore, to have been of the opinion that the problem i n this case is undetermined'. 86 Jena 1893. 83

84

17 K l a f k o w s k i

258

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität

satzes geschieht nur durch eine Erniedrigung des Wertes des Papiergeldes gegen die ausländische Goldwährung. Die Einführer der fremden Waren oder die für diese eintretenden Banken suchen Goldwechsel i m Betrage von 20 M i l l . Pfd., die bei dem anfangs bestehenden Wechselkurse 200 Millionen der Papierwährungseinheit, sagen w i r Papiergulden, darstellen mögen. Sind nun nicht genug Waren ausgeführt worden, u m diese Wechsel aufzubringen, so muß die Ausfuhr dadurch verstärkt werden, daß der Kurs des Pfundes Sterl. von 10 auf 11, schließlich vielleicht auf 12 Papiergulden erhöht wird, ohne daß

im Inlande eine entsprechende Wertverminderung

des Papiergeldes

gegen

die Landeserzeugnisse eintreten darf. Die ausführenden Produzenten oder Kaufleute erhalten also jetzt für einen Wechsel auf 1000 £ 12 000 statt 10 000 Papiergulden, und sie sind daher imstande, die Preise der inländischen Waren i m Auslande entsprechend herabzusetzen und dabei doch ihrerseits noch den normalen Geschäftsgewinn zu erzielen, w e i l sie eben durch die hohe Verwertung ihrer Wechsel schadlos gehalten werden. Das Inland i m ganzen erleidet natürlich den Schaden, daß es eine größere Quantität nationaler Arbeit gegen die gleiche Quantität ausländischer Arbeit hingeben muß, aber i m internationalen Verkehre findet überhaupt fast niemals ein gleichmäßiger Austausch von Arbeitsquantitäten statt, und das entscheidende ist bei demselben immer die Wertschätzung, die jedes beteiligte Land auf seinem inneren Markte seinen eigenen Ausfuhrwaren einerseits und den Einfuhrwaren andererseits zu teil werden läßt. Findet jene Kurssteigerung des Pfundes Sterl. allmählich statt, so stellt sich der Durchschnittskurs etwa auf 11; i m ganzen werden daher für die Wechsel auf 20 M i l l . Pfd. 220 M i l l . Papiergulden gegeben und damit ist die Warenhandelsbilanz ausgeglichen. Der letzte Kurs von 12 ist als abnorm hoch zu betrachten; er bewirkt daher beim Beginn des nächsten Jahres eine ungewöhnliche Steigerung der Ausfuhr, also ein stärkeres Angebot von Wechseln und Sinken des Kurses, bis wieder eine Reaktion i m entgegengesetzten Sinne eintritt. Solange die allgemeinen Verhältnisse des internationalen Verkehrs annähernd gleichbleiben, w i r d also 11 der Kurs sein, u m den das Pfund Sterling sich m i t mäßigen Ausschlägen bewegt. Eine wesentliche Bedingung dieses ganzen Prozesses ist offenbar die, daß der Wert des Papiergeldes gegen die inländischen Waren konstant bleibt, oder wenigstens bei weitem nicht i n dem Maße sinkt, wie der Wert der Goldwechsel oder auch des Goldes selbst steigt. Erhöhten sich die inneren Preise der Ausfuhrwaren ebenfalls i m Verhältnis von 10 zu 11 und 12, so könnte eine Mehrausfuhr m i t normalem Gewinn nicht stattfinden, der Wechselkurs müßte dann, u m eine Entschädigung darzubieten, auf 12 oder 13 und noch höher steigen. Ob und wieweit die Ausfuhrwaren w i r k l i c h auf dem inneren Markte infolge der vergrößerten Nachfrage i m Preise steigen, hängt bei unveränderten Verhältnissen des Papiergeldes hauptsächlich davon ab, ob diese Waren m i t gleichbleibenden Kosten dem Bedarf entsprechend vermehrt werden können oder nicht. Müssen höhere Produktionskosten aufgewendet werden, so muß der Kurs des Goldes i n noch stärkerem Verhältnisse steigen, als die inländischen Warenpreise. Wenn andererseits die Ausfuhrwaren des Papierwährungslandes auf dem Weltmarkte besonders gesucht werden und daher ihre Preise gegen Gold steigen können, so w i r d auch dieser Umstand zunächst nur durch eine Veränderung, nämlich eine Erniedrigung, des Wechselkurses des auswärtigen Goldgeldes zum Ausdruck kommen. Die exportierenden Verkäufer jener Waren haben daher möglicherweise von den höheren Weltmarktpreisen gar keinen Gewinn, w e i l die i m Inlande durch die dringende Nachfrage — bei gleich-

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

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mäßig vermehrbaren Waren übrigens n u r vorübergehend — entstehende Preiserhöhung i n Papiergeld vielleicht wieder v ö l l i g aufgewogen w i r d durch die Verringerung des Papierwertes des Pfundes Sterl. Dagegen steigt jetzt der Gewinn bei der E i n f u h r von fremden Waren. Die auswärtigen Verkäufer lassen sich z. B. dieselben i n Papiergeld bezahlen u n d kaufen dafür Goldwechsel zu einem gegen früher niedrigen Kurse. Verhindert die Konkurrenz die Erlangung eines ungewöhnlichen Konjunkturgewinnes, so können die Einfuhrwaren doch zu einem u m den Kursgewinn erniedrigten Preise i n dem Papierwährungslande i n desto größerer Menge m i t dem gewöhnlichen Gewinne abgesetzt werden 8 7 ."

Der Kredit, den man einem Staate m i t Papiergeldwährung gewährt, beruht hauptsächlich auf dem Vertrauen, daß er die Menge des ausgegebenen Papiergeldes nicht weiter vermehren werde. Sobald er sich anschickt, u m sich Geld zu verschaffen, die Notenpresse wieder i n Bewegung zu setzen, sinkt auch der Außenwert des Papiergeldes, weil die Spekulation bereits das vorauszusehende Steigen des Metallagios auszunutzen sucht 88 . Die Vergrößerung der Menge des umlaufenden Papiergeldes müsse, sofern sie einigermaßen bedeutend war, eine gewisse dauernde Verminderung des Binnenwertes desselben, also einer Kaufkraft gegen inländische Waren, i n ihrem Gefolge haben. Allerdings sei die Annahme falsch, daß die Kaufkraft des Geldes gegen die Waren sich auch nur annähernd umgekehrt proportional mit der vorhandenen Menge desselben ändere; denn neben dieser Menge w i r k e die A b - oder Zunahme der Intensität der volkswirtschaftlichen Tätigkeit und die größere oder geringere Ausbildung des auf Kredit beruhenden Umlaufsmechanismus sehr wesentlich bei der Wertbestimmung des Geldes mit, ganz abgesehen von den durch die Produktionstechnik auf Seiten der Waren herbeigeführten Preisänderungen. Gleichwohl aber sei es klar, daß man durch fortgesetzte Vermehrung der Quantität des Papiergeldes die Kaufkraft desselben immer tiefer herabdrücken kann, und zweifellos werde auch, wenn z. B. eine doppelt so große Summe an Papiergeld ausgegeben worden ist, als vorher an Metallgeld i m Lande war, der Durchschnittsstand der nominellen Warenpreise bedeutend höher sein als vor der Einführung der Papierwährung. Vielleicht mag diese Verminderung des Binnenwertes des Papiergeldes nur i m Verhältnis von IV2 : 1, statt von 2 : 1 , vielleicht aber auch i m Verhältnis von 3 : 1 erfolgt sein; das hänge von der Einwirkung der oben angedeuteten sonstigen Umstände ab. Man werde überhaupt nie imstande sein, die Größe der Binnenwertverminderung des Papiergeldes m i t einiger Genauigkeit anzugeben, da i n den Warenpreisen neben den Änderungen des Geldwertes auch die von diesen unabhängigen Änderungen der 87 88

17*

S. 100 f. S. 103.

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

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Produktionsbedingungen zum Ausdruck kommen. — Die Frage, ob umgekehrt, wenn eine bestimmte Summe Papiergeld bei zunehmender Bevölkerung und Wohlhabenheit unveränderlich beibehalten wird, der Binnenwert desselben steigen müsse, könne auch nicht einfach nach einer abstrakten Quantitätstheorie beantwortet werden. Wie aber auch das Verhältnis der Binnenwertverminderung zur Vermehrung des Papiergeldes sein möge, jedenfalls werde auch der Außenwert von dieser Wertänderung mit berührt werden. Steigen die Nominalpreise der inländischen Ausfuhrwaren, so werde für diese i m Auslande darum doch kein höherer Preis i n Gold bezahlt. Das Papiergeld müsse also dem ausländischen Gelde gegenüber jedenfalls i m Werte sinken, aber es werde von den Verhältnissen der Zahlungsbilanz abhängen, i n welchem Maße dies geschieht. Muß das Inland zur Deckung eines bedeutenden Passivsaldos seinen Ausfuhrwaren durch Herabsetzung seiner Preise i n Gold Absatz verschaffen, so steige der Preis des Goldes gegen Papiergeld noch mehr als der Durchschnitt der Preise der gewöhnlichen inländischen Waren, und die Verminderung des Außenwertes des Papiergeldes sei also dann noch größer als die des Binnenwertes. Findet dagegen seitens des Auslandes eine große Nachfrage nach den Ausfuhrwaren des Inlandes statt, so sinke der Kurs der fremden Wechsel, und die Verteuerung des Goldes könne hinter derjenigen der übrigen Waren, soweit diese auf der Verminderung des Binnenwertes des Papiergeldes beruht, zurückbleiben. Steigt der Binnenwert des Papiergeldes, sinken also die Warenpreise, so werde die Ausfuhr erleichtert, und es erhöhe sich dadurch auch der Außenwert des Papiergeldes. Der Binnenwert des Papiergeldes sei aber auch nicht so vollständig unabhängig von dem Außenwerte desselben. Der Grad dieser Unabhängigkeit sei am höchsten, wenn das Papierwährungsland aus dem Auslande hauptsächlich nur Konsumtionswaren für den Bedarf der wohlhabenden Klassen und dauerhafte, zum stehenden Kapital gehörende Produktionsmittel bezieht. Müssen dagegen große Mengen von Verbrauchsgütern für die Masse der Bevölkerung oder von Roh- und Hilfsstoffen für die Herstellung solcher Güter eingeführt werden, so könne die Verminderung des Außenwertes des Papiergeldes eine Verteuerung des notwendigen Lebensunterhaltes der Arbeiterbevölkerung erzeugen, die schließlich auch eine Lohnerhöhung und dadurch wieder eine Steigerung der nicht unmittelbar von dem Metallagio abhängigen Warenpreise herbeiführen müßte. Indes vollziehe sich ein solcher Prozeß nur langsam, und ehe seine Wirkung merklich geworden, sei häufig wieder eine Änderung i n der Bewegung der Wechselkurse eingetreten. 80 Fassen w i r das Vorstehende zusammen, so ist nach Lexis also der nachhaltige unmittelbare Bedingungsgrund des Außenwertes des PapierS.

.

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geldes die internationale Zahlungsbilanz, der des Binnenwertes die Menge desselben, ohne daß sich indes irgend eine feste Beziehung zwischen dem Werte und der Menge des Papiergeldes angeben ließe. Merkliche Änderungen des Binnenwertes übertragen sich mehr oder weniger vollständig, häufig m i t einer Verstärkung, zuweilen auch mit einer Abschwächung auf den Außenwert, dagegen sei die Rückwirkung der selbständigen Änderungen des Außenwertes auf den Binnenwert i m ganzen sehr langsam und schwach, und häufig werde man, wo sie scheinbar auftritt, bei genauerer Untersuchung eine selbständige Bewegung des Binnenwertes finden, die Ursache und nicht Wirkung der Änderung des Außenwertes war. 9 0 „Wirtschaftlicher Aufschwung i m Inlande erzeugt an sich eine Steigerung der Warenpreise, scheinbar also eine Verminderung des Binnenwertes des Papiergeldes. I n W i r k l i c h k e i t aber muß man vielmehr eine Erhöhung dieses Wertes annehmen, da das Verhälnis der Menge des Papiergeldes zu der Z a h l der Umsätze i n einer gewissen Zeitstrecke trotz der i n solchen Perioden stattfindenden Vermehrung der Kreditumlaufsmittel i m allgemeinen günstiger geworden sein w i r d . Die Preissteigerung geht eben i n solchen Fällen von den Produktions- u n d Marktverhältnissen der Waren aus, beruht also nicht auf einer Änderung des inneren Wertes des Geldes. Sie würde auch bei einer Metallgeldcirkulation aufgetreten sein, u n d zwar wahrscheinlich i n stärkerem Grade, w e i l sie durch die vorauszusetzende, w e n n auch äußerlich nicht unmittelbar erkennbare Erhöhung des Binnenwertes des Papiergeldes teilweise neutralisiert u n d verlangsamt w i r d 9 1 . "

Wenn Lexis hier von einem günstigeren Verhältnis der Menge des Papiergeldes zu der Zahl der Umsätze i n einer gewissen Zeitstrecke trotz der i n solchen Perioden stattfindenden Vermehrung der Kreditumlaufsmittel gesprochen hat, so hat er eine heute volkswirtschaftlich wohl nicht mehr mögliche Unterscheidung zwischen Papiergeld und Kreditumlaufsmitteln gemacht, oder er hat nicht berücksichtigt, daß die Umsatzschnelligkeit m i t der Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes zusammenhängt, die sich auf den Geldwert aber negativ auswirkt. Der letztzitierte Satz der Ausführungen Lexis' dürfte, insbesondere wenn m i t „Metallgeldcirkulation" das Bestehen einer Goldwährung gemeint ist, wohl nicht verständlich sein. 8) G. F. Knapp Knapp betont die merkantile Natur des intervalutarischen Kurses. („Der Ausdruck „Wechselkurs" ist zu eng".) 92 Abgeschlossene Geschäfte geben zu Zahlungen hinüber und herüber Anlaß. Sie und zugleich Stimmungen bezüglich der künftigen Lage der Geschäfte bestimmen i n 90 91 92

S. 104 f. S. 105. Knapp, S. 201.

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erster Linie den intervalutarischen Kurs. Der Kurs ist also eine merkantil-psychologische Erscheinung. 93 „Der Wert eines fremden Geldes, z. B. des englischen, ausgedrückt i n unserem Gelde, erscheint als eine Folge der Handelsbeziehungen. Es gibt keine vorher dagewesene, keine apriorische Beziehung des Pfundes Sterling zur M a r k . " 9 4 Trotz dieser Erkenntnis des engen Zusammenhangs des intervalutarischen Kurses m i t den Außenhandelsbeziehungen bestreitet Knapp das Vorhandensein eines intervalutarischen Pari überhaupt. 95 Dem Einwand des Mannes „von kindlicher Unerfahrenheit", daß dann kein internationaler Handel stattfinden könne, erwidert Knapp: „Der Kaufmann wagt! Auch weiß er, durch andere Geschäfte die Gefahren des ersteren (des internationalen Handels, d. Verf.) auszugleichen." 95 Den zustandekommenden intervalutarischen Kurs erklärt Knapp einfach aus Angebot und Nachfrage. „Er ist i n allen Fällen der Ausdruck für die augenblickliche Spannung, welche sich aus Angebot und Nachfrage i n bezug auf Zahlungsmittel des fremden Landes auf der Börse ergibt." 9 6 „Es entscheidet also die Macht, denn die stärkere Partei gibt den Ausschlag." 97 Der Kurs erklärt sich, wie Knapp es nennt, „pantopolisch". „Das Wort soll bedeuten, daß es sich u m eine Preisbildung handelt." 9 8 Diese Auffassung, daß der Wechselkurs durch Angebot und Nachfrage zustande kommt, widerspricht, wie schon oben 99 hervorgehoben, nicht der Inflationstheorie und folglich auch nicht der Theorie der Kaufkraftparität. Sie dringt nur nicht i n das Wesen der Sache ein, sie erklärt das Problem zu oberflächlich. v. Bortkiewicz 100 hat hervorgehoben, daß die Knappsche staatliche Theorie des Geldes den Begriff des Geldwertes, m i t h i n die Möglichkeit jeder wirtschaftlichen Bewertung des Zahlungsmittels leugnet. Palyi 101 hat demgegenüber die Ansicht vertreten, daß man den Knappschen Standpunkt auch anders verstehen könne, wenn man insbesondere beachte, daß m i t der rein zirkulatorischen Befriedigung, die das Geld gewähren soll, immerhin eine Befriedigung und d. h. Wertbildung gemeint ist, wenn auch eine solche von besonderer Art. Knapp habe freilich nichts Näheres über diese besondere Bewertungsart ausgeführt: jede nähere Untersuchung würde ja auch nur zeigen können, daß der Sinn der „zirkulatorischen Befriedigung" die Erlangung von Gütern ist, 93

S. 205. S. 215. S. 204. 96 S. 205. 97 S. 201. 98 S. 206. 99 Vgl. S. 231. 100 Die Frage der Reform unserer Währung u n d die Knappsche Geldtheorie, i n Brauns „ A n n a l e n " V I . 1918, S. 57 ff. 101 S. 472. 94

95

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

und daß sie m i t h i n letzten Endes auf die „reale Befriedigung" hinweist, somit demGelde eine mindestens den Gütern „höherer Ordnung" gleichartige Bewertung verschafft. So verstanden, würde sich die Knappsche Lehre zwangloser i n die Theorie der Kaufkraftparitäten einfügen. e) L. Mises Mises 1 0 2 hat das Problem allgemein für zwei koexistierende Währungen behandelt, mögen sie nun Parallelwährungen i n einem Lande oder Auslands- und Inlandsgeld sein. Es ist dann das zwischen den wirtschaftlichen Gütern und den einzelnen Geldarten bestehende Austauschverhältnis maßgebend. „Die Geldarten werden i n dem Verhältnisse ausgetauscht, das dem zwischen jeder von ihnen und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisse entspricht." Bekommt man für 1 k g Gold m kg Güter einer bestimmten Gattung m ke und für 1 kg Silber Güter der gleichen Gattung, so w i r d das io,o Austauschverhältnis des Goldes und Silbers 1 : 15,5 sein. Dieses Verhältnis, das der Casselschen „purchasing power parity" entspricht, bezeichnet Mises als das „statische oder natürliche". I m übrigen verweist Mises auf Ricardo und Cassel. t) G. Haberler Haberler 103 glaubt nicht, daß die Wertschätzung der Käufer ausländischer Zahlungsmittel von der Kaufkraft dieser Zahlungsmittel am fremden Markt bestimmt sei; das sei einfach nicht richtig. Die generelle Kaufkraft des Geldes spiele weder i n der Motivation des Käufers noch i n jener des Verkäufers eine Rolle. Die Käufer ausländischer Zahlungsmittel wollen i n der Regel eine Schuld bezahlen, und bei der Entstehung dieser Schuldverhältnisse spiele die Kaufkraft entweder gar keine Rolle — z. B. bei politischen Schulden —, oder es komme dem Käufer (z. B. dem Warenimporteur) auf einen einzelnen Preis an, nicht aber auf die allgemeine Kaufkraft. Abgesehen von unfreiwilligen politischen Schulden, werden neue internationale Schulden aber doch nur zu bestimmten Bedingungen i n bezug auf den Wechselkurs eingegangen werden. I m übrigen spiegelt der einzelne Preis sehr wohl auch die Bewegung des Preisniveaus w i der, und die Käufer achten bei Preisniveaubewegungen sehr bald auf die entsprechenden Änderungen der Einzelpreise. 102 103

