Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr: Zur Verantwortlichkeit von Staat, Fahrer, Halter und Hersteller für die Sicherheit des Straßenverkehrs [1 ed.] 9783428517398, 9783428117390

Die Autorin bewertet in ihrer Arbeit die rechtliche Zulässigkeit bestehender und zukünftiger Systeme der aktiven Sicherh

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German Pages 245 Year 2005

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Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr: Zur Verantwortlichkeit von Staat, Fahrer, Halter und Hersteller für die Sicherheit des Straßenverkehrs [1 ed.]
 9783428517398, 9783428117390

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Schriften zum Technikrecht Band 8

Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr Zur Verantwortlichkeit von Staat, Fahrer, Halter und Hersteller für die Sicherheit des Straßenverkehrs

Von Cornelia Bewersdorf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CORNELIA BEWERSDORF

Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr

Schriften zum Technikrecht Herausgegeben von Prof. Dr. M i c h a e l K l o e p f e r, Berlin

Heft 8

Zulassung und Haftung bei Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr Zur Verantwortlichkeit von Staat, Fahrer, Halter und Hersteller für die Sicherheit des Straßenverkehrs

Von

Cornelia Bewersdorf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 1616-1084 ISBN 3-428-11739-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Jörg

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Prof. Dr. Gerald Spindler bedanken, der spontan Interesse für das Thema gezeigt hatte, mich bei der Anfertigung der Dissertation stetig betreut und jederzeit alle Fragen schnell beantwortet hat. Ebenso gilt mein Dank Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Costede für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Prof. Dr. Michael Kloepfer danke ich für die Aufnahme der Arbeit in seine Schriftenreihe. Die Arbeit wurde innerhalb der Forschungsabteilung für Informations- und Kommunikationssysteme, Systemsicherheit der DaimlerChrysler AG angefertigt und von dieser finanziert. Hans-Georg Metzler hat es mir ermöglicht, die Bearbeitung in seinem Forschungsbereich und in enger Zusammenarbeit mit Günther Heiner und Dr. Jürgen Schwarz durchzuführen. Von Dr. Jürgen Schwarz und seinen Kollegen, insbesondere Dr. Gert Volk, Andreas Knapp und Markus Degen wurde ich kollegial aufgenommen und durch fachliche Erläuterungen der technischen Systeme in der Erstellung meiner Dissertation wesentlich unterstützt. Hierfür möchte ich der Firma DaimlerChrysler AG, Hans-Georg Metzler und allen genannten Personen großen Dank aussprechen. Ich möchte auch meinen Freunden Christine Kolig, Emmanuelle Mantlik, Olaf Weber, Andreas Lober, Adam Juszczak und Gesine Bockwoldt danken, die mich durch Gespräche unterstützt und viele fachliche Anregungen gegeben haben. Meinen Eltern danke ich dafür, daß sie jederzeit als Ansprechpartner mit Rat und Tat zur Verfügung standen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Mann Jörg, der mich durch aufbauende Worte und analytische Anmerkungen in meiner Arbeit enorm unterstützt hat. Ihm widme ich diese Arbeit. Göttingen, im November 2004

Cornelia Bewersdorf

Inhaltsübersicht § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Verkehrstechnischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

C. Fahrerassistenzsysteme und Telematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr . . . . .

41

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . .

58

§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

A. Verhaltensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

B. Halter- und Fahrerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 C. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 § 4 Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133

A. Verschuldensunabhängige Haftung und Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 C. Beweislast und Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 D. Verletzung von Schutzgesetzen, § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 § 5 Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 B. Haftung aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 C. Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 D. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 § 6 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221

A. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Ergebnisse zum Zulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

10

Inhaltsübersicht C. Ergebnisse zum Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 D. Ergebnisse zur Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 E. Ergebnisse zur Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

A. Verkehrstechnischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Problemaufriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

C. Fahrerassistenzsysteme und Telematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

I. Von der Telekommunikation zur Telematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Der Telekommunikationsbegriff im TKG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

2. Telematik im Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Telematik und Fahrerassistenz in der verkehrswissenschaftlichen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

aa) Fahrzeugautonome oder infrastrukturgestützte Systeme . . . . . .

29

bb) Intelligente Transportsysteme als Oberbegriff . . . . . . . . . . . . . . . .

