Zur Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung: Zugleich eine Untersuchung der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht [1 ed.] 9783428532285, 9783428132287

Seit der Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durch die UVP-Richtlinie 85/337/EWG besteht die Problematik

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German Pages 303 Year 2010

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Zur Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung: Zugleich eine Untersuchung der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht [1 ed.]
 9783428532285, 9783428132287

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1163

Zur Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung Zugleich eine Untersuchung der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht

Von Anja Kleesiek

Duncker & Humblot · Berlin

ANJA KLEESIEK

Zur Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1163

Zur Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung Zugleich eine Untersuchung der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht

Von Anja Kleesiek

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-13228-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2008 abgeschlossen und im Sommersemester 2009 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigUniversität Freiburg als Dissertation angenommen. Die zeitlich nachfolgende Rechtsprechung und Literatur wurde bis März 2009 berücksichtigt. Die Thematik der Promotion bewegt sich an der Schnittstelle zwischen nationalem Umweltrecht, supranationalem Umweltrecht und völkervertragsrechtlichen Vorgaben. In diesem Zusammenhang gewinnt die Problematik der unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) exemplarischen Charakter für die Europäisierungsdiskussion, da das Gemeinschaftsrecht ein anderes Verständnis des Verfahrens und damit auch der Fehlerfolgen eines unterbliebenen Verfahrens hat oder haben kann. In gleicher Weise können sich Rechtsschutzfragen sehr unterschiedlich im Gemeinschaftsrecht und im deutschen Recht darstellen. Als praktisch wichtigster Fall eines Verfahrensfehlers bzw. eines Verfahrensartfehlers bildet das unterlassene UVP-Verfahren das Schlüsselbeispiel, in dem sich eine Reihe von grundsätzlichen Problemen zwischen den unterschiedlichen Konzeptionen des deutschen und europäischen Verfahrens- und Verwaltungsprozessrechts bündeln. Diese Grundfragen des Verwaltungsverfahrensrechts bilden über die Einzelfallanalyse hinaus das zentrale Thema der Arbeit. Mein Dank gilt insbesondere Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl für die Betreuung der Arbeit sowie für seine wertvollen Anregungen zum Gegenstand der Untersuchung. Herrn Prof. Dr. Thomas Würtenberger danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Außerdem möchte ich mich bei Dr. Melanie Wetzel, Dr. Annette Repar und Benedikt Klas, LL.M., für ihre Unterstützung bedanken. Sie waren mir während der Entstehungszeit dieser Arbeit in vielfältiger Weise freundschaftlich behilflich und haben in zahlreichen anregenden Diskussionen, durch fortwährenden Zuspruch und Korrekturlesen des Manuskripts zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Mein besonderer Dank gilt schließlich meinen Eltern, Prof. Dr. Knut Kleesiek und Roswitha Kleesiek, die mich bei meiner Promotion stets bestärkt haben. Ihre uneingeschränkte Förderung meiner Ausbildung und ihre liebevolle Unterstützung haben die Anfertigung der vorliegenden Arbeit erst ermöglicht. Karlsruhe, im April 2010

Anja Kleesiek

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

A. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

B. Die Problematik der unterlassenen UVP im Rahmen des § 46 VwVfG . .

17

C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Erster Teil

§1

§2

Die nationale Ausgangslage

22

Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . .

22

A. Die traditionell „dienende Funktion“ des Verwaltungsverfahrens . . . . . . .

22

B. Gegensätzliche Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

I. Der Bedeutungszuwachs des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

1. Innerstaatliche Anstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

2. Einflüsse des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Die Beschleunigungsdebatte der 90er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Die aktuelle Beschleunigungsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

C. Das Verhältnis von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . .

33

I. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

II. Die Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . .

36

Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

A. Kein isolierter Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen gemäß § 44a VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

B. Allgemeines zur Klagebefugnis Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Die Voraussetzungen des Drittschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II. Das Recht auf gerechte Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

C. Verfahrensvorschriften als subjektive Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

I. Absolute Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

1. Anerkannte Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Die Beteiligung der Naturschutzverbände gemäß §§58ff. BNatSchG

46

II. Relative Verfahrensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

8

§3

§4

Inhaltsverzeichnis 1. Anbindung an das materielle Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

III. Die Sonderstellung des Enteignungsbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG . . . . . . . . . .

54

A. Die Regelung des § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

B. Die Behandlung des § 46 VwVfG in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . .

58

C. DasVerhältnisvon§ 46VwVfGzumKriteriumder„konkretenMöglichkeit“

60

I. Die Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . .

61

II. Das Kriterium der Offensichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

III. Der subjektiv-rechtliche Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

IV. Weitere Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

D. Der Ausschluss des § 46 VwVfG bei absoluten Verfahrensrechten . . . . . .

68

Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei Unterlassung des gebotenen Zulassungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

A. Anspruch auf Durchführung des richtigen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . .

70

I. Planfeststellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

1. Kein Abwehranspruch wegen falscher Verfahrensdurchführung . .

70

2. Das absolute Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände . . . . . . .

72

a) Die „Umgehungsfälle“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

b) Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

II. Die Parallelproblematik im Immissionsschutzrecht . . . . . . . . . . . . . .

76

B. Die Besonderheiten bei der Behandlung von Verfahrensartfehlern . . . . . .

78

I. Erforderlichkeit eines absoluten Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . .

78

II. Abweichende Prüfungsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Zweiter Teil

§5

§ 46 VwVfG auf dem Prüfstand der Gemeinschaftsrechtskompatibilität

82

Die europarechtliche Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

A. Die Vorschrift des § 46 VwVfG im Blickpunkt der Kritik . . . . . . . . . . . .

82

B. Die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

I. Indirekter Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten

86

II. Die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG beim indirekten Vollzug . . . . . .

87

1. Verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten? . . . . . . . . .

87

2. Keine direkte Kollision durch vorrangiges Gemeinschaftsrecht . .

89

Inhaltsverzeichnis

§6

9

3. Die Beachtung der europarechtlichen Vollzugsschranken . . . . . . .

91

a) Die Problematik der indirekten Kollision . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

b) Das Konfliktpotential des § 46 VwVfG mit den Vollzugsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

aa) Der Grundsatz der Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

bb) Der Grundsatz der Effektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

Konkretisierung der Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes . . . . . . . . . .

96

A. Der Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . .

96

I. Anfänglich restriktive Handhabung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

II. Verschärfter Einsatz der Effektivitätsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

III. Zulässige Beschränkung des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Rechtliche Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Vorrang von faktischen Aspekten im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 B. Konsequenzen für § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 §7

Vertretbare Relativierung von Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 A. Vergleichbarkeit mit dem Eigenverwaltungsrecht der EG . . . . . . . . . . . . . 108 I. Eingeschränkte Autonomiethese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Parallelisierungsthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 III. Die Berücksichtigung der materiellen Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . 112 1. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. EG-Eigenverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Konsequenzen für die Fehlerbeachtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 B. Die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 I. „Kausalität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. „Wesentlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 C. Konsequenzen für § 46 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 I. Grundsätzliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Maßstab der Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

10

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Einzelfallanalyse: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

§8

125

Die Umweltverträglichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 A. Die wesentlichen Elemente und Merkmale der UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Frühzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 II. Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 III. Integrativer und medienübergreifender Prüfungsansatz . . . . . . . . . . . 129 IV. Gebündelte Vorabprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 B. Die Rechtsgrundlagen der UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Die UVP-Richtlinie der EG und ihre Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. „Die“ UVP-Richtlinie 85/337/EWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Die UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG . . . . . . . . . 133 II. Die Regelung der UVP in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Die Entwicklung des UVP-Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Das UVPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Feststellung der UVP-Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 aa) Scoping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 bb) Unterlagenvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 cc) Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit . . . . . . . . . 141 dd) Zusammenfassende Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 ee) Bewertung und Berücksichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

§9

Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 A. Die Trägerverfahren der UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 I. Die UVP im Planfeststellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Die Planfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Funktion und Wirkung der Planfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Das Abwägungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 c) Die UVP im Planfeststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Plangenehmigung und UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Zulässigkeit der Plangenehmigung als Trägerverfahren . . . . . . 149 b) Geeignetheit der Plangenehmigung als Trägerverfahren . . . . . 150 II. Die UVP im Bundesimmissionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Der Zusammenhang zwischen unterlassener UVP und Verfahrensartfehlern 155 I. Falsche Verfahrenswahl wegen Verkennung der UVP-Pflicht . . . . . . . 155

Inhaltsverzeichnis

11

II. Das Problem der „Salami-Taktik“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2. Das „Windfarm-Urteil“ des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Erledigung der Umgehungsproblematik durch die neue Gesetzeslage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 C. Die materiell-rechtliche Bedeutung der UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Die Bedeutung des § 12 UVPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Veränderung der materiellen Entscheidungskriterien . . . . . . . . . . 165 2. „Einwirkung“ auf das materielle Zulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . 167 II. Die Auffassung der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Ansicht des VGH München und des OVG Koblenz . . . . . . . . . . . . 169 2. Ansicht des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP vor Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 A. Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Ursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Formelle und materielle Nichtdurchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 B. Zur Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Kein isolierter Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 II. Die Drittschutzerheblichkeit der unterlassenen UVP . . . . . . . . . . . . . 179 1. Absolute Verfahrensrechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Relative Verfahrensrechtsposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Keine Rechtsschutzmöglichkeiten des mittelbar Betroffenen (Nachbarklage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Eingeschränkter Rechtsschutz des enteignend Betroffenen . . . . . . 185 3. Eingeschränkter Rechtsschutz anerkannter Naturschutzvereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 C. Zum gerichtlichen Kontrollumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Die Folgen der unterlassenen UVP im Planfeststellungsverfahren . . . 189 1. § 46 VwVfG als Bestandteil der doppelten Kausalitätsprüfung . . 189 2. Die unterlassenen UVP als Indiz für eine fehlerhafte Abwägung . 193 II. Die Bedeutung des § 46 VwVfG im gebundenen Zulassungsrecht . . . 195 III. Die Folgen der unterlassenen oder fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

12

Inhaltsverzeichnis

§ 11 Die Vereinbarkeit der UVP-Rechtsprechung mit den bisherigen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 A. Problempunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Zur Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Weitergehende Anerkennung subjektiver Verfahrensrechte . . . . . . 202 2. Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH . . . . 205 a) Das Urteil des EuGH vom 16. 09. 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Das Urteil des EuGH in der Sache Wells . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 II. Zur Fehlerfolgenbehandlung: Verstoß gegen das Effektivitätsgebot? . 208 B. Bisherige Auffassung der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Überwiegende Ablehnung eines Änderungsbedarfs . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Abweichende Entscheidung des 20. Senats des OVG Münster vom 03. 01. 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen der Aarhus-Konvention und des europäischen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 A. Die wesentlichen Rechtsschutzvorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK . . . . . . . . . 217 B. Umsetzung durch Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Art. 10a UVP-Richtlinie n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 II. Entwurf einer Klagerechtsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Kompetenz der EG für den umweltrechtlichen Rechtsschutz . . . . . . . 221 C. Die Reaktionen auf die neue Rechtslage in der Rechtsprechung . . . . . . . . 224 I. Die Rechtsprechung des OVG Koblenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Maßgeblicher Beschluss des 7. Senats vom 25. 01. 2005 . . . . . . . . 225 2. Einschränkungen des 8. Senats im Fall der unterlassenen Vorprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Kritik durch andere Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Das Urteil des VG Aachen vom 14. 09. 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Das Urteil des 11. Senats des OVG Münster vom 27. 10. 2005 . . . 229 3. Die Beschlüsse des OVG Lüneburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 § 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung . . . . . . . . . . . . 232 A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 B. Erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall der unterlassenen UVP . . 234 I. Rechtsschutz anerkannter Vereinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Zur Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 a) Klagebefugnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG? . . . . . . . . . . . . . . 235 b) Klagebefugnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG i.V. m. § 4 URG . 237

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c) Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Zur Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Ausschluss des § 46 VwVfG durch § 4 URG . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Unstimmigkeiten hinsichtlich der Vorprüfung des Einzelfalls . 242 c) Beachtung der Heilungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 II. Rechtsschutz Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 III. Die Behandlung der Problematik des Verfahrensartfehlers . . . . . . . . 246 C. Die Völker- und Europarechtskonformität einzelner Vorschriften . . . . . . 247 I. Der Gerichtszugang von Umweltverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Rechtsvorschriften, die „Rechte Einzelner“ begründen . . . . . . . . . 249 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Umsetzungsspielräume für die Ausgestaltung der Vereinsklage 251 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Systematik sowie Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 2. Materielle Präklusion gemäß § 2 Abs. 3 URG . . . . . . . . . . . . . . . . 258 II. Die Reichweite der gerichtlichen Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Beschränkung des materiellen Prüfungsumfangs gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 URG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 4 URG . . . . . . 260 a) Gebotener Ausschluss des § 46 VwVfG im Fall der unterlassenen UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Notwendige Einbeziehung weiterer Verfahrensfehler . . . . . . . 263 c) Alternative Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 III. Fehlende Erweiterung von Individualklagemöglichkeiten . . . . . . . . . 267 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301

Einleitung A. Anlass der Untersuchung Die „Europäisierung des Rechts“ bezeichnet den Vorgang, mit dem das nationale Recht aufgrund der sich ausdehnenden Gemeinschaftsrechtsordnung einem Prozess der Neuinterpretation, Inhaltsänderung und Ersetzung eigener Gesetzgebung durch Gemeinschaftsrecht unterworfen ist. 1 Erfasst sind von diesem Entwicklungsprozess nahezu alle Rechtsgebiete, also auch das Verwaltungsverfahrensrecht. Das Verwaltungsverfahrensrecht ist heute sogar derjenige Bereich, in dem das EG-Recht die Systembildung am intensivsten beeinflusst. 2 Hier geht es nicht nur um einzelne Umstellungen oder um die Sicherung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Vollzugs. Das EG-Recht zielt vielmehr auf eine Veränderung des deutschen Verfahrenskonzepts und zwei seiner wichtigsten Komponenten, nämlich der individualrechtlichen Ausrichtung einerseits und der materiell-akzessorischen Ausrichtung andererseits. 3 Dies ist deswegen bemerkenswert, weil der EG für diesen Bereich nur eine eng begrenzte Rechtsetzungskompetenz zukommt. Grundsätzlich gilt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber auf Grundlage und in Anwendung seiner Sachkompetenzen (z. B. Umweltpolitik: Art. 175 EG) materielles Recht setzt, das die Mitgliedstaaten bzw. deren Verwaltungsbehörden vollziehen (indirekter Vollzug des Gemeinschaftsrechts), wobei dem Vollzug im Falle einer Richtlinie der nationale gesetzgeberische Umsetzungsakt vorgeschaltet ist. Verfahrensrechtliche Regelungen können dabei nur dann getroffen werden, wenn diese mit den vergemeinschafteten Materien des besonderen Verwaltungsrechts in Zusammenhang stehen und für eine einheitliche Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts unerlässlich erscheinen (implied powers). 4 Notfalls muss auf die Kompetenzergänzungsnorm des Art. 308 EG zurückgegriffen werden. 5 1

Sommermann, DVBl. 1996, S. 889 (891). Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 143; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 5; Wahl, DVBl. 2003, S. 1285. 3 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 143. 4 Calliess, Göttinger Online-Beiträge zum Europarecht, Nr. 33, S. 16 (abrufbar unter www.europarecht.uni-goettingen.de/Paper33.pdf, Stand: 06. 07. 2008); Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 41 f.; Kopp / Ramsauer, VwGO, Einführung Rn. 56; Pünder, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 19; vgl. allgemein zu den Kompetenzen der Gemeinschaft für das 2

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Die Möglichkeiten, den Mitgliedstaaten durch einen konkreten Rechtssetzungsakt umfassende Vorgaben für den Erlass und die Ausgestaltung des Verfahrensrechts beim indirekten Vollzug zu machen, sind somit relativ beschränkt. Die Mitgliedstaaten besitzen grundsätzlich in verfahrensmäßiger Hinsicht Autonomie. 6 Die Wirkungsmechanismen der Europäisierung erschöpfen sich jedoch nicht darin, die nationalen Gesetzgeber durch gemeinschaftsrechtliche Regelungen zu bestimmten Umsetzungs- oder Durchführungsmaßnahmen zu verpflichten. Vielmehr stehen dem Gemeinschaftsrecht noch andere Wege der Einflussnahme zur Verfügung. 7 Wichtigstes Einfallstor für den Bereich des Verwaltungsverfahrens sind die vom EuGH auf der Grundlage des Art. 10 EG (Gemeinschaftstreue) 8 hergeleiteten Vollzugsschranken der Äquivalenz und der Effektivität. Sie verlangen zum einen, dass nationale Bestimmungen bei einem europarechtlichen Bezug nicht ungünstiger ausgestaltet sein oder ungünstiger angewandt werden, als dies bei rein innerstaatlichen Sachverhalten der Fall ist (Grundsatz der Äquivalenz). Zum anderen dürfen die Vorschriften des nationalen Rechts die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität). 9 Das nationale Verfahrensrecht muss unter Berücksichtigung dieser beiden gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze so ausgestaltet, ausgelegt und angewendet werden, dass den jeweiligen Zielen des EU-Rechts zu umfassender Wirksamkeit verholfen wird. Die Mitgliedstaaten trifft eine „Gewährleistungsfunktion für die effektive Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts“ 10, die zwangsläufig mit einer Begrenzung ihrer verfahrensmäßigen Autonomie einhergeht. Auf diese Weise kann es auch in solchen Bereichen zu einem (indirekten) Prozess der Europäisierung kommen, in denen es an expliziten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben aus kompetenzrechtlichen Gründen fehlt. Verwaltungsrecht Kahl, NVwZ 1996, S. 865 ff.; König, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 2 Rn. 5 f. 5 Hierzu Calliess, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 5 EGV Rn. 15 ff. 6 Iglesias, EuGRZ 1997, S. 289; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 113; Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 10 EG Rn. 35; Streinz, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 29; Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 109. 7 Zu den unterschiedlichen Mechanismen der Europäisierung Schoch, VBlBW 1999, S. 241 (243 f.); Schwarze, Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 204 ff.; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 51 ff. 8 Vgl. hierzu insbesondere Epiney, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 30 Rn. 14 ff. 9 Siehe zu diesen beiden Grundsätzen des indirekten Vollzugs Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 194 ff.; Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EGV Rn. 31; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 44 ff. 10 Huber, Recht der Europäischen Integration, § 22 Rn. 6.

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B. Die Problematik der unterlassenen UVP im Rahmen des § 46 VwVfG Die verschiedenen Einwirkungsebenen des europäischen Rechts lassen sich besonders deutlich am Beispiel der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) belegen. Auf der ersten Stufe erfolgte hier eine Europäisierung des Umweltverfahrensrechts aus Anlass eines konkreten Rechtsetzungsaktes. Durch die UVPRichtlinie 85/337/EWG vom 27. Juni 1985 11 wurden die Mitgliedstaaten verpflichtet, ein völlig unbekanntes Verfahrenskonzept in die eigene Rechtsordnung zu integrieren. Dabei stellte insbesondere der integrative, medienübergreifende Prüfungsansatz der Richtlinie eine Neuheit im deutschen Umweltrecht dar. Die durch ein Vorhaben hervorgerufenen Umweltbelastungen sollten nicht mehr gesondert betrachtet, sondern anhand einer bereichsübergreifenden Gesamtschau aller Umweltauswirkungen überprüft und im Genehmigungsverfahren berücksichtigt und bewertet werden (Konzept des integrierten Umweltschutzes durch Verfahren 12). Darüber hinaus hat die Einführung der UVP das nationale Verwaltungsverfahrensrecht im Hinblick auf eine veränderte Rollenverteilung zwischen Behörde, Antragsteller und Öffentlichkeit beeinflusst. Die Sachverhaltsermittlung erfolgt nicht mehr sogleich durch die Behörde, sondern wird zunächst in die Verantwortung des Projektträgers gestellt, der unter Umständen auch außerhalb seiner Sphäre Untersuchungen hinsichtlich möglicher Umwelteinwirkungen tätigen muss. 13 Im weiteren Verfahrensverlauf findet dann vor allem eine verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit statt. Dieser liegt ein gegenüber dem nationalen Recht erweitertes funktionelles Verständnis zugrunde. Neben die klassischen, auf die Beteiligung in konkreten Verwaltungsverfahren bezogenen Funktionen der Rechtswahrung Betroffener und der Sachaufklärung der Verwaltung tritt die Aktivierung der Öffentlichkeit als Kontrollinstanz. Die Bürger und insbesondere die Umweltverbände sollen Druck auf die mitgliedstaatlichen Verwaltungen im Hinblick auf einen besseren Vollzug des EG-Rechts ausüben (Konzept der informierten Öffentlichkeit 14). Die UVP-Richtlinie ist damit ein Paradebeispiel für die von der EG favorisierte Ausweitung der Verfahrensanforderungen unter Stärkung von Beteiligungsrech11

Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) v. 27. 06. 1985 (ABlEG Nr. L 175, S. 40). 12 Siehe zu diesem Verfahrenskonzept der EG Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 30 ff. 13 Schwarze, Das Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 169 f.; SchmidtAßmann, in: FS für Karl Doehring, S. 889 (893 f.). 14 Zu den verschiedenen Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung im EG Umweltrecht Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 7 ff.; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Sechstes Kapitel, Rn. 359.

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ten. Materielle Maßstäbe, an denen die Bewertung der Umweltbeeinträchtigungen zu messen ist, werden nicht vorgegeben. Der Schutz der Umwelt soll durch das Verfahren als solches bewirkt werden. Dadurch wird das dem deutschen Recht vertraute Verhältnis zwischen formellem und materiellem Recht gemeinschaftsrechtlich bedingt gewissermaßen umgekehrt. Das Verwaltungsverfahren dient nicht mehr (nur) der Verwirklichung des materiellen Rechts, sondern gewinnt an eigenständiger Bedeutung. Die Einhaltung des ordnungsgemäßen Verfahrens und die Offenhaltung der Darstellungs- und Argumentationschancen für alle Beteiligten wird zum wichtigsten Garant für das richtige Ergebnis. 15 Mit der Umsetzung der UVP-Richtlinie hat also nicht nur ein neues Verfahrensinstrument in die nationale Verwaltungsrechtsordnung Einzug gehalten, sondern auch ein eigenständiger Systemgedanke des europäischen Rechts. Hierdurch werden zwangsläufig weitere Europäisierungsprozesse in Gang gesetzt, die sich aus dem gemeinschaftsrechtlichen Erfordernis einer wirksamen Vollziehung des UVPRechts in der Praxis ergeben. In diesem Zusammenhang zeigen sich die Konflikte zwischen dem traditionell deutschen Konzept von der „dienenden Funktion“ 16 des Verfahrensrechts einerseits und dem gemeinschaftsrechtlichen Konzept der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ 17 mit einer informierten Öffentlichkeit andererseits am stärksten. So hat die Einführung der UVP vor allem zu einer kritischen Überprüfung der „Europarechtsverträglichkeit“ der nationalen Verfahrensfehlerlehre bzw. in erster Linie des § 46 VwVfG Anlass gegeben. Die Frage, welche Konsequenzen es nach sich ziehen muss, wenn eine UVP unterlassen wurde, obwohl ihre Durchführung gesetzlich vorgeschrieben ist, rückte immer mehr in den Fokus juristischer Diskussionen. Ausgangspunkt hierfür war die restriktive Rechtsprechung des BVerwG im Planfeststellungsrecht. Danach erfüllte das Recht der UVP – wie andere Verfahrensvorschriften grundsätzlich auch – keinerlei Selbstzweck, sondern diente der besseren Durchsetzung von Umweltbelangen ohne jegliche subjektiv-rechtliche Relevanz. Das BVerwG sah daher keine Veranlassung, von seiner auf § 46 VwVfG gestützten „Kausalitätsrechtsprechung“ abzuweichen, derzufolge Verfahrensfehler nur dann erfolgreich gerichtlich geltend 15

Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1287). Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465 f.; v. Mutius, NJW 1982, S. 2150 (2156); Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955 (958); Bonk, NVwZ 1997, S. 320 (322); Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (864); Berg, in: FS für Maurer, S. 529 (538); derselbe, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, S. 1015 (1027); Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 38 Rn. 31; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 45 Rn. 4. Weitere Nachweise der älteren Literatur bei Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 201 Fn. 60; aus der Rechtsprechung: VGH Mannheim, NVwZ 1986, S. 663 (664); BVerwGE 105, 348 (354). 17 Hierzu Hoffmann-Riem, in: derselbe / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (22) m. w. N.; Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (492). 16

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gemacht werden können, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Behörde ohne diesen Fehler anders entschieden hätte. 18 Diese Fehlerlehre führte nicht nur zu einer Fehlerresistenz gegenüber einzelnen Verfahrensfragen, sondern zog selbst in solchen Konstellationen nicht die Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach sich, in denen eine UVP gänzlich unterlassen wurde. Ist aber selbst mit der vollständigen Nichtdurchführung der UVP keine effektive Sanktion verbunden, wird das gemeinschaftsrechtlich angestrebte Ziel, den Schutz der Umwelt durch das Verfahren als solches zu bewirken, zwangsläufig beeinträchtigt. Seither ist die Frage, inwieweit sich der nationale Umgang mit Verfahrensfehlern mit dem Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrechts vereinbaren lässt auch über die Problematik der unterlassenen UVP hinaus immer wieder diskutiert worden. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Effektivität gemeinschaftsrechtlicher Normen im Wesentlichen durch die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzes gewährleistet werde. 19 Insofern dürfe die uneingeschränkte Anwendung nationaler Unbeachtlichkeitsvorschriften nicht zu einer systematischen Sanktionslosigkeit der Nichtbeachtung wichtiger Verfahrensnormen des EG-Rechts führen. Zusätzliche Dynamik hat die Diskussion um die Rechtsschutzmöglichkeiten bei Verfahrensfehlern durch die neuesten völker- und gemeinschaftsrechtlichen Entwicklungen erfahren. Im Blickpunkt stehen vor allem die Rechtsschutzvorgaben der sog. Aarhus-Konvention (AK). Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich das „Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“, das am 25. 06. 1998 von den der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) zugehörigen Staaten in der dänischen Stadt Aarhus unterzeichnet wurde. 20 Ziel des Übereinkommens ist es unter anderem, für die einzelnen Bürger und auch für die von ihnen gegründeten Organisationen die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese ihre Rechte an einer gesunden Umwelt durchsetzen und ihre Pflicht erfüllen können, den Schutz der Umwelt auch im Interesse zukünftiger Generationen zu gewährleisten und zu verbessern. 21 Zu diesem Zweck werden die Vertragsparteien – zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehört – in Art. 9 Abs. 2 AK verpflichtet, der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu einem Überprüfungsverfahren zu gewähren, „um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit“ aller 18 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792), wie zuletzt auch BVerwG, NuR 2008, S. 334 (338); BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 10 ff.). 19 Hierauf verweisen insbesondere Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435; Erbguth / Schink, UVPG, Einleitung Rn. 102; Beckmann, DVBl. 1991, S. 358; Weber / Hellmann, NJW 1990, S. 1625 (1632). 20 Abgedruckt im BGBl. II v. 15. 12. 2006, S. 1252 ff. 21 Vgl. die Erwägungsgründe der Aarhus-Konvention.

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Entscheidungen anzufechten, für die das Übereinkommen gilt. Eine entsprechende Regelung hat der europäische Gesetzgeber zur Umsetzung der AarhusKonvention in die UVP-Richtlinie aufgenommen, indem er dort einen neuen Art. 10a eingefügt hat. Vor dem Hintergrund dieser Regelungen wird eine Anwendung des § 46 VwVfG auf Verfahrensvorschriften gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs zunehmend kritisch beurteilt. Welche Vorgaben sich den völker- und gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Klagemöglichkeiten und die Kontrolldichte bei Verfahrensfehlern für das deutsche Recht genau entnehmen lassen, ist jedoch fraglich. Eine abschließende Lösung dieser Problematik konnte bislang noch nicht erreicht werden. Zwar versucht das „Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (UmweltRechtsbehelfsgesetz)“, das am 15. 12. 2006 in Kraft getreten ist, einige dieser durch das Gemeinschaftsrecht aufgeworfenen Rechtsfragen zu klären. Dies ist ihm jedoch nur unzureichend gelungen.

C. Gang der Untersuchung Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich nach einer kurzen allgemeinen Beschreibung des Stellenwertes des Verwaltungsverfahrens in Deutschland (§ 1) mit der Frage, in welchem Umfang das nationale Recht Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler für Dritte grundsätzlich gewährt (§ 2). Diskussionswürdig ist in diesem Zusammenhang vor allem, ob sich der von der Rechtsprechung angewendete Kausalitätsmaßstab für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern tatsächlich auf die gesetzliche Regelung des § 46 VwVfG stützen lässt. Denn nach dem Wortlaut des § 46 VwVfG darf ein Aufhebungsanspruch des Klägers wegen einer verfahrensfehlerhaften Entscheidung nur dann ausgeschlossen werden, „wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“. Dies steht mit der vom BVerwG – jedenfalls in umweltbedeutsamen Verfahren – herangezogenen Prüfung der „konkreten Möglichkeit“ einer anderen Sachentscheidung zumindest dem Wortlaut nach nicht im Einklang. Insofern gilt es zu klären, ob sich die europarechtliche Problematik im Fall der unterlassenen UVP nicht vielmehr aus der Rechtsprechung zu § 46 VwVfG ergibt als aus der Regelung als solcher (§ 3). Darüber hinaus soll in dem ersten Teil der vorliegenden Untersuchung die Problematik des vollständigen Unterlassens eines gebotenen Zulassungsverfahrens stärker in den Fokus der Betrachtung gerückt werden. In dieser Konstellation ergeben sich in Bezug auf die Fehlerbehandlung einige Besonderheiten, die es genauer zu überprüfen gilt (§ 4). Der zweite Teil dieser Arbeit befasst sich mit der Frage, ob die Fehlerregelung des § 46 VwVfG schon als solche in einem strukturellen Widerspruch

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mit dem Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrechts steht. Welches Maß an Wirksamkeitsbeeinträchtigung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich noch hinnehmbar ist, ist allerdings nicht abschließend geklärt. Den im Zusammenhang mit dem Effektivitätsgebot verwendeten Kriterien der „praktischen Unmöglichkeit“ bzw. der „unverhältnismäßigen Erschwerung“ ist lediglich zu entnehmen, dass nicht jede dem nationalen Vollzugsrecht zuzurechnende Beeinträchtigung des Gemeinschaftsrechts zu seiner Unanwendbarkeit führen muss. Im Rahmen dieser Arbeit sollen verschiedene Ansätze zur Ausfüllung des Maßstabs der praktischen Wirksamkeit aufgegriffen und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. Anhand der hierbei ermittelten Prüfungskriterien ist dann zu bewerten, in welchem Umfang eine Relativierung von Verfahrensfehlern aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht noch hinnehmbar ist und welche Konsequenzen sich hieraus für die Anwendung des § 46 VwVfG ergeben (§§ 5 – 7). Im dritten Teil wird untersucht, wie sich die Anwendung des § 46 VwVfG bzw. seine Interpretation durch die Rechtsprechung konkret im Fall der rechtswidrig unterlassenen UVP auswirkt. Um dies umfassend beurteilen zu können, soll nach einer kurzen Beschreibung der UVP (§ 8) und ihrem Bezug zu der materiellen Zulassungsentscheidung (§ 9) der bisherige gerichtliche Umgang mit der UVP unter dem Aspekt der Rechtsschutzvoraussetzungen und der gerichtlichen Kontrolldichte behandelt werden. Auf diese Weise wird deutlich, welche Probleme aus der Rechtsprechungspraxis vor Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes resultierten und inwieweit hier aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht tatsächlich ein Handlungsbedarf bestand (§§ 10, 11). Im Anschluss hieran werden die einzelnen Rechtsschutzänderungen, die sich für den Fall der unterlassenen UVP aus dem neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz ergeben, genauer betrachtet. Dabei liegt ein Schwerpunkt der Untersuchung auf der Frage, ob das neue Gesetz den interund supranationalen Vorgaben der EG und der Aarhus-Konvention ausreichend Rechnung trägt (§§ 12, 13).

Erster Teil

Die nationale Ausgangslage § 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland A. Die traditionell „dienende Funktion“ des Verwaltungsverfahrens Traditionell steht im deutschen Verwaltungsrecht das materielle Recht im Vordergrund. Das zeigt sich an der bis heute gebräuchlichen Formel von der „dienenden Funktion“ 1 des Verfahrensrechts Durch diesen Topos wird hervorgehoben, dass Verfahrensvorschriften vorrangig im Hinblick auf eine möglichst vollständige Verwirklichung des materiellen Rechts geschaffen worden sind, so dass ihr dogmatischer Eigenwert von nachgeordneter Bedeutung ist. Primäres Ziel ist die Ermittlung des materiell rechtmäßigen Ergebnisses, wohingegen der Weg dorthin und die Form der Entscheidung eher zu vernachlässigen sind. Dementsprechend wird das materielle Recht auch als das „eigentliche“ Recht definiert, während das Verfahrensrecht eher auf die zweite Kategorie verwiesen wird, dass die Form der Verwirklichung der Rechtsordnung regelt. 2 Ein Selbstzweck kommt den Verfahrensvorschriften danach nicht zu 3, was sich vor allem in der rechtlichen Behandlung von Verfahrensfehlerfolgen zeigt. Zwar ist diese Rangzuweisung des Verfahrensrechts kein Spezifikum des deutschen Rechts,

1 Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465 f.; v. Mutius, NJW 1982, S. 2150 (2156); Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955 (958); Bonk, NVwZ 1997, S. 320 (322); Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (864); Berg, in: FS für Maurer, S. 529 (538); derselbe, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, S. 1015 (1027); Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 38 Rn. 31; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 45 Rn. 4. Weitere Nachweise der älteren Literatur bei Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 201 Fn. 60; aus der Rechtsprechung: VGH Mannheim, NVwZ 1986, S. 663 (664); BVerwGE 105, 348 (354). 2 Vgl. die Nachweise bei Pöcker, DÖV 2003, S. 980. 3 Bettermann, DVBl. 1963, S. 824 (827); Bonk, NVwZ 1997, S. 320 (322); Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (589); Berg, in: FS für Maurer, S. 529 (538); Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 33 Rn. 3; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 5; BVerwGE 92, 258 (261).

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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sondern findet sich auch in anderen europäischen Rechtsordnungen wieder. 4 Sie ist dort jedoch in ihrem Ausmaß zurückhaltender und belässt dem Verfahren seine eigenständige Bedeutung, während das deutsche Recht besonders nachhaltig auf dieses Konzept festgelegt ist. 5 Prägend für diese Sichtweise war das für lange Zeit dominierende dogmatische Ideal der „einzig richtigen Entscheidung“. 6 Danach ist die objektiv richtige Verwaltungsentscheidung bereits von vornherein fertig im materiellen Recht ausgeprägt und muss durch den Verwaltungsbeamten nur noch aufgedeckt werden. 7 Im Vordergrund stand somit die vollziehende Funktion der Verwaltung, wobei nach gesetzespositivistischem Verständnis die Subsumtion als rein formal-logischer Akt verstanden wurde. 8 Der Eigenwert der prozeduralen Steuerung sowie die Gestaltungsfunktion der Verwaltung blieben weitgehend unberücksichtigt. 9

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Vgl. dazu Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (698 ff.); Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 23 ff., § 13 Rn. 57; Schmidt-Aßmann, in: Schoch / derselbe / Pietzner, VwGO, 14. Ergänzungslieferung 2007, Einleitung Rn. 212. 5 Hierauf weisen hin: Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 46; Ladenburger, Verfahrensfehler, S. 345 f.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (282); Meyer, NVwZ 1986, S. 513 (522); Forsthoff , VVDStRL 17 (1959), S. 222 (Diskussionsbeitrag) hob bereits 1959 hervor: „Wenn man das englische und das deutsche Recht vergleicht, so bietet das leicht geschürzte englische case-law die Gewähr des Rechts im Verfahren. Infolgedessen spielt das due-process-of-law im englischen Recht eine entscheidende Rolle. Das deutsche Recht dagegen, das – jedenfalls im Wesentlichen noch – mit abstrakt-generellen Normen operiert, geht von anderen, in erster Linie an das materielle Recht anknüpfenden Vorstellungen der Rechtsverwirklichung aus; diese werden in weitem Umfang vorgesichert durch die Struktur der Rechtsordnung selbst. Das Verfahren hat in einer solchen Rechtsordnung nicht die gleiche Bedeutung wie in der englischen.“ 6 Diese Vorstellung lag auch noch dem § 46 VwVfG a. F. zugrunde, der ein Aufhebungsverbot bei rechtlicher Alternativlosigkeit bestimmte. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen es nur eine einzige materiell richtige Entscheidung geben kann. Dem liegt die herkömmliche Differenzierung zwischen gebundenen und Ermessensverwaltungsakten zugrunde. 7 Vgl. zur Doktrin der „einzig richtigen Entscheidung“: Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (254 ff.); Schenke, VBlBW 1982, S. 313 (315); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (454); Hufen, Fehler, Rn. 588; Rupp, in: FS für Bachof, S. 151 (163 f.); derselbe zur Ursache, Ausprägung und Folge dieser Grundthese, in: Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, S. 177 ff. 8 Zum Vollzugsmodell der Verwaltung: Rossen, Vollzug und Verhandlung, passim. Generell zum Justizsyllogismus und zur Vorstellung der einzig richtigen Entscheidung: Rhinow, Rechtsetzung und Methodik, S. 17 ff. 9 Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (254 ff.). Ähnlich betont auch die viel zitierte Definition Otto Meyers, dass der Verwaltungsakt der Ausspruch des Staates dessen ist, was rechtens ist, nicht dessen was durch Verfahren rechtens wird, gegenüber dem Bürger (Otto Meyer, Deutsches Verwaltungsrecht, 3. Auflage 1924, S. 93).

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

Von Interesse war allein das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung und seine Übereinstimmung mit dem materiellen Recht. Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass eine überprüfte und im Ergebnis für richtig befundene Entscheidung nicht „nur“ wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben werden soll. Hieraus folgt auch, dass allein im Verfahrensfehler grundsätzlich noch keine Verletzung eines subjektiven Rechts liegt, sondern auch die Beeinträchtigung einer materiellen Rechtsposition hinzukommen muss.

B. Gegensätzliche Entwicklungstendenzen I. Der Bedeutungszuwachs des Verfahrens 1. Innerstaatliche Anstöße Das Bewusstsein, dass Verfahrensergebnisse auch durch den konkreten Verfahrensablauf und die gesetzliche Verfahrensordnung beeinflusst werden, ist inzwischen auch in Deutschland nicht mehr neu. Insbesondere in den 70er und 80er Jahren wurde dem Verfahrensrecht und seiner Gestaltung größere Aufmerksamkeit gewidmet. 10 Zeitweilig kam es regelrecht zu einer „Verfahrenseuphorie“ 11. Es setzte sich die Erkenntnis durch, dass die auf einer „Momentaufnahme“ 12 beruhende statische Betrachtungsweise des Verwaltungsaktes einer Ergänzung durch Einbeziehung des dem Verwaltungsakt zeitlich vorgelagerten Verwaltungsverfahrens bedarf. Die Problematik des Entscheidens selbst, der eigentliche Entscheidungsvorgang wurde in den Blickpunkt genommen und trat neben den Verwaltungsakt als Endprodukt dieses Vorgangs. Anregungen hierfür kamen unter anderem aus dem „due process“-Gedanken des anglo-amerikanischen Rechtskreises. 13 Insbesondere führte jedoch die Feststellung der schwachen Steuerungskraft des materiellen Rechts im Bereich der modernen Planungs- und Abwägungsent10 Vgl. z. B. die Beiträge von Bachhof und Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 193 (230 f.) und S. 245 (279); Schmitt Glaeser, Verwaltungsverfahren 1977; Schmidt-Aßmann, JURA 1979, S. 505 ff.; Schenke, VBlBW 1982, S. 313 ff.; Wahl und Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 151 ff. und S. 193 ff.; Lerche / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie 1984; Pitschas, in: Grundrechtsschutz und Verwaltungsverfahren, S. 23 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht 1986; Berg, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, S. 1015. 11 So Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 7. Generell zu dieser Entwicklungsphase des Verwaltungsrechts: Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (4 f.); Hufen, JuS 1999, S. 313 (314). 12 Bachof, VVDStRL 39 (1972), S. 193 (231). 13 Scharpf , Die politischen Kosten des Rechtsstaats, passim. Vgl. auch Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (121) sowie bereits Forsthof , VVDStRL 17 (1959), S. 222 (Diskussionsbeitrag).

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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scheidungen zu einer Aufwertung des Verfahrensrechts. 14 Angesichts der weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, die der Verwaltung hier durch den Gesetzgeber eröffnet werden und der damit korrespondierenden zurückgenommenen gerichtlichen Kontrolldichte 15, musste dem Entscheidungsverfahren, in dem der Konkretisierungsprozess abläuft und in dem das Recht verwirklicht wird, zwangsläufig ein neuer Stellenwert eingeräumt werden. In diesem Zusammenhang rückte auch eine stärkere Beteiligung der Betroffenen am Verfahren in den Mittelpunkt des Interesses. Der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte sollte vor allem eine vorverlagerte Rechtsschutzfunktion zukommen, um die teilweise Wirkungslosigkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes zu kompensieren. 16 An diese Entwicklung knüpften auch Entscheidungen des BVerfG an, in denen Anforderungen, die ursprünglich nur für die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens ausgearbeitet worden waren, auf das Verwaltungsverfahren erstreckt wurden. 17 Im berühmten Mülheim-Kärlich-Urteil hob das Verfassungsgericht hervor, „dass Grundrechtsschutz weitgehend auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken ist und dass die Grundrechte demgemäß nicht nur das gesamte materielle, sondern auch das Verfahrensrecht beeinflussen, soweit dieses für einen effektiven Grundrechtsschutz von Bedeutung ist“ 18. Die Literatur nahm diese Rechtsprechung ganz überwiegend mit Zustimmung auf und entwickelte das Thema Grundrechtsschutz durch und im Verfahren in vielfältiger Form weiter. 19 14 Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (158); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (228 f.); Steinberg, DÖV 1982, S. 619 (625); Brohm, DÖV 1982, S. 1 (3); Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465 (466); Degenhart, DVBl. 1982, S. 872 (873); Schmitt Glaeser, in: Lerche / derselbe / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 35 (40). 15 Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465 (466); Brohm, DÖV 1982, S. 1 (3 ff.); Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (170); Pitschas, in: Grundrechtsschutz und Verwaltungsverfahren, S. 28. 16 Bereits 1971 hatte Häberle einen „status activus processualis“ entwickelt, den er beschrieb als den „Inbegriff aller Normen und Formen, die die Verfahrensbeteiligung der durch den Leistungsstaat in ihren Grundrechten Betroffenen regeln“, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (80 ff.). Die Bedeutung der Beteiligung von Betroffenen an Verwaltungsverfahren betonten ebenfalls: Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (279 ff.); Walter und Schmitt Glaeser, VVDStRL 31 (1973), S. 147 ff. und 179 ff.; Blümel, in: FS für Forsthoff, S. 9 (23 ff.); derselbe, in: Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 25 ff. 17 Eine Darstellung zur Entwicklung dieser Rechtsprechung findet sich bei Held, Der Grundrechtsbezug, S. 64 ff.; Dolde, NVwZ 1982, S. 65 ff.; v. Mutius, NJW 1982, S. 2159 (2153 ff.). 18 BVerfGE 53, 30 (65). 19 Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, passim; Bethge, NJW 1982, S. 1 ff.; Grimm, NVwZ 1985, S. 865 ff.; Lerche, in: derselbe / Schmitt Glaeser / Schmidt-Aßmann, Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 97 ff.; Pitschas, in: Grundrechtsschutz und Verwaltungsverfahren, S. 47 ff.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

In mancher Hinsicht spiegelte sich dieser Zeitgeist auch in dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes von 1976 20 wider, welches vielfältige Verfahrensrechte der Bürger normierte. 21 Insgesamt steht das Verwaltungsverfahrensgesetz jedoch in der Tradition eines engen Verfahrensverständnisses. Allen voran belegen die Fehlerfolgenregelungen der §§ 45, 46 VwVfG, dass das Konzept der dienenden Funktion des Verfahrensrechts nach wie vor Gültigkeit beansprucht. Im Konfliktfall ist weiterhin die Ergebnisrichtigkeit entscheidend. Gleichzeitig sind die Fehlervorschriften ein Beispiel dafür, dass das VwVfG sehr stark auf eine spätere gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns ausgerichtet ist. Hingegen wird die Handlungsperspektive, die den Herstellungsprozess der Entscheidung in den Blick nimmt, eher vernachlässigt. 22 Weitere Merkmale, die das dem Gesetz zugrunde gelegte Verfahrenskonzept charakterisieren, sind seine Entscheidungs- und Vollzugsorientiertheit. So werden insbesondere Einzelentscheidungen in den Mittelpunkt gerückt (vgl. § 9 VwVfG), die vom eigentlichen Verfahren losgelöst und verselbständigt werden. 23 Der Bürger tritt meistens nur als Adressat dieser Entscheidungen in Erscheinung. Es dominiert das einseitige Regelungsinstitut des Verwaltungsaktes, während kooperative Handlungsinstrumente nur in Ansätzen erfasst sind (z. B. der koordinationsrechtliche Vertrag gemäß § 54 S. 1 VwVfG). 24 Die Stellung der Verwaltung als eine in sich geschlossene, abgeschirmte Einheit wird zudem durch das Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit (§ 29 VwVfG) bekräftigt. Datenschutz, Informationsweiterverwendung und Informationsfreiheit sind in eigene Gesetze verwiesen. 25

Eher skeptisch: Dolde, NVwZ 1982, S. 65 (70), der von einer wohl unbedachten und zu weitgehenden Überhöhung einfachen Verfahrensrechts spricht; Schenke, VBlBW 1982, S. 313 (319), der vor einer Überbewertung des in den materiellen Grundrechten angelegten verfahrensrechtlichen Moments warnt. Ein sehr weitgehender Verfahrensoptimismus zeigt sich dagegen bei: Redeker, NJW 1980, S. 1593 ff.; Blümel, in: Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 26 ff. 20 BGBl. I S. 1253. 21 Beteiligte (§ 13), Anhörung von Beteiligten (§ 28), Auskunft und Beratung (§ 25), Akteneinsicht (§ 29) und Begründungspflicht (§ 39). 22 Die Kontrollperspektive des VwVfG heben hervor: Ramsauer, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 387 (390 f.); Hoffmann-Riem, in: derselbe / Schmidt-Aßmann (Hrsg), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (22, 39 f.). 23 Vgl. hierzu Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, S. 40 (41). 24 Zur zunehmenden Bedeutung kooperativer Vertragsverhältnisse: Schmitz, in: Hill / Pitschas, Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, S. 23 (28 f., 40). Für eine Intensivierung der Öffentlichkeitsbeteiligung: Pünder, NuR 2005, S. 71 ff. 25 Dazu Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 45 ff.; Schmitz, in: Hill / Pitschas (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsverfahrensrecht, S. 23 (39 f.). Zum neuen Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG) eingehend Guckelberger, VerwArch 97 (2006), S. 62 (80 ff.).

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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Zu einer weiteren Bagatellisierung der Verfahrensrechte trug zudem das BVerwG bei. Das Gericht erstreckte das Merkmal der Alternativlosigkeit unter Umgehung des Gesetzestextes in § 46 a. F. über die rechtliche Alternativlosigkeit hinaus auch auf die tatsächliche Alternativlosigkeit. Damit konnten Verfahrensfehler auch im Rahmen von Ermessensentscheidungen für folgenlos erklärt werden, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen Fehler und getroffener Entscheidung nicht feststellbar war. 26 Aus alledem wird deutlich, dass trotz aller rechtswissenschaftlichen und verfassungsrechtlichen Bemühungen dieser Zeit, das Verfahren nie derart aufgewertet wurde, dass es gleichberechtigt neben dem materiellen Recht – der einzig richtigen Entscheidung – gestanden hätte. 27 2. Einflüsse des Europarechts Das Verwaltungsverfahrensrecht hat in den letzten Jahren vor allem im Umweltrecht unter dem Stichwort „Europäisierung des Rechts“ neue Entwicklungsimpulse erhalten. Die Umweltpolitik der EG ist stärker verfahrensorientiert und beruht auf dem Konzept der informierten Öffentlichkeit. 28 Repräsentativ für diese Ansätze sind zum Beispiel die UVP-Richtlinie – noch verstärkt in der Form ihrer letzten Veränderung durch die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 29 – und die Umweltinformationsrichtlinie (UI-RL) 30. Im Vordergrund steht hier die Vorstellung der „Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts“ 31. Primärer Zweck ist demnach nicht ein vorgelagerter Individualrechtsschutz, sondern Bürger und Öffentlichkeit sollen durch Information und Beteiligung an Entscheidungsverfahren unmittelbar für den Umweltschutz sensibili26

Hierzu unter § 3 B. So weist Hufen, Fehler, Rn. 588 darauf hin, dass trotz der mittlerweile herrschenden Ablehnung der Formel der „einzig richtigen Entscheidung“ (vgl. dazu die Nachweise bei Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (454)) jedenfalls noch ein richtiges und gerechtes Ergebnis aufgrund der materiellen Rechtsordnung als feststehend angesehen wird. Insgesamt seien die „dienende Funktion“ des Verfahrens und der Vorrang des materiellen Rechts in Deutschland nie überwunden worden. 28 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 145 f.; derselbe / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 7 ff. 29 Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung 85/337/EWG v. 27. 06. 1985, ABlEG Nr. L 175, S. 540 zuletzt geändert durch die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG v. 26. 05. 2003, ABlEG Nr. L 156, S. 17. 30 Richtlinie v. 28. 01. 2003, ABlEG Nr. L 41, S. 26. Hier wird das Konzept der informierten Öffentlichkeit sogar verfahrensunabhängig verfolgt. Das bedeutet, dass jedermann ohne den Nachweis eines besonderen Interesses ein Recht auf Zugang zu Umweltinformationen hat, losgelöst von einem laufenden Verfahren. 31 So der Titel der Schrift von Masing. Dort insbesondere zum Informationskonzept der UVP-Richtlinie S. 23 ff. 27

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

siert und verantwortlich gemacht werden. Sie fungieren als Kontrollmedium, das den Normenvollzug der nationalen Verwaltung optimieren und effektuieren soll. 32 Aus diesem Grund gewährt das Gemeinschaftsrecht den Bürgern in möglichst weitem Umfang klagbare Rechtspositionen, mit denen sie vor den nationalen Gerichten die Beachtung des Gemeinschaftsrechts einfordern können. 33 Dieser prozedurale Ansatz des Gemeinschaftsrechts ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die EG nicht über eigene Instrumente zum Vollzug des Umweltrechts verfügt. 34 Mit der Aarhus-Konvention ist das Verfahrenskonzept der informierten Öffentlichkeit inzwischen auch ein wichtiges Instrument des Umweltvölkerrechts geworden. Durch die Umsetzung der europäischen Richtlinienvorgaben sind deren prozeduralen Konzepte in das deutsche Verwaltungsrecht importiert worden, was zu einer gewissen Stärkung des verfahrensrechtlichen Denkens geführt hat. Speziell durch die Einführung der UVP wurde der Aspekt der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ wieder deutlicher in den Vordergrund gestellt. Hier dient das Verfahren nicht nur der Durchsetzung anderweitig festgelegter inhaltlicher Umweltanforderungen, sondern der Schutz der Umwelt soll durch das Verfahren als solches bewirkt werden. Unter dem Blickwinkel der Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht sind auch die nationalen Fehlerfolgenregelungen erneut auf den Prüfstand geraten. So sieht eine Vielzahl von Stellungnahmen in der Literatur erhebliche Divergenzen zwischen den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Sanktionierung von verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakten und den nationalen Regelungen wie vor allem § 46 VwVfG. 35 Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die uneingeschränkte Anwendung der nationalen Unbeachtlichkeits-, 32

Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (860); Schröder, NVwZ 2006, S. 389 (393); Epiney, VVDStRL 61 (2002), S. 362 (391); Schoch, NVwZ 1999, S. 457 (461); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 145; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 19 ff. 33 Schröder, NVwZ 2006, S. 389 (390, 393); Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489 (492); Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (517); Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 37. 34 Hierzu Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 19 ff. 35 Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 17; Dörr, in: Sodan / Ziekow (Hrsg.), VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtschutz Rn. 237; Streinz, VVDStRL 61 (2002), S. 300 (329); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1291); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 ff.; Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrecht, S. 279 (299 f.); Voßkuhle, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349 (398 ff.); Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1007 f.); SchmidtAßmann / Ladenburger, Umweltverfahrensrecht, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003,

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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Heilungs- und Präklusionsvorschriften auf die Verfahrensvorgaben der EG dem gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot entspricht. 36 II. Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung Die stärkere Hervorhebung des Verfahrensrechts, die insbesondere durch die neusten Entwicklungen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene veranlasst wurde, scheint im Widerspruch zu der Beschleunigungsdiskussion zu stehen, die in Deutschland nach wie vor aktuell ist. 1. Die Beschleunigungsdebatte der 90er Jahre Die Verfahrensbeschleunigung war zunächst ein Thema der 90er Jahre. Politisch ging es um die Förderung des „Standorts Deutschlands“ – teilweise speziell mit Blick auf die neuen Bundesländer. In der global gewordenen Weltwirtschaft wurde das Verwaltungsverfahren zunehmend als Belastung angesehen. 37 Unternehmen beklagten, dass die lange Dauer von Genehmigungsverfahren ein Investitionshindernis darstelle, das der Planung und Durchführung lukrativer Projekte im Weg stehe. 38 Die sog. Beschleunigungsgesetze 39, die in dieser Zeit ergingen, verfolgten daher einen zügigeren Ablauf von in erster Linie umweltrechtlichen Genehmigungs- und Planungsverfahren. Als Mittel der Verfahrensbeschleunigung wurden unter anderem im VwVfG des Bundes die Vorschriften über die Unbeachtlichkeit und Heilung von Verfahrensfehlern (§§ 45 Abs. 2, 46 VwVfG) sowie die Präklusionsvorschriften (§§ 71d Abs. 2, 73 Abs. 3a, Abs. 4 S. 3, Abs. 6 Band I, § 18 Rn. 79 f.; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 236 f.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 13. 36 Siehe zu dieser Problematik § 5. 37 Vgl. den Bericht der Unabhängigen Expertenkommission zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, in: Bundesministerium für Wirtschaft (Hrsg.), Investitionsförderung durch flexible Genehmigungsverfahren, S. 22 Rn. 4. 38 Dass dies durch empirische Untersuchungen nicht bestätigt wird, betont: Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 8 sowie Martin, Heilung von Verfahrensfehlern, S. 165 f. 39 Zu den Beschleunigungsgesetzen zählen etwa das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz v. 16. 12. 1991 (BGBl. I S. 2174), das Planvereinfachungsgesetz v. 17. 12. 1993 (BGBl. I S. 2123), das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren (GenBeschlG) v. 12. 09. 1996 (BGBl. I S. 1354), das Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren v. 15. 10. 1996 (BGBl. I 1498) und das 6. Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (6. VwGO ÄndG) v. 01. 11. 1996 (BGBl. I 1626). Allgemein zur Beschleunigungsdiskussion: Krumsiek / Frenzen, DÖV 1995, S. 1013 ff.; Bullinger, Beschleunigte Genehmigungsverfahren für eilbedürftige Vorhaben; Rengeling (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

VwVfG) weiter ausgedehnt. Dies sollte die Aufrechterhaltung „sachlich richtiger“ Verwaltungsentscheidungen gewährleisten und die „dienende Funktion“ von Verwaltungsverfahren wieder stärker in den Vordergrund rücken. 40 Außerdem wurden vereinfachte Verfahrenstypen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung eingeführt, wie z. B. die Plangenehmigung (§ 74 Abs. 6 VwVfG). 41 Diese Gesetzgebung wurde und wird vor allem im Hinblick auf die verstärkte Relativierung von Verfahrensfehlern sowie die Erschwerung des Nachbar- und Drittschutzes überwiegend kritisch gesehen. 42 Sie habe eine Phase der „weitgehenden Verfahrensmarginalisierung“ eingeleitet, die bis in die Gegenwart hineinreiche. 43 Die aktuelle Ausgestaltung der Fehlerfolgenregelungen und der Präklusionsnormen ermuntere die Verwaltung regelrecht zu einem „laxen Umgang“ mit dem Verfahrensrecht. 44 Durch die unheilige Allianz von § 44a VwGO und § 46 VwVfG werde zudem eine gerichtliche Durchdringung verfahrensrechtlicher Probleme auf breiter Front verhindert, weshalb sich das Verwaltungsverfahrensrecht mit einem Rückgang seines Entwicklungspotenzials konfrontiert sehe. 45 2. Die aktuelle Beschleunigungsdiskussion Indes hat der Gesetzgeber die Beschleunigungsgesetzgebung in jüngster Zeit weiter fortgeschrieben. Neben einem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvor-

40 So die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetztes zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagenzulassungsverfahren, BT-Drs. 13/1445, S. 6. 41 Zu den Änderungen im Einzelnen Bonk, NVwZ 1997, S. 320 ff.; Stüer, DVBl. 1997, S. 326 ff.; Schmitz / Wessendorf , NVwZ 1996, S. 955 ff.; Püttner / Guckelberger, JuS 2001, S. 218 ff.; Engel / Sparwasser / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 6 ff.; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 55 f. 42 Kritisch: Berkemann, DVBl. 1998, S. 446 (448); Sodan, DVBl. 1999, S. 729 ff.; Niedobitek, DÖV 2000, S. 761 ff.; Erbguth, VVDStRL 61 (2001), S. 221 (254 ff.); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 86 ff.; Pünder, NuR 2005, S. 71 f.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (291 f.); Hoffmann-Riem, in: ders. / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 9 (46 f.); Hufen, Fehler, Rn. 5, 590; Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung, S. 340 ff.; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 55 f., 149. Positiv zum Ansatz der Beschleunigungsgesetzgebung: Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 ff.; Gerhardt, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 413 (421 f., 427); differenzierend: Storost, NVwZ 1998, S. 797 ff. 43 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (7). 44 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 8 mit Hinweis auf Bonk, BTAusschuss-Drs. 13/271, Teil III, S. 201 (210); in diesem Sinne auch Hufen, Fehler, Rn. 5. 45 Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (264).

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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haben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. 12. 2006 46 ist am 17. 12. 2006 das „Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben“ in Kraft getreten. 47 Die Bundesregierung hielt hier aufgrund der Anforderungen, die der am 01. 05. 2004 wesentlich erweiterte europäische Binnenmarkt an die Transparenz, Berechenbarkeit und Zügigkeit der Entscheidungsprozesse in der Verwaltung stellt, eine Änderung der bisher geltenden Vorschriften zur Planung des Baus und der Änderung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben für erforderlich. 48 Deutschland komme noch stärker als bisher die Rolle eines bevorzugten Standorts für Logistikdienstleister, Industrie und Mittelstand sowie eines Transitlandes zu und sei daher in besonderem Maße auf eine leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. Auch der Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz 49 empfehle eine Verbesserung der Effizienz von Planungsentscheidungen. 50 Das Gesetz hat die allgemeinen Vorschriften zum Planfeststellungsrecht im VwVfG formell nicht verändert. Jedoch schreiben die novellierten Vorschriften der Fachplanungsgesetze veränderte Maßgaben vor, nach denen die §§ 73 – 76 VwVfG nunmehr anzuwenden sind, was letztlich doch dazu führt, dass die allgemeinen Vorschriften überlagert werden. 51 Zur Vereinfachung und Beschleunigung von Planungsverfahren führt das Gesetz nunmehr auch für die Beteiligung von Naturschutz- und Umweltschutz46

BGBl. I S. 3316. Gesetz v. 09. 12. 2006 (BGBl. I S. 2833). Durch Art. 13 des Gesetzes wurde das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz außer Kraft gesetzt. 48 Das Gesetz nimmt eine Änderung des AEG, des BFStrG, des BWaStrG, des LuftVG, des MBPlG, des EnWG, des BNatSchG, der VwGO, des ROG, des BBergG und des FernstaßenausbauG vor. 49 BT-Drs. 15/2311. 50 Vgl. die Problem- und Zielbestimmungen im Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 04. 11. 2005 in BT-Drs. 16/54, S. 1. 51 Das Ziel, ein einheitliches Recht des Planfeststellungsverfahrens zu schaffen, wurde somit verfehlt. So weist auch der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung in seiner Beschlussempfehlung darauf hin, dass jede weitere Zersplitterung des Planfeststellungsrechts die Komplexität der Regelungen und damit ihre Fehleranfälligkeit erhöht, was mit der Gefahr von Verzögerungen im Verfahrensablauf verbunden ist. Um eine flächendeckende Änderung der Zulassungsverfahren zu gewährleisten, reiche aber eine Änderung des VwVfG des Bundes nicht aus. Vielfach erfolge die Planung durch Landesbehörden, womit die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder zur Anwendung kämen. Bund und Länder hätten sich zudem darauf verständigt, dass BVwVfG stets im Zusammenspiel mit den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu ändern. Dafür notwendig werdende 17 Gesetzgebungsverfahren ließen sich jedoch kurzfristig nicht bewerkstelligen. Angesichts des zu dem vorliegenden Gesetzesentwurfs mittlerweile erreichten Verfahrensstandes werde deshalb die Änderung der Fachplanungsgesetze anstelle des BVwVfG derzeit noch für vertretbar gehalten (vgl. BT-Drs. 16/3158, S. 28 f.). Vgl. hierzu auch Lecheler, DVBl. 2005, S. 1533 (1537). 47

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

vereinigungen eine Präklusionsfrist ein 52, verringert die Ermittlungspflicht der Behörden im Fall ortsabwesender Grundstückseigentümer 53, gleicht die Plangenehmigung in ihren Rechtswirkungen dem Planfeststellungsbeschluss an 54 und erweitert nach dem Vorbild des aufgehobenen Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des BVerwG für Klagen gegen bestimmte Vorhaben der Verkehrsinfrastruktur 55. Hervorzuheben ist außerdem, dass das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren der Anhörungsbehörde die Möglichkeit einräumt, auf die Durchführung einer Erörterung der Einwendungen, wie es in § 73 Abs. 6 VwVfG und § 9 Abs. 1 UVPG vorgesehen ist, zu verzichten. 56 Übereinstimmend mit den Beschleunigungsbestrebungen im Bereich der Planfeststellung wird der Erörterungstermin auch im „Gesetzesentwurf zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren“ in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt. 57 Des Weiteren sieht der Entwurf vor, die Anzahl der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen deutlich zu reduzieren. An diese Änderungen soll die Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben in der Anlage 1 des UVPG entsprechend ange-

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Vgl. § 18a Nr. 3 und 7 AEG n. F.; § 17a Nr. 3 und 7 FStrG n. F.; § 14a Nr. 3 und 7 WaStrG n. F.; § 10 Abs. 2 Nr. 3 und 6 LuftVG n. F.; § 2 Nr. 3 und 7 MBPlG n. F.; § 43a Nr. 3 und 7 EnWG n. F. 53 Vgl. § 18a Nr. 4 AEG n. F.; § 17a Nr. 4 FStrG n. F.; § 14a Nr. 4 WaStrG n. F.; § 10 Abs. 2 Nr. 2 LuftVG n. F.; § 2 Nr. 4 MBPlG n. F.; § 43a Nr. 4 EnWG n. F. 54 Vgl. § 18b Nr. 3 AEG n. F.; § 17b Nr. 3 FStrG n. F.; § 14b Nr. 3 WaStrG n. F.; § 2a Nr. 3 MBPlG n. F.; § 43b Nr. 3 EnWG n. F. 55 Die einschlägigen Vorhaben sind in den Anlagen der jeweiligen Fachgesetze aufgeführt. Zur Ausdehnung der erstinstanzlichen Zuständigkeit des BVerwG: Paetow, NVwZ 2007, S. 36 ff. Kritisch hierzu: Hien, DVBl. 2006, S. 350 (351); Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (864). 56 Vgl. § 18a Nr. 5 und 6 AEG n. F.; § 17a Nr. 5 und 6 FStrG n. F.; § 14a Nr. 5 und 6 WaStrG n. F.; § 10 Abs. 2 Nr. 6 LuftVG n. F.; § 2 Nr. 5 und 6 MBPlG n. F.; § 43a Nr. 5 und 6 EnWG n. F. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung hatte eine solche Verzichtsmöglichkeit nur in bestimmten, wenig konfliktreichen Fälle vorgesehen (Verzicht, wenn keine fristgerechten Einwendungen oder Stellungnahmen eingegangen sind oder wenn nach der Vorankündigung, auf den Termin verzichten zu wollen, kein Einspruch erfolgt, BT-Drs. 16/54 S. 5). In der endgültigen Gesetzesfassung wurde aber letztlich der Vorschlag des Bundesrates übernommen, wonach die Durchführung des Erörterungstermins stets ins pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt sein soll, BT-Drs. 16/1338, S. 23. Begründet wird dies in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung damit, dass noch weitere Fälle denkbar seien, in denen ein Verzicht vertretbar sei und auch sinnvoll erscheine, beispielsweise wenn absehbar sei, dass der Erörterungstermin seiner Befriedungsfunktion nicht gerecht werden könne, BT-Drs. 13/3158, S. 38. Hierzu Guckelberger, DÖV 2006, S. 97 ff. 57 Gesetzesentwurf des Bundesrats v. 26. 04. 2006, BT-Drs. 16/1337, S. 5.

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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passt werden. 58 Ziel des Gesetzesentwurfs ist es, eine spürbare Entlastung der Industrie und der Landwirtschaft im Bereich immissionsschutzrechtlicher Anforderungen zu erreichen, um Freiräume für ein wirtschaftliches Engagement in Deutschland zu schaffen. 59 Die neuen Beschleunigungsgesetze und Gesetzesvorhaben straffen und vereinfachen unter anderem die Beteiligung der Öffentlichkeit und der Betroffenen. Sie stehen insofern im Widerspruch zu der neueren gemeinschaftsrechtlichen Entwicklung, das Verwaltungsverfahren durch eine verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit aufzuwerten. 60 Allerdings ist nicht jede Vereinfachung des Verfahrensrechts zwangsläufig im Sinne einer Diskreditierung desselben zu verstehen. So kann ein klares, einheitliches und möglichst sicher handhabbares Verfahrensrecht auch helfen, die Bedeutung des Verfahrensrechts zu steigern. 61 Natürlich muss ebenso gewährleistet sein, dass eine Verletzung von wichtigen verfahrensprägenden Vorschriften nicht ohne Folgen bleibt. Eine einheitliche Bewertung der Beschleunigungsvorschriften ist jedenfalls schwer möglich. Die jüngsten empirischen Untersuchungen zur Dauer von Zulassungsverfahren im Immissionsschutz-, Wasser- und Baurecht gelangen zu einem positiven Ergebnis der Beschleunigungsgesetzgebung. 62 Die Öffentlichkeitsbeteiligung hat sich im Rahmen dieser Analyse aber gerade als unbedeutender Verzögerungsfaktor herausgestellt. 63

C. Das Verhältnis von Verwaltungs- und Gerichtsverfahren I. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte Die Frage nach der Kontrolldichte im Verwaltungsprozess betrifft die Tiefe, mit der das Gericht nachprüft, ob die beanstandete Rechtsverletzung seitens einer Behörde vorliegt. In Deutschland steht hierbei die Sicherung individuel58

Vgl. Art. 2 und 3 des Gesetzesentwurfs in BT-Drs. 16/1337, S. 5 ff. BT-Drs. 16/1337, S. 1. 60 Hierauf verweist auch der Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der zu dem Gesetzesentwurf eingebracht wurde, nachzulesen in BT-Drs. 16/3158, S. 34. Kritisch zum Abbau der Öffentlichkeitsbeteiligung insgesamt Pünder, NuR 2005, S. 71 ff. 61 Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (864); Schmidt-Aßmann, NVwZ 2007, S. 40 (44), weist darauf hin, dass Verfahrensverzögerungen kein Selbstwert seien und keinen besseren Umwelt- oder Verbraucherschutz bewirken. 62 Ziekow / Oertel / Windoffer, Dauer von Zulassungsverfahren, S. 342 ff. Danach hat sich zwischen 1990 und 1999 die durchschnittliche Verfahrensdauer im Wasserrecht um 73 % verkürzt, im Immissionsschutzrecht um 45 % und im Baurecht um 34 %. 63 Ziekow / Oertel / Windoffer, Dauer von Zulassungsverfahren, S. 330, 335. 59

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

ler Rechte im Vordergrund und weniger die objektive Rechtmäßigkeitskontrolle des Verwaltungshandelns. Verfassungsrechtliche Grundlage ist Art. 19 Abs. 4 GG, der nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG nicht nur garantiert, dass überhaupt ein Gericht angerufen werden kann, sondern darüber hinaus eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle gewährleistet. 64 Der Einzelne hat grundsätzlich einen Anspruch auf vollständige – auch die Beurteilungsgrundlagen umfassende – Nachprüfung der angefochtenen Maßnahme in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. 65 Eine Bindung der Gerichte an die von der Exekutive getroffenen Feststellungen und Wertungen ist dem Grundgesetz fremd. 66 Die Grundentscheidung zur umfassenden Gerichtskontrolle ist in Deutschland vor allem in Reaktion auf die Zeit des Nationalsozialismus besonders ausgeformt worden. 67 So war die Entwicklung des Öffentlichen Rechts in der ersten Phase des bundesrepublikanischen Rechtsstaates von einem großen Misstrauen gegenüber der Exekutive und einem hohen Vertrauen in die Justiz und die rechtsstaatliche Kontrolle geprägt. 68 Im Vordergrund stand die Etablierung von Prinzipien der Rechtsbindung und der Rechtsgebundenheit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), während Ermessens- und Gestaltungsspielräume der Verwaltung in den Hintergrund gedrängt wurden. 69 Die Bestimmung der Kontrolldichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit mündet also im Prinzip in der Frage, wie man den Verantwortungs- und Aufgaben64

BVerfGE 96, 27 (39); E 101, 106 (122); E 101, 397 (407). BVerfGE 101, 106 (123); E 101, 397 (407); E 103, 142 (156). 66 BVerfGE 101, 106 (123). 67 So weist Schmidt-Aßmann, in: Schoch / derselbe / Pietzner, VwGO, 14. Ergänzungslieferung 2007, Einleitung Rn. 59, ausdrücklich darauf hin, dass die deutliche Ausrichtung des politischen Prozesses an Formen richterlicher Konfliktschlichtung eine Konstante der deutschen Verfassungsentwicklung darstellt, die nicht erst 1949 mit dem Grundgesetz kam. Sie sei dort aber besonders sorgfältig ausgeformt und bewusst intensiviert worden. Ebenso Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 (513). 68 Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 (513); Breuer, AöR 127 (2002), S. 523 (528 f.); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (4), der noch zugespitzter von einem „fast grenzenlosen Misstrauen gegenüber einer entfesselten Exekutive, gepaart mit einem fast grenzenlosen Vertrauen in eine bis zum Mythos stilisierte Unabhängigkeit der Justiz“ spricht; Berg, in: Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, S. 1015 (1020). 69 Einer stärkeren rechtlichen Bindung des Verwaltungshandelns dient auch die schwerpunktmäßige Ausrichtung des deutschen Umweltrechts an der konditionalen Normstruktur nach dem „Wenn-Dann-Schema“: Wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, sind die Handlungsmöglichkeiten der Behörde entweder verpflichtend oder nach Ermessen eröffnet. Im Gegensatz dazu steht die finale Rechtssetzung, die der Verwaltung einen größeren Handlungsspielraum eröffnet, indem sie Handlungsaufträge, Ziele und Gesichtspunkte der Verwaltungsentscheidung festlegt. Die konditionale Normstruktur ist besonders geeignet, die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs und die Entlastung der Verwaltung von politischem Druck zu gewährleisten. Eingehend hierzu Breuer, AöR 127 (2002), S. 523 (527 ff., 533); Hansmann, NVwZ 2006, S. 51 (52 f.); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Viertes Kapitel Rn. 30. 65

§ 1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland

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bereich zwischen Judikative und Exekutive abgrenzt und welcher von diesen beiden Gewalten man die Letztentscheidungskompetenz zusprechen möchte. In Deutschland wurde diese Frage zugunsten der Gerichtsbarkeit entschieden. Da sich jede Rücknahme der gerichtlichen Kontrolldichte als Eingriff in den effektiven Schutzbereich von Art. 19 Abs. 4 GG darstellt, kann nur der Gesetzgeber die prinzipielle Zuweisung der Prüfungskompetenz an die Gerichte durchbrechen und für einzelne Rechtsnormen oder für einzelne Tatbestandsmerkmale von Rechtsnormen die Letztentscheidungskompetenz der Verwaltung übertragen (sog. normative Ermächtigungslehre) 70. Gerichtliche Kontrolle endet deshalb dort, wo das materielle Recht der Exekutive in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür bestimmte Vorgaben zu enthalten, oder wo der Exekutive ein eigenverantwortlicher Bereich der Tatsachenermittlung und -bewertung zugestanden wird. 71 Eine Verringerung der Kontrolldichte durch die Eröffnung von Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräumen seitens des Gesetzgebers ist also möglich. 72 Allerdings muss dies den jeweiligen Rechtsvorschriften zumindest konkludent entnommen werden können. Allein aus der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, der Komplexität oder dem Prognosegehalt einer Entscheidung kann noch nicht auf eine Übertragung der Letztentscheidungskompetenz geschlossen werden. 73 Die Anerkennung solcher Spielräume auf der Tatbestandsseite in Form von Beurteilungsspielräumen 74 ist daher nach wie vor die Ausnahme im deutschen Verwaltungs70 BVerwGE 62, 86 (97 f.); E 88, 49 (45); E 94, 307 (309); E 100, 221 (225 f.). Grundlegend zur normativen Ermächtigungslehre: Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (410 ff.); Badura, in: FS für Bachof, S. 169 (184 ff.); Ramsauer, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 699 (706 f.). Zur Kritik an der Ermächtigungslehre: Jestaedt, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 10 Rn. 34 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, Einleitung Rn. 189. 71 BVerfGE 88, 40 (61); E 103, 142 (156 f.); BVerwGE 85, 368 (379). 72 BVerfGE 103, 142 (157); BVerwGE 106, 263 (267); E 106, 318 (319); E 116, 188 (191); E 120, 227 (231f.). 73 BVerfGE 103, 142 (157); BVerwGE 94, 307 (309 f.); E 100, 221 (225 f.); abweichend wohl BVerwGE 106, 263 (267): „Die gerichtliche Kontrolle stößt an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung, wenn der gesetzliche Tatbestand Bewertungen oder Prognosen voraussetzt, die exakter tatsächlicher und rechtlicher Kenntnis nicht zugänglich sind“. Vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG-Kommentar, Bd. 1, 2. Auflage 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 125. Eine Zusammenstellung der Kriterien für eine Gesetzesauslegung findet sich bei Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rn. 58. 74 Die Unterscheidung von Beurteilungsspielraum und Ermessen basiert auf der Entgegensetzung von Tatbestand und Rechtsfolge. Während das Ermessen auf der Rechtsfolgenseite erscheint, sind die unbestimmten Rechtsbegriffe und der Beurteilungsspielraum Probleme des gesetzlichen Tatbestandes. Vgl. zu dieser Differenzierung ausführlich Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7 ff., 31 ff. Kritisch gegenüber dieser Zweiteilung: Jestaedt, in Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 10 Rn. 12 ff.; hingegen für ein Festhalten an dieser Unterscheidung: Gerhardt, in:

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

recht. 75 Ausdrückliche gesetzliche Zuweisungen sucht man hier fast vergebens. 76 Trotz der Erkenntnis, dass die Verwaltungsgerichte immer mehr an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen, wenn sie den Versuch unternehmen, in naturwissenschaftlichen, medizinischen, technischen oder ökonomischen Problembereichen Letztentscheidungen zu treffen 77, wird an der bisherigen Funktionszuweisung zwischen Judikative und Exekutive weitgehend festgehalten. Fehlt es aber an der Zuweisung eines Entscheidungsspielraums, handelt es sich ungeachtet der Bestimmtheit oder Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale um „striktes Recht“, dessen Anwendung vollen Umfangs in den Kompetenzbereich der Gerichte fällt. II. Die Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren Die weitreichende Letztentscheidungskompetenz der Gerichte bleibt nicht ohne Auswirkungen auf die Bedeutung des Verwaltungsverfahrens. Zur Verdeutlichung muss man sich in Erinnerung rufen, dass die gerichtliche Kontrolle an der subjektiven Rechtsverletzung des einzelnen Bürgers orientiert ist. Subjektive Rechte werden hierzulande jedoch überwiegend durch materielle Normen vermittelt. 78 Bezugspunkt der umfassenden gerichtlichen Kontrolle ist daher das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung bzw. dessen Übereinstimmung mit dem materiellen Recht. Im Anwendungsbereich des „strikten Rechts“ erfolgt eine gerichtliche Überprüfung dann in der Weise, dass die Gerichte nach eigener Aufklärung und Ermittlung (vgl. § 86 VwGO) selbst eine Entscheidung treffen und diese anschließend mit derjenigen der Verwaltung vergleichen. Diese von den deutschen Verwaltungsgerichten geübte Praxis der „Kontrolle durch Selbstentscheidung“ ist in Europa fast einzigartig. 79 Die Verfahrensweise der Verwaltung wird gewisser-

Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rn. 56; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 55 ff. 75 Eine Zusammenstellung von Entscheidungen, in denen ein behördlicher Beurteilungsspielraum geprüft, im Ergebnis jedoch verneint wurde, findet sich bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 35. 76 Z. B. § 71 Abs. 5 S. 2 GWB. 77 Hierzu Ramsauer, Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 699 (716 f.). 78 Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 75. 79 Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (858); vgl. hierzu die ausführliche rechtsvergleichende Untersuchung von Frowein (Hrsg.), Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung; Schwarze / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Das Ausmaß der gerichtlichen Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrecht; speziell für den Bereich des Umweltrechts Epiney / Sollberger, Zugang zu den Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht 2002, S. 29 ff.; Böhm, DÖV 2000, S. 990.

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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maßen gar nicht kontrolliert, sondern durch das gerichtliche Verfahren ersetzt. 80 Konsequenterweise spielen Fehler im Verwaltungsverfahren keine große Rolle. Sie „verschwinden“ 81 in der richtigen Sachentscheidung, die sich vor allem durch ihre materielle Rechtmäßigkeit definiert und bleiben dementsprechend ohne Sanktion. Selbst wenn ein Verfahrensfehler auf Verwaltungsebene für ein inhaltlich unzutreffendes Ergebnis ursächlich geworden ist, tritt er in der Situation der gerichtlichen Überprüfung nur in Form der materiellen Rechtswidrigkeit der Entscheidung in Erscheinung. In diesem Fall führt er – mittelbar – zur Aufhebung der materiell fehlerhaften Verwaltungsentscheidung. 82 Eigenständige Relevanz erlangt der Verfahrensfehler und die Frage nach seiner Auswirkung auf die Sachentscheidung hingegen erst, wenn der Verwaltung administrative Spielräume eingeräumt sind, so dass die Gerichte die materielle Frage nicht selbständig beurteilen können. Erst dann muss das Gericht untersuchen, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruht, womit die Verwaltungsentscheidung selbst und ihr Zustandekommen bzw. die behördliche Willensbildung Gegenstand der Kontrolle werden. Das Verwaltungsverfahren spielt eine gewichtigere Rolle. Allein der Verstoß gegen eine Bestimmung des Verfahrensrechts führt aber auch hier nicht zu einer Aufhebung der Sachentscheidung, solange auch bei einem fehlerfreien Verfahren kein anderes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. 83 Bezugspunkt der Überprüfung bleibt also das Entscheidungsergebnis (vgl. § 46 VwVfG). Die deutsche Vorstellung von der „dienenden Funktion“ des Verwaltungsverfahrensrechts manifestiert sich somit in einer weitgehenden Kontrolldichte in materieller Hinsicht. Je größer die Kontrolldichte, desto geringer ist der Eigenwert des Verwaltungsverfahrens. Umgekehrt muss die „Rechtswahrungsfunktion“ des Verwaltungsverfahrens wieder deutlicher in den Vordergrund gestellt werden, je stärker die Kontrolldichte zurückgenommen wird. 84

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern Unerlässliche Voraussetzung dafür, dass ein Verstoß gegen Verfahrensanforderungen festgestellt und seine Nichtbeachtung sanktioniert werden kann, ist, 80

Wahl, NVwZ 1991, S. 409 (415); Classen, NJW 1995, S. 2457 (2461); Huber, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Kommentar zum GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4 Rn. 506; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorbemerkung § 113 Rn. 19. 81 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (222). 82 Ramsauer, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 699 (712). 83 Zur Ausnahme der absoluten Verfahrensrechte § 2 C. I. 84 Sparwasser, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 1017 (1032); Franßen, DVBl. 1998, S. 413 (420 f.); vgl. auch Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorbemerkung § 113 Rn. 19 f.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

dass den von einem Projekt betroffenen Personen die Möglichkeit eröffnet wird, gegen einen Verfahrensfehler oder gegen ein unterlassenes Verfahren insgesamt gerichtlich vorzugehen. Im Folgenden gilt es daher zu klären, unter welchen Voraussetzung dies möglich ist.

A. Kein isolierter Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen gemäß § 44a VwGO Die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen bei einem Verstoß gegen Verfahrensvorschriften ist zunächst durch die Vorschrift des § 44a S. 1 VwGO beschränkt. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass Verfahrensfehler lediglich im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung inzident kontrolliert werden. Die Vorschrift gilt entgegen dem Wortlaut („gegen behördliche Verfahrenshandlungen“) nicht nur für Anfechtungsklagen, sondern auch für Verpflichtungs-, Leistungs-, Unterlassungs- oder Feststellungsklagen einschließlich des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens. 85 Damit ist ein isolierter Rechtsschutz gegen oder auf bestimmte behördliche Verfahrenshandlungen jeglicher Rechtsnatur 86 innerhalb eines laufenden Verwaltungsverfahrens grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme gilt gemäß § 44a S. 2 VwGO nur dann, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen. § 44a VwGO soll in erster Linie Verfahrensverzögerungen entgegenwirken und verhindern, dass die Gerichte mit Streitfällen befasst werden, obwohl noch offen ist, ob die Betroffenen durch das Ergebnis des Verfahrens in der Sache beschwert bzw. in ihren Rechten verletzt werden. 87 Die Vorschrift bringt insofern die allgemeine Tendenz des deutschen Verwaltungsrechts zum Ausdruck, Verfahrensfehlern nur dann Bedeutung beizumessen, wenn sie sich auf die ma85 Nachweise aus der Rechtsprechung bei Ziekow, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 20; Kopp / Schenke, VwGO, § 44a Rn. 4; Hufen, Verwaltungsprozessordnung, § 23 Rn. 19; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26. Ebenfalls von § 44a S. 1 VwGO erfasst sind Anträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO: Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, § 10 Rn. 335; Stelkens, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 20; Kopp / Schenke, VwGO, § 44a Rn. 4; Ziekow, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 20. 86 So die überwiegende Ansicht, weshalb § 44a VwGO auch auf vorbereitende Verfahrenshandlungen anwendbar ist, die selbst Verwaltungsakte sind: Stelkens, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 16; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 23 Rn. 19; Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 38 Rn. 32. 87 Kopp / Schenke, VwGO, § 44a Rn. 1; Ziekow, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 4; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26.

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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teriell-rechtliche Entscheidung ausgewirkt haben können. Der nachträgliche verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz wird gegenüber dem verfahrensbegleitenden Rechtsschutz aus prozessökonomischen Erwägungen als vorrangig angeordnet. 88 Dadurch wird gleichzeitig die Verfahrensherrschaft der Behörden vor Abschluss des Verfahrens gesichert und die Mehrspurigkeit von Verwaltungsprozessen vermieden. 89 Die gesetzgeberischen Motive für die Vorschrift erscheinen durchaus einleuchtend, sind aber dennoch immer wieder kritisiert worden. Vor allen Dingen wird die primär beabsichtigte Beschleunigungsfunktion der Regelung in Zweifel gezogen. So wird darauf hingewiesen, dass gerade eine möglichst frühzeitige gerichtliche Klärung von Verfahrensfragen eine effizienzsichernde Wirkung erzielen kann, während § 44a VwGO bewirke, dass Verfahrensfehler bis zum Verwaltungsprozess in der Hauptsache „gespeichert“ würden. 90 Dies führe zu der, insbesondere bei komplexen Großverfahren eigentlich unerwünschten Folge, dass allein wegen eines Verfahrensfehlers, der noch während des Verwaltungsverfahrens hätte geklärt werden können, das ganze Verfahren neu aufgerollt werden muss. 91 Weitere Probleme ergeben sich im Hinblick auf das Zusammenspiel von § 44a VwGO mit der Regelung des § 46 VwVfG (Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern). Beide Vorschriften rücken die „dienende Funktion“ des Verfahrens in den Vordergrund. Nicht die Richtigkeit des Entscheidungsprozesses, sondern das materiell zutreffende Entscheidungsergebnis ist alleine maßgebend. Bei einer kombinierten Anwendung dieser beiden Regelungen kann es vorkommen, dass eine isolierte Überprüfung der Verfahrenshandlungen gemäß § 44a VwGO während des noch laufenden Verwaltungsverfahrens unzulässig ist und sich in der nachträglichen Kontrolle ergibt, dass ein Verfahrensfehler zwar vorlag, dieser aber gemäß § 46 VwVfG letztlich für unbeachtlich erklärt wird. Damit wird im Prinzip jegliche gerichtliche Sanktion in Bezug auf den Verfahrensverstoß ausgeschlossen. Aus diesem Grund wird eine restriktive und am Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) orientierte Auslegung des § 44a VwGO gefordert, um seine verfassungskonforme Anwendung zu gewährleisten. 92 Zudem 88 Ob die Anordnung des § 44a VwGO, vorrangig einen repressiven statt eines präventiven verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, einem allgemeinen Grundsatz der Prozessökonomie entspringt, ist strittig. Dazu: Stelkens, in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 4; Kopp / Schenke, VwGO, § 44a Rn. 1; Ziekow, in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 44a Rn. 5. 89 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 23 Rn. 18. 90 So Hufen, Fehler, Rn. 634; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (180 ff.); Stelkens, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 44a Rn. 4 m.w. N. 91 Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (181); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (226); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 26. 92 Hufen, Fehler Rn. 635; Wahl, VVDStRL 41 (1983), S. 151 (181); Kopp / Schenke, VwGO, § 44a Rn. 1; Geiger, in: Eyermann, VwGO, § 44a Rn. 16.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

wird die „unheilige Allianz von § 44a VwGO und § 46 VwVfG“ 93 im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht kritisch gesehen. Aufgrund des „effet utile“ sei es unerlässlich, dass die Verfahrensrechte gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs in Deutschland auch verwaltungsprozessual durchsetzbar sind. 94

B. Allgemeines zur Klagebefugnis Dritter I. Die Voraussetzungen des Drittschutzes Das deutsche Rechtsschutzmodell beruht bekanntlich auf der Systementscheidung für den subjektiven Rechtsschutz. 95 Nach § 42 Abs. 2 VwGO kann im Verwaltungsprozess ein Dritter nur dann in zulässiger Weise das Gericht anrufen, wenn er die Verletzung eigener Rechte geltend macht (individuelle Verletztenklage). Es muss also ein subjektiv-öffentliches Recht vorliegen, auf dessen Verletzung sich der Kläger berufen kann. Ein solches ist nach der herrschenden Schutznormtheorie zu bejahen, wenn eine Vorschrift nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Schutz einzelner – Dritter – zu dienen bestimmt ist. 96 Ob dies der der Fall ist, ist eine Frage der Auslegung. 97 Im Fachplanungsrecht kann sich der drittschützende Gehalt einer Vorschrift zum Beispiel aus ihrer Konfliktausgleichsfunktion zwischen Vorhabenträger und Drittbetroffenen ergeben. 98 Für die Annahme einer drittschützenden Wirkung muss die fragliche Norm keinen bestimmten, d. h. klar abgegrenzten Kreis von Betroffenen benennen. Ausreichend ist, dass aufgrund der individualisierenden Tatbestandsmerkmale der Vorschrift ein Personenkreis erkennbar wird, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet. 99 Handelt es sich um Rechtsnormen, die in Umsetzung einer EU-Richtlinie erlassen wurden, sind auch die Erwägungsgründe der umzusetzenden Richtlinie zur Auslegung mit heranzuziehen. 100 Fragt man also nach dem Rechtsschutz Dritter bei unterbliebener UVP, so sind nicht nur die innerdeutschen UVP-Vorschriften 93

So Ziekow, NVwZ 2005, S. 263. Vgl. hierzu § 5 A. 95 Ausdruck dieser Systementscheidung sind insbesondere Art. 19 Abs. 1 GG, §§ 42 Abs. 2, 47 Abs. 2, 113 VwGO; dazu genauer Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 5 ff. 96 BVerwGE 82, 343 (344); E 92 313 (317); Schenke, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 495 ff.; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 96 f.; Sauthoff, BauR 2000, S. 195 (198). 97 Erbguth / Schink, UVPG, 2. Auflage 1996, Einleitung Rn. 117; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 498; Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 83. 98 Sauthoff , BauR 2000, S. 195 (199). 99 BVerwG, DÖV 1987, S. 296 (297); Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 84. 94

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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zu würdigen, sondern auch die Regelung der europäischen UVP-Richtlinie 85/ 337/EWG sowie insbesondere deren Änderungen und Ergänzungen durch die Richtlinie 2003/35/EG. II. Das Recht auf gerechte Abwägung Von besonderer Bedeutung für den Drittschutz ist das Abwägungsgebot. Es folgt aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung und gilt daher für alle Planfeststellungen, d. h. unabhängig von einer gesetzlichen Normierung in den Vorschriften des Fachplanungsrechts. 101 Das Abwägungsgebot räumt dem von der Planung Betroffenen ein subjektiv öffentliches Recht auf eine gerechte Abwägung seiner Belange mit den für das Vorhaben streitenden Belangen ein. 102 Nach der Rechtsprechung werden hiervon auch solche Privatbelange erfasst, die von der Rechtsordnung nicht zu subjektiven Rechtspositionen ausgeformt, aber als abwägungserheblicher Belang gleichwohl von der Planfeststellungsbehörde zu berücksichtigen sind. 103 Dazu gehören alle mehr als geringfügigen schutzwürdigen Interessen der Anlieger. 104 Für die Klagebefugnis bzw. das subjektive Recht auf gerechte Abwägung kommt es also nur darauf an, ob der Planbetroffene einen eigenen schützenswerten Belang geltend machen kann, unanhängig von seiner subjektiv-rechtlichen Relevanz. 105

100 Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 152; Frenz, DVBl. 1995, S. 408 ff.; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 531b. 101 BVerwGE 48, 56 (63); E 56, 110 (122); E 61, 295 (301); BVerwG, UPR 2000, S. 460 (462). 102 BVerwGE 48, 56 (66), „B 42-Urteil“; E 87, 332 (342); E 107, 215 (218). 103 BVerwGE 82, 246 (250.); E 87, 332 (341); E 107, 215 (216); BVerwG, NVwZ 1988, S. 363; BVerwG, NVwZ 1989, S. 151; BVerwG, NVwZ 1993, S. 477 (479); BVerwG, UPR 1996, S. 353 (355); BVerwG, UPR 1997, S. 149 (150). 104 BVerwG, DÖV 1984, 426 (427); BVerwG, NVwZ 1988, 363; BVerwG, NVwZ 1989, 151; BVerwG, NVwZ 1990, 1165 f.; BVerwG, UPR 1996, 353 (355); BVerwG, UPR 1997, 149 (150). 105 Gegen diese weite Gewährung des Drittschutzes aus dem Abwägungsgebot werden in der Literatur starke Bedenken erhoben. Über den „Umweg“ des Rechts auf gerechte Abwägung würden einfache Belange zu subjektiven Rechtspositionen aufgewertet, was letztlich zu einer Unterwanderung der Hürden der §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 VwGO führe. Der Anspruch auf gerechte Abwägung jeglichen Interesses würde die Anfechtungsklage gegen Planfeststellungsbeschlüsse zur Interessentenklage machen. Vgl. hierzu Schechinger, DVBl. 1991, S. 1182 (1187 ff.); Schütz, NVwZ 1999, S. 929; derselbe, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 874; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 257; Gaentzsch, in: FS für Schlichter, S. 517 (526); Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 599 (607); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 45.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

Allerdings ist das Recht auf eine Abwägung inhaltlich dahingehend begrenzt, dass der Kläger nur eine gerechte Abwägung seiner eigenen Belange mit den für das Vorhaben streitenden Belangen soll verlangen dürfen. Er soll keinen Anspruch darauf haben, dass die Belange anderer Beteiligter gerecht abgewogen werden oder das die Planung insgesamt in jeder Hinsicht auf einer fehlerfreien Abwägung beruht. 106 Diese sektorale Beschränkung der Abwägungskontrolle gilt nunmehr nur noch für die mittelbar Planbetroffenen. Im Unterschied dazu steht denjenigen Betroffenen, deren Eigentum für die Anlage in Anspruch genommen werden soll – den Enteignungsbetroffenen – ein voller Überprüfungsanspruch zu. 107 Diese in der Rechtsprechung getroffene Differenzierung zwischen Enteignungsbetroffenen und sonstigen Betroffenen stößt in der Literatur vielfach auf Kritik. 108 Dabei wird insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beschränkung der Abwägung auf lediglich eigene Belange mit den für das Vorhaben streitenden Belangen die Struktur des planerischen Abwägens verkenne. 109 Die Abwägung finde nicht in einer zweipoligen Beziehung statt, sondern umfasse eine Gesamtbetrachtung der vielschichtigen öffentlichen und privaten Interessen, die im Ergebnis zu einer Saldierung der verschiedenen gegen und für das Vorhaben sprechenden Belange führe. 110

Diese Kritik hat das BVerwG in seinem Urteil vom 24. 09. 1998, BVerwGE 107, 215 (221) zurückgewiesen. Ein privater Belang, der in der Abwägung zu berücksichtigen sei, werde durch den drittschützenden Charakter des Abwägungsgebots nicht selbst zum subjektiven Recht. Der Private habe lediglich ein subjektives Recht darauf, dass sein Belang in der Abwägung seinem Gewicht entsprechend „abgearbeitet“ wird. Der Rechtsprechung zustimmend: Sauthoff , BauR 2000, S. 195 (216); Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 171. 106 BVerwGE 48, 56 (66), „B 42-Urteil“; E 87, 332 (342); E 107, 215 (219); BVerwG, DÖV 1984, S. 426 (427). 107 Die Rechtsprechung hat am Fernstraßenrecht die grundsätzlich unterschiedliche Stellung des Enteignungsbetroffenen gegenüber den sonstigen Betroffenen entwickelt, die sich später auch im Bereich anderer Fachplanungen durgesetzt hat. BVerwGE 67, 74 (77); BVerwG, UPR 1983, S. 310 zum Straßenrecht; BVerwGE 69, 256 (270 f.) zum LuftVG; BVerwGE 72, 15 (25 ff.) zum WaStrG; BVerwGE 98, 339 (362); BVerwGE 100, 238 (240) zum UVPG; BVerwG, NVwZ-RR 1989, S. 241; VGH BW, UPR 1984, S. 308 zum Abfallrecht; BVerwG; NVwZ 1991, S. 781 (784) zum BBahnG. 108 Kritisch: Sauthoff , BauR 2000, S. 195 (216); Wahl / Schütz, in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 256, 259; Wahl, NVwZ 1990, S. 923 (925); Steinber / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 49; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 874; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 56. 109 Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 874; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 256. 110 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 56; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 16 m.w. N.

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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Zwar zählt das Abwägungsgebot zu den materiell-rechtlichen Anforderungen an die Planung 111, weshalb behördliche Abwägungsfehler als materielle Mängel einer fehlerhaften Planung grundsätzlich von den hier zu behandelnden Verfahrensfehlern zu unterscheiden sind. Allerdings können Verfahrensfehler zu Ermittlungs- oder Bewertungsdefiziten im Rahmen der Abwägung führen und dadurch auch inhaltliche Konsequenzen haben, indem sie auf das Ergebnis durchschlagen. 112 Es kann insofern ein Zusammenhang zwischen Verfahrensfehlern und daraus resultierenden materiellen Abwägungsmängeln bestehen. Das subjektive Recht auf gerechte Abwägung kann daher unter bestimmten Voraussetzungen auch auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützt werden. 113

C. Verfahrensvorschriften als subjektive Rechte § 42 Abs. 2 VwGO geht grundsätzlich vom Bild der materiellen Verletztenklage aus, wonach der Kläger die Möglichkeit einer Verletzung materiell-rechtlicher Rechtspositionen dartun muss. Damit stellt sich das Problem, ob Verfahrensregeln überhaupt ein subjektiv-öffentliches Recht vermitteln können. Hier sind nach der neueren Rechtsprechung zwei Arten von potenziell klagebegründenden Verfahrensrechten zu unterscheiden. I. Absolute Verfahrensrechte Die sog. „absoluten Verfahrensrechte“ gewähren dem Kläger unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition. 114 Soweit ein solches absolutes Verfahrensrecht vorliegt, genügt für die Klagebefugnis die Möglichkeit der Verletzung dieses Rechts. 115 Stellt sich im Rahmen der Begründetheitsprüfung heraus, dass tatsächlich ein Verfahrensverstoß vorliegt, ist die Entscheidung allein deswegen aufzuheben, ohne Rücksicht darauf, ob sich der Fehler auf eine materielle Rechtsposition des 111 BVerwGE 74, 47 (49 f.); BVerwG, DVBl. 1992, S. 574 (575); Kupfer, DV 38 (2005), S. 493 (500); Erbguth, DVBl. 2004, S. 802 (807 f.). 112 Hufen, Fehler, Rn. 509, weist darauf hin, dass besonders bei Abwägungs- und Ermessensentscheidungen bestimmten Verfahrensfehlern häufig eine „Indizwirkung“ im Hinblick auf Ermessens- und Abwägungsdefizite zukommt. 113 Dazu unter § 2 C. III. 114 Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73; Dolde, NVwZ 1991, S. 960 (961); Hufen, Fehler, Rn. 545; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 502; BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240) unter Verweis auf BVerwGE 41, 58 (64 f.) und BVerwGE 44, 235 (239 f.). 115 Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 465 f.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

Klägers ausgewirkt hat. 116 Das absolute Verfahrensrecht zeichnet sich insofern dadurch aus, dass die Vorschrift des § 46 VwVfG keine Anwendung findet. 117 Für die Bestimmung einer selbständig durchsetzbaren Rechtsposition stellt die Rechtsprechung nicht auf die Art und Beschaffenheit des jeweiligen materiellen Rechts ab, auf das sich das vorgeschriebene Verwaltungsverfahren bezieht, sondern allein auf die Zielrichtung und den Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst. 118 Die isolierte Auslegung der in Rede stehenden Regelung muss ergeben, dass der ihr zugrunde liegende Schutzzweck gerade in der Wahrung des Verfahrensrechts selbst liegt und erkennbar wird, „dass ein am Verfahren zu beteiligender Dritter unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, das heißt ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung bzw. den Erlass einer verfahrensrechtlich gebotenen behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können“ 119. Es erfolgt eine Abkoppelung des Verfahrensrechts von möglichen Auswirkungen auf materielle Rechte Dritter. 120 Eine absolute Verfahrensvorschrift wird von der Rechtsprechung jedoch nur in Ausnahmefällen anerkannt, da dem deutschen Schutznormkonzept die Begründung individueller, isoliert durchsetzbarer Verfahrensrechte fremd ist. Es wird grundsätzlich allein nach der möglichen Verletzung materieller Rechte gefragt. Dieses Verständnis schlägt sich auch in der Vorschrift des § 46 VwVfG nieder. Daher betont das BVerwG, dass für den Regelfall anzunehmen sei, dass Verfahrensvorschriften den Schutz allein desjenigen materiellen Rechts bezwecken, auf das sich das vorgeschriebene Verfahren bezieht, 121 und geht grundsätzlich davon aus, dass keine selbständig durchsetzbare Verfahrensrechtsposition besteht. 122

116

Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 31; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 521; Dolde, NVwZ 1991, S. 960 (961); Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95. 117 Vgl. hierzu auch § 3 D. 118 BVerwGE 62, 243 (246); E 64, 325 (331f.) unter Verweis auf BVerwGE 41, 58 (64 f.) und E 44, 235 (239 f.); BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240); BVerwG, DVBl. 1980, S. 996 (997). 119 BVerwGE 41, 58 (65.); E 44, 235 (239 f.); BVerwG, NJW 1982, S. 1546 (1548). 120 V. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 (424). 121 BVerwGE 41, 58 (65); E 92, 258 (268); BVerwG, NJW 1982, S. 1546 (1548); BVerwG, NVwZ-RR 1998, S. 22 (23). Dieser Grundsatz kommt auch in BVerwGE 85, 368 (377); BVerwG DVBl. 1980, S. 996 (997); BVerwGE 98, 339 (361 f.) zum Ausdruck, wo die Annahme einer absoluten UVP-Verfahrenvorschrift mit der Begründung abgelehnt wird, dass das UVPG einem von einem UVP-pflichtigen Vorhaben Betroffenen ebenso wenig eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition vermittelt, wie dies nach der Rechtsprechung Verfahrensvorschriften anderer Fachgesetze tun. 122 Kopp / Schenke, VwGO, § 42 Rn. 95; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 174; Badura, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Auflage 2002, § 38

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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1. Anerkannte Ausnahmefälle Im Wesentlichen werden nur drei Fallgruppen absoluter Verfahrensrechte anerkannt. Zu den Ausnahmefällen gehören zunächst bestimmte enteignungsrechtliche Verfahrensvorschriften. 123 Eine subjektiv-rechtliche Anreicherung wurde hier aus der Funktion dieser Vorschriften abgeleitet, die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG „in (auch) formeller Hinsicht zu konkretisieren und abzusichern“ 124. Damit betont das Gericht die Bedeutung des Verfahrensrechts für den Inhalt der Sachentscheidung und die Wahrung subjektiver Rechte. Als weitere Fallgruppe vom BVerwG anerkannter absoluter Verfahrensrechte gilt das Beteiligungsrecht der Gemeinden und Gemeindeverbände im Rahmen des luftverkehrsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß § 6 LuftG. 125 Die Rechtsprechung führt hier für die Annahme eines absoluten Verfahrensrechts zum einen die Eigenschaft der Gemeinden als Selbstverwaltungskörperschaft mit eigener Planungshoheit an, welche durch eine überörtliche Planung – wie sie durch die Genehmigung eines Landeplatzes vorgenommen wird – nachhaltig berührt wird. Ihre Rechte auf Mitwirkung müssten daher besonders ernst genommen werden und „durch Gewährleistung einer subjektiven Rechtsstellung der Gemeinden im gerichtlichen Verfahren abgesichert sein“ 126. Außerdem sei Rn. 37; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73; Dolde, NVwZ 1991, S. 960 (962); Dürr, in: Knack, VwVfG, § 74 Rn. 147; Allesch / Häußler, in: Obermayer, VwVfG, § 74 Rn. 174; Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 120, § 74 Rn. 169. 123 Ausdrücklich im Urteil des BVerwG, DVBl. 1980, S. 996 (997) sowie BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240) als Ausnahmefallgruppe hervorgehoben. Aus der Literatur: v. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 (425); Timmerman, Verzicht auf Planfeststellung und Plangenehmigung, S. 112 Rn. 118; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 521 Fn. 146. 124 BVerwG, DVBl. 1989, S. 996 (997) in Bezug auf BVerwG, Buchholz 11 Art. 14 GG, Nr. 106, S. 128 (130). 125 BVerwGE 56, 110 (137); E 81, 95 (106); BVerwG, DVBl. 1969, S. 362 (364); BVerwG, DVBl. 1980, S. 996 (997); BVerwG, NJW 1980, S. 718 (719 f.); BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 187. Den Gemeinden wird das selbständig durchsetzbare Beteiligungsrecht sowohl in den Fällen zugestanden, in denen die luftverkehrsrechtliche Zulassung eines Vorhabens alleine und abschließend durch eine Genehmigung erteilt wird, als auch dann, wenn die Ausführung des genehmigten Vorhabens noch zusätzlich einer Planfeststellung bedarf. Letzteres wird mit den doch erheblichen faktischen Vorwirkungen der dem Planfeststellungsverfahrens vorgeschalteten Plangenehmigung begründet, die eine frühzeitige Mitwirkung der Gemeinde bereits in diesem Entscheidungsstadium erforderlich macht, BVerwGE 56, 110 (137). Siehe hierzu und allgemein zu dieser Fallgruppe der absoluten Verfahrensrechte Quaas, NVwZ 2003, S. 649 (650 f.). 126 BVerwG, DVBl. 1969, S. 362 (364).

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

eine solche „rechtlich abgesicherte und damit vor den Gerichten durchsetzbare Stellung der Gemeinden im Verwaltungsverfahren auch deswegen (...) unumgänglich, weil die Planungsentscheidungen selbst in einem weiten Ermessen der Behörden stehen und daher gerichtlich nur in beschränktem Umfang überprüfbar sind“ 127. Damit wird auf die bereits erwähnte Kompensationsfunktion des Verfahrens bei geringen materiell-rechtlichen Vorgaben Bezug genommen. Als absolutes Verfahrensrecht wird zum Teil auch das Erfordernis zur Durchführung eines atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach § 9b Abs. 1 AtG angesehen. 128 Die Vertreter dieser Ansicht berufen sich auf eine Entscheidung des BVerwG, in der das Gericht ausführt, dass die Errichtung einer Anlage ohne das erforderliche atomrechtrechtliche Verfahren die Rechte von Bürgern verletze, die in der Nähe leben und von radioaktiver Strahlung bei einem späteren Betrieb der Anlage gefährdet werden können. 129 Außerdem sollten nicht nur die materiell-rechtlichen Anforderungen an Anlagen, die der friedlichen Nutzung der Kernenergie dienen, sondern auch die verfahrensrechtlichen Anforderungen, insbesondere das Erfordernis eines speziellen atomrechtlichen Verfahrens, den bestmöglichsten Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Dritter vor den Gefahren der Kernenergie gewährleisten. 130 Für die Annahme eines absoluten Verfahrensrechts spricht hier insbesondere, dass das BVerwG selbst in einem wenig später ergangenen Urteil auf diese Entscheidung Bezug nimmt und diese als Beispiel für die Annahme einer selbständig durchsetzbaren Verfahrensposition nennt. 131 Ein solches absolutes Verfahrensrecht besteht aber nur für das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren nach § 9a Abs. 1 AtG, jedoch nicht für das atomrechtliche Genehmigungsverfahrens nach § 7 AtG, welches lediglich ein relatives Verfahrensrecht gewährt. 132 2. Die Beteiligung der Naturschutzverbände gemäß §§58ff. BNatSchG Prominentestes Beispiel der absoluten Verfahrensrechte war bislang das Beteiligungsrecht anerkannter Naturschutzverbände im Planfeststellungsverfahren gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG (ex § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG a. F.). 133 Das BVerwG stellte in seinem grundlegenden Ur127

BVerwG, DVBl. 1969, S. 362 (364). Diese Fallgruppe wird benannt bei v. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 (423); Müller, Verfahrensartfehler, S. 121 ff.; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 14; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 15. 129 BVerwGE 85, 54 (56). 130 BVerwGE 54 (56). Genauer hierzu: Müller, Verfahrensartfehler, S. 122 f. 131 BVerwGE 85, 368 (377). 132 BVerwGE 61, 256 (275); E 75, 285 (291); BVerwG, NVwZ 1989, S. 1168. 128

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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teil zur Anerkennung der subjektiven Rechtsqualität dieser Verfahrensvorschrift maßgeblich darauf ab, dass das Beteiligungsrecht nur dann seinen Zweck der verbesserten Berücksichtigung von Umweltbelangen effektiv erfüllen könne, wenn allein seine Verletzung den Verein zur Anfechtung der behördlichen Entscheidungen berechtige. 134 Ein Verfahrensrecht müsse zudem nicht stets auf ein materielles Recht bezogen sein, zu dessen Konkretisierung und Sicherung es diene. Der Gesetzgeber sei weder durch Art. 19 Abs. 4 GG noch durch § 42 Abs. 2 VwGO gehindert, Rechtsschutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Hand auch dann zu gewähren, wenn nur ein subjektives Verfahrensrecht, nicht jedoch auch eine materielle Rechtsposition verletzt sei. 135 Abgesehen davon steht nach Ansicht des BVerwG hinter dem Beteiligungsrecht auch eine materielle Position. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung über die Beteiligung der anerkannten Vereine das öffentliche Interesse an Naturschutz und Landschaftspflege in begrenztem Umfang „subjektiviert“, damit es verstärkt in die Behördenentscheidung eingebracht werden könne. 136 Hieraus folgte nicht nur, dass ein Naturschutzverband sein Beteiligungsrecht – entgegen § 44a VwGO – durch Leistungsklage während des laufenden Verfahrens durchsetzen konnte. 137 Er war vor allem berechtigt, den Planfeststellungsbeschluss allein wegen des Verfahrensverstoßes anzufechten und seine Aufhebung zu verlangen, unabhängig davon, ob sich der Fehler auf das Ergebnis ausgewirkt hatte. 138 Auf anderweitige, insbesondere materielle Rechtsverstöße konnte die Klagebefugnis dagegen nicht gestützt werden. Seit Einführung der sog. altruistischen oder materiell-rechtlichen Verbandsklage gegen Planfeststellungsbeschlüsse in § 61 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BNatSchG 139 hat das BVerwG die Tragweite des absoluten Beteiligungsrechts der Naturschutzverbände allerdings erheblich eingeschränkt. Kurz vor der Neureglung auf Bun133

Hierzu: Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73, 266; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 977; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 97. 134 BVerwGE 87, 62 (71). 135 BVerwGE 87, 62 (72). 136 Kritisch zu der Entscheidung: v. Danwitz, NVwZ 1991, S. 960 (961 f.); Müller, Verfahrensartfehler, S. 211 f. 137 Zur sog. Partizipationserzwingungsklage: Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 98; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 970 f. 138 BVerwGE 87, 62 ff.; E 102, 358 (360); E 105, 348; BVerwG, DVBl. 1997, S. 714 (717); VGH Kassel, NVwZ 1988, S. 1040; OVG Schleswig, NVwZ 1994, S. 590 (591); OVG Münster, NuR 2000, S. 165 (166). Allerdings schied eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses trotz Vorliegen eines absoluten Verfahrensrechts in solchen Fällen aus, in denen die Möglichkeit der Fehlerbehebung durch ein ergänzendes Verfahren bestand: BVerwGE 102, 358 (364); E 105, 348 (349) sowie BVerwG, NVwZ 1997, S. 905. 139 Durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften (BNatSchGNeuregG) vom 04. 04. 2002, BGBl. I 1212 f.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

desebene hatte das BVerwG bereits entschieden, dass sich eine derartige Verstärkung des Verfahrensrechts erübrige, wenn für den Verein die Möglichkeit bestehe, auf der Grundlage des Landesrechts eine „echte“, materiell-rechtliche Verbandsklage zu erheben, also den Planfeststellungsbeschluss inhaltlich auf Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften überprüfen zu lassen. 140 Zur Begründung führte das BVerwG an, dass es dann keinen Rechtfertigungsgrund gebe, einem bei Anwendung des § 29 BNatSchG a. F. unterlaufenen Beteiligungsfehler ein stärkeres Gewicht zuzuerkennen als sonstigen Verfahrensmängeln, die nur unter den in § 115 SchlHVwG (= § 46 VwVfG) genannten Voraussetzungen erfolgreich gerichtlich angegriffen werden können. 141 Dieses Urteil hat das BVerwG nunmehr in drei Anschlussentscheidungen bestätigt, in denen dem Verein die Möglichkeit einer materiell-rechtlichen Kontrolle nach § 61 BNatSchG eröffnet war. 142 Bei Bestehen eines materiell-rechtlichen Verbandsklagerechts kann folglich nicht mehr von einem absolut durchsetzbaren Verfahrensrecht des Naturschutzverbandes gesprochen werden. Vielmehr wird das Beteiligungsrecht in dieser Konstellation als relatives Verfahrensrecht gewertet, so dass der Erfolg der Klage von den Auswirkungen des Verfahrensverstoßes auf die Sachentscheidung abhängt; § 46 VwVfG findet Anwendung. 143 Gleiches gilt nach Auffasung des BVerwG dann, wenn der Naturschutzverband als Grundstückseigentümer von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses betroffen wurde und aufgrund dessen in der Lage ist, diesen umfassend in materiell-rechtlicher Hinsicht überprüfen zu lassen. 144 Dieser Rechtsprechung des BVerwG kommt insbesondere seit Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (URG) 145 eine weitreichende Bedeutung zu, da hierdurch der Anwendungsbereich der materiellen Verbandsklage erheblich erweitert wurde. Sobald sich nach Maßgabe dieses Gesetzes für den Verband die Möglichkeit ergibt, eine Entscheidung materiell-rechtlich überprüfen zu lassen, wird der absolute Charakter des Beteiligungsrechts wohl zu verneinen sein. Ein verbleibender Geltungsbereich des absoluten Beteiligungsrechts kann sich allenfalls dann ergeben, wenn dem Verein weder aus dem URG noch aus § 61 BNatSchG ein zulässiger Rechtsbehelf gegen die in Frage stehende Entscheidung zusteht. 146

140

BVerwG, NVwZ 2002, S. 1103 (1105). BVerwG, NVwZ 2002, S. 1103 (1105). 142 BVerwG, Beschluss v. 2. 10. 2002, Az.: 9 VR 11/02 (zit. nach juris Rn. 6); BVerwG, NVwZ 2003, S. 1120; BVerwG, NVwZ 2004, S. 1486 (1488). 143 Zu den relativen Verfahrensrechten unter § 2 C. II. 144 BVerwG, NVwZ 2003, S. 485 (486). 145 Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 07. 12. 2006, BGBl. I S. 2816 ff. 146 Dagegen geht Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489 (493) wohl davon aus, dass das absolute Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände durch die Schaffung des § 61 141

§ 2 Die Einklagbarkeit von Verfahrensfehlern

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II. Relative Verfahrensrechte 1. Anbindung an das materielle Recht Neben den absoluten Verfahrensrechten erkennt die Rechtsprechung im Anschluss an den Mühlheim-Kärlich-Beschluss des BVerfG 147 eine weitere Kategorie von drittgeschützten Verfahrensrechtspositionen an. Sie gehen ebenfalls in qualifizierter Weise über die allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsverfahrensgesetze hinaus und werden als relative, subjektive oder unselbständige Verfahrensrechte bezeichnet. 148 Da diese relativen Verfahrenspositionen Drittschutz lediglich im Hinblick auf die „bestmögliche Verwirklichung einer materiellen Rechtsposition“ vermitteln, muss sich für die Klagebefugnis aus dem Vortrag des Klägers ergeben, dass sich der Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben kann. 149 Im Planfeststellungsrecht liegt diese Sachposition im subjektiv-rechtlichen Gehalt des materiellen Abwägungsgebots. Die relativen Verfahrensrechte nehmen damit eine Mittelstellung ein zwischen den absolut subjektiven Verfahrensrechten, die eine Klagebefugnis unabhängig vom materiellen Recht begründen können, und den rein objektiven Verfahrensrechten, die keinerlei subjektiv-rechtliche Funktion erfüllen. Hierdurch wurde der in der früheren Rechtsprechung geltende „Alles oder nichts“-Gegensatz 150 bei Verfahrensrechten beseitigt. 151 BNatSchG gänzlich entfallen ist. Vgl. dazu auch Schlacke, NuR 2004, S. 629 (634), welche die Anwendung unterschiedlicher materiell-rechtlicher Maßstäbe auf die Verletzung ein und desselben Verfahrensrechts kritisiert. 147 BVerfGE 53, 30 (65). 148 Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 74; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 16; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 464; Müller, Verfahrensartfehler, S. 105 ff. 149 BVerwGE 61, 256 (275), E 75, 285 (291); E 88, 286 (288); BVerwG, NVwZ 1989, S. 1168; vgl. statt vieler aus der Literatur: Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 404 f. Kritisch: Hufen, Fehler, Rn. 545 ff. 150 Vgl. hierzu Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 74 Fn. 250 sowie Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 521 Fn. 146, der beklagt, dass in der Rspr. die Kategorie der (relativ) drittschützenden Verfahrensvorschriften bisweilen noch vernachlässigt wird. 151 Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 64, betont hingegen, dass innerhalb des BVerwG wohl Uneinigkeit über die Frage der Voraussetzungen eines subjektiven Verfahrensrechts besteht. So kenne der 4. Senat des BVerwG bis heute nur ein „Alles oder Nichts“, während der 7. Senat des BVerwG es für die Begründung eines subjektiven Rechts für maßgeblich hält, inwieweit sich die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift auf seine Rechtsposition ausgewirkt haben könnte, was nach der hier verwendeten Terminologie ein relatives Verfahrensrecht beschreibt. Auch wenn die Senate innerhalb des BVerwG für die Bestimmung subjektiver Verfahrensregelungen unterschiedliche Maßstäbe anwenden, lässt sich jedenfalls festhalten, dass durch die Entscheidungen des 7. Senats neue Kriterien zur Bestimmung eines subjektiven (relativen) Verfahrensrechts anerkannt

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

Anders als bei den absoluten Verfahrensrechten bleibt bei den relativen Verfahrenspositionen die Verbindung zum materiellen Recht also bestehen. 152 Entsprechend der Schutznormtheorie bedeutet dies für die jeweilige Verfahrensnorm, dass sie dem Schutz einer (materiellen) Rechtsposition des Rechtsschutzsuchenden dienen muss, um eine drittschützende Wirkung beigemessen zu bekommen. 153 Allein die Verletzung einer solchen drittschützenden Verfahrensnorm ist für die Begründung einer Klagebefugnis noch nicht ausreichend. 154 Vielmehr muss eine mögliche Verletzung des materiellen Rechts, die gerade auf diesen Verfahrensmangel zurückzuführen ist, hinzukommen. 155 Die wesentliche Bedeutung relativer drittschützender Verfahrensrechte liegt daher prozessual in einer reduzierten Substantiierungslast hinsichtlich der Behauptung materiellrechtlicher Betroffenheit. 156 Wurde der Kläger gerade durch den Fehler im Beteiligungsverfahren daran gehindert, sich ausreichend über seine eigene Betroffenheit zu vergewissern, so sei es gerechtfertigt, an sein Vorbringen hinsichtlich der materiellen Rechtsbetroffenheit nur geringe Anforderungen zu stellen. 157 Dementsprechend soll es genügen, „dass die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter nicht offensichtlich und eindeutig unmöglich ist“ 158. wurden. Insofern lässt sich dennoch von einer Beseitigung des ausschließlichen „Alles oder nichts“-Grundsatzes sprechen. 152 V. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 (424), spricht von einer Ankoppelung des Verfahrensrechts an das Verwaltungsrecht. 153 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 144; Rupp, in: FS für Bachhof, S. 151 (166); Kopp / Ramsauer, VwVfG, Einführung Rn. 82; Meyer, in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 37; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 524 Fn. 161 m.w. N. A. A. wohl Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 66, 122, 207, wonach es für die subjektiv-rechtliche Natur einer Verfahrensvorschrift nach der Schutznormlehre nur darauf ankomme, ob die konkrete Verfahrensnorm auch dem Schutz der Interessen einer bestimmten Person zu dienen bestimmt sei. Ob die Verfahrensvorschrift gerade dem Schutz eines materiellen Rechts dient, soll hingegen keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines subjektiven Verfahrensrechts sein. Allerdings reiche die Verletzung eines subjektiven Verfahrensrechts nicht zur Begründung eines Aufhebungsanspruchs aus, wenn es an einer entsprechenden Verbindung zwischen dem verletzten Verfahrensrecht und dem materiellen Recht fehle. 154 BVerwGE 61, 256 (275) und BVerwG, NJW 1983, S. 1507 (1508), die beide betonen, dass die Verletzung von Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht sozusagen im Umkehrschluss die Klagebefugnis des eine solche Verletzung rügenden Dritten begründe. 155 BVerwG, NJW 1983, S. 1507 (1508); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 404; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 465. 156 Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 75; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 5 Rn. 16; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 566. 157 BVerwGE 75, 285 (291) unter Berufung auf BVerwG, UPR 1983, S. 69 ff.; vgl. auch BVerwG, NJW 1983, S. 1507 (1508), wonach der Verfahrensfehler nicht ohne Konsequenzen im Hinblick auf den Umfang der den Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO treffenden Substantiierungslast bleiben könne.

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2. Fallgruppen Bisher hatte die Rechtsprechung relative Verfahrensrechte vor allem im Atomrecht 159, aber auch beim förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG 160 anerkannt. 161 Dies wurde in beiden Fällen vor allem mit der Funktion dieser Verfahrensvorschriften begründet, vorgezogenen Rechtsschutz effektiv zu gewährleisten. 162 Hinsichtlich der Anhörungs- und Beteiligungsvorschriften im Planfeststellungsrecht ging die Rechtsprechung lange Zeit davon aus, dass diese allein der Ordnung des Verfahrensablaufs sowie einer möglichst umfassenden Unterrichtung der Planfeststellungsbehörde über den Sachverhalt dienen. 163 Dies ist teilweise damit zu erklären, dass die Rechtsprechung zum Zeitpunkt dieser Entscheidungen noch überwiegend von dem bereits erwähnten „Alles oder Nichts“-Gegensatz geprägt war, wonach entweder ein absolutes Verfahrensrecht oder eine rein objektive Verfahrensnorm angenommen wurde. 164 So weist das 158

BVerwGE 75, 285 (291). BVerfGE 53, 30 (59 ff.); BVerwGE 61, 256 (275), E 75, 285 (291); BVerwG, NVwZ 1989, S. 1168; BVerwGE 88, 286 (288); siehe dazu Timmerman, Verzicht auf Planfeststellung und Plangenehmigung, S. 114 Rn. 120. 160 BVerwG, NJW 1983, S. 1507; BVerwG, UPR 1983, S. 69 (70 f.); BVerwGE 85, 368 (373 ff.). 161 Auf die restriktive Rechtsprechung auch im Bereich der relativen Verfahrensrechte weisen hin: Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 76; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 132. Auf die Anerkennung eines subjektiven Schutzgehalts in der Rechtsprechung bei Befangenheitsnormen, Zuständigkeitsnormen sowie bei Vorschriften bezüglich der Beteiligung anderer Behörden und Stellen im Verfahren nehmen Bezug: Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 359 ff.; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 866. 162 Vgl. BVerwG, UPR 1983, S. 69 (70): der Drittschutz des § 10 Abs. 2 Satz 2 BImSchG ergebe sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, ihrem Sinn und Zweck und der Funktion des Einwendungsverfahrens als eines vorgezogenen Rechtsschutzverfahrens. Im Atomrecht wurden Verfahrensvorschriften als drittschützend angesehen, „als sie im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes den potentiell von dem Vorhaben betroffenen Dritten die Möglichkeit eröffnen, ihre Belange schon im Genehmigungsverfahren vorzubringen und sich damit – wenn nötig – schon frühzeitig gegen die Anlage zur Wehr zu setzen“, BVerwGE 85, 368 (374) mit Verweis auf BVerwGE 75, 285 (291). Die Einräumung drittschützender relativer Verfahrensrechte ist somit unabhängig davon, ob dieser vorgezogene Rechtsschutz grundrechtlich bedingt ist oder nicht. 163 BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240) für das Anhörungsverfahren in der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung; BVerwGE 62, 325 (331 f.) zur rechtswidrigen Entscheidung über die Entbehrlichkeit eines Planfeststellungsverfahrens nach § 17 Abs. 2 FStrG a. F.; BVerwGE 44, 235 (239); E 62, 243 (246 ff); BVerwG, DÖV 1981, S. 719 (720); BVerwG, NJW 1988, S. 434 für das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren; BVerwG, NJW 1977, S. 2367 (2368) zur personenbeförderungsrechtlichen Planfeststellung; vgl. auch BVerwG, DÖV 1982, S. 941 (942) zum Bauplanungsverfahren. 159

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

BVerwG in einer Entscheidung selber darauf hin, dass wegen der Gestaltungsund Eingriffswirkung einer fernstraßenrechtlichen Planfeststellung ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis privater Planbetroffener besteht, dem der Gesetzgeber auch durch die Formstrenge des Verwaltungsverfahrens – namentlich durch die Förmlichkeit des Anhörungsverfahrens – Rechnung getragen habe. 165 Jedoch würde die damit erreichte Ermittlung und Berücksichtigung materieller Rechte Dritter nicht „durch eine verfahrensrechtliche Gewährleistung von eigenem Gehalt i. S. eines selbständigen, vom geschützten materiellen Recht losgelösten subjektiven Verfahrensrechts ergänzt“ 166. Hier wird explizit nur die Annahme einer absoluten Verfahrensrechtsstellung abgelehnt, hingegen die Bedeutung der Verfahrensrechte für die Verwirklichung der materiellen Rechtspositionen Dritter eigens hervorgehoben. 167 Mittlerweile ist ein drittschützender Gehalt von Verfahrensvorschriften, der zu einem relativen Verfahrensrecht führt, im Planfeststellungsrecht ausdrücklich anerkannt worden. 168 Mit Hinweis darauf, dass die planerische Abwägungsentscheidung nach rechtlichen Maßstäben nur begrenzt strukturierbar und daher auch nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei, weshalb der sachgerechten Aufbereitung des Abwägungsmaterials eine besondere Bedeutung zukomme, fasste das BVerwG bereits in einer Entscheidung vom 24. 05. 1996 bezüglich der straßenrechtlichen Planfeststellung zusammen: „Der Gesetzgeber verfolgt insoweit mit der von ihm eröffneten Möglichkeit, im Aufstellungsverfahren eine effektive Beteiligung des Bürgers am Verfahren durch Einwendung und Anhörung vorzusehen, der Sache nach den Gedanken eines vorverlagerten Rechtsschutzes“ 169. Die Funktion von Verfahrensnormen, antizipierten Rechtsschutz zu gewährleisten, wurde auch schon bisher als Kriterium für ihre Bestimmung als relativ drittschützend von der Rechtsprechung herangezogen. 170 164

BVerwGE 44, 235 (239), wonach die Verfahrensvorschriften des WHG als solche keine Schutzfunktion zugunsten Dritter haben; BVerwGE 41, 58 (65); BVerwG, DÖV 1982, S. 639 (641); BVerwGE 64, 325 (332) behandeln ebenfalls nur die Frage, ob eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition vorliegt. 165 BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240). 166 BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240). 167 Das BVerwG hat auch in anderen Entscheidungen betont, dass durch die Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere durch das Anhörungsverfahren, auch dem Rechtsschutzbedürfnis des betroffenen Bürgers Rechnung getragen werden soll: BVerwGE 67, 206 (213); E 75, 214 (224), wonach die Planauslegung den von dem geplanten Vorhaben potentiell Betroffenen Anlass geben soll zu prüfen, ob ihre Belange von der Planung berührt werden und ob sie deshalb im anschließenden Anhörungsverfahren zur Wahrung ihrer Rechte oder Interessen Einwendungen erheben wollen. Dazu Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 13. 168 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 725 (726); BVerwG, NVwZ 1999-RR, S. 556; BVerwG, UPR 1996, S. 386 (387). 169 BVerwG, UPR 1996, S. 386 (387).

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In seiner Entscheidung vom 05. 03. 1999 lehnt das BVerwG zwar nach wie vor eine absolute Verfahrensstellung aus den Verfahrensvorschriften des straßenrechtlichen Planfeststellungsrechts ab, kommt aber ebenfalls zu dem Schluss, dass diese insofern dem Schutz potentiell Betroffener dienen, als sie gewährleisten sollen, dass die materiell-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. 171 Die exakte Terminologie, die auch schon bei der Anerkennung der bisherigen Fallgruppen der relativen Verfahrensrechte gebraucht wurde, verwendet schließlich das Urteil vom 21. 04. 1999. Demnach würden die verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Beteiligung Dritter am Planfeststellungsverfahren Drittschutz grundsätzlich nicht um dieser Beteiligung selbst willen, sondern nur im Hinblick „auf die bestmögliche Verwirklichung der dem Beteiligungsrecht zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Rechtspositionen gewähren“ 172. Die Beteiligungsvorschriften im Planfeststellungsverfahren sind demnach – in Abkehr zur früheren Rechtsprechung – ausdrücklich als relativ drittschützend qualifiziert worden. 173 III. Die Sonderstellung des Enteignungsbetroffenen Die Rechtsprechung differenziert hinsichtlich der Reichweite der Rechtsschutzmöglichkeiten im Fachplanungsrecht zwischen Betroffenen, deren Grundeigentum durch das planfestgestellte Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden soll und sonstigen, lediglich mittelbar Betroffenen. 174 Der Grund hierfür liegt in der Formulierung des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG, wonach eine Enteignung „nur zum Wohle der Allgemeinheit“ zulässig ist. Einen nicht in jeder Hinsicht rechtmäßig durchgeführten Eigentumsentzug braucht der Eigentümer nicht hinzunehmen. 175 Er ist somit im Unterschied zum mittelbar Betroffenen 170

So auch Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 78, die noch genauer ausführen, dass es somit für die Annahme einer relativ drittschützenden Verfahrensnorm erforderlich sei, dass der Gesetzgeber Drittbetroffenen in hervorgehobener, qualifizierter Weise Anhörungs- oder Beteiligungsrechte eingeräumt habe, die über die allgemeinen Bestimmungen der VwVfGe hinausgingen. 171 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 556. 172 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 725 (726) betreffend eine Planfeststellung nach dem AEG. Siehe auch OVG Lüneburg, Urt. v. 17. 01. 2001, Az.: 7 K 100/98 (zit. nach juris Rn. 34). 173 Auf diese Rechtsprechungsänderung hinsichtlich der Anerkennung eines drittschützenden Charakters von Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren weisen auch hin: Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 836; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 5; Müller, Verfahrensartfehler, S. 105 ff.; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 336 f.; sowie Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 120. 174 Vgl. § 2 B. II. 175 BVerwGE 67, (76).

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

nicht nur auf die Geltendmachung einer Rechtsverletzung seiner eigenen Rechte beschränkt, sondern er kann grundsätzlich jeden Rechtsverstoß rügen, auch wenn dieser private Belange Dritter oder gemeinwohlbezogene Vorschriften – etwa des Natur- und Landschaftsschutzes 176 – betrifft. 177 Vor allem kann er sich auch auf die Verletzung von Verfahrensbestimmungen berufen, selbst wenn diese keine drittschützende Funktion erfüllen. 178 Dies verschafft ihm ebenfalls die Möglichkeit, gegen eine fehlerhafte oder unterlassene UVP gerichtlich vorzugehen. 179 Allerdings ist die Privilegierung des Enteignungsbetroffenen nicht so weitreichend wie man meinen möchte. Auch bei ihm kommt, wie beim „normalen“ Drittkläger, die sog. Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG zur Anwendung, derzufolge die Rüge eines Verfahrensfehlers nur dann zum Erfolg der Klage führen kann, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich der formelle Mangel auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. 180

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG Von der Klagebefugnis zu unterscheiden ist die Frage, ob ein Verfahrensverstoß im Rahmen der Begründetheit einer Klage zur Aufhebung der Verwaltungsentscheidung führt. Grundsätzlich muss eine behördliche Entscheidung nach 176 BVerwGE 67, 74 (76); E 74, 109 (110); E 77, 86 (92); E 78, 347 (355); E 100, 388 (391); BVerwG, NVwZ 1998, S. 398 (399). 177 Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 851; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 25; Sauthoff , BauR 2000, S. 195 (204); Schechinger, DVBl. 1991, S. 1182 (1184); Gaentzsch, in FS für Schlichter, S. 517 (534 f.). 178 BVerwGE 69, 256 (270); BVerwGE 75, 214 (228); OVG Koblenz, DÖV 1985, S. 157; OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 147 (149 f.); OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 10; Aus der Literatur: Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 253; Wahl, NVwZ 1990, S. 923 (925); Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 854; Sauthoff , BauR 2000, S. 195 (205, 206). 179 BVerwGE 98, 339 (362); E 100, 238 (240). 180 Zu den gleichen Erfolgsvoraussetzungen der Klage bei mittelbar und enteignend Betroffenen: Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 854, 866. Zu der sog. Kausalitätsrechtsprechung unter § 3 B. Die Einschränkung des Vollüberprüfungsanspruchs des enteignend Betroffenen gewinnt in einigen Entscheidungen des BVerwG bereits auf der Ebene der Klagebefugnis an Bedeutung. Das Gericht betont hier ausdrücklich, dass der dem Eigentümer auf der Grundlage von Art. 14 GG zugebilligte Anspruch auf umfassende objektivrechtliche Planprüfung, ihn nicht davon enthebt, den Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 VwGO zu genügen. Demnach seien die Betroffenen nicht klagebefugt, „wenn sie versuchen, ohne Bezug zu eigenen rechtlich geschützten Interessen als „Verteidiger“ eines öffentlichen Belangs aufzutreten, BVerwG, NVwZ-RR 1997, S. 336; BVerwG, NVwZ-RR 1991, S. 118 (127).

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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§ 113 Abs. 1 VwGO aufgehoben werden, soweit sie rechtswidrig ist und der Kläger durch sie in seinen Rechten verletzt wird. Nach geltendem Recht gibt es jedoch eine Reihe von Fällen, in denen dieser Aufhebungsanspruch eingeschränkt oder ausgeschlossen wird. Hiermit sind hauptsächlich diejenigen Regelungen angesprochen, die eine Unbeachtlichkeit des Fehlers anordnen und den richterlichen Kontrollauftrag entsprechend zurücknehmen. 181 Im Gegensatz zu den Heilungsvorschriften erklären sie bestimmte Verfahrensverstöße für irrelevant, ohne dass es hierfür auf eine nachträgliche Behebung des Fehlers durch die Behörden ankäme. Im Verwaltungsverfahrensgesetz ist die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in § 46 geregelt. Diese Vorschrift sah sich schon seit jeher einer Vielzahl von verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, die in der Literatur mehrfach und ausführlichst diskutiert wurden. 182 Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich alleine darauf, unter welchem Blickwinkel die Anwendung des § 46 VwVfG zu Konflikten mit dem Europarecht führen kann. Diese Frage steht auch bei der Fehlerbehandlung der rechtswidrig unterlassenen UVP im Mittelpunkt, die im dritten Teil dieser Arbeit noch eingehend erörtert werden wird. Als Grundlage für eine solche Problemanalyse ist es jedoch unerlässlich, die genauen Anforderungen, die § 46 VwVfG an die Beachtlichkeit eines Verfahrensfehlers stellt, zunächst im Einzelnen darzustellen (A.) Im Anschluss hieran ist die Behandlung, die § 46 VwVfG in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte erfährt, genauer ins Visier zu nehmen (B.). Dabei ist insbesondere von Interesse, inwieweit die gesetzlich definierten Anforderungen auch tatsächlich mir dem übereinstimmen, was in der Rechtsprechung für die erfolgreiche Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes verlangt wird. (C). Abschließend ist darauf einzugehen, in welchen Fällen eine Anwendung des § 46 VwVfG von vornherein ausgeschlossen wird (D.)

A. Die Regelung des § 46 VwVfG Die mit dem Erlass des VwVfG Gesetz gewordene Fassung des § 46 schloss die Aufhebung eines unter Verletzung gegen Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommenen Verwaltungsaktes für den Fall aus, dass „keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können“. 183 Die Interpretation dieser Formulierung hat von 181

Z. B. § 46 VwVfG; §§ 214 f. BauGB; § 10 ROG. Vgl. hierzu z. B. Krebs, DVBl. 1984, S. 109 ff.; Schenke, DÖV 1986, S. 305 ff.; Hufen, DVBl. 1988, S. 69 ff.; derselbe, Jus 1999, S. 312 ff.; Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 ff.; Niedobitek, DÖV 2000, S. 761 ff. Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 266 ff. 183 Vgl. zur alten Fassung des § 46 VwVfG exemplarisch: Bettermann, in: FS für Ipsen, S. 271 ff.; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 100 ff., 407 ff.; Rupp, in: FS für 182

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Anfang an erhebliche Probleme bereitet. Überwiegend wurde sie im Sinne einer rechtlichen Alternativlosigkeit verstanden, wonach die Beachtlichkeit eines formellen Fehlers ausgeschlossen ist, wenn nach materiellem Recht keine andere Entscheidung hätte getroffen werden dürfen. 184 Der Gesetzgeber ist somit von der methodisch überholten Vorstellung ausgegangen, dass Fallgestaltungen denkbar sind, in denen es nur eine einzige materiell „richtige“ Entscheidung geben kann. 185 Die Vorschrift sollte nur die Fälle erfassen, in denen die Verwaltung rechtlich gebunden ist, ihr also kein Entscheidungsspielraum zustand oder wenn sich im konkreten Fall ihr Ermessen auf Null reduziert hatte. 186 Bei sonstigen Ermessensentscheidungen und erst recht bei Abwägungsentscheidungen galt sie hingegen als unanwendbar. 187 Aufgrund dieser Beschränkung des Anwendungsbereichs ließ sich der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs in seiner ursprünglichen Fassung verfassungsrechtlich noch mit dem „dolo-agit“-Grundsatz“ legitimieren, nach welchem niemand die Aufhebung eines VA verlangen kann, der sogleich wieder erlassen werden muss. 188 Letztlich lassen sich auch verfahrensökonomische Erwägungen, die der Vorschrift überwiegend zugrunde liegen, nur dann rechtfertigen, wenn dem Betroffenen ein Rechtsschutzbedürfnis unter Hinweis auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten abgesprochen werden kann. 189 Entgegen der Entstehungsgeschichte 190, dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 46 a. F. wurde die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes von der Bachof, S. 151 ff.; Schenke, DÖV 1986, S. 305 ff.; Hufen, DVBl. 1988, S. 69 (75 ff.); Meyer, NVwZ 1986, S. 513 (519 ff.). 184 Bettermann, in: FS für Ipsen, S. 271 (275); Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, § 58 Rn. 23; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 59 m.w. N. 185 Siehe zur Doktrin der einzig richtigen Entscheidung und ihrer Kritik unter § 1 A. 186 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 67; Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, § 58, S. 405 sowie 4. Auflage, § 58 Rn. 23 f.; Hufen, DVBl. 1988, S. 69 ff.; Schoch, DV 25 (1992), S. 47. 187 Ronellenfitsch, NVwZ 1999, S. 583 (586); Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 57 ff. 188 So Hufen, Fehler, Rn. 619; Roßnagel, JuS 1994, S. 927 (931); Schenke, DÖV 1986, S. 305 (315), der auch direkt darauf hinweist, dass die ratio des „dolo-agit“-Grundsatzes bei Ermessensentscheidungen nicht mehr zum Tragen kommen würde, da nur im Fall der einzig richtigen (alternativlosen) Entscheidung eine gesetzliche Vermutung besteht, dass sich der Verfahrensfehler auf den Inhalt der Entscheidung nicht ausgewirkt haben konnte (fehlender Rechtswidrigkeitszusammenhang). Gegen eine Legitimation des § 46 VwVfG a. F. durch den „dolo-agit“-Einwand: Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 249 ff. 189 Dazu Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 246 ff. 190 § 35 des Musterentwurfes von 1963 (bzw. § 36 des Entwurfs von 1970) lautete ursprünglich: „... wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können oder wenn anzunehmen ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“. Die zweite Tatbestandsalternative sollte den Bereich der freien

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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Rechtsprechung, wohl beginnend mit dem VGH München 191, aber auch dann ausgeschlossen, wenn der Verfahrensfehler sich nicht auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben konnte. 192 Der Tatbestand der rechtlichen Alternativlosigkeit wurde um ein neues, nicht gesetzlich geregeltes Merkmal der tatsächlichen Alternativlosigkeit richterrechtlich ergänzt, so dass Verfahrensfehler auch bei Ermessensentscheidungen für unbeachtlich erklärt werden konnten. Als Begründung für diese erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 46 a. F. führte der VGH München (lediglich) an, dass die Verfahrensvorschriften aus ihrer dienenden Rolle gegenüber der Sachentscheidung, um die es alleine ginge, gelöst und zum Selbstzweck erhoben würden, wenn ein Verwaltungsakt aufgehoben werden müsste, obwohl feststehe, dass auch ohne den Verfahrensfehler das Ergebnis aus tatsächlichen Gründen nicht anders ausgesehen hätte. 193 Diese sog. Kausalitätsrechtsprechung 194 bildete den Hintergrund für die Änderungsvorschläge, die schließlich zur Neufassung des § 46 VwVfG durch das GenBeschlG von 1996 195 geführt haben. Seitdem werden gezielt auch Ermessensund Planungsentscheidungen von der Vorschrift erfasst, die nicht aufgehoben werden dürfen, „wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“. 196 Der durch den Ermessensentscheidungen betreffen, die jedoch in § 42 des Entwurfs von 1973 bewusst gestrichen worden ist (BT-Drs. 7/910, S. 17, 66). Dazu Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, § 58 Rn. 24. 191 VGH München, NVwZ 1982, S. 510 (513). 192 BVerwGE 56, 230 (233 f.); E 69, 256 (269 f.); E 75, 214 (228); E 78, 280 (284); E 86, 244 (252 f.); E 91, 262 (270); BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 14 ff.; VGH München, NVwZ 1982, S. 510 (513); VGH Mannheim, NVwZ 1983, S. 565 (567); OVG Münster, NWVBl 1992, S. 66 (67); VG Hamburg, DVBl. 1980, S. 971 f. Zustimmung aus der Lehre damals von Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (224); Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 527 ff.; kritisch hingegen Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, § 58 Rn. 24; Laubinger, VerwArch 1981, S. 347; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 121 f.; Knack, VwVfG, 5. Auflage 1996, § 46 Rn. 4.3 m.w. N. 193 VGH München, NVwZ 1982, S. 510 (513). 194 Erbguth, VVDStRL 61 (2000), S. 221 (236); Steinberg, in: FS für Schlichter, S. 614 Fn. 63. 195 Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 12. 09. 1996, BGBl. I S. 1354. Zur Vorbildfunktion der Rechtsprechung für die Neufassung des § 46 VwVfG: Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (458 f.). 196 In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es: „Durch die Neufassung des letzten Halbsatzes in § 46 VwVfG wird nicht mehr nur auf die Alternativlosigkeit des Entscheidungsinhalts, sondern auch auf die Kausalität des Verfahrens- oder Formfehlers für die Entscheidung abgestellt. Die Neuformulierung stellt lediglich eine Erweiterung der alten Rechtslage dar, so dass die hierzu ergangene Rechtsprechung und Literatur auch zukünftig zur Interpretation und Handhabung dieser Vorschrift herangezogen werden können.“ (BT-Drs. 13/3995, S. 8). Hieraus wird überwiegend geschlossen, dass die nach der bisherigen Fassung maßgeblichen Grundsätze der Alternativlosigkeit der rechtlich gebundenen Entscheidung für diesen Bereich weiter erhalten bleiben, Ladenburger,

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

Verwaltungsakt Belastete soll trotz Rechtswidrigkeit keinen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakts haben, weil die Entscheidung in der Sache nicht auf dem Verfahrensfehler beruht. Damit hat der Gesetzgeber das Beruhenserfordernis als sachgerechtes Kriterium zur Begrenzung des Aufhebungsanspruchs anerkannt. 197

B. Die Behandlung des § 46 VwVfG in der Rechtsprechung Das Erfordernis der Kausalität des Verfahrens- oder Formfehlers für das Entscheidungsergebnis ist somit zwar gesetzlich festgeschrieben worden, allerdings ist fraglich, inwieweit die Neufassung des § 46 VwVfG tatsächlich als eine Bestätigung der Judikatur gesehen werden kann. Dann müsste § 46 VwVfG (n. F.) dieselben Anforderungen an eine „Nichtbeeinflussung“ der Sachentscheidung durch den Verfahrensfehler stellen, wie sie in der bisherigen und aktuellen Rechtsprechung verlangt werden. Dies ist allerdings zu bezweifeln. Hauptanwendungsbereich der Kausalitätsrechtsprechung war bereits zu § 46 a. F. das Planfeststellungsrecht. 198 Hier hat das BVerwG die seither verwendete Formel geprägt, wonach ein Verfahrensverstoß nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falls die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte. Die nur abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung genüge für den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht. 199 Mit „Entscheidung“ ist – soweit die Planfeststellung betroffen ist – die letzte Phase der Abwägung gemeint, in welcher der Ausgleich der Belange erfolgt und die durch den eigentlichen Gestaltungsspielraum gekennzeichnet ist. Die Beeinflussung der Sachentscheidung in irgendeine Richtung ist dabei nicht ausreichend. Für den Aufhebungsanspruch ist maßgeblich, ob die mögliche Sachentscheidung ohne den Verfahrensfehler gerade in Bezug auf die materielle Rechtsposition des Klägers anders, d. h. für ihn günstiger ausgefallen wäre. 200 Diese subjektive Verfahrensfehlerfolgen, S. 259 ff.; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 54; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 29a; Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955 (958). 197 Nachweise dafür, dass das Beruhenserfordernis ein anerkanntes Kriterium in der gesamten Rechtsordnung ist, finden sich bei Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 258 ff. 198 Siehe dazu Schmitz / Wessendorf , NVwZ 1996, S. 955 (958). 199 BVerwGE 69, 256 (269 f.); E 75, 214 (228); BVerwG, UPR 1994, S. 264 f.; BVerwG, UPR 1996, S. 228 (232); BVerwG, NVwZ-RR 1996, S. 253. 200 BVerwGE 69, 256 (270.); E 75, 214 (228); E 86, 244 (252 f.); E 88, 286 (288); BVerwG, NVwZ 1989, S. 1168; BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 14 (15). Zu diesem sub-

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Wendung des Auswirkungskriteriums ergibt sich bereits aus dem dargestellten Charakter der relativen Verfahrensrechte, die gerade nicht um ihrer selbst Willen drittschützend sind, sondern nur in Abhängigkeit von einer materiellen Rechtsposition des Klägers bestehen. Die mögliche Auswirkung des Verfahrensfehlers auf die materielle Rechtsposition des Klägers wird daher sowohl für die Klagebefugnis als auch für den Aufhebungsanspruch nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO relevant. Allerdings genügt für die Klagebefugnis, dass die materielle Betroffenheit aufgrund des Verfahrensfehlers nicht „eindeutig und offensichtlich“ ausgeschlossen ist, während für den Aufhebungsanspruch die konkrete Möglichkeit einer Auswirkung gefordert wird. In den Voraussetzungen spiegeln sich die strukturellen Einwirkungen der deutschen Systementscheidung zugunsten eines subjektiven Rechtsschutzmodells wider, als dessen zentrale Ausprägung das Erfordernis der Rechtsverletzung in § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gilt. Dieser Prüfungsmaßstab, häufig auch als Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit 201 oder Ergebnisrelevanz 202 bezeichnet, wurde und wird auch nach der Neufassung des § 46 VwVfG weiterhin von der Rechtsprechung für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern, insbesondere im Bereich des UVP-Rechts zugrunde gelegt. 203 Es ist daher zu klären, wie genau sich das Verhältnis von § 46 VwVfG zum Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit bestimmt bzw. ob hier tatsächlich eine Übereinstimmung der jeweiligen Anforderungen für den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs vorliegt. Erst dann lässt sich eine Aussage darüber treffen, inwieweit § 46 VwVfG tatsächlich mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht allgemein und insbesondere mit den Vorgaben zum UVP-Verfahren in Konflikt gerät, oder ob es sich nicht vielmehr um eine Problematik handelt, die aus der Handhabung von Verfahrensfehlern innerhalb der Rechtsprechung resultiert.

jektiven Bezug des Auswirkungskriteriums auch Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 373; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 524 ff. 201 Müller, Verfahrensartfehler, S. 246; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 525. 202 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 262 ff., der ebenso wie Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (465) Fn. 108, darauf hinweist, dass der in der Literatur häufig verwendete Begriff der „konkreten Kausalität“ – so z. B. bei Hien, NVwZ 1997, S. 422 (424) – das Rechtsprechungskriterium nicht zutreffend wiedergibt, da der Verfahrensfehler nicht conditio sine qua non für das Verfahrensergebnis sein muss, sondern nur der mögliche Einfluss maßgeblich ist. 203 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792); NVwZ 1996, S. 905 (906); BVerwG, NVwZRR 1999, S. 725 (726); NVwZ 2003, S. 207 (209).

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

C. Das Verhältnis von § 46 VwVfG zum Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ Das als unklar 204 zu bezeichnende Verhältnis von § 46 VwVfG zur Formel der „konkreten Möglichkeit“, wie sie von der Rechtsprechung bei Verfahrensfehlern angewandt wird, ist schwer zu beschreiben. Während die einen in der Formel der Rechtsprechung einen allgemeinen Grundsatz des Verwaltungsrechts sehen, der auch in § 46 VwVfG eine gesetzliche Ausprägung gefunden habe 205, halten andere sie für das Ergebnis einer (überzogenen) Interpretation des § 46 VwVfG 206, während wiederum Dritte gar nicht erst zwischen den Anforderungen dieser beiden Prüfungsmaßstäbe differenzieren 207. Die Rechtsprechung selber sieht das Auswirkungskriterium in einigen älteren Entscheidungen einem allgemeinen Rechtsgrundsatz entsprungen, der sich letztlich auch in § 46 VwVfG a. F. niedergeschlagen habe. 208 Denn bereits vor dem Inkrafttreten des VwVfG wurde vertreten, dass die Aufhebung eines VA vor dem Verwaltungsgericht nur dann gerechtfertigt sei, wenn die Verfahrensmängel wesentlich, d. h. tatsächlich oder mutmaßlich kausal für den angefochtenen Verwaltungsakt oder für die Ablehnung des Vornahmeantrags seien. 209 Andernfalls müssten sie als unbeachtlich gelten, auch wenn sie noch so schwer seien. 210 Diese „Wesentlichkeitsdoktrin“ fand sich auch in der Rechtsprechung wieder. Auch hier wurden Verfahrensfehler dann als wesentlich angesehen, wenn die Sachentscheidung in rechtserheblicher Weise auf der Verletzung beruhen konnte. 211 Dies galt 204

So Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 70 Fn. 233. Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 525 Fn. 166; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 10 zu § 46 a. F.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 254; Storost, NVwZ 1998, S. 797 (800). Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 23 ff. hält dagegen § 46 VwVfG bei fehlender Kausalität gar nicht erst für anwendbar, da es dann schon an der Wesentlichkeit des Verfahrensfehlers und damit an seiner Rechtswidrigkeit fehle. 206 Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1007 f.); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (464 ff.), der insbesondere betont, dass dieses Verständnis von § 46 VwVfG seit der Neufassung der Vorschrift nicht mehr aufrechtzuerhalten sei; Koch, DV 31 (1998), S. 505 (509); Meyer, in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 29; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 131. 207 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (441); Bonk, NVwZ 1997, S. 321 (326); Stüer / Probstfeld, Die Planfeststellung, Rn. 129 f. 208 BVerwGE 69, 256 (269); E 75, 214 (228). 209 Bettermann, DVBl. 1963, S. 826 (827); derselbe, Die Anfechtung von Verwaltungsakten wegen Verfahrensfehlern, in: FS für Ipsen, S. 271 (293 f.); Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, S. 14, 19; dazu auch Kopp, VwGO, 2. Auflage 1976, § 113, S. 404; Sendler, AöR 94 (1969), S. 129 (150 f.); Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, Teil 3, S. 175 ff. 210 Bettermann, DVBl. 1963, S. 826 (827). 211 BVerwGE 24, 23 (32); E 29, 282 (284); E 56, 230 ff. In den beiden letzten Entscheidungen wird nicht nur die Aufhebbarkeit, sondern auch die Rechtswidrigkeit des 205

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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jedenfalls für den Regelfall der nicht absoluten Verfahrensnorm. 212 Das BVerwG sah daher bereits in der ursprünglichen Regelung des § 46 VwVfG eine Kodifizierung seiner eigenen Rechtsprechung, die der Gesetzgeber nunmehr rezipiert und anerkannt habe. 213 Diese Auffassung muss im Hinblick auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 46 a. F., wonach der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf gebundene Entscheidungen beschränkt bleiben sollte, sowie hinsichtlich der tatsächlichen Uneinheitlichkeit der damaligen Rechtsprechung zur Erheblichkeit von Verfahrensverstößen bezweifelt werden. 214 Im Mittelpunkt der Betrachtung soll hier allerdings stehen, inwieweit die Formel der „konkreten Möglichkeit“ mit der aktuellen Fassung des § 46 VwVfG vereinbar ist. Danach kann die Aufhebung eines fehlerhaften, aber nicht nichtigen Verwaltungsaktes nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung einer Vorschrift über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Da die Vorschrift nunmehr ausdrücklich auf die Ergebnisrelevanz des Verfahrensfehlers abstellt, wird teilweise davon gesprochen, dass hierdurch die dargestellte Judikatur „im Wesentlichen“ oder „partiell“ legalisiert wurde. 215 Inwieweit selbst diese sehr einschränkenden Formulierungen aufrecht erhalten werden können, soll im Wege eines Vergleichs der Anforderungen, die nach den beiden Maßstäben im Einzelnen an die Durchsetzbarkeit drittschützender Verfahrensvorschriften gestellt werden, im Folgenden untersucht werden. I. Die Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast Betrachtet man den Wortlaut des § 46 VwVfG, so ist zunächst festzustellen, dass die Vorschrift im Unterschied zum Kriterium der konkreten AuswirkungsVA davon abhängig gemacht, ob der Verfahrensfehler einen durch das Gericht nicht mehr korrigierbaren Einfluss auf den Verwaltungsakt haben konnte. Vgl. außerdem: VGH München, BayVBl. 1975, S. 367 (368); VGH Mannheim, DVBl. 1976, S. 538 (540); VGH Mannheim, DVBl. 1977, S. 461. 212 Zur Ausnahme der absoluten Verfahrensnorm BVerwGE 9, 69 (72 f.); E 11, 195 (205 f.); E 41, 58 (64 f.). 213 BVerwGE 61, 45 (49). Zustimmend aus der Literatur: Badura, in: Erichsen / Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage (1986), § 41, S. 387; Kopp, VwVfG, 4. Auflage 1986, § 46 Rn. 2. 214 Kritisch auch: Hufen, DVBl. 1988, S. 69 f.; Faber, Verwaltungsrecht, 4. Auflage, § 21 I, S. 200 f.; Allgemein zum uneinheitlichen Erscheinungsbild der Wesentlichkeitsdoktrin in Rspr. und Schrifttum, Geist-Schell, Verfahrensfehler und Schutznormtheorie, S. 175 ff. 215 Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 70; Repkewitz, VerwArch 88 (1997), S. 159 Fn. 145; Jäde, UPR 1996, S. 361 (362), sieht darin sogar eine eindeutige Bestätigung der Rechtsprechung; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 202, meinen, dass die Neufassung des § 46 VwVfG die Rechtsprechung „aufgreifen“ würde.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

möglichkeit von einer umgekehrten Darlegungs- und Beweislast ausgeht. § 46 VwVfG n. F. enthält eine negative Formulierung, wonach die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nur in Frage kommt, wenn „die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat“. Erforderlich ist also gerade die Feststellung der fehlenden Kausalität des Fehlers. Das bedeutet, dass dem Fehler grundsätzlich eine Ergebnisrelevanz unterstellt wird, folglich eine gesetzliche Vermutung für die Beachtlichkeit des Verfahrensverstoßes besteht. 216 Nicht der klagende Bürger muss nachweisen, dass der Fehler den Inhalt des Verwaltungsaktes beeinflusst hat, sondern die Behörde muss darlegen, dass (ausnahmsweise) unter keinen Umständen eine solche Kausalität bestehen kann. Sie ist die Trägerin der Beweislast, der § 46 VwVfG als Verteidigungsmittel dient. 217 Im Gegensatz dazu prüft die Rechtsprechung einen (möglichen) positiven Ursachenzusammenhang. Nur wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung ohne den Fehler anders ausgefallen wäre, ist von einer Beachtlichkeit des Verstoßes auszugehen. Die Beeinflussung der Sachentscheidung durch den Verfahrensfehler ist die zu belegende Ausnahme, was dazu führt, dass die Unaufklärbarkeit einer Fehlerauswirkung zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden geht. 218 II. Das Kriterium der Offensichtlichkeit Die Divergenz zwischen den Anforderungen des § 46 VwVfG und dem konkreten Auswirkungskriterium der Rechtsprechung wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass sich der Verfahrensfehler nach § 46 VwVfG „offensichtlich“ nicht 216

Ebenso Gromitsaris, SächsVBl 1997, S. 101 (104 f.); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (466); Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1008); Meyer, in: Knack, VwVfG, § 46 Rn. 28. 217 Kopp / Schenke, VwGO, § 108 Rn. 15; Meyer, in: Knack, § 46 Rn. 28; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 2.; Hufen, JuS 1999, S. 313 (319); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (465); Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 40; Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (627); Müller, Verfahrensartfehler, S. 250 f.; Rößler, NJW 1981, S. 436 zur Parallelvorschrift des § 127 AO v. 1977. 218 Hieraus ergeben sich im Hinblick auf rechtsstaatliche Grundsätze einige Bedenken. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass der Behörde das Risiko ihres (objektiven) Fehlverhaltens nicht durch eine „Umkehrung der Fehlerfolgenlast“ abgenommen werden darf. So Gromitsaris, SächsVBl. 1997, S. 101 (105); Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 114 Rn. 48; Morlok, Die Folgen von Verfahrensfehlern, S. 192. Wenn nicht feststeht, dass ein Verfahrensfehler sich zu Lasten des Bürgers ausgewirkt hat, dann muss zu seinen Gunsten davon ausgegangen werden. Außerdem erscheint es fraglich, wie der Bürger, dem bereits tatsächlich die Erkenntnismöglichkeiten über die Einzelheiten des Verwaltungsablaufs fehlen, die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung belegen können soll. Dazu Erbguth, VVDStRL 61 (2000), S. 221 (236 f.); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (466).

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben darf, damit der Aufhebungsanspruch ausgeschlossen wird. Anders als in § 75 Abs. 1a VwVfG bezieht sich die Offensichtlichkeit hier nicht auf das Vorliegen des Fehlers, sondern auf seine fehlende Kausalität für die getroffene Entscheidung. Bei der hierfür erforderlichen hypothetischen Betrachtungsweise verbleiben stets gewisse Unsicherheiten. Es besteht zudem die Gefahr, dass das Gericht über die Grenzen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 GG) hinweg seine eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen der Verwaltung setzt. Um diese Ungewissheiten so weit wie möglich auszuschließen, werden allgemein hohe Anforderungen an das Vorliegen dieses Kriteriums und damit an den Prüfungsmaßstab für die Unbeachtlichkeit des Fehlers gestellt. 219 Laut Entstehungsgeschichte soll durch das Erfordernis der Offensichtlichkeit verhindert werden, dass der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs auf „eine bloß vorläufige, subjektive und auf Mutmaßungen gestützte Wertung“ gegründet wird. 220 Außerdem soll es einem angemessenen Ausgleich des Spannungsverhältnisses zwischen der Verfahrensökonomie einerseits und der Einhaltung von Verfahrenserfordernissen zum Schutz der Beteiligten andererseits dienen. 221 Offensichtlichkeit der mangelnden Ergebnisrelevanz des Fehlers setzt somit voraus, dass sich leicht feststellen lässt, dass die Behörde auch bei Vermeidung des Verfahrensfehlers genau dieselbe Entscheidung getroffen hätte. 222 Der fehlende Zusammenhang muss „auf der Hand liegen“ 223, einem gleichsam „ins Auge springen“ 224. Eine solche Eindeutigkeit wird gerade bei komplizierten Abwägungs-, Beurteilungs- und Ermessensentscheidungen selten vorliegen. Gerade hier ist die Entscheidungssituation nicht von vornherein festgelegt, sondern die Ermessensgrundlagen und die abzuwägenden Belange kommen erst im Verfahren zum Vorschein. Bei diesen Entscheidungen ist der Einfluss eines Verfahrensfehlers daher nie oder zumindest im Grundsatz nicht auszuschließen. Das bedeutet nicht, dass die Anwendung des § 46 VwVfG hier prinzipiell zu verneinen wäre. 225 Vielmehr wird darauf abzustellen sein, ob im Einzelfall (offensichtliche) Anhaltspunkte 219 Vgl. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 5 und 37, wo es heißt, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Verfahrensrechts und auf die Effektivität des Rechtsschutzes ein strenger Maßstab angelegt werden muss; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 84 ff.; Knack, VwVfG, § 46 Rn. 34; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 70; Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (481). 220 So die Begründung des Beschlussvorschlages des (Bundesrats-)Ausschusses für Innere Angelegenheiten, BR-Drs. 422/1/94, S. 5 f. 221 Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/3995, S. 8. 222 Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 85; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 37. 223 Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 70. 224 Schmitz / Wessendorf, NVwZ 1996, S. 955 (958). 225 So aber Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 13.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

vorliegen, die einen Einfluss des Fehlers auf die Entscheidung möglicherweise ausschließen. 226 Dabei muss der in Betracht gezogene hypothetische Kausalverlauf auch aus der Perspektive eines objektiven Beobachters nachvollziehbar sein. Hätte beispielsweise der Betroffene auch im Rahmen einer ordnungsgemäß durchgeführten Anhörung keine objektiv relevanten Gesichtspunkte vorgetragen, reicht die in einem solchen Fall nie völlig auszuschließende abstrakte Möglichkeit einer anderen Entscheidung in der Sache nicht aus, um die Anwendung des § 46 VwVfG zu verneinen. Ansonsten müsste nahezu jeder Verfahrens- oder Formfehler zur Aufhebung der Entscheidung führen. Der Aufhebungsanspruch muss aber mangels Offensichtlichkeit i. S. d. § 46 VwVfG immer dann erhalten bleiben, wenn infolge des Fehlers eine andere Entscheidung nicht sicher auszuschließen ist bzw. hierfür ein erheblicher und zeitintensiver Ermittlungsaufwand des Gerichts erforderlich wäre. 227 In diesen Fällen kann auch nicht auf die Behauptung der Behörde abgestellt werden, dass die Entscheidung selbst bei Beachtung der Verfahrensvorschrift nicht anders ausgefallen wäre. 228 Angesichts dieser strengen Anforderungen an das Kriterium der Offensichtlichkeit wird die tatsächliche Bedeutung der Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 46 VwVfG auf Planungs- und Ermessensentscheidungen erheblich relativiert. 229 III. Der subjektiv-rechtliche Bezug Ein weiterer Unterschied zu dem Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit der Rechtsprechung scheint darin zu bestehen, dass § 46 VwVfG dem Wortlaut nach nur die objektive Beeinflussung des Entscheidungsergebnisses für die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes fordert, während die Rechtsprechung verlangt, dass die mögliche Sachentscheidung ohne den Verfahrensfehler gerade in Bezug auf die materielle Rechtsposition des Klägers anders, d. h. für ihn günstiger ausgefallen wäre. Es ist jedoch davon auszugehen, dass § 46 VwVfG den subjektiv-rechtlichen Aufhebungsanspruch des Betroffenen regelt, so dass es auch hier nicht ausreichend ist, dass sich der Verfahrensfehler irgendwie auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hat, sondern er muss gerade die materielle Rechtsposition des Betroffenen beeinträchtigt haben. Um dies zu verdeutlichen, muss der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs gemäß § 46 VwVfG zunächst in Bezug zu § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO gesetzt werden. 226

Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 296. Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 480 f. 228 Hufen, JuS 1999, S. 313 (318 f.); Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (710 f.); Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 297. 229 Hufen, Fehler, Rn. 628: Der Spielraum der Anwendbarkeit von § 46 bleibt auch in der neuen Fassung gering; derselbe, JuS 1999, S. 313 (318); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 70 Rn. 245; Sachs, in Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 90; Erbguth, UPR 2000, S. 87 f. 227

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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Danach hebt das Gericht den Verwaltungsakt nur auf, soweit dieser „rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist“. Die dogmatische Einordnung des § 46 VwVfG im Verhältnis zu den Anforderungen des Prozessrechts ist weiterhin unklar. Übereinstimmung herrscht inzwischen lediglich darin, dass die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts wegen des Verfahrensverstoßes durch § 46 VwVfG nicht berührt wird. 230 Zu bezweifeln ist jedoch, dass die Vorschrift eine Rechtsverletzung i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO ausschließen will. 231 Auch die Auffassung, wonach § 46 VwVfG ein prozessualrechtlicher Gehalt zukommt und dieser demnach die gerichtliche Durchsetzbarkeit des Aufhebungsanspruchs regelt, kann nicht überzeugen. Da das gerichtliche Verfahren gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fällt und dieser hiervon durch die VwGO abschließend Gebrauch gemacht hat, würde den Ländern insoweit zur Regelung des § 46 VwVfG in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen die entsprechende Kompetenz fehlen. 232 Unabhängig von diesen kompetenzrechtlichen Schwierigkeiten wird darauf hingewiesen, dass § 46 VwVfG nach dem Willen des Gesetzgebers keine Änderung der VwGO bezwecken sollte. 233 Am meisten überzeugt es, in der Bestimmung des § 46 VwVfG eine spezielle, von Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung i. S. v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zu trennende, negative Tatbestandsvoraussetzung des materiellen Aufhebungsanspruchs zu sehen. 234 Liegen die Voraussetzungen des § 46 VwVfG vor, ist die Aufhebung des VA trotz des Verfahrensfehlers und der dadurch eingetretenen Rechtswidrigkeit und der Verletzung drittschützender Verfahrensrechte ausgeschlossen, weil der Fehler für die Sachentscheidung nicht relevant geworden ist. 235 Um den materiellen Aufhebungsanspruch nach § 46 VwVfG einschränken zu können, muss dieser aber erst einmal entstanden sein. Voraussetzung für die Ent230 Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Auflage, § 58 Rn. 25; Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (477); Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 35; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 42. 231 So vor allem Krebs, DVBl. 1984, S. 109 (111); kritisch dazu: Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (477 f.); Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 212 ff. 232 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 42; Hufen, JuS 1999, S. 313 (319): Die Klage ist als unbegründet, nicht etwa als unzulässig abzuweisen. Siehe auch zu diesem Problem: Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 104. 233 Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (480); Schäfer, in: Obermayer, § 46 Rn. 39. 234 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 241; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 103 f.; Hufen, Fehler, Rn. 630; Schenke, DÖV 1986, S. 305 (307 ff.); Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (481); Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 212 ff.; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 39; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 1; Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 27, 29a; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 41. 235 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 104.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

stehung eines solchen Aufhebungsanspruchs ist es aber, dass der Rechtsschutzsuchende darlegt, dass eine ihn schützende (Verfahrens-)Vorschrift verletzt ist und er in seinen materiellen Rechten beeinträchtigt ist. Damit ist es ebenfalls bei der Verletzung von drittschützenden Verfahrensvorschriften – von der Ausnahme der absoluten Verfahrensrechte einmal abgesehen – ausgeschlossen, dass der Verwaltungsakt ohne eine materielle Rechtsbetroffenheit des Dritten aufgehoben wird. 236 Das bedeutet für die Prüfung des § 46 VwVfG, dass mit der Nichtbeeinflussung der Sachentscheidung, die fehlende Auswirkung des Verfahrensfehlers auf die geschützte materielle Rechtsposition des Klägers gemeint ist. 237 Nur auf diese Weise wird dem verwaltungsprozessualen System des Individualrechtsgüterschutzes Rechnung getragen. 238 Es muss offensichtlich sein, dass die Beeinträchtigung des klagenden Dritten in seinen materiellen Rechten auch ohne den Verfahrensfehler weder vermieden worden noch von geringerer Intensität gewesen wäre. Gelingt es der Behörde nicht, den Zusammenhang zwischen dem Verfahrensfehler und der Beeinträchtigung der materiellen Rechtsposition des Klägers zu widerlegen, der, wie bereits dargestellt, nach der Vorschrift des § 46 VwVfG vermutet wird, ist der Klage stattzugeben. Das objektive Unbeachtlichkeitskriterium in § 46 VwVfG erhält also ebenso wie das Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit, das in der Rechtsprechung angewendet wird, eine subjektive Wendung, so dass diesbezüglich die Anforderungen an die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers gleichwertig sind. IV. Weitere Unterschiede Die Rechtsprechung leitet das Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit in früheren Entscheidungen aus allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts ab, die sich auch in § 46 a. F. VwVfG niedergeschlagen hätten. 239 Seit dem hier interessierenden Zeitpunkt der Neufassung des § 46 VwVfG wird die Beziehung der Vorschrift zu diesem Verwaltungsrechtsgrundsatz nicht mehr einheitlich dargestellt. In manchen Urteilen wird § 46 VwVfG zwar genannt, jedoch die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes ausschließlich nach dem Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit geprüft. So hat es den Anschein, als ob dessen Anforderungen dem Prüfungsmaßstab des § 46 VwVfG entsprechen würden, was jedoch – wie aus dem vorstehenden Vergleich ersichtlich 236 Siehe dazu Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 56 m.w. N.; Steinberg, in: FS für Schlichter: S. 599 (613); Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 406; Müller, Verfahrensartfehler, S. 261 f.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 207 f. 237 Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 406; Hufen, Fehler, Rn. 628. 238 Müller, Verfahrensartfehler, S. 262. 239 Vgl. Fn. 208 sowie BVerwGE 78, 280 (284); BVerwG, NVwZ-RR 1994, S. 15; BVerwGE 86, 244 (252): „Rechtsgedanke zu § 46 VwVfG“.

§ 3 Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 46 VwVfG

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wurde – nicht bestätigt werden kann. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Auswirkungskriteriums bei dem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP führt das BVerwG aus, dass die Rechtsprechung zur Erheblichkeit von Verfahrensfehlern „ihre rechtliche Stütze in § 46 VwVfG“ finde. 240 Da im betreffenden Fall die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung nicht festgestellt werden konnte, sei der Fehler „gemessen an § 46 VwVfG“ nicht erheblich. 241 In vielen Entscheidungen wird auf § 46 VwVfG allerdings überhaupt nicht mehr Bezug genommen, wenn die Folgen eines Verfahrensfehlers bewertet werden sollen. 242 Dies würde wiederum dafür sprechen, dass das Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit als Verwaltungsrechtsgrundsatz gesehen wird, der unanhängig von der gesetzlichen Regelung des § 46 VwVfG zur Anwendung gelangt. V. Ergebnis Insgesamt hat die vorstehende Betrachtung gezeigt, dass § 46 VwVfG für die erfolgreiche Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes eine viel niedrigere Hürde aufbaut als das von der Rechtsprechung überwiegend angewandte Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit. Die jeweiligen Voraussetzungen, die an die Beachtlichkeit eines Verfahrensfehlers gestellt werden, erscheinen geradezu gegensätzlich. Es ist somit nicht haltbar, in der aktuellen Fassung des § 46 VwVfG eine Bestätigung dieser Rechtsprechung zu sehen. Die vom Gesetzgeber angestrebte Annäherung an die bisherige Rechtsprechung ist nicht richtig gelungen. 243 Als Ausgleich für die Erweiterung des § 46 VwVfG auf Ermessens- und Planungsentscheidungen durch das GenBeschlG sind die Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern gewissermaßen verschärft worden.

240 BVerwGE 100, 238 (252). Storost, NVwZ 1999, S. 797 (800), sieht in dieser Entscheidung eine Abweichung zu der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Kausalitätsprüfung Ausdruck eines allgemeinen Verwaltungsrechtsgrundsatzes sei. Auf die engeren Voraussetzungen des § 46 VwVfG käme es daneben nicht an. 241 BVerwGE 100, 238 (252). 242 BVerwG, NVwZ 1996, S. 905 (906); BVerwG, NVwZ 1996, S. 1011 (1012); BVerwG, NVwZ-RR 1996, S. 253; BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 725 (726); BVerwG, NVwZ 2003, S. 207 (209). 243 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Neuregelung nur eine Erweiterung der Fehlerunbeachtlichkeit durch ausdrückliche Anerkennung des Kriteriums bewirken und im Übrigen auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden (Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drs. 13/3995, S. 8). Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 280, weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass allein die Vorstellung des Gesetzgebers, dass insoweit „alles beim alten bleiben solle“, eine Neuorientierung der Rechtsprechung hin zu einem veränderten Prüfungsmaßstab nicht hindern dürfte, wenn diese nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Norm geboten wäre.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

D. Der Ausschluss des § 46 VwVfG bei absoluten Verfahrensrechten Ein absolutes Verfahrensrecht gewährt dem Rechtsschutzsuchenden eine wesentlich stärkere Rechtsstellung als ein relatives Verfahrensrecht. Wird die Verletzung eines absoluten Verfahrensrechts festgestellt, so ist dies ohne weiteres für den Aufhebungsanspruch des Klägers ausreichend, unabhängig davon, ob sich diese Verfahrensrechtsverletzung auf die Sachentscheidung oder auf die materielle Rechtsposition des Klägers ausgewirkt hat. 244 § 46 VwVfG (bzw. die Kausalitätsrechtsprechung) findet hier keine Anwendung. 245 Der Gedanke des § 46 VwVfG, dass ein Verfahrensfehler folgenlos bleibt, wenn sich die Entscheidung in der Sache als zutreffend erweist, kann hier nicht eingreifen, da den absoluten Verfahrensrechten keine „dienende Funktion“ zugunsten eines materiellen Rechts zukommt, sondern ein eigenständiges Gewicht. 246 Allerdings wird ein solches absolutes Verfahrensrecht von der Rechtsprechung nur in einigen Ausnahmefällen anerkannt. Im Gegensatz dazu kommt bei der Verletzung einer relativ drittschützenden Verfahrensbestimmung der Grundsatz der „dienenden Funktion“ des Verfahrens vollständig zur Entfaltung. Da diese Vorschriften nicht um ihrer selbst Willen drittschützend sind, sondern nur im Hinblick auf die dem Verfahrensrecht zugrunde liegenden materiellen Rechtspositionen, muss sich der gerügte Verfahrensfehler auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben, um einen Aufhebungsanspruch begründen zu können. § 46 VwVfG bzw. das von der Rechtsprechung als Prüfungsmaßstab entwickelte Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit kommt voll zur Anwendung. Auch der enteignend Betroffene ist mit der Rüge eines Verfahrensfehlers nur erfolgreich, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sich der formelle Mangel auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt hat. Dabei genügt es nicht, dass der Verfahrensfehler die Sachentscheidung in irgendeine Richtung beeinflusst hat, sondern seine Auswirkung muss gerade für die Inanspruchnahme 244

Wahl / Schütz, in Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 73. Siehe speziell zur Unanwendbarkeit des § 46 VwVfG bei Verletzung der Mitwirkungsrechte anerkannter Naturschutzverbände BVerwGE 105, 348 (353 f.); E 116, 175 (185); VGH Kassel, NuR 1999, S. 159, 161; OVG Münster, NuR 2000, S. 165 (166). Aus der Literatur: Kopp / Schenke,VwGO, § 113 Rn. 58; Kopp / Ramsauer, § 46 Rn. 18; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 33 jeweils m.w. N.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 80. 246 So die Begründung in BVerwGE 105, 348 (354) bezüglich des absoluten Verfahrensrechts aus § 29 BNatSchG a. F.. Bestand allerdings die Möglichkeit der Fehlerbehebung durch ein ergänzendes Verfahren, hat das BVerwG die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses wegen der Verletzung eines Beteiligungsrechts dennoch abgelehnt: BVerwGE 102, 358 (364); E 105, 348 (349) sowie BVerwG, NVwZ 1997, S. 905. 245

§ 4 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter

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seines Grundstücks kausal geworden sein. 247 Das Kriterium der konkreten Ergebnisrelevanz wird also auch bei ihm subjektiv ausgerichtet. 248 Hierin liegt die Rückbindung des Vollüberprüfungsanspruchs an den vom subjektiven Rechtsschutzprinzip nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO geforderten Rechtswidrigkeitszusammenhang. 249 Allein ein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften ohne Relation zu einer materiellen Rechtsposition kann auch für ihn keinen Aufhebungsanspruch begründen. Eine Kausalitätsprüfung zwischen Verfahrensfehler und materiellem Recht ist letztlich nur bei einem absoluten Verfahrensrecht entbehrlich.

§ 4 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei Unterlassung des gebotenen Zulassungsverfahrens Die Fehlerfolgenbehandlung hängt in der Rechtsprechung zudem von der Art des Verfahrensfehlers ab. Differenziert wird zwischen dem Fehler im Verfahren und dem Unterlassen des richtigen Verfahrens. Während ersteres den „einfachen“ Verfahrensfehler innerhalb eines zutreffend gewählten Verfahrens betrifft, ist ein Fall des sog. Verfahrensartfehlers 250 gegeben, wenn das objektiv-rechtlich gebotene Verfahren vollständig unterlassen und stattdessen ein falsches Verfahren durchgeführt wird. Ein Verfahrensfehler kann also bereits in der fehlerhaften Entscheidung über die Durchführung bzw. Unterlassung einer bestimmten Verfahrensart liegen. Verfahrensartfehler haben gerade in den letzten Jahren aufgrund der Beschleunigungsgesetzgebung an praktischer Bedeutung gewonnen. Neben den schon bestehenden, relativ aufwendigen Genehmigungsverfahren wurden vereinfachte Verfahren oder die Möglichkeit des Absehens von einem Verfahren eingeführt oder deren Anwendungsbereich ausgeweitet. Die falsche Verfahrenswahl hat beträchtliche Auswirkungen, weil sie dazu führt, dass sämtliche Mitwirkungsmöglichkeiten der Betroffenen sowie die Informationserlangung und -verarbeitung 247

BVerwGE 67, 74 (77); BVerwG, NVwZ-RR 1991, S. 118 (127); BVerwG, NVwZRR 1996, S. 188; BVerwGE 100, 370 (382); BVerwG, NVwZ-RR 1998, S. 297 (299); BVerwG, NVwZ 2000, S. 555 (559); BVerwG, NuR 2000, S. 627 (630). 248 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 373. 249 Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 861; vgl. hierzu auch Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen, S. 524 ff., der ebenfalls eine „qualifizierte Relation zwischen Verfahrensfehler und der materiellen Drittrechtsposition“ fordert. 250 Siehe zum Begriff des Verfahrensartfehlers: Müller, Verfahrensartfehler, S. 26; Hill, Das fehlerhafte Verfahren, S. 302 ff.

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

der Behörden, die das gebotene Verfahren vorgesehen hätte, entfallen. Insbesondere findet in den vereinfachten Verfahren in der Regel keine Öffentlichkeitsbeteiligung statt (Plangenehmigung, Anzeigeverfahren). Diese Gesichtspunkte beeinflussen wiederum vielfach das Ergebnis der Genehmigungsentscheidung. Die richtige Verfahrenswahl ist auch häufig mit der richtigen Feststellung der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens verbunden, da das Plangenehmigungs-, das Verzichtsverfahren sowie z. B. das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG nur im Fall fehlender UVP-Pflicht gewählt werden dürfen. Verkennt also die Behörde fälschlicherweise die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhaben, geht dies nicht selten mit einem Verfahrensartfehler einher, wenn sich die Behörde aufgrund dieses Befundes für die Durchführung eines an sich nicht statthaften Verfahrens entscheidet. 251 Augrund dieser Verknüpfung zwischen dem fehlerhaften Unterlassen einer UVP und einem Verfahrensartfehler, hat die Frage, inwieweit die Verwaltungsgerichte Rechtschutz bei einem Verfahrensartfehler gewähren, auch Auswirkungen auf das Bestehen von Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die fehlende UVP und umgekehrt. Steht dem Einzelnen ein Anspruch auf die Durchführung des ordnungsgemäßen Verfahrens zu, würde dies auch die Durchführung der erforderlichen UVP im Rahmen dieses Verfahrens umfassen. Stünde andersherum dem Einzelnen aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen letztlich doch ein drittschützender Anspruch auf Durchführung der UVP zu, hätte dies möglicherweise auch Konsequenzen für den drittschützenden Gehalt des Gebots zur Durchführung des erforderlichen (Träger-) Verfahrens. 252 Die gegenwärtigen Möglichkeiten des Drittklägers, gegen die Durchführung des falschen Verfahrens gerichtlich vorzugehen, sollen daher an dieser Stelle kurz dargestellt werden.

A. Anspruch auf Durchführung des richtigen Verfahrens I. Planfeststellungsrecht 1. Kein Abwehranspruch wegen falscher Verfahrensdurchführung Die Frage, ob es Ansprüche auf Planfeststellungsverfahren gibt, ist eigentlich missverständlich formuliert. Es besteht Einigkeit darüber, dass ein Dritter die 251

Siehe zum Zusammenhang zwischen unterlassener UVP und Verfahrensartfehler

§ 9 B. 252

Zu dieser Frage auch unter § 13 B. III.

§ 4 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter

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Einleitung und Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nicht unmittelbar erzwingen kann. 253 Dies entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BVerwG. 254 Bei den „Ansprüchen auf Planfeststellung“ geht es daher in der Regel nicht um die Frage, ob der Einzelne einen positiven Anspruch auf Einleitung und Durchführung des Verfahrens hat, sondern darum, ob das Recht dem Bürger die Möglichkeit eröffnet, allein wegen der fehlenden Verfahrensdurchführung ein Vorhaben abzuwehren. 255 Aber auch in dieser Fallkonstellation nimmt das BVerwG eine restriktive Haltung ein. Allein durch den Verstoß gegen die objektive Planfeststellungspflicht könnten keine subjektiven Rechte betroffener Dritter verletzt werden, da diese lediglich Anspruch auf Wahrung ihrer Rechte sowie auf fehlerfreie Berücksichtigung ihrer eigenen Belange hätten. 256 Eine solche Berücksichtigung könnte auch in anderen Zulassungsverfahren erfolgen und setze ein Planfeststellungsverfahren nicht notwendig voraus. 257 Obwohl in der neueren Rechtsprechung zwar anerkannt ist, dass einigen Verfahrensvorschriften des Fachplanungsrechts ein relativ drittschützender Gehalt zukommt, wird nach wie vor eine selbständig durchsetzbare subjektiv-rechtliche Dimension dieser Vorschriften verneint. 258 Eine solche ist nach Ansicht des BVerwG aber erforderlich, damit die Aufhebung eines Genehmigungsbescheids allein mit der Begründung erreicht werden kann, es habe anstelle des Plangenehmigungsverfahrens ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müssen. 259 Ansprüche von Dritten bestehen in der Regel nur dann, wenn aufgrund des rechtswidrigen Unterbleibens des Planfeststellungsverfahrens zugleich materielle Rechtspositionen beeinträchtigt werden. Dann können sie sich gegen das Vorhaben mit öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Unterlassungs- und Folgenbeseiti253 Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 158a; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 174; Wickel, in: Fehling / Kastner / Wahrendorf, Hk-VerwR / VwVfG, § 74 Rn. 275; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.) Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 834. 254 BVerwGE 44, 235 (239 ff.); E 62, 243 (246 f.); E 64, 325 (332); BVerwG, DVBl. 1980, S. 996 (997); BVerwG, DÖV 1982, S. 639 (641); BVerwG, NJW 1988, S. 434; BVerwG NVwZ 2002, S. 346 (348); BVerwG, UPR 2002, S. 73 (74). 255 BVerwGE 41, 58 (64 ff.); BVerwGE 44, 235 (239 ff.); E 62, 243 (246 ff.); BVerwG, NJW 1988, S. 434; BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 556; BVerwG, NVwZ-RR 2001, S. 360; BVerwG, NVwZ 2002, S. 346 (348); BVerwG, NVwZ 2004, S. 613; VGH BW, DÖV 2000, S. 342 (343); VGH München, NVwZ-RR 2004, S. 240. Siehe weitere Nachweise bei Müller, Verfahrensartfehler, S. 143 Fn. 370. Dort auch zu der Frage, inwieweit tatsächlich ein positiver Anspruch auf Einleitung und Durchführung des Planfeststellungsverfahrens bestehen kann. 256 BVerwGE 44, 235 (239); BVerwG, NJW 1981, S. 239 (240); BVerwG, DÖV 1982, S. 639 ff.; BVerwG, NVwZ 2001, S. 89 (90); BVerwG, NVwZ 2002, S. 346 (348); Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 13, § 74 Rn. 174 b,f; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (431). 257 BVerwGE 85, 308 (375); BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 556; vgl. die Nachweise bei Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 13 als auch bei Kopp / Schenke, § 42 Rn. 95. 258 Siehe oben § 2 C. II. 2. 259 Siehe die in Fn. 255 und 256 genannten Entscheidungen.

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gungsansprüche zur Wehr setzen, was von der Rechtsprechung für den Rechtsschutz Dritter für ausreichend gehalten wird. 260 Zu einer Beeinträchtigung der materiellen Rechte könne es auch dann kommen, wenn die planerische Abwägung der materiellen Belange aufgrund der Wahl der Verfahrensart unterblieben ist. 261 Dieses Problem stellt sich allerdings nicht, wenn fälschlicherweise eine Plangenehmigung durchgeführt worden ist, da aufgrund der Gleichstellung mit den materiell-rechtlichen Vorgaben der Planfeststellung auch hier das Gebot der gerechten Abwägung uneingeschränkt gilt. 2. Das absolute Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände a) Die „Umgehungsfälle“ Das Problem des Verfahrensartfehlers ist insbesondere im Zusammenhang mit dem selbständig durchsetzbaren Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände nach §§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 60 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG (ex § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG a. F.) relevant geworden. Dies hing insbesondere damit zusammen, dass die Naturschutzverbände nach der früheren Vorschrift des § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG ausschließlich im Planfeststellungsverfahren zu beteiligen waren, nicht aber im Plangenehmigungsverfahren. 262 Die Behörde konnte eine Verbandsbeteiligung und eine erfolgreiche Klageerhebung also von vornherein verhindern, wenn sie das Vorhaben im Wege der Plangenehmigung zugelassen hat. 263 Allerdings hat das BVerwG schon sehr bald erklärt, dass es die Betrachtungsweise, wonach das absolute Beteiligungsrecht nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG a. F. erst mit Einleitung des Planfeststellungsverfahrens entstehe und daher durch die Wahl der Verfahrensart nicht berührt werden könne, als zu formal zurückweise. Eine Umgehung des Beteiligungsrechts dürfe nicht sanktionslos bleiben, sondern es müsse vielmehr durch Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes zur Effektivität des Verfahrensrechts beigetragen werden. 264 Seitdem ist es in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass das Mitwirkungsrecht anerkannter Naturschutzverbände nicht nur durch die unzureichende oder gänzlich unterlassene Beteiligung in einem durchgeführten Planfeststellungsverfahren

260

BVerwGE 62, 243 (248); BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 556. So führte das BVerwG in E 115, 158 (164 f.) sowie in, UPR 2002, S. 73 (74) aus, dass das Abwägungsgebot nicht zu Lasten Dritter umgangen werden könne, indem anstelle des an sich gebotenen Planfeststellungsverfahrens nur ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werde, dass eine abwägende Berücksichtigung der dem Vorhaben entgegenstehenden privaten Belange nicht vorsehe. Drittbetroffene könnten also die Baugenehmigung anfechten. Kritisch hierzu Müller, Verfahrensartfehler, S. 218 ff. 262 BVerwGE 98, 100, 102 f.; BVerwG 1995, NVwZ 1996, S. 393 (394). 263 BVerwGE 98, 100, 102 f.; VGH Kassel, NVwZ 1982, S. 689 (691 f.). 264 BVerwGE 104, 367 (372 f.). 261

§ 4 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter

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verletzt sein kann 265, sondern auch durch ein rechtswidriges Ausweichen in ein nicht beteiligungspflichtiges Verfahren, also bei Unterlassen des an sich gebotenen Planfeststellungsverfahrens. 266 Diese Judikatur hat durch die Änderungen des BNatSchG in Bezug auf das Mitwirkungsrecht von Naturschutzvereinen nicht an Bedeutung verloren. Zwar sehen § 58 Abs. 1 Nr. 3 und § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 BNatSchG n. F. im Unterschied zu § 29 Abs. 1 BNatSchG a. F. nunmehr auch eine Beteiligung der Naturschutzverbände bei Plangenehmigungen vor. Allerdings gilt dies nur für solche Plangenehmigungsverfahren, in denen eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist. Zumindest im Bundesrecht ist damit lediglich das auf die neuen Bundesländer beschränkte Plangenehmigungsverfahren nach § 17b Nr. 5 FStrG erfasst. Um die Beschleunigungsvorteile gegenüber dem Planfeststellungsverfahren nicht auszuhebeln, ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei Plangenehmigungen ansonsten nicht vorgesehen. Insofern geht mit der rechtswidrigen Unterlassung des Planfeststellungsverfahrens in aller Regel auch immer noch ein Ausschluss des Beteiligungsrechts der Naturschutzverbände einher. b) Aktuelle Entwicklungen Hervorzuheben ist, dass das BVerwG den erfolgreichen Rechtsschutz der übergangenen Naturschutzvereine zunächst auf solche Fälle beschränkt hat, in denen der Zulassungsbehörde vorzuwerfen war, dass sie die Beteiligungsrechte des Vereins gezielt (oder grob fahrlässig) umgangen hat. Von einer solchen Umgehung sollte nur dann die Rede sein, wenn eine Rechtsbeeinträchtigung Dritter – deren Fehlen Voraussetzung der Plangenehmigung ist – ignoriert wurde, um das Planfeststellungsverfahren zu vermeiden, oder wenn die Ausübung des Ermessens zugunsten der Plangenehmigungswahl von zweckwidrigen Faktoren beeinflusst war. 267 Das Gericht legte demnach einen subjektivistischen Begriff der Umge265

Vgl. dazu oben § 2 C. I. 2. Vgl. für die Konstellation der falschen Verfahrensdurchführung: BVerwGE 104, 367 ff.; BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 ff.; OVG Bautzen, NVwZ-RR 2006, S. 390; OVG Münster, NuR 2006, S. 60 ff.; OVG Münster, Urt. v. 7. 06. 2005, Az.: 11 A 1193/02 (zit. nach juris Rn. 56); OVG Münster, Urt. v. 17. 12. 2004, Az.: 21 A 102/00 (zit. nach juris Rn. 65 f.); OVG Weimar, Urt. v. 2. 7. 2003, Az.: 1 KO 389/02 (zit. nach juris Rn. 18); VGH Kassel, NuR 2000, S. 226 ff.; OVG Brandenburg, NuR 2002, S. 685 ff.; OVG Münster, NuR 1997, S. 617 ff.; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1993, S. 179 ff. Für die Konstellation des rechtswidrigen Verzichts auf Planfeststellung und Plangenehmigung: VGH Mannheim, NuR 1996, S. 607 (608). Einschränkende Voraussetzung ist in dieser Fallgruppe jedoch, dass der Verband gerade die Notwendigkeit eines Planfeststellungsverfahrens dartut. Käme auch eine Plangenehmigung in Betracht, so scheidet sein Anfechtungsrecht aus, weil er an einer solchen ebenfalls nicht hätte beteiligt werden müssen, vgl. BVerwG, NVwZ 1996, S. 393; BVerwG, NuR 2001, S. 155 (156); OVG Bautzen, NVwZ-RR 2006, S. 390 ff. 267 BVerwGE 104, 367 (373). Vgl. hierzu Müller, Verfahrensartfehler, S. 137. 266

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

hung zugrunde, der sozusagen ein „doloses“ Verhalten der Planfeststellungsbehörde voraussetzte. 268 Diese Einschränkung hat das BVerwG mittlerweile aufgegeben. In einem jüngeren Urteil führte es aus, dass diese Rechtsprechung vor dem Hintergrund der damaligen Rechtslage zu sehen sei, nach der anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung nur erteilt werden konnte, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt wurden (vgl. § 18 Abs. 2 S. 1 AEG a. F.). 269 Mit einem hierauf gestützten Anspruch auf Aufhebung der Plangenehmigung hätten sich die Verbände zum Sachwalter fremder Interesses gemacht, was nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG a. F. nicht ihre Aufgabe gewesen sei. Die Anerkennung subjektiv formulierter Umgehungstatbestände habe lediglich die Möglichkeit geboten, den übergangenen Naturschutzverein gleichwohl in besonders gelagerten Fällen Rechtsschutz zu gewähren. Nunmehr mache der Gesetzgeber die Zulässigkeit der luftverkehrsrechtlichen Plangenehmigung aber auch davon abhängig, dass das in Frage stehende Vorhaben keiner UVP-Pflicht unterliegt. 270 Mit der Zuweisung der UVP in das Verfahren der Planfeststellung als alleinigem Trägerverfahren solle eine möglichst effektive Berücksichtigung der Belange von Natur und Umwelt bei umweltrelevanten Vorhaben sichergestellt werden. Hierfür hätten gerade die anerkannten Naturschutzvereine Sorge zu tragen. Der Verein schwinge sich folglich nicht mehr zum Sachwalter fremder Interessen auf, wenn er rügt, eine Behörde habe sich zu Unrecht dafür entschieden, ein Vorhaben ohne UVP und ohne Vereinsbeteiligung im Wege der Plangenehmigung zuzulassen. Es bestehe daher kein Grund mehr, die Verletzung der Beteiligungsrechte eines Naturschutzvereins auf die Fälle einer rechtsmissbräuchlichen Umgehung der Planfeststellung zu beschränken. 271 In der hier interessierenden Fallkonstellation des Verfahrensartfehlers ist auch mit der Einführung der echten „altruistischen“ Verbandsklage gemäß § 61 268 Anders hingegen VGH Mannheim, NuR 1996, S. 607 (608), der für die Verletzung des Beteiligungsrechts allein die rechtswidrige Wahl des Plangenehmigungsverfahrens ausreichen lässt. Ebenso OVG Bautzen, NuR 2006, 310 (311), wonach es für die altruistische Verbandsklage gemäß § 61 Abs. 1 S.1 Nr. 2 BNatSchG wegen eines unterlassenen Planfeststellungsverfahrens ohne Belang sei, ob ein qualifizierter (etwa vorsätzlicher) Rechtsverstoß der jeweiligen Zulassungsbehörde vorliegt. Ablehnend auch OVG Brandenburg, NuR 2002, S. 685 (688) mit der Begründung, dass der Behörde im vorliegende Fall kein Prognose- oder Ermessensspielraum für die Frage zugestanden hätte, ob anstelle des fakultativen Rahmenbetriebsplans ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen gewesen sei. Ein solches sei bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vielmehr zwingend erforderlich. 269 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (578). 270 Vgl. hierzu ausführlich § 9 A. I. 2. b). 271 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (578). Eine Anmerkung zum Urteil von Gatz (RiBVerwG) findet sich bei juris PR-BVerwG 9/2007 Anm. 3 = jurisPR extra 2007, S. 142 – 144.

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BNatSchG keine Beschränkung der absoluten Durchsetzbarkeit des Beteiligungsrechts verbunden. Wie dargelegt ist das Beteiligungsrecht nämlich nur dann wie ein relatives Verfahrensrecht zu behandeln – mit der Folge, dass § 46 VwVfG zur Anwendung gelangt –, wenn dem Verband die Möglichkeit einer materiellrechtlichen Kontrolle der Planungsentscheidung offen steht. 272 Wenn statt des gebotenen Planfeststellungsverfahrens lediglich ein Plangenehmigungsverfahren durchgeführt worden ist, eröffnet die Vorschrift des § 61 BNatSchG aber keine altruistische Verbandsklagebefugnis. 273 Vielmehr sind gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BNatSchG – entsprechend der Mitwirkungsbefugnisse der anerkannten Vereine gemäß § 61 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG – nur solche Plangenehmigungen im Wege der materiell-rechtlichen Verbandsklage überprüfbar, bei denen eine Öffentlichkeitsbeteiligung angeordnet ist. Dies ist nach der gegenwärtigen Rechtslage, wie erwähnt, nur bei § 17b Nr. 5 FStrG der Fall. Demnach bleibt es in den Fällen des Verfahrensartfehlers in der Regel bei der absoluten Durchsetzbarkeit des Beteiligungsrechts bzw. bei der Unanwendbarkeit des § 46 VwVfG. 274 Lediglich in einigen Naturschutzgesetzen der Länder ist explizit angeordnet, dass das Klagerecht nach § 61 BNatSchG nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass anstelle der in § 61 Abs. 1 BNatSchG genannten Verwaltungsakte zu Unrecht andere Verwaltungsakte erlassen worden sind, für die das Gesetz keine Mitwirkung der anerkannten Vereine vorsieht. 275 Eine vergleichbare Regelung enthält § 61 BNatSchG aber gerade nicht. Wurde also ein beteiligungspflichtiges Planfeststellungsverfahren zu Unrecht unterlassen, kann über den formalen Wortlaut dieser Vorschrift hinaus nicht generell von einer Verbandsklagebefugnis ausgegangen werden, wenn eine entsprechende landesrechtliche Regelung fehlt. Die zu der verfahrensrechtlichen, „unechten“ Verbandsklage nach § 29 BNatSchG a. F. ergangene Rechtsprechung kann nicht auf die materiell-rechtliche Verbandsklage nach § 61 BNatSchG übertragen werden. 276 Einschränkungen des absoluten Beteiligungsrechts ergeben sich für die Konstellation des Verfahrensartfehlers aber aus der Erweiterung des Anwendungs272

Vgl. dazu oben § 2 C. I. 2. Lorz / Müller / Stöckel, Naturschutzrecht, § 59 Rn. 21. 274 So Müller, Verfahrensartfehler, S. 139; vgl. auch Lorz / Müller / Stöckel, Naturschutzrecht, § 61 Rn. 4. 275 So z. B. § 46 ThürNatSchG; § 58 Abs. 2 SächsNatSchG; § 65 Abs. 2 BbgNatSchG. 276 Diese Auffasung vertritt aber offensichtlich das OVG Bautzen, NuR 2006, S. 310 (311). Das Gericht beruft sich für die Gewährung der Antragsbefugnis nach § 61 BNatSchG auf die ständige Rechtsprechung, die bereits zu § 29 BNatSchG a. F. ergangen sei. Es betont außerdem, dass eine solche Anfechtungsmöglichkeit der Naturschutzverbände auch dann gegeben ist, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wie sie etwa § 58 Abs. 2 SächsNatSchG enthält, fehlt. Dies kann nicht überzeugen, da die verfahrensrechtliche Verbandsklage nach § 29 BNatSchG a. F. gerade von der materiell-rechtlichen Verbandsklage zu unterscheiden ist. Dies hat nunmehr auch das BVerwG jüngst deutlich gemacht, vgl. NVwZ 2007, S. 576 f. 273

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1. Teil: Die nationale Ausgangslage

bereichs der materiellen Verbandsklage durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (URG). Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 URG findet das Gesetz Anwendung auf Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen i. S. d. § 2 Abs. 3 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann. § 1 Abs. 1 S. 2 URG stellt klar, dass ein Zugang zu einem Überprüfungsverfahren auch dann gewährt wird, wenn in rechtswidriger Weise eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung nach S. 1 nicht getroffen wurde. Damit werden gerade jene Konstellationen erfasst, in denen eine Behörde durch die Wahl eines anderen Verfahrens – wie etwa eines Plangenehmigungs- statt eines Planfeststellungsverfahrens – eine nicht in den Anwendungsbereich eines Umwelt-Rechtsbehelfs fallende Entscheidung trifft und dadurch die gerichtliche Überprüfbarkeit mittels Verbandsklage ausschließt. 277 Führt die Behörde also bei einem UVP- und planfeststellungsbedürftigem Vorhaben fälschlicherweise nur eine nicht beteiligungspflichtige Plangenehmigung ohne UVP durch, besteht nunmehr für eine anerkannte Vereinigung die Möglichkeit, eine materiell-rechtliche Verbandsklage nach § 2 Abs. 1 URG zu erheben, also die Entscheidung inhaltlich auf Verstöße gegen naturschutzrechtliche Vorschriften überprüfen zu lassen. Ausgehend von der einschränkenden Rechtsprechung des BVerwG hat dies zur Folge, dass allein die Verletzung des Beteiligungsrechts in dieser Konstellation nicht mehr den Erfolg der Klage begründen kann. 278 Als absolute Verfahrensfehler sind nur noch diejenigen Fehler zu behandeln, die in § 4 URG explizit aufgeführt sind. 279 Ansonsten bleibt es bei der Anwendung des § 46 VwVfG. Die absolute Durchsetzbarkeit des Verbandbeteiligungsrechts ist damit im Bereich der Zulassungsentscheidungen für UVP-pflichtige Vorhaben ausgeschlossen, soweit den Verbänden eine Rechtsbehelfsmöglichkeit durch das URG eröffnet ist. II. Die Parallelproblematik im Immissionsschutzrecht Im Immissionsschutzrecht wird die Rügbarkeit von Verstößen gegen Verfahrensdurchführungsgebote ebenfalls grundsätzlich verneint, weil kein absolutes Verfahrensrecht auf dessen Einhaltung besteht. Zwar diene das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren gerade dazu, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten. Dies bedeute indes nicht, dass die Einhaltung des Verfahrens um seiner selbst willen dem Schutz potentiell betroffener Nachbarn diene, 277

Schlacke, NuR 2007, S. 8 (10). Die praktischen Auswirkungen dieser Änderung dürften allerdings sehr gering sein, da von den Gerichten bisher auch sehr gründlich geprüft wurde, ob für die Behörde tatsächlich die Verpflichtung bestand, dass von den Verbänden geforderte Verfahren durchzuführen. Dabei wurde nur selten eine rechtswidrige Verfahrenswahl festgestellt und der angefochtene Bescheid aufgehoben; vgl. hierzu Schmidt / Zschiesche / Rosenbaum, Die naturschutzrechtliche Verbandsklage in Deutschland, S. 96 f. 279 Vgl. hierzu im einzelnen § 13 B. I. 2. 278

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unabhängig davon, ob konkrete materielle Rechtspositionen verletzt sind oder nicht. 280 Die relativ drittschützende Funktion des § 10 BImSchG ist demnach nicht ausreichend, um die falsche Verfahrensdurchführung geltend zu machen. 281 Allein durch die unzutreffende Wahl des Genehmigungsverfahrens würden keine Rechte verletzt. 282 Dies wurde sowohl dann angenommen, wenn statt eines vollumfänglichen förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG lediglich ein vereinfachtes immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG durchgeführt worden ist 283, als auch für den Fall, dass eine Baugenehmigung erteilt worden ist, obwohl eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre. 284 Denn der materiell-rechtliche Schutz, den das Baurecht gewähre, entspräche dem in § 5 I Nr. 1 BImSchG geregelten Schutz durch das Immissionsschutzrecht. 285 Ebenso wie im Planfeststellungsrecht bestehen Ansprüche von Dritten nur dann, wenn aufgrund der rechtswidrigen Nichtdurchführung des richtigen Genehmigungsverfahrens zugleich materielle Rechtspositionen beeinträchtigt werden. 286 Eine Abweichung von dieser restriktiven Rechtsprechung wird in jüngster Zeit allenfalls in der Konstellation in Betracht gezogen, in der das unterlassene Genehmigungsverfahren gleichzeitig als Trägerverfahren der UVP fungiert. So hat das OVG Koblenz in einer Entscheidung vom 25. 01. 2005 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertreten, dass die Bestimmungen des förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG wegen 280 BVerwGE 85, 368 (373); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 f.; OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615; VG Münster, Beschluss v. 16. 02. 2005, Az.: 7 L 1587/04 (zit. nach juris Rn. 4); VGH München, Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 36); VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Rn. 24.); VG Saarland, Urt. v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 53 ff.). 281 A. A. in der Literatur: Roßnagel, in: Koch / Scheuing, Gk-BImSchG, § 10 Rn. 597; Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 22. 282 VGH München, Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 36). 283 BVerwGE 85, 368 ff.; VG Saarland, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 59 u. 61), Erteilung einer Genehmigung nach § 19 BImSchG statt nach § 10 BImSchG; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355), vereinfachtes Verfahren nach § 16 Abs. 4 S. 2 BImSchG statt nach § 10 BImSchG. 284 OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361; OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408; OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615; VGH München, Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 36); OVG Münster, Beschluss v. 27. 4. 2005, Az.: 10 B 355/05 (zit. nach juris Rn. 11); OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 05. 2007, Az.: 12 LB 8/07 (zit. nach juris Rn. 48); VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Rn. 24); VG Neustadt, Beschluss v. 20. 12. 2004, Az.: 4 L 2450/04.NW (zit. nach juris Rn. 21, 23). 285 OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615; VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Rn. 24) jeweils mit Verweis auf BVerwGE 68, 58 (59). 286 OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408; OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362).