4. Kap., § 2, S. 162 f. S. 30 ff.

264

B. I . Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Haberler hält für das Wesentliche der Theorie die Tatsache des internationalen Preisausgleichs. Für jeden Einzelpreis bestehe eine Tendenz zum interlokalen und internationalen Ausgleich, daher auch für das Preisniveau, den Geldwert, die Kaufkraft (Ausdrücke, die Haberler synonym gebraucht), und solange dieser Ausgleich nicht erfolgt ist, könne kein Gleichgewichtszustand eintreten, denn so lange seien noch gewinnbringende Arbitragegeschäfte möglich. Die dabei entstehende Schwierigkeit bestehe darin, daß, wie die Erfahrung lehrt, von einem vollständigen Ausgleich jedes Einzelpreises nicht die Rede sei. I n welchem Sinne könne man trotzdem behaupten, daß sich das Preisniveau ausgleicht? Diese Frage müsse näher untersucht werden. So wie für Gold gebe es auch für jedes andere Gut einen Export- und einen Importpunkt. Wenn der Preis über einen bestimmten Punkt steigt, werde das betreffende Gut importiert, wenn er unter einen bestimmten Preis fällt, werde es exportiert. Die Stellung der beiden „Güterpunkte" — Haberler nennt sie „Warenpunkte" — wie man i n Analogie zu den Goldpunkten sagen kann, werde bestimmt durch die Transportkosten i m weitesten Sinne des Wortes, also die Kosten, die auflaufen, wenn das Gut vom einen zum anderen Platz geschafft werden soll. Dazu gehören die Frachtkosten, die Kosten der Versicherung, Verpackung, der Zinsenverlust, Zollbelastung, Nebengebühren bei der Verzollung, Generalunkosten, Risiko, das sich nicht durch Versicherung beseitigen läßt, Versicherungsspesen, Spesen, die bei Bearbeitung eines neuen Marktes auflaufen (z. B. Reklamekosten) usw. M i t anderen Worten, die interlokalen oder internationalen Preisdifferenzen können bei keinem Gut größer sein als die Transportkosten. Wenn die Preisdifferenz größer w i r d als die Transportkosten, oder, anders ausgedrückt, wenn der Preis unter den Exportpunkt sinkt, oder über den Importpunkt steigt, werden Arbitragegeschäfte rentabel, es werde am billigeren Markt gekauft und am teureren verkauft werden und so jene Preisdifferenz wieder beseitigt und der Preis wieder auf den Export- oder Importpunkt zurückgebracht. Eine gegenläufige Bewegung der Preise i m In- und Ausland sei — gleichbleibende Transportkosten vorausgesetzt — undenkbar. Die internationalen Preise könnten sich i m In- und Ausland nur parallel bewegen, und dasselbe gelte natürlich auch für ihr Niveau. Dieses sei zwar nicht überall gleich hoch — wegen der Transportkosten —, aber es könne sich nur parallel m i t dem ausländischen Niveau verschieben. Für die internationalen Güter gelte daher die Theorie der Kaufkraftparität vollständig. „Wenn das Niveau der internationalen Preise i m Inland infolge einer Inflation auf das Doppelte steigt, muß der Wechselkurs ebenfalls auf das Doppelte steigen, weil sonst die notwendige Relation zu den Auslandspreisen nicht gewahrt bliebe." Nun bestehe aber

B. I . Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

das Gesamtpreisniveau nicht nur aus den Preisen internationaler Güter, sondern auch aus solchen nationaler Güter, bei denen — innerhalb der Warenpunkte, die oft weit auseinander liegen — eine gegenläufige Bewegung der Preise möglich ist. Ob die Kaufkraftparitätstheorie auch für das Gesamtpreisniveau gilt, hänge offenbar davon ab, ob sich das Gesamtpreisniveau immer parallel mit dem Niveau der internationalen Preise bewegt. Wenn das der Fall ist, dann bestehe die Kaufkraftparitätstheorie zu Recht; unmittelbar gelte sie zwar nur für die internationalen Preise, aber durch das Medium, das Bindeglied der internationalen Preise, seien auch die allgemeinen Preisniveaus fest miteinander verkettet. Haberler glaubt auch, daß i n der Tat ein solcher enger Zusammenhang, wenigstens für kurze Perioden, i n ziemlich hohem Grad besteht. 1. Die ausgesprochenen Welthandelsgüter seien an und für sich sehr wichtig. Sie umfassen die wichtigsten Rohstoffe, wie Baumwolle, Wolle, Kupfer, Eisen, Zinn, Zink, Petroleum, Kohle, Holz; Nahrungsmittel, wie Weizen, Gerste, Mais, Fleisch; jetzt auch Butter, Milch, Früchte und Gemüse. Uberhaupt müsse bemerkt werden, daß dank der Fortschritte der Transporttechnik (Kühltransporte u. dgl.) der Kreis der auf weite Strecken transportfähigen Güter sich immer mehr erweitert. Schließlich gehe, wie ein Blick i n jede Handelsstatistik lehrt, auch eine sehr große Zahl von Fertigwaren, Produktionsmitteln (Maschinen) und Zwischenprodukten i n den internationalen Handel ein. 2. Ein Preisausgleich oder, genau gesagt, eine parallele Preisbewegung — denn nur darauf komme es an — aller dieser Güter übertrage sich natürlich i n einem hohen Ausmaß auf alle die unzähligen daraus erzeugten Waren. 3. Sehr viele von den nationalen Gütern seien potentielle Importoder Exportgüter. Bei vielen genüge eine geringe Preisverschiebung, um ihre Aus- und Einfuhr anzuregen. Für die endgültige Formulierung der Kaufkraftparitätstheorie geht Haberler von folgender Erwägungen aus: 1. Die Theorie der Kaufkraftparität gelte nicht i n dem Sinne, daß i m Gleichgewichtszustand die Kaufkraft des Geldes, der objektive Geldwert, oder, reziprok ausgedrückt, das Preisniveau i n allen handeltreibenden Ländern die gleiche absolute Höhe einnehmen muß. Bei jedem einzelnen Preis könnten und müßten sich unter Umständen interlokale Unterschiede i n der Höhe der Transportkosten ergeben. Wie sich diese Unterschiede bei den einzelnen Preisen auf den Preisdurchschnitt auswirken, ob sie sich gegenseitig aufheben oder nicht, lasse sich a priori nicht beantworten. Es gebe dauernde örtliche Unterschiede i m Preisniveau, und diese Tatsache dürfe von der Theorie nicht unbeachtet gelassen werden.

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B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

2. D i e K a u f k r a f t p a r i t ä t s t h e o r i e d ü r f e d a h e r n i c h t i m S i n n e eines festen Z u s a m m e n h a n g e s des absoluten Standes d e r P r e i s n i v e a u s i n z w e i L ä n d e r n , s o n d e r n n u r i m S i n n e e i n e r parallelen Bewegung verstanden werden. E i n direkter u n d strammer Bewegungszusammenhang sei n u r b e i d e n P r e i s e n d e r i n t e r n a t i o n a l g e h a n d e l t e n G ü t e r v o r h a n d e n . D o c h bestehe zwischen d e n i n t e r n a t i o n a l e n P r e i s e n u n d d e m a l l g e m e i n e n P r e i s n i v e a u i n j e d e m L a n d e i n enger Z u s a m m e n h a n g , so daß auch d i e allgemeinen P r e i s n i v e a u s verschiedener L ä n d e r — d u r c h das B i n d e g l i e d der i n t e r n a t i o n a l e n Preise — i n e i n e m e i n d e u t i g b e s t i m m t e n V e r h ä l t n i s stehen. H a b e r l e r f o r m u l i e r t n u n d i e K a u f k r a f t p a r i t ä t s t h e o r i e so: „Wenn w i r m i t P A das allgemeine Preisniveau i m Lande A u n d m i t P B das Preisniveau i m Lande B u n d m i t W den Wechselkurs (die A n z a h l der Geldeinheiten des Landes A , die man f ü r eine Geldeinheit des Landes B zahlen muß) bezeichnen, so können w i r sagen; P A = P B • W • k, wobei k den Unterschied der K a u f k r a f t oder des Geldwertes zwischen A u n d B zum Ausdruck bringt, p W i r erhalten: W = — — . Die Kaufkraftparität, das Verhältnis der PreisPB-k P niveaus, w i r d durch den Bruch — dargestellt, u n d k ist die Abweichung von der Kaufkraftparität. Fassen w i r n u n zwei Zeitpunkte ins Auge, die w i r durch die Indizes 1 u n d 2 bezeichnen, so erhalten w i r : W1: W9 = 1 2 P

P

P

A1

. ]r B1

K

1

A2

p

.fc. • B2

2

Wenn w i r annehmen, daß k j = 1^, d. i. daß die Abweichung von der K a u f k r a f t parität sich nicht geändert hat, was dann zutrifft, w e n n sich das allgemeine Preisniveau i n jedem Lande parallel m i t dem Niveau der internationalen Preisniveaus bewegt, so erhalten w i r :

A2

B2

oder i n Worten: die Wechselkurse verändern sich i m gleichen Verhältnis w i e die Preisniveaus, d. i. parallel m i t der Kaufkraftparität. Wenn w i r n u n z. B. PB1 annehmen, daß i m Lande B das Preisniveau konstant blieb, d. h. daß —— = 1, B2

während i n A eine Inflation stattfindet, so erhalten w i r als einfachste F o r m u lierung der Kaufkraftparitätstheorie: d . h . d i e Veränderung des Wechselkurses spiegelt die Verschiebung des Preisniveaus, der K a u f k r a f t des Geldes i m I n n e r n des betreffenden Landes, wider. F ü r die Richtigkeit der Kaufkraftparitätstheorie hängt n u n offenbar alles davon ab, ob w i r annehmen können, daß k, die Abweichung von der K a u f kraftparität halbwegs konstant bleibt, daß sich das Niveau der internatio-

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t nalen Preise u n d das Gesamtpreisniveau parallel bewegen. Eine theoretische Notwendigkeit dazu besteht keineswegs. Das Ausmaß der Korrelation hängt i n erster L i n i e von der Intensität der zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen ab. Wenn viele u n d wichtige Güter i n den internationalen Handel eintreten, w i e es j a tatsächlich bei den meisten Ländern der F a l l ist, w i r d die Parallelität eher zu erwarten sein, als wenn sich der Handel zwischen den beiden Volkswirtschaften auf einige wenige Güter beschränkt u n d das Bindeglied zwischen den nationalen Preisniveaus daher schwach ist. Wenn der internationale Handel n u r einige wenige Güter umfaßt, lassen sich leicht Fälle konstruieren, wo sich k stark ändert u n d die Kaufkraftparitätstheorie daher zusammenbricht." f]) R. F. H a r r o d Harrod teilt:

104

h a t d i e G ü t e r e i n e r V o l k s w i r t s c h a f t i n d r e i K l a s s e n einge-

„Die erste Abteilung der Güter, die w i r kurz A - G ü t e r nennen wollen, sind Stapelgüter homogenen Charakters, welche geeignet sind, i n den Außenhandel einzutreten. Diese Klasse besteht i n der Hauptsache aus Rohmaterialien u n d N a h r u n g s m i t t e l n . . . Wenn w i r annehmen, der Preis sei der Tauschwert, i n Gold gemessen, dann haben diese Güter ein einziges internationales Preisniveau. B. Wenn i n der Aufarbeitung von Rohmaterialien i n Fertig- oder H a l b fertigfabrikate viel A r b e i t enthalten ist, dann können die sich ergebenden Güter i n einer gewissen Weise spezialisiert sein, indem sie sich i n der Qualität oder i n anderen Einzelheiten unterscheiden, entsprechend d e m Ort, an dem der Herstellungsprozeß ausgeführt wurde. Diese Differenzen zerstören die Einheit des Weltmarktes. C. Einzelne Güter u n d Dienste sind von N a t u r aus f ü r den internationalen Handel ungeeignet. Derartige Güter sind Häuser, Betriebsanlagen, Eisenbahndienste, öffentliche Dienste u n d Hausdienste; diese können nicht von ihrem Standort entfernt werden. Kleinhandelsgüter müssen i m allgemeinen als Mischungen von A - (oder B - ) u n d C - G ü t e r n betrachtet werden." A n diese U n t e r s c h e i d u n g k n ü p f t H a r r o d 1 0 5 b e i seinen B e t r a c h t u n g e n z u r K a u f k r a f t p a r i t ä t s t h e o r i e an. D i e a n d e n Wechselkursen gemessenen Preise d e r A - G ü t e r w e r d e n n i c h t außerhalb der G r e n z e n v a r i i e r e n , w e l c h e d u r c h d i e T r a n s p o r t k o s t e n u n d die Z ö l l e gegeben sind. Besitzen die L ä n d e r k e i n e n g e m e i n s a m e n m o n e t ä r e n S t a n d a r d , d a n n k ö n n e n S c h w a n k u n g e n i n d e n Sätzen a u f t r e t e n , z u d e n e n sich i h r e W ä h r u n g e n gegeneinander austauschen lassen. E i n z e l n e dieser S c h w a n k u n g e n k ö n n e n d u r c h v o r ü b e r g e h e n d e T a g e s u m s t ä n d e entstehen. M a n h a b e d e n V e r s u c h gemacht, d e r a r t i g e S c h w a n k u n g e n v o n j e n e n z u u n t e r scheiden, welche auf G r u n d eines n o r m a l e n T r e n d s entstehen, i n d e m m a n d i e k o m p a r a t i v e n n a t i o n a l e n P r e i s n i v e a u s berücksichtigte. Dieser 104 105

I, S. 65 ff. I, S. 76 ff., S. 86, S. 107.

268

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Versuch sei unter dem Namen der Theorie der Kaufkraftparität bekannt. Man behaupte, der Satz, zu dem sich die Währungen untereinander austauschen lassen, sollte derjenige sein, der bewirkt, daß jede Währung, nachdem sie i n die andere umgewandelt worden ist, dieselbe Quantität an Gütern i n jenem Lande kaufen könne, wie sie i m Inland zu kaufen i n der Lage gewesen wäre. Man anerkenne, daß die Kaufkraft innerhalb der Grenzen divergieren kann, welche durch die Transportkosten und Zölle gegeben sind. Wenn die Aufmerksamkeit auf die A-Güter beschränkt wird, sei es klar, daß die Währungen, welche zu den herrschenden Wechselkursen umgewandelt wurden, dieselbe Menge dieser A-Güter kaufen werden, welches der Wechselkurs nun auch sein möge. Denn da die Notierungen von Zentrum zu Zentrum telegraphiert werden, rechne jedes Zentrum den Satz aus, zu dem es die A-Güter notieren wird, indem es die Sätze i n Rechnung setzt, zu denen sich die Währungen jedes Zentrums austauschen lassen. I n jedem Lande seien die Preise der A-Güter nur die Wirkung des Devisenkurses und können nicht zur Bestimmung dessen gebraucht werden, was der Wechselkurs normalerweise sein sollte. Werden die C-Güter berücksichtigt, dann gelte die Theorie der Kaufkraftparität nicht mehr, denn C-Güter können i m allgemeinen nicht denselben Preis i n verschiedenen Ländern haben. Wenn der Grad der mangelnden Übereinstimmung der für die Erfüllung der Preisgleichheit erforderlichen Bedingungen mit den tatsächlich vorliegenden Bedingungen bekannt wäre und genau gemessen werden könnte, dann wäre es möglich, den normalen Wechselkurs aus den tatsächlichen Preisen der C-Güter zu deduzieren. Der normale Wechselkurs müsse mit der Kaufkraftparität übereinstimmen, wenn die Nichterfüllung dieser Bedingungen berücksichtigt worden sei. Komme gleichzeitig eine Verschiebung sowohl i m normalen Wechselkurs als auch i m Grade der Nichterfüllung der geforderten Bedingungen vor, dann seien w i r noch nicht i n der Lage zu sagen, ob diese letztgenannte Verschiebung notwendigerweise die Ursache und erstgenannte die Wirkung darstelle, oder ob die Rollen umgekehrt verteilt seien. W i r können dies nur nach einer Untersuchung des Geldsystems tun. Die Produktionsfaktoren verhalten sich insofern wie die C-Güter, als keine Tendenz gegen ein gemeinsames internationales Preisniveau h i n bestehe. Die Gleichheit des Preisniveaus werde durch den freien Fluß der Nachfrage von einem hohen zu einem niedrigen Niveau und den Strom der Güter i n der umgekehrten Richtung hervorgebracht. Einzelne Faktoren seien zwischen den Nationen vollkommen immobil. Andere haben einen sehr begrenzten Mobilitätsgrad. Bergwerke, Land, Eisenbahnen und fixe Betriebsausrüstung lassen sich nicht fortbewegen. Es bestehe ein gewisser internationaler Strom von Arbeit, aber er sei i m Vergleich zu den bestehen-

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität

den großen Lohndifferenzen sehr klein. Dies hat sich allerdings i n den letzten Jahren erheblich geändert. Harrod hat übrigens auch darauf aufmerksam gemacht, daß die Leistungsfähigkeit eines Landes i m internationalen Verkehr von großer Bedeutung sei. Der Wert der Produktion pro Einheit der beschäftigten Produktionsfaktoren bei der Herstellung eines bestimmten Gutes, d. h. eben die Leistungsfähigkeit, hänge davon ab, wieviel von diesem Gut i n dem Land hergestellt wird. Die Leistungsfähigkeit beeinflußt natürlich die Wechselkurse bzw. Kaufkraftparitäten. Abweichungen der Devisenkurse von den Kaufkraftparitäten seien vor allem der Spekulation zuzuschreiben. Wenn sich die Währung i n einer bestimmten Richtung bewege, z. B. abwärts, dann werden die Spekulanten die Zukunft antizipieren, und der gegenwärtige Satz werde dahin tendieren, nicht auf einem Punkt zu stehen, der das gegenwärtige nichtspekulative Angebot sowie die Nachfrage ins Gleichgewicht bringt, sondern an einem Punkt, von dem man erwartet, daß er die nichtspekulative Nachfrage sowie das Angebot i n drei, sechs oder zwölf Monaten ins Gleichgewicht bringen werde. Dieser Vorgang sei durch die ausländische „Unterwertung" der Währungen i n Inflationen nach Kriegen reichlich illustriert worden. I m Vergleich zu dem bestehenden nichtspekulativen Angebot und der Nachfrage sei der Preis inflationierter Währungen, ausgedrückt i n stabilen Währungen, dauernd zu niedrig gewesen. A. Forstmann Forstmann hat seine Ansicht zur Kaufkraftparitätstheorie schon auf den ersten Seiten seines außenwirtschaftstheoretischen Werkes kurz zusammengefaßt: „Soweit monetäre Probleme der Außenwirtschaft interessieren, finden sie ihre Erklärung i n der „klassischen Nivellierungstheorie", die besonders von G. Cassel ausgebaut und verallgemeinert als „Kaufkraftparitätstheorie" bekannt geworden ist." Sie habe ihre Grundlage i n der „Quantitätstheorie", unterstelle die „Indifferenz" des Geldes als Norm. I h r Erklärungswert sei auf die langfristigen natürlichen Gleichgewichtstendenzen des Geldwertes beschränkt. 106 Besondere Beachtung hat Forstmann 1 0 7 der Eingliederung der Kapitalbewegungen und Zinszahlungen i n den kaufkraftparitätstheoretischen Gedankenkreis gewidmet. 106 107