30

b) Telematik in der juristischen Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

II. Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

I. Informations- und Warnsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

1. Spurwechselassistent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Fußgängererkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

3. Spurführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

4. Sichtverbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

5. Verkehrsinformation durch Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation . . . . . .

35

6. Verkehrsinformation durch eine Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

II. Übersteuerbare Interventionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Abstandsregeltempomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

2. Bremsassistent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

3. Elektronisches Stabilitätssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

4. Automatische Spurführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

5. Kreuzungsassistent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

6. Elektronisch gekoppelte Fahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

7. Intelligente Geschwindigkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

12

Inhaltsverzeichnis 8. Organisierter Verkehr durch eine Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

9. Autonome Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

III. Nicht-übersteuerbare Interventionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

1. Nicht-übersteuerbar aus technischen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

a) Notbremssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Intelligente Geschwindigkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2. Nicht-übersteuerbar aus tatsächlichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr . . . . .

41

I. Allgemeines zum Wiener Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

II. Historischer Hintergrund des Wiener Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

III. Systematik des Wiener Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

1. Art. 3 WÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. Artt. 8 und 13 WÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

IV. Auslegung völkerrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

1. Allgemeines zur völkerrechtlichen Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . .

46

a) Auslegungsregeln des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

b) Auslegung anhand des Vertragstextes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

c) Rückgriff auf innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

2. Die Wiener Vertragsrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

a) Die Grundregeln des Art. 31 Abs. 1 WVK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

b) Gewichtung der einzelnen Auslegungsmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

c) Wortlautauslegung im Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

aa) Mehrsprachige Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

bb) Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

V. Vereinbarkeit nicht-übersteuerbarer Fahrerassistenzsysteme mit Artt. 8, 13 WÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

1. Anwendbarkeit von Artt. 8, 13 WÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

a) Zulassungsrechtliche Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

b) Artt. 8, 13 WÜ im Vertragszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

c) Verhaltenspflichten und Zulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Wortlautauslegung der Artt. 8, 13 WÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

3. Auslegung im Lichte des Vertragszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge . . . . . . . . . . . . . . .

58

I. Nationale Zulassungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

Inhaltsverzeichnis 1. Erteilung und Erlöschen einer Betriebserlaubnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13 59

2. Generalregel für die Beschaffenheit eines Fahrzeuges . . . . . . . . . . . . . . . .

60

a) Fahrerverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

b) Abstrakte Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

aa) Gefahreneinschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

bb) Übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

cc) Nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . .

63

(1) Notbremssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

(2) Intelligente Geschwindigkeitsanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

(a) Gefahrensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

(b) Anwendbarkeit des § 30 StVZO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

c) Risiko-Nutzen-Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

aa) Risiko-Nutzen-Abwägung im Kfz-Zulassungsrecht . . . . . . . . . .

67

(1) Nutzenabwägung bei Zulassungsentscheidungen . . . . . . . .

68

(2) Risiko-Nutzen-Analyse als Erfordernis der Sicherheitsgewährleistung gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . .

68

(3) Nutzenabwägung in der StVZO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

bb) Risiko-Nutzen-Abwägung bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . .

70

(1) Risiko-Nutzen-Abwägung am Beispiel des Sicherheitsgurts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

(2) Verschulden als Bewertungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

(3) Bestimmung von Restrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

3. Verstoß gegen die StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

II. EG-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

III. UNECE-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

A. Verhaltensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

I. Verfassungsmäßigkeit aufgezwungener Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

1. Eingriff in Art. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79

2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

a) Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

II. Vorschriften der StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. § 1 StVO Grundregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

a) Beherrschbarkeit und Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

b) Bedienung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

c) Vertrauensgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

14

Inhaltsverzeichnis 2. § 3 StVO Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

a) Sichtgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

b) Sichtweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

c) Sichtweite unter 50 m . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

3. § 4 StVO Abstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

a) Der Sicherheitsabstand gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 StVO . . . . . . . . . . . . . .

90

aa) Länge des Sicherheitsabstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

bb) Kürzerer Bremsweg durch Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . .

91

(1) Antiblockiersysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

(2) Fahrerassistenzsysteme mit kürzerem Bremsweg . . . . . . . . .

92

cc) Fallbeispiel zum Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO . . . . . . . . . . . . .

93

b) Starkes Bremsen gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

c) Mindestabstand gemäß § 4 Abs. 2 StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

94

aa) Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

bb) Geschlossene Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

d) Abstandsregelung gemäß § 4 Abs. 3 StVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

4. § 5 StVO Überholen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

a) Rückschaupflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

b) Pflichten des zu Überholenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

5. § 8 StVO Vorfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

a) Übersehbarkeit des Kreuzungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

b) Bewertung von Fallbeispiel 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Halter- und Fahrerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Haftung des Halters nach § 7 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Betrieb des Kraftfahrzeugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Haftungsausschluß gemäß § 7 Abs. 2 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Einwirkung von außen auf fehlerfreies System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Nicht-übersteuerbares System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Haftung des Fahrers nach §§ 7, 18 StVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 1. Fahrzeugführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 2. Verschulden des Fahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Bedienungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Unkenntnis der Bedienungsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 bb) Unkenntnis der Systemgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Unangepaßte Systemeinstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Blindes Systemvertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Inhaltsverzeichnis