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ihrer Funktion als Trägerverfahren für UVP-pflichtige Anlagen eine drittschützende Wirkung für die „betroffene“ Öffentlichkeit hätten. 287 Das Gericht hält dies aufgrund europarechtlicher Vorgaben – namentlich wegen des neu eingefügten Art. 10a RL 2003/35/EG – für erforderlich. 288 Durch die mögliche UVPPflichtigkeit des Vorhabens gewinnt die Durchführung des förmliche Verfahrens nach § 10 BImSchG hier an eigenständiger Drittschutzerheblichkeit, so dass der Antragsteller die nach § 19 BImSchG erteilte Genehmigung allein mit dem Hinweis darauf angreifen kann, dass sie auf der falschen Verfahrensgrundlage ergangen ist. 289 Abweichend von § 46 VwVfG soll eine Verletzung des § 10 BImSchG dann auch für die Aufhebung der Genehmigung genügen. Ob diese Entscheidung des OVG Koblenz durch das neue URG bestätigt wurde, also ob dass Gesetz künftig Individualklägern die Möglichkeit einräumt, gegen ein falsches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren gerichtlich vorzugehen, ist noch genauer zu untersuchen. 290 Die Entscheidung des OVG macht jedenfalls deutlich, dass es aus UVP-rechtlicher Sicht nicht unerheblich ist, welches Genehmigungsverfahren von der Behörde durchgeführt wird.

B. Die Besonderheiten bei der Behandlung von Verfahrensartfehlern I. Erforderlichkeit eines absoluten Verfahrensrechts Wie aus den vorstehenden Erläuterungen ersichtlich wurde, kann die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Genehmigungs- oder Planungsentscheidung grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass diese im falschen Verfahren ergangen ist. Hierfür muss dem Kläger vielmehr eine „vom materiellen Recht unabhängige, selbständig durchsetzbare Verfahrensrechtsposition“ 291, also ein 287

OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1211). Ausführlich zu dieser Entscheidung des OVG Koblenz unter § 12 C. I. 289 Anlässlich dieser Entscheidung haben auch andere Gerichte die Frage der Drittschutzerheblichkeit bei einer falschen Verfahrensdurchführung im Fall der UVP-Pflicht des Vorhabens aufgeworfen. Da es sich hier jedoch um Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz handelte, wurde für die Lösung des Problems auf das Hauptsacheverfahren verwiesen: OVG Münster, Beschluss v. 11. 10. 2005, Az.: 8 B 110/05 (zit. nach juris Rn. 10 ff.); OVG Münster, Beschlüsse v. 15. 09. 2005, Az.: 8 B 417/05, ZUR 2006, S. 50 und NVwZRR 2006, S. 173 (175) jeweils mit Hinweis auf den Beschluss v. 11. 03. 2005, NWVBl. 2005, 350 (352); außerdem VG Saarland, Entscheidung v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/ 05 (zit. nach juris Rn. 38 f.), offen gelassen auch in der nachfolgenden Entscheidung des OVG Saarland v. 10. 11. 2006, Az.: 3 W 5/06 (zit. nach juris Rn. 35 ff.). Bereits vor der Entscheidung des OVG Koblenz hatte das VG Trier diese Frage aufgeworfen: Beschluss v. 30. 08. 2004, Az.: 5 L 1045/04.TR (zit. nach juris Rn. 6). 290 Vgl. hierzu § 13 B. III. 291 BVerwGE 41, 58 (64 f.); BVerwGE 44, 235 (239 f.) für das Wasserrecht; BVerwG, NVwZ–RR 1999, S. 556; BVerwG, NVwZ-RR 2001, S. 360; BVerwG, NVwZ 2004, 288

§ 4 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter

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absolutes Verfahrensrecht zustehen. Bei „einfachen“ Verfahrensfehlern im Verfahren kann sich der Rechtsschutzsuchende hingegen nach der vorherrschenden Rechtsprechung sowohl auf absolute als auch auf relative Verfahrensrechte berufen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen hängen somit maßgeblich von der Art des Verfahrensfehlers ab. 292 In der älteren Rechtsprechung wurde sowohl für die Geltendmachung von Verfahrensfehlern innerhalb eines zutreffend gewählten Verwaltungsverfahrens als auch in der Konstellation der Unterlassung des gebotenen Verfahrens das Vorliegen eines absoluten Verfahrensrechts gefordert, da die Rechtsfigur der relativen Verfahrensrechte noch nicht gebräuchlich war. So wurde der Verfahrensvorschrift entweder keinerlei subjektiv-rechtlicher Gehalt beigemessen oder sie wurde – nach heutiger Terminologie – als „absolut“ anerkannt, was im Gegensatz zur heutigen Rechtsprechung recht großzügig geschah. 293 Aber auch in früheren Entscheidungen wird bereits auf die Unterscheidung zwischen „einfachen“ Verfahrensfehlern und solchen, die in einer Unterlassung des gebotenen Verfahrens bzw. in einer falschen Verfahrenswahl bestehen, deutlich hingewiesen. Das BVerwG erklärt hierzu, dass die Frage, ob eine Verwaltungsverfahrensvorschrift einem Dritten subjektiven Rechtsschutz dergestalt gewährt, dass sie ihm eine vom materiellen Recht unabhängige und selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition einräumt, nach Voraussetzungen und Folgerungen einer differenzierenden Beantwortung bedürfe, je nach dem, ob der Dritte geltend macht, für ein bestimmtes Vorhaben sei das objektiv-rechtlich gebotene Verwaltungsverfahren nicht durchgeführt worden, oder ob der Dritte rügt, er sei an einem der Sache nach zutreffend eingeleiteten Verwaltungsverfahren zu Unrecht nicht oder nicht ausreichend beteiligt worden. 294 Die (neu) eingeführte Kategorie der relativen Verfahrensrechte bildet in der Regel für die Fälle der Unterlassung des gebotenen Verfahrens bzw. bei Verfahrensartfehlern keinen Prüfungsmaßstab. Dementsprechend hält das BVerwG in einer jüngeren Entscheidung, trotz Anerkennung eines relativ drittschützenden S. 613 für das Planfeststellungsrecht; BVerwG NVwZ 1983, S. 92 – kein Recht auf baurechtliche Planaufstellung; BVerwGE 85, 368 (375, 377) für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Unterlassen eines luftrechtlichen Verfahrens nach § 6 I LuftVG, VGH München, NVwZ-RR 2004, S. 90 (91). Zum Erfordernis eines absoluten Verfahrenrechts bei Verfahrensunterlassung auch: Müller, Verfahrensartfehler, S. 107 ff.; Schütz, in: Ziekow (Hrsg.) Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 836. 292 Kritisch gegenüber dieser restriktiven Rechtsprechung bei Verfahrensartfehlern: Broß, VerwArch 76 (1985), S. 337 ff.; v. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 ff.; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (431); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 5 ff.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 242 ff.; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 369. 293 Vgl. zur Entwicklung dieser Rechtsprechung Müller, Verfahrensartfehler, S. 92 ff. 294 BVerwGE 62, 243 (246) mit Verweis auf BVerwGE 44, 235 (239) und BVerwG, NJW 1981, S. 239; BVerwG, DÖV 1980, S. 516 (518).

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Gehalts des Planfeststellungsverfahrens 295, die Klärung der Frage, ob anstelle einer Plangenehmigung eine Planfeststellung geboten war, für unerheblich. Das Gericht begründet dies damit, dass sich allein aus einem Verstoß gegen die Planfeststellungspflicht kein Aufhebungsgrund herleiten lasse. Hierfür wäre vielmehr eine Verfahrensvorschrift erforderlich, die unabhängig vom materiellen Recht erzwungen werden kann, also eine absolute Verfahrensvorschrift. 296 Die Verletzung des relativen Verfahrensrechts wird nicht geprüft. II. Abweichende Prüfungsmaßstäbe Allerdings ist die Rechtsprechung zu den Verfahrensartfehlern nicht einheitlich. Obwohl die Durchführung des falschen Verfahrens per se nicht von Bedeutung ist, erfolgt teilweise eine Überprüfung am Maßstab der relativen Verfahrensrechte, also daraufhin, ob sich die Nichtdurchführung des erforderlichen Verfahrens auf die materielle Rechtsposition des Klägers ausgewirkt haben kann. 297 Auch das BVerwG führt in einem Urteil vom 16. 12. 1998 bezüglich der Wahl der 295

Siehe § 2 C. II. 2. BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 556; unter Bezugnahme auf diese Entscheidung entsprechend BVerwG, NVwZ-RR 2001, S. 360; BVerwG, NVwZ 2004, S. 613. Kritisch zu dieser Entscheidung: Schütz, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 836. 297 In dem Urteil v. 19. 11. 1999, VGH Mannheim, VBlBW 2000, S. 157 (158), lehnt der VGH zunächst das Bestehen eines absoluten Verfahrensrechts ab, geht aber davon aus, dass das luftverkehrsrechtliche Genehmigungsverfahren auch dazu dient, den Schutz der Nachbarschaft zu gewährleisten. Er stellt dann – wie bei relativen Verfahrensrechten üblich – für die Klagebefugnis darauf ab, ob sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte. Er kommt zu dem Schluss, dass sich ein solcher Einfluss des Verfahrensfehlers auf die materielle Rechtsposition des Klägers aus § 6 Abs. 2 S. 2 LuftVG nicht von vornherein ausschließen lasse und bejaht demnach die Klagebefugnis. In dem Urteil des VGH Mannheim v. 21. 10. 1999, DÖV 2000, S. 342 (343), stellt das Gericht zunächst fest, dass selbst wenn man die Voraussetzungen für die Erteilung einer Plangenehmigung anstelle eines Planfeststellungsverfahrens verneinte, darin alleine keine zum Erfolg der Anfechtungsklage führende Rechtsverletzung des Klägers läge. Vielmehr müsste mit Blick auf den Klageantrag die konkrete Möglichkeit bestehen, dass bei der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens die Planungsentscheidung in Frage gestellt wäre. Obwohl das Bestehen einer vom materiellen Recht unabhängigen Verfahrensposition also verneint wird, erfolgt dennoch eine Überprüfung der Entscheidung anhand des konkreten Auswirkungskriteriums, dass ansonsten nur bei „einfachen“ Verfahrensfehlern innerhalb des Verfahrens und zudem auch nur bei relativen Verfahrensrechten zur Anwendung kommt. Hingegen wird nach der herrschenden Rechtsprechung eine solche Prüfung im Fall des Verfahrensartfehlers gar nicht mehr vorgenommen. Ebenso wird im Beschluss des OVG Lüneburg vom 29. 12. 2006, NVwZ 2007, S. 354 (355), zunächst darauf hingewiesen, dass es sich bei dem angeblich fehlerhaften Genehmigungsverfahren allenfalls um einen Verfahrensfehler handeln könnte, der als solches eigenständig keinen Aufhebungsanspruch begründen würde. Der Betroffene hätte aber plausibel vortragen können, dass und ggf. wie sich gerade die fehlerhafte Nichtdurch296

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falschen Verfahrensart aus, dass sich hieraus allein zwar kein Abwehrrecht gegen das Vorhaben ergeben könne. Allerdings könne die falsche Verfahrenswahl dann zur Aufhebung der Planungsentscheidung führen, wenn die konkrete Möglichkeit bestünde, dass sich die Planungsbehörde ohne diesen Verfahrensfehler anders entschieden hätte, wofür im vorliegenden Fall aber nichts ersichtlich wäre. 298 Nach Ablehnung einer selbständig durchsetzbaren Rechtsposition erfolgt eine Überprüfung anhand des konkreten Auswirkungskriteriums, welches auf absolute Verfahrensrechte wegen ihrer Unabhängigkeit vom materiellen Recht keine Anwendung finden kann. Das bedeutet, dass das BVerwG hier zusätzlich die Prüfung eines relativen Verfahrensrechts anerkennt, obwohl es sich nicht um einen Verfahrensfehler im Verfahren, sondern um einen Verfahrensartfehler handelt. Insofern ist der Prüfungsmaßstab der Rechtsprechung bei Verfahrensartfehlern keineswegs einheitlich. Auch in der Literatur wird teilweise bei Rechtsschutzfragen hinsichtlich der falschen Verfahrenswahl lediglich auf das Bestehen von relativ drittschützenden Verfahrensrechten hingewiesen 299 bzw. es wird ohne weitere Erklärung das konkrete Auswirkungskriterium der Rechtsprechung als Beurteilungsmaßstab für die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung für anwendbar erklärt, ohne insoweit auf die abweichende Rechtsprechung einzugehen. 300 Andere wiederum weisen gerade darauf hin, dass in der Rechtsprechung bei der falschen Verfahrenswahl nur absolute Verfahrensrechte zu einer erfolgreichen gerichtlichen Geltendmachung führen können. 301 Festzuhalten ist, dass in der Rechtsprechung für den Fehler der Unterlassung des gebotenen Verfahrens zwar nicht einheitlich das Bestehen eines absoluten Verfahrensrechts gefordert wird, dies jedoch überwiegend der Fall ist. Dem verfahrensrechtlichen Drittschutz wird dementsprechend wenig Bedeutung beigemessen. Abweichungen können sich künftig allenfalls im Anwendungsbereich des neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes ergeben, wenn mit dem Unterlassen des gebotenen Zulassungsverfahrens zugleich ein Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer UVP verbunden ist. 302

führung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens auf seine materielle Rechtsposition ausgewirkt haben kann. Auch hier wird die mögliche Verletzung relativ drittschützender Verfahrensvorschriften für bedeutsam gehalten. 298 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 296 (297). 299 Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 21 f. 300 Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 158a unter Hinweis auf die Entscheidung des VGH Mannheim, DÖV 2000, S. 342. 301 V. Danwitz, DVBl. 1993, S. 422 ff.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 107; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (431); derselbe, in Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Rn. 79; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 5 ff. 302 Vgl. dazu § 13 B. III.

Zweiter Teil

§ 46 VwVfG auf dem Prüfstand der Gemeinschaftsrechtskompatibilität § 5 Die europarechtliche Problematik A. Die Vorschrift des § 46 VwVfG im Blickpunkt der Kritik Die Unbeachtlichkeit von verfahrensrechtlichen Rechtsverstößen hat in letzter Zeit vor allem unter dem Blickwinkel der Vereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht Kritik erfahren. Hintergrund der Diskussion ist die Erkenntnis, dass die „Europäisierung des Rechts“ neben dem materiellen Verwaltungsrecht auch das nationale Verwaltungsverfahrensrecht sowie das Verwaltungsprozessrecht erfasst hat. Obwohl die EG in diesen Rechtsgebieten keine allgemeine Regelungskompetenz hat 1, kommt es auch hier zu Einwirkungen und damit zu einem Prozess der Europäisierung. 2 Wichtigstes „Einfallstor“ für die Einwirkung auf das mitgliedstaatliche Verwaltungsrechtssystem ist dabei die (auch) in Art. 10 EG zum Ausdruck kommende Pflicht der Mitgliedstaaten, ihr nationales Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht nur insoweit anzuwenden, als hierdurch nicht die effektive Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts („effet utile“) beeinträchtigt wird. 3 Hieraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, bestehendes nationales Verfahrensrecht im Anwendungsfall zu modifizieren. Insofern gerät das gesamte Recht auf den Prüfstand der Gemeinschaftsrechtskompatibilität. Zugleich gibt die Europäisierung des Rechts wichtige Impulse, vermeintliche Selbstverständlichkeiten im nationalen Recht kritisch zu hinterfragen und dabei 1 Hierzu: Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (244); Streinz, VVDStRL 61 (2002), S. 300 (318); v. Götz, DVBl. 2002, S. 1 (2 f.); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285; Kopp / Ramsauer, VwVfG, Einführung Rn. 56; Stelkens / Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, Einleitung Rn. 131. 2 Eine Übersicht der Wirkungsmechanismen der Europäisierung findet sich bei Sydow, JuS 2005, S. 97 (98); Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 51 ff. 3 Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 194; Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 417. Genauer zum Effektivitätsgebot in § 6.

§ 5 Die europarechtliche Problematik

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manche Ungereimtheiten zu beseitigen. Sie birgt ein großes Innovationspotenzial und markiert eine neue Phase der Entwicklung des gesamten Öffentlichen Rechts. 4 So hat die europarechtliche Perspektive auch zu einer „Reanimation“ 5 des Verwaltungsverfahrensrechts bzw. zu einer erneuten kritischen Überprüfung der nationalen Fehlerfolgenlehre geführt. Dabei ist speziell die Vorschrift des § 46 VwVfG auf den Prüfstand geraten. Das Konfliktpotenzial, das mit der Anwendung dieser Vorschrift auf den Verfahrensfehler der unterlassenen UVP verbunden ist, wird häufig als Paradebeispiel herangezogen, um der Regelung insgesamt eine Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zu bescheinigen. 6 Es erscheint allerdings sinnvoller, § 46 VwVfG zunächst grundsätzlich auf seine Europarechtskonformität hin zu untersuchen, bevor man sich im Wege einer Einzelfallanalyse der Frage widmet, ob die Regelung bei speziellen europäischen Verfahrensanforderungen wie der UVP modifiziert werden muss. Zum Teil wird eine unveränderte Anwendung des § 46 VwVfG auf Verfahrensrechte gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs ohne Bedenken befürwortet, weil es insoweit an einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung fehle, die das nationale Recht verdränge. 7 Hierbei wird jedoch außer Acht gelassen, dass auch die Regelungen über die Verfahrensfehlerfolgen unter dem Vorbehalt stehen, den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen. 8 Die Anwendung des § 46 VwVfG darf nicht dazu führen, dass gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorgaben innerstaatlich generell nicht sanktionierbar sind oder durch Gemeinschaftsrecht verliehene Verfahrensrechte praktisch leer laufen. 9 In Anbetracht des Anwendungsvorrangs, der dem EG-Recht gegenüber dem nationalen Recht grundsätzlich zukommt, und der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaftstreue ist es daher nicht unproblematisch, wenn Verstöße gegen europarechtlich begründete Verfahrens- und Formvorschriften durch nationale Regelungen für unbeachtlich erklärt werden. 4

Dazu Wahl, Der Staat 38 (1999), S. 495 ff. So der Titel des Aufsatzes von Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 ff. 6 Wegener, ZUR 1996, S. 324 (325 f.); Classen, DV 31 (1998), S. 307 (329 f.); Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (299). 7 Papier, DVBl. 1993, S. 809 (814); Schmidt, JZ 1997, S. 1042 (1045) bezüglich des Rechtsschutzes bei einer Verletzung der UVP-Vorschriften. Ebenso gehen Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (494) und Hien, NVwZ 1997, S. 422 (425) ohne weiteres von der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG bzw. des konkreten Auswirkungskriteriums im UVPRecht aus. 8 Classen, DV 31 (1998), S. 307 (322 f.); Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79; Dörr, in: Sodan / Ziekow (Hrsg.), VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtschutz Rn. 237. 9 Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435. 5

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

In der Literatur wird die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgebot häufig schon deswegen bezweifelt, weil der ordnungsgemäßen Einhaltung des Verwaltungsverfahrens auf europäischer Ebene eine wesentlich größere Bedeutung zukomme. Dies belege die EuGH-Rechtsprechung zum Eigenverwaltungsrecht der EG, die an die Folgenlosigkeit von Verfahrensfehlern wesentlich striktere Anforderungen stelle als die deutschen Unbeachtlichkeitsvorschriften. 10 Das Verwaltungsverfahren diene hier als Garant für ein sachgerechtes Ergebnis und gewinne dadurch an eigeständigem Wert. 11 Insgesamt befände sich die in § 46 VwVfG zum Ausdruck kommende Geringschätzung des Verfahrens in einem Spannungsverhältnis zu der europäischen Verfahrensrechtsentwicklung und könne wohl auf Dauer so nicht aufrecht erhalten werden. 12 Die Konsequenzen, die aus dieser mangelnden Übereinstimmung des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht gezogen werden, fallen jedoch unterschiedlich aus. Vereinzelt wird aus den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen, insbesondere aus dem Effektivitätsgebot gefolgert, dass ein Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliches oder Gemeinschaftsrecht umsetzendes Verfahrensrecht stets zur Aufhebung des fehlerhaften Verwaltungsaktes bzw. zu einem entsprechendem Abwehranspruch führen müsse. Die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG sei demzufolge ausgeschlossen. 13 Eine solche generelle Unanwendbarkeit des § 46 VwVfG bei Sachverhalten mit EG-Rechtsbezug wird hingegen vielfach für zu weitgehend erachtet. 14 Fälle der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit nationaler Regelungen, die nur durch die ausnahmslose Nichtanwendung einer Norm ausgeräumt 10 Classen, NJW 1995, S. 2457 (2459); derselbe, DV 31 (1998), S. 307 (327 ff.); Gornig / Trüe, JZ 2000, S. 395 (397 ff.); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1290 f.); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (22 ff.); Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 296 ff.; Bender / Sparwasser / Engel, Umweltrecht, Kap. 4 Rn. 48; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern im Verwaltungsverfahren, S. 235 ff., der explizit darauf hinweist, dass gegen die Anwendung von Heilungsvorschriften wie § 45 VwVfG in gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht nichts einzuwenden sei, jedoch einen zurückhaltenden Gebrauch von Vorschriften, welche die Verletzung von Verfahrensvorschriften folgenlos stellen, fordert (S. 237). Ebenso Durner, VerwArch 97 (2006), S. 350. Dagegen hält Kokott, DV 31 (1998), S. 335 (367), gerade § 45 VwVfG für unanwendbar auf gemeinschaftsrechtliche Sachverhalte.Vgl. insgesamt zu dieser Diskussion Sydow, JuS 2005, S. 97 (100 f.). 11 Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1290); Kment, AöR 130 (2005), S. 570 (572). 12 Hufen, JuS 1999, S. 313 (314); Ekardt, NuR 2006, S. 221 (227 f.); Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (300, 313); einschränkend derselbe, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524); Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 425; Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79; Martin, Heilung von Verfahrensfehlern im Verwaltungsverfahren, S. 236: „Kollisionskurs mit dem europäischen Verfahrensverständnis“. Bedenken auch bei Sellner, in: FS für Feldhaus, S. 101 (119 f.); Epiney, VVDStRL 61 (2002), S. 362 (412 Fn. 209). Speziell zu den Planerhaltungsvorschriften der §§ 214 ff. BauGB: Kupfer, DV 38 (2005), S. 493 (515); Quass / Kukk, BauR 2004, S. 1541 (1551). 13 Wegner, Rechte des Einzelnen, S. 297 f.; Kopp / Ramsauer, VwGO, § 46 Rn. 20.

§ 5 Die europarechtliche Problematik

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werden können, dürften zudem äußerst selten sein. 15 Soweit die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben infolge der Sanktionslosigkeit von Verfahrensfehlern vereitelt wird, soll aber im Einzelfall ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG in Betracht kommen. 16 Teilweise wird aber auch eine „gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 46 VwVfG“ 17 gefordert, um die Vereinbarkeit der Vorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht zu gewährleisten. Dies lässt darauf schließen, dass § 46 VwVfG selbst in Konfliktfällen nicht von vornherein für unanwendbar erklärt werden soll, sondern lediglich einer restriktiven Interpretation unterzogen werden muss. So dürfe insbesondere das Kriterium der Offensichtlichkeit nicht großzügig gehandhabt werden. 18

B. Die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Eine richtige Einschätzung der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht kann nur dann erfolgen, wenn hierfür die zutreffenden Beurteilungsmaßstäbe zu Grunde gelegt werden. Hierfür sollen zunächst die Grundzüge des gemeinschaftsrechtlichen Vollzugs genauer dargestellt werden (I.). Im Vordergrund stehen dabei die Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht an den Vollzug des EG-Rechts durch die Mitgliedstaaten stellt, und die Frage, inwieweit sich hieraus ein Kollisionsfall mit der Vorschrift des § 46 VwVfG ergeben kann (II.). Vorgaben der Aarhus-Konvention und der sie umsetzenden europäischen Richtlinien, die möglicherweise eine andere Beurteilung im Bereich bestimmter umweltrechtlicher Verfahrenstypen erforderlich machen, bleiben vorerst außer Betracht. Vielmehr soll hier die grundsätzliche Problematik behandelt werden, die sich aus der Anwendung des § 46 VwVfG auf gemeinschaftsrelevante Sachverhalte ergibt. 14 Vgl. Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 188; Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524). 15 Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 276. 16 Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524); Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 13: „Die Anwendbarkeit von § 46 VwVfG kann ausgeschlossen sein, wenn es um Verstöße gegen europarechtlich bedingtes Verfahrensrecht geht“; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 187: „Es dürfte nur auf Grund besonderer Anhaltspunkte im Einzelfall anzunehmen sein, dass die insoweit einschlägigen Regelungen des nationalen Rechts (§§ 45, 46 VwVfG) ausgeschlossen sind.“; Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 435. 17 Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1008); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (25); Kokott, DV 31 (1998), S. 335 (367 f.); Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 13 Rn. 67. Ebenfalls von einer „eingeschränkten Anwendung“ des § 46 VwVfG, wenn es um den Vollzug von Gemeinschaftsrecht geht, spricht Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 46 Rn. 17. 18 Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 13 Rn. 67; Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1008).

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

I. Indirekter Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten Als Grundlage einer Systematisierung des Verwaltungsvollzugs des Gemeinschaftsrechts hat sich die Unterscheidung zwischen direktem und indirektem Vollzug durchgesetzt. 19 Unter direktem Vollzug versteht man die Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die eigenen Organe der EG, wohingegen ein Fall des indirekten Vollzugs vorliegt, wenn die nationalen Verwaltungsstellen der Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht vollziehen. Ob im konkreten Fall die EG oder der betroffene Mitgliedstaat für den Vollzug des Gemeinschaftsrechts zuständig ist, ist im EGV nicht ausdrücklich festgelegt. Eine Regelung über die Verteilung der Kompetenzen zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts, wie sie etwa den Art. 83 ff. GG entspräche, existiert nicht. Überwiegend wird davon ausgegangen, dass sich die Kompetenzverteilung nach dem Prinzip der begrenzten (Einzel-)Ermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EG) 20 richtet. Solange nicht etwas anderes normativ festgelegt ist, sind danach grundsätzlich die Mitgliedstaaten berufen das Gemeinschaftsrecht zu vollziehen. 21 Dies entspricht der Erklärung Nr. 43 zum Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit (Art. 5 Abs. 2, 3 EG) im Vertrag von Amsterdam, wonach die „administrative Durchführung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten bleibt“. 22 Da das primäre Gemeinschaftsrecht die EG-Organe bisher nur auf einigen bestimmten Gebieten zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts ermächtigt hat, wird der direkte Vollzug einhellig als Ausnahme bzw. der indirekte Vollzug als Regelfall bezeichnet. 23 Der indirekte Vollzug untergliedert sich wiederum begrifflich in den unmittelbaren (indirekten) Vollzug, wenn die Behörden unmittelbar wirksames Ge19

Vgl. nur Pernice / Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100 (1102); Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 29 f.; Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, S. 25 ff. Erstmals wurde diese Unterteilung in der deutschen Literatur durch Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 9 ff. vorgenommen. Siehe zur teilweisen Verwendung anderer Begriffspaare wie z. B. „zentrale“ und „dezentrale“ Rechtsdurchsetzung mit der gleichen Bedeutung Hegels, EGEigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 26 Fn. 2. 20 Vgl. dazu Langguth, in: Lenz / Borchardt (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 5 EG Rn. 10 ff.; Calliess, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 5 EG Rn. 8 ff. 21 Streinz, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 15; Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 10 EG Rn. 34; vgl. hierzu auch Schroeder, AöR 129 (2004), S. 3 (11 ff.). 22 BGBl. II 1998 S. 429 (450). 23 Pernice / Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100 (1102); Schoch, VBlBW 1999, S. 241: „Normallfall“ des indirekten Vollzugs; Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (245); Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 30; Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 101; Streinz, Europarecht, Rn. 533; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, Rn. 505.

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meinschaftsrecht anwenden – etwa bei der Anwendung von Verordnungen oder innerstaatlich unmittelbar wirkenden EG-Richtlinienbestimmungen – und den mittelbaren (indirekten) Vollzug, dem die nationalen Vorschriften zugrunde liegen, welche zur Umsetzung oder Durchführung von Gemeinschaftsrecht erlassen wurden. 24 Insoweit besteht der mittelbare indirekte Vollzug rein formell zwar nur in der Anwendung des nationalen Rechts. Das dahinter stehende EG-Recht hat aber durchaus Bedeutung, weil der nationale Rechtsanwender generell zu einem effektiven Vollzug verpflichtet ist. 25 II. Die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG beim indirekten Vollzug 1. Verfahrensrechtliche Autonomie der Mitgliedstaaten? Wird das Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten (mittelbar oder unmittelbar) vollzogen, richtet sich das Verwaltungsverfahren sowie die Verwaltungsorganisation grundsätzlich nach innerstaatlichem Recht. Dies hat der EuGH schon früh entschieden und seither in ständiger Rechtsprechung wiederholt. 26 Die Mitgliedstaaten entscheiden allein über den zuständigen Verwaltungsträger und das jeweilige Verfahren, ohne an Weisungen der Gemeinschaftsorgane gebunden zu sein. In diesem Zusammenhang wird von dem „Grundsatz der institutionellen und verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten“ 27 gesprochen. Allerdings steht dieser Grundsatz unter dem Vorbehalt, dass kein vorrangiges Gemeinschaftsrecht existiert. Nur soweit das Gemeinschaftsrecht keine unmittelbar geltenden gemeinsamen Vorschriften für den Verwaltungsvollzug enthält, können die Behörden der Mitgliedstaaten nach ihren nationalen Verfahrensbestimmungen, insbesondere dem nationalen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht vorgehen (sog. „Soweit“-Formel) 28. 29 24 Zu den Begrifflichkeiten Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 31 ff. 25 Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (9). 26 Vgl. bereits EuGH, Rs. 39/70 (Fleischkontor), Slg. 1971, 49, Rn. 4; Rs. 94/71 (Schlüter), Slg. 1972, 307, Rn. 10 f.; jüngst auch z. B. EuGH, Rs. C-120/97 (Upjohn), Slg. 1999, I-223, Rn. 32; weiter Nachweise bei Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 113 Fn. 350. 27 Iglesias, EuGRZ 1997, S. 289; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 113; Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 10 EG Rn. 35; Streinz, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 29; Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 109. 28 Diesen Begriff verwenden u. a.: Kopp / Ramsauer, VwGO, Einführung Rn. 61; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 345; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 53 m.w. N. 29 EuGH, verb. Rs. 205 – 215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 17.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

Auch wenn die Anwendbarkeit der nationalen Verwaltungsverfahrensregeln mangels vorrangiger gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften prinzipiell eröffnet ist, darf der effektive Vollzug des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigt werden. Um dies zu gewährleisten, hat der EuGH im Wesentlichen zwei Schranken entwickelt, die beim Vollzug des Gemeinschaftsrechts beachtet werden müssen: den Grundsatz der Äquivalenz und den Grundsatz der Effektivität. Diese beiden Grundsätze sollen sicherstellen, dass eine europarechtliche Vorschrift nicht nur formal in das nationale Rechtsgefüge einfließt, sondern auch im Zusammenspiel mit dem nationalen Verwaltungs- und Prozessrecht eine tatsächliche Wirksamkeit erfährt. Abgeleitet werden sie nach herrschendem Verständnis aus Art. 10 EG 30, der den Grundsatz der Gemeinschaftstreue bzw. der Gemeinschaftsloyalität 31 im EGV verankert hat. 32 Beide Schranken fungieren innerhalb der Judikatur des EuGH als Maßstab sowohl des nationalen Verwaltungsverfahrens- als auch des Prozessrechts. 33 Für den indirekten Vollzug des europäischen Rechts sind neben den nationalen Verfahrensbestimmungen also auch geschriebene und ungeschriebene Vorgaben des Gemeinschaftsrechts maßgeblich. Diese Regelungen, die kraft Gemeinschaftsrecht in allen oder für alle Mitgliedstaaten verbindlich sind, werden als Gemeinschaftsverwaltungsrecht (Recht des indirekten Vollzugs) bezeichnet. 34 Sie bilden neben dem EG-Eigenverwaltungsrecht, das ausschließlich diejenigen verwaltungsrechtlichen Regelungen umfasst, die im Bereich des direkten Vollzugs durch die EG-Organe zu beachten sind 35, die zweite Kategorie des europäischen 30 Vgl. Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 194; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 45; Mosiek, Effet utile und Rechtsgemeinschaft, S. 249 ff., der aber zugleich darauf hinweist, dass ausdrückliche Ausführungen des Gerichtshofs zur Frage der vertraglichen Anbindung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes nicht existieren. 31 Vgl. dazu Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 6 ff. 32 Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 3 ff. 33 Jarass / Beljin, Casebook – Grundlagen des EG-Rechts, S. 50 Fn. 132. 34 Der Begriff stammt von Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 (926). Übernommen haben diesen Begriff u. a. Wahl, DVBl. 2003, S. 1285; Kahl, VerwArch 2004, S. 1 (13); Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 4 Rn. 31; Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, 2003, § 18 Rn. 56; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 278; Hegels, EG-Eigenverwaltngsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 40 m.w. N. 35 Allerdings verfügt das Gemeinschaftsrecht bisher nicht über ein kodifiziertes allgemeines Verfahrensrecht. Lediglich in wenigen Bereichen finden sich geschriebene verfahrensrechtliche Regelungen, wie z. B. Art. 253 EG (Begründungspflicht für Rechtsakte der Gemeinschaft), Art. 254 EG (Bekanntgabe von Rechtsakten der Gemeinschaft), Art. 284 EG (Auskunfts- und Nachprüfungspflicht der Kommission), Art. 287 (Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit). Im Übrigen richtet sich das Verwaltungsverfahren nach

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Verwaltungsrechts. Über die Einwirkungen des Gemeinschaftsverwaltungsrechts kann es gegebenenfalls zu „Überformungen“ der nationalen Verfahrensbestimmungen kommen, damit das Gemeinschaftsrecht im nationalen Vollzug keine Einbußen erfährt. Seit einiger Zeit wird daher immer häufiger bezweifelt, ob von einem „Grundsatz der Verfahrensautonomie“ überhaupt noch die Rede sein kann. 36 Denn dieser suggeriert eine Immunität des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts gegenüber gemeinschaftsrechtlichen Einflüssen, die nicht der Realität entspricht. In der Literatur wird deshalb vorgeschlagen, statt von einem Grundsatz der Verfahrensautonomie von einem „Grundsatz der Anwendung nationaler Verfahrensordnungen“ 37 oder von einer „begrenzten Autonomie“ 38 zu sprechen. 2. Keine direkte Kollision durch vorrangiges Gemeinschaftsrecht Die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 46 VwVfG im indirekten Vollzug steht also zunächst unter dem Vorbehalt, dass keine vorrangige, unmittelbar anwendbare Verfahrensbestimmung der Gemeinschaft existiert. Die Maßgeblichkeit des Gemeinschaftsverwaltungsrechts liegt im Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber kollidierendem nationalen Recht begründet. Denn obwohl die geltenden Gemeinschaftsverträge keine ausdrückliche Regelung des Rangverhältnisses zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht enthalten, ist es für die einheitliche Geltung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten unerlässlich, dass sich das europäische Recht im Kollisionsfall durchsetzt. So hat der EuGH schon früh den generellen Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalen Vorschriften herausgestellt. 39 allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, die der EuGH in seiner Rechtsprechung entwickelt hat. Vgl. hierzu Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 37 ff. 36 Kritisch zu dem Verständnis von einer nationalen Verfahrensautonomie: Kadelbach, KritV 1999, S. 378 (399); Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (75); Schroeder, AöR 129 (2004), S. 3 ff.; Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 31; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 83; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 15, wonach der EuGH den Mitgliedstaaten statt einer Verfahrensautonomie lediglich einen gewissen Ausgestaltungsspielraum einräume. 37 Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 31; Epiney / Sollberger, Zugang zu Gerichten, S. 340; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 83. 38 Streinz, VVDStRL 61 (2002), S. 300 (319). 39 Zur Begründung wies der EuGH darauf hin, dass die Mitgliedstaaten mit der Unterzeichnung der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaft eine unbedingte Verpflichtung eingegangen seien, die nicht im Nachhinein durch spätere Gesetzesakte der Mitgliedstaaten in Frage gestellt werden dürfe. Die Funktionsfähigkeit des Gemeinschaftsrechts und die Gewährleistung des eigenständigen und autonomen Charakters des europäischen Rechts erforderten diesen Vorrang, EuGH, Rs. 6/64 (Costa / E.N.E.L.), Slg. 1964,

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

Die Frage des Vorrangs stellt sich zum einen immer dann, wenn europäisches und mitgliedstaatliches Recht für dieselbe (Teil-)Frage eines Sachverhalts oder für den Sachverhalt im Ganzen unterschiedliche Rechtsfolgen anordnen mit der Folge, dass die gleichzeitige Anwendung beider Bestimmungen logisch unmöglich ist. In diesen Fällen wird im Allgemeinen von einer direkten Kollision gesprochen. 40 Das europäische Primärrecht enthält indes nur wenige Bestimmungen, die sich mit dem Verwaltungsverfahren beschäftigen. 41 Konkrete Vorgaben zu den Folgen von Verfahrensfehlern beim mitgliedstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts sind nicht vorhanden. Im Bereich des Sekundärrechts ist eine solche direkte Kollision, die einen Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auslösen würde 42, überhaupt erst möglich, wenn die Gemeinschaft bezüglich des in Frage stehenden Sachverhalts eine Regelungskompetenz hat. Nur dann kann eine der Vorschrift des § 46 VwVfG entgegenstehende gemeinschaftsrechtliche Vorschrift wirksam zustande kommen und diese verdrängen. Die EG hat außerhalb des direkten Vollzugs des Gemeinschaftsrechts, wo dies selbstverständlich ist, aber nur eine eng begrenzte Kompetenz im Bereich des Verwaltungsverfahrensrechts. 43 Grundsätzlich gilt, dass die EG auf der Grundlage und in Anwendung ihrer Kompetenzen (z. B. Umweltpolitik: Art. 175 EG) materielles Recht setzt, das die Mitgliedstaaten S. 1251, 1270 f. Hierzu Ehlers, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 11 Rn. 12; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 188. Der grundsätzliche Vorrang des Gemeinschaftsrechts wird heute nicht mehr in Frage gestellt. Es bestehen lediglich einzelne Vorbehalte hinsichtlich der Frage, inwieweit das Gemeinschaftsrecht auch vor nationalem Verfassungsrecht Vorrang hat. Dazu Schilling, Der Staat 33 (1994), S. 555 ff. 40 Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (3); Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (73); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 14 m.w. N.; vgl. auch: Hatje, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 10 EG Rn. 20; Ehlers, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 11 Rn. 11. 41 Selbst Art. 87, 88 EG stellen Normen dar, welche die mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden beim Verwaltungsvollzug zu beachten, nicht jedoch selbst zu vollziehen haben, ebenso Art. 39 Abs. 4 EG. 42 Anders als dies im Verhältnis von Bundes- zu Landesrecht gemäß Art. 31 GG der Fall ist, führt eine Konfliktsituation von europäischem und nationalem Recht nicht zur Ungültigkeit des entgegenstehenden nachrangigen Rechts. Vielmehr führt der Vorrang des europäischen Rechts lediglich zu einem Anwendungsvorrang, d. h. kollidierendes nationales Recht darf im jeweiligen Einzelfall nicht angewendet werden. Die nationale Vorschrift bleibt aber gültig und findet auf Sachverhalte ohne Gemeinschaftsbezug weiter Anwendung; vgl. die Leitentscheidung des EuGH, Rs. C-184/89 (Nimz), Slg. 1991, I-297, Rn. 19 ff. Aus der Literatur: Zuleeg, VVDStRL 53 (1994), S. 154 (159 ff.); Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (61); Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (3). 43 Hierzu ausführlich Kahl, NVwZ 1996, S. 865 ff.; vgl. auch v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 (430 f.).

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bzw. deren Verwaltungsbehörden vollziehen, wobei dem Vollzug im Falle einer Richtlinie der nationale gesetzgeberische Umsetzungsakt vorgeschaltet ist. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EG) kann die EG in der Regel nur dann konkrete verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen treffen, wenn diese von den Voraussetzungen der in Anspruch genommenen, primär materiell-rechtlich ausgerichteten Kompetenznorm gedeckt sind. Dies kann der Fall sein, wenn die verfahrensrechtlichen Regelungen zur möglichst wirksamen Verwirklichung (effet utile) der materiellen Ziele der jeweiligen Gemeinschaftskompetenz erforderlich sind. 44 Hier ist notfalls ergänzend auf die sog. „impliedpowers“ oder auf die Kompetenzergänzungsnorm des Art. 308 EG zurückzugreifen. 45 Meist werden die Mitgliedstaaten dann über Richtlinien verpflichtet, Bestimmungen über das Verwaltungsverfahren zu erlassen oder anzupassen, zum Teil erlässt die Gemeinschaft aber auch Verordnungen. 46 Folglich existieren grundsätzlich keine umfassenden, allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensregelungen für den mitgliedstaatlichen Verwaltungsvollzug. 47 Desgleichen fehlt es im Gemeinschaftsverwaltungsrecht an hinreichenden Vorgaben für die Sanktionierung von Verfahrensfehlern, so dass grundsätzlich die nationalen Fehlervorschriften, also insbesondere § 46 VwVfG zur Anwendung gelangen. Eine direkte Kollision liegt nicht vor. 3. Die Beachtung der europarechtlichen Vollzugsschranken Auch wenn § 46 VwVfG nach den oben genannten Kriterien im indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich zum Zuge kommt, bedeutet dies – wie bereits dargelegt – nicht, dass seine Anwendbarkeit grenzenlos gewährleistet ist. Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten auch bei einer prinzipiellen Anwendbarkeit des nationalen Verwaltungsverfahrensrechts die vom EuGH entwickelten Anforderungen des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgebots beachten. 48 44 Kompetenzzuweisungen an die EG umfassen häufig auch Ziele und Aufgaben der Gemeinschaft und sind dementsprechend sehr weit gefasst; dazu: König, in Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 2 Rn. 5. Zur Heranziehung des effet utile als Auslegungsmaxime für die Vertragskompetenzen der Gemeinschaft: Oppermann, Europarecht, § 6 Rn. 70; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilunugs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 44. 45 König, in Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 2 Rn. 6 ff. 46 Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 19. 47 Nur vereinzelt finden sich entsprechende sekundärrechtliche Regelungen, die aber jeweils nur punktuelle Verfahrensaspekte regeln. Dazu Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 41 ff. 48 Die Schranken des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgebots gelten nach überwiegender Ansicht sowohl für den unmittelbaren als auch für den mittelbaren in-

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a) Die Problematik der indirekten Kollision Die Entwicklung der autonomiebegrenzenden Vollzugsschranken wurde durch die Problematik der sog. indirekten Kollision 49 veranlasst. Diese ergibt sich vornehmlich daraus, dass das EG-Recht hinsichtlich seiner verfahrensrechtlichen Durchsetzung auf das mitgliedstaatliche Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht angewiesen ist. 50 Der Konflikt tritt dann nicht bei der Frage der Rechtsgewährung auf, sondern im Verhältnis zwischen gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgewährung und mitgliedstaatlicher Rechtsrealisierung. 51 Dies ist etwa der Fall, wenn das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten Pflichten auferlegt, ohne im Einzelnen zu bestimmen, wie diese Pflichten in nationales Recht umzusetzen sind. Außerdem ist es denkbar, dass dem Einzelnen Rechte verliehen werden, ihm jedoch keine Handhabe zur Verfügung steht, diese Rechte in der nationalen Rechtsordnung geltend zu machen. In dieser Situation ist zur Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts die Mithilfe der nationalen Rechtsordnung erforderlich. Fehlen aber nationale Instrumentarien, um gemeinschaftliche Rechte durchzusetzen oder ihre Missachtung hinreichend zu ahnden, läuft das Gemeinschaftsrecht Gefahr, leerzulaufen. Das europäische Recht wird gewissermaßen „durch die Hintertür“ 52, also indirekt sabotiert. Folglich sind auch im Bereich des mittelbaren Vollzugs Kollisionen mit dem EG-Recht möglich, welche die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen können. Über die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität hat sich der EuGH eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Anwendung nationaler Vorschriften geschaffen. Ihnen kommt die Funktion einer Koordinierungsformel 53 zu, nach welcher der EuGH entscheidet, inwieweit nationales Verfahrensrecht zum Vollzug des Gemeinschaftsrechts geeignet ist oder im jeweiligen Anwendungsfall modifiziert werden muss. Hierdurch soll auch eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten sichergestellt werden. Dies ist erforderlich, da die verschiedenen Verfahrensrechtsordnungen zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen, die einen gemeinschaftsweit gleichmäßigen direkten mitgliedstaatlichen Vollzug; vgl. Streinz, in: derselbe, EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 28; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 403; Ehlers, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 4 Rn. 48; a. A. Borchard, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, Rn. 518. 49 Vgl. zur Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Kollision Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (4). 50 Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (511) mit Hinweis auf Kadelbach, KritV 1999, S. 378 (380f.). 51 Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (74). 52 Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (76). 53 Begriff von Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmdit-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 279 (308). Übernommen von Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (489).

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und wirksamen Vollzug des EG-Rechts verhindern können. 54 Der Vorrang des EG-Rechts greift in den Fällen der indirekten Kollision aber nur ein, soweit dies nach den Kriterien der Effektivität und der Gleichwertigkeit geboten ist. Dabei kann dahinstehen, ob man diese beiden Prinzipien als Tatbestandsmerkmale für das Vorliegen einer indirekten Kollision begreift 55 oder als Grenzen, in denen eine solche Kollision noch akzeptabel ist 56. In jedem Fall kann das Gemeinschaftsverwaltungsrecht nur unter der Voraussetzung auf den § 46 VwVfG Einfluss nehmen, dass eine dieser Schranken überschritten ist. b) Das Konfliktpotential des § 46 VwVfG mit den Vollzugsschranken aa) Der Grundsatz der Äquivalenz Der Äquivalenzgrundsatz wird auch als Grundsatz der Gleichwertigkeit 57 oder als Diskriminierungsverbot 58 bezeichnet, ohne dass hiermit in der Sache eine Änderung verbunden ist. 59 Er verlangt, dass nationale Bestimmungen bei einem europarechtlichen Bezug nicht ungünstiger ausgestaltet sein oder ungünstiger angewandt werden dürfen, als dies bei rein innerstaatlichen Sachverhalten der Fall ist. 60 § 46 VwVfG ist gleichermaßen auf gemeinschaftsrechtlich wie nationalrechtlich bedingte Verfahrensfehler zu beziehen, so dass ein Konflikt dieser Regelung mit den Äquivalenzgrundsatz von vornherein ausscheidet. bb) Der Grundsatz der Effektivität Nach dem Effektivitätsgrundsatz, der auch häufig als „Effizienzgebot“ 61 bezeichnet wird, dürfen die Vorschriften des nationalen Rechts die Ausübung der 54 Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (74 f.); Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs von EG-Umweltrecht, S. 36 f. 55 Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (10); Ehlers, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 11 Rn. 11. 56 Kadelbach, KritV 1999, S. 378 (381). 57 Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (5); Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, S. 122; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 48. 58 EuGH, verb. Rs. 205 – 215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 19; weitere Nachweise bei Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 63 Fn. 97. 59 Den Begriff der Äquivalenz verwendet der EuGH insbesondere in neuerer Zeit; vgl. die Nachweise bei Kahl, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 31 Fn. 161. 60 EuGH, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 19, 34; Rs. C-260/96 (Spac), Slg. 1998, I-4997, Rn. 18 ff.; Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 18; Rs. C343/96 (Dilexport), Slg. 1999, I-579, Rn. 25; Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 34; Rs. C-13/01 (Safalero), Slg. 2003, I-8679, Rn. 49.

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durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. 62 Eine Kollision mit dem Effektivitätsgrundsatz wäre also zu bejahen, wenn durch den mit § 46 VwVfG verbundenen Ausschluss des Aufhebungsanspruchs die Ausübung eines subjektiven Gemeinschaftsrechts praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde. Dies könnte deswegen der Fall sein, weil eine Verletzung von gemeinschaftsrechtlich verliehenen Verfahrensrechten gemäß § 46 VwVfG immer dann für unerheblich erklärt wird, wenn ein Einfluss auf die Sachentscheidung nicht festgestellt werden kann. Ihre Nichtbeachtung hat keine Auswirkung auf den Bestand der Verwaltungsentscheidung. Ist aber mit der Verletzung von Verfahrensvorschriften, die auch und gerade der Einbeziehung von Interessen betroffener Personen dienen sollen, nicht notwendigerweise eine effektive Sanktion verbunden, leidet darunter auch die tatsächliche Beachtung des Gemeinschaftsrechts. Zwar ist nicht anzunehmen, dass Verfahrensnormen deswegen von der Verwaltung von vornherein nicht beachtet werden. 63 Gleichwohl befreit eine Unbeachtlichkeitserklärung rein faktisch von dem Sanktionsdruck, der einem Rechtsverstoß grundsätzlich zukommt. Die Beachtung der europarechtlichen Verfahrensvorgaben wird indirekt in das Belieben des Rechtsanwenders gestellt. 64 Der Ausschluss des Aufhebungsanspruchs gemäß § 46 VwVfG führt damit zumindest zu einer Schwächung der Durchsetzung des Verfahrensrechts. Allerdings ist zu überlegen, ob ein Verstoß des § 46 VwVfG gegen das Effektivitätsgebot nicht schon immer dann ausscheidet, wenn mit seiner Anwendung allenfalls eine Beeinträchtigung von reinen Verfahrensvorgaben des Gemeinschaftsrechts verbunden ist. Dies wäre zu bejahen, wenn man nur darauf abstellen wollte, dass keine individuellen Rechte verletzt sein können, also die geforderte Beeinträchtigung eines „durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechts“ der Sache nach bereits nicht in Betracht kommt, solange es sich nicht 61 Gornig / Trüe, JZ 1993, S. 934 (937); Burgi, DVBl. 1995, S. 772 (778); Jarass, Grundfragen der innerstaatlichen Bedeutung des EG-Rechts, S. 8; Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 403; Streinz, in: Streinz, EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 26. Kritisch gegenüber diesem Begriff Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 115 Fn. 365. 62 Für den gerichtlichen Rechtsschutz: EuGH, Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599, Rn. 12; EuGH, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 19, 34; Rs. C-260/ 96 (Spac), Slg. 1998, I-4997, Rn. 18; Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 18; Rs. C-343/96 (Dilexport), Slg. 1999, I-579, Rn. 25; Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 34; Rs. C-13/01 (Safalero), Slg. 2003, I-8679, Rn. 49. Für behördliches Handel: EuGH, Rs. C-212/94 (FMC plc), Slg. 1996, I-389, Rn. 52, 63; Rs. C-96/91 (Kommission / Königreich Spanien), Slg. 1992, I-3789, Rn. 12; Rs. 123 und 330/87 (EGI), Slg. 1988, I-4517, Rn. 17. 63 Darauf verweist Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (264). 64 Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 54.

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ausnahmsweise um die Gewährung eines absoluten oder relativ drittschützenden Verfahrensrechts handelt. Diese Sichtweise überzeugt jedoch nicht. Zunächst darf nicht übersehen werden, dass die Gemeinschaft den vorgegebenen Verfahrensanforderungen eine bestimmte Funktion zugeschrieben hat. Sie sollen einen bestimmten Zweck erfüllen, der nicht selten über die bloße Verfahrensgestaltung hinausgeht. So hat der EuGH beispielsweise für die Pflicht zur Einholung einer Stellungnahme der Kommission in einem atomrechtlichen Verwaltungsverfahren entschieden, dass dieses Verfahrenserfordernis unter anderem auch dem Zweck eines gemeinschaftsweit einheitlichen Gesundheitsschutzes dienen soll, der nur erfüllt werden kann, wenn die Stellungnahme der Kommission tatsächlich überprüft wird und so die Haltung des betroffenen Mitgliedstaates beeinflussen kann. Wird ein Verstoß gegen diese Verfahrenspflicht durch nationale Regelungen für unbeachtlich erklärt, stünde dies dem Zweck und damit der praktischen Wirksamkeit dieser Vorschrift entgegen. 65 Insbesondere im Bereich des Umweltrechts versuchen die EG-Rechtsakte das (materielle) Ziel des Umweltschutzes durch Verfahrensregelungen zu stärken, die eine möglichst umfassende und wirkungsvolle Berücksichtigung der Belange der Umwelt insgesamt in Planungs- und Genehmigungsverfahren ermöglichen sollen. 66 Im Ergebnis soll der Schutz der Umwelt durch das Verfahren als solches bewirkt werden. Auf die aus europäischer Sicht herausragende Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren zur Optimierung des Verwaltungsvollzugs wurde bereits hingewiesen. 67 Auch hier steht ein sachliches Ziel hinter dem Verfahrensrecht. Durch einen weitgehenden Sanktionsverzicht bei der Verletzung von Verfahrensvorgaben wird diese Steuerungsfunktion des Verfahrensrechts aber möglicherweise unterminiert und damit der mit dem Verwaltungsverfahren bezweckte Erfolg wenn nicht „praktisch unmöglich“ gemacht, dann doch vielleicht „übermäßig erschwert“. Die Beeinträchtigung reiner Verfahrensanforderungen kann die Rechtsverwirklichung des Gemeinschaftsrechts somit ebenso gefährden wie die Beeinträchtigung einer gemeinschaftsrechtlich verliehenen Rechtsposition. Außerdem koppelt der EuGH das Effektivitätsgebot beim indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts auch nicht ausschließlich an die Verwirklichung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte. Vielmehr findet sich bisweilen die Formulierung, wonach die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten nicht darauf hinauslaufen dürfen, „dass die Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung praktisch unmöglich wird“ 68, womit Bezug auf das gesamte, 65

EuGH, Rs. 187/87, NVwZ 1988, S. 117 Rn. 11, 18 ff. Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR 2003, Bd. I, § 18 Rn. 32 ff. 67 Vgl. dazu oben § 1 B. I. 2. 68 EuGH, verb. Rs. 205 – 215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 19; Rs. C-366/95 (Steff-Houlberg Export), Slg. 1998, I-2661, Rn. 15. 66

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also auch rein objektive Gemeinschaftsrecht genommen wird. Insofern verlangt das Effektivitätsgebot ebenso, den Zweck der europäischen Verfahrensvorgaben von den Folgen der Unbeachtlichkeit freizuhalten, um so für eine wirksame Veränderung und Rechtgestaltung auf nationaler Ebene zu sorgen. 69 Vor diesem Hintergrund ist es durchaus denkbar, dass eine uneingeschränkte Anwendung des § 46 VwVfG auf Verfahrensrechte gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs dem Effektivitätsgrundsatz entgegensteht.

§ 6 Konkretisierung der Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes Die im Zusammenhang mit dem Effektivitätsgrundsatz verwendeten Begriffspaare der praktischen Unmöglichkeit und des übermäßigen Erschwerens erweisen sich als relativ unbestimmt. Zwar zeigen diese Formulierungen, dass das Gemeinschaftsrecht Wirksamkeitsdefizite im nationalen Recht bis zu einer bestimmten Grenze in Kauf nimmt und nicht seine maximale Verwirklichung fordert. Für eine genaue Grenzziehung entbehren sie aber der notwendigen begrifflichen Schärfe. 70 So ließe sich etwa fragen, wann genau die Rechtsfolgen des nationalen Verfahrensrechts die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts unmöglich machen? Welche konkrete Bedeutung kommt dabei dem einschränkenden Kriterium „praktischer“ Unmöglichkeit zu? Und schließlich: Welches Maß an Wirksamkeitsbeeinträchtigung ist im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich hinnehmbar, mit anderen Worten, wann wird die Schwelle zulässiger Wirksamkeitsbeeinträchtigung überschritten? Der Maßstab der praktischen Unmöglichkeit bzw. des übermäßigen Erschwerens bedarf folglich einer weiteren Konkretisierung, um die Gemeinschaftskonformität des § 46 VwVfG richtig beurteilen zu können. Hierfür kann in erster Linie die Rechtsprechung des EuGH einen Anhaltspunkt geben.

A. Der Effektivitätsgrundsatz in der Rechtsprechung des EuGH I. Anfänglich restriktive Handhabung In der früheren Rechtsprechung des EuGH hat der Effektivitätsgrundsatz lange Zeit über seine bloße Nennung hinaus keine fallentscheidende Bedeutung er69 Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 54; Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 167 f. 70 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Nettesheim, in: GS für Grabitz, S. 447 (459) jeweils in Bezug auf den Topos der „praktischen Unmöglichkeit“.

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langt. Vielmehr zeichnete sich die einschlägige Rechtsprechung zunächst durch eine deutliche Zurückhaltung im Umgang mit dieser Vollzugsschranke aus. 71 Für eine genauere Präzisierung der inhaltlichen Anforderungen bestehen daher nur wenige Anhaltspunkte. Fest steht nur, dass der EuGH offensichtlich in dem Kriterium der praktischen Unmöglichkeit der Gemeinschaftsrechtsverwirklichung – auf welches der Effektivitätsgrundsatz zu dieser Zeit noch beschränkt war 72 – eine hohe Hürde für die Nichtanwendbarkeit des nationalen Verwaltungsrechts gesehen hat. So wurden beispielsweise nationale Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung gebilligt, ohne dass der Gerichtshof einen gemeinschaftsrechtlich bedingten Modifikationsbedarf erkennbar in Erwägung gezogen hätte. 73 Hingenommen wurde ebenso mitgliedstaatliches Verfahrensrecht, das die Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig gewährter Leistungen 74 oder die Rückerstattung gemeinschaftsrechtswidrig erhobener Abgaben verhindern konnte 75. Der formellen Weite der Formulierung stand eine in materieller Hinsicht strikte Handhabung gegenüber, weswegen der Effektivitätsgrundsatz ursprünglich mit dem negativen Begriff „Vereitelungsverbot“ treffend bezeichnet wurde. 76 Nur eine generelle Vereitelung EG-rechtlicher Vorgaben durch das nationale Verwaltungsrecht sollte die zur Absicherung der Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft gezogene Schwelle der praktischen Unmöglichkeit aktivieren. Nach herrschender Einschätzung waren damit nur „Extremfälle“ erfasst. 77 In der Literatur wurde dieser restriktive Umgang mit der Effektivitätsschranke daher auch als „Konfliktvermeidungsstrategie“ des EuGH mit der Folge eines „intersystemaren Rechtsfriedens“ bezeichnet. 78

71 Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (306 f.); v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 348; derselbe, DVBl. 1998, S. 421 (423 f.); Mosiek, Effet utile und Rechtsgemeinschaft, S. 67 f. 72 Dazu Jarass / Beljin, Casebook – Grundlagen des EG-Rechts, S. 50. 73 EuGH, Rs. 33/76 (Rewe), Slg. 1976, I-1989, Rn. 5; Rs. 45/76 (Comet), Slg. 1976, I2043, Rn. 11 – 18. 74 EUGH, Rs. 265/78 (Ferwerda), Slg. 1980, I-617, Rn. 10, 17. 75 EuGH, Rs. 68/79 (Just), Slg. 1980, I-501, Rn. 25 – 27; Rs. 61/79 (Denkavit Italiana), Slg. 1980, I-1205, Rn. 25 – 27; Verb. Rs. 66/127 und 128/79 (Salumi), Slg. 1980, 1237, Rn. 17, 20 f.; Rs. 130/79 (Express Dairy Foods), Slg. 1980, I-2545, Rn. 12. 76 Schoch, VBlBW 1999, S. 241 (244); Biaggini, Theorie und Praxis des Verwaltungsrechts im Bundesstaat, S. 343; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 348; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 22. 77 Weber, EuR 1986, S. 1 (14); Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (307). 78 V. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 349, 352.

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II. Verschärfter Einsatz der Effektivitätsschranke Zwischenzeitlich ist der Gerichtshof von dieser restriktiven Linie schrittweise abgerückt. Er ergänzte zunächst in ständiger Rechtsprechung das Verbot der praktischen Unmöglichkeit der Gemeinschaftsrechtsverwirklichung um das Alternativverbot der übermäßigen Erschwerung. 79 Ferner wurde das ursprünglich negativ konzipierte Vereitelungsverbot durch den effet utile immer stärker „aufgeladen“ 80. So stellte der EuGH nunmehr in zahlreichen Urteilen das zusätzliche Gebot auf, nationale Vorschriften beim indirekten Vollzug derart auszulegen und anzuwenden, dass „das Interesse der Gemeinschaft in vollem Umfang berücksichtigt wird“ 81. Dies führte nicht nur dazu, dass eine praktische Unmöglichkeit der Gemeinschaftsrechtsverwirklichung durch das mitgliedstaatliche Vollzugsrecht vermehrt bejaht wurde. 82 Im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes und bei Staatshaftungsansprüchen beließ es der EuGH nicht einmal mehr bei den negativen Grenzen des Vereitelungsverbots – also dabei, die Unanwendbarkeit einer nationalen Vorschrift wegen praktischer Unmöglichkeit der Gemeinschafts-

79 Soweit ersichtlich hat der EuGH das übermäßige Erschweren Ende der achtziger Jahre hinzugefügt; vgl. die Nachweise bei Mosiek, Effet utile und Rechtsgemeinschaft, S. 68 (Fn. 303). 80 So v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 353; derselbe, DVBl. 1998, S. 421 (428). 81 EuGH, verb. Rs. 205 – 215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 32: „... dem Interesse der Gemeinschaft in vollem Umfang Rechnung getragen wird“; Rs. 94/ 87 (Alcan I), Slg. 1989, 175, Rn. 12; Rs. C-5/89 (BUG-Alutechnik), Slg. 1990, I-3437, Rn. 19; Rs C-24/95 (Alcan II), Slg. 1997, I-1591, Rn. 24; Rs. C-366/95 (Steff-Houlberg Export), Slg. 1998, I-2661, Rn. 15. Vgl. auch verb. Rs. C-143/88 und C-92/89 (Süderdithmarschen), Slg. 1991, I-415, Rn. 30: „... das Interesse der Gemeinschaft in Rechnung zu stellen“; ebenso Rs. C-465/93 (Atlanta), Slg. 1995, I-3761, Rn. 42. Diese zusätzliche Anforderung des EuGH an das mitgliedstaatliche Vollzugsrecht wird von Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (308) auch als „Berücksichtigungsgebot“ bezeichnet. 82 So musste z. B. ein Mitgliedstaat, dessen Behörde eine staatliche Beihilfe unter Verletzung des Beihilfeaufsichtsverfahrens gemäß Art. 88 Abs. 3 EG (ex Art. 93 Abs. 3 EGV) gewährt hatte, der durch Kommissionsentscheidung angeordneten Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfe Folge leisten. Die Anwendung von nationalen Vorschriften, die aus Gründen des Vertrauensschutzes einer solcher Rückforderungen entgegenstehen (hier § 48 VwVfG), wurde damit ausgeschlossen: EuGH, Rs. 94/87 (Alcan I), Slg. 1989, I-175, Rn. 12 f.; Rs. C-5/89 (BUG-Alutechnik), Slg. 1990, I-3437, Rn. 11 f., 19; Rs C-24/95 (Alcan II), Slg. 1997, I-1591, Rn. 24 f. Eine umfangreiche Darstellung der zunehmenden Rechtsprechung, in welcher der EuGH nationale Bestimmungen unter Rückgriff auf den Effektivitätsgrundsatz beanstandet hat, findet sich bei: v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 (425 ff.); Scheuing, in: HoffmannRiem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (308 ff.); Jarass / Beljin, Casebook – Grundlagen des EG-Rechts, S. 240 f.; Mosiek, Effet utile und Rechtsgemeinschaft, S. 68 ff.

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rechtverwirklichung festzustellen –, sondern statuierte eigene EG-rechtliche Voraussetzungen für die Durchsetzung dieser Ansprüche. 83 Hieraus wird deutlich, dass sich die Handhabung der Effektivitätsschranke durch den EuGH im Laufe der Zeit stark verändert hat. Obwohl das Kriterium der praktischen Unmöglichkeit im Kern unverändert fortgalt, hat seine Bedeutung einen grundlegenden Richtungswechsel erfahren. Insoweit wird auch offen von einem Wandel des bloßen Vereitelungsverbots hin zu einem Effektivitätsgebot mit positiven Ausgestaltungsbedingungen für das nationale Verfahrensrecht gesprochen. 84 Im Sinne eines Optimierungsgebots 85 kommt ihm nunmehr die zusätzliche Aufgabe zu, die bestmögliche Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts im indirekten Vollzug anzustreben. 86 Mittlerweile verwendet der EuGH selbst den Begriff „Effektivitätsgrundsatz“. 87

83 Für den einstweiligen Rechtsschutz: EuGH, verb. Rs. C-143/88 und C-92/89 (Süderdithmarschen), Slg. 1991, I-415, Rn. 24, 28 f., 33; Rs. C-465/93 (Atlanta), Slg. 1995, I3761, Rn. 32 – 51. Für die Staatshaftung: EuGH, verb. Rs. C-6/90 und C-9/90 (Francovich), Slg. 1991, I-5357, Rn. 39 f.; verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du Pêcheur&Factortame), Slg. 1996, I-1029, Rn. 65 – 74. Vgl. hierzu insgesamt v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 (425 ff.). Ein weiteres Bespiel für die Rechtsfortbildung des EuGH unter Berufung auf den effet utile ist die Herleitung einer – im englischen Recht bis dato nicht vorgesehenen – Befugnis einer Vertragspartei, von der anderen gegen Art. 81 Abs. 1 EG (ex Art. 85 EGV) verstoßenden Partei Schadensersatz zu verlangen, EuGH, Rs. C453/99 (Courage), EuZW 2001, S. 715 ff. mit Anmerkung von Nowak. 84 Vgl. v. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 (424); Schoch, VBlBW 1999, S. 241 (244); derselbe, NVwZ 1999, S. 457 (460). Im Ergebnis ähnlich Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (308), der von einer Verstärkung zu einem Effektivitätsgebot spricht, sowie Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 22: „Ummünzung des Vereitelungsverbots in eine Gebotsformel“. Zu der Frage, inwieweit diese Rechtsprechungsänderung bereits in früheren Urteilen des EuGH angelegt gewesen ist: Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (308). 85 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 (931). 86 Kritisch gegenüber dieser Rechtsprechungsentwicklung des EuGH und ihren Konsequenzen für das mitgliedstaatliche Recht: Ossenbühl, DVBl. 1993, S. 753 (761); SchmidtAßman, DVBl. 1993, S. 924 (931 ff.); derselbe, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 22; Kahl, in: Calliess / Ruffert (Hrsg), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 31; Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (309 ff.); v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 374 ff.; derselbe, DVBl. 1998, S. 421 (428) m. w. N. 87 EuGH, Rs. C-261/95 (Palmisani), Slg. 1997, I-4025, Rn. 27; Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 19, 34; Rs. C-260/96 (Spac SpA), Slg. 1998, I-4997, Rn. 18; Rs. C228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 18; Rs. C-343/96 (Dilexport), Slg. 1999, I-579, Rn. 25; Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 34; Rs. C-13/01 (Safalero), Slg. 2003, I-8679, Rn. 49.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

III. Zulässige Beschränkung des Gemeinschaftsrechts 1. Rechtliche Gesichtspunkte Allein der Befund, dass der EuGH nationale Bestimmungen unter Rückgriff auf den Effektivitätsgrundsatz zunehmend beanstandet hat, beseitigt noch nicht die Unschärfen seiner genauen Voraussetzungen. Die Frage, innerhalb welcher Grenzen eine Beschränkung des Gemeinschaftsrechts zulässig ist, wird damit noch nicht beantwortet. Auch wenn sich der EuGH zeitweise dem Vorwurf ausgesetzt sah, er sei einseitig effektivitätsorientiert 88, bedeutet der verschärfte Einsatz des Kriteriums der Effektivität sicherlich nicht, dass ein gewisser Wirkungsverlust der europarechtlichen Vorgaben unter keinen Umständen hinnehmbar wäre. Die maximale Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts wird auch vom Europäischen Gerichtshof nicht gefordert. Vielmehr lässt der EuGH rechtliche Gesichtspunkte zu, um den Effektivitätsgrundsatz zu begrenzen. So wurde insbesondere in jüngeren Urteilen vermehrt hervorgehoben, dass schutzwürdige Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, wie etwa der Grundsatz der Rechtssicherheit 89, des ordnungsgemäßen Verfahrens 90 und des Vertrauensschutzes 91, auch auf europäischer Ebene anerkannt und infolgedessen durchaus geeignet seien, die Verwirklichung des europäischen Rechts einzuschränken. 92 Nur eine solche rechtstaatliche Gebundenheit des Effektivitätsgrundsatzes erscheint letztlich auch akzeptabel. 93 Das kann nach Auffassung Einzelner sogar so weit gehen, dass die Verwirklichung des EG-Rechts weitgehend oder gänzlich ausgeschlossen wird. 94 Zumindest steht fest, dass der EuGH aufgrund dieser rechtlichen Erwägungen nationale Verfahrensvorschriften in einigen Fällen nicht mehr mit 88 V. Danwitz, DVBl. 1998, S. 421 (432) spricht von einer „effet-utile-lastigen“ Handhabung des Vereitelungsverbots in der neueren Rechtsprechung; ähnlich: Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 22: „... allein auf technische Vollzugsrationalität ausgerichtete Rechtsprechung des EuGH“; Suerbaum, VerwArch 91 (2000), S. 169 (195 ff.). Hierzu auch Mosiek, Effet utile und Rechtsgemeinschaft, S. 80. 89 Bei der Beurteilung nationaler Fristen für Staatshaftungsansprüche: EuGH, Rs. C261/95 (Palmisani), Slg. 1997, I-4025, Rn. 28; bei der Beurteilung nationaler Fristen für die Erstattung EG-rechtswidriger Abgaben: EuGH, Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997, I6783, Rn. 48; Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 20, 35; Rs. C-260/96 (Spac SpA), Slg. 1998, I-4997, Rn. 19; Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 19; Rs. C343/96 (Dilexport), Slg. 1999, I-579, Rn. 26; Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 35; für die Beurteilung von Präklusionsfristen: EuGH Rs. C-470/99 (Universale-Bau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 76 f.; Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 52. 90 EuGH, Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599, Rn. 14. 91 EuGH, verb. Rs. 205 – 215/82 (Deutsche Milchkontor), Slg. 1983, 2633, Rn. 30; Rs. C-366/95 (Steff-Houlberg Export), Slg. 1998, I-2661, Rn. 16. 92 Vgl. hierzu auch Schroeder, AöR 129 (2004), S. 3 (20 f., 34 ff.). 93 Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität, S. 289 (351); ihm zustimmend Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 (931).

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dem Stempel der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit versehen hat 95, obwohl ihre Anwendung im Einzelfall durchaus ein Vollzugshindernis hätte begründen können. 96 In der Literatur ist daher auch die Einschätzung anzutreffen, der EuGH habe seinen Kurs erneut korrigiert und berücksichtige wieder vermehrt die Eigenständigkeit des mitgliedstaatlichen Verfahrensrechts. 97 Ob diese Beurteilung richtig ist, kann hier dahinstehen. 98 Jedenfalls geht aus den Entscheidungen des EuGH eindeutig hervor, dass die Effektivitätskriterien der praktischen Unmöglichkeit bzw. des übermäßigen Erschwerens als solche eine Beschränkung des Gemeinschaftsrechts nicht grundsätzlich ausschließen. 2. Vorrang von faktischen Aspekten im Einzelfall Dem EuGH kommt es bei der Beurteilung der Effektivität des Gemeinschaftsrechts in erster Linie auf faktische Aspekte im Einzelfall an, also darauf, ob eine nationale Bestimmung die Verwirklichung des EG-Rechts in der Praxis tatsächlich unmöglich macht oder übermäßig erschwert. So hat der EuGH in einigen Urteilen zunächst explizit festgestellt, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, da es sich hierbei um einen Anwendungsfall 94 Jarass / Beljin, Casebook – Grundlagen des EG-Rechts, 2003, S. 52; sich anschließend: Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 50. 95 Vgl. z. B. EuGH, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 20, 35; Rs. C-260/ 96 (Spac SpA), Slg. 1998, I-4997, Rn. 19; Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 19; Rs. C-343/96 (Dilexport), Slg. 1999, I-579, Rn. 26; Rs. C-470/99 (UniversaleBau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 79. 96 So bezogen auf die Urteile zur Rückforderung der gemeinschaftswidrigen Abgaben Suerbaum, VerwArch 91 (2000), S. 169 (208). Ähnlich auch Lindner, NVwZ 1999, S. 1079 (1081). 97 V. Danwitz, JZ 1999, S. 198 (199 f.) in seiner Anmerkung zum Urteil des EuGH, Rs. C-10/97 bis C-22/97 (IN.CO.GE ’90 Srl), Slg. 1998, I-6307; Brenner / Huber, DVBl. 1999, S. 1559 (1564); Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (249); Suerbaum, VerwArch 91 (2000), S. 169 (208); Kahl, in: Callies / Ruffert (Hrsg), EUV / EGV, Art. 10 EG Rn. 84; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 62 f. 98 Skeptisch gegenüber dieser Einschätzung: Jarass / Beljin, NVwZ 2004, S. 1 (5). Vgl. auch Schroeder, AöR 129 (2004), S. 3 (35), der darauf hinweist, dass in den einschlägigen Urteilen eigentlich keine Abwägung zwischen der nationalen Verfahrensautonomie mit dem Effektivitätsgrundsatz stattfindet. Vielmehr sind die rechtsstaatliche Garantien, auf denen die in Frage stehenden nationalen Vorschriften basieren, auch auf europäischer Ebene anerkannt und müssen nun mit dem Ziel, eine möglichst effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, in Einklang gebracht werden. Die Kollision und Abwägung von Rechtsprinzipien findet damit letztlich allein auf Gemeinschaftsebene statt. Ob der EuGH insofern tatsächlich aus Rücksichtnahme auf die mitgliedstaatliche Verfahrensautonomie zurückhaltender mit der Effektivitätsschranke umgeht, erscheint fraglich.

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des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit handele. 99 Solche Fristen seien nicht geeignet, die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. 100 Von dem Terminus der „Ausschlussfristen“ sind dabei alle diejenigen nationalen Fristen erfasst, die den Einzelnen dazu zwingen, seine Rechte innerhalb einer bestimmten zeitlichen Spanne geltend zu machen, um keinen Rechtsverlust hinzunehmen. Der Europäische Gerichtshof unterscheidet nicht zwischen Klagefristen, Unbeachtlichkeitsregelungen mit einer Fristenregelung und Präklusionsvorschriften. 101 Das Effektivitätsgebot stand der Anwendung solcher Ausschlussfristen nach Auffassung des Gerichts aber dann doch entgegen, wenn dem Einzelnen dadurch im konkreten Fall jede Möglichkeit genommen wurde, seine Ansprüche geltend zu machen. 102 Auch in solchen Fällen, in denen ein nationales Gericht wegen des Fristablaufs zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens die Möglichkeit hat – auch nicht von Amts wegen – das nationale Recht auf seine Gemeinschaftsrechtskonformität hin zu überprüfen, ist eine Beeinträchtigung des Effektivitätsgrundsatzes bejaht worden. 103 Zur Begründung wies der Gerichtshof darauf hin, dass immer dann, wenn sich die Frage stelle, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich mache oder übermäßig erschwere, diese Regelung „unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen“ 104 geprüft werden müsse. Auch wenn eine 99 EuGH, Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 35; Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 52; Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997, I-6783, Rn. 48; Rs. C-470/99 (Universale-Bau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 76; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 30. 100 EuGH, Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 35 mit Verweis auf die Urteile „Aprile“, Rs. C-228/96, Slg. 1998, I-7141, Rn. 19 und „Dilexport“, Rs. C343/96, Slg. 1999, I-579, Rn. 26; Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997, I-6783, Rn. 48. 101 Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 65; Stüer / Rieder, EurUP 2004, S. 139 (146). 102 EuGH, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 48; Rs. C-62/00 (Marks & Spencer), Slg. 2002, I-6325, Rn. 40; Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 60. Außerdem: EuGH, Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997, I-6783, Rn. 51 und Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 41 jeweils mit Hinweis auf das Urteil „Emmott“, Rs. C208/90, Slg. 1991, I-4269. 103 EuGH, Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599, Rn. 16 –20; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 35 –38. 104 Diese Formulierung des EuGH taucht erstmals in der Rs. C-312/93 (Peterbroeck), Slg. 1995, I-4599, Rn. 14 auf; wiederholt in: EuGH, verb. Rs. C-430/93 und C-431/93 (van Schijndel), Slg. 1995, I-4705, Rn. 19; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 37; Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 56. Die konkreten Umstände des Einzelfalls werden ebenfalls hervorgehoben bei EuGH, Rs. C231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 38, 46, 48 sowie Rs. C-188/95 (Fantask), Slg. 1997,

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Ausschlussfrist nicht als solche gegen das Effektivitätsgebot verstoße, sei daher nicht ausgeschlossen, dass die Anwendung dieser Frist unter den konkreten Umständen des dem Vorlagegericht vorliegenden Falls zu einem Verstoß gegen dieses Gebot führe. 105 Damit zieht der EuGH der auf rechtlichen Gesichtspunkten beruhenden zulässigen Beschränkung des Gemeinschaftsrechts wieder eine Grenze durch rein faktische Aspekte (Schranken-Schranke) 106. Es muss tatsächlich sichergestellt sein, dass das europäische Recht zur Anwendung gelangt bzw. seine Zielsetzung verwirklicht wird. 107 Im Vordergrund steht dabei offenbar nicht eine generalisierende Betrachtung in der Weise, dass eine praktische Unmöglichkeit nur dann vorliegt, wenn die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts durch die Anwendung einer nationalen Verfahrensnorm „stets“ oder jedenfalls „typischerweise“ beeinträchtigt oder erheblich herabgemindert wird. 108 Vielmehr ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, dass tatsächlich für jede einzelne gemeinschaftsrechtliche Rechtsposition eine realistische Chance der Rechtsverwirklichung bestehen muss. Dies bedeutet nicht, dass ein gemeinschaftsrechtlich verliehenes Recht im Ergebnis immer durchsetzbar sein muss. Sofern zumindest die prinzipielle Möglichkeit der Rechtsverwirklichung bestand, kann diese im Einzelfall auch fehlschlagen, ohne dass dies zu einem Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht führen muss. 109 Ein solches einzelfallbezogenes Verständnis des Effektivitätsgebots führt allerdings dazu, dass die Beurteilung der Europarechtskonformität einer Norm je nach Anwendungsfall variieren kann. Selbst wenn sich also herausstellen sollte, dass die Vorschrift des § 46 VwVfG als solche mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, wäre nicht ausgeschlossen, dass eine Modifizierung der Norm im Einzelfall aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes erforderlich ist. I-6783, Rn. 51; Rs. C-228/96 (Aprile), Slg. 1998, I-7141, Rn. 41 jeweils in Bezug auf den Fall „Emmott“. 105 EuGH, Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 57. In diesem konkreten Fall hatte der Betroffene durch Fehlinformationen bzw. aufgrund von unterbliebenen Aufklärungen darauf vertrauen dürfen, nicht innerhalb der gesetzlichen Frist tätig werden zu müssen. 106 Diesen Ausdruck verwendet in diesem Zusammenhang Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 52. 107 EuGH, Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 54; Rs. C-470/99 (Universale-Bau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 73; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 31. 108 Für eine solche generalisierende Betrachtungsweise Suerbaum, VerwArch 91 (2000), S. 169 (206); Sinnaeve, Die Rückabwicklung gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Beihilfen, S. 209; ähnlich Jarass / Beljin, Casebook – Grundlagen des EG-Rechts, S. 52: „Jedenfalls wenn innerhalb einer Fallgruppe ein eindeutiges Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Lasten des EG-Rechts erkennbar ist, genügt das den EG-rechtlichen Anforderungen nicht.“ 109 So im Ergebnis EuGH, Rs. C-231/96 (Edis), Slg. 1998, I-4951, Rn. 48 f.; vgl. auch Niedobitek, VerwArch 92 (2001), S. 58 (76).

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

Wo genau die Grenze des Verbots der praktischen Unmöglichkeit bzw. des übermäßigen Erschwerens verläuft, bleibt also letztlich einer faktischen Betrachtung des Einzelfalls vorbehalten. 110 3. Ergebnis Die Betrachtung der Rechtsprechung zum Effektivitätsgrundsatz hat gezeigt, dass der EuGH den Maßstab der „praktischen Unmöglichkeit“ und des „übermäßigen Erschwerens“ bislang nur umrissartig geklärt hat. Obwohl er mittlerweile dazu übergegangen ist, diese beiden Merkmale nicht nur zu nennen, sondern vermehrt im Dienste der Effektivität des Gemeinschaftsrechts bzw. zu Lasten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie einzusetzen, ist eine fallübergreifende, allgemeine Präzisierung ihrer inhaltlichen Anforderungen nicht erfolgt. Die in den jeweiligen Rechtsstreitigkeiten durch den EuGH getroffenen Feststellungen sind aus der Sicht des Gerichts selbst lediglich „Einzelfallentscheidungen“. Fest steht nur, dass eine maximale Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts vom EuGH nicht gefordert wird und folglich nicht jede Behinderung der Rechtsverwirklichung einen Verstoß gegen das Effektivitätsgebot darstellt. Insbesondere schutzwürdige Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sind durchaus geeignet ein gewisses Maß an Wirksamkeitsbeeinträchtigung des Gemeinschaftsrechts zu rechtfertigen, solange dabei nicht jede Möglichkeit der Rechtsverwirklichung im konkreten Fall ausgeschlossen wird. Dies hat der EuGH jedenfalls des öfteren im Hinblick auf die Europarechtskonformität von mitgliedstaatlichen „Ausschlussfristen“ entschieden. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten von Rechtseinbußen, sei es im Verwaltungsverfahren, also im Vorfeld der Entscheidung, etwa durch Präklusionsvorschriften, oder sei es durch Rechtsverluste im Nachgang des Entscheidungsprozesses bzw. der Planung, wie etwa bei Unbeachtlichkeitsregelungen, steht dabei nicht im Vordergrund. Von primärer Relevanz ist vielmehr die prozessuale Durchsetzbarkeit der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen subjektiven Rechte des Einzelnen.

B. Konsequenzen für § 46 VwVfG Fraglich ist, inwieweit sich aus dem vorstehenden Ergebnis Rückschlüsse auf die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht ziehen lassen. Allein aus dem Umstand, dass der EuGH in der beschriebenen Rechtsprechung primär die Schutzwürdigkeit der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen subjektiven Rechte des Einzelnen hervorgehoben hat, kann jedenfalls nicht 110

Rengeling / Middeke / Gellermann, Rechtsschutz in der EU, Rn. 974; Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 167.

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der Umkehrschluss gezogen werden, dass in den Fällen, in denen das Gemeinschaftsrecht keine individuelle Rechtsposition vermittelt, sondern lediglich reine Verfahrensvorschriften vorgibt, eine Beeinträchtigung durch nationales Recht von vornherein völlig irrelevant ist. 111 Denn der Rechtsprechung des EuGH kann auch entnommen werden, dass für die Wahrung des Effektivitätsgebots der von den europäischen Vorgaben verfolgte Zweck nicht ausgehebelt werden darf. 112 Dieser kann genauso in der Erfüllung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen liegen, denen nicht selten eine über die bloße Verfahrensgestaltung hinausgehende Funktion zukommt. Prinzipiell können die Ausführungen des EuGH also auch als Anhaltspunkt für die Bewertung von nationalen Vorschriften dienen, die eine Beeinträchtigung reinen Verfahrensrechts verursachen. Hieraus ergibt sich, dass ein fristgebundener Rügevorbehalt für die Beachtlichkeit von Verfahrens- und Formfehlern – wie ihn im deutschen Recht z. B. die Vorschriften § 215 BauGB und § 10 Abs. 1 ROG anordnen – solange aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wie die besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls nicht dazu führen, dass jede Möglichkeit einer gerichtlichen Geltendmachung von EG-Rechtsverstößen praktisch ausgeschlossen wird. 113 Dieses Ergebnis lässt sich jedoch nicht uneingeschränkt auf die Vorschrift des § 46 VwVfG übertragen, weil hier die Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit eines Verfahrens- oder Formfehlers nicht an das Verstreichen einer Frist geknüpft wird. Vielmehr hängt die Beachtlichkeit des Fehlers von gesetzlich festgelegten Kriterien ab. Der entscheidende Unterschied zu fristgebundenen Unbeachtlichkeitsvorschriften besteht somit darin, dass bei diesen zunächst die grundsätzliche Möglichkeit gegeben ist, Verfahrens- und Formfehler geltend zu machen. Die Rechtsfehler werden erst dann unbeachtlich, wenn eine bestimmte Frist abgelaufen ist, in der sich niemand auf sie berufen hat. Die Gefahr, dass von Seiten der Behörde gemeinschaftsrechtliche Verfahrensvorgaben einfach übergangen werden, weil dies keine Konsequenzen für die Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung hätte, ist nicht in dem Umfang gegeben, weil es anfangs bei der üblichen Sanktionierung der Rechtsfehler bleibt. 114 Hingegen kann es durch die Anwendung des § 46 VwVfG dazu kommen, dass bestimmte Verfahrensfehler nie beachtlich sind. Liegen die Unbeachtlichkeitsvoraussetzungen vor, kann die 111

Hierzu bereits oben unter § 5 B. II. 3. b) bb). EuGH, Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 54; Rs. C-470/99 (Universale-Bau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 73; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 15. 113 Zu diesem Schluss kommt für § 10 Abs. 1 ROG Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 117. Zur Vereinbarkeit des § 215 BauGB mit Gemeinschaftsrecht Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 153 ff. 114 Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 114. 112

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Aufhebung des VA wegen des Verfahrensfehlers von niemandem zu irgendeinem Zeitpunkt beansprucht werden. In diesem Zusammenhang wird auch von einem „absoluten Ausschluss“ 115 oder einer „absoluten Unbeachtlichkeit“ 116 der Verfahrensfehler gesprochen. Allerdings ist zu bedenken, dass die Anwendung des § 46 VwVfG bereits nach nationalen Kriterien immer dann ausgeschlossen ist, wenn sich der Betroffene auf eine selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition berufen kann, also auf ein sog. absolutes Verfahrensrecht. 117 Die Verletzung eines solchen Verfahrensrechts begründet stets einen Aufhebungsanspruch und kann nicht für unbeachtlich erklärt werden. Damit ergibt sich für die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz zunächst folgender Befund: Wird durch das Gemeinschaftsrecht eine subjektive Verfahrensposition vermittelt, kann § 46 VwVfG ohne weiteres mit dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang gebracht werden, da diese Fälle der im nationalen Recht bekannten Fallgruppe der absoluten Verfahrensrechte zugeordnet werden können. § 46 VwVfG findet keine Anwendung. Wird durch das Gemeinschaftsrecht aber reines Verfahrensrecht ohne eine subjektiv-rechtliche Anreicherung vorgegeben, richten sich die Folgen eines Verfahrensfehlers grundsätzlich nach § 46 VwVfG. Die Regelung bewirkt zwar keine völlige Sanktionslosigkeit von Verfahrensfehlern, da diese zum einen nur dann für unbeachtlich erklärt werden, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind und § 46 VwVfG zum anderem auch nichts an der Rechtswidrigkeit und der Rechtsverletzung des fehlerhaft erlassenen Verwaltungsaktes ändert. 118 Sind die Voraussetzungen des § 46 VwVfG aber erfüllt, führt seine Anwendung insofern zu einer „absoluten Unbeachtlichkeit“ des Verfahrensverstoßes, als ein hierauf gestützter Aufhebungsanspruch sofort ausgeschlossen wird. Die Durchsetzung der verfahrensrechtlichen Anforderungen einer europäischen Richtlinie läuft in diesen Fällen grundsätzlich leer, da ihre Nichtbeachtung im Unterschied zu einer „Fristenlösung“ niemals eine Auswirkung auf den Bestand der Verwaltungsentscheidung haben kann. Dies führt unausweichlich zu einer faktischen Beeinträchtigung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben.

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Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 38. 116 Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 150. 117 Vgl. dazu oben § 3 D. 118 Die Bestimmung des § 46 VwVfG wird nach überwiegender Ansicht als eine spezielle, von Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung i. S.v. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO zu trennende, negative Tatbestandsvoraussetzung des materiellen Aufhebungsanspruchs gesehen. Vgl. dazu oben § 3 B. III.

§ 7 Vertretbare Relativierung von Verfahrensfehlern

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§ 7 Vertretbare Relativierung von Verfahrensfehlern Bei der Diskussion darüber, inwieweit das Gemeinschaftsrecht durch die Anwendung des § 46 VwVfG unzulässig beeinträchtigt wird, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es ein „Gebot der praktischen Vernunft“ 119 ist, eine gewisse Relativierung von Verfahrensfehlern zuzulassen. 120 So hält keine Rechtsordnung der Welt jeden und alle Verfahrensfehler für beachtlich. 121 Damit sind nicht nur die üblichen Vorbehalte zugunsten von Bagatellen angesprochen, die in der Praxis bei nahezu jeder Vorschrift gemacht werden. Hiermit sind vielmehr weitergehende Überlegungen gemeint, die dazu führen, dass Verfahrensfehler, die überhaupt keinen Einfluss auf die Sachentscheidung haben und damit quasi unsichtbar bleiben, für unerheblich erklärt werden. So gibt es auch in zahlreichen anderen Mitgliedstaaten der EU geschriebene oder ungeschriebene Rechtssätze, die im Kern § 46 VwVfG entsprechen. 122 Das Verständnis von einer dienenden Funktion des Verfahrens und der Ergebnisrichtigkeit der Entscheidung findet sich somit ein Stück weit auch in anderen Rechtsordnungen wieder. Daher müssen sicher nicht alle Verfahrensfehler durchgängig und unabhängig von ihren Auswirkungen mit der Aufhebung der entsprechenden Verwaltungsentscheidung sanktioniert werden. Eine solch strikte Linie verfolgt nicht einmal der EuGH selbst in seiner Rechtsprechung zum Eigenverwaltungsrecht der EG. 123 Die Gedanken der Verwaltungseffizienz und der Verfahrensökonomie sind auch auf europäischer Ebene durchaus legitime Interessen. 124 Im Übrigen wäre eine rigorose Aufhebung ohne jedwede Rücksicht auf die Frage, ob sich der Verfahrensfehler überhaupt auf die Sache ausgewirkt hat, wohl kaum mit dem in anderen Entscheidungen des Gerichtshofs betonten Verhältnismäßigkeitsprinzip zu vereinbaren. 125 119

Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 56. 120 Classen DV 31 (1998), S. 307 (323); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 55 f.; a. A. Wegener, ZUR 1996, S. 324 (326). 121 Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1292). 122 Vgl. hierzu die rechtsvergleichenden Untersuchungen zu der Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in anderen EU-Mitgliedstaaten von Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (698 ff.); Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 12 Rn. 23 ff.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 281 ff. 123 Vgl. hierzu die folgenden Ausführungen unter § 7 B. 124 Hierauf weisen hin: Schmidt-Aßmann, in: P.-C. Müller-Graff (Hrsg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, S. 131 (138); Fengler, Die Anhörung im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 95. 125 Müller, Verfahrensartfehler, S. 231. Vgl. zu dem in der Rechsprechung des EuGH seit langem anerkannten Verhältnismäßigkeitsprinzip Pache, NVwZ 1999, S. 1033 ff.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

In Anbetracht der Notwendigkeit, eine bestimmte Relativierung von Verfahrensfehlern zuzulassen, wird in der Literatur des Öfteren vorgeschlagen, die Grenzen des Effektivitätsgebots unter Rückgriff auf die für den Bereich des EGEigenverwaltungsrechts entwickelten Vorgaben zu bestimmen. Demnach könne auf eine Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht geschlossen werden, wenn der EuGH vergleichbare Kriterien für eine Relativierung von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht heranziehen würde. 126 Die Vorschrift sei dann ohne weiteres beim indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts anwendbar. Im Prinzip sollen also die Lösungen des Eigenverwaltungsrechts der EG auf den Bereich des Gemeinschaftsverwaltungsrechts übertragen werden. Bei einer solchen Vorgehensweise gilt es allerdings vorab zu klären, inwieweit den für das Eigenverwaltungsrecht getroffenen Aussagen des EuGH überhaupt eine Bedeutung für das Gemeinschaftsverwaltungsrecht, also für den Bereich des indirekten Vollzugs zukommen kann (A.). Erst im Anschluss daran können die im EG-Eigenverwaltungsrecht gestellten Anforderungen an die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern genauer untersucht (B.) und zu den in § 46 VwVfG normierten Voraussetzungen ins Verhältnis gesetzt werden (C.).

A. Vergleichbarkeit mit dem Eigenverwaltungsrecht der EG I. Eingeschränkte Autonomiethese Auf den ersten Blick erscheint der Vorschlag, zur Ausfüllung des Maßstabs der praktischen Unmöglichkeit und des übermäßigen Erschwerens auf die Vorgaben des EG-Eigenverwaltungsrechts zurückzugreifen, durchaus plausibel. Dahinter steht die Überlegung, dass keine sachlichen Erwägungen bestünden, an die Folgen von Verfahrensfehlern im mitgliedstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts strengere Anforderungen zu stellen als im direkten Vollzug. 127 Die

126 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (16 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (502); Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 179; Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 74 f.; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungsund Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 60; Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 169; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 281; Müller, Verfahrensartfehler, S. 232. 127 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 169; Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs, S. 74 f.; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 60; Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 179; Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 13 Rn. 67.

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Lösungen des Eigenverwaltungsrechts markieren gleichzeitig die Obergrenze für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern in den Mitgliedstaaten. Beim genaueren Hinsehen erweist sich dies jedoch als nicht ganz stichhaltig. Für die unterschiedliche Ausgestaltung des EG-Eigenverwaltungsrechts und des Gemeinschaftsverwaltungsrechts lassen sich nämlich durchaus Gründe finden. In erster Linie wird in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen Interessenlagen dieser beiden Rechtsschichten hingewiesen. Während das EGEigenverwaltungsrecht für die Summe der rechtlichen Vorgaben im direkten Vollzug stehe und sich dementsprechend auf die Steuerung der eigenen Organe der EG beschränke, wolle das Gemeinschaftsverwaltungsrecht eine möglichst wirksame und einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts im gesamten Gemeinschaftsraum gewährleisten, indem es korrigierend und modifizierend auf die bereits umfassend ausgeprägten Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einwirke. 128 Der Effektivitätsmaßstab ginge folglich im Bereich des Gemeinschaftsverwaltungsrechts über den des EG-Eigenverwaltungsrechts deutlich hinaus, weshalb die konkrete Ausgestaltung der Verwaltungsregeln nicht notwendigerweise in beiden Rechtsschichten deckungsgleich sein müsse. 129 Diese These werde dadurch bestätigt, dass sich der EuGH bei der Entwicklung von ungeschriebenen Vorgaben des Gemeinschaftsverwaltungsrechts bisher nur in einigen Fällen an den bereits existierenden Regeln des direkten Vollzugs orientiert habe. In anderen Bereichen sei es hingegen bei einer autonomen Bildung des indirekten Vollzugsrechts nach selbstgesetzten Maßstäben im Wege richterlicher Rechtsschöpfung geblieben. 130 Dies sei gerade darauf zurückzuführen, dass das, was der effektiven Durchsetzung der Gemeinschaftsziele im direkten Vollzug diene, nicht zwangsläufig auch den Anforderungen der Rechtsdurchsetzungseffektivität im indirekten Vollzug genügen müsse. 131 Die besondere Ausdehnung des Effektivitätsgrundsatzes in diesem Bereich trage dem Umstand Rechnung, dass die nationalen Verwaltungsrechtsordnungen der 27 Mitgliedstaaten eine deutlich geringere strukturelle Homogenität aufwiesen, als dies beispielsweise in den einzelnen Bundesländern in Deutschland oder in anderen bundesstaatlich organisierten Nationalstaaten der Fall sei. 132 128 Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924 (926); Biaggini, Theorie und Praxis des Verwaltungsrechts im Bundesstaat, S. 319 f.; speziell zu den unterschiedlichen Funktionen von Verfahrensrechten je nach Vollzugsform: Schoch, in: Schmidt-Aßmann / HoffmanRiem, Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (296). 129 Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 46, 186 ff.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 280. 130 V. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 470, 472; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 189. 131 Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 189 f. 132 Henneke, in: Knack, VwVfG, Vor § 1 Rn. 25; Hoffmann-Riem, in: Schmidt-Aßmann / derselbe (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 317 (349).

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

Im Vordergrund dieser Argumentation steht die Zweiteilung des europäischen Verwaltungsrechts in EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht. Das Gemeinschaftsverwaltungsrecht wird hervorgehoben als eine „Rechtsschicht ganz eigener Prägung“ 133, weshalb die Übertragung von Grundsätzen des Eigenverwaltungsrechts nicht immer geeignet erscheint, auch im Bereich des indirekten Vollzugs inhaltlich angemessene Lösungen hervorzubringen. Eine solche Vorgehensweise wird nur dann für legitim erachtet, wenn die Maßstäbe des EG-Eigenverwaltunugsrechts im konkreten Fall auch im Bereich des mitgliedstaatlichen Vollzugs geeignet sind, die effektive Durchsetzung des Gemeinschaftsverwaltungsrechts zu fördern. 134 Aus diesem Grund wird dieser Ansatz auch als eingeschränkte Autonomiethese bezeichnet. 135 Hiernach ist es keineswegs ausgeschlossen, dass § 46 VwVfG selbst dann als gemeinschaftsrechtswidrig anzusehen ist, wenn vergleichbare Fehlerfolgenbegrenzungen im EG-Eigenverwaltungsrecht anerkannt sind. II. Parallelisierungsthese Die Parallelisierungs- 136 oder auch Homogenisierungsthese 137 geht im Gegensatz zu den oben dargestellten Ausführungen von einer weitgehenden Homogenität des europäischen Verwaltungsrechts aus. Zwischen dem Eigenverwaltungsrecht und dem Gemeinschaftsverwaltungsrecht dürfe es keine gravierenden Wertungsunterschiede geben. Vielmehr sei die innere Stimmigkeit der beiden Systemteile zu gewährleisten. 138 Insofern müsse es möglich sein, ein Fehlerfolgenregime für das gesamte europäische Verwaltungsrecht „herauszuschälen“. 139 Die Vertreter der Parallelisierungsthese gehen demzufolge davon aus, dass das Verwaltungsrechtsverständnis in der Gemeinschaft einheitlich und unteilbar ist. Zur Begründung wird ebenfalls auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen. Dieser habe schließlich bei der Überprüfung der Gemeinschaftsrechtskonformi133

Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 46. Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 189. 135 Diesen Begriff verwendet jedenfalls Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (13 ff.). Zu den Vertretern der uneingeschränkten Autonomiethese zählt Kahl diejenigen, die eine unveränderte Anwendung des § 46 VwVfG im indirekten Vollzug schon deswegen befürworten, weil es keine gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Sanktionierung von Verfahrensfehlern gäbe (S. 16 Fn. 108). 136 Schmdit-Aßmann, in: P.-C. Müller-Graff (Hrsg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, S. 131 (139); derselbe, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 24; derselbe / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 64. 137 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (16). 138 Schmdit-Aßmann, in: P.-C. Müller-Graff (Hrsg.), Perspektiven des Rechts in der Europäischen Union, S. 131 (139); derselbe, Ordnungsidee, Siebentes Kapitel Rn. 24. 139 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (19). 134

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tät von mitgliedstaatlichen Vollzugsvorschriften des Öfteren darauf abgestellt, ob die in Frage stehende Norm auf rechtsstaatlichen Grundsätzen beruht, die auch auf europäischer Ebene anerkannt sind. 140 Damit habe er den Beurteilungsmaßstab der allgemeinen Rechtsgrundsätze des EG-Rechts auf das im indirekten Vollzug anwendbare nationale Vollzugsrecht übertragen und einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen für beide Schichten des europäischen Verwaltungsrechts geschaffen. 141 Eine mitgliedstaatliche Vollzugsvorschrift, welche die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt, sei demzufolge noch am ehesten dann mit dem Effektivitätsgrundsatz zu vereinbaren, wenn sie eine Entsprechung im Gemeinschaftsrecht finde. 142 Das abstrakte „Entsprechungsgebot“ 143 zwischen Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht wird damit auf die Ebene der konkreten Ausgestaltung von verwaltungsrechtlichen Regelungen übertragen, wie dies auch in Einzelfällen durch den EuGH geschehen ist. 144 Zwar bedeutet dies nach den Vertretern dieser Auffassung nicht, dass die Lösungen des Eigenverwaltungsrechts in jedem Detail für den indirekten Vollzug übernommen werden müssen. Allerdings würde den Mitgliedstaat, dessen Recht vom Leitbild des Eigenverwaltungsrechts in grundsätzlicher Weise abweicht, die Beweislast dafür treffen, 140

Vgl. hierzu oben § 6 A. III. 1. Siehe zu den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts und ihrem Pendant im deutschen Recht auch Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1288 f.). 141 So Kahl,VerwArch 95 (2004), S. 1 (16 f.) mit Verweis auf Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 55, die jedoch eine Übertragung dieser Parallelisierungsthese auf die Ebene der konkreten Ausgestaltung verwaltungsrechtlicher Regelungen ausdrücklich ablehnt (S. 60). 142 Vgl. Nettesheim, in: GS für Grabitz, S. 447 (460) sowie im Anschluss an ihn: Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Ruthig, BayVBl. 1997, S. 289 (297); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (18); Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 178 f.; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 60; Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 169. 143 So Scheuing, in: Hoffmann-Riem / Schmdit-Aßmann (Hrsg.), Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 279 (308). 144 Beispielsweise im Bereich der Staatshaftung, EuGH, verb. Rs. C-46/93 und C-48/ 93 (Brasserie du Pêcheur), Slg. 1996, I-1029, Rn. 47: „Handelt ein Mitgliedstaat dagegen auf einem Gebiet, auf dem er über weites Ermessen verfügt, das mit dem vergleichbar ist, das die Gemeinschaftsorgane bei der Durchführung der Gemeinschaftspolitiken besitzen, so müssen die Voraussetzungen, unter denen seine Haftung ausgelöst werden kann, grundsätzlich die gleichen sein wie die, von denen die Haftung der Gemeinschaft in einer vergleichbaren Situation abhängt.“ Ebenso: EuGH, Rs. C-120/97 (Upjohn), Slg. 1999, I223, Rn. 33 – 35, wo der Gerichtshof ausführt, dass die Kontrolldichte bei der Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen durch die nationalen Gerichte nicht über das Maß hinausgehen muss, das der Gerichtshof selbst bei der Kontrolle komplexer Verwaltungsentscheidungen praktiziert. Weitere Nachweise bei Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (16) Fn. 111.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

dass es sich dennoch um eine dem Effektivitätstopos gerecht werdende Lösung handelt. 145 Die Parallelisierungsthese geht also im Vergleich zur eingeschränkten Autonomiethese von einem umgekehrten Regel-Ausnahme-Verhältnis aus. Die Lösungen des EG-Eigenverwaltungsrechts können grundsätzlich zur Ausfüllung des Maßstabes der praktischen Unmöglichkeit herangezogen werden, sofern eine Frage des Gemeinschaftsverwaltungsrechts keine spezifischen Sachgesetzlichkeiten aufweist, welche die Annahme eines Sonderfalls rechtfertigen. 146 Im Gegensatz dazu lehnt die Autonomiethese eine generelle Vorbildfunktion des Eigenverwaltungsrechts für den indirekten Vollzug ab. Vielmehr ist im jeweiligen Einzelfall genau zu prüfen, ob bei einer Orientierung an den Voraussetzungen des Eigenverwaltungsrechts noch gewährleistet ist, dass den besonderen Zielsetzungen des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen wird. Nur dann kann dem Eigenverwaltungsrecht eine Maßstabswirkung zukommen. III. Die Berücksichtigung der materiellen Kontrolldichte Sowohl die Parallelisierungsthese als auch die eingeschränkte Autonomiethese legen den Fokus der Betrachtung auf die zwei Ebenen des europäischen Verwaltungsrechts (Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht) und ihre jeweiligen Zielsetzungen. Allerdings dürfen bei den Überlegungen, inwieweit der vorgeschlagene Vergleich zwischen § 46 VwVfG und dem Verfahrensfehlerrecht des EG-Eigenverwaltungsrechts tatsächlich ein zuverlässiger Gradmesser dafür sein kann, ab wann eine innerstaatliche Bestimmung die Gemeinschaftsrechtsverwirklichung praktisch unmöglich macht, auch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der deutschen Rechtsordnung nicht unberücksichtigt bleiben. Hiermit ist vor allen Dingen die Ausgestaltung und Intensität der gerichtlichen Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen angesprochen. 1. Nationales Recht In Deutschland gilt die uneingeschränkte inhaltliche Kontrolle des Verwaltungshandelns als Grundsatz (Art. 19 Abs. 4 GG). 147 Sie findet statt, wenn das Gesetz nichts anderes anordnet. Was das Gericht zu prüfen hat, hängt somit vom materiellen Recht ab. Bei gebundenen Entscheidungen hat dies zur Konsequenz, dass das Gericht an die Stelle der Behörde tritt und selbständig eine Entscheidung trifft, die es anschließend mit der Verwaltungsentscheidung vergleicht. Dement145 Gundel, in: Schulze / Zuleeg (Hrsg.), Handbuch Europarecht, § 3 Rn. 178; ähnlich: Nettesheim, in: GS für Grabitz, S. 447 (460). 146 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (19). 147 Vgl. hierzu bereits § 1 C.

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sprechend spielt das Verwaltungsverfahren für die Entscheidungsfindung keine maßgebliche Rolle. 148 Verfahrensfehler verschwinden in der „richtigen“ Sachentscheidung, die sich durch ihre materielle Rechtmäßigkeit auszeichnet. 149 Die Identität zwischen behördlicher Handlungsanweisung und gerichtlichem Kontrollmaßstab entfällt dann, wenn der Verwaltung durch das Gesetz ein Abwägungs-, Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. 150 Das Verwaltungshandeln ist dann von einem der gerichtlichen Kontrolle unzugänglichen Bereich des Erwägens, Gewichtens und Abwägens geprägt. 151 Die Verwaltung ist damit aber nicht jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen. Vielmehr richtet sich die Kontrolle nicht auf die Entscheidung, sondern auf die Art und Weise der Entscheidungsfindung. Von einer Sachaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO ist das Gericht insofern nicht befreit. Es muss die Tatsachen aufklären, die es benötigt, um das Vorliegen eines Ermessensfehlers oder einer Verletzung des Beurteilungsspielraums anzunehmen. 152 In direkter bzw. entsprechender Anwendung des § 114 VwGO müssen alle der gerichtlichen Kontrolle zugänglichen Rechts- und Sachfragen aufgeklärt werden. Fehlerreparaturen sind allerdings nicht nur auf Verfahrensebene, sondern auch auf materiell-rechtlicher Ebene möglich. Insbesondere im Bereich des Planungsrechts existieren in Deutschland einige Regelungen, die zu einer Relativierung der materiellen Fehlerfolgen führen (§§ 75 Abs. 1a VwVfG, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 BauGB). 153 2. EG-Eigenverwaltungsrecht Demgegenüber orientiert sich das europäische Rechtsschutzmodell eher an der angelsächsischen und vor allem an der französischen Rechtstradition. 154 Dort herrscht der Grundsatz, dass die Justiz die Verwaltung nicht behindern 148 Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorbemerkung § 113 Rn. 19; Ramsauer, in: Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 699. 149 Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 193 (222). 150 Siehe zur eingeschränkten Anerkennung solcher Spielräume auf der Tatbestandsseite in Form von Beurteilungsspielräumen unter § 1 C. I. 151 Jaestaedt, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 10 Rn. 41; Gerhardt, in: Schoch / Schmdit-Aßmann / Pietzner, VwGO, 14. Ergänzungslieferung 2007, Vorbemerkung § 113 Rn. 20. 152 Wolff , in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 113 Rn. 67, 433; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 735 ff., 772; genauer zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Ermessensund Beurteilungsspielräumen Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 30 ff.; Rn. 45 ff. 153 Darauf verweist insbesondere Erbguth, DVBl. 2004, S. 803; zu diesen „Korrekturen“ in der Kontrolldichte auch Ossenbühl, FS für Redeker, S. 55 (68). 154 Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (249); Hirsch, VBlBW 2000, S. 71 (73 f.); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (20); Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbar-

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darf. Dementsprechend interpretiert auch der EuGH seine durch Art. 220 EG bestimmte Aufgabe der „Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags“ aus deutscher Sicht relativ zurückhaltend. Er versteht seine Funktion allein in der maßvollen rechtlichen Kontrolle der Organe, ohne sich selbst an die Position der eigentlich für die Entscheidung zuständigen Stelle zu setzen. 155 Er unternimmt bei einer unzureichenden oder unvollständigen Ermittlung der beim Erlass eines Gemeinschaftsrechtsakts zu berücksichtigenden Tatsachen grundsätzlich nicht selbst den Versuch, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Vielmehr wird die Entscheidung wegen mangelnder Begründung direkt aufgehoben. Ein Untersuchungsgrundsatz, wie er in Deutschland in Form des § 86 VwGO gilt, existiert nicht. 156 Überdies besteht eine weitgehende Bereitschaft des EuGH, dem anwendbaren Recht die Einräumung von Ermessensspielräumen zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass der gemeinschaftsrechtliche Ermessensbegriff nicht mit dem deutschen identisch ist. So findet die traditionelle deutsche Unterscheidung zwischen Beurteilungsspielräumen auf der Tatbestandsseite und Ermessensspielräumen auf der Rechtsfolgenseite im Eigenverwaltungsrecht der EG keine Entsprechung und ist damit auch für die Intensität der gerichtlichen Kontrolle nicht von Bedeutung. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff des „Ermessens“ ist vielmehr untechnisch im Sinne einer umgreifenden, letztverbindlichen Entscheidungskompetenz der Verwaltung zu verstehen. 157 Während nun in Deutschland allein aus der Komplexität einer Entscheidung noch nicht auf eine Übertragung der Letztentscheidungskompetenz geschlossen werden kann 158, gesteht der EuGH der Kommission gerade dann einen umfassenden Spielraum zu, wenn komplizierte technische oder wirtschaftliche Bewertungen erforderlich sind, die nur mit Hilfe von Sachverständigen beurteilt werden können. 159 Gleichzeitig ist das Ausmaß der gerichtlichen Kontrolle – wenngleich nur tendenziell und je nach Eigenart des Sachgebiets 160 –, um einiges geringer ausgestaltet als in Deutschland. keit, S. 174, 191; Everling, in: FS für Redeker, S. 293 (307); Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 105. 155 Classen, NJW 1995, S. 2457 (2461); derselbe, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 191. 156 Pache, DVBl. 1998, S. 380 (383); Everling, NVwZ 1987, S. 1 (6 f.); Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 170; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 182 f.; Hirsch, VBlBW 2000, S. 71 (73 f.). 157 Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (249); Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes der EU, § 7 Rn. 103; Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung Rn. 131. 158 Vgl. § 1 C. I. 159 EuGH, Rs. 55/57 (Balkan-Import-Export), Slg. 1976, S. 19, Rn. 8; Rs. 29/77 (Roquette Frères), Slg. 1977, 1835, Rn. 19/20; Rs. 98/78 (Racke), Slg. 1979, S. 69, Rn. 5; Rs. C-269/90 (TU München), Slg. 1991, I-5469, Rn. 13. 160 Schmidt-Aßmann, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einleitung Rn. 131 mit Hinweis auf Everling, FS für Redeker, S. 293 (307 f.); Wegener, in: Cal-

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Der EuGH überprüft lediglich, ob der Behörde ein offensichtlicher Irrtum unterlaufen ist oder ob sie offensichtlich die Grenzen ihres Ermessensspielraums überschritten hat. 161 Damit ist sie stärker als die deutsche Rechtsprechung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt. 162 Als Ausgleich für die geringe Kontrolle in materieller Hinsicht erfolgt eine vergleichsweise strikte Überwachung der Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften. Diesen Zusammenhang hat der EuGH bereits 1991 ausdrücklich benannt: „Soweit jedoch die Organe der Gemeinschaft über einen solchen Beurteilungsspielraum verfügen, kommt eine um so größere Bedeutung der Beachtung der Garantien zu, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt“ 163. Über das korrekte Verfahren soll die objektive Abwägung aller Umstände gesichert werden, so dass die Aussichten für eine sachlich richtige Entscheidung erhöht werden. 164 Die Rechtswahrungsfunktion des Verwaltungsverfahrens steht deutlich stärker im Vordergrund als in Deutschland. 165 3. Konsequenzen für die Fehlerbeachtlichkeit Aufgrund dieser Unterschiede in der materiellen Kontrolldichte können sich Zweifel ergeben, ob die Anforderungen des EG-Eigenverwaltungsrechts an die Einhaltung von Form- und Verfahrensregeln ohne weiteres auf den indirekten Vollzug in Deutschland übertragen werden können. So ließe sich eine vielleicht stärkere Begrenzung von Verfahrensfehlerfolgen auf deutscher Ebene dadurch liess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EG, Rn. 24 mit Hinweis auf Herdegen / Richter, in: Frowein, Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung von Handlungen der Verwaltung, S. 209 ff. sowie Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 106. 161 EuGH, Rs. 55/57 (Balkan-Import-Export), Slg. 1976, 19 Rn. 8; Rs. C-56/93 (Belgien / Kommission), Slg. 1996, I-723, Rn. 11; Rs. C-169/95 (Spanien / Kommission), Slg. 1997, I-135, Rn. 34; Rs. C-150/94 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg. 1998, I-7235, Rn. 54. 162 Pache, DVBl. 1998, S. 380 (386); v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 185, 333; Schmidt-Kötters, in: Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, § 18 Rn. 31; ähnlich Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 167. 163 EuGH, Rs. C-269/90, (TU München), Slg. 1991, I-5495, Rn. 14. 164 Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 106. 165 Auf die Kompensationsfunktion der strikten Verfahrenskontrolle des EuGH weisen hin: Schwarze, NVwZ 2000, S. 241 (250); Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 169 f.; v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, S. 333; Schmidt-Kötters, in: Heidenhain, Handbuch des Europäischen Beihilfenrechts, § 18 Rn. 31; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 37; Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 220 EG Rn. 24.

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rechtfertigen, dass die Kontrolldichte des EuGH eben nicht ausreiche, um die Gewähr dafür zu bieten, dass das Verfahrensergebnis auch ohne Beachtung des Verfahrens in der Sache zutrifft. Für die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes steht aber „lediglich“ im Vordergrund, dass der jeweilige Zweck der europäischen Rechtsvorschrift nicht vereitelt wird. 166 Dieser wird sich in erster Linie auf die Verwirklichung des materiellen Gemeinschaftsrechts – etwa der gemeinschaftsrechtlich verfolgten Schutzziele – und sich daraus ergebender subjektiver Rechtspositionen beziehen. 167 Auch wenn aufgrund von § 46 VwVfG dem gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensrecht gelegentlich nicht zur Durchsetzung verholfen wird, kann doch eine intensive Kontrolle des materiellen Rechts, so wie sie in Deutschland praktiziert wird, die Durchsetzung des Gesamtziels des EG-Rechts gewährleisten. Verengt man also den Fokus der Betrachtung nicht von vornherein auf die Behandlung von Verfahrensfehlern, sondern zieht das Ergänzungs- und Komplementärverhältnis von Verfahrensrecht und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle des materiellen Rechts hinzu, können Defizite im Bereich des Verfahrensrechts gegebenenfalls aufgefangen werden. 168 Natürlich kann ein solcher Ausgleich nur dort erfolgen, wo der gemeinschaftsrechtliche Zweck nicht ausschließlich in der Erfüllung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen liegt, wie dies z. B. bei der UVP der Fall ist. Dort zielt das prozedurale Steuerungsanliegen des Gemeinschaftsrechts gerade darauf ab, fehlende materielle Vorgaben im Verfahren zu erarbeiten. Die nicht erreichbare materielle Richtigkeit soll durch Verfahrensrichtigkeit ausgeglichen werden und nicht umgekehrt. Unerlässliche Voraussetzung für die Kompensationsfunktion der materiellen Kontrolldichte ist demnach, dass der Schwerpunkt auf dem materiellen Inhalt des EG-Rechts liegt und das gemeinschaftsrechtliche Ziel nicht gerade durch ein bestimmtes Verfahren verwirklicht werden soll. Dennoch erscheint dieser Ansatz nicht ganz unproblematisch. Dem europäischen Konzept liegt insgesamt eine Skepsis gegenüber der Erreichbarkeit des vermeintlich Richtigen durch ein Gericht zugrunde. 169 Das faire Verfahren ist hier Voraussetzung der richtigen Entscheidungsfindung und kann unabhängig von diesem schwer erreicht werden („Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ 170). 166 EuGH, Rs. C-372/00 (Santex Spa), Slg. 2003, I-1877, Rn. 54; Rs. C-470/99 (Universale-Bau), Slg. 2002, I-11617, Rn. 73; Rs-C-473/00 (Codifis SA / Jean-Louis Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 15. 167 Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 113; Kopp / Ramsauer, VwVfG, 7. Auflage 2000, Einführung Rn. 52. 168 Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1287); ähnlich Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 113. 169 So auch Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1287); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Rechts, S. 64. 170 Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (523); Hirsch, VBlBW 2000, S. 71 (74).

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Daher könnte man argumentieren, dass eine intensive materielle Kontrolle aus europäischer Sicht eine solche Ausgleichsfunktion zur Wahrung des gemeinschaftsrechtlich verfolgten Zwecks überhaupt nicht übernehmen kann und der Effektivitätsgrundsatz daher auch in vollem Umfang bei der Vereitelung „lediglich“ formellen Gemeinschaftsrechts greifen muss. Allerdings kann die Bedeutung von Verfahrensvorschriften im Rahmen des „due-process-Gedankens“ sicherlich ebenfalls unterschiedlich ausfallen. 171 Fehlt es einer gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorschrift an einer eigenständigen, über die bloße Verfahrensgestaltung hinausgehenden Bedeutung für die Durchsetzung des materiellen Gemeinschaftsrechts, muss ihre Verletzung durch nationale Regelungen auch für unbeachtlich erklärt werden können. Vor diesem Hintergrund wäre die Annahme der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 46 VwVfG selbst dann nicht zwingend, wenn der EuGH tatsächlich striktere Kriterien für die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern heranziehen würde als die in dieser Vorschrift normierten, solange der Zweck der Gemeinschaftsvorgaben insgesamt gewahrt werden kann. IV. Stellungnahme Trotz der Bedenken, die sich aus der eingeschränkten Autonomiethese und den Unterschieden in der materiellen Kontrolldichte ergeben, erscheint ein Vergleich zwischen den Anforderungen des Eigenverwaltungsrechts und denen des § 46 VwVfG geeignet, um die Grenzen des Effektivitätsgrundsatzes für diesen Bereich zu eruieren. Zwar muss eine Anerkennung vergleichbarer Kriterien für die Fehlerfolgenbegrenzung im EG-Eigenverwaltungsrecht nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Anwendung des § 46 VwVfG in jeder denkbaren Konstellation gemeinschaftskonform ist. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung des Gemeinschaftsverwaltungsrechts erscheint es keineswegs widersprüchlich, der Beachtung von Verfahrensfehlern im Einzelfall eine größere Bedeutung beizumessen. Umgekehrt müssen aber auch erhöhte Anforderungen an die Fehlerunbeachtlichkeit im EG-Eigenverwaltungsrecht nicht notwendigerweise zu einer generellen Unvereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz führen. Die hohe materielle Kontrollintensität, die in Deutschland praktiziert wird, kann unter Umständen geeignet sein, die Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts dennoch zu gewährleisten. So gesehen lässt die Vergleichsmethode gewiss keine zwingenden Schlüsse vom EG-Eigenverwaltungsrecht auf das Gemeinschaftsverwaltungsrecht zu. Eine Indizwirkung besteht jedoch sicher. Letztendlich kann die Übertragung der Fehlerfolgenbegrenzung im Verhältnis eins zu eins auch nicht das Ziel einer solchen Vorgehensweise sein. Denn es steht außer Frage, dass 171

Vgl. hierzu Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Rechts, S. 56 ff.

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bei einer solchen Gegenüberstellung immer die Besonderheiten des jeweiligen Rechtssystems in Rechnung gestellt werden müssen. Die Vergleichsmethode soll vielmehr einen grundlegenden Anhaltspunkt dafür geben, welchen Ansatz der EuGH für die Relativierung von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht verfolgt und ob die Vorschrift des § 46 VwVfG diesem schon als solche zuwiderläuft. Dass das Verbot der praktischen Unmöglichkeit bzw. des übermäßigen Erschwerens in letzter Konsequenz einer Betrachtung des Einzelfalls vorbehalten bleiben muss und demzufolge auch die Beurteilung der Europarechtskonformität einer Norm je nach Anwendungsfall variieren kann, hat bereits die Betrachtung der Rechtsprechung des EuGH zum Effektivitätsgebot ergeben und ist ohnehin nicht zu vermeiden. Insofern steht sowohl der Gedanke der Kompensationsfunktion des materiellen Rechts als auch die eingeschränkte Autonomiethese einer Vergleichbarkeit von EG-Eigenverwaltungsrecht und nationalem Recht nicht entgegen.

B. Die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht der EG I. „Kausalität“ Normativer Ansatzpunkt für die Überprüfung von Verfahrensfehlern im EGEigenverwaltungsrecht ist Art. 230 Abs. 2 EG (ex Art. 173 EGV). Hiernach ist einer der Gründe, die zum Erfolg einer Nichtigkeitsklage führen können, die „Verletzung wesentlicher Formvorschriften“. Die Wesentlichkeit einer Verfahrensvorschrift, die als Unterfall der Formvorschrift gilt 172, wird vom EuGH dann angenommen, wenn ihre Missachtung geeignet ist, den Inhalt des Rechtsaktes zu beeinflussen, also ein Kausalzusammenhang besteht. 173 So blieb etwa die Missachtung des rechtlichen Gehörs folgenlos, wenn den Betroffenen die relevanten Tatsachen auf andere Weise bekannt geworden sind und sie dazu hätten Stellung nehmen können 174 oder wenn sie nichts Neues vorzutragen gehabt hätten. 175 172 Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 96. 173 Vgl. nur EuGH, Rs. 30/78 (Distillers Company), Slg. 1980, 2229, Rn. 26; verb. Rs. 209 – 215 u. 218/78 (van Landewyck), Slg. 1980, 3125, Rn. 47; Rs. 117/81 (Geist), Slg. 1983, 2191, Rn. 7; Rs. 234/84 (Belgien / Kommission), Slg. 1986, 2263, Rn. 30; Rs. 259/85 (Frankreich / Kommission), Slg. 1987, 4393, Rn. 13; Rs. 301/87 (Frankreich / Kommission); Slg. 1990, I-307, Rn. 31; Rs. C-288/96 (Deutschland / Kommission), Slg. 2000, I-8237, Rn. 101; Rs. C-315/99 P (Ismeri Europa), Slg. 2001, I-5281, Rn. 34; Rs. C-204/00 P u. a. (Aalborg Portland), Slg. 2004, I-123, Rn. 71 ff.; weitere Nachweise bei Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, Rn. 98 Fn. 408; Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (22); Nachweise aus der Rechtsprechung des EuG finden sich bei Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 283 Fn. 245.

§ 7 Vertretbare Relativierung von Verfahrensfehlern

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Die Voraussetzungen für die Aufhebung bzw. Nichtigkeitserklärung einer Entscheidung bei einem Verfahrensfehler scheinen sich danach im Kern mit denjenigen des § 46 VwVfG zu decken. Die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers führt nicht stets zur Aufhebung der Entscheidung, sondern wird von seinen Auswirkungen auf die Sachentscheidung abhängig gemacht. Entgegen mancher in der Literatur geäußerten Behauptungen lehnt der EuGH die Aufhebung einer Entscheidung infolge eines Verfahrensmangels dabei nicht nur in den Fällen ab, in denen aus Rechtsgründen ein anderes sachliches Ergebnis ausgeschlossen ist. 176 Vielmehr wird ein Verfahrensverstoß auch dann für unbeachtlich erklärt, wenn die getroffene Entscheidung zwar in den Ermessensspielraum der Behörde fiel, aber aus tatsächlichen Gründen keine andere Entscheidung denkbar ist, es letztlich also an der konkreten Kausalität im Einzelfall mangelt. 177 Damit ist entsprechend § 46 VwVfG sowohl die rechtliche als auch die tatsächliche Alternativlosigkeit umfasst. 178 II. „Wesentlichkeit“ Auf der anderen Seite finden sich zahlreiche Entscheidungen, in denen der EuGH den betreffenden Rechtsakt allein aufgrund des Verfahrensfehlers – vornehmlich bei Anhörungs- oder Begründungsmängeln – direkt für nichtig erklärt hat, ohne eine Kausalitätsprüfung vorzunehmen. 179 Hieraus wird zum Teil geschlossen, dass sich die „Wesentlichkeit“ i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EG vorrangig anhand der Bedeutung der verletzten Verfahrensvorschrift im Allgemeinen bestimmt. 180 So wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass die Verletzung solcher Vorschriften, welche die Gewährung des rechtlichen Gehörs sichern, 174

EuGH, Rs. 234/84 (Belgien / Kommission), Slg. 1986, 2263, Rn. 30; Rs. 259/85 (Frankreich / Kommission), Slg. 1987, 4393, Rn. 13; im Umkehrschluss aus Rs. C-480/99 P. u. a. (Gerrry Plant / Kommission), Slg. 2002, I-265, Rn. 32. 175 EuGH, Rs. C-301/87 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990, I-307, Rn. 31. 176 So Classen, DV 31 (1998), S. 307 (328 f.); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 60. 177 EuGH, Rs. 9/76 (Morello), Slg. 1976, 1415, Rn. 10 f.; Rs. 234/84 (Belgien / Kommission), Slg. 1986, 2263 Rn. 30; Rs. 259/85 (Frankreich / Kommission), Slg. 1987, 4393, Rn. 13; Rs. C-301/87 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990, I-307, Rn. 31; Rs. C-142/87 (Belgien / Kommission), Slg. 1990, I-959, Rn. 48. 178 Vgl. auch Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 80 Fn. 212; Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (23); Fengler, Die Anhörung im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 96 f. 179 Verletzung der Anhörungspflicht: EuGH, Rs. C-291/89 (Interhotel), Slg. 1991, I2257, Rn. 17; Rs. C-304/89 (Oliveira), Slg. 1991, I-2283, Rn. 21; Rs. C-157/90 (Infortec), Slg. 1992, I-3525, Rn. 20; Rs. C-199/91 (Sart-Tilmann), Slg. 1993, I-2667, Rn. 34; Verletzung der Begründungspflicht: EuGH, verb. Rs. C-329/93 u. a. (Deutschland u. a. / Kommission), Slg. 1996, I-5151, Rn. 38, 48, 58; Rs. C-367/95 P (Sytraval und Brink’s France), Slg. 1998, I-1719, Rn. 74 ff., 78.

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die – wie das Begründungserfordernis – eine gerichtliche Nachprüfung der Rechtshandlung ermöglichen oder die allgemein dem Schutz der Betroffenen dienen, stets oder jedenfalls regelmäßig als „wesentlich“ i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EG einzustufen seien. 181 Das Kausalitätskriterium käme zur Bestimmung der „Wesentlichkeit“ des Verfahrensfehlers meistens gar nicht zur Anwendung. 182 Die Verfahrensfehler im Eigenverwaltungsrecht der EG seien vielmehr grundsätzlich beachtlich. 183 In Deutschland sei das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Ergebnissanktion für Verfahrensverstöße dagegen ein umgekehrtes.

C. Konsequenzen für § 46 VwVfG I. Grundsätzliche Anwendbarkeit Es ist festzuhalten, dass der Gesichtspunkt der Kausalität für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht der EG eine erhebliche Rolle spielt. Eine rigorose Aufhebung bzw. Nichtigerklärung von EG-Akten ohne jedwede Rücksicht auf die Frage, ob sich der Fehler überhaupt auf die Sachentscheidung ausgewirkt hat, wird auch vom EuGH in dieser Form nicht praktiziert. Die Kriterien, die § 46 VwVfG für die Relativierung von Verfahrensfehler aufstellt, finden sich demzufolge auch auf Gemeinschaftsebene wieder. Insofern liegt die Annahme nahe, dass im Bereich des indirekten Vollzugs eine verfahrensrechtliche Bestimmung des Gemeinschaftsrechts nicht schon deshalb praktisch unmöglich gemacht wird, weil ihre Außerachtlassung gemäß § 46 VwVfG nicht in jedem Fall zur Aufhebung der Sachentscheidung führt. 184 Die 180 Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1293); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-Heilungsund Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 61; Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 168 f.; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 178. 181 Kokott, DV 31 (1998), S. 335 (366); Wiggers, Planerhaltung im Recht der Raumordnung, S. 169; Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 61; Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 98; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 180; Cremer, Calliess / Ruffert, EUV / EGV, Art. 230 EG Rn. 76. 182 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (23). 183 Classen, NJW 1995, S. 2457 (2459); Gornig / Trüe, JZ 2000, S. 395 (397); Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (299); derselbe allerdings nunmehr anderer Auffassung in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524 f.). 184 So auch Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (443); Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (702 ff.); Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs von EG-Umweltrecht, S. 75 f.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 230 f.; Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 281 ff.; Fengler, Die Anhörung im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 283 f.; Sachs, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 188; im Ansatz auch Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (502).

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Tatsache, dass der EuGH in vielen Fällen auf das Kausalitätskriterium keinen erkennbaren Bezug genommen hat, sondern die betreffende Entscheidung allein aufgrund des Verfahrensfehlers aufgehoben hat, belegt ungeachtet mancher Behauptungen noch nichts Gegenteiliges. Hieraus ergibt sich nur, dass die Rechtsprechung des EuGH zu differenziert ausfällt, um aus ihr generelle Schlussfolgerungen für die Kriterien der „Wesentlichkeit“ von Verfahrensfehlern zu ziehen. 185 Jedenfalls stellt es eine zu weitgehende Verallgemeinerung dieser Entscheidungen dar, wenn aus ihnen gefolgert wird, dass der EuGH in der Regel von der Wesentlichkeit eines Verfahrensverstoßes ausgeht. Hiergegen sprechen nicht zuletzt die ebenso zahlreichen Urteile, in denen der Verfahrensverstoß ausdrücklich aufgrund der fehlenden Kausalität für die Sachentscheidung für unbeachtlich erklärt wurde. 186 Dies war insbesondere auch bei Anhörungsfehlern nicht selten der Fall 187, so dass es im Übrigen verfehlt wäre, generell solche Vorschriften, die der Sicherung des rechtlichen Gehörs dienen, aus dem Anwendungsbereich des § 46 VwVfG herausnehmen zu wollen. Hier ist vielmehr nach der konkret verletzten Anhörungspflicht zu differenzieren. 188 Abgesehen davon können ebenso diejenigen Entscheidungen, in denen der EuGH den betreffenden Rechtsakt allein aufgrund des Verfahrensfehlers aufgehoben hat, mit der gleichzeitigen Geltung des § 46 VwVfG im indirekten Vollzug in Einklang gebracht werden. In dieser Konstellation bleibt das Kausalitätskriterium nämlich lediglich aufgrund spezialgesetzlicher Regelung der Fehlerfolge außer Anwendung. Es handelt sich 185 Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (702 ff.); Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 286; Müller, Verfahrensartfehler, S. 230 f.; Fengler, Die Anhörung im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 101; Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (523). 186 Vgl. nur EuGH, Rs. 30/78 (Distillers Company), Slg. 1980, 2229, Rn. 26; verb. Rs. 209 – 215 u. 218/78 (van Landewyck), Slg. 1980, 3125, Rn. 47; Rs. 117/81 (Geist), Slg. 1983, 2191, Rn. 7; Rs. 234/84 (Belgien / Kommission), Slg. 1986, 2263, Rn. 30; Rs. 259/85 (Frankreich / Kommission), Slg. 1987, 4393, Rn. 13; Rs. 301/87 (Frankreich / Kommission); Slg. 1990, I-307, Rn. 31; Rs. C-288/96 (Deutschland / Kommission), Slg. 2000, I-8237, Rn. 101; Rs. C-315/99 P (Ismeri Europa), Slg. 2001, I-5281, Rn. 34; Rs. C-204/00 P u. a. (Aalborg Portland), Slg. 2004, I-123, Rn. 71 ff.; weitere Nachweise bei Burgi, in: Rengeling / Middeke / Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der EU, Rn. 98 Fn. 408; Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (22); Nachweise aus der Rechtsprechung des EuG finden sich bei Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 283 Fn. 245. 187 Vgl. nur EuGH, Rs. 234/84 (Belgien / Kommission), Slg. 1986, 2263, Rn. 30; Rs. 259/85 (Frankreich / Kommission), Slg. 1987, 4393, Rn. 13; EuGH, Rs. C-301/87 (Frankreich / Kommission), Slg. 1990, I-307, Rn. 31; Rs. C-315/99 P (Ismeri Europa), Slg. 2001, I-5281, Rn. 34. 188 So weist Baumeister darauf hin, dass in allen Fällen, in denen der EuGH die Entscheidung allein wegen eines Anhörungsfehlers aufgehoben hat, ein Verstoß gegen dieselbe Anhörungspflicht vorlag, nämlich gegen die aus Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. 10. 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/ 516/EWG (ABl. L 289, S. 1). Daher könne allenfalls diese konkrete Pflicht als absolutes Verfahrensrecht eingeordnet werden, Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 287 Fn. 259.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

dann um – nach deutscher Terminologie – absolute Verfahrensrechte, deren Verletzung auch im deutschen Verwaltungsrecht stets einen Aufhebungsanspruch begründet. Selbst wenn davon auszugehen sein sollte, dass der EuGH bezüglich der Anerkennung solcher absoluten Verfahrensrechte tendenziell großzügiger verfährt als dies in Deutschland der Fall ist, kann jedenfalls nicht davon die Rede sein, dass § 46 VwVfG vom Leitbild des Eigenverwaltungsrechts der EG in grundsätzlicher Weise abweicht. II. Maßstab der Kausalität Zweifel an der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht werden darüber hinaus mit der mangelnden Vergleichbarkeit des Kausalitätsmaßstabs begründet. So habe der EuGH in den Fällen, in denen er von der Unerheblichkeit des Verfahrensverstoßes ausgegangen ist, allein anhand der sich aus der Aktenlage ergebenden Verfahrensabläufe – also sozusagen rein äußerlich – die Kausalität des Verfahrensfehlers für die Sachentscheidung ausschließen können. 189 Demgegenüber werde in der deutschen Judikatur der Innenbereich des behördlichen Entscheidungsvorgangs zum Maßstab erhoben, welcher durch das Gericht schwer rekonstruiert werden könne. 190 Die Funktionsgrenze gerichtlicher Kontrolle, die von der Prämisse ausgeht, dass Gerichtsverfahren und Verwaltungsverfahren funktional nicht gleichwertig sind, fände hierzulande keine Beachtung. 191 Ebenso problematisch sei in diesem Zusammenhang die dem Kläger hinsichtlich der Kausalität auferlegte Darlegungslast, die das EGRecht nicht kenne. 192 Diese Vorwürfe mögen im Ausgangspunkt richtig sein. Sie betreffen allerdings bei genauerer Betrachtung nicht § 46 VwVfG, sondern seine Interpretation durch die Rechtsprechung des BVerwG. Wenn § 46 VwVfG für den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs verlangt, dass offensichtlich sein muss, dass der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, so stimmen diese Anforderungen nicht mit dem von der Rechtsprechung angewandten positiven Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ überein. Erst hierdurch wird die Beeinflussung der Sachentscheidung die durch den Rechtsschutzsuchenden zu belegende Ausnahme, während § 46 VwVfG seinem Wortlaut nach von der 189 Classen, DV 31 (1998), S. 307 (327 f.); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (24); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 60. 190 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (24). 191 Classen, DV 31 (1998), S. 307 (329); ihm zustimmend: Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (299); Kment, Nationale Unbeachtlichkeits-, Heilungs- und Präklusionsvorschriften und Europäisches Recht, S. 61. 192 Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (25).

§ 7 Vertretbare Relativierung von Verfahrensfehlern

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Darlegungslast der Behörde ausgeht. Außerdem verlangt § 46 VwVfG die offensichtliche Nichtbeeinflussung der Sachentscheidung durch den Verfahrensfehler, also entsprechend dem EuGH eine leichte Feststellbarkeit der Kausalität. 193 Zwar ändert das Merkmal der Offensichtlichkeit nichts daran, dass dem Gericht immer eine Art „hypothetisches Rückspulen des Entscheidungsprozesses“ abverlangt wird, was letztlich immer spekulativ bleibt. 194 Allerdings bleibt dies auch dem EuGH nicht erspart, der das Kausalitätskriterium ebenfalls im Rahmen von Ermessensentscheidungen einsetzt. Im Ergebnis weicht das in § 46 VwVfG normierte Kausalitätsverständnis also nicht von dem europäischen Konzept ab. Bedenken bestehen allenfalls im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ beim indirekten Vollzug des Gemeinschaftsrechts, das überwiegend im Planfeststellungsrecht und dort im Zusammenhang mit dem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP zum Einsatz kommt. 195 Auf diesen Bereich beziehen sich auch vornehmlich die Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der nationalen Fehlerfolgenlehre. 196 Hierauf wird im Rahmen der Einzelfallanalyse im dritten Teil dieser Arbeit noch ausführlich einzugehen sein.

D. Ergebnis Die kausalitätsbezogene Regelung des § 46 VwVfG steht weder in einem strukturellen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht noch ist sie in ihrer Tendenz mit dem gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot unvereinbar. Liegen die Voraussetzungen der Vorschrift vor, kommt es zwar de facto zu einer Beeinträchtigung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben, da deren Nichtbeachtung keinerlei Folgen für den Bestand der Verwaltungsentscheidung hat und sie damit leer laufen. Auf eine vernünftige Relativierung von Verfahrensfehlerfolgen kann jedoch keine Rechtsordnung ernsthaft verzichten. Es ist nicht davon auszugehen, dass § 46 VwVfG über die Grenzen einer solchen „vernünftigen“ Relativierung – und damit über die Grenzen der Effektivitätsschranke – hinausschießt. Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, dass das Kausalitätskriterium im Eigenverwaltungsrecht der EG in ähnlicher Weise eingesetzt wird, wie dies 193 Vgl. zu den Unterschieden zwischen § 46 VwVfG und dem Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ § 3 C. 194 Schöbener, DV 33 (2000), S. 447 (467). 195 Im Ergebnis ebenso Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 288; Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (710); Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524 f.). 196 Vgl. neben den in Fn. 195 zitierten Nachweisen: Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (26 f.); Ehlers, DVBl. 2004, S. 1441 (1449); Classen, DV 31 (1998), S. 307 (329); Wegener, ZUR 1996, S. 324 (325 f.); Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (501 f.); Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 14 Rn. 48; Schmdit-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79 ff.; Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 442.

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2. Teil: § 46 VwVfG auf dem Prüfstand

in § 46 VwVfG normiert ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es nicht geboten, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern unabhängig von den Auswirkungen dieser Fehler auf die Sachentscheidung bzw. der geschützten materiellen Rechtsposition des Klägers zu gewähren. Vielmehr nimmt auch der Gerichtshof häufig auf die Auswirkungen des Fehlers Bezug und weist Klagen ab, soweit eine Beeinflussung des Ergebnisses durch den Fehler nicht feststellbar ist. Das heißt nicht, dass § 46 VwVfG automatisch in allen Fällen von Verstößen gegen Verfahrensregelungen gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs Anwendung finden darf. Soweit sich aus der Verfahrensbestimmung selbst ergibt, dass ihre Verletzung stets – also kausalitätsunabhängig – zur Aufhebung des Rechtsaktes führen muss, ist sie als absolutes Verfahrensrecht einzustufen und fällt aus dem Anwendungsbereich des § 46 VwVfG heraus. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der jeweilige Zweck des EG-Rechts nicht vereitelt werden darf. Beide Aspekte sind insbesondere im Fall der rechtswidrig unterlassenen UVP von Bedeutung. Auch wenn die gemeinschaftsrechtlich gebotene Modifizierung des § 46 VwVfG also letztlich eine Frage der Einzelfallanalyse bleibt, ändert dies nichts daran, dass die Vorschrift als solche im Einklang mit den europäischen Anforderungen steht.

Dritter Teil

Einzelfallanalyse: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung Das Konzept der UVP geht zurück auf das amerikanische Vorbild des „Environmental Impact Assessment“ (EIA), der bereits 1970 mit dem National Environmental Policy Act (NEPA) in den USA eingeführt wurde. 1 Aufgrund der Erkenntnis, dass viele Umweltbelastungen dadurch entstehen, dass den zuständigen Behörden die umweltrelevanten Auswirkungen ihrer Entscheidung nicht in ausreichendem Maße bekannt sind, entstand der Vorschlag zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen als Element einer vorsorgenden Umweltpolitik. Die deutsche Übersetzung „Verträglichkeitsprüfung“ suggeriert fälschlicherweise, dass umweltunverträgliche Vorhaben grundsätzlich nicht mehr zulässig sein sollen bzw. dass die entsprechend geprüften und genehmigten Verfahren umweltverträglich seien. 2 Es geht jedoch darum, die möglichen Auswirkungen von bestimmten Projekten und Vorhaben auf die Umwelt zu prüfen, weswegen der Begriff der „Umweltfolgenprüfung“ das Verfahren eigentlich genauer beschreibt. 3 Die UVP trifft selber keine (Genehmigungs-)Entscheidung über das geplante Vorhaben, sondern strukturiert und präzisiert „nur“ deren Vorbereitung. In diesem Ansatz der UVP, allein das Verfahren der Entscheidung über ein Projekt im Hinblick auf dessen Umweltauswirkungen auf eine verbesserte Informationsgrundlage zu stellen, ohne bestimmte Vorgaben hinsichtlich des Inhaltes der Verwaltungsentscheidung zu machen, liegt eine wichtige Neuerung. Hierin ist eine Stärkung des Verfahrensrechts zu sehen 4, die auch für die Rechtsfolgen einer unterlassenen UVP von Bedeutung ist. Das Verfahren dient nicht nur der Durchsetzung anderweitig festgelegter materieller Umweltanforderungen, 1

Dazu Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 208 ff.; Erbguth / Schink, UVPG, Einl. Rn. 25 ff.; Köppel / Peters / Wende, Eingriffsregelung / Umweltverträglichkeitsprüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 171. 2 Wörtlich bedeutet das EIA jedoch eine Einschätzung und Bewertung von Umweltbelastungen oder Einwirkungen. 3 So Schink, NVwZ 1999, S. 11 (12); Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 4 ff.; Barsch / Bork / Söllner, Landschaftsplanung-Umweltverträglichkeitsprüfung-Eingriffsregelung, S. 186; Dietrich / Au / Dreher, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 91; Epiney, Umweltrecht, S. 217. 4 Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 331.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

sondern der Schutz der Umwelt soll durch das Verfahren als solches bewirkt werden. Mit dieser Verfahrensorientierung liegt die UVP im Trend des europäischen Umweltrechts, das zunehmend auf das nationale Verfahrensrecht einwirkt. Dies wird insbesondere deutlich in der Trias von UVP-Richtlinie, IVU-Richtlinie 5 und SUP-Richtlinie (strategische Umweltprüfung) 6, die allesamt das Konzept des integrierten Umweltschutzes durch Verfahren verfolgen. In diesem Zusammenhang ist auch die Kritik an der Fehlerregelung des § 46 VwVfG zu sehen, die vor allem infolge des Verfahrensfehlers der unterlassenen UVP an Bedeutung gewonnen hat. Das besondere gemeinschaftsrechtliche Verfahrenskonzept der UVP-Richtlinie drohte hier nach vielfacher Auffassung leerzulaufen. Es wurde bemängelt, dass es Dritten in der Regel schon gar nicht möglich sei, die Nichtdurchführung der UVP gerichtlich geltend zu machen. Sei eine Rügebefugnis ausnahmsweise gegeben, werde der Verfahrensfehler von den Verwaltungsgerichten gleichwohl für unbeachtlich erklärt. Das nationale Fehlerfolgenrecht erweise sich somit im Fall der UVP als disfunktional, weil es allein an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung orientiert sei und damit der gemeinschaftsrechtlichen Zielsetzung nicht gerecht werde. 7 Diese Bedenken wurden angesichts der neuen Rechtsschutzvorgaben der Aarhus-Konvention und der letzten Änderungen der UVP-Richtlinie noch verstärkt. Der Gesetzgeber ist inzwischen tätig geworden und hat das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erlassen. Aktuell stellt sich somit die Frage, ob das neue Gesetz den inter- und supranationalen Vorgaben ausreichend Rechnung trägt bzw. ob es – im Gegenteil – nicht in mancher Hinsicht sogar darüber hinaus geht. Um dies umfassend beurteilen zu können, ist es unerlässlich die bisherige Rechtsprechungspraxis zur unterlassenen UVP im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Nur auf diese Weise wird deutlich, welche Probleme aus der alten Rechtslage tatsächlich resultierten und inwieweit hier aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ein Handlungsbedarf bestand. Gleichzeitig macht diese Vorgehensweise die durch das Gesetz eingeführten Neuerungen besser sichtbar. Für die richtige Fehlerbehandlung ist außerdem die Verbindung zwischen UVP-Verfahren und materieller Zulassungsentscheidung von Bedeutung. Dabei 5 Richtlinie 96/61/EG vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABlEG Nr. L 257 S. 26. 6 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (2001/42/EG) vom 27. 06. 2001, ABlEG Nr. L 197 S. 30. 7 Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (710 f.); Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Strukturen des europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (300); SchmidtAßmann, Ordnungsidee, Sechstes Kapitel Rn. 149; Classen, DV 31 (1998), S. 307 (329 f.); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1287); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (26 ff.).

§ 8 Die Umweltverträglichkeitsprüfung

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geht es nicht nur um die Frage, ob der UVP über ihre verfahrensrechtliche Bedeutung hinaus eine materielle Relevanz zukommt, sondern auch um den Zusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Unterlassen einer UVP und der Durchführung des falschen Zulassungsverfahrens. Beide Aspekte sollen nach einem Überblick über die wesentlichen Merkmale der UVP und ihrer Rechtsgrundlagen vorab erläutert werden.

§ 8 Die Umweltverträglichkeitsprüfung A. Die wesentlichen Elemente und Merkmale der UVP Die UVP ist ein wichtiges Instrument des vorsorgenden Umweltschutzes. Mit ihrer Hilfe sollen schädliche Umweltauswirkungen eines Vorhabens vermieden, gemindert oder ausgeglichen werden, indem vor der behördlichen Zulassung des beantragten Projekts eine systematische Prüfung der Umweltauswirkungen nach bestimmten Mindestanforderungen durchgeführt wird. 8 Die UVP zeichnet sich insbesondere durch den Grundsatz der Frühzeitigkeit, die intensive Zusammenarbeit zwischen Vorhabenträger, Behörden und Öffentlichkeit (Kooperationsprinzip) und einen integrativen und medienübergreifenden Prüfungsansatz aus. I. Frühzeitigkeit Der Grundsatz der Frühzeitigkeit bringt den vorsorgenden Charakter der UVP am deutlichsten zum Ausdruck. Bestimmte Projekte sollen vor ihrer Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Umwelt unterzogen werden. 9 Dadurch wird gewährleistet, dass bei den Beteiligten von Anfang an das Bewusstsein für die Bedeutung der Umweltaspekte geschärft wird. 10 Die Ergebnisse der UVP sollen zudem in den Entscheidungsprozess über die Zulässigkeit des Vorhabens mit einbezogen werden und nicht erst dann zur Sprache kommen, wenn im Prinzip schon eine Vorentscheidung zugunsten des Projekts getroffen wurde. Man spricht daher auch von der UVP als ein Mittel zur Entscheidungsoptimierung unter Umweltgesichtspunkten. 11 Denn bei einer frühen 8

Schoch, in: Leipold: Umweltschutz und Recht, S. 69 (76). Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 UVP RL 85/337/EWG. 10 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790); Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 75. 11 Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 1 Rn. 145; Köppel / Peters / Wende, Eingriffsregelung / Umweltverträglichkeitsprüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 175. 9

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Berücksichtigung der Umweltauswirkungen besteht noch die Möglichkeit, das Vorhaben so zu modifizieren, dass die damit verbundenen Belastungen der Umwelt minimiert oder sogar vollständig verhindert werden. II. Kooperation Darüber hinaus hat die Einführung der UVP das nationale Verwaltungsverfahrensrecht im Hinblick auf eine veränderte Rollenverteilung zwischen Behörde, Antragsteller und Öffentlichkeit beeinflusst. Zum einen werden große Teile der Prüfung der Auswirkungen eines Vorhabens in die Verantwortung des Projektträgers gestellt (Verursacherprinzip). 12 Dieser wird dazu angehalten, sein Augenmerk nicht ausschließlich auf Fragen der ökonomischen Rentierlichkeit sowie der technischen und der finanziellen Realisierbarkeit des Projekts zu richten, sondern sich auch aktiv an der Klärung der ökologischen Folgen zu beteiligen. 13 Die Einbeziehung des Vorhabenträgers erscheint insbesondere aufgrund seiner Sachnähe und seiner Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Projektplanung sinnvoll. Er kann entscheidend zu einer Verbesserung der Informationsgrundlagen beitragen. Die Partizipation der Öffentlichkeit ist ein weiteres „Markenzeichen“ der UVP. Diese verfolgt gleich mehrere Zwecke. Sie soll zum einen ebenfalls dazu beitragen, dass die Angaben über mögliche Umweltauswirkungen des Projekts vervollständigt werden, um eine verbesserte Beurteilungsgrundlage für die Genehmigungsbehörde zu schaffen. Der gegenseitige Meinungs- und Informationsaustausch zwischen Öffentlichkeit und Entscheidungsträger führt gleichzeitig zu einem transparenteren Verwaltungsverfahren, da die Akte der öffentlichen Hand vorhersehbarer und nachvollziehbarer werden. Damit ist auch eine größere Akzeptanz der behördlichen Zulassungsentscheidung hinsichtlich des in Frage stehenden Projekts verbunden. 14 Zum anderen dient die Öffentlichkeitsbeteiligung der (vorgezogenen) Rechtswahrung. Den Betroffenen wird rechtliches Gehör und eine den Grundrechtsschutz effektuierende Verfahrensgestaltung gewährt, wodurch Rechtsbeeinträchtigungen materieller Art von vornherein vermieden werden können. 15 Darüber hinaus wird die Öffentlichkeit durch die Einbeziehung in den umweltpolitischen Entscheidungsprozess für den Umweltschutz sensibili12

Vgl. dazu Erbguth / Schink, UVPG, § 5 Rn. 2; Gassner, UVPG, § 6 Rn. 7 ff. BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790). 14 Werres, DVBl. 2005, S. 611 (616); Kloepfer, NVwZ 2002, S. 645 (651); Barsch / Bork / Söllner, Landschaftsplanung-Umweltverträglichkeitsprüfung-Eingriffsregelung, S. 189. 15 Gassner, UVPG, § 9 Rn. 27; Wahl, NVwZ 1990, S. 426 (431); v. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (274); Werres, DVBl. 2005, S. 611 (616); Dietrich / Au / Dreher, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, S. 92. 13

§ 8 Die Umweltverträglichkeitsprüfung

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siert und mitverantwortlich gemacht. 16 Als „Kontrollinstanz“ 17 der Verwaltung soll sie auf einen besseren Vollzug des EG-Rechts hinwirken. Zwar ist eine Beteiligung der Öffentlichkeit dem deutschen Recht nicht fremd. Insbesondere das Planfeststellungsverfahren nach §§ 73 ff. VwVfG sowie die §§ 8 ff. der 9. BImSchV enthalten umfangreiche Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung. Jedoch sind die herkömmlichen Verwaltungsverfahren immer noch Ausdruck der deutschen Verwaltungstradition, die die Verwaltung als eigene, abgeschirmte Sphäre versteht, in der für kooperative Instrumente zur Konfliktbewältigung wenig Raum ist. 18 Die eigenständige Bestimmung des Allgemeinwohls in Umweltfragen fällt in den angestammten Aufgabenbereich der Verwaltung. 19 Die Ausgestaltung der vorhandenen Beteiligungsformen ist daher nach wie vor relativ unausgereift und berücksichtigt nicht ausreichend die konsensfördernde Wirkung der Öffentlichkeitsbeteiligung. 20 Angesichts der Erweiterung der Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Aarhus-Konvention und durch die Richtlinien der EG wird ihr aber auch in Deutschland zukünftig ein höherer Stellenwert eingeräumt werden müssen. 21 III. Integrativer und medienübergreifender Prüfungsansatz Das zentrale Element der UVP liegt zudem in ihrem integrativen und medienübergreifenden Prüfungsansatz. Das bedeutet, dass die einzelnen Umweltbelastungen, die das Projekt verursacht, nicht mehr gesondert betrachtet wer16

Kloepfer, NVwZ 2002, S. 645 (651). Koch, Umweltrecht 2002, § 3 Rn. 40; in diesem Sinne auch Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (860); v. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (273). 18 Wahl / Hönig, NVwZ 2006, S. 161 (166). Die Partizipation der Öffentlichkeit stand jedoch in den 70er und 80er Jahren zeitweilig im Mittelpunkt des Interesses von Wissenschaft und Praxis. Die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte sollte den Verlust und die mangelnde Fixierung materieller Rechte kompensieren, antizipierten Rechtsschutz gewähren, Legitimierungswirkung entfalten sowie einer umfassenden Sachaufklärung und beschleunigten Sachentscheidung kraft Präklusion späterer Einwendungen dienen, vgl. insgesamt zur Aufwertung des Verfahrens in dieser Zeit § 1 B. I. 1. Zum antizipierten Rechtsschutz durch Partizipation: Brohm, VVDStRL 30 (1972), S. 245 (310); Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465 (466); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), S. 202; v. Mutius, NJW 1982, S. 2150 (2151). Zur Legitimation durch Partizipation: Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (89); Steinberg, DÖV 1982, S. 619 (625); Schenke, VBlBW 1982, S. 313 (315); Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren, in: HdStR III § 70 Rn. 23 ff. 19 Kritisch gegenüber einem Rückzug der Verwaltung aus diesem Aufgabenbereich Werres, DVBl. 2005, S. 611 (616). 20 Hierzu Pünder, NuR 2005, S. 71 ff.; Wahl / Hönig, NVwZ 2006, S. 161 (166); Fisahn, ZUR 2004, S. 136 f. 21 Vgl. zum Ausbau der Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Aarhus-Konvention und die RL 2003/35/EG § 8 B. I. 3. 17

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

den, sondern eine bereichsübergreifende Gesamtschau aller Umweltauswirkungen stattfindet, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen zwischen den Schutzgütern. 22 Diese Erweiterung des Prüfungsumfangs der UVP gründet auf der Erkenntnis, dass die einzelnen Umweltgüter nicht isoliert nebeneinander stehen, sondern dass es Interdependenzen gibt. Nur durch einen ganzheitlichen Prüfungsansatz können die komplexen Wirkungszusammenhänge von Eingriffen in die Umwelt erkannt werden. Untersuchungsgegenstand der UVP ist also auch, inwieweit sich die einzelnen Umweltbelastungen durch ihr Zusammentreffen addieren (Kumulationseffekte) oder sich gegenseitig verstärken und damit über die Summe ihrer einzelnen Wirkungen hinausgehen (synergetische Reaktion) und welche Folgen dies nach sich ziehen kann. 23 Zu denken ist hier insbesondere an eine Funktionsbeeinträchtigung der einzelnen Umweltschutzgüter im Untersuchungsgebiet wie z. B. die ökologischen Funktionen von Naturund Landschaft, die Lebensraum-, Regulations-, Filter- und Pufferfunktion des Bodens, die Ausgleichs- und Schutzfunktion von Klima und Luft, aber auch die sozialen Funktionen einer Region, wie die Wohnfunktion sowie die Freizeit- und Erholungsfunktion. 24 Ebenso sind Verlagerungseffekte und Problemverschiebungen von einem Schutzgut auf ein anderes zu prüfen. 25 So ist es etwa denkbar, dass die Vermeidung und Verminderung von Auswirkungen auf ein Schutzgut zu eventuell noch schwerer wiegenden Belastungen eines anderen Schutzgutes führt. 26 Durch diese Vorgehensweise kann eine Gesamtbilanz gezogen werden, die eine umfassende Bewertung der Folgen eines Projekts auf das Gesamtsystem Umwelt ermöglicht.

22

Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UVPG. Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2 Rn. 48; Dietrich / Au / Dreher, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 93 f.; Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, S. 29 Rn. 75. 24 Barsch / Bork / Söllner, Landschaftsplanung-Umweltverträglichkeitsprüfung-Eingriffsregelung, S. 373. 25 Erbguth / Schink, UVPG, Einl. Rn. 15; Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2 Rn. 48; Köppel / Peters / Wende, Eingriffsregelung / Umweltverträglichkeitsprüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 220. 26 Es besteht Uneinigkeit darüber, ob die Problem- und Belastungsverschiebung aufgrund von Schutzmaßnahmen unter den Begriff der Wechselwirkungen fällt (so Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2 Rn. 48; Köppel / Peters / Wende, Eingriffsregelung / Umweltverträglichkeitsprüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 220; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 206) oder ob es sich hierbei lediglich um eine mittelbare Auswirkung handelt (so Gassner, UVPG, § 2 Rn. 44; Erbguth / Schink, UVPG, § 2 Rn. 27, jeweils in Bezug auf das UVPG v. 1990). Jedenfalls ist die Belastungsverschiebung auch Bestandteil des integrativen Prüfungsansatzes. 23

§ 8 Die Umweltverträglichkeitsprüfung

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IV. Gebündelte Vorabprüfung Ein weiterer Vorteil der UVP ist, dass sie eine zentrierte Vorabprüfung der Umweltauswirkungen unter Ausschluss der sonstigen Belange, die sich für oder gegen das Vorhaben anführen lassen, gewährleistet. 27 So können die Umweltbelange in gebündelter Form herausgearbeitet werden, ohne dass die Gefahr besteht, dass diese Belange bei einer isolierten Betrachtungsweise nicht mit dem Gewicht zur Geltung kommen, das ihnen in Wahrheit bei einer Gesamtschau gebührt. 28

B. Die Rechtsgrundlagen der UVP I. Die UVP-Richtlinie der EG und ihre Entwicklung 1. „Die“ UVP-Richtlinie 85/337/EWG Die erste Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie 85/337/EWG) 29 wurde am 27. 06. 1985 erlassen. Durch ihre Einführung sollten Umweltbelastungen in den Mitgliedstaaten zukünftig von vornherein vermieden, statt erst nachträglich in ihren Auswirkungen bekämpft werden. 30 Überdies wird in den Erwägungsgründen der Richtlinie auf die Intention der Europäischen Gemeinschaft verwiesen, die unterschiedlichen Rechtsvorschriften in den Mitgliedstaaten zu harmonisieren, um auf diese Weise ungleiche Wettbewerbsbedingungen bei den Genehmigungsverfahren von umweltrelevanten Industrievorhaben abzubauen und das Funktionieren des gemeinsamen Marktes sicherzustellen. 31 Die Richtlinie setzt die beschriebenen wesentlichen Elemente der UVP im Rahmen eines formalisierten Prüfverfahrens um, das es ermöglicht, alle unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen eines Projekts auf bestimmte Umwelt27

BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790). BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790). 29 Richtlinie des Rates über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) v. 27. 06. 1985 (ABlEG Nr. L 175 S. 40). 30 Vgl. den 1. Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie. 31 Vgl. den 2. Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie. In Ermangelung einer spezifischen Richtlinienkompetenz für den Bereich des Umweltrechts wurde die Richtlinie daher in ihrer Ursprungsfassung im Hinblick auf das wettbewerbspolitische Ziel auf die Kompetenz zur Angleichung von Rechtsvorschriften in Art. 100 EWGV (Art. 94 EG n. F.) und im Hinblick auf das Gemeinschaftsziel Umweltschutz auf die Vertragsabrundungskompetenz des Art. 235 EWGV (Art. 308 EG n. F.) gestützt. Die umweltpolitischen Kompetenznormen der Art. 130r ff. EGV (jetzt Art. 175 ff. EG) sind erst durch die Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) in den EG-Vertrag eingeführt worden. 28

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

faktoren – einschließlich der ökologischen Wechselwirkungen – frühzeitig zu identifizieren, zu beschreiben und zu bewerten (Art. 3 der RL 85/337/EWG). Einer solchen Prüfung sollen alle öffentlichen und privaten Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, vor ihrer Genehmigung unterzogen werden. 32 Dabei bleibt es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie die UVP in die bestehenden Verfahren zur Genehmigung von Projekten integrieren oder neue Verfahren zu diesem Zweck einführen (Art. 2 Abs. 2 RL 85/337/ EWG). Welche Projekte im Einzelnen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, ist in Art. 4 RL 85/337/EWG präzisiert. Hier wird unterschieden zwischen Projekten, die obligatorisch einer UVP zu unterziehen sind (Anhang I der RL 85/337/EWG) und solchen, bei denen die Durchführung einer UVP von den Bestimmungen der Mitgliedstaaten abhängig gemacht wird, also grundsätzlich fakultativ ist (Anhang II der RL 85/337/EWG). 2. Die UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG Die UVP-Richtlinie 85/337/EWG wurde unter Berücksichtigung der bei ihrer Umsetzung und Anwendung gewonnenen Erfahrungen durch die UVP-Änderungsrichtlinie aus dem Jahr 1997 (UVP-ÄndRL) 33 umfassend erneuert und weiterentwickelt. 34 Insbesondere sollten die Vorschriften über das Prüfverfahren deutlicher gefasst, ergänzt und verbessert werden, um eine einheitlichere und effektivere Anwendung der Richtlinie zu fördern. 35 Zur Erreichung dieses Ziels wurde die Anzahl der zwingend UVP-pflichtigen Projektarten nach Anhang I der Richtlinie von bisher neun auf einundzwanzig erhöht. 36 Um die bis dato bestehenden Unklarheiten bezüglich des Umgangs mit den fakultativ prüfungspflichtigen Projekten nach Anhang II der Richtlinie endgültig zu beseitigen, wurden außer32

Art. 2 Abs. 1 der RL 85/337/EWG. Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (97/11/EG) vom 03. 03. 1997 (ABlEG Nr. L 73 S. 5). Die Richtlinie wurde nunmehr auf Grundlage der Art. 130r, 130s EGV (Art. 174, 175 EG n. F.) verabschiedet. 34 Eine Analyse der Kommission hatte unter anderem ergeben, dass es beträchtliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in der Anzahl der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfungen gab, was auf die Tatsache zurückzuführen war, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Verfahren zur Durchführung der UVP eingeführt hatten, KOM (93) 28 endg. vom 02. 04. 1993. Die Analyse ist abgedruckt bei Erbguth / Schink, UVPG, Anhang 1.1.1. (S. 744 ff.). 35 Vgl. zur UVP-Änderungsrichtlinie Schink, NVwZ 1999, S. 11 (14 ff.); ders. DVBl. 2001, S. 321 (322 ff.); Wasielewski, NVwZ 2000, S. 15 (16); Otto, NVwZ 2000, S. 531 f.; Feldmann, DVBl. 2001, S. 589 (591); Günter, NuR 2002, S. 317 f.; Erbguth, UPR 2003, S. 321 (322); Kunert / Michael, UPR 2003, S. 326 (327). 36 Vgl. den 6. Erwägungsgrund der UVP-ÄndRL sowie Art. 4 Abs. 1 i.V. m. Anhang I UVP-ÄndRL. 33

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dem die Vorgaben in Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 UVP-ÄndRL präzisiert. Danach haben die Mitgliedstaaten nunmehr für jedes Projekt entweder im Wege der Einzelfallprüfung (sog. Screening 37), durch Festlegung von Schwellenwerten oder durch eine Kombination dieser Verfahren zu entscheiden, ob bei diesem eine UVP durchzuführen ist. Bei dieser Vorprüfung sind zudem die in dem neuen Anhang III aufgeführten Auswahlkriterien – Merkmale, Standort und mögliche Auswirkungen des Vorhabens – zu berücksichtigen. Eine solche Präzisierung war notwendig, da noch bei der ursprünglichen UVP-Richtlinie unklar war, inwieweit den Mitgliedstaaten bei der Bestimmung der UVP-Pflichtigkeit für die fakultativen Projekte nach Anhang II der Richtlinie ein Ermessensspielraum eingeräumt war. 38 3. Die Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG Die zweite und bisher letzte Änderung der ursprünglichen UVP-Richtlinie 85/337/EWG erfolgte durch die Richtlinie 2003/35/EG (sog. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) vom 26. 05. 2003 39. Hintergrund der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie ist das Übereinkommen der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE) über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention). 40 Die drei Regelungsbereiche, die aus dem 37

Gassner / Winkelbrandt, UVP, S. 8 Rn. 22. So hatte das deutsche UVPG v. 1990 in seiner Anlage 1 zu Nr. 1 des Anhangs zu § 3 beispielsweise auch ganze Klassen von Projekten von der fakultativen Prüfungspflicht ausgenommen. Nach Ansicht des EuGH wird jedoch der den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 2 RL 85/337/EWG eingeräumte Spielraum durch die in Art. 2 Abs. 1 RL 85/337/ EWG festgelegte Pflicht begrenzt, wonach alle Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Größe, ihrer Art oder ihres Standorts mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist, einer UVP zu unterziehen sind, EuGH, Rs. C-301/95 (Kommission / Deutschland), Slg. 1998, I-6135 Rn. 38 ff. Die Prüfungspflicht dürfe sich auch nicht ausschließlich an der Größe bzw. Kapazität des Projekts orientieren, ohne zusätzlich auch Art und Standort des Vorhabens zu berücksichtigen, da ansonsten durch die Aufsplitterung von Projekten eine UVP leicht umgangen werden könne, EuGH, Rs. C-392/96 (Kommission / Irland), Slg. 1999, I-5901 Rn. 64 ff. Diese Entscheidung war neben dem Erlass der UVP-ÄndRL auch maßgeblich für eine diesbezügliche Änderung des UVPG, siehe BT-Drucks. 14/ 4599, S. 96. Dazu Feldmann, DVBl. 2001, S 589 (590 f.); Günter, NuR 2002, S. 317; Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie, S. 70 f. 39 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten. ABlEU Nr. L 156 S. 17 ff. v. 25. 06. 2003. 40 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten v. 25. 06. 1998. Eine deutsche Übersetzung findet sich im AVR 38 (2000), S. 252 ff. 38

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Titel hervorgehen, werden auch als die „drei Säulen“ der Aarhus-Konvention bezeichnet. 41 Die RL 2003/35/EG dient in erster Linie der Umsetzung der zweiten Säule der Aarhus-Konvention (Öffentlichkeitsbeteiligung), enthält aber auch Bestimmungen über den Rechtsschutz, die in den Bereich der dritten Säule (Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten) fallen. An dieser Stelle sollen nur die Neuerungen der UVP-Richtlinie thematisiert werden, die eine Veränderung des Verfahrensablaufs aufgrund der erweiterten Öffentlichkeitsbeteiligung nach sich ziehen. Die neuen Rechtsschutzbestimmungen bleiben vorerst außer Betracht. 42 Entsprechend ihrer Intention, die Vorgaben der Aarhus-Konvention (AK) umzusetzen, wiederholt die RL 2003/35/EG in ihren Erwägungsgründen die Ziele des völkerrechtlichen Abkommens. Hiernach soll es der Öffentlichkeit durch eine effektive Beteiligung ermöglicht werden, auf das Verfahren und dessen Ergebnis substanziell Einfluss zu nehmen. Der Entscheidungsprozess werde dadurch nachvollziehbarer und transparenter und in der Öffentlichkeit wachse das Bewusstsein für Umweltbelange sowie die Unterstützung für die getroffenen Entscheidungen. 43 Folglich lehnen sich auch die in Art. 3 der RL 2003/35/EG geregelten Modifikationen der UVP-Richtlinie weitgehend an die Vorgaben des Art. 6 AK an, der den Schwerpunkt auf die Frühzeitigkeit und die Effektivität der Öffentlichkeitsbeteiligung legt. 44 Während die Mitgliedstaaten nach dem alten Art. 6 Abs. 2 der UVP-Richtlinie 85/337/EWG nur dafür Sorge zu tragen hatten, dass der Öffentlichkeit jeder Genehmigungsantrag mit den dazugehörigen Informationen zugänglich gemacht und der betroffenen Öffentlichkeit vor Durchführung des Projekts die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben wird, ist der „neue“ Art. 6 durch die Änderungen in Art. 3 Nr. 4 RL 2003/35/EG sehr viel detaillierter ausgestaltet. Danach ist die Öffentlichkeit frühzeitig, spätestens jedoch sobald die Informationen über das umweltbezogene Entscheidungsverfahren nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung gestellt werden können, durch öffentliche Bekanntmachung oder auf einem anderen geeigneten Wege 45 zu informieren. Welchen Inhalt diese Informa41 v. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (274); Fisahn, ZUR 2004, S. 136; Durner, ZUR 2005, S. 285; Knopp, ZUR 2005, S. 281; Lecheler, GewArch 2005, S. 305 (309). 42 Siehe ausführlich zur Aarhus-Konvention und den neuen Vorgaben zum Rechtsschutz unter § 12. 43 Vgl. Nr. 3 der Erwägungsgründe der Richtlinie 2003/35/EG sowie die Präambel der Aarhus-Konvention. 44 So fordert Art. 6 Abs. 2 AK, dass die betroffene Öffentlichkeit durch zweckmäßige Bekanntmachung „in sachgerechter, rechtzeitiger und effektiver Weise frühzeitig“ über das Projekt informiert wird. 45 Hierzu zählt z. B. eine Bekanntmachung durch elektronische Medien. Die Kommission hat damit in ihrem geänderten Richtlinienvorschlag im Grundsatz einen Vorschlag des Europäischen Parlaments übernommen, wonach das Mittel der elektronischen Kommunikation als Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung in Art. 5 Abs. 2 UVP-Richt-

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tionen haben müssen, ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 RL 85/337/EWG. Dabei enthält Art. 6 Abs. 2 die ursprünglich vorzulegenden Informationen, wohingegen Art. 6 Abs. 3 noch weitergehende Informationspflichten normiert, die gegenüber der „betroffenen Öffentlichkeit“ zu erfüllen sind. Nur die „betroffene Öffentlichkeit“ hat außerdem das Recht, den zuständigen Behörden gegenüber Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, sich also aktiv zu beteiligen (Art. 6 Abs. 4 RL 85/337/EWG). Nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 1 Abs. 2 RL 2003/ 35/EG – die wortgleich von Art. 2 Abs. 5 der AK übernommen wurde – fällt hierunter die wahrscheinlich betroffene Öffentlichkeit oder die Öffentlichkeit mit einem Interesse an dem Entscheidungsverfahren. Besonderer Hervorhebung bedarf die hier zu Tage tretende Sonderstellung der Umweltschutzorganisationen, denen unter dem Vorbehalt, dass sie sämtliche nach dem innerstaatlichen Recht geforderten Voraussetzungen erfüllen, stets ein solches Interesse und damit eine Betroffenheit kraft rechtlicher Regelung zuerkannt wird. 46 Art. 3 Nr. 6 RL 2003/35/EG nimmt schließlich noch Änderungen in Art. 9 der UVP-Richtlinie vor, welcher die Bekanntgabe über die Genehmigung zum Inhalt hat. In dem neu gefassten Absatz 1 des Art. 9 wird nun ausdrücklich betont, dass Bemerkungen und Bedenken der betroffenen Öffentlichkeit mit in die Entscheidungsgründe über die Genehmigung einfließen müssen, welche der Öffentlichkeit schließlich bekannt gegeben werden. II. Die Regelung der UVP in Deutschland 1. Die Entwicklung des UVP-Rechts Eine Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/337/EWG erfolgte in Deutschland mit erheblicher Verspätung durch das UVP-Umsetzungsgesetz (UVP-UG) vom 12. 02. 1990 47. Das hierin enthaltene Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) bildet das eigentliche Herzstück des UVP-Rechts in Deutschland. Daneben wurden in den Art. 2 ff. des UVP-UG die betroffenen Fachgesetze des Bundes (AbfG a. F., AtG, BImSchG, WHG, BNatSchG sowie die Verkehrsplanungsgesetze) an die Anforderungen der UVP-Richtlinie angepasst. Zur Ausführung des UVPG erging eine „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPVwV)“ 48. Für die wenigen UVP-pflichtigen Vorhaben, die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen, wurden in einigen Bundesländern UVP-Landesgesetze und fachgesetzliche Landesregelungen erlassen. 49 linie mit aufgenommen werden sollte (vgl. ABlEG Nr. C 75 E, 370 v. 26. 03. 2002 sowie den Bericht zur 1. Lesung des Parlaments, Änderungsantrag 15, Dok. A5, 0321/2001). 46 Zu der Bedeutung dieser Voraussetzung genauer unter § 13 C. I. 47 BGBl. I 205. 48 UVPVwV v. 18. September 1995 (GMBl. 1995 S. 671).

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Die nationale Umsetzung der UVP wies jedoch erhebliche Defizite auf und wurde teilweise für gemeinschaftsrechtswidrig befunden. 50 Bedingt durch diese Mängel sowie durch den Erlass der UVP-Änderungsrichtlinie von 1997 bedurfte es erneut einer Anpassung des deutschen Rechts. Am 03. 08. 2001 trat das sog. Artikelgesetz 51 zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie 52 und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz in Kraft. Der ursprüngliche Plan, die europarechtlichen Vorgaben in das umfassende Regelwerk eines zu schaffenden Umweltgesetzbuches (UGB I) zu integrieren, war letztlich aufgegeben worden. Die bis dahin bestehenden Umsetzungsdefizite wurden durch das Artikelgesetz von 2001 weitgehend beseitigt. Der deutsche Gesetzgeber hat insbesondere von der gemeinschaftsrechtlich eingeräumten Option Gebrauch gemacht, nunmehr durch eine Kombination von Schwellenwerten und Einzelfallprüfung bei Anhang-II-Projekten die UVP-Pflichtigkeit festzustellen. 53 Neben einer Änderung des UVPG (UVPG 2001) 54 wurden auch die betroffenen Fachgesetze durch das Artikelgesetz an die neuen europarechtlichen Vorgaben angepasst. 55 Die Umsetzungsfrist für die jüngsten Änderungen der UVP-Richtlinie ist am 25. 06. 2005 abgelaufen (Art. 6 I RL 2003/35/EG). Zwar wurde das UVPG am 25. 06. 2005 noch einmal neu gefasst (UVPG 2005) 56, jedoch in erster Linie, um das nationale Recht an die Anforderungen der SUP-Richtlinie (RL 2001/42/ EG 57) anzupassen. Das UVPG ist hierfür um die Regelungen zur Strategischen 49

Siehe zur UVP auf Landesebene Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 339 ff. Die Mängel der deutschen Umsetzung betrafen im wesentlichen drei Problemkreise. Zum einen entsprach die Festlegung der Prüfungspflicht für Projekte nach Anhang II der Richtlinie nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen (siehe hierzu oben unter § 8 B. I. 2. Fn. 38). Zum anderen war die Übergangsvorschrift des § 22 UVPG v. 1990 nicht haltbar. Danach sollte bei Vorhaben, die nach Ablauf der in Art. 12 Abs. 1 RL 85/337/ EWG bestimmten Umsetzungsfrist, aber vor In-Kraft-Treten des verspätet umgesetzten UVPG eingeleitet worden waren, keine UVP durchzuführen sein. Diese Regelung befand der EuGH für gemeinschaftsrechtswidrig, EuGH, Rs. C-396/92 (Bund Naturschutz in Bayern / Freistaat Bayern), Slg. 1994, I-3717 (3754 Rn. 20) sowie EUGH, Rs. C-431/92 (Großkrotzenburg-Entscheidung), Slg. 1995, I-2189 (2222 Rn. 39/40). Der letzte Problemkreis betraf schließlich das Verhältnis von UVP zum Institut der Plangenehmigung (hierzu genauer unter § 9 A. I. 2.). 51 BGBl. I S. 1950 ff. 52 Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. 09. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABlEG Nr. L 257 S. 26. 53 § 3a ff. UVPG. 54 Gesetz v. 05. 09. 2001, BGBl. I 2350. 55 Siehe zum Artikelgesetz und zu den einzelnen Änderungen Feldmann, DVBl. 2001, S. 589 (593); Koch / Siebel-Huffmann, NVwZ 2001, S. 1081 (1085 ff.); Enders / Krings, DVBl. 2001, S. 1242 (1243); Günter, NuR 2002, S. 317 (318). 56 BGBl. I S. 1757. 57 ABLEG Nr. L 197 S. 30. 50

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Umweltprüfung für Pläne und Programme erweitert worden. 58 Auf diese Weise hat der Gesetzgeber für die Projekt-UVP und die Plan-UVP ein gemeinsames Stammgesetz geschaffen. Ausdruck findet der zusammenfassende und übergreifende Ansatz des erweiterten UVPG in dem neu eingeführten Oberbegriff der „Umweltprüfung“, der sowohl die „strategische Prüfung“ nach der SUP-Richtlinie als auch die „Umweltverträglichkeitsprüfung“ nach der UVP-Richtlinie erfasst (§ 1 Nr. 1 UVPG). 59 Zur Umsetzung der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie wurde in die Neufassung des UVPG von 2005 lediglich die Differenzierung zwischen der „Öffentlichkeit“ und der „betroffenen Öffentlichkeit“ (Art. 3 Nr. 1 RL 2003/35/EG) aufgenommen. 60 Der deutsche Gesetzgeber ist seiner Pflicht zur Umsetzung der neuen Verfahrensanforderungen erst mit dem Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 09. 12. 2006 61, also mit fast 1½-jähriger Verspätung nachgekommen. 62 Bei dem Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz (ÖffBG) handelt es sich wieder um ein Artikelgesetz, das neben dem UVPG noch andere Gesetze an die europarechtlichen Vorgaben anpasst. 63 Die umfangreichsten Änderungen erfolgten jedoch im UVPG. 2. Das UVPG Entsprechend der Möglichkeit, die UVP „im Rahmen der bestehenden Verfahren zur Genehmigung von Projekten“ durchzuführen (Art. 2 Abs. 2 UVP-Richtlinie), ist die UVP im deutschen Recht als „unselbständiger Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens“ ausgestaltet (§ 2 Abs. 1 UVPG). Das bedeutet, dass die UVP nicht von einer eigenen UVP-Behörde in einem selbständigen Verwaltungsverfahren durchgeführt wird, sondern in die anderen Verwaltungsverfahren (sog. Trägerverfahren) zu integrieren ist. Die UVP umfasst die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen 58 Vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung und zur Umsetzung der Richtlinie 2001/42/EG (SUPG) v. 25. 06. 2005 (BGBl. I S. 1746). 59 Siehe zur Strategischen Umweltprüfung, Balla, NuR 2006, S. 485 ff. 60 Vgl. §§ 2 Abs. 6, 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3, 11 S. 1 UVPG v. 2005. 61 BGBl. I S. 2819. 62 Zur Umsetzung der Rechtsschutzanforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie wurde zum gleichen Zeitpunkt das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz erlassen. Hierzu ausführlich unter § 13. 63 So wurden durch das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz zudem noch das BImSchG und die 9. BImSchV, die atomrechtliche Verfahrensordnung (AtVfV), das Düngemittelgesetz, das KrW / AbfG und die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V / Bergbau) verändert. Durch Art. 5 ÖffBG wurde ein neues Gesetz über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Batterieprogrammen eingeführt.

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eines Vorhabens auf (1.) Menschen, Tiere und Pflanzen, (2.) Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, (3.) Kultur- und sonstiger Sachgüter sowie (4.) Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern (§ 2 Abs. 1 S. 2 UVPG). Das Ergebnis der durchgeführten Prüfung, die Bewertung der Umweltauswirkungen, soll im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens so früh wie möglich berücksichtigt werden (§ 1 UVPG). a) Feststellung der UVP-Pflicht Zunächst hat die Behörde zu entscheiden, ob für das geplante Vorhaben eine Verpflichtung zur Durchführung einer UVP besteht. Gemäß § 3a UVPG ist diese Feststellung spätestens nach Beginn des eigentlichen Verfahrens zu treffen, das der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens dient. Auf Antrag des Vorhabenträgers oder anlässlich eines Ersuchens des Vorhabenträgers auf Durchführung des Scoping-Verfahrens nach § 5 UVPG ist die Feststellung schon früher zu treffen. Ob ein Vorhaben UVP-pflichtig ist, ergibt sich aus der Anlage 1 des UVPG. Dabei ist zwischen Vorhaben zu unterscheiden, die stets UVP-pflichtig sind und solchen, deren UVP-Pflichtigkeit erst durch eine Vorprüfung ermittelt werden muss. Obligatorisch ist eine UVP gemäß § 3b Abs. 1 UVPG bei den in Anlage 1 aufgeführten Vorhaben, wenn die dort genannten Projektmerkmale erfüllt sind und bestehende Größen- oder Leistungswerte (Schwellenwerte) erreicht oder überschritten wurden. Diese Vorhaben sind in Anlage 1, die in zwei Spalten gegliedert ist, in Spalte 1 mit einem „X“ gekennzeichnet. Bei ihnen muss ohne weitere individuelle Prüfung eine UVP durchgeführt werden. Für die in Spalte 2 aufgelisteten Vorhaben muss die Behörde hingegen gemäß § 3c UVPG im Einzelfall untersuchen (sog. Screening), ob eine UVP-Pflichtigkeit besteht. Je nach Kennzeichnung in Spalte 2 findet dann eine allgemeine „A“ oder eine standortbezogene Vorprüfung „S“ statt. 64 Die Prüfungstiefe ist dabei geringer als im Rahmen der UVP selbst. Die Behörde hat lediglich aufgrund einer überschlägigen Prüfung einzuschätzen, ob das Vorhaben nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Welche Kriterien sie hierbei zu beachten hat, ist in § 3c UVPG geregelt. Im Rahmen der aktuellen Neufassung des UVPG wurde zudem ein neuer Satz 6 in § 3c UVPG angefügt, wonach die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung zu dokumentieren sind. Von Bedeutung ist eine solche Dokumentation vor allem im Hinblick auf eine nachfolgende mögliche gerichtliche Kontrolle des Ergebnisses der Vorprüfung. Laut Gesetzesbegründung wird hiermit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 10. 06. 2004 Rechnung getragen. 65 64 Vorhaben der Kategorie „L“ sind solche, die gemäß § 3d UVPG einer UVP-Pflicht nach landesrechtlichen Vorschriften unterliegen. 65 BT-Drs. 16/2494, S. 21.

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In diesem Urteil hat der EuGH entschieden, dass „eine Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde, nach der ein Projekt auf Grund seiner Merkmale keiner UVP unterzogen zu werden braucht, alle Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um kontrollieren zu können, dass sie auf eine angemessene, den Anforderungen der RL 85/337/EWG entsprechende Vorprüfung gestützt ist.“ 66 Im Blickpunkt stehen also hauptsächlich die Fälle, in denen eine Vorprüfung ergibt, dass eine UVP unterlassen werden soll. Eine solche Feststellung ist im übrigen gemäß § 3a S. 3 UVPG nicht selbständig anfechtbar. In diesem Kontext steht auch der ebenfalls neu eingefügte Satz 4 in § 3a UVPG, der vorgibt, in welchem Umfang Vorprüfungsergebnisse im gerichtlichen Verfahren überprüft werden können. Die Bedeutung dieser Vorschriften wird noch genauer im Zusammenhang mit den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine unterlassene UVP zu behandeln sein. 67 b) Verfahrensschritte aa) Scoping § 5 UVPG sieht vor, dass die zuständige Behörde dem Vorhabenträger sowie den nach § 7 UVPG zu beteiligenden Behörden Gelegenheit zu einer Besprechung über Inhalt und Umfang der voraussichtlich nach § 6 UVPG beizubringenden Unterlagen gibt. Diese Abstimmung zwischen Vorhabenträger und zuständiger Behörde wird in Anlehnung an den anglo-amerikanischen Sprachgebrauch als „Scoping“ bezeichnet. In der Besprechung sollen Gegenstand, Umfang und Methoden der UVP erörtert werden. Hierbei können auch Sachverständige und Dritte (etwa Umweltverbände, private Betroffene) hinzugezogen werden. 68 Das Scoping-Verfahren muss jedoch nicht zwingend durchgeführt werden. Es findet nur auf Antrag des Vorhabenträgers statt oder wenn die zuständige Behörde dies nach Beginn des Zulassungsverfahrens für erforderlich hält (§ 5 S. 1 – 4 UVPG). Das Scoping dient der Präzisierung der Informationsanforderungen und wirkt verfahrensbeschleunigend, weil es frühzeitig Untersuchungsdefiziten, die zu zeitaufwendigen Nachermittlungen führen, entgegenwirken kann. 69 Durch die Beteiligung der in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden und die Möglichkeit, Sachverständige und Dritte für die Festlegung des Untersuchungsrahmens hin-

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EuGH, Rs. C-87/02 (Kommission gegen Italien). § 13 B. I. 2. b). 68 Die Unterrichtung des Vorhabenträgers über Inhalt und Umfang der beizubringenden Unterlagen entfaltet keine rechtliche Bindungswirkung. Allerdings stellt sie doch eine Selbstbindung der Behörde in dem Sinne dar, dass es eine Begründungslast auslöst, wenn die Behörde davon abweichen will, Gassner, UVPG, § 5 Rn. 5 und 22. 69 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 22. 67

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zuzuziehen, wird die Akzeptanz der UVP und damit auch des Verfahrensergebnisses bei den Beteiligten gefördert. 70 bb) Unterlagenvorlage Mit Einreichen des Zulassungsantrags (Genehmigung, Planfeststellung) hat der Vorhabenträger die für die Durchführung der UVP erforderlichen Unterlagen vorzulegen, § 6 Abs. 1 UVPG. Der Inhalt dieser Unterlagen ergibt sich – sofern die Fachgesetze diesen nicht selber regeln – aus § 6 Abs. 3 und 4 UVPG. Die Mindestangaben, die zwingend in den vorgelegten Unterlagen enthalten sein müssen, sind § 6 Abs. 3 UVPG zu entnehmen. Hierzu gehört unter anderem eine Übersicht über die wichtigsten, vom Träger des Vorhabens geprüften anderweitigen Lösungsmöglichkeiten unter Angabe der wesentlichen Auswahlgründe im Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Vorhabens (§ 6 Abs. 3 Nr. 5 UVPG). Diese Bestimmung begründet jedoch keine Verpflichtung für den Projektträger, eine Alternativenprüfung durchzuführen. Das UVPG verlangt nur die Übersicht von denjenigen Vorhabenalternativen, die vom Projektträger tatsächlich selbst geprüft worden sind. 71 Ob und in welchem Umfang eine Alternativenprüfung durchgeführt werden muss, ist dem Fachrecht zu entnehmen. 72 Gemäß § 6 Abs. 3 S. 2 UVPG ist den vorgelegten Unterlagen eine allgemein verständliche, nicht technische Zusammenfassung beizufügen. Dies soll der einzubeziehenden Öffentlichkeit ein besseres Verständnis der Angaben erleichtern (vgl. § 6 Abs. 3 S. 3 UVPG). 70

Vgl. Nr. 0.4.1 UVPVwV; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 360. So die h. M.: Gassner, UVPG, § 6 Rn. 22; Kment, in: Hoppe, UVPG, § 6 Rn. 21; Schink, NVwZ 1999, S. 11 (18); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 24; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 2 Rn. 38; Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 91 m.w. N. aus der Rechtsprechung. 72 Eine ausdrückliche Pflicht zur Prüfung von Alternativen ergibt sich z. B. aus § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG. Im Bereich des Planfeststellungsrechts ergibt sich die Notwendigkeit, die verschiedenen sich anbietenden oder sich aufdrängenden Alternativen zu untersuchen, aus den Anforderungen des Abwägungsgebots. Die Planungsbehörde ist verpflichtet, Alternativlösungen als Teil des Abwägungsmaterials mit der ihnen zukommenden Bedeutung in den bewertenden Ausgleich der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange unter Einschluss der Umweltverträglichkeit einzubeziehen. Sie ist jedoch befugt, eine Alternative, die ihr auf der Grundlage einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheint, schon in einem frühen Verfahrensstadium auszuscheiden. Zudem müssen diejenigen Varianten, die nach einer solchen Grobanalyse weiter bestehen bleiben, nicht alle einer UVP unterzogen werden. Sie sind lediglich so genau zu untersuchen, dass entschieden werden kann, ob sie sich als vorzugswürdig aufgedrängt hätten. Die eigentliche „förmliche“ UVP kann im Fortgang des Verfahrens auf diejenige Variante beschränkt werden, die nach dem aktuellen Planungsstand noch ernsthaft in Betracht kommt, BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (791); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 198; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 121; Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 92 f. 71

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cc) Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit Die Beteiligung der in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich berührten Behörden sowie die Einbeziehung der Öffentlichkeit richtet sich gemäß §§ 7 und 9 UVPG nach den Vorschriften des Fachplanungsrechts (§ 73 Abs. 3a, § 73 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 bis 7 VwVfG). Zur Umsetzung des neuen Art. 6 der geänderten UVPRichtlinie, der wiederum auf Art. 6 Abs. 2 der Aarhus-Konvention aufbaut, wurden in § 9 UVPG die Absätze 1a und 1b eingefügt. Hierin ist nunmehr sehr detailliert aufgeführt, worüber die zuständige Behörde die Öffentlichkeit bei der Bekanntmachung zu unterrichten hat und welche Mindestunterlagen der Öffentlichkeit zur Einsicht auszulegen sind. Außerdem verweist § 9 Abs. 1 S. 3 UVPG n. F. nur noch auf § 73 Abs. 3 S. 1 VwVfG. Ein Verzicht auf eine Auslegung der Unterlagen entsprechend § 73 Abs. 3 S. 2 VwVfG ist bei einem Zulassungsverfahren mit UVP also nicht mehr möglich, da eine solche Einschränkung in der durch die RL 2003/35/EG erfolgten Neufassung des Art. 6 UVP-Richtlinie nicht vorgesehen ist. Übereinstimmend mit der geänderten UVP-Richtlinie unterscheidet das neue UVPG zwischen „Öffentlichkeit“ und „betroffener Öffentlichkeit“ (vgl. § 2 Abs. 6 UVPG). Nur letzterer muss im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 9 Abs 1 S. 2 UVPG Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. dd) Zusammenfassende Darstellung Auf der Grundlage der vom Vorhabenträger eingereichten Unterlagen (§ 6 UVPG), der behördlichen Stellungnahmen (§§ 7, 8 UVPG) sowie der Äußerungen der betroffenen Öffentlichkeit (§§ 9, 9a UVPG) erarbeitet die Behörde eine zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen als auch der Maßnahmen, die vorgesehen sind, um Eingriffe in Natur und Landschaft zu vermeiden, zu vermindern oder zu kompensieren (§ 11 UVPG). Die erhobenen Umweltdaten werden hierdurch so aufbereitet, dass sie als zuverlässige Grundlage für die Bewertung der Umweltauswirkungen nach § 12 UVPG dienen können. Die zusammenfassende Darstellung muss nicht in einem eigenen Dokument enthalten sein, sondern kann in die Begründung der Zulassungsentscheidung einfließen (§ 11 S. 4 UVPG). 73 ee) Bewertung und Berücksichtigung Nach § 12 UVPG sind die Umweltauswirkungen auf der Grundlage der zusammenfassenden Darstellung zu bewerten. Der Bewertung obliegen Aussagen über 73 Hierin wird eine Schmälerung der Transparenz der UVP in ihrer entscheidenden Phase gesehen, Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 367; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 28.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

die Tolerierbarkeit, Vernachlässigbarkeit sowie positive oder negative Einschätzungen der Umweltauswirkungen. 74 Dabei hat eine Abwägung der ökologischen Belange mit anderen Belangen auf dieser Ebene noch nicht zu erfolgen. Dies würde dem Zweck der UVP widersprechen, wonach Umweltbelange gerade durch eine isolierte, gebündelte Vorabprüfung besser zur Geltung kommen sollen. Umweltexterne Kriterien sind erst im Rahmen der Zulassungsentscheidung über das Projekt zu berücksichtigen. 75 Die UVP wird abgeschlossen, indem die ermittelten und bewerteten Umweltauswirkungen bei der fachgesetzlich vorgesehenen materiellen Zulassungsentscheidung berücksichtigt werden. Das Berücksichtigungsgebot bereitet dann Probleme, wenn nach dem maßgeblichen Fachrecht ein gebundener Anspruch auf die Genehmigung besteht, falls die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen (wie z. B. nach den §§ 5 ff. BImSchG). Im Gegensatz zu Entscheidungen, bei denen ein planerischer Gestaltungsspielraum besteht – wie beim Planfeststellungsverfahren –, kann sich hier eine negative Bewertung durch die UVP schwer auf das Entscheidungsergebnis auswirken. 76 Das Bewertungsund Berücksichtigungsgebot des § 12 UVPG gewinnt daher insbesondere im Hinblick auf die streitige Frage an Bedeutung, ob der UVP über eine verfahrenslenkende Funktion hinaus nicht auch ein materieller Gehalt zukommt. Unter Hinweis auf die Ausrichtung der Prüfung auf die „wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 S. 2 UVPG“ in § 12 UVPG wird zum Teil angenommen, dass die UVP den Gehalt der fachgesetzlichen Umweltanforderungen verändert habe, indem sie z. B. § 5 Abs. 1 BImSchG und andere fachgesetzliche Zulassungsnormen mitsteuere. 77

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren Die UVP ist im deutschen Recht als „unselbständiger Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens“ ausgestaltet (§ 2 Abs. 1 UVPG). Das bedeutet, dass die UVP ein Trägerverfahren braucht, das in den jeweiligen Fachgesetzen festgelegt ist. Die Verfahrensschritte des UVPG werden dann gewissermaßen im „Hucke74

Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 2 Rn. 110. Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 43; Schoch, in: Leipold, Umweltschutz und Recht, S. 69 (84); Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 367; Kirchberg, in: Ziekow, Praxis des Fachplanungsrecht, Rn. 107. 76 Vgl. zu diesem Problem Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 214; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 370; Erbguth / Stollmann, ZUR 2000, S. 379 ff.; Beckmann, NuR 2003, S. 715 (718). 77 Näher zu diesem Problem unter § 9 C. 75

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren

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packverfahren“ 78 in diese Trägerverfahren eingebaut. Die UVP findet häufig im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens statt, jedoch fallen seit der Änderung des UVPG durch das Artikelgesetz von 2001 auch viele UVP-pflichtige Anlagen in den Anwendungsbereich des Immissionsschutzgesetzes. 79 Im Folgenden soll daher das Verhältnis der UVP zu diesen beiden Trägerverfahren näher dargestellt werden (A.). Hierdurch wird zudem die Verknüpfung zwischen der UVPPflichtigkeit eines Vorhabens und der richtigen Verfahrenswahl deutlich, die im Anschluss näher erörtert wird (B.). Überdies stellt sich die Frage, ob der UVP aufgrund ihrer engen Verbindung mit dem Zulassungsverfahren auch eine materiell-rechtliche Wirkung zukommt (C.).

A. Die Trägerverfahren der UVP I. Die UVP im Planfeststellungsrecht 1. Die Planfeststellung Das Planfeststellungsverfahren ist das (Regel-)Verfahren der Fachplanung für die Zulassung komplexer, raumbedeutsamer Vorhaben, bei denen eine Vielzahl unterschiedlicher und teilweise gegenläufiger Interessen zu berücksichtigen sind. 80 Ein Großteil der Anwendungsfälle betrifft Verkehrsanlagen wie Straßen, Eisenbahntrassen oder Verkehrsflughäfen. 81 Zudem ist die Planfeststellung für einzelne raumübergreifende Vorhaben der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur vorgesehen. 82 Maßgeblich für das Planfeststellungsverfahren sind die §§ 72 ff. VwVfG, soweit die jeweils einschlägigen Fachgesetze keine abweichenden Bestimmungen enthalten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG a. E.).

78 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 160; Köppel / Peters / Wende, Eingriffsregelung / Umweltverträglichkeits-prüfung / FFH-Verträglichkeitsprüfung, S. 179. 79 Vgl. Koch / Prall, NVwZ 2002, S. 666 (668). 80 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 72 Rn. 2; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, § 1 Rn. 21; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 63. 81 Anwendungsfälle der Planfeststellung im Verkehrsbereich sind: § 17 FStrG, § 18 AEG, § 8 Abs. 1 LuftVG, § 1 MBPlG, § 28 PBefG, § 14 Abs. 1 WaStrG. 82 Dies sind: Abfalldeponien, § 31 Abs. 2 KrW- / AbfG, Anlagen zur Sicherung und Endlagerung radioaktiver Abfälle, § 9b Abs. 1 S. 1 AtG, Rohrleitungen sowie Wasserspeicher nach § 20 Abs. 1 UVPG, Energieleitungsanlagen gemäß § 43 EnWG, Gewässerbauten nach § 31 Abs. 2 WHG sowie gemeinschaftliche und öffentliche Anlagen in der Flurbereinigung, §§ 41 ff. FlurbG und im Bergrecht, §§ 52 ff. BBergG. Siehe zu den landesrechtlichen Planfeststellungserfordernissen Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 90.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

a) Funktion und Wirkung der Planfeststellung Mit der Planfeststellung wird zum einen unmittelbar über die räumliche Lage des Vorhabens entschieden (Raumnutzungsentscheidung). Dies unterscheidet die Planfeststellung etwa von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, bei der diese Entscheidung durch die Bauleitplanung – also auf der vorgelagerten Ebene – getroffen wird. Demgegenüber ist die Planfeststellung von überörtlicher Bedeutung gemäß § 38 BauGB grundsätzlich von den Bindungen der kommunalen Bauleitplanung ausgenommen. 83 Zugleich hat die Planfeststellung auch Genehmigungswirkung. Denn mit dem Planfeststellungsbeschluss als Ergebnis des Planfeststellungsverfahrens wird die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt (§ 75 Abs. 1 S. 1 VwVfG). Der Planfeststellungsbeschluss entfaltet eine Reihe weiterer Rechtswirkungen, die über diejenigen eines „normalen“ Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG hinausgehen. So sind gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwVfG neben der Planfeststellung andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Diese sog. formelle Konzentrationswirkung 84 hat zur Folge, dass nur ein Verfahren – das Planfeststellungsverfahren – stattfindet und die Zuständigkeit der anderen Behörden auf die Planfeststellungsbehörde verlagert wird. Die Verfahrensbestimmungen, die für die ersetzten Genehmigungen an sich beachtlich wären, werden durch die Regelungen des Planfeststellungsverfahrens verdrängt. 85 Der Grund für diese verfahrensmäßige Konzentration ist im Zweck der Planfeststellung zu sehen, eine umfassende Bewältigung aller vom Vorhaben betroffenen Belange zu gewährleisten. 86 Zugleich werden durch die Planfeststellung alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Vorhabenträger und den Planbetroffenen rechtsgestaltend geregelt (§ 75 Abs. 1 S. 2 VwVfG). 87 Außerdem sieht § 75 Abs. 2 VwVfG vor, dass nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses alle Beseitigungs-, 83 Hierzu Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 1 Rn. 5; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 26; Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 69 ff. Zum Verhältnis der Planfeststellung zu höherstufigen Planungen siehe Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 7 Rn. 1 ff. 84 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 162. Eine materielle Konzentrationswirkung, nach der materielles Recht zur Disposition der Planfeststellungsbehörde stehen würde, ist nach inzwischen allgemeiner Ansicht nicht gegeben. Hierzu Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 75 Rn. 7a; Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 177. 85 Dazu Fischer, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 432 ff.; Dürr, in: Knack, VwVfG, § 75 Rn. 10 ff.; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 16. 86 Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 72 Rn. 5. 87 Siehe zu dieser Gestaltungswirkung Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 75 Rn. 9; Dürr, in: Knack, VwVfG, § 75 Rn. 18. Da mit der Gestaltung auch eine Gestattung von Einwirkun-

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Änderungs- und Unterlassungsansprüche gegen das Vorhaben ausgeschlossen sind. Die Betroffenen haben die Verwirklichung des Vorhabens zu dulden. 88 Schließlich ordnen die meisten Fachplanungsgesetze eine sog. enteignungsrechtliche Vorwirkung der Planfeststellung an. 89 Das bedeutet nicht, dass mit der Planfeststellung der Eigentumsübergang an den für das Vorhaben benötigten Grundstücken bewirkt wird. Aber sie entscheidet bereits verbindlich über die Zulässigkeit einer Enteignung. 90 b) Das Abwägungsgebot Die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens vermittelt dem Vorhabenträger keinen Anspruch auf Genehmigung des beantragten Vorhabens, sondern lediglich einen Anspruch auf eine möglichst richtige, also sachgerechte Entscheidung. 91 Bei dieser Entscheidung ist wegen der planerischen Funktion der Planfeststellung grundsätzlich von einem Gestaltungsspielraum der Behörde auszugehen, da Planung ohne Gestaltungsfreiheit ein Widerspruch in sich wäre. 92 Zudem ermöglicht die Planung eine sinnvolle Problembewältigung der verschiedenen gegenläufigen Interessen, die von dem Vorhaben berührt werden. 93 Diese planerische Gestaltungsfreiheit unterliegt aus rechtsstaatlichen Gründen verschiedenen rechtlichen Bindungen. 94 Das zentrale inhaltliche Erfordernis, das die Planfeststellung in materiell-rechtlicher Hinsicht prägt, stellt das Abwägungsgebot dar. Es verpflichtet die Behörde, die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Belange zu ermitteln und verantwortlich abzuwägen. Dementsprechend ist in vielen Fachplanungsgesetzen vorgesehen, dass bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. 95 Aber gen auf Rechte Dritter verbunden ist, lässt sich insoweit auch von einer Eingriffswirkung sprechen, siehe Steinber / Berg / Wickel, Fachplanung, § 5 Rn. 13. 88 So genannte Ausschluss- oder Duldungswirkung, hierzu Fischer, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 440 ff. 89 Zum Beispiel § 19 FStrG; § 22 AEG; § 30 PBefG; § 44 Abs. 2 WaStrG; § 28 Abs. 2 LuftVG; § 45 EnWG. 90 Hoppe / Schlarmann / Buchner, Rechtsschutz, Rn. 181. 91 Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 2 Rn. 1. 92 BVerwGE 34, 301 (304); E 48, 56 (59); E 56, 110 (116). 93 Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 176. 94 Neben den Anforderungen des Abwägungsgebots ist die Planfeststellungsbehörde auch an verbindliche Vorentscheidungen durch höherstufige Raum- und Fachplanungen gebunden und an zwingende Vorschriften des materiellen Rechts. Darüber hinaus muss ein Bedürfnis für das Vorhaben bestehen, also eine sog. Planrechtfertigung gegeben sein. Vgl. zu diesen materiellen Anforderungen an die Planung Ziekow, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 583 ff.; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3.

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auch unabhängig von einer gesetzlichen Regelung folgt das Gebot der gerechten Abwägung aus dem Wesen einer rechtsstaatlichen Planung. 96 Im Einzelnen verlangt das Abwägungsgebot, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet, alle Belange in die Abwägung eingestellt werden, die nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden müssen und schließlich die Belange ihrer Bedeutung entsprechend in einen Ausgleich gebracht werden. 97 Welche Belange jeweils im Einzelnen zu berücksichtigen sind, hängt von dem konkreten Vorhaben und dessen Auswirkungen ab. 98 c) Die UVP im Planfeststellungsverfahren Soweit ein Vorhaben UVP-pflichtig ist, sind die Anforderungen des UVPG im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens zu erfüllen. Das Planfeststellungsverfahren wird in das von der Anhörungsbehörde durchzuführende Anhörungsverfahren und das Entscheidungsverfahren, für das die Planfeststellungsbehörde zuständig ist, unterteilt. 99 Beide Verfahrensteile werden durch die Vorgaben des UVPG in gewisser Weise modifiziert und beeinflusst. Diese Modifizierung berührt nicht die Grundstruktur, sondern nur einzelne Aspekte des Planfeststellungsverfahrens, da die UVP teilweise die gleichen Verfahrenselemente aufweist. Lediglich das in § 5 UVPG vorgesehene Scoping-Verfahren stellt eine Art zusätzliche „Vorantragsphase“ dar, die dem Zulassungsverfahren unter Umständen vorausgehen kann. 100 Für das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung verweist § 9 Abs. 1 S. 3 UVPG sogar auf die Anforderungen des § 73 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 bis 7 VwVfG. Danach sind die Planungsunterlagen zunächst in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben erwartungsgemäß auswirken wird, nach vorheriger Bekanntmachung für die Dauer eines Monats zur Einsichtnahme auszulegen (§ 73 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 VwVfG). Im Anschluss hieran kann gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, Einwendungen gegen das Vorhaben erheben. Ein „Jedermann-Einwendungsrechtsrecht“ wird also nicht gewährt. Der Begriff der Belange ist allerdings weiter als derjenige der subjektiven Rechte und erfasst alle in die Abwägung einzustellenden Interessen, 95 Vgl. §§ 17 S. 2 FStrG; § 28 Abs. 1 S. 2 PBefG; § 18 S. 2 AEG; § 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG; § 9 Abs. 1 S. 2 LuftVG. 96 BVerwGE 48, 56 (63); E 56, 110 (122); E 61, 295 (301); BVerwG, UPR 2000, S. 460 (462). 97 Vgl. zu diesen Anforderungen BVerwGE 48, 56 (63). 98 Zu den Abwägungsbelangen im Einzelnen Bartunek, Probleme des Drittschutzes bei der Planfeststellung, S. 31 ff. 99 Bonk / Neumann, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 3. 100 Vgl. zum Scoping § 8 B. II. 2. b) aa).

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auch wenn diese „nur“ wirtschaftlicher oder ideeller Art sind. 101 Damit übereinstimmend ist in § 9 Abs. 2 UVPG ebenfalls nur ein Äußerungsrecht für die „betroffene Öffentlichkeit“ i. S.v. § 2 Abs. 6 UVPG vorgesehen. Nach § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG sind mit Ablauf der Einwendungsfrist alle Einwendungen ausgeschlossen, die nicht auf einem besonderen privatrechtlichen Titel beruhen. Die Verweisung in § 9 Abs. 1 S. 3 UVPG schließt diese Regelung mit ein, so dass die Präklusion verspäteter Einwendungen auch nicht bei einem Planfeststellungsverfahren mit integrierter UVP ausscheidet. Gleichermaßen soll der in § 73 Abs. 6 VwVfG vorgesehene Erörterungstermin für die Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem UVPG maßgeblich sein. Allerdings ist die bisher obligatorische Durchführung des Erörterungstermins durch das Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 09. 12. 2006 102 in zahlreichen Fachplanungsgesetzen abgeschafft worden. Stattdessen liegt es künftig im pflichtgemäßen Ermessen der Anhörungsbehörde zu prüfen, ob auf eine Erörterung der Einwendungen verzichtet werden kann. 103 Diese Möglichkeit steht ihr auch dann zu, wenn das planfeststellungsbedürftige Vorhaben UVP-pflichtig ist. 104 Das Anhörungsverfahren endet mit einer Stellungnahme der Anhörungsbehörde, welche diese innerhalb eines Monats an die Planfeststellungsbehörde weiterzuleiten hat (§ 73 Abs. 9 VwVfG). Die nach § 11 UVPG zu erarbeitende zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen kann mit dieser ab-

101 Geiger, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 297; Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 68. 102 BGBl. 2006 S. I 2833. 103 Die Möglichkeit des Verzichts auf den Erörterungstermin sehen vor: § 18a Nr. 5 AEG; § 17a Nr. 5 FStrG; § 14a Nr. 5 BWaStrG; § 6 Abs. 7 LuftVG; § 2 Nr. 5 MBPlG; § 43a Nr. 5 EnWG. 104 Obwohl in den einschlägigen Gesetzen eine Abweichung von § 9 Abs. 1 S. 3 UVPG nur im Falle der Planänderung ausdrücklich gestattet ist, kann auch bei der erstmaligen Planauslegung trotz UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens von einem Erörterungstermin abgesehen werden. Dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Gesetzesbegründung des Beschleunigungsgesetzes. Danach sollte mit der Aufnahme des fakultativen Erörterungstermins dem Vorschlag des Bundesrates Rechnung getragen werden (vgl. BT. Drs. 16/3158, S. 38). Dieser hatte sich für die Verzichtsmöglichkeit aber gerade mit dem Argument ausgesprochen, dass sich die Behörde ggf. zu einer frühen allgemeinen Erörterung des Vorhabens aus Anlass eines Scopings nach § 5 UVPG entschließen würde, wenn sie sich nicht mehr dem Zwang ausgesetzt sähe, später ohnehin eine umfassende Erörterung nach § 73 Abs. 6 UVPG durchzuführen (vgl. BT-Drs. 16/1338, S. 23). Demnach soll ein Absehen von einem Erörterungstermin gerade bei einer UVP-Pflicht des Vorhabens in Betracht kommen. In Art. 6 Abs. 4 und 5 der UVP-Richtlinie 2003/35/EG ist eine mündliche Erörterung des Vorhabens auch nicht verlangt. Die Öffentlichkeit muss lediglich die Möglichkeit haben, Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern, was durch die „normale“ Anhörung gewährleistet ist.

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schließenden Stellungnahme verbunden werden. 105 Mit der in § 12 UVPG geforderten Berücksichtigung der ermittelten und bewerteten Umweltauswirkungen mündet die UVP in die materielle Zulassungsentscheidung ein. Im Planfeststellungsverfahren kommt dem Abwägungsgebot hierbei eine Scharnierfunktion zwischen der UVP und der fachplanerischen Entscheidung zu. Gerade die mit der Planfeststellung verbundene planerische Gestaltungsfreiheit eignet sich in besonderer Weise dafür, das Ergebnis der UVP in die Entscheidung einfließen zu lassen. Inwieweit der UVP aus diesem Grund eine materiell-rechtliche Bedeutung zukommt, wird noch genauer zu untersuchen sein. 106 2. Plangenehmigung und UVP Als alternative Zulassungsform zur Planfeststellung kommt unter bestimmten Voraussetzungen eine Plangenehmigung in Betracht. Mit ihr stellt das Gesetz ein – im Vergleich zur Planfeststellung – vereinfachtes Verfahren für die Zulassung von weniger problemträchtigen Vorhaben zur Verfügung, um eine Verfahrensbeschleunigung zu erzielen. 107 Die Rechtswirkungen der Plangenehmigung entsprechen mit Ausnahme der enteignungsrechtlichen Vorwirkung grundsätzlich denen der Planfeststellung (§ 74 Abs. 6 S. 2 VwVfG). 108 Die Plangenehmigung besteht in einigen Bereichen des Fachplanungsrechts schon seit längerer Zeit. 109 Im Zuge der Deregulierungsgesetzgebung im Umweltrecht wurde sie flächendeckend in nahezu allen bundesrechtlichen Fachgesetzen 110 sowie im BVwVfG 111 normiert. 112

105 So Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 2 Rn. 113; Dürr, in: Knack, VwVfG, § 73 Rn. 108, 111. A. A. Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 127, weil die zusammenfassende Darstellung von der Planfeststellungsbehörde zu erarbeiten sei. 106 Vgl. hierzu unter § 9 C. 107 Allgemein dazu Ringel, Die Plangenehmigung im Fachplanungsrecht, S. 1 ff. 108 Zahlreiche Fachgesetze schließen aber auch eine enteignungsrechtliche Vorwirkung ein: vgl. etwa § 18b Nr. 3 i.V. m. § 22 Abs. 1 S. 1 AEG; § 17b Nr. 3 FStrG i.V. m. § 19 Abs. 1 S. 2 FStrG; § 8 Abs. 2 S. 2 i.V. m. § 28 LuftVG; § 2a Nr. 3 i.V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 MBPlG; § 43b Nr. 3 i.V. m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 EnWG. 109 So z. B. schon in § 34 WHG i. d. F. vom 27. 07. 1958 (BGBl. I S. 1110); § 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG i. d. F. vom 02. 04. 1968 (BGBl. II S. 173). Zu diesen Vorschriften ausführlich Ringel, Die Plangenehmigung im Fachplanungsrecht, S. 34 ff. 110 § 8 Abs. 2 LuftVG; § 28 Abs. 1a PBefG; § 20 Abs. 2 UVPG; § 41 Abs. 4 S. 1 FlurG; § 31 Abs. 3 WHG sowie § 9b Abs. 1 S. 2 AtG; § 31 Abs. 3 KrW- / AbfG; § 18b AEG; § 17b FStrG; § 2a MBPlG; § 14b WaStrG; § 43b EnWG jeweils i.V. m. § 74 Abs. 6 VwVfG. 111 § 74 Abs. 6 VwVfG. 112 Zunächst durch das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz (VerkPBG) v. 16. 12. 1991 (BGBl. I S. 2174), dann durch das Planungsvereinfachungsgesetz (PlVeinfG) v. 17. 12. 1993 (BGBl I S. 2123). Durch das Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz (GenBeschlG) v. 12. 09. 1996 wurde die Möglichkeit der Plange-

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a) Zulässigkeit der Plangenehmigung als Trägerverfahren Die ausgedehnte Einführung der Plangenehmigung kollidierte anfangs mit dem damaligen UVP-Recht. So wurde in § 3 UVPG von 1990. i.V. m. der Anlage zu § 3 die Durchführung einer UVP noch ausschließlich von der zu durchlaufenden Verfahrensart, d. h. von der Planfeststellungsbedürftigkeit eines Vorhabens abhängig gemacht. 113 Da die Zulassungsform der Planfeststellung nun für zahlreiche Vorhaben durch die Plangenehmigung ersetzt werden konnte, entfiel zugleich die Pflicht zur Durchführung einer UVP. Dies war insbesondere deswegen problematisch, weil Umweltaspekte für die Zulässigkeit einer Plangenehmigung keine Rolle spielten. 114 Nach der alten Rechtslage konnten daher selbst Vorhaben mit erheblichen Umweltauswirkungen, die nach der UVP-Richtlinie UVPpflichtig waren, durch Plangenehmigung und damit ohne UVP zugelassen werden. Eine ähnliche Problematik ergab sich bei den sog. Verzichtstatbeständen 115, welche die Möglichkeit des Entfallens von Planfeststellung und Plangenehmigung vorsehen. 116 Mit Ausnahme der §§ 31 Abs. 3 KrW- / AbfG a. F., 9b AtG und 31 Abs. 1 S. 3 WHG a. F., welche die Durchführung einer Plangenehmigung nur dann zuließen, wenn keine nachteiligen Umweltauswirkungen von dem Vorhaben zu erwarten waren 117, wurde die Europarechtskonformität der deutschen Bestimmungen über die Plangenehmigung daher erheblich bezweifelt. 118 Die Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. 119 Der EuGH hat mit Beschluss vom 18. 02. 2002 allerdings eine Streichung dienehmigung in § 74 Abs. 6 VwVfG eingeführt. Die Plangenehmigung ist zudem in den VwVfGen der Länder sowie in zahlreichen Fachgesetzen der Länder normiert, dazu Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 1 Rn. 117 (Fn. 364). 113 Vgl. Nr. 3, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14 der Anlage zu § 3 UVPG v. 1990. 114 Siehe BVerwG, NuR 1995, S. 247: „Die Erteilung einer Plangenehmigung nach § 14 Abs. 1a WaStrG (a. F.) an Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses setzt nicht voraus, dass durch das Vorhaben keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind.“ Vgl. hierzu Keilich, LKV 2004, S. 97 (98). 115 Vgl. § 17b Abs. 1 Nr. 4 und 6 FStrG; § 14b Nr. 4 WaStrG; § 18b Nr. 4 AEG jeweils i.V. m. § 74 Abs. 7 VwVfG sowie § 28 Abs. 2 PBefG. 116 Vgl. dazu Erbguth, UPR 2003, S. 321 (324), der betont, dass zwar der weite Begriff der öffentlichen Belange in den damaligen Verzichtstatbeständen eine Einbeziehung von Umweltbeeinträchtigungen ermöglichte, was den Ausfall von Planfeststellung respektive Plangenehmigung verhinderte. Jedoch hätten die Alternativvoraussetzungen der fraglichen Bestimmungen nicht sichergestellt, dass ein Betroffensein der Schutzgüter des § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG die Durchführung des Zulassungsverfahrens der Planfeststellung erzwang. 117 Siehe dazu Kopp / Ramsauer,VwVfG, 7. Auflage 2000, § 74 Rn. 173; Wickel / Müller, NVwZ 2001, S. 1133 ff. 118 Hierzu Gassner, NuR 1996, S. 492 (494 ff.); Schmitz / Wessendorf , NVwZ 1996, S. 955 (960 f.); Eckert, DVBl. 1997, S. 158 ff.; Schink, NuR 1998, S. 173 (175); Erbguth, UPR 1999, S. 41 (48); Keilich, LKV 2004, S. 97 (99); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 5 Rn. 37 ff.

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ser Rechtssache angeordnet 120, da sich das Problem durch die Neufassung des UVPG und der entsprechenden Fachgesetze durch das Artikelgesetz von 2001 121, welches zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie erlassen wurde, erledigt hatte. Das UVPG nimmt seitdem für die Anordnung der UVP-Pflicht nicht mehr auf die Planfeststellungsbedürftigkeit eines Vorhabens Bezug (§§ 3 ff. UVPG). UVP-pflichtig ist jetzt, was die Größen- und Leistungswerte nach Anlage 1 des UVPG erreicht (§ 3b Abs. 1 UVPG) oder auf Grund der Ergebnisse einer Vorprüfung im Einzelfall erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nach sich ziehen kann (§ 3c Abs. 1 UVPG). Damit kommt nach dem UVPG grundsätzlich jedes Genehmigungsverfahren – auch die Plangenehmigung – als Trägerverfahren in Betracht, so dass eine UVP nicht mehr aufgrund eines bloßen Verfahrenswechsels entfallen kann. 122 b) Geeignetheit der Plangenehmigung als Trägerverfahren Die Plangenehmigung ist gleichwohl als Trägerverfahren der UVP nicht geeignet. Zwar gelten für die Plangenehmigung materiell-rechtlich dieselben Voraussetzungen wie für den Planfeststellungsbeschluss. Insbesondere stellt sie ebenfalls eine Planungsentscheidung dar, auf die das Abwägungsgebot uneingeschränkt anwendbar ist. 123 Im Unterschied zur Planfeststellung gelten für die Plangenehmigung jedoch die allgemeinen Verfahrensvorschriften des VwVfG, sofern die Fachgesetze nicht eine abweichende Regelung enthalten. Die speziellen Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens finden gemäß § 74 Abs. 6 S. 2 HS 2 VwVfG keine Anwendung. Daraus folgt vor allem, dass die in § 73 VwVfG vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung, die gemäß § 9 UVPG als Bestandteil jeder UVP erforderlich ist, im Plangenehmigungsverfahren gerade nicht

119 Rs. C-24/99, ABlEG Nr. C 86, 10 f. v. 27. 03. 1999. Nach der Klagebegründung der Kommission hat die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen, weil sie für den Bau und die Anpassung von Straßen und Flugplätzen einerseits nach § 3 UVPG in Verbindung mit Nr. 8 des Anhangs des UVPG ein Planfeststellungsverfahren vorgesehen hat, andererseits durch § 17 FStrG (a. F.) und § 8 LuftVG aber die Möglichkeit eröffnet hat, derartige Vorhaben auch ohne ein Planfeststellungsverfahren – und damit ohne UVP – durchzuführen. Deshalb könne eine UVP für Vorhaben, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben könnten, unter Voraussetzungen, die in der Richtlinie nicht vorgesehen seien, unterbleiben, was gegen die Artikel 2 Absatz 1 und 4 der Richtlinie verstoße. Siehe auch die Schlussanträge des Generalanwalts L.A. Geelhoed v. 12. Juli 2001, Rs. C-24/99 Rz. 21 ff. 120 ABlEG Nr. C 109, 36 v. 04. 05. 2002. 121 § 8 B. II. 1. 122 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 160. 123 Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 170b.

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vorgesehen ist. Die Betroffenen sind lediglich gemäß §§ 13, 28 VwVfG anzuhören. Aus diesem Grund wurden – erstmals durch das Artikelgesetz von 2001 – in zahlreiche Fachgesetze „UVP-Klauseln“ eingefügt, die als zusätzliches Tatbestandsmerkmal 124 für die Durchführung einer Plangenehmigung vorsehen, dass die jeweiligen Vorhaben keiner UVP-Pflicht nach dem UVPG unterliegen. 125 Diese Einschränkung ist ebenfalls in die Verzichtsregelungen der entsprechenden Gesetze eingefügt worden. 126 Hierdurch ist sichergestellt, dass bei einer UVPPflicht des Vorhabens das hierfür geeignete Trägerverfahren der Planfeststellung durchgeführt wird. Problematisch ist die Einbeziehung der Öffentlichkeit also nur dann, wenn das jeweils einschlägige Gesetz es zulässt, dass über ein UVP-pflichtiges Vorhaben mit einer Plangenehmigung statt mit einer Planfeststellung entschieden wird (so z. B. § 74 Abs. 6 VwVfG, § 17b Nr. 5 FStrG, § 31 Abs. 3 KrW- / AbfG 127). 128 In diesem Fällen erscheint es wenig sinnvoll, dass die Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbehörde sich im Rahmen ihres Ermessens für die Durchführung einer Plangenehmigung entscheidet. Es bestünde zwar die Möglichkeit auf der Grundlage des § 9 UVPG, dessen Abs. 1 S. 2 wieder auf § 73 Abs. 3, 4 – 7 VwVfG verweist, auch im Plangenehmigungsverfahren eine 124

Neben der mangelnden UVP-Pflicht setzten die meisten Fachgesetze für die Durchführung der Plangenehmigung voraus, dass mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist und Rechte anderer nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben. So z. B. § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG; § 18b Nr. 1 AEG; § 14b Nr. 1 WaStrG jeweils i.V. m. § 74 Abs. 6 VwVfG; § 28 Abs. 1a PBefG. 125 Vgl. Art. 7 Artikelgesetz v. 2001: § 31 Abs. 3 WHG; Art. 13: § 17 Abs. 1a Nr. 1 FStrG (§ 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG n. F.); Art. 14: § 18 Abs. 2 Nr. 1 AEG (§ 18b Nr. 1 AEG n. F.); Art. 15: § 28 Abs. 1a Nr. 1 PBefG; Art. 16: § 14 Abs. 1a Nr. 1 WaStrG (§ 14b Nr. 1 WaStrG n. F.); Art. 17: § 8 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG; Art. 18: § 2 Abs. 2 Nr. 1 MBPlG (§ 2a Nr. 1 MBPlG n. F.); Art. 20: § 11a Abs. 1 S. 1 und 2 EnWG (§ 43b Nr. 1 EnWG n. F.). 126 § 17 Abs. 2 Nr. 1 FStrG (§ 17b Abs. 1 Nr. 4 FStrG n. F.); § 18 Abs. 3 Nr. 1 AEG (§ 18b Nr. 4 AEG n. F.); § 28 Abs. 2 Nr. 1 PBefG; § 14 Abs. 1b WaStrG (§ 14b Nr. 4 WaStrG n. F.); § 8 Abs. 3 Nr. 1 LuftVG; § 2 Abs. 3 Nr. 1 MBPlG (§ 2a Nr. 4 MBPlG n. F.). Das WHG, das KrW- / AbfG und das AtG enthalten keine ausdrückliche Regelung über das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung. Siehe hierzu Keilich, LKV 2004, S. 97 (99). 127 Hierzu Wickel / Müller, NVwZ 2001, S. 1133 (1135); dieselben, Das Fachplanungsrecht nach seiner Anpassung an die UVP- und die IVU-Richtlinie, S. 33 f. 128 Eine ähnliche Problematik stellt sich bei § 74 Abs. 7 VwVfG, der das Entfallen von Planfeststellung und Plangenehmigung auch dann zulässt, wenn das Vorhaben UVPpflichtig ist. Hier steht unter Umständen überhaupt kein Trägerverfahren für die Durchführung der UVP zur Verfügung. Aus diesem Grund wird man wohl im Wege einer europarechtskonformen Auslegung die UVP-Freiheit als weitere ungeschriebene Voraussetzung des § 74 Abs. 7 VwVfG ansehen müssen. Hierzu Geiger, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 401 ff.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Allerdings würde durch diese Vorgehensweise der Vorteil des Plangenehmigungsverfahrens, der ja gerade in einem zügigeren Verfahrensablauf unter anderem infolge des Wegfalls der Öffentlichkeitsbeteiligung liegt, verloren gehen. Das Plangenehmigungsverfahren würde sich verfahrensrechtlich praktisch kaum vom Planfeststellungsverfahren unterscheiden. Es ist daher zu befürworten, dass sich die zuständige Behörde bei UVP-pflichtigen Vorhaben für die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens entscheidet. 129

129 In diesem Sinne auch Kopp / Ramsauer, VwVfG, § 74 Rn. 160; Wickel / Müller, NVwZ 2001, S. 1133 (1134); Erbguth, UPR 2003, S. 321 (325). Nicht gefolgt werden kann jedoch dem Vorschlag von Geiger, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 385 f., wonach die Behörde im Rahmen der Plangenehmigung ganz auf eine Öffentlichkeitsbeteiligung verzichten kann. Der hierin liegende Verfahrensverstoß gegen § 9 UVPG werde ohnehin nach der Rechtsprechung des BVerwG ausgeglichen, wenn die Umweltbelange anderweitig ermittelt und in der Entscheidung berücksichtigt werden. So könne bei der Plangenehmigung genau wie bei der Planfeststellung eine Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit eines Projekts innerhalb der Abwägung erfolgen. Denn das Verfahren nach dem UVPG sei nicht Selbstzweck, sondern diene der besseren Durchsetzung von Umweltbelangen. Geiger verweist dabei auf BVerwGE 98, 339 (358), E 96, 239 (245) und NVwZ-RR 1997, S. 208 (209), wo betont wird, dass allein das Fehlen einer Öffentlichkeitsbeteiligung einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben nicht begründen kann, solange die Würdigung der Umweltauswirkungen den inhaltlichen Anforderungen einer UVP entspricht. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch abzulehnen, da sie die Behörden dazu ermuntert, die Verfahrensvorschriften des UVPG bewusst zu missachten. Außerdem wird die Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung für die Entscheidungsfindung verkannt. Diese dient nicht nur der Unterrichtung und der Beteiligung der Bürger am Genehmigungsverfahren, sondern sie soll insbesondere sicherstellen, dass den Behörden umfangreiche Informationen und eine breite Entscheidungsgrundlage zur Verfügung gestellt werden. Nur so kann eine umfassende Abwägungsgrundlage für die Planungsentscheidung erst geschaffen werden. Des Weiteren ist der Anregung, eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Plangenehmigung bei UVP-pflichtigen Vorhaben zu unterlassen, entgegenzuhalten, dass sie auf einer ohnehin umstrittenen Rechtsprechung bezüglich des Umgangs mit UVP-Verfahrensfehlern basiert. Die hierin zum Ausdruck kommende Abwertung der UVP bzw. des Verfahrensrechts allgemein ist gerade im Hinblick auf die gegenläufige europarechtliche Entwicklung, die durch eine stärkere verfahrensrechtliche Steuerung gekennzeichnet ist, sehr fragwürdig. Die Betonung des Verfahrens im europäischen Umweltrecht kommt gerade in der UVP-Richtlinie besonderes zum Ausdruck. Hier dient das Verfahren nicht der Durchsetzung anderweitig festgelegter inhaltlicher Umweltanforderungen, sondern der Schutz der Umwelt soll durch das Verfahren als solches bewirkt werden (vgl. Hansmann, NVwZ 2006, S. 51). Diese Funktion des Verfahrensrechts darf nicht durch einen weitgehenden Sanktionsverzicht bei Verfahrensrechtsverletzungen unterminiert werden.

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren

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II. Die UVP im Bundesimmissionsschutzgesetz Zweck des BImSchG ist es, bestimmte Schutzgüter vor schädlichen Umwelteinwirkungen und vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und Belästigungen, die auf andere Weise herbeigeführt werden, zu schützen (Gefahrenabwehr) und dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen vorzubeugen (Vorsorge). 130 Die Errichtung und der Betrieb von Anlagen, die aufgrund ihrer Beschaffenheit oder ihres Betriebs in besonderem Maße geeignet sind, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen oder in anderer Weise die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, erheblich zu benachteiligen oder zu belästigen, bedürfen daher gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG einer Genehmigung. Im Gegensatz zum Planfeststellungsverfahren hat der Vorhabenträger jedoch einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. 131 Die genehmigungspflichtigen Anlagen sind abschließend in dem Anhang der gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG ergangenen Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) festgelegt. Welche Anlagen im Hinblick auf Errichtung und Betrieb zudem einer UVP zu unterziehen sind, ist jedoch allein dem UVPG zu entnehmen. Auf die immissionsschutzrechtliche Einordnung kommt es insoweit nicht an. Im Immissionsschutzrecht ist ebenso wie im Fachplanungsrecht zwischen einem aufwendigen, formalisierten Verfahrenstyp und einer vereinfachten Verfahrensart zu unterscheiden. Welches Verfahren zur Anwendung kommt, bestimmt § 2 der 4. BImSchV. Danach kommt das den Regelfall bildende förmliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG bei Anlagen der Spalte 1 des Anhangs der 4. BImSchV zur Anwendung, während für Anlagen der Spalte 2 grundsätzlich eine vereinfachte Genehmigung nach § 19 BImSchG genügt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a und Nr. 2 4. BImSchV). Bei letzteren handelt es sich um solche Anlagen, bei denen wegen ihrer Art oder wegen ihres geringen Produktionsumfangs erfahrungsgemäß nicht mit erheblichen Emissionen zu rechnen ist, § 19 Abs. 1 BImSchG. Das förmliche Genehmigungsverfahren entspricht in vielem dem Planfeststellungsverfahren und sieht neben einer Beteiligung aller Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung vor. 132 Für UVP-pflichtige Anlagen ergeben sich darüber hinaus verfahrensrechtliche Anforderungen in Anlehnung an das UVPG aus der 9. BImSchV, 130

Vgl. die Zweckbestimmung in § 1 BImSchG. Zur Gebundenheit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung Beckmann, NuR 2003, S. 715 (716 f.). 132 Vgl. § 10 Abs. 2, 3, 4, 6, 7, 8 BImSchG. Durch Art. 2 Nr. 1 des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes (BGBl. 2006 I S. 2819) wurde § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG dahingehend ausgeweitet, dass neben dem Antrag und der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen 131

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

die auf der Grundlage des § 10 Abs. 10 BImSchG erlassen wurde. Subsidiär kommt gemäß § 4 und § 6 Abs. 2 UVPG das UVPG zur Anwendung. Die UVP wird auch hier als unselbständiger Teil des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens durchgeführt (vgl. § 1 Abs. 2 der 9. BImSchV und § 2 Abs. 1 S. 1 UVPG). Prüfungsgegenstand sind in diesem Fall gemäß § 1a der 9. BImSchV alle Auswirkungen der Anlage auf die dort genannten Schutzgüter, zu denen anders als bei § 1 BImSchG auch die Landschaft gehört. Demgegenüber ist das vereinfachte Verfahren dadurch gekennzeichnet, dass eine Reihe von Vorschriften des § 10 BImSchG nicht anzuwenden sind (§ 19 Abs. 2 BImSchG). Insbesondere ist nur eine Behördenbeteiligung, nicht auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Damit entfallen die im förmlichen Verfahren vorgesehene Bekanntmachung und Auslegung der Antragsunterlagen, die Möglichkeit Einwendungen zu erheben und der Erörterungstermin. 133 Als Trägerverfahren der UVP ist das vereinfachte Genehmigungsverfahren daher ebenso wenig geeignet wie das Plangenehmigungsverfahren. 134 Aus diesem Grund ist die UVP im Immissionsschutzrecht immer mit dem förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG verknüpft. So ist in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. c der 4. BImSchV festgelegt, dass bei Vorhaben, die in Spalte 2 des Anhangs der 4. BImSchV aufgeführt sind, im Falle ihrer UVP-Pflichtigkeit nicht das vereinfachte, sondern das förmliche Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Eine weitere Regelung zur Verknüpfung von förmlichen Verfahren und UVP enthält § 2 Abs. 3 S. 2 der 4. BImSchV, wonach Vorhaben der Spalte 1 im Falle ihrer UVP-Pflicht nicht der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 3 S. 1 BImSchV unterliegen, die unter bestimmten Voraussetzungen ein vereinfachtes Verfahren zulässt. 135 Materiell-rechtlich bestehen – genauso wie bei Planfeststellung und Plangenehmigung – zwischen dem vereinfachten und dem förmlichen Verfahren keine Unterschiede. Zum Teil weist das materielle Immissionsschutzrecht sogar ähnnunmehr auch die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vorhabens vorliegen, zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind (kritisch gegenüber der Notwendigkeit einer solchen Regelung Knopp, ZUR 2005, S. 281 (283)). Darüber hinaus sind weitere Informationen, die für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens von Bedeutung sein können und die der zuständigen Behörde erst nach Beginn der Auslegung vorliegen, der Öffentlichkeit nach den Bestimmungen über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen, § 10 Abs. 3 S. 3 BImSchG i.V. m. § 10 Abs. 1 der 9. BImSchV. 133 Hierzu Jarass, BImSchG, § 19 Rn. 12 ff. 134 § 9 A. I. 2. b). 135 Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zur Änderung der 4. BImSchV, BT-Drs. 14/ 4599, S. 131, wonach durch diese Regelungen sichergestellt werden soll, dass das für die UVP erforderliche Trägerverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 10 BImSchG) stets durchgeführt wird. Dementsprechend sieht auch § 24 der 9. BImSchV vor, dass im vereinfachten Verfahren die Vorschriften über die Durchführung der UVP nicht anzuwenden sind.

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liche Spielräume für die Behörde auf, wie sie im Fachplanungsrecht bestehen. Zwar ist der Behörde im Immissionsschutzrecht nicht konzeptionell eine planerische Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Jedoch ergeben sich Handlungs- und Gestaltungsspielräume aufgrund der offenen Struktur bestimmter rechtlicher Vorgaben für die Genehmigung, so etwa in Bezug auf die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 5 Abs. 1 BImSchG. 136

B. Der Zusammenhang zwischen unterlassener UVP und Verfahrensartfehlern I. Falsche Verfahrenswahl wegen Verkennung der UVP-Pflicht Die meisten Plangenehmigungs- und Verzichtstatbestände im Fachplanungsrecht sowie das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG setzten für ihre Anwendbarkeit unter anderem voraus, dass das Vorhaben keiner UVP-Pflicht unterliegt. Wie bereits dargelegt, wird hierdurch gewährleistet, dass bei einer Erforderlichkeit der UVP das hierfür geeignete Trägerverfahren, wie z. B. das Planfeststellungsverfahren oder das förmliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG, durchgeführt wird. 137 Um die Wahl des richtigen Verfahrens zu gewährleisten, muss die Frage der UVP-Pflicht also frühzeitig geklärt werden. Ihr kommt insoweit eine verfahrenslenkende Funktion zu. 138 Aus diesem Grund sieht § 3a UVPG vor, dass die Entscheidung über die UVP-Pflicht spätestens nach Beginn des eigentlichen Zulassungsverfahrens zu treffen ist. 139 Die Feststellung der UVP-Pflicht ist relativ unproblematisch, wenn das beantragte Vorhaben die Schwellenwerte der Spalte 1 der Anlage 1 zum UVPG überschreitet. Dies ist den Antragsunterlagen regelmäßig schon vor der Verfahrenseröffnung zu entnehmen. Die Durchführung einer UVP ist dann im UVPG obligatorisch angeordnet (§ 3b Abs. 1 S. 1 i.V. m. Anlage 1 UVPG), so dass die Wahl eines vereinfachten Verfahrenstyps ausscheidet. Schwieriger liegt der Fall dann, wenn die UVP-Pflicht aufgrund einer Vorprüfung im Einzelfall zu klären ist. Da zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Informationen fehlen, um das Vorhaben umfassend beurteilen zu können, muss die Behörde gemäß § 3c Abs. 1 S. 1 UVPG lediglich aufgrund einer überschlägigen Prüfung einschätzen, ob das 136

Vgl. hierzu Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 10 Rn. 146 und Rn. 170. Hierzu soeben unter A. I. 2. b) und II. 138 Hierzu ausführlich Müller, Verfahrensartfehler, S. 285 f. 139 Aber auch ohne die ausdrückliche Regelung in § 3a UVPG wäre die UVP-Pflicht wegen ihrer dargelegten Bedeutung für die Verfahrenswahl zu diesem frühen Zeitpunkt zu treffen. Hierauf verweist richtigerweise Müller, Verfahrensartfehler, S. 285 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 3a UVPG durch das Artikelgesetz in BT-Drs. 14/4599, S. 95. 137

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen haben kann. Damit wird die UVPPflicht des Vorhabens allein von einer Prognoseentscheidung der Behörde abhängig gemacht, welche stets mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist. 140 Kommt die Behörde zu dem fehlerhaften Schluss, dass eine UVP nicht erforderlich ist, so bedingt dies zudem einen Verfahrensartfehler, wenn sie neben der fehlenden UVP-Pflichtigkeit auch die übrigen Anwendungsvoraussetzungen für die Durchführung eines vereinfachten Zulassungstyps bejaht. So wird in zahlreichen Klagebegründungen vorgebracht, dass anstelle des gebotenen förmlichen Genehmigungsverfahrens mit integrierter UVP lediglich ein vereinfachtes Verfahren stattgefunden habe. 141 Selbst wenn die an sich erforderliche UVP im Rahmen eines zutreffend gewählten Verfahrens unterbleibt, kann von einem (Teil-)Verfahrensartfehler gesprochen werden. 142 Zwar kann ihr rechtswidriges Unterlassen allein nicht als vollständiger Verfahrensartfehler qualifiziert werden, da in dieser Konstellation an sich das richtige Trägerverfahren stattfindet und die UVP nur ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 UVPG). Dennoch wird das Planfeststellungsverfahren bzw. das förmliche Immissionsschutzverfahren nach § 10 BImSchG in diesen Fällen ohne integriertes UVP-Verfahren – und insoweit fehlerhaft – durchgeführt.

140 Zum Prognosecharakter dieser Entscheidung Gassner, UVPG, § 3c Rn. 14; Wickel / Müller, Das Fachplanungsrecht nach seiner Anpassung an die UVP- und die IVURichtlinie, S. 41. 141 Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG ohne UVP statt des erforderlichen förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG mit UVP: OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 ff.; OVG Münster, Beschluss v. 11. 10. 2005, Az.: 8 B 110/05 (zit. nach juris Rn. 10); OVG Münster, NuR 2006. S. 251 (252); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); VGH München, NVwZ-RR 2001, S. 373; VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach Juris, Rn. 19); VG Münster, Beschluss v. 16. 02. 2005, Az.: 7 L 1587/04 (zit. nach juris Rn. 4); VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach Juris, Rn. 12); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach Juris, Rn. 18); um ein fehlerhaft gewähltes vereinfachtes Verfahren nach § 16 Abs. 4 S. 2 BImSchG statt eines förmlichen Verfahrens nach § 10 BImSchG mit UVP ging es in dem Beschluss des OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355). In den Entscheidungen OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 f.; OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 ff.; OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615 ff.; VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/02 (zit. nach juris Rn. 47 ff.) wurde gerügt, dass trotz UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens keine Genehmigung nach Immissionsschutzrecht erteilt wurde, sondern eine Baugenehmigung. Zur Erteilung einer Plangenehmigung, obwohl das Vorhaben wegen seiner UVP-Pflichtigkeit nur im Wege der Planfeststellung hätte zugelassen werden dürfen: BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 ff. 142 Siehe hierzu Müller, Verfahrensartfehler, S. 174; Hufen, Fehler, Rn. 112.

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II. Das Problem der „Salami-Taktik“ 1. Ausgangssituation Das Problem der falschen Verfahrenswahl und einer damit verbundenen unterlassenen UVP ist vor allem im Rahmen der Zulassung von Windenergieanlagen relevant geworden. Nach der früheren Rechtslage, die seit Inkrafttreten des Artikelgesetzes von 2001 143 galt, bestimmte sich die Genehmigungsbedürftigkeit von Windenergieanlagen noch nach der Zahl der beantragten Anlagen. Für die Errichtung von ein bis zwei Anlagen war nur eine Genehmigung nach Baurecht erforderlich. Lagen jedoch drei oder mehr Anlagen vor, bildeten diese eine „Windfarm“, die gemäß § 2 Abs. 1 i.V. m. Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV a. F. einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedurfte. Soweit das Windkraftvorhaben nicht aus Gründen der §§ 3b ff. UVPG einer UVP unterzogen werden musste, was in Übereinstimmung mit dem Immissionsschutzrecht ebenfalls erst ab drei Anlagen der Fall sein konnte (vgl. Nr. 1.6 der Anlage zum UVPG a. F.), war bei Windfarmen mit drei bis fünf Anlagen das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG ausreichend. Im Fall der UVP-Pflichtigkeit sowie bei größeren Windfarmen musste hingegen stets ein förmliches Genehmigungsverfahren gemäß § 10 BImSchG durchgeführt werden (vgl. § 2 Abs. 1 i.V. m. Nr. 1.6 Spalte 1 und 2 4. BImSchV a. F.). Zentraler Anknüpfungspunkt für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit sowie für die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens war somit das Vorliegen einer „Windfarm“. Das Problem bestand nun darin, dass die Anlagenbetreiber häufig nie mehr als zwei Anlagen auf einmal beantragten, so dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsgrenze nicht erreicht wurde und überdies die Überprüfung einer UVP-Pflicht nicht durchgeführt werden musste. Aufgrund dieser „SalamiTaktik“ 144 entstanden schrittweise Ansammlungen von Windkraftanlagen, die landläufig als Windpark bezeichnet werden und sich nach ihrem Erscheinungsbild und ihren umweltbedeutsamen Wirkungen nicht von dem unterscheiden, was im UVPG und der 4. BImSchV als „Windfarm“ bezeichnet wurde. 145 Dennoch wurden diese Anlagen nicht als Windfarm nach Immissionsschutzrecht, sondern jeweils als Einzelanlagen im Baugenehmigungsverfahren ohne UVP zugelassen. 146 143

Dazu oben in § 8 B. II. 1. Diesen Begriff verwenden: Lecheler, ZNER 2005, S. 127; Kunert, NordÖR 2004, S. 421 (422). 145 Gellermann, NVwZ 2004, S. 1199 f. 146 Vgl. zu den aus diesem Grund erhobenen Klagen gegen die erteilten Baugenehmigungen: OVG Koblenz, DÖV, S. 615 ff.; OVG Münster, Beschluss v. 27. 03. 2003, Az.: 10 144

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Um dieser Genehmigungspraxis entgegenzuwirken, zogen die Gerichte teilweise den Begriff der „gemeinsamen Anlage“ in § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV heran. Sobald die geplanten Anlagen zusammen mit den bereits vorhandenen die Voraussetzungen einer „gemeinsamen Anlage“ erfüllten, sollte eine immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtige Windfarm angenommen werden. 147 Allerdings war für eine solche Zurechnung erforderlich, dass die Anlagen in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang standen (vgl. § 1 Abs. 3 S. 2 4. BImSchV). Dies war nur dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teilanlagen nicht von verschiedenen Personen betrieben wurden. Konkurrierende Nachbarbetriebe mit unterschiedlichen Betreibern – die eher den Regelfall als die Ausnahme darstellen 148 – konnten trotz Gleichartigkeit der Anlagen nicht zusammengefasst werden. 149 Um das Bestehen einer „gemeinsamen Anlage“ und damit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht dennoch bejahen zu können, versuchte die Rechtsprechung über die Untersuchung von „Strohmann“-Verhältnissen oder gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeiten der einzelnen Betreiber einen einheitlichen Betreiber im Rechtssinne zu entlarven. 150 Eine solche Vorgehensweise hielten die Gerichte nicht zuletzt wegen der Verzahnung des Immissionsschutzrechts mit dem UVPG für angebracht. In Bezug auf die Umweltauswirkungen sei es nämlich unerheblich, ob eine aus einer Vielzahl von Einzelanlagen bestehende Gesamtanlage von einer oder mehreren Personen betrieben werde. 151 Es sei daher im Einzelfall zu prüfen, ob eine unzulässige Umgehung des Immissionsschutzrechts und damit zusammenhängend der UVPPflicht erstrebt werde. 152

B 2088/02 (zit. nach juris Rn. 3); VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/ 02 (zit. nach juris Rn. 47); VG Neustadt, Beschluss v. 20. 12. 2004, Az.: 4 L 2450/04.NW (zit. nach juris Rn. 21 ff.); VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Leitsatz). 147 OVG Koblenz, ZNER 2004, S. 89 (91); VG Halle, Urteil v. 14. 05. 2003, Az.: 2 A 424/00 (zit. nach juris Rn. 23); VG Dessau, Urteil v. 09. 07. 2003, Az.: 1 A 499/01 (zit. nach juris Rn. 23). 148 Hierzu Kunert, NordÖR 2004, S. 421. 149 Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 21; Hansmann, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band II, 51. Auflage 2007, 4. BImSchV § 1 Rn. 26. 150 Mit einem positiven Ergebnis allerdings nur: OVG Koblenz, ZNER 2004, S. 89 (91 f.). Geprüft, aber verneint: OVG Lüneburg, ZNER 2004, S. 84 (86); VG Halle, Urteil v. 14. 05. 2003, Az.: 2 A 424/00 (zit. nach juris Rn.26 f.); VG Dessau, Urteil v. 9. 07. 2003, Az.: 1 A 499/01 (zit. nach juris Rn. 23). 151 OVG Koblenz, ZNER 2004, S. 89 (92). 152 OVG Koblenz, ZNER 2004, S. 89 (92); OVG Lüneburg, ZNER 2004, S. 84 (86). Die Probleme der „Salami-Taktik“ wurden auch in dem Bericht der Kommission vom 02. 06. 2003 an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung und den Nutzeffekt der UVP-Richtlinie, KOM (2003) 334 endg., angesprochen (vgl. Punkt 4.3.15).

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2. Das „Windfarm-Urteil“ des BVerwG Das BVerwG hat sich mit der Problematik der „Salami-Taktik“ in der sog. „Windfarm-Entscheidung“ vom 30. 06. 2004 beschäftigt. 153 Zur Beurteilung stand ein Fall, in dem der Kläger zunächst die Erteilung von Bauvorbescheiden für die Errichtung von vier Windenergieanlagen begehrt hatte, die alle innerhalb eines bestimmten Flurstücks errichtet werden sollten. Als die gegen die Ablehnung der Bauvorbescheide gerichtete Klage erfolglos blieb, schrieb der Kläger im Berufungsverfahren zwei der Anlagen auf eine Privatperson um, so dass bei formaler Betrachtung zwei Antragsteller Baugenehmigungen für jeweils zwei Anlagen beantragten. Das OVG Koblenz nahm hier einen Umgehungsversuch des Immissionsschutzrechts an. Es handele sich trotz des Bauherrenwechsels gleichwohl um eine „gemeinsame Anlage“ i. S. d. § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV, die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfe. 154 Das BVerwG wies die dagegen gerichtete Revision unter Hinweis auf die auch aus seiner Sicht bestehende Notwendigkeit, das Vorhaben nach Immissionsschutzrecht zuzulassen, zurück. Die vier in Rede stehenden Anlagen stellten trotz der zwei unterschiedlichen Betreiber eine „genehmigungsrechtlich unauflösbare Einheit“ dar. 155 Dies folge allerdings entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht aus § 1 Abs. 3 der 4. BImSchV. Stattdessen knüpft das Gericht unmittelbar an den aus der UVP-Änderungsrichtlinie übernommenen Begriff der „Windfarm“ in Nr. 1.6 des Anhangs zur 4. BImSchV sowie in Nr. 1.6. der Anlage 1 des UVPG an. Eine solche „Windfarm“ und damit eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage liege bereits dann vor, „wenn drei oder mehr Windkraftanlagen einander räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche überschneiden oder wenigstens berühren“. 156 Damit wird letztlich allein die Anzahl der in Rede stehenden Windenergieanlagen als relevanter Maßstab angesehen. Ob die Anlagen durch einen oder mehrere Betreiber betrieben oder ob sie gleichzeitig oder sukzessive errichtet werden, soll nach Auffassung des BVerwG ohne Bedeutung sein. Zur Begründung dieser allein räumlich-wirkungsbezogenen Zählweise stellt das BVerwG im Wesentlichen auf die EG-rechtlichen Vorgaben der UVP-Änderungsrichtlinie ab. Danach müsse gewährleistet sein, dass bei jeder „Windfarm“ die UVP-Pflicht geprüft werde, weil sich hier – anders als bei Einzelanlagen – die Auswirkungen auf die in Art. 3 UVP-Richtlinie genannten Schutzgüter summierten. Dementsprechend habe der deutsche Gesetzgeber sowohl im UVPG als auch im BImSchG eine untere Relevanzschwelle von drei Windkraftanlagen eingeführt. Eine Mehrheit 153 154 155 156

BVerwG, NVwZ 2004, S. 1235 ff. OVG Koblenz, ZNER 2004, S. 89 ff. BVerwG, NVwZ 2004, S. 1235 (1236). BVerwG, NVwZ 2004, S. 1235 (1236).

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von Betreibern könne eine Anwendung der Nr. 1.6 des Anhangs der 4. BImSchV nicht ausschließen. 157 Mit dieser Begründung greift das BVerwG im Prinzip die Argumentation des OVG Koblenz auf: in Bezug auf die Umweltauswirkungen – und somit aus Sicht des Gemeinschaftsrechts – ist es unerheblich, ob eine aus einer Vielzahl von Einzelanlagen bestehende Gesamtanlage von einer oder mehreren Personen betrieben wird. Das „Windfarm-Urteil“ ist in der Literatur auf gemischte Reaktionen gestoßen. 158 Bemängelt wurde insbesondere, dass durch die Entscheidung der im Immissionsschutzrecht herrschende Grundsatz der Betreiberidentität durchbrochen würde 159, die Genehmigungspraxis unnötig verkompliziert würde und es deswegen zu einer breiten Verunsicherung in der Rechtspraxis gekommen sei. 160 So wurde beispielsweise in dem Urteil nicht näher ausgeführt, wie der räumliche Einwirkungsbereich von Windkraftanlagen und ein Überschneiden bzw. Berühren der Einwirkungsbereiche in der Praxis bestimmt werden soll. 161 Der Gesetzgeber sah sich daher veranlasst, auf die in der Folge des „Windfarm-Urteils“ aufgetauchten Probleme zu reagieren. Seit dem 01. 07. 2005 sind nunmehr alle Windkraftanlagen mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig (vgl. Nr. 1.6. des Anhangs der 4. BImSchV n. F.). 162 Anknüpfungspunkt ist nicht mehr der umstrittene Begriff der „Windfarm“, sondern die Anlagenhöhe jeder einzelnen Anlage. Damit ist das Baugenehmigungsverfahren für Windenergieanlagen de facto abgeschafft worden, weil Anlagen unterhalb dieser Schwelle in der Praxis kaum auftauchen. 157

BVerwG, NVwZ 2004, S. 1235 (1236, 1237). Kritisch hierzu: Lecheler, ZNER 2005, S. 127 (127 f.); Gellermann, NVwZ 2004, S. 1199 (1200 ff.); Murswiek, JuS 2005, S. 189 (192). Ein gemischtes Fazit geben ab: Kunert, NordÖR 2004, S. 421 ff.; Wustlich, NVwZ 2005, S. 996 (997). 159 Gellermann, NVwZ 2004, S. 1199 (1200 f.). 160 Wustlich, NVwZ 2005, S. 996 (997); Kunert, NordÖR 2005, S. 354 (355). Rechtsunsicherheit bestand zudem hinsichtlich solcher Anlagen, die noch nach der alten Praxis genehmigt worden waren und daher auf Grund einer Baugenehmigung betrieben wurden. Vgl. dazu: Lecheler, ZNER, S. 127 (128 f.). 161 So stellt z. B. das OVG Lüneburg, Beschluss v. 20. 09. 2004, Az.: 7 ME 233/03, allein auf die summierenden Lärmimmissionen ab (zit. nach juris Rn. 4); dagegen will das VG Magdeburg, Urteil v. 03. 06. 2005, Az.: 4 A 309/03 (zit. nach juris Rn. 21 f.) sowie Urteil v. 30. 06. 2005, Az.: 4 A 276/03 (zit. nach juris Rn. 20), neben dem Lärmschutz auch die visuellen Auswirkungen berücksichtigen. Nach Auffassung des OVG Brandenburg, Urteil v. 09. 09. 2005, Az.: 11 S 14/05 (zit. nach juris Rn. 12) soll ein Überschneiden oder Berühren der Einwirkungsbereiche in der Regel nicht mehr gegeben sein, wenn zwischen zwei Anlagen eine Entfernung von mehr als dem 10-fachen des Rotordurchmessers liegt. Für eine Beurteilung anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls dagegen: VGH München, NVwZ 2007, S. 1213 (1214); OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1209 f.). 162 Änderungsverordnung v. 20. 06. 2005, BGBl. I S. 1687 ff. 158

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Grundsätzlich ist jetzt das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Verfahren nach § 19 BImSchG durchzuführen, sofern nicht zur Genehmigung der Anlage nach dem UVPG ein Verfahren mit UVP durchzuführen ist, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. c der 4. BImSchV. Durch diese Neuregelungen wurde die vom BVerwG aufgeweichte Einheit von Betreiber und Anlage wiederhergestellt. Dies wird durch die Ergänzung in § 1 Abs. 1 S. 4 der 4. BImSchV nochmals hervorgehoben, der für die Genehmigungsbedürftigkeit ausdrücklich auf den Betriebsumfang der durch denselben Betreiber betriebenen Anlage Bezug nimmt. 3. Erledigung der Umgehungsproblematik durch die neue Gesetzeslage? Obwohl die Genehmigungsbedürftigkeit von Windenergieanlagen durch die Neuregelung grundlegend geändert worden ist, bleibt die Problematik der unterlassenen UVP und einer damit einhergehenden falschen Verfahrenswahl in diesem Bereich weiterhin bestehen. Zwar ist durch das Abstellen auf jede einzelne Windenergieanlage sowie die klarstellende Ergänzung in § 1 Abs. 1 S. 4 der 4. BImSchV sichergestellt, dass sich die Genehmigungsbedürftigkeit nach dem BImSchG allein aus der Anlage selbst und nicht unter Berücksichtigung von Windenergieanlagen Dritter ergibt. Im Gegensatz zur früheren Praxis kann das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren nicht mehr durch die absichtliche Aufsplitterung von Projekten umgangen werden. Allerdings bleibt die Problematik der „Salami-Taktik“ immer noch für die Frage relevant, ob das Vorhaben im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG genehmigt werden kann, oder ob das förmliche Zulassungsverfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werden muss, weil das Vorhaben UVP-pflichtig ist. Die Nr. 1.6 der Anlage 1 zum UVPG wurde an die Gesetzesänderungen nämlich lediglich in der Form angepasst, dass fortan nur noch die „Errichtung und der Betrieb einer Windfarm mit Anlagen mit einer Gesamthöhe von jeweils mehr als 50 Metern“ UVP-rechtlich erfasst ist. Mithin bleibt hier, im Gegensatz zum Immissionsschutzrecht, der Begriff der „Windfarm“ einschließlich der jeweiligen Schwellenwerte erhalten. Zwar können gemäß § 3b Abs. 2 UVPG durchaus Vorhaben unterschiedlicher Träger zur Feststellung des Überschreitens der maßgeblichen Größenordnung als sog. „kumulierende Vorhaben“ zu einer Bewertungseinheit zusammengefasst werden. Dies gilt aber nur dann, wenn die jeweiligen Vorhaben für sich genommen mindestens die Werte für eine standortbezogene Vorprüfung im Einzelfall erreichen (vgl. § 3b Abs. 2 S. 3 UVPG). Bezogen auf die UVP-Pflicht bei Windenergieanlagen muss also für eine solche Zurechnung die Errichtung von mindestens drei Anlagen beabsichtigt sein. Werden von unterschiedlichen Betreibern gleichzeitig nur Genehmigungen für maximal zwei Anlagen beantragt, besteht keinerlei Gefahr, dass ein förmliches Verfahren nach § 10 BImSchG durchgeführt werden muss, weil noch nicht einmal eine standortbezogene Vorprüfung über die UVP-Pflicht stattfindet.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Gleiches gilt im Falle einer sukzessiven Errichtung der Windkraftanlagen. Eine Anwendung der §§ 3b Abs. 3, 3e UVPG scheidet ebenfalls aus, weil es sich bei der Errichtung durch unterschiedliche Betreiber nicht um die Erweiterung eines bereits bestehenden Vorhabens, sondern um ein neues Vorhaben handelt. Eine betreiberübergreifende Betrachtungsweise käme wiederum nur unter den Voraussetzungen des § 3b Abs. 2 UVPG in Frage, also nur dann, wenn mindestens drei Anlagen beantragt werden. Soll folglich vermieden werden, dass die Betreiber abermals auf die „SalamiTaktik“ zurückgreifen, um dem förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren und einer UVP mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung zu entgehen, muss zur Bestimmung der Windfarmgröße weiterhin auf die vom BVerwG entwickelte räumlich-wirkungsbezogene Zählweise zurückgegriffen werden. UVP-pflichtig und im förmlichen BImSchG-Verfahren genehmigungspflichtig sind dann alle Windenergieanlagen über 50 Meter Gesamthöhe, die anderen Windenergieanlagen dieser Höhe räumlich so zugeordnet sind, dass sich ihre Einwirkungsbereiche mindesten berühren und die mit diesen Windenergieanlagen zusammen die Anlagenzahl zwanzig bzw. nach positiver Vorprüfung die Anlagenzahl sechs oder drei erreichen. 163 Die Frage, wann sich eine Anlage im „Einwirkungsbereich“ einer Windfarm befindet, wird somit weiterhin aktuell bleiben. Eine Anwendung der bundesverwaltungsgerichtlichen Zurechnungsregeln im UVPG ist allerdings nicht völlig unbedenklich. Zum einen sind hier die Vorbehalte aufzugreifen, die bereits im Rahmen der Einführung der Kumulationsvorschrift des § 3b Abs. 2 UVPG diskutiert wurden. Bereits dort wurde unter praktischen Gesichtspunkten zu Bedenken gegeben, dass dem Projektträger unberechtigt ein Vorhaben Dritter zugerechnet werde, für das er keine Verantwortung trage. Es sei unklar, wie der Projektträger die Planung und die Abstimmung des Projekts mit dem ihm oft unbekannten Vorhaben eines anderen Trägers gewährleisten solle. 164 Letztlich wurde die Regelung des § 3b Abs. 2 UVPG aber dennoch für erforderlich gehalten, um eine vollständige Umsetzung der Vorgaben der UVP-Änderungsrichtlinie zu gewährleisten und der Rechtsprechung des EuGH in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. 165 Der EuGH hatte nämlich in Bezug auf die Festlegung der Schwellenwerte für die UVP-Pflicht von Projekten gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. b UVP-ÄndRL ausgeführt, dass der den 163

Kunert, NordÖR 2005, S. 354 (357); ebenso Wustlich, NVwZ 2005, S. 996 (998). Einwand des Wirtschaftsausschusses in BR-Drs. 674/1/00, S. 16 (Nr. 14). Vgl. hierzu auch Dienes, in: Hoppe, UVPG, § 3b Rn. 12 ff. Zur der Frage, inwieweit durch die Regelung des § 3b Abs. 2 UVPG das Prinzip der Betreiberidentität aufgegeben werden sollte: Gellermann, NVwZ 2004, S. 1199 (1201). 165 Beschlussempfehlung und Bericht des Bundestagsausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit v. 03. 04. 2001, BT-Drs. 14/5750, S. 127. 164

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren

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Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang zustehende Ermessensspielraum überschritten wäre, „wenn ein Mitgliedstaat lediglich ein Kriterium der Projektgröße festlegte, ohne sich außerdem zu vergewissern, dass das Regelungsziel nicht durch die Aufsplitterung von Projekten umgangen würde“ 166. Diese Gefahr ist auch nach der neuen Gesetzeslage nach wie vor aktuell, weil gemäß § 3b Abs. 2 UVPG die bereits bestehenden Anlagen anderer Betreiber erst dann zur Feststellung der UVP-Pflicht miteinbezogen werden können, wenn mindestens drei neue Anlagen hinzutreten sollen. Sowohl die europarechtlichen Vorgaben als auch der Wille des deutschen Umsetzungsgesetzgebers können nur durch die Anwendung der betreiberübergreifenden Zählweise des BVerwG tatsächlich erfüllt werden. Alleine auf diese Weise kann die Problematik der „Salami-Taktik“ und damit einhergehend das rechtswidrige Unterlassen einer UVP verhindert werden. III. Ergebnis Der Verfahrensfehler der rechtswidrig unterlassenen UVP ist in der Praxis häufig mit einem Verfahrensartfehler verbunden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Wahl des richtigen Genehmigungsverfahrens oftmals davon abhängt, ob das Vorhaben einer UVP unterzogen werden muss oder nicht. Insofern ist für die Zuordnung zum richtigen Verfahren von entscheidender Bedeutung, dass die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens richtig erkannt wird. Dies kann insbesondere bei der Zulassung von Windenergieanlagen weiterhin Probleme bereiten. Hier fehlt es nach wie vor an eindeutigen Kriterien, ab wann Anlagen einander räumlich so zugeordnet sind, dass sie sich in ihren Einwirkungsbereichen überschneiden und somit zusammen die UVP-rechtliche Relevanzschwelle von drei Anlagen erreichen. Wird das Vorliegen einer „Windfarm“ zu Unrecht verneint, führt die Behörde unter Umständen statt des erforderlichen förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG nur ein vereinfachtes Verfahren nach § 19 BImSchG durch. Unabhängig von dieser speziellen Problematik im Bereich der Windenergieanlagen stellt sich die Frage der richtigen Verfahrenswahl immer dann, wenn die UVP-Pflicht aufgrund einer Vorprüfung im Einzelfall geklärt werden muss. Diese Konstellation birgt insgesamt das größte Fehlerpotential, weil die Behörde in diesen Fällen lediglich eine Prognoseentscheidung treffen kann, die stets mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist. Kommt die Behörde zu dem fehlerhaften Schluss, dass eine UVP nicht erforderlich ist, zieht dies häufig einen Verfahrensartfehler nach sich. Die Möglichkeiten des Drittklägers, gegen die im falschen Verfahren erteilte Zulassung des Vorhabens gerichtlich vorzugehen, sind grundsätzlich sehr 166

EuGH, Rs. C-392/96 (Kommission / Irland), Slg. 1999, I-5901, Rn. 75 f.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

eingeschränkt. 167 Fungiert ein Zulassungsverfahren jedoch gleichzeitig als Trägerverfahren für eine UVP, müssen auch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Eröffnung von Rechtsschutzmöglichkeiten eine Rolle spielen. Inwieweit dies bislang berücksichtigt wurde und wie die Rechtslage seit Erlass des neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes gestaltet ist, wird noch im Einzelnen zu untersuchen sein. 168

C. Die materiell-rechtliche Bedeutung der UVP Es ist nach wie vor umstritten, ob die UVP rein verfahrensrechtlicher Natur ist oder ob ihr angesichts ihrer Wirkung im Rahmen der fachgesetzlichen Zulassungsentscheidungen auch ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Diese Frage ist insofern von Bedeutung, als die hierzu vertretenen unterschiedlichen Ausgangspositionen in der Vergangenheit zu einer unterschiedlichen Beurteilung im Hinblick auf die Folgen einer unterlassenen UVP geführt haben. 169 I. Die Bedeutung des § 12 UVPG Festzuhalten ist, dass die UVP zunächst dazu dient, die Auswirkungen eines Vorhabens auf die Umwelt in einem systematischen und umfassenden Verfahren herauszuarbeiten. Wie bereits erwähnt, ist das Ergebnis der Prüfung nicht (mit)entscheidend in dem Sinne, dass umweltunverträgliche Vorhaben nicht mehr genehmigungsfähig sind. Die Zulässigkeit eines Projekts richtet sich grundsätzlich weiterhin nach den materiellen Voraussetzungen der Fachgesetze. Damit stellt die UVP zunächst ein Verfahrensinstrument dar. Allerdings macht die Durchführung einer UVP letztlich nur dann Sinn, wenn ihre Erkenntnisse auch für die Entscheidungsfindung von Bedeutung sein können. Andernfalls würde auch das Ziel der UVP, den Umweltschutz zu verbessern, verfehlt. 170 Dementsprechend verlangt Art. 8 der UVP-Richtlinie 85/337/EWG, dass die durch die UVP gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zu berücksichtigen sind. Diese Schnittstelle 171 zwischen der UVP und der Zulassungsentscheidung ist in § 12 UVPG geregelt. Die Vorschrift unterscheidet – entsprechend Art. 3 und Art. 8 der UVP-Richtlinie – zwischen der Bewertung der Umweltauswirkungen, die der Entscheidungsvorbereitung dient, und der Berücksichtigung des Bewertungsergebnisses, die Bestandteil der 167 168 169 170 171

Siehe hierzu oben § 4. Vgl. § 10 B. III. 1. sowie § 13 B. III. Hierzu unter § 10. Schink / Erbguth, DVBl. 1991, S. 413 (414). So Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 1.

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren

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Zulassungsentscheidung ist. 172 Beides soll „im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge i. S. d. §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 2 und 4 nach Maßgabe der geltenden Gesetze“ erfolgen 173. Nach der Gesetzesbegründung werden durch § 12 UVPG die „gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen in ihrer jeweiligen Ausgestaltung nicht verändert“. 174 Dennoch wird der UVP aufgrund dieser Vorschrift vielfach eine materiell-rechtliche Wirkung entnommen 175, wobei die Frage, wodurch dieser materiell-rechtliche Gehalt vermittelt wird bzw. worin er genau besteht, unterschiedlich beantwortet wird. 1. Veränderung der materiellen Entscheidungskriterien Teilweise wird eine materiell-rechtliche Wirkung der UVP mit dem Verweis auf den Grundsatz der wirksamen Umweltvorsorge in § 12 i.V. m. den §§ 1, 2 Abs. 1 S. 2 und 4 UVPG begründet, da diesem die Funktion eines gesetzlichen Auslegungstopos zukomme. 176 Die „geltenden (Fach-)Gesetze“ seien insofern nicht der alleinige Maßstab für die Bewertung der Umweltauswirkungen. Vielmehr werde die Auslegung und Anwendung des Fachrechts „im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge“ gemäß § 12 UVPG so gesteuert, dass alle in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG genannten Umweltgüter bestmöglich im Sinne eines medienübergreifenden Ausgleichs geschützt werden. 177 Eine solche optimierende Prüfungsausrichtung könne über unbestimmte Rechtsbegriffe wie z. B. „Wohl der 172

Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 1; Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 1. Nach h. M. bezieht sich die Vorgabe „nach Maßgabe der geltenden Gesetze“ nicht nur auf die Berücksichtigung, sondern auch auf die Bewertung: Gassner, UVPG, § 12 Rn. 12; Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 6; Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 25; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 368; siehe insoweit auch die eindeutige Gesetzesbegründung zum UVPG in BT-Drs. 11/3919, S. 27. 174 Regierungsentwurf zum UVPG, BT-Drs. 11/3919, S. 27. 175 Gassner, UVPG, § 12 Rn. 15; Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 2; Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 2; Vorwerk, DV 1996 (29), S. 241 (244); Wahl, DVBl. 1988, S. 86 (87); Erbguth, NuR 1997, S. 261 (265); derselbe, UPR 2003, S. 321 (324); Schink, NVwZ 1999, S. 11 (12); derselbe, NuR 2003, S. 647 (649); Beckmann, NuR 2003, S. 715 (719); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (864); Feldmann, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, § 34 Rn. 121 ff.; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 211; Dietrich / Au / Dreher, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 93 ff.; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 83; Steinberg, DÖV 1996, S. 221 (228); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 30. 176 Bohne, ZAU 1990, S. 341 (345); Feldmann, UPR 1991, S. 127 (130) noch in Bezug auf einen früheren Entwurf der UVP-VwV v. 19. 06. 1991; derselbe, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, § 34 Rn. 122; Lange, DÖV 1992, S. 780 (781, 784); Vorwerk, DV (29) 1996, S. 241 (244 f.); Peters, UVPG, § 12 Rn. 17 mit Verweis auf Nr. 0.6.1.2. Abs. 1 i.V. m. Nr. 0.6.2.1. Abs. 1 S. 1 UVP-VwV; Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 368 spricht ebenfalls von einer „vorsorgeorientierten Interpretation der Fachgesetze“. 177 Feldmann, UPR 1991, S. 127 (130); Sparwasser / Engel / Voßkuhle, Umweltrecht, § 4 Rn. 30. 173

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Allgemeinheit“ (§ 6 WHG) oder „schädliche Umwelteinwirkungen“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) erfolgen. 178 Gleiches soll für die Ausübung des Ermessens oder der planerischen Gestaltungsfreiheit im Rahmen von Planfeststellungen gelten. 179 Diese materielle Steuerungsfunktion der UVP habe zwar nicht die gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen, aber den Gehalt der fachgesetzlichen Umweltanforderungen verändert. 180 Das ergebe sich auch aus dem Bericht des Bundestagsausschusses, auf dessen Vorschlag hin der entscheidende Passus „im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge im Sinne der §§ 1, 2 Abs. 1 S. 2 und 4“ überhaupt erst in § 12 UVPG eingefügt wurde. 181 Die Fachgesetze würden so zum Zwecke der Bewertung gewissermaßen um eine materiell-rechtliche medienübergreifende Prüfungskomponente angereichert bzw. fänden nur mit den besonderen Maßgaben des § 12 UVPG Anwendung. 182 Wäre § 12 UVPG i.V. m. den §§ 1, 2 Abs. 1 S. 2 und 4 UVPG tatsächlich in diesem Sinne zu verstehen, hätten sich hierdurch die materiell-rechtlichen Maßstäbe für die Berücksichtigung und die Bewertung der Umweltverträglichkeit verändert. 183 Dem wird jedoch entgegengehalten, dass der Gesetzgeber bei Einführung der UVP offensichtlich keine Notwendigkeit gesehen habe, den Wortlaut der tatbestandlichen Zulassungsvoraussetzung an vermeintlich neue Vorgaben anzupassen. 184 Eine veränderte, auch Wechselwirkungen berücksichtigende Auslegung der Fachgesetze wäre jedoch zwangsläufig mit einer Veränderung der 178 Peters, UVPG, § 12 Rn. 24 ff.; Vorwerk, DV (29) 1996, S. 241 (244 f.); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 83. 179 Zum Ermessen Feldmann, UPR 1991, S. 127 (131); zur planerischen Gestaltungsfreiheit Bohne, ZAU 1990, S. 341 (346). 180 Feldmann, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, Bd. I, § 34 Rn. 122; zustimmend Erbguth / Stollmann, ZUR 2000, S. 379 (380); Peters, UVPG, § 12 Rn. 17. 181 In dem Bericht des Umweltausschusses wird auf die Auffassung der Koalitionsfraktionen verwiesen: „Die unbestimmten Rechtsbegriffe z. B. im Bundes-Immissionsschutzgesetz oder im Wasserhaushaltsgesetz wie „schädlich“, „nachteilig“ oder „gemeinwohlbeeinträchtigend“ bekämen durch das UVPG einen neuen Gehalt, da der integrative, medienübergreifende Ansatz der UVP bei der Anwendung dieser Gesetze mit einfließe. UVP-pflichtige Vorhaben wären also unter Berücksichtigung des gesamthaften Ansatzes der UVP nunmehr gegebenenfalls anders zu beurteilen als nach bisherigem Recht.“ (BT-Drs. 11/5532, S. 31). Die vorgeschlagene Einfügung in § 12 UVPG wurde vom Umweltausschuss zudem wie folgt begründet: „Durch die Änderung wird der materielle Regelungsgehalt des Gesetzes im Sinne einer medienübergreifenden, integrativen UVP deutlicher gemacht. Hierzu trägt insbesondere der Verweis auf die in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG aufgeführten Schutzgüter als Bewertungsmaßstab bei.“ (BT-Drs. 11/5532, S. 38). Auf diese Entstehungsgeschichte des § 12 UVPG weisen hin: Heitsch, NuR 1996, S. 453 (458); Steinberg, DÖV 2000, S. 85 (90); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 83 f. 182 Heitsch, NuR 1996, S. 453 (458); Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 368; Sellner, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 401 (406). 183 So ausdrücklich Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 83. 184 Bartunek, Probleme des Drittschutzes bei der Planfeststellung, S. 78.

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Vorschriften selbst verbunden. 185 Entscheidend sei, dass § 12 UVPG in seiner endgültigen Fassung weiterhin die geltenden Gesetze für die Bewertung und die Berücksichtigung als Maßgabe benennt. Angesichts dieses klaren Wortlauts und der hierzu getroffenen Aussage in der Begründung des Regierungsentwurfs, dass die gesetzlichen Entscheidungsgrundlagen in ihrer jeweiligen Ausgestaltung nicht verändert würden, sei die Vorstellung, dass die Zulassungsnormen durch eine erweiterte Auslegung im Sinne eines optimalen Umweltschutzes modifiziert werden könnten, abzulehnen. 186 Die Anwendung und Auslegung des Zulassungsrechts sei nicht Regelungsgegenstand des § 12 UVPG. 187 Dagegen sprächen auch die rechtssystematischen Ungereimtheiten, die sich auftäten, wenn ein und derselbe fachgesetzliche Zulassungstatbestand bei unverändertem Wortlaut eine unterschiedliche Auslegung erfahre, je nachdem, ob es sich um ein UVP-pflichtiges Vorhaben handelt oder nicht. 188 2. „Einwirkung“ auf das materielle Zulassungsrecht Diejenigen, die einer veränderten Auslegung der nationalen Zulassungsvoraussetzungen über den Begriff der Umweltvorsorge kritisch gegenüberstehen, lehnen eine materielle Bedeutung der UVP aber nicht alle gänzlich ab. Zwar wür185 Vgl. Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 78, wonach man nicht davon ausgehen könne, dass man eine Vorschrift unverändert lasse, indem man „lediglich“ die Auslegung verändere. Ebenso Heitsch, NuR 1996, S. 453 (458): „Versuch, bei unverändertem Wortlaut der Fachgesetze deren Inhalt unter der Hand zu ändern“; Unklar insoweit Peters, UVPG, § 12 Rn. 17, der von möglichen „Veränderungen des Fachrechts im Rahmen seines Wortlauts“ spricht, aber sich zugleich in § 12 Rn. 4 der Auffassung des BVerwG anschließt, wonach es dem Normgeber fern lag, das Fachrecht in Richtung auf eine verstärkte Umweltvorsorge materiell anzureichern. 186 Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (488 f.); Di Fabio, NVwZ 1998, S. 329 (333); Gassner, UVPG, § 12 Rn. 20; Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 80; Appold, in: Hoppe, UVPG, § 1 Rn. 26; Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 10; Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 63 Rn. 102; Bartunek, Probleme des Drittschutzes, S. 77 ff.; einschränkend Schink, NuR 1998, S. 173 (177), wonach es lediglich bei offenen Tatbeständen, wie es das Merkmal des „Wohls der Allgemeinheit“ darstelle, denkbar sei, dass die Auslegung dieses Begriffs UVP-orientiert gesteuert wird. Dies gelte jedoch nicht für § 5 BImSchG, der selbst bestimmte Zulassungsvoraussetzungen benenne. 187 Gassner, UVPG, § 12 Rn. 23 und Rn. 19 f., wonach der Aussage „im Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge“ lediglich ein programmatischer Charakter zukomme, was sich daran zeige, dass zwischen dem Ziel, eine wirksame Umweltvorsorge zu fördern und dem Mittel, durch welches das Ziel erreicht werden soll, nämlich der Anwendung der Gesetze, unterschieden würde; ähnlich Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (489); Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 5. Vgl. auch 0.6.1.3.UVPVwV, wonach zur Konkretisierung der Umweltanforderungen der Fachgesetze und der Anforderungen der §§ 1 und 2 Abs. 1 S. 2 und 4 UVPG die herkömmlichen rechtlichen Auslegungsverfahren heranzuziehen sind. 188 Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 102; Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 78; Schink, NuR 1998, S. 173 (176 f.).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

den die materiellen Zulassungsvoraussetzungen durch die UVP weder verschärft noch verändert, dennoch gehe sie über eine rein verfahrensrechtliche Funktion hinaus und wirke auch in das materielle Zulassungsrecht hinein. 189 Auch diese Auffassung stützt sich im Wesentlichen auf § 12 UVPG. Die dort normierte Berücksichtigungspflicht mache deutlich, dass die im UVP-Verfahren gewonnenen Erkenntnisse über die Umweltbelastungen eines Projekts in den maßgeblichen Entscheidungsprozess einfließen sollen. 190 Die zuständigen Behörden hätten sich demzufolge auch (materiell)-inhaltlich mit dem Bewertungsergebnis auseinander zu setzen. Zwar komme den Umweltaspekten kein abstrakter Vorrang vor anderen bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Belangen zu, weil dies mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – auf dem letztlich die Abwägung unterschiedlicher Belange in staatlichen Abwägungsprozessen beruht – unvereinbar wäre. Es müsse aber dennoch möglich sein, dass die Zulassungsentscheidung aus Gründen der Umweltverträglichkeit verweigert oder mit Auflagen versehen wird. 191 Nur so könne den Umweltbelangen über die einschlägigen materiellen Normen des Fachrechts in möglichst großem Umfang die gebührende Bedeutung beigemessen werden. 192 Die materielle Komponente der UVP wird häufig auch mit ihrer Stellung in der planerischen Abwägung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens begründet. So sei das Bewertungserfordernis der UVP unmittelbar auf die Gewichtung in der Abwägung und die Berücksichtigung i. S. d. § 12 UVPG auf den Ausgleich der Belange als dritten und abschließenden Schritt planerischer Abwägung gerichtet. 193 Da die Anforderungen rechtsstaatlich ordnungsgemäßer Ermittlung und Bewertung im Rahmen der Abwägung aber solche des materiellen Rechts darstellten, bleibe eine Einwirkung der UVP auf das materielle Recht nicht aus. 194 189 Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 2; Gassner, UVPG, § 12 Rn. 15; Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (864); Schink, NuR 2003, S. 647 (649), der ausdrücklich betont, dass die UVP keine materiell-rechtliche Relevanz in dem Sinne hat, dass sie die materiellrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen eines Projekts verändert oder ergänzt, ihr aber dennoch eine mittelbare materielle Komponente zugesteht; derselbe, NuR 1999, S. 11 (12). 190 Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 22; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 211. 191 Beckmann, in: Hoppe, UVPG, § 12 Rn. 66; Erbguth / Schink, UVPG, § 12 Rn. 19 und 22; Gaentzsch, UPR 2001, S. 287 (291); Erbguth, NuR 1997, S. 261 (265); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 3 Rn. 79; Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, S. 211 Fn. 196 und S. 212: „Die UVP verlangt nicht, dass die Ergebnisse in irgendeiner Form präjudiziert werden“; so auch die amtliche Begründung in BT-Drs. 11/3919, S. 27. 192 Schink, NuR 2003, S. 647 (649). 193 Erbguth, NuR 1997, S. 261 (265); zustimmend Schink, NVwZ 1999, S. 11 (12); derselbe, NuR 2003, S. 647 (649); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (864). 194 Erbguth, NuR 1997, S. 261 (265). Dieser bezeichnet die UVP-Bestimmungen daher auch als „janusköpfig“, da sie einerseits Verfahrensrecht darstellen, andererseits

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Andere gehen noch einen Schritt weiter und bezeichnen sowohl die Berücksichtigung als auch die Bewertung in § 12 UVPG unmissverständlich als materiell-rechtliche Rechtsakte. Dass sie ihre Maßstäbe nicht dem UVPG entnehmen, sondern den „geltenden Gesetzen“ ändere daran nichts. 195 II. Die Auffassung der Verwaltungsgerichte 1. Ansicht des VGH München und des OVG Koblenz Der VGH München und das OVG Koblenz gehen ebenso wie ein Teil der Literatur davon aus, dass die UVP auf das materielle Recht einwirkt, weil die Ermittlung und Bewertung von Belangen zum Entscheidungsprogramm der Fachplanungsbehörden („Abwägungsgebot“) gehöre. 196 Zwar führe die UVP zu keiner Verschärfung der materiellen Maßstäbe, aber zu einer genaueren Erfassung, Sichtbarmachung und Darstellung der Umweltauswirkungen und damit zu einer verbesserten und leistungsfähigeren Anwendung der vorhandenen materiellen Standards. 197 Der durch eine solche separate förmliche UVP vor der eigentlichen Abwägung erlangte Erkenntnisgewinn führe zu einer gesteigerten Wahrnehmbarkeit der tatsächlichen Betroffenheit eines Umweltbelangs. Insbesondere werde durch die Herausarbeitung einer gebündelten Entscheidungsgrundlage verhindert, dass die Umweltbelange in der Abwägung gewissermaßen vereinzelt werden, so dass ihre Bedeutung (insbesondere auch in ihren Wechselbeziehungen) unterschätzt wird. 198 Insofern erhielten die unveränderten materiellen Anforderungen über die UVP eine „erhöhte Transparenz und Rationalität“, was nicht ohne „Rückwirkung auf die Normstruktur des materiellen Rechts“ bleibe. 199 Aus alledem folgern der VGH München und das OVG Koblenz eine eigenständige Bedeutung der UVP und beschreiben ihre über eine reine Verfahrensregelung hinausgehende Funktion mit dem Gedanken der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“. 200 der Ermittlung und Bewertung vom Umweltbelangen im Rahmen des Ermittlungs- und Bewertungsvorgangs als Schritt der planerischen Abwägung dienen. Ähnlich Gassner, UVPG, § 12 Rn. 15, wonach die Bewertung sowohl ein Verfahrensschritt, als auch eine Vorentscheidung in der Sache sei. 195 Gassner, UVPG, § 12 Rn. 15; ähnlich: Epiney, Umweltrecht in der europäischen Union, S. 212, die von einer „materiellen Berücksichtigungspflicht“ spricht. 196 VGH München, DVBl. 1994 S. 1199 (1200); OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146 (149). 197 VGH München, NuR 1994, S. 244 (245). 198 VGH München, DVBl. 1994 S. 1199 (1200); OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146 (149). 199 VGH München, DVBl. 1994 S. 1199 (1200). 200 VGH München, DVBl. 1994 S. 1199 (1200); OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146 (149); ähnlich auch VGH München, NuR 1993, S. 285 (286).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

2. Ansicht des BVerwG Das BVerwG geht demgegenüber von einer rein verfahrensrechtlichen Bedeutung der UVP aus. Das Umweltrecht habe durch die UVP-Richtlinie keine materielle Anreicherung erfahren. Vielmehr beschränke sich die gemeinschaftsrechtliche Regelung auf verfahrensrechtliche Anforderungen im Vorfeld der Sachentscheidung, zu der ein Bezug nur insoweit hergestellt werde, als das Ergebnis der UVP gemäß Art. 8 „im Rahmen des Genehmigungsverfahrens“ zu berücksichtigen sei. 201 Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Zulassungstatbestände materiell zu verschärfen, bestünde demnach nicht und sei durch den deutschen Gesetzgeber bei der Schaffung des UVPG auch nicht erfolgt. 202 Auch die entsprechenden fachgesetzlichen Anpassungen erschöpften sich lediglich in der deklatorischen Bekräftigung, dass eine UVP stattzufinden habe, weshalb es sich verbiete, die Gesetze so auszulegen, dass die UVP als Element eines erweiterten materiellen Gehalts zur Geltung komme. 203 Das BVerwG betont insbesondere, dass es sich nicht etwa so verhalte, dass Umweltbelange, die bisher – im konkreten Fall – als nicht abwägungserheblich anzusehen und deshalb zu vernachlässigen gewesen wären, nunmehr erheblich wären oder dass Umweltbelange kraft Gesetzes einen höheren Stellenwert, eine gesetzliche Gewichtungsvorgabe oder gar Vorrang vor anderen Belangen hätten. 204 Insoweit besteht aber noch kein Widerspruch zu der Auffassung, die ebenfalls eine Verschärfung oder eine Veränderung der materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen durch die UVP ablehnt, ihr aber dennoch eine materielle Komponente aufgrund ihrem Anteil an der (richtigen) Entscheidungsfindung beimisst. 205 Auch hebt das BVerwG gleichermaßen die besondere Bedeutung der UVP im Zulassungsverfahren hervor und konkretisiert ihren spezifischen Gehalt an vier Punkten. So zeichne sich die UVP insbesondere durch die Erweiterung 201

BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); daran anschließend BVerwG 104, 337 (346); BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 429 (430); BVerwG, NuR 2008, S. 334 (337); BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 10). Zustimmend aus der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, NVwZ–RR 2004, S. 408 (409); OVG Lüneburg; NVwZ-RR 2004, S. 407 (408); OVG Koblenz, Urteil v. 09. 01. 2003, Az.: 1 C 10393/01 (zit. nach juris Rn. 36). 202 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790) mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 12 UVPG (BT-Drs. 11/3919, S. 27). 203 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790) mit Hinweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum Planvereinfachungsgesetz (BT-Drs. 12/4328). 204 BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 (1018); BVerwG 104, S. 236 (243); BVerwG, Beschluss v. 09. 7. 2003, Az.: 9 VR 1/03 (zit. nach Juris Rn. 9). 205 Vgl. oben unter § 9 C. I. 2. Erbguth, NuR 1997, S. 261 (265), weist in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf hin, dass das BVerwG offene Türen einrennt, wenn es darauf beharrt, im Wege der UVP sei kein gesetzlicher, gleichsam apriorischer Gewichtungsvorrang zugunsten der Umweltbelange geschaffen worden.

§ 9 Die Verzahnung von UVP und Zulassungsverfahren

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der Mitwirkungspflichten des Vorhabenträgers, durch den Grundsatz der Frühzeitigkeit, die zentrierte und gebündelte Vorabprüfung der Umweltbelange unter Ausschluss der sonstigen Belange und die Einführung des integrativen Ansatzes aus. 206 Aufgrund dieser Vorgaben werde das Zulassungsverfahren in bisher nicht vorgeschriebener Weise strukturiert. 207 Wie der VGH München und das OVG Koblenz sieht es durch diese von der UVP getroffenen Verfahrensvorkehrungen die Chancen erhöht, dass die Behörde die Umweltkenntnisse, derer sie für eine sachgerechte Entscheidung bedarf, auch tatsächlich erlangt. 208 Trotz dieser ähnlichen Ausgangsposition kommt das BVerwG jedoch im Hinblick auf die Rechtswirkung der UVP zu einem anderen Schluss. Da die UVP keinen Maßstab dafür liefere, welcher Rang den Umweltbelangen im Rahmen der Zulassungsentscheidung zukomme, wirke sie insoweit ergebnisneutral. 209 Zwar stelle die UVP eine wirkungsvolle Methode für die Einführung der Umweltbelange in den Abwägungsprozess zur Verfügung. Dies bedeute aber nicht, dass sich eine sachgerechte Entscheidung in der Abwägung nicht auch ohne ausdrückliche UVP treffen lasse. 210 Denn die Pflicht, dass alle abwägungsrelevanten Belange unter Einschluss der Umweltbelange ermittelt, gewichtet und in die Abwägung eingestellt werden, ergebe sich bereits aus dem Abwägungsgebot selbst. 211 Im übrigen gehe der Kreis der Umweltauswirkungen, auf die sich die UVP zu erstrecken habe, nicht über die Umweltbelange hinaus, denen im Rahmen des Abwägungsgebots Rechnung zu tragen sei. 212 Aus diesen Gründen geht das BVerwG lediglich von einer rein verfahrensrechtlichen Funktion der UVP aus. 213 III. Stellungnahme Obwohl der UVP keine präjudizierende Wirkung zukommt, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass sie den Inhalt der Zulassungsentscheidung wesentlich mitbeeinflusst. Dadurch, dass sie den behördlichen Entscheidungsvorgang in ei206 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790); BVerwG, NuR 2005, S. 394 (395); BVerwG, NuR 2008, S. 334 (337). 207 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790), BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 (1018); BVerwG, NuR 2005, S. 394 (395). 208 BVerwG, NuR 2005, S. 394 (395 f.). 209 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); BVerwG 104, S. 337 (347); BVerwG, Beschluss v. 09. 07. 2003, Az.: 9 VR 1/03 (zit. nach Juris Rn. 9). 210 BVerwG, NuR 2008, S. 334 (337); BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 10). 211 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790). 212 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790); BVerwG 104, S. 236 (243). 213 Zustimmend aus der Literatur Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (488 ff.); Hien, NVwZ 1997, S. 422 (425 ff.); Schoch, in: Leipold, Umweltschutz, S. 69 (84).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

ne Phase der Informationsgewinnung und der Informationsverarbeitung gliedert, erhält dieser eine Struktur, die in Bezug auf die Umweltbelange zu einer erhöhten Richtigkeitsgewähr beiträgt. Diese Funktion vermag auch das BVerwG der UVP nicht abzusprechen. Fraglich ist allerdings, inwieweit der UVP dadurch neben einer verfahrensrechtlichen Bedeutung auch tatsächlich ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Eine strikte funktionale Trennung lässt sich hier schwer vornehmen. Dies belegen auch die zahlreichen vagen Formulierungen, wonach die UVP „über eine verfahrensrechtliche Funktion hinausgehe“ 214, „in das materielle Zulassungsrecht hineinwirke“ 215 oder von „mittelbarer materieller Relevanz“ 216 sei. Denn obwohl die UVP selber keine materiellen Entscheidungsmaßstäbe vorgibt oder diese verändert, wirkt doch ihre Strukturgebung nicht allein formell, sondern prägt die materielle Entscheidung wesentlich mit. Die exklusive Ermittlung, Darstellung und Bewertung der Umweltbeeinträchtigungen in der Abwägung führt unweigerlich auch zu einer faktischen Aufwertung dieser Belange, eben weil sie umfassend erhoben sind und dadurch das Maß ihrer Beeinträchtigung deutlicher erkennen lassen. Auch wenn sie weiterhin „weggewogen“ werden können, verlangt eine Überwindung im Rahmen der Abwägung doch ein erhöhtes Begründungsbedürfnis. Allerdings macht schon die Begrifflichkeit „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ deutlich, dass die UVP deshalb nicht selber materiell-rechtlich „aufgewertet“ werden muss. Entscheidend ist letztlich, dass die eigenständige, entscheidungsprägende Bedeutung der UVP im Rahmen des Zulassungsverfahrens richtig erkannt wird und folglich ihre Nichtdurchführung nicht vorbehaltlos als irrelevant für das Ergebnis der Zulassungsentscheidung gewertet wird. Eine strikte Anwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“, so wie es von der Rechtsprechung bei gewöhnlichen Verfahrensfehlern herangezogen wird 217, erscheint deshalb bei einem rechtswidrigen Unterlassen der an sich gebotenen UVP verfehlt. Wegen des besonderen Verfahrenskonzepts verdient die UVP vielmehr eine strengere Fehlersanktionierung, die ihrem besonderen Einfluss auf die materielle Zulassungsentscheidung gerecht wird.

214

VGH München, DVBl. 1994, S. 1198 (1190); OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146

(149). 215 216 217

Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (864). Schink, NuR 2003, S. 647 (649). Vgl. § 3 B.

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP vor Erlass des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes Inwieweit sich Drittbetroffene mit Erfolg darauf berufen können, dass bei einem Vorhaben die erforderliche UVP unterblieben ist, war bereits mehrfach Gegenstand von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte. Es etablierte sich schon sehr bald eine – aus Sicht des Rechtsschutzsuchenden – restriktive Haltung in dieser Frage, auch wenn zum Teil Unterschiede zwischen der Auffassung einiger Oberverwaltungsgerichte und derjenigen des BVerwGs bestanden. Als Grundlage für eine spätere Bewertung soll die vor Erlass des neuen UmweltRechtsbehelfgsgesetzes (URG) ergangene gefestigte Rechtsprechung an dieser Stelle genauer dargestellt werden. Neben der Frage, inwieweit sich Dritte auf das Fehlen einer gebotenen UVP überhaupt berufen können (B.), soll hierbei insbesondere auch der von den Gerichten bislang praktizierte Kontrollmaßstab in diesem Fall beleuchtet werden (C.). Vorab gilt es zu klären, wann von einem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP überhaupt gesprochen werden kann und in welchen Fallkonstellationen er typischerweise auftritt (A.).

A. Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP I. Ursachen Das Problem, was mit Zulassungsentscheidungen zu geschehen hat, die ohne die erforderliche Durchführung einer UVP erlassen wurden, stellte sich erstmals im Zusammenhang mit der mangelhaften Umsetzung der UVP-Richtlinie 85/ 337/EWG. In Deutschland musste in Genehmigungsverfahren, die nach Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie, aber vor In-Kraft-Treten des die Richtlinie verspätet umsetzenden UVPG v. 12. 02. 1990 218 eingeleitet wurden, gemäß § 22 UVPG keine UVP durchgeführt werden. Diese Übergangsvorschrift befand der EuGH für gemeinschaftsrechtswidrig 219, so dass alle in diesem Zeitraum erteilten Genehmigungen an einem Verfahrensfehler litten. 220 Die Nichtdurchführung der UVP beruhte zu dieser Zeit also meist auf der irrigen Annahme, dass das Vorhaben von der UVP-Pflicht nach dem UVPG freigestellt wäre. 221 218

BGBl. I S. 205 ff. EuGH, Rs. C-396/92 (Bund Naturschutz in Bayern), Slg. 1994, I-3717, Rn. 20. 220 Hierzu Gellermann, DÖV 1996, S. 433 ff. 221 BVerwG, NuR 1994, S. 537 (440 f.); BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (386); BVerwG, JuS 1997, S. 181; BVerwG, NVwZ 1998, S. 508 (509); OVG Koblenz, Urteil v. 29. 12. 1994, Az.: 1 C 10893/92 (zit. nach juris Rn. 33); VGH München, DVBl. 1994, S. 1199; VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 (305). 219

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Außerdem stellte sich die Problematik damals überwiegend im Rahmen von Planfeststellungsverfahren, weil die UVP-Pflichtigkeit von Projekten in der Regel an diese Zulassungsform gekoppelt war. 222 Seitdem die UVP-Pflicht nicht mehr ausschließlich von der zu durchlaufenden Verfahrensart abhängt, ist das Unterbleiben einer an sich gebotenen UVP meist auf andere Umstände zurückzuführen. Problematisch ist nunmehr, dass sich dem geltenden Recht nicht immer unmittelbar entnehmen lässt, ob ein Zulassungsverfahren einer UVP-Pflicht unterliegt oder nicht. Vielmehr muss dies häufig gemäß § 3c UVPG von der Zulassungsbehörde durch eine allgemeine oder standortbezogene Einzelfallprüfung erst ermittelt werden (sog. Screening). 223 Hiernach ist eine UVP durchzuführen, „wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung (...) erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann (...)“ 224. Diese Feststellung wirft in der Praxis schon wegen der Vielzahl der in § 3c UVPG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe und des Fehlens allgemeiner Verwaltungsvorschriften über die Durchführung dieses Verfahrens nicht unerhebliche Schwierigkeiten auf. Die Steuerungswirkung der Vorschrift ist – abgesehen von einigen Orientierungspunkten in § 3c S. 3 und 4 UVPG – relativ begrenzt. 225 Hieraus folgen zum Teil Unsicherheiten in der Rechtsanwendung bei den für die Entscheidung über eine UVP-Pflicht im Einzelfall zuständigen Behörden. 226 Hinzu kommt, dass es sich bei dem Screening um eine Prognoseentscheidung handelt und noch dazu um eine „überschlägige“. 227 Wie sich auch aus dem Gebot der Unverzüglichkeit nach § 3a UVPG ergibt, soll ein aufwendiges, lang andauerndes Prüfungsverfahren in jedem Fall unterbleiben. Ausführliche Sachverhaltsermittlungen scheiden damit aus. Die Behörden müssen lediglich anhand 222

Vgl. § 9 A. I. 2. a). Eine Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflicht ist im UVPG für unterschiedliche Fallgruppen vorgesehen: Für Neuvorhaben gemäß § 3c S. 1 bis 4 UVPG, für kumulierende Vorhaben gemäß § 3c S. 5 i.V. m. § 3b Abs. 2 S. 1 und 2 UVPG, für Änderungen oder Erweiterungen bisher nicht UVP-pflichtiger Vorhaben gemäß § 3c S. 5 i.V. m. § 3b Abs. 3 UVPG, für Änderungen oder Erweiterungen UVP-pflichtiger Vorhaben gemäß § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG, für Entwicklungs- und Erprobungsvorhaben gemäß § 3f UVPG und für bestimmte Vorhaben nach Maßgabe des Landesrechts gemäß § 3d UVPG. Vgl. allgemein zur Feststellung der UVP-Pflicht § 8 B. II. 2 a). 224 § 3c S. 1 UVPG. 225 Darauf weisen hin: Schink, NVwZ 2004, S. 1182 (1183); Sangenstedt, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band III, 51. Auflage 2007, UVPG, § 3c Rn. 3; ähnlich Dienes, in: Hoppe, UVPG, § 3c Rn. 13. 226 Schink, NVwZ 2004, S. 1182 (1183); derselbe, DVBl. 2001, S. 321 (329); Sangenstedt, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band III, 51. Auflage 2007, UVPG, § 3c Rn. 3. 227 Zum Prognosecharakter dieser Entscheidung: Gassner, UVPG, § 3c Rn. 14; Wickel / Müller, Das Fachplanungsrecht nach seiner Anpassung, S. 41. 223

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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einer überschlägigen Vorausschau mit begrenzter Prüfungstiefe einschätzen, ob Umweltauswirkungen gewichtiger Art möglich sind. Als lediglich verfahrenslenkende Maßnahme soll die Vorprüfung die eigentliche UVP schließlich nicht vorwegnehmen. 228 Im Vordergrund steht also die Feststellung eines Besorgnispotentials anhand einer nicht förmlichen Plausibilitätsbetrachtung. 229 Wie die Behörde zu verfahren hat, wenn ihr eine solche Feststellung wegen des begrenzten Umfangs der Vorprüfung nicht möglich ist, lässt sich allerdings nicht sicher beantworten. Während teilweise die Meinung vertreten wird, dass die Annahme einer UVP-Pflichtigkeit nach einer Vorprüfung des Einzelfalls die Ausnahme und nicht der Regelfall sein soll 230, wollen andere in Zweifelsfällen die Notwendigkeit einer UVP stets bejahen. 231 Aus alledem wird deutlich, dass die Fehleranfälligkeit im Hinblick auf die korrekte Bestimmung der UVP-Pflichtigkeit eines Projektes entsprechend hoch ist. UVP-relevante Vorhaben können als solche nicht immer sicher identifiziert werden. Daher steht heute bei der unterlassenen UVP in vielen Fällen die Frage im Mittelpunk, ob die Behörde die Notwendigkeit einer UVP nach vorgenommener Vorprüfung zu Unrecht verneint hat. 232 Dabei ist nicht zu vergessen, dass von dem richtigen Ergebnis der Vorprüfung häufig auch die Wahl der richtigen Zulassungsform abhängt. Denn vereinfachte Verfahrenstypen scheiden bei einer UVPPflichtigkeit des Vorhabens mangels Öffentlichkeitsbeteiligung regelmäßig aus. Kommt die Behörde also fälschlicherweise zu dem Schluss, dass die Durchfüh228 Schink, NVwZ 2004, S. 1182 (1186); Balla, UPR 2006, S. 17 f.; vgl. auch BTDrs. 14/4559, S. 95. 229 Sangenstedt, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band III, 51. Auflage 2007, UVPG, § 3c Rn. 14, 16. 230 Enders / Krings, DVBl. 2001, S. 1242 (1246); Schmidt-Ericksen, NuR 2002, S. 648 (650); Schink, DVBl. 2001, S. 321 (329) bezüglich der standortbezogenen Einzelfallprüfung. 231 Sangenstedt, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band III, 51. Auflage 2007, UVPG, § 3c Rn. 16; Schink, NVwZ 2004, S. 1182 (1187); Gassner, UVPG, § 3c Rn. 8. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 3c UVPG keine tiefer gehende Prüfung vorschreibt, kann nach Auffassung dieser Vertreter nicht zu Lasten der UVP gehen. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass durch eine solche Vorgabe die Behörden ein „Zuviel“ an UVP verlangen könnten, so dass in vielen Fällen eine Verfahrensbeschleunigung durch die Wahl vereinfachter Verfahrenstypen verloren geht. Außerdem dürfen in diesem Zusammenhang die Interessen des Vorhabenträgers nicht unberücksichtigt bleiben. Hierauf verweisen: OVG Münster, DVBl. 2007, S. 129 (131); Wickel / Müller, Das Fachplanungsrecht nach seiner Anpassung, S. 40. 232 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (581); OVG Münster, NVwZ-RR 2007, S. 89 (95); OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, Beschluss v. 12. 01. 2006, Az.: 4 K 3385/02 (zit. nach juris Rn. 12 ff.); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, S. 23 f.; VG Saarland, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 62); VG Saarland, Urteil v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 28 f.).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

rung einer UVP nicht erforderlich ist, besteht die Gefahr, dass sie sich aufgrund dessen auch für ein (an sich unzulässiges) vereinfachtes Zulassungsverfahren entschließt. 233 Insofern kommt dem Screening eine doppelte Weichenstellungsfunktion zu. Gleiches gilt, wenn eine Vorprüfung gänzlich unterlassen wird. Dies war in letzter Zeit nicht selten bei der Genehmigung von Windenergieanlagen mangels richtiger Einordnung des Vorhabens als „Windfarm“ nach Nr. 1.6 der Anlage 1 des UVPG der Fall. 234 II. Formelle und materielle Nichtdurchführung Anknüpfend an die soeben beschriebenen Ursachen für das Unterlassen einer UVP ist zudem zu klären, ab wann von einem Verfahrensfehler der „unterlassenen UVP“ überhaupt gesprochen werden kann. Dies ist weniger eindeutig als es auf den ersten Blick erscheinen mag. So wird vorgebracht, dass in der Rechtsprechung auch immer dann von einem „Unterbleiben der UVP“ die Rede sei, wenn eigentlich nur einzelne ihrer Verfahrenschritte nicht vorgenommen wurden. 235 Dies ist allerdings so nicht ganz richtig. In den in Bezug genommenen Entscheidungen hat eine förmliche UVP nach den Vorschriften des UVPG tatsächlich nicht stattgefunden. In sämtlichen dieser Fälle wurde aber ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, das größtenteils die gleichen Verfahrenselemente aufweist wie die UVP. Die deckungsgleichen Verfahrensschritte konnten somit zugleich als Durchführung des UVP-Verfahrens gewertet werden, ohne dass sie von der Behörde in diesem Sinne gekennzeichnet wurden. Letztlich „unterlassen“ wurden damit nur die UVP-spezifischen Anforderungen, wie z. B. das Scoping, die Anhörung der Öffentlichkeit zu bestimmten UVP-Unterlagen oder die zusammenfassende Darstellung nach § 11 UVPG, die über das herkömmliche Planfeststellungsverfahren hinausgehen. Der VGH Mannheim führt dementsprechend aus: „Das Planfeststellungsverfahren zum II. Bauabschnitt der A 8 mit dem oben beschriebenen besonderen Augenmerk auf die betroffenen Umweltbelange (...) genügt im Wesentlichen den Anforderungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes nach Inhalt und Verfahren (...). Es spricht nach Überzeugung des Senats auch nichts dafür, dass die mit der förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung gegenüber dem herkömmlichen Planfeststellungsverfahren verbundene wesentliche Neuerung – der integrative Ansatz bei der Erhebung und Bewertung der betroffenen Umweltbelange in ihren ökologischen 233

Vgl. zu dieser Problematik § 9 B. OVG Koblenz, NJOZ 2005, S. 2414 f.; OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 05. 2007, Az.: 12 LB 8/07 (zit. nach juris Rn. 50); VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/ 06.TR (zit. nach juris Rn. 25 f.). 235 So Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 139 f. mit Verweis auf VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 ff., zum unterlassenen Scoping Verfahren: BVerwG, NVwZ 1993, S. 565 (566); VGH München, DVBl. 1994, S. 1198 (1200). 234

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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Wechselwirkungen – bei Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.“ 236

Auch der VGH München weist in einem Urteil darauf hin, dass in dem vorliegenden Verfahren keine „ergänzenden Untersuchungen“ vorliegen, „die der Sache nach als zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen gemäß § 11 UVPG angesehen und deren Erkenntnisse und Bewertungen Gegenstand gerichtlicher Überprüfung sein können.“ 237 Insofern kommt es für die Bezeichnung des Verfahrensfehlers der „unterlassenen UVP“ darauf an, ob man hierfür allein die formelle Nichtdurchführung einer gebotenen UVP zu Grunde legen möchte oder ob man vielmehr darauf abstellt, inwieweit die von der Behörde tatsächlich vorgenommenen Untersuchungen der Umweltauswirkungen ungeachtet der Tatsache, dass ein förmliches Verfahren nicht stattgefunden hat, materiell den Anforderungen des UVPG entsprechen. Letztere Variante wird offenbar auch vom BVerwG befürwortet. Das Gericht führt hierzu aus: „Für die Beantwortung der Frage, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung überhaupt oder ob sie fehlerfrei durchgeführt worden ist, kommt es nach der UVP-Richtlinie nicht darauf an, ob die zuständige Behörde gemeint hat, sie sei dazu verpflichtet, oder ob die durchgeführten Verfahrensschritte unter der Bezeichnung „Umweltverträglichkeitsprüfung“ vorgenommen worden sind. Entscheidend ist vielmehr, ob das Verfahren so, wie es tatsächlich durchgeführt worden ist, den Anforderungen genügt, die die UVPRichtlinie stellt.“ 238

236 VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 (307). Vgl. auch VGH Mannheim, UPR 1993, S. 190 (191): „Inhaltlich genügt daher das Planfeststellungsverfahren im Wesentlichen den von der EG-Richtlinie gestellten Anforderungen“. 237 VGH München, DVBl. 1994, S. 1198 (1200). Ebenso führt das OVG Bremen bezüglich einer unterlassenen Vorprüfung über die UVP-Pflicht aus: „Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die durch den Straßenausbau hervorgerufenen Umweltauswirkungen im Planaufstellungsverfahren, auch ohne dass ausdrücklich eine Vorprüfung nach dem BremUVPG vorgenommen wäre, eingehend ermittelt und bewertet worden sind. (...). Die tatsächlich erfolgten Ermittlungen und Bewertungen gehen im Ergebnis über das hinaus, was bei Durchführung einer gesonderten Vorprüfung erforderlich gewesen wäre. Der Sache nach ist im Planaufstellungsverfahren deutlich mehr als eine „überschlägige Prüfung“ der Umweltauswirkungen des Vorhabens erfolgt. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann im vorliegenden Fall ein Verstoß gegen das UVP-Recht nicht angenommen werden“, NordÖR 2007, S. 119 (120). 238 BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (388); vgl. ebenfalls die Entscheidung des EuGH in der Sache Großkrotzenburg, die dem BVerwG hier Recht zu geben scheint. Die Kommission hatte hier ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Errichtung eines neuen Kraftwerkblocks im Kraftwerk Großkrotzenburg ohne Durchführung einer UVP genehmigt worden war. Der EuGH hat hierzu festgestellt, dass der Kommission nicht der Nachweis gelungen sei, dass die Prüfung der Umweltauswirkungen im Genehmigungsverfahren hinter den Anforderungen der UVP-Richtlinie zurückgeblieben sei, Rs. C-431/92, Slg. 1995, I-2189 Rn. 45.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Ebenso heißt es in einer jüngeren Entscheidung: „Wenn trotz des Unterlassens einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung der wesentliche Zweck der Richtlinie erreicht wurde, ist der verbleibende Verstoß im Wesentlichen formeller Art.“ 239

Diese Betrachtungsweise hat nicht nur zur Konsequenz, dass von einem unterlassenen UVP-Verfahren nur dann gesprochen werden kann, wenn die erforderliche Prüfung formell und materiell vollständig fehlt. 240 Hieraus folgt auch, dass die Nichtbeachtung förmlicher UVP-Vorschriften im Sinne des UVPG schon gar keinen Verfahrensfehler darstellen, solange nur das Verfahren, so wie es tatsächlich durchgeführt worden ist, vollständig den Anforderungen des UVPG und der UVP-Richtlinie entspricht. 241 Dies wird jedoch kaum jemals der Fall sein, weshalb auch in der Rechtsprechung das Fehlen einer UVP stets als Verfahrensfehler behandelt wird, ohne dass die Einhaltung ihrer materiellen Anforderungen thematisiert würde. 242 Denn selbst das Planfeststellungsverfahren, das wegen seines umfassenden Abwägungsgebots besonders geeignet ist, die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu berücksichtigen, ist – wie dargelegt – mit dem UVPVerfahren nicht völlig identisch. Ob das Zulassungsverfahren auch ohne formalisierte UVP den Anforderungen des UVPG gerecht geworden ist, spielt bei den Gerichten allerdings für die Frage der Beachtlichkeit dieses Verfahrensfehlers eine Rolle. Denn hierfür ist zu prüfen, wie sich das Unterlassen der UVP auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben kann. 243 Eine Erfüllung der UVP-Vorgaben ohne ihre formelle Durchführung scheidet aber insbesondere in den Fällen aus, in denen sich die Behörde nach erfolgter Vorprüfung gemäß §§ 3c ff. UVPG wegen angeblich mangelnder erheblicher Umweltauswirkungen bewusst gegen die Durchführung einer UVP entscheidet und stattdessen ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung durchführt. Denn dann wurde eine umfassende Überprüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens gerade für entbehrlich gehalten und wird in der Form im Zulassungsverfahren auch nicht mehr stattfinden. Hier ist wohl regelmäßig von einem Verfahrensfehler der „unterlassenen UVP“ auszugehen. Damit ist folgende Unterscheidung festzuhalten: Soweit eine erforderliche UVP formell und materiell fehlt, liegt ein Verfahrensfehler der „unterlassenen UVP“ vor. Dagegen liegt lediglich eine „fehlerhafte UVP“ vor, wenn das UVP-Verfahren formell durchgeführt wurde, aber materiell fehlerbehaftet ist 239

BVerwG, NuR 2008, 334 (338). Dieser Ansicht ist wohl auch Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (265). 241 Kritisch hierzu Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (865 f.). 242 Vgl. nur VGH München, Urteil v. 21. 06. 2004, Az.: 20 N 04.1201 (zit. nach juris Rn. 37). 243 Vgl. unter § 10 C. 240

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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bzw. wenn es formell nicht durchgeführt wurde, das Zulassungsverfahren aber den Anforderungen an eine UVP teilweise materiell genügt.

B. Zur Klagebefugnis I. Kein isolierter Rechtsschutz Eine selbständige Anfechtungsklage gegen die fehlende Durchführung der UVP kann gemäß § 44a S. 1 VwGO nicht erhoben werden. Der Kläger kann nur gegen die Endentscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens vorgehen. Eine isolierte Prüfung einzelner UVP-Verfahrensschritte scheidet damit aus. Insbesondere ist auch die Feststellung der Behörde bezüglich der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens gemäß § 3a S. 3 UVPG nicht selbständig anfechtbar. Hieran hat sich auch durch die Einführung des URG nichts geändert. II. Die Drittschutzerheblichkeit der unterlassenen UVP Entsprechend der deutschen Systementscheidung für den subjektiven Rechtsschutz kann sich ein Dritter auf das Fehlen einer gebotenen UVP für ein zugelassenes Vorhaben nur dann berufen, wenn er hierdurch in einer eigenen Rechtsposition verletzt sein könnte. Bei der Pflicht zur Durchführung einer UVP müsste es sich mithin um ein drittschützendes Verfahrensrecht handeln. Entsprechend den zwei Kategorien von potentiell klagebegründenden Verfahrensrechten ist dabei zwischen einer absoluten und einer relativen Verfahrensrechtsposition zu unterscheiden. 1. Absolute Verfahrensrechtsposition Ein Verfahrensrecht wird dann als „absolut“ bezeichnet, wenn ihm unabhängig vom materiellen Recht eine eigenständige Schutzfunktion zukommt, die gerade in der Wahrung dieses Rechts liegt. 244 In einem solchen Fall wäre dem Dritten also allein wegen der Nichtdurchführung der UVP Rechtsschutz gegen das Vorhaben zu gewähren. Einer solchen eigenständigen drittschützenden Wirkung des UVP-Verfahrens sind die Verwaltungsgerichte aber schon früh 245 und seitdem in ständiger Rechtsprechung entgegengetreten. 246 In der grundlegenden Entscheidung des BVerwG vom 25. 01. 1996 betont das Gericht ausdrücklich: 244

Vgl. § 2 C. I. Vgl. beispielsweise VGH München, NuR 1993, S. 284 (285); VGH München, NVwZ 1993, 906; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, S. 373 (376); eine Zusammenfassung der ältere Rechtsprechung findet sich bei Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht, S. 96 f. 245

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

„Das Bundesverwaltungsgericht hat bisher Verfahrenspositionen, die unabhängig von der Möglichkeit einer konkreten materiellrechtlichen Betroffenheit geschützt sind, vom Atomrecht abgesehen, weder im Fachplanungs- noch im sonstigen Zulassungsrecht anerkannt. Diese Linie hat der Senat erst kürzlich auch im Hinblick auf die UVP ausdrücklich bestätigt. Hiervon abzuweichen besteht kein Anlaß.“ 247

Ausgangspunkt der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist demnach die bereits erörterte rein verfahrensrechtliche Einordnung der UVP-Vorschriften. Sie werden demzufolge ohne weiteres mit „gewöhnlichen“ Verfahrensvorschriften gleichgesetzt, weswegen alleine ihre Nichtdurchführung keine eigenständige Klagebefugnis begründen kann. Denn grundsätzlich ist dem deutschen Schutznormkonzept die Begründung individueller, isoliert durchsetzbarer Verfahrensrechte fremd. Der Erfüllung der besonderen verfahrensrechtlichen Anforderungen, die das UVPG an die Ermittlung, Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens stellt, wird vielmehr – wie sonst auch – eine dem materiellen Recht dienende Funktion zugeschrieben, der keinerlei Selbstzweck zukommt. 248 Unabhängig von einer materiell-rechtlichen Betroffenheit wird einem Dritten durch das Unterlassen der gebotenen UVP also keine Anfechtungsbefugnis verliehen. 249 Anknüpfend an die Position des BVerwG haben auch die Oberverwaltungsgerichte die ausschließlich verfahrensrechtliche Bedeutung der UVP immer wieder in den Vordergrund gestellt und dementsprechend eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition grundsätzlich abgelehnt. 250 Das UVPG beschränke sich auf die Regelung einer UVP als verfahrensrechtliche Anforderung im Vorfeld der Sachentscheidung, ohne diese um materiell-rechtliche Vorgaben anzureichern. 251 246 BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387); BVerwG, NVwZ 1998, S. 847 (849 f.); BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 429 (430); BVerwG, NVwZ 2003, S. 207 (209); BVerwG, NVwZ 2007, S. 700 (701). 247 BVerwG, Urteil v. 25. 01. 1996 („Autobahn A 60“), NVwZ 1996, S. 788 (792). 248 Vgl. BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387). 249 BVerwG, NVwZ-RR 1999, S. 429 (430). 250 OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, S. 23; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2005, S. 401 (402); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); OVG Münster, ZUR 2006, S. 375 (376); OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (321); OVG Münster, Beschluss v. 23. 03. 2007, Az.: 11 B 916/06.AK (zit. nach juris Rn. 6 ff.); OVG Münster, Urteil v. 02. 03. 2006, Az.: 11 A 1752/04 (zit. nach juris Rn. 79); VGH München, Urteil v. 27. 05. 2003, Az.: 22 B 94.314 (zit. nach juris Rn. 35); VGH München, NuR 1994, S. 244; VGH Mannheim, VBlBW 1996, S. 265 (266). 251 OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 (409); OVG Lüneburg, NuR 2004, S. 403; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357). Ebenso bei den Verwaltungsgerichten: VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 62); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG Aachen, Urteil vom 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 172); VG Münster, Beschluss v. 16. 02. 2005, Az.: 7 L 1587/04 (zit. nach juris Rn. 4).

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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Eine sachliche Beschwer des Dritten, die ihm eine Anfechtungsbefugnis verleihen könnte, läge in einer fehlerhaften Unterlassung der UVP als solcher also nicht. Die Möglichkeit einer Drittanfechtung bestehe nach deutschem Recht eben nur, wenn durch das Unterlassen der gebotenen UVP (zugleich) eine materielle Rechtsposition des Dritten verletzt worden sei. 252 Eine Klagebefugnis aufgrund der unterbliebenen UVP schied für Dritte vor dem Inkrafttreten des URG also regelmäßig aus. 2. Relative Verfahrensrechtsposition Die Klagebefugnis des Dritten ließe sich unter Umständen auch auf die Verletzung einer relativen Verfahrensrechtsposition stützen. Auch hierfür wäre aber zunächst einmal erforderlich, dass die UVP-Vorschriften seinem Schutz dienen. Die Verwaltungsgerichte haben der UVP aber bislang nicht nur eine eigenständige subjektiv-rechtliche Dimension als absolutes Verfahrensrecht versagt, vielmehr wurde ihr zum Teil bereits jeglicher dritt- oder nachbarschützende Charakter abgesprochen. So führt das OVG Lüneburg in einem Beschluss vom 11. 02. 2004 aus: „Das Gesetz über die Umweltverträglichkeit vermittelt auch keine drittschützenden Rechte (...). Denn es ist nach seinem Regelungsgehalt nicht dazu bestimmt, dem Schutz eines bestimmten Personenkreises zu dienen. (...). Sinn und Zweck des Umweltverträglichkeitsrechts ist es allein, durch wirksame Verfahrensvorschriften im Allgemeininteresse eine wirksame Umweltvorsorge zu treffen.“ 253

Das Gericht zieht als Grundlage für die Schutznormtheorie also die allgemeine Zielrichtung des gesamten UVPG heran, wonach die UVP als Instrument der Umweltvorsorge vor allem dem öffentlichen Interesse dient und dementsprechend keine subjektiv-rechtliche Relevanz haben kann. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Vorschriften des UVPG erfolgt nicht. In ähnlicher Weise haben auch andere Verwaltungsgerichte auf den grundsätzlichen Regelungsgehalt des UVPG verwiesen und einen nachbarrechtsrelevanten Drittschutz abgelehnt. 254 Auf den Aspekt, dass die UVP gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG schließlich auch 252 OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); VG Regensburg, Beschluss v. 24. 07. 2007, Az.: RO 7 S 07.444 (zit. nach juris Rn. 50); VG Münster, Beschluss v. 16. 02. 2005, Az.: 7 L 1587/04 (zit. nach juris Rn. 4). 253 OVG Lüneburg, NuR 2004, S. 403. 254 OVG Münster, NVwZ 2003, 361 (362); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 (409); VGH München, Urteil v. 27. 05. 2003, Az.: 22 B 94.314 (zit. nach juris Rn. 35); VGH Mannheim, UPR 1993, S. 190 (191); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/ 04 (zit. nach juris Rn. 62); VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 35); VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/02 (zit. nach juris Rn. 49).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

dem Schutz des Menschen dient 255, wird in der Rechtsprechung nicht eingegangen. Lediglich der VGH München führt in einer älteren Entscheidung aus, dass es gleichgültig sei, ob das Gesetz über die UVP dem Schutze der Umwelt als solcher oder auch dem Schutz des Einzelnen diene, weil das Gesetz Dritten jedenfalls nicht die Vertretung der Ziele des Umweltschutzes und der übrigen im Gesetz genannten Gegenstände und Werte „in besonderer Weise“ anvertraut habe. 256 Ob im Gegensatz zu den bloßen Verfahrensbestimmungen des UVPG jedenfalls den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung eine drittschützende Wirkung beigemessen werden kann, ist von den Verwaltungsgerichten – im Unterschied zum Schrifttum 257 – lange Zeit nicht thematisiert worden. 258 Das BVerwG hat in diesem Zusammenhang nur deutlich gemacht, dass sich hieraus jedenfalls keine selbständig durchsetzbare Verfahrensrechtsposition im Sinne eines absoluten Verfahrensrechts ableiten lasse. 259 Auf die Möglichkeit, den Betroffenen aufgrund der vorgezogenen Rechtsschutzfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung aber zumindest eine relative Verfahrensrechtsposition zuzugestehen, wird in der Rechtsprechung nicht eingegangen. 260 Zwar würde die auf 255 Aus diesem Aspekt wollen Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 35 und Müller, Verfahrensartfehler, S. 183; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 135; Dietlein, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band I, 51. Auflage 2007, BImSchG, § 10 Rn. 283 eine drittschützende Wirkung für die im Einwirkungsbereich des Vorhabens betroffenen Menschen ableiten. Gegen eine solche drittschützende Wirkung nach den Maßstäben der deutschen Schutznormtheorie Schlacke, ZUR 2006, S. 360. 256 VGH München, NVwZ 1993, S. 906. 257 Vgl. Beckmann, DVBl. 1991, S. 358 (361 f.); Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (494); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (865); Erbguth / Schink, UVPG, Einleitung Rn. 118; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 367; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 214; Sellner, in: FS für Feldhaus, S. 101 (119). 258 Offen gelassen beispielsweise von BVerwG, NVwZ 1993, S. 565 (566) sowie jüngst von BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (578). Mit der Frage, ob § 9 UVPG drittschützende Wirkung haben kann, setzt sich allerdings das VG Aachen auseinander. Eine drittschützende Wirkung der Regelungen des UVPG über die Öffentlichkeitsbeteiligung wird aber im Ergebnis abgelehnt, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 153 ff., 174). 259 BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387). Ebenso BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792). Hier räumt das BVerwG zunächst ein, dass allenfalls insoweit, als nach Art. 6 Abs. 2 der UVP-Richtlinie 85/337/EWG dafür Sorge zu tragen sei, dass der „betroffenen“ Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werde, sich vor Durchführung des Projekts zu äußern, zugunsten eines bestimmten Personenkreises Rechte festgelegt würden, die dem Staat gegenüber geltend gemacht werden könnten. Grundsätzlich bestimmten jedoch die Mitgliedstaaten, unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht vor den nationalen Gerichten klageweisend geltend gemacht werden könnten. Aus Sicht des Gemeinschaftsrechts bestünde jedenfalls kein Grund, dem Kläger allein wegen des Unterlassens einer förmlichen UVP Rechtsschutz zu gewähren. Hiermit wird also nur eine absolute Verfahrensrechtsposition ausdrücklich abgelehnt.

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eine Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung gestützte Klagebefugnis eines Dritten dann weiterhin davon abhängen, dass er zugleich eine Auswirkung des Verfahrensfehlers auf seine materiell-rechtliche Rechtsposition substantiiert behaupten kann. Denn auch bei (relativ) drittschützenden Verfahrensbestimmungen ist eine Klagemöglichkeit unabhängig von einer möglichen materiellen Rechtsbetroffenheit, die gerade auf diesen Verfahrensmangel zurückzuführen ist, nicht gegeben. Dies hat jüngst das OVG Münster in einer Entscheidung wieder deutlich gemacht, in der es ausführt: „Abgesehen davon hat der Antragsteller auch nicht dargelegt, dass im Falle der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung die konkrete Möglichkeit einer anderen Sachentscheidung bestanden hätte. Deshalb hätte die Beschwerde auch keinen Erfolg, wenn man die Erforderlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterstellen und den Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung drittschützenden Charakter beimessen wollte. Denn auch bei drittschützenden Verfahrensbestimmungen ist eine kausalitätsunabhängige Klagemöglichkeit nach innerstaatlichem Recht nicht gegeben.“ 261

Der Vorteil in dem Zugeständnis einer relativen Verfahrensrechtsposition läge aber in einem reduzierten Umfang der den Kläger gemäß § 42 Abs. 2 VwGO treffenden Substantiierungslast hinsichtlich der Behauptung seiner materiell-rechtlichen Betroffenheit. 262 Gerade die vom BVerwG diesbezüglich gestellten Anforderungen wurden bei Anfechtungsklagen wegen einer unterlassenen UVP teilweise für unerfüllbar gehalten. 263 Die Frage, inwiefern das europäische Recht nicht unabhängig davon, ob nach nationalem Recht die Voraussetzungen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO vorliegen oder nicht, fordert, dass die Einhaltung des UVP-Rechts von der „betroffenen Öffentlichkeit“ klageweise geltend gemacht werden kann, ist in der Rechtsprechung erst vermehrt anlässlich der durch die Aarhus-Konvention hervorgerufenen, neuesten Entwicklungen des europäischen Gemeinschafts-

260 Für eine solche relativ drittschützende Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung aus diesem Grund aber: Weber / Hallmann, NJW 1990, S. 1624 (1632); Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (494); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (865); Erbguth / Schink, UVPG, Einleitung Rn. 118; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 214. 261 OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (363); ähnlich OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 (409); VGH München, NVwZ-RR 2001, S. 373 (374); ebenso führt das VG Aachen im Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 193) aus: „An einem hinreichend substantiierten Vortrag der Möglichkeit einer eigenen materiellen Betroffenheit des Klägers infolge der Nichtdurchführung einer förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung fehlt es. Die Frage, ob die UVP-Regelungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung drittschützend sind bzw., ob sie es im Einzelfall sein können, kann daher offen bleiben.“ 262 Vgl. dazu § 2 C II. 1. 263 Vgl. hierzu sogleich unter § 10 B. III. 2.

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rechts – insbesondere des neu eingefügten Art. 10a der RL 2003/35/EG – diskutiert worden. Hierauf wird noch genauer zurückzukommen sein. 264 III. Konsequenzen 1. Keine Rechtsschutzmöglichkeiten des mittelbar Betroffenen (Nachbarklage) Als Konsequenz der rein verfahrensrechtlichen Qualifizierung der UVP ohne jegliche drittschützende Wirkung war es Dritten bisher nicht möglich, die Zulassungsentscheidung wegen unterlassener Durchführung des UVP-Verfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung anzufechten. Selbst dann, wenn der Drittbetroffene seine Klage auf eine mögliche Verletzung von anderen nachbarschützenden Vorschriften – beispielsweise des Immissionsschutzrechts – stützen konnte, sind die Gerichte im Rahmen der Begründetheit der Klage auf die Frage, ob die Durchführung einer UVP für das jeweilige Vorhaben an sich geboten gewesen wäre, teilweise nicht eingegangen. Insbesondere in zahlreichen jüngeren Entscheidungen, in denen die Nichtdurchführung der UVP auf das negative Ergebnis einer Vorprüfung gemäß §§ 3c ff. UVPG zurückzuführen war, wurde ausdrücklich offen gelassen, ob die Behörde hier tatsächlich eine zutreffende Einschätzung über die Umweltauswirkungen des Vorhabens getroffen hat. Denn selbst wenn die UVP zu Unrecht unterblieben sei, könne sich der Kläger mangels Drittschutzerheblichkeit der UVP-Vorschriften hierauf nicht berufen. 265 Auch die mit der Bestimmung der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens in diesem Zusammenhang oftmals einhergehende – unter Umständen fehlerhafte – Wahl des Zulassungsverfahrens 266 war für Dritte regelmäßig nicht überprüfbar. Wenn der Betroffene nämlich – ebenso wie beim unterlassenen UVP-Verfahren – nicht vorgetragen hatte, dass und gegebenenfalls wie sich die Nichtdurchführung des angeblich gebotenen förmlichen Genehmigungsverfahren auf seine materielle Rechtsposition ausgewirkt hat, und dies nach Auffassung des Gerichts auch nicht ersichtlich war, hatte es damit sein Bewenden. 267 Die Beschränkung der Rügebefugnis bewirkte also gleichzeitig eine Begrenzung der Reichweite der gerichtlichen Kontrolle. 264

Vgl. § 12 C. Vgl. nur OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 (409); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, S. 23; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 05. 2007, Az.: 12 LB 8/07 (zit. nach juris Rn. 51); VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 28 f.); VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 62); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG Münster, Urteil v. 16. 03. 2007, Az.: 10 K 2265/05 (zit. nach juris Rn. 38); VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/02 (zit. nach juris Rn. 49). 266 Hierzu § 9 B. 265

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2. Eingeschränkter Rechtsschutz des enteignend Betroffenen Die Möglichkeit, den Mangel der rechtswidrig unterlassenen UVP im Rahmen einer Anfechtungsklage zu rügen, stand vor Erlass des URG nur dem Eigentümer zu, dessen Grundstück von dem geplanten Vorhaben unmittelbar in Anspruch genommen werden sollte. In der Regel handelte es sich dabei um die Verwirklichung von komplexen, raumbedeutsamen Projekten, die einer planfeststellungsrechtlichen Zulassung bedurften. Für die Eigentümer stritt der aus Art. 14 Abs. 3 GG abzuleitende Anspruch auf gesetzmäßige Enteignung. Ihre Klagebefugnis ist demnach nicht nur auf die mögliche Verletzung eines drittschützenden Rechts beschränkt, sondern sie können darüber hinaus jeden Rechtsmangel des Planfeststellungsbeschlusses rügen. Folglich war es ihnen auch möglich, einen Verstoß gegen die verfahrensrechtlichen Anforderungen an die Ermittlung und Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens, die sich aus dem UVPG ergeben, geltend zu machen. 268 Es galt jedoch nach der Rechtsprechung auch in diesem Fall die Einschränkung, dass sich der Verfahrensfehler, hier also die unterlassene UVP, auf die Rechtsgutsbeeinträchtigung, d. h. die unmittelbare Inanspruchnahme des Eigentums, möglicherweise ausgewirkt haben können muss. 269 Unter welchen Voraussetzungen die Verwaltungsgerichte eine solche Entscheidungserheblichkeit der fehlenden UVP für das Abwägungsergebnis dann tatsächlich annahmen, ist erst im Rahmen des Umfangs der gerichtlichen Kontrolldichte zu erörtern. 270 Allerdings hat die Frage auch schon Auswirkungen auf die Anforderungen, welche von den Gerichten an die vom Kläger diesbezüglich darzulegende substantiierte Behauptung gestellt wurden. Anders als einige Oberverwaltungsgerichte hat das BVerwG – entsprechend seinem verfahrensrechtlichen Verständnis von der UVP – nicht angenommen, dass das Unterlassen einer UVP einen Abwägungsmangel indizieren würde. Es ging vielmehr in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass auch der enteignend Betroffene mit seiner Rüge nur dann durchdringt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Nichtdurchführung der UVP zu einem Abwägungsmangel und dadurch zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis geführt hat. Diese konkrete Möglichkeit sollte vom Kläger näher dargelegt 267 Vgl. die in Fn. 265 zitierten Entscheidungen sowie OVG Münster, Beschluss v. 11. 10. 2005, Az.: 8 B 110/05 (zit. nach juris Rn. 10); OVG Münster, Beschluss v. 05. 07. 2006, Az.: 8 B 379/06.AK (zit. nach juris Rn. 18 ff.). Siehe allgemein zum Rechtsschutz Dritter bei Unterlassung des gebotenen Verfahrens § 4. 268 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); BVerwG, NVwZ 1996, S. 1011 (1012); BVerwG, NVwZ 1998, S. 508 (509); BVerwG, NVwZ 1994, S. 688 ff.; BVerwG, NuR 1995, S. 537 (538); BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 ff.; BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 ff.; OVG München, DVBl. 1994, S. 1198 (1199); VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 ff.; VGH Mannheim, VBlBW 1996, S. 265 (266). 269 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); BVerwG 1996, S. 1016 (1020). 270 Vgl. sogleich unter § 10 C.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

werden. Es genüge nicht, den Einfluss des Fehlers auf das Abwägungsergebnis lediglich abstrakt und hypothetisch festzustellen. 271 Schließlich müsse selbst im Atomrecht, in dem die ordnungsgemäße Verfahrensdurchführung in besonderer Weise grundrechtsgewährleistende Funktion habe, der Kläger zur Begründung einer Rechtsverletzung geltend machen, dass sich der von ihm gerügte Verfahrensfehler auf seine materiell-rechtliche Position ausgewirkt haben könnte. 272 Hieraus wird zugleich deutlich, dass die positive Relevanzprüfung nach der Formel der „konkreten Möglichkeit“ dem Kläger zumindest bei UVP-Verstößen im Zweifelsfall auch die objektive Beweislast aufbürdet. 273 So hat das BVerwG beispielsweise den Vorwurf des Klägers, „die fragmentarischen Einzelelemente“ der UVP seien methodisch nicht korrekt ermittelt, es fehle der „umweltmedienübergreifende Ansatz“, das durchgeführte Verfahren leiste „dem sektoralen Fachplanungsdenken Vorschub“, als pauschal und unsubstantiiert zurückgewiesen. 274 In einer anderen Entscheidung stellte das Gericht fest, dass das durch die Vorinstanz gerügte Fehlen der UVP für eine Vorhabenalternative schon deshalb nicht als „offensichtlicher“ Abwägungsmangel i. S. d. § 17 Abs. 6c S. 1 FStrG a. F. behandelt werden könne, weil es die Kläger im gesamten schriftlichen Vortrag nicht als Rechtsfehler angesprochen und problematisiert hätten. Insofern hat das BVerwG klargestellt, dass sich die Gerichte nicht ohne Aufforderung auf Fehlersuche bei der Abwägung begeben müssen und dürfen, selbst dann nicht, wenn es sich aus der Aktenlage ergeben könnte. Diese hohen Ansprüche an die Darlegungslast des Kläger sind in der Literatur vielfach kritisiert worden. Den Klägern dürfte es schwer fallen darzulegen, dass und in welcher Hinsicht die Planungsentscheidung anders ausgefallen wäre, wenn eine UVP stattgefunden hätte. Die Anforderungen an die Zulässigkeit der Klage seien damit zu hoch geschraubt. 275 Gleichermaßen machte ein Kläger in seiner Revisionsbeschwerde geltend, dass es zu einer völligen Überforderung der Kläger und auch der Gerichte führen würde, wenn im Rahmen eines Prozessverfahrens sozusagen die UVP schriftsatzmäßig nachgeholt werden müsste. 276 Das BVerwG hat diese Vorwürfe zurückgewiesen: „Einem Kläger, der die Unterlassung einer Umweltverträglichkeitsprüfung rügt, wird aufgrund dieser Rechtsprechung nicht eine nur schwer erfüllbare Substantiierungslast 271

BVerwG, NVwZ 1996, S. 1011 (1012); BVerwG, NVwZ-RR 1996, S. 68 (69). BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387); in diesem Sinne auch jüngst das OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (363). 273 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 266. 274 BVerwG, NVwZ 2000, S. 555 (557); ebenso zum Erfordernis des Vortrags substantiierter Anhaltspunkte: BVerwG, Beschluss v. 02. 10. 2002, Az.: 9 VR 11/02 (zit. nach juris Rn. 10); VGH Mannheim, NVwZ 1995, S. 1017 f. 275 Vgl. Erbguth, NuR 1997, S. 261 (266); derselbe, UPR 2003, S. 321 (324); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (866). 276 BVerwG, NVwZ 1994, S. 688 (690). 272

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aufgebürdet. Ihm wird nicht angesonnen, das Ergebnis der unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuzeichnen. Mit seiner Klage hat er vielmehr schon dann Erfolg, wenn er plausibel darlegen kann, wieso die Entscheidung im Falle einer behördlichen Umweltverträglichkeitsprüfung möglicherweise anders ausgefallen wäre. 277

Eine Überforderung des Klägers war nach Ansicht des BVerwG nicht gegeben. 3. Eingeschränkter Rechtsschutz anerkannter Naturschutzvereinigungen In beschränktem Umfang waren auch anerkannte Vereinigungen bzw. Umweltverbände bereits vor Erlass des URG wegen der unterlassenen Durchführung einer UVP klagebefugt. Ihnen standen zwei unterschiedliche Rechtsbehelfsmöglichkeiten zur Verfügung. Zum einen konnten die Naturschutzvereine das Unterlassen der UVP im Zusammenhang mit einer möglichen Verletzung ihres absoluten Beteiligungsrechts im Planfeststellungsverfahren gemäß §§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG (ex § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BNatSchG) geltend machen. Eine solche Verletzung ist nämlich auch dann gegeben, wenn die zuständige Behörde rechtswidrig in ein nicht beteiligungspflichtiges Verfahren ausweicht, also das an sich gebotene Planfeststellungsverfahren unterlässt. 278 Wegen seiner Funktion als Trägerverfahren hängt die Planfeststellungspflicht in der Regel von der Pflicht zur Durchführung einer UVP ab. 279 Die Vereine konnten sich somit darauf berufen, dass die Behörde fälschlicherweise von einer UVP und damit von einem Planfeststellungsverfahren – an dem sie eigentlich zu beteiligen gewesen wären – abgesehen hat. 280 Die hierauf gestützte Klagebefugnis führte freilich nur zu einer auf die Verletzung des Beteiligungsrechts beschränkten Überprüfung der angefochtenen Entscheidung. 281 Um feststellen zu könne, ob eine Verletzung des Beteiligungsrechts tatsächlich gegeben war, musste jedoch die Frage nach der Erforderlichkeit einer UVP von den Gerichten inzident überprüft werden. So konnten die Naturschutzvereine insbesondere die Verneinung der UVP-Pflicht aufgrund einer Vorprüfung im Einzelfall (§§ 3c ff. UVPG) gerichtlich kontrollie277

BVerwG, NVwZ 1994, S. 688 (690). Vgl. hierzu § 4 A. I. 2. a). 279 Siehe § 9 A. I. 2. b). 280 Klage wegen der Durchführung einer Plangenehmigung statt einer Planfeststellung mit UVP: BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 ff.; OVG Bautzen, NVwZ-RR 2006, S. 390 ff.; Anfechtungsklage wegen der Durchführung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans statt eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans mit Planfeststellung und UVP gemäß § 52 Abs. 2a BBergG: OVG Brandenburg, NuR 2002, S. 685 (686); OVG Münster, NuR 2005, S. 416 (417); OVG Münster, NuR 2006, S. 60 (61); VG Aachen, Urteil v. 10. 12. 2001, Az.: 9 K 2800/00 (zit. nach juris Rn. 125 ff.). 281 VG Aachen, Urteil v. 10. 12. 2001, Az.: 9 K 2800/00 (zit. nach juris Rn. 138). 278

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

ren lassen. Sie waren in dieser Konstellation allerdings gehalten, Anhaltspunkte dafür vorzutragen, dass die negative Einschätzung der Behörde den rechtlichen Anforderungen an die Prüfung der UVP-Pflicht nicht genüge. 282 Überdies bestand für anerkannte Naturschutzvereine auch bisher schon die Möglichkeit, die fehlende Durchführung einer UVP im Rahmen einer echten („altruistischen“) Verbandsklage zu rügen. Während diese Rechtsbehelfsmöglichkeit auf Bundesebene erst 2002 in § 61 BNatSchG eingeführt worden ist, existiert sie auf Landesebene schon seit längerem. 283 Ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, kann der Verein gemäß § 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG geltend machen, dass der Verwaltungsakt Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes, darauf beruhenden Rechtsvorschriften oder anderen Rechtsvorschriften widerspricht, die bei seinem Erlass zu beachten waren und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind. Da es sich bei den Normen des UVPG um qualifizierte Vorschriften in diesem Sinne handelt 284, kann der Verein seine Klage zulässigerweise auf ihr Unterlassen stützen. 285 Anders als bei der Verletzung des absoluten Beteiligungsrechts der Naturschutzverbände führte die fehlerhafte Nichtdurchführung der UVP aber bislang nicht ohne weiteres zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung. Vielmehr kam hier – wie beim enteignend Betroffenen – die Kausalitätsrechtsprechung unter Anwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ zum Einsatz. 286 Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die altruistische Verbandsklage gemäß § 61 Abs. 1 BNatSchG nur gegen Befreiungen von Ver- und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, Nationalparken und sonstigen Schutzgebieten i. S. d. § 33 Abs. 2 BNatSchG (Nr. 1) sowie gegen mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbundene Planfeststellungsbeschlüsse nebst den – überaus seltenen – Plangenehmigungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung (Nr. 2) eröffnet ist. Weitere Voraussetzung ist, dass dem Verein ein Beteiligungsrecht an diesen Verfahren zusteht (§ 61 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG). Zumindest auf Bundesebene sind die Möglichkeiten der Naturschutzvereine, mittels Erhebung einer Verbandsklage gegen eine Zulassungsentscheidung wegen fehlerhaft unterbliebener UVP 282 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (578); vgl. insgesamt zu der Problematik des Ausweichens in ein nicht beteiligungspflichtiges Plangenehmigungsverfahren § 4 A. I. 2. 283 Hierzu Schrader, UPR 2006, S. 205 ff. 284 Ausführlich hierzu OVG Schleswig, Beschluss v. 09. 02. 1995, Az.: 4 M 87/94 (zit. nach juris Rn. 26 ff.). 285 BVerwG, NVwZ 2003, S. 1120 ff.; BVerwG, Beschluss v. 02. 10. 2002, Az.: 9 VR 11/02 (zit. nach juris Rn. 2 f.); OVG Koblenz, Urteil v. 09. 01. 2003, Az.: 1 C 10393/01 (zit. nach juris Rn. 5, 25, 36). 286 BVerwG, NVwZ 2003, S. 1120 (1121); OVG Koblenz, Urteil v. 09. 01. 2003, Az.: 1 C 10393/01 (zit. nach juris Rn. 36). Genauer zur Kausalitätsrechtsprechung bei unterlassener UVP sogleich unter C.

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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vorzugehen, dementsprechend begrenzt. Im Gegensatz dazu findet das neue URG Anwendung auf sämtliche UVP-relevanten Entscheidungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 URG).

C. Zum gerichtlichen Kontrollumfang Im Rahmen der Untersuchung der Folgen, die in der bisherigen Rechtsprechung an die rechtswidrige Nichtdurchführung einer gebotenen UVP geknüpft wurden, bietet es sich an, zwischen Verfahren mit einem planerischen Abwägungsgebot – in der Regel Planfeststellungsverfahren – (I.) und gebundenen Genehmigungsentscheidungen zu differenzieren (II.). Eine Sonderstellung nehmen zudem die Fälle ein, in denen das Unterlassen der UVP auf eine fehlerhafte oder unterbliebene Vorprüfung gemäß §§ 3c ff. UVPG zurückzuführen ist (III.). I. Die Folgen der unterlassenen UVP im Planfeststellungsverfahren 1. § 46 VwVfG als Bestandteil der doppelten Kausalitätsprüfung Die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers der unterlassenen UVP ist vor allem im Planfeststellungsverfahren problematisch geworden. Anlässlich der hier praktizierten ständigen Rechtsprechung hat sich ferner die Kritik an der Vorschrift des § 46 VwVfG entzündet. Denn entsprechend der rein verfahrensrechtlichen Einordnung der UVP haben die Gerichte das Unterlassen der UVP wie jeden sonstigen Verfahrensfehler behandelt, der nur dann die Aufhebung des angegriffenen Planfeststellungsbeschlusses zur Folge haben kann, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Fehler die Entscheidung anders ausgefallen wäre. 287 Als „rechtliche Stütze“ für diesen Prüfungsmaßstab verweist das BVerwG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 25. 01. 1996 auf die Vorschrift des § 46 VwVfG. 288 Seither wird diese Rechtsprechung gerne als Be287 BVerwG, Beschluss v. 22. 06. 1993, Az.: 4 B 257/92 (zit. nach juris Rn. 3); BVerwG, NVwZ 1994, S. 688 (689 f.); BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792); BVerwG, NVwZ 1996, S. 1011 (1012 f.); BVerwG, Beschluss v. 09. 07. 2003, Az.: 9 VR 1/03 (zit. nach juris Rn. 6); BVerwG, NuR 2008, S. 334 (337); BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 10 ff.); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, S. 373 (376); VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 (306); VGH Mannheim, VBlBW 1996, S. 265 (266); VGH Mannheim, NVwZ 1995, S. 1017 f.; OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (321 f.); OVG Münster, Urteil v. 02. 03. 2006, Az.: 11 A 1752/04 (zit. nach juris Rn. 81, 87); OVG Münster, Beschluss v. 23. 03. 2007, Az.: 11 B 916/06.AK (zit. nach juris Rn. 6 ff., 11). 288 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792); ebenso erneut BVerwG, NuR 2008, S. 334 (338).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

leg für die mangelnde Europarechtskonformität der nationalen Fehlerfolgenlehre bzw. des § 46 VwVfG herangezogen, weil hierdurch der Zweck der UVP-Richtlinie im Regelfall vereitelt werde. 289 Allerdings dürfen hierbei zwei Punkte nicht unberücksichtigt bleiben. Zum einen wurde im Rahmen dieser Arbeit bereits ausgeführt, dass das in der Rechtsprechung verwendete Prüfungskriterium der „konkreten Möglichkeit“ weder mit der damaligen noch mit der heutigen Fassung des § 46 VwVfG harmoniert und nicht als dessen „authentische Interpretation“ begriffen werden kann. 290 Ein Ausschluss des Aufhebungsanspruchs kommt nach dieser Vorschrift nur dann in Betracht, „wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.“ Das Verhältnis von § 46 VwVfG zur Formel der „konkreten Möglichkeit“, die sich zunächst ohne gesetzliche Basis entwickelt hat, ist daher relativ unklar. § 46 VwVfG wird in den meisten Entscheidungen neben der Formel der „konkreten Möglichkeit“ auch gar nicht genannt, wenn es darum geht, die Folgen der unterlassenen UVP für den Planfeststellungsbeschluss zu bewerten. 291 Insofern können sich aus den Entscheidungen zur Unbeachtlichkeit der unterbliebenen UVP allenfalls europarechtliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtsprechung zu § 46 VwVfG unter Anwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ ergeben. 292 Diese Unterscheidung gilt es deutlicher hervorzuheben. Zudem verschärfte sich die Problematik der Unbeachtlichkeit der unterlassenen UVP im Planfeststellungsverfahren dadurch, dass die UVP von der überwiegenden Rechtsprechung lediglich als strukturgebender Bestandteil des Abwägungsvorgangs gesehen wurde. 293 Hierdurch kam es zu einer „Verkoppelung“ 294 289 Vgl. nur Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (26 f.); Wahl, in: DVBl. 2003, S. 1285 (1291); Wegener, ZUR 1996, S. 324 (325 f.); Classen, DV 31 (1998), S. 307 (327 f.); Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (501 f.); Schmdit-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79 ff.; Pünder, in: Erichsen / Ehlers (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2006, § 14 Rn. 48. Der Rechtsprechung zustimmend hingegen Hien, NVwZ 1997, S. 422 ff. 290 Vgl. hierzu § 3 C. 291 So hat das BVerwG, soweit ersichtlich, nur in zwei Entscheidungen, in denen es um die unterlassene UVP im Planfeststellungsverfahren ging, auf die Vorschrift des § 46 VwVfG Bezug genommen: BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792) und BVerwG, Beschluss v. 22. 06. 1993, Az.: 4 B 257/92 (zit. nach juris Rn. 3). Aus der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erwähnt lediglich der VGH Mannheim § 46 VwVfG in dieser Konstellation, NVwZ-RR 1994, S. 373 (376). 292 Ebenso Baumeister, Der Beseitigungsanspruch, S. 288; Pietzcker, in: FS für Maurer, S. 695 (710); Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (524 f.). Vgl. hierzu bereits § 7 C. II. 293 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (789); BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 (1018); BVerwG, NVwZ 1998, S. 508 (510); BVerwG, Beschluss v. 09. 07. 2003, Az.: 9 VR 1/03 (zit. nach juris Rn. 9). 294 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 265.

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oder „Parallelführung“ 295 der geforderten konkreten Auswirkungsmöglichkeit des Verfahrensfehlers mit der materiell-rechtlichen Abwägungskontrolle. Im Hinblick auf das Abwägungsgebot ergab sich folgende Prüfungsreihenfolge: Es mussten erstens konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass infolge der rechtswidrig unterlassenen UVP abwägungserhebliche Umweltbelange außer Acht gelassen oder fehl gewichtet worden sind, also ein Fehler im Abwägungsvorgang versursacht worden ist. Dies wurde nach Auffassung des BVerwG alleine durch das Fehlen der UVP noch nicht indiziert. 296 Der Fehler im Abwägungsvorgang (Ermittlung, Bewertung) konnte wiederum nur dann erheblich sein, wenn er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen war (§ 75 Abs. 1a VwVfG 297). Hierfür war erneut erforderlich, dass die konkrete Möglichkeit bestand, dass die Planfeststellungsbehörde ohne den festgestellten Mangel eine andere planerische Entscheidung getroffen hätte. 298 Die Nichtdurchführung des gebotenen UVP-Verfahrens musste mit anderen Worten über einen materiellen Abwägungsmangel auf das Abwägungsergebnis durchschlagen, um bedeutsam zu werden. Neben der Verfahrensfehlerfolgenregelung des § 46 VwVfG bzw. ihrer Interpretation durch die Rechtsprechung kam also bei Planungsentscheidungen für die rechtliche Bewertung der unterlassenen UVP noch eine weitere Unbeachtlichkeitsvorschrift – nämlich diejenige für materielle Abwägungsmängel – zur Anwendung. Daher wird in diesem Zusammenhang von einer doppelten Kausalitätsprüfung gesprochen. 299 Entsprechend der Vorstellung, dass die UVP lediglich eine formale Neustrukturierung des Abwägungsvorgangs bewirkt habe, wurde die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung bei Durchführung der erforderlichen UVP im Planfeststellungsverfahren regelmäßig abgelehnt. So führt der VGH Mannheim aus: „Die Kausalität des – unterstellten – Verfahrensfehlers i. S. der konkreten Möglichkeit einer anderen Entscheidung ist auch deshalb fernliegend, weil die nationale straßenrechtliche Planfeststellung nach dem Fernstraßengesetz (...) insbesondere im Hinblick auf das Gebot der Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange im Wesentlichen den Anforderungen der UVP-Richtlinie Rechnung trägt.“ 300 295

Gerhardt, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rn. 29. BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 (1018); BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (790 f.); BVerwG, NuR 1998, S. 649 (652); BVerwG, NVwZ 1998, S. 508 (509); jüngst auch entgegen seiner früheren Rechtsprechung das OVG Koblenz, Urteil v. 09. 01. 2003, Az.: 1 C 10393/01 (zit. nach juris Rn. 36). 297 Beziehungsweise gemäß den entsprechenden Bestimmungen der Fachplanungsgesetze, i. d. R. § 17 Abs. 6c FStrG a. F. 298 BVerwG, NVwZ 1996, S. 1016 (1019); BVerwG, NVwZ 1996, S. 1011 (1012); BVerwG, NVwZ 1998, S. 508 (510); BVerwG, NVwZ 1999, S. 989; BVerwG, NVwZ 2003, S. 1120 (1121); VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 (306). 299 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 266. Zu diesen beiden Stufen der Kausalitätsprüfung außerdem Erbguth, UPR 2003, S. 321 (324), der von den „Daumenschrauben der nächsten Kausalitätsprüfung“spricht; Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht, S. 123 f. 296

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Die Rechtsprechung zu den Fehlerfolgen der unterlassenen UVP hat das BVerwG gleichermaßen auf den Bereich des Bauplanungsrechts erstreckt. Das Abwägungsgebot, dem die Gemeinde als Trägerin der Bauleitplanung unterliege, unterscheide sich in seiner rechtlichen Grundstruktur nicht von dem Abwägungsgebot, an dem sich der Planungsträger in der Fachplanung auszurichten habe. Dementsprechend wird der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP auch hier in die Abwägungskontrolle eingebunden. Das BVerwG führte hierzu unlängst aus: „Unterlässt es die Gemeinde, sich methodisch an § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG 1993 auszurichten, liegt darin ein Ermittlungs- und Bewertungsfehler. Dieses Versäumnis rechtfertigt für sich genommen indes nicht ohne weiteres den Schluss, dass die Planungsentscheidung fehlerhaft ist und keine Rechtswirkung erzeugen kann. Ob Defizite im Bereich der UVP auf den Abwägungsvorgang im Übrigen durchschlagen, richtet sich nach dem für Abwägungsmängel maßgeblichen Fehlerfolgenregime. Insoweit einschlägig ist hier § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB 1998. Danach sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind. Lässt die Gemeinde UVP-rechtliche Vorgaben außer Acht, so ist der Verstoß nur dann erheblich, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass sie ohne den Verfahrensfehler eine andere Planungsentscheidung getroffen hätte.“ 301

Eine solche Übertragung der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auf den Bereich der Bauleitplanung hatte dagegen der VGH München noch einige Monate zuvor bei der Nichtdurchführung einer unterlassenen UVP explizit abgelehnt. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass § 46 VwVfG nicht für Satzungen gelte und § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB nur für Mängel im Abwägungsvorgang und gerade nicht bei Verfahrensfehlern. 302 Hieraus wird abermals deutlich, dass die Problematik der Sanktionslosigkeit der unterlassenen UVP nicht allein an der Vorschrift des § 46 VwVfG festgemacht werden kann, sondern aus dem „Verkoppelungs“-Ansatz der Rechtsprechung des BVerwG und der Verwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ resultiert, das auch bei materiellen Abwägungsmängeln zum Einsatz kommt. Zwar räumt das BVerwG in der hier in Rede stehende Entscheidung ein, dass sich die Möglichkeit, dass das Abwägungsergebnis bei Durchführung der UVP anders ausgefallen wäre, nicht leichthin von der Hand weisen lasse. Je größeres Gewicht den Belangen des Umweltschutzes im Interessengeflecht der Abwägung zukomme, desto eher sei davon auszugehen, dass sich methodische Unzulänglichkeiten bei der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung i. S. d. 300 VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, S. 373 (376) mit Hinweis auf VGH Mannheim, UPR 1993, S. 190 (191); Ähnlich VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 304 (307); VGH Mannheim, VBlBW 1996, S. 265 (266), in der das Gericht als Beleg für den fehlenden Kausalzusammenhang auf die anschließende materielle Kontrolle des Planfeststellungsbeschlusses anhand des Abwägungsgebots verweist. 301 BVerwG, NuR 2005, S. 394 (396). 302 VGH München, Urteil v. 21. 06. 2004, Az.: 20 N 04.1201 (zit. nach juris Rn. 42).

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§ 2 Abs. 1 S. 2 UVPG auf das Planungsergebnis ausgewirkt haben könnten. 303 Hieraus zieht das Gericht aber nicht die Konsequenz der Mangelhaftigkeit der Abwägung. Ungeachtet der Tatsache der fehlenden UVP würde die Planungsentscheidung im konkreten Fall aus umweltrechtlicher Sicht allenfalls punktuelle Defizite aufweisen, die in der Gesamtbilanz nicht Nennenswert zum Nachteil des Planungsvorhabens zu Buche schlügen. 304 Im Ergebnis kommt dem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP – wie sonst auch – keine eigenständige Bedeutung neben der materiellen Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu. 2. Die unterlassenen UVP als Indiz für eine fehlerhafte Abwägung Abweichend von der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung haben der VGH München und das OVG Koblenz für das rechtswidrige Unterlassen der UVP im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens einen weniger fehlertoleranten Maßstab angelegt. Ausgangspunkt hierfür war die der UVP nach Meinung der Gerichte zugewiesene Funktion der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ 305. Hierdurch erlange die UVP eine eigenständige Bedeutung für die behördliche Entscheidungsfindung, was mit einer weitgehenden Zurücknahme hypothetischer Erwägungen des Gerichts im Rahmen der „Defizitprüfung“ verbunden sein müsse. 306 Eine strikte Ankoppelung der Fehlerrelevanz an die Abwägungskontrolle, wie sie in der überwiegenden Rechtsprechung praktiziert wurde, haben die beiden Oberverwaltungsgerichte daher abgelehnt. Das Fehlen einer gebotenen UVP indiziere bereits einen Abwägungsmangel, ohne dass der Kläger näher auf eine konkrete Fehlermittlung oder -gewichtung einzelner Umweltbelange hinweisen müsste. 307 Nur aufgrund besonderer Gegebenheiten im Einzelfall sollte ein Abwägungsmangel verneint werden dürfen. 308 Dies konnte nach Ansicht der beiden Gerichte z. B. dann der Fall sein, wenn die weitere Anreicherung oder Aufbereitung des Abwägungsmaterials für die behördliche Entscheidung unerheblich war oder die Behörde den Anforderungen der UVP in der Sache entsprochen hat. 309 303

BVerwG, NuR 2005, S. 394 (396). BVerwG, NuR 2005, S. 394 (396). 305 Vgl. hierzu § 9 C. II. 1. 306 VGH München, DVBl. 1994, S. 1198 (1199). 307 VGH München, DVBl. 1994, S. 1198 (1200); VGH München, NuR 1994, S. 244 (245); OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146 (149). 308 VGH München, UPR 1993, S. 275. 309 Aus diesem Grund hat der VGH München in NuR 1993, S. 285 f. sowie in NuR 1994, S. 244 ff. die Aufhebung des Planfeststellungsentschlusses trotz fehlender UVP abgelehnt, weil die Gewinnung der Information über die Umweltauswirkungen jedenfalls dem Ziel und Zweck der UVP entsprochen hätte. Ebenso konnten die Kläger in der Entscheidung zur „Eschenrieder Spange“ keine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses 304

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Nicht maßgeblich war hingegen, ob ohne dieses Abwägungsdefizit die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung bestanden hätte. 310 Während das BVerwG mit seiner doppelten Kausalitätsprüfung vermutete, dass eine fehlende UVP in der Regel keinen Einfluss auf das Abwägungsergebnis hat, es sei denn, der Sachverhalt ergab die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung, gingen der VGH München und das OVG Koblenz davon aus, dass eine unterlassene UVP in der Regl erheblich für das Entscheidungsergebnis ist. Diese unterschiedlichen Vermutungen hatten Auswirkungen auf die jeweilige Beweislast. Im ersten Fall musste der Kläger auf die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung hinweisen, während es nach der damaligen Rechtsprechung der beiden Oberverwaltungsgerichte der Behörde oblag, den positiven Beweis einer mangelnden Einflussnahme des Fehlers auf die Entscheidung zu führen. In einer jüngeren Entscheidung des OVG Koblenz wird der fehlenden UVP jedoch keine Indizienwirkung mehr für die Fehlerhaftigkeit der Abwägung zugeschrieben. Das Gericht führt aus: „Die Rüge, dass im Planfeststellungsverfahren gegen das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) verstoßen worden sei, führt gleichfalls nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Weder die UVP-Richtlinie noch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung stellen eigenständige, über das jeweils einschlägige Fachgesetz hinausgehende materielle Zulassungsvoraussetzungen für ein Vorhaben der Fachplanung auf. Vielmehr hat die UVP lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung und lässt die fachgesetzliche Entscheidungsstruktur unberührt. Insbesondere sind Mängel oder das Fehlen einer UVP nicht gleichbedeutend mit der Fehlerhaftigkeit einer fachplanerischen Abwägung, in deren Rahmen die UVP vorgesehen ist, wenn sie auch auf die Abwägungsentscheidung durchschlagen können.“ 311

Der UVP soll demnach keine besondere Bedeutung bei der materiellen Entscheidungsvorbereitung mehr zukommen, die über die Funktion einer reinen Verfahrensregelung hinausgeht.

erreichen, weil der Rechtsmangel nach Ansicht des VGH durch ein ergänzendes Verfahren nach § 17 Abs. 6c S. 2 FStrG a. F. behoben werden konnte. 310 VGH München, NuR 1994, S. 244 (245). 311 OVG Koblenz, Urteil v. 09. 01. 2003, Az.: 1 C 10393/01 (zit. nach juris Rn. 36). Diese Entscheidung wurde ebenfalls vom 1. Senat getroffen, der damals noch die Fehlerhaftigkeit der Abwägung bei unterlassener UVP vermutet hat, OVG Koblenz, ZUR 1995, S. 146 (149).

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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II. Die Bedeutung des § 46 VwVfG im gebundenen Zulassungsrecht Da seit der Änderung des UVPG durch das Artikelgesetz von 2001 viele UVP-pflichtige Anlagen in den Anwendungsbereich des Immissionsschutzgesetzes fallen, lassen sich hier die Folgen der unterlassenen UVP für den Bereich des gebundenen Zulassungsrechts am besten beleuchten. Die meisten Gerichte verfolgen im Bereich des Immissionsschutzrechts eine ähnlich restriktive Rechtsprechung wie im Rahmen der Planfeststellung. Auch die Vorschrift des § 46 VwVfG wird vielfach aufgegriffen. 312 Ob die Voraussetzungen der Vorschrift tatsächlich einschlägig sind, wird allerdings bisweilen gar nicht richtig durchgeprüft. Teilweise lassen die Gerichte die Frage der Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 46 VwVfG vielmehr dahinstehen. So erklärte beispielsweise der VGH München, dass es mangels Drittschutzerheblichkeit der UVP-Vorschriften auf die weitere Frage, ob die insoweit unterbliebene allgemeine Öffentlichkeitsbeteiligung die angegriffene Genehmigungsentscheidung in der Sache beeinflusst haben kann (Art. 46 BayVwVfG), nicht mehr ankomme. 313 In einer anderen Entscheidung nimmt der VGH München auf die Vorschrift des § 46 VwVfG eher hilfsweise Bezug, nachdem er schon das Vorliegen eines Verfahrensfehlers mit der Begründung abgelehnt hatte, dass die Durchführung einer UVP im konkreten Fall auch nicht erforderlich gewesen sei: „Selbst wenn der Behörde entgegen den vorstehenden Ausführungen im Verfahren zur Erteilung der Genehmigung Fehler unterlaufen wären, die sich zumindest indirekt auch auf Beteiligungsrechte der Kläger oder auf ihre allgemeine Rechtsstellung auswirken könnten, ergäbe sich daraus im vorliegenden Klageverfahren wegen Art. 46 BayVwVfG kein Anspruch auf gerichtliche Aufhebung der angegriffenen Genehmigung, da es angesichts ihrer fehlenden materiellen Betroffenheit durch den Anlagenbetrieb und der auch im Übrigen bestehenden Rechtmäßigkeit der Genehmigung, die noch im Einzelnen darzustellen sein wird, offensichtlich ist, dass ein derartiger Fehler die nach zwingendem Recht (§ 6 Abs. 1 BImSchG) zu treffende behördliche Sachentscheidung nicht beeinflusst haben kann“. 314

312 VGH München, NVwZ-RR 2007, S. 371 (372); VGH München, NVwZ-RR 2001, S. 373 (374); VG Freiburg, Urteil v. 18. 07. 2006, Az.: 1 K 2374/04 (zit. nach juris Rn. 36); VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 141 ff.). 313 VGH München, Urteil v. 27. 05. 2003, Az.: 22 B 94.315 (zit. nach juris Rn. 35); sich anschließend VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 35). Das VG Freiburg lässt sowohl die Frage nach einer drittschützenden Wirkung der UVP-Vorschriften als auch die Frage der Unbeachtlichkeit der unterlassenen UVP i. S.v. § 46 LVwVfG dahinstehen, weil es bereits das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ablehnt, VG Freiburg, Urteil v. 18. 07. 2006, Az.: 1 K 2374/04 (zit. nach juris Rn. 36). 314 VGH München, NVwZ-RR 2006, S. 456 (460); ähnlich entschied auch das VG Münster, dass der Einwand des Klägers, es habe keine UVP stattgefunden, deswegen auf sich beruhen könne, weil es jedenfalls mit Blick auf § 46 VwVfG an der Möglichkeit

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Das Gericht verweist somit für die offensichtliche Nichtbeeinflussung des Verfahrensfehlers auf die anschließende, ausführliche materielle Kontrolle und hebt entsprechend dem herkömmlichen Verständnis von § 46 VwVfG die allein zählende materielle Rechtmäßigkeit der Genehmigung hervor. Durch den Hinweis auf das „zwingende Recht“ wird zudem der Eindruck vermittelt, dass die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers nicht zuletzt aus der „Gebundenheit“ der Entscheidung resultieren müsse. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass bei den Voraussetzungen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aufgrund der Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe noch ein erheblicher (tatsächlicher) Beurteilungsspielraum besteht. 315 Insbesondere für die Betreiberpflichten des § 5 BImSchG wird die Einflusslosigkeit selten offensichtlich sein, weil die Konkretisierung der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe erst im Verfahren erfolgt. 316 Insofern ist das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ebenfalls ein Prozess der Rechtsfindung und -konkretisierung. 317 Eine prinzipiell großzügige Handhabung des Kriteriums der „Offensichtlichkeit“ in § 46 VwVfG erscheint bei komplexen Genehmigungsverfahren unangebracht. Der Prüfungsmaßstab, den die Oberverwaltungsgerichte für die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers der unterlassenen UVP heranziehen, ist im Rahmen des gebundenen Zulassungsrechts außerdem uneinheitlich. Während sich der VGH München in der oben zitierten Entscheidung am Wortlaut des § 46 VwVfG orientiert, verweist das OVG Münster in einer jüngeren Entscheidung auf die vom Kläger darzulegende konkrete Möglichkeit einer anderen Sachenentscheidung im Falle der Durchführung der UVP. 318 Damit lehnt sich das OVG an die Rechtsprechung des BVerwG zur unterbliebenen UVP im Planfeststellungsverfahren an, obwohl hier die Aufhebung einer Baugenehmigung zur Debatte stand. Unter Anwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ wird die mangelnde Einflussnahme des Fehlers für die Entscheidung vermutet und dem Kläger die Darlegungslast für das Gegenteil auferlegt. In zwei anderen Entscheidungen, in denen es jeweils um einen UVP-Verstoß im Rahmen einer bergrechtlichen Betriebszulassung ging, überprüft und einer eigenen materiellen Rechtsbetroffenheit des Klägers infolge der Nichtdurchführung einer förmlichen UVP fehle, Urteil v. 16. 03. 2007, Az: 10 K 2265/05 (zit. nach juris Rn. 51). 315 Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 134; Dietlein, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band I, 51. Auflage 2007, BImSchG, § 10 Rn. 283. 316 Vgl. auch Roßnagel, in: Koch / Scheuing, Gk-BImSchG, § 10 Rn. 584. 317 In der Literatur wird auch vertreten, dass ein Verstoß gegen eine drittschützende Verfahrensbestimmung schon dann zur Aufhebung der Genehmigung führen müsse, wenn er sich auf die Einhaltung materieller Normen (mit drittschützendem Charakter) ausgewirkt haben könnte, vgl. Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 134; Dietlein, in: v. Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Band I, 51. Auflage 2007, BImSchG, § 10 Rn. 283. 318 OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (363).

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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verneint das OVG Münster die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers zunächst ebenfalls anhand der typischerweise im Planfeststellungsverfahren angewandten Formel der „konkreten Möglichkeit“. Hinzukommend sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der bergrechtlichen Betriebszulassung, auf die nach §§ 55, 48 Abs. 2 BBergG ein Rechtsanspruch bestehe, um eine gebundene, nicht aber um eine fachplanerische Entscheidung mit Gestaltungsspielraum handele. Daraus folge, dass ein etwaiger Verfahrensfehler für sich gesehen mangels Kausalität nach § 46 VwVfG NW, der über § 5 BBergG anwendbar sei, unbeachtlich wäre. 319 Aus der Gebundenheit der Entscheidung schließt das Gericht also auf die Einschlägigkeit des § 46 VwVfG, der offenbar zusätzlich zum Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ herangezogen wird. In welchem Verhältnis die beiden Prüfungsmaßstäbe stehen, wird nicht ersichtlich. Hierfür liefert auch der Beschluss des VGH München von 2001 wenig Anhaltspunkte. Das Oberverwaltungsgericht hat das Begehren des Antragstellers, für die beabsichtigte Betriebsänderung des Kraftwerkes ein förmliches Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG mit integrierter UVP durchzuführen und den Antrag auf Erteilung einer Genehmigung nach § 19 BImSchG zurückzuweisen, wegen § 44a VwGO als unzulässig abgelehnt. Bezüglich der Erfolgsaussichten einer möglicherweise zulässigen Anfechtungsklage gegen die verfahrensabschließende Genehmigungsentscheidung wegen unterbliebener UVP erläutert das Gericht: „Nach § 46 BayVwVfG wird dann auch zu prüfen sein, ob offensichtlich ist, dass eine etwaige Verletzung von Verfahrensvorschriften die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat, oder ob die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler die Entscheidung anders ausgefallen wäre.“ 320

Ob das Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ hier alternativ oder kumulativ für die Fehlerbeachtlichkeit verlangt werden soll, lässt sich nicht sagen. Die Entscheidung ist ein weiterer Beleg für die Unsicherheiten, die im Umgang mit dem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP im Rahmen des gebundenen Zulassungsrechts bestanden haben. III. Die Folgen der unterlassenen oder fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung Ob für ein Vorhaben die Pflicht zur Durchführung einer UVP besteht, hängt gemäß §§ 3a, 3c i.V. m. der Anlage 1 des UVPG nicht selten von dem Ergebnis

319 OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (321 f.); OVG Münster, Urteil v. 02. 03. 2006, Az.: 11 A 1752/04 (zit. nach juris Rn. 81 ff.). 320 VGH München, NVwZ-RR 2001, S. 373 (374).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

der Vorprüfung im Einzelfall ab. 321 Hieraus ergeben sich im Hinblick auf das rechtswidrige Unterlassen einer UVP zwei mögliche Fehlerkonstellationen. Zum einen ist es denkbar, dass die Behörde das geplante Projekt den in der Anlage 1 des UVPG genannten Vorhaben falsch zuordnet und daher die Durchführung einer an sich gebotenen Vorprüfung betreffend die UVP-Pflicht von vornherein unterlässt. Zum anderen ist es möglich, dass die Behörde die erforderliche Vorprüfung zwar durchführt, aber die rechtlichen und naturschutzfachlichen Voraussetzungen, unter denen nach einer Vorprüfung des Einzelfalls von einer UVP abgesehen werden darf, verkennt und somit zu einem falschen Ergebnis bezüglich der UVP-Pflichtigkeit kommt. Die Konsequenz ist in beiden Fällen die gleiche: Die an sich gebotene UVP wird rechtswidrig unterlassen. Demzufolge hat sich vor Erlass des URG die gerichtliche Kontrolle dieser beiden Fehlerkonstellationen nicht unterschieden. Die vollständige Nichtdurchführung einer gebotenen Vorprüfung wurde in der Rechtsprechung weitestgehend mit dem Argument für unbeachtlich erklärt, dass schließlich auch das fehlerhafte Unterbleiben der gesamten UVP allenfalls einen Verfahrensfehler darstelle, der als solcher einen Aufhebungsanspruch des Dritten eigenständig nicht begründen könne. 322 Ob die Vorprüfung möglicherweise zu einer UVP-Pflicht des Vorhabens geführt hätte, war irrelevant. Aus dem Rahmen fällt lediglich eine Entscheidung des VGH München. Nach Ansicht des Gerichts soll der Verfahrensfehler gemäß Art. 46 BayVwVfG nämlich dann im Hinblick auf eine mögliche Verletzung von Rechten des Antragstellers rechtlich erheblich sein, wenn anzunehmen wäre, dass die Vorprüfung tatsächlich die Erforderlichkeit einer UVP ergeben hätte. 323 Das würde letztlich bedeuten, dass dem UVP-Verfahren eine drittschützende Wirkung zukommt, denn nur in dem Fall kann sein fehlerhaftes Unterlassen einen beachtlichen Verfahrensverstoß darstellen. Gleichwohl hat der VGH die Frage der Drittschutzerheblichkeit der UVP aufgrund des neu eingefügten Art. 10a der UVP-Richtlinie ausdrücklich offen gelassen. 324 Weitaus häufiger als das vollständige Unterlassen der Einzelfallvorprüfung sind die Fälle, in denen eine Vorprüfung zwar vorgenommen wurde, sich aber die Frage stellt, ob die Behörde tatsächlich eine zutreffende Einschätzung über 321

Vgl. oben § 10 A. I. Zur alten Rechtslage BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 10 ff.); OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 05. 2007, Az.: 12 LB 8/07 (zit. nach juris Rn. 51); OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615 ff.; VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Rn. 25). 323 VGH München., Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 35). 324 VGH München., Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 23). 322

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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die UVP-Pflicht des Vorhabens getroffen hat. 325 Auch hier wurde eine Überprüfung dieser Frage in der Regel abgelehnt. Mangels Drittschutzerheblichkeit der UVP-Vorschriften sei ohnehin nicht von Bedeutung, ob eine UVP zu Unrecht unterblieben sei. 326 Lediglich in einigen wenigen Entscheidungen haben sich die Gerichte mit der von der Behörde nach § 3a S. 1 UVPG getroffenen Feststellung tatsächlich auseinander gesetzt 327 bzw. auf die Notwendigkeit einer Klärung dieser Frage im Hauptsacheverfahren verwiesen 328. Die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Einschätzung über die UVPPflichtigkeit des Vorhabens ist unlängst Gegenstand einer Entscheidung des BVerwG gewesen. 329 Das negative Ergebnis der Vorprüfung – also die Verneinung der UVP-Pflicht – war ausschlaggebend dafür gewesen, dass die Behörde die Änderung eines Verkehrsflughafens im Wege der Plangenehmigung statt in Form der Planfeststellung zugelassen hatte. 330 Hiergegen konnte ein anerkannter Naturschutzverein zulässigerweise mit dem Argument vorgehen, dass durch die fehlerhafte Wahl des Zulassungsverfahrens sein Beteiligungsrecht im Planfeststellungsverfahren (§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG) verletzt worden sei. 331 Die Begründetheit der Klage hing somit davon ab, ob die zuständige Behörde die rechtlichen und naturschutzrechtlichen Voraussetzungen, unter denen nach einer Vorprüfung des Einzelfalls von einer UVP und damit von einem Planfeststellungsverfahren abgesehen werden darf, verkannt hatte. 325 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (581); BVerwG, NuR 2008, S. 334 (335 ff.); OVG Münster, NVwZ-RR 2007, S. 89 (95); OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, Beschluss v. 12. 01. 2006, Az.: 4 K 3385/02 (zit. nach juris Rn. 12 ff.); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, S. 23 f.; VG Saarland, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 62); VG Saarland, Urteil v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 28 f.); VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/02 (zit. nach juris Rn. 49). 326 Vgl. nur OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (362); OVG Münster, NVwZ-RR 2004, S. 408 (409); OVG Münster, Beschluss v. 05. 07. 2006, Az.: 8 B 379/06.AK (zit. nach juris Rn. 18); OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, S. 23; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 (357); OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); VG München, Urteil v. 17. 12. 2003, Az.: M 28 K 03.2902 (zit. nach juris Rn. 28 f.); VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 62); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 40); VG Minden, Beschluss v. 11. 03. 2003, Az.: 9 L 1484/02 (zit. nach juris Rn. 49). 327 OVG Münster, NVwZ-RR 2007, S. 89 (95); VGH München, Urteil v. 02. 12. 2005, Az.: 20 A 04.40040 bis 40048; VG Münster, Urteil v. 09. 03. 2007, Az.: 7 K 2635/04 (zit. nach juris Rn. 19 ff.). 328 OVG Saarlouis, Beschluss v. 10. 11. 2006, Az.: 3 W 7/06 (zit. nach juris Rn. 39 f.). 329 BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 ff. 330 Zum Zusammenhang zwischen UVP-Pflicht und Verfahrenswahl in § 9 B. I. 331 Vgl. zu der Klagemöglichkeit eines anerkannten Naturschutzvereins in diesen Fällen § 4 A. I. 2. b).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Das BVerwG hob zunächst hervor, dass die Behörde wegen des Prognosecharakters der Entscheidung einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum („Einschätzungsprärogative“) besitze. Dem trage nunmehr auch die durch das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz eingefügte Vorschrift des § 3a S. 4 UVPG Rechnung, nach der die auf einer Vorprüfung des Einzelfalls beruhende Einschätzung der zuständigen Behörde, dass eine UVP unterbleiben soll, in einem gerichtlichen Verfahren nur darauf zu überprüfen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. 332 Selbst diese eingeschränkten Anforderungen an die inhaltliche Überprüfung der behördlichen Einschätzung sah das BVerwG durch die Vorinstanz nicht als erfüllt an. Der Hessische VGH habe entsprechend seinem rechtlichen Ansatz die richterliche Kontrolle der negativen Feststellung nach einer Vorprüfung im Einzelfall auf den Maßstab eines behördlichen Formenmissbrauchs reduziert. 333 Da ein solcher Kontrollmaßstab nicht ausreichend ist, hat das BVerwG die Sache zur nochmaligen Überprüfung und Entscheidung an den VGH Kassel zurückverwiesen. Das Ergebnis der Vorprüfung unterlag somit vereinzelt auch einer verfahrensrechtlichen Überprüfung durch die Gerichte, wenn hiermit eine Rechtsverletzung des Klägers verbunden sein konnte. Deutlich zahlreicher sind allerdings diejenigen Entscheidungen, in denen mangels Drittschutzerheblichkeit der UVP ausdrücklich offen gelassen wurde, ob die Einschätzung der Behörde bezüglich der Umweltauswirkungen des Vorhabens tatsächlich zutreffend war. Dies entspricht der in Deutschland üblicherweise praktizierten Kontrolldichte, wonach nur diejenigen Normen auf ihre Einhaltung zu überprüfen sind, die den Drittkläger auch schützen.

D. Ergebnis Vor Erlass des URG existierten für Dritte nur sehr wenige bis gar keine Möglichkeiten gegen die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP – sowie einer damit gegebenenfalls zusammenhängenden falschen Verfahrenswahl – gerichtlich vorzugehen. Sowohl das BVerwG als auch die Oberverwaltungsgerichte haben in ständiger Rechtsprechung die rein verfahrensrechtliche Bedeutung der UVP in den Vordergrund gestellt und dementsprechend eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition grundsätzlich abgelehnt. Eine isolierte Klagebefugnis aufgrund des Unterbleibens der UVP schied aus. Die in der Literatur vielfach diskutierte Frage, ob nicht jedenfalls den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung eine relativ drittschützende Wirkung beigemessen werden könne – was 332 333

BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (581 Rn. 48). BVerwG, NVwZ 2007, S. 576 (581 Rn. 51).

§ 10 Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei unterlassener UVP

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mit dem Vorteil einer reduzierten Substantiierungslast bezüglich der eigenen materiellen Betroffenheit verbunden gewesen wäre –, ist in der Rechtsprechung vor der Einfügung des neuen Art. 10a in die UVP-Richtlinie nicht thematisiert worden. Vielmehr haben die Gerichte der UVP jeglichen dritt- oder nachbarschützenden Charakter abgesprochen, und zwar in der Regel ohne zwischen den einzelnen Vorschriften des UVPG zu differenzieren. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung konnte nur derjenige das Unterlassen einer UVP gerichtlich geltend machen, der durch das geplante Vorhaben in seinem Eigentum betroffen wurde und daher seine Klagebefugnis auf jeden Rechtsverstoß, also auch auf ihn nicht schützende Verfahrensbestimmungen stützen konnte. In eingeschränktem Umfang waren auch anerkannte Vereinigungen bzw. Umweltverbände wegen der unterlassenen Durchführung eines UVPVerfahrens klagebefugt. Für sie stritt entweder eine mögliche Rechtsverletzung ihres anerkannten Beteiligungsrechts im Planfeststellungsverfahren gemäß §§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG, wenn die Behörde unter Verkennung der UVP-Pflicht zu Unrecht in ein Plangenehmigungsverfahren ausgewichen war, oder sie konnten die fehlende Durchführung einer UVP im Rahmen einer echten („altruistischen“) Verbandsklage rügen. Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP konnte nach der doppelten Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG im Planfeststellungsverfahren nur dann zum Erfolg der Klage führen, wenn hierdurch ein auf Umweltbelange bezogenes Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit, also ein Fehler im Abwägungsvorgang verursacht worden ist, und wenn ein solcher Abwägungsfehler auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Für beide Kausalzusammenhänge musste eine konkrete Möglichkeit vorliegen. Ansonsten blieb der Verfahrensfehler unbeachtlich. Aufgrund dieser – fälschlicherweise auf § 46 VwVfG gestützten – restriktiven Rechtsprechung blieb das rechtswidrige Unterlassen einer gebotenen UVP regelmäßig folgenlos. Auch im Bereich des gebundenen Zulassungsrechts hatte die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP meistens keinerlei Folgen. Der für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers zu Grunde gelegte Prüfungsmaßstab war dabei sehr unterschiedlich. Teilweise orientierten sich die Gerichte an dem vom BVerwG im Planfeststellungsverfahren verwendeten Kriterium der „konkreten Möglichkeit“, teilweise am Wortlaut des § 46 VwVfG. Ebenso wenig wurde dem Unterlassen oder der fehlerhaft durchgeführten Einzelfallvorprüfung über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte eine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Die gerichtliche Überprüfung war vielmehr – wie im deutschen Verwaltungsrecht üblich – auf die Einhaltung drittschützender Normen bzw. auf die materielle Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung beschränkt.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 11 Die Vereinbarkeit der UVP-Rechtsprechung mit den bisherigen Anforderungen des Gemeinschaftsrechts Angesichts der in § 10 dargestellten restriktiven Rechtsprechung blieb die unterlassene Durchführung einer UVP in Deutschland regelmäßig folgenlos. Dabei liegt der Wert der UVP gerade in der Verfahrensdurchführung als solcher. Sie schafft die Voraussetzungen dafür, dass die Belange der Umwelt in Planungs- und Genehmigungsverfahren möglichst umfassend herausgearbeitet und berücksichtigt werden. Bestehen nur eingeschränkte Möglichkeiten gegen die Nichtdurchführung einer UVP gerichtlich vorzugehen bzw. wird ihr Unterlassen regelmäßig für unbeachtlich erklärt, leidet darunter ihre Effektivität und Durchschlagskraft. Hieraus können aufgrund des gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs des Verfahrensinstruments der UVP in erster Linie Konflikte mit dem Europarecht entstehen. Die Frage, ob es Dritten aufgrund des Gemeinschaftsrechts stets – also unabhängig von den konkreten Auswirkungen des Fehlers – möglich sein muss, die Zulassungsentscheidung erfolgreich wegen einer unterlassenen UVP angreifen zu können, ist daher schon vor Erlass der neuesten Rechtsschutzvorgaben auf völker- und gemeinschaftsrechtlicher Ebene immer wieder diskutiert worden. Die hierzu vorgetragenen wichtigsten Aspekte und Argumente sollen im Folgenden genauer untersucht werden (A.). Hierbei ist auch die bisherige Auffassung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen (B.).

A. Problempunkte I. Zur Klagebefugnis 1. Weitergehende Anerkennung subjektiver Verfahrensrechte Die vorstehend beschriebene Rechtsprechungspraxis ist, wie bereits erwähnt, unabhängig von den neuen Vorgaben der Aarhus-Konvention und der Öffentlichkeitsbeteiligungs-richtlinie 2003/35/EG, immer wieder auf europarechtlich fundierte Kritik gestoßen. 334 Im Vordergrund steht dabei insbesondere der höhere Stellenwert, den das Gemeinschaftsrecht dem Verfahren im Vergleich zum deutschen Verwaltungsrecht einräumt. Hiermit ist eine weitergehende Anerken334 Vgl. hierzu z. B. Erbguth, NuR 1997, S. 261 (264); derselbe, UPR 2003, S. 321 (324); Wegener, ZUR 1996, S. 324 ff.; Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (441 ff.); Classen, DV 31 (1998), S. 307 (329 f.); Scheuing, NVwZ 1999, S. 475 (480); Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (300); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (26); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 32 ff.; Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 115 f.

§ 11 Vereinbarkeit mit den bisherigen Anforderungen

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nung der individualschützenden Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen oder gemeinschaftsrechtlich bedingten Verfahrensrechts verbunden. 335 Es wird daher diskutiert, ob das europäische Recht nicht unabhängig davon, ob nach nationalem Recht die Voraussetzungen der Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO vorliegen oder nicht, fordert, dass die Einhaltung des UVP-Rechts von Drittbetroffenen klageweise geltend gemacht werden kann. 336 Denn das EG-Recht stellt eine eigene, autonome Rechtsmaterie dar, die gegenüber dem nationalen Recht vorrangig ist. Soweit also aufgrund des Gemeinschaftsrechts weitergehend als nach der traditionellen Schutznormtheorie subjektive Rechte Dritter bestehen, müssen diese im Grundsatz auch gerichtlich durchsetzbar sein. Dies hat der EuGH mehrfach bezüglich der Umsetzung verschiedener Umwelt-Richtlinien hervorgehoben. 337 Wann das Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen ein klagfähiges subjektiv-öffentliches Recht einräumt, ist derzeit aber nicht abschließend geklärt. Weitgehende Einigkeit besteht lediglich darin, dass das EG-Recht nicht die Zulässigkeit einer Popularklage voraussetzt. 338 Denn auch der Europäische Gerichtshof geht in seiner Rechtsprechung regelmäßig von dem gerichtlichen Zugang der „Betroffenen“ aus. 339 Dieser Begriff wird jedoch wesentlich großzügiger ausgelegt als im deutschen Recht, was nicht zuletzt mit der Vorstellung von der „Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts“ zusammenhängt. 340 So geht es für die EG bei der weitergehenden Anerkennung subjektiver Rechte nicht nur um den Schutz der Rechte der Individuen, sondern auch um die tatsächliche Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts. Der Bürger wird zu diesem Zwecke gleichsam funktionalisiert. 341 Für die Klagebefugnis genügt mithin die Geltendmachung von tatsächlichen Nachteilen in geschützten Individualinteressen durch 335

Schoch, NVwZ 1999, S. 457 (459); Classen, DV 31 (1998), S. 307 (319). Ruffert, DVBl. 1998, S. 69 (74 f.); Epiney, ZUR 1996, S. 229 (233 f.); Schoch, NVwZ 1999, S. 457 (465 f.); Schlacke, ZUR 2006, S. 360 (361 f.); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 38; Müller, Verfahrensartfehler, S. 183 ff.; Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 115 f.; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 216; Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1006); allgemein zu einer weitergehenden Klagebefugnis aufgrund Gemeinschaftsrecht: Moench / Sandner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 46 Rn. 65 ff.; Sparwasser, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 1017 (1040). 337 EuGH, Rs. C-131/88 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-825; Rs. 361/ 88 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-2567, Rn. 16; Rs. C-59/89 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-2607, Rn. 18; Rs. C-58/89 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-4983, Rn. 14; Rs. C-298/95 (Kommission / Deutschland), Slg. 1996, I-6755, Rn. 15. 338 Schlacke, ZUR 2006, S. 360 (362); Moench / Sandner, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 46 Rn. 66; Epiney, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 363 m.w. N. 339 Vgl. hierzu Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 108 f. 340 Vgl. hierzu § 1 B. I. 2. 336

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

die angegriffene Rechtsnorm oder Maßnahme. 342 Folglich muss in gemeinschaftsrechtlich geprägten Konstellationen § 42 Abs. 2 VwGO gemeinschaftskonform ausgelegt bzw. die Schutznormtheorie entsprechend erweitert werden. 343 Eine Klagebefugnis des Dritten kommt demnach möglicherweise schon dann im Betracht, wenn – wie dies auch im UVP-Recht der Fall ist – der Erwägungsgrund einer Richtlinie auch den Schutz der menschlichen Gesundheit thematisiert und die Richtlinie im Übrigen eine Beteiligung der (betroffenen) Öffentlichkeit vorsieht. 344 Aus diesen Gründen hat der EuGH bereits in anderen Fällen klagfähige Rechte Einzelner aus umweltrechtlichen Vorschriften des Europarechts abgeleitet. 345 Dass der EuGH eine Unterscheidung zwischen einerseits solchen Richtlinien, welche materielle Standards festlegen und andererseits solchen, welche „nur“ Verfahrensanforderungen stellen, akzeptieren würde, wird angesichts der stärkeren Ausbildung des Verfahrensgedankens im Gemeinschaftsrecht zu Recht bezweifelt. 346 Allein aufgrund dieser Erwägungen könnte es somit unabhängig von den neuesten inter- und supranationalen Entwicklungen gemeinschaftsrechtlich geboten sein, im Fall der Nichtdurchführung einer UVP eine weitergehende Klagebefugnis für Drittbetroffene anzuerkennen, als dies nach der bisherigen Rechtsprechung der Fall war.

341 Hansmann, NVwZ 1995, S. 320 (321); Schoch, NVwZ 1999, S. 457 (461); Kokott, DV 31 (1998), S. 335 (352 f.); Epiney, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 343 ff.; ausführlich Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, S. 196 ff. 342 Schlacke, ZUR 2006, S. 360 (362). 343 Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 38; Epiney, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 420; Müller, Verfahrensartfehler, S. 178; Roßnagel, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 997 (1006). 344 Strittig ist darüber hinaus, ob nicht bereits nach den herkömmlichen Maßstäben der Schutznormtheorie eine drittschützende Funktion der Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung angenommen werden kann, hierzu: Beckmann, DVBl. 1991, S. 358 (361 f.); Schmidt-Preuß, DVBl. 1995, S. 485 (494); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (865); Erbguth / Schink, UVPG, Einleitung Rn. 118; Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen, S. 367; Wahl / Schütz, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 216; Sellner, in: FS für Feldhaus, S. 101 (119); Müller, Verfahrensartfehler, S. 187; Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 36. 345 EuGH, Rs. 361/88 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-2567, Rn. 16; Rs. C58/89 (Kommission / Deutschland), Slg. 1991, I-4983, Rn. 14; Rs. C-298/95 (Kommission / Deutschland), Slg. 1996, I-6755, Rn. 15. Vgl. hierzu auch Epiney, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 380 ff. 346 Kirchberg, in: Ziekow (Hrsg.), Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 116.

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2. Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH a) Das Urteil des EuGH vom 16. 09. 1999 Der Ansatz, den UVP-Vorschriften im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung eine drittschützende Wirkung beizumessen, scheint unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH Bestärkung zu finden. Während der EuGH die Frage einer drittschützenden Wirkung der UVP-Bestimmungen in der Großkrotzenburg-Entscheidung noch offen gelassen hatte 347, äußerte er sich hierzu in seinem Urteil vom 16. 09. 1999 betreffend den Ausbau des Flughafens Bozen etwas genauer. Hier stellt das Gericht zur Rügbarkeit von Verstößen gegen die UVP-Richtlinie fest, dass „sich einzelne dann, wenn der Gesetzgeber oder die Verwaltung eines Mitgliedstaates das ihnen durch Artikel 4 Abs. 2 und Artikel 1 der (UVP-)Richtlinie eingeräumte Ermessen überschritten haben, vor dem Gericht eines Mitgliedstaats gegenüber den nationalen Stellen auf diese Bestimmungen berufen und dadurch erreichen können, dass diese nationale Vorschriften oder Maßnahmen außer Betracht lassen, die mit diesen Bestimmungen unvereinbar sind. 348

Aus dieser Formulierung lässt sich – isoliert betrachtet – schließen, dass dem Einzelnen aufgrund der UVP-Richtlinie drittschützende Verfahrensrechte einzuräumen sind, um den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen zu genügen. 349 Allerdings erscheint eine solche Interpretation nicht absolut zwingend, wenn man berücksichtigt, dass diese Ausführungen des EuGH nicht auf UVPspezifischen Erwägungen gründen, sondern im Zusammenhang mit allgemeinen Erwägungen zur Wirksamkeit von Richtlinien ergangen sind. Kurz vor der vorstehend zitierten Passage hat der EuGH noch erörtert, dass der Gerichtshof bereits mehrmals entschieden habe, dass es mit der den Richtlinien in Artikel 189 EG-Vertrag (jetzt Artikel 249) zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar wäre, grundsätzlich auszuschließen, dass sich betroffene Personen auf die durch eine Richtlinie auferlegte Verpflichtung berufen können. 350 Hieraus könnte ebenso gefolgert werden, dass der EuGH lediglich verlangt, dass überhaupt eine Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung besteht. Dies entspräche dem allgemeinen Erfordernis der effektiven Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts. 351 347

EuGH, Rs. C-431/92 (Großkrotzenburg), Slg. 1995, I-2189, Rn. 26. EuGH, Rs. C-435/97 (WWF / Autonome Provinz Bonzen), Slg. 1999, I-5637, Rn. 71. 349 In diesem Sinne auch Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (867); Steinberg / Berg / Wickel, Fachplanung, § 6 Rn. 39; Prelle, Die Umsetzung der UVP-Richtlinie in nationales Recht, S. 89. 350 EuGH, Rs. C-435/97 (WWF / Autonome Provinz Bonzen), Slg. 1999, I-5637, Rn. 69. 351 Für diese Interpretation Müller, Verfahrensartfehler, S. 234. 348

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Aber auch bei einer solchen Auslegung des Urteils bliebe die Frage nach der Notwendigkeit einer Erweiterung der Klagebefugnis für Drittbetroffene bestehen. Denn nach der bisherigen nationalen Rechtslage war im Fall der unterlassenen UVP lediglich für enteignend Betroffene – und in eingeschränktem Umfang auch für anerkannte Naturschutzverbände – eine Klagemöglichkeit eröffnet 352, weshalb die effektive Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts gerade zweifelhaft war. b) Das Urteil des EuGH in der Sache Wells Weitergehende Anforderungen an die Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall der unterlassenen UVP könnten sich aus dem Urteil des EuGH in der Sache Wells 353 ergeben. In dieser Entscheidung vom 07. 01. 2004 gestattete der EuGH Frau Wells, der Nachbarin eines nach längerer Unterbrechung wieder in Betrieb genommenen Steinbruchs, sich der Genehmigungsbehörde gegenüber unmittelbar darauf zu berufen, dass gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der RL 85/337/EWG vor Erteilung der Bergbaugenehmigung eine UVP-Prüfung hätte stattfinden müssen. 354 Eine solche unmittelbare Berufung auf die Bestimmungen der Richtlinie hatte die Regierung des Vereinten Königreichs mit der Begründung abgelehnt, dass es in diesem Fall zu einem „inverse direct effect“ (umgekehrte unmittelbare Wirkung) kommen würde, da der betreffende Mitgliedstaat auf Antrag eines Einzelnen – vorliegend Frau Wells – unmittelbar verpflichtet wäre, einem Anderen – dem Betreiber des Steinbruchs – seine Rechte zu entziehen. 355 Nach der Rechtsprechung des EuGH können Richtlinien ohne sie umsetzendes nationales Recht aber grundsätzlich keine Verpflichtungen für Private begründen, so dass ein Mitgliedstaat keine Möglichkeit besitzt, unmittelbar aus einer Richtlinienbestimmung gegen einen Bürger vorzugehen. 356 Der EuGH lehnte diesen Einwand in der Rechtssache Wells mit der Begründung ab, dass dem Einzelnen lediglich dann die Berufung auf die Bestimmungen einer Richtlinie versagt sei, wenn es sich hierbei um eine Verpflichtung des Staates handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Erfüllung einer anderen Verpflichtung steht, die aufgrund dieser Richtlinie einem Dritten obliegt. Nur dann liege ein unzulässiger „inverse direct effekt“ vor. Im vorliegenden Fall stün352

Vgl. hierzu § 10 B. III. 2. und 3. EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370 ff. 354 Vgl. die vierte und fünfte Vorlagefrage, die vom EuGH gemeinsam geprüft wurden, DVBl. 2004, S. 370 (372 Rn. 54 ff.). 355 EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370 (372 Rn. 55). 356 Vgl. EuGH, Rs. 80/86 (Kolpinghuuis), Slg. 1987, S. 3969, Rn. 9 f.; Rs C-168/95 (Arcaro), Slg. 1996, I-4705, Rn. 36. 353

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de die Verpflichtung des Mitgliedstaates, eine UVP von der zuständigen Behörde vornehmen zu lassen, aber gerade nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung einer Verpflichtung, die nach der UVP-Richtlinie den Eigentümern des Steinbruchs obliege. Bloße negative Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn diese gewiss seien, hinderten den Einzelnen nicht an der Berufung auf die Richtlinie. 357 Überdies setzte sich der EuGH in dieser Entscheidung mit den Folgen einer pflichtwidrig unterlassenen UVP auseinander. Das Gericht hält zunächst ausdrücklich fest, dass die zuständigen Behörden gemäß Art. 10 EG verpflichtet seien, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen, um der unterlassenen UVP eines Projekts i. S.v. Art. 2 Abs. 1 der RL 85/337/EWG abzuhelfen. Denkbar sei beispielsweise die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung, um auf diese Weise die Durchführung einer UVP für das in Rede stehende Projekt zu ermöglichen. Die Einzelheiten des in diesem Zusammenhang anwendbaren Verfahrens seien nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie aber letztlich Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates, wobei sie unter dem üblichen Vorbehalt des Äquivalenzprinzips und des Effektivitätsgebots stünden. 358 Auch dieses Urteil wird unterschiedlich interpretiert. Einige sind der Auffassung, dass der Gerichtshof dem einzelnen Nachbarn hiermit unmissverständlich einen Anspruch auf Durchführung der UVP eingeräumt habe. Dementsprechend müsste die Rechtsprechung des BVerwG zur drittschützenden Wirkung des UVPRechts geändert werden. 359 Dagegen halten andere die Ausführungen des EuGH kaum für geeignet einen Drittschutz der UVP-Richtlinie zu begründen. Aussagen zu der Frage, unter welchen näheren Voraussetzungen Verfahrensrechte Einzelner aufgrund der UVP-Richtlinie durchgesetzt werden müssen, fänden sich in dieser Entscheidung gerade nicht. Der EuGH habe vielmehr die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in den Vordergrund gestellt, und nach deutschem Recht scheide eine isolierte Anfechtung von Verfahrensrechtsverletzungen ohne materielle Beeinträchtigung grundsätzlich aus. 360 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der EuGH nur im Hinblick auf die Folgen der pflichtwidrig unterlassenen UVP auf den Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten verwiesen hat, wobei auch in diesem Zusammenhang 357 EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370 (S. 372 f. Rn. 56 –58). Vgl. zu dieser Entscheidung auch die Anmerkung von Kerkmann, DVBl. 2004, S. 1287 ff. 358 EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370 (S. 373 Rn. 65 ff.). 359 Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (867 f.); Siems, NuR 2006, S. 359 (361); Otto, ZfBR 2005, S. 21 (23 f.). 360 Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (861 f.); Lecheler, NVwZ 2005, S. 1156; derselbe, ZNER, S. 127 (131); Müller, Verfahrensartfehler, S. 234.

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das Äquivalenz- und das Effektivitätsprinzip des Gemeinschaftsrechts beachtet werden müssen. Dass der Einzelne sich auf Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der RL 85/337/EWG berufen kann, hat der Gerichtshof hingegen eindeutig festgestellt. Allerdings soll dies nur unter „Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens“ gelten. Was dies genau bedeuten soll, wird aus der Entscheidung nicht deutlich. In jedem Fall sollte die Frage nach dem gerichtlichen Zugang im Fall der unterlassenen UVP getrennt davon beantwortet werden, ob der Verfahrensfehler dem Dritten unbedingt einen Anspruch auf Aufhebung der Entscheidung verleihen muss. II. Zur Fehlerfolgenbehandlung: Verstoß gegen das Effektivitätsgebot? Selbst wenn es aufgrund der vorstehenden Erwägungen geboten erscheinen mag, im Fall der unterlassenen UVP eine weitergehende Klagebefugnis anzuerkennen, ist damit über die Art und Weise der erforderlichen Sanktionierung dieses Verfahrensfehlers noch nichts Genaueres gesagt. Insbesondere nicht zu der Frage, ob eine solche Sanktionierung unabhängig von einem möglichen Einfluss des Fehlers auf die Sachentscheidung geboten ist, also ob das Gemeinschaftsrecht zwingend die Anerkennung eines – nach deutscher Terminologie – absoluten Verfahrensrechts verlangt. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Bedenken, die gegen die Unbeachtlichkeit der unterlassenen UVP aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht vorgebracht werden, war vor der Einfügung des neuen Art. 10a in die UVP-Richtlinie 85/337/EWG in erster Linie das gemeinschaftsrechtliche Effektivitätsgebot. 361 Denn insbesondere die im Planfeststellungsrecht – zu Unrecht auf § 46 VwVfG gestützte – doppelte Kausalitätsprüfung der „konkreten Möglichkeit“ machte ein erfolgreiches Angreifen der Zulassungsentscheidung wegen einer unterlassenen UVP nahezu unmöglich. Aber auch im Rahmen von gebundenen Genehmigungsentscheidungen wurde die rechtswidrige Nichtdurchführung der UVP regelmäßig für unbeachtlich erklärt. 362 Ist aber mit der Verletzung der UVP-Verfahrensvorschriften nicht notwendigerweise eine effektive Sanktion verbunden, wird ihre ordnungsgemäße Durchsetzung vereitelt. Das im Interesse des Umweltschutzes verbindlich festgelegte gemeinschaftsrechtliche Konzept der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ läuft leer. 363 Darüber hinaus sehen viele Vertreter in der Literatur durch 361

Vgl. zum Effektivitätsgebot ausführlich § 6 A. Vgl. § 10 C. II. 363 Kritisch im Hinblick auf eine Vereinbarkeit der Rechtsprechung mit dem Effektivitätsgebot daher: Wegener, ZUR 1996, S. 324 (325 f.); Classen, DV (1998), S. 307 (329 f.); Steinberg, DÖV 1996, S. 221 (226 ff.); Scheuing, NVwZ 1999, S. 475 (480); Erbguth, UPR 2003, S. 321 (324); Wahl, DVBl. 2003, S. 1285 (1291); Pietzcker, in: FS für Maurer, 362

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die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die von der UVP-Richtlinie ihrer Meinung nach geschaffenen individuellen Rechte ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt. 364 Nach anderer Meinung sind die Grenzen einer zulässigen Wirksamkeitsbeeinträchtigung durch die gerichtliche Behandlung des Verfahrensfehlers der unterlassenen UVP nicht überschritten. Ein Verstoß gegen das Effektivitätsgebot wird abgelehnt. 365 Zur Begründung dieser Ansicht wird allerdings häufig nur auf die grundsätzliche Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem europäischen Recht verwiesen. Die Feststellung, dass es das Gemeinschaftsrecht nicht generell gebietet, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern unabhängig von den Auswirkungen dieser Fehler auf die Sachentscheidung bzw. die geschützte materielle Rechtsposition des Klägers zu gewähren 366, wird uneingeschränkt auf den Fall der unterlassenen UVP übertragen. 367 Die Besonderheiten der UVP, die darin liegen, dass sie über eine rein verfahrensrechtliche Bedeutung hinausgeht 368 und auch individuelle Rechte Einzelner im Interesse des Umweltschutzes geschaffen hat 369, werden dabei außer Acht gelassen. Ausgangspunkt der gemeinschaftsrechtlichen Überprüfung der nationalen Verfahrensfehlerlehre ist außerdem meist der Wortlaut des § 46 VwVfG bzw. die allgemeine Zulässigkeit des Kausalitätsgedankens für die Erheblichkeit von Verfahrensfehlern. 370 Im Fall der unterlassenen UVP geht die Rechtsprechung aber gerade nicht vom Wortlaut des § 46 VwVfG aus, sondern legt in der Regel das strengere Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ für die Beachtlichkeit des Fehlers zu Grunde, was insbesondere zu einer S. 695 (710 f.); Schmidt-Aßmann / Ladenburger, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, Bd. I, § 18 Rn. 79 ff.; Schoch, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, S. 279 (300); derselbe, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (525); Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 91. 364 Epiney, ZUR 1996, S. 229 (234); Kahl, VerwArch 95 (2004), S. 1 (27 f.); Scheidler, NVwZ 2005, S. 863 (867); Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 507 (525); Dörr / Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 437; Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluss, S. 422. 365 Rengeling, DVBl. 1995, S. 945 (953 f.); Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs von EG-Umweltrecht, S. 74 ff.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 226 ff., 235; zurückhaltender auch Schmidt-Aßmann, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, S. 487 (501 f.). 366 Hierzu ausführlich § 7. 367 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs von EG-Umweltrecht, S. 74 ff.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 226 ff. 368 Siehe § 9 C. 369 Vgl. vorstehend § 11 A. I. 1. 370 Gellermann, DÖV 1996, S. 433 (442); Nitschke, Harmonisierung des nationalen Verwaltungsvollzugs von EG-Umweltrecht, S. 74 ff.; Müller, Verfahrensartfehler, S. 226 ff., 256.

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Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden führt. Überdies kommt es im Bereich des Planfeststellungsrechts zu einer Verkoppelung der geforderten konkreten Auswirkungsmöglichkeit des Verfahrensfehlers mit der materiell-rechtlichen Abwägungskontrolle, wodurch die unterlassene UVP gleich zwei „Hürden“ für ihre Entscheidungserheblichkeit überwinden muss. 371 Insofern erscheint es nicht haltbar, allein aufgrund der allgemeinen Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht einen Verstoß gegen das Effektivitätsgebot infolge der Fehlerbehandlung der unterlassenen UVP abzulehnen. Denn wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde, lässt sich eine Verletzung dieses gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes nur anhand einer Betrachtung des Einzelfalls sicher feststellen. 372 Unter diesem Gesichtspunkt käme eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht aber möglicherweise in Betracht, wenn die Verwaltungsgerichte § 46 VwVfG bei der Fehlerbehandlung der unterlassenen UVP gemeinschaftsrechtskonform auslegen würden. Statt dem Nachweis der „konkreten Möglichkeit“ wäre dann die Erfüllung derjenigen Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers zu verlangen, die sich bei einer am Wortlaut orientierten Interpretation der Vorschrift ergeben. So würde insbesondere eine weniger großzügige Handhabung des Kriteriums der „Offensichtlichkeit“ in § 46 VwVfG zu einer gesteigerten Fehlerrelevanz der unterlassenen UVP führen. Allerdings setzt eine solche Vorgehensweise voraus, dass das Gemeinschaftsrecht nicht sogar weitergehend verlangt, dass eine Verletzung der UVP-Bestimmungen in jedem Fall – also gänzlich kausalitätsunabhängig – zu einer Aufhebung des Rechtsaktes führen muss. Denn gerade bei der UVP liegt der gemeinschaftsrechtliche Zweck ausschließlich in der Erfüllung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen. Die nicht erreichbare materielle Richtigkeit soll durch Verfahrensrichtigkeit ausgeglichen werden, um so einen effektiven Schutz der Umwelt zu gewährleisten. Insoweit erscheint es fraglich, ob aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht überhaupt jemals davon ausgegangen werden kann, dass eine vollständig unterbliebene UVP das Entscheidungsergebnis nicht beeinflusst hat.

B. Bisherige Auffassung der Verwaltungsgerichte I. Überwiegende Ablehnung eines Änderungsbedarfs Die Verwaltungsgerichte sahen bislang überwiegend keine Veranlassung von ihrer restriktiven Rechtsprechung aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen abzuweichen. Die UVP-Richtlinie verleihe Dritten kein unmittelbares und selbständiges Recht auf Durchführung des dort vorgesehenen UVP-Verfahrens. Ein derarti371 372

Vgl. § 10 C. I. 1. Vgl. § 6 A. III. 3.

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ger Anspruch ließe sich weder dem Wortlaut noch der Zielsetzung der Richtlinie entnehmen. 373 Die Rechtsprechung des EuGH, derzufolge es für die Begründung einer klagfähigen Rechtsposition des Einzelnen ausreichen kann, dass die Richtlinie zumindest auch den Schutz der menschlichen Gesundheit bezweckt 374, wird nicht thematisiert. 375 Ein individualrechtlicher Gehalt soll sich nach Ansicht des VGH Mannheim auch nicht aus der in Art. 6 Abs. 2 UVP-Richtlinie normierten Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung ergeben. Soweit dort von einer Unterrichtung „der Öffentlichkeit“ bzw. „betroffenen Öffentlichkeit“ die Rede sei, sei kein bestimmter oder bestimmbarer Personenkreis umschrieben, der hiernach einen Anspruch auf Benachrichtigung haben solle. Ein subjektives Recht scheide damit aus. Vielmehr würden die Einzelheiten dieser Unterrichtung und Anhörung, insbesondere der betroffene Personenkreis nach Art. 6 Abs. 3 der RL, von den Mitgliedstaaten festgelegt. 376 Dagegen räumt das BVerwG in einer Entscheidung ein, dass die UVP-Richtlinie allenfalls insoweit zugunsten eines bestimmbaren Personenkreises Rechte festlege, als nach Art. 6 Abs. 2 dafür Sorge zu tragen sei, dass der „betroffenen Öffentlichkeit“ Gelegenheit gegeben werde, sich vor der Durchführung des Projekts zu äußern. Ansonsten messe das Gemeinschaftsrecht der UVP-Richtlinie aber keinen individuellen Gehalt bei. 377 Auch enthalte die UVP-Richtlinie keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der nationale Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, privaten Dritten eine weitergehende Klagemöglichkeit zu eröffnen, als sie das nationale Recht allgemein bei der Verletzung von Verfahrensvorschriften eröffnet. 378 Dabei nimmt das BVerwG ebenfalls auf die Anforderungen des Diskriminierungsverbots und des Effektivitätsgebots Bezug. Die Verweigerung einer kausalitätsunabhängigen Klagemöglichkeit stelle die gerichtliche Durchsetzbarkeit der – verfahrensrechtlich verstandenen – Anforderungen der UVPRichtlinie vor deutschen Gerichten entsprechend nationalen Verfahrensanforderungen gleich. 379 Damit scheide eine Verletzung des Diskriminierungsverbots 373 VGH München, NVwZ 1993, S. 906; OVG Lüneburg, DVBl. 1994, S. 770 (771); OVG Lüneburg, NuR 2004, S. 403; a. A. aber wohl VGH München, NVwZ-RR 2001, S. 661 (662): „Zwar ist mit den Klägern davon auszugehen, dass die Richtlinie 85/337/ EWG ihnen als betroffenen Nachbarn ein unmittelbares und selbständiges Recht auf Durchführung des von der Richtlinie vorgesehenen Verfahrens verleiht.“ 374 Vgl. vorstehend unter § 11 A. I. 1. 375 Eine Berücksichtigung dieser EuGH-Rechtsprechung erfolgte jedoch in einer Entscheidung des OVG Hamburg, in der es allerdings um die FFH-Richtlinie geht, NVwZ 2001, S. 1173 (1177). 376 VGH Mannheim, UPR 2001, S. 189 (190); VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, S. 373 (376). 377 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792). 378 BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387); BVerwG, NuR 1998, S. 649 (653). 379 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792); BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387); vgl. auch OVG Münster, NVwZ 2003, S. 361 (363).

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aus. Auch schränke die Praxis, Verfahrensfehler nur dann als erheblich anzuerkennen, wenn die „konkrete Möglichkeit“ besteht, dass die Sachentscheidung ohne sie anders ausgefallen wäre, den Rechtsschutz gegen die UVP-Richtlinie nicht so übermäßig ein, dass das Effizienzgebot nicht mehr angemessen zum Tragen käme. 380 Bei möglichen Ermittlungs- und Bewertungsdefiziten infolge des Verfahrensverstoßes sei schließlich die Klage des enteignend Betroffenen – unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 lit. c FStrG a. F. – erfolgreich. 381 Die Tatsache, dass dies bei mittelbar in ihren Rechten Betroffenen grundsätzlich nicht möglich ist, sieht das Gericht nicht als erheblich an. Diese Position hat das BVerwG auch ausdrücklich nach den Änderungen der UVP-Richtlinie 85/337/EWG durch die Richtlinie 97/11/EG vom 03. 03. 1997 und dem Urteil des EuGH vom 07. 01. 2004 in der Sache Wells bestätigt. 382 So führt das Gericht gerade in einer jüngeren Entscheidung nochmals aus, dass aus dem in Art. 10 EG vorgesehenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht folge, dass eine bereits erteilte Genehmigung in jedem Fall wegen einer unterlassenen UVP zurückgenommen oder ausgesetzt werden müsse. Der EuGH habe diese Möglichkeiten in seinem Urteil vom 07. 01. 2004 nur als Beispiele benannt. Entscheidend sei, dass die Grenzen der Verfahrensautonomie nicht überschritten würden, wenn das deutsche Recht die Nachholung einer förmlichen UVP nur verlangt, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass deren Unterlassen auf das Ergebnis der Zulassungsentscheidung von Einfluss gewesen ist. 383 Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die UVP-Richtlinie den Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit das Recht verleiht, die Durchführung einer gemeinschaftsrechtlich gebotenen UVP zu verlangen, lässt das BVerwG in dieser Entscheidung offen. Jedenfalls würde die Ausübung eines solchen Rechts – sollte es denn bestehen – durch das Kausalitätserfordernis weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert. Führe das Unterlassen einer UVP dazu, dass das Ziel des Gemeinschaftsrechts, bestimmten Projekten vor Erteilung der Genehmigung einer Prüfung auf ihre Auswirkungen zu unterziehen, nicht erreicht werde, sei es, weil die betroffene Öffentlichkeit nicht Gelegenheit hatte, sich zu dem Projekt zu äußern, sei es, weil die Auswirkungen des Projekts auf die Umwelt nicht vollständig geprüft wurden, dürfe die konkrete Möglichkeit einer anderen Entscheidung nämlich nicht verneint werden. In einem solchen Fall scheitere die Aufhebung oder Außervollzugsetzung der Genehmigung nicht an dem Kausalitätserfordernis. 384 380 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792).Vgl. auch VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az. 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 142 ff.). 381 BVerwG, NVwZ 1996, S. 788 (792); hier wird versehentlich auf den Abs. 4 lit. c statt auf Abs. 6 lit. c des § 17 FStrG verwiesen; BVerwG, NVwZ 1996, S. 381 (387). 382 BVerwG, NVwZ 2003, S. 207 (209); BVerwG, NuR 2008, S. 334 (338); BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 08, Az.: 4 B 35/07 (zit. nach juris Rn. 12). 383 BVerwG, NuR 2008, S. 334 (338). 384 BVerwG, NuR 2008, S. 334 (338).

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II. Abweichende Entscheidung des 20. Senats des OVG Münster vom 03. 01. 2006 Aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen sah sich allerdings jüngst der 20. Senat des OVG Münster veranlasst, von der restriktiven Rechtsprechung zur unterlassenen UVP teilweise abzuweichen. 385 Bemerkenswert ist, dass der Senat zur Begründung seiner Entscheidung nicht die neuen Rechtsschutzvorgaben der Aarhus-Konvention und der sie umsetzenden Richtlinie 2003/35/EG heranzieht, sondern lediglich auf den auch bislang schon zu berücksichtigenden Effektivitätsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts und insbesondere auf das Urteil des EuGH vom 16. 09. 1999 verweist. Gegenstand des Verfahrens war eine luftverkehrsrechtliche Konversionsgenehmigung für den nahe der niederländischen Grenze gelegenen Flughafen Weeze Laarbruch. Der aus militärischer Trägerschaft entlassene ehemalige Militärflugplatz sollte durch die Änderungsgenehmigung nunmehr einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Die Kläger – eine niederländische und eine deutsche Gemeinde sowie etliche Anwohner aus beiden Staaten – machten neben zahlreichen Mängeln der Zulassungsentscheidung unter anderem die Nichtdurchführung einer UVP geltend. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des BVerwG, als es eine allein hierauf gestützte Klagebefugnis verneint: „Auch soweit die Umweltverträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der weiter unten noch aufzugreifenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus einer engen Koppelung an den Drittschutz gelöst wird, führt dies nur zur Konsequenz der Gleichbehandlung mit Verfahrensrechten, die auf die Wahrung von Rechten Dritter angelegt sind, mithin nicht zu einer eigenständigen Begründung einer Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.“ 386

Das Unterlassen der UVP betrifft somit nach Auffassung des Gerichts nach wie vor eine rein verfahrensbezogene Frage, die nur in Verbindung mit einer materiellen Rechtsposition eine prozessuale Bedeutung entfaltet. Die Ablehnung einer isolierten Verfahrensrechtsposition aufgrund des Unterbleibens der UVP hatte allerdings im vorliegenden Fall keinerlei beschränkende Auswirkungen auf den gerichtlichen Zugang. Die Kläger konnten ihre Klagebefugnis auf die mögliche Verletzung ihres Anspruchs auf gerechte Abwägung stützen und im Rahmen ihrer hiernach zulässigen Klagen dann auch den objektiven Verfahrensmangel der unterlassenen UVP rügen. Eine Rügebefugnis für derartige öffentliche Belange hatte das BVerwG bislang lediglich dem enteignend betroffenen Grundstückseigentümer zugestanden. 387 Der 20. Senat des 385 OVG Münster, ZUR 2006, S. 375 ff.; vgl. auch die Anmerkung von Schlacke, ZUR 2006, S. 360 ff. 386 OVG Münster, ZUR 2006, S. 375 (376). 387 Vgl. § 2 C. III.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

OVG Münster hielt eine Abweichung von dieser Rechtsprechungspraxis jedoch aufgrund des Urteils des EuGH vom 16. 09. 1999 für erforderlich. Hier habe der Gerichtshof ausgeführt, dass sich der Einzelne gegenüber den nationalen Stellen auf die Vorgaben der UVP berufen könne. 388 Dass hiermit nicht die Einführung einer Popularklage verbunden ist, sieht der 20. Senat durch die Differenzierung zwischen der „Öffentlichkeit“ und der – stärker einzubindenden – „betroffenen Öffentlichkeit“ in der Richtlinie 85/337/EWG in der Fassung des Art. 3 der RL 2003/35/EG gewährleistet. Für die Möglichkeit, Mängel in Bezug auf die UVP mit Erfolg geltend zu machen, müsse daher eine anderweitig begründete Beziehung zu dem in Rede stehende Vorhaben verlangt werden. Dem entspreche im deutschen Recht eine anders als über das bloße Verfahrensrecht hinsichtlich der UVP begründete Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Sei in diesem Sinne die Anrufung des Gerichts sachlich berechtigt, müsse der Verfahrensstoß auch geprüft und gegebenenfalls mit zur Grundlage der Entscheidung gemacht werden. 389 Das bedeutet mit anderen Worten: Drittbetroffene können sich immer dann auf Verfahrensmängel hinsichtlich der UVP berufen, wenn ihnen eine Klagebefugnis aufgrund der möglichen Verletzung eines materiellen subjektiven Rechts zusteht. Einen von der Judikatur des BVerwG abweichenden Lösungsweg schlägt das OVG Münster zudem im Hinblick auf die Beachtlichkeit des Verfahrensfehlers ein. Der 20. Senat stellt ohne nähere Ausführungen fest, dass der Verfahrensmangel der unterlassenen UVP auf die Abwägungsentscheidung einwirkt und damit einen Bezug zu den Klägern entfaltet. Die Änderungsgenehmigung sei deshalb aufzuheben. Die Problematik der europarechtlichen Vereinbarkeit des deutschen Fehlerfolgenregimes könne folglich offen bleiben, obgleich im Hinblick auf die Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG durchaus Bedenken bestünden: „Soweit nach innerstaatlichen Rechtsgrundsätzen die Relevanz solcher Verfahrensfehler im Allgemeinen nur bei der Möglichkeit einer anderen Entscheidung angenommen wird (...), mag dies im Hinblick auf das Effektivitätsprinzip gewissen Bedenken begegnen, weil ein solches Kriterium wiederum dazu führen würde, über die Umweltbelange außerhalb des durch die Richtlinie 85/337/EWG vorgegebenen Rahmens und Systems der Vorhabenprüfung zu befinden. Das kann aber dahinstehen, weil ein mögliches Einwirken des Mangels auf die Abwägungsentscheidung ebenso einzustellen ist, wie ein Bezug zu den Klägern.“ 390

Hieraus wird letztlich nicht ganz deutlich, ob der Senat die Voraussetzungen des vom BVerwG entwickelten Prüfungsmaßstabs der „konkreten Möglichkeit“ ohnehin für gegeben erachtet oder vielmehr in Abweichung zum BVerwG davon ausgeht, dass eine unterlassene UVP einen Abwägungsmangel bereits indiziert. 388 389 390

Siehe zu dem Urteil des EuGH vom 16. 09. 1999 oben unter § 11 A. I. 2 a). OVG Münster, ZUR 2006, S. 375 (379). OVG Münster, ZUR 2006, S. 375 (379).

§ 11 Vereinbarkeit mit den bisherigen Anforderungen

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Die mangelnde Begründung des Senats bezüglich der konkreten Auswirkungsmöglichkeiten der unterlassenen UVP auf die Abwägungsentscheidung spricht eher für letztere Variante. 391

C. Ergebnis Unabhängig von dem Erlass der neuen Rechtsschutzvorgaben der Aarhus-Konvention und der EG erscheint die bisherige UVP-Rechtsprechung unter europarechtlichen Gesichtspunkten sehr bedenklich. Zum einen lässt sich die Auffasung, dass die UVP keine drittschützenden Rechte vermittelt, bereits unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung schwer aufrecht erhalten. Vor allem ist die Vereinbarkeit der von der Rechtsprechung praktizierten Fehlerbehandlung aber im Hinblick auf das Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrechts zu bezweifeln. Denn auch wenn es europarechtlich nicht geboten ist, jeglichen Verfahrensfehler für beachtlich zu erklären, so muss doch stets gewährleistet sein, dass der Zweck der europäischen Richtlinienvorgaben nicht vereitelt wird. Diese Gefahr ist jedoch durch die Behandlung der unterlassenen UVP – so wie sie in der bisherigen Rechtsprechung erfolgt ist – durchaus gegeben. Die Sanktion des Verfahrensverstoßes ist hiernach nur noch eine theoretische Möglichkeit. So hatte die Nichtbeachtung der UVP in keinem der dem BVerwG vorliegenden Fälle eine Auswirkung auf den Bestand der Verwaltungsentscheidung. Die europäischen Verfahrensvorgaben liefen dementsprechend leer. Dies ist allerdings nicht direkt auf die Anwendung des in § 46 VwVfG verankerten Auswirkungskriteriums zurückzuführen. Denn im Fall der unterlassenen UVP hat die Rechtsprechung vielmehr eine doppelte Kausalitätsprüfung unter Zugrundelegung des strengeren Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ vorgenommen. Insofern käme eine Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgebot möglicherweise schon dann in Betracht, wenn die Verwaltungsgerichte § 46 VwVfG gemeinschaftsrechtskonform auslegen würden. Voraussetzung hierfür wäre aber, dass der neue Art. 10a der UVP-Richtlinie n. F. nicht noch weitergehend verlangt, dass die UVP-Bestimmungen als absolute Verfahrensrechte zu behandeln sind mit der Folge, dass allein ihr Unterlassen zum Erfolg einer Anfechtungsklage führen muss. Eine Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers gemäß § 46 VwVfG würde dann gänzlich ausscheiden.

391 Das BVerwG hat die Revision gegen das Urteil des OVG Münster zugelassen. Das Verfahren wurde jedoch nach Rücknahme der Klage gemäß § 92 Abs. 3 S. 1 VwGO eingestellt, Beschlüsse v. 12. 02. 2007 und vom 13. 02. 2007, Az.: 4 B 3/07 und 4 B 4/07.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen der Aarhus-Konvention und des europäischen Gemeinschaftsrechts Die Kritik an der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur unterlassenen UVP wurde vor allem in jüngerer Zeit wieder verstärkt entfacht. Ursächlich hierfür sind die bereits erwähnten neuen Rechtschutzanforderungen der AarhusKonvention. Durch sie hat die vorstehend beschriebene Problematik der unterbliebenen UVP über die gemeinschaftsrechtliche Ebene hinaus noch eine völkerrechtliche Dimension erhalten. Abgeschlossen wurde die Konvention bereits am 25. Juni 1998 anlässlich der vierten Umweltministerkonferenz „Umwelt für Europa“ im dänischen Aarhus. Sie wurde von 39 europäischen Staaten, darunter allen Mitgliedstaaten der EG, sowie der Europäische Gemeinschaft selbst unterzeichnet. 392 Sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch die EG haben sie jedoch relativ spät ratifiziert. 393 Hauptzweck des Übereinkommens ist es, durch eine verstärkte Aktivierung der Öffentlichkeit eine effektivere Durchsetzung des bestehenden Umweltrechts zu erreichen. Hierfür werden die Vertragsparteien durch ein drei „Säulen-Konzept“ 394 verpflichtet, den Zugang zu Umweltinformationen sicherzustellen (Art. 4, 5), die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren zu gewährleisten (Art. 6 –8) und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zu regeln (Art. 9). Die Vorgaben der hier allein interessierenden dritten Säule hat die Europäische Gemeinschaft bereits teilweise mit Erlass der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG vom 26. 05. 2003 395 umgesetzt, indem sie jeweils in die UVP-Richtlinie und in die IVU-Richtlinie einen neuen Art. 10a bzw. 15a eingefügt hat. 396 Die Neuerungen sind also auf den Geltungsbereich dieser beiden Umweltrichtlinien beschränkt. Darüber hinaus existiert bislang nur ein Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. 397 392 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten v. 25. 06. 1998. Es handelt sich bei der Konvention um einen multilateralen völkerrechtlichen Vertrag in Form eines gemischten Abkommens. Diese Vertragsform wird stets gewählt, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag sowohl Zuständigkeiten der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten berührt (Ekardt / Pöhlmann, EurUP 2004, S. 128 (132)). Eine deutsche Übersetzung findet sich im AVR 38 (2000), S. 252 ff. sowie im BGBl. II v. 15. 12. 2006, S. 1252 ff. Zum Entstehungsprozess dieses Abkommens: Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 f.; Ekardt, Information, Partizipation, Rechtschutz, S. 71 ff., S. 82 f. 393 Aarhus-Vertragsgesetz v. 09. 12. 2006, BGBl. II v. 15. 12. 2006, S. 1251 ff. und Beschluss des Rates vom 17. 02. 2005, ABlEG Nr. L 124, S. 1 f. 394 So v. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (274). 395 Vgl. hierzu § 8 B. I. 3. 396 Art. 3 Nr. 7 RL 2003/35/EG. 397 KOM(2003) 624 endg. v. 24. 10. 2003.

§ 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen

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Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich auf diejenigen Anforderungen, die für den Rechtsschutz gegen eine unterlassene UVP von Bedeutung sind. Nach einem kurzen Überblick über den hierfür einschlägigen Regelungsinhalt der neuen völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob die EG überhaupt zur Regelung nationaler Rechtsschutzfragen in diesem Bereich befugt ist. (A. und B.). Im Anschluss hieran wird untersucht, inwieweit es die Verwaltungsgerichte anlässlich der neuen Rechtsschutzanforderungen für notwendig erachtet haben, von ihrer bisherigen Rechtsprechung abzuweichen (C.).

A. Die wesentlichen Rechtsschutzvorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK Die dritte Säule der Aarhus-Konvention verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat, ein bestimmtes Niveau an Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten. Ziel des Übereinkommens ist es, für die einzelnen Bürger und auch für die von ihnen gegründeten Organisationen die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese ihre Rechte an einer gesunden Umwelt durchsetzen und ihre Pflicht erfüllen können, den Schutz der Umwelt auch im Interesse zukünftiger Generationen zu gewährleisten und zu verbessern. Deshalb sollen die Bürger und ihre Organisationen Zugang zu einem wirksamen Rechtsschutzverfahren haben, und zwar nicht nur zum Schutz berechtigter Interessen des Einzelnen, sondern auch zur Durchsetzung „des Rechts“, also mit dem Ziel einer umfassenden Überprüfbarkeit der Beachtung umweltrechtlicher Vorschriften. 398 Im Einzelnen sieht die Konvention drei unterschiedliche Überprüfungsrechte vor, nämlich solche, die sich auf den Gerichtszugang zur Durchsetzung des Umweltinformationsanspruchs beziehen (Art. 9 Abs. 1 AK), ein allgemeines Überprüfungsrecht der Öffentlichkeit bei der Verletzung innerstaatlichen Umweltrechts (Art. 9 Abs. 3 AK) und ein Überprüfungsrecht der betroffenen Öffentlichkeit bezüglich der Rechtmäßigkeit von Hoheitsakten im Anwendungsereich des Art. 6 AK (Art. 9 Abs. 2 AK). Im Hinblick auf die erforderlichen Rechtsschutzmöglichkeiten bei einer unterlassenen UVP sind die ersten beiden Überprüfungsrechte irrelevant. Allerdings fallen alle UVP-pflichtigen Zulassungsentscheidungen in den Anwendungsbereich des Art. 6 AK (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a i.V. m. Nr. 20 des Anhangs I der Konvention), so dass die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes in diesen Fällen maßgeblich sind.

398

Vgl. die Erwägungsgründe der Aarhus-Konvention.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Dieser verpflichtet die Vertragsparteien dazu, sicherzustellen, dass „Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die a) ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und / oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten.“ 399 „Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Art. 2 Nr. 5 genannten Voraussetzungen erfüllt“ [d. h. Einsatz für den Umweltschutz und Erfüllung aller nach innerstaatlichem Recht für eine Anerkennung geltenden Voraussetzungen], „als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b. verletzt werden können.“ 400

Der Gerichtszugang nichtstaatlicher Umweltschutzorganisationen wird damit in der Konvention doppelt abgesichert. Ihnen wird sowohl gemäß Art. 2 Nr. 5 AK ein zur Zuordnung der betroffenen Öffentlichkeit führendes Interesse automatisch zuerkannt als auch ein gemäß Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 AK ausreichendes Interesse zur Einleitung eines Rechtsschutzverfahrens. Aus diesen Vorgaben wird überwiegend eine Verpflichtung der Vertragsstaaten abgeleitet, für alle unter Art. 6 AK fallende Zulassungsverfahren ein Verbandsklagerecht einzuführen. 401 Allerdings ist die Reichweite dieser Pflicht im Einzelnen umstritten. Uneinigkeit besteht zudem im Hinblick auf die Frage, ob die Konvention trotz des in Art. 9 Abs. 2 AK grundsätzlich statuierten Wahlrechts zwischen Interessentenklage oder Rechtsverletztenklage verlangt, dass auch die Individualklagebefugnis erweitert wird. Hierauf wird im Zusammenhang mit der Bewertung des neuen URG genauer eingegangen. 402

399

Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 und 2 AK. Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 AK. 401 Vgl. nur Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (182); Schink, EurUP 2003, S. 27 (35); Schlacke, NuR 2004, S. 629 ff.; Ekardt / Pöhlmann, NVwZ 2005, S. 532; Ekardt, NVwZ 2006, S. 55 f.; Epiney, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 327. 402 Siehe § 13. 400

§ 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen

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B. Umsetzung durch Gemeinschaftsrecht I. Art. 10a UVP-Richtlinie n. F. Eine Umsetzung der völkerrechtlichen Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK erfolgte auf europäischer Ebene – wie bereits erwähnt – in der Form, dass durch Art. 3 Nr. 7 der Öffentlichkeitsrichtlinie ein neuer Art. 10a in die UVP-Richtlinie eingefügt wurde. In dieser Regelung ist Art. 9 Abs. 2 AK nahezu wörtlich übernommen worden. Ebenso entsprechen die Definitionen der „Öffentlichkeit“ und der „betroffenen Öffentlichkeit“ in Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie n. F. denjenigen der Aarhus-Konvention in Art. 2 Abs. 4 und 5. Den Mitgliedstaaten wird also auch durch das Gemeinschaftsrecht prinzipiell die Möglichkeit eröffnet, ihre unterschiedlichen Rechtsschutzkonzeptionen im Grundsatz beizubehalten. Sie können den Zugang zu einer gerichtlichen Überprüfung bei UVP-relevanten Zulassungsverfahren von einem ausreichenden Interesse oder der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig machen. Beides muss ebenfalls im Einklang mit dem Ziel bestimmt werden, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Die Fiktionsregelungen zugunsten anerkannter Verbände finden ebenfalls eine wortgleiche Entsprechung in dem neuen Art. 10a UVP-Richtlinie. Auf Grund der Übernahme der in Art. 9 Abs. 2 AK enthaltenen Vorgaben in die UVP-Richtlinie besteht Einigkeit darüber, dass für die Interpretation der dort eingefügten Rechtsschutzregelungen neben den Zielen des Gemeinschaftsrechts auch die Zielsetzungen der Aarhus-Konvention von Bedeutung sind. 403 Dies ergibt sich aus den Erwägungsgründen der Öffentlichkeitsrichtlinie, die zum Teil ausdrücklich auf die von der Konvention verfolgten Absichten verweisen. 404 Überdies entspricht das Konzept der Konvention im Wesentlichen dem im Gemeinschaftsrecht und in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Ansatz, die Gemeinschaftsbürger für die Durchsetzung des Rechts zu mobilisieren, um Vollzugsdefizite auszugleichen. 405 Bürger und Öffentlichkeit sollen sowohl nach völker- als auch nach europarechtlichen Vorstellungen unmittelbar für den Umweltschutz verantwortlich gemacht und sensibilisiert werden.

403 Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (59); vgl. auch die Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, Februar 2005, S. 13 Rn. 26; v. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/EG und der sog. AarhusKonvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 34 ff. 404 Erwägungsgründe Nr. 5 ff. der RL 2003/35/EG. 405 Vgl. § 1 B. I. 2.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

II. Entwurf einer Klagerechtsrichtlinie Außer den Änderungen der UVP-Richtlinie und der IVU-Richtlinie durch die Öffentlichkeitsrichtlinie hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten unterbreitet (Klagerechtsrichtlinien-Entwurf). 406 Mit der geplanten Richtlinie will die Gemeinschaft nicht nur ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention nachkommen, sondern auch bestimmte Defizite bei der Durchsetzung des Umweltrechts in den Mitgliedstaaten beseitigen, auf die schon seit Jahren hingewiesen wird. 407 Der Geltungsbereich des Klagerechtsrichtlinien-Entwurfs ist dementsprechend nicht auf einzelne Bereiche des Umweltrechts beschränkt, sondern umfasst sämtliche umweltrelevanten Rechtsgebiete. Voraussetzung für den Gerichtszugang ist aber, dass eine Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Umweltvorschriften bzw. solchen, die zu ihrer Umsetzung ergangen sind, geltend gemacht wird. Dies ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 lit. g des Entwurfs, der den Begriff des „Umweltrechts“ entsprechend definiert. 408 Der Entwurf stellt den Mitgliedstaaten jedoch ausdrücklich frei, rein nationales Umweltrecht in den Umweltrechtsbegriff mit einzubeziehen. Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP ist also von dem Anwendungsbereich der zukünftigen Richtlinie in jedem Fall umfasst. 409 Diejenigen Rechtsschutzbestimmungen, die sich für UVP-pflichtige Zulassungsverfahren bereits aus Art. 10a UVP-Richtlinie n. F. ergeben, bleiben bei ihrem Erlass gleichwohl unberührt (vgl. Art. 1 KlagerechtsRL-Entwurf). Allerdings unterscheiden sich die Bestimmungen des Art. 10a UVP-Richtlinie auch nicht wesentlich von den Vorgaben des Richtlinienentwurfs. So knüpft die in Art. 4 des Richtlinienvorschlags geregelte „Klagebefugnis von Mitgliedern der Öffentlichkeit“ gleichermaßen an die entsprechenden Vorgaben der Aarhus-Konvention an. Einen leicht abweichenden Wortlaut wählt der Richtlinienvorschlag nur hinsichtlich der Klagebefugnis anerkannter Verbände. Diese können gemäß Art. 5 Abs. 1 des KlagerechtsRL-Entwurfs „Zugang zu auch einen vorläufigen Rechtsschutz umfassenden Verfahren in Umweltangelegenheiten erhalten, ohne ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung nachweisen zu müssen“. Dagegen legen sowohl 406

Richtlinienentwurf KOM(2003) 624 endg. vom 24. 10. 2003. Begründung des Richtlinienvorschlags KOM(2003) 624 endg., S. 2 f. Siehe zur Entstehung und Inhalt des Richtlinienvorschlages Dross, ZUR 2004, S. 152 ff. 408 Die Formulierung in Art. 2 Abs. 2 KlagerechtsRL-Entwurf ist allerdings ein wenig missglückt, da es dort heißt: „Umweltrecht bedeutet eine Rechtsvorschrift der Gemeinschaft.“ Daher wird auch in der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gefordert, dass der sprachliche Aspekt in Art. 2 lit. g nochmal überprüft wird, Stellungnahme zum Richtlinienvorschlag v. 30. 04. 2004, ABlEU C 117/55 Ziff. 3.3.1.3. 409 So wird die UVP auch ausdrücklich im Rahmen der beispielhaften Auflistung der vom Umweltrecht abgedeckten Bereiche erwähnt, Art. 2 Abs. 1 lit. g (xi) KlagerechtsRLEntwurf. 407

§ 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen

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Art. 10a UVP-Richtlinie als auch Art. 9 Abs. 2 AK fest, dass derartige Organisationen als Träger von Rechten „gelten“, die nach der Konvention oder der Richtlinie verletzt sein können. Dass mit diesen unerschiedlichen Formulierungen eine unterschiedliche Reichweite des Ausgestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Klagemöglichkeiten von Verbänden verbunden sein soll, erscheint zweifelhaft. Letztlich bestimmen beide Regelungen eine unwiderlegliche Fiktion der verwaltungsprozessualen Zulassungsvoraussetzungen. Hierauf ist noch im Rahmen der Bewertung des neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zurückzukommen. 410 Denn obgleich die vorgeschlagene Klagerechtsrichtlinie noch nicht verabschiedet wurde und daher für die europäischen Mitgliedstaaten noch nicht verbindlich ist, kann sie zur Erforschung des Willens des Gemeinschaftsgesetzgebers beitragen und damit zur Interpretation der in Art. 10a UVP-Richtlinie n. F. gestellten Anforderungen. III. Kompetenz der EG für den umweltrechtlichen Rechtsschutz Anlässlich der Umsetzung des Art. 9 der Aarhus-Konvention auf Gemeinschaftsebene wurde in Deutschland debattiert, inwieweit der EG überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz zur Regelung nationaler Rechtsschutzfragen zukommt. Denn es wäre nicht möglich, aus den soeben vorgestellten sekundärrechtlichen Vorgaben Anforderungen an die Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen abzuleiten, wenn der Gemeinschaft diesbezüglich keine Zuständigkeit zukäme. Der bloße Hinweis auf die völkerrechtliche Umsetzungsverpflichtung der Gemeinschaft hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter 411, weil schon die Befugnis zum Abschluss der Konvention eine entsprechende interne Rechtssetzungskompetenz voraussetzt. Die Außenkompetenz folgt also der Innenkompetenz und nicht umgekehrt. 412 Letztere gilt es gerade zu klären. Die Kommission selbst stützt sowohl den durch die RL 2003/35/EG neu eingefügten Art. 10a der UVP-Richtlinie als auch den Vorschlag der Klagerechtsrichtlinie auf Art. 175 Abs. 1 EG, wonach der Rat eine Rechtsetzungskompetenz zur Verfolgung der in Art. 174 EG festgelegten Ziele und Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik hat. 413 Dass die Gemeinschaft auf der 410

§ 13 C. I. cc). Hierauf verweist allerdings die Kommission u. a. in ihrer Begründung zum Entwurf der Klagerechtsrichtlinie: „Allein schon die Verpflichtungen, die für die Europäische Gemeinschaft mit der Unterzeichnung des Übereinkommens von Aarhus verbunden sind, rechtfertigen eine rechtsverbindliche Regelung des Zugangs zu Gerichten in Umweltangelegenheiten“, KOM (2003) 624 endg., S. 4. 412 Steyrer, ZUR 2005, S. 343 f.; Ekardt / Pöhlmann, EurUP 2004, S. 128 (132). 413 Vgl. die Präambel der RL 2003/35/EG sowie KOM (2003) 624 endg., S. 3. 411

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Grundlage dieser Sachkompetenz im Bereich des Umweltrechts auch Fragen des Rechtsschutzes regeln kann, ist im Grundsatz unbestritten. Vereinzelt wird hierfür aber ein unmittelbarer Sachzusammenhang zwischen der Einräumung der materiellen Umweltrechtsposition und deren gerichtlicher Durchsetzbarkeit gefordert. 414 Von der zweifellos vorhandenen Kompetenz für das materielle Umweltrecht aus Art. 175 Abs. 1 EG könne nicht ohne weiteres auf eine generelle Kompetenz für das Verfahrensrecht geschlossen werden. Hiergegen spreche vor allem der Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Daher müsse ergänzend auf die „implied-powers“ im Gemeinschaftsrecht zurückgegriffen werden. 415 Aus diesen ergebe sich eine ungeschriebene Zuständigkeit für die Vollzugs- und Durchsetzungsbedingungen des Gemeinschaftsrechts vor mitgliedstaatlichen Gerichten aber nur dann, wenn und soweit das materielle Umweltrecht ohne diese Verfahrensregelungen sinnlos wäre. Insofern sei es gemäß Art. 175 EG nicht erlaubt, allgemein, d. h. unabhängig von einem konkreten umweltrechtlichen Rechtsakt, den gerichtlichen Zugang für das gesamte übrige Umweltrecht der Gemeinschaft zu regeln, so wie dies in dem Entwurf der Klagerechtsrichtlinie auf der Grundlage des Art. 9 Abs. 3 AK 416 geschehen sei. Dagegen sei der notwendige Sachzusammenhang und damit die Umsetzungskompetenz der EG für die Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AK zu bejahen, weil die Regelung über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltverfahren unmittelbar mit der gerichtlichen Durchsetzbarkeit zusammenhinge. 417 Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch die allgemeine Regelung des Gerichtszugangs nach Art. 9 Abs. 3 AK in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt. 418 Dies ergibt sich bereits aus Art. 175 Abs. 1 EG, der eine umfassende Regelungskompetenz für die Verwirklichung der in Art. 174 EG genannten Ziele gewährt. Die Handlungsbefugnis der Gemeinschaft zur Erreichung dieser Ziele ist dabei weder auf bestimmte Instrumente beschränkt, noch sind bestimmte Instrumente ausgeschlossen. 419 Bei der Gewährung des Gerichtszugangs handelt es sich daher ebenso um ein Regelungsinstrument des Umweltschutzes wie bei der 414

V. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (277 f.). Hierzu bereits unter § 5 B. II. 2. 416 Art. 9 Abs. 3 AK beinhaltet die Regelung, dass ein Zugang zu einem verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren gegen Handlungen oder Unterlassungen von Privatleuten oder Behörden, die gegen das Umweltrecht der Vertragsparteien verstoßen, zu gewähren ist. 417 V. Danwitz, NVwZ 2004, S. 272 (277 f.). 418 So auch: Pernice / Rodenhoff , ZUR 2004, S. 149 ff.; Ekardt / Pöhlmann, EurUP 2004, S. 128 ff.; Epiney, NVwZ 1999, S. 485 (491 f.), dieselbe / Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 347 ff; Wegener, Rechte des Einzelnen, S. 35 ff.; Sonnenwald, Die grenzüberschreitende Beteiligung der Öffentlichkeit, S. 48 f. 419 Pernice / Rodenhoff , ZUR 2004, S. 149; Epiney, NVwZ 1999, S. 485 (491 f.), dieselbe / Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 415

§ 12 Die neuen Rechtsschutzanforderungen

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Öffentlichkeitsbeteiligung, wenn auch mit dem Unterschied, dass das Verwaltungsprozess- und nicht das Verwaltungsverfahrensrecht betroffen ist. Folglich müssen auch Rechte über den Gerichtszugang nicht in jeder einzelnen Richtlinie im Bereich des Umweltrechts gesondert geregelt werden, sondern können gebietsübergreifend „vor die Klammer gezogen“ werden. 420 Dementsprechend konnte in dem neuen Art. 10a der UVP-Richtlinie der Gerichtszugang nicht nur hinsichtlich der ordnungsgemäßen Beteiligung, sondern auch in Bezug auf die inhaltliche Rechtmäßigkeit von UVP-pflichtigen Zulassungsverfahren geregelt werden. Desgleichen ist die EG zwecks besserer Durchsetzung des übrigen gemeinschaftlichen Umweltrechts befugt, in der geplanten Klagerechtsrichtlinie den gerichtlichen Zugang allgemein zu normieren. Dem kann der Grundsatz der verfahrensmäßigen Autonomie der Mitgliedstaaten nicht entgegengehalten werden. Dieser gilt nur unter dem Vorbehalt, dass das Gemeinschaftsrecht selbst keinerlei Regelungen enthält. 421 Dies ergibt sich auch aus Art. 175 Abs. 4 EG, der klarstellt, dass die Mitgliedstaaten für die Durchführung der europäischen Umweltpolitik nur „unbeschadet bestimmter Maßnahmen gemeinschaftsrechtlicher Art“ zuständig sind. Die der Gemeinschaft zustehende Rechtssetzungskompetenz muss also auch die Befugnis umfassen, verfahrensrechtliche Regelungen zu treffen. Nur solange sie davon absieht, verbleibt den Mitgliedstaaten eine Handlungskompetenz, die unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts im Übrigen wahrzunehmen ist. Zu weitgehend ist allerdings die Annahme, dass die Gemeinschaft auch den Gerichtszugang für die Beachtung von rein nationalem Umweltrecht regeln kann. 422 Das nationale Umweltrecht ist auf der Grundlage der mitgliedstaatlichen Kompetenzen in diesem Bereich erlassen worden, und den Mitgliedstaaten steht (allein) die Kompetenz zu, über die Art und Weise seiner Durchsetzung zu entscheiden. Überdies bezieht sich die Vorschrift des Art. 175 EG ausschließlich auf die gemeinschaftliche Umweltpolitik und ihre Durchsetzung. Die Regelung des Gerichtszugangs ist insofern als verfahrensrechtlicher Annex zum materiellen Umweltrecht der Gemeinschaft zu verstehen. 423 Zu dem rein nationalen Umweltrecht zählen allerdings nicht diejenigen mitgliedstaatlichen Vorschriften, die auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruhen, wie beispielsweise das UVPG.

S. 348; Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, S. 13 Rn. 30. 420 Epiney, NVwZ 1999, S. 485 (492); Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, S. 14 Rn. 31. 421 Siehe, § 5 B. II. 1. 422 So aber Pernice / Rodenhoff , ZUR 2004, S. 149 (150). 423 Epiney, NVwZ 1999, S. 485 (492); Ekardt / Pöhlmann, EurUP 2004, S. 128 (130).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Da der Anwendungsbereich der geplanten Klagerechtsrichtlinie auf die Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts beschränkt ist, bestehen im Hinblick auf ihren Erlass keine kompetenzrechtlichen Bedenken. Überdies wahren sowohl der Richtlinienentwurf als auch der neue Art. 10a UVP-Richtlinie das Subsidiaritäts- und das Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 5 EG Abs. 2, 3). Die – auch in der Begründung des Richtlinienvorschlags angeführten – Jahresberichte der Europäischen Komission über die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft belegen, dass die einheitliche Anwendung der europäischen Umweltschutzvorschriften von den Mitgliedstaaten alleine gerade nicht gewährleistet wird. 424 Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene sind daher notwendig, um die Einhaltung der Ziele der Aarhus-Konvention gemeinschaftsweit sicherzustellen. Durch die Harmonisierung der Umweltschutzstandards wird zudem die Entstehung ungleicher Wettbewerbsbedingungen und damit eine Gefährdung des Binnenmarktes verhindert. 425 Die einzelnen Richtlinienbestimmungen gehen dabei nicht über das für die Erreichung der Ziele des EGVertrags erforderliche Maß hinaus. So wird den Unterschieden in den nationalen Rechtsschutzsystemen dadurch Rechnung getragen, dass die Mitgliedstaaten das Zulassungsverfahren von einem ausreichenden Interesse oder der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig machen können. Insgesamt werden lediglich Mindeststandards festgelegt, während Einzelheiten, wie etwa die Bestimmung der Kriterien für die Anerkennung von Nichtregierungsorganisationen, weiterhin von den Mitgliedstaaten zu Regeln sind.

C. Die Reaktionen auf die neue Rechtslage in der Rechtsprechung Die neuen völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben haben vielfältige Reaktionen hervorgerufen. Während teilweise keinerlei Verpflichtung für die Verwaltungsgerichte gesehen wurde, von ihrer bisherigen Rechtsprechung zur unterlassenen UVP abzuweichen, hielten andere umfangreiche Modifikationen im deutschen Verwaltungsrecht aufgrund der Aarhus-Konvention, des neuen Art. 10a UVP-Richtlinie und der Rechtsprechung des EuGH für unerlässlich. Der Gesetzgeber ist mittlerweile tätig geworden und hat am 07. 12. 2006 das neue URG erlassen. Dennoch dürfen diejenigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht außer Betracht bleiben, die sich mit den neuen konventionsund europarechtlichen Rechtsschutzanforderungen bereits vor ihrer Umsetzung 424

KOM (2003) 624 endg., S. 2. Hierauf wird ebenfalls in der Stellungnahme des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, S. 15 Rn. 33, verwiesen sowie in der Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag der Klagerechtsrichtlinie v. 30. 04. 2004, ABlEU C 117/55 Ziff. 2.1. 425

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in das nationale Recht beschäftigt haben. Sie geben nicht nur Aufschluss darüber, inwieweit die Verwaltungsgerichte selbst die Notwendigkeit gesehen haben, aus Anlass der neuen völker- und EG-rechtlichen Vorgaben von ihrer bisherigen Spruchpraxis abzuweichen. Die von ihnen jeweils herangezogenen Aspekte und Argumente tragen insbesondere zu einer späteren Bewertung der durch das URG erfolgten Umsetzung bei. Es ist aber zu berücksichtigen, dass in den nachfolgenden Entscheidungen stets die Frage nach einer weitergehenden Individualklagebefugnis für betroffene Dritte oder der gerichtliche Prüfungsumfang im Fall der unterlassenen UVP im Raum steht. Welche Anforderungen die neuen konventions- und europarechtlichen Vorgaben im Hinblick auf die Reichweite der umweltrechtlichen Verbandsklage stellen, ist nicht Gegenstand der Entscheidungen. I. Die Rechtsprechung des OVG Koblenz 1. Maßgeblicher Beschluss des 7. Senats vom 25. 01. 2005 Aus der Rechtsprechung hat insbesondere der Beschluss des 7. Senats des OVG Koblenz vom 25. 01. 2005 426 Aufmerksamkeit erregt. Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens waren die prozessualen Konsequenzen einer rechtsfehlerhaften immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die zu Unrecht im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG anstatt im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG erteilt wurde. Bislang wurde Drittbetroffenen eine Anfechtung der Genehmigung in diesen Fällen stets versagt, da allein durch die unzutreffende Wahl des Genehmigungsverfahrens keine Rechte Dritter verletzt würden. Ohne gleichzeitige Rüge eines materiellen Rechtsverstoßes war weder eine Klagemöglichkeit eröffnet noch kam die Aufhebung der falschen Genehmigungsentscheidung in Betracht. 427 Das OVG Koblenz ist nun aufgrund der vorstehend beschriebenen neuen Rechtslage schon vor der Umsetzung der RL 2003/35/EG durch das URG von der bisherigen gefestigten Rechtsprechung abgewichen 428. Das Gericht billigt dem förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG bei richtlinienkonformer Auslegung grundsätzlich eine eigenständige, von gleichzeitig vorliegenden materiell-rechtlichen Verstößen losgelöste Bedeutung zu. Dies ergebe sich aus seiner Funktion als Trägerverfahren für UVPpflichtige Anlagen. Verletzungen dieser Verfahrensbestimmungen seien gleich-

426

OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 ff. Siehe hierzu § 4 A. II. 428 Siehe zu der abweichenden Auffasung des OVG Koblenz unter Geltung der alten Rechtslage § 10 C. I. 2. 427

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

bedeutend mit der möglichen Verletzung der einschlägigen europarechtlich begründeten Verfahrenspflichten. 429 Das Gericht nimmt zur Begründung seiner Auffassung zunächst auf den im europäischen Recht stärker ausgeprägten Verfahrensgedanken Bezug. Insbesondere bei komplexen Umweltentscheidungen komme der Schaffung von Beteiligungsrechten im Verfahren, der Herstellung von Transparenz und Öffentlichkeit eine besondere Bedeutung zu. 430 Den Willen des Europarechts, selbständige Verfahrenspositionen für die „betroffene Öffentlichkeit“ zu schaffen, sieht das Gericht durch die Rechtsakte der EG, die im Zusammenhang mit der Umsetzung der Aarhus-Konvention ergangen sind, eindeutig manifestiert: „Art. 10a verdeutlicht die Funktionselemente der Verfahrensbeteiligung auf der Ebene des europäischen Umweltrechts und damit die bestehenden Direktiven für eine europarechtskonforme – dem Effektivitätsgrundsatz Rechnung tragende – Auslegung der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften wie § 10 BImSchG i.V. m. den Bestimmungen des UVP-Gesetzes und der 4. BImSchV, wie sie der Umsetzung des europäischen Verfahrensrechts dienen“. 431

Neben den neuen Rechtsakten der EG zieht das OVG Koblenz die Rechtsprechung des EuGH in der Sache Wells vom 07. 01. 2004 432 als Beleg für seine Auffassung heran. Hier habe der EuGH festgestellt, dass sich der „Einzelne“ auf die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 und 2, Art. 4 der Richtlinie 85/ 337/EWG berufen könne. Das Gericht schloss somit aus beiden Aspekten – dem Art. 10a UVP-Richtlinie und dem Wells-Urteil des EuGH –, dass den immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften wegen ihrer Funktion als Trägerverfahren für UVP-pflichtige Anlagen eine eigenständige drittschützende Wirkung für die „betroffene Öffentlichkeit“ zukomme. „Soweit aus dem europäischen Recht damit die Absicht der Einräumung einer selbständigen Verfahrensstellung zu entnehmen ist, wird dem im deutschen Recht mit der Zulassung der Anfechtungsklage und der Aussetzung der Vollziehung zu entsprechen sein.“ 433

Die Durchführung der UVP gilt demnach als absolutes Verfahrensrecht. Das bedeutet, dass es der betroffenen Öffentlichkeit nicht nur möglich ist, die falsche Verfahrensdurchführung ohne integrierte UVP isoliert von einer materiellen Beeinträchtigung anzufechten. Eine solche Verfahrensrechtsverletzung führt abweichend von § 46 VwVfG auch stets zur Aufhebung der Entscheidung. Auf Kausalitätserwägungen soll es nach Ansicht des Gerichts in den Fällen der 429 430 431 432 433

OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1210). OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1210). OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1211). EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370 ff. OVG Koblenz, NVwZ 2005, S 1208 (1210).

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gänzlich unterlassenen UVP nicht ankommen. Sie könnten allenfalls dann eine Rolle spielen, wenn lediglich die Verletzung einzelner Verfahrensvorschriften zur Debatte stünde. 434 2. Einschränkungen des 8. Senats im Fall der unterlassenen Vorprüfung Im Unterschied zu diesen recht großzügigen Zugeständnissen an Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall der unterlassenen UVP vertritt der 8. Senat des OVG Koblenz eine restriktivere Auffassung. Er hatte nur vier Tage zuvor über eine ähnliche Fallkonstellation zu entscheiden. Hier war statt eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens lediglich ein Baugenehmigungsverfahren für das fragliche Projekt durchgeführt worden. Außerdem hatte die zuständige Behörde es bereits versäumt, die UVP-Pflichtigkeit des Projekts anhand einer Vorprüfung im Einzelfall nach § 3c Abs. 1 S. 2 UVPG zu bestimmen. Nach Auffasung des 8. Senats des OVG Koblenz kann jedoch im Unterlassen der Vorprüfung auch nach der Einfügung des neuen Art. 10a in die UVP-Richtlinie kein beachtlicher Verfahrensverstoß liegen. Denn für die Vorprüfung selbst sei eine Öffentlichkeitsbeteiligung – aus der sich möglicherweise eine drittschützende Wirkung der UVP-Vorschriften nach der neuen Richtlinienbestimmung ergeben könnte – nicht vorgesehen. 435 Diese Argumentation ist nicht ganz schlüssig. Mit der Nichtdurchführung einer erforderlichen Vorprüfung im Einzelfall ist notwendigerweise auch die Nichtdurchführung einer möglicherweise erforderlichen UVP verbunden. Sollten die neuen Richtlinienbestimmungen aber tatsächlich verlangen, dass die betroffene Öffentlichkeit das Unterlassen einer UVP gerichtlich überprüfen lassen kann, so muss dies auch für den Fall gelten, in dem bereits eine Vorprüfung über die UVP-Pflicht rechtswidrig unterlassen wurde. Ansonsten gingen die neuen Rechtsschutzvorgaben für all diejenigen Projekte ins Leere, deren UVP-Pflichtigkeit nach dem UVPG nicht zwingend ist, sondern erst durch eine Vorprüfung ermittelt werden muss. Die Behörden hätten es in der Hand, eine gerichtliche Kontrolle dadurch zu vermeiden, dass sie bereits keine Vorprüfung im Einzelfall vornehmen. Für die betroffene Öffentlichkeit macht es aber keinen Unterschied, ob das Unterlassen des gebotenen UVP-Verfahrens aus der Verkennung der zwingenden UVP-Pflichtigkeit des Projekts resultiert oder aus der Nichtdurchführung einer Vorprüfung des Einzelfalls. Eine Unterscheidung zwischen den beiden Fehlerkonstellationen ist nicht angebracht.

434

OVG Koblenz, NVwZ 2005, S. 1208 (1211). OVG Koblenz, DÖV 2005, S. 615; ihm folgend: VG Trier, Beschluss v. 15. 08. 2006, Az.: 5 L 628/06.TR (zit. nach juris Rn. 25). 435

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II. Kritik durch andere Verwaltungsgerichte Die Frage, ob im Hinblick auf den neu eingefügten Art. 10a der RL 85/ 337/EWG eine europarechtskonforme Auslegung der insoweit maßgeblichen innerstaatlichen Verfahrensvorschriften als drittschützend geboten ist, haben nach dem abweichenden Beschluss des OVG Koblenz noch andere Verwaltungsgerichte aufgeworfen. Eine Klärung dieses Problems wird jedoch in der Regel offen gelassen bzw. einem etwaigen Hauptsacheverfahren vorbehalten. 436 1. Das Urteil des VG Aachen vom 14. 09. 2005 Die erste umfassende Auseinandersetzung mit den vom 7. Senat des OVG Koblenz vorgebrachten Argumenten erfolgte in einem Urteil des VG Aachen. 437 Das VG tritt hier der Position des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts ausdrücklich entgegen. Es bestehe keine Notwendigkeit, aufgrund der neuesten völker- und europarechtlichen Entwicklungen den Verfahrensvorschriften der UVP eine eigenständige drittschützende Wirkung einzuräumen. Auf das Wells-Urteil ließe sich die weitreichende abstrakte Schlussfolgerung des OVG Koblenz schon auf Grund der vom EuGH gewählten – einschränkenden und den Einzelfallcharakter der Entscheidung unterstreichenden – Formulierungen nicht stützen. 438 Das VG nimmt hier Bezug auf den Wortlaut des zweiten Leitsatzes des Urteils, wonach der Einzelne sich lediglich „unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens“ und auch nur „gegebenenfalls“ auf die Bestimmungen der UVP-Richtlinie berufen kann. 439 Überdies würde der EuGH allein Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 2 und Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie als maßgebliche Regelungen benennen. Bestimmungen über die Öffentlichkeitsbeteiligung treffe aber Art. 6 Abs. 2 UVP-Richtlinie 85/337/EWG. Insoweit sei nicht klar, wie das OVG Koblenz aus diesem Urteil eine drittschützende Bedeutung des § 9 UVPG für die „betroffene Öffentlichkeit“ ableiten wolle. 440

436 OVG Münster, Beschluss v. 11. 10. 2005, Az.: 8 B 110/05 (zit. nach juris Rn. 12 ff.); OVG Münster, NVwZ-RR 2006, S. 173 (175); OVG Münster, Beschluss v. 12. 01. 2006, Az.: 8 A 2285/03 (zit. nach juris Rn. 17); OVG Münster, Beschluss v. 05. 07. 2006, Az.: 8 B 379/06.AK, (zit. nach juris Rn. 19 ff.); VGH München, Beschluss v. 13. 04. 2006, Az.: 1 CS 05.1318 (zit. nach juris Rn. 23); VGH München, NVwZ 2007, S. 371 (372); VG Saarlouis, Beschluss v. 26. 05. 2006, Az.: 1 F 16/05 (zit. nach juris Rn. 39); VG Saarlouis, Urteil v. 10. 03. 2006, Az.: 1 K 15/04 (zit. nach juris Rn. 59). 437 VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 164 ff.). 438 VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 176). Ebenso: OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2005, S. 401 (402). 439 EuGH, Rs. C-201/02 (Wells), DVBl. 2004, S. 370. 440 VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 178).

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Zudem müsse Verstößen gegen UVP-Öffentlichkeitsbeteiligungsregelungen gerade in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren in Anbetracht des europarechtlichen Effektivitätsgrundsatzes nicht notwendigerweise im Wege der Zubilligung eines Aufhebungsanspruchs Rechnung getragen werden. Denn jedenfalls die im förmlichen Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG vorgesehene Öffentlichkeitsbeteiligung falle nicht wesentlich hinter den Anforderungen des UVPG zurück. Außerdem werde die materielle Betroffenheit des Einzelnen durch die Anlage anhand der Vorgaben des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG im Verwaltungsverfahren ohnehin geprüft. Allein auf Grund des Unterbleibens einer förmlichen UVP erleide der Einzelne folglich so lange keinen Nachteil, der mittels der Aufwertung von Verfahrensrechten über die Öffentlichkeitsbeteiligung kompensiert werden müsste, wie es nicht zu einem „Totalausfall“ jeglicher Umweltprüfung unter Berücksichtigung von Einwendungen an sich zu beteiligender Dritter komme. 441 Eine andere Sichtweise gebieten nach Auffasung des Gerichts auch nicht die neuen Rechtsschutzvorgaben der Aarhus-Konvention oder der RL 2003/35/EG. Schließlich räume sowohl Art. 9 Abs. 2 AK als auch der neue Art. 10a der UVPRichtlinie 85/337/EWG den Mitgliedstaaten das Recht ein, den gerichtlichen Zugang der betroffenen Öffentlichkeit von a) einem ausreichenden Interesse oder b) der Geltendmachung einer Rechtsverletzung abhängig zu machen. 442 Daher beantworte die vom OVG Koblenz ins Feld geführte Neuentwicklung auf völkerund europarechtlicher Ebene die Frage einer eigenständigen drittschützenden Wirkung der Vorschriften des UVP-Rechts über die Öffentlichkeitsbeteiligung gerade nicht. Die Antrags- bzw. Klagebefugnis des Einzelnen könne weiterhin davon abhängig gemacht werden, dass eine Rechtsverletzung vorliegt. Die deutsche Konzeption der Klagebefugnis sei somit prinzipiell konventions- und europarechtskonform, soweit sie im Einklang mit dem Ziel ausgelegt werde, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu den Gerichten zu gewähren. 443 Ein zwingendes Erfordernis, die UVP-Vorschriften als absolute Verfahrensrechte einzuordnen, was Drittbetroffenen im Falle ihrer Verletzung nicht nur die Anfechtung der Zulassungsentscheidung unabhängig von einer materiellen Rechtsverletzung ermöglichen würde, sondern auch den Ausschluss des § 46 VwVfG zur Folge hätte, besteht nach Auffasung des VG Aachen somit nicht. 2. Das Urteil des 11. Senats des OVG Münster vom 27. 10. 2005 Von den Oberverwaltungsgerichten hat vor allem der 11. Senat des OVG Münster 444 eine ausführlichere Stellungnahme zu dem abweichenden Beschluss 441 442 443

VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 179 ff.). Vgl. oben unter § 12 B. VG Aachen, Urteil v. 14. 09. 2005, Az.: 6 K 372/03 (zit. nach juris Rn. 185 ff.).

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des OVG Koblenz abgegeben. Die Frage, ob angesichts der Aufnahme des Art. 10a in die RL 85/337/EWG die Rechtsprechung des BVerwG zur UVP als „nicht drittschützendes, reines Verfahrensrecht“ geändert werden muss, lässt der 11. Senat allerdings offen. Er hält aber im Unterschied zum 20. Senat desselben OVG und zum OVG Koblenz dennoch an der bisherigen Rechtsprechungspraxis fest, weil er die Vorgaben der Richtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung – eine Umsetzung durch das URG war noch nicht erfolgt – für noch nicht bindend hält. Mangels hinreichender Bestimmtheit komme der UVP-Richtlinie n. F. trotz des inzwischen erfolgten Ablaufs der Umsetzungsfrist keine unmittelbare Geltung zu. 445 Zur Begründung verweist das OVG Münster – genau wie das VG Aachen – auf die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten, welche die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber eröffnet: „So könnte der deutsche Gesetzgeber, um den Richtlinienauftrag einer Stärkung des Verfahrensrechts zu erfüllen, beispielsweise mit einer Änderung oder völligen Abschaffung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften reagieren (insbesondere § 44a VwGO, 46 VwVfG) oder die bislang das deutsche Prozessrecht prägende Schutznormlehre modifizieren oder gar aufheben.“ 446

Das OVG räumt ein, dass es hierdurch zwar nicht gehindert sei, sich bei der Auslegung nationalen Rechts an den Bestimmungen der Richtlinie zu orientieren. Die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung müsse anlässlich der aufgezeigten europarechtlichen Entwicklungen aber keinesfalls umgehend – „sozusagen vorauseilend“ – geändert werden. 447 Dem Wells-Urteil misst das OVG keine Bedeutung bei, weil dort – im Gegensatz zu dem ihm vorliegenden Fall – eine UVP völlig unterblieben sei. Die Frage nach einer unmittelbaren Geltung des Art. 10a der UVP-Richtlinie stellt sich nach wie vor immer dann, wenn das zur Umsetzung der neuen Rechtsschutzvorgaben erlassene URG auf das in Rede stehende Zulassungsverfahren nach der Übergangsvorschrift des § 5 URG keine Anwendung finden kann. In Anlehnung an dieses Urteil des 11. Senats des OVG Münster haben auch andere Verwaltungsgerichte eine unmittelbare Geltung der Richtlinienbestimmung in diesen Fällen stets abgelehnt. 448 Die Gerichte sehen aus diesem Grund kei444

OVG Münster, NuR 2006, S. 320 ff. OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (322). 446 OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (322). 447 OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (322); ebenso: OVG Münster, NuR 2006, S. 801 (802 f.). 448 OVG Münster, NuR 2007, S. 360; VG Karlsruhe, NuR 2007, S. 428 f.; VG München, Urteil v. 22. 03. 2007, Az.: M 24 K 05.914 (zit. nach juris Rn. 66 ff.); VG Saarlouis, Beschluss v. 28. 03. 2007, Az.: 5 F 22/06 (zit. nach juris Rn. 46 ff.); VG Frankfurt, Beschluss v. 19. 09. 2007, Az.: 7 L 270/07 (zit. nach juris Rn. 7 ff.). Das Urteil des EuGH in der Sache Wells wird in allen diesen Entscheidungen für nicht einschlägig erachtet. 445

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ne Veranlassung, die bislang praktizierte Rechtsprechung zum Drittschutz des UVP-Rechts in Frage zu stellen. Die Beachtlichkeit der unterlassenen UVP wird in diesen Fällen somit weiterhin daran gemessen, ob nach den Umständen des Einzelfalls die „konkrete Möglichkeit“ besteht, dass sich ihre Nichtdurchführung auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben kann. Das VG Karlsruhe hebt in diesem Zusammenhang noch deutlicher als das OVG Münster in einem neueren Urteil hervor, dass auch die mit Ablauf der Umsetzungsfrist gebotene richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts die Gerichte nicht dazu zwinge, im Rahmen der Individualanfechtung vom Erfordernis einer Antrags- oder Klagebefugnis, die auf die mögliche Verletzung eigener Rechte abstellt, abzusehen. 449 Denn die Zulassung einer allgemeinen Popularklage werde gemeinschaftsrechtlich gerade nicht gefordert. Zudem dürften weder Art. 10a der UVP-Richtlinie noch Art. 9 Abs. 2 AK es ausschließen, dass der Erfolg des gerichtlichen Verfahrens weiterhin von der Feststellung solcher Fehler abhängig gemacht werden darf, die zu einer Rechtsverletzung des Klägers bzw. Antragstellers führen. 450 3. Die Beschlüsse des OVG Lüneburg Im Hinblick auf das Urteil des EuGH in der Sache Wells wird eine weitergehende Anfechtungsbefugnis des Drittbetroffenen im Fall der unterlassenen UVP vom OVG Lüneburg näher thematisiert. 451 Das Gericht stellt allerdings – im Gegensatz zum 7. Senat des OVG Koblenz – auf den Aspekt der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten ab. So habe der EuGH in seiner Entscheidung gleichermaßen betont, dass es Sache des jeweiligen Gerichts sei, festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses Projekt einer UVP gemäß den Anforderungen der Richtlinie zu unterziehen. Nach geltendem deutschen Recht bestehe bei Drittanfechtungen diese Möglichkeit eben nur, wenn durch das Unterlassen der gebotenen UVP auch die materielle Position des Dritten verletzt worden sei. Allein das fehlerhafte Unterlassen einer UVP könne daher keine Anfechtungsbefugnis für den Antragsteller begründen. 452 Aus diesem Grund hat das OVG Lüneburg in zwei Fällen die Beschwerde eines Nachbarn, dessen Antrag auf Aussetzung des Sofortvollzugs der Genehmigung von Windkraftanlagen im Ebenso, allerdings ohne Bezugnahme auf das Urteil des OVG Münster, entschied das OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 05. 2007, Az.: 12 LB 8/07 (zit. nach juris Rn. 51). 449 VG Karlsruhe, NuR 2007, S. 428 (429). 450 VG Karlsruhe, NuR 2007, S. 428 (429), zustimmend: VG München, Urteil v. 22. 03. 2007, Az.: M 24 K 05.914 (zit. nach juris Rn. 70); VG Frankfurt, Beschluss v. 19. 09. 2007, Az.: 7 L 270/07 (zit. nach juris Rn. 9). 451 OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 ff.; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356 f. 452 OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354 (355); OVG Lüneburg, NVwZ, S. 356 (357).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt wurde, zurückgewiesen. 453 Die Anforderungen der Aarhus-Konvention bzw. des neuen Art. 10a der UVPRichtlinie lässt das Gericht in diesen Entscheidungen unberücksichtigt. III. Ergebnis Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass die neuen Rechtschutzanforderungen des Völker- und Gemeinschaftsrechts von den Verwaltungsgerichten teilweise sehr unterschiedlich interpretiert worden sind. Dies galt sowohl im Hinblick auf die Frage nach einer erweiterten Klagebefugnis für betroffene Dritte im Fall der unterlassenen UVP als auch im Hinblick auf die Fehlerbehandlung. Überwiegend sahen die Gerichte anlässlich der neuen inter- und supranationalen Vorgaben jedoch keine Notwendigkeit, von ihrer bisherigen Rechtsprechungspraxis abzuweichen. Zwar deutet das OVG Münster in seiner Entscheidung vom 27. 10. 2005 an, dass gerade im Fall einer vollständig unterbliebenen UVP möglicherweise andere Kriterien für die Fehlerbeachtlichkeit zugrunde gelegt werden müssten. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit dieser besonderen Problematik erfolgt jedoch nicht. Es ist insofern zu begrüßen, dass der Gesetzgeber mit dem Erlass des neuen URG nun tätig geworden ist und damit die bestehenden Rechtsunsicherheiten zumindest im Bereich der unterlassenen UVP verringert hat.

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung Das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) ist am 15. 12. 2006 in Kraft getreten. Damit ist der deutsche Gesetzgeber seiner Pflicht zur Umsetzung der neuen Rechtsschutzanforderungen des Art. 10a der UVP-Richtlinie sowie der dritten Säule der Aarhus-Konvention erst mit 1½-jähriger Verspätung nachgekommen. 454 Zwar hatte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit noch unter der rot-grünen Bundesregierung am 21. 02. 2005 einen ersten Entwurf für das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz

453

OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 354; OVG Lüneburg, NVwZ 2007, S. 356. Die Frist zur Umsetzung der RL 2003/35/EG ist am 25. 06. 2005 abgelaufen (Art. 6 Abs. 1 RL 2003/35/EG). Die EG-Kommission hatte daher bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet und nach einer Stellungnahme der Bundesregierung im Juni 2006 den EuGH angerufen, Rs. C-253/06, ABlEU C 273/2 v. 30. 09. 2006. Anlässlich der Umsetzung durch das URG hat die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren im Februar 2007 zurückgenommen, ABlEU C 96/28 v. 28. 04. 2007. 454

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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(URG) vorgelegt 455, jedoch wurde dieser aufgrund der nachfolgenden rechtspolitischen Diskussion in der neuen Legislaturperiode maßgeblich überarbeitet. Um weitere Verzögerungen bei der Umsetzung zu vermeiden, ist das Gesetzgebungsverfahren dann sehr zügig durchgeführt worden. 456 In nicht allzu ferner Zukunft soll das neue URG überdies in das zur Zeit geplante Umweltgesetzbuch (UGB) integriert werden. 457 In der Literatur wurde bereits im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens kontrovers diskutiert, welche Anforderungen sich aus den neuen völker- und gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben ergeben und welche Umsetzungsspielräume hier im Rahmen des deutschen Rechtsschutzsystems bestehen. Nach einigen allgemeinen Ausführungen zum neuen Gesetz (A.) konzentriert sich die nachfolgende Untersuchung daher nicht nur darauf, inwieweit das URG die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall der unterlassenen UVP erweitert hat (B.), sondern auch auf die Frage, ob den inter- und supranationalen Vorgaben damit ausreichend Rechnung getragen wird (C.).

A. Allgemeines Das neue Gesetz knüpft prinzipiell an das bestehende deutsche Rechtsbehelfssystem nach der VwGO an. Die Rechtsschutzmöglichkeiten von Dritten gegen UVP-relevante Entscheidungen hängen grundsätzlich weiterhin von der Geltendmachung und dem Vorliegen einer Verletzung eigener Rechte i. S.v. §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 S. 2 VwGO ab. 458 Eine Sonderreglung sieht das URG lediglich für Vereinigungen bzw. für Umweltverbände in § 2 URG vor. Diese können, auch ohne eine Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, Umweltrechtsbehelfe dann einlegen, wenn sie entweder nach § 3 URG anerkannt sind oder die Vorgaben des § 2 Abs. 2 URG erfüllen. Dabei sind die konkreten Anerkennungsvoraussetzungen des § 3 URG in weiten Teilen an die naturschutzrechtliche Regelung des § 59 BNatSchG angelehnt. Naturschutzvereine, die hiernach oder nach landesrechtlichen Vorschriften bereits anerkannt sind, bedürfen daher keiner separaten Anerkennung durch das URG, sondern sind gemäß § 3 Abs. 1 S. 4 URG per gesetzlicher Fiktion den nach § 3 Abs. 1 S. 1 URG anerkannten Vereinigungen gleichgestellt. 455 Abrufbar unter: www.aarhus-konvention.de/index.php?option=com_docman&task =doc_download&gid=22- (Stand 07. 07. 2008). 456 So wurde der Gesetzesentwurf vom 30. 06. 2006 als Gesetzesentwurf der Bundesregierung bereits am 11. 08. 2006 in den Bundesrat (BR-Drs. 552/06) und am 04. 09. 2006 in den Bundestag (BT-Drs. 16/2495) eingeführt. 457 Vgl. §§ 40 – 44 des Referentenentwurfs für das Umweltgesetzbuch (UGB) Erstes Buch (I), erstellt vom Bundesumweltministerium, einsehbar unter: www.bmu.de /umweltgesetzbuch/downloads/doc/40448.php (Stand: 07. 07. 2008). 458 Vgl. hierzu ausdrücklich die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/2495, S. 7 f.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Die für Umwelt-Rechtsbehelfe zulässigen Prüfungsgegenstände ergeben sich gemäß § 2 Abs. 1 URG aus dem in § 1 Abs. 1 S. 1 URG definierten Anwendungsbereich des Gesetzes. Im Gegensatz zur naturschutzrechtlichen Vereinsklage nach § 61 BNatSchG gehören hierzu – soweit es sich um UVP-relevante Verwaltungsakte handelt – nicht nur näher bestimmte Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen, sondern sämtliche Verwaltungsentscheidungen, bei denen die Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 URG). 459 § 1 Abs. 1 S. 2 URG stellt zudem klar, dass ein Zugang zu einem Überprüfungsverfahren auch dann gewährt wird, wenn in rechtswidriger Weise eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung nach S. 1 nicht getroffen wurde. Die gerichtliche Überprüfbarkeit mittels Verbandsklage kann somit von den Behörden nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass sie eine nicht in den Anwendungsbereich des URG fallende Zulassungsentscheidung treffen. In der Vergangenheit hatten sich die Behörden dieser „Umgehungstaktik“ zur Vermeidung der Verbandsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren bedient. Allerdings entschied das BVerwG schon bald, dass sich die Vereine auf eine Verletzung ihres absoluten Beteiligungsrechts im Planfeststellungsverfahren auch dann berufen können, wenn rechtswidrig in ein nicht beteiligungspflichtiges Verfahren ausgewichen wird. Eine altruistische Verbandsklagebefugnis stand ihnen dagegen in diesen Fällen bislang nicht zu, da § 61 BNatSchG auf die Konstellation des Unterlassens der gebotenen Verwaltungsentscheidung keine Anwendung findet. 460 Durch das URG ist den Vereinen nunmehr der gerichtliche Zugang bei der rechtswidrigen Nichtdurchführung von sämtlichen UVP-relevanten Zulassungsverfahren – also insbesondere auch beim Unterbleiben eines Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG – eröffnet, sofern die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 bis 4 URG erfüllt sind.

B. Erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten im Fall der unterlassenen UVP Entsprechend dem Thema dieser Arbeit konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen darauf, ob das neue Gesetz die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter im Fall der rechtswidrigen Nichtdurchführung einer UVP verbessert hat. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass das URG die Vorschrift des § 44a VwGO unberührt lässt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 URG). Es bleibt also dabei, dass eine Verletzung der UVP-Verfahrensbestimmungen nicht selb459 Mit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 URG werden – zur Umsetzung des durch die Richtlinie 2003/35/EG ebenfalls neu eingefügten Art. 15a IVU-Richtlinie – die immisisonsschutz-, abfall- und wasserrechtlichen Verfahren erfasst, die die Zulassung von Anlagen nach der IVU-Richtlinie im deutschen Recht bezwecken. 460 Vgl. zu dieser Problematik insgesamt § 4 A. I. 2. b).

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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ständig vor Abschluss des Zulassungsverfahrens, sondern nur gemeinsam mit der gerichtlichen Überprüfung der Sachentscheidung geltend gemacht werden kann. Damit sind zeitnahe Klagen zur Korrektur von Verfahrensfehlern weiterhin ausgeschlossen. Unter welchen Voraussetzungen nunmehr die abschließende Zulassungsentscheidung wegen einer unterlassenen UVP angreifbar ist, gilt es im Folgenden zu untersuchen. I. Rechtsschutz anerkannter Vereinigungen 1. Zur Zulässigkeit a) Klagebefugnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG? Die zentrale Vorschrift, die die Voraussetzungen festlegt, unter denen Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsbehelf gegen die Verwaltungsentscheidung einlegen können, ist § 2 URG. Hiernach ist es nicht erforderlich, dass die anerkannten Vereine eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen. Sie müssen aber unter anderem geltend machen können, dass die angegriffene Entscheidung oder Unterlassung Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 URG). Im Hinblick auf Verstöße gegen das UVPG bereitet das Erfordernis, dass die Rechtsvorschriften, die durch die Entscheidung oder Unterlassung missachtet worden sein sollen, dem Umweltschutz dienen müssen, keine weiteren Schwierigkeiten. Zwar ist § 2 Abs. 1 Nr.1 URG sprachlich enger gefasst als die naturschutzrechtliche Vereinsklage, bei der die nicht beachteten Rechtsvorschriften „zumindest auch“ den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sein müssen (§ 61 Abs. 2 Nr. 1 BNatSchG). Ausweislich der Gesetzesbegründung bedeutet dieser fehlende Einschub im URG jedoch nicht, dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG nur solche Vorschriften erfassen soll, die ausschließlich den Zielen des Umweltschutzes dienen. Vielmehr sollen in den Anwendungsbereich der Norm auch solche Rechtsvorschriften fallen, die „beispielsweise sowohl dem Umwelt- als auch dem Arbeitsschutz dienen.“ 461 Rügefähig sind mithin Verletzungen von all denjenigen Vorschriften, die zumindest auch die Förderung und Verbesserung des Umweltschutzes bezwecken. 462 Zu diesem Kreis gehören in jedem Fall die UVP-Bestimmungen. Die zweite Voraussetzung, die kumulativ vorliegen muss, verursacht im Zusammenhang mit der gerichtlichen Geltendmachung einer unterlassenen UVP 461

Vgl. BT-Drs. 16/2495, S. 12. Kment, NVwZ 2007, S. 274 (275); Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (262); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (11). 462

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

größere Probleme. Hiernach ist die Rügebefugnis der entsprechend anerkannten Verbände auf solche Vorschriften beschränkt, die „Rechte Einzelner“ begründen können. Damit macht § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG die Einräumung des Rechtsschutzes letztlich doch wieder von der möglichen Verletzung subjektiver Rechte abhängig. Zwar wird den Verbänden insoweit eine überindividuelle Klagebefugnis eingeräumt, als von ihnen nicht die Geltendmachung ihrer eigenen Rechte gemäß § 42 Abs. 2 VwGO gefordert wird. Im Unterschied zur „herkömmlichen“ altruistischen Verbandsklage nach § 61 BNatSchG bleibt ein subjektiv-rechtlicher Bezug für die Zulässigkeit der Klage nach § 2 URG aber bestehen, weil nur solche Normen gerügt werden dürfen, denen ein drittschützender Charakter zukommt. In diesem Zusammenhang wird auch von einem „schutznormbezogenen Rechtsschutzansatz“ 463 gesprochen, welcher der umweltrechtlichen Vereinsklage nach § 2 URG eine Zwitterstellung zwischen subjektivem Rechtsschutz und objektivem Beanstandungsverfahren verleihe. 464 Folge dieses Ansatzes ist, dass Verletzungen sämtlicher objektiver Rechtsvorschriften des Umweltrechts nicht mittels der im URG vorgesehenen Vereinsklage angegriffen werden können. Hiervon betroffen sind neben den Regelungen des gesamten Naturschutzrechts sowie den der Gefahrenabwehr dienenden Vorsorgenormen insbesondere alle verfahrensrechtlichen Bestimmungen, da diese nach deutscher Dogmatik grundsätzlich nicht drittschützend sind. Daher scheidet eine Vereinsklage, die sich auf eine Verletzung von Vorschriften des UVPG stützen will, gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG aus. 465 Denn obgleich in der Literatur nach wie vor umstritten ist, ob der UVP auch ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt 466, stuft sie das URG jedenfalls als reines Verfahrensinstrument ein. Dies ergibt sich aus § 4 URG, der – ausweislich seiner amtlichen Überschrift – extra eine Sonderreglung für Verfahrensfehler trifft und diesbezüglich auf zwei spezielle Verstöße gegen das UVPG Bezug nimmt. Diese Regelung wäre überflüssig, wenn bereits § 2 URG eine Rechtsschutzmöglichkeit bei der Verletzung von UVP-Bestimmungen eröffnen würde. Zwar könnte man daran denken, einzelnen Verfahrensvorschriften des UVPG – wie beispielsweise der Öffentlichkeitsbeteiligung nach §§ 9 ff. UVPG – eine drittschützende Wirkung beizumessen, um so das in § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG geforderte Kriterium, dass die betreffende Vorschrift „Rechte Einzelner“ begründen können muss, bejahen zu können. Diese Vorgehensweise widerspräche aber dem 463 So Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (260 f.); Ewer, NJW 2007, S. 3171 (3175); Koch, NVwZ 2007, S. 369 (378), spricht von einer „Verdoppelung“ des subjektiven Rechtsschutzes. 464 Schlacke, NuR 2007, S. 8; Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (260). 465 Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 57; derselbe, NVwZ 2007, S. 274 (275); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (11). 466 Vgl. § 9 C.

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Willen des Gesetzgebers, der nur die in § 4 URG genannten Verfahrensfehler einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich machen wollte. Dies wird nicht nur aus der Gesetzessystematik, sondern insbesondere aus der historischen Entwicklung des URG deutlich. So war § 4 URG in seiner ursprünglichen Fassung nicht auf die Regelung von zwei Fehlertypen begrenzt, sondern beschäftigte sich allgemein mit der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften. Die Nichtdurchführung einer erforderlichen UVP oder einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit waren lediglich als Regelbeispiele dafür benannt, wann ein solcher wesentlicher Verfahrensverstoß vorliegen sollte. 467 Der Bundesrat hatte daraufhin die Streichung des kompletten § 4 URG gefordert, da die Vorschrift über das europarechtlich zwingend gebotene hinausgehe und überdies zu gravierenden Verzögerungen volkswirtschaftlich bedeutsamer Planungs- und Investitionsentscheidungen führen könnte. 468 Die Bundesregierung erklärte sich letztlich bereit, § 4 URG entsprechend einem vermittelnden Vorschlag des Umwelt-, Agrar- und Verkehrsausschusses 469 auf seine nunmehr Gesetz gewordene Fassung zu reduzieren. 470 Insofern entspricht es der Intention des Gesetzgebers, allein für die in § 4 URG benannten Verfahrensfehler einen gerichtlichen Zugang zu eröffnen. Eine weitergehende Verfolgung von Verfahrensfehlern im Rahmen des § 2 URG muss ausscheiden. 471 b) Klagebefugnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG i.V. m. § 4 URG Für anerkannte Vereinigungen könnte sich eine Klagebefugnis wegen der Nichtdurchführung einer erforderlichen UVP aus § 2 Abs. 1 Nr.1 URG in Verbindung mit § 4 URG ergeben. § 4 URG ist die maßgebliche Vorschrift für den Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler. Dort ist in Abs. 1 vorgesehen, dass die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens, für das eine UVP-Pflicht besteht, verlangt werden kann, wenn entweder eine erforderliche UVP (Nr. 1) oder eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit (Nr. 2) nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Fraglich ist, welche Aussagen sich dieser Regelung im Hinblick auf die Einklagbarkeit der zwei genannten Verfahrensfehler entnehmen lassen. Denn auf 467 Vgl. den ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 11. 08. 2006 in BR-Drs. 552/06, S. 5 sowie v. 04. 09. 2006 in BT-Drs. 16/2465, S. 6. 468 Stellungnahme des Bundesrates v. 22. 09. 2005, BT-Drs. 552/06 (Beschluss), S. 7 ff. 469 Empfehlungen der Ausschüsse v. 11. 09. 2006 in BR-Drs. 552/1/06, S. 11 Nr. 12. 470 BT-Drs. 16/2931 v. 12. 10. 2006, S. 8. 471 Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 58.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

den ersten Blick betrifft § 4 Abs. 1 URG nur die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und stellt damit in erster Linie eine spezialgesetzliche Vorschrift zu dem ansonsten zur Anwendung gelangenden Fehlerfolgenregime dar. Allerdings wäre eine Sonderregelung für die Beachtlichkeit von bestimmten Verfahrensrechtsverletzungen relativ wertlos, wenn sich weiterhin nur ein eingeschränkter Kreis von Rechtsschutzsuchenden auf sie berufen könnte. Der Anwendungsbereich des § 4 URG wäre allein auf diejenigen Kläger beschränkt, die das Unterlassen einer UVP auch schon vor dem Erlass des URG gerichtlich geltend machen konnten, also insbesondere auf die enteignend Betroffenen. 472 Nur diese könnten gemäß § 4 URG eine Aufhebung der Entscheidung wegen Nichtdurchführung einer erforderlichen UVP bzw. Einzelfallvorprüfung verlangen. Dagegen stünde anerkannten Vereinigungen eine Klagebefugnis wegen der unterlassenen UVP auch künftig nur in dem begrenzten Umfang des § 61 BNatSchG zu. 473 Im Anwendungsbereich des URG könnten sie sich auf diesen Verfahrensfehler nicht berufen. Vor dem Hintergrund, dass das neue URG in erster Linie die Rechtsschutzmöglichkeiten anerkannter Verbände verbessern will 474, erscheint eine solche Auslegung wenig plausibel. Überdies spricht auch die Systematik des § 4 URG gegen eine solche Interpretation. Nach § 4 Abs. 3 URG gelten die Absätze 1 und 2 des § 4 URG entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und Nr. 2 VwGO, also für jede natürliche und juristische Person sowie für Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 und 2 URG im Prinzip auf den Rechtsbehelf von anerkannten Vereinigungen zugeschnitten ist. Offenbar sollte der Kreis derjenigen, die sich auf die Vorschrift berufen können, durch § 4 Abs. 3 URG nur erweitert werden. Anerkannte Umweltvereinigungen sollen demzufolge eine Aufhebung der Entscheidung wegen der in § 4 URG aufgeführten Verfahrensfehler ohnehin verlangen können. Damit diese Sonderregelung nicht ins Leere läuft, müssen die Verbände auch in der Lage sein, die Verfahrensrechtsverletzungen gerichtlich geltend zu machen. 475 Hieran anschließend stellt sich die Frage, ob § 4 URG den Vorschriften über die Erforderlichkeit einer UVP und einer Einzelfallvorprüfung zu diesem Zweck eine drittschützende Wirkung zuspricht. Dies wäre jedenfalls bei einem beabsichtigten Zusammenspiel von § 4 URG mit § 2 URG erforderlich. Denn um die ausgewiesenen Verfahrensrechte im Rahmen des § 2 Abs. 1 URG als „Rechte Einzelner“ behandeln zu können, müssten sie in jedem Fall durch § 4 URG sub472

Vgl. hierzu § 10 B. III. 2. Dazu § 10 B. III. 3. 474 Gesetzesbegründung v. 04. 09. 2006, BT-Drs. 16/2495, S. 7. 475 In diesem Sinne auch Kment, NVwZ 2007, S. 274 (276); derselbe, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 61; Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (261). 473

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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jektiv-rechtlich angereichert werden. Zwingend erscheint diese Annahme jedoch nicht. Denkbar wäre auch, dass § 4 URG eine eigene Rechtsbehelfsmöglichkeit neben § 2 URG erzeugt und damit unabhängig von diesem betrachtet werden muss. Für letztere Variante könnte vor allem die eigenständige Stellung des § 4 URG neben den §§ 2 und 3 URG sprechen sowie die Tatsache, dass weder § 1 URG noch § 4 URG eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Rechtsbehelfe von Umweltschutzvereinigungen enthält. 476 Dogmatisch wäre dann ein altruistisches Verbandsklagerecht für anerkannte Umweltvereinigungen geschaffen worden, welches allerdings – entsprechend dem herkömmlichen Verbandsklagemodell – gerade nicht die Verletzung eines drittschützenden Rechts zur Voraussetzung hätte. § 4 URG würde gewissermaßen eine Ausnahmeregelung zu den Anforderungen des § 2 URG treffen. Allerdings wäre eine solche Vorgehensweise sehr umständlich. Es erscheint naheliegender, dass der Gesetzgeber § 4 URG in das System des § 2 URG eingliedern wollte und daher die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP bzw. einer Vorprüfung des Einzelfalls zu absoluten Verfahrensfehlern erklärt. 477 Eine Klagebefugnis anerkannter Umweltvereinigungen ist somit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG i.V. m. § 4 URG gegeben. c) Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen Folgt man der Annahme, dass § 4 Abs. 1 URG eine Erweiterung des Rechtsschutzes nach § 2 URG bezweckt, sind für die Zulässigkeit einer Klage wegen der zu Unrecht unterlassenen UVP zudem die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 URG normierten Voraussetzungen maßgeblich. Die anerkannte Vereinigung muss geltend machen können, durch die zu kontrollierende Entscheidung oder ihre Unterlassung in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenreich, d. h. der Förderung der Ziele des Umweltschutzes, berührt zu sein. Durch diese Zulässigkeitsvoraussetzung wird der Kreis der klageberechtigten Verbände über den Bereich der Anerkennung hinaus beschränkt, denn nicht allen Vereinigungen wird es gelingen, einen satzungsmäßigen und tatsächlichen Bezug zu dem jeweiligen Prüfungsgegenstand herzustellen. Darüber hinaus enthält § 2 Abs. 1 Nr. 3 URG – wie auch § 61 Abs. 2 Nr. 3 BNatSchG – eine Verwirkung der Rechtsbehelfsbefugnis, wenn ein Verband, der zur Beteiligung in einem Zulassungsverfahren für ein UVP-pflichtiges Vorhaben berechtigt war, von seinem Mitwirkungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn dem Verband entgegen der geltenden Vorschriften keine Gelegenheit zur Beteiligung gegeben wurde. Gemäß § 2 476

Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 61. So auch Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (261, 264); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (13); Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (59); Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 61. 477

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Abs. 3 URG besteht überdies ein Ausschluss der gerichtlichen Nachprüfung für solche Einwendungen, die der Verband bereits im Verwaltungsverfahren hätte geltend machen können. Damit ist das URG wiederum dem Beispiel des BNatSchG gefolgt, das ebenfalls eine materielle Präklusion in diesen Fällen vorsieht (§ 61 Abs. 2 BNatSchG). 2. Zur Begründetheit Entsprechend der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG festgelegten Beschränkung der Klagebefugnis anerkannter Umweltschutzvereinigungen wird grundsätzlich auch die Begründetheit ihres Rechtsbehelfs davon abhängig gemacht, ob die angegriffene Entscheidung oder Unterlassung gegen Rechtsvorschriften verstößt, die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind. Darüber hinaus muss der Verstoß Belange des Umweltschutzes berühren, die zu den satzungsmäßigen Zielen des Verbandes gehören (§ 2 Abs. 5 Nr. 1 URG). Damit unterliegt die Begründetheitsprüfung nach dem URG grundsätzlich strengeren Maßstäben als jene der naturschutzrechtlichen Verbandsklage. Für den hier interessierenden Verfahrensfehler der unterlassenen UVP gilt die Sonderregelung des § 4 URG. a) Ausschluss des § 46 VwVfG durch § 4 URG Nach § 4 Abs. 1 Nr.1 URG kann zukünftig die Aufhebung der angefochtenen Zulassungsentscheidung verlangt werden, wenn die erforderliche UVP bzw. die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls nicht durchgeführt und auch nicht nachgeholt worden ist. 478 Der Erfolg der Klage hängt nicht länger davon ab, ob die „konkrete Möglichkeit“ besteht, dass die angegriffene Entscheidung ohne diese Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre. Damit hat der Gesetzgeber dem bislang von der Rechtsprechung herangezogenen Prüfungsmaßstab für die Beachtlichkeit einer unterlassenen UVP eine Absage erteilt. 479 Allerdings ist mit dieser Regelung auch die Möglichkeit entfallen, § 46 VwVfG bei der Fehlerbehandlung der unterlassenen UVP gemeinschaftsrechtskonform

478 Die im Rahmen des § 2 Abs. 5 URG aufgestellten Anforderungen an die Begründetheit können daher beim Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler nach § 4 URG nicht angewandt werden. Die Vorgaben des § 4 URG sind insoweit abschließend. Zu beachten sind überdies die Sonderregelungen für Beschlüsse nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG, also für satzungsmäßige Entscheidungen der Bauleitplanung mit einem engen Bezug zu Projekten der Anlage I des UVPG. Für sie gelten gemäß § 4 Abs. 2 URG nicht die in § 4 Abs. 1 URG bezeichneten Fehlerfolgenregelungen, sondern die Vorgaben der §§ 214 und 215 BauGB sowie die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. 479 Zu dem bisherigen Kontrollumfang im Fall der unterlassenen UVP § 10 C.

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auszulegen. 480 So hätte beispielsweise statt dem Nachweis der „konkreten Möglichkeit“ vielmehr die Erfüllung derjenigen Voraussetzungen für die Unbeachtlichkeit des Verfahrensfehlers verlangt werden können, die sich bei einer am Wortlaut orientierten Deutung des § 46 VwVfG ergeben. Denn obwohl das BVerwG seine Rechtsprechung zur unterlassenen UVP zuweilen auf § 46 VwVfG gestützt hat, lässt sich der vom Gericht entwickelte Prüfungsmaßstab für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern keineswegs als authentische Interpretation dieser Fehlerregelung begreifen. Vielmehr werden durch die Verwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ weitaus strengere Anforderungen an den Ausschluss des Aufhebungsanspruchs gestellt als nach § 46 VwVfG. Insbesondere darf eine Verfahrensrechtsverletzung nach der gesetzlichen Vorschrift eigentlich nur dann für unbeachtlich erklärt werden, wenn sie sich offensichtlich nicht auf die Sachentscheidung ausgewirkt hat. Dieses Erfordernis findet in der Formel der Rechtsprechung keine Entsprechung. 481 Gemäß § 4 Abs. 1 URG sollen die genannten Verfahrensfehler jedoch stets die Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach sich ziehen, sofern keine Heilung möglich ist. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Anwendung des § 46 VwVfG, die ebenfalls zu einer gesteigerten Fehlerrelevanz der unterlassenen UVP geführt hätte, muss damit entfallen. Ob der Gesetzgeber mit diesem vollständigen Ausschluss des § 46 VwVfG über die Anforderungen des Europarechts hinausgegangen ist, wird noch genauer zu untersuchen sein. 482 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass mit § 4 Abs. 1 URG nicht nur die Anwendung des § 46 VwVfG ausgeschlossen wird. Vielmehr können in den Fällen, in denen die UVP bzw. die Einzelfallvorprüfung fälschlicherweise im Rahmen eines Planfeststellungsverfahren unterblieben ist, auch nicht mehr die für materielle Abwägungsmängel geltenden Fehlerregelungen herangezogen werden (z. B. § 75 Abs. 1a S. 1 VwVfG). Bislang hat die Rechtsprechung in dieser Konstellation eine doppelte Kausalitätsprüfung vorgenommen, indem sie die konkrete Auswirkungsmöglichkeit des Verfahrensfehlers mit der materiell-rechtlichen Abwägungskontrolle verbunden hat. Die unterlassene UVP war dementsprechend nicht schon dann beachtlich, wenn sie einen Fehler im Abwägungsvorgang verursacht hat, sondern nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass dieser Abwägungsfehler auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist. 483 Die hierfür maßgeblichen Fehlervorschriften der entsprechenden Fachgesetze 484 sind gemäß § 4 Abs. 1 URG nicht mehr anwendbar. 485 Anderes gilt für die Vorschriften zur Fehlerheilung, die nach § 4 Abs. 1 S. 2 URG unberührt bleiben. 480 481 482 483 484 485

Siehe zu dieser Möglichkeit auch unter § 11 A. II. Hierzu unter § 3 C. § 13 C. II. 2. a). Siehe § 10 C. I. 1. Wie z. B. § 17e Abs. 6 S. 1 FStrG. Zutreffend daher Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (59).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

b) Unstimmigkeiten hinsichtlich der Vorprüfung des Einzelfalls Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 URG soll nur das vollständige Fehlen einer UVP oder einer Einzelfallvorprüfung beachtlich sein. Hiervon kann aber nur die Rede sein, wenn das jeweilige Prüfungsverfahren weder formell noch materiell durchgeführt wurde. Wird die UVP dagegen lediglich materiell unvollständig durchgeführt oder werden ihre Verfahrensschritte trotz mangelnder Kenntnis von der UVP-Pflicht eingehalten und nur nicht (formell) als solche bezeichnet, ist der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 URG nicht eröffnet. 486 Gleiches gilt für die Konstellation, dass entgegen den gesetzlichen Vorgaben eine Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich der UVP-Pflichtigkeit nicht erfolgte, stattdessen aber eine UVP durchgeführt wurde. 487 Zu Unstimmigkeiten führt diese Regelung in den Fällen, in denen die Behörde zwar eine Vorprüfung durchführt, dabei aber fehlerhaft zu dem Ergebnis kommt, dass keine UVP vorgenommen werden muss. Im Prinzip müsste dieser Verfahrensfehler der vollständigen Nichtdurchführung einer UVP gleichgestellt werden. Denn die Konsequenz ist letztlich die gleiche: Eine an sich gebotene UVP wird rechtswidrig unterlassen. Zu diesem Ergebnis gelangt man jedoch nicht bei einer wortlautgetreuen Anwendung des § 4 Abs. 1 URG. Mangels richtiger Einschätzung der Behörde ist eine UVP-Pflicht nämlich gar nicht erst entstanden. Ein Verfahrensfehler i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 URG liegt nicht vor. Ebenso wenig ist § 4 Abs. 1 Nr. 2 URG einschlägig, weil eine Vorprüfung erfolgt ist. 488 Eine Gleichstellung dieses Fehlers mit einer vollständig unterlassenen UVP würde im Übrigen der Intention des Gesetzgebers widersprechen. Schließlich wurde die ursprünglich vorgesehene Fassung des § 4 URG extra dahingehend modifiziert, dass die Nichtdurchführung einer erforderlichen UVP oder einer erforderlichen Vorprüfung des Einzelfalls nicht mehr nur als Regelfälle für einen wesentlichen Verfahrensverstoß behandelt werden können. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 URG wurde mit der Benennung dieser beiden Fehlertypen vielmehr abschließend definiert. 489 Die Möglichkeit, im Rahmen einer Gesamtwürdigung weitere, unter Umständen genauso schwerwiegende Verfahrensfehler der Sonderregelung des § 4 URG zu unterstellen, ist damit entfallen. 490 486

Siehe hierzu auch § 10 A. II. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung zum URG, die dieses Problem allerdings unter dem Aspekt des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses behandelt. Zu den Voraussetzungen eines vollständigen Unterbleibens der UVP Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (265). 488 In diesem Sinne hat jüngst das VG Regensburg entschieden, dass die fehlerhaft durchgeführte Vorprüfung keinen Aufhebungsanspruch nach § 4 URG begründen kann, Beschluss v. 24. 07. 2007, Az.: RO 7 S 07.444 (zit. nach juris Rn. 52); ebenso VG Leipzig, Beschluss v. 12. 07. 2007, Az.: 6 K 419/07 (BeckRS 2007 25068). 489 Vgl. hierzu bereits oben unter § 13 B. I. 1. a). 490 Kritisch hierzu Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (264 f.). 487

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Insbesondere im Fall der fehlerhaft durchgeführten Einzelfallprüfung führt dies zu einem sehr unbefriedigenden Ergebnis. Gerade die korrekte Bestimmung der UVP-Pflichtigkeit eines Projektes ist in der Praxis häufig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Dies liegt zum einen daran, dass der zuständigen Behörde zu diesem frühen Zeitpunkt in der Regel die notwendigen Informationen fehlen, um das Vorhaben umfassend beurteilen zu können. In § 3c Abs. 1 S. 1 UVPG wird ihr deshalb auch nur abverlangt, anhand einer überschlägigen Prüfung einzuschätzen, ob Umweltauswirkungen gewichtiger Art möglich sein können. Die UVP-Pflicht des Vorhabens wird allein von einer Prognoseentscheidung der Behörde abhängig gemacht, welche stets mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist. Hinzu kommt, dass die Steuerungswirkung des § 3c UVPG wegen der Vielzahl der verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe relativ begrenzt ist und keine allgemeinen Verwaltungsvorschriften über die Durchführung dieses Verfahrens existieren. 491 In der Praxis steht daher weitaus häufiger die Frage im Mittelpunkt, ob die Behörde die Notwendigkeit einer UVP nach vorgenommener Vorprüfung tatsächlich zu Recht verneint hat, wohingegen das Problem, dass eine an sich gebotene Einzelfallprüfung von vornherein gänzlich unterlassen wird, sehr viel seltener auftritt. 492 Überdies darf nicht vergessen werden, dass von dem richtigen Ergebnis der Vorprüfung die Wahl der richtigen Zulassungsform abhängt. Vereinfachte Verfahrenstypen scheiden bei einer UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens mangels Öffentlichkeitsbeteiligung regelmäßig aus. Kommt die Behörde also fälschlicherweise zu dem Schluss, dass die Durchführung einer UVP nicht erforderlich ist, besteht die Gefahr, dass sie sich aufgrund dessen auch für ein (an sich unzulässiges) vereinfachtes Zulassungsverfahren entschließt. 493 Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig sinnvoll, gerade das Ergebnis der Vorprüfung einer verfahrensrechtlichen Überprüfung durch die Gerichte entziehen zu wollen. Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet die neu eingeführte Vorschrift des § 3a S. 4 UVPG. Diese ordnet an, dass die Einschätzung der zuständigen Behörde, eine UVP zu unterlassen, in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf überprüft werden darf, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. § 3a S. 4 UVPG ist also darauf ausgerichtet, die Kontrolldichte bei der Überprüfung der Feststellungen nach § 3c UVPG zu reduzieren. 494 Hieraus wird gleichzeitig deutlich, 491

Siehe zu dieser Problematik insgesamt unter § 10 A. I. § 10 C. III. Das Problem des vollständigen Unterlassens einer Vorprüfung stellt sich in der Regel nur bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, die mangels richtiger Zuordnung des Vorhabens als „Windfarm“ nach Nr. 1.6 der Anlage 1 des UVPG von der Vorprüfungspflicht im Einzelfall zu Unrecht ausgenommen werden, vgl. hierzu § 9 B. II. 493 Siehe § 9 B. 492

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

dass die Vorprüfungsentscheidung grundsätzlich einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann, auch wenn diese letztlich (nur) unter Berücksichtigung des behördlichen Beurteilungsspielraums zu erfolgen hat. Damit gerät § 3a S. 4 UVPG in Widerspruch zu § 4 Abs. 1 Nr. 2 URG, der nur das vollständige Unterlassen einer Vorprüfung als beachtlichen und damit rügefähigen Verfahrensfehler einstuft. 495 Angesichts der dargestellten Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung der UVP-Pflicht verbunden sind, sowie der Bedeutung, die dem Vorprüfungsergebnis für die Auswahl des Zulassungsverfahrens zukommt, erscheint es ratsam, in dieser Kollisionslage der Regelung des § 3a S. 4 UVPG den Vorzug zu geben. Ansonsten käme man zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass trotz schwerster Anwendungsfehler im Rahmen des § 3c UVPG eine erforderliche UVP sanktionslos unterlassen werden kann. Sollte es aber – wie in der Gesetzesbegründung zu § 4 URG ausgeführt 496 – aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen tatsächlich unerlässlich sein, dass die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP die Aufhebung der Zulassungsentscheidung begründet, dann muss dies auch für den Fall gelten, in dem ihr Unterlassen auf eine fehlerhafte Vorprüfung der Behörde zurückzuführen ist. Es ist somit davon auszugehen, dass der Kreis der rügefähigen Fehlertypen durch § 3a S. 4 UVPG erweitert wird. 497 Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Behörde die UVP-Pflichtigkeit eines Projekts im Rahmen der Vorprüfung zu Unrecht verneint hat, ist dieser Verfahrensfehler entsprechend der Sonderregelung des § 4 Abs. 1 URG zu behandeln. c) Beachtung der Heilungsmöglichkeiten Im Rahmen der Anwendung des § 4 URG ist zudem zu beachten, dass die Aufhebung der Entscheidung nur dann verlangt werden kann, wenn die erforderliche, aber zunächst unterlassene UVP oder Einzelfallvorprüfung nicht nachgeholt bzw. geheilt wurde. Zwar lässt § 4 Abs. 1 URG selbst nicht eine Nachholung dieser Verfahrensschritte zu, nimmt aber ausdrücklich auf die nach anderen Rechtsvorschriften bestehenden Heilungsmöglichkeiten Bezug. Die Wahl der einschlägigen Regelung richtet sich nach dem Charakter der angegriffenen Entscheidung. 498 Zum Zweck der Heilung kann das gerichtliche Verfahren ausgesetzt werden (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 URG). 494 Siehe hierzu auch die Begründung zum Gesetzesentwurf des Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetzes v. 04. 09. 2006, BT-Drs. 16/2494, S. 21. 495 Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 70. 496 BT-Drs. 16/2495 v. 04. 09. 2006, S. 13 f. 497 Hierfür auch Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 70. 498 Soweit es sich um Planungsentscheidungen handelt, steht in der Regel zur Fehlerheilung das ergänzende Verfahren zur Verfügung (§§ 214 Abs. 4 BauGB, 75 Abs. 1a S. 2 VwVfG).

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Eine solche Fehlerkorrektur im Fall der unterlassenen UVP führt dazu, dass das Verwaltungsverfahren neu aufgerollt werden muss. Schließlich muss durch die Nachholung der von den nicht beachteten Verfahrensvorgaben verfolgte Zweck noch erreichbar sein. 499 Die Entscheidung über die Zulässigkeit des geplanten Vorhabens kann jedoch – entsprechend dem Ansatz der UVP – nur dann auf eine verbesserte Informationsgrundlage hinsichtlich der Umweltbelange gestellt werden, wenn diese umfassend nachermittelt werden. Verwertet werden können nur Verfahrenshandlungen, die keinen Bezug zur UVP aufweisen. Gleiches gilt, wenn das von der Behörde im Rahmen der Einzelfallvorprüfung gefundene Ergebnis einer kritischen Überprüfung durch das Gericht nicht standhalten kann und aus diesem Grund das fehlerhafte Unterbleiben einer UVP festgestellt wird. 500 Hat eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 3c UVPG gar nicht erst stattgefunden, so muss diese nachgeholt werden. Ergibt die Vorprüfung, dass keine UVP-Pflichtigkeit besteht, ist die Heilung abgeschlossen. Im Übrigen muss das Verfahren ab dem Zeitpunkt des Verfahrensfehlers erneut durchgeführt werden. 501 II. Rechtsschutz Dritter Mit Ausnahme des enteignend Betroffenen war es einzelnen Dritten bislang nicht möglich, die Zulassungsentscheidung wegen einer unterlassenen UVP anzufechten. Sowohl das BVerwG als auch die Oberverwaltungsgerichte haben in ständiger Rechtsprechung die rein verfahrensrechtliche Bedeutung der UVP in den Vordergrund gestellt und eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition grundsätzlich abgelehnt. Dies hat sich durch den Erlass des neuen URG geändert. Nach § 4 Abs. 3 URG sollen die Absätze 1 und 2 des § 4 URG entsprechend für Rechtsbehelfe von Beteiligten nach § 61 Nr. 1 und 2 der VwGO gelten, also für alle natürlichen und juristischen Personen sowie Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Dadurch wird die den anerkannten Umweltverbänden eingeräumte Möglichkeit, gegen die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP gerichtlich vorzugehen, ebenfalls für Individualkläger eröffnet. Ihnen vermitteln die Vorschriften über die Durchführung einer UVP bzw. Einzelfallvorprüfung nunmehr absolut subjektive Verfahrensrechte 502, so dass es weder für die Klagebefugnis noch für 499

Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (265). Siehe zur Einbeziehung der fehlerhaft durchgeführten Vorprüfung in den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 URG oben unter § 13 B. I. 2. b). 501 Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 71. 502 Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (261, 264); Kment, NVwZ 2007, S. 274 (279); derselbe, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 82; v. Schwanenflug, NVwZ 2007, S. 1351 500

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

den Erfolg der Klage darauf ankommt, ob sich der Verfahrensrechtsverstoß auf die materielle Rechtsposition des Klägers ausgewirkt haben kann. Stellt sich heraus, dass ein derartiger Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt, ist die Entscheidung allein auf Grund dieses Fehlers aufzuheben, sofern das Verfahren nicht nachgeholt wird. Geht man überdies davon aus, dass die in § 4 Abs. 1 URG eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten durch § 3a S. 4 UVPG erweitert werden können, ist künftig auch das Ergebnis der Einzelfallvorprüfung nach § 3c UVPG für Dritte überprüfbar. Es kann insofern auf die Ausführungen zum Rechtsschutz von anerkannten Vereinigungen verwiesen werden. 503 III. Die Behandlung der Problematik des Verfahrensartfehlers Es wurde im Rahmen dieser Untersuchung festgestellt, dass der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP in der Praxis häufig mit der Durchführung eines falschen Zulassungsverfahrens einhergeht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens in der Regel unmittelbar für die Auswahl des gebotenen Zulassungstyps (mit) ausschlaggebend ist. So sind etwa das Plangenehmigungs-, das Verzichtsverfahren sowie das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG nicht als Trägerverfahren der UVP geeignet und müssen deshalb im Falle ihrer Erforderlichkeit entfallen. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber in zahlreiche Fachgesetze „UVP-Klauseln“ eingefügt, die als zusätzliches Tatbestandsmerkmal 504 für die Durchführung dieser Zulassungsformen vorsehen, dass die jeweiligen Vorhaben keiner UVP-Pflicht nach dem UVPG unterliegen. Verkennt die Behörde fälschlicherweise, dass das Vorhaben einer UVP unterzogen werden muss, bedingt dies einen Verfahrensartfehler, wenn sie sich aufgrund dieses Befundes beispielsweise für die Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens statt eines erforderlichen Planfeststellungsverfahren entscheidet. 505 Bislang wurde Drittbetroffenen die gerichtliche Geltendmachung eines derartigen Verfahrensartfehlers stets versagt, da allein durch die unzutreffende Wahl des (1354); Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (59); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (13). Aus der Rechtsprechung: VG Karlsruhe, NuR 2007, S. 428 (429); vgl. hierzu schon oben unter § 13 B. I. 1. b). 503 Siehe unter § 13 B. I. 2. b). 504 Neben der mangelnden UVP-Pflicht setzen die meisten Fachgesetze für die Durchführung der Plangenehmigung voraus, dass mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, dass Benehmen hergestellt worden ist und Rechte anderer nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben, so z. B. § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG; § 18b Nr. 1 AEG; § 14b Nr. 1 WaStrG jeweils i.V. m. § 74 Abs. 6 VwVfG; § 28 Abs. 1a PBefG. 505 § 9 B.

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Genehmigungsverfahrens keine Rechte Dritter verletzt würden. Nur dann, wenn diejenigen Verfahrensvorschriften, die eigentlich zu beachten gewesen wären, dem Kläger eine vom materiellen Recht unabhängige, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren wollen, soll eine Anfechtungsklage gegen die im falschen Zulassungsverfahren erteilte Genehmigung in Betracht kommen. Da dies im Regelfall verneint wird, lässt sich allein wegen der rechtswidrigen Nichtdurchführung des erforderlichen Verfahrens grundsätzlich kein Abwehrrecht gegen das Vorhaben herleiten. 506 Zu einem anderen Ergebnis wird man zukünftig aber dann kommen müssen, wenn mit dem Unterlassen des gebotenen Zulassungsverfahrens zugleich ein Verstoß gegen die Pflicht zur Durchführung einer UVP verbunden ist. Denn durch das neue URG werden die Vorschriften über die Erforderlichkeit einer UVP zu absoluten Verfahrensrechten erklärt. 507 Es besteht ein subjektiver Anspruch auf ihre Durchführung. Da die UVP im deutschen Recht als unselbständiger Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ausgestaltet ist, bedarf es aber stets eines bestimmten Trägerverfahrens, in dessen Rahmen sie stattfinden kann. Dieses Trägerverfahren muss gleichermaßen an Drittschutzerheblichkeit gewinnen, wenn der Anspruch des Dritten nicht ausgehebelt werden soll. Die Klage eines Dritten kann nicht mehr mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass allein durch die fehlerhafte Verfahrensdurchführung keine Rechte Dritter verletzt würden, wenn das unterbliebene Zulassungsverfahren gleichzeitig als Trägerverfahren für eine an sich gebotene UVP fungiert hätte. Dies ergibt sich ebenfalls aus § 1 Abs. 1 S. 3 URG, wonach eine Rechtsbehelfsmöglichkeit nach dem URG nicht deshalb ausscheidet, weil entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine UVP-relevante Zulassungsentscheidung getroffen wurde. Folglich ist es sowohl anerkannten Umweltverbänden als auch Individualklägern nunmehr möglich, die falsche Verfahrensdurchführung ohne integrierte UVP isoliert von einer materiellen Beeinträchtigung anzufechten. Bestätigt sich die (doppelte) Verfahrensrechtsverletzung, führt dies gemäß § 4 Abs. 1 URG zur Aufhebung der Entscheidung. 508

C. Die Völker- und Europarechtskonformität einzelner Vorschriften Wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich wurde, hat das URG die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei einer unterlassenen UVP bzw. Einzel506

Vgl. hierzu § 4. Siehe oben unter § 13 B. I. 1. b) und II. 508 Insofern hat sich durch die neue Gesetzeslage die Entscheidung des OVG Koblenz vom 25. 01. 2005 bestätigt, vgl. § 4 A. II. und § 12 C. I. 1. 507

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

fallvorprüfung erheblich erweitert. Sowohl anerkannte Umweltverbände als auch Individualkläger können nunmehr die Zulassungsentscheidung allein wegen dieses Verfahrensfehlers anfechten und – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Heilung – ihre Aufhebung verlangen, sofern sich der Verfahrensverstoß bestätigt (§ 4 Abs. 1 URG). Auf die Verletzung anderer Verfahrensvorschriften können Drittbetroffene ihre Klage dagegen weiterhin nur dann stützen, wenn zugleich die Beeinträchtigung einer materiellen Rechtsposition möglich erscheint. 509 Ebenso bleiben § 46 VwVfG bzw. das von der Rechtsprechung verwendete Kriterium der „konkreten Möglichkeit“ in anderen Fehlerkonstellationen unangetastet. Außer im Fall der rechtswidrigen Nichtdurchführung einer erforderlichen UVP bzw. Einzelfallvorprüfung hat sich der Rechtsschutz gegen Verfahrensfehler durch die neue Gesetzeslage nicht verbessert. Dies ist einer der wesentlichen Gründe, weshalb die Völker- und Europarechtskonformität des neuen URG in der Literatur teilweise bezweifelt wird. Allerdings wurde die Frage, welche Umsetzungspflichten sich für den deutschen Gesetzgeber aus den Vorgaben des neu eingefügten Art. 10 der UVP-Richtlinie sowie des Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention 510 tatsächlich ergeben, schon vor dem Erlass des URG sehr unterschiedlich beurteilt. So wurde gleichermaßen vertreten, dass völker- und gemeinschaftsrechtlich nicht einmal ein Anlass bestehe, bei dem Verfahrensfehler der unterlassenen UVP – wie nunmehr geregelt – von § 46 VwVfG bzw. der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerwG abzuweichen. Ebenso kontrovers sind die Meinungen zu der erforderlichen Ausgestaltung der umweltrechtlichen Verbandsklage. Hier wird vielfach die Auffassung vertreten, dass das neue Gesetz die Rechtsbehelfsmöglichkeiten anerkannter Umweltverbände sowohl hinsichtlich des gerichtlichen Zugangs als auch hinsichtlich des Kontrollumfangs unzulässig einschränke. Verständlicherweise neigen auch die Umweltverbände zu dieser Rechtsauffassung. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU e.V.) sowie der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) haben bereits Beschwerde bei der EU-Kommission wegen europarechtswidriger Umsetzung der RL 2003/35/EG eingelegt. 511 Zudem hat das OVG Nordrhein-Westfalen am 05. 03. 2009 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Klärung der Reichweite des Verbandsklagerechts im Umweltrecht nach Art. 10a der UVPRL gestellt. 512 509 Außer es liegt eine der in der Rechtsprechung auch bislang schon anerkannten Fallgruppen der absoluten Verfahrensrechte vor, vgl. § 2 C. I. 510 Siehe zu diesen neuen Rechtsschutzanforderungen im Einzelnen § 12. 511 Die Pressemitteilungen sind abrufbar unter: www.ufu.de/neues-aus-u---b/umwelt rechtsbehelfsgesetz---ufu-und-bund-reichen-beschwerde-bei-der-eu-kommission-ein.html (Stand 02. 02. 2008) sowie www.nabu.de/m06/m06_02/06011.html (Stand 02. 02. 2008). 512 OVG NRW, Beschluss v. 05. 03. 2009, Az.: 8 D 58/08.AK.

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Im Folgenden sollen die Regelungen des URG, deren Europarechtskonformität besonders umstritten ist, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Völker- und Gemeinschaftsrecht überprüft werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der durch die RL 2003/35/EG neu eingefügte Art. 10a der UVP-Richtlinie eigens zur Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK erlassen wurde und mit diesem nahezu wörtlich übereinstimmt. Es besteht daher Einigkeit darüber, dass sich die Interpretation dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift an Art. 9 Abs. 2 AK und den damit im Zusammenhang stehenden Zielen der Aarhus-Konvention orientieren muss. Dies ergibt sich auch aus den Erwägungsgründen der RL 2003/35/EG, die zum Teil ausdrücklich auf die von der Konvention verfolgten Absichten verweisen. Inhaltliche Unterschiede oder gar widerstreitende Bestimmungen zwischen den Vorgaben des Umweltvölkerrechts und der Richtlinienregelung sind nicht beabsichtigt. 513 Zugleich geht es um die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht, da mit der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richlinie gleichermaßen an bestehende gemeinschaftsrechtliche Umweltvorschriften angeknüpft wird. 514 Bei der innerstaatlichen Umsetzung müssen daher neben den Vorgaben der Aarhus-Konvention auch die Ziele der UVP-Richtlinie und der IVU-RL sowie die allgemeinen Regeln für die Umsetzung von EG-Richtlinien beachtet werden. Hierbei steht vor allem die Wahrung des „effet utile“ im Vordergrund. 515 I. Der Gerichtszugang von Umweltverbänden 1. Rechtsvorschriften, die „Rechte Einzelner“ begründen a) Problemstellung Einer der zentralen Streitpunkte des neuen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes betrifft die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG festgelegte Beschränkung der Rügebefugnis anerkannter Umweltverbände auf solche Rechtsvorschriften, die „Rechte Einzelner“ begründen. Dieser Regelungsansatz hat zur Folge, dass die Verletzung sämtlicher objektiver Rechtsvorschriften des Umweltrechts – also insbesondere der Vorsorge- und Verfahrensnormen – nicht mittels der im URG vorgesehenen Verbandsklage angegriffen werden kann. 516 In der Literatur wird überwiegend davon ausgegangen, dass den Umweltverbänden nach Art. 9 Abs. 2 AK und der entsprechenden Regelung in Art. 10a UVP-Richtlinie eine umfassende Rügebefugnis eingeräumt werden muss, um den geforderten „weiten Zugang 513

Siehe § 12 B. I. Dies ergibt sich auch aus dem 1. und 2. Erwägungsgrund der RL 2003/35/EG, der ausdrücklich auf die „gemeinschaftlichen Umweltvorschriften“ abstellt. 515 Zu den Anforderungen des „effet utile“ siehe § 6. 516 Siehe oben unter § 13 B. I. 1. a). 514

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

zu Gerichten“ zu gewährleisten. Demnach könne eine nationale Regelung, die den Gerichtszugang der Vereinigungen von der Rüge einzelner Rechtspositionen abhängig macht, nicht als völker- und europarechtskonform bewertet werden. 517 Diese Auffassung lag auch dem vom Bundesumweltministerium erstellten ersten Entwurf für ein Umweltrechtsbehelfsgesetz vom 21. 02. 2005 zugrunde, der noch in der vorherigen Legislaturperiode ausgearbeitet wurde. Darin war vorgesehen, dass die anerkannten Umweltschutzvereinigungen einen Rechtsbehelf ohne die Rüge einer Verletzung eigener Rechte einlegen dürfen und zudem alle Verstöße gegen umweltschützende Rechtsvorschriften geltend machen können. 518 Nach anderer Ansicht ist der Gesetzgeber mit der Umsetzung dieses ursprünglichen Entwurfs weiter als notwendig gegangen. Die Formulierungen in Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 AK ließen einen weiten Umsetzungsspielraum erkennen, so dass es keinesfalls erforderlich sei, die Umweltverbände mit einem privilegierten Klagerecht auszustatten. 519 Es werde allenfalls eine Gleichstellung der Klagerechte von Umweltschutzvereinigungen mit denen von Individualklägern verlangt. Die Verknüpfung der Klagebefugnis von Vereinigungen mit dem Bestehen von „Rechten Einzelner“ sei durchaus im Rahmen dessen, was das Völker- und Gemeinschaftsrecht zulasse. 520 Diese Rechtsauffassung steht offenbar hinter der jetzigen Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG. 517

Genth, NuR 2008, S. 28 (29 ff.); Schumacher, UPR 2008, S. 13 (17 f.); Koch, NVwZ 2007, S. 369 (376 ff.); Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (61 f.); dieselben, Die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und der Aarhus-Konvention an die Erweiterung der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden, Rechtsgutachten Juni 2006, S. 12 ff.; Schlacke, NuR 2007, S. 8 (13 f.); Ewer, NVwZ 2007, S. 267 (272 f.); derselbe, NJW 2007, S. 3171 (3175); Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (260 ff.); Kment, NVwZ 2007, S. 274 (277), derselbe, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 76; Sondergutachten des Rates für Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Umweltverwaltungen unter Reformdruck – Herausforderungen, Strategien, Perspektiven, Februar 2007, S. 167 Rn. 323; dieselben, Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, Stellungnahme vom Februar 2005, S. 7 ff. Rn. 16 ff., S. 11 f. Rn. 25 ff.; Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625 f.); Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (8 f.); Ekardt, NVwZ 2006, S. 55 f.; derselbe, Information, Partizipation, Rechtsschutz, 2004, S. 115 ff.; derselbe / Pöhlmann, NVwZ 2005, S. 532 f.; Müller-Terpitz, ArchVölkR 42 (2005), S. 466 (485 ff.); Bunge, NuR 2004, S. 141 (148); Louis, NuR 2004, S. 287 (290); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (178 f.); Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (182). 518 § 2 Abs. 1 und 3 des Entwurfs des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes v. 21. 02. 2005, einsehbar unter: www.aarhus-konvention.de/index.php?option=com_docman&task=doc _download&gid=22- (Stand: 11. 07. 08). 519 V. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/ 35/EG und der sog. Aarhus-Konvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 27 ff.; derselbe, NVwZ 2004, S. 272 (279); Durner, ZUR 2005, S. 285 (288 f.); Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489 (495 f.); Seelig / Gündling, NVwZ 2002, S. 1033 (1040); Jeder, JbUTR 62 (2002), S. 145 (169); vgl. auch die Stellungnahme des BDI zum ursprünglichen Entwurf des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes v. 17. 03. 2005, S. 3 ff., abrufbar unter: www .bdi-online.de/de/fachabteilungen/2163.htm.

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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Zur Klärung der Kontroverse müssen beide Auslegungsvarianten des Art. 10a UVP-Richtlinie sowie des Art. 9 Abs. 2 AK im Einzelnen auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. b) Umsetzungsspielräume für die Ausgestaltung der Vereinsklage aa) Wortlaut Für die Annahme eines weiten Umsetzungsspielraums wird hauptsächlich auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Völker- und Europarechts verwiesen. Zum einen bleibe es den Mitgliedstaaten nach Art. 10a Abs. 1 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 AK) ausdrücklich überlassen, ob sie den gerichtlichen Zugang der betroffenen Öffentlichkeit von a) einem „ausreichenden Interesse“ oder b) der Geltendmachung einer „Rechtsverletzung“ abhängig machen. Ein weiterer Ansatzpunkt ergebe sich aus der Formulierung in Art. 10a Abs. 3 S. 1 UVPRichtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 AK), in der es heißt: „Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklag mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren“. 521

Dieser Vorschrift könne ein echter Ausgestaltungsvorbehalt zu Gunsten der Mitgliedstaaten entnommen werden. Der ebenfalls erwähnte „weite Zugang zu Gerichten“ sei hingegen nur eine allgemeine Zielvorgabe, die kein bestimmtes Ergebnis vorschreibe. Weder die Konvention noch der zu ihrer Umsetzung ergangene Art. 10a der UVP-Richtlinie enthielten hierzu weitere inhaltliche Aussagen oder Wertungsgesichtspunkte. Allein durch eine unverbindliche Leitlinie könne die Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten nur unerheblich eingeschränkt werden. 522 Ebenso wenig ließen sich aus der Fiktionsregelung des Art. 10a Abs. 3 S. 3 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. S. 3 AK) eindeutige Vorgaben für die Ausgestaltung der umweltrechtlichen Verbandsklage ableiten. Hiernach „gelten“ 520 V. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/ 35/EG und der sog. Aarhus-Konvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 31; derselbe, NVwZ 2004, S. 272 (279); Durner, ZUR 2005, S. 285 (288 f.). 521 Hervorhebung durch den Verfasser. 522 V. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/ EG und der sog. Aarhus-Konvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 39 ff.; SchmidtPreuß, NVwZ 2005, S. 489 (495); im Ergebnis ebenso: Seelig / Gündling, NVwZ 2002, S. 1033 (1040); Durner, ZUR 2005, S. 285 (288 f.); Jeder, JbUTR 62 (2002), S. 145 (168).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

nichtstaatliche Organisationen als Träger von Rechten, die im Sinne dieses Artikels verletzt werden können. Damit ließe der Normtext gerade offen, als Träger welcher Rechte eine Nichtregierungsorganisation gelten soll. Demnach müsse es den Mitgliedstaaten auch möglich sein, die Klagebefugnis anerkannter Umweltverbände – entsprechend der subjektiv-rechtlichen Traditionsprägung des deutschen Verwaltungsprozessrechts – von der Verletzung drittschützender Normen abhängig zu machen. Damit hätten die Verbände dann genau die „Rechte“, die im Sinne des Buchstabens b) des Art. 10a Abs. 1 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) verletzt werden können, und die ihnen ohne die Fiktion nicht – oder jedenfalls nicht alle – zustehen würden. 523 Berücksichtigt man alleine den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Völker- und Europarechts, erscheint eine solche Interpretation gewiss denkbar. 524 Art. 10a Abs. 3 S. 3 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 S. 3 AK) könnte allerdings durchaus auch so zu verstehen sein, dass anerkannte Umweltverbände generell als Träger von Rechten fingiert werden müssen, mit der Folge, dass es auf den subjektiv-rechtlichen Bezug der verletzten Normen nicht mehr ankommt. Art. 10a Abs. 3 S. 1 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 S. 1 AK) ordnet ausdrücklich an, dass die von den Mitgliedstaaten vorzunehmende Bestimmung, wann eine Rechtsverletzung vorliegen kann, „im Einklang mit dem Ziel, (...) einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren“ stehen muss. Dass es sich hierbei nur um eine unverbindliche Leitvorstellung handelt, ist kaum anzunehmen. Hiergegen spricht vor allem, dass den nichtstaatlichen Organisationen in den nachfolgenden Sätzen eigens „zu diesem Zweck“ – also zur Erreichung der zuvor genannten Zielsetzung – ein einklagbares Interesse oder Recht unterstellt werden soll. Es liegt auf der Hand, dass der Ausgestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Reichweite der umweltrechtlichen Verbandsklage einschränkt werden soll. 525 Ob aus diesem Grund nur eine umfassende, möglichst voraussetzungslose Verbandsklagebefugnis 526 den Anforderungen des 523

V. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/35/ EG und der sog. Aarhus-Konvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 43 f., 57; derselbe, NVwZ 2004, S. 272 (279); Durner, ZUR 2005, S. 285 (289). Dagegen gehen SchmidtPreuß, NVwZ 2005, S. 489 (495 f.), Seelig / Gündling, NVwZ 2002, S. 1033 (1040) und offenbar auch Jeder, JbUTR 62 (2002), S. 145 (169) davon aus, dass keine Verpflichtung zur Einführung einer altruistischen Verbandsklage besteht. Vielmehr könne diese auch nur egoistischen Charakter haben, d. h. auf die Geltendmachung von Rechten der Mitglieder im eigenen Namen beschränkt bleiben. Explizit gegen diese Ansicht: Ekardt, NVwZ 2006, S. 55. 524 Dass der Wortlaut des Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) eine solche Interpretation zulässt, räumen auch Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625), Ewer, NVwZ 2007, S. 267 (272) ein. 525 Auf diese Verbindung zwischen Zielvorgabe und Fiktionsregelung verweisen insbesondere Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (61); dieselben, Die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und der Aarhus-Konvention an die Er-

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Völker- und Europarechts gerecht werden kann, lässt sich dem Wortlaut der Fiktionsregelung des Art. 10a Abs. 3 S. 3 UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 S. 3 AK) nicht entnehmen. Dies ist vor allem deshalb zweifelhaft, weil dort immerhin die Rede von „Rechten“ ist, als deren Träger die nichtstaatlichen Organisationen gelten sollen, und nicht von einer objektiven Rechtskontrolle. Allein anhand des Normtextes des Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) lässt sich folglich eine definitive Aussage über die Völker- und Europarechtskonformität des § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG nicht treffen. bb) Entstehungsgeschichte Gegen die Verpflichtung zur Einführung einer umfassenden altruistischen Verbandsklage, mit der auch die Verletzung gemeinwohlbezogenen Umweltrechts gerügt werden kann, wird zudem die Entstehungsgeschichte der Aarhus-Konvention angeführt. Gerade die Frage der Klagebefugnis als mögliche Zulässigkeitsschranke war einer der am heftigsten diskutierten Punkte im Rahmen der Vertragsverhandlungen. Die Formulierung „oder alternativ eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert“ ist nicht zuletzt auf Grund deutscher Initiative in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 AK eingefügt worden. 527 Nach besagter kritischer Ansicht sollte diese Einführung sicherstellen, dass sich an §§ 42 Abs. 2 und 47 Abs. 2 S. 1 VwGO in naher Zukunft nichts ändern wird. 528 Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Es ist zwar richtig, dass Art. 9 Abs. 2 AK und die zu ihrer Umsetzung ergangene RL 2003/35/EG an das jeweilige Recht der Mitgliedstaaten anknüpfen. Aus diesem Grund besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass sowohl das sog. Interessenklage-Modell französischer Prägung als auch das deutsche Modell, das eine mögliche Verletzung in eigenen Rechten voraussetzt, grundsätzlich gemeinschafts- und konventionskompatibel sind. 529 Dies kann jedoch nur für den gerichtlichen Zugang von weiterung der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden, Rechtsgutachten Juni 2006, S. 14; Koch, NVwZ 2007, S. 369 (376); Müller-Terpitz, ArchVölkR 42 (2005), S. 466 (487); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (178 f.). Dagegen geht v. Danwitz davon aus, dass die Fiktionsregelung hierdurch mit den Umsetzungsbefugnissen der Mitgliedstaaten verbunden wird, siehe Rechtsgutachten Oktober 2005, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der RL 2003/35/EG und der sog. Aarhus-Konvention, S. 44 f. 526 So Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (182). 527 Zschiesche, ZUR 2001, S. 177 (181). 528 Seelig / Gündling, NVwZ 2002, S. 1033 (1040). 529 Koch, NVwZ 2007, S. 369 (376); Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (61); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625); Müller-Terpitz, ArchVölkR 42 (2005), S. 466 (485); Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (265); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (178).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Individualklägern gelten. 530 Die Vorgaben in Bezug auf Verbandsklagen gehen aber um einiges weiter. Hier statuiert die Konvention eine ausdrückliche Fiktion, die offensichtlich darauf abzielt, anerkannte Umweltverbände gegenüber dem Einzelkläger zu privilegieren. Wenn die Verbände sich nicht in irgendeiner Form von der übrigen betroffenen Öffentlichkeit – der sie ebenfalls angehören – abheben sollten, hätte es dieser Sonderregelung in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 AK nicht bedurft. 531 Insofern ist davon auszugehen, dass die auf das Bestreben der deutschen Verhandlungsseite eingefügte Regelungsalternative nur deutlich machen sollte, dass jedenfalls bei der Individualklage keine allgemeine Interessentenklage für jedermann geboten ist. 532 Über die erforderliche Reichweite der altruistischen Verbandsklage ist damit aber noch nichts ausgesagt. cc) Systematik sowie Sinn und Zweck Für die Erforderlichkeit einer umfassenden Verbandsklagebefugnis sprechen vor allem der systematische Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der völkerund europarechtlichen Bestimmungen. Bereits in den Erwägungen der Präambel der Aarhus-Konvention wird die „wichtige Rolle, die (...) nichtstaatliche Organisationen im Umweltschutz spielen können“ 533 ausdrücklich hervorgehoben. Zudem wird das „Anliegen“ der Konvention betont, „dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird“. 534

Dieser Ansatz findet seine Entsprechung im Gemeinschaftsrecht unter dem bereits genannten Stichwort der „Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts“. 535 Hier geht es ebenfalls nicht nur um den Schutz individueller Rechte, sondern auch um den Abbau von Vollzugsdefiziten bei der objektiven Rechtsanwendung. Vor diesem Hintergrund kann die in Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 AK festgelegte Zielvorgabe, der betroffenen Öffentlichkeit einen „weiten Zugang zu den Gerichten“ zu gewährleisten, nur so verstanden werden, dass weit gefasste Klage- und Rügebefugnisse etabliert werden sollen, 530 Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (61); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625); Ekardt, NVwZ 2005, S. 532 (533); a. A. Bunge, ZUR 2004, S. 141 (145 f.), der davon ausgeht, dass sich der gegenwärtige Status quo im deutschen Recht auch bei Individualklagen nicht beibehalten lasse. 531 Schlacke, NuR 2007, S. 8 (14); Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (8); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625); Müller-Terpitz, ArchVölkR 42 (2005), S. 466 (487). 532 Ekardt, NVwZ 2005, S. 532 (533). 533 13. Erwägungsgrund in der Präambel der Aarhus-Konvention. 534 18. Erwägungsgrund in der Präambel der Aarhus-Konvention. Hervorhebung wurde durch den Verfasser hinzugefügt. 535 § 1 B. I. 2.

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die nicht nur dem Schutz des Individualinteresses, sondern auch dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Eine Beschränkung der Rügebefugnis von Vereinigungen auf solche umweltrechtliche Normen, deren Verletzung der einzelne Bürger ohnehin geltend machen kann, ist nicht ausreichend. Für die volle Durchsetzung des gemeinwohlbezogenen Umweltrechts ist hiermit nichts gewonnen. 536 Diese offenkundige Zielsetzung des Völkerrechts lässt sich nicht – wie von der Gegenansicht behauptet 537 – mit Hilfe des sog. Implementation Guide zur Aarhus-Konvention widerlegen, in dem es heißt: „However Parties must provide, at a minimum, that NGOs have rights that can be impaired.“ 538 Diesem Zitat lässt sich nicht die obligatorische Vorgabe entnehmen, dass die Mitgliedstaaten den Umweltverbänden nur einzelne subjektive Rechtspositionen einräumen müssen, um den Anforderungen der Konvention gerecht zu werden. Zum einen kommt dem Implementation Guide keine interpretatorische Verbindlichkeit zu, da er weder den Status einer Verordnung noch einer Verwaltungsvorschrift hat. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um ein „pseudo-amtliches“ Dokument, welches mit finanzieller Förderung der dänischen Regierung sowie der UNO erstellt wurde, um den osteuropäischen Ländern eine Umsetzungshilfe bei der Aarhus-Konvention zu geben. 539 Insofern erscheint es verfehlt, den Implementation Guide als ergänzendes Auslegungsmittel heranzuziehen. Zum anderen enthält der Implementation Guide in sich widersprüchliche Aussagen zur erforderlichen Reichweite der umweltrechtlichen Verbandsklage. So soll im Rahmen der Fiktionsregelung für die Interessentenklage jedes Verbandsinteresse automatisch als „ausreichend“ gelten. 540 Ist die gerichtliche Zugangsberechtigung der 536 Koch, NVwZ 2007, S. 369 (376 f.); Schmidt / Kremer, Die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und der Aarhus-Konvention an die Erweiterung der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden, Rechtsgutachten Juni 2006, S. 10 f., 13 f.; Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (626); Sondergutachten des Rates für Sachverständigen für Umweltfragen (SRU); Umweltverwaltungen unter Reformdruck – Herausforderungen, Strategien, Perspektiven, Februar 2007, S. 167 f. Rn. 323. 537 V. Danwitz, Zur Ausgestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten bei Einführung der Verbandsklage anerkannter Umweltschutzvereine nach den Vorgaben der Richtlinie 2003/ 35/EG und der sog. Aarhus-Konvention, Rechtsgutachten Oktober 2005, S. 52; derselbe, NVwZ 2004, S. 272 (279). 538 Stec / Casey-Lefkowitz / Jendroska, The Aarhus-Convention: An Implementation Guide, S. 129. 539 Auf diesen Eingangsvermerk des Implementation Guide verweisen Ekardt / Pöhlmann, NVwZ 2005, S. 532 (533). 540 Vgl. Stec / Casey-Lefkowitz / Jendroska, The Aarhus-Convention: An Implementation Guide, S. 129 „Under paragraph 2 (a), the Convention raises the question of which members of the public concerned have sufficient interest. With respect to NGOs meeting the definition of „public concerned“, the Convention answers the question itself. The Convention states clearly that NGOs meeting the requirement of article 2, paragraph 5, automatically have „sufficient interest“. However, for other persons, including individuals, the Convention allows sufficiency if interest to be determined in accordance with

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Umweltverbände aber in Ansehung des Modells der Interessentenklage jeglicher mitgliedstaatlichen Disposition entzogen, kann dies im Hinblick auf Individualrechtsschutzsysteme schwerlich anders bewertet werden. Eine solche Differenzierung würde der Systematik des Art. 9 Abs. 2 AK widersprechen. 541 Überdies ist daran zu erinnern, dass sich die Mitgliedstaaten nicht nur auf die Frage beschränken dürfen, ob die zur Umsetzung vorgesehenen nationalen Rechtsvorschriften den Zielvorgaben der Aarhus-Konvention genügen. Die Ziele, die der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Statuierung der entsprechenden Rechtsschutzregelung in Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 15a der IVU-Richtlinie verfolgt, müssen ebenfalls mit der schutznormbezogenen Verbandsklagekonzeption des URG erreichbar sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn den meisten Vorschriften der UVP-Richtlinie als auch der IVU-Richtlinie kommt wegen ihres verfahrensrechtlichen bzw. vorsorgenden Charakters keine Drittschutzerheblichkeit zu. Sie sind – von den in § 4 URG normierten Ausnahmen abgesehen – nicht auf der Grundlage subjektiver Rechte einklagbar. Das Ziel, die Durchsetzung der Richtlinienvorgaben durch die Einräumung von Rechtsschutzmöglichkeiten zu effektuieren, wird also mit der aktuellen Fassung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG nicht erfüllt. 542 Es ist mithin davon auszugehen, dass sowohl Art. 10a UVP-Richtlinie als auch Art. 15a IVU-RL auf eine umfassende Klagebefugnis anerkannter Umweltvereine abzielen, die es ihnen ermöglicht, eine Verletzung von Vorsorge- und Verfahrensnormen geltend zu machen. Noch deutlicher ist Art. 5 Abs. 1 des KlagerechtsRL-Entwurfs 543, nach dem Verbände „Zugang zu auch einen vorläufigen Rechtsschutz umfassenden Verfahren in Umweltangelegenheiten erhalten, ohne ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung nachweisen zu müssen“. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 15a IVU-RL) – nur aufgrund der leicht abweichenden Formulierung – eine engere Rechtsschutzkonzeption für die Klagemöglichkeiten von Verbänden beabsichtigt hat. c) Ergebnis Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Verbandsklagekonzeption des § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Aarhus-Konvention und the requirements of national law and consistently with the objective of giving the public concerned wide access to justice.“ 541 Koch, NVwZ 2007, S. 369 (377); Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (9); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (626); Müller-Terpitz, ArchVölkR 43 (2005), S. 465 (488); Sondergutachten des Rates für Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, Stellungnahme vom Februar 2005, S. 8 f. Rn. 19. 542 Ewer, NJW 2007, S. 267 (272 f.); Koch, NVwZ 2007, S. 369 (377 f.); Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 77. 543 Richtlinienentwurf KOM(2003) 624 endg. vom 24. 10. 2003.

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den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie nicht gerecht wird. Auch wenn eine Beschränkung der Verbandsklage auf die Geltendmachung drittschützender Normen nach dem Wortlaut des Art. 10a UVPRichtlinie sowie des Art. 9 Abs. 2 AK denkbar erscheint, stehen Systematik sowie Sinn und Zweck dieser Bestimmungen einer solchen Auslegung entgegen. Beide Regelungen zielen nicht darauf ab, durch die Einführung der Verbandsklage lediglich den Kreis der Kläger auszuweiten, sondern sie bezwecken den Kreis der vor Gericht rügefähigen Rechtsnormen auf Teile des objektiven, gemeinwohlorientierten Umweltrechts auszudehnen. Nur auf diese Weise können bestehende Rechtsschutzlücken in diesem Bereich geschlossen und Vollzugsdefizite abgebaut werden. Es wäre allerdings denkbar, § 2 Abs. 1 Nr.1 URG gemeinschaftskonform auszulegen, indem man für die Festlegung der „Rechte Einzelner“ die engen Voraussetzungen der deutschen Schutznormtheorie entsprechend erweitert. Denn der europäische Gerichtshof qualifiziert eine Vorschrift bereits dann als „drittschützend“, wenn sie zumindest den Schutz solcher Rechtsgüter zum Ziel hat, die auch für den Einzelnen von Interesse sind (personenbezogene Rechtsgüter). 544 Auf dieser Grundlage muss es dann aber irrelevant sein, ob mit der fraglichen Bestimmung (nur) Allgemeinwohlinteressen oder auch Individualinteressen verfolgt werden. Denn ein Interesse der Allgemeinheit kann immer auch ein Interesse einiger oder vieler Einzelpersonen sein, aus denen die Allgemeinheit zusammengesetzt ist. Ebenso ist dann unerheblich, ob es in der betreffenden Bestimmung – in Anknüpfung an die Terminologie des deutschen Verwaltungsrechts – um Gefahrenabwehr oder (längerfristige) Vorsorge geht. In jedem Fall kann das Interesse Einzelner im gemeinschaftsrechtlichen Sinn betroffen sein. Gleiches gilt, wenn bestimmte Schutzgüter – wie insbesondere der Gesundheitsschutz – durch die Einhaltung bestimmter Verfahren geschützt werden sollen. Allerdings fordert der EuGH für die konkrete Klagebefugnis nicht nur eine abstrakte Interessenberührung, sondern ein faktisches Betroffensein des Einzelnen durch die angegriffene Maßnahme. 545 Legt man eine solche europarechtskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 zu Grunde, wären auf Gemeinschaftsrecht beruhende Normen auch dann mittels der umweltrechtlichen Verbandsklage des URG rügefähig, wenn sie nicht die Anforderungen der Schutznormtheorie erfüllen, aber nach der Rechtsprechung des EuGH Rechte Einzelner begründen. 546 Die Entscheidung des EuGH auf die diesbezügliche Vorlagefrage des OVG Nordrhein-Westfalen bleibt abzuwarten. 547 544

§ 11 A. I. 1. Vgl. hierzu Epiney / Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, S. 366 ff. 546 Hierfür auch Schlacke, NuR 2007, S. 8 (14). Zur Problematik der „Privatisierung des Gemeinwohls“ durch die Einführung einer umfassenden altruistischen Verbandsklage Calliess, NJW 2003, S. 97 ff. 545

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

2. Materielle Präklusion gemäß § 2 Abs. 3 URG Zweifel an der Völker- und Europarechtskonformität werden darüber hinaus im Hinblick auf die materielle Präklusionsanordnung in § 2 Abs. 3 URG geäußert. Hiernach ist der Verband vor Gericht mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er im Verwaltungsverfahren nicht oder nach den geltenden Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können. Die Vorschrift schränkt den gerichtlichen Zugang von Umweltverbänden also weiter ein, indem sie ihn von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig macht. Dies kann aus europarechtlicher Sicht jedoch nicht schon deshalb bedenklich erscheinen, weil Art 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) eine solche Möglichkeit nicht explizit vorsieht. 548 Grundsätzlich genießen die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die Freiheit, das Verwaltungsverfahren eigenständig auszugestalten, solange kein vorrangiges Gemeinschaftsrecht existiert und die gemeinschaftsrechtlichen Vollzugsschranken eingehalten werden. 549 Die Anwendung des § 2 Abs. 3 URG darf also nicht dazu führen, dass die Effektivität der Verbandsklagebefugnis nach dem URG leer läuft. Dies wird nun vereinzelt befürchtet. Der Ausschluss der Umweltverbände werde durch § 2 Abs. 3 URG an den Ablauf der eng bemessenen Einwendungsfristen des Fachplanungs- und Immissionsschutzrechts gebunden. Unter Berücksichtigung der oftmals von ehrenamtlichen Engagement getragenen Leistungskraft der Verbände und der fehlenden konkreten behördlichen Information über die Auslegung der Unterlagen sei dies unangemessen. Es bestünden mithin erhebliche Bedenken hinsichtlich der effektiven Durchsetzung und vor allem Kontrolle des gemeinschaftlichen Umweltrechts. 550 Hiergegen ist einzuwenden, dass der EuGH in der Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Einlegung von Rechtsbehelfen grundsätzlich keinen Widerspruch zum europäischen Recht sieht, da es sich hierbei um einen Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit handelt. Zwar vermag die Rechtssicherheit nicht jede Form des Eingriffs in die europäischen Schutzgüter und Schutzinteressen zu rechtfertigen. So kann das Effektivitätsgebot der Zulässigkeit einer nationalen Ausschlussfrist im Einzelfall doch entgegenstehen, wenn hiermit jede Möglichkeit der Rechtsverwirklichung ausgeschlossen wird. 551 Hierfür bestehen aber bei einer abstrakten, vom konkreten Einzelfall losgelösten 547 Vgl. zum Vorabentscheidungsersuchen des OVG NRW den Beschluss v. 05. 03. 2009, Az.: 8 D 58/08.AK. 548 So aber offenbar Schink, EurUP 2003, S. 27 (35). 549 Siehe zur verfahrensrechtlichen Autonomie der Mitgliedstaaten § 5 B. II. 1. 550 Schlacke, NuR 2007, S. 8 (15); dieselbe, NuR 2004, S. 629 (632); ähnlich Louis, NuR 2005, S. 287 (290). 551 Vgl. hierzu im Einzelnen § 6 A. III. 2.

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Beurteilung des § 2 Abs. 3 URG keine Anhaltspunkte. Vielmehr sind diejenigen Einwendungen, welche schon im Beteiligungsverfahren erhoben wurden, einer gerichtlichen Überprüfung uneingeschränkt zugänglich. Die Durchsetzung des Umweltrechts ist prinzipiell gewährleistet. Mehr verlangt das Gemeinschaftsrecht nicht. 552 II. Die Reichweite der gerichtlichen Kontrolldichte 1. Beschränkung des materiellen Prüfungsumfangs gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 URG Entsprechend der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG festgelegten Beschränkung der Klagebefugnis anerkannter Umweltschutzvereinigungen wird grundsätzlich auch die Begründetheit ihres Rechtsbehelfs davon abhängig gemacht, ob die angegriffene Entscheidung oder Unterlassung gegen Rechtsvorschriften verstößt, „die dem Umweltschutz dienen, Rechte Einzelner begründen und für die Entscheidung von Bedeutung sind“, § 2 Abs. 5 Nr. 1 URG. Es besteht insofern eine Parallelität zwischen Klagebefugnis und Kontrollumfang. Es wurde bereits festgestellt, dass es unter völker- und gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten nicht ausreichend ist, anerkannte Umweltverbände nur zur Rüge subjektiv-öffentlicher Rechte zu berechtigen. 553 Diese müssen vielmehr in der Lage sein, auch die Einhaltung von gemeinwohlbezogenen Vorschriften zum Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle zu machen. Folglich darf die umweltrechtliche Verbandsklage auch nicht im Rahmen der Begründetheitsprüfung auf solche Rechtsvorschriften beschränkt werden, die „Rechte Einzelner begründen“. Mit der Eröffnung einer umfassenden Klagebefugnis für anerkannte Umweltverbände wäre nichts gewonnen, wenn letztlich doch nur die Verletzung drittschützender Normen durch die Gerichte überprüft würde. 554 Gegen die ebenfalls in § 2 Abs. 5 Nr. 1 URG vorgesehene Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle auf die Einhaltung solcher Vorschriften, die dem Umweltschutz dienen, ist nichts einzuwenden. Dafür spricht nicht nur die thematische Grundausrichtung der Aarhus-Konvention, wonach ein Zugang zu Gerichten nur in „Umweltangelegenheiten“ gewährleistet werden soll, sondern auch die 552 Für eine europarechtliche Zulässigkeit der Präklusionsvorschrift auch Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 77; derselbe, NVwZ 2007, S. 274 (278); Genth, NuR 2008, S. 28 (31); Ewer, NVwZ 2007, S. 267 (273); Ekardt, NuR 2006, S. 221 (228); Bunge, ZUR 2003, S. 141 (146). 553 Vgl. vorstehend unter § 13 C. I. 1. c). 554 Dass sich das Verbot der schutznormbezogenen Verbandsklagekonzeption auch auf die Ebene der Begründetheitsprüfung bezieht, betonen ebenfalls: Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (263); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (14).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

in den Erwägungsgründen der RL 2003/35/EG normierte Zielsetzung, die sich ausschließlich auf eine Verbesserung der „gemeinschaftsrechtlichen Umweltvorschriften“ 555 bezieht. 556 Überdies ist davon auszugehen, dass die Richtlinie nur eine Überprüfung des europäischen Umweltrechts gebietet. 557 Denn die Regelungskompetenz des Art. 175 EG bezieht sich ausschließlich auf die gemeinschaftliche Umweltpolitik und ihre Durchsetzung. Sie bietet keine Grundlage für die Abhilfe von Vollzugsdefiziten des rein nationalen Umweltrechts. 558 Die Überprüfung einer Zulassungsentscheidung kann jedoch nicht mehr auf den Bereich des Umweltrechts beschränkt bleiben, wenn Belange des Natur- und Umweltschutzes mit anderen Gemeinwohlbelangen abgewogen werden müssen. Ohne eine Überprüfung des Vorliegens und der Gewichtigkeit dieser anderen Gemeinwohlbelange kann nicht beurteilt werden, ob das Ergebnis der Abwägung insgesamt rechtmäßig ist. Deshalb muss sich die gerichtliche Überprüfung in diesen Fällen ausnahmsweise auf diejenigen Belange erstrecken, die dem Umweltschutz im Einzelfall vorgezogen werden sollen. 559 2. Die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern gemäß § 4 URG Ein weiterer zentraler Streitpunkt des URG betrifft die in § 4 normierte Sonderregelung für Verfahrensfehler. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob mit der dort angeordneten Beachtlichkeit von lediglich zwei konkreten Fehlertypen den Vorgaben des Völker- und Gemeinschaftsrechts ausreichend Rechnung getragen wurde. Vielmehr wird ebenso vertreten, dass der Gesetzgeber bereits mit dieser begrenzten Ausnahmeregelung über die Anforderungen des EG-Rechts und der Aarhus-Konvention hinausgegangen sei. Beide Standpunkte sollen im Folgenden genauer untersucht werden.

555

1. und 2. Erwägungsgrund der RL 2003/35/EG. Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 77; Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (626); Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (9); Schmidt / Kremer, Die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und der Aarhus-Konvention an die Erweiterung der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden, Rechtsgutachten Juni 2006, S. 19; Louis, NuR 2004, S. 287 (290); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (179); Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (267); v. Schwanenflug / Strohmayr, NVwZ 2006, S. 395 (399); Durner, ZUR 2005, S. 285 (290). A. A. Schlacke, NuR 2007, S. 8 (14); Ekardt, NuR 2006, S. 221 (224); Bunge, ZUR 2004, S. 141 (145), die die Aarhus-Konvention und die RL 2003/35/EG so verstehen, dass jedenfalls auf die zulässige Klage von Umweltschutzvereinigungen hin eine objektivrechtliche Vollkontrolle zu erfolgen habe. 557 Hierfür auch Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (9). Ihm wohl zustimmend Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 77. 558 Vgl. § 12 B. III. 559 So ausdrücklich Schlacke, NuR 2004, S. 629 (630) zur naturschutzrechtlichen Verbandsklage. 556

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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a) Gebotener Ausschluss des § 46 VwVfG im Fall der unterlassenen UVP Durch § 4 URG werden sowohl anerkannte Umweltverbände als auch Individualkläger dazu befähigt, die Zulassungsentscheidung allein wegen einer unterlassenen UVP oder einer unterlassenen Vorprüfung im Einzelfall anzufechten und – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Heilung – ihre Aufhebung zu verlangen, sofern sich der Verfahrensverstoß bestätigt. Dass sich Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) die Erforderlichkeit einer derartigen Regelung tatsächlich entnehmen lässt, wird in der Literatur teilweise bestritten. In der Regelung sei zwar vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten es der betroffenen Öffentlichkeit ermöglichen müssen, „die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen und Unterlassungen anzufechten.“ Insofern müsse sicherlich auch die Einhaltung des Verfahrensrechts überprüft werden. Es bleibe aber gerade offen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Verfahrensfehler als beachtlich angesehen werden muss. Weder der Aarhus-Konvention noch dem Gemeinschaftsrecht sei die These zu entnehmen, dass ein Verfahrensfehler unabhängig von seiner Kausalität für das Ergebnis der Verwaltungsentscheidung zu deren Aufhebung führen muss. 560 Die Tatsache, dass sowohl Art. 10a UVP-Richtlinie als auch Art. 9 Abs. 2 AK die Ausgestaltung der Klagemöglichkeiten prinzipiell den Mitgliedstaaten überlassen, spreche dafür, dass ebenfalls der gerichtliche Prüfungsumfang gewissen Einschränkungen unterliegen dürfe. 561 Eine von § 46 VwVfG abweichende Sonderregelung sei nach Art. 10a UVP-Richtlinie nicht zwingend erforderlich. 562 Diese Einwände sind zwar grundsätzlich berechtigt. Sie vernachlässigen allerdings, dass die eigenständige Fehlerregelung des URG hauptsächlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur unterlassenen UVP bzw. dem Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrechts geschuldet ist. So wird in der Gesetzesbegründung zu § 4 URG in erster Linie auf das Urteil des EuGH in der Sache Wells verwiesen. Dort habe der Gerichtshof festgestellt, „dass Bürger und Bürgerinnen grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Durchführung einer UVP besitzen. Zumindest darf ihnen die Ausübung der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden (europarechtliches Effektivitätsprinzip). Hierzu steht die Anwendung

560 Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (861); Lecheler, DVBl. 2005, S. 1533 (1540); derselbe, ZNER 2005, S. 127 (131); Siems, NuR 2006, S. 359 (361 f.). Den offenen Wortlaut des Art. 10a UVP-Richtlinie betonen ebenfalls Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (62). 561 Dolde, NVwZ 2006, S. 857 (861); Lecheler, DVBl. 2005, S. 1533 (1540); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (179); Müller, Verfahrensartfehler, S. 237 ff. 562 Diese Ansicht vertrat auch die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, vgl. BT-Drs. 16/2931 v. 12. 10. 2006, S. 3 f.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

des § 46 VwVfG durch die Rechtsprechung auf die Fälle der unterlassenen UVP oder der unterlassenen UVP-Vorprüfung im Widerspruch.“ 563

Der Gesetzgeber hält also speziell bei der vollständigen Nichtdurchführung einer rechtlich vorgeschriebenen UVP oder Vorprüfung des Einzelfalls eine von der bisherigen Rechtsprechungspraxis abweichende Fehlerbehandlung für geboten, um das Effektivitätsprinzip des Gemeinschaftsrechts zu wahren. Die grundsätzliche Richtigkeit dieser Einschätzung lässt sich anhand der Rechtsprechungsanalyse zur unterlassenen UVP belegen, die im Rahmen dieser Arbeit bereits erfolgt ist. Diese Untersuchung hat ergeben, dass das gemeinschaftsrechtliche Konzept der „Richtigkeitsgewähr durch Verfahren“ mit dem von den Verwaltungsgerichten herangezogenen Prüfungsmaßstab der „konkreten Möglichkeit“ nicht zu vereinbaren ist. Diese Fehlerlehre führt nicht nur zu einer Fehlerresistenz gegenüber einzelnen Verfahrensfragen, sondern zieht selbst in solchen Konstellationen nicht die Aufhebung der Zulassungsentscheidung nach sich, in denen eine UVP gänzlich unterblieben ist. Ist selbst mit der vollständigen Nichtdurchführung der UVP keine effektive Sanktion verbunden, muss das gemeinschaftsrechtlich angestrebte Ziel, den Schutz der Umwelt durch das Verfahrens als solches zu bewirken, zwangsläufig leerlaufen. 564 Zwar ist davon auszugehen, dass der Rechtsschutzerfolg bei einer unterlassenen UVP bereits dann steigen würde, wenn die Gerichte § 46 VwVfG gemeinschaftsrechtskonform auslegten. Denn der von der Rechtsprechung angewandte Kausalitätsmaßstab der „konkreten Möglichkeit“ beruht nicht auf einer authentischen Interpretation der gesetzlichen Unbeachtlichkeitsregelung. Vielmehr stellt § 46 VwVfG für die Erheblichkeit eines Verfahrensfehlers vergleichsweise geringe Anforderungen auf, die grundsätzlich nicht in einem strukturellen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehen. 565 Unter diesem Gesichtspunkt wäre es nicht zwingend notwendig gewesen, die Durchführung einer gebotenen UVP bzw. einer Vorprüfung des Einzelfalls durch § 4 Abs. 1 URG zu absoluten Verfahrensrechten zu erklären, deren Verletzung in jedem Fall zur Aufhebung der Entscheidung führt. Führt man sich jedoch vor Augen, dass der gemeinschaftsrechtliche Zweck der UVP ausschließlich in der Erfüllung bestimmter verfahrensrechtlicher Anforderungen liegt, kommt eine solche Vorgehensweise nicht in Frage. Das prozedurale Steuerungsanliegen des Gemeinschaftsrechts zielt hier gerade darauf ab, fehlende materielle Vorgaben im Verfahren zu erarbeiten. Die nicht erreichbare materielle Richtigkeit soll durch Verfahrensrichtigkeit ausgeglichen werden, um einen 563 BT-Drs. 16/2931 v. 12. 10. 2006, S. 8. Ähnlich bereits die Ausführungen der Bundesregierung im ersten Gesetzesentwurf in BT-Drs. 16/2495 v. 04. 09. 2006, S. 13 f. 564 Vgl. § 10 und § 11. 565 Vgl. § 3 und § 7.

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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effektiven Schutz der Umwelt zu gewährleisten. Wird die Durchführung der UVP vollständig unterlassen, ist es nach dem Richtlinienkonzept nicht vorstellbar, dass dieser Verfahrensfehler das Entscheidungsergebnis nicht in irgendeiner Weise beeinflusst hat. Der UVP kommt hiernach eine eigenständige, über die bloße Verfahrensgestaltung hinausgehende Bedeutung für die Durchsetzung des Umweltrechts zu. Dies wird nicht zuletzt in den Konstellationen besonders deutlich, in denen sich die Behörde nach erfolgter Vorprüfung gemäß § 3c ff. UVPG bewusst gegen die Durchführung einer UVP entschieden hat. Es ist kaum anzunehmen, dass es hier aus umweltrechtlicher Sicht trotz der fehlenden UVP noch zu einer sachgerechten Entscheidung kommen kann. Denn eine umfassende Überprüfung der Umweltauswirkungen des Vorhabens wurde gerade für entbehrlich gehalten und wird in dieser Form im Zulassungsverfahren auch nicht mehr stattfinden. Aus diesen Gründen ist der Ausschluss des § 46 VwVfG bei den in § 4 URG normierten Verfahrensrechten geboten. b) Notwendige Einbeziehung weiterer Verfahrensfehler Anknüpfend an die vorangegangenen Ausführungen stellt sich die Frage, ob die Begrenzung der Sonderregelung des § 4 Abs. 1 URG auf den Fall der unterlassenen UVP und der unterlassenen Vorprüfung des Einzelfalls nicht zu kurz greift. In der Literatur wird vertreten, dass die in Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) geforderte Überprüfung der „materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen“ dazu zwingt, eine verfahrensfehlerhafte Entscheidung in jedem Fall aufzuheben. Verfahrensvorschriften nur zu berücksichtigen, wenn sie zu einem Mangel der materiellrechtlichen Entscheidung führen, dürfe nicht mehr zulässig sein. Schließlich stelle die Richtlinienbestimmung die verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit der Entscheidung der materiellen Rechtmäßigkeit gleich. Eine Unterordnung der umweltrechtlichen Verfahrensvorschriften, so wie sie durch § 46 VwVfG erfolgt, würde nicht von Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 AK toleriert. 566 Derart weitreichende Folgerungen können den einschlägigen Vorgaben des Völker- und Gemeinschaftsrechts nicht entnommen werden. Wie bereits aus566 Ekardt, NuR 2006, S. 221 (227 f.); derselbe, Information, Partizipation, Rechtsschutz, S. 169 ff.; Genth, NuR 2008, S. 28 (32); Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (266); Bunge, ZUR 2004, S. 141 (144, 146); Schink, EurUP 2003, S. 27 (36); ähnlich offensichtlich auch Fisahn, ZUR 2003, S. 136 (140); Louis, NuR 2004, S. 287 (290); Otto, ZfBR 2005, S. 21 (26).

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

geführt wurde, lässt Art. 10a UVP-Richtlinie (Art. 9 Abs. 2 AK) gerade offen, unter welchen Voraussetzungen Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften zur Aufhebung der Entscheidung führen müssen. 567 Allein die Benennung verfahrensrechtlicher Vorschriften neben materiellen Vorschriften als möglicher Gegenstand einer Klage zwingt nicht dazu, grundsätzlich alle umweltrelevanten Verfahrensvorschriften aus dem Anwendungsbereich des § 46 VwVfG herauszunehmen. Dies hätte zur Folge, dass jeder noch so unbedeutende Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift unweigerlich zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung führt. Gerade bei komplexen Verwaltungsentscheidungen, in denen häufig die Arbeit vieler Jahre steckt und die eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung haben, kann dies nicht gewollt sein. 568 Hier ist ein Ausgleich zwischen dem Rechtsschutz durch Verfahren auf der einen Seite und dem Erfordernis der Planungssicherheit auf der anderen Seite vorzunehmen. Dass die RL 2003/35/EG und die Aarhus-Konvention einen solchen Ausgleich zulassen, kann der Ermächtigung der Mitgliedstaaten entnommen werden, den Zugang zu Gerichten „im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicherzustellen“. Überdies wird eine rigorose Aufhebung bzw. Nichtigerklärung von EG-Akten ohne jedwede Rücksicht auf die Frage, ob sich der Fehler überhaupt auf die Sachentscheidung ausgewirkt hat, auch vom EuGH in dieser Form nicht praktiziert. 569 Insoweit spricht einiges dafür, dass nicht jeder Verfahrensfehler zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung führen muss. 570 Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten bei der Relativierung von Verfahrensfehlern nicht das Konventions- und Richtlinienziel der Effektuierung des Umweltschutzes und des weiten Zugangs zu den Gerichten außer Acht lassen. Diese Zielvorgaben verlangen offenkundig, dass zumindest Verstöße gegen grundlegende Verfahrensvorschriften an eine entsprechende Sanktion geknüpft werden. Die Vorschriften über die Durchführung einer UVP bzw. über eine Vorprüfung des Einzelfalls sind jedoch nicht die Einzigen, die diese Voraussetzung erfüllen. Ein weiteres zentrales Element der UVP – sowie des Gemeinschaftsrechts insgesamt – ist beispielsweise die Beteiligung der Öffentlichkeit. Hierdurch wird den Betroffenen die Möglichkeit gegeben, auf das Verfahren und dessen Ergebnis substanziellen Einfluss zu nehmen. Ihnen wird rechtliches Gehör und 567

Siehe soeben unter § 13 C. II. 2. a). V. Schwanenflug / Strohmayr, NVwZ 2006, S. 395 (399); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (628). 569 Siehe § 7 B. 570 Hierauf verweisen ebenfalls Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkungen Rn. 77; Schlacke, NuR 2007, S. 8 (15); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (628); v. Schwanenflug / Strohmayr, NVwZ 2006, S. 395 (399); Gellermann, NVwZ 2006, S. 7 (12); Schrader, Neue Entwicklungen im Recht der Vereinsklage, S. 18 f., erhältlich unter: www.193.174.25 .41/fileadmin/Fachbereich_SK/Studienprogramm_Sozialrecht/Speyer 060309.pdf (Stand: 27. 02. 2008). 568

§ 13 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz: Inhalt und Bewertung

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eine den Grundrechtsschutz effektuierende Verfahrensgestaltung gewährt, wodurch Rechtsbeeinträchtigungen materieller Art von vornherein vermieden werden können. Damit dient die Partizipation der Öffentlichkeit vor allem der Verwaltungs- und Vollzugskontrolle. 571 Die große Bedeutung, die das Völker- und Gemeinschaftsrecht diesem Verfahrenselement beimisst, wird dadurch deutlich, dass sich die komplette zweite Säule der Aarhus-Konvention sowie ein Schwerpunkt der RL 2003/35/EG der frühzeitigen und effektiveren Beteiligung der Öffentlichkeit widmet. Insofern erscheint es durchaus geboten, das Fehlen der Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbedeutsamen Vorhaben als generell erheblichen Verfahrensfehler einzustufen und ebenfalls der Sonderregelung des § 4 Abs. 1 URG zu unterstellen. 572 Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass weder Art. 10a UVP-Richtlinie noch Art. 9 Abs. 2 AK dem Wortlaut nach allein auf UVP-Vorschriften beschränkt sind. 573 Im Einzelfall könnte es somit erforderlich sein, weitere Verfahrensverstöße aufgrund einer Gesamtwürdigung für absolut beachtlich zu erklären. Dies wird in der Literatur in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH insbesondere in den Konstellationen befürwortet, in denen das materielle Recht der Verwaltung bei der Entscheidungsfindung entsprechend weite Spielräume einräumt. Der Einhaltung des richtigen Verfahrens müsse hier eine umso größere Bedeutung beigemessen werden. 574 Das lässt die starre Regelungstechnik des § 4 URG nicht zu. Zwar hatte der ursprüngliche Regierungsentwurf zu § 4 URG eine entsprechende Öffnungsklausel vorgesehen, indem er die dort genannten absoluten Verfahrensfehler lediglich zu Regelbeispielen deklarierte. Auf Widerspruch des Bundesrates hat sich der Gesetzgeber dann aber dafür entschieden, die beachtlichen Fehlertypen in § 4 URG abschließend zu definieren. 575 Eine europarechtskonforme Auslegung, die es den Gerichten ermöglicht hätte, weitere Verfahrensfehler als wesentlich i. S. d. Gemeinschaftsrechts zu bestimmen, ist damit entfallen. 576

571 Zur Bedeutung der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der UVP § 8 A. II. und § 8 B. I. 3. 572 Für eine generelle Erheblichkeit der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkungen Rn. 77, Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (62); Schlacke, NuR 2007, S. 8 (15); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (628). 573 Schlacke, NuR 2007, S. 8 (15); Schrader, UPR 2006, S. 205 (208); Ziekow, EurUP 2005, S. 154 (161). 574 Schmidt / Kremer, Die Anforderungen der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie 2003/35/EG und der Aarhus-Konvention an die Erweiterung der Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden, Rechtsgutachten Juni 2006, S. 20 f. Vgl. zur EuGH Rechtsprechung in diesen Fällen § 7 A. III. 2. 575 Vgl. hierzu schon unter § 13 B. I. 1. a). 576 Kritisch hierzu Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (264); Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 60.

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3. Teil: Die unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung

Insgesamt betrachtet kann die in § 4 Abs. 1 URG angeordnete Beachtlichkeit von lediglich zwei Verfahrensfehlern nicht als völker- und europarechtskonform bewertet werden. c) Alternative Lösungsmöglichkeiten In Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verfahrensfehler wird zudem kritisiert, dass das neue URG die Regelung des § 44a VwGO unberührt lässt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 3 URG). Damit würden zeitnahe Klagen zur Korrektur von Verfahrensfehlern weiterhin ausgeschlossen, obwohl dies für alle Beteiligten sinnvoller wäre. 577 Es wird daher vorgeschlagen, anstelle der Fehlerregelung des § 4 URG einen Zwischenstreit über das Vorliegen der benannten Verfahrensfehler mit entsprechenden Beschleunigungsregelungen und eine materielle Präklusion bei nicht rechtzeitig substanziierter Rüge einzuführen. Weder die Aarhus-Konvention noch die RL 2003/35/EG fordere zwingend einen die Prüfung der Verfahrensrichtigkeit einschließenden Rechtsschutz gegen die verfahrensabschließende Sachentscheidung. 578 Die aufgeworfene Lösungsvariante, entgegen § 44a VwGO eine isolierte Überprüfungsmöglichkeit von bestimmten Verfahrensfehlern einzuführen, ist durchaus überzeugend. Eine Beschleunigungswirkung kann hierdurch eher erzielt werden als mit der speziellen Fehlerregelung des § 4 URG. Diese bewirkt nur, dass in einem investitionsrelevanten Bereich – dem der UVP-pflichtigen Vorhaben – zwei wesentliche Verfahrensfehler innerhalb eines Zulassungsverfahrens konserviert werden, um am Ende deren Aufhebung herbeizuführen. Gerade bei zeitaufwendigen Verwaltungsentscheidungen ist eine Ausnahmeregelung zu § 44a VwGO verfahrensökonomisch sinnvoller als eine Ausnahmeregelung zu § 46 VwVfG. 579 Das Gemeinschaftsrecht steht einer Zulässigkeit von bestimmten Verfahrensrügen während des laufenden Verwaltungsverfahrens nicht entgegen. In Art. 10a Abs. 2 UVP-Richtlinie ist ausdrücklich vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten festlegen, in welchem Verfahrenstadium die Entscheidungen angefochten werden können. Es besteht ein Entscheidungsspielraum, solange eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit gewährleistet ist.

577 Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkung Rn. 46; Ziekow, NVwZ 2007, S. 259 (264); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (629). 578 So Ziekow auf der 30. umweltrechtlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht e.V. in Leipzig, vgl. die Zusammenfassung von Fischer, NVwZ 2007, S. 182 (183); derselbe, NVwZ 2005, S. 263 (266); ähnlich Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (629). 579 Zur Kritik an § 44a VwGO allgemein § 2 A.

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III. Fehlende Erweiterung von Individualklagemöglichkeiten Außer im Fall der unterlassenen UVP bzw. der unterlassenen Vorprüfung des Einzelfalls wird der gerichtliche Zugang für Individualkläger durch das neue URG nicht erweitert. Die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter gegen umweltrelevante Entscheidungen hängen grundsätzlich weiterhin von der Geltendmachung und dem Vorliegen einer Verletzung eigener Rechte im Sinne von §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 S. 2 VwGO ab. 580 Es ist fraglich, ob das URG nicht auch diesbezüglich hinter den Anforderungen des Völker- und Gemeinschaftsrechts zurückbleibt. 581 Zwar lassen Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 AK es ausdrücklich zu, dass die Mitgliedstaaten den gerichtlichen Zugang von einem „ausreichenden Interesse“ oder alternativ von einer „Rechtsverletzung“ abhängig machen. Eine Fiktionsregelung, wie sie für Umwelt- und Naturschutzvereine normiert ist, existiert für sonstige Dritte gerade nicht. Allerdings ist hier ebenfalls die völker- und gemeinschaftsrechtliche Zielsetzung zu beachten, wonach der betroffenen Öffentlichkeit ein „weiter Zugang zu den Gerichten“ zu gewähren ist. Insofern setzen die Konvention und die Richtlinie 2003/35/EG nicht nur auf die Verbandsklage, sondern auch auf die Mobilisierung des Einzelnen für die gerichtliche Durchsetzung des Umweltrechts. Das bedeutet nicht, dass das Kriterium der Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO nicht mehr haltbar ist. 582 Auch dem Gemeinschaftsrecht ist die Zulässigkeit einer Popularklage grundsätzlich fremd. Zielfördernder wäre es aber gewesen, an der bereits beschriebenen Gesetzestechnik mit Regelbeispielen im URG festzuhalten, so dass natürliche und juristische Personen im Einzelfall noch bei anderen Verfahrensrechtsverletzungen Klage erheben könnten. 583 Insbesondere wäre auf diese Weise eine Absicherung der gemeinschaftsrechtlich zugestandenen Beteiligungsrechte möglich gewesen. Eine gesetzliche Erweiterung der Schutznormtheorie, so wie sie schon vor Erlass des URG gefordert wurde, wäre ebenfalls in Betracht gekommen. 584 Die Völker- und Europarechtskonformität des URG ist folglich auch im Hinblick auf die fehlende Erweiterung von Individualklagemöglichkeiten zu verneinen. 580

Hierzu ausdrücklich die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 16/2495, S. 7 f. So Kment, in: Hoppe, UVPG, Vorbemerkungen Rn. 85 ff.; ebenso wohl Ekardt / Pöhlmann, NVwZ 2005, S. 532 (533 f.); Bunge, ZUR 2004, S. 141 (145). A. A. SchmidtPreuß, NVwZ 2005, S. 489 (495). 582 Schmidt / Kremer, ZUR 2007, S. 57 (61); Kment, NVwZ 2007, S. 274 (279); Alleweldt, DÖV 2006, S. 621 (625); v. Schwanenflug / Strohmayr, NVwZ 2006, S. 395 (398); Müller-Terpitz, ArchVölkR 42 (2005), S. 466 (485); Ziekow, NVwZ 2005, S. 263 (265); Epiney, ZUR 2003, S. 176 (178). 583 Siehe zur ursprünglich vorgesehenen Gesetzessystematik des § 4 URG oben § 13 B. I. 1. a). 584 Vgl. hierzu § 11 A. I. 1. 581

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D. Ergebnis Das URG hat die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei einer unterlassenen UVP bzw. Einzelfallvorprüfung erheblich erweitert. Sowohl anerkannte Umweltverbände als auch Individualkläger können nunmehr die Zulassungsentscheidung allein wegen dieses Verfahrensfehlers anfechten und – vorbehaltlich der Möglichkeit einer Heilung – ihre Aufhebung verlangen, sofern sich der Verfahrensverstoß bestätigt (§ 4 Abs. 1 URG). Dabei ist unerheblich, ob die erforderliche UVP innerhalb des prinzipiell richtigen Trägerverfahrens unterlassen wurde oder ob sich die Behörde von vorneherein für die Durchführung eines falschen Zulassungstyps entschieden hat und eine nicht in den Anwendungsbereich des URG fallende Entscheidung getroffen hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 URG). Nicht ganz stimmig ist, dass das Gesetz in diesem Zusammenhang nur das vollständige Unterlassen einer UVP oder einer Vorprüfung des Einzelfalls einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich macht. Die fehlerhafte Durchführung einer Vorprüfung über die UVP-Pflichtigkeit soll nicht auf der Grundlage des § 4 Abs. 1 URG kontrolliert werden können, obwohl dieser Fehler im Ergebnis ebenso dazu führt, dass eine gebotene UVP unterlassen wird. Zweifel an der Völker- und Europarechtskonformität des URG bestehen vor allem außerhalb der Problematik der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine unterlassene UVP bzw. eine unterlassene Vorprüfung des Einzelfalls. Zum einen ist nicht davon auszugehen, dass allein die angeordnete Beachtlichkeit von diesen beiden Verfahrensfehlern den Anforderungen des Art. 10a UVP-Richtlinie als auch des Art. 9 Abs. 2 AK gerecht wird. Hiergegen spricht insbesondere der Wortlaut der genannten Vorschriften, der keine Begrenzung auf UVP-Verstöße enthält. Zum anderen ist die schutznormbezogene Verbandsklagekonzeption des URG nicht haltbar. Sie hat zur Folge, dass sich anerkannte Umweltschutzvereinigungen – wie jeder einzelne Bürger – nur auf „drittschützende“ Normen berufen können. Das zentrale Anliegen der Verbandsklage, auf das auch die Fiktionsregelungen in Art. 10a UVP-Richtlinie und Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 AK abzielen, ist aber nicht, nur den Kreis der Kläger auszuweiten, sondern den Kreis der vor Gericht rügefähigen Rechtsnormen auf Teile des objektiven, gemeinwohlorientierten Umweltrechts auszudehnen. Das Ziel, überindividuellen respektive umweltbezogenen Interessen zu ihrer Durchsetzung zu verhelfen, kann somit nicht mittels der Verbandsklage des URG erreicht werden. Außerdem behandelt das Gesetz die Frage einer erweiternden Individualklagebefugnis nicht ausreichend. Mit einer gerichtlichen Klärung einiger der hier angesprochenen Umsetzungsdefizite des URG ist in naher Zukunft zu rechnen, da bereits einige Naturschutzverbände Beschwerde bei der EU-Kommission wegen europarechtswidri-

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ger Umsetzung der RL 2003/35/EG eingereicht haben. 585 Bis dahin bleibt die Frage nach einer unmittelbaren Anwendung des Art. 10a UVP-Richtlinie und des Art. 15a IVU-RL weiterhin aktuell. 586

585 Vgl. die Pressemitteilung unter: www.ufu.de/neues-aus-u---b/umweltrechtsbehelfs gesetz---ufu-und-bund-reichen-beschwerde-bei-der-eu-kommission-ein.html (Stand 01. 08. 2008) sowie www.nabu.de/m06/m06_02/06011.html (Stand 01. 08. 2008). 586 Hierzu Durner, ZUR 2005, S. 285 ff.; Nebelsieck / Schrotz, ZUR 2006, S. 122 ff. Vgl. auch das Urteil des OVG Münster, NuR 2006, S. 320 (322).

Zusammenfassung §1 Der Stellenwert des Verwaltungsverfahrens in Deutschland ist von gegensätzlichen Entwicklungstendenzen geprägt. Auf der einen Seite ist seit den 70er Jahren im Zuge der Diskussion über Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation, Partizipation an Verwaltungsentscheidungen sowie kooperativer Verwaltung ein Bedeutungszuwachs des Verwaltungsverfahrens feststellbar. Das Verfahrensrecht wurde ein Stück weit aus seiner dienenden Funktion gegenüber dem materiellen Recht herausgeholt und sein Eigenwert stärker in den Vordergrund gestellt. In die gleiche Richtung wirken die Einflüsse des Europarechts. Insbesondere im Umweltrecht hat unter dem Stichwort „Europäisierung des Verwaltungsverfahrensrechts“ eine neue Entwicklung eingesetzt, die sich durch das Konzept der informierten Öffentlichkeit auszeichnet. Das nationale Verwaltungsrecht greift diese verfahrensrechtliche Steuerung zunehmend auf, indem es die in den EG-Richtlinien verankerten prozeduralen Konzepte umsetzt. Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber die Beschleunigungsgesetzgebung der 90er Jahre in jüngerer Zeit weiter fortgeschrieben, wodurch eine erneute Bedeutungsminderung des Verwaltungsverfahrensrechts droht. Überdies steht in Deutschland nach wie vor die umfassende gerichtliche Kontrolle der materiellen Verwaltungsentscheidung im Vordergrund. Die Verfahrensweise der Verwaltung wird gewissermaßen gar nicht überprüft, sondern durch das gerichtliche Verfahren ersetzt. Konsequenterweise spielen Fehler im Verwaltungsverfahren keine große Rolle. Sie „verschwinden“ in der richtigen Sachentscheidung, die sich vor allem durch ihre materielle Rechtmäßigkeit definiert, und bleiben somit ohne Sanktion.

§2 Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verfahrensfehler sind im deutschen Verwaltungsrecht sehr eingeschränkt. Zum einen können Verfahrensverstöße nicht isoliert, sondern nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, § 44a VwGO. Daneben ist für eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich, dass der Kläger durch die Verwaltungsentscheidung in einer subjektiven Rechtsposition verletzt wird.

Zusammenfassung

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Subjektive Rechte werden aber überwiegend durch materielle Normen vermittelt. Verfahrensrechte begründen subjektive Rechte nur dann, wenn sie als absolut oder relativ drittschützend zu qualifizieren sind. Die sog. absoluten Verfahrensrechte werden von der Rechtsprechung nur in Ausnahmefällen anerkannt. Sie gewähren dem Kläger unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, selbständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition. Prominentestes Beispiel der absoluten Verfahrensrechte war bislang das Beteiligungsrecht anerkannter Naturschutzverbände im Planfeststellungsverfahren gemäß § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG. Das BVerwG hat jedoch kürzlich entschieden, dass sich eine derartige Verstärkung des Verfahrensrechts erübrige, wenn für den Verein die Möglichkeit bestehe, eine „echte“, materiell-rechtliche Verbandsklage zu erheben. Dieser Rechtsprechung kommt insbesondere seit Erlass des URG eine weitreichende Bedeutung zu, da hierdurch der Anwendungsbereich der materiellen Verbandsklage erheblich erweitert wurde. Die Tragweite des absoluten Beteiligungsrechts der Naturschutzverbände wird somit erheblich eingeschränkt. Ein relatives Verfahrensrecht besteht, wenn einer Verfahrensvorschrift ein drittschützender Gehalt zukommt, der Kläger sie jedoch – anders als ein absolutes Verfahrensrecht – nicht unabhängig von einer materiellen Betroffenheit durchsetzen können soll. Allein die Verletzung einer solchen drittschützenden Verfahrensnorm ist für die Begründung einer Klagebefugnis noch nicht ausreichend. Vielmehr muss eine mögliche Verletzung des materiellen Rechts, die gerade auf diesen Verfahrensmangel zurückzuführen ist, hinzukommen. Die wesentliche Bedeutung relativ drittschützender Verfahrensrechte liegt daher prozessual in einer reduzierten Substantiierungslast hinsichtlich der Behauptung materiell-rechtlicher Betroffenheit. In Abkehr von der früheren Rechtsprechung sind mittlerweile auch die Beteiligungsvorschriften im Planfeststellungsverfahren als relativ drittschützend anerkannt. Privilegiert werden darüber hinaus diejenigen Eigentümer, deren Grundstücke von einer Planung unmittelbar in Anspruch genommen werden. Für sie streitet der aus Art. 14 Abs. 3 GG abzuleitende Anspruch auf gesetzmäßige Enteignung. Hierauf gestützt können die Betroffenen sich auch auf die Verletzung von Verfahrensbestimmungen berufen, selbst wenn diese keine drittschützende Funktion erfüllen.

§3 Eine Sonderstellung unter den Fällen des Ausschlusses des Aufhebungsanspruchs bei verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakten nimmt § 46 VwVfG ein. Diese Regelung zählt zu den umstrittensten des VwVfG, gegen die vielfach verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden. In seiner ursprünglichen Fassung

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Zusammenfassung

schloss § 46 VwVfG die Aufhebung eines unter Verletzung der Vorschriften über das Verfahren zu Stande gekommenen Verwaltungsaktes für den Fall aus, dass keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Entgegen der Entstehungsgeschichte, dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 46 a. F. wurde die Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes von der Rechtsprechung aber auch dann ausgeschlossen, wenn der Verfahrensfehler sich nicht auf die Entscheidung in der Sache ausgewirkt haben konnte. Im Rahmen dieser sog. Kausalitätsrechtsprechung hat das BVerwG vor allem im Planfeststellungsrecht die seither verwendete Formel geprägt, wonach ein Verfahrensverstoß nur dann zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führt, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planungsbehörde ohne den Verfahrensfehler anders entschieden hätte. Dieser Prüfungsmaßstab, häufig auch als Kriterium der konkreten Auswirkungsmöglichkeit bezeichnet, wird auch nach der Neufassung des § 46 VwVfG weiterhin von der Rechtsprechung für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern, insbesondere im Bereich des UVP-Rechts zugrunde gelegt. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch ergeben, dass § 46 VwVfG für die erfolgreiche Geltendmachung eines Verfahrensverstoßes eine viel niedrigere Hürde aufbaut. Die jeweiligen Voraussetzungen, die an die Beachtlichkeit eines Verfahrensfehlers gestellt werden, erscheinen geradezu gegensätzlich. Es ist somit nur schwer haltbar, in der aktuellen Fassung des § 46 VwVfG, nach der ein Aufhebungsanspruch des Klägers nur dann ausgeschlossen werden darf, wenn die fehlende Beeinflussung des Verfahrensfehlers offenkundig ist, eine Bestätigung dieser Rechtsprechung zu sehen. Insofern können sich aus den Entscheidungen zur Unbeachtlichkeit der unterbliebenen UVP allenfalls europarechtliche Bedenken im Hinblick auf die Rechtsprechung zu § 46 VwVfG unter Anwendung des Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ ergeben. Diese Unterscheidung gilt es deutlicher hervorzuheben.

§4 Ein Verfahrensfehler kann bereits in der fehlerhaften Entscheidung über die Durchführung bzw. Unterlassung eines bestimmten Verfahrens liegen. In diesem Fall wird von einem Verfahrensartfehler gesprochen. Ein solcher Fehler ist regelmäßig dadurch bedingt, dass statt der gebotenen Verfahrensart ein anderes Verfahren desselben Rechtsgebietes gewählt wird, also etwa statt des erforderlichen Planfeststellungs- ein Plangenehmigungsverfahren. Die Unterscheidung dieses Fehlertyps von Fehlern im Verfahren ist zum einen wegen der weitreichenderen Konsequenzen relevant, die eine solche Fehlentscheidung nach sich zieht. Sie führt dazu, dass sämtliche Verfahrensschritte und Mitwirkungsmöglichkeiten, die das gebotene Verfahren vorgesehen hätte, entfallen. Dies kann sich wiederum auf das Ergebnis der Genehmigungsentscheidung niederschlagen.

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Zum anderen werden an die gegenwärtigen Möglichkeiten des Drittklägers, gegen die Durchführung eines Verfahrensartfehlers gerichtlich vorzugehen, höhere Anforderungen als bei „gewöhnlichen“ Verfahrensfehlern innerhalb des richtigen Verfahrens gestellt. So prüft die Rechtsprechung in der Regel bei Klagen wegen eines Verfahrensartfehlers oder der gänzlichen Unterlassung des gebotenen Verfahrens lediglich, ob der Rechtsschutzsuchende ein absolutes Verfahrensrecht geltend machen kann. Aus diesem Grund wird sowohl im Planfeststellungsrecht als auch im Immissionsschutzrecht die Rügefähigkeit von Verstößen gegen Verfahrensdurchführungsgebote grundsätzlich verneint, weil kein absolutes Verfahrensrecht auf dessen Einhaltung bestehe. Die anerkannt relativ drittschützende Funktion der Beteiligungsvorschriften des Planfeststellungsrechts und des § 10 BImSchG soll nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dagegen nicht ausreichend sein, um die falsche Verfahrensdurchführung geltend zu machen. Ansprüche von Dritten bestehen damit in der Regel nur dann, wenn aufgrund des rechtswidrigen Unterbleibens der Genehmigungsentscheidung zugleich materielle Rechtspositionen beeinträchtigt werden. Allerdings ist die Rechtsprechung zu den Verfahrensartfehlern nicht ganz einheitlich. Gerade in jüngerer Zeit wird in einigen Entscheidungen vom Erfordernis eines absoluten Verfahrensrechts bei Unterlassung des gebotenen Verfahrens abgerückt und auch die Verletzung relativer Verfahrensrechte in diesen Konstellationen untersucht.

§5 Im Zuge der Diskussion um die „Europäisierung des Rechts“ ist es ebenfalls zu einer erneuten kritischen Überprüfung der nationalen Fehlerfolgenlehre gekommen. Dabei ist speziell die Vorschrift des § 46 VwVfG – nicht zuletzt wegen ihrer umstrittenen Anwendung auf den Verfahrensfehler der unterlassenen UVP – auf den Prüfstand geraten. Um die Kritik an dieser Fehlerregelung richtig bewerten zu können, wurden zunächst die Anforderungen, die das Gemeinschaftsrecht an den indirekten Vollzug durch die Mitgliedstaaten stellt, genauer betrachtet. Im Vordergrund stand dabei die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Beachtung der autonomiebegrenzenden Vollzugsschranken. Als konfliktträchtig erwies sich hier allein die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts. Danach dürfen die Vorschriften des nationalen Rechts die Ausübung der vom Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Dabei kann die Beeinträchtigung reiner Verfahrensanforderungen die Rechtsverwirklichung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich ebenso gefährden wie die Beeinträchtigung einer gemeinschaftsrechtlich verliehenen Rechtsposition. Entscheidend ist, dass der Zweck der gemeinschaftsrechtlichen Regelung nicht vereitelt werden darf. Da die Anwendung des § 46 VwVfG zu einem Ausschluss des Aufhebungsanspruchs und damit zu einer Schwächung der Durchsetzung des Verfahrensrechts führt, kann

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ein Verstoß gegen das Effektivitätsgebot nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

§6 Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die genaue Konkretisierung der im Zusammenhang mit dem Effektivitätsgrundsatz verwendeten – relativ unbestimmten – Begriffspaare der „praktischen Unmöglichkeit“ und des „übermäßigen Erschwerens“. Obwohl der EuGH mittlerweile dazu übergegangen ist, das Effektivitätsgebot vermehrt zu Lasten der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie einzusetzen, ist eine fallübergreifende, allgemeine Präzisierung seiner inhaltlichen Anforderungen nicht erfolgt. Die in den jeweiligen Rechtsstreitigkeiten getroffenen Feststellungen sind aus der Sicht des Gerichts lediglich „Einzelfallentscheidungen“. Fest steht nur, dass eine maximale Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts auch vom EuGH nicht gefordert wird. Insbesondere schutzwürdige Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit sind geeignet, ein gewisses Maß an Wirksamkeitsbeeinträchtigung des Gemeinschaftsrechts zu rechtfertigen, solange dabei nicht jede Möglichkeit der Rechtsverwirklichung im konkreten Fall ausgeschlossen wird. Dies hat der EuGH des öfteren im Hinblick auf die Europarechtskonformität von mitgliedstaatlichen Ausschlussfristen entschieden. Dieses Ergebnis ist jedoch nicht uneingeschränkt auf die Vorschrift des § 46 VwVfG übertragbar, weil hier die Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers nicht an das Verstreichen einer Frist geknüpft wird. Sind die Voraussetzungen des § 46 VwVfG erfüllt, führt seine Anwendung vielmehr zu einer „absoluten Unbeachtlichkeit“ des Verfahrensverstoßes, weil ein hierauf gestützter Aufhebungsanspruch sofort ausgeschlossen wird. Die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschrift kann im Unterschied zu einer Fristenlösung niemals eine Auswirkung auf den Bestand der Verwaltungsentscheidung haben. Die gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben werden faktisch beeinträchtigt. Inwieweit dies mit dem Effektivitätsgebot zu vereinbaren ist, lässt sich anhand der vom EuGH entwickelten Kriterien daher nicht abschließend beurteilen.

§7 Überzeugend ist der Ansatz der Literatur, die Grenzen des Effektivitätsgebots unter Rückgriff auf die für den Bereich des Gemeinschaftsrechts (gemeint ist das EG-Eigenverwaltungsrecht) entwickelten Vorgaben zu bestimmen. Demnach lässt sich auf die Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht schließen, wenn der EuGH vergleichbare Kriterien für eine Relativierung von Verfahrensfehlern heranzieht (Parallelisierungsthese). Zwar erweist sich diese

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Argumentation durchaus als angreifbar. So lassen sich für unterschiedliche Inhalte des EG-Eigenverwaltungsrechs und des Gemeinschaftsverwaltungsrechts zweifellos Gründe finden. Insbesondere kann es aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzung von EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht gerechtfertigt sein, der Beachtung von Verfahrensfehlern im Rahmen des mitgliedstaatlichen Vollzugs im Einzelfall eine größere Bedeutung beizumessen als auf europäischer Ebene (Autonomiethese). Umgekehrt muss eine strengere Fehlersanktionierung im EG-Eigenverwaltungsrecht nicht notwendigerweise zu einer generellen Unvereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Effektivitätsgrundsatz führen. Die hohe materielle Kontrollintensität, die in Deutschland praktiziert wird, kann grundsätzlich geeignet sein, die Verwirklichung des Zwecks der europäischen Rechtsvorschrift dennoch zu gewährleisten. So gesehen lässt die Vergleichsmethode keine zwingenden Schlüsse vom EG-Eigenverwaltungsrecht auf das Gemeinschaftsverwaltungsrecht zu. Sie kann jedoch einen grundlegenden Anhaltspunkt dafür geben, welchen Ansatz der EuGH für die Relativierung von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht verfolgt und ob die Vorschrift des § 46 VwVfG diesem schon als solche zuwider läuft. Unter Zugrundelegung dieser Prüfungsmethode kann den Bedenken hinsichtlich der Europarechtswidrigkeit des § 46 VwVfG nicht zugestimmt werden. Die Regelung steht weder in einem strukturellen Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht noch ist sie in ihrer Tendenz mit dem gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgebot unvereinbar. Die vorliegende Untersuchung hat vielmehr ergeben, dass das Kausalitätskriterium im Eigenverwaltungsrecht der EG in ähnlicher Weise eingesetzt wird, wie dies in § 46 VwVfG normiert ist. Soweit Unterschiede zwischen der nationalen und der gemeinschaftsrechtlichen Judikatur festgestellt werden, sind diese allenfalls auf eine nicht ordnungsgemäße Anwendung des § 46 VwVfG (etwa im Bereich des UVP-Rechts) zurückzuführen. Sie ändern aber nichts an der Vereinbarkeit des § 46 VwVfG mit dem Gemeinschaftsrecht.

§8 Die UVP ist ein wichtiges Instrument des vorsorgenden Umweltschutzes. Mit ihrer Hilfe sollen schädliche Umweltauswirkungen eines Vorhabens vermieden, gemindert oder ausgeglichen werden, indem vor der behördlichen Zulassung des beantragten Projekts eine systematische Prüfung der Umweltauswirkungen nach bestimmten Mindestanforderungen durchgeführt wird. Die UVP trifft selber aber keine (Genehmigungs-)Entscheidung über das geplante Vorhaben, sondern strukturiert und präzisiert „nur“ deren Vorbereitung. Sie zeichnet sich insbesondere durch den Grundsatz der Frühzeitigkeit, die intensive Zusammenarbeit zwischen Vorhabenträger, Behörden und Öffentlichkeit und einen integrativen und medienübergreifenden Prüfungsansatz aus.

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Die erste Richtlinie des Rates über die UVP bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-RL 85/337/EWG) wurde am 27. 06. 1985 erlassen. Sie wurde unter Berücksichtigung der bei ihrer Umsetzung und Anwendung gewonnenen Erfahrungen durch die UVP-Änderungsrichtlinie 1997 umfassend erneuert und weiterentwickelt. Die zweite und bisher letzte Änderung der ursprünglichen UVP-Richtlinie 85/337/EWG erfolgte durch die Richtlinie 2003/35/EG (sog. Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie) vom 26. 05. 2003, deren Umsetzungsfrist am 25. 06. 2005 abgelaufen ist. Hintergrund dieser Änderungen waren die Vorgaben der Aarhus-Konvention. Der deutsche Gesetzgeber ist seiner Pflicht zur Umsetzung der neuen Richtlinienanforderungen erst mit dem Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten vom 09. 12. 2006 (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz) und mit dem Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 07. 12. 2006, also mit fast 1 ½ -jähriger Verspätung nachgekommen.

§9 Die UVP ist im deutschen Recht als unselbständiger Teil des verwaltungsbehördlichen Verfahrens ausgestaltet (§ 2 Abs. 1 UVPG). Sie benötigt daher ein Trägerverfahren, in welchem ihre Verfahrensschritte gewissermaßen im „Huckepackverfahren“ eingebaut werden. Dabei gilt es zu beachten, dass die in den jeweiligen Rechtsgebieten vorhandenen vereinfachten Verfahrenstypen, wie etwa die Plangenehmigung im Fachplanungsrecht und das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG, als Trägerverfahren der UVP nicht geeignet sind. Im Rahmen dieser Verfahren ist nämlich eine Öffentlichkeitsbeteiligung, die gemäß § 9 UVPG als Bestandteil jeder UVP erforderlich ist, gerade nicht vorgesehen. Aus diesem Grund wurden in zahlreiche Fachgesetze „UVP-Klauseln“ eingefügt, die als zusätzliches Tatbestandsmerkmal für die Durchführung der vereinfachten Verfahren voraussetzen, dass das jeweilige Vorhaben keiner UVP-Pflicht nach dem UVPG unterliegt. Insofern ist für die Zuordnung zum richtigen Verfahren von entscheidender Bedeutung, dass die UVP-Pflichtigkeit des Projekts richtig erkannt wird. Die vorliegende Untersuchung hat ergeben, dass dies in der Praxis häufig nicht der Fall ist, weshalb der Verfahrensfehler der rechtswidrig unterlassenen UVP nicht selten mit der Durchführung des falschen Zulassungsverfahrens einhergeht. Die richtige Verfahrenswahl erweist sich vor allem dann als problematisch, wenn die UVP-Pflicht aufgrund einer Vorprüfung im Einzelfall geklärt werden muss. Die Behörde kann hier lediglich eine Prognoseentscheidung treffen, die stets mit gewissen Unsicherheiten verbunden ist. Speziell im Rahmen der Zulassung von Windenergieanlagen kommt erschwerend die Frage hinzu, ab wann Anlagen

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einander räumlich so zugeordnet sind, dass sie sich in ihren Einwirkungsbereichen überschneiden und somit zusammen eine UVP-pflichtige Windfarm i. S. d. Nr. 1.6. der Anlage 1 zum UVPG bilden. Kommt die Behörde hier zu dem fehlerhaften Schluss, dass eine UVP nicht erforderlich ist, zieht dies oftmals einen Verfahrensartfehler nach sich. Nach wie vor umstritten ist zudem die Frage, ob der UVP angesichts ihrer Wirkung im Rahmen der fachgesetzlichen Zulassungsentscheidung auch ein materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Denn obwohl die UVP selber keine materiellen Entscheidungsmaßstäbe vorgibt oder diese verändert, wirkt ihre Strukturgebung nicht allein formell, sondern prägt die materielle Entscheidung wesentlich mit (Richtigkeitsgewähr durch Verfahren). Indes dürfte der „Umweg“ über eine materiell-rechtliche Aufwertung der UVP für eine strengere Fehlersanktionierung ihres Unterlassens nicht erforderlich sein. Maßgeblich ist, dass die entscheidungsprägende Bedeutung der UVP richtig erkannt wird und ihre Nichtbeachtung nicht vorbehaltslos als irrelevant für das Ergebnis der Zulassungsentscheidung erklärt wird.

§ 10 Vor Erlass des URG existierten für Dritte nur sehr wenige bis gar keine Möglichkeiten gegen die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP – sowie einer damit gegebenenfalls zusammenhängenden falschen Verfahrenswahl – gerichtlich vorzugehen. Die Verwaltungsgerichte haben in ständiger Rechtsprechung die rein verfahrensrechtliche Bedeutung der UVP in den Vordergrund gestellt und dementsprechend eine selbständig durchsetzbare Verfahrensposition grundsätzlich abgelehnt. Auch die Frage, ob nicht jedenfalls den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung eine relativ drittschützende Wirkung beigemessen werden kann, ist in der Rechtsprechung vor der Einfügung des neuen Art. 10a in die UVP-Richtlinie nicht thematisiert worden. Vielmehr haben die Gerichte der UVP jeglichen dritt- oder nachbarschützenden Charakter abgesprochen. Als Konsequenz dieser Rechtsprechung konnte nur derjenige das Unterlassen einer UVP gerichtlich geltend machen, der durch das geplante Vorhaben in seinem Eigentum betroffen wurde und daher seine Klagebefugnis auf jeden Rechtsverstoß, also auch auf ihn nicht schützende Verfahrensbestimmungen stützen konnte. In eingeschränktem Umfang waren auch anerkannte Umweltverbände wegen der unterlassenen Durchführung eines UVP-Verfahrens klagebefugt. Für sie stritt entweder eine mögliche Rechtsverletzung ihres anerkannten absoluten Beteiligungsrechts im Planfeststellungsverfahren gemäß §§ 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BNatSchG oder sie konnten die fehlende Durchführung einer UVP im Rahmen einer echten („altruistischen“) Verbandsklage rügen.

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Der Verfahrensfehler der unterlassenen UVP konnte nach der doppelten Kausalitätsrechtsprechung des BVerwG im Planfeststellungsverfahren nur dann zum Erfolg der Klage führen, wenn hierdurch ein auf Umweltbelange bezogenes Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit, also ein Fehler im Abwägungsvorgang verursacht worden ist, und wenn ein solcher Abwägungsfehler auf das Ergebnis von Einfluss gewesen ist. Für beide Kausalzusammenhänge musste eine konkrete Möglichkeit vorliegen. Ansonsten blieb der Verfahrensfehler unbeachtlich. Aufgrund dieser – fälschlicherweise auf § 46 VwVfG gestützten – restriktiven Rechtsprechung blieb das rechtswidrige Unterlassen einer gebotenen UVP regelmäßig folgenlos. Auch im Bereich des gebundenen Zulassungsrechts hatte die Nichtdurchführung einer gebotenen UVP meistens keinerlei Folgen. Ebenso wenig wurde dem Unterlassen oder der fehlerhaft durchgeführten Einzelfallvorprüfung über die UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens eine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Die gerichtliche Überprüfung war vielmehr – wie im deutschen Verwaltungsrecht üblich – auf die materielle Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung beschränkt.

§ 11 Die bisherige Rechtsprechungspraxis zur unterlassenen UVP ist unabhängig von den neuen Vorgaben der Aarhus-Konvention und der Richtlinie 2003/35/EG mit den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts nicht vereinbar. Eine drittschützende Wirkung der UVP-Vorschriften lässt sich bereits unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen EuGH-Rechtsprechung schwer ablehnen. Die Europarechtskonformität der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist aber vor allem im Hinblick auf die Fehlerfolgenbehandlung zu bezweifeln. Denn auch wenn es europarechtlich nicht geboten ist, jeglichen Verfahrensfehler für die Aufhebung der Entscheidung genügen zu lassen, verlangt das Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrechts, dass zumindest der Zweck der europäischen Richtlinienvorgaben nicht vereitelt wird. Diese Gefahr ist jedoch durch die Behandlung der unterlassenen UVP – so wie sie in der bisherigen Rechtsprechung erfolgt ist – durchaus gegeben. Dies zeigt sich bereits dadurch, dass die Nichtbeachtung der UVP in keinem der dem BVerwG vorgelegten Fälle eine Auswirkung auf den Bestand der Verwaltungsentscheidung hatte. Die europäischen Verfahrensvorgaben liefen dementsprechend leer. Zu beachten ist jedoch, dass dies nicht direkt auf die Anwendung des in § 46 VwVfG verankerten Auswirkungskriteriums zurückzuführen ist. Denn im Fall der unterlassenen UVP hat die Rechtsprechung vielmehr eine doppelte Kausalitätsprüfung unter Zugrundelegung des strengeren Kriteriums der „konkreten Möglichkeit“ vorgenommen. Insofern käme eine Vereinbarkeit mit dem Effektivitätsgebot möglicherweise bereits dann in Betracht, wenn die Verwaltungsgerichte § 46 VwVfG gemeinschaftsrechtskonform auslegten.

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§ 12 Die Problematik der Fehlerfolgenbehandlung der unterlassenen UVP hat durch den Erlass der Aarhus-Konvention über die europarechtliche Ebene hinaus noch eine völkerrechtliche Dimension erhalten. Die an den Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten zu stellenden Anforderungen ergeben sich insbesondere aus Art. 9 Abs. 2 AK. Diesen Artikel übernimmt die RL 2003/35/EG im Wesentlichen wörtlich in zwei identischen Rechtsschutzvorschriften, die als Art. 10a in die UVP-Richtlinie und als Art. 15a in die IVU-Richtlinie eingefügt wurden. Zudem hat die Kommission noch einen Vorschlag für eine Richtlinie über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten zur Umsetzung der Aarhus-Konvention unterbreitet. Dieser Klagerechtsrichtlinie-Entwurf ist nicht auf einzelne Bereiche des Umweltrechts beschränkt, sondern umfasst sämtliche umweltrelevanten Rechtsgebiete. Voraussetzung für den Gerichtszugang ist aber, dass eine Verletzung von gemeinschaftsrechtlichen Umweltvorschriften bzw. solchen, die zu ihrer Umsetzung ergangen sind, geltend gemacht wird. Die EU hat – entgegen teilweise vertretener Auffassungen – die Kompetenz für den Erlass dieser Rechtsschutzvorgaben. Dies ergibt sich bereits aus Art. 175 Abs. 1 EG, der eine umfassende Regelungskompetenz für die Verwirklichung der in Art. 174 EG genannten Ziele gewährt. Die Handlungsbefugnis der Gemeinschaft zur Erreichung dieser Ziele ist weder auf bestimmte Instrumente beschränkt, noch sind bestimmte Instrumente ausgeschlossen. Die Verwaltungsgerichte haben überwiegend keine Notwendigkeit gesehen, anlässlich der neuen inter- und supranationalen Vorgaben von ihrer bisherigen Rechtsprechungspraxis abzuweichen. Dies galt sowohl im Hinblick auf die Frage nach einer erweiterten Klagebefugnis für betroffene Dritte im Fall der unterlassenen UVP als auch im Hinblick auf die Fehlerbehandlung. Hervorzuheben ist jedoch die Entscheidung des OVG Koblenz vom 25. 01. 2005, in welcher das Gericht eine eigenständige drittschützende Wirkung der UVP-Vorschriften und der Bestimmungen des förmlichen Genehmigungsverfahrens nach § 10 BImSchG wegen ihrer Funktion als Trägerverfahren anerkennt. Das Gericht hält dies wegen des neu eingefügten Art. 10a der UVP-Richtlinie und des Urteils des EuGH in der Sache Wells für zwingend erforderlich.

§ 13 Das URG hat die Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter bei einer unterlassenen UVP bzw. Einzelfallvorprüfung erheblich erweitert. Sowohl anerkannte Umweltverbände als auch Individualkläger können nunmehr die Zulassungsentscheidung allein wegen dieser Verfahrensfehler anfechten und – vorbehaltlich der Möglich-

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keit einer Heilung – ihre Aufhebung verlangen, sofern sich der Verfahrensverstoß bestätigt (§ 4 Abs. 1 URG). Insofern hat der Gesetzgeber dem bislang von der Rechtsprechung herangezogenen Prüfungsmaßstab der konkreten Möglichkeit für die Beachtlichkeit einer unterlassenen UVP eine Absage erteilt. Zudem kann die Klage eines Dritten nicht mehr mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass allein durch die falsche Verfahrensdurchführung keine Rechte Dritter verletzt würden, wenn das unterbliebene Zulassungsverfahren gleichzeitig als Trägerverfahren für eine an sich gebotene UVP fungiert hätte. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 URG soll aber nur das vollständige Fehlen von UVP oder Einzelfallvorprüfung beachtlich sein, wohingegen die fehlerhaft durchgeführte Vorprüfung nicht von Relevanz sein soll. Im Prinzip müsste dieser Verfahrensfehler jedoch der vollständigen Nichtdurchführung einer UVP gleichgestellt werden. Denn die Konsequenz ist letztlich die gleiche: Eine an sich gebotene UVP wird rechtswidrig unterlassen. Dieses unbefriedigende Resultat kann durch die Anwendung des § 3a S. 4 UVPG abgemildert werden, sofern man ihm im Rahmen des § 4 URG den notwendigen Raum zugesteht. Zweifel an der Völker- und Europarechtskonformität des URG bestehen aber vor allem außerhalb der Problematik der Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine unterlassene UVP bzw. eine unterlassene Vorprüfung des Einzelfalls. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 1 URG zur Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern ausreicht, um sowohl den Anforderungen des Art. 10a UVP-Richtlinie als auch dem gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz zu genügen. Hiergegen spricht insbesondere der Wortlaut der genannten Vorschrift, der keine Begrenzung auf UVP-Verstöße enthält. Darüber hinaus ist die schutznormbezogene Verbandsklagekonzeption des URG nicht haltbar. Der in Art. 10a UVP-RL (Art. 9 Abs. 2 AK) vorgesehene „weite Zugang zu Gerichten“ wird auf diese Weise nicht erreicht. Diese Zielsetzung soll eine umfassende gerichtliche Kontrolle umweltrelevanter Entscheidungen ermöglichen, die es in Deutschland nicht gibt, weil vor allem die Rechtsprechung bislang davon ausgeht, dass sich subjektive Rechte grundsätzlich nur aus der Gefahrenabwehr dienenden Vorschriften und nicht auch aus verfahrensrechtlichen Umweltvorsorgenormen ableiten lassen. Zudem behandelt das Gesetz die Frage einer erweiternden Individualklagebefugnis nicht ausreichend.

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Sachwortverzeichnis Autonomiethese 108, 112, 117

Prognoseentscheidung 200, 243

156, 163, 174,

Beteiligungsrechte 25, 73 – 74, 195, 267 Drittschützender Gehalt – Abwägungsgebot 41 – UVP-Verfahrensvorschriften 179, 184, 198, 256 – Verfahrensvorschriften 49, 53, 78 due process 24 Effektivitätsgrundsatz 93, 96, 98 – 100, 104, 106, 111, 117, 213, 226 Enteignend Betroffene 185 Erörterungstermin 32, 147, 154 Europäisierung des Rechts 27, 82 Grundrechtsschutz durch Verfahren 128, 265

Rechtsschutz – absolutes Verfahrensrecht 43 – Anforderungen der Aarhus-Konvention 216 – Beteiligung von Naturschutzverbänden 47 – relatives Verfahrensrecht 50 – unterlassene UVP 173 – Verfahrensartfehler 70 – Verfahrenshandlungen 38 Salami-Taktik 157, 159, 161 –163 Scoping 139, 146

25,

Individualklagemöglichkeiten 267 Klagerechtsrichtlinie 220 – 224 Kollision – direkte 89 – 91 – indirekte 92 – 93 Kompensationsfunktion 46, 116, 118 Kontrolldichte 25, 33 – 34, 36 – 37, 112 – 113, 115, 117, 185, 200, 243, 259 Nachbarklage 184 Naturschutzverbände 46 – 47, 72 – 73, 188, 268 Parallelisierungsthese 110, 112 Präklusion 29, 102, 104, 147, 240, 258, 266

Trägerverfahren 74, 77, 137, 142 –143, 149 – 151, 154 –156, 164, 187, 225 – 226, 246 –247 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz 232 Umweltverbände 187, 201, 233, 245, 248 – 250, 252, 254 –256, 258 –259, 261, 268 Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern – gemeinschaftsrechtliche Aspekte 104, 107 – Interpretation des § 46 VwVfG in der Rspr. 54 – unterlassene UVP nach bisheriger Rechtslage 189 – unterlassene UVP nach neuer Rechtslage 240 – Verfahrensartfehler 78

302

Sachwortverzeichnis

UVP – im Immissionsschutzrecht 153 – im Planfeststellungsrecht 143 – materiell-rechtliche Bedeutung 164 – Rechtsgrundlagen in Deutschland 135 – Verfahrensschritte 139 UVP-Klauseln 151, 246 Verfahrensartfehler 69 – 70, 81, 156, 163, 246 Verfahrensfehler – Heilungsmöglichkeiten 244 Verfahrensrechte – absolute 46, 49 – 50, 66, 68, 81, 106, 122, 215, 229, 247, 262

– relative 49, 51, 53, 59, 79 –80 Verfahrenswahl 69, 81, 155 Verwaltungsverfahren – Beschleunigung 29, 31 –32, 39, 147 – 148, 266 – dienende Funktion 22, 26, 30, 37, 39, 68, 107, 180 – Stellenwert 22, 25, 202 Vollzugsschranken 91 –93, 258 Vorprüfung – fehlerhafte Durchführung 197, 244 – Unterlassung 227, 261, 263, 267 –268 Wells-Urteil 231

206, 212, 226, 228, 230 –