S. 12; vgl. dazu auch S. 210 f. S. 250 f.

270

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Da alle wirtschaftlichen Tatbestände und Vorgänge letztlich güterwirtschaftlich bedingt seien und eine güterwirtschaftliche Fundierung erfahren, so müsse geprüft werden, ob die außenwirtschaftlichen Kapitalbewegungen und Zinszahlungen nicht auf Grund der von der Kaufkraftparitätstheorie erklärten güterwirtschaftlichen Verhältnisse bzw. der diese zum Ausdruck bringenden Preisrelationen erfaßt werden können. Das sei i n der Tat der Fall und ergebe sich daraus, daß die einseitigen Wertübertragungen ja keine rein monetären Erscheinungen sind, sondern vielmehr güterwirtschaftlich effektuiert werden. Eine solche güterwirtschaftliche Effektuierung der einseitigen Zahlungen, werde aber nur dann erfolgen, wenn die Preisverhältnisse die güterwirtschaftliche Fundierung der einseitigen Wertübertragungen zulassen. Dabei spreche bei den elastischen außenwirtschaftlichen Kapitalbewegungen noch die Tatsache mit, daß sie nur insoweit vorgenommen werden, als sie ausreichende Ertragsaussichten böten. M i t Rücksicht auf diese Zusammenhänge und Bedingtheiten könne gesagt werden, daß die Kaufkraftparitätstheorie auch die einseitigen Wertübertragungen indirekt i m Rahmen ihres langfristigen Geltungsbereichs m i t umfaßt. Dabei sei allerdings zu beachten, daß die Langfristigkeit des Geltungsbereiches bei den einseitigen Wertübertragungen noch weit ausgesprochener sei als bei den reinen Güterbewegungen. Die Kaufkraftparitätstheorie erkläre die Gestaltung des intervalutarischen Kurses der Währung i m langfristigen wirtschaftlichen Ablauf, d. h. sie erkläre seine natürlichen langfristigen Gleichgewichtstendenzen auf der Grundlage des Gesetzes der allgemeinen Interdependenz der Preise und ihrer natürlichen Tendenz zum Gleichgewicht i n den verschiedenen Volkswirtschaften; sie sei daher — ebenso wie die „Nivellierungstheorie" Ricardos — als eine dem Gehalte der „klassischen" Lehre entsprechende — statische Theorie zu bezeichnen. Dabei erkläre sie aber i m Rahmen ihres Aussagewertes auch den Einfluß der von ihr unmittelbar nicht erfaßten einseitigen Wertübertragungen mittelbar. Insofern habe die Kaufkraftparitätstheorie zweifellos einen Vorteil gegenüber der Zahlungsbilanztheorie, deren erklärender Aussagewert auf die — i m Verlaufe einer normalen, d. h. endogen bedingten wirtschaftlichen Entwicklung nicht realisierte — Voraussetzung einer völligen Unabhängigkeit ihrer Variablen beschränkt sei. Trotz der angedeuteten Beschränkung des Aussagewertes der Kaufkraftparitätstheorie eigne sie sich — ähnlich wie die Quantitätstheorie — unter bestimmten Voraussetzungen als Faustregel auch i m kurzfristigen wirtschaftlichen Ablauf zur Bestimmung des Gleichgewichtswechselkurses.

B. I . Die Theorie der Kaufkraftparität

i) A. Kruse Kruse 108 schreibt die Vervollständigung der Wechselkurstheorie besonders John Wheatley zu. Dieser habe sich die Frage vorgelegt, was die Höhe des Wechselkurses bestimme, wenn zwei Länder m i t uneinlöslicher Währung Inflation haben. Seine A n t w o r t sei gewesen: „Die Gestaltung des Wechselkurses ist das ausschließliche Symptom dafür, wie weit die Währung des einen Landes sich über die des anderen erhöht hat." Kruse lehnt sich an die Casselsche Theorie an: Nach Cassel sei der Wechselkurs eine Funktion der Inlandskaufkraft des Geldes. Je höher das Preisniveau, u m so weniger, je niedriger das Preisniveau, u m so mehr könne der Ausländer für eine Einheit inländischen Geldes kaufen, und danach bestimme sich der Preis des inländischen Geldes, ausgedrückt i n ausländischem Geld, also der Wechselkurs. Die Wechselkurse von Papierwährungen seien demnach durch das Verhältnis der Kaufkraft des Geldes i n den verschiedenen Ländern bestimmt. Kruse 1 0 9 begegnet dieser Theorie zwar m i t einer gewissen Skepsis: Wenn die Theorie der Kaufkraftparitäten richtig wäre, dann könnte zwischen der Kaufkraft der Währungen kein Unterschied bestehen; man würde für sein Geld die gleiche Menge an Gütern und Leistungen i n jedem Lande bekommen, wenn man eine bestimmte Geldmenge des einen Landes zum jeweiligen Wechselkurs i n das Geld eines anderen Landes eintauscht. Es könnte dann keine billigen und teuren Länder geben. Die Wechselkurse würden sich immer so einspielen, daß keine Differenz zwischen den Preisspiegeln besteht. Kruse stellt dann aber anschließend fest: „Diese Tendenzen ergeben sich aus der Interdependenz der Preise; sie zeigen eine Anpassungsbewegung zu internationaler Gleichstellung der Preise auf." Und endlich kommt Kruse 1 1 0 doch zu einem i m ganzen positiven U r teil: Bei voller Berücksichtigung des eingeschränkten Aussagewertes der Kaufkraftparitätentheorie lasse sich jedoch die Faustregel aufstellen: Bei monetär verursachten Änderungen des freischwankenden Wechselkurses bleibt auf die lange Sicht die Kaufkraftparität der Währungen erhalten. x) F. Perroux Perroux 1 1 1 hat einige Gedanken über die Kaufkraftdisparität geäußert: I n der sowjetischen Wirtschaft w i r d methodisch von der grund108 109 110 111

S. S. S. S.

34 f. 257 f. 263. 184.

B. I. Die Theorie der Kaufkraftparität

272

sätzlichen Disparität der Kaufkraft i m Innern des Landes Gebrauch gemacht: die Preise der Produktionsmittel sind niedrig i m Vergleich zu den Preisen für Konsumgüter. R. Wyczalkowski hat aus den offiziellen russischen Preisstatistiken berechnet, daß für die Jahre nach 1950 die Kaufkraft, i n Konsumgütern ausgedrückt, dem Verhältnis von 1 Dollar zu 25 Rubel entsprechen würde. Wenn man für die sozialen Vorteile gewisse Korrekturen anbringe, so komme man auf ein Verhältnis von 1 Dollar zu 20 Rubel. Dagegen entspreche für die Preise der Produktionsgüter 1 Dollar ungefähr 10 Rubel. Die Überbewertung des Rubels sei also nicht anzuzweifeln, solange man der Berechnung von Kaufkraftparitäten überhaupt einen Sinn zuzubilligen bereit sei. Jedenfalls bleiben, gemessen an solchen Wertabständen, die Preisherabsetzungen für Konsumgüter i n Rußland ohne jede Bedeutung. Demnach wäre es aber auch widersinnig, von diesen Preisen einen direkten Einfluß auf die Ein- und Ausfuhrmöglichkeiten und auf die Austauschverhältnisse (terms of trade) zu erwarten, denn der Wechselkurs wirke unmittelbar weder auf die Handelsbilanz noch auf die Zahlungsbilanz noch auf die komparativen Kosten. >0 K . Rose Rose 112 hat die einfache und die komparative Form der Kaufkraftparitätstheorie unterschieden. I n ihrer einfachen Formulierung besage diese Theorie, daß der Wechselkurs durch das Verhältnis von Inlandspreisniveau i n Inlandswährung Pj und Auslandspreisniveau i n Auslandswährung P a bestimmt wird: Pi w = —

a

oder

P a • w = P.,

wobei je nach dem Ziel der Analyse der Preisindex als Großhandelspreisindex oder Lebenshaltungskostenindex interpretiert wird. Dieses Theorem behaupte also, daß das Auslandspreisniveau nach Umrechnung über den Wechselkurs dem Inlandspreisniveau entspricht, und die Kaufkraft des Geldes somit i n beiden Ländern die gleiche ist. Würden sich bei gegebenem Wechselkurs die Inlandspreise relativ zu den Auslandspreisen erhöhen, so müßte der Wechselkurs nach dieser Ansicht gleichfalls steigen, da der Import und die Nachfrage nach Devisen größer, der Export und das Angebot an Devisen aber kleiner werden. I n dieser einfachen Formulierung sei die Theorie jedoch nicht haltbar. Wenn die Versendung von Gütern Transferkosten (Transportkosten, 112

S. 87 ff.

B. I. Die Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Zölle usw.) verursacht, könne die Kaufkraft auch auf die Dauer unterschiedlich sein, da Auslandsgüter nach einer Inlandspreiserhöhung nur dann bezogen werden, wenn die Transportkosten nicht größer sind als die Preisdifferenz. Die Übertragungskosten verhindern den Austausch vieler Güter. Die komparative

Formulierung besagt: P

it+1

P

I t

• wt - p •p • w t+i t ^ , : w f = at+l at Es werde also behauptet, daß die Änderung des Wechselkurses zwischen zwei Zeitpunkten t + 1 und t der Änderung des relativen Preisspiegels zwischen diesen Zeitpunkten entspricht, ohne daß der Wechselkurs i n jedem einzelnen Zeitpunkt unbedingt m i t dem Verhältnis der Preisniveaus übereinstimmen muß. Auch i n dieser Form sei die Kaufkraftparitätentheorie allerdings nur dann gültig, wenn die Abweichung zwischen Wechselkurs und Preisniveauverhältnis i m Zeitablauf i n etwa konstant ist. Nur unter dieser Voraussetzung verändere sich der Wechselkurs i m gleichen Maße wie das Verhältnis der Preisniveaus. Steige das Inlandspreisniveau z. B. um das Vierfache, das Auslandspreisniveau aber nur u m das Doppelte, so sei der neue Wechselkurs 4

i

doppelt so hoch wie der alte Kurs: 2 : 1 = — : — £ 1 Der Anstieg des Wechselkurses messe also die Unterschiede i n den Inflationsgraden der einzelnen Länder. Die Kursanpassung komme zustande, weil es für die Inländer nach der relativ stärkeren Inlandspreiserhöhung sinnvoll sei, ihre Bezüge von Auslandsgütern zu intensivieren und mehr Devisen zum Kauf dieser Güter nachzufragen. Vergleicht man diese Ausführungen Roses mit denjenigen Haberlers, so w i r d man finden, daß die Entwicklung der Theorie der Kaufkraftparitäten bereits mit Haberler wohl zu einem gewissen Abschluß gekommen ist.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der Kaufkraftparität a) Ideengeschichtliche Stellung der Theorie

1. Ihr Verhältnis

zur Quantitätstheorie

Die Theorie der Kaufkraftparität ist nichts anderes als eine Anwendung der Quantitätstheorie. Betrachtet man nämlich zwei Länder, X und Y, und läßt die Geldmenge i n Y sich inflationistisch verdoppeln, so w i r d sich der Preis der Y-Gütermenge, zu der man cum grano salis auch die X-Valuta auf dem Y-Markte rechnen kann — fremde Valuta ist ja auf dem heimischen Markte nichts anderes als ein Gut, m i t dem man auf dem fremden Markte, wo sie wieder als Geld erscheint, also „kauft", vom heimischen Markte aus betrachtet, Güter „eintauschen" kann —, nach der naiven Quantitätstheorie verdoppeln. A u f dem X Markte sieht die Entwicklung folgendermaßen aus: Der gleichen X Geldmenge steht die gleiche X-Gütermenge und die doppelte Y-Valutamenge (in Gütereigenschaft) gegenüber. Da wegen der i n Y verdoppelten Preise kein Grund vorliegt, daß sich mehr X-Geld der Y-Valuta zuwendet als bisher, so w i r d der Preis, der die Funktion hat, Nachfrage und Angebot zu regeln, für Y-Valuta auf dem X-Markte auf die Hälfte sinken müssen, d. h. der Preis der doppelten Y-Valutamenge auf dem X-Markte muß sich der gleichen X-Geld-Quantität anpassen. Nichts anderes besagt die Theorie der Kaufkraftparität. Unter diesem Gesichtswinkel durften bei Annahme einer nur auf Inflation zurückzuführenden Preisveränderung und einer auf die Dauer proportionalen Preisverschiebung aller Güter miteinander, das Gut Gold oder irgend ein anderes Gut, wenn es sich nur um keine relative Preisveränderung handelt, als Vergleichsmaßstab herangezogen werden. Die Kaufkraftparitätstheorie eliminiert nun dadurch, daß sie das allgemeine Y-Preisniveau an Stelle der Y-Gütermenge setzt, den Zwiespalt zwischen der naiven Annahme, daß die Güterpreise m i t der Vergrößerung der Geldmenge gleichen Schritt halten, und der Berücksichtigung eines etwa die Geldentwertung potenzierenden Faktors 1 1 3 auf dem Y-Markte. 113 Die Größen V e r s c h i e b u n g zwischen der vorhandenen Gesamtgeldmenge u n d dem Betrag der bei der Gesamtheit der Mitglieder einer monetären Gemeinschaft üblichen Kassenbestände; vgl. hierzu Rueff, S. 13, S. 19..

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

275

Man könnte sich den Vorgang auch so denken, daß das gesamte X Geld der gesamten auf dem Y - und X-Markte umlaufenden Y-Geldmenge, die die Gütermenge repräsentiert, kaufwillig gegenübersteht, und daß bei Verdoppelung der Y-Geldmenge ihr Preis i n X-Geld nach der naiven Quantitätstheorie auf die Hälfte sinken muß. Oder umgekehrt, daß das gesamte Y-Geld dem gesamten X-Geld, das die X-Gütermenge repräsentiert, kaufwillig gegenübersteht, und daß bei Verdoppelung der Y-Geldmenge der Preis der X-Geldmenge auf das Doppelte steigen muß. I n diesem Sinne erhalten vielleicht die Worte Ricardos: 'but by estimating the value of the currency of one country i n the currency of another' ihre Bedeutung. Hierbei könnte man auch den potenzierenden Geldentwertungsfaktor berücksichtigen, d. h. die verdoppelte Y-Geldmenge kostet bei unterschiedlicher Entwicklung dieses Faktors z. B. nicht den halben, sondern einen geringeren Bruchteil i n X-Geld. Der Zusammenhang m i t dem Güterpreisniveau w i r d dann dadurch gewahrt, daß man denselben Potenzierungsgrad der Y-Geldentwertung gegenüber der X-Geldmenge wie gegenüber der Y-Gütermenge annimmt, eine Annahme, die dadurch berechtigt erscheint, daß man Y-Geld nur kauft, u m damit Y-Güter zu erwerben. Ob diese Annahme zu Recht besteht, w i r d i m wesentlichen davon abhängen, daß man den i m internationalen Verkehr benutzten Wechsel i m Laufe der Inflation i n derselben Zeit wie das Geld i m Inlande i n Güter umsetzen kann. Man kann das Problem auch so fassen, daß man von der Gegenüberstellung z. B. der Y-Gütermenge einschließlich der X-Valuta auf dem Y-Markte und der verdoppelten Y-Geldmenge ausgeht und sich fragt, ob die Verdoppelung der Y-Geldmenge beides, die Y-Gütermenge und die X-Valuta, auch unter Berücksichtigung eventueller Potenzierung auf die Dauer i m Preise untereinander proportional verschieben kann. Bei Cassel sind es ja nur noch diese beiden Preisträgergruppen, die i n Betracht kommen. Denn er macht die Voraussetzung, daß sich die Güterpreise auf dem Innenmarkt proportional entwickeln, also einheitlich repräsentiert werden können, und wenn er es nicht täte, dann könnte die Einführung des allgemeinen Preisniveaus über kleinere vorübergehende Schwankungen hinweghelfen. Die Gründe für eine Disproportionalität der X-Valuta — und der Y Güterpreisbildung könnten erstens i n einer i n Wirklichkeit dauernden größeren Verschiebung der Proportionalität der einzelnen Güterpreisbewegungen i m Inlande (die Cassel auch erwähnt, denen er doch aber eben keine überragende Bedeutung beimißt) und zweitens i n etwaigen den beiden Preisträgergruppen — Y-Inlandsgüter als Ganzes und X Valuta — eigentümlichen Disproportionalitätsneigungen, wie man sie z. B. auf dem Inlandsmarkte zwischen Löhnen und den übrigen Preisen beobachten kann, bestehen. Dieser zweite Grund der zweiten Problem-

276

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

fassung deckt sich nicht mit der bei der ersten Betrachtungsweise erhaltenen Zuspitzung des Problems auf die Frage einer gleichen Potenzierung, sondern wäre denkbar, auch wenn eine Potenzierung der Geldentwertung durch gewisse andere Faktoren als die Geldmenge nicht einträte. Die Reduzierung der Theorie der Kaufkraftpartität auf die Quantititätstheorie zeigt die besonderen Schwierigkeiten der Begutachtung eventueller Abweichungen der Wechselkurse von der Kaufkraftparität, berücksichtigt auch die Beeinflussung des Kurses durch Valutenkäufe zu anderen als Güterhandelszwecken, wobei Spekulationskäufe, die die harte Valuta dem Markte entziehen und sie längere Zeit aufspeichern, nicht als Ausnahme erscheinen, denn die Quantitätstheorie i n dem hier gemeinten Sinne berücksichtigt nur die Geldmenge auf dem Markt und läßt besonders klar die Unbrauchbarkeit der Theorie der Kaufkraftparität, während der Inflation kurzfristig den wahren Gleichgewichtspunkt zu erkennen, hervortreten. Man kann wohl die Einbeziehung des Y-Geldes selbst i n die analysierende Betrachtung nicht ausschließen, indem man das allgemeine Güterpreisniveau an seine Stelle setzt, denn das Y-Geld hat ja auch einen unmittelbaren Einfluß auf seinen Preis i n X, weshalb gewisse Vorgänge, die bei quantitätstheoretischer Betrachtung selbstverständlich sind, der Theorie der Kaufkraftparität als Ausnahme erscheinen. Der Unterschied ist der, daß die Theorie der Kaufkraftparität, die doch auf der Inflationstheorie beruht, obwohl sie die Güterpreise nur über das Y-Geldangebot hinweg berücksichtigen kann, den Handelshergang zu einseitig i n den Vordergrund rückt. Daher kann die Kaufkraftparitätstheorie auch i n der fortgeschrittenen Inflationszeit nicht befriedigen, denn die Wechselkurse tendieren während dieser nicht zu der Kaufkraftparität, sondern zu einem niedrigeren Wert, was schließlich dazu führen muß, daß der Außenwert des Geldes die Führung i n dem Währungsverfall übernimmt und der Innenwert sich an ihn anklammert. Die Quantitätstheorie kann diese psychologischen Erscheinungen innerhalb der Theorie berücksichtigen, die Theorie der Kaufkraftparität erklärt sie als Ausnahmen. Läßt man z. B. die Voraussetzung proportionaler Preisentwicklung auf dem Y-Markte für Y-Güter fallen, so daß z. B. die Y-Exportgüter relativ billiger werden, so erklärt die Theorie der Kaufkraftparität dies als vorübergehende Abweichung. Die hier vertretene quantitätstheoretische Auffassung erklärt den Vorgang durchaus i n ihrem Rahmen. Es würde sich nämlich ein größerer Teil des X-Geldes von den X-Gütern ab- und der Y-Valuta zuwenden, infolgedessen würde der Preis der Y-Valuta i n X i m Verhältnis zu dem Gesamt-Y-Preisniveau höher tendieren. Entsprechend kann man z. B. die Senkung des Preises der Y-Valuta i n X infolge einer allgemeinen Ausfuhrerschwerung i n Y so erklären, daß der gleichen X -