15

b) Fehlende Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Ignorieren einer Warnung oder Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Übersteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 cc) Abschalten des Fahrerassistenzsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Ausgleichspflicht zwischen Halter und Fahrer gemäß § 17 StVG . . . . . . . . . 112 1. Unabwendbares Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Maßstab an Idealfahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Höhere Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Fehlerfreies System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Nutzungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Betriebsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 a) Geringere Betriebsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Informations- und Warnsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 bb) Interventionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 b) Höhere Betriebsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Abwägung mit Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 IV. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 C. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 II. Anscheinsbeweis bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Erfahrungssätze mit Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Erfahrungssätze für einen Ursachenzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Technisches Versagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Längsführungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (2) Querführungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Fehlerhafte Detektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 cc) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 dd) Bedienungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

16

Inhaltsverzeichnis b) Erfahrungssätze für ein Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Bedienungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Entkräftung des Anscheinsbeweises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 a) Entkräftung des Ursachenzusammenhanges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Technisches Versagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 bb) Fehlerhafte Detektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 cc) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Entkräftung des Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Bedienungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Ausnutzung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

§ 4 Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133

A. Verschuldensunabhängige Haftung und Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Hersteller – Produzent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Pflichten des Herstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 III. Rechtsgutverletzung und Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Andere Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Weiterfresserschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Fahrerassistenzsystem als abgrenzbares Teilprodukt . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Privater Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 IV. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 V. Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 I. Berechtigte Sicherheitserwartungen an Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . 140 1. Benutzergruppe der Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Zu berücksichtigende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 a) Stand von Wissenschaft und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Technischer Standard und allgemein anerkannte Regeln der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Forschungsstand von Technik und Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . 145 b) Mindestsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Fehlende Definition einer Mindestsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 (1) Fälle der Mindestsicherheit aus der Rechtsprechung . . . . . 148

Inhaltsverzeichnis

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(2) Inhaltliche Kriterien der Mindestsicherheit . . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Stand von Wissenschaft und Technik . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (b) Zumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (c) Restrisiko und Risikoakzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 (d) Nutzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (3) Mindestsicherheit bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . 154 bb) Bedeutung für Fahrerassistenzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (1) Bedienbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 (2) Technisches Versagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Darbietung des Produktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Bestimmungsgemäßer Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 aa) Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Einsatzmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (2) Bedienung der Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (3) Namensgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Vorhersehbarer Fehlgebrauch und Mißbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Bedienungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) Unterlassene Nutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (3) Fehlende Aufmerksamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (4) Reaktive Verhaltensanpassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 e) Umstände des Einzelfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Preisgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 f) Risiko-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Konstruktionsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Entwicklungsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Konstruktionsbedingte Produktgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Fehler der jeweiligen Bauteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Fehler in der Mensch-Maschine-Schnittstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c) Fehler durch vorhersehbaren Fehlgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 III. Instruktionsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Hinweis auf Funktion und Funktionalitätsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Form der gebotenen Instruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Konstruktive Instruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4. Instruktionspflichten bei Fahrerassistenzsystemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2 Bewersdorf

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Inhaltsverzeichnis C. Beweislast und Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Erfahrungssätze für einen Konstruktionsfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Erfahrungssätze für einen Ursachenzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 D. Verletzung von Schutzgesetzen, § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. GPSG als Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. Anwendungsbereich des GPSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 III. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

§ 5 Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

184

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 I. Hoheitliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 II. Amtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 1. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Inhalt der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Umfang der Verkehrssicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Verletzung der Verkehrsregelungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Trennbarkeit von Verkehrssicherungs- und Verkehrsregelungspflicht bei Verkehrssignalanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 b) Amtspflicht bei telematischen Infrastrukturanlagen . . . . . . . . . . . . . . . 190 aa) Verkehrsinformations- und Leitsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Allgemeinverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Informationen über das Verkehrsgeschehen . . . . . . . . . . . . . . 191 (3) Informationen über eine mögliche Fahrweise . . . . . . . . . . . . 191 bb) Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 c) Verletzung der Amtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Allgemeinverfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (1) Systemausfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (2) Fehlerhafte Datenübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 bb) Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Verschulden durch behördliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2. Mitverschulden des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 a) Erkennbarkeit fehlerhafter Signale und Eingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Sonstiges Mitverschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196

Inhaltsverzeichnis

19

IV. Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Verkehrsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Verwaltungsvollstreckungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Eingriff in die Längsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Eingriff in die Querführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 V. Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 B. Haftung aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 C. Enteignungsgleicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 I. Rechtswidriger hoheitlicher Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 II. Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Zurechnungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Die Allgemeinwohlbezogenheit als Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . 205 3. Das Sonderopfer als Zurechnungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 4. Vergleichbare Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Vergleichbare Risiken bei Ampelanlagen und Sicherheitsgurten . . 207 aa) Gemeinsames Ziel: Erhöhung der Verkehrssicherheit . . . . . . . . 207 bb) Vergleichbares Restrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Unterschiede der Sicherheitsgurt- und Ampelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . 208 III. Haftungsbegrenzende Kriterien zur Rationalisierung der Unmittelbarkeit 208 1. Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Allgemeinwohlbezogenheit trotz rechtswidrigen Eingriffs . . . . . . . . 209 b) Allgemeinwohlbezogenheit als Begründung einer Entschädigungspflicht für technisches Versagen von Verkehrsregelungsanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Sonderopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Zwangstypische, eingriffsadäquate Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Untypische vorher angelegte Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Untypische nicht vorher angelegte Schäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 3. Das allgemeine Lebensrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. Eigenart der hoheitlichen Maßnahme und Vorliegen einer typischen Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a) Entschädigungshaftung oder Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2*

20

Inhaltsverzeichnis b) Besondere Gefahrenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 c) Widerspruch zwischen Kriterium der besonderen Gefahrenlage und Vorliegen eines Sonderopfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 5. Schutzzweck der Maßnahme: Gefahrenverminderung . . . . . . . . . . . . . . . . 216 6. Ergebnisorientierte Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 7. Abgrenzung nach Risikosphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Übertragung der haftungsbegrenzenden Zurechnungskriterien auf den polizeirechtlichen Entschädigungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 D. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

§ 5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

221

A. Begriffsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 B. Ergebnisse zum Zulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Kraftfahrzeug-Zulassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Risiko-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Berücksichtigung von Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Verhältnis StVO – StVZO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 C. Ergebnisse zum Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 I. Verhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Verschulden des Fahrers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Verschuldensunabhängige Haftung des Halters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Unabwendbares Ereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Höhere Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 D. Ergebnisse zur Produkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Mindestsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Konstruktionspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Instruktionspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 E. Ergebnisse zur Staatshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Relevante Haftungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Risikozurechnung bei fehlerhaften Infrastrukturanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Abkürzungsverzeichnis a.A. ABE ABl. EG Abs. ABS ACC AcP AG ALR Anh. Anm. Art. Aufl. Ba bast BayObLG BayStrWG BB BbgPolG BbgStrG Bd. BerDGVR Berl. ASOG Berl. StrG BFH BFHE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BR-Drs. BremLStrG BremPolG BS

andere Ansicht Allgemeine Betriebserlaubnis Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Antiblockiersystem Adaptive Cruise Contol Archiv für die civilistische Praxis Amtsgericht Allgemeines Preußisches Landrecht Anhang Anmerkung Artikel Auflage Bamberg Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen Bayerisches Oberste Landesgericht Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Betriebsberater Brandenburgisches Polizeigesetz Brandenburgisches Straßengesetz Band (Bände) Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin Berliner Straßengesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesrat Drucksachen Bremisches Landesstraßengesetz Bremisches Polizeigesetz Braunschweig

22 BSGE BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzgl. ca. CE Ce DAR DB DD ders. d. h. DIN Diss. Düss DÖV DRiZ DVR EG EGTypVO Einf. Einl. EntschSammlg ESP evtl. F FaM FAS Fz GG ggf. GPS GPSG GSG Hess. StrG HH HPflG Hrsg. HS HSOG HStG

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundessozialgerichts Deutscher Bundestag Drucksachen Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes bezüglich circa Council of Europe Celle Deutsches Autorecht Der Betrieb Dresden derselbe das heißt Deutsches Institut für Normung e.V. Dissertation Düsseldorf Die öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. Europäische Gemeinschaft Verordnung über die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge und Fahrzeugteile Einführung Einleitung Entscheidungssammlung Elektronisches Stabilitätsprogramm eventuell Fahrer Frankfurt am Main Fahrerassistenzsysteme Fahrzeug Grundgesetz gegebenenfalls Global Positioning System Geräte- und Produktsicherheitsgesetz Gerätesicherheitsgesetz Hessisches Straßengesetz Hamburg Haftpflichtgesetz Herausgeber Halbsatz Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland

Abkürzungsverzeichnis HWG IGH ISA i. