Zum Gotteslob berufen: Exegetische Beiträge zu den Gesängen im Neuen Testament 9783429039349, 3429039347

Impulse zum Singen können vielfältig ausfallen. Schon für den Verfasser des Jakobusbriefs scheint festzustehen: "Is

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Inhalt
Vorwort
„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,12). Singen und Gesänge im Neuen Testament
Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20
Glo-OH-OH-OH-ria. Von der Schwierigkeit, ein Gloria zu vertonen - Thomas Nüdling
„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“. Bilder und Hymnen in der Thronsaalvision der Apokalypse
Reihe: Fuldaer Hochschulschriften
Reihe: Fuldaer Studien
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Zum Gotteslob berufen: Exegetische Beiträge zu den Gesängen im Neuen Testament
 9783429039349, 3429039347

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Impulse zum Singen können vielfältig ausfallen. Schon für den Verfasser des Jakobusbriefs scheint festzustehen „Ist einer fröhlich ? Dann soll er ein Loblied singen.“ Neben Fröhlichkeit, Begeisterung und Dank gibt es aber auch Anlässe der Klage, der Trauer und der Buße, die zu entsprechenden Gesängen anregen. Bestimmend und prägend für das Singen der Christus-Gläubigen ist vor allem und zuerst der Lobpreis auf Gottes Größe und die Gegenwart seines Christus. Christoph Gregor Müllers exegetische Studien zum Neuen Testament möchten einladen, das Singen als Grundvollzug der Glaubenden zu begreifen, sind sie doch „berufen zum Gotteslob“ (Eph 1,12). Diesen Titel trägt auch das erneuerte Gebet- und Gesangbuch der katholischen Christen in Deutschland, Österreich und Südtirol. Anhand der Komposition des „Glorias“ aus seiner „Missa canonica“ berichtet Thomas Nüdling vom Ringen um die richtigen Töne.

Christoph Gregor Müller, Professor für Neutestamentliche Exegese, Neutestamentliche Einleitungswissenschaft und Bibelgriechisch sowie langjähriger Rektor der Theologischen Fakultät Fulda. Thomas Nüdling, Gymnasiallehrer für Musik und Religion ; Referent in der Familienpastoral des Bistums Fulda und Komponist ; nebenamtlicher Kirchenmusiker, Organist, Chor- und Orchesterleiter.

www.echter.de ISBN 978-3-429-03934-9

Fuldaer Hochschulschriften

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57 Zum Gotteslob berufen

Theologische Fakultät Fulda

F H S S

Christoph Gregor Müller

Zum Gotteslob berufen Exegetische Beiträge zu den Gesängen im Neuen Testament Mit einem Werkstattbericht des Komponisten Thomas Nüdling

Fuldaer Hochschulschriften

Fuldaer Hochschulschriften Im Auftrag der Theologischen Fakultät Fulda herausgegeben von Jörg Disse in Zusammenarbeit mit Richard Hartmann und Bernd Willmes

Christoph Gregor Müller

Zum Gotteslob berufen Exegetische Beiträge zu den Gesängen im Neuen Testament Mit einem Werkstattbericht des Komponisten Thomas Nüdling

echter

Meinem lieben Bruder Matthias zum 60. Geburtstag, aber auch seiner lieben Frau Celia und ihrer gesamten Familie zwischen Frankfurt a. M., Recife (Brasilien) und Hilders/Rhön Christoph

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Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 „Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,12) Singen und Gesänge im Neuen Testament . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Glo-OH-OH-Oh-ria. Von der Schwierigkeit, ein Gloria zu vertonen. Kompositions-Blatt zum Gloria Thomas Nüdling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“ Bilder und Hymnen in der Thronsaalvision der Apokalypse . . . . . . . 103

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Vorwort

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben“ (Eph 1,12) – diese Grundgewissheit Christus-gläubiger Menschen findet seinen Ausdruck im Singen, vor allem im Lobpreis auf die Größe und Schönheit Gottes, der sich in Jesus Christus ausgesprochen hat (vgl. Joh 17,6 ; Hebr 1,1–4 u. a.) und in der Kraft des Geistes die Stimmen der Schöpfung weckt. Im Rahmen der Einführung des neuen Katholischen Gebet- und Gesangbuchs zum 1. Adventssonntag 2014 sah sich die Theologische Fakultät Fulda veranlasst, den Blick für das Singen als Grundvollzug des Glaubens zu schärfen. Ausstellungen und Vortragsreihen sollten diesen Prozess der Aneignung eines im Idealfall identitätsstiftenden Buches („Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch“) begleiten. Die hier zusammengestellten Beiträge stehen für das Bemühen, aus exegetischer Sicht zum Gotteslob zu ermutigen. Von daher wurde in diesem Sammelband der Vortragsstil der einzelnen Beiträge im Wesentlichen beibehalten. Aus theologischer Perspektive lassen sich unterschiedliche Zugänge und Schwerpunkte dieses Themenbereichs beschreiben : Wir können bei David, dem Psalmen-Dichter und Psalmen-Sänger, anknüpfen und in den reichen Schatz der Lobpreisungen Israels einstimmen. In besonderer Weise aufschlussreich ist dabei Ps 69,31–32 : „Ich will den Namen Gottes rühmen im Lied, in meinem Danklied ihn preisen. Das gefällt dem Herrn mehr als ein Opferstier, mehr als Rinder mit Hörnern und Klauen.“ In einer Reihe alttestamentlicher und frühjüdischer Texte

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kann eine im Judentum auszumachende Entwicklung zur Vorstellung von „geistlichen Opfern“ beobachtet werden.1 Mehrere solcher Texte können der prophetischen Opferkritik zugeordnet werden. Das trifft in besonderer Weise auf die Psalmen zu, wobei Ps 50 und Ps 51 hervorstechen : „Bring Gott als Opfer dein Lob und erfülle dem Höchsten deine Gelübde !“ (Ps 50,14) oder : „Wer Opfer des Lobes bringt, ehrt mich, wer rechtschaffen lebt, dem zeig’ ich mein Heil“ (Ps 50,23). Vergleichbare Gedanken und Differenzierungen finden sich in geschichtlichen (vgl. 1 Sam 15,22 ; Jdt 16,16), weisheitlichen (vgl. Spr 16,6) und prophetischen Büchern und Texten, wobei ein Schwerpunkt in der prophetischen Kultkritik auszumachen ist (vgl. Jes 1,10–17 ; Am 5,21–27 ; Mi 6,6–8 ; Jer 7,22–23). Hosea bündelt solche kritischen Töne, wenn als Gottes Wort zu vernehmen ist : „Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer.“ (Hos 6,6) Dieses Wort hat eine deutliche Aufnahme im Verkündigungswort Jesu gefunden, wie vor allem Mt 9,13 und Mt 12,7 belegen, geht es doch im Antworten auf Gottes Zuwendung darum, nicht etwas zu geben, sondern sich selbst. Die hier erkennbar werdenden Linien lassen sich im Bereich frühjüdischer Texte weiterverfolgen. Philo von Alexandrien kann formulieren : „… und wenn sie auch sonst nichts bringen und nur sich bringen als die vollendete Erfüllung der Gebote der Tugend, bringen sie das beste Opfer dar, wenn sie mit Gesängen und dankbaren Huldigungen Gott

1 Vgl. dazu ausführlich Christoph Gregor Müller : Von Gesinnungs-

hüften (1 Petr 1,13) und geistlichen Opfern (1 Petr 2,5). Zur paränetischen Valenz metaphorischer Rede im Ersten Petrusbrief, in : Friedrich Wilhelm Horn ; Ulrich Volp ; Ruben Zimmermann (Hrsg.) : Metapher – Narratio – Mimesis – Doxologie. Begründungsformen frühchristlicher und antiker Ethik (WUNT), Tübingen 2015, S. 71−86.

Vorwort 9

als ihren Wohltäter und Retter ehren“, 2 denn : „Gott legt nicht Wert auf die Fülle der Opfer, sondern auf den völlig reinen, vernünftigen Geist (pneu/ma logiko,n) des Opfernden.“3 Solche Texte bereiten den Weg für eine klassisch zu nennende Formulierung paulinischer Theologie, wie sie in Röm 12,1 anzutreffen ist,4 oder zu anderen vergleichbaren Stellen des Neuen Testaments, vor allem des Hebräerbriefs, wo vom „Opfer des Lobes“ und der „Frucht der Lippen“ die Rede ist (Hebr 13,15). In jeder Feier der Eucharistie erinnert die Einleitung zum Trishagion daran, dass Menschen nun in den Gesang der himmlischen Scharen einstimmen. Diese Grundüberzeugung gottesdienstlichen Feierns teilen christliche Gemeinden mit den Gebetstraditionen Israels, denn „… sowohl durch die himmlischen Heerscharen als auch durch die betende Gottesgemeinde auf Erden wird im Trishagion der bekannte Gedanke ausgedrückt, daß die irdische Ordnung der himmlischen entspreche, und daß Israel, die Gemeinde Gottes auf Erden, im Einklang mit der Gemeinde der Heiligen im Himmel stehe.“5 Dieses Grundverständnis liturgischen Singens kommt auch in manchen Liedern des neuen Gotteslobs direkt zur Sprache, z. B. in der sechsten Strophe von „Erfreue dich, Himmel, erfreue dich, Erde“ 2 De specialibus legibus I 272. 3 De specialibus legibus I 277. 4 „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder,

euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt ; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“ 5 David Flusser : Sanctus und Gloria, in : Otto Betz ; Martin Hengel ; Peter Schmidt (Hrsg.) : Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (Festschrift für Otto Michel), Leiden – Köln 1963, S. 129−152, hier S. 136−137 ; vgl. auch Otfried Hofius : Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der Kirche. Eine traditionsgeschichtliche Skizze, in  : Ders.  : Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, S. 301−325.

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(GL 467), wenn es heißt : „… ihr Menschen und Engel, stimmt alle zusammen“. Gesänge benennen und feiern die Größe Gottes – zunächst im Himmel, dann auch auf Erden. Engelgesänge stiften – vor allem in der Offenbarung, aber auch in anderen Texten – eine Brücke und machen Leser und Hörer zu Mitfeiernden. Dabei kann der Text der Apokalypse bewusst machen, dass Hymnen auch ein kritisches, ja provozierendes Potential in sich bergen, das es immer wieder gegenüber erniedrigenden Herrschaftsansprüchen zu aktualisieren gilt. Das Zusammen-Stimmen bedarf freilich der Übung und der Erinnerung. Das war schon Ignatius von Antiochien klar, wenn er in seinen Briefen Bilder der Chormusik und des Musizierens nutzt.6 So schreibt er an die Epheser (4,2) : „Aber auch Mann für Mann sollt ihr zum Chor werden, damit ihr in Eintracht zusammenklingt, Gottes Melodie in Einigkeit aufnehmt und einstimmig durch Jesus Christus dem Vater singt, auf dass er euch höre und aus euren guten Werken euch erkenne als Glieder seines Sohnes“ ; im Brief an die Römer (2,2) drückt er sich so aus : „… damit ihr in Liebe einen Chor bilden und dem Vater in Christus Jesus lobsingen könnt“. Als Ermutigung zu Geduld und Ausdauer in diesem Prozess des Übens können Worte des Apostels Paulus im Brief an die Römer (15,5–6) sehr dienlich sein : „Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, einträchtig und mit einem Munde preist.“ Die Anlässe zum Singen können vielfältig ausfallen. Schon dem Jakobusbrief ist klar (5,13) : „Ist einer fröhlich ? Dann soll er ein Loblied singen.“ Neben Fröhlichkeit, Freude, Begeisterung und Dank gibt es aber auch An6 Vgl. IgnEph 4,1.

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lässe der Klage, der Trauer, der Buße und des Schmerzes ; im Neuen Testament kann auch im Gefängnis gesungen werden (vgl. Apg 16,25). Bestimmend und prägend für das Singen der Christus-Gläubigen bleibt freilich der Lobpreis auf Gottes Größe (vgl. im Neuen Testament vor allem Phil 4,20 ; Röm 11,36 ; 16,27) und die Gegenwart seines Christus. Denn der erhöhte Christus wird, wie es z. B. die hymnischen Passagen der Apokalypse erfahren lassen, gegenwärtig schon in seiner gottesdienstlichen Präsenz erfahren und besungen. Zur Realisierung dieses Bandes haben in besonderer Weise meine Mitarbeiter am Lehrstuhl für Exegese des Neuen Testaments und an der Redaktionsarbeit der Biblischen Zeitschrift beigetragen. Frau Dipl.-Theol. Karina Barczyk und mein Assistent AR Dr. Matthias Helmer haben in geduldiger und sorgfältiger Arbeit die Beiträge dem neuen Format angepasst, als exegetische Gesprächspartner wichtige und konstruktive Anregungen vermittelt und sich immer wieder der Mühe des Korrekturlesens unterzogen. Beiden möchte ich für alle Ermutigung, die von ihnen ausgeht, von Herzen danken. Der Komponist Thomas Nüdling, mit dem ich über viele Jahre Familien-Seminare auf dem Michaelshof in Unterbernhards/Rhön durchführen durfte, hat einen eigenen Beitrag aus seiner kompositorischen Werkstatt beigesteuert, für den ich ihm sehr dankbar bin. In seiner Musik und in seinem Engagement für den Gesang wird für mich und viele andere spürbar, dass eine Beheimatung im rauhen Biosphärenreservat Rhön dem Lobpreis auf die Größe Gottes sehr dienlich sein kann und eine Theologie fördert, die nicht sang- und klanglos bleibt. Der vorgelegte Band möchte einladen, dem faszinierenden und komplexen Schatz der Gesänge im Neuen Testament nachzuspüren.

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„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,12) Singen und Gesänge im Neuen Testament Christoph Gregor Müller

Das Osterlied „Die ganze Welt, Herr Jesu Christ, in deiner Urständ fröhlich ist“ (Gotteslob Nr. 332)1 kommt nicht nur auf das Gotteslob himmlischer Scharen und menschlicher Stimmen zu sprechen, sondern bezieht auch die Schöpfung 2 mit grünenden und blühenden Bäumen, dem Klang der Nachtigall und wohltuenden Sonnenstrahlen in den Lobpreis auf die Größe Gottes ein. Aus einer solchen Oster-Perspektive fällt auf die folgende Szene, die vom Sterbebett der hl. Elisabeth von Thüringen (Nacht zum 17. November 1231) erzählt, ein besonderes Licht ; dabei kommen nicht nur menschliche Stimmen zu Gehör, sondern auch der Gesang eines Vogels. „So ist sie denn auch gestorben, wie sie lebte ; in größter Fröhlichkeit. Eine ihrer Gefährtinnen berichtet : ‚Als die selige Elisabeth auf ihrem Sterbebette lag, habe ich eine süße Stimme vernommen, die aus ihrer Kehle zu kommen schien. Sie lag zur Wand gekehrt. Nach einer Stunde wandte sie sich um und sagte : ‚Wo bist du, Liebe ?‘ Ich antwortete ihr : ‚Wie süß hast du gesungen !‘ Sie fragte, ob ich es gehört hätte. Als ich bejahte, sagte 1 Friedrich Spee verwendet in seiner Text-Dichtung des Liedes aus dem

Jahr 1623 für das uns vertrautere Wort „Auferstehung“ den Begriff „Urständ“. 2 Spee spricht von „die ganze Welt“ (Str. 1 und 6).

14  Christoph Gregor Müller sie : ‚Zwischen mir und der Wand hat ein Vöglein so fröhlich gesungen. Da mußte ich auch singen‘ […]. Sie fuhr fort : ‚Nun wollen wir von Gott und seinem Sohne Jesus sprechen ; denn es naht ja schon die Nacht, in der Jesus geboren wurde und in der Wiege lag. Und seine Macht hatte den neuen Stern erschaffen, den niemand vorher gesehen hatte […]. Jetzt holt Gott seine Freunde !‘.“3

Dass der Gesang der Vögel für das eigene Wohlbefinden, die Stimmung und nicht zuletzt das eigene Singen anregend wirkt, bezeugen zahlreiche Menschen (nicht nur im Frühling). In einer extremen Situation menschlichen Lebens spielen solche Töne für Elisabeth von Thüringen offenbar eine besondere Rolle. „Zwischen mir und der Wand hat ein Vöglein so fröhlich gesungen. Da musste ich auch singen.“ Von daher können viele Hans Weder zustimmen, wenn er konstatiert : „Der Überschuss, der in der Musik evident ist, spiegelt sich wider in der Schönheit des Vogelgesangs, in der gewaltigen Komplexität nur einer einzigen lebenden Zelle, in der eleganten Ordnung der Gestirne in den Weiten des Universums. Erfahrungen des Überschusses sind es, welche den Menschen das Lob der Schöpfung entlockt haben. Dabei kamen sie ins Singen, und deshalb drückt sich die Religion, seit es sie gibt, vornehmlich in Liedern aus.“4 3 Gisbert Kranz : Elisabeth von Thüringen. Wie sie wirklich war, Re-

gensburg 61979, S. 54. 4 Hans Weder : Der Raum der Lieder. Endlichkeit – Geschöpflichkeit –

Würde, in : Claudia Schmidt-Hahn (Hrsg.) : Europas Ouverture – Religion und Kultur. Disputationes 2012, Innsbruck 2013, S. 61−65, hier S. 61 ; vgl. auch ders. : Der Raum der Lieder. Zur Hermeneutik des Hymnischen im Neuen Testament, in : EvTh 53 (1993), S. 328−341 (vor allem zu Joh 1,1–18), besonders S. 340 : „Ein Hymnus ist – gleich einer Kathedrale – ein Raum, den die Heutigen nicht selbst gemacht haben, in den sie aber – mitsingend – eintreten und in dem ihnen Dinge

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  15

In den Gesängen und Liedern Israels kommt ein weiterer Aspekt hinzu – der Lobpreis auf Erfahrungen der Geschichtsmächtigkeit Gottes. „Der zu den ältesten Texten der Bibel gehörende und der Prophetin Mirjam zugeschriebene Hymnus ist ein Siegeslied, das die Rettung Israels am Meer nicht auf die Kampfkraft Israels, sondern auf das Eingreifen seines Gottes zurückführt : ‚Singet Jahwe, denn hoch erhob er sich / Roß und Wagenkämpfer warf er ins Meer‘ (Ex 15,21).“5 In der Feier der Osternacht nehmen christliche Gemeinden dieses Lied der Mirjam auf (vgl. die dritte Lesung aus dem Buch Exodus [14,15–15,1] mit ihrem Antwortgesang), bringen darin ihren Dank für geschenkte Befreiung und die Sehnsucht nach größerer Freiheit zum Ausdruck. Die transzendierende Dimension des Singens kann mit Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) daher so ausgedrückt werden : „Liturgie und Musik sind von Anfang an verschwistert gewesen. Wo der Mensch Gott lobt, reicht das bloße Wort nicht aus. Rede mit Gott überschreitet die Grenzen menschlichen Sprechens. Sie hat darum von ihrem Wesen her allerorten die Musik zu Hilfe gerufen, das Singen und die Stimmen der Schöpfung im Klang der Instrumente. Denn zum Gotteslob gehört der Mensch nicht allein.“6 Die folgenden Überlegungen möchten der möglich sind, die ihnen draußen nicht ohne weiteres möglich wären, eben der Glaube an die unendliche Würde des Menschgewordenen etwa.“ 5 Jens-Wilhelm Taeger : „Gesiegt ! O himmlische Musik des Wortes“. Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, in : ZNW 85 (1994), S. 23−46, hier S. 24−25. 6 Joseph Kardinal Ratzinger : Liturgie und Kirchenmusik. Vortrag zur Eröffnung des VIII. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik in Rom im Europäischen Jahr der Musik am 17. November 1985, Hamburg 1987, S. 5.

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Frage nachgehen, wie frühchristliche Gemeinden7 „gesungen“ haben (können).8 Das Singen und die Gesänge9 des 7 Einen aufschlussreichen Hinweis auf das Singen früher Christen erhal-

ten wir in dem berühmt gewordenen Plinius-Brief (X, 96), den dieser am Anfang des 2. Jh. an den Kaiser Trajan richtet. Darin heißt es – im Rahmen von Verhören, die Plinius als Statthalter in Bithynien unternommen habe – von den Befragten : „Sie versicherten jedoch, ihre ganze Schuld oder ihr ganzer Irrtum habe darin bestanden, daß sie sich an einem bestimmten Tage vor Sonnenaufgang zu versammeln pflegten, Christus als ihrem Gott einen Wechselgesang zu singen und sich durch Eid nicht etwa zu irgendwelchen Verbrechen zu verpflichten, sondern keinen Diebstahl, Raubüberfall oder Ehebruch zu begehen, ein gegebenes Wort nicht zu brechen, eine angemahnte Schuld nicht abzuleugnen …“ (Übersetzung nach H. Kasten) ; vgl. dazu auch Martin Hengel : Das Christuslied im frühesten Gottesdienst (1987), in : Ders. : Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hrsg. von Claus-Jürgen Thornton (WUNT 201), Tübingen 2006, S. 205−258, hier S. 235. 8 Vgl. auch Josef Kroll : Die christliche Hymnodik bis zu Klemens von Alexandreia (1921/22) (Sonderausgabe), Darmstadt 1986 ; Michael Lattke : Hymnus. Materialien zu einer Geschichte der antiken Hymnologie (NTOA 19), Freiburg/Schweiz – Göttingen 1991 ; Hermut Löhr : What can we know about the Beginnings of Christian Hymnody ?, in : Clemens Leonhard ; Hermut Löhr (Hrsg.) : Literature or Liturgy ? Early Christian Hymns and Prayers in their Literary and Liturgical Context in Antiquity (WUNT II ; 363), Tübingen 2014, S. 157−174. 9 Ich vermeide es, an dieser Stelle von „Hymnen“ zu sprechen. Schon Kroll : Hymnodik (wie Anm. 8), S. 4, fragt : „Was versteht man unter christlichem Hymnus ? Schon gleich bei dieser Frage beginnen die Schwierigkeiten.“ Im Grunde sind diese fast 100 Jahre nach seinen Forschungen nicht weniger geworden. Das hängt vor allem mit der im NT und in anderen Texten verwendeten Begrifflichkeit zusammen. So waren Begriffe wie yalmo,j und u[mnoj in der Antike nicht streng voneinander getrennt ; vgl. schon Kroll : Hymnodik (wie Anm. 8), S. 6 ; William D. Furley ; Jan Maarten Bremer : Greek Hymns. Selected Cult Songs from the Archaic to the Hellenistic period, Volume I : The Texts in Translation, Volume II : Greek Texts and Commentary (Studien und Texte zu Antike und Christentum ; 9−10), Tübingen 2001, Hymns I, S. 1−14. Kroll (ebd., S. 11) hat folgende Definition vorgeschlagen : „Der

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  17

Neuen Testaments sollen dabei im Fokus der Aufmerksamkeit stehen.

1. Der frühchristliche Gottesdienst in Korinth Leider muss ich mit einer für den einen oder die andere enttäuschenden Beobachtung beginnen : „Über die Liturgie und den Gesang im frühesten Gottesdienst lassen uns die 27 Schriften des Neuen Testaments fast völlig im dunkeln.“10 Hier sind nur „Spuren“ vernehmbar – die auszumachenden werden wir allerdings aufzunehmen versuchen. „Erst ab dem 4./5. Jahrhundert sind uns Sammlungen kunstvoller Hymnen durch Gregor von Nazianz und Synesios von Kyrene

Hymnus ist also eine Lobpreisung Gottes in gehobener – metrischer oder stilisierter prosaischer – Diktion“, die vor allem in der Liturgie ihren Ort hat. Zur Diskussion um den Hymnus-Begriff vgl. auch Lattke : Hymnus (wie Anm. 8), S. 2−3 ; Thomas P. Osborne : „Récitez entre vous des psaumes, des hymnes et des cantiques inspirés“ (Ep 5,19). Un état de la question sur l’étude des „hymnes“ du Nouveau Testament, in : Daniel Gerber ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, S. 57–80 ; zum Versuch einer Verhältnisbestimmung zum „Gebet“ vgl. u. a. Furley ; Bremer : Hymns I, S. 3−4 ; ebd., S. 3 : „As we will see, there were various forms of Greek hymn which were spoken or recited rather than sung, and, converse­ly, p ­ rayers which were spoken in unison and rhythmically by a con­ gregation.“ 10 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 206. Vgl. auch Löhr : Beginnings (wie Anm. 8), S. 167.172 ; Rainer Kampling, „Ermutigt einander mit Psalmen, Lobgesängen …“ (Eph 5,19). Musik in den Anfängen der Kirche, in : Ders. ; Andreas Hölscher (Hrsg.) : Musik in der religiösen Erfahrung. Historisch-theologische Zugänge (Apeliotes Studien zur Kulturgeschichte und Theologie ; 13), Frankfurt a. M., 2014, S. 35−46, hier besonders S. 46.

18  Christoph Gregor Müller

und in lateinischer Sprache durch Hilarius, Ambrosius und Prudentius erhalten geblieben.“11 Das bedeutet freilich nicht, dass nicht auch in früheren Zeiten und Generationen gesungen worden wäre. Ein weites Feld relativ gesicherter Möglichkeiten ergibt sich nämlich durch den Psalter ; „… die ersten Lieder der urchristlichen Gemeinde waren die in neuer, ‚messianischer‘ Weise gedeuteten Psalmen des Alten Bundes.“12 Das Beten und Singen der Psalmen hat seine zentrale Bedeutung für den christlichen Gottesdienst bis heute behalten (oder wiedergewonnen).13 Mit den Psalmen Israels beten auch die Christus-Gläubigen, beispielsweise mit Psalm 9 : „Ich will jauchzen und an dir mich freuen, für dich, du Höchster, will ich singen und spielen.“ (Ps 9,3) oder Psalm 13 : „Singen will ich dem Herrn, weil er mir Gutes getan hat“ (Ps 13,6). 11 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 222. Vgl. auch Antonius Bas-

tiaensen  : De oudchristelijke hymne, in  : Lampas 23 (1990), S. 244−258 ; Clemens Leonhard : Which Hymns were sung in Ancient Christian Liturgies ?, in : Ders. ; Hermut Löhr (Hrsg.) : Literature or Liturgy ? Early Christian Hymns and Prayers in their Literary and Liturgical Context in Antiquity (WUNT II ; 363), Tübingen 2014, S. 175−194, hier S. 177.191−192. Als ältestes Dokument für einen frühchristlichen Hymnus mit musikalischer Notation gilt P. Oxy. 1786 ; vgl. dazu Charles H. Cosgrove : The Earliest Christian Hymn with Musical Notation. A Critical History of Interpretation of P. OXY. 1786, in : EL 120 (2006), S. 257−276 ; Eckhard J. Schnabel : Singing and Instrumental Music in the Early Church, in : Walter Hilbrands (Hrsg.) : Sprache lieben – Gottes Wort verstehen. Beiträge zur biblischen Exegese (Festschrift für Heinrich von Siebenthal) (Bibelwissenschaftliche Monographien ; 17), Gießen – Basel 2011, S. 309−341, hier S. 338−339. 12 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 233. 13 Doch ist auch hier eine gewisse Vorsicht angeraten ; vgl. Löhr : Beginnings (wie Anm. 8), S. 168, Anm. 48 : „Direct evidence for the use of the biblical psalms in early Christian communal worship is lack­ ing“. Die Lage ab dem 3. Jh. ist deutlicher zu greifen.

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  19

Auf der Spurensuche nach frühchristlichen Gottesdienstfeiern mit Liedbeiträgen sind wir zunächst auf den Ersten Korintherbrief verwiesen. Der älteste Text des NT für das hier behandelte Thema14 ist das 14. Kapitel dieses Schreibens, darin vor allem 1 Kor 14,26–33. „Der Apostel unterscheidet dabei das Beten (proseu,cesqai) und ein Singen (ya,llein)“.15 1 Kor 14,26–33a : 26 27 28 29 30 31

„Was ist nun, Brüder ? Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder einen Psalm, hat eine Lehre (didach.n), hat eine Offenbarung (avpoka,luyin), hat eine Zunge(nrede), hat eine Auslegung (e`rmhnei,an) ; alles soll zur Erbauung (pro.j oivkodomh.n) geschehen. Sei es, dass einer zungenredet, zu zweit oder höchstens zu dritt und der Reihe nach, und einer soll auslegen ; wenn aber nicht (da) ist ein Ausleger, schweigen soll er in (der) Gemeinde, er soll aber zu sich reden und zu Gott. Propheten aber sollen zwei oder drei reden, und die anderen sollen beurteilen ; wenn aber einem anderen Dasitzenden geoffenbart wird, soll der erste schweigen. Denn ihr könnt einzeln alle prophezeien, damit alle lernen und alle ermahnt werden.

14 Vgl. auch Leonard Thompson : Hymns in Early Christian Worship,

in : AThR 55 (1973), S. 458−472, hier S. 459 ; Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 239. 15 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 239.

20  Christoph Gregor Müller 32 Und die Geister von Propheten ordnen sich (den) Propheten unter, 33 denn nicht der Gott der Unordnung ist er, sondern des Friedens.“

An der den V. 26 einleitenden Wendung „Was ist nun Brüder ?“ ist erkennbar, dass hier ein neuer Textabschnitt einsetzt, der eine Art „Schlussfolgerung“ aus den vorausgehenden Ausführungen darstellt. Erneut aufgegriffen wird das für die gottesdienstlichen Versammlungen wiederholt verwendete sune,rcesqai (vgl. 11,17.18.20.33.34 ; 14,23).16 Es handelt sich um einen terminus technicus frühchristlichen Vokabulars, gebraucht für die Gemeindeversammlung – vor allem für die gottesdienstliche Zusammenkunft.17 In V. 26 benennt Paulus fünf Hauptmerkmale des korinthischen Gottesdienstes : „Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Zungen(rede), hat eine Auslegung ; alles soll zur Erbauung geschehen.“ Hier kommt eine Vielfalt von Wortbeiträgen in den Blick, durch die die Gemeinde belebt bzw. erbaut wird. Auferbauung wird für Paulus vor allem dann zur Erfahrung, wenn die Gemeinde 16 Von daher ist wenig verständlich, dass Luise Schottroff : Der erste

Brief an die Gemeinde in Korinth (ThKNT 7), Stuttgart 2013, S. 277 in ihrem Kommentar die „Einschätzung des Abschnitts als Anweisungen des Apostels für den Gemeinde-‚ Gottesdienst“ als „unangemessen“ bestreitet, wobei nicht in Frage gestellt werden soll, dass die Anweisungen für ein Vielerlei von Versammlungen Geltung haben sollen. Vgl. zur Auslegung des Abschnitts auch Dieter Zeller : Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), Göttingen 2010, S. 440−443. 17 Christoph Gregor Müller : Zusammenkommen als Gemeinde Gottes. Beobachtungen aus neutestamentlicher Sicht, in : Karlheinz Diez ; Richard Hartmann ; Christoph Gregor Müller ; Andreas Odenthal : Kirche und Gemeinde : Wie kommen Christen zusammen ? Theologische Überlegungen zum Pastoralen Prozess im Bistum Fulda (FHSS 46), Frankfurt a. M. 2004, S. 65−95.

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  21

als solche zusammenkommt, wenn sich die Getauften versammeln.18 Die „Versammlungen in den Häusern bilden die Mitte des Gemeindelebens“.19 In urchristlichen Gottesdiensten, speziell in paulinischen Gemeinden, kommt dabei dem Wort zentrale Bedeutung zu. „Schriftlesung und Schriftauslegung sind nach synagogalem Vorbild ein fester Bestandteil des urchristlichen Gottesdienstes.“20 Aber auch andere Wortbeiträge spielten eine gewichtige Rolle ; alle sollen der Auferbauung dienen. Paulus versucht in 1 Kor 14 (vgl. den oben abgedruckten Text), ein ungeordnetes drunter und drüber bei Gottesdiensten der Gemeinde abzuwehren. Spürbar wird in den von ihm formulierten Regeln vor allem das Bemühen um eine „sinnvolle Koordination“.21 „Höchstes Kriterium dafür, ob jemand einen Beitrag in der Versammlung geben darf, ist der Nut18 Dabei ist nicht ausschließlich an gottesdienstliche Versammlungen

zu denken ; vgl. z. B. 1 Kor 5,4 f (Beratung eines Ausschlusses aus der Gemeinde) ; 6,1 ff (Beratung und Verhandlung von Rechtsstreitigkeiten). 19 Peter Wick : Die urchristlichen Gottesdienste. Entstehung und Entwicklung im Rahmen der frühjüdischen Tempel-, Synagogen- und Hausfrömmigkeit (BWANT 150), Stuttgart – Berlin – Köln 2002, S. 221. Von daher sind die Gewohnheiten und Praktiken antiker Symposien auch für die frühchristlichen Gesänge zu reflektieren ; vgl. z. B. Leonhard : Hymns (wie Anm. 11), S. 186, mit seinem Hinweis auf Plutarch : „Plutarch mentions the singing of sko,lia where each par­ ticipant in the symposium would contribute a song to the common entertainment.“ 20 Thomas Söding : Wort des lebendigen Gottes ? Die neutestamentlichen Briefe im Wortgottesdienst der Eucharistiefeier, in : Benedikt Kranemann ; Thomas Sternberg (Hrsg.) : Wie das Wort Gottes feiern ? Der Wortgottesdienst als theologische Herausforderung (QD 194), Freiburg – Basel – Wien 2002, S. 41−81, hier S. 46−47. 21 Martin Ebner : Strukturen fallen auch in christlichen Gemeinden nicht vom Himmel. Überlegungen zu neutestamentlichen Gemeindemodellen, in : Diakonia 31 (2000), S. 60−66.199−204, hier S. 63.

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zen für den anderen […]. Nur diejenigen sollen hier praktiziert werden, die der Erbauung der Gemeinde dienen (οἰκοδομή/οἰκοδομεῖν : 14,3.4.5.12.17.26).“22 Im Schlussteil von Kapitel 14 werden deshalb Regeln für das Verhalten im Gottesdienst der Gemeinde formuliert. Dabei sollen alle ihre charismatischen Fähigkeiten einbringen können.23 1 Kor 14 spricht : von prophetischem Reden zur Erbauung und Ermahnung (vgl. 14,3), von Worten der Offenbarung, der Erkenntnis, der Weisheit, der Weissagung, der Lehre (vgl. 14,6.26 ; 12,8), vom Singen (vgl. 14,15 f.26), von Zungenrede und ihrer Auslegung (vgl. 14,5.26). Zu den liturgischen Elementen gehören : – Psalmen – Der Begriff yalmo,j steht für „Lobgesang“ ; es ist hier „vermutlich an urchristliche Lieder zu denken, wie sie auch Kol 3,16 und Eph 5,19 erwähnt werden“ ;24 offen „muß die Frage bleiben, ob der Apostel hier an einen Psalm aus dem Alten Testament, an ein

22 Wick : Gottesdienste (wie Anm. 19), S. 214. 23 So hieß es in 14,5 f : „Ich will aber, dass ihr alle zungenredet, mehr

aber, dass ihr prophezeit ; größer aber (ist) der Prophezeiende als der mit Zungen Redende, außer wenn er auslegt, damit die Gemeinde Erbauung empfängt. Jetzt aber, Brüder, wenn ich zu euch komme zungenredend, was werde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch rede entweder in Offenbarung oder in Erkenntnis oder in Prophezeiung oder [in] Lehre ?“ Aus 14,15 ergänzt Paulus den Hymnus, „der wie die Katechese zu Hause vorbereitet und in die Versammlung mitgebracht werden kann“ – so Hans-Josef Klauck : 1. Korintherbrief (NEB 7), Würzburg 21987, S. 103. 24 Wolfgang Schrage : Der erste Brief an die Korinther. 3. Teilband : 1 Kor 11,17–14,40 (EKK VII/3), Zürich – Braunschweig – Neukirchen-Vluyn 1999, S. 446 ; vgl. auch Kampling : Psalmen (wie Anm. 10), S. 39. Solche Lieder werden von vielen Exegeten in unterschiedlichen Schriften des Neuen Testaments angenommen ; für Phil 2,6 ff ; Kol 1,15 ff ; 1 Tim 3,16 u. a.

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ad hoc gedichtetes Lied oder an einen ‚christlichen Psalm‘ denkt, der der Gemeinde schon bekannt ist“ ;25 – Lehren 26 – Paulus verwendet hier den Terminus didach, (vgl. auch 1 Kor 12,28) ; – Offenbarungen – Paulus verwendet den Terminus avpoka,luyij ; das weist wie in 14,6 „auf eine prophetische Offenbarung (vgl. V. 29 f)“ hin ;27 – Zungenreden ;28 – Auslegungen, die sich wohl in erster Linie auf die Zungenreden beziehen. Glossolalisch-ekstatische Erfahrungen scheinen in Korinth hoch im Kurs gestanden zu haben. Schon auf den ersten Blick wird erkennbar, dass alle diese hier genannten Begabungen etwas mit dem Wort zu tun haben. Zudem bilden sie eine Mischung aus Begabung und Vorbereitung sowie Spontaneität. Und V. 26 gibt gut zu erkennen, „daß der Gottesdienst von der ganzen Gemeinde getragen wird und jeder sein spezifisches Charisma auch in den Gottesdienst einbringt.“29 Am Schluss von V. 26 bringt Paulus noch einmal in Erinnerung, worauf auch diese Elemente des Gottesdienstes abzielen : „alles soll zur Erbauung geschehen“ (pa,nta pro.j oivkodomh.n gine,sqw).

25 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 241. 26 Vgl. Zeller : Der erste Brief (wie Anm. 16), S. 440, mit dem Hin-

weis : „Auch in Kol 3,16 steht neben dem Lobgesang die Lehre ‚in jeglicher Weisheit‘.“ 27 Schrage : Der erste Brief (wie Anm. 24), S. 447. 28 Zungenrede und Prophetie haben für Paulus etwas Entscheidendes gemeinsam ; sie zielen auf „die endzeitlichen Mysterien Gottes“ ; so Klauck : 1. Korintherbrief (wie Anm. 23), S. 99. Beide Begabungen werden auch einem gemeinsamen Kriterium unterworfen – der Kommunikabilität. 29 Schrage : Der erste Brief (wie Anm. 24), S. 445.

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Aus 1 Kor 14,22–25 geht übrigens deutlich hervor, dass auch Nicht-Christen am Gottesdienst der Gemeinde teilnehmen, interessierte Leute, die offensichtlich von Gemeindegliedern mitgenommen wurden : „Der Gottesdienst gewinnt so eine missionarische Funktion.“30 Vom Gottesdienst wird demnach erwartet – vgl. auch V. 19 –, dass es hier etwas zu lernen gibt (das entspricht der Intention des jüdischen Sabbatgottesdienstes).31 Dabei fällt auf, dass auch Heiden zum Gottesdienst als Gäste zugelassen sind. Lehre und Ermahnung scheinen zwei wichtige Grundbausteine der gottesdienstlichen Versammlung zu sein. Aber auch Hymnen bergen die Möglichkeit in sich, durch sie zu lernen.32 Paulus begründet seine Regeln damit, dass die eingeforderte Ordnung im letzten eine theologische Begründung hat. Es geht nicht um einen Gott der Unordnung, sondern um einen Gott des Friedens.33 „Ein ungezügeltes Durcheinander entspricht nicht dem Willen des Gottes, der doch Spender des Geistes ist und zugleich Urheber eines fried-

30 Söding : Wort (wie Anm. 20), S. 46. 31 Paulus orientiert sich an synagogalen Gottesdienstordnungen. Darin

werden ebenfalls Rollen verteilt, die Abfolge von Lesen, Übersetzen und Auslegen festgelegt und der Nutzen reflektiert, der sich für die am Gottesdienst Beteiligten einstellen soll. So heißt es bei Josephus (Bell 2,132) von den Essenern : „Weder Geschrei noch Lärm entweiht jemals das Haus ; sie gewähren einander der Ordnung nach (evn ta,xei) zu sprechen“. 32 Vgl. dazu vor allem Matthew E. Gordley : Teaching through Song in Antiquity. Didactic Hymnody among Greek, Romans, Jews, and Christians (WUNT II ; 302), Tübingen 2011. 33 Die Erwähnung des „Friedens“ erinnert in 1 Kor 14,33 an das Präskript des 1 Kor (1,3). Mit „Friede“ ist all das konnotiert, was der hebräische Begriff „Schalom“ umfaßt, den Zustand des von Gott geschenkten und garantierten Wohlergehens, das umfassende Heil.

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lichen Miteinanders.“34 Der „Frieden“ (eivrh,nh) – das ist heilvoll geordnetes Miteinander, das ist zugleich die eschatologische Gabe des Gottes, der nach 2 Kor 13,11 der „Gott der Liebe und des Friedens“ heißt. „Der Frieden Gottes ist die Fülle des Lebens, die Gott gibt […]. Diese Übersetzung von eirene ist auch hier angemessen, da das deutsche Wort ‚Frieden‘ zu eng ist für die biblische Tradition des schalom. In diesem Satz könnte das deutsche Wort Friede zur Vorstellung führen, Gott sei ein Gott des Friedens im Sinne von Ordnung. Vielmehr : Gott gibt die Fülle des Lebens, die sich in der Fülle und Vielfalt der Begabungen ausdrückt.“35 Auch angesichts aller von Paulus formulierten Regeln besteht heute freilich „Zurückhaltung gegenüber der Annahme, man könne aus den Befunden auf eine feste Gottesdienststruktur schließen“.36 „Tatsächlich verfügen wir über relativ wenig gesichertes Wissen zum christlichen Gottesdienst der Frühphase.“37

2. Der Philipper-Hymnus In paulinischen Briefen, aber auch in anderen Schreiben des Neuen Testaments, werden immer wieder Spuren von Traditionen erkennbar, die die jeweiligen Verfasser als Traditionsgut aufgenommen und in ihre Ausführungen integriert haben. So ist wiederholt von „Liedern“ und „Liedfragmenten“ bei Paulus und anderen neutestamentlichen 34 Klauck : 1. Korintherbrief (wie Anm. 23), S. 104. 35 Schottroff : Der erste Brief (wie Anm. 16), S. 279. Zu „Gott des

Friedens“ vgl. auch Zeller : Der erste Brief (wie Anm. 16), S. 443. 36 Michael Theobald : Der Gottesdienst der Kirche und das Neue Tes-

tament. Erwägungen zu ihrem gegenseitigen Verhältnis, in : ThQ 189 (2009), S. 130−157, hier S. 138. 37 Theobald : Gottesdienst (wie Anm. 36), S. 139.

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Autoren die Rede.38 Dazu gehören z. B. so vertraute Worte (bzw. Sätze) wie die Responsion39 „Amen“40 (Röm 11,36 ; 1 Kor 14,16 ; Phil 4,20 ; 1 Petr 4,11 ; 5,11 ; Offb 5,14 ; 19,4 ; 22,20 ; Did 10,6),41 das „Halleluja“ (vgl. besonders Ps 113– 118 ; 149 ; 150), die Rufe „Hosanna“ („Hilf doch !“ oder „Bring doch Hilfe !“ – Ps 118,25 ; Mk 11,9 f ; Did 10,6) oder „Maranatha“ (1 Kor 16,22 ; [vgl. auch Offb 22,20] ; Did 10,6). „Auf die Prägung des frühchristlichen Gottesdienstes durch die synagogale Gebetssprache verweisen das respon38 Vgl. für die ältere Forschung Martin Dibelius : Zur Formgeschichte

des Neuen Testaments (außerhalb der Evangelien), in : ThR 3 (1931), S. 207−242 ; Martin Rese : Formeln und Lieder im Neuen Testament. Einige notwendige Anmerkungen, in : VuF 15 (1970), S. 75−95 ; Löhr : Beginnings (wie Anm. 8), S. 157−158. 39 Vgl. dazu Klaus-Peter Jörns : Das hymnische Evangelium. Untersuchungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymnischen Stücke in der Johannesoffenbarung (StNT 5), Gütersloh 1971, S. 19 : „Die kürzeste Responsion, die wir kennen […], ist ‚Amen‘. Eine Responsion drückt Zustimmung zu etwas Vorangegangenem und Aneignung desselben aus.“ 40 Vgl. hierzu u. a. Eberhard Güting : Amen, Eulogie, Doxologie, in : Dietrich-Alex Koch ; Hermann Lichtenberger (Hrsg.) : Begegnungen zwischen Christentum und Judentum in Antike und Mittelalter (Festschrift für Heinz Schreckenberg), Göttingen 1993, S. 133−162 ; Gottfried Schimanowski : Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühjüdischen Traditionen in Offenbarung 4–5 unter Einschluss der Hekhalotliteratur (WUNT II ; 154), Tübingen 2002, S. 264−266, besonders S. 264 : „‚Amen‘ gehörte wie das ‚Halleluja‘ schon zu den Responsorien, mit denen die Gemeinde den Gesang der Leviten im Tempel erwiderte“ (mit Hinweis auf Ismar Elbogen : Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, 2. Nachdruck der dritten verbesserten Aufl., Frankfurt a. M. [1931], Hildesheim – Zürich – New York 1995, S. 495, u. a.). 41 Vgl. für das Alte Testament und die frühjüdische Literatur auch Num 5,22 ; Ps 41,14 ; 72,19 ; Neh 8,6 ; 1 Chr 16,36 ; 1QS I,18–20 ; II,10.18 ; 4Q286–287 ; 4Q504 ; 4Q507–511.

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sorische ‚Amen‘ und Akklamationen42 wie das ‚Halleluja‘ (Offb 19,1.3.4.6) oder das ‚Hosanna‘ (Mk 11,9 f. parr.).“43 Der Gebetsruf „Maranatha (mara,naqa,)“44 kennzeichnet die Erwartung bzw. Stimmung frühchristlicher Liturgie. In Did 10,6 ist der Gebetsruf mit der Herrenmahlfeier verbunden ; vgl. auch Offb 22,20 : „Komm, Herr Jesus !“. Alles was geschieht bzw. geschehen soll, erhält als entscheidende Perspektive die Parusie des Kyrios, die herbeigefleht wird. Vgl. zu dieser Erwartung auch Stellen wie Phil 3,20 u. a. Dieser Ruf könnte allerdings allmählich auch überlagert sein „vom Herbeirufen des Herrn in die zum Herrenmahl versammelte Gemeinde“.45 Man kann nämlich auch übersetzen : „Unser Herr ist gekommen.“ – Dann handelt es sich um ein „Bekenntnis zur sakramentalen Epiphanie des Kyrios im Kult“.46 Auch an dieser Stelle gilt, dass in didaktischer Hinsicht die Rolle von Hymnen nicht unterschätzt werden darf.47 42 Zur Akklamation vgl. Angelos Chaniotis : Acclamations as a form

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of religious communication, in : Hubert Cancik ; Jörg Rüpke (Hrsg.) : Die Religion des Imperium Romanum. Koine und Konfrontationen unter Mitarbeit von Franca Fabricius – Diana Püschel, Tübingen 2009, S. 199−218 ; vgl. auch Georg Kathstede : Liturgia caelestis. Trosterfahrungen durch himmlische Liturgie. Eine exegetische Untersuchung der himmlischen Liturgie in der Offenbarung des Johannes unter besonderer Berücksichtigung der Lieder (Religionswissenschaftliche Studien), Aachen 2012, S. 61−63.259.288−289. Theobald : Gottesdienst (wie Anm. 36), S. 143. Jetzt auch im neuen Gotteslob 634,6 : „Komm Herr Jesus, Maranatha“ ; vgl. außerdem GL 232 „Dein Reich komme, ja dein Reich komme ! Maranatha !“ ; 634,2 oder 634,6 : „Komm, Herr Jesus, Maranatha.“ Klauck : 1. Korintherbrief (wie Anm. 23), S. 127. Ebd., S. 127. Vgl. auch Thompson : Hymns (wie Anm. 14), S. 466 ; Edgar Krentz : Epideiktik and Hymnody : The New Testament and Its World, in : BR 40 (1995), S. 50−97, hier S. 89 ; Gordley : Teaching (wie Anm. 32),

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Entscheidende Bedeutung kommt der Anrufung des Kyrios Jesus zu ; vgl. hierzu besonders 1 Kor 1,2 (vgl. auch Röm 10,12) ! „Herr ist Jesus“-Akklamationen finden sich in verschiedenen paulinischen Schreiben : 1 Kor 12,3 ; Phil 2,10 f ; Röm 10,9 (vgl. auch 1 Kor 16,22). „Die Orientierung an der Hoheit des ku,rioj bestimmt die persönliche Frömmigkeit des Paulus, aber gerade auch das gottesdienstliche Leben der Gemeinde, so dass man vom Kyrioskult sprechen könnte.“48 In diesem Zusammenhang kommt einem Text besondere Bedeutung zu, der in zahlreichen Variationen Eingang gefunden hat in unser Singen und Beten49 : das Chrisbesonders S. 269 : „… didactic hymnody played a prominent role in the early churches, especially in promoting belief in Jesus as God’s unique agent in creation and redemption“ und S. 391 : „… didactic hymnody should be considered more prominently as a major vehicle that was used for creating, promoting, and affirming a Christian ­u nderstanding of reality“. Dabei spielt auch die lange Tradition philosophischer Hymnen eine bedeutsame Rolle ; vgl. dazu – neben den Sammlungen von Lattke : Hymnus (wie Anm. 8) ; Furley ; Bremer : Hymns I-II (wie Anm. 9), und Günther Zuntz : Griechische philosophische Hymnen, aus dem Nachlaß, hrsg. von Hubert Cancik und Lutz Käppel, Tübingen 2005 – vor allem Johan C. Thom : Clean­ thes’ Hymn to Zeus. Text, Translation, and Commentary (Studien und Texte zu Antike und Christentum ; Bd. 33), Tübingen 2005, S. 9 (mit speziellem Blick auf den Zeus-Hymnus des Kleanthes) : „We may therefore expect this hymn to belong to the genre of philosophical hymns, which are adressed to personifications of impersonal principles, or to traditional deities allegorized as principles of nature“, oder S. 13 : „This hymn, like many others, functions on two different communication levels : internally, it is a communication between human beings and God, but there is also an external communication be­t ween the poet Cleanthes and his human audience.“ 48 Ulrich B. Müller : Die Lebenswende des Apostels Paulus und seine bleibende Orientierung am Kyrios Jesus, in : BZ NF 56 (2012), S. 161−187, hier S. 170. 49 Beispiel aus dem neuen Gotteslob : 629,6.

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tuslob in Phil 2,6–11.50 Nach der Einschätzung sehr vieler Ausleger handelt es sich bei Phil 2,6–11 „um einen vorpaulinischen Text in Liedform, den Paulus überarbeitet seinem Brief beigefügt hat“.51 Das Lied ist in seinem Ausgang vom Präexistenzgedanken geprägt, beschreibt in der ersten Strophe den Abstieg Jesu Christi. Nach einem Subjektwechsel (V. 9) wird die Erhöhung durch Gott in der zweiten Strophe zum Thema. „Der Text von Phil 2,6– 11 ist strukturiert durch eine stark gegenläufige Dynamik ; sie setzt beim Göttlichen ein (6), stürzt dann gleichsam in die Tiefe (7–8), um sich sodann in einem zeitentgrenzenden Akt der Erhöhung wieder empor zu schwingen (9– 11).“52 Hier begegnet das Gegenbild zum sich selbst erhöhenden Herrscher. „Alles, was von Jesus zu sagen ist, bleibt eingebunden in die Bezogenheit Gottes“,53 auch sein Sterben am Kreuz, auch sein Begraben-Werden. „Bereits wenige Jahre nach Jesu Tod wird so dessen Geschick als ein Geschehen gedeutet, das aus der Ewigkeit Gottes 50 Zur Auslegung vgl. neben den Kommentaren auch die spezifische Li-

teratur zum Phil-Hymnus : Ernst Lohmeyer : Kyrios Jesus. Eine Untersuchung zu Phil 2,5–11, Heidelberg 1928 ; Franz Zeilinger : Zum Lobpreis seiner Herrlichkeit. Exegetische Erschließung der Neutestamentlichen Cantica im Stundenbuch, Wien – Freiburg – Basel 1988, S. 66−90 ; Ulrich B. Müller : Der Christushymnus Phil 2,6– 11, in : ZNW 79 (1988), S. 17−44. Nach Ralph Brucker : ‚Christushymnen‘ oder ‚epideiktische Passagen‘. Studien zum Stilwechsel im Neuen Testament und seiner Umwelt (FRLANT 176), Göttingen 1997, ist es angemessener, von „Christuslob“ oder „epideiktischer Passage“ zu sprechen. 51 Rainer Kampling : Das Lied vom Weg Jesu, des Herrn. Eine Annäherung an Phil 2,6–11, in : BiKi 64 (2009), S. 18−22, hier S. 18 ; vgl. auch Reinhard Feldmeier : Macht – Dienst – Demut. Ein neutestamentlicher Beitrag zur Ethik, Tübingen 2012, S. 90. 52 Kampling : Lied (wie Anm. 51), S. 19. 53 Ebd., S. 20.

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kommt und wieder in ihr mündet – mit der Folge einer Himmel, Erde und Unterwelt umgreifenden Umwälzung.“54 Die wird gebündelt in einem neuen Namen : Jesus wird mit Gott als Kyrios angerufen und besungen. Paulus verbindet das Christuslob in Phil 2,6–1155 „mit einer Ermahnung an die Gemeindemitglieder zu einem angemessenen Verhalten untereinander“.56 Es geht um das Verhalten „in Christus“ (V. 5) ; die Demut ist es, „die dem Sein in Christus entspricht“.57 „Denn ‚in Christus‘, die Wendung, die bereits in V. 1 verwendet wurde und hier in V. 5 wiederholt wird, ist bei Paulus eine feste, für seine Theologie charakteristische Formel. Sie findet sich alleine im Philipperbrief achtmal und bringt die Einbindung der Glaubenden in ein neues, durch Christus bestimmtes Bezugssystem zum Ausdruck.“58 In ihrem Lebensraum entwickeln die Christusgläubigen und -bekenner eine neue Haltung und Lebensweise. „Eine Schlüsselstellung kommt dabei dem Wort tapeinou/n zu, das im Hymnus die Selbsterniedrigung Christi bezeichnet und dessen Entsprechung in der Paränese, die tapeinofrosu,nh, folglich die von den Gläubigen geforderte Demut mit deren ‚Christusförmigkeit‘ begründet.“59 Wer so singt, kann sich nicht mehr über 54 Feldmeier : Macht (wie Anm. 51), S. 101. 55 Zur Auslegung vgl. neben den Kommentaren auch Lohmeyer : Ky-

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rios (wie Anm. 50) ; Müller : Christushymnus (wie Anm. 50) ; Gordley : Teaching (wie Anm. 32), S. 280−287 ; Feldmeier : Macht (wie Anm. 51), S. 252−257. Kampling : Lied (wie Anm. 51), S. 21. Feldmeier : Macht (wie Anm. 51), S. 97. Ebd., S. 97. Ebd., S. 102. Vgl. auch ebd., S. 108 : „Durch den Philipperhymnus wird also deutlich gemacht, dass der tiefste Grund der Demut die Gemeinschaft mit dem sich erniedrigenden Christus und durch ihn mit dem Gott ist, der im Verzicht auf Alleinherrschaft seine Ehre als Vater erweist“ ; Reinhard Feldmeier : „Basis des Kontaktes unter Chris-

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andere erheben. Gerade hier wird erkennbar, dass auch ein literarischer Hymnus darauf zielt, „in seinen Lesern bzw. Hörern eine bestimmte, dem Gegenstand angemessene Einstellung zu erzeugen“.60

3. „Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt“ (Kol 3,16) Das Urchristentum hat zwar schon sehr früh religiöse Dichtung hervorgebracht, wie die „Liedfragmente“ zeigen, die wir schon in den Blick genommen haben (vgl. vor allem auch 1 Kor 14,26 ; Kol 3,1661 ; Eph 5,1962), aber es hat „keine dem atl. Psalter analoge Sammlung christlicher Gesänge hinterlassen“.63 „Verbunden mit der Rekonstruktion dieser Texte stellt sich das Problem ihrer formgeschichtlichen Klassifikation und sachgerechten Denomination.“64 Dieselbe Fragestellung ergibt sich übrigens auch

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ten“. Demut als Schlüsselbegriff der Ethik des Ersten Petrusbriefes, in : David S. du Toit (Hrsg.) : Bedrängnis und Identität. Studien zu Situation, Kommunikation und Theologie des 1. Petrusbriefes (BZNW 200), Berlin – Boston 2013, S. 249−262, hier 249−257. Samuel Vollenweider : Hymnus, Enkomion oder Psalm ? Schattengefechte in der neutestamentlichen Wissenschaft, in : NTS 56 (2010), S. 208−231, hier S. 221. Andere verweisen auf Kol 3,16 f. Zur Auslegung vgl. – neben den Kommentaren – vor allem Löhr  : Beginnings (wie Anm. 8), S. 163−164. Andere verweisen auf Eph 5,18–20. Schnabel : Singing (wie Anm. 11), S. 315, bemerkt zum Begriff „Psalmen“ in Eph 5,19 : „The term translated as ‚psalms‘ (ya,lmoi) can refer, in the context of its use in the Septuagint, generally to a song of praise, and would thus be synony­mous with the two following terms.“ Zeilinger : Lobpreis (wie Anm. 50), S. 11. Ebd., S. 11. Vgl. auch Kroll : Hymnodik (wie Anm. 8), S. 8 : „Metrische Komposition, wenigstens im landläufigen Sinne des Wortes, ist

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im Bereich philosophischer Hymnen bzw. in der religionsgeschichtlichen Arbeit, die sich mit antiken Hymnen beschäftigt.65 Von daher gibt es in der jüngeren Forschung eine ausgiebige Debatte darüber, welche Texte zu den „Hymnen“ zu rechnen sind bzw. ob überhaupt „Hymnen“ vorliegen.66 So konstatiert Hermut Löhr in einem jüngeren Beitrag zur Diskussion (2014) : „… scholarship is presently somewhat divided about the extent of the form critical approach in general and so also about the existence, the function and the characteristics of early Christian hymns“.67 Es ergeben aber für die erste Zeit durchaus nicht artbestimmend gewesen. Wahrscheinlich hat in dieser Zeit der Prosahymnus sogar weit überwogen.“ 65 Vgl. z. B. Lattke : Hymnus (wie Anm. 8) ; Furley ; Bremer, Hymns I-II (wie Anm. 9) ; Zuntz : Hymnen (wie Anm. 47) ; Thom : Hymn (wie Anm. 47). 66 Vgl. den Sammelband von Daniel Gerber ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, besonders Osborne : Récitez entre vous (wie Anm. 9) ; Vollenweider : Hymnus (wie Anm. 60), besonders S. 211 : „Verunsicherung in Bezug auf die Gattungsbestimmung“ ; ebd., S. 212 : „Die Semantik des griechischen Lexems u[mnoj ist breit und überaus unscharf“ ; Ralph Brucker : „Songs“, „Hymns“, and „Encomia“ in the New Testament ?, in : Clemens Leonhard ; Hermut Löhr (Hrsg.) : Literature or Liturgy ? Early Christian Hymns and Prayers in their Literary and Liturgical Context in Antiquity (WUNT II ; 363), Tübingen 2014, S. 1−14, hier S. 2−3 ; ebd., S. 10 : „In summary, it can be stated that the solemn passages praising Christ or God in the New Testament writings are not quotations of ‚songs‘ or ‚hymns‘ (and hence traces or early Christian liturgy), but rather examples of a literary phenomenon that has numerous analogies in other ancient texts“ ; Löhr : Beginnings (wie Anm. 8). 67 Löhr : Beginnings (wie Anm. 8), S. 159 ; vgl. ebd., S. 158 : „… any claim that a literary text derives from the practice of the early communities has to be argued for carefully. This is especially true for the quest of early Christian hymns which were supposed to have been

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sich erhebliche Definitionsprobleme, wenn genau bezeichnet werden soll, was unter „frühen christlichen Hymnen“ zu verstehen ist.68 Zum Trost sei hinzugefügt : „… modern scholarship on Greek and Roman religion is not much clearer at this point than Biblical studies“.69 Um nicht ganz auf den Terminus zu verzichten, sollten wir ihn als einen Oberbegriff verwenden, dem eine Vielzahl unterschiedlicher Texte zugeordnet werden können.70 Zur Gestaltung71 (kunstvolle Diktion) und Stil72 („feierlich“) entsprechender Texte lässt sich (nach meiner Einschätzung) festhalten : „In den Hymnen der frühen Zeit herrscht ein gehobener Prosastil“.73 Als weitere Stilmerk-

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sung in Christian communal services and from there to have entered into the texts.“ Vgl. ebd., S. 161. Ebd., S. 162. Einen relativ weiten Hymnus-Begriff vertritt auch Klaus Thraede : Art. „Hymnus I“, in : RAC 16, Stuttgart 1994, S. 915−946, hier S. 923. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Beschreibungskategorien, die antike Rhetorik-Lehrer (beispielsweise Quintilian in InstOrat 3.7.6–9) oder Rhetorik-Handbücher anführen  ; vgl. dazu auch Krentz : Epideiktik (wie Anm. 47). Vgl. Vollenweider : Hymnus (wie Anm. 60), S. 210 : „Stilistische Beobachtungen sind als solche kein hinreichender Grund, diachrone Überlegungen zu postulieren ; möglicherweise lassen sie sich methodisch anspruchsloser lediglich als Indizien für einen Stilwechsel auf der Ebene des vorliegenden Textes deuten.“ Dibelius : Formgeschichte (wie Anm. 38), S. 221 ; vgl. auch Vollenweider : Hymnus (wie Anm. 60), S. 214 : „ein feierlicher, dem Thema angemessener Stil“. Vollenweider (ebd., S. 217) erkennt für den griechischen Hymnus einen dreiteiligen Aufbau : „Anrufung, Preis und Bitte“. Ähnlich Furley ; Bremer : Hymns I (wie Anm. 9), S. 52−63 ; Thom : Hymn (wie Anm. 47), S. 8.

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male sind der Relativstil mit betonten relativen Anschlüssen sowie der Partizipstil zu benennen.74 Auch Elemente und Merkmale alttestamentlich-jüdischer Dichtung sind zu beobachten. „Vor allem ist […] im Blick auf die Gesamtanlage das Grundmodell ‚AussageBegründung(en)‘ zu beachten. Es findet sich in verschiedenen jüdischen Gebets- und Liedformen, wie in der Berakâh oder in den qumranischen Hodajot etc.“75 „Derartige Formelemente finden sich sowohl im Magnificat 74 Vgl. auch Zeilinger : Lobpreis (wie Anm. 50), S. 11. 75 Ebd., S. 12. Vgl. auch Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 208 :

„Nicht nur die sog. Psalmen Salomos, sondern auch die vielfältigen liturgischen Dichtungen von Qumran, die Danklieder (Hodajot), die apokryphen Davidpsalmen von Höhle 11Q, die Lieder zum Sabbatopfer und anderen Festen zeigen, daß das zeitgenössische Judentum in bestimmten Gruppen eine fast überfließende Liederdichtung besessen hat.“ Zu den Qumran-Hymnen vgl. auch Bonnie Pedrotti Kittel : The Hymns of Qumran. Translation and Commentary (SBL.DS 50), Ann Arbor (Michigan) 1981 ; Maurya P. Horgan ; Paul J. Kobelski : The Hodayot (1QH) and New Testament Poetry, in : Dies. (Hrsg.) : To Touch the Text (Festschrift für Joseph A. Fitzmyer SJ), New York 1989, S. 179−193 ; Johann Maier : Zu Kult und Liturgie der Qumrangemeinde, in : RdQ 14 (1990), S. 543−586, passim ; Gerard Rouwhorst : Christlicher Gottesdienst und der Gottesdienst Israels. Forschungsgeschichte, historische Interaktionen, Theologie, in : Martin Klöckener ; Angelus A. Häußling ; Reinhard Meßner (Hrsg.) : Theologie des Gottesdienstes Teil 2 Bd. 2 (Gottesdienst der Kirche – Handbuch der Liturgiewissenschaft), Regensburg 2008, S. 491−572, hier S. 514 (Texte !), zur Berakha S. 560−561 ; Hartmut Stegemann ; Eileen M. Schuller ; Carol A. Newsom : 1QHodayota. With Incorporation of 1QHodayotb and 4QHodayota–f (DJD 40), Oxford 2009 ; Gordley : Teaching (wie Anm. 32), S. 247−254 (zu den Barkhi Nafshi Hmynen 4Q434–438) und S. 254−267 (didaktische Hymnen in den Hodayot [1QHa]) ; Beate Ego : Der Gottesdienst der Engel – Von den biblischen Psalmen zur jüdischen Mystik. Traditionskritische Überlegungen zu den Sabbatopferliedern von Qumran, in : ThLZ 140 (2015), S. 886−901.

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und Benedictus der lukanischen Kindheitsgeschichte wie auch in ‚hymnischen‘ Texten der Offenbarung des Johannes“.76 Kol 3,16 spricht von „Psalmen, Hymnen77 und Lieder(n)“. Aber es bleiben Unsicherheiten. „It is not clear whether the three expressions used in this verse, i. e. yalmo,j, u[mnoj, w|vdh,, can be understood as three distinct cat­ egories of Christian poetry.“78 Als Kennzeichnungsmöglichkeit hat Samuel Vollenweider folgenden Vorschlag unterbreitet : „Ein Hymnus besteht in lobendem bzw. preisendem Sprechen oder Singen von und zu göttlichen Wesen“.79 Schon für die frühesten Dichtungen der Kirche gilt, dass sie oft das Leben und die soteriologische Bedeutung Jesu Christi bekenntnisartig nacherzählen. So stellt Martin Hengel fest : „Diese ‚Christuspsalmen‘ haben so ausgesprochenen Lehr- und Bekenntnischarakter. Sie sind ‚geistgewirkte, gesungene Dogmatik‘.“80 Besonders eindrückliche Beispiele bieten : Kol 1,15–2081 ; Eph 1,3–1482 ; 5,14 und 76 Zeilinger : Lobpreis (wie Anm. 50), S. 12. 77 Der Begriff u[mnoj wird im NT nur Kol 3,16 und Eph 5,19 verwendet ;

zu w|vdh, vgl. neben Kol 3,16 auch Eph 5,19 ; Offb 5,9 ; 14,3 ; 15,3. Löhr : Beginnings (wie Anm. 8), S. 164. Vollenweider : Hymnus (wie Anm. 60), S. 221. Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 253. Zur Auslegung vgl. (neben den Kommentaren) u. a. Christian Stettler : Der Kolosserhymnus. Untersuchungen zu Form, traditionsgeschichtlichem Hintergrund und Aussage von Kol 1,15–20 (WUNT II ; 131), Tübingen 2000 ; Matthew E. Gordley : The Colossian Hymn in Context. An Exegesis in Light of Jewish and Greco-Roman Hymnic and Epistolary Conventions (WUNT II ; 228), Tübingen 2007 ; ders. : Teaching (wie Anm. 32), S. 288−302. 82 Zur Auslegung vgl. u. a. Thomas Schmeller : Der zweite Brief an die Korinther, Teilband 1 : 2 Kor 1,1–7,4 (EKK VIII/1), NeukirchenVluyn – Ostfildern 2010, S. 43−77 ; Rudolf Hoppe : Überlegungen zur 78 79 80 81

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1 Tim 3,1683. Es sind „… gerade auch ‚poetische‘ Stücke, die in den Briefen ausgesprochenen Lehrcharakter haben und zugleich der Paränese dienen. Diese Einheit von Lehre, Paränese und Liedtext(en) demonstriert etwa der 1. Petrusbrief.“84 Zusammenfassend lässt sich hinsichtlich dieser Textabschnitte mit Hengel resümieren : „Mit relativer Sicherheit kann man etwa sechs Texte als ‚Christuspsalmen‘ ausweisen, dazu vielleicht noch einige Fragmente und zwei oder drei Stücke aus den Ignatiusbriefen (Eph 7,2 ; 18,2 ; 19,2–3). Relative Einigkeit besteht bei Phil 2,6–11 ; 1. Tim 3,16 ; Hebr 1,3 ; Kol 1,15–18 ; 1. Petr 2,21–25, dazu noch eventuell als Fragment 1. Petr 3,18 und als krönenden Abschluß, gewissermaßen die Klimax der christologischen Entwicklung des Urchristentums, dem Johannes­ prolog 1,1–18.“85

Eulogie des Epheserbriefes (Eph 1,3–14), in : Michael Theobald ; Rudolf Hoppe (Hrsg.) : „Für alle Zeiten zur Erinnerung“ (Jos 4,7). Beiträge zu einer biblischen Gedächtniskultur (Festschrift für Franz Mußner) (SBS 209), Stuttgart 2009, S. 281−299. 83 Vgl. hierzu auch Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 254−255. 84 Ebd., S. 243. 85 Ebd., S 253. Vgl. auch Thompson : Hymns (wie Anm. 14), S. 471, und die Liste bei Hugolinus Langkammer : Jesus in der Sprache der neutestamentlichen Christuslieder, in : Hubert Frankemölle ; Karl Kertelge (Hrsg.) : Vom Urchristentum zu Jesus (Festschrift für Joachim Gnilka), Freiburg – Basel – Wien 1989, S. 467−486, hier S. 468. Langkammer spricht im Blick auf die Passagen in 1 Petr (ebd., S. 468.471) von „Passionshymnen“ und listet 1 Petr 1,19–21 ; 2,22 f und 3,18–22 auf. Zu den hymnischen Elementen in 1 Petr vgl. auch Jacques Schlosser : Les éléments hymniques en 1 Pierre 1,3–2,10, in : Daniel Gerber ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, S. 179−208.

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4. Cantica des NT Die Einführung in das Stundengebet der Kirche nennt die Cantica des Neuen Testaments „gleichsam die Perlen dieser Gebetsstunde“,86 damit sind vor allem Benediktus, Magnifikat und Nunc dimittis angesprochen. „Bezeichnend ist […], daß diese lukanischen Stücke in den christlichen LXX-Handschriften ab dem 5. Jahrhundert, erstmals in dem Codex Alexandrinus, zusammen mit alttestamentlichen ‚Liedern‘ und ‚Gebeten‘ […] als Anhang zum Psalter auftauchen, wobei die Zahl und die Reihenfolge in den Handschriften zum Teil wechseln. Das heißt, sie wurden aufgrund ihres liturgischen Gebrauchs als einzige neutes­ tamentliche Texte dem Psalter, als dem ‚Liederbuch‘ der Kirche, zugerechnet.“87 Der lukanische Erzähltext ist in Lk 1–2 mit Hymnen bestückt,88 die eine vielfältige und faszinierende Rezeptionsgeschichte aufweisen, vor allem im Bereich der Litur86 Stundenbuch I, S. 18*. 87 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 211−212. 88 Vgl. zur Analyse und Auslegung neben den Lukas-Kommentaren vor

allem Stephen Farris : The Hymns of Luke’s Infancy Narratives. Their Origin, Meaning and Significance (JSNT.S 9), Sheffield 1985 ; Norbert Lohfink : Die Lieder der Kindheitsgeschichte bei Lukas, in : Cornelius Mayer ; Karlheinz Müller ; Gerhard Schmalenberg (Hrsg.) : Nach den Anfängen fragen (Festschrift für Gerhard Dautzenberg), Gießen 1994, S. 383−404 ; Gunter Kennel : Frühchristliche Hymnen ? Gattungskritische Studien zur Frage nach den Liedern der frühen Christenheit (WMANT 71), Neukirchen-Vluyn 1995, S. 139−184 ; Ulrike Mittmann-Richert : Magnifikat und Benediktus. Die ältesten Zeugnisse der judenchristlichen Tradition von der Geburt des Messias (WUNT 90), Tübingen 1996 ; Dirk Schinkel : Das Magnifikat Lk 1,46–55 – ein Hymnus in Harlekinsjacke ?, in : ZNW 90 (1999), S. 273−279 ; Richard J. Dillon : The Hymns of Saint Luke. Lyricism and Narrative Strategy in Luke 1–2 (CBQ.M 50), Washington 2013, S. 15−48.

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gie des Stundengebets : Magnifikat und Benediktus, Gloria und Nunc dimittis. Diese Hymnen zeigen eine Reihe von Gemeinsamkeiten : – Sie sind durch und durch aus jüdischem Mutterboden erwachsen, was Sprache, Stil und zahlreiche Motive belegen. – Stichwortverkettungen stützen die einzelnen Einheiten. – Es handelt sich um Lobpreis-Texte auf die „Großtaten“ Gottes, d. h. es geht in erster Linie um eine Charakterisierung des göttlichen Aktanten. – In der Regel besteht eine enge Zuordnung zum Erzähltext. – Die Hymnen können auch als „Ruhepunkte der Handlung“ verstanden werden ; vgl. in diesem Zusammenhang auch alttestamentliche Beispiele wie Ex 15 ; Ri 5 ; 1 Sam 2 oder 2 Sam 22. – Die jeweiligen Sänger gelten dem Erzähler als inspirierte Propheten, als heilsgeschichtliche Visionäre. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle einige Anmerkungen zum Magnifikat machen, also zu Lk 1,46–55 : 46 Und Maria sprach : Meine Seele preist den Herrn, 47 und mein Geist jubelt/jubelte (hvgalli,asen) über Gott, meinen Retter, 48 weil (ὅτι) er geschaut hat auf die Niedrigkeit seiner Magd. Denn siehe, von jetzt an werden mich seligpreisen (makariou/si,n me) alle Geschlechter, 49 weil (o[ti) mir Großes getan der Mächtige. Und heilig (ist) sein Name, 50 und sein Erbarmen (ist) zu Geschlechtern und Geschlechtern denen, die ihn fürchten. 51 Er wirkt/wirkte Macht mit seinem Arm, zerstreut/zerstreute diejenigen, die hochmütig sind in der Gesinnung ihres Herzens ;

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er entthront/entthronte Mächtige von Thronen und erhöht/erhöhte Niedrige, Hungernde sättigt/sättigte er mit Gütern, und Reiche schickt/schickte er leer weg. Er hat sich seines Kindes/Knechtes Israel angenommen, um sich des Erbarmens zu erinnern, wie er (es) gesprochen hat zu unseren Vätern, dem Abraham und seinem Samen/seiner Nachkommenschaft in Ewigkeit.

Das Magnifikat der Maria begegnet uns im Lukasevangelium als Hymnus im Stil alttestamentlicher Psalmen (vgl. Ps 72) bzw. qumranischer Danklieder (Hodajot ; vgl. 1QH 7,26–33). Der Hymnus lehnt sich an die Form eines alttestamentlichen Loblieds eines Einzelnen an. Dabei schöpft das Magnifikat aus einem großen alttestamentlichen Repertoire. Vor allem das Lied der Hanna aus 1 Sam 2,1–10 stellt einen Motivhintergrund dar. Das Magnifikat beginnt mit einem Gotteslob (VV. 46b.47). Die Sängerin preist Gott als ihren persönlichen Retter. An diesen Lobpreis Gottes ist eine zweifache Begründung angeschlossen (o[ti in V. 48a und V. 49a). Der Lobpreis ist bezogen auf die großen Taten Gottes und den heiligen Namen Gottes. Im Zentrum des Hymnus steht die Nennung der Heiligkeit Gottes und sein ewiges Erbarmen gegenüber den Gottesfürchtigen (VV. 49b–50). Der Erweis der göttlichen Machttaten wird wieder aufgegriffen (V. 51) und nun auf die Niedrigen seines Volkes bezogen (VV. 52–53). Die metrische Einteilung schwankt bei den verschiedenen Auslegern. Es werden zwei oder drei Strophen gezählt : a) VV. 46b–50 und VV. 51–53 ; b) VV. 46b–48 und VV. 49–50 und VV. 51–53. Es schließt sich ein Abgesang auf die Treue und die Verheißungen Gottes an (VV.  54 f).

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Wie auch immer die Vorgeschichte des Liedes ausgesehen haben mag,89 es soll hier – entsprechend dem uns zunächst vorliegenden Text – als Bestandteil der lukanischen Erzählung verstanden werden, zumal sich an verschiedenen Stellen Brücken schlagen lassen zum erzählerischen Kontext. In seinen vielfältigen Schriftbezügen und Motiven stellt es ein literarisch-theologisches Kunstwerk dar.90 Mit einer ganzen Reihe von Auslegern möchte ich eine Zweiteilung des Hymnus vornehmen und von daher im Deutschen unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten der Aorist-Formen91 nutzen : a) VV. 46a–49 Rückblick auf Gottes Handeln ; b) VV. 51–55 durch Gott eröffnete Zukunft. V.  46 : Der Hymnus beginnt mit dem Verb megalu,nei (im Unterschied zu den meisten deutschen Übersetzungen bzw. musikalischen Bearbeitungen92) : „Groß macht meine Seele den Herrn“. Mit ku,rioj ist an dieser Stelle – im Unterschied zu Lk 1,43 – Gott selbst gemeint. Schon in diesem Eingangsvers wird deutlich, wie stark das Magnifikat von alttestamentlichen Texten und Motiven geprägt ist ; vgl. 89 Zu dieser Diskussion vgl. vor allem Mittmann-Richert : Magnifi-

kat (wie Anm. 88). 90 Schinkel : Magnifikat (wie Anm. 88), spricht von Cento-Technik. 91 Die Aoristformen im Magnifikat lassen verschiedene Übersetzungs-

möglichkeiten zu. Es geht dabei vor allem um die Frage, ob hier von vergangenem Geschehen die Rede ist, von gegenwärtigem oder von zukünftigem. Die Aoriste können verstanden werden als : Feststellung eines vergangenen Geschehens ; gnomische Bezeugung des regelmäßigen Tuns Gottes ; inchoative Markierung des Anfangs eschatologischer Ereignisse ; prophetische Schilderung der Zukunft (hebr. „prophetisches Perfekt“). 92 Eine löbliche Ausnahme bildet das neue geistliche Lied „Groß sein lässt meine Seele den Herrn“ (altes Fuldaer GL 966, das es nicht mehr ins neue Gotteslob „geschafft“ hat).

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Jes 61,10 : „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott.“ V.  47 : Die avgalli,asij, der Jubel, die eschatologische Begeisterung, ist bereits in Lk 1,14 und 1,44 ein wichtiges Thema. In 1,44 dokumentierte sich dieser Jubel auch leiblich, im Springen des ungeborenen Propheten Johannes.93 Jetzt wird er verbal zum Ausdruck gebracht. Er ist ganz auf Gott ausgerichtet, der als swth,r erfahren wird. Wiederum ist ein Blick auf die Traditionsgeschichte einzelner Versabschnitte bzw. Motive aufschlussreich  ; vgl. 1 Sam 2,194 : „Hanna betete. Sie sagte : Mein Herz ist voll Freude über den Herrn, große Kraft gibt mir der Herr. Weit öffnet sich mein Mund gegen meine Feinde ; denn ich freue mich über deine Hilfe“, vor allem aber Hab 3,18 LXX : evgw. de. kuri,w avgallia,somai, carh,somai evpi. tw/| qew/| tw/| swth/ri, mou.95 V.  48 : Die erste mit ὅτι eingeleitete Begründung in V. 48 gibt das „Schauen“ Gottes an – auf die Niedrigkeit (tapei,nwsij) seiner Sklavin/Magd. An dieser Stelle entzünden sich zahlreiche literarkritische und traditionsgeschichtliche Diskussionen. Denn der Begriff tapei,nwsij, den wir 93 Vgl. dazu auch Christoph Gregor Müller : Mehr als ein Prophet. Die

Charakterzeichnung Johannes des Täufers im lukanischen Erzählwerk (HBS 31), Freiburg u. a. 2001, S. 114−117. 94 Vgl. 1 Sam 1,11 : „Sie (Hanna) machte ein Gelübde und sagte : Herr der Heere, wenn du das Elend deiner Magd wirklich ansiehst, wenn du an mich denkst und deine Magd nicht vergisst und deiner Magd einen männlichen Nachkommen schenkst, dann will ich ihn für sein ganzes Leben dem Herrn überlassen ; kein Schermesser soll an sein Haupt kommen.“ 95 Wenn man den vorausgehenden Hab 3,17 bedenkt, wird das Gewicht einer solchen theologischen Aussage noch deutlicher spürbar : „Zwar blüht der Feigenbaum nicht, an den Reben ist nichts zu ernten, der Ölbaum bringt keinen Ertrag, die Kornfelder tragen keine Frucht ; im Pferch sind keine Schafe, im Stall steht kein Rind mehr“.

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Heutige – aufgrund entsprechender Prägungen – mit „Niedrigkeit“ im Sinne von Demut in Verbindung bringen, steht zunächst einmal für Niedrigkeit, die sich aus Erniedrigung und Unterlegenheit ergibt. Verrät dieser Vers etwas über den ursprünglichen Entstehungsort des Hymnus ? War er zunächst ein Kampflied, das Gottes rettendes Eingreifen in der Schlacht und die Umkehrung der entsprechenden Herrschaftsverhältnisse besang ? Im jetzigen Erzählkontext als Lied der Maria gewinnt der Hymnus sicher eine ganz persönliche Note ; er besingt Gottes Handeln in und durch Maria. Dabei scheint es mir von nicht unerheblicher Bedeutung (auch für eine entsprechende Profilierung der Marienfrömmigkeit) zu sein, dass Maria als Stimme der Niedrigen zu vernehmen ist, als Frau des Volkes Israel, das immer wieder „Niedrigkeit“ und „Erniedrigung“ erfahren hat.96 Aus dem „Schauen Gottes“ auf sie entspringt aus der Perspektive der Sängerin eine fortgesetzte Seligpreisung (makariou/si,n me) künftiger Generationen.97 V.  49 : Die zweite mit o[ti eingeleitete Begründung des Lobpreises erfolgt in V. 49 : „… denn es hat mir Großes 96 In diesem Zusammenhang scheint mir ein Blick ins Buch Judith an-

geraten ; vgl. Jdt 9,11 : „Denn deine Macht stützt sich nicht auf die große Zahl, deine Herrschaft braucht keine starken Männer, sondern du bist der Gott der Schwachen und der Helfer der Geringen ; du bist der Beistand der Armen, der Beschützer der Verachteten und der Retter der Hoffnungslosen.“ 97 Hier liegen die Wurzeln einer entsprechenden Marienverehrung. Schon im Makarismus von Lk 1,45 war es vor allem der Glaube/das Glauben dieser Frau, das Gegenstand der Beglückwünschung war. Diese Linie wird im Lukasevangelium in 11,27 f aufgenommen : „Als er das sagte, rief eine Frau aus der Menge ihm zu : Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat. Er aber erwiderte : Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“ Es ist erfreulich, zu beobachten, dass mit diesem Text die neue Marien-Andacht im neuen Gotteslob (676,4) eröffnet wird.

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getan der Mächtige“. Der Ausdruck mega,la ist zunächst einmal ein sehr weiter Begriff : „Großes“ ; „Bedeutendes“. Im Buch Deuteronomium kann er für den Exodus Israels verwendet werden ; vgl. Dtn 10,21 : „Er ist dein Lobgesang, er ist dein Gott. Für dich hat er all das Große und Furchterregende getan, das du mit eigenen Augen gesehen hast.“ Im spezifischen lukanischen Kontext gewinnt mega,la allerdings sehr konkretes Profil, scheint zunächst bezogen auf eine einzelne Person, die allerdings erwählt ist zum Heil Israels. Die Vorstellung von der Heiligung des Gottesnamens ist uns aus dem „Vater unser“ sehr vertraut ; auch in der lukanischen Fassung in Lk 11,2 heißt es : a`giasqh,to to. o ;noma, sou. Die Sängerin spricht diesen Gedanken von der Heiligung des Gottesnamens in V. 49 aus : „Und heilig (ist) sein Name“. V.  50 : Parallel dazu ist vom „Erbarmen“ Gottes die Rede. Wiederum wird der Blick aus der erlebten Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft gelenkt : „… und sein Erbarmen (ist) zu den Generationen und Generationen denen, die ihn fürchten“. „Gottesfürchtige“ – das ist nach zahlreichen Texten des Alten Testament (und darüber hinaus) ein Begriff für die Frommen in Israel. Vielleicht ist in den „Gott Fürchtenden“ bereits eine Gruppe zu erkennen, die für das lukanische Erzählwerk eine ganz entscheidende Rolle spielt, Menschen, die aus dem Umfeld der Synagoge sich hingezogen sehen zur Gottesfurcht.98 Ihnen wird göttliches Erbarmen zugesagt.99 98 Vgl. Hans-Josef Klauck : Gottesfürchtige im Magnificat ?, in : NTS 43

(1997), S. 134−139. 99 In erzählerischer Hinsicht können wir darin eine Prolepse erkennen.

Vgl. in diesem Zusammenhang Stellen wie Apg 10,2 : „… er (Kornelius) lebte mit seinem ganzen Haus fromm und gottesfürchtig, gab dem Volk reichlich Almosen und betete beständig zu Gott“ ;

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V.  51 : Der Sängerin gegenüber – in scharfem Kontrast – werden die benannt, die in ihrer dia,noia, die im Herzen des Menschen angesiedelt wird, hochmütig sind.100 Damit stehen einander gegenüber : die niedrige Magd – die Überheblichen/Hochmütigen in ihrer Gesinnung. VV.  52 f : In den VV. 52 f begegnen uns antithetische Formulierungen. Erkennbar wird auch eine chiastische Ordnung, in der positiv und negativ gekennzeichnete Gruppen einander gegenübergestellt werden nach dem Muster : a b b‘ a‘. Die von Gott gewirkte Umstürzung bestehender Verhältnisse und Machtkonzentrationen („Thron“) nimmt V. 52 in den Blick. Die Dynasten fegt er von den Thronen ;

Apg 10,22 : „Der Hauptmann Kornelius, ein gerechter und gottesfürchtiger Mann, der beim ganzen Volk der Juden in gutem Ruf steht …“ ; Apg 10,35 : „… sondern dass ihm (Gott) in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ ; Apg 13,16 : „Da stand Paulus auf, gab mit der Hand ein Zeichen und sagte : Ihr Israeliten und ihr Gottesfürchtigen, hört !“ ; Apg 13,25 : „Brüder, ihr Söhne aus Abrahams Geschlecht und ihr Gottesfürchtigen ! Uns wurde das Wort dieses Heils gesandt.“ 100 Der V. 51 hat immer wieder die Frage aufgeworfen, wo der ursprüngliche Entstehungsort bzw. Kontext des hier vorliegenden Liedes zu suchen ist. Manche Ausleger plädieren für die Makkabäerzeit und sehen in diesem Lied ein Siegeslied nach erfolgreicher Schlacht. In einem solchen Kontext wird der Versinhalt „Er wirkt Macht mit seinem Arm, er zerstreut diejenigen, die hochmütig sind in der Gesinnung ihres Herzens“ sehr plastisch. Im lukanischen Kontext hätte der Vers dann allerdings eine starke Veränderung erfahren. Die persönliche Perspektive der Sängerin bestimmt jetzt den Inhalt. Zum Begriff der dia,noia vgl. auch Christoph Gregor Müller : „Umgürtet die Hüften eurer Gesinnung !“ (1 Petr 1,13). Das Zusammenspiel von metaphorischer Rede und nicht-metaphorischer Begrifflichkeit im Ersten Petrusbrief, in : David S. du Toit (Hrsg.), Bedrängnis und Identität. Studien zu Situation, Kommunikation und Theologie des 1. Petrusbriefes, unter Mitarbeit von Torsten Jantsch (BZNW 200), Berlin – Boston 2013, S. 143−166, hier S. 145−151.

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wörtlich : „holt er herunter“ (kaqaire,w). Die „Niedrigen“ (vgl. V. 48) erfahren Erhöhung, die tapei,noi101 – das sind diejenigen, die ihre Hoffnung und Stärke allein in ihrem Gott erkennen.102 Erhöhung bzw. Hilfe erfahren nach V. 53 auch „die Hungernden“. Sie werden angefüllt mit „Gütern“ bzw. mit „Gutem“ (avgaqa).103 V.  54 : Wie stark – ja durch und durch – dieser Hymnus ein Lobpreis Israels ist, wird vor allem in den VV. 54 f erkennbar.104 Grundpfeiler jüdischen Glaubens kommen hier zur Sprache. Die Sängerin des Liedes wird zur Sprecherin ihres Volkes : „Er nimmt sich seines Kindes Israel an, um sich des Erbarmens zu erinnern“ (vgl. V. 50). Israel lebt von der Erinnerung Gottes. V.  55 : Anknüpfungspunkt für die gegenwärtige und zukünftige Hoffnungsperspektive ist das, was Gott in der Vergangenheit gewirkt hat : „… wie er (es) gesprochen hat 101 Auch hier sollten wir entsprechende alttestamentliche Stellen in den

Blick nehmen wie Ijob 5,11 : „… um Niedere hoch zu erheben, damit Trauernde glücklich werden“ oder 1 Sam 2,7 : „Der Herr macht arm und macht reich, er erniedrigt, und er erhöht.“ 102 Vgl. in diesem Zusammenhang die lukanische Seligpreisung der Armen in Lk 6,20 : Maka,rioi oi` ptwcoi,, o[ti u`mete,ra evsti.n h` basilei,a tou/ qeou/. Vgl. auch Lk 6,20–26 insgesamt oder das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus in Lk 16,19–31. 103 Vgl. in diesem Zusammenhang Lk 6,21 : maka,rioi oi` peinw/ntej nu/n, o[ti cortsqh,sesqe („Selig, die jetzt Hungernden, denn ihr werdet gesättigt werden“). Die Kontrastgruppe bilden „die Reichen“. Sie werden mit leeren Händen „weggeschickt“. Vgl. Lk 6,24 : Plh.n ouvai. u`mi/n toi/j plousi,oij, o[ti avpe,cete th.n para,klhsin u`mw/n („Jedoch wehe euch, den Reichen, denn ihr habt weg euren Trost“). 104 Vgl. vor allem Jes 41,8–9 : „Du, mein Knecht Israel, du Jakob, den ich erwählte (LXX : pai/j mou Iakwb, o]n evxelexa,mhn), Nachkomme meines Freundes Abraham : Ich habe dich von den Enden der Erde geholt, aus ihrem äußersten Winkel habe ich dich gerufen. Ich habe zu dir gesagt : Du bist mein Knecht (LXX : Pai/j mou ei=), ich habe dich erwählt und dich nicht verschmäht.“

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zu unseren Vätern, dem Abraham und seinem Samen in Ewigkeit.“ Die Wendung eivj to.n aivw/na begegnet in der LXX häufig, vor allem im Buch der Psalmen. Durch das Abraham-Thema,105 das bei schriftkundigen Lesern Stellen wie Gen 12,3 (Segenszusage) oder Gen 17,7 wachruft, wird auch eine Stichwortverbindung zum Benediktus gestiftet (vgl. Lk 1,73). All diese Generationen werden einbezogen in den großen Lobpreis Mariens, einen theozentrischen Hymnus, der sich vor allem und zuerst auf Gottes rettendes, heilschaffendes Handeln bezieht, dabei Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Blick nimmt. Vergleichbares ließe sich auch zu den anderen lukanischen Hymnen sagen, vor allem zum Benediktus, aber auch zu Nunc dimittis und Gloria.106 Letzteres, das auch Bestandteil der Liturgie der Eucharistiefeier geworden ist, lädt ein zur Identifikation mit den Engeln, die angesichts der Geburt des Gottessohnes Gottes Verherrlichung und den Frieden auf Erden besingen. Vor allem für diesen, am NT anknüpfenden Gesang, liegen vielfältige Vertonungen (auch und gerade im neuen Gotteslob) vor ; hinzu kommt eine Reihe von Weihnachtsliedern, die das Gloria aus Lk 2,14 aufnehmen. 105 Vgl. vor allem Gen 17,7 : „Ich schließe meinen Bund zwischen mir

und dir samt deinen Nachkommen, Generation um Generation, einen ewigen Bund : Dir und Deinen Nachkommen werde ich Gott sein.“ Die Abrahamthematik wird vielfältig im Lukas-Evangelium aufgenommen ; vgl. z. B. Lk 3,8 : Abrahamskinder – Gott kann aus Steinen Kinder Abrahams erwecken ; Lk 19,10 : Zachäus, ein Sohn Abrahams ; Apg 13,25 : „Brüder, ihr Söhne aus Abrahams Geschlecht und ihr Gottesfürchtigen !“ Vgl. auch Müller : Prophet (wie Anm. 93), S. 171.186. 106 Vgl. dazu die gesonderte Studie in diesem Band (Christoph Gregor Müller : Gloria) mit der entsprechenden Untersuchung S. 67–92.

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Zur Wahrnehmung der neutestamentlichen Cantica im neuen Gotteslob vgl. die dortige Liste auf Seite 1227 ; besonders aufmerksam gemacht sei auf folgende Beispiele : Mt 5,3–10 Lk  1,46–55

544,2 ; 651,8 631,4 ; 634,4 ; 644,4 ; 631,8 ; 395 ; 952,2.3 ; 957,2 ; 959,3 Lk 1,68–79 617,2 ; 623,7 ; 384 ; 954,2 ; 959,2 Lk 2,29–32 665,3 ; 500 Joh 1,1 ff 636,2 Eph 1,3 ff 649,8 ; 956,2 Kol  1,12 ff 633,9 Phil 2,6–11 629,6 1 Petr 2,21 ff 639,8 Offb 4,11 ff 653,8 ; 951,2 Offb 19,1.2.5–7 630,2.

5. Seitenblick : Lieder, die biblische Geschichten erzählen Eine besondere Variante biblischen Singens kann in Liedern erkannt werden, die einzelne biblische Perikopen oder besondere Kapitel erzählen. „Eine wichtige Hilfe zum Erfassen von geistlicher Musik ist das Prinzip der Vergegenwärtigung von Heilsereignissen durch Identifizierung mit beteiligten Personen.“107 Aus dem reichen Schatz des neuen Gotteslobs mögen als Beispiele die folgenden dienen :

107 Philipp Harnoncourt : Vom Hören und Erfassen geistlicher Mu-

sik, in : Peter Keller ; Armin Kircher (Hrsg.) : Zwischen Himmel und Erde. Mozarts geistliche Musik. Katalog mit Audio-CD zur 31. Sonderschau des Dommuseums zu Salzburg, 8. April bis 5. November 2006, Salzburg 2006, S. 86−88, hier S. 86.

48  Christoph Gregor Müller Mt 2

760 Ein Kind geborn zu Betlehem (DiözesanTeil FD) Mt 6 820 „Vater unser“ beten wir (Diözesan-Teil FD) Lk 1,26–38 747 Maria war alleine (Diözesan-Teil FD) 537 Ave Maria, gratia plena 858 Ave Maria klare (Diözesan-Teil FD) Joh 20 322 Ihr Christen singet hocherfreut 1 Kor 11 u. a. 282 Beim letzten Abendmahle

6. Die hymnischen Passagen der Apokalypse „Im gottesdienstlichen Leben wird die Himmel und Erde überwölbende Gemeinschaft der Menschen mit den Engeln erfahrbar, treten die Glaubenden in die Welt Gottes ein und werden zu ‚Mitbürgern der Heiligen und Hausgenossen Gottes‘ (Eph 2,19). Dieses Verständnis des Gottesdienstes als Partizipation am Lobgesang der himmlischen Engelmächte stammt aus alttestamentlichen Traditionen zum Jerusalemer Tempel als dem ‚Ort, an dem sich der irdische und der himmlische Bereich berühren, ja an dem diese beiden Bereiche ganz unmittelbar ineinander übergehen‘, und ist im Frühjudentum vor allem in Qumran zu greifen.“108 Entsprechende Stellen im Neuen Testament lassen sich leicht aufzählen : Eph 2,19 ; Phil 2,11 ; 1 Kor 11,10 ; Hebr 12,18–24 sowie die hymnischen Stücke der Apokalypse.109 108 Theobald : Gottesdienst (wie Anm. 36), S. 135, mit Bezugnahme

auf O. Hofius. Vgl. auch Karl Erich Grözinger : Musik und Gesang in der Theologie der frühen jüdischen Literatur. Talmud – Midrasch – Mystik (TSAJ 3), Tübingen 1982 ; Rouwhorst : Gottesdienst (wie Anm. 75). 109 Vgl. dazu auch Kathstede : Liturgia (wie Anm. 42), besonders S. 59−60 (Zusammenstellung der entsprechenden Passagen). Vgl. aber auch Reinhard Deichgräber : Gotteshymnus und Christus-

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  49

Zu dieser zuletzt genannten Gruppe zählen Offb 4,11 ; 5,9 f ; 11,17 f ; 12,10 ff ; 15,3 f (das Lied der Geretteten).110 Hinzukommen liturgische Rufe in Offb 4,8 ; 7,12 ; 11,15 ; 19,5.111 Offb 12,10–12 „erklingt sogar als Lied aus dem Himmel“.112 „Seine erste Strophe proklamiert die Durchsetzung der Herrschaft Gottes und seines Christus, denn der Teufel ist entmachtet. Die zweite Strophe besingt den Sieg der irdischen Gemeinde über den Teufel, und die dritte Strophe ruft auf zum Jubel im Himmel, kündigt der Erde jedoch das Wüten des Hinabgestürzten an.“113 Den Adressaten soll in solchen Passagen eine Gewissheit vermittelt werden : „Der Sieg wird nicht ‚erst beim Ende des Kampfes, konkret beim Lebensende des bekämpften Christen sichtbar‘, sondern bereits im Leben des unbeirrt Kämpfenden.“114 Von daher kann der Sieg auch schon in der Gegenwart gefeiert und besungen werden.115 So „ist dieser Lobpreis,

110 111 112 113 114 115

hymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen (StUNT 5), Göttingen 1967, S. 44−59 ; Jörns : Evangelium (wie Anm. 39), S. 19 ; Michèle Morgen : Comment louer Dieu, „Celui qui siège sur le trône ‚et l’Agneau‘“ ? Étude sur la contextualisation et la fonction des passages hymniques dans l’ensemble du livre de l’Apocalypse, in : Daniel Gerber ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, S. 209−237, u. a. ; vgl. auch den Beitrag von Christoph Gregor Müller zu den hymnischen Passagen in Offb 4–5 im vorliegenden Band. Vgl. auch Offb 5,12.13 f ; 19,1–8. Zur Musik (Gesang und Instrumente) in der Offb vgl. auch Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 206. Taeger : Musik (wie Anm. 5), S. 23. Ebd., S. 36. Ebd., S. 39. Vgl. zu den Trosterfahrungen der Offb auch Kathstede : Liturgia (wie Anm. 42). Zum Hinweis auf das Singen vgl. vor allem Offb 5,9 ; 14,3 ; 15,3.

50  Christoph Gregor Müller

den einmal alle Geschöpfe anstimmen werden, keineswegs bloß ‚Zukunftsmusik‘. Er wird vielmehr bereits in der Gegenwart laut : im himmlischen Thronsaal aus dem Munde der Engelscharen, und im Gottesdienst auf Erden aus dem Munde derer, die das Lamm durch sein Blut von ihren Sünden erlöst und zu Priestern Gottes gemacht hat (5,9b.10 ; vgl. 1,5b.6). So sind schon jetzt und schon hier Engel und Menschen in der Anbetung Gottes und des Lammes miteinander verbunden.“116 Die Vorstellung von einer hymnischen Gemeinschaft mit den Engeln117 ist wiederholt auch in den Liedern/Hodajot in Qumran118 zu beobachten.119 Die Sabbatopferlieder in der Gestalt von 4Q400 Frg. 1 und Frg. 2 oder 4Q403 Frg. 1 liefern hierfür anschauliche Beispiele.120 116 Otfried Hofius : Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der

117

118

119

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Kirche. Eine traditionsgeschichtliche Skizze, in : Ders. : Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, S. 301−325, hier S. 322. Vgl. dazu auch Hofius : Gemeinschaft (wie Anm. 116) ; vgl. auch Franz Tóth : Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte ; Bd. 22), Leipzig 2006, S. 457. Vgl. hierzu Maier : Kult (wie Anm. 75), S. 572 ; Tóth : Kult (wie Anm. 117), S. 252 ; Kathstede : Liturgia (wie Anm. 42), S. 38.43. 56.293. Vgl. neben den Sabbatopfer-Gesängen 4Q400–407 ; 11QShirShabb ; Masada ShirShabb (vgl. hierzu besonders Carol Newsom : Songs of the Sabbath Sacrifice : A Critical Edition [Harvard Semitic Studies ; 27], Atlanta [Georgia] 1985 u. a. ; vgl. vor allem CD 15,15–17 ; 1 QS 11,7 f ; 1Q28a 2,4–9 ; 1 QH 11,22 f ; 1 QH 19,10–14 ; 4Q427 Frg. 7 I,8–15). Zu den Liedern in Qumran vgl. auch Kittel : Hymns (wie Anm. 75) ; Newsom : Songs (wie Anm 119) ; Horgan ; Kobelski : Hodayot (wie Anm. 75) ; Anna Maria Schwemer : Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern aus Qumran, in : Martin Hengel ; Anna Maria Schwemer (Hrsg.) : Königsherrschaft Got-

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  51

„So dienen die Hymnen der himmlischen Gemeinde dazu, den Blick der irdischen Gemeinde von der sie umgebenden Drangsal zu lösen und auf das Ziel der himmlischen Herrlichkeit zu lenken, damit auch sie einmal in der Schar der Überwinder steht und in ihre Lieder einstimmt. Der irdische Gottesdienst aber, den der Apokalyptiker wohl als Spiegelbild des himmlischen begreift, ist der Ort, an dem sich die Gemeinde proleptisch in diese Situation versetzt.“121 Auf diese Weise will der Autor den Adressaten der Apokalypse als „bedrängten Christen Mut zur Treue und Standhaftigkeit machen“.122 Eine besondere Rolle für die Feier der Liturgie spielt dabei auch das Trishagion123 – Offb 4,8 bzw. Jes 6,3 (vgl. auch äth Hen 39,12 ; syr Danielapokalypse 36 ; TestAbr (A) 3,3 ; Prophetentargum zu Jes 6). „Das Trishagion bei Jesaja stellt die Grundlage für das Verständnis aller spä-

tes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt (WUNT 55), Tübingen 1991, S. 45−118 ; Maier : Kult (wie Anm. 75) ; Rouwhorst : Gottesdienst (wie Anm.  75) ; Stegemann ; Schuller ; Newsom : 1QHodayota (wie Anm.  75) ; Gordley : Teaching (wie Anm. 32), S. 247−267 ; Ego : Gottesdienst (wie Anm. 75). 121 Deichgräber : Gotteshymnus (wie Anm. 109), S. 47. Kathstede  : Liturgia (wie Anm. 42), S. 294 spricht von „Heilsvergewisserung“. 122 Kathstede : Liturgia (wie Anm. 42), S. 295. 123 Vgl. dazu Elbogen  : Gottesdienst (wie Anm. 40), S. 61−67. 520−522.586−587 ; David Flusser : Sanctus und Gloria, in : Otto Betz ; Martin Hengel ; Peter Schmidt (Hrsg.) : Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (Festschrift für Otto Michel), Leiden – Köln 1963, S. 129−152 ; Jörns : Evangelium (wie Anm. 39), S. 61−67 ; Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 40), S. 129−141 ; Gabriele Winkler : Das Sanctus. Über den Ursprung und die Anfänge des Sanctus und sein Fortwirken (OCA 267), Rom 2002.

52  Christoph Gregor Müller

teren Texte der Qeduscha dar.“124 Hier – in Offb 4,8 – ertönt es zunächst im Himmel und lädt ein zum Einstimmen in den Lobpreis auf die Größe Gottes. Die Anbetung der himmlischen Wesen wird für die irdische Gemeinde zum Vorbild. „Das irdische Lob, das dem himmlischen entspricht, dient damit der Verbreitung und Durchsetzung der göttlichen Doxa.“125 In Offb 4,8 stellt die Qeduscha „… die entscheidende Klimax des ganzen Abschnittes dar !“126 Von daher kann man (mindestens) für die Offenbarung sagen : „Offb 4,8 ist damit der entscheidende Aus­ gangspunkt für die Schilderung des Gottesdienstes in den beiden Kapiteln 4–5 und allen folgenden Hymnen !“127 Damit verbunden ist freilich auch eine politische128 Ansage : „Der Totalitarismus des religiös überhöhten Imperiums wird in der himmlischen Liturgie überboten vom Universalismus jenes kosmischen Lobgesangs, der, ausgehend vom ‚Siegeshymnus‘ der Kirche (Offb 5,9 f.), auch die unzählbaren Myriaden von Engeln (5,11 f.), ja die ganze Schöpfung (5,13) erfasst. Erst der Sieg des Lammes lässt dies möglich werden.“129 Das bedeutet für die Litur124 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 40), S. 130. Es kann schon der

Liturgie des Ersten Tempels zugeschrieben werden. 125 Ebd., S. 132. 126 Ebd., S. 129. 127 Ebd., S. 141. Vgl. auch den entsprechenden Beitrag von Christoph

Gregor Müller im vorliegenden Band S. 103–142. 128 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Christoph Gregor Müller :

Gott wird alle Tränen abwischen (Offb 21,4). Anmerkungen zum Gottesbild der Apokalypse, in : ThGl 95 (2005), S. 275−297, hier S. 283−286. 129 Axel Hammes : „Er trägt den Namen ‚König der Könige und Herr der Herren‘“ (Offb 19,16). Die Johannesapokalypse als Politische Theologie, in : Bernhard Heininger (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeitund Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011, S. 167−186, hier S. 180 ; vgl. auch Thomas Söding : Hei-

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  53

gie der Gemeinde(n) : „Indem die Gemeinde in den Gebeten, Liedern und der gefeierten Mahlgemeinschaft an der himmlischen Wirklichkeit partizipiert, antizipiert sie in einem den auf sie zukommenden endzeitlichen Sieg des Lammes.“130

7. Zusammenfassung „Lieder“ begegnen von ihrem Inhalt gesehen in biblischen Texten (vor allem, wenn man auch das Alte Testament einbezieht)131 in unterschiedlicher Gestalt : Loblieder, Liebeslieder, Klagelieder, Bußlieder (Reue) … Mit den Liedern können Menschen dem Staunen, der Dankbarkeit, der Reue, der Trauer Raum geben, vor allem aber und zuerst dem Lobpreis Gottes. Der Mensch kann seine Vorstellung zu dem Raum zur Sprache bringen, der ihn umgibt, z. B. seine Freude oder die Gewissheit einer verantwortlichen Geschöpflichkeit. Erkennbar werden Lieder und hymnische Texte an ihrer geprägten Sprache (Metren ; gehobener oder feierlicher Stil …).132 Ihr bevorzugter „Ort“ ist der Gottesdienst.133

130 131 132 133

lig, heilig, heilig. Zur politischen Theologie der Johannes-Apokalypse, in : ZThK 96 (1999), S. 49−76 ; Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 40), S. 251−252.287. Hammes : Namen (wie Anm. 129), S. 184. Einen eigenen Beitrag hätte sicher David als Psalmen-Dichter und Sänger verdient. Gattungskritische Studien hat Kennel : Hymen (wie Anm. 88), vorgelegt (Ansatz der Richter-Schule). Dabei wird durchaus auch eine didaktische Ausrichtung erkennbar ; vgl. u. a. Gordley : Teaching (wie Anm. 32), S. 392 : „… didactic hymns, prayers, and religious poetry are those compositions which employ the stylistic and/or formal conventions of praise and prayer, but whose primary purpose was to convey a lesson, idea, or theologi­

54  Christoph Gregor Müller

Von daher gilt Singen auch als ein Kennzeichen himmlischer Vollendung. Über Einzelheiten, den Himmel betreffend, wissen wir (bekanntlich) wenig zu sagen, aber eines schon : dass dort gesungen wird.134 Von daher gilt als Auftrag für uns Heutige : Üben ! Lasst uns üben, solange wir Gast auf Erden sind. „In den Stromateis klagt Clemens, daß die meisten Christen ‚ohne Sinn für feinere Bildung‘ sich wie die Gefährten des Odysseus bei den Sirenen ihre Ohren gegenüber ‚Rhythmus und Melodie‘ verstopfen. Demgegenüber solle man sich ‚mit der Musik beschäftigen zur Veredlung des Charakters und um innere Ruhe zu gewinnen‘. Das biblische Beispiel ist David, ‚der gleichzeitig Psalmen sang und weissagte‘ und ‚Gott in schönen Melodien pries‘.“135 Was Clemens von Alexandrien für die Zeit der frühen Kirche als wesentlichen Lebensvollzug der Glaubenden hervorhob und einforderte, können wir in unseren Tagen mit den Worten Philipp Harnoncourts so ausdrücken : „Wo Christen singen und musizieren, bezeugen sie, dass sie glauben, wem sie glauben, was sie glauben und wie sie glauben … zumindest aber, dass sie nicht restlos verzweifeln.“136 Von daher bergen Lieder die Einladung in sich, auch in den Herausforderungen, Zumutungen und schwierigen Situationen menschlichen Lebens der Oster-Stimme zu vertrauen, die uns zuruft : „Das himmlisch Heer im Himmel singt … die Christenheit auf Erden klingt. Halleluja, Hal-

cal truth to a human audience […] didactic hymns contributed to a process of identity formation within a given community.“ 134 Vgl. auch Theobald : Gottesdienst (wie Anm. 36), S. 156. 135 Hengel : Christuslied (wie Anm. 7), S. 224 (Clemens-Zitate : Strom. 6,89,1.3 ; 88,3). 136 Harnoncourt : Hören (wie Anm. 107), S. 86.

„Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“  55

leluja“ (im neuen Gotteslob 332)137 oder der Ermutigung, die die Freude der Schöpfung teilt (im neuen Gotteslob 467, 6. Str.) : „Erd, Wasser, Luft, Feuer und himmlische Flammen, ihr Menschen und Engel stimmt alle zusammen.“

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Strophe.

56  Christoph Gregor Müller

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58  Christoph Gregor Müller

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Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20 Christoph Gregor Müller

Der Gesang der himmlischen Scharen in Lk 2,14 hat nicht nur eine Vielzahl von Weihnachtsliedern rund um den Erdball geprägt, sondern auch einem liturgischen Text den Namen gegeben, der in der Liturgie der Eucharistie in der lateinischen Kirche wie auch in Liturgien anderer Kirchen eine feste Beheimatung gefunden hat.1 „Das Gloria wird in den Kirchen des Ostens teils ‚Morgenhymnus‘ (u[mnoj e`wqino,j) – dies ist die ursprüngliche Bezeichnung – teils ‚Große Doxologie‘ (doxologi,a h` mega,lh) genannt. Es hat hier … am Schluß des Morgengottesdienstes seinen Platz.“2 Liturgiewissenschaftler setzen die älteste Stufe der Ausbildung dieses Gebetes im 2. Jh. an, „… nach allgemeiner Anschauung der Zeitpunkt der Abfassung, wie er als Morgenhymnus in den einzelnen Gemeinden gesungen und später wegen seines trinitarischen Bezuges ‚Große Doxologie‘ genannt wurde, im Gegensatz zur ‚Kleinen Doxolo1 Zur Liturgiegeschichte des Gloria vgl. besonders Klaus Gamber : Die

Textgestalt des Gloria, in : Hansjakob Becker ; Reiner Kaczynski (Hrsg.) : Liturgie und Dichtung. Ein interdisziplinäres Kompendium I. Historische Präsentation (PiLi 1), St. Ottilien 1983, S. 227−255, aber auch Johannes Brinktrine : Zur Entstehung und Erklärung des Gloria in excelsis, in : RQ 35 (1927), S. 303−315 ; Bruno Stäblein : Gloria in excelsis Deo, in : MGG 5 (1956), S. 302−320 ; David Flusser : Sanctus und Gloria, in : Otto Betz ; Martin Hengel ; Peter Schmidt (Hrsg.) : Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (Festschrift für Otto Michel), Leiden – Köln 1963, S. 129−152 u. a. 2 Gamber : Textgestalt (wie Anm. 1), S. 228.

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gie‘, dem Gloria Patri.“3 Aus dem Gloria-Hymnus ist auf einer späteren Stufe das im Westen als Abschluss der Matutin gebrauchte Te Deum hervorgegangen.4 „Der Codex Alexandrinus ist der älteste Zeuge, der den Text des Gloria, so wie er uns geläufig ist, wiedergibt.“5 Eine Besonderheit der Großen Doxologie bzw. des Gloria kann darin erkannt werden, dass dieser „Lobpreis der göttlichen Dreieinigkeit mit den anschließenden Bitten an das ‚Lamm Gottes‘ eine genuin christliche Hymnen-Schöpfung“ darstellt.6 In diesem Beitrag soll nach dem biblischen Ausgangstext des Gloria gefragt werden, näherhin nach Lk 2,14. Dabei gilt, was auch für Magnifikat (Lk 1,44b–55), Benediktus (Lk 1,68–79) und Nunc dimittis (Lk 2,29–32) gesagt werden kann : Die Hymnen in Lk 1–2 „… weisen über das Geschehen in der Erzählung hinaus, indem sie es hinsichtlich ihrer Bedeutung im Heilsplan Gottes kommentieren.“7 Das zweite Kapitel des Lukasevangeliums löst bei vielen Leserinnen und Lesern eine große Vertrautheit aus. Darin steckt einerseits eine besondere Chance – viele haben einen 3 Ebd., S. 251. 4 Ebd. : „Dieser Gesang nimmt etwa die gleiche Stelle im Morgengottes-

dienst des römischen bzw. monastischen Ritus ein, den die Große Doxologie im byzantinischen Orthros innehat, und stellt deren frühe abendländische Fassung dar. Bis ins 4. Jh. hat es vermutlich keine wörtliche Übersetzung des griechischen Textes ins Lateinische, sondern nur diese Umdichtung gegeben. Wendungen aus dem Te Deum sind bereits durch Tertullian († um 220) und Cyprian († 257) bezeugt.“ 5 Gamber : Textgestalt (wie Anm. 1), S. 229. 6 Ebd., S. 250. 7 Rainer Kampling : „… dann wohnt er schon in unserer Welt“. Das Gloria als Inthronisationsgesang, in : Martina Bär ; Markus-Liborius Hermann ; Thomas Söding (Hrsg.) : König und Priester. Facetten neutestamentlicher Christologie (Festschrift für Claus-Peter März) (EThS 44), Würzburg 2012, S. 33−42, hier S. 37.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  69

emotional positiv besetzten Zugang zum Text –, andererseits birgt eine solche Vertrautheit die Gefahr des „Überhörens“, vor allem im Sinne des „Kenn ich schon !“. Der Gesang der himmlischen Scharen in Lk 2,14 und sein Kontext laden von daher zu einer spezifischen Untersuchung ein. In einem synkritischen Verfahren werden im lukanischen Erzählwerk Johannes und Jesus einander gegenübergestellt.8 Die Überbietung des Nachgeborenen wird in der ausführlichen Geburtsgeschichte Jesu Lk 2,1–209 besonders deutlich (vgl. für Johannes den Täufer Lk 1,57 f). Mit den aus biblischer Tradition vertrauten Wendungen „Es geschah aber“ (VEge,nv eto de.) und „in jenen Tagen“ (evn tai/j h`me,raij evkei,naij)10 beginnt in Lk 2,1 die umfangreiche Exposition der Geburtsgeschichte Jesu, die mit der Erwähnung des Kaisers Augustus in der Erzählung einen weltweiten Horizont (avpogra,fesqai pa/san th.n oivkoume,nhn) öffnet. Die Perikope lässt sich leicht gliedern : VV. 1–2 VV. 3–7 VV. 8–14 VV. 15–20

Synchronismus/„politische“ Zeitansage Geburt Jesu Verkündigung der Geburt Jesu > Offenbarung Begegnung der Hirten mit Maria, Josef und dem Kind > Kommunikation

 8 Vgl. dazu Christoph Gregor Müller : Mehr als ein Prophet. Die Cha-

rakterzeichnung Johannes des Täufers im lukanischen Erzählwerk (HBS 31), Freiburg u. a. 2001, passim.  9 Zur Auslegung vgl. außer den Kommentaren besonders Anton Vögt­ ­l e : Was Weihnachten bedeutet. Meditation zu Lk 2,1–20, Freiburg – Basel – Wien 51981 ; Walter Radl : Der Ursprung Jesu. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zur Lukas 1–2 (HBS 7), Freiburg u. a. 1996, S. 140−202 ; Willibald Bösen : In Betlehem geboren. Die Kindheitsgeschichten der Evangelien, Freiburg – Basel – Wien 1999, S. 150−175. 10 Zu evvn tai/j h`me,raij evkei,naij vgl. 1 Sam 4,1 LXX ; vgl. auch Jer 3,18 ; 33,15–16 ; Sach 8,23.

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Die Erzählungen11 von der Geburt und Kindheit Jesu erfahren durch den Erzähler im zweiten Kapitel des Lukasevangeliums eine einleitende zeitgeschichtliche Einordnung (Lk 2,1–2), einen „Synchronismus“12 . Es wird hier zunächst der Name des regierenden römischen Kaisers genannt, in diesem Fall Augustus (Lk 2,1), es folgt die Nennung des römischen Statthalters und dessen Herrschaftsbereichs, Quirinius (Lk 2,2 : Syria). Zur zeitgeschichtlichen Einordnung des im Anschluss Erzählten wird von vornherein die gesamte oivkoume,nh (Lk 2,1) in den Blick genommen. Häufiger als die anderen neutestamentlichen Autoren gebraucht Lukas diesen Begriff oivkoume,nh (Lk 2,1 ; 4,5 ; 21,25 f ; Apg 11,28 ; 17,6 ; 17,31 ; 19,27 ; 24,5). Acht Belegen im lukanischen Erzählwerk stehen sieben weitere im Neuen Testament gegenüber. Hier ist das lukanische Anliegen zu erkennen, Weltgeschichte und Heilsgeschichte miteinander zu vernetzen. Der Begriff gibt deutlich zu ver-

11 Zu Lukas als Erzähler vgl. auch Christoph Gregor Müller : Dιήγησις

nach Lukas. Zwischen historiographischem Anspruch und biographischem Erzählen, in : Thomas Schmeller (Hrsg.) : Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt (NTOA 69), Göttingen 2009, S. 95−126, wiederabgedruckt in : Christoph Gregor Müller : Lukas als Erzähler und Charakterzeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk (HBS 69), Freiburg i. Br. u. a. 2012, S. 1−51. 12 Vgl. dazu auch Christoph Gregor Müller : „Nicht in einer Ecke“ (Apg 26,26). Anmerkungen zum universalen Horizont des lukanischen Erzählwerks, in : Zbigniew Godlewski ; Andrzej Najda u. a. (Hrsg.) : Przemawiaj do nich moimi słowami (Festschrift für Ryszard Rumianek), Warschau 2007, S. 413−443, wiederabgedruckt in : Christoph Gregor Müller : Lukas als Erzähler und Charakterzeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk (HBS 69), Freiburg i. Br. u. a. 2012, S. 53−101, hier S. 64−66.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  71

stehen, dass das im Folgenden Erzählte in seiner weltumspannenden Bedeutung zu sehen ist.13 Die ausführliche Exposition (VV. 1–5), die die Geburtsgeschichte Jesu einleitet, hat in erzählerischer Hinsicht vor allem ein großes Ziel : die entscheidenden Personen nach Betlehem zu bringen. Lukas benutzt dabei einen Verwaltungsakt,14 die Praxis einer „Steuererklärung“, wie sie Lesern des Erzählwerks vertraut sein dürfte. Konkret kann man an die Versteuerung von Erbbesitz denken, den die Vorfahren des Josef in Betlehem hatten.15 Vor allem aber geht es darum, dass Jesus in der „Stadt Davids“ geboren wird. Betlehem („Haus des Brotes“) im Stammgebiet Judas wurde nach 2 Chr 11,5 f unter Rechabeam, einem Sohn Salomos, zu einer Festung ausgebaut. Die Stadt, die um die Zeitenwende nur ein Dorf darstellte, „klein unter den Gauen Judas“ (Mi 5,1 ; vgl. Mt 2,6 ; Joh 7,41 f), ist vor allem mit der Erinnerung an seinen „Großvater“, König David, verbunden ; vgl. vor allem 1 Sam 16, besonders VV. 2.11 f ; Ps 78,70–72 ; 89,27–30 ; Micha 4,8 ; 5,1–4a ; Rut 1–2,7 ; 4,11 ; 11 QPsa 151. Worin die Bedeutung des Benediktus-Verses Lk 1,69 „und er erweckte uns ein Horn der Rettung (kai. h ;geiren ke,raj swthri,aj) im Haus Davids, seines Knechtes,“ besteht, 13 Vgl. dazu Müller : Ecke (wie Anm. 12). 14 Vgl. Marius Reiser : Wie wahr ist die Weihnachtsgeschichte ?, in :

EuA 79 (2003), S. 451−463, hier S. 452 : „Vermögenserhebung zum Zweck der Besteuerung“ ; Michael Wolter : Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008, S. 120−122 ; Christian Blumenthal : Augustus’ Erlass und Gottes Macht : Überlegungen zur Charakterisierung der Augustusfigur und ihrer erzählstrategischen Funktion in der lukanischen Erzählung, in : NTS 57 (2011), S. 1−30. 15 Nach Klaus Rosen : Jesu Geburtsdatum, der Census des Quirinius und eine jüdische Steuererklärung aus dem Jahr 127 n. Chr., in : JAC 38 (1995), S. 5−15, ist dabei an eine mehrfache Reise zu denken.

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blieb für Zacharias, den Sänger des Benediktus, wie für alle in Lk 1,65 f angesprochenen Rezipienten noch undeutlich,16 wenngleich zumindest für die Leser des Lukasevangeliums aus Lk 1,26–38 klar ist, dass damit der Johannes Gegenübergestellte, aus dem Haus David Stammende (vgl. Lk  1,27 : evx oi ;kou Daui.d) und für den Thron Davids Bestimmte (vgl. Lk 1,32c : kai. dw,sei auvtw/| ku,rioj o` qeo.j to.n qro,non Daui.d tou/ patro.j auvtou/),17 in den Blick genommen wird : Jesus aus Nazaret. Das wird im zweiten Kapitel (Lk 2,4) nun ganz deutlich gemacht : „eivj po,lin Daui.d h[tij kalei/tai Bhqle,em, dia. to. ei=vnai auvto.n evx oi ;kou kai. patria/j Daui,d“ und Lk 2,11 : „… evn po,lei Daui,d“. Geradezu beiläufig und äußerst knapp werden die Umstände der Geburt selbst erzählt. Lk 2,6 f : „Es geschah aber, als sie dort waren, erfüllten sich die Tage, dass sie gebäre ; und sie gebar ihren Sohn, den erstgeborenen,18 und sie wickelte ihn und legte ihn nieder in einer Krippe (evn fa,tnh|), weil nicht war für sie ein Platz in der Unterkunft („Herberge“ ; „Cham“ : evn tw|/ katalu,mati).“ Es fällt dabei auf, dass in beiden Geburtsgeschichten – sowohl bei Johannes dem Täufer wie auch bei Jesus – die Neugeborenen nicht mit Namen genannt werden. Jesus wird in Lk 2,12.16 bre,foj, in Lk 2,17 paidi,on genannt. Erwartungen an einen künftigen 16 Ähnliches ließe sich zur Bedeutung der avnatolh. evx u[youj (Lk 1,78) sa-

gen ; zur Diskussion um diese Wendung vgl. Norbert Lohfink : Die Lieder der Kindheitsgeschichte bei Lukas, in : Cornelius Mayer ; Karlheinz Müller ; Gerhard Schmalenberg (Hrsg.) : Nach den Anfängen fragen (Festschrift für Gerhard Dautzenberg), Gießen 1994, S. 383−404, hier S. 400 ; Ulrike Mittmann-Richert : Magnifikat und Benediktus. Die ältesten Zeugnisse der judenchristlichen Tradition von der Geburt des Messias (WUNT 90), Tübingen 1996, S. 121−127. 17 Vgl. hierzu Jes 9,5–6. 18 Vgl. hierzu auch Ex 13,12 ; 34,19.

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Herrscher werden hier umgestürzt (groß-klein ; MachtOhnmacht ; Zentrum-Provinz …).19 Der, der hier begegnen will, verlangt eine neue Sicht. Die Hirten von Betlehem sind in der Geburtserzählung Jesu Lk 2,1–20 Hörende (VV. 10–12.14 mit V. 17) und Sehende (V. 15 : „Laßt uns doch nach Betlehem gehen und dieses Geschehnis sehen, das geschehene, das der Herr uns kundgetan.“ mit V. 17 : „Es sehend aber gaben sie Kunde über das Wort, das zu ihnen über dieses Kind geredet wurde.“). In der Rückkehrnotiz von Lk 2,20 werden „Hören und Sehen“ noch einmal zusammengefasst, wenn es heißt : „Und die Hirten kehrten zurück, verherrlichend und lobend Gott wegen allem, was sie hörten und sahen, gleichwie zu ihnen geredet wurde.“ Für das Sehen der Hirten ergeht aus dem Mund des Engels ein entscheidender Hinweis, der mit einer ersten Kleidung des Christus20 in unmittelbarer Verbindung steht : „Und dies ist euch das Zeichen : Ihr werdet einen Säugling finden, gewickelt (evsparganwme,non)21 und in einer Krippe liegend“ (Lk 2,12 ; vgl. 19 Zum Kontrast Weltenherrscher Augustus – Wickelkind/Herrscher in

der Futterkrippe vgl. auch Stefan Schreiber : Weihnachtspolitik. Lukas 1–2 und das Goldene Zeitalter (NTOA/StUNT 82), Göttingen 2009. 20 Vgl. auch Christoph Gregor Müller : Kleidung als Element der Charakterzeichnung im Neuen Testament und seiner Umwelt, in : SNTU 28 (2003), S. 187−214, wiederabgedruckt in : Christoph Gregor Müller : Lukas als Erzähler und Charakterzeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk (HBS 69), Freiburg i. Br. u. a. 2012, S. 133−169. 21 Raymond E. Brown : The Birth of the Messiah. A Commentary on the Infancy Narratives in the Gospels of Matthew and Luke, New Updated Edition, New York – London u. a. 1993, S. 399 : „The Greek verb sparganoun is derived from the noun sparganon, one of the cloths or strips of cloth used to wrap newborn babes“ ; vgl. Weish 7,4 ; Ijob 38,9 LXX ; Ez 16,4 LXX.

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Lk 2,7 : „… sie wickelte ihn [kai. evsparga,nwsen auvto.n] und legte ihn in einer Krippe nieder“).22 Zusammen mit der Angabe seines spezifischen Liegeortes sollen die Windeln des Neugeborenen zum Zeichen23 werden (V. 12 : kai. toῦto u`mi/n to. shmei/on) : „Die Hirten sollen einen Säugling suchen, ein erst kürzlich geborenes Kind, eben ein ‚Wickelkind‘.“24 Vielleicht spielt in diesem Zusammenhang Weish 7,3 f25 eine Rolle (vgl. vor allem V. 4a : „In Windeln wurde ich aufgezogen …“). 26 Für die Hirten soll das in Windeln gewickelte Kind, das in einer Krippe liegt, zum Zeichen werden für den, der in Lk 2,11 als Retter, Christus und Kyrios bekannt wird ; „das ist zunächst wie eine offene Frage, was wohl aus diesem Kinde werden solle (vgl. 1,66)“27. Damit gewinnt dieses Zeichen auch für Leser des Lukasevangeliums proleptischen Charakter.

22 Vgl. Heinz Schürmann : Das Lukasevangelium, Erster Teil : Kom-

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mentar zu Kap. 1,1–9,50 (HThK III/1), Freiburg – Basel – Wien 4 1990, S. 104 : „Daß das Kind gewickelt und in einen Futtertrog gelegt wurde, ist als Vorbereitung auf das V 12 genannte Zeichen erzählt.“ Vgl. dazu François Bovon : Das Evangelium nach Lukas, 1. Teilband. Lk 1,1–9,50 (EKK III/1), Zürich – Braunschweig – Neukirchen-Vluyn 1989, S. 126−127 ; Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 185−186. Schürmann : Lk I (wie Anm. 22), S. 104. Vgl. Helmut Engel : Das Buch der Weisheit (Neuer Stuttgarter Kommentar. AT ; Bd. 16), Stuttgart 1998, S. 127 : „Bei seiner Geburt fällt ein König auf die gleiche Erde und beginnt die gleiche Luft zu atmen wie alle Menschen, und sein erster Laut ist wie bei allen weinendes Schreien. Auf den Windeln regiert er nicht und erobert nicht, sondern dort wird er trocken gelegt und versorgt. Der Eintritt ins Leben und das Sterbenmüssen sind für alle Menschen gleich.“ Vgl. Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 186 : „Die Erwähnung der Windeln erinnert an Weish 7,4 ; aber das dortige Thema sind die armseligen Anfänge des Menschen überhaupt.“ Schürmann : Lk I (wie Anm. 22), S. 104.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  75

Die Geburtsgeschichte des Johannes (Lk 1,57 f) fiel – bei sukzessiver Lektüre – gegenüber der Geburtserzählung Jesu (Lk 2,1–20) von ihrer Textmenge her relativ knapp aus. Dennoch lassen sich sprachliche Parallelen und Motiv-Parallelen ausmachen, wenn z. B. von der sich erfüllenden Zeit des Gebärens (Lk 1,57 : „Für Elisabet aber erfüllte sich die Zeit, dass sie gebäre …“ ; vgl. Lk 2,6 : „Es geschah aber, als sie dort waren, erfüllten sich die Tage, dass sie gebäre …“) die Rede ist oder von der Freude über die Geburt, die über die Eltern hinausreicht (Lk 1,58 : „Und es hörten die Nachbarn und ihre Verwandten […] und sie freuten sich mit ihr [kai. sune,cairon auvth/|]“ ; vgl. Lk 2,10 : „… denn siehe, ich verkünde euch große Freude [euvaggeli,zomai u`mi/n cara.n mega,lhn], welche sein wird dem ganzen Volk“). Bereits in diesem Motiv der Mitfreude über die Geburt kann den Lesern des Lukasevangeliums deutlich werden, dass die Bedeutung Jesu die des Johannes im weiteren Erzähltext überragen wird. Das wird schon daran erkennbar, dass die Freude in Lk 2,10a von einem göttlichen Boten angekündigt wird. Sie wird „groß“ sein und „das ganze Volk“ betreffen. Der Horizont der hier erzählten Geburtsgeschichte wird nicht nur horizontal – für die gesamte Oikoumene28 – sondern innerhalb der Erzählung auch in der Vertikalen aufgebrochen. Ein Engel des Herrn tritt zu den Hirten von Betlehem (V. 9) und die „Herrlichkeit des Herrn“ umstrahlt sie (V. 9). Zudem wird der Engel in V. 13 von einer Menge des himmlischen Heeres umgeben vorgestellt, die einen Lobpreis Gottes (V. 14) anstimmt. „Als charakteristische Erscheinungsform, in der Jahwe sich offenbart, weist dieser Machtglanz auf den theophanieartigen Charakter des vom Engel des Herrn verkündeten Ereignisses 28 Vgl. dazu u. a. Blumenthal : Augustus (wie Anm. 14).

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hin.“29 Die zentrale Botschaft des göttlichen Boten kann der Leser des Lukasevangeliums direkt miterleben, denn der Erzähler drosselt in V. 10 die Erzählgeschwindigkeit und wechselt nach der Redeeinleitung Lk 2,10a in die wörtliche Rede : „Fürchtet euch nicht ; denn siehe ich verkünde (euvaggeli,zomai) euch große Freude, welche sein wird dem ganzen Volk.“ Der Begriff euvagge,lion meint im Neuen Testament – so eine hilfreiche Definition von Hubert Frankemölle – „die mündliche (und schriftlich fixierbare und fixierte) Heilsbotschaft vom schöpferischen Wirken Gottes in und durch Jesus Christus, der aber auch in den Verkündigern dieser Botschaft gehandelt hat … und an den Hörern des Evangeliums handeln möchte.“30 Für diesen Begriff bzw. das entsprechende Verb euvaggeli,zesqai, mit dem wir es in V. 10 zu tun haben, ist im neutestamenlichen Sprachgebrauch mindestens ein zweifacher Hintergrund zu bedenken. Einerseits spielt der „Freudenbote“ aus Deuterojesaja (Jes 52,7 ; 61,1) eine zentrale Rolle, damit auch der Sprachgebrauch der LXX.31 Andererseits ist das Wort in hellenistisch-römischer Zeit ein häufig verwendetes Wort für Frohbotschaften unterschiedlicher Art, vor allem im Bereich des Kaiserkults.32 Die Heilsrelevanz dieses Geschehens wird in V. 11 vor allem auch durch zwei Wörter unterstrichen, die für das Lukasevangelium von besonde29 Vögtle : Weihnachten (wie Anm. 9), S. 63. 30 Hubert Frankemölle : Evangelium – Begriff und Gattung. Ein For-

schungsbericht, zweite aktualisierte, stark erweiterte und durchgesehene Auflage (SBB 15), Stuttgart 1994, S. 60. 31 Vgl. auch Hans Merklein : Zum Verständnis des paulinischen Begriffs >Evangelium< (1983), in : Ders. : Studien zu Jesus und Paulus (WUNT 43), Tübingen 1987, S. 279−295, hier S. 282−283. 32 Zum griechisch-hellenistischen Sprachgebrauch vgl. u. a. Merklein : Verständnis (wie Anm. 31), S. 280−281.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  77

rer Bedeutung sind : „euch“ und „heute“. Der Erzähler des Lukasevangeliums setzt sh,meron wiederholt ein, um die Zueignung des Heils zur Sprache zu bringen ; vgl. Lk 4,21 : „Er aber begann zu sagen zu ihnen : Heute ist erfüllt worden diese Schrift in euren Ohren.“ ; Lk 19,9 : „(Es) sprach aber zu ihm Jesus : Heute geschah Heil diesem Haus, weil auch er ein Sohn Abrahams ist.“ ; Lk 23,43 : „Und er sprach zu ihm : Amen, ich sage dir : Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Der Gipfel der Erzählung kann in dem folgenden Vers Lk 2,11 erkannt werden, in dem der Engel die Bedeutung des Neugeborenen proklamiert33 : „Geboren wurde euch heute ein Retter, der ist der Christus, der Herr, in der Stadt Davids.“ Dieses neugeborene Kind wird also von vornherein nicht allein den Eltern geboren, sondern einer größeren Öffentlichkeit, und vom Erzähler mit bedeutungsgeladenen Titeln charakterisiert : Er wird swth,r (vgl. auch Apg 5,31 ; 13,23)34 genannt, cristo,j und ku,rioj (vgl. Lk 1,43 ; 1,76 ; Apg 2,36). Die Bezeichnungen swth,r und ku,rioj wurden zur Entstehungszeit des lukanischen Erzählwerks „auch in der Kaisertitulatur beansprucht“.35 Ein in diesem Zusammenhang besonders interessanter Vergleichstext ist der eines Kalendererlasses für die Provinz Asia (OGIS II 458), von dem man Fragmente in Priene (in Ionien), Apameia, Do33 Schürmann (Lk I [wie Anm. 22], S. 20−24 u. a.) hat von einer „ho-

mologetischen“ Erzählung gesprochen. 34 Zur Begriffsgeschichte und Bedeutung vgl. Franz Jung : SWTHR. Stu-

dien zur Rezeption eines hellenistischen Ehrentitels im Neuen Testament (NTA NF 39), Münster 2002. 35 Rudolf Pesch : Das Weihnachtsevangelium (Lk 2,1–21). Literarische Kunst. Politische Implikationen, in : Ders. (Hrsg.) : Zur Theologie der Kindheitsgeschichten. Der heutige Stand der Exegese, München – Zürich 1981, S. 97−118, hier S. 106.

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rylaion und Eumeneia gefunden hat.36 Die Inschrift ist in das Jahr 9 v. Chr. zu datieren. Augustus dämpfte zwar den Herrscherkult, 37 aber in italischen Städten und in den östlichen Provinzen wurde er – zusammen mit der Göttin Roma – in Götterbildern dargestellt und in Tempeln verehrt. Octavianus nutzte religiöse Vorstellungen und Phantasien der Menschen seiner Zeit, indem er durch Aufstellung von Statuen für den als „Julisches Gestirn“ gottähnlich dargestellten Diktator eine sakrale Überhöhung seines Adoptivvaters förderte und zur Förderung seiner eigenen Position seine Stellung als Sohn des vergöttlichten Caesars instrumentalisierte. Das dabei verfolgte Ziel ist die Stabilisierung seiner Macht bzw. der Pax Romana. Die Provinziallandtage überschlugen sich geradezu, indem sie immer neue göttliche Ehren aufbrachten. So beschloss man nach einem Ideenwettbewerb in Kleinasien, den Geburtstag des Kaisers zum Jahresbeginn zu machen (den 23. September). In einer Fassung aus dem Jahr 2 v. Chr., die man in der Stadt Halikarnass fand, wird folgende Begründung gegeben : „… da die ewige und unsterbliche Natur des Weltalls das höchste Gut zu überschwänglichen Wohltaten den Menschen schenkte, indem sie Caesar Augustus hervorbrachte für ein glückseliges Leben bei uns, den Vater seiner einheimischen Göt-

36 Vgl. dazu Umberto Laffi : Le iscrizioni relative all’ introduzione nel

9 a.C. del nuovo calendario della provincia d’Asia, in : SCO 16 (1967), S.  5−98 ; Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 194−195 ; Manfred Clauss : Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart – Leipzig 1999, S. 70.238 u. a. 37 Hinsichtlich des antiken Herrscherkults sind Vergöttlichung und Vergottung zu unterscheiden. Augustus sieht sich als Divi filius, also als Sohn des vergöttlichten Gaius Julius Caesar, aber nicht als dessen Dei filius.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  79 tin Roma, 38 den Zeus unserer väterlichen Religion und Retter des gesamten Menschengeschlechts, dessen Vorsehung die Gebete aller nicht nur erfüllte, sondern noch übertraf – Denn Land und Meer sind in Frieden, die Städte blühen in gesetzlicher Ordnung, Eintracht und Gedeihen, Blüte und Frucht trägt jegliches Gute, die Menschen sind erfüllt von schönen Hoffnungen für die Zukunft, voll frohen Mutes für die Gegenwart …“39

In der Verwendung dieser Titel für den neugeborenen Jesus kann man eine weitere Ausprägung der bei Lukas häufig zu beobachtenden Botschaft für eine „doppelte Hörerschaft“ erkennen. In alttestamentlich-jüdischer Tradition werden swth,r und ku,rioj häufig für Gott selbst verwandt, was dem Leser des Lukasevangeliums aus der Lektüre des ersten Kapitels bereits vertraut ist (vgl. die Verwendung von swth,r in Lk 1,47 und die von ku,rioj in Lk 1,6.9.11.15. 16.17.25.28.32.38.45.46.58.66.68 [Euvloghto.j ku,rioj o` qeo.j tou/ VIsrah,l].76 ; 2,9.15 u. a.). Sie sind allerdings – im Unterschied zur Bezeichnung cristo,j – auch für Leser verständlich, die nicht aus einem alttestamentlich-jüdischen Kontext kommen.40 Der Neugeborene ist „Erfüllung jüdischen

38 Diese erklärungsbedürftige Wendung umschreibt mit Hilfe der Per-

sonifikation des Staates Octavians Ehrentitel pater patriae. 39 Text nach Hans-Josef Klauck : Die religiöse Umwelt des Urchristen-

tums II. Herrscher- und Kaiserkult, Philosophie, Gnosis (Studienbücher Theologie 9/II), Stuttgart – Berlin – Köln 1996, S. 50. Zum Friedensbringer Augustus vgl. auch Reiser : Weihnachtsgeschichte (wie Anm. 14), S. 458 ; Wolter : Lk (wie Anm. 14) ; Blumenthal : Augustus (wie Anm. 14). 40 Vgl. Pesch : Weihnachtsevangelium (wie Anm. 35), S. 118, Anm.17 : „Der Titel ist im unmittelbaren Kontext der judenchristlichen Erzählung zunächst aus seinen alttestamentlichen und jüdischen Voraussetzungen heraus zu verstehen […], er ist aber im weiteren Kontext der Gesamtkomposition ebenfalls auf den vom Kaiser gebrauchten Titel hin transparent.“

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Hoffens und heidnischen Sehnens“.41 Durch die V. 11 vorausgehende Erwähnung des Kaisers Augustus in Lk 2,1 ergibt sich zudem für die Leser des Weihnachtsevangeliums, vor allem angesichts der Verse 11 und 14 (Thematisierung des Friedens in der Welt), die Möglichkeit, Augustus und den Neugeborenen in einem synkritischen Verfahren einander gegenübergestellt zu sehen, wodurch Lk 2,1–20 eine immense politische Bedeutung42 gewinnt, da die Titel Soter und Kyrios vom Erzähler an zentraler Stelle Jesus zugeschrieben werden, dem für Lukas die entscheidende weltgeschichtliche Bedeutung43 zukommt (der „Herrscher im Futtertrog“ gegenüber einer „Befriedung durch Unterwerfung“). Mit den VV. 13 f geht der Erzähler noch einen Schritt weiter. Der geöffnete Himmel und der daraus erklingende Hymnus geben nicht nur den Hirten von Betlehem, sondern auch den Lesern des Lukasevangeliums zu verstehen, dass hier von einem Geschehen erzählt wird, das Himmel und Erde betrifft und verbindet. Von daher kommt dem Gloria in V. 14 besondere Bedeutung zu. Die Auslegung44 von V. 14 ist zunächst mit einer textkritischen Frage eng verbunden : Ist am Ende von V. 14 ein Genitiv (euvdoki,aj) oder ein Nominativ (euvdoki,a) zu lesen ? Die gewichtigeren Zeugen sprechen für den Ge-

41 Bösen : Betlehem (wie Anm. 9), S. 167. 42 Vgl. dazu die Arbeiten von Vögtle (Weihnachten [wie Anm. 9]) und

Pesch (Weihnachtsevangelium [wie Anm. 35]). 43 Vgl. auch Vögtle : Weihnachten (wie Anm. 9), S. 54−55. 44 Vgl. – neben den Kommentaren zum Lk-Evangelium – besonders Ri-

chard J. Dillon : The Hymns of Saint Luke. Lyricism and Narrative Strategy in Luke 1–2 (CBQ.MS 50), Washington 2013, S. 96−119 ; Michael Wolter : „gloria in altissimis Deo …“. Das Gotteslob der Engel in Lukas 2,14, in : MuK 84 (2014), S. 376−380.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  81

nitiv.45 „Möglicherweise verdankt sich der Wegfall des ‚s‘ einem Versehen, denn häufig wurde das ‚s‘, wenn es am Ende eines Wortes stand, in den neutestamentlichen Handschriften hochgestellt (ungefähr so : EUDOKIAc). Es sah dann wie ein Häkchen aus, und konnte beim Abschreiben leicht übersehen werden.“46 In der zweiten Zeile geht es von daher um „Menschen des Wohlgefallens“. „Im griechischen Text wie in der Übersetzung der Vulgata ist damit von Gottes Wohlgefallen an den Menschen die Rede bzw. umgekehrt von den Menschen, denen Gottes Wohlgefallen gilt.“47 Zur Erhellung und Auslegung dieser Wendung ist zu Recht auf Passagen in den Hodajot von Qumran aufmerksam gemacht worden,48 in denen in vergleichbarer Weise Belege für die Wendung „Söhne seiner Gnade/ seines Wohlgefallens“ zu finden sind (vgl. vor allem 1 QH 4,32 f und 1 QH 11,3–14, besonders 9, aber auch 1 QH 9,9 ; 1 QS 8,6).

45 Vgl. auch Wolter : Lk (wie Anm. 14), S. 130 : „Das textkritische Pro-

blem dieses Verses ist mit einiger Sicherheit zugunsten der Ursprünglichkeit des Genitivs euvdoki,aj ( a* A B* D W u. a.) zu lösen. Es ergibt sich dann ein Zweizeiler, in dem die Bedeutung des Geschehens für die himmlische Welt Gottes […] und die irdische Welt der Menschen entfaltet werden.“ Vgl. zur textkritischen Diskussion auch Ross S. Kilpatrick : The Greek Syntax of Luke 2.14, in : NTS 34 (1988), S.  472−475 ; Wolter : gloria (wie Anm. 44), S. 376−377 ; Dillon : Hymns (wie Anm. 44), S. 109 Anm. 52. 46 Wolter : gloria (wie Anm. 44), S. 377 Anm. 1. 47 Ebd., S. 377. 48 Vgl. – neben den Kommentaren – besonders Flusser : Sanctus (wie Anm. 1), S. 130−131 ; Dillon : Hymns (wie Anm. 44), S. 111 Anm. 58 : „In the hymn scroll, ‚sons of his favor‘ occurs in 1QHa 12[=  4 + frgm 43].32 ; and ‚sons of your favour‘ in 1QH a 19[= 11].9. The sapiential fragment reads that it is in the sage’s power ‚to avert the wrath from the men of his favor‘ (4Q418.81.10).“

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So ergibt sich im Griechischen49 ein Distichon, 50 ein chiastischer Parallelismus, mit zwei Dreihebern : do,xa evn u`yi,stoij qew/| kai, evpi. gh/j eivrh,nh evn avnqrw,poij euvdoki,aj.

Es liegt keine typische Form einer Doxologie vor (vgl. Röm 11,36b). Eine ganze Reihe von Auslegern schlägt deshalb vor, von „Akklamation“ zu sprechen.51 Der Zweizei49 Für Lk 2,14 ist immer wieder diskutiert worden, ob von einer hebräi-

schen oder aramäischen Vorlage auszugehen ist. Zur Diskussion um die Originalsprache vgl. vor allem Stephen Farris : The Hymns of Luke’s Infancy Narratives. Their Origin, Meaning and Significance (JSNT.S 9), Sheffield 1985, S. 32−66. Birger Olsson : The Canticle of the Heavenly Host (Luke 2.14) in History and Culture, in : NTS 50 (2004), S. 147−166, hier S. 149, hat u. a. einen Vorschlag zur Rückübersetzung vorgelegt, da von „a strong Semitic flavour“ auszugehen sei ; ebd. : „Be it a translation from a Hebrew or an Aramaic original, or a composition in a LXX style, there are good reasons for trans­ lating the Greek text into Hebrew.“ Vgl. ein ähnliches Bemühen bei Günther Schwartz : Der Lobgesang der Engel (Lukas 2,14). Emendation und Rückübersetzung, in : BZ NF 15 (1971), S. 260−264. 50 Als „ältester Text hat die zweizeilige Fassung zu gelten“ ; so u. a. Hans Klein : Das Lukasevangelium (KEK I/310), Göttingen 2006, S. 138 ; Wolter : gloria (wie Anm. 44), S. 376 u. a. ; vgl. aber auch das Plädoyer für einen Dreizeiler bei Flusser (Sanctus [wie Anm. 1], passim, besonders S. 151). Klein (Lk [wie Anm. 50], S. 138) äußert sich auch zu den Übersetzungsmöglichkeiten. Zum „Eigenleben“ in den verschiedenen Übersetzungen vgl. auch Olsson : Canticle (wie Anm. 49), S. 162. 51 Vgl. zum Beispiel Jung : SWTHR (wie Anm. 34), S. 273 ; Kampling : Gloria (wie Anm. 7), S. 40 : „Akklamationen und Gesänge gehören zum festen Inventar verschiedenster Riten und Rituale. So finden sich diese Elemente beim Adventus des Herrschers, also beim Besuch einer Stadt, bei öffentlichen Auftritten, sei es im Theater oder Tempel. Gleichsam eine Mischform aus allen ist der erste öffentliche Auftritt als Herrscher, seine Inthronisation, die ebenfalls mit Gesang und Akklamation einhergeht, mit denen der neue Herrscher begrüßt und bestätigt wird. Hierin ist das Gloria vergleichbar.“

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  83

ler hebt mit dem Begriff do,xa an. „Ehre“ kommt vor allem und zuerst Gott selbst zu. „‚In der Höhe‘ bezeichnet hier wie z. B. auch in Mk 11,10 ; Mt 21,9 und in den Septuaginta-Fassungen von Hi 16,19 ; Ps 148,1 ; Sir 26,16 ; 43,9 die himmlische Welt Gottes.“52 Manche Ausleger sprechen davon, dass hier der Sprachgebrauch einer Theophanie mit einer Epiphanie verschmolzen wäre53 ; es geht um beschreibendes Gotteslob, das sich im Deutschen so wiedergeben lässt : „Jetzt wird Gott Ehre dargebracht im Himmel ! Und jetzt ist Heilszeit auf Erden für die Menschen seines Wohlgefallens !“

Mit Michael Wolter kann festgehalten werden : „Bei Lukas verbindet sich die Doxologie von daher in der Weise mit ihrem Anlass, dass die Geburt des Retters für Israel ein Werk Gottes ist, in dem Gott einmal mehr (d. h. wie in der Schöpfung etc.) sein Gott-Sein erwiesen hat.“54 Hans Klein kommentiert : „Die himmlischen Heerscharen preisen Gott für seine eben angekündigte Rettungstat, wie man dem Kaiser bei seinem Sieg akklamiert und wie die Hirten Gott loben und preisen werden (V. 20).“55 Das Lied in Lk 2,14 verbindet den Lobpreis auf die Größe Gottes mit den menschlichen „Hoffnungen auf glo-

52 Wolter : gloria (wie Anm. 44), S. 376. 53 Vgl. auch ebd., S. 378 : „Der unendliche Abstand, der Himmel und

Erde normalerweise voneinander trennt, ist für einen Moment aufgehoben.“ 54 Wolter : Lk (wie Anm. 14), S. 130. Vgl. auch ders. : gloria (wie Anm. 44), S. 378 : „Jesu Geburt ist ein Handeln Gottes, und ihr kommt darum eine Bedeutung zu, die Gottes Gott-Sein erkennbar macht.“ 55 Klein : Lk (wie Anm. 50), S. 137.

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balen und immerwährenden Frieden“.56 Der Begriff eivrh,nh („schalom“) steht dabei für die Fülle eschatologischer Erwartung. Vgl. Jes 52,7 : „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt : Dein Gott ist König.“ Als Empfänger dieses Friedens nennt der Vers die „Menschen der euvdoki,a, des göttlichen Wohlgefallens“. „Der Friede, den Gott allen Menschen durch das in Bethlehem geborene Kind schenkt, überbietet nicht nur den römischen Augustusfrieden, sondern er ist auch von ganz anderer Art als dieser.“57 Die Hymnen in den ersten beiden Kapiteln des Lukasevangeliums haben auch eine kommentierende Funktion im Dienst einer ausgeprägten Theozentrik.58 „Die Kommentarfunktion des Gesangs zielt zunächst auf die Botschaft des Engels des Herrn an die Hirten, insofern der Gesang jedoch den Abschluss himmlischer Epiphanien bildet, kann er als zusammenfassender Kommentar, der die Leser auf das Kommende einstimmt, gelten.“59 56 Wolter : gloria (wie Anm. 44), S. 378, der auf Parallelen in der rö-

mischen Hirtendichtung verweist. 57 Ebd., S. 379 ; vgl. auch ebd. : „Dementsprechend unterscheidet sich

nach lukanischer Sicht der Dinge auch der Friede, den Gott durch Jesu Herrschaft den Menschen auf der Erde verheißt, von allen Friedensversprechen, die irdische Machthaber abgeben können : Deren Friedensversprechen und Friedensproklamationen haben sich immer wieder als brüchig erwiesen und werden auch in Zukunft immer nur von vorläufiger Dauer sein.“ 58 Vgl. Rainer Kampling : „Gepriesen sei der Herr, der Gott Israels“. Zur Theozentrik in Lk 1–2, in : Thomas Söding (Hrsg.) : Der lebendige Gott. Studien zur Theologie des Neuen Testaments (Festschrift für Wilhelm Thüsing) (NTA NF 31), Münster 1996, S. 149−179, hier S.  163−164 ; ders. : Gloria (wie Anm. 7), S. 37 ; vgl. auch Müller : Prophet (wie Anm. 8), S. 122.145. 59 Kampling : Gloria (wie Anm. 7), S. 37.

Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  85

In den Erzählungen von der Geburt, Beschneidung und Namensgebung lösen die Neugeborenen in beiden Fällen auffällige Reaktionen in ihrer Umgebung aus. Es wird von Staunen gesprochen (Lk 1,63 ; vgl. Lk 2,18 ; 2,33 ; 2,47), vom Sich-Verbreiten ihres Rufes (Lk 1,65 ; vgl. Lk 2,1860) und von Furcht als Reaktion auf außergewöhnliche Begegnungen (Lk 1,65 ; vgl. Lk 2,9 f61). Im Blick auf Jesus wird innerhalb von Lk 2 wiederholt vom Erstaunen der Menschen gesprochen. In Lk 2,33 sind es die Eltern Jesu, die über die gehörte Botschaft (Lk 2,29–32) ins Staunen geraten. In Lk 2,18 und 2,47 wird über diesen kleinen Kreis hinaus eine Gruppe angesprochen, die in narratologischer Hinsicht sehr interessant und aufschlussreich ist. Wie in Lk 1,66 ist auch in Lk 2,18 von pa,ntej oi` avkou,santej die Rede,62 die über das Wort der Hirten ins Staunen kommen. Die Hirten sind in der Geburtserzählung Jesu Lk 2,1–20 Hörende (VV. 10–12.14 mit V. 17) und Sehende (V. 15 : „Laßt uns doch nach Betlehem gehen und dieses Geschehnis sehen, das geschehene, das der Herr uns kundgetan.“ mit V. 17 „Es sehend aber gaben sie Kunde über das Wort, das zu ihnen über dieses Kind geredet wurde.“). In der Rückkehrnotiz von Lk 2,20 werden „Hören und Sehen“ noch einmal zusammengefasst, wenn es heißt : „Und die Hirten kehrten zurück, verherrlichend und lobend Gott wegen allem, was sie hörten und sahen, gleichwie zu ihnen geredet wurde.“ Wer über die in V. 16 erwähnten Eltern, Maria und Josef, hinaus zu den Hörenden in V. 18 zu rechnen ist, lässt der Erzähler offen.63 In 60 61 62 63

Vgl. auch Lk 5,15 ; 7,16 f. Vgl. im weiteren Erzähltext auch Lk 5,26 ; 7,16 ; 8,37 ; Apg 2,43. Vgl. Lk 2,47 : „… alle, die ihn hörten“. Vgl. Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 159 : „Der Erzähler setzt also für den Bericht der Hirten plötzlich und ohne vorherige Andeutung ein größeres Publikums voraus.“

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dieser Offenheit kann eine Rezeptionsvorgabe des Lukas erkannt werden.64 Das Hören der Ohren- und Augenzeugen65 führt nach der Vorstellung des Erzählers ins Staunen, in eine der Botschaft entsprechende Betroffenheit. Über die sich ereignenden r`h,mata (Lk 1,65 und Lk 2,19) machen sich die Menschen bei Johannes (Lk 1,66 ; vgl. auch Lk 3,15) wie auch bei Jesus (Lk 2,19.51) Gedanken. Die beiden werden zum Gesprächsstoff (Lk 1,65 ; vgl. für Jesus Lk 4,14 ; 4,37 ; 5,15 ; 7,17) und zum Anlass für besondere Fragen, die die Identität der beiden reflektieren (Lk 1,66 ; vgl. im Blick auf Jesus Lk 4,22 ; 4,36 ; 5,21 ; 7,19 f ; 7,49 ; 8,25 ; 9,9). Innerhalb von Lk 2 wird vom Erzähler vor allem Maria als Bild einer idealen Rezeption des Geschehens vor Augen geführt. Darin kann eine weitere Ausprägung der von Lukas praktizierten Leserlenkung erkannt werden. Maria wird nicht nur als Hörende gekennzeichnet, sie bearbeitet das Erfahrene nach Lk 2,1966 und Lk 2,51 in ihrem Inneren. In Lk 2,19 wird sie den Lesern des Lukasevangeliums als Vorbild vor Augen gestellt, wenn es von ihr heißt : „Die Maria aber bewahrte (suneth,rei) alle diese Worte,67 (sie) in ihrem Herzen bewegend (sumba,llousa)“. Das Gehörte wird ihr zum Herzensanliegen (vgl. Lk 1,66), mit dem sie sich fortge64 Vgl. Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 202 : „Wenn Lukas in V. 18

völlig unvermittelt einen staunenden Zuhörerkreis einführt, dann stellt dieser zunächst einfach das für die Verkündigung der Hirten notwendige und angemessene Publikum dar. Es mag aber auch schon an die Vielen gedacht sein, die eines Tages verwundert die Predigt der Kirche und darin auch die Weihnachtsbotschaft vernehmen werden.“ 65 Vgl. Lk 1,2 : „… gleichwie uns übergaben die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes wurden.“ 66 Vgl. Radl : Ursprung (wie Anm. 9), S. 201. 67 Vgl. auch Lk 2,51 : „Und seine Mutter bewahrte alle Worte in ihrem Herzen.“

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setzt innerlich beschäftigt. Maria wird hier als Identifikationsmuster/Vorbild vor Augen gestellt. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lk 8,11–15, die Deutung des Gleichnisses vom ausgestreuten Samen : „(11) Das aber besagt dieses Gleichnis : Der Same ist das Wort Gottes […] (15) Das aber in der guten Erde, sind diese, welche mit rechtem und gutem Herzen hören das Wort, (es) festhalten und Frucht bringen in Geduld.“ Mit Lk 8,21 : „Meine Mutter und meine Brüder sind diese : die das Wort Gottes Hörenden und Tuenden.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch Lk 11,27 f : „Es geschah aber, als er diese sagte, sprach eine Frau aus der Volksmenge, ihre Stimme erhebend, zu ihm : Selig der Leib, der dich trug und (die) Brüste, an denen du sogst. Er aber sprach : Vielmehr selig die Hörenden das Wort Gottes und (es) Bewahrenden.“ Ein „Hinzutreten“ ist gefordert, ein Schauen des Wortes, das sich ereignet hat, und ein „Erlauschen“ des Gloria, um in sein Bekenntnis einstimmen zu lernen. „The angelic chorus invites the Christian reader to sing God’s glory too, because the birth of this child means a manifestation of God’s peace to the people of his predilection. This is the source of the joy that will be among all the people.“68 Der relative kurze Text überzeugt und inspiriert durch seine schlichte Schönheit. „Zugleich formuliert er bleibende Hoffnung und eine Sehnsucht des Glaubens, nämlich dass das, was er aussagt, hineinreicht in die Erfahrung des Lebens, das keineswegs stetig von Herrlichkeit und Frieden durchzogen ist.“69

68 Joseph A. Fitzmyer : The Gospel According to Luke, 2 Bde., Bd. 1 :

I–IX (AncB 28), New York – London u. a. 1981, S. 397. 69 Kampling : Gloria (wie Anm. 7), S. 42.

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Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  89

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Das Gloria im Kontext von Lk 2,1–20  91

derabgedruckt in : Christoph Gregor Müller : Lukas als Erzähler und Charakterzeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk (HBS 69), Freiburg i. Br. u. a. 2012, S. 53−101 (= Ecke) − : Dιήγησις nach Lukas. Zwischen historiographischem Anspruch und biographischem Erzählen, in : Thomas Schmeller (Hrsg.) : Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt (NTOA 69), Göttingen 2009, S. 95−126, wiederabgedruckt in : Christoph Gregor Müller : Lukas als Erzähler und Charakterzeichner. Gesammelte Studien zum lukanischen Doppelwerk (HBS 69), Freiburg i. Br. u. a. 2012, S. 1−51 (= dih,ghsij) Olsson, Birger : The Canticle of the Heavenly Host (Luke 2.14) in History and Culture, in : NTS 50 (2004), S. 147−166 (= Canticle) Pesch, Rudolf : Das Weihnachtsevangelium (Lk 2,1–21). Literarische Kunst. Politische Implikationen, in : Ders. (Hrsg.) : Zur Theologie der Kindheitsgeschichten. Der heutige Stand der Exegese, München – Zürich 1981, S. 97−118 (= Weihnachtsevangelium) Radl, Walter : Der Ursprung Jesu. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas 1–2 (HBS 7), Freiburg u. a. 1996 (= Ursprung) − : Das Evangelium nach Lukas. Kommentar. Erster Teil : 1,1–9,50, Freiburg i. Br. – Basel – Wien 2003 (= Lk I) Reiser, Marius, Wie wahr ist die Weihnachtsgeschichte ?, in : EuA 79 (2003), S. 451−463 (= Weihnachtsgeschichte) Rosen, Klaus : Jesu Geburtsdatum, der Census des Quirinius und eine jüdische Steuererklärung aus dem Jahr 127 n. Chr., in : JAC 38 (1995), S. 5−15 (= Geburtsdatum)

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Schreiber, Stefan : Weihnachtspolitik. Lukas 1–2 und das Goldene Zeitalter (NTOA/StUNT 82), Göttingen 2009 (= Weihnachtspolitik) Schröter, Jens : Lukas als Historiograph. Das lukanische Doppelwerk und die Entdeckung der christlichen Heilsgeschichte, in : Eve-Marie Becker (Hrsg.) : Die antike Historiographie und die Anfänge der christlichen Geschichtsschreibung (BZNW 129), Berlin – New York 2005, S. 237−262 (= Lukas) Schürmann, Heinz : Das Lukasevangelium, Erster Teil : Kommentar zu Kap. 1,1–9,50 (HThK III/1), Freiburg – Basel – Wien 41990 (= Lk I) Schwarz, Günther : Der Lobgesang der Engel (Lukas 2,14). Emendation und Rückübersetzung, in : BZ NF 15 (1971), S. 260−264 (= Lobgesang) Stäblein, Bruno : Gloria in excelsis Deo, in : MGG 5 (1956), S. 302−320 (= Gloria) Vögtle, Anton : Was Weihnachten bedeutet. Meditation zu Lk 2,1–20, Freiburg – Basel – Wien 51981 (= Weihnachten) Wolter, Michael : Das Lukasevangelium (HNT 5), Tübingen 2008 (= Lk) − : „gloria in altissimis Deo …“. Das Gotteslob der Engel in Lukas 2,14, in : MuK 84 (2014), S. 376−380 (= gloria)

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Von der Schwierigkeit, ein Gloria zu vertonen Thomas Nüdling

Ein ganz normaler Anruf im Februar. Die Planungen für ein Seminar mit Familien über die Kartage bis zu Ostern stecken mitten in der Planungsphase und bedürfen noch einiger Absprachen und der Erledigung mancher Aufgaben. So fällt im Rahmen des Telefonates auch der Wunsch nach einem neuen Gloria für die Feier der Osternacht, das zu komponieren ich gebeten werde. Eigentlich nicht schwer, denke ich. Eigentlich … Nach anfänglicher Euphorie und noch fehlenden Ideen frage ich mich : Ist musikalisch nicht schon alles aus dem Gloria-Text herausgeholt worden, was herauszuholen ist ? Unzählige Werke gibt es und unzählige Komponisten haben sich bereits an den Text gewagt : Von der wunderbaren Schlichtheit der Gregorianik, der frühen Mehrstimmigkeit der Notre-Dame-Schule, der klassischen Vokalpolyphonie über barocke Mehrchörigkeit und prachtvolle Kantatensätze hin zu großen sinfonischen Missae solemnes und modernen Werken mit Sprach- und Technikeinsatz. Bachs h-MollMesse, Mozarts und Haydns oft gespielte Missae breves, Messen aus der Hand protestantischer und katholischer Musiker, einzelne Messsätze unterschiedlichster Faktur und Couleur und … und … und. Und es gibt doch auch genügend Gloria-Lieder aus alter und neuer Zeit. Muss ich denn nun auch noch ein Gloria schreiben ? Die Skepsis der Skepsis : Warum eigentlich nicht ? Mit dem Gloria einer klassischen „Missa brevis“ dürfte man in einer

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Osternacht mit Familien wohl wenig anfangen können. Und die bestehenden Lieder hat man schon so oft gesungen. Also hat sich die Frage aller Fragen in Bezug auf das neue Gloria geklärt : Ja, ich komponiere ein Gloria. Es ist Mitte Februar und damit noch genügend Zeit bis Ostern. Ich nehme mir den Gloria-Text in lateinischer und in deutscher Sprache vor, lese ihn oft, denke darüber nach und trage ihn (fast immer) bei mir für den Fall, dass mir Ideen kommen und ich sie dann auch notieren kann. Die Erfahrung hat mich gelehrt : Manchmal – aber Gott sei Dank nicht immer – kommen die entscheidenden Ideen in den unmöglichsten Momenten : Im Gespräch, beim Spazierengehen, beim Autofahren, unter der Dusche – seltener, aber auch schon mal beim Schlafen. Dann muss ich aufstehen und die Ideen skizzieren. Am anderen Morgen wären sie sonst verflogen. Die Gloria-Worte sind gewichtig und feierlich : „Ehre sei Gott in der Höhe !“ Man denkt an Trompeten und Pauken, die einem ehrenhaften Herrn und König wahrhaft würdig erscheinen. Gleichzeitig geht mir die biblische Weihnachtsszenerie der Hirten auf dem Feld durch den Kopf : Wenn denn die Engel so laut und so feierlich ihr Gloria in excelsis Deo gesungen hätten, wie ich es mir bei diesen Worten vorstelle, dann wären die Hirten samt ihren Schafen vor lauter Schreck sicher davon gelaufen und zwar weg von der Krippe, weit weg – so weit, dass ich mir entsprechende Gedanken um ein neues Gloria gar nicht machen müsste. Was und wie soll das Gloria also sein ? Zu allererst ein Werk, das die Gegebenheiten berücksichtigt : Die Feier der Osternacht mit Familien. Wer nimmt eigentlich am Seminar teil ? Eltern mit ihren Kindern (vom Kleinkind bis zum pubertierenden Teenie) und junge Erwachsene. Damit sollte die Musik des Werks

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auch in eine moderne, eher populäre Richtung gehen. Auch die Frage der Sprache hat sich damit geklärt : Ich wähle den deutschen Text. So muss man einzelne Worte nicht erst erklären, deren Aussprache üben oder sie übersetzen. Jeder – auch und vor allem die Kinder – soll bei diesem ersten instrumental begleiteten Jubel des Osterfestes mitsingen können. Viel Zeit zum Proben während des Seminars bleibt nicht. Die Länge des Textes veranlasst mich also zu einer strophischen Anlage mit Refrain. So durchsuche ich den Text nach inhaltlichen Parallelen und Gegensätzen, nach sprachlicher und inhaltlicher Struktur und komme zu drei Strophen, wobei ich die Textdopplung „Erbarme dich unser“ der zweiten Strophe der gewählten Form zum Opfer fallen lasse und in der späteren Einrichtung einige Silben streiche : – Refrain : „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seiner Gnade.“ – Strophe 1 : „Wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir rühmen dich und danken dir, denn groß ist deine Herrlichkeit : Herr und Gott, König des Himmels, Gott und Vater, Herrscher über’s All, Herr, eingeborener Sohn, Jesus Christus.“ – Strophe 2 : „Herr und Gott, Lamm Gottes, Sohn des Vaters, du nimmst hinweg die Schuld der Welt : erbarme dich unser. Du nimmst hinweg die Schuld der Welt : nimm an unser Gebet. Du sitzest zur Rechten des Vaters.“ – Strophe 3 : „Denn du allein bist der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist, zur Ehre Gottes des Vaters. Amen.“ Soll ich Instrumente einbauen ? Erfahrungsgemäß bringen in diesem Seminar Familien ihre Instrumente mit. Aber wer genau was mitbringt, kann ich nicht absehen. Also

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entscheide ich mich zu einer ausbaufähigen und flexiblen Instrumentalbehandlung : Die entsprechende Grundlage bildet das Klavier (oder die Orgel), wozu weitere Instrumente treten können : Schlagzeug, Bass, Gitarren, Klarinetten, Saxophone, Trompeten, etc. Damit hat sich nun auch die Frage nach dem Charakter geklärt : Ich erwäge eine dem Anlass und den Umständen entsprechende festliche Version, die Schwung und Leben in die Kirche bringt. Schließlich ist Ostern. Alles ist geplant : Der Text ist aufgeteilt ; die Gegebenheiten abgewogen ; musikalische Ideen kommen wie sie gehen, aber keine einzige davon überzeugt mich. Mein Kopf hat sein Möglichstes getan, aber das Herz seinen Beitrag noch nicht geleistet. Und so geht das wochenlang. Ich fühle mich wie ein Stummer, der sprechen will, aber nicht kann. Von Woche zu Woche deprimiert mich diese Situation immer mehr. Mittlerweile ist Dienstag der Karwoche. Das Gloria ist nicht einmal in Ansätzen fertig. Morgen beginnt das Seminar und dann habe ich keine Zeit mehr, mich solch grundsätzlichen kompositorischen Fragen zu stellen. Also muss ich mich geschlagen geben : Ich gebe auf. Dann singen wir eben ein anderes Gloria-Lied, es gibt ja genügend davon. Die Anspannung, die mich über Wochen hinweg regelrecht im Griff hatte, weicht. Gleichzeitig bin ich aber auch ein bisschen von mir selbst enttäuscht, hatte ich mir doch mehr von mir versprochen. Trotzdem : Nun kann ich wenigstens ganz entspannt in den vor mir liegenden Tag und ins Seminar gehen. Einige Stunden vergehen. Und auf einmal passiert es : Ich sehe Noten vor mir und höre sie innerlich. Wie aus dem Nichts fliegen mir die ersten acht Takte zu. Ich greife nach Stift und Notenpapier und notiere. Kaum aufgeschrieben kommen die zweiten acht, dann die dritten

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acht – und auf einmal steht der Refrain. Ich kann nicht beschreiben, wie die Ideen kommen, sie kommen einfach. Und sie kommen in einer solchen Geschwindigkeit, dass ich die Melodie nur noch auf Papier kritzele und die Begleitung als Akkord-Symbole aufschreibe. So spare ich Zeit und entgehe der Gefahr, dass die Ideen wieder verloren gehen. Zwischendurch teste ich am Klavier, ob die Gedanken auch wirklich so klingen wie sie sollen. Es ist unglaublich, aber sie tun es. So geht das fast zwei Stunden lang und innerhalb dieser Zeit gelingt das, was vorher in sechs Wochen nicht möglich war. Das Gloria nimmt Gestalt an : Es ist fetzig, festlich, lebendig und vor allem vollständig und fertig. Ein bisschen erinnert mich diese Situation an Elija am Horeb (vgl. 1 Kön 19) : Der Prophet sucht die Begegnung mit Gott in Sturm, in Feuer und in Erdbeben. Doch nicht in diesen lauten und augenscheinlichen Ereignissen wird er fündig. Erst im Leisen, im Ruhigen und im Unscheinbaren, nämlich im Säuseln begegnen sie einander. Am liebsten würde ich jetzt „Nun danket alle Gott“ singen, weil Herz, Mund, Hände und auch Kopf sich endlich zusammengefunden und miteinander arrangiert haben. Aber ehrlich gesagt : Ich will mein neues Werk hören. Und so mache ich das, was ich eigentlich immer tue, wenn ich etwas komponiert habe : Ich gehe in die Kirche, schicke ein Dankgebet zum Himmel, zu „Gott in der Höhe“, setze mich an die Orgel und singe „mein“ Gloria. Hier und da bedarf es zwar noch einiger Korrekturen und eines adäquaten Layouts im PC, aber das Werk steht. Ich habe ein kompositorisches Ostern erlebt – mitten in der Karwoche. Halleluja ! In der Osternacht besteht das neue Gloria seine Bewährungsprobe. Voller (Oster-)Freude, mit Frische und Lebendigkeit erklingt das Werk zum ersten Mal, nachdem wir

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es zuvor im Familienkreis geprobt hatten. Eine kleine Schola nimmt sich nun der Strophen an ; die Gemeinde singt den Refrain, zunächst einstimmig und am Schluss als Kanon. Die zur Verfügung stehenden Instrumente (Trompeten, Flöten, Saxophone, Geigen und eine Cajon) frohlocken mit, was sie können. Welch ein Osterjubel ! Die vielen Gedanken, die ich mir zuvor gemacht hatte, haben die Bedingungen richtig eingeschätzt. Nach dem Gottesdienst höre ich den einen oder anderen noch einige Liedfetzen des Glorias singen. Es hat also durchaus Ohrwurmcharakter. Umso bedauerlicher, dass es nur beim Gloria bleiben soll. Eigentlich wäre doch eine ganze Messe wunderbar, die diese Lebendigkeit auffängt und vor Gott bringt. Also entsteht im Laufe der Wochen nach Ostern die „Missa canonica“ : Eine Messe mit Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei in deutscher Sprache sowie kanonischem Aufbau mit Strophenanlage und im Jazzstil (vgl. den Abdruck der Komposition im Anhang). Ich nutze diese Messe nach wie vor sehr gerne und immer wieder, weil sie liturgisch treffend, musikalisch lebendig und organisatorisch verhältnismäßig einfach zu realisieren ist. In jeder meiner mittlerweile neun Vertonungen des Messordinariums ist der Gloriatext anders vertont. Jedes Mal ist die Form, der Stil, der Charakter, die Besetzung anders und jedes Mal hat mir die Vertonung des GloriaTextes (und der Messen) Freude bereitet. Nicht selten aber war – wie im beschriebenen Fall – auch eine gehörige Portion Stress und Ernüchterung damit verbunden. Warum also tue ich mir das eigentlich an ? Darum : – theologisch : In der Beschäftigung mit den Texten und der Suche nach den Tönen finde ich Ruhe. Für mich ist das Meditation. In der Musik liegt mein Ich, das ich wie

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ein inniges Gebet vor Gott bringen kann. Ich suche nach den richtigen Worten, Tönen und deren Zusammenhängen. Mein Komponieren verstehe ich als Gottesdienst : Als meinen Dienst für Gott und im Wissen, dass er mir diese Gabe geschenkt hat. – musikalisch : In den seltensten Fällen komponiere ich ins Leere, d. h. ich habe den Anlass und die Bedingungen stets vor Augen. So kann ich bei vorliegenden Texten – wie etwa dem Gloria – kompositorisch flexibel agieren : Man kann nicht überall und mit jedem alles musizieren. So sind die Werke auch jeweils auf die Ausführenden und die Situationen zugeschnitten. Das ist nicht nur von musikalischem, sondern auch ideellem Vorteil für alle Beteiligten. – persönlich : Natürlich freue ich mich über jedes neue Werk. Schließlich ist es das Ergebnis harter Arbeit. Ich freue mich auch deshalb, weil ich es wahrhaftig in den Händen halten, es sehen und auch hören kann. In diese Freude nehme ich andere Menschen besonders gerne mit hinein, wenn es geprobt und aufgeführt wird. Schließlich ist diese Musik nicht nur Gotteslob, sondern sie ist mein Gotteslob.

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Gloria aus der „Missa canonica“ von Thomas Nüdling (2012)

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„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“

Bilder und Hymnen in der Thronsaalvision der Apokalypse1 Christoph Gregor Müller

„Es krönen Dich die himmlischen Heerscharen und die Versammlungen auf Erden, sie alle sprechen Dir dreimal die Heiligung, wie durch Deinen Propheten geschrieben ist …“2 Diese Grundüberzeugung aus dem jüdischen Gebetsschatz prägt auch den christlichen Lobpreis auf die Größe Gottes, wie er in den hymnischen Passagen der Apokalypse vernehmbar wird. Menschen verbinden ihre Stimmen nicht nur mit den Stimmen der Schöpfung, die in ihrem „Überschuss“3 in der Musik 1 Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung „Engel der Apokalypse in der

mittelalterlichen Buchmalerei“ in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Fulda am 14. Oktober 2014. 2 Aus „Seder Raw Amran“ (Warschau 1865, Blatt 10b) ; zitiert nach David Flusser : Sanctus und Gloria, in : Otto Betz ; Martin Hengel ; Peter Schmidt (Hrsg.) : Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (Festschrift für Otto Michel), Leiden – Köln 1963, S. 129−152, hier S. 135 ; vgl. auch ebd., S. 136−137. 3 Vgl. Hans Weder : Der Raum der Lieder. Endlichkeit – Geschöpflichkeit – Würde, in : Claudia Schmidt-Hahn (Hrsg.) : Europas Ouverture – Religion und Kultur. Disputationes 2012, Innsbruck 2013, S. 61−65, hier S. 61 : „Der Überschuss, der in der Musik evident ist, spiegelt sich wider in der Schönheit des Vogelgesangs, in der gewaltigen Komplexität nur einer einzigen lebenden Zelle, in der eleganten Ordnung der Gestirne in den Weiten des Universums. Erfahrungen des Überschusses sind es, welche den Menschen das Lob der Schöpfung

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evident werden,4 Menschen stimmen ein in den Gesang der himmlischen Chöre. „Liturgie und Musik sind von Anfang an verschwistert gewesen. Wo der Mensch Gott lobt, reicht das bloße Wort nicht aus. Rede mit Gott überschreitet die Grenzen menschlichen Sprechens. Sie hat darum von ihrem Wesen her allerorten die Musik zu Hilfe gerufen, das Singen und die Stimmen der Schöpfung im Klang der Instrumente. Denn zum Gotteslob gehört der Mensch nicht allein.“5 Zu ihm gehören nach biblischem Zeugnis vor allem die En­ gel, auf die unsere besondere Aufmerksamkeit gerichtet werden soll.6 Dabei nehmen wir in diesem Beitrag ein be-

entlockt haben.“ Weder fährt (ebd.) fort : „Dabei kamen sie ins Singen, und deshalb drückt sich die Religion, seit es sie gibt, vornehmlich in Liedern aus.“ ; vgl. auch ders. : Der Raum der Lieder. Zur Hermeneutik des Hymnischen im Neuen Testament, in : EvTh 53 (1993), S. 328−341. 4 In den Gesängen Israels kommt ein weiterer Aspekt hinzu – der Lobpreis auf Erfahrungen der Geschichtsmächtigkeit Gottes, z. B. im Siegeslied der Prophetin Mirjam, „das die Rettung Israels am Meer nicht auf die Kampfkraft Israels, sondern auf das Eingreifen seines Gottes zurückführt : ‚Singet Jahwe, denn hoch erhob er sich / Roß und Wagenkämpfer warf er ins Meer‘ (Ex 15,21)“ ; so Jens-Wilhelm Taeger : „Gesiegt ! O himmlische Musik des Wortes“. Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, in : ZNW 85 (1994), S. 23−46, hier S. 24−25. 5 Joseph Kardinal Ratzinger : Liturgie und Kirchenmusik. Vortrag zur Eröffnung des VIII. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik in Rom im Europäischen Jahr der Musik am 17. November 1985, Hamburg 1987, S. 5. 6 Einerseits durch die begleitenden Vortragsabende, andererseits durch die Ausstellung in der Bibliothek des BPS, darüber hinaus vor allem auch durch das entsprechende Kontaktstudium der Theologischen Fakultät Fulda im Wintersemester 2014/15.

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  105

sonderes Buch zu Hilfe, die Apokalypse, das „Buch mit sieben Siegeln“.7

1. Kurze Einführung in die Apokalypse Von apokalyptischen Bildern ist in den Medien unserer Tage häufiger die Rede. Zuweilen macht sich im Leben einzelner wie im Zusammenleben der Menschen „apokalyptische Stimmung“ breit. Der Mensch und sein Glaube sind zu allen Zeiten schwierigen, bedrohlichen, auch leidvollen Situationen ausgesetzt, Gefährdungen vielfältiger Art. Dieser Wirklichkeit stellt sich der Autor der Apokalypse.8 Der Text öffnet den Blick in eine Welt voller Visionen und Bilder. Und : Er lädt ein, Musik zu vernehmen, Gesänge besonderer Art, die ihren Ausgang im Himmel nehmen. Die Schrift, die am Ende der Regierungszeit Kaiser Domitians (81–96 n. Chr.) oder etwas später am Beginn des 2. Jh. entstanden sein dürfte,9 zeigt Vergleichbarkeiten mit 7 Vgl. – neben den Kommentaren zur Offb – Hans-Georg Gradl : Buch

und Offenbarung. Medien und Medialität in der Johannesoffenbarung (HBS 75), Freiburg – Basel – Wien 2014. 8 Dabei werden die häufig verwendeten und ausgeprägten Bilder der Gewalt, die in der Offb selbst entworfen werden, für manche Rezipienten zu einem massiven Problem ; vgl. zu dieser Frage und Problematik besonders Moisés Mayordomo : Gewalt in der Johannesoffenbarung als theologisches Problem, in : Thomas Schmeller ; Martin Ebner ; Rudolf Hoppe (Hrsg.) : Die Offenbarung des Johannes. Kommunikation im Konflikt (QD 253), Freiburg i. Br. u. a. 2013, S. 107−136, und den von Joseph Verheyden, Tobias Nicklas und Andreas Merkt herausgegebenen Band : Ancient Christian Interpretations of „Violent Texts“ in the Apocalypse, in Cooperation with Mark Grundeken (NTOA/StUNT 92), Göttingen 2011. 9 Zur Frage nach der Datierung vgl. auch Martin Karrer : Ein alter Text neu gelesen. Die Johannesapokalypse, in : Hans-Georg Gradl ;

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frühjüdischen und frühchristlichen Apokalypsen. Doch die Diskussion um die Textsorte (Prophetenbuch, Brief o. a.) dauert an ; in vielerlei Hinsicht bleibt es ein Buch mit sieben Siegeln. In diesem Schreiben wird ein theozentrischer Identitätsentwurf des Christentums zur Sprache gebracht, der auch „Verweigerungen“ gegenüber der Welt einschließt. Dabei spielt die Lebenswelt (Herausforderungen durch Götterkult, Kaiserkult u. a.), die sich im Glaubensprogramm des Sehers von Patmos spiegelt, eine besondere Rolle. Ermutigung und Kritik, Heilszusage und herausfordernder Anspruch an Glaubende in Situationen der Minderheit, der Bedrohung oder der Unterlegenheit gehen in diesem Buch immer neue Verbindungen ein. Dabei lassen sich aus der Perspektive des Sehers das Vertrauen und die Hoffnung auf die Treue Gottes als tragende Wirklichkeit erfahren. Die theologische Leitlinie lässt sich vielleicht in aller Kürze so ausdrücken : Gott will das Heil des Menschen. Gott schenkt es schon jetzt – in der Gegenwart. Dieses Heil ist Gott selbst und ist Christus. Gott will, dass dieses Heil „bewahrt“ wird bis zur Vollendung im „neuen Jerusalem“. Im Glauben darf der Christ wissen : Gott steht zu mir, und mit mir ist Jesus Christus. Er lässt mich nicht im Stich, auch wenn es oft so scheint. Dieser Glaube rüstet auch für den Umgang mit totalitären Ansprüchen, welcher Art auch immer.

Georg Steins ; Florian Schuller (Hrsg.) : Am Ende der Tage. Apokalyptische Bilder in Bibel, Kunst, Musik und Literatur, Regensburg 2011, S. 9−33, hier S. 16−17 ; Robert Mucha : Ein flavischer Nero : Zur Domitian-Darstellung und Datierung der Johannesoffenbarung, in : NTS 60 (2014), S. 83−105, besonders S. 102 : „Die genannten Übereinstimmungen zwischen Nero und Domitian lassen eine Datierung der Offb zur Spätzeit der Regierung Domitians aus textinternen Gründen plausibel erscheinen.“

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  107

Die Offb begegnet uns heute als einzige apokalyptische Schrift des frühen Christentums, die Teil des neutestamentlichen Kanons geworden ist.10 Der Name Apokalypse für eine bestimmte literarische Darstellungsweise stammt von der Johannesapokalypse, obwohl diese selbst sich nicht als Apokalypse bezeichnet. Das Buch nennt sich auch nicht „Offenbarung des Johannes“, sondern Offb 1,1 : VApoka,luyij VIhsou/ Cristou/ … Der Begriff VApoka,luyij – „Offenbarung“ meint zunächst „Enthüllung“ ; „Aufdeckung“ (vgl. eine Übersetzung von Martin Buber : „Entbergung“). Der Verfasser dieser Schrift nennt sich selbst viermal Johannes (Offb 1,1.4.9 ; 22,8). Dass er tatsächlich so geheißen hat, wird im Grunde von niemandem bestritten.11 Doch : Wer war „Johannes“ ? Der Verfasser bezeichnet sich selbst als „Knecht“ Gottes bzw. Christi (1,1) oder als „Bruder“ der übrigen Gläubigen in den Gemeinden (1,9). Aus 22,9 geht hervor, dass er sich als „Prophet“ sieht (vgl. auch 22,6). Seine Worte versteht er als „Prophetie“ (1,3 ; 10 Im ersten Jahrhundert n. Chr. scheint allein die Offb ein Buch gewe-

sen zu sein, das sich mit jüdischen Apokalypsen vergleichen lässt. Anscheinend war die literarische Gattung „Apokalypse“ – wenn es sie überhaupt gab – keine Sprachform, die den vorrangigen Interessen der frühen Christen entgegenkam. Die Gefährdung kleinasiatischer Gemeinden, die in der Offb reflektiert wird, rief eine besonders intensive Beschäftigung mit dem Ausgang der Geschichte bzw. der eschatologischen Vollendung hervor. Dabei bot sich die Darstellungsform der Apokalypse an, die bereits im jüdischen Bereich der Offenbarung über das Ende diente. 11 Dionysios von Alexandrien († 264/265) stellt fest, dass Stil, Sprache und Theologie in der Offb sich von Stil, Sprache und Theologie im Joh-Ev und in den Joh-Briefen grundlegend unterscheiden (vgl. Eusebius, Kirchengeschichte VII, 25). Die Offb sei somit das Werk eines anderen „Johannes“ (aus Asien). Diesem Urteil schließt sich die kritische Forschung seit dem 19. Jh. weitgehend an.

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22,7.10.18.19 ; vgl. auch 10,11). „Die Unterscheidung von Vorleser und Hörer läßt unmißverständlich den Willen erkennen, das Buch in der gottesdienstlichen Versammlung vorlesen zu lassen (vgl. 22,6–20).“12 Die Sendschreiben in Offb 2–3 zeigen, dass Johannes zu einer Reihe von Gemeinden Kleinasiens Beziehungen hatte. In einigen scheint er gewirkt zu haben. Von daher wäre eine Tätigkeit als Wanderprophet denkbar. In den kleinasiatischen Gemeinden scheint er eine geschätzte Persönlichkeit gewesen zu sein. „Der Verfasser hat eine fortschreitende Darstellung des Endzeitgeschehens gegeben, die in immer neuem Anlauf auf das Ende zielt, dann anhält, um erneut die Vollendung anzuvisieren. Sie umfaßt die Geschichte seit Christi Geburt, Tod und Erhöhung (Kap. 12) sowie seiner Beauftragung zur Durchführung des göttlichen Gerichtsplans (Kap. 5) und deutet Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der christlichen Gemeinde als eingebunden in den Prozeß der endzeitlichen Plagen, die als Ausdruck göttlichen Gerichts an der gottlosen Welt ergehen. Die Hymnen verkünden dabei der Gemeinde, die inmitten des in Gang gebrachten Endzeitdramas lebt, daß der Sieg Gottes bereits feststeht. Sie antizipieren das Heil, um angesichts des umgebenden Chaos Trost und Mut zu spenden, damit der Christ seinerseits ‚überwindet‘, wie Christus bereits ‚überwunden‘ hat (3,21).“13 Sein Anliegen : die Gegenwart ! Er ist nicht so sehr an der Beschreibung zukünftiger Geschehnisse interessiert. Insofern ist er eher Prophet, weniger Apokalyptiker. Die Erhöhung Christi gilt als die Wende 12 Heinz Giesen : Die Offenbarung des Johannes (RNT), Regensburg

1997, S. 59. 13 Ulrich B. Müller : Die Offenbarung des Johannes (ÖTBK 19) (1984),

2. Aufl., Gütersloh – Würzburg 1995, S. 36.

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der Geschichte.14 Diese signalisiert die bereits anbrechende Herrschaft Gottes, die den Satan nur noch kurze Zeit auf Erden lässt (12,12). Der erhöhte Christus wird gegenwärtig schon in seiner gottesdienstlichen Präsenz erfahren.

2. Bereitstellung von Bildern Der Autor schreibt, „was er gesehen hat“ (1,2.11.19). Er ist „visionärer Theologe“.15 Aufgrund ekstatischer Entrückung in den Himmel16 erfährt er Visionen ; er schaut Vorgänge im himmlischen Bereich, was sich an der Thronsaalvision der Kapitel 4 und 5 besonders deutlich zeigen lässt. Eine Vielzahl der Darstellungen hat deshalb die Form von Visionsberichten. Daneben hört er himmlische Stimmen : Er hört den Menschensohn (1,10 ff) ; Engel (10,3. 5–7.9) ; eine Stimme aus dem Himmel (4,1 ; 14,2.13 ; 18,4). Zuweilen begegnet ein „Deuteengel“ (7,13 ff ; 17,7 ff.15 ff 14 Anders als jüdische Apokalypsen beschreibt die Offb Weltgeschichte

nicht mehr in einer Abfolge von Weltreichen, die durch das Eschaton abgelöst werden. Die Weltgeschichte ist in ihr letztes Stadium getreten ; sie ist Teil der Endgeschichte, die der letztgültigen Herrschaftsübernahme Gottes entgegengeht. Von daher haben manche Ausleger von einem „österlichen Trostbuch“ gesprochen. 15 Nach Knut Backhaus : Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der Johannes-Offenbarung, in : Ders. (Hrsg.) : Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung (SBS 191), Stuttgart 2001, S. 10−53, hier S. 38, erhebt der Verfasser der Apk „den Anspruch, visionärer Theologe zu sein. Er hat auf visionäre Weise von Gott (und mit Gott !) gehandelt, weil so und nicht anders Theologie für ihn möglich war. Johannes sah den lo,goj tou/ qeou/ (1,2 : o[sa ei=den)“. 16 „Himmelsreisen“ sind in apokalyptischer Literatur häufiger anzutreffen ; vgl. allerdings auch bei Paulus 2 Kor 12,2–4 ; dazu ausführlich Bernhard Heininger : Paulus als Visionär. Eine religionsgeschichtliche Studie (HBS 9), Freiburg i. Br. u. a. 1996.

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[nicht besonders stark]). Zur Darstellung nutzt er ein reichhaltiges Bildreservoir : Frühchristliche Symbolik, alttestamentlich-jüdische Traditionen, orientalische und hellenistische Vorstellungswelten tragen reichlich dazu bei.17 Der Verfasser der Offenbarung präsentiert seine Botschaft über weite Strecken als Visionen und Auditionen.18 Diese versteht der Seher und Hörer Johannes allerdings nicht als beglückende Privatoffenbarung, sondern als pro­ phetische Botschaft, die es auszurichten bzw. mitzuteilen gilt. Für Leser und Leserinnen, Hörerinnen und Hörer werden damit Bilder bereitgestellt,19 die eine Partizipation an seinen „Einsichten“ ermöglichen sollen. Die breite rezeptionsgeschichtliche Wirkung 20 eines solchen Konzepts – vor allem im Bereich der darstellenden 17 Vgl. z. B. Martin Karrer  : Hellenistische und frühkaiserzeitliche Mo-

tive in der Johannesapokalypse, in : Thomas Schmeller ; Martin Ebner ; Rudolf Hoppe (Hrsg.) : Die Offenbarung des Johannes. Kommunikation im Konflikt (QD 253), Freiburg i. Br. 2013, S. 32−73 ; Martin Ebner : Spiegelungen : himmlischer Thronsaal und himmlische Stadt. Theologie und Politik in Offb 4 f. und 21 f., in : Bernhard Heininger (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeit- und Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011, S. 100−131. 18 Zur Zusammengehörigkeit von „sehen und hören“ bei „Himmelsreisen“ vgl. u. a. Heininger : Paulus (wie Anm. 16), S. 249. Für die Offb vgl. vor allem 22,8 : „Und ich, Johannes, (bin) der Hörende und Sehende dieses. Und als ich hörte und sah, fiel ich nieder zu huldigen vor den Füßen des Engels, der mir dieses zeigte.“ 19 Vgl. Backhaus : Vision (wie Anm. 15), S. 16 : „So dient die Johannes-Offenbarung, rezeptionsästhetisch beurteilt, zunächst als archetypisches Bildreservoir, das eine im Wortsinn entfesselnde Wirkung auf die Sichtweite und die Blickschärfe der Leser auszuüben vermag“. 20 Vgl. u. a. Friedhelm Hofmann : Die Apokalypse in der Kunstgeschichte, in : Richard Loibl (Hrsg.) : Apokalypse. Bilder vom Ende der Zeit, unter Mitarbeit von Petra Gruber u. a., Limburg – Kevelaer 2001, S. 100−125.132−142 ; Martin Karrer : Christenverfolgungen, Lamm, Elysium und apokalyptische Reiter. Zur Wirkungsge-

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Kunst (Buchmalerei ; Kirchenbau ; Apokalypse-Zyklen …) zeigt, dass solche Botschaften – bei aller Vieldeutigkeit der Bildwelt – bei Adressaten „ankommen“. Auch wenn es immer wieder heißt „und ich sah“ (z. B. 21,1 : Kai. ei=don ; vgl. auch V. 2 : kai. … ei=don) oder „und ich hörte“ (z. B. 21,3 : kai. h ;kousa), so begegnet uns doch eine prophetische Botschaft für andere. Das Ziel dieser Botschaft ist die partizipierende Einsicht in himmlische Wirklichkeit. „Er [der Visionär] macht die Leser zu Mitvisionären und lässt sie die Herrlichkeit Gottes anhand eines eindrücklichen Farbenspiels aus blutroten und leuchtend grünen Lichtreflexionen erleben.“21 Der Autor der Offb hat ein feines Gespür für die Transzendenz, Unbeschreibbarkeit und Größe Gottes : „Gott lässt sich nur anhand der Spiegelungen seiner Herrlichkeit beschreiben : durch den Glanz der Edelsteine (Offb 4,3), mittels der Urgewalt der Elemente (Offb 4,5) und durch den Lobpreis der Ältesten und Lebewesen (Offb 4,8.11), welche die Größe Gottes ausdrücken und in menschliche Sprache übersetzen.“22 Letzteres wird in den Gesängen bzw. hymnischen Passagen erkennbar. „In der Johannesoffenbarung wird viel gesungen. Immer lauter schichte der Johannesapokalypse, in : Hans-Georg Gradl ; Georg Steins ; Florian Schuller (Hrsg.) : Am Ende der Tage. Apokalyptische Bilder in Bibel, Kunst, Musik und Literatur, Regensburg 2011, S. 68−89 ; Katerina Murillo Soberanis : Die Christusvisionen der Johannesoffenbarung. Ein rezeptionsästhetischer Zugang unter Berücksichtigung von Apokalypsedarstellungen (SBB 67), Stuttgart 2011. 21 Hans-Georg Gradl : Glanz und Gloria. Eine Auslegung der Thronsaalvision (Offb 4,1–11), in : BiKi 67 (2012), S. 85−89, hier S. 87. Zum „Mit-Sehen“ vgl. auch Christoph Gregor Müller : Gott wird alle Tränen abwischen (Offb 21,4). Anmerkungen zum Gottesbild der Apokalypse, in : ThGl 95 (2005), S. 275−297. 22 Gradl : Buch (wie Anm. 7), S. 225.

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und länger feiern himmlische Chöre im Verlauf des ­Buches den Sieg Gottes (vgl. etwa 5,9–13 ; 11,15–18 ; 19,1–7).“23

23 Gradl : Glanz (wie Anm. 21), S. 89. Zur Musik (Gesang und Instru-

mente) in der Offb vgl. auch Martin Hengel : Das Christuslied im frühesten Gottesdienst (1987), in : Ders. : Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hrsg. von Claus-Jürgen Thornton (WUNT 201), Tübingen 2006, S. 205−258, hier S. 206. Zum Kithara-Gebrauch (vgl. auch die Psalmen 54 ; 55 ; 61) im Tempel von Jerusalem und im Text der Offb vgl. auch Craig R. Koester : Heavenly Prayer and Christian Identity in the Book of Revelation, in : Reidar Hvalvik ; Karl Olav Sandnes (Hrsg.) : Early Christian Prayer and Identity Formation (WUNT 336), Tübingen 2014, S. 183−207, hier S. 188. Nach Offb 5,8 tragen die Ältesten kita,rai/„Harfen“ und „Schalen mit Räucherwerk“. Wie sind dann die Harfen/Leier (kiqa,ra in Offb 5,8 ; 14,2 ; 15,2) spielbar ? Vgl. auch Hermann Lichtenberger : Die Apokalypse (ThKNT.NT 23), Stuttgart 2014, S. 132 : „Wie das vorzustellen ist, muss offen bleiben. Man kann ja kaum gleichzeitig Kithara spielen und goldene Räucherschalen schwingen und sich noch dabei zu Boden werfen und dazu singen. Der visionäre, kumulierende Charakter der Schilderung wird deutlich. Ausgedrückt wird eine umfassende Huldigung des Lammes.“ Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), S. 108, bietet eine Lösung an : „Insofern stellen sich vielleicht sogar noch besser Assoziationen zu den sogenannten Hymnoden ein, Männerchören, die für die Begehung der kaiserlichen Festtage zuständig waren, und zwar sowohl musikalisch (Hymnen singen) als auch kultisch (Darbringung von Speise- und Weihrauchopfern)“ ; zudem verweist er auf Apollo-Darstellungen (ebd. Anm. 27) : „Die körpertechnisch scheinbar schwierig zu bewältigende Aufgabe, Kithara und Räucherschalen gleichzeitig in Händen zu halten, ist auf attischen Vasen stereotyp für Apollo belegt.“ Auf Apoll weist auch Karrer : Motive (wie Anm. 17), S. 47, hin. Koester (Prayer [wie Anm. 23], S. 189) zeigt ein entsprechendes Bild aus Delphi, das einen Schale und Kithara tragenden Apollo zeigt.

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  113

3. Bereitstellung von Hymnen − die hymnischen Passagen der Apokalypse Für die ersten Christen und Christusverehrer ist klar : Vor allem im „gottesdienstlichen Leben wird die Himmel und Erde überwölbende Gemeinschaft der Menschen mit den Engeln erfahrbar, treten die Glaubenden in die Welt Gottes ein und werden zu ‚Mitbürgern der Heiligen und Hausgenossen Gottes‘ (Eph 2,19). Dieses Verständnis des Gottesdienstes als Partizipation am Lobgesang der himmlischen Engelmächte stammt aus alttestamentlichen Traditionen zum Jerusalemer Tempel als dem ‚Ort, an dem sich der irdische und der himmlische Bereich berühren, ja an dem diese beiden Bereiche ganz unmittelbar ineinander übergehen‘, und ist im Frühjudentum vor allem in Qumran zu greifen.“24 Gerade die Vorstellung von einer hymnischen Gemeinschaft mit den Engeln 25 ist wiederholt

24 Michael Theobald : Der Gottesdienst der Kirche und das Neue Tes-

tament. Erwägungen zu ihrem gegenseitigen Verhältnis, in : ThQ 189 (2009), S. 130−157, hier S. 135 (mit Bezugnahme auf O. Hofius). Vgl. auch Karl Erich Grözinger : Musik und Gesang in der Theologie der frühen jüdischen Literatur. Talmud – Midrasch – Mystik (TSAJ 3), Tübingen 1982 ; Franz Tóth : Der himmlische Kult. Wirklichkeitskonstruktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte ; 22), Leipzig 2006, S. 252 ; Gerard Rouwhorst : Christlicher Gottesdienst und der Gottesdienst Israels. Forschungsgeschichte, historische Interaktionen, Theologie, in : Martin Klöckener ; Angelus A. Häußling ; Reinhard Meßner (Hrsg.) : Theologie des Gottesdienstes Teil 2 Bd. 2 (Gottesdienst der Kirche – Handbuch der Liturgiewissenschaft), Regensburg 2008, S. 491−572. 25 Vgl. dazu auch Otfried Hofius : Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der Kirche. Eine traditionsgeschichtliche Skizze, in : Ders. : Neutestamentliche Studien (WUNT 132), Tübingen 2000, S. 301−325 ; vgl. auch Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 457.

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auch in den Liedern/Hodajot in Qumran 26 zu beobachten.27 Die Sabbatopferlieder in der Gestalt von 4Q400 Frg. 1 und Frg. 2 oder 4Q403 Frg. 1 liefern hierfür anschauliche Beispiele. Entsprechende Texte bzw. Textstellen im NT finden sich in Eph 2,19 ; Phil 2,11 ; 1 Kor 11,10 ; Hebr 12,18–24 sowie vor allem in den hymnischen Passagen der Apokalyp-

26 Vgl. hierzu Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 252 ; Georg Kathstede :

Liturgia caelestis. Trosterfahrungen durch himmlische Liturgie. Eine exegetische Untersuchung der himmlischen Liturgie in der Offenbarung des Johannes unter besonderer Berücksichtigung der Lieder (Religionswissenschaftliche Studien), Aachen 2012, S. 38.43.56.293. 27 Vgl. neben den Sabbatopfer-Gesängen auch CD 15,15–17 ; 1 QS 11,7 f ; 1Q28a 2,4–9 ; 1 QH 11,22 f ; 1 QH 19,10–14 ; 4Q427 Frg. 7 I,8–15 ; 4Q400 2,1–7. Vgl. dazu auch Christoph Gregor Müller : „Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,12). Singen und Gesänge im Neuen Testament (Beitrag im vorliegenden Bd. S. 13–65) und die dort angegebene Lit. ; vgl. besonders auch Anna Maria Schwemer : Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern aus Qumran, in : Martin Hengel ; Anna Maria Schwemer (Hrsg.) : Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt (WUNT 55), Tübingen 1991, S. 45−118 ; Hartmut Stegemann ; Eileen N. Schuller ; Carol A. Newsom : 1QHodayota. With Incorporation of 1QHodayotb and 4QHodayota-f (DJD 40), Oxford 2009 ; Matthew E. Gordley : Teaching through Song in Antiquity, Didactic Hymnody among Greek, Romans, Jews, and Christians (WUNT II ; 302), Tübingen 2011, S. 247−267 ; Beate Ego : Der Gottesdienst der Engel – Von den biblischen Psalmen zur jüdischen Mystik. Traditionskritische Überlegungen zu den Sabbatopferliedern von Qumran, in : ThLZ 140 (2015), S. 886−901.

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se.28 Zu dieser Gruppe zählen Offb 4,11 ; 5,9 f ; 11,17 f ; 12,10 ff ; 15,3 f (das Lied der Geretteten).29 „Gottes Herrlichkeit spiegelt sich in den Wirkungen, die von ihm ausgehen, und in den Reaktionen, die sie hervorruft.“30 Gesänge benennen und feiern die Größe Gottes – zunächst im Himmel, dann auch auf Erden.31 Engelgesänge stiften – nach der Offb und in anderen Texten – die Brücke und machen die „Rezipierenden zu Mitfeiernden“.32 Dabei dominiert in der Offenbarung der Lobpreis auf die Größe Gottes, zuweilen mit spezifischen Begründungen : „Sind für die formgeschichtliche Bestimmung der hymnisch verwendeten Elemente bzw. Formen die geläu28 Vgl. dazu auch Kathstede : Liturgia (wie Anm. 26), besonders

29 30 31

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S. 59−60 (Zusammenstellung der entsprechenden Passagen) ; vgl. aber auch Reinhard Deichgräber : Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen (StUNT 5), Göttingen 1967, S. 44−59 ; Klaus-Peter Jörns : Das hymnische Evangelium. Untersuchungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymnischen Stücke in der Johannesoffenbarung (StNT 5), Gütersloh 1971, S. 19 ; Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 203.450 ; Michèle Morgen : „Comment louer Dieu, „Celui qui siège sur le thrône ‚et l’Agneau‘“ ? Étude sur la contextualisation et la fonction des passages hymniques dans l’ensemble du livre de l’Apocalypse, in : Daniel Gerber ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, S. 209−237 ; Gordley : Teach­ ing (wie Anm. 27), S. 337−338. Vgl. auch Offb 5,12.13 f ; 19,1–8. Hinzu kommen liturgische Rufe in Offb 4,8 ; 7,12 ; 11,15 ; 19,5. Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), S. 102. Zum Erklingen der Hymnen im himmlischen Bereich vgl. auch Gottfried Schimanowski : Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühjüdischen Traditionen in Offenbarung 4–5 unter Einschluss der Hekhalotliteratur (WUNT II ; 154), Tübingen 2002, S. 286. Mayordomo : Gewalt (wie Anm. 8), S. 126.

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figen Kategorien Doxologie und Eulogie zu nennen, so können innerhalb der Hymnen in der Regel der ‚Lobpreis‘ und die ‚Begründung‘ unterschieden werden.“33

4. Die Thronsaalvision in Offb 4–5 Den Kapiteln 4 und 5 der Offb kommt „eine durch die ausladende Thronsaalbeschreibung angezeigte Schlüsselfunktion für das gesamte Werk“ zu.34 „Die Beschreibung des Thronsaals Gottes (Offb 4,1–11) und die Inempfangnahme des Siegelbuchs durch das Lamm (Offb 5,1–14) bildet eine narrative und thematische Einheit.“35 Die großen Themen der himmlischen Gottesdienstliturgie36 lauten hier : Schöpfung, Erlösung, Gericht und Vollendung. 37 „Das zentrale Motiv in der Visionswelt der Johannesoffenbarung ist – neben dem Thron Gottes (Offb 4,2) – das Siegelbuch des Lammes (Offb 5,1–14). Die Öffnung die33 Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 202. 34 Ebd., S. 196. Vgl. auch Russell Morton : Glory to God and to the

Lamb : John’s Use of Jewish and Hellenistic/Roman Themes in Formatting his Theology in Revelation 4–5, in : JSNT 83 (2001), S. 89−109 ; Russell S. Morton : One upon the Throne and the Lamb. A Tradition Historical/Theological Analysis of Revelation 4–5 ­(Studies in Biblical Literature ; 110), New York u.a. 2007 ; Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), besonders S. 100−111 ; Gradl : Glanz (wie Anm. 21). 35 Gradl : Buch (wie Anm. 7), S. 235. 36 Entfaltet wird das Bild einer himmlischen Ratsversammlung ; vgl. auch Hans-Peter Müller : Die himmlische Ratsversammlung. Motivgeschichtliches zu Apc 5,1–5, in : ZNW 54 (1963), S. 254−267 ; Akira Satake : Die Offenbarung des Johannes, redaktionell bearb. von Thomas Witulski (KEK 16), Göttingen 2008, S. 205−206 ; Lichtenberger : Apokalypse (wie Anm. 23), S. 120. 37 Vgl. auch Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 205.

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ses Buches strukturiert nicht nur den gesamten narrativen Verlauf des apokalyptischen Hauptteils, sie setzt im eigentlichen Sinn die Visionsfolgen und die Handlungen erst in Gang.“38 Dem Seher wird in Offb 4 eine Tür am Himmel geöffnet (V. 1),39 Einsicht gewährt in die himmlische Hof-Versammlung,40 um den Thron (Gottes und des Lammes) sind die vier Lebewesen, 24 Älteste und Myriaden41 von Engeln42 versammelt.43 „Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron und um die Lebewesen und die Ältesten ; die Zahl der Engel war zehn­ tausendmal zehntausend und tausendmal tausend.“ (Offb 5,11)

38 Gradl : Buch (wie Anm. 7), S. 222. Vgl. auch Ebner : Spiegelungen

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43

(wie Anm. 17), S. 117 : „Ich möchte es als Drehbuch der Offb bezeichnen. Denn sobald ein Siegel geöffnet wird, wird nicht etwa der entsprechende Inhalt des Buches vorgelesen, sondern sein Inhalt visualisiert.“ Zum „Neubeginn“ eines größeren Teils der Offenbarung vgl. neben den Kommentaren auch Larry W. Hurtado : Revelation 4–5 in the Light of Jewish Apocalyptic Analogies, in  : JSNT 25 (1985), S. 105−124, hier S. 110. Zur Vorstellung eines himmlischen Thronrats vgl. auch Ijob 1–2 ; 1 Kön 22,19–21 ; Ps 148 ; Dan 7,9 f. In diesem Zusammenhang vgl. auch den Beitrag von Müller : Ratsversammlung (wie Anm. 36). Die Zahl (10000) dient vor allem (vgl. auch Dan 7,10 ; äthHen 14,22) dazu, die unvorstellbar große Menge zu beschreiben. Vgl. auch Saul M. Olyan : A Thousand Thousands Served Him. Ex­ egesis and the Naming of Angels in Ancient Judaism (TSAJ 36), Tübingen 1993. Zur Rezeption in der Kunstgeschichte vgl. auch Murillo Soberanis : Christusvisionen (wie Anm. 20), S. 123−150 (mit den Abbildungen auf S. 334−338 aus der Trierer Apokalypse und aus Dürers Holzschnitten). Berühmte Beispiele sind auch die Werke von Hans Memling ; dem Kölner Meister u. a.

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„Die Thronsaalvision klingt in einem umfassenden Lobpreis der vier Lebewesen (Offb 4,8b) und der Ältesten (Offb 4,11) aus und mündet in den Vollzug einer kultischen Handlung (Offb 4,9–10).“44 Sie lässt sich so ­beschreiben : „Stellvertretend für das übrige am Tempelkultgeschehen teilnehmende Volk führen die 24 PriesterÄltesten die kultische Adoration im himmlischen Tempelthronraum durch, was mittels des Haltens der Schalen voll Räucherwerkgebete (Offb 5,8) und des die Erlösung der Gläubigen thematisierenden Hymnus (Offb 5,9 f.) sinnfällig zum Ausdruck gebracht wird. Durch die 24 Ältesten, die die Gebete der Heiligen in den Händen halten und für diese stellvertretend in den universalen Lobpreis einstimmen, nehmen also die Gläubigen auf der Erde bereits am himmlischen Kultgottesdienst teil.“45 Damit wird freilich noch eine zweite Wirkung angezielt : „So dienen die Hymnen der himmlischen Gemeinde dazu, den Blick der irdischen Gemeinde von der sie umgebenden Drangsal zu lösen und auf das Ziel der himmlischen Herrlichkeit zu lenken, damit auch sie einmal in der Schar der Überwinder steht und in ihre Lieder einstimmt. Der irdische Gottesdienst aber, den der Apokalyptiker wohl als Spiegelbild des himmlischen begreift, ist der Ort, an dem sich die Gemeinde proleptisch in diese Situation versetzt.“46 Auf diese Weise will der Autor den Adressaten

44 Gradl : Buch (wie Anm. 7), S. 229. 45 Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 215−216. 46 Deichgräber : Gotteshymnus (wie Anm. 28), S. 47. Kathstede  : Li-

turgia (wie Anm. 26), S. 294 spricht von „Heilsvergewisserung“. Vgl. auch Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 460 : „Schon im ‚Jetzt‘ kann das Gottesvolk vermittels seiner Präsenz im himmlischen Heiligtum sich seines Heils im Ausblick auf das Kommende – besser : den Kommenden – gewiss sein.“

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der Apokalypse als „bedrängten Christen Mut zur Treue und Standhaftigkeit machen“.47 Von daher kann der Sieg schon in der Gegenwart gefeiert und besungen48 werden. So „… ist dieser Lobpreis, den einmal alle Geschöpfe anstimmen werden, keineswegs bloß ‚Zukunftsmusik‘. Er wird vielmehr bereits in der Gegenwart laut : im himmlischen Thronsaal aus dem Munde der Engelscharen, und im Gottesdienst auf Erden aus dem Munde derer, die das Lamm durch sein Blut von ihren Sünden erlöst und zu Priestern Gottes gemacht hat (5,9b.10 ; vgl. 1,5b.6). So sind schon jetzt und schon hier Engel und Menschen in der Anbetung Gottes und des Lammes miteinander verbunden.“49 Eine besondere Rolle für die Feier der Liturgie spielt dabei auch das Trishagion50 – Offb 4,8, „das im Kern auf Jes 6,3 zurückgeht“51 (vgl. auch äthHen 39,12 ; syr Danielapokalypse 36 ; TestAbr (A) 3,3 ; Prophetentargum zu Jes 6). „Das Trishagion bei Jesaja stellt die 47 Kathstede : Liturgia (wie Anm. 26), S. 295. 48 Zum Hinweis auf das Singen vgl. vor allem Offb 5,9 ; 14,3 ; 15,3. 49 Hofius : Gemeinschaft (wie Anm. 25), S. 322. Vgl. in diesem Zusam-

menhang auch die textkritische Frage nach dem Ausgangstext von Offb 5,9–10 bei Karrer : Text (wie Anm. 9), S. 29−30. 50 Vgl. dazu Ismar Elbogen : Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, 2. Nachdruck der dritten verbesserten Aufl., Frankfurt a. M. (1931), Hildesheim – Zürich – New York 1995, S.  61−67 ; Flusser : Sanctus (wie Anm. 2) ; Jörns : Evangelium (wie Anm. 28), S. 61−67 ; Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 129−141 ; Gabriele Winkler : Das Sanctus. Über den Ursprung und die Anfänge des Sanctus und sein Fortwirken (OCA 267), Rom 2002 ; Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 206−207 ; Hans Joachim Stein : Frühchristliche Mahlfeiern. Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung (WUNT II ; 255), Tübingen 2008, S. 314−316. 51 Tóth : Kult (wie Anm. 24), S. 206.

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Grundlage für das Verständnis aller späteren Texte der Qeduscha dar.“52 Für die Aufnahme in der Offb kann konstatiert werden : „Das Trishagion der Lebewesen (Offb 4,8) war ein reiner (Sprech-) Gesang, ebenso der Gotteshymnus der Ältesten (Offb 4,11).“53 Hier – in Offb 4,8 – ertönt es zunächst im Himmel und lädt ein zum Einstimmen in den Lobpreis auf die Größe Gottes. Die Anbetung der himmlischen Wesen54 dient der irdischen Gemeinde als Vorbild : „Das irdische Lob, das dem himmlischen entspricht, dient damit der Verbreitung und Durchsetzung der göttlichen Doxa.“55 In Offb 4,8 stellt die Qeduscha „die entscheidende Klimax des ganzen Abschnittes dar !“, 56 was bedeutet, dass „Offb 4,8 […] damit der entscheidende Ausgangspunkt für die Schilderung des Gottesdienstes in den beiden Kapiteln 4–5 und allen folgenden Hymnen“57 ist.

52 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 130. Es kann schon der

Liturgie des Ersten Tempels zugeschrieben werden. 53 Ebd., S. 238−239, im Zusammenhang der Frage nach Begleitung

54 55

56 57

durch Musikinstrumente (vgl. ebd., S. 238−241). Zur Instrumentierung vgl. auch Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), S. 108. Vgl. auch die Anbetung in Offb 19,1–10 durch die 24 Ältesten und die vier Lebewesen sowie durch die „große Schar im Himmel“. Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 132. Vgl. auch Otto Böcher : Johannes-Offenbarung und Kirchenbau. Das Gotteshaus als Himmelsstadt, Neukirchen-Vluyn 2010, S. 44 : „… himmlische und irdische Sänger vereinen ihre Stimmen zum Heilig-Heilig-Heilig (Apk 4,8) und folgen damit der Aufforderung der Präfation. Die Mittelschiffwände der Basilika S. Apollinare Nuovo in Ravenna (6. Jh.) zeigen im farbigen Mosaik über der Arkadenzone (die zu den irdischen Kirchenbesuchern gehört) die Heiligen, Propheten und Engel in der ewigen Verehrung des Erlösers“. Ebd., S. 129. Ebd., S. 141.

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  121

Damit verbunden ist freilich auch eine politische58 Ansage : „Der Totalitarismus des religiös überhöhten Imperiums wird in der himmlischen Liturgie überboten vom Universalismus jenes kosmischen Lobgesangs, der, ausgehend vom ‚Siegeshymnus‘ der Kirche (Offb 5,9 f.), auch die unzählbaren Myriaden von Engeln (5,11 f.), ja die ganze Schöpfung (5,13) erfasst. Erst der Sieg des Lammes lässt dies möglich werden.“59 Für den Gottesdienst der Gemeinde bedeutet dies : „Indem die Gemeinde in den Gebeten, Liedern und der gefeierten Mahlgemeinschaft an der himmlischen Wirklichkeit partizipiert, antizipiert sie in einem den auf sie zukommenden endzeitlichen Sieg des Lammes.“60

5. Theologische Schwerpunkte Welche theologischen Aussagen kommen dabei zur Sprache, welche werden „ansichtig“ oder „hörbar“ ? Die Apokalypse des Johannes ist ein durch und durch theologisches Werk. Vollkommen zu Recht wird es als „theozentrisch“ gekennzeichnet. Das gilt in besonderer Weise für

58 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Müller : Gott (wie Anm. 21),

S. 278−287. 59 Axel Hammes : „Er trägt den Namen ‚König der Könige und Herr

der Herren‘“ (Offb 19,16). Die Johannesapokalypse als Politische Theologie, in : Bernhard Heininger (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeitund Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011, S. 167−186, hier S. 180 ; vgl. auch Thomas Söding : Heilig, heilig, heilig. Zur politischen Theologie der Johannes-Apokalypse, in : ZThK 96 (1999), S. 49−76 ; Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 251−252.287. 60 Hammes : Namen (wie Anm. 59), S. 184.

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die hymnischen Passagen, denen zudem eine didaktische Ausrichtung zugeschrieben werden kann.61

a) Gott als Schöpfer und „Neu“schöpfer In der Theologie der Offb wird Gott vor allem und zuerst als „Schöpfer“ verstanden. Das wird in Offb 10,6 erkennbar, wo der Engel bei dem schwört, „der den Himmel schuf und das in ihm und die Erde und das auf ihr und das Meer und das in ihm …“ Die hier zur Sprache kommende Theologie erinnert stark an das Buch Jesaja, vor allem Jes 65,16– 18. In Jes 65,17 heißt es : „Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, an das Frühere wird man nicht mehr denken, es kommt nicht mehr in den Sinn.“ Vielfältig wurde diese Hoffnung in frühjüdischen Texten und in der darin zum Ausdruck kommenden Theologie aufgegriffen. Dabei spielt das Schwinden bzw. Überwinden unheilvoller Zustände eine besondere Rolle.

b) Gott als Erneuerer Das Stichwort „neu“ hat bereits in der Antike einen besonderen, offensichtlich attraktiven Klang. Der Text geht von einer totalen Neuschöpfung aus. Kontinuität stiftet allein Gott, der sich erneut als Kreator erweist. Das entscheidend Neue an dieser eschatologischen Neuschöpfung lässt sich mit Richard Bauckham so formulieren : „God’s 61 Gordley : Teaching (wie Anm. 27), S. 336 : „Accordingly we can ex-

plore these as instances of didactic hymns : praise passages whose primarly purpose goes beyond simply praising the divine to include teach­ing important theological truths to a human audience.“

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creation reaches its eschatological fulfilment when it ­becomes the scene of God’s immediate presence.“62 Das stiftet für die Glaubenden Hoffnung für Gegenwart und Zukunft. „Weil Gott am Anfang alles geschaffen hat, besteht die Gewißheit, daß er hier am Ende der Zeit wieder von seiner (Schöpfer-)Macht Gebrauch machen und seine – verderbte – Schöpfung erneuern wird.“63 Von daher kann auch das „neue Lied“ angestimmt werden ; es ist „neu, weil es die neue Heilstat in Christus besingt. Hier hat Gott ‚Neues‘ geschaffen (vgl. Jes 42,9), und das neue Lied spricht davon.“64

c) Es gibt nur einen, der „Rettung“ schafft – Gott selbst Die neuere Apokalypse-Forschung konnte in vielfältiger Weise aufzeigen, dass sich der Text sehr stark mit den Herausforderungen kleinasiatischer Christen durch den römischen Kaiserkult beschäftigt. Die Apokalypse „schärft den Christen gegenüber dem Kaiserkult, den die Städte Kleinasiens besonders förderten, kompromißlos die Exklusivität ihres Glaubens ein“.65 Das hat freilich erhebliche Konsequenzen, denn : „Wer sich der damit gegebenen Ordnung nicht unterwirft, kommt notwendig in Konflikt mit der von ihr geprägten Gesellschaft.“66

62 Richard Bauckham : The Theology of the Book of Revelation (New

Testament Theology), Cambridge 1993, S. 140. 63 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 172−173. 64 Lichtenberger : Apokalypse (wie Anm. 23), S. 132. Zum neuen Lied

vgl. auch Jes 6,3 ; 42,10 ; 49,13 ; Ps 33,3 ; 40,4 ; 98,1 ; 149,1. 65 Giesen : Reich (wie Anm. 12), S. 120. 66 Ebd., S. 120.

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In Offb 19,1 wird „eine laute Stimme“ aus dem Himmel vernehmbar, die spricht : „Halleluja ! Das Heil und die Herrlichkeit und die Kraft (sind) unseres Gottes“. Ein wie auch immer gearteter irdischer „Retter“ hat nach diesem Bekenntnis daneben keinen Platz. Die „Rettung“ (swthri,a) kommt allein Gott zu, wie es in Offb 7,10 „mit lauter Stimme“ bekannt wird : „Das Heil unserem Gott, dem auf dem Thron sitzenden, und dem Lamm !“ Von einem irdischen Herrscher ist nach der Offb auch keine „neue Welt“ zu erwarten. Und doch wird die Entdeckung des „Neuen“ mit einem sehr irdischen Begriff zur Sprache gebracht. Der Seher schaut eine po,lij. Dabei dürfte es keine unwesentliche Rolle spielen, dass die Leser der Apokalypse in der Regel Stadtbewohner waren.67 Diese Polis wird in einer dreifachen Weise näher bestimmt : als „heilige“ Polis, die mit dem „neuen Jerusalem“ (vgl. auch Offb 3,12) zu identifzieren ist, die aus dem Himmel, direkt von Gott, herabsteigt. Die geschmückte Braut (vgl. Jes 49,18 ; 61,10 ; Ez 16,11–13) lässt bereits erkennen, dass sich das große Fest anbahnt. Das „neue Jerusalem“ steht einer anderen Stadt gegenüber68 : „Babylon“ ist das Gegenbild zur Braut des Lammes, die große Hure (vgl. Offb 19,2 ; vgl. auch 17,1.4 f.15 f), die mit ihrem Pomp zu beeindrucken sucht (vgl. Offb 17,4 f ; 18,16) – beständige Herausforderung für die Christen dieser Zeit. Gerade hier wird erkennbar, dass neben dem Grundanliegen des „Tröstens“ auch das „Ermahnen“ zu benennen ist : Falsche Kompromisse sollen vermieden, Resignation überwunden werden – demgegenüber geht es dem Verfasser um Mut, Entschiedenheit und Ausharren. 67 Vgl. auch Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), S. 120−130. 68 Bauckham : Theology (wie Anm. 62), S. 127.

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Das wird ermöglicht durch den immer wieder unternommenen Blick auf den Thron.

d) Der Thronende „Das herrscherliche Moment am Gottesbild der Apk kommt auch in dem Namen zur Geltung, den sie aus dem Ort Gottes bildet : o` kaqh,menoj evpi. to.n qro,non.“69 Der Thron70 Gottes wird an 40 Stellen der Apokalypse erwähnt, „dreimal so häufig wie in allen anderen Schriften des Neuen Testaments zusammen“.71 Das drängt doch die Frage auf : Warum ist das der Fall ? Die Apokalypse hat unübersehbar ein besonderes Interesse daran, den Lesern und Hörern immer wieder Gott als „den Thronenden“ vor Augen zu stellen. Für die Offenbarung gibt es am Ende nur einen Thron. Angesichts der vielen Throne72 in der Welt gilt es zu lernen, vor welchem Thron allein Niederfallen und Verehrung angesagt 69 Traugott Holtz : Gott in der Apokalypse, in : Jan Lambrecht

(Hrsg.) : L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament (BEThL 53), Gembloux – Leuven 1980, S. 247−265, hier S. 256. Vgl. auch Martin Hengel : Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse, in : ThBeitr 27 (1996), S. 159−175, hier S. 161 : „‚Der, der auf dem Thron sitzt‘ erscheint als feste Redewendung 13mal in der Apokalypse und wird dort hinter qeo,j (95mal), jedoch vor dem alttestamentlichen ku,rioj o` qeo,j (10mal) und dem damit in der Regel verbundenen pantokra,twr … zur wichtigsten Gottesbezeichnung.“ 70 Vgl. Offb 4,2.3.4.5.6.9.10 ; zum „Sitzenden auf dem Thron“ vgl. vor allem 4,2 f.9 f ; vgl. aber auch Offb 5,1.7.13 ; 6,16 ; 7,10.15 ; 19,4 ; 20,11 ; 21,5. 71 Hengel : Throngemeinschaft (wie Anm. 69), S. 160. 72 Im Rahmen der Offb bilden vor allem der Thron des Satans (2,13) und der Thron des Tieres (16,10) ein entsprechendes Gegenbild.

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sind. Am Ende – davon ist der Verfasser der Apokalypse überzeugt – wird auch die Großmacht lernen müssen, dass das „Königtum über die Könige der Erde“ (vgl. Offb 17,18) ein Ende haben wird (vgl. Offb 18,10–21). Entsprechend ist Gott allein als „König der Völker“ (Offb 15,3) zu besingen. Hier wird deutlich spürbar : Theologie treiben ist für die Offenbarung des Johannes keine „harmlose“ Angelegenheit ; auch ihre Hymnen73 haben ein kritisches, ja provozierendes Potential, das es immer wieder zu aktualisieren gilt.

e) Die präsentische Zusage : „Siehe, neu mache ich alles“ (Offb 21,5) Die Zusage „Siehe, neu mache ich alles“ erfolgt in der Apokalypse des Johannes vor allem und zuerst für die Gegenwart, die von Bedrängnis geprägt ist. So betont Traugott Holtz : „Der eigentliche Sinn der Apokalypse erfährt darin seine Befestigung, … Anrede an die Gegenwart von Gemeinden zu sein, und diese Gegenwart zu formieren, wenn auch wesentlich von der Zukunft her“.74 Besonders 73 In diesem Kontext gilt es zu beachten, wem in der Entstehungszeit

der Apokalypse in Kleinasien Hymnen angestimmt werden ; vgl. dazu auch Edgar Krentz : Epideiktik and Hymnody : The New Testament and Its World, in : BR 40 (1995), S. 50−97, hier S. 54 : „Epigraphic texts speak of guilds of u`mnw|doi,, hymn singers, who hymn Roman em­ perors. In Pergamon such u`mnwdoi, honoring the emperor become a rec­ognized group, paid from a fund to which the cities of Asia contrib­ uted, apparently first arranged by Augustus himself. Later Ephesos set up its own u`mnwdoi, in honor of Augustus, Livia and the imperial family.“ 74 Holtz : Gott (wie Anm. 69), S. 255.

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deutlich kommt das in Offb 21,6 zur Sprache, wenn es heißt : „Ich [bin] das Alpha und das w=, der Anfang und die Vollendung (h` avrch. kai. to. te,loj).“ Diese Wendungen, die in Offb 22,13 noch einmal aufgegriffen werden, bilden damit für die Gesamtkonzeption der Apokalypse eine schöne inclusio (vgl. Offb 1,8). ER ist der Gegenwärtige. Das kommt wiederholt in der sogenannten Dreizeitenformel zum Ausdruck, wenn die klassische Abfolge (von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) in der Form „der war und der ist und der kommt“ (so auch Offb 4,8) verändert wird. So lesen wir in Offb 1,4 : „Gnade euch und Friede von der Seiende und der war und der Kommende“. Demgegenüber heißt es von dem Tier aus dem Meer : „Das Tier, das du sahst, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund aufsteigen, und ins Verderben geht es fort“ (Offb 17,8).

6. Christologische Schwerpunkte – Lied auf das Lamm Die Thronsaalvision richtet den Blick nicht nur auf den Thronenden selbst, sondern auch auf das Lamm am Thron.75 In Offb 5,6 f heißt es : „Und ich sah : Zwischen dem Thron und den vier Lebewesen und mitten unter den Ältesten stand ein Lamm ; es sah aus wie geschlachtet und hatte sieben Hörner und sieben Augen ; die Augen sind die sieben Geister Gottes, die über die ganze Erde ausgesandt sind. Das Lamm trat heran und empfing das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß.“76 In der 75 Zur Auslegung vgl. neben den Kommentaren auch Morton : Throne

(wie Anm. 34). 76 In der exegetischen Forschung gibt es eine ausführliche Diskussion

um das „inmitten“. Wo steht das Lamm ? Neben einer Zentrierung,

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Thronsaalvision Offb 4–5 sind zwei Hymnen für Gott (4,8 und 4,11) auszumachen, dann zwei für das Lamm (5,9b–10 und 5,12), dann der umfassende Hymnus aller Geschöpfe für Gott und das Lamm.77 In Offb 5,12 sind sieben Prädikationen für die Machtfülle des Lammes aufgezählt : „Würdig ist das Lamm, das geschlachtet wurde, Macht zu empfangen, Reichtum und Weisheit, Kraft und Ehre, Herrlichkeit und Lob.“ Prägend dürfte in dieser Aufzählung ein alttestamentlicher Text gewirkt haben : 1 Chr 29,11–13. „So werden zunächst die Würde und Macht des Lammes zum Lob des Schöpfers in Beziehung gesetzt. Das wird z. B. dadurch unterstrichen, daß aus dem grundlegenden Tempelgebet Davids mit den einleitenden Gottesprädikationen (1 Chr 29,11–13) mehr als die Hälfte der hier verwendeten Nomina enthalten sind“,78 was veranlasst, das Lamm zu besingen : „Der Tod des Lammes wird als Sammlung und Erwählung eines Volkes aus allen Nationen interpretiert mit dem auch aus anderen urchristlichen Traditionen bekannten Bild vom Loskauf.“79 Der umfassende Hymnus aller Geschöpfe in Offb 5,13 schließlich lautet : „Ihm, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm gebühren Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit.“ „Mit einer nun wirklich die vollständige Schöpfung in ihrer unfaßlichen Fülle umfassenden Weise die der gesteigerten Aufmerksamkeit dient, kann es sehr wohl auch um eine Betonung der Erhöhung des Lammes/Jesu Christi gehen. 77 Zur christologischen Bedeutung der Hymnen in der Offb vgl. u. a. Gerhard Delling : Zum gottesdienstlichen Stil der Johannes-Apokalypse, in : NT 3 (1959), S. 107−137, besonders S. 115 ; Josephine Massyngbaerde Ford : The Christological Function of the Hymns in the Apocalypse of John, in : AUSS 36 (1998), S. 207−229. 78 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 257. 79 Ebd., S. 247.

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wird am Schluß die universale Gemeinschaft der Lobenden zusammengefaßt.“80 Das schlägt eine Brücke zum Schluss des Buches : „Diese Doxologie wirkt damit wie ein zusammenfassendes Schlußresümee der gesamten Szene und bildet letztlich die entscheidende Basis für das Schlußkapitel des Werkes, die Handlungseinheit zwischen Gott und dem Lamm“81 (vgl. Offb 22,1.3).

7. Der beständige Lobpreis „Dieses himmlische Geschehen in hymnisch respondierender Form findet kontinuierlich statt, und die genannten Gestalten, die vier Wesen und die 24 Ältesten, sind daran abwechselnd beteiligt.“82 Die vier Lebewesen (vgl. vor allem Ez 1,4–21, besonders V. 10 ; 10,8–17),83 die ursprünglich wohl für die vornehmsten Geschöpfe stehen und die wir seit Irenäus von Lyon, adv. Haer. 3,11,8 (2. Jh.) auch mit den Evangelien in Verbindung bringen, rufen – übersät mit Augen – zur Wachsamkeit und Aufmerksamkeit auf, zur Wachsamkeit für Gott und seine Gegenwart.

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Ebd., S. 261. Ebd., S. 268. Ebd., S. 161. Bei Ezechiel ziehen die vier Lebewesen den Thronwagen, und jedes Lebewesen hat jeweils vier Gesichter (Ez 1,5 f) ; dabei dürften die vier Lebewesen für die vier Himmelsrichtungen stehen und das Gesamt der Schöpfung verkörpern. In der Offenbarung „umgeben“ die vier Lebewesen den Thron und haben jeweils nur ein Gesicht. Bei Ezechiel haben die Lebewesen vier Flügel ; die Zahl „sechs“ der Offb dürfte auf Jes 6,2 zurückzuführen sein. Vgl. dazu auch Russell : Glory (wie Anm. 34), S. 94−95.105 ; vgl. außerdem Hurtado : Revelation (wie Anm. 39), S. 121 Anm. 21.

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Um den Thron stehen nach Offb 4,9–11 24 Älteste,84 die sich niederwerfen und anbeten (V. 10 ; vgl. auch 19,4). Es ist im Lauf der Auslegung der Apokalypse schon viel gerätselt worden, um wen es sich hier handelt.85 Geht es um Menschen ? Um die Vollendeten ? Die Kirche aus Israel und den Völkern ? Um Engel ? Diese letzte Lesart wird aus unterschiedlichen Gründen wohl zutreffen und schon von Viktorin von Pettau bevorzugt (vgl. auch TestAdam 4,19). Entscheidend ist freilich die Zahl : die „24“. Selbst wenn Bezüge gestiftet werden sollen zu den 24 Priesterklassen des 1 Chronikbuches (1 Chr 24) oder zu den 24 Abteilungen der Leviten (1 Chr 25),86 hier sind vor allem und zuerst alle Stunden des Tages eingefangen,87 die Stunden des

84 Zu Ältesten in der Offenbarung vgl. auch Offb 7,11–13 ; 11,16 ; 14,3 ;

19,4. 85 Zu den verschiedenen Interpretationen der „24 Ältesten“ vgl. neben

den Kommentaren auch Morton : Glory (wie Anm. 34), S. 96 ; ebd. : „They have been interpreted in various ways. Among these are (1) a representation of the orders of temple priests of 1 Chron. 24,7–18 ; (2) the number of the apostles plus the number of the twelve patriarchs ; or (3) the 24 star gods of Babylonian mythology“. Hurtado : Revelation (wie Anm. 39), weist – im Vergleich mit jüdischen apokalyptischen Visionen des Himmels und seiner Bewohner – auf die Besonderheit der 24 Ältesten hin (S. 111), verweist auf 1 Hen 60,2 (vgl. S. 121 Anm. 23) und interpretiert diese Gruppe als Repräsentanten der Erwählten (S. 113). 86 Die waren nach 1 Chr 25,1 für die Musik am Tempel zuständig ; vgl. zur Musik am zweiten Tempel auch Eckhard J. Schnabel : Singing and Instrumental Music in the Early Church, in : Walter Hilbrands (Hrsg.) : Sprache lieben – Gottes Wort verstehen. Beiträge zur biblischen Exegese (Festschrift für Heinrich von Siebenthal) (Bibelwissenschaftliche Monographien ; 17), Gießen – Basel 2011, S. 309−341, hier S. 317−321. 87 Vgl. Böcher : Johannes-Offenbarung (wie Anm. 55), S. 39−40. Vorsichtig auch Lichtenberger : Apokalypse (wie Anm. 23), S. 121.

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Tages und die der Nacht.88 Gottes Lob erklingt immerwährend, ewig, unaufhörlich.89 Den Adressaten der Offb erreicht damit der Zuruf : „Geh davon aus, dass Gottes Lob schon erklingt. Du darfst einstimmen.“ Bei sukzessiver Lektüre zeigt sich ein sich ausdehnender Lobpreis ; „… the participants in worship are constantly increasing. The first to offer verbal praise are the four liv­ ing creatures (4 :8). The twenty-four elders then respond in worship (4 :9–11). Then both groups together sing a new song (5 :8–10). The scope of worship then expands beyond these to include thousands upon thousands of angels (5 :11–12). Finally, every creature everywhere sings praise to God and the Lamb (5 :13).“90 Wie in konzentrischen Kreisen dehnt sich das Gotteslob aus. „In Offb 4 f. ist die Gesangsrichtung der Thron – und eine Gruppe steckt die andere an, von innen nach außen : Die vier Lebewesen setzen den Startpunkt mit ihrem Trishagion …“91

8. Versuch einer Zusammenfassung Bei der Interpretation der Apokalypse ist der „kommunikative Charakter des Buches […] zu beachten,“92 das gilt 88 Zum „Nicht-Schlafen“ vgl. auch äthHen 39,12 ; 71,5–7. 89 Auch wenn jemals 24 Sterngottheiten im Hintergrund der Traditions-

geschichte des Bildes gestanden haben sollten, wie dies zuweilen behauptet wurde (vgl. Gunkel ; Bousset u. a.), in der Offenbarung geht es um eine totale Unterordnung solcher Größen im Blick auf „den auf dem Thron“ ; vgl. auch Morton : Glory (wie Anm. 34), S. 97 : „The 24 star gods are no longer divinities in their own right, but elders in the heavenly court, totally subservient to God.“ 90 Gordley : Teaching (wie Anm. 27), S. 339. 91 Ebner : Spiegelungen (wie Anm. 17), S. 104. 92 So u. a. Jürgen Roloff : Weltgericht und Weltvollendung in der Offenbarung des Johannes, in : Hans-Josef Klauck (Hrsg.) : Weltgericht

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für exegetisch Arbeitende wie für Maler, Tonkünstler u. a. In der „Anrede“ der Gemeinde geht es um „Verheißung“ und zugleich um Mahnung und Trost. Seine prophetische Rolle bindet den Seher an die Gegenwart als Deuter dieser Gegenwart. Den Lesern wird damit eine Hilfe angeboten, „die sie ihre gegenwärtige Situation glaubend bestehen läßt“.93 Das vom Seher geschaute und den Lesern vor Augen gestellte Bild der eschatologischen Neuschöpfung und Vollendung ist nicht nur als Ausblick zu lesen (wohl kaum als „Vertröstung“), sondern zugleich als Zusage und Trost für die Gegenwart.94 In einer bedrückenden Gegenwart wird eine heilvolle Verheißung zugesagt, die ihre Kraft schon in der Jetzt-Zeit entfalten kann. Bei allen katastrophalen und chaotischen Erfahrungen ist der Verfasser der Apokalypse „getragen und bestimmt […] von einer positiven Zukunftserwartung.“95 Aus dieser Perspektive lässt sich resümierend für die Offb – vor allem für die Kap. 4–5 – feststellen : „Der Seher Johannes […] kann mit der Gemeinde, die seinen Visionsbericht hört und in sich aufnimmt, bereits antizipierend in den himmlischen Gottesdienst, der auf die Vollendung von Gottes Herrschaft durch das Lamm in der Neuen Schöpfung ausgerichtet ist, einstimmen und an ihm teilhaben. Die himmund Weltvollendung. Zukunftsbilder im Neuen Testament (QD 150), Freiburg i. Br. 1994, S. 106−127, hier S. 108. 93 Konrad Huber : Offb 21,1–22,5. Einführende Beobachtungen zu Struktur und Inhalt des Textes, in : PzB 8 (1999), S. 21−39, hier S. 33. 94 Vgl. u. a. Müller : Gott (wie Anm. 21), besonders S. 293−297. Für die Hymnen betont das auch Mayordomo : Gewalt (wie Anm. 8), S. 126. 95 Ferdinand Hahn : Das neue Jerusalem. Die Darstellung der Heilsvollendung im Rahmen der Schlußvision der Johannesoffenbarung, in : Martin Karrer u. a. (Hrsg.) : Kirche und Volk Gottes (Festschrift für Jürgen Roloff), Neukirchen-Vluyn 2000, S. 284−294, hier S. 293.

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lische Liturgie verbindet und vereinigt in diesem Sinn ‚Himmel und Erde‘.“96 Vielleicht wird in diesem Zusammenhang spürbar, „daß wir stets nur gebrochen von Gott sprechen können, daß alles menschliche Reden das Göttliche nur in unähnlicher Weise begreifen kann“ ;97 und gleichzeitig gilt : „Wir könnten von Zukünftigem überhaupt nichts sagen, wenn nicht […] in unserer irdischen Wirklichkeit Elemente vorhanden wären, die über sie hinausweisen“.98 Durch den Gebrauch metaphorischer Sprache erfolgt gerade auch im ausdrücklich theologischen Sprechen eine Herausforderung der Leser zu anschauender Erkenntnis. Solche Bilder sind Einladungen zur Identifikation mit einer entsprechenden „Sicht“ oder „Ein-Sicht“. Ähnliches lässt sich zu den hymnischen Passagen sagen : Es sind Einladungen zum Einstimmen bzw. Mitsingen.99 Die Engel überbringen diese Einladung zum Musizieren in einem Himmel und Erde

96 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 289 ; vgl. auch Tóth :

Kult (wie Anm. 24), S. 252. 97 Anton Vögtle : Der Gott der Apokalypse, in : Joseph Coppens

(Hrsg.) : La Notion biblique de Dieu. Le Dieu de la Bible et le Dieu des philosophes (BEThL 41), Gembloux – Leuven 1976, S. 377−398, hier S. 395. 98 Hahn : Jerusalem (wie Anm. 95), S. 292. 99 Im Bereich der Buchmalerei kann dabei beobachtet werden, dass „gesteigerte Feierlichkeit“ durch den Einsatz von Musikinstrumenten zum Ausdruck gebracht werden kann. Die 24 Ältesten sind verschiedentlich nicht nur mit „Kithara“ (Harfe) (vgl. auch Offb 15,2 f ; vgl. darüberhinaus Ps 54 ; 55 ; 61) ausgestattet, sondern bilden miteinander ein ganzes Orchester ; vgl. z. B. Hans Memling, Johannes auf Patmos, 1475/79, rechter Innenflügel des Johannes-Altars in Brügge ; Kölner Meister, um 1460, Walraff-Richartz-Museum Köln, Fondation Corbe. Ein besonders schönes Beispiel bietet die Apocalipsis de Lyon, Lyon, Bibliothèque Municipale, Ms. 439, f.4r (Faksimile Madrid : Orbis Medievalis, 1994).

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umgreifenden Chor. Insofern kann man mit Schimanowski resümieren : „Es ist sicher kein Zufall, daß alle hymnischen Texte ohne Ausnahme im Himmel erklingen. Wer sie ‚kennenlernen‘ will, muß sich – mit Johannes – in diesen himmlischen Bereich führen lassen. Hier ist der Ort, von dem aus die Hörer aufgefordert sind, einzustimmen in die dort vorgegebene Liturgie, die vor Gottes Thron schon antizipierend ertönt, dann aber am Ende die ganze Welt erfasst und umschließt.“100

Literaturliste Backhaus, Knut : Die Vision vom ganz Anderen. Geschichtlicher Ort und theologische Mitte der JohannesOffenbarung, in : Ders. (Hrsg.) : Theologie als Vision. Studien zur Johannes-Offenbarung (SBS 191), Stuttgart 2001, S. 10−53 (= Vision) Bauckham, Richard : The Theology of the Book of Revelation (New Testament Theology), Cambridge 1993 (= Theology) Böcher, Otto : Johannes-Offenbarung und Kirchenbau. Das Gotteshaus als Himmelsstadt, Neukirchen-Vluyn 2010 (= Johannes-Offenbarung) Deichgräber, Reinhard : Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen (StUNT 5), Göttingen 1967 (= Gotteshymnus) Delling, Gerhard : Zum gottesdienstlichen Stil der Johannes-Apokalypse, in : NT 3 (1959), S. 107−137 (= Stil) Ebner, Martin : Spiegelungen : himmlischer Thronsaal und himmlische Stadt. Theologie und Politik in Offb 4 f. 100 Schimanowski : Liturgie (wie Anm. 31), S. 286.

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und 21 f., in : Bernhard Heininger (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeit- und Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011, S. 100−131 (= Spiegelungen) Ego, Beate : Der Gottesdienst der Engel – Von den biblischen Psalmen zur jüdischen Mystik. Traditionskritische Überlegungen zu den Sabbatopferliedern von ­Qumran, in : ThLZ 140 (2015), S. 886−901 (= Gottesdienst) Elbogen, Ismar : Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung, 2. Nachdruck der dritten verbesserten Aufl., Frankfurt a. M. (1931), Hildesheim – Zürich – New York 1995 (= Gottesdienst) Flusser, David : Sanctus und Gloria, in : Otto Betz ; Martin Hengel ; Peter Schmidt (Hrsg.) : Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel (Festschrift für Otto Michel), Leiden – Köln 1963, S. 129−152 (= Sanctus) Ford, Josephine Massyngbaerde : The Christological Function of the Hymns in the Apocalypse of John, in : AUSS 36 (1998), S. 207−229 (= Function) Giesen, Heinz : Die Offenbarung des Johannes (RNT), Regensburg 1997 (= Die Offenbarung) − : Das Römische Reich im Spiegel der Johannes-Apokalypse (1996), in : Ders. : Studien zur Johannesapokalypse (SBAB 29), Stuttgart 2000, S. 100−213 (= Reich) Gordley, Matthew E. : Teaching through Song in Antiq­ uity, Didactic Hymnody among Greek, Romans, Jews, and Christians (WUNT II  ; 302), Tübingen 2011 (=  Teach­ing) Gradl, Hans-Georg : Glanz und Gloria. Eine Auslegung der Thronsaalvision (Offb 4,1–11), in : BiKi67 (2012), S. 85−89 (= Glanz)

136  Christoph Gregor Müller

− : Buch und Offenbarung. Medien und Medialität in der Johannesoffenbarung (HBS 75), Freiburg – Basel – Wien 2014 (= Buch) Grözinger, Karl Erich : Musik und Gesang in der Theologie der frühen jüdischen Literatur. Talmud – Midrasch – Mystik (TSAJ 3), Tübingen 1982 (= Musik) Hahn, Ferdinand : Das neue Jerusalem. Die Darstellung der Heilsvollendung im Rahmen der Schlußvision der Johannesoffenbarung, in : Martin Karrer u. a. (Hrsg.) : Kirche und Volk Gottes (Festschrift für Jürgen Roloff), Neukirchen-Vluyn 2000, S. 284−294 (= Jerusalem) Hammes, Axel : „Er trägt den Namen ‚König der Könige und Herr der Herren‘“ (Offb 19,16). Die Johannesapokalypse als Politische Theologie, in : Bernhard Heininger (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeit- und Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011, S. 167−186 (= Namen) Heininger, Bernhard : Paulus als Visionär. Eine religionsgeschichtliche Studie (HBS 9), Freiburg i. Br. u. a. 1996 (= Paulus) Heininger, Bernhard (Hrsg.) : Mächtige Bilder. Zeitund Wirkungsgeschichte der Johannesoffenbarung (SBS 225), Stuttgart 2011 Hengel, Martin : Das Christuslied im frühesten Gottesdienst (1987), in : Ders. : Studien zur Christologie. Kleine Schriften IV, hrsg. von Claus-Jürgen Thornton (WUNT 201), Tübingen 2006, S. 205−258 (= Christuslied) − : Die Throngemeinschaft des Lammes mit Gott in der Johannesapokalypse, in : ThBeitr 27 (1996), S. 159−175 (= Throngemeinschaft) Hofius, Otfried : Gemeinschaft mit den Engeln im Gottesdienst der Kirche. Eine traditionsgeschichtliche Skizze, in  : Ders.  : Neutestamentliche Studien

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  137

(WUNT 132), Tübingen 2000, S. 301−325 (= Gemeinschaft) Hofmann, Friedhelm : Die Apokalypse in der Kunstgeschichte, in : Richard Loibl (Hrsg.) : Apokalypse. Bilder vom Ende der Zeit, unter Mitarbeit von Petra Gruber u. a., Limburg – Kevelaer 2001, S. 100−125.132−142 (= Apokalypse) Holtz, Traugott : Gott in der Apokalypse, in : Jan Lambrecht (Hrsg.) : L’Apocalypse johannique et l’Apocalyptique dans le Nouveau Testament (BEThL 53), Gembloux – Leuven 1980, S. 247−265 (= Gott) Huber, Konrad : Offb 21,1–22,5. Einführende Beobachtungen zu Struktur und Inhalt des Textes, in : PzB 8 (1999), S. 21−39 (= Beobachtungen) Hurtado, Larry W. : Revelation 4–5 in the Light of Jew­ ish Apocalyptic Analogies, in  : JSNT 25 (1985), S. 105−124 (= Revelation) Jörns, Klaus-Peter : Das hymnische Evangelium. Untersuchungen zu Aufbau, Funktion und Herkunft der hymnischen Stücke in der Johannesoffenbarung (StNT 5), Gütersloh 1971 (= Evangelium) Karrer, Martin : Ein alter Text neu gelesen. Die Johannesapokalypse, in : Hans-Georg Gradl ; Georg Steins ; Florian Schuller (Hrsg.) : Am Ende der Tage. Apokalyptische Bilder in Bibel, Kunst, Musik und Literatur, Regensburg 2011, S. 9−33 (= Text) − : Christenverfolgungen, Lamm, Elysium und apokalyptische Reiter. Zur Wirkungsgeschichte der Johannes­ apokalypse, in : Hans-Georg Gradl ; Georg Steins ; Florian Schuller (Hrsg.) : Am Ende der Tage. Apokalyptische Bilder in Bibel, Kunst, Musik und Literatur, Regensburg 2011, S. 68−89 (= Christenverfolgungen) − : Hellenistische und frühkaiserzeitliche Motive in der Johannesapokalypse, in : Thomas Schmeller ; Martin

138  Christoph Gregor Müller

Ebner ; Rudolf Hoppe (Hrsg.) : Die Offenbarung des Johannes. Kommunikation im Konflikt (QD 253), Freiburg i. Br. 2013, S. 32−73 (= Motive) Kathstede, Georg : Liturgia caelestis. Trosterfahrungen durch himmlische Liturgie. Eine exegetische Untersuchung der himmlischen Liturgie in der Offenbarung des Johannes unter besonderer Berücksichtigung der Lie­ der (Religionswissenschaftliche Studien), Aachen 2012 (= Liturgia) Koester, Craig. R. : Heavenly Prayer and Christian Identity in the Book of Revelation, in : Reidar Hvalvik ; Karl Olav Sandnes (Hrsg.) : Early Christian Prayer and Identity Formation (WUNT 336), Tübingen 2014, S. 183−207 (= Prayer) Krentz, Edgar : Epideiktik and Hymnody : The New Testament and Its World, in : BR 40 (1995), S. 50−97 (= Epideiktik) Lichtenberger, Hermann : Die Apokalypse (ThKNT. NT 23), Stuttgart 2014 (= Apokalypse) Mayordomo, Moisés : Gewalt in der Johannesoffenbarung als theologisches Problem, in : Thomas Schmeller ; Martin Ebner ; Rudolf Hoppe (Hrsg.) : Die Offenbarung des Johannes. Kommunikation im Konflikt (QD 253), Freiburg i. Br. u. a. 2013, S. 107−136 (= Gewalt) Morgen, Michèle : Comment louer Dieu, „Celui qui siège sur le trône ‚et l’Agneau‘“ ? Étude sur la contextualisation et la fonction des passages hymniques dans l’ensemble du livre de l’Apocalypse, in : Daniel Gerber  ; Pierre Keith (Hrsg.) : Les hymnes du Nouveau Testament et leurs fonctions. XXIIe congrès de l’Association catholique française pour l’étude de la Bible (Strasbourg, 2007) (LeDiv 225), Paris 2009, S. 209−237 (= Dieu)

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  139

Morton, Russell : Glory to God and to the Lamb : John’s Use of Jewish and Hellenistic/Roman Themes in Formatting his Theology in Revelation 4–5, in : JSNT 83 (2001), S. 89−109 (= Glory) Morton, Russell S. : One upon the Throne and the Lamb. A Tradition Historical/Theological Analysis of Revelation 4–5 (Studies in Biblical Literature ; 110), New York u. a. 2007 (= Throne) Mucha, Robert : Ein flavischer Nero : Zur Domitian-Darstellung und Datierung der Johannesoffenbarung, in : NTS 60 (2014), S. 83−105 (= Nero) Müller, Christoph Gregor : Gott wird alle Tränen abwischen (Offb 21,4). Anmerkungen zum Gottesbild der Apokalypse, in : ThGl 95 (2005), S. 275−297 (= Gott) − : „Wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt“ (Eph 1,12). Singen und Gesänge im Neuen Testament (Beitrag im vorliegenden Bd. S. 13–65) (= Lob) Müller, Hans-Peter : Die himmlische Ratsversammlung. Motivgeschichtliches zu Apc 5,1–5, in : ZNW 54 (1963), S. 254−267 (= Ratsversammlung) Müller, Ulrich B. : Die Offenbarung des Johannes (ÖTBK 19), 2. Aufl., Gütersloh – Würzburg 1995 (= Offb) Murillo Soberanis, Katerina : Die Christusvisionen der Johannesoffenbarung. Ein rezeptionsästhetischer Zugang unter Berücksichtigung von Apokalypsedarstellungen (SBB 67), Stuttgart 2011 (= Christusvisionen) Olyan, Saul M. : A Thousand Thousands Served Him. Exegesis and the Naming of Angels in Ancient Judaism (TSAJ 36), Tübingen 1993 (= Thousand) Raff, Thomas : Die Visualisierung der Visionen. Apokalypse und bildende Kunst, in : Hans-Georg Gradl ; Georg Steins ; Florian Schuller (Hrsg.) : Am Ende der Tage. Apokalyptische Bilder in Bibel, Kunst, Musik

140  Christoph Gregor Müller

und Literatur, Regensburg 2011, S. 124−141 (= Visualisierung) Ratzinger, Joseph Kardinal : Liturgie und Kirchenmusik. Vortrag zur Eröffnung des VIII. Internationalen Kongresses für Kirchenmusik in Rom im Europäischen Jahr der Musik am 17. November 1985, Hamburg 1987 (= Liturgie) Roloff, Jürgen : Weltgericht und Weltvollendung in der Offenbarung des Johannes, in : Hans-Josef Klauck (Hrsg.) : Weltgericht und Weltvollendung. Zukunftsbilder im Neuen Testament (QD 150), Freiburg i. Br. 1994, S. 106−127 (= Weltgericht) Rouwhorst, Gerard : Christlicher Gottesdienst und der Gottesdienst Israels. Forschungsgeschichte, historische Interaktionen, Theologie, in : Martin Klöckener ; Angelus A. Häußling ; Reinhard Meßner (Hrsg.) : Theologie des Gottesdienstes Teil 2 Bd. 2 (Gottesdienst der Kirche – Handbuch der Liturgiewissenschaft), Regensburg 2008, S. 491−572 (= Gottesdienst) Satake, Akira : Die Offenbarung des Johannes, redaktionell bearb. von Thomas Witulski (KEK 16), Göttingen 2008 (= Offb) Schimanowski, Gottfried : Die himmlische Liturgie in der Apokalypse des Johannes. Die frühjüdischen Traditionen in Offenbarung 4–5 unter Einschluss der Hekhalotliteratur (WUNT II ; 154), Tübingen 2002 (= Liturgie) Schnabel, Eckhard J. : Singing and Instrumental Music in the Early Church, in : Walter Hilbrands (Hrsg.) : Sprache lieben – Gottes Wort verstehen. Beiträge zur biblischen Exegese (Festschrift für Heinrich von Siebenthal) (Bibelwissenschaftliche Monographien ; 17), Gießen – Basel 2011, S. 309−341 (= Singing) Schwemer, Anna Maria : Gott als König und seine Königsherrschaft in den Sabbatliedern aus Qumran, in :

„Ich sah, und ich hörte die Stimme von vielen Engeln rings um den Thron …“  141

Martin Hengel ; Anna Maria Schwemer (Hrsg.) : Königsherrschaft Gottes und himmlischer Kult im Judentum, Urchristentum und in der hellenistischen Welt (WUNT 55), Tübingen 1991, S. 45−118 (= Gott) Söding, Thomas : Heilig, heilig, heilig. Zur politischen Theologie der Johannes-Apokalypse, in : ZThK 96 (1999), S. 49−76 (= Heilig) Stegemann, Hartmut ; Schuller, Eileen N. ; Newsom, Carol A. : 1QHodayota. With Incorporation of 1QHodayotb and 4QHodayota-f (DJD 40), Oxford 2009 (= 1QHodayota) Stein, Hans Joachim : Frühchristliche Mahlfeiern. Ihre Gestalt und Bedeutung nach der neutestamentlichen Briefliteratur und der Johannesoffenbarung (WUNT II ; 255), Tübingen 2008 (= Mahlfeiern) Theobald, Michael : Der Gottesdienst der Kirche und das Neue Testament. Erwägungen zu ihrem gegenseitigen Verhältnis, in : ThQ 189 (2009), S. 130−157 (= Gottesdienst) Taeger, Jens-Wilhelm : „Gesiegt ! O himmlische Musik des Wortes“. Zur Entfaltung des Siegesmotivs in den johanneischen Schriften, in : ZNW 85 (1994), S. 23−46 (= Musik) Tóth, Franz : Der himmlische Kult. Wirklichkeitskon­ struktion und Sinnbildung in der Johannesoffenbarung (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte ; 22), Leipzig 2006 (= Kult) Verheyden, Joseph ; Nicklas, Tobias ; Merkt, An­dreas (Hrsg.) : Ancient Christian Interpretations of „Violent Texts“ in the Apocalypse, in Cooperation with Mark Grundeken (NTOA/StUNT 92), Göttingen 2011 (= Interpretations). Vögtle, Anton : Der Gott der Apokalypse, in : Joseph Coppens (Hrsg.) : La Notion biblique de Dieu. Le Dieu

142  Christoph Gregor Müller

de la Bible et le Dieu des philosophes (BEThL 41), Gembloux – Leuven 1976, S. 377−398 (= Gott) Weder, Hans : Der Raum der Lieder. Zur Hermeneutik des Hymnischen im Neuen Testament, in : EvTh 53 (1993), S. 328−341 (= Lieder) − : Der Raum der Lieder. Endlichkeit – Geschöpflichkeit – Würde, in : Claudia Schmidt-Hahn (Hrsg.) : Europas Ouverture – Religion und Kultur. Disputationes 2012, Innsbruck 2013, S. 61−65 (= Raum) Winkler, Gabriele : Das Sanctus. Über den Ursprung und die Anfänge des Sanctus und sein Fortwirken (OCA 267), Rom 2002 (= Sanctus)

143

Fuldaer Hochschulschriften

EOS Verlag, St. Ottilien : 1. Elmar Fastenrath, Die Christologie Herman Schells im Spannungsfeld des Modernismus, 1986 2. Walter von Arx, Der Anteil Papst Pauls VI. an der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils, 1987 3. Siegfried Marx, Staatskirchenrecht. Gegenstand, Wesen und Bedeutung für den Unterricht an Theologischen Fakultäten, 1987 4. Thomas Beckermann, „Überall allerart Menschen und kein End“ – Zum Menschenbild in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, 1987 5. Balthasar Gareis, Psychotherapie und Beichte, 1988 6. Ludwig Schick, Die Pfarrei. Beitrag zu einer theologisch-kanonistischen Ortsbestimmung, 1988

Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main : 7. Berthold Jäger, Die Literaturversorgung der Theologischen Fakultät Fulda, 1989 8. Eleonore Stump, Die göttliche Vorsehung und das Böse. Überlegungen zur Theodizee im Anschluß an Thomas von Aquin, 1989 9. Bernhard Jestaedt, Recht und Gerechtigkeit, 1990 10. Peter Inhoffen, Religion ohne Moral ? 1990 11. Siegfried Marx, Die arbeitsrechtliche Kirchlichkeitsklausel im Spannungsfeld zwischen kirchlichen Anforderungen und staatlichem Recht, 1990 12. Hans Feller, Sonn- und Feiertage im Recht von Staat und Kirche, 1990 13. Elmar Fastenrath, Papsttum und Unfehlbarkeit, 1991 14. Anton Thaler, Der Standort der Liturgie in Kirche und Theologie, 1992

144  Fuldaer Hochschulschriften 15. Partnerschaft International Buddhist University (Osaka) – Theologische Fakultät Fulda, hg. v. Aloysius Winter, 1992 16. Bernd Willmes, Alttestamentliche Weisheit und Jahweglaube. Zur Vielfalt theologischer Denkstrukturen im Alten Testament, 1992 17. Gereon Becht-Jördens, Die Vita Aegil Abbatis Fuldensis des Brun Candidus. Ein Opus geminum der anianischen Reform in biblischfiguralem Hintergrundstil, 1992 18. Herrad Spilling, Opus Magnentii Hrabani Mauri in honorem sanctae crucis conditum. Hrabans Beziehung zu seinem Werk, 1992 19. Gerhard Stanke, Freiheit und religiöser Gehorsam des Willens und des Verstandes. Zum Verhältnis von Gewissen und kirchlichem Lehramt, 1993 20. Gangolf Schrimpf, Anselm von Canterbury, Proslogion II–IV : Gottesbeweis oder Widerlegung des Toren ? Unter Beifügung der Texte mit neuer Übersetzung, 1994 21. Josef Leinweber 1940–1992, hg. v. Aloysius Winter, 1993 22. Anton Thaler, Gott leidet mit – Gott und das Leid, 1994 23a. Klaus Gugel, Welche erhaltenen mittelalterlichen Handschriften dürfen der Bibliothek des Klosters Fulda zugerechnet werden ? Teil 1 : Die Handschriften, 1995 23b. Klaus Gugel, Welche erhaltenen mittelalterlichen Handschriften dürfen der Bibliothek des Klosters Fulda zugerechnet werden ? Teil 2 : Die Fragmente, 1996 24. Facetten japanischer Kultur, hg. v. Aloysius Winter, 1996 25. Lutz E. v. Padberg, Studien zur Bonifatius-Verehrung. Zur Geschichte des Codex Ragyndrudis und der Fuldaer Bonifatius-Reliquien, 1996 26. Elmar Fastenrath, Die biblischen Grundlagen der Theologie, 1997 27. Sigrid Krämer, Bibliographie Bernhard Bischoff und Verzeichnis aller von ihm herangezogenen Handschriften, 1998 28. Bernd Willmes, Freude über die Vergebung der Sünden. Synchrone und diachrone Analyse von Psalm 32, 1996 29. Itsue Miura, Fürst Shotoku – Sein Leben und seine Ideale, 1999 30. Aloysius Winter, „Trösterin der Betrübten“. Mariologische Studien, 2003 31. Gerhard Stanke, Mensch, Ja – Person, Nein ? Kritische Auseinandersetzung mit Peter Singer, 1999

Fuldaer Hochschulschriften  145 32. Gedenkfeier der Theologischen Fakultät Fulda für Gangolf Schrimpf (1935–2001). Mit Schriftenverzeichnis und Vita, hg. v. Bernd Will­ mes, 2002 33. Bernhard Dieckmann, Das Kreuz als Grund des Osterglaubens ? Anfragen zur Kreuzestheologie Hansjürgen Verweyens, 1999 34. Bernd Willmes/Josef Zmijewski/Karlheinz Diez, Gott als Vater in Bibel und Liturgie, 2000 35. Gangolf Schrimpf, Die Frage nach der Wirklichkeit des Göttlichen. Eine wirkungsgeschichtliche Hinführung zu klassischen philosophischen Texten, 2000 36. Markus Enders, Natürliche Theologie im Denken der Griechen, 2000 37. Richard Corradini, Die Wiener Handschrift Cvp 430*. Ein Beitrag zur Historiographie in Fulda im frühen 9. Jahrhundert, 2000 38. Balthasar Gareis, Die Bedeutung der Psychologie für den priesterlichen Dienst. Ein Plädoyer für angewandte Psychologie in der Seelsorge. Mit Bibliographie, Vita und Nachruf auf Balthasar Gareis, 2001 39. Eduard Schick (1906–2000). Gedenkfeier der Theologischen Fakultät Fulda. Mit Bibliographie und Vita, hg. v. Gangolf Schrimpf, 2001 40. Aloysius Winter, Unser Glaube – eine Zumutung ? Mit Schriftenverzeichnis, 2001 41. Bernd Willmes, Von der Exegese als Wissenschaft zur kanonischintertextuellen Lektüre ? Kritische Anmerkungen zur kanonischintertextuellen Lektüre von Gen 22,1–19, 2002 42. Regina Götz, Der geschlechtliche Mensch – ein Ebenbild Gottes. Die Auslegung von Gen 1,27 durch die wichtigsten griechischen Kirchenväter, 2003 43. Werner Kathrein/Karlheinz Diez/Barbara Henze/Cornelius Roth, Im Dienst um die Einheit und die Reform der Kirche – Zum Leben und Werk Georg Witzels, 2003 4 4. Richard Hartmann, Anschub : Starthilfe für eine zu verändernde Kirche, 2003 45. Josef Leinweber †, Regesten der Urkunden in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars Fulda (1231–1898), bearbeitet von Regina Pütz, 2004 46. Karlheinz Diez/Richard Hartmann/Christoph G. Müller/Andreas Odenthal, Kirche und Gemeinde : Wie kommen Christen zusammen ? Theologische Überlegungen zum Pastoralen Prozess im Bistum Fulda, 2004

146  Fuldaer Hochschulschriften 47. Andreas Odenthal/Bernd Goebel/Jörg Disse/Richard Hartmann, Verspielen wir das Erbe des hl. Bonifatius ? Theologische Betrachtungen aus Anlass seines 1250. Todestages, 2005 48. Jörg Disse, Glaube und Glaubenserkenntnis. Eine Studie aus bibeltheologischer und systematischer Sicht, 2006 49. Dieter Wagner/Peter Schallenberg, Heilige Elisabeth von Thüringen – theologische Spurensuche, 2008 50. Richard Hartmann/Jörg Disse, Verantwortet Kirche sein – hier und heute, 2009 51. Jörg Disse/Bernd Goebel, Gott und die Frage nach dem Glück. Anthropologische und ethische Perspektiven, 2010 52. Markus Lersch/Christoph G. Müller, „Seid ihr bereit … ?“ – Priester sein in unserer Zeit, 2011 53. Rupert M. Scheule, Spielen. Philosophisch-theologische Annäherungen an einen menschlichen Grundvollzug, 2012 54. Richard Hartmann, Bilderwechsel. Kirche – herausgefordert durch ländliche Räume, 2012 55. Bernhard Dieckmann, Verblendung, Volksglaube und Ethos. Eine Studie zu Adalbert Stifters Erzählung „Der beschriebene Tännling“, 2014 56. Michael Gmelch/Richard Hartmann, Soldatenfamilien im Stress. Kriegseinsätze als Herausforderung für die Militärseelsorge mit den Familien, 2014

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Fuldaer Studien 1. Josef Leinweber, Verzeichnis der Alumnen und der Konviktoren des Päpstlichen Seminars in Fulda (1584–1773), St. Ottilien 1987 2. Norbert Ernst, Die Tiefe des Seins. Eine Untersuchung zum Ort der „analogia entis“ im Denken Paul Tillichs, St. Ottilien 1988 3. Josef Leinweber, Verzeichnis der Studierenden in Fulda von 1574 bis 1805, Frankfurt a. M. 1991 4. Mittelalterliche Bücherverzeichnisse des Klosters Fulda und andere Beiträge zur Geschichte der Bibliothek des Klosters Fulda im Mittelalter, hg. v. Gangolf Schrimpf in Zusammenarbeit mit Josef Leinwe­ ber und Thomas Martin, Frankfurt a. M. 1992 5. Christoph Gregor Müller, „lhr seid Gottes Pflanzung – Gottes Bau – Gottes Tempel“. Die metaphorische Dimension paulinischer Gemeindetheologie in 1 Kor 3,5–17, Frankfurt a. M. 1995 6. Marc-Aeilko Aris, Contemplatio. Studien zum Traktat „Benjamin Maior“ des Richard von St. Viktor, Frankfurt a. M. 1996 7. Kloster Fulda in der Welt der Karolinger und Ottonen, hg. v. Gan­ golf Schrimpf, Frankfurt a. M. 1996 8. Karlheinz Diez, „Ecclesia – non est civitas Platonica“. Antworten katholischer Kontroverstheologen des 16. Jahrhunderts auf Martin Luthers Anfrage an die „Sichtbarkeit“ der Kirche, Frankfurt a. M. 1997 9. Hermann Schrödter, Metaphysik des Ichs als res cogitans. Zu Stellung, Struktur und Funktion des Gottesbeweises bei Descartes, unter Beifügung des lateinischen und französischen Textes der „Meditationes de prima philosophia III–V“ mit neuer Übersetzung, Frankfurt a. M. 2001 10. Dagobert Vonderau, Die Geschichte der Seelsorge im Bistum Fulda zwischen Säkularisation (1803) und Preußenkonkordat (1929), Frankfurt a. M. 2001 11. Richard Hartmann/Franz Reger/Stefan Sander : Ortsbestimmungen : Der Diakonat als kirchlicher Dienst, Frankfurt a. M. 2009 12. Ulrike Wick-Alda : Vom Weg zum reinen Herzen : Geistliche Unterscheidung in den Briefen und Maximen des Philipp Neri (1515–1595), in der Rezeption des Wüstenmönchtums und des Johannes Cassian.

148  Fuldaer Studien Ein spiritualitätstheologischer Beitrag zur theologischen Anthropologie, Frankfurt a. M. 2010 13. Marc-Aeilko Aris/Susana Bullido del Barrio : Hrabanus Maurus in Fulda. Mit einer Hrabanus Maurus-Bibliographie (1979–2009), Frankfurt a. M. 2010 14. Ute Leimgruber, Avantgarde in der Krise. Eine pastoral-theologische Ortsbestimmung der Frauenorden nach dem 2. Vatikanischen Konzil, 2011 15. Daniel Pacho, Die Be-Gegnung von Glaube und Freiheit. Eine neuzeitliche Spurensuche, 2012 16. Markus Lersch, Die Provinzialsynoden in Frankreich vom Konzil von Vienne bis zum Konzil von Trient (1312–1545), 2013 17. Isaac Kalimi, Das Chronikbuch und seine Chronik, 2013 18. Thomas Heiler/Alessandra Sorbello Staub/Bernd Willmes, „Der Weise lese und erweitere sein Wissen“. Beiträge zu Geschichte und Theologie, 2013 19. Sebastian Zwies, Das Kloster Fulda und seine Urkunden. Moderne archivische Erschließung und ihre Perspektiven für die historische Forschung, 2014 20. Richard Hartmann, Kirche in der Arbeitswelt. Der Diakon im Zivilberuf, 2015

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Weitere Publikationen der Theologischen Fakultät Fulda In Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Kirchenmusik-Institut sind im Michael Imhof Verlag, Petersberg, erschienen : Edith Harmsen u. Bernd Willmes (Hg.), Musik in der Liturgie. Entwicklung der Kirchenmusik vom Gregorianischen Choral über Bach bis zum Neuen Geistlichen Lied, Petersberg 2001 Bischöfliches Seelsorgeamt in Zusammenarbeit mit der Theol. Fakultät und dem Katholikenrat der Diözese Fulda (Hg.), Impulse für die Zusammenarbeit in der Pastoral. Loseblattsammlung, Fulda 2005 ff. Die Veröffentlichungen der Theologischen Fakultät sind über den Buchhandel erhältlich.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar. 1. Auflage 2016 © 2016 Echter Verlag GmbH, Würzburg www.echter.de Gestaltung: Hain-Team (www.hain-team.de) Druck und Bindung: Druckerei Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 978-3-429-03934-9 (Print) 978-3-429-04844-0 (PDF) 978-3-429-06263-7 (ePub)

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Impulse zum Singen können vielfältig ausfallen. Schon für den Verfasser des Jakobusbriefs scheint festzustehen „Ist einer fröhlich ? Dann soll er ein Loblied singen.“ Neben Fröhlichkeit, Begeisterung und Dank gibt es aber auch Anlässe der Klage, der Trauer und der Buße, die zu entsprechenden Gesängen anregen. Bestimmend und prägend für das Singen der Christus-Gläubigen ist vor allem und zuerst der Lobpreis auf Gottes Größe und die Gegenwart seines Christus. Christoph Gregor Müllers exegetische Studien zum Neuen Testament möchten einladen, das Singen als Grundvollzug der Glaubenden zu begreifen, sind sie doch „berufen zum Gotteslob“ (Eph 1,12). Diesen Titel trägt auch das erneuerte Gebet- und Gesangbuch der katholischen Christen in Deutschland, Österreich und Südtirol. Anhand der Komposition des „Glorias“ aus seiner „Missa canonica“ berichtet Thomas Nüdling vom Ringen um die richtigen Töne.

Christoph Gregor Müller, Professor für Neutestamentliche Exegese, Neutestamentliche Einleitungswissenschaft und Bibelgriechisch sowie langjähriger Rektor der Theologischen Fakultät Fulda. Thomas Nüdling, Gymnasiallehrer für Musik und Religion ; Referent in der Familienpastoral des Bistums Fulda und Komponist ; nebenamtlicher Kirchenmusiker, Organist, Chor- und Orchesterleiter.

www.echter.de ISBN 978-3-429-03934-9

Fuldaer Hochschulschriften

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57 Zum Gotteslob berufen

Theologische Fakultät Fulda

F H S S

Christoph Gregor Müller

Zum Gotteslob berufen Exegetische Beiträge zu den Gesängen im Neuen Testament Mit einem Werkstattbericht des Komponisten Thomas Nüdling