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Geldmenge eine relativ kleinere beschaffbare Y-Gütermenge i m Verhältnis zu der nun mehr als verdoppelt erscheinenden Y-Valutamenge gegenübersteht, daß also die Y-Valuta mehr als auf den halben Preis sinken muß, während bei allgemeinen Importbeschränkungen i n Y der Y-Geldmenge eine kleinere beschaffbare X-Gütermenge i m Verhältnis zu der nun größer erscheinenden X-Valutamenge gegenübersteht, was auf eine relative Verbilligung der X-Valuta i n Y hinwirken muß. Oder es bedeutet ein allgemeiner Exportzoll z. B. i n Y einfach eine Preissteigerung der Y-Güter auf dem X-Markte, d. h. der gesamten X-Geldmenge steht neben der X-Gütermenge die Y-Valuta, die Y-Güter verkörpert, zu einem künstlich erhöhten Preis gegenüber. Für diesen Preis reicht aber die X-Geldmenge nicht aus, ein Anreiz, X-Geld von den X Gütern weg auf den Erwerb von Y-Gütern hinzulenken, besteht bei den für X künstlich erhöhten Y-Güterpreisen nicht, und die Y-Valuta w i r d demzufolge i m Preise eine entsprechend sinkende Tendenz erhalten. Daß sich bei Einzelzöllen infolge der veränderten Kosten und Nachfrageverschiebung das Preisniveau und der ursprüngliche Wechselkurs ändern, kann bei dieser Untersuchung außer acht bleiben. Da sich i m Verlauf einer Inflation die einzelnen Preise auf dem Innenmarkt Y durchaus nicht proportional zueinander entwickeln, sich nicht proportional entwickeln können, weil die Inflation die einzelnen sozialen Schichten ganz verschieden trifft, folglich auch die Nachfrage umgestaltet wird, sogar für weite Kreise der Bevölkerung auch lange nachwirkend nach Beendigung der Inflation, so können sich je nach dem Grade der Furchtbarkeit der Inflation die Wechselkurse auch bei Wiederkehr „normaler" Zeiten nicht i n derselben Proportion zu den früheren Kursen und der Geldentwertung stabilisieren. Wenn man z. B. früher aus X vorzugsweise einen Massenluxusartikel eingeführt hat, auf den infolge der Verarmung bedeutende Teile der Y-Bevölkerung verzichten müssen, so w i r d der Y-Wechselkurs von der Proportion i n dem gleichen Sinne abweichen, als wenn ein Importverbot bestände, d. h. die Y-Geldmenge würde einer relativ kleineren beschaffbaren X-Gütermenge bzw. einer relativ größeren X-Valutamenge gegenüberstehen, der Preis der X-Valuta sich also m i t sinkender Tendenz umgestalten. Man darf wohl als Ausnahmen höchstens die vorübergehenden Einflüsse dieser A r t hinstellen, und i n diesem Sinne dürfte Cassel darin beizupflichten sein, daß die Fortentwicklung der Wechselkurse nach dem ersten Weltkriege, was z. B. Deutschland anbetrifft, von der alten Parität viel zu gewaltig war, um die erwähnten nur vorübergehenden A b weichungen i n der Theorie zu berücksichtigen. Anders jedoch, wenn die Abweichungen gerade durch die Furchtbarkeit der Geldentwertung, durch ihren Zweck oder durch die Unvermeidbarkeit ihres Übels ur-

278

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

sächlich bedingt sind und einen mehr oder weniger dauernden Charakter haben. Dann müssen sie wohl auch i n der Theorie ihre Beachtung finden. Palyi iU hat die Ansicht geäußert, daß die Wechselkurse sich vom quantitätstheoretischen Standpunkt aus entweder so erklären lassen, daß sie zur Geldmenge i n direkte Beziehung gesetzt werden, oder aber so, daß man sie als Funktion des Preisniveaus auffaßt. Der zweitgenannte Weg sei der konsequentere; „die Geldmenge „darf" vom Standpunkt einer geschlossenen Quantitätstheorie gar nicht unmittelbar auf die Wechselkurse wirken, da sonst das Preisniveau nicht i n direktem Verhältnis zu ihr stehen kann: ein Teil der Geldmenge wäre ja auf den Devisenmarkt „ausgewichen". Überhaupt würde dann die Möglichkeit offen stehen, daß auch andere, nicht vom Preisniveau abhängige Faktoren den Kurs beeinflussen. Oder sollen etwa Devisen zur Gütermenge gerechnet werden?" Die A n t w o r t auf die letztere Frage glauben wir, oben schon gegeben zu haben. Die Gültigkeit der Quantitätstheorie läßt sich nach Harrod 115 nicht erschüttern. Harrod glaubt jedoch, daß ihre Anwendung bei der Beleuchtung der vorliegenden Probleme keine großen Dienste leistet. Wenn man sie auf ein weltweites Gebiet anwende, bestimme sie nicht das internationale Preisniveau, d. h. den Durchschnitt der Preise der von i h m so genannten A-Güter, welche einen gemeinsamen internationalen Preis haben, sondern das allgemeine Weltpreisniveau, das die Preise aller ausgetauschten Werte und insbesondere der von i h m so genannten B - und C-Güter aller Nationen einschließen muß. Die Quantitätsgleichung bringe die Relation der internationalen Preisniveaus zu den nationalen Preisniveaus nicht zum Ausdruck, wenn sie auf die ganze Welt angewendet werde. Das wäre w o h l auch von der Quantitätstheorie zuviel verlangt. Diese Theorie kann sich immer nur auf einen i n sich geschlossenen Tatbestand und nicht auf Tatbestandsteile beziehen; deswegen muß man übrigens bei dem Versuch, dem Problem unmittelbar auf ihrer Grundlage beizukommen, auch — wie oben geschehen — die Devisenmärkte i n die Reihe der Gütermärkte auf Zeitspannen projiziert einbeziehen. Es dürfte i m Zusammenhang m i t der Quantitätstheorie aber nicht uninteressant sein, Harrod 116 bei seinen einschlägigen Überlegungen zu folgen: „Die Klasse der C-Güter, w i e sie ursprünglich definiert wurde, schließt das fixe K a p i t a l eines Landes ein. Die folgenden Bemerkungen gelten nicht für 114 115 118

S. 503 f. I, S. 68 f. I, S. 73 f.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t den Preis der bestehenden Kapitalausrüstung, sondern n u r f ü r den der neuen Ausrüstung (von Arten, welche nicht exportiert werden können) sowie f ü r alle C-Dienste, w i e Transporte, Detailverkauf, öffentliche Dienste usw. Irgendwelche zwei Länder werden dahin tendieren, denselben Preis f ü r C - G ü t e r zu haben, w e n n die d r e i untenstehenden Bedingungen erfüllt sind; sind sie nicht erfüllt, dann w i r d das Preisniveau der C-Güter i n den beiden Ländern nicht gleich sein. 1. Das Verhältnis der Leistungsfähigkeit bei der Produktion von C - G ü t e r n zu der der Produktion von A - G ü t e r n muß i n beiden Ländern dasselbe sein. 2. Die Entlohnungen der Produktionsfaktoren müssen entweder i n jedem Lande i n den A - I n d u s t r i e n dieselben sein w i e i n den C-Industrien, oder das Verhältnis der Entlohnungen i n den A - I n d u s t r i e n zu denen i n den C - I n d u strien muß i n beiden Ländern dasselbe sein. (Die erstere dieser Alternativen ist ein Spezialfall der zweiten.) 3. Der durchschnittliche Uberschuß des Preises über die Geldkosten, w e n n überhaupt ein solcher i m Hinblick auf C-Güter vorhanden ist (auf G r u n d von monopolistischen oder quasimonopolistischen Bedingungen u n t e r den Produzenten), muß i n beiden Ländern dasselbe Verhältnis haben zum Überschuß des Preises über die Geldkosten i m Hinblick auf A - G ü t e r . Wenn man die erste Bedingung berücksichtigt, k a n n man beobachten, daß große Unterschiede zwischen den nationalen Niveaus der Leistungsfähigkeit gewöhnlich durch Unterschiede der natürlichen Hilfsquellen oder der Differenz i m Grade der wissenschaftlichen Kenntnis u n d der A n w e n d u n g von K a p i t a l auf den Produktionsprozeß begründet sind. Diese beiden Unterschiede berühren die Produktion von A - u n d B - G ü t e r n . A u f der Seite des Detailverkaufs, der Transportleistungen u n d der inländischen Dienste ist es zweifelhaft, ob Unterschiede der Leistungsfähigkeit i n so großem Maße auftreten."

1. Für A-Güter gibt es gemeinsame Weltpreise. 117 „Der Preis jedes A-Gutes w i r d an den verschiedenen Orten nicht u m mehr als die Transportkosten plus das monetäre Äquivalent f ü r eine Handelsbehinderung wie Z o l l differieren. 2. Die Preise der B - G ü t e r tendieren auch gegen ein gemeinsames Niveau hin. Die Kräfte, welche jedoch auf dieses Ergebnis h i n w i r k e n , müssen größere Reibungswiderstände überwinden als bei A - G ü t e r n . Außerdem können B Güter derselben A r t , die i n verschiedenen Zentren produziert werden, i n gewissem Ausmaße differieren. 3. Es gibt kein Weltpreisniveau f ü r C-Güter. Die nationalen Preisniveaus sind n u r durch die Verbindung jedes einzelnen m i t den Preisniveaus der anderen Kategorien untereinander verbunden. Es gibt Bedingungen, unter denen die nationalen Preisniveaus f ü r C-Güter gleich sein können, es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß sie realisiert werden. Die konsumfähigen C-Güter u n d alle Detailgüter tendieren dahin, i n den leistungsfähigeren L ä n dern teurer zu sein. 4. Es gibt keinen Weltpreis f ü r Produktionsfaktoren. Jedes nationale Preisniveau ist proportional zur Leistungsfähigkeit der Faktoren bei der Herstell u n g der A - u n d B - G ü t e r . M a n muß zwischen den mehr u n d den weniger leicht anzupassenden Faktorenpreisen unterscheiden. Wenn die starren Löhne i m Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Landes hoch sind, w i r d das Gleichgewicht dadurch gesichert, daß die Arbeitslosigkeit i n diesem L a n d größer ist als anderswo." 117

I, S. 87.

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Welche Verbindung besteht zwischen der Quantitätstheorie und den Preisniveaus der drei Güterkategorien? 118 Was die A-Güter anbelange, so gebe es keine getrennten nationalen Preisniveaus (abgesehen von der Wirkung von Zöllen usw.), so daß auf diesem Gebiet die Theorie zusammenbreche (?) oder wenigstens einer neuen Fassung bedürfe. Die Preise der B-Güter können von Land zu Land variieren. Es sei wesentlich zu betonen, daß die Konkurrenzkraft des Inlandes nur reduziert (oder gesteigert) werden wird, wenn die Geldkosten der Produktion steigen (oder sinken). Wenn die angebliche K r a f t des Goldstromes i n dieser Sphäre wirksam sein solle, dann müsse sie auf die Geldkosten der Produktion wirken. Die C-Güter gehen nicht i n die Handelsbilanz ein, aber ihre Preise können durch ihre Wirkung auf die Produktionskosten anderer Güter fühlbar werden. Wie seien diese Kräfte am einfachsten zu fassen? Die Betrachtung der A-Güter könne uns den Schlüssel dazu geben. Hier sei ein Preisunterschied unmöglich. Nichtsdestoweniger könne der Goldstrom die Handelsbilanz der A-Güter auf zwei A r t e n beeinflussen, a) Wenn eine Steigerung der A k t i v i t ä t i m empfangenden Land als Folge des Einströmens stattfinde und aus diesem Grunde ein höheres Gesamteinkommen vorhanden sei, dann können mehr A-Güter gekauft und die Importe deshalb gesteigert werden, b) Wenn die Faktoren als Folge des Einströmens höhere Geldentgelte erhalten, dann können ihre Repräsentanten i n der Lage sein, sich mehr A-Güter zu leisten, deren Preisniveau als unverändert angenommen wurde, sowohl w e i l sie ein höheres Geldeinkommen pro Kopf haben, als auch weil möglicherweise andere verfügbare Güter auf Grund der höheren Geldkosten teurer geworden seien. Dies würde auf größere Importe hinwirken. Anderseits werden m i t dem Steigen der Faktorenentgelte die Produktionskosten höher sein, und die Grenzproduzenten können aus dem Geschäft herausgedrängt werden. Dies w i r k e auf niedrigere Exporte hin. Diese beiden Überlegungen, die Steigerung der Tätigkeit und die höheren Geldentgelte, fassen die mögliche Wirkung eines Goldeinstroms auf die Handelsbilanz der A-Güter zusammen. Dasselbe gelte für B-Güter. Die mögliche Veränderung ihres Preisniveaus während des Prozesses könne man als reines Nebenprodukt zufälliger A r t betrachten. Wenn man die Annahme des Goldstandards fallen lasse, dann erwarte die klassische Doktrin, daß die Wechselkurse sich einem „natürlichen" Niveau anpassen, auf dem sich das Angebot und die Nachfrage nach ausländischer Währung die Wage halten. Diese Theorie sei einfacher. W i r müssen nicht mehr überlegen, wie ein Goldstrom die Geldentgeltssätze verändern kann. Das Verhältnis dieser Geldentgelte zum 118

Vgl. hierzu Harrod I, S. 117 f., S. 121 f., S. 144 ff.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Preisniveau der Außenwelt werde automatisch durch die Veränderungen der Wechselkurse modifiziert. Somit entstehen gewisse Schwierigkeiten nicht. Andere Schwierigkeiten bleiben aber bestehen. Der Wechselkurs, bei dem der Handel i m Gleichgewicht sei, werde entsprechend dem Beschäftigungsniveau, das bestehen solle, differieren. Das Verhältnis der Geldentgeltssätze i m Inland zum Weltpreisniveau ergebe keinen einheitlichen Wechselkurs. Es werde verschiedene Wechselkurse geben, entsprechend dem jeweils angenommenen Beschäftigungsniveau. Welchen Kurs bestimme nun der Ausgleich von Angebot und Nachfrage? Voraussichtliche den Kurs, der dem tatsächlich bestehenden Beschäftigungsniveau angemessen ist. Man nehme nun an, daß die Notierungen der inländischen Währung durch künstliche Intervention gesenkt worden seien, und daß als Folge davon die Beschäftigung i m Inland angeregt wurde. Der neue Kurs werde beim neuen Beschäftigungsniveau ein Gleichgewicht des Handels entstehen lassen. Er sei i n der Tat genau so „natürlich" wie der alte Kurs. Trotzdem hätte er vielleicht nie erreicht werden können, ausgenommen durch künstliche Intervention. I n der Tat gebe es keinen „einzigen" natürlichen Satz, sobald Veränderungen der Beschäftigung als möglich betrachtet werden. Die Nettowirkung auf den Handel muß unter Berücksichtigung der Relation zwischen E, Exportwert, und i l (i = der für ausländische Güter ausgegebene Teil des Gesamteinkommens [I]) + Z (Menge ausländischer Kapitalgüter), Importwert, geschätzt werden. Ein Steigen der Geldkosten werde dahin tendieren, E zu reduzieren. Es werde auch dahin tendieren (der Multiplikator), das Gesamteinkommen und deshalb i l zu reduzieren 119 . Die Reduktion von i l könne jedoch unter gewissen Umständen als kleiner angenommen werden als die Reduktion von E, und zwar aus zwei Gründen: 1. Man könne erwarten, daß die Reduktion des Gesamteinkommens i m Verhältnis zur Reduktion von E kleiner sei, wenn die Zusätze zum Kapitalstock, welche i m Inland produziert wurden (K), dieselben bleiben, da das Gesamteinkommen sich auf E + K beziehe. 2. Die steigenden Kosten der i m Inland produzierten Güter können den Teil des für ausländische Güter ausgegebenen Einkommens (i) vergrößern und so verursachen, daß die Importeinschränkung (il) i m Verhältnis zur Reduktion des Gesamteinkommens (I) geringer sei. Somit werde die Importbeschränkung kleiner sein als die Exportbeschränkung, und die aktive Bilanz werde dahin tendieren, reduziert zu werden.

119 M a n müsse beachten, daß die klassische Theorie annahm, ein Einströmen verursache eine Exportsenkung u n d eine Importsteigerung. Die Ausführungen des Textes untersuchen eine neu gefaßte klassische Theorie.

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Es komme jedoch ein verhängnisvoller Fehler i n dieser Beweisführung vor, nämlich die Annahme, daß K konstant sein werde. Der Expansionsgrad der industriellen Produktion übe einen sehr wichtigen Einfluß auf den Betrag an Extrakapitalgütern aus, welche die Industrie benötige. Man müsse von der Voraussetzung einer Reduktion des Gesamteinkommens und der gesamten Produktion ausgehen. Dies folge durch das Multiplikatorprinzip aus der Exportreduktion. Und dieses Prinzip werde noch verstärkt werden, wenn die Leute auf Grund des höheren Preises der i m Inland produzierten Güter einen größeren Teil des Einkommens für ausländische Güter ausgeben. Man müsse folglich erwarten, daß eine starke Reduktion von K eintrete, dem Wert der Bestellung der Industrie an inländischen Kapitalgütern. Es werde eine entsprechende Reduktion des Gesamteinkommens vorkommen, welche sehr wohl größer sein könne, als dem Verhältnis der Exportreduktion entspräche. Folglich bestehe ein Grund zur Erwartung, daß die Importreduktion (il) und a fortiori die Reduktion von i l + Z größer sein w i r d als die Exportreduktion. Und wenn dies geschehe, werde das Goldeinströmen nicht kleiner, sondern größer werden. Wenn dies so ist, dann werde es notwendig, die klassische Theorie als falsch zu bezeichnen, welche von der Wirkung des Einfließens von Gold auf die Kosten erwartet, daß sie die Bilanz berichtige. Die andere Alternative besage, das Einfließen könne die Bilanz durch die Anregung der Produktion berichtigen. Hier laufe die Kausalkette wie folgt. Das Einfließen des Goldes lasse die Situation der Kapitalisten i m Durchschnitt liquider werden. Die gleiche Liquiditätssteigerung, welche sie dazu treibe, profitablere Investitionsmöglichkeiten i m Auslande zu suchen, könne auch die Investition i m Inland anregen, indem sie die Borgbedingungen leichter gestalte. Sie werde m i t anderen Worten dahin tendieren, den Wert von K des Einkommens, das aus der zur Vergrößerung des Stocks an inländischen Kapitalgütern benutzten Produktion abgeleitet werde, zu steigern. Diese Anregung zur Kapitalinvestition werde durch das Multiplikatorprinzip dahin tendieren, das Nationaleinkommen zu steigern und somit weiterhin die Investition i n einer gefährlichen Expansionsspirale anzuregen. Dadurch werden beide Werte i n dem Ausdruck ( i l + Z) zu steigen tendieren. Die Importe werden zunehmen, weil das gesamte Nationaleinkommen zugenommen hat, und Z werde steigen, w e i l ein Teil der erhöhten Nachfrage nach Kapitalgütern aus ausländischen Quellen befriedigt werden könne. Die beiden Kausalketten führen also zu entgegengesetzten Wirkungen. Es lasse sich m i t einiger Sicherheit sagen, daß das Nettoresultat nur dann von sich selbst ausgleichender Natur ist, wenn die anregende Wirkung der größeren Liquidität auf den Zusatz zu den Kapitalgütern (K) wesentlich ist.

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Fragt man, warum ein Einfließen von Gold die industriellen Kosten steigern und somit die Exporte reduzieren sollte, so könne die A n t w o r t nur lauten: Sicher nur dadurch, daß eine schärfere Konkurrenz um die Produktionsmittel entstehe. Wenn dies der Fall sei, dann müsse der günstige Effekt auf K zeitlich vor dem ungünstigen Effekt auf E kommen, denn i m anderen Falle bestünde keine schärfere Konkurrenz u m die Produktionsmittel. Die Wirkungsweise durch eine Expansion der Tätigkeit sei deshalb als die richtige Theorie und die Phänomene, welche die klassische Ansicht zu betonen tendieren, seien als ein Nebenprodukt zu betrachten. Die folgenden Begrenzungen der so gefaßten Selbstausgleichstheorie seien festzuhalten: 1. Der Mechanismus werde nur dann tatsächlich arbeiten, wenn die zunehmende Liquidität eine wesentliche Anregung für das Einkommen bedeute, das sich aus der Produktion von Kapitalgütern (K) ergebe. 2. Er werde nicht i n allen Phasen des Konjunkturzyklus unbedingt wirken. Wenn z. B. die Beschäftigung bereits sehr stark sei, dann sei es möglich, daß die gesteigerte Liquidität das Produktionsvolumen nicht wesentlich beeinflussen könne, sondern nur zu inflationistischen Preisen und Gewinnen führen werde. Es sei möglich, daß der größte Teil des gesteigerten Einkommenstromes gespart werden könne, und daß die Ausgaben für den Import (il) nur wenig ausgedehnt werden können. Wenn inzwischen die steigenden Kosten zu einer Reduktion des Exports (E) geführt haben, dann könne die Nettowirkung darin bestehen, den Boom zusammenbrechen zu lassen, was seinerseits wiederum das Einströmen von Gold steigern könne. 3. Während das Einfließen pro tanto dazu dienen könne, das Einkommen und die Importe zu vergrößern, müsse man beachten, daß inzwischen größere Kräfte wirksam geworden sein dürften, welche diese Größen verändern, und daß sie die Wirkung des Einfließens vollkommen aufheben könnten. Es sei auch nicht förderlich, wenn man sage, daß das Einfließen zur Berichtigung der Bilanz auf genügend lange Sicht dienen solle, denn die anderen Kräfte, welche wirksam seien, könnten das Einkommensniveau und die Bilanz vollkommen verändern, bevor diese lange Frist überhaupt je erreicht worden sei. Man müsse deshalb m i t diesem nicht sehr überzeugenden Ergebnis zufrieden sein. Zusammenfassend lasse sich feststellen: 1. Die klassische Theorie der Bilanz besage, daß der Goldstrom automatisch eine ausgeglichene Bilanz sicherstellt. Für diese Theorie seien

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gewisse Voraussetzungen erforderlich. I h r Hauptfehler bestehe darin, daß sie sich nicht systematisch mit dem Beschäftigungsniveau befaßt. 2. M i t der Multiplikatoranalyse werde gezeigt, daß automatisch ohne die Intervention eines Goldstromes ein Gleichgewicht entstehen werde, wenn die Leute i h r ganzes Einkommen ausgeben: a) wenn der laufende Güter- und Dienstetausch allein berücksichtigt wird, und b) wenn die Zinsen, Dividenden, Geschenke und Reparationen auch mitgerechnet werden. Es sei nicht automatisch ein Vollbeschäftigungsniveau gesichert, denn dieses hänge davon ab, ob die Leistungsentgelte i m Verhältnis zu den Weltpreisen auf dem richtigen Niveau stehen. 3. Wenn man die Akkumulation und die Bewegung des Kapitals berücksichtige, dann seien die Zahlungen nicht automatisch i m Gleichgewicht. Die Multiplikatormethode werde zur Deckung dieses Falles noch erweitert, und es werde wiederum gezeigt, daß das Beschäftigungsniveau vom Verhältnis der Leistungsentgelte zu den Weltpreisen abhänge. 4. Der Goldstrom könne dahin tendieren, durch Beeinflussen der relativen Liquidität und des Ertrages der A k t i v e n i n den verschiedenen Ländern eine Bilanz auszugleichen, wodurch eine kompensierende internationale Kapitalbewegung entstehe, vorausgesetzt, daß eine derartige Bewegung verhältnismäßig leicht durchzuführen sei. 5. Der Einfluß eines Goldstromes auf die Bilanz der laufenden Rechnung sei untersucht worden, und zwar unter Berücksichtigung seines möglichen Einflusses auf a) die Geldkosten der Produktion und b) das Beschäftigungsniveau. Man habe gezeigt, daß er nur einen selbstausgleichenden Einfluß ausüben könne über a), wenn er vorher einen größeren Einfluß auf das Beschäftigungsniveau (b) hatte. Da andere wichtigere Einflüsse, welche sich aus dem Außenhandel ergeben, auf das Beschäftigungsniveau einwirken, erhebe sich ein gewisser Zweifel i n die Verläßlichkeit des Goldstrommechanismus, wenn sein Einfluß auf die Bilanz der laufenden Rechnung beschränkt sei. Die Überlegungen Harrods betonen den erweiterten Sinn der Quantitätstheorie, daß nämlich quantitative Änderungen des Geldes Änderungen auf der Güterseite (im engeren Sinne) hervorrufen. Der Geldwert w i r d nicht nur durch die Menge des Geldes, sondern auch durch die als Folge der geldseitigen Änderung hervorgerufene Änderung der Güterseite (im engeren Sinne) neu bestimmt. Dadurch erscheint ein Parallelverlauf der Geldmengenänderung m i t der Anhebung des Preisniveaus ausgeschlossen. Ebenso muß sich dann auch, was die Kaufkraftparitätstheorie angeht, der Zusammenhang der Wechselkurse m i t den Geldmengen bzw. den Preisniveaus modifiziert entwickeln.

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I n entsprechendem Sinne schränkt auch Forstmann 120 die Geltung der Kaufkraftparitätstheorie auf den Modellfall ein, daß die Preisrelationen der Güter (im engeren Sinne) erhalten bleiben. Für die Kaufkraftparitätstheorie gelte i n dieser Hinsicht also dasselbe wie für die „Quantitätstheorie", auf die sie sich stütze. Harrod betrachtet allerdings i n erster Linie das Verhältnis der Gesamtgeldmengen zu den Gesamtgütermengen, Forstmann dagegen das Verhältnis der Gesamtgeldmengen zu Veränderungen der Preisrelationen von Einzelgütern, wobei die Anzahl der Ausstoßeinheiten der Gesamtgütermengen unverändert bleiben kann. 2. Das Verhältnis der Theorie der Kaufkraftparität zum Metallismus und Nominalismus Hier sei unter Metallismus lediglich die Anschauung verstanden, die nicht einen mechanischen quantitativen Zusammenhang der Geldmenge zur Gütermenge annimmt, sondern dem Gelde einen qualitativen, einen „Quasigebrauchswert", wie H a h n 1 2 1 es nennt, zuschreibt, sei es durch Berücksichtigung des i n der Umlaufsgeschwindigkeit sich auswirkenden Mißtrauens, sei es durch Berücksichtigung des Mißtrauens an sich 122 . Dieser Zuschlagswert des Geldes i m Hinblick auf den Wert derjenigen Güter, die man später dafür kaufen zu können vertraut, der dem Besitz des Geldes bzw. dem Umstand anhaftet, daß es nicht sofort ausgegeben zu werden braucht, ist nach metallistischer Auffassung eng mit dem Geldstoff verknüpft. Unter Nominalismus sei hier diejenige Anschauung verstanden, die nicht, wie man es ihr häufig zu Unrecht vorwirft, jeden Zusammenhang der Geldmenge mit dem Geldwert leugnet, sondern nur jeden qualitativen. Jeder Nominalist dürfte konsequenterweise kein Anhänger der heute wohl allgemein anerkannten gemäßigten Quantitätstheorie sein. Denn wäre er es, so würde er ein qualitatives Moment des Geldes zugeben, was der nominalistischen Auffassung vom Geldwert als nur durch Proklamation bestehend widerspräche 123 . Die Brücke zwischen diesen beiden Anschauungen ist die Meinung, daß das Geld zwar proklamatorische Geltung hat, aber doch auch einen gewissen „Quasigebrauchswert", der nun allerdings nicht i n dem Vertrauen zum Stoff, sondern zu der abstrakten Quantität zum Ausdruck gelangt. W i l l der Nominalist nur sagen, es sei gleichgültig, aus welchem Stoff Geld hergestellt werde, wenn nur die Quantität nicht w i l l k ü r l i c h gesteigert wird, so hat er recht. W i l l der Metallist nur sagen, es sei 120

S. 249 f. I I S. 299 f. 122 v g l 'v. Bortkiewicz i n Schriften d. V. f. S., Bd. 170. 123 Bezüglich Knapps ist zu beachten, daß dieser v o m „ G e l d w e r t " überhaupt nicht handeln wollte. 121

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besser, daß Gold wegen seiner natürlichen Knappheit als Geldstoff gewählt werden sollte, damit die Quantität nicht willkürlich vergrößert werden könne, so hat er abgesehen von gewissem anderem Bedenken auch recht. Die Geldwerttheoretiker können unabhängig davon, ob das Vertrauensmoment bei der Bildung des Geldwertes anerkannt w i r d oder nicht, ohne Inkonsequenz Anhänger der Theorie der Kauf kraf tparität sein, da diese, wie w i r sahen, nichts weiter ist als die Anwendung der Quantitätstheorie unter Umgehung der Frage der Schwankungen der üblichen Kassenbestände, dadurch daß auf die Preisniveaus abgegestellt wird. 3. Die Theorie der Kaufkraftparität

und das Greshamsche Gesetz

Das Greshamsche Gesetz besagt, daß die gute (richtig bewertete oder künstlich unterbewertete) Währung von der schlechten (künstlich überbewerteten) verdrängt wird. Das Greshamsche Gesetz ist ohne weiteres auf moderne Papierwährungen anwendbar. Sind zwei Währungen frei konvertierbar und ist das Austauschverhältnis zwischen ihnen künstlich fixiert, so w i r d die „schwache" (überbewertete) Währung die „starke" ebenso sicher verdrängen wie i n dem historischen Beispiel der Doppelwährung. Kein Wirtschaftssubjekt w i r d geneigt sein, mehr als unbedingt nötig von einem Zahlungsmittel zu besitzen, dessen Wert auf dem freien Markt offenbar unterhalb des behördlich festgesetzten Preises liegt 1 2 4 . Dieses Mißverhältnis zwischen Marktwert und „staatlichem" Wert macht sich durch anhaltendes Überangebot dieser schlechten Währung auf dem Devisenmarkt bemerkbar. Das Greshamsche Gesetz kann, wie man sieht, v o l l zur Wirkung nur kommen, wenn zwar die eine Voraussetzung der Kaufkraftparitätstheorie — die freie Konvertierbarkeit der Währungen, u m die es sich handelt — gegeben ist, nicht dagegen die weitere Voraussetzung der Flexibilität der Wechselkurse. Hier w i r d vielmehr eine staatliche Fixierung der Kurse vorausgesetzt. Diese Überlegung ist aber für die Gesamtschau der Kaufkraftparitätstheorie doch nicht völlig nutzlos, insofern nämlich, als sie erkennen läßt, daß bei Währungsentwertungen dem Verschwinden der starken Währung bei fixierten Kursen die Preiserhöhung der starken Währung bei flexiblen Kursen entspricht, daß es sich also i m Grunde u m einen gleicherweise fundierten Vorgang handelt. 4. Das Verhältnis der Theorie zum Individualismus und Universalismus Die Theorie, wie sie Cassel vorgetragen hat, ist wohl universalistisch gedacht, indem die mechanische Quantitätstheorie und das nominalisti124

Vgl. hierzu Sohmen, S. 94.

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sehe Leugnen eines qualitativen Moments beim Geldwert überhaupt, zeige es sich auch nur i n dem Vertrauen auf eine festbegrenzte Quantität, als individualistische Abstraktionen von Cassel umgangen worden sind. Nur bei einem aus einzelnen Individuen atomistisch zusammengesetzt gedachten Nebeneinanderleben der Menschen ohne geistigen Zusammenhang kann allerdings ein mechanisches Übereinstimmen der Wechselkurse m i t der Kaufkraftparität erwartet werden. Die Theorie der Kaufkraftparität, die die gemäßigte Quantitätstheorie als Grundlage nicht ausschließt, und die alle möglichen Abweichungen berücksichtigt, ist umfassend, universalistisch. Die Werdekraft des zu erklärenden Vorganges ist mitbegründet i m geistigen Zusammenhange der Individuen untereinander, i m Ganzen (daher der Name Universalismus: Universum: das Geistige) 125 . Das Wesen des Menschen ist es eben, daß sein Handeln nicht aus i h m selbst, sondern nur vermittels anderer Menschen erzeugt wird, was durch potentielle Berücksichtigung des etwa vorhandenen Mißtrauensmomentes, das der metallistischen Auffassung vom qualitativen Geldwert entspricht, bestätigt wird. b) Theoretische Einwendungen

Gegen die Theorie der Kaufkraftparität sind von vielen Seiten teils unberechtigte, teils berechtigte Einwendungen erhoben worden. Diese auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen und ihnen evtl. ihren Platz i n der hier vertretenen Anschauungsweise einzuräumen, soll die Aufgabe des folgenden sein. 1. Zunächst sei als K r i t i k e r Elster erwähnt, nicht wegen seiner wissenschaftlichen Gründlichkeit, sondern weil er i n fast allen seinen Schriften 1 2 6 , ohne einen eigentlichen Beweis dafür anzutreten, sondern indem er sich m i t komischer Ängstlichkeit an Knapp klammert, darauf besteht, daß das Preisniveau einen unmittelbaren Einfluß auf die Wechselkurse nicht habe, sondern eine Wirkung nur durch das M i t t e l von Angebot und Nachfrage ausgeübt werde, und daß deshalb die Theorie der Kaufkraftparität nicht zutreffe. Daß dieser Einwand die Theorie der Kaufkraftparität gar nicht trifft, sondern sich sehr gut m i t ihr vereinen läßt, wurde schon erwähnt. Daß aber außerdem ein unmittelbarer Einfluß des Preisniveaus auf die Wechselkurse insofern möglich ist, als eine voraussichtliche Preisniveauerhöhung die Wechselkurse treibt, kann nicht geleugnet werden. 2. R. A. Lehfeldt 127 w i l l die Theorie Cassels dahin ergänzen, daß er die Wechselkursschwankungen nicht allein von der immerhin grund125 126 127

Vgl. Spann, S. 27. Vgl. z. B. I, S. 11 ff., I I , S. 318 ff., I I I , S. 11 f. S. 44 f.

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legenden und dauernden Wirkung der Kaufkraft der Währungen, sondern auch von dem Einflüsse der Handelsbilanz, wenigstens i n zweiter Linie und vorübergehend, bestimmt sein lassen w i l l . „Der Unterschied von Einfuhr u n d Ausfuhr zwischen den zwei Ländern muß durch sofortigen A n k a u f von Valuten oder Devisen des anderen Landes beglichen werden; der Devisenmarkt ist durch die Nötigung der Kaufleute, ihre Hechnungen zu begleichen, beeinflußt, was i m m e r die schließliche W i r k u n g der Parität der K a u f k r a f t sein möge. Das ist m i t ein G r u n d f ü r die Empfindlichkeit des Devisenmarktes u n d rasch entstehender bedeutender Kursschwankungen. Die bezügliche Darlegung Prof. Oasseis scheint u n v o l l ständig."

Es ist dies derselbe Einwand, den H a h n 1 2 8 i n die Worte faßt: „Wenn die täglich fällig werdenden internationalen Zahlungsverpflichtungen — also die sog. Grundposten der Zahlungsbilanz — eine Störung erleiden, so w i r d der Kurs, zu dem Angebot u n d Nachfrage auf den Valutenmärkten sich ausgleichen, eine Veränderung erfahren. Erscheint beispielsweise eine stärkere Nachfrage auf dem M a r k t e der fremden Devisen, w e i l starke i n t e r nationale Zahlungsverpflichtungen fällig geworden sind, so w i r d der Wechselkurs sich heben."

Die Inflationstheorie sei zu einseitig, weil sie die Gestaltung des Preisniveaus für die Valuta allein für maßgebend halte. Denn Nachfrage auf den Devisenmärkten entstehe nicht nur zum Zwecke des Güterimports, sondern auch aus anderen Gründen, z. B. zwecks Rückzahlung eines Kredits oder Spekulation oder Vermögensanlegung, Nachfragen, die auch auf die Höhe der Wechselkurse einwirken. „Daß die Klassiker diesen Punkt vernachlässigt haben, ist der einzige, aber durchschlagende Einwand, den man gegen ihre sonst scharfsinnige A r gumentation anführen kann 1 2 9 ." A u f diese Einwendungen ist zunächst zu antworten, daß bei Ricardo von einer eigentlichen Wechselkurstheorie, wie schon erwähnt, überhaupt nicht die Rede sein kann, sondern daß sich seine diesbezüglichen Bemerkungen i n den verschiedenen Kapiteln verstreut finden. Es ist also kaum anzunehmen, daß er, der ja nur die Änderung der Wechselkurse als Beweis der Pfundentwertung anzuführen beabsichtigte, damit behaupten wollte, daß nur dieser Einfluß auf die Gestaltung der Wechselkurse maßgebend sei. Schon Goschen wies dagegen m i t Ausdrücklichkeit an vielen Stellen darauf hin, daß zur Erklärung des Wechselstandes niemals nur ein einzelner Grund herangezogen werden könne, wohl aber ein fundamentaler, und daß allerdings „Geldentwertung" ein solcher sei. Dasselbe wollte auch Cassel nur sagen, wenn er meinte, daß der Wechselkurs entsprechend der Kaufkraft abgesehen von leichten Schwankungen i m großen ganzen stabil bleiben wird. W i l l jedoch Leh128 129

I, S. 596 ff. Ebd.

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feldt, wie er an anderer Stelle sagt, nur feststellen, daß „ausschließlich kaufmännische, durch Regierungsmaßnahmen nicht behinderte Einflüsse" genügen, „ u m die Abnormität für längere Zeit hervorzubringen", so ist das keine prinzipielle, sondern nur eine Grad-Frage, ein Streit u m den Sinn bzw. die Abgrenzung der Begriffe „abnorm" und „Dauer". Das geht auch aus dem Beispiel hervor, das Lehfeldt zur Bekräftigung seines Einwandes anführt. Die Abweichungen i n der Beurteilung des Ausdrucks „auf die Dauer" ist übrigens rein theoretisch ebenso unergiebig wie die Unterscheidung der Kaufzwecke, ob nämlich Devisen zwecks Güterimports, Geldanlage, Spekulation, Rückzahlung eines Kredits etc. nachgefragt werden. Denn vielfach werden Devisen zwecks Geldanlage gekauft, u m sie zu einer späteren Zeit zum Güterkauf zu verwenden, die Spekulation kauft Devisen, weil sie hofft, die Kaufkraft derselben werde erhalten oder steigen. Rückzahlung des Kredits ist häufig nur eine nachträgliche Bezahlung von Gütern. A l l e internationalen Beziehungen hängen letzten Endes mittelbar oder unmittelbar mit Güterbewegungen (und Leistungsübertragungen) zusammen, und wenn man m i t dem Begriffe „Dauer" die Vorstellung einer genügend weitgespannten Zeitskala verbindet, so kann man den hier behandelten Einwand wohl für unbegründet halten. Der ganzen Schwierigkeit entgeht man jedoch, wenn man den Vorgang quantitätstheoretisch betrachtet. Steht z. B. der X-Geldmenge die Y-Geldmenge, die m i t einer gewissen Kaufkraft die Y-Gütermenge repräsentiert gegenüber, und verdoppelt sich die Y-Geldmenge, so müßten sich, von dem potenzierenden Geldentwertungsfaktor abgesehen, die Y-Güterpreise verdoppeln, und es müßte, da der gleichen X-Geldmenge jetzt die doppelte Y-Valutamenge gegenübersteht, deren Preis i n X auf die Hälfte sinken. Wendet sich nun ein größerer Prozentsatz Y-Valuta, als es durch die güterwirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder X und Y gerechtfertigt erscheint, z. B. anlagesuchend nach X, so t r i t t eine relativ größere Y-Valuta- der X-Geldmenge gegenüber, d. h. der Preis der Y-Valuta muß stärker sinken; da sich ein kleinerer Prozentsatz Y-Geld der Y-Gütermenge zugewandt hat, sind die Güterpreise i n Y nicht auf das doppelte gestiegen. Ein Ausgleich w i r d erst stattfinden, wenn die Y-Valuta wieder auf dem Y-Markte erscheint. Er kann natürlich auch spekulativ vorabgenommen werden. 3. Keynes 130 weist besonders darauf hin, daß die praktische Brauchbarkeit der Theorie der Kaufkraftparität zur Bestimmung der Wechselkurse nach dem ersten Weltkriege dadurch stark eingeschränkt worden sei, daß die beiden Voraussetzungen, nämlich das Bestehen der gleichen Frachtkosten und Einfuhr- und Ausfuhrabgaben wie 1913/14 und die proportionale Preisverschiebung der international gehandelten und der 180

S. 90 ff.

19 Klafkowski

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international nicht gehandelten Waren, nicht zutreffen. Jedoch nimmt auch Keynes an, daß, wenn die Preisschwankungen lediglich auf geldliche Einflüsse zurückgehen, und nicht auf Veränderungen der w i r t schaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern 1 8 1 , die zweite Voraussetzung wenigstens annähernd zutrifft. Daß sich die Preise der beiden Gütergruppen parallel bewegen, sei „so weit davon entfernt, eine Wahrheit zu sein, daß es streng genommen überhaupt nicht wahr ist, und man kann höchstens sagen, daß es je nach den Umständen mehr oder weniger zutreffen k a n n " 1 3 2 . Es ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß die furchtbare Wirkung der geldlichen Einflüsse auf große Teile der Bevölkerung doch beträchtliche Abweichungen hervorrufen muß. Das Austauschgleichgewicht zwischen Leistungen und Produkten eines Landes und denen eines anderen kann außerdem verändert werden durch Kapitalverschiebungen, Reparationszahlungen, Veränderungen i m relativen Arbeitsertrag oder Veränderungen i n der Dringlichkeit der Weltnachfrage nach den speziellen Landesprodukten 1 3 3 . Die w i r k lichen Kurse sind oft empfindlicher und beweglicher als die Kaufkraftparitäten; denn sie werden beeinflußt von der Spekulation, von plötzlichen Verschiebungen von Guthaben, von Saisoneinflüssen und Erwartungen von bevorstehenden Veränderungen i n der Kaufkraftparität; andererseits können die wirklichen Kurse auch einmal hinter der Entwicklung dieser Faktoren zurückbleiben 134 . Die Theorie ist also nicht ein einfaches und schnelles Maß für den „wahren" Wert der Wechselkurse. Trotz dieser Einschränkung ist der Begriff „Kaufkraftparität" noch fruchtbar genug; denn er gibt uns Aufschluß über die „relativen Veränderungen i n der Kaufkraft des Geldes i n (z. B.) England und den Vereinigten Staaten oder Deutschland zwischen 1913 und, sagen wir, 1923" 135 . Das wesentlichste Moment der Theorie der Kaufkraftparität, sobald man die Wechselkurse dadurch erklären w i l l , scheint für Keynes darin gelegen zu haben, „daß sie die innere Kaufkraft als auf die Dauer zuverlässigeres Symptom für den Wert einer Währung ansieht als die Wechselkursnotierungen, w e i l die innere Kaufkraft schnell die Geldpolitik des Landes widerspiegelt, welche die letzte Besti&mungsursache i s t " 1 3 6 . T r i t t also keine dauernde Veränderung i n den grundlegenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen zwei Ländern ein und hat die innere Kaufkraft der Währung i n jedem Lande, entsprechend der Währungspolitik der Behörden, den Gleichgewichtspunkt erreicht, so w i r d „der Wechselkurs zwischen den Währungen der beiden Länder auf die Dauer 131 132 133 134 135 136

S. 96. Vgl. hierzu auch Forstmann, S. 248, F. 168. S. 100. S. 92; vgl. auch Forstmann, S. 252, F. 179. S. 98. S. 99.

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gleichfalls auf dem Punkt verbleiben, der der vergleichsweisen inneren Kaufkraft der beiden Länder entspricht" 1 3 7 , d. h. u m i h n werden die kurzfristigen Bewegungen der Wechselkurse pendeln. Keynes hat später 1 3 8 seine positiven Aussagen zur Theorie der Kaufkraftparitäten noch weiter eingeschränkt. Er ist nunmehr von zwei alternativen Bedingungen ausgegangen, einmal davon, daß das Investieren größer sei als das Sparen, und zum zweiten von dem umgekehrten Fall. Der erste Fall steht i n roher Analogie zu dem, i n welchem die Liquiditätspräferenz-Rate des Zinses niedriger ist, als es zum Ausgleich zwischen Kapitalausgaben und Sparen nötig ist. Kapitalausgaben werden dadurch angeregt, das Sparen w i r d eingeschränkt. Die Allgemeine Theorie hat ihre Aufmerksamkeit auf den anderen Fall gerichtet. Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen den beiden Arbeiten. I n dem Werk „ V o m Gelde" erhalten w i r unstabile Verhältnisse auf beiden Seiten, nämlich einerseits progressive Ausdehnung und andererseits progressives Einschrumpfen. I n der Allgemeinen Theorie dagegen rechnet Keynes m i t der Möglichkeit eines stabilen Gleichgewichts auf einer niedrigeren Basis, wenn nämlich die Liquiditätspräferenz-Rate des Zinses unter dem liegt, was zur Sicherung der VollbeschäftigungsKapitalausgaben erforderlich ist13®. Z u dieser letzteren Annahme muß man offenbar von der Vorstellung ausgehen, daß der normale Investitions -bzw. der normale Sparzins auf einer Bandbreite pendelt, die für verschiedene Ausgleiche einen gewissen Spielraum läßt. I n „Vom Gelde" 1 4 0 meint Keynes, daß „die Nichtberücksichtigung der Wirkungen von Veränderungen der Austauschbedingungen... vielleicht der unbefriedigendste Zug von Prof. Cassels Theorie der Kaufkraftparitäten des intervalutarischen Kurses", sei, denn diese Nichtberücksichtigung beeinträchtige „nicht nur die Gültigkeit seiner Behauptungen für die lange Sicht, sondern macht sie vielleicht noch trügerischer für die kurze Sicht, wenn diese durch eine Veränderung der Anziehungskraft der Auslandsausleihungen gekennzeichnet ist". Auch Cassel hatte übrigens die Kaufkraftparitätstheorie als nicht für die kurze Sicht bestimmt angesehen. Was den tatsächlichen Gehalt der Ausführungen Keynes' angeht, so hat er nichts Neues gebracht. Auch Cassel hat mehrfach auf die notwendigen Abweichungen der Wechselkurse von der Kaufkraftparität durch andere als geldliche Einflüsse, durch politische und ökonomische Umwälzungen, hingewiesen. Dadurch, daß Keynes die Gültigkeit der Theo137

S. 99. Vgl. A Treatise on Money, 1930; deutsche Übers, v. Carl u. Louise K r ä m e r : V o m Gelde, München u. Leipzig 1932. 139 Vgl. Harrod, I I , S. 90 ff. 140 S. 272; vgl. auch Forstmann, S. 250, F. 174. 188

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rie bei Berücksichtigung nur der geldlichen Einflüsse auf den Zeitpunkt beschränkt hat, i n dem die Kaufkraft der Währungen, entsprechend der Währungspolitik der Behörden, den Gleichgewichtspunkt erreicht hat, hat er unnötigerweise den wahren quantitätstheoretischen Charakter der Theorie verschleiert und sie, die geradezu nach dynamischer Betrachtung verlangt, zu rein statischer Gültigkeit degradiert. Die A n erkennung, die Keynes m i t diesen seinen Ausführungen bei vielen Schriftstellern 1 4 1 gefunden hat, ist daher nicht recht verständlich. Da die quantitätstheoretische Betrachtungsweise die Veränderungen der Kaufkraft lediglich durch Änderungen des Verhältnisses der Geldseite zur Güter-(Leistungs-)seite betrachtet, scheiden derartige Einwendungen, die gegen eine praktische Anwendung der Theorie der Kaufkraftparität für die Wechselkursbestimmung sprechen, von vornherein aus. 4. Einen viel berechtigteren und tiefergehenden Einwand gegen die Theorie, so wie sie Cassel vertreten hat, macht Haenel 1* 2. Er wendet sich gegen die Ansicht, daß der Kurs unmittelbar auf die Menge von Gütern zurückzuführen sei, die man für einen Wechsel über Papiergeld erhalten könne. Der Zusammenhang zwischen Wechselkurs und Preisniveau könne überhaupt kein unmittelbar quantitativer, geschweige denn ein exakter sein, denn zeitweilig gestalte sich der Wechselkurs ganz unabhängig von der Zunahme der Geldentwertung i m Inlande. Die Abweichungen sind, wie Haenel feststellt, nicht allein durch Handelserscheinungen verursacht. Tatsächlich konnte sich z. B. die deutsche Valuta während der relativ wirksamen Absperrung durch Verhinderung des Exports i n und kurz nach dem ersten Weltkriege auch heben. Wären aber nur quantitative Einflüsse maßgebend, dann müßte die Valuta entsprechend der Geldentwertung i m Inlande stehen. Es sei das Moment des Vertrauens, welches bewirke, daß der Zusammenhang kein linearer sei, sondern daß sich die Inflation „ i n einer steten Brechung nach unten" fortpflanze. Da die Wechsel zwar Zahlungsmittel für gekaufte Waren seien, aber vor ihrem Fälligkeitstermin von den Banken diskontiert würden, so erkläre sich die während einer Inflation allgemein festzustellende Valutaspannung als Risikoprämie für die Zeit der Diskontierung bis zum Fälligwerden des Wechsels. Dieses von Haenel angeführte Moment ist wohl i n der Tat ein prinzipieller, berechtigter Einwand gegen die mechanische Theorie der Kaufkraftparität, ein Einwand, der der Berücksichtigung des Mißtrauens bei der Quantitätstheorie entspricht.

141 142

Vgl. z. B. Salin, S. 103 ff., sowie Steinberg, S. 517 ff. S. 176 ff.

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5. P a l y i 1 4 3 hat die Wechselkurstheorie insbesondere i m Hinblick auf Ursache und Wirkung von Geldmengen- bzw. Preisveränderungen durchleuchtet und eine ziemlich skeptische Haltung eingenommen. Daß die sogenannte „Deflation" z. B. i n England seit 1920 i n Wirklichkeit keine Deflation war, daß vielmehr die Geldmengenrestringierung dem Preissturz folgte, statt i h m voranzugehen, hätten Rist u. a. zur Genüge dargetan. Withers habe es überzeugend dargelegt, daß die Krise von 1920/21 keineswegs durch die Anziehung der Diskontschraube des Federal Reserve Board hervorgerufen wurde, wie es selbst Hawtrey, freilich ohne den geringsten Beweis zu erbringen, behauptet habe, daß sie ihren Anfang vielmehr i n der Absatzkrise i n Ostasien genommen habe; die Kreditbanken und nach diesen die Zentralbank seien m i t ihren Zinssätzen einfach den Schwankungen der Marktlage auf dem Kapitalmarkt gefolgt, ohne irgendwelche planmäßige Politik zu treiben (Bankers and Credit, London 1924, S. 147 ff.). Daß die mächtigste aller Zentralbanken, die amerikanische, i n der Regel gar nicht ohne weiteres die Macht besitzt, „deflationistisch" zu wirken, daß sie vielmehr bestrebt ist, meist nur zu „konstatieren" und allenfalls bereits vorhandene Entwicklungstendenzen des Kreditmarktes zu verschärfen und zu beschleunigen, habe wieder einmal, an Hand der Erfahrungen des Winters 1924/25, T. E. G. Gregory (The present Position of Banking i n America, New York und London 1925) dargetan. Und auch das Wiederaufleben der Konjunktur, das „revival" seit 1921, das durch das Festhalten des Reserve Board an einem Zinssatz auf marktmäßiger Höhe und nicht darüber, wie es der Notenbanktradition entsprechen würde (keineswegs aber darunter!), zwar gefördert wurde, sei letzten Endes zweifellos durch den 1921/23 erfolgenden Ausverkauf der Vorräte zu herabgesetzten Preisen und ähnlich wie i n dem zeitweiligen Aufschwung nach der Krise i n den Jahren 1895 und 1909 durch das Wiederauftreten der während des Gipfelabschnitts der vorangehenden K o n j u n k t u r aufgeschobenen Nachfrage nach Kapitalgütern bedingt gewesen (vgl. B. M. Anderson i m „Chase Economic Bulletin", 3. Bd., Nr. 1, 1923). Palyi wollte m i t diesen Hinweisen die Bedeutung der Diskontpolitik keineswegs leugnen. Er bezweifelte nur, ob ihr tatsächlich dasjenige Maß an ursprünglicher Bedeutung, an Souveränität zukommt, das ihr z. B. ein so anerkennenswerter Wissenschaftler wie Hawtrey zugeschrieben hat. Sieht Palyi so bereits die Grundlage der Kaufkraftparitätstheorie erschüttert, so führt er auch Bedenken gegen dieses Gesetz selbst 144 an. Zwar werde von keiner wissenschaftlichen Seite bestritten, daß es eine 143 144

S. 496 f. Ebd., S. 505 ff.

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Tendenz zur Bestimmung der Wechselkurse durch die Preisniveauunterschiede gibt; aber es sei auf die Schwierigkeiten des Preisniveaubegriffes hinzuweisen, der außerdem zwischen zwei Ländern recht lange Zeit hindurch (auch bei sogenannt freiem Güteraustausch) i n beträchtlicher Spannung verharren könne, ohne daß dadurch nennenswerte Wechselkursänderungen erfolgen. Es frage sich also, ob die Wechselkurse wirklich nichts als der Ausdruck der Preisunterschiede sind. Taussig habe ja der Theorie die Ergänzung gegeben, der sie i n dieser Hinsicht bedarf, daß man nämlich zwischen Binnenpreisen, Export- und Importpreisen („sectional price levels" von Cairnes) unterscheiden muß, und daß zunächst jeweils nur derjenige Ausdruck des allgemeinen Preisniveaus als internationales Vergleichsobjekt i n Betracht komme, der die vom Außenverkehr abhängigen Preise der Export- und Importwaren („Weltmarktpreise") erfaßt und die Binnenpreise, die teils überhaupt nicht, teils nur i n weiter Ferne den internationalen Preisschwankungen folgen, außer Betracht läßt. Also sei der Begriff der „Kaufkraftparität" streng genommen nur für Weltmarktartikel anwendbar, was allen Versuchen, die Wechselkursparität an Hand von Indexzahlen des allgemeinen Preisniveaus oder auch der Lebenshaltungskosten „auszurechnen", den Stempel des Dilettantischen aufdrücke. Der klassischen Theorie selbst tue dies jedoch keinen Abbruch, wenn man sich nämlich der Formulierung von Pigou anschließe: nach i h m haben w i r es m i t der Frage des Gleichgewichts i m internationalen Austauschverkehr zu tun, und dieses „exchange equilibrium" sei der Zustand, bei dem „man nichts gewinnt, wenn man irgendeine Ware, die man auf dem einen Markt hätte verkaufen können, auf den anderen bringt, oder umgekehrt". Es komme also nicht auf den effektiven Güteraustausch an, wie es bei Cassel den Anschein habe, sondern auf die Preisspannungen der Güter, die für einen solchen Austausch virtuell i n Betracht kommen. Palyi weist auch auf den Norweger W. Keilhau (The valuation theory of exchange i m „Economic Journal" 1925, S. 221 ff.) hin. Dieser habe der Casselschen Lehre entgegengehalten, daß die Nachfrage nach fremden Valuten namentlich von drei Gruppen ausgehe, die mehr oder weniger unabhängig von irgendeiner Kaufkraftparität sind und z. T. unbedingte Befriedigung verlangen. Das seien einmal diejenigen I m porteure, die bereits gekauft haben und bezahlen müssen; dann Schuldner, die z. B. Zinsen auf auswärtige Anleihen zu leisten haben; schließlich Kreditgeber, die ihr Kapital i m Ausland anlegen. Für alle drei Gruppen sei die Kaufkraft des ausländischen Geldes dortigen Gütern gegenüber völlig irrelevant, und es komme ihnen nur auf die Profite i m fremden Lande, auf die dort zu zahlenden Steuern, die Risikobelastung usw. an. Keilhau gebe die Bedeutung des Kaufkraftgesichts-

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punktes insbesondere für inflationierte Währungen zu, betone aber i m übrigen die Abhängigkeit der Wechselkurse von den verschiedenen Faktoren der Zahlungsbilanz. Wenn demgegenüber die konsequent quantitätstheoretische Richtung behaupte, daß Veränderungen der Zahlungsbilanz nur vorübergehender Natur sein können, w e i l sie sich notwendig automatisch ausgleichen, so daß dauernde Wechselkursverschiebungen eben nur durch die relativen Geldmengenunterschiede der betreffenden Länder zu erklären seien, so stehe sie i n Widerspruch zu der Tatsachenerkenntnis der einschlägigen Forschung. Palyi unterstreicht die „überwiegende" Ansicht der Theorie, daß die Wechselkurse von einer Reihe von Faktoren bestimmt werden, von denen das durch die relativen Geldmengen bestimmte wechselseitige Verhältnis der beiderseitigen Kaufkraft der fraglichen Geldarten (jeweils i n ihrem eigenen Lande) nur einen, allerdings besonders wichtigen Faktor darstellt. Die Ricardosche Lehre werde dementsprechend von v. Wieser, R. A. Lehfeldt, T. H. Boggs, Seligman abgelehnt. Zweifellos seien „psychologische" Faktoren an dem Zustandekommen des Wechselkurses beteiligt, die erst als Bestimmungsgründe wichtiger Zahlungsbilanzposten und nicht als solche selbst i n Erscheinung 1 treten. Unentschieden bleibe die Frage, was letzten Endes für die Erwägungen der Spekulanten maßgebend sein mag; da diese doch kurz- oder langfristige Kapitalwanderungen bewirkten, so frage es sich auch, ob und i n welchem Maße Preisniveauänderungen und Zinsfußbewegungen jeweils parallel laufen, — eine Frage, die man i n der quantitätstheoretischen Literatur unbedenklich und restlos bejahend zu beantworten pflege. Das Preisniveau sei weniger ausschlaggebend für die Wechselkurse, als diese es sind für jenes. Walré de Bordes habe das Ergebnis seiner Untersuchungen für die österreichische Entwicklung 1922 dahin zusammengefaßt, daß „ i t was not the price level which determined the rate of exchange, but the rate of exchange which determined the price level". Wenn aber der Devisenkurs die Preise bestimme statt umgekehrt, so sei ein Stützpfeiler der Quantitätstheorie gefallen. Dies gelte allerdings nicht für die formale Grundgleichung: i m Sinne derselben trete der Ausgleich dadurch ein, daß sich die Geldmenge nachträglich vermehrt, oder daß ihre Zirkulationsgeschwindigkeit steigt. Es fragt sich aber wohl, ob Palyi und die Theoretiker, auf die er sich beruft, nicht doch mindestens die einhaltgebietende Wirkung kreditpolitischer Maßnahmen unterschätzen. Aftalion (Les expériences monétaires récentes et la théorie quantitative i n der Revue d'Econ. politique, 1925, S. 682) gehe sogar so weit — und hier folgt i h m Palyi offensichtlich nicht—,aus einer Analyse der europäischen, vor allem der französischen Entwicklung seit 1922 den Schluß zu ziehen: daß sich erst immer die Devisenkurse dann erst die

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Preise, an dritter Stelle die Zirkulationsgeschwindigkeit und zuletzt die Menge des Geldes ändern, wobei er allerdings bloß Tatsachen konstatiert, ohne die Frage, wieweit die „Vorwegnahme" kommender Entwicklung m i t w i r k t , zu untersuchen. Die „einfache" Anwendung der Theorie hat Palyi jedenfalls abgelehnt und sich dafür auf Yves Guyot, Aftalion, Nogaro, Rist u. a. berufen. Es sei unentschieden geblieben, ob die Wechselkurse überhaupt der Geldmengenänderung folgen, ob sie nicht vielmehr einer anderen Kategorie von Preisbestimmungsgründen zuzuordnen seien, die alle Preisbestimmungsgründe auf dem Devisenmarkt umfaßt. 6. Haberler 145 hat hervorgehoben, Cassel habe selbst zugegeben, daß der Wechselkurs außer von der Kaufkraftparität auch noch von der wechselseitigen Nachfrage der verschiedenen Länder nach ihren Produkten abhänge. Er habe seine Theorie jedoch unter der Voraussetzung ceteris paribus, d. h. gleichbleibender wechselseitiger Nachfrage, aufgestellt. Die Geltung der Theorie werde dadurch auf jene Fälle eingeschränkt, i n denen die Verschiebung von der Geldseite ausgeht. Durch diese Einschränkung werde die Theorie stark entwertet, obwohl man zugeben müsse, daß i n Inflationszeiten — an die Cassel eben i n erster Linie gedacht habe — der Einfluß der Geldvermehrung den Einfluß, der von einer Verschiebung der wechselseitigen Nachfrage ausgeht, vollständig überschattet. Angell (International Prices, S. 379) habe i n neuerer Zeit die Behauptung aufgestellt, daß i n Wirklichkeit dauernd größere Preisdifferenzen vorkommen als durch die Transportkosten erklärt werden können. Als Grund führe er unter Berufung auf Schüller an: 1) Mangel an Informationen, 2) Mangel an Initiative und Unternehmungsgeist bei den Fabrikanten und Händlern und 3) die Tatsache, daß der Verkauf auf einem neuen Markt die Errichtung einer Absatzorganisation erfordert, die viel Geld kostet. Dieser letzte Grund sei allerdings kein Einwand gegen die Theorie, da die m i t dem Verkauf verbundenen Generalunkosten unter die Transportkosten i m weitesten Sinne aufgenommen werden können. 1 4 6 Die anderen beiden Umstände mögen ja mitspielen, aber eine dauernde Preisdiskrepanz könnten sie kaum erklären. Wie lange es dauert, bis eine ungerechtfertigte Preisdifferenz verschwindet, sei allerdings eine andere Frage. Der Grundgedanke der Kaufkraftparitätstheorie, daß ein enger Zusammenhang zwischen den Preissystemen zweier Volkswirtschaften (zum Unterschied von den Preisniveaus) bestehe, sei unbedingt richtig. Diese Einsicht mache die Kaufkraftparitätstheorie der Zahlungsbilanztheorie turmhoch überlegen. Der Zusammenhang zwischen den Preissystemen sei jedoch nicht so einfach, daß 145 146

S. 31 f. S. oben S. 264.

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er ohne weiteres als Gleichheit der Preisniveaus richtig charakterisiert werden könnte, sondern er sei viel komplizierterer Natur. Von der Kaufkraftparitätstheorie i n ihrer strengen Form bleiben i m merhin noch zwei sehr wichtige Erkenntnisse vollständig unversehrt, wobei allerdings dahingestellt sei, ob sie noch die Bezeichnung „Kaufkraftparitätstheorie" verdienten. Diese Erkenntnisse seien a) Monetäre Einflüsse, das ist Geldvermehrung (Inflation) auf der einen Seite und Verminderung der Geldmenge (Deflation oder Restriktion) auf der anderen Seite, dürften den Faktor k 1 4 7 nicht beeinflussen. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit, daß durch eine Inflation das Verhältnis der Nachfrage nach internationalen und Binnenhandelsgütern nicht verschoben wird, obwohl es gelegentlich vorkommen kann. Anders ausgedrückt: bei konstanten Konsumgewohnheiten und konstanter Technik bringe eine Geldvermehrung ein ungefähr gleichmäßiges Steigen des Preisniveaus internationaler und nationaler Güter mit sich. b) Die zweite Erkenntnis, die zurückbleibt, die eigentlich nur eine praktische Anwendung von a) darstellt, bestehe darin, daß es jederzeit möglich ist, durch Regulierung der Geldmenge den Wechselkurs zu stabilisieren und Einflüsse zu kompensieren, die von Verschiebungen der wechselseitigen Nachfrage ausgehen und i h n vom gewünschten Niveau abzudrängen tendieren. Haberler 1 4 8 betont, man dürfe aber nicht sagen, wie es die Kaufkraftparitätstheoretiker gern tun, daß das Steigen der Preise das Primäre sei, während das Steigen der Wechselkurse erst die Folge davon sei. Beide Erscheinungen stehen i n funktionellem Zusammenhang und seien die Folge einer gemeinsamen Ursache: der Geldvermehrung, die ihrerseits wieder die Folge des ungedeckten Defizits i m Staatshaushalte ist. Soweit hier von „Geldvermehrung" gesprochen wird, ist wohl auch eine eventuelle „Güterverknappung" gemeint. Für die Auslösung der Mechanismen kommt es auf die Entstehung eines Ungleichgewichts zwischen Geld und Gütern an. 7. Forstmann 149 hat gegen die Theorie der Kaufkraftparität eingewandt, daß der Kaufmann, der ausländische Zahlungsmittel zum Kauf ausländischer Güter benötigt, nur an dem besonderen Preise dieser Güter interessiert ist, nicht aber an dem allgemeinen Preisniveau. Die Frage von Auslandsinvestitionen ebenso wie der Kauf ausländischer Wertpapiere aber werde von der Kaufkraftparitätstheorie überhaupt nicht berücksichtigt. Auch die Frage der Abstattung ausländischer Verpflichtungen durch Inländer beachte die Kaufkraftparitätstheorie nicht. 147 148 149

S. oben S. 266 f. S. 53. S. 248 ff.

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Das sei allerdings auch nicht möglich, da es sich hier u m eine absolut unelastische Nachfrage handele, die naturgemäß unabhängig sei von einer jeden Preisgestaltung und damit auch unabhängig von der Höhe des intervalutarischen Kurses der Währung. Die Kaufkraftparitätstheorie stütze sich — ebenso wie die Nivellierungstheorie — auf eine allgemeine (und zwar ohne zeitliche Verzögerungen wirksame) Interdependenz der Preise. Die Frage der Gültigkeit der Kaufkraftparitätstheorie setze also die Prüfung der Gültigkeit dieser Voraussetzungen voraus, d. h. es müsse untersucht werden, ob bzw. inwieweit sich das allgemeine Preisniveau proportional m i t den Preisen der international bewegten Güter verändert, und wie die Preise der einzelnen Güter sich hierbei zueinander verhalten. Ferner müsse geprüft werden, ob die außenwirtschaftlichen Kapitalbewegungen ebenso wie die außenwirtschaftlichen Zinszahlungen, die von der Kaufkraftparitätstheorie unmittelbar nicht umfaßt werden, mittelbar i n ihrem Einfluß auf die Gestaltung des intervalutarischen Kurses der Währung erklärt werden, oder aber ob sie sich i n ihrem Rahmen überhaupt erfassen lassen. Die Anwendung des Gesetzes der Interdependenz der Preise erfordere einen möglichst umfangreichen, möglichst intensiven außenwirtschaftlichen Güteraustausch. Je stärker dieser sei und je mehr und je schneller die Kosten der inländischen Erzeugung — unmittelbar oder mittelbar — durch die Kosten der außenwirtschaftlich bewegten Güter bestimmt werden, u m so mehr werde sich die Kaufkraftparitätstheorie einer allgemeinen d. h. einer dynamischen Theorie annähern. Die Preise der außenwirtschaftlich bewegten Güter entsprechen sich nur relativ. Auch diese relativen Entsprechungen gelten nicht allgemein. Sie gelten nur für den Gleichgewichtszustand, nicht aber auch für die Vorgänge des dynamischen Ablaufes, also insbesondere i m Übergangszustand von einer Gleichgewichtslage zu einer neuen. Denn für A r t und Umfang der Angleichung und namentlich für die Zeit, innerhalb derer sich ein solcher Ausgleich vollzieht, sei der Einfluß der relativen Reaktionsgeschwindigkeiten von wesentlicher Bedeutung. Die Kaufkraftparitätstheorie ist daher nach Ansicht Forstmanns nur anwendbar für einen Vergleich zweier Gleichgewichtslagen, i n denen keine Übergangserscheinungen mehr wirksam sind. Die Einwände, die gegen die Kaufkraftparitätstheorie erhoben werden, seien durchaus zutreffend, soweit sie sich gegen einen erklärenden Wert der Kaufkraftparitätstheorie i m kurzfristigen wirtschaftlichen Ablaufe wenden und insbesondere darauf hinweisen, daß sich kurzfristige Veränderungen des intervalutarischen Kurses der Währung auch abweichend von der Kaufkraftparitätstheorie vollziehen. Es sei nicht min-

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der richtig, wenn man sich gegen die Unvollständigkeit dieses Theorems insofern wendet, als es keine wirkliche „dynamische" und damit allein allgemeine Theorie ist. Allerdings beweise das nichts gegen den erklärenden Wert dieses Theorems i m langfristigen wirtschaftlichen Ablauf. Außenwirtschaftliche Kapitalbewegungen 1 5 0 werden immer dann einen Einfluß auf die Gestaltung des intervalutarischen Kurses der Währung des Kapital gebenden Landes ausüben, wenn sich die geldseitigen und die güterwirtschaftlichen Vorgänge asynchron vollziehen. Dabei werde es für die A r t der Wirkungen auf den intervalutarischen Kurs (wie auch auf die innerwirtschaftliche Entwicklung des Kapital gebenden Landes) wesentlich sein, ob die geldseitigen Vorgänge den güterwirtschaftlichen vor- oder nacheilen. Ein deflatorischer Druck — ebenso wie ein Druck auf den intervalutarischen Kurs — sei nur dann möglich, wenn ein Asynchronismus im Sinne eines Nachhinkens der güterwirtschaftlichen hinter den gleichzeitigen Vorgängen vorliegt (vgl. W. Eucken, Das Übertragungsproblem, JbfNuST., I I I . Folge, Bd. 68, 1925, S. 154), nicht aber auch dann, wenn ein Asynchronismus i m umgekehrten Sinne besteht. Ein Ungleichgewicht zwischen der monetären und der güterwirtschaftlichen Seite unelastischer einseitiger Wertübertragungen (endogen: Zins- und Amortisationsleistungen) entstehe dann, wenn das Ausland nicht genügend inländische Güter nachfragt, u m die zu leistenden und unelastischen Zahlungen güterwirtschaftlich fundieren zu können. U m die Zahlungen leisten zu können, werde das zahlungspflichtige Land genötigt, i n Höhe des nicht durch Güter gedeckten Teiles der Zahlungen Devisen nachzufragen, und zwar i m wesentlichen Devisen, die auf die Währung des empfangsberechtigten Landes lauten. Das habe zur Folge, daß auf den intervalutarischen Kurs der Währung des zahlungspflichtigen Landes ein Druck ausgeübt wird, der ein tendenzielles Sinken des Kurses impliziert. Eine Senkung des intervalutarischen Kurses verschiebe aber die Trennungslinie innerhalb der Ungleichungskette der vergleichsweisen Preise i n Richtung auf eine Erweiterung des Kreises der Ausfuhr- und einer Verengung des Kreises der Einfuhrgüter. 8. Kruse 151 hat argumentiert, die Kaufkraftparitätentheorie könne keinen Anspruch auf absolute Gültigkeit erheben, da die Flexibilität der Preise und die Mobilität der Waren, Leistungen und Produktionselemente beschränkt sind. Vielmehr müsse es i n Wirklichkeit zu vorübergehenden und strukturellen Abweichungen von der Kaufkraftparität kommen. 150 151

Ebd., S. 269 ff. S. 258 ff.

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V o r ü b e r g e h e n d e A b w e i c h u n g e n k ö n n e n entstehen, w e i l d i e M o b i l i t ä t d e r Preise n i c h t v o l l k o m m e n u n d d a r u m d i e Tendenz z u m A u s g l e i c h d e r e i n z e l n e n Preise u n d auch der Preisspiegel i n t e r n a t i o n a l a u ß e r o r d e n t l i c h b e s c h r ä n k t ist. D i e A n p a s s u n g s b e w e g u n g e n i n n e r h a l b d e r L e i s t u n g s b i l a n z e r f o r d e r n Z e i t . D e r A u ß e n h a n d e l w e r d e sich erst nach e i n e r gewissen A n l a u f z e i t d e n v e r ä n d e r t e n B e d i n g u n g e n (günstigere B e z u g s m ö g l i c h k e i t e n i n f o l g e g e s u n k e n e r Wechselkurse; verschlechterte B e z u g s m ö g l i c h k e i t e n i n f o l g e gestiegener Wechselkurse) anpassen k ö n nen. D e r A u ß e n h ä n d l e r w e r d e n i c h t sofort d i e n e u e n C h a n c e n e r k e n n e n , w e i l d i e M a r k t v e r h ä l t n i s s e t e i l w e i s e u n d u r c h s i c h t i g sind, oder w e i l die nötige Initiative z u m Handeln fehlt. Kurzfristige Abweichungen v o n d e r K a u f k r a f t p a r i t ä t k ö n n e n sich d a n n 1. b e i G e w ä h r u n g v o n i n t e r n a t i o n a l e n K r e d i t e n , 2. b e i v o r ü b e r g e h e n d e m Nachfragewechsel u n d A n g e b o t s ä n d e r u n g e n , 3. b e i V e r ä n d e r u n g e n i n d e r Größe des E i n k o m mens, w i e auch 4. b e i G e l d m e n g e n ä n d e r u n g e n ergeben. „1. Wenn Kredite gewährt oder andere einseitige Wertübertragungen von einem L a n d an ein anderes L a n d vorgenommen werden, w i r d der Wechselkurs sich verändern. Damit muß automatisch das kreditgebende L a n d wegen des Sinkens des Wertes seiner Währung zu einem billigen L a n d werden; der Wechselkurs ist nicht mehr Ausdruck der Kaufkraftparität. Erst w e n n diese Kreditbewegung beendet u n d die Realübertragung durch Waren u n d Leistungen erfolgt ist, k a n n sich der Wechselkurs wieder auf die alte Höhe zurückbewegen u n d die K a u f k r a f t p a r i t ä t der Währungen wiederherstellen. Da die Bewegungen i m Rahmen der Kapitalverkehrsbilanz auch von E r wartungen bevorstehender Veränderungen i n der K a u f k r a f t p a r i t ä t mitgestaltet werden, beeinflussen gerade auch Optimismus u n d Pessimismus Ausmaß u n d Dauer der Abweichung des Wechselkurses von der Kaufkraftparität. 2. Eine vorübergehende Veränderung der Nachfrage nach Auslandsgütern oder auch eine vorübergehende Veränderung i m Exportgüterangebot (z. B. veränderter Ernteanfall) rufen eine Änderung des Wechselkurses hervor. Die einsetzende Umgestaltung der Ausfuhr u n d der internationalen Dienstleistungen (nach Menge u n d A r t ) bedarf einer gewissen Zeit. 3. Bisweilen sind Veränderungen i m Gesamteinkommen u n d i n der Gesamtnachfrage von v i e l größerem Einfluß auf den Wechselkurs als Preisänderungen. I m K o n j u n k t u r verlauf k o m m t es selbst bei nahezu unveränderten Preisen zu großen Schwankungen i m Umfange u n d damit i m Werte des Außenhandels. Dann müssen die Abweichungen von der K a u f k r a f t p a r i t ä t besonders groß werden. 4. Bei monetären Änderungen, bei Inflation oder Deflation, werden sich der K u r s der ausländischen Währung u n d das inländische Preisniveau i n der gleichen Richtung verändern. Doch geht dieser Prozeß nicht i n der Weise gleichmäßig vor sich, daß die K a u f k r a f t p a r i t ä t i n jedem Augenblick unverändert bleibt. Bei der ungleichmäßigen, w e n n auch gleichgerichteten Bewegung von Preisniveau u n d Wechselkurs verschiebt sich auch das Preisgefüge. Der Wechselkurs weicht daher während des Anpassungsprozesses nicht n u r von der K a u f k r a f t p a r i t ä t ab, auch das Ausmaß der Abweichung unterliegt verschiedenartig verursachten Schwankungen." A u ß e r d e n v o r ü b e r g e h e n d e n A b w e i c h u n g e n gebe es aber auch s t r u k t u r e l l e A b w e i c h u n g e n v o n d e r K a u f k r a f t p a r i t ä t , so daß es n i c h t n u r

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kurzfristig, sondern auch dauernd i n der Weltwirtschaft ein Nebeneinander von billigen und teueren Ländern gibt, und zwar selbst dann, wenn der Kurs völlig frei schwanken kann und nicht durch Staat, Notenbank oder Währungsfonds beeinflußt wird. Solche dauerhaften Abweichungen von der Kaufkraftparität i m Währungssystem mit freischwankenden Wechselkursen seien die Folge 1. der beschränkten Mobilität der Waren, Leistungen und Produktionselemente und 2. der verschiedenen Lebensgewohnheiten i n den einzelnen Ländern. „1. F ü r den internationalen Wirtschaftsverkehr u n d d a m i t auch f ü r den internationalen Preisausgleich kommen die einzelnen Waren u n d Leistungen i n sehr unterschiedlichem Grade i n Betracht. Bei Gütern m i t geringem spezifischem Wert spielen die Transportkosten eine große Rolle. Sie hindern den Preisausgleich, u n d entsprechend müssen internationale Preisdifferenzen bestehen bleiben. Bei anderen Waren wiederum verhindern außerdem Zölle u n d andere Handelshemmnisse den internationalen Preisausgleich. Denn solange bei einer Ware die Transferkosten (Transportkosten, Zölle usw.) größer sind als die Preisdifferenzen zwischen zwei Ländern, w i r d ein Export oder I m p o r t nicht stattfinden. Änderungen der Preise solcher „nationaler" Waren haben keinen Einfluß auf den Außenhandel u n d damit auf den Wechselkurs. A u f die K a u f k r a f t des Geldes haben jedoch Preise sowohl von internationalen w i e von nationalen Gütern u n d Leistungen einen Einfluß. Z u nationalen Gütern gehören ferner auch Waren, die einem E i n - oder Ausfuhrverbot unterliegen, sowie vor allem gewisse Dienstleistungen (z. B. Wohnungsnutzung, ärztliche Behandlung, Friseurleistungen). A l l e diese Waren u n d Leistungen gehen aber i n den nationalen Preisindex ein, an dem die Binnenkaufkraft des Geldes gemessen w i r d . Es w i r d sich demnach, selbst w e n n der Begriff „ K a u f k r a f t des Geldes" i n den einzelnen Volkswirtschaften i n gleicher Weise definiert ist (gleiche Zusammensetzung der nationalen Preisindices bei gleicher Gewichtung), eine dauernde Abweichung des Wechselkurses von der K a u f k r a f t parität ergeben. 2. Da die Lebensgewohnheiten national verschieden sind, w i r d üblicherweise die K a u f k r a f t des Geldes i n jedem Lande m i t einem anderen Index gemessen. Die Bedeutung des Preises von Weizen u n d Reis w i r d f ü r ein europäisches L a n d anders sein als f ü r ein ostasiatisches, der Mietpreis w i r d i m Index eines Landes i n der gemäßigten Zone anders gewichtet werden als i m Index eines subtropischen oder tropischen Landes. Auch hieraus ergeben sich dann n o t wendigerweise Abweichungen von einer so verstandenen Kaufkraftparität. Auch die strukturellen Abweichungen des Wechselkurses von der K a u f kraftparität weisen überdies keineswegs eine Konstanz auf. Insoweit sich die M o b i l i t ä t der Güter u n d Leistungen international verändert, die Bedarfss t r u k t u r einem Wandel unterliegt oder auch die internationale M o b i l i t ä t der Produktionsfaktoren A r b e i t u n d K a p i t a l sich ändert, werden auch die A b w e i chungen der Kaufkraftparitäten v o m Wechselkurs einen anderen Grad erlangen. Eine Senkung der Transportkosten w i r d beispielsweise den internationalen Handel vergrößern, das Verhältnis der nationalen Güter zu i n t e r nationalen Gütern zugunsten der letzten verändern u n d so i n größerem Maße zu einem Ausgleich der Preisspiegel beitragen. Die Abweichung von der K a u f kraftparität muß dann geringer werden. Eine Zunahme protektionistischer Maßnahmen würde entgegengesetzt wirken.

302

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Verändert sich die Nachfragestruktur innerhalb der Länder, so hat das einen doppelten Einfluß auf das Maß der Abweichung des Wechselkurses von der Kaufkraftparität. E i n m a l w i r d eine Änderung der Nachfrage nach bisher wenig oder gar nicht importierten Auslandsgütern eine Änderung des V e r hältnisses von Inlandsgütern zu Auslandsgütern zur Folge haben u n d die Abweichung beeinflussen. Zweitens k a n n eine veränderte Nachfragestruktur die Relation von Inlandsgütern zu Auslandsgütern so verändern, daß die nationalen Indices, welche die K a u f k r a f t des Geldes messen, größere oder kleinere Unterschiede aufweisen als vorher u n d sich daraus eine Änderung i n der Abweichung des flexiblen Wechselkurses von der K a u f k r a f t p a r i t ä t ergibt."

Schließlich habe auch eine Änderung i m Grad der internationalen Mobilität der Produktionsfaktoren einen Einfluß auf die Abweichung des Wechselkurses von der Kaufkraftparität. Eine größere Beweglichkeit von Arbeit und Kapital führe international tendenziell zu einem Angleichen der Löhne und Zinsen. Die Produktionskosten werden sinken und die internationalen Produktionskostenunterschiede kleiner werden. Dies führe zu einer Annäherung von Kaufkraftparität und Wechselkurs. Freilich werde damit die relative Bedeutung der Transportkosten und dadurch auch wiederum die Abweichung des Wechselkurses von der Kaufkraftparität tendenziell größer. 9. Auch Rose152 hat insbesondere darauf hingewiesen, daß die Kaufkraftparitätentheorie die Existenz von nationalen Gütern überhaupt nicht berücksichtigt: Steige das Inlandspreisniveau, weil Preise für Grundstücke, Wohnungsnutzung oder andere Dienstleistungen hinaufgetrieben werden, so werde sich der Wechselkurs sicherlich nicht anpassen. Auch i n ihrer komparativen Form gebe die Kaufkraftparitätentheorie nur eine ziemlich grobe Erklärung für Variationen des Wechselkurses. Der Wechselkurs werde nicht nur durch Preisänderungen, sondern auch durch autonome Änderungen anderer Größen, die für den Außenhandel von Bedeutung sind, beeinflußt. Dazu gibt Rose ein Beispiel. Er nimmt an, daß sich das inländische Volkseinkommen ceteris paribus vergrößert. I n diesem Falle steige neben der Nachfrage nach Inlandswaren auch die Nachfrage nach Auslandsgütern, so daß sich bei voll elastischem Importangebot der Importwert i n Auslandswährung, damit aber auch die Devisennachfrage erhöht, ohne daß die Importgüterpreise i n die Höhe getrieben werden. M i t h i n steige der Wechselkurs, ohne daß eine Veränderung des Verhältnisses zwischen Inlands- und Auslandspreisen den Anstoß gegeben hat. Umgekehrt müsse nicht jede Verschiebung der Preisrelationen den Wechselkurs beeinflussen. Werden z. B. i n der Exportgüterindustrie des Inlandes technische Fortschritte realisiert, so bleibe das Devisenangebot (Exportwert i n Auslandswäh1 2

S. 8 f.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

rung) unverändert, wenn die Elastizität der Exportnachfrage gleich 1 ist, einer Preissenkung der Exportgüter also eine prozentual gleich starke Erhöhung der exportierten Menge entspricht. Folglich bleibe auch der Wechselkurs konstant; nach der Kaufkraftparitätentheorie hätte man jedoch erwarten müssen, daß der Wechselkurs nach einer Verringerung der Exportgüterpreise ebenfalls gesunken wäre. Die Kaufkraftparitätentheorie sei also zu einseitig; der Wechselkurs werde nicht nur durch Preisvariationen, sondern auch durch die Änderung anderer ökonomischer Größen bestimmt. c) Statistik

Abschließend sei die Theorie der Kaufkraftparität noch an Hand einiger Zahlen geprüft, ohne jedoch den sicher sehr interessanten, aber wegen der Vielfältigkeit der mitwirkenden Momente äußerst schwierigen Versuch zu machen, die Abweichungen i m einzelnen zu erklären, eine Aufgabe, für die das zur Verfügung stehende statistische Material i n keiner Weise ausreichend ist. Übrigens w i r d kein statistischer Nachweis einer Parallelität allein mehr als diese zu erweisen vermögen: für die Frage, was Ursache und was Wirkung ist, können summarische Statistiken so gut wie nichts entscheiden. 153 Einen sehr rohen Versuch eines statistischen Nachweises hat Robertson 1 5 4 gemacht. Die Zahlen, die die Entwicklung des Preisstandes und der Wechselkurse für einige Länder zwischen 1913 bzw. 1914 und Mai 1920 darstellen, hat er dem Memorandum for Brüssels Conference, No I I I , S. 41 ff. und 28—29, und dem Supreme Council Bulletin of Official Statistics entnommen:

Vereinigte Staaten Frankreich Italien England Schweden Canada Japan (1914) Deutschland (1914) Niederlande (1914) Norwegen

Preisniveau

Wechselkurs

100 203 242 112,5 133 97 100 572 95 147

100 247 325 124 125 112 97 903 110 146

Die Zahlen der ersten Spalte bedeuten folgendes: Setzt man das Verhältnis des Großhandelspreisniveaus der Vereinigten Staaten vom M a i 1920 zu demjenigen von 1913 gleich 100, so beträgt das Verhältnis der 153 V g l . 154

P a l y i > s> 488>

S. 117.

304

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

französischen Großhandelspreise vom M a i 1920 zu denen von 1913 203 usw. Die Zahlen der zweiten Spalte bedeuten, daß der $ i m M a i 1920 i n frz. Frs. 247 °/o, i n italienischen L i r e 325 °/o etc. des Preises von 1913 betragen hat. Die Schwierigkeit eines einwandfreien Vergleichs liegt hauptsächlich i n der Feststellung des allgemeinen Preisniveaus. Üblicherweise liefert „die sich für eine bestimmte Periode ergebende Wertsumme der Umsätze, also der Produkte aus den umgesetzten Warenmengen und Dienstleistungen und den für die Einheit der Ware oder Dienstleistungen gezahlten Preisen den allgemeinen Preisstand" 1 5 5 . Die angewandten Verfahren sind hinsichtlich der Zahl der einbezogenen Waren und auch hinsichtlich der Methode sehr verschieden. 156 Haberler 157 hat zum Problem der Verifizierung zu bedenken gegeben, daß 1. der Großhandelsindex Preise von Rohmaterialien, halbfertigen Waren und Nahrungsmitteln umfaßt, also fast durchweg Preise internationaler Güter, deren übereinstimmende Bewegung selbstverständlich ist und keiner Nachprüfung bedarf. „2. Die große absolute Diskrepanz i n den Lebenshaltungskosten u n d Detailpreisen zwischen verschiedenen Ländern erklärt sich w o h l aus folgenden U m ständen. a) Qualitätsunterschiede spielen eine große Rolle. Daß es i n reichen Ländern i m allgemeinen teurer ist als i n armen, k o m m t zum großen T e i l daher, daß die Qualität des Gebotenen hier i n der Regel besser ist. Denn zur Qualität gehören nicht n u r die Eigenschaften der Ware selbst, sondern auch die A r t der Aufmachung, die Verpackung, die Ausstattung u n d die bequeme Lage der Lokale, die Aufmerksamkeit der Bedienung u. dgl. Alles das muß mitbezahlt werden u n d bedingt Preisunterschiede, b) Eine wichtige Rolle spielen die Kosten des Detailverschleißes, die auch bei gleicher Aufmachung verschieden sein können. Die Besteuerung des Detailhändlers, Mietengesetzgebung, Vorschriften über Ladensperre u. dgl. w i r k e n m i t . Daher können die Detailpreise — auch abgesehen von lokalen Händlermonopolen u n d Preisverabredungen — nicht so prompt auf Änderungen der Warenpreise i m Großhandel reagieren, daher stehen die beiden Warenpunkte f ü r Kleinhandel v i e l weiter voneinander ab als f ü r die Großhandelsgüter."

3. Aber auch dem Vergleich der Preise einzelner Waren i n verschiedenen Ländern und auf verschiedenen Märkten stellten sich große Schwierigkeiten entgegen. M i t Ausnahme von einigen Rohmaterialien seien die Daten meistens sehr unzureichend. U m eine sorgfältige Untersuchung über interlokale Preiszusammenhänge anzustellen, brauche man tägliche oder wenigstens wöchentliche Preisnotierungen, die selten zur Verfügung stehen. Qualitätsunterschiede spielen selbst bei Stapelwaren eine große Rolle und spotten der statistischen Erfassung. Die Usancen der Märkte seien verschieden und lassen sich schwer auf einen Nenner bringen. Rabatte und Kreditierung des Kaufpreises 155 156 157

Vgl. Meerwarth I I I , S. 411. Ebd., S. 411 ff. S. 37 f.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

305

seien meistens nicht bekannt, müßten jedoch berücksichtigt werden. Nur Spezialstudien können i n diese Geheimnisse des Handels eindringen. Aus diesen Gründen müsse man sich hüten, voreilige Schlüsse über die Richtigkeit der über individuelle Preiszusammenhänge aufgestellten allgemeinen Aussagen aus dem gewöhnlichen, unverarbeiteten statistischen Material zu ziehen. Man darf den obigen Zahlen, da sie nicht nach einem einheitlichen Maßstab berechnet sind, also keine zu große Bedeutung beilegen. So sind besonders die Zahlen derjenigen Länder für unsere Zwecke ziemlich ungeeignet, bei denen die Kleinhandelspreise für Nahrungsmittel verwandt worden sind {Niederlande und Norwegen), weil diese obrigkeitlicher Regelung unterlagen und Lohn für die Leistung des Geschäftsmannes enthalten. Außerdem muß man beachten, daß die Parallelität i n dem angeführten Monat enger war als i n anderen Monaten, und schließlich würde der Vergleich wieder anders ausfallen, hätte man ein anderes Land als Basis gewählt. Trotzdem genügen die Zahlen, um eine gewisse Übereinstimmung der Wechselkurse m i t der Kaufkraftparität auszuweisen. Einen eingehenderen Versuch eines statistischen Nachweises machte Keynes 1 5 8 für Großbritannien und die Vereinigten Staaten Prozent der Parität von 1913

158 159 160 181

Preisindices Großbrit. 1 5 9

USA160

KaufkraftWechselkurs Parität 1 6 1 Monatsdurchschnitt

August September Oktober November Dezember

242 245 252 259 273

216 210 211 217 223

89,3 85,7 83,7 83,8 81,7

87,6 85,8 85,9 84,3 78,4

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober

289 303 310 306 305 291 293 288 284 266

233 232 234 245 247 243 241 231 226 211

81,0 76,6 75,6 80,1 81,0 83,5 82,3 80,2 79,6 79,3

75,6 69,5 76,2 80,6 79,0 81,1 79,4 74,2 72,2 71,4

S. 104 ff. Economist-Indexziffern Revidierte Indexziffern des Arbeitsamtes der USA. Indexziff. d. USA d i v i d i e r t durch die des Economist m a l 100.

20 K l a f k o w s k i

306

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

Fortsetzung Prozent der Parität von 1913

Preisindices Großbrit. 159

USA™

November Dezember Januar

246 220 209

196 179 170

79,7 81,4 81,4

70,7 71,4 76,7

Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

192 189 183 182 179 178 179 183 170 166 162

160 155 148 145 142 141 142 141 142 141 140

83,3 82,0 80,9 79,7 79,3 79,2 78,3 77,0 83,5 84,9 86,4

79,6 80,3 80,7 81,5 78,0 74,8 75,1 76,5 79,5 81,5 85,3

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Januar Februar März April Mai Juni

159 158 160 159 162 163 163 158 156 158 159 158 160 163 163 165 164 160

138 141 142 143 148 150 155 155 153 154 156 156 156 157 159 159 156 153

86,8 89,1 88,7 89,9 91,4 92,0 95,1 98,1 98,1 97,4 98,1 98,7 97,5 96,3 97,5 96,4 95,1 95,6

86,8 89,6 89,9 90,7 91,4 91,5 91,4 91,7 91,1 91,2 92,0 94,6 95,7 96,2 96,5 95,7 95,0 94,8.

Frankreich und die USA Prozent der Parität von 1913 1919

KaufkraftWechselkurs Parität161 Monatsdurchschnitt

August September Oktober

Kaufkraftparität162

Wechselkurs

62 58 55

66 61 60

Italien und die USA KaufkraftWechselkurs Parität183 59 56 54

56 53 51

162 unter Benutzung der Indexziffern des Arbeitsamtes der U S A u n d der offiziellen französischen Großhandels-Indexziffern. 163 „Bachi"-Indexziffern.

B. I I . Die Beurteilung der Theorie der K a u f k r a f t p a r i t ä t

307

Fortsetzung Prozent der Parität von 1913

KaufkraftWechselkurs parität162

Kaufkraftparität163

Wechselkurs

November Dezember

53 52

55 48

50 49

44 40

1920

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

48 44 42 41 45 49 48 46 43 42 43 41

44 36 37 32 35 41 42 37 35 34 31 30

46 42 38 36 38 40 39 37 34 32 30 28

37 29 28 23 27 31 30 25 23 20 19 18

1921

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

42 42 43 43 44 44 43 43 41 43 42 43

33 37 36 37 43 42 40 40 38 38 37 40

26 26 26 25 27 28 27 26 24 24 24 23

18 19 20 24 27 26 24 22 22 20 21 23

1922

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

44 46 46 46 44 46 48 47 46 46 44 43

42 45 47 48 47 45 43 41 40 38 35 37

24 25 27 27 28 28 28 27 26 26 26 27

23 25 26 28 27 26 24 23 22 22 23 26

1923

Januar Februar März April Mai Juni

40 37 37 38 38 37

34 32 33 35 34 33

27 27 27 27 27 26

26 25 25 26 25 24.

Die Theorie hat sich, wie man sieht, i m großen und ganzen m i t bemerkenswerter Genauigkeit bewahrheitet. 20•

70

85

90

95

99

% DER DOLLARPARITÄT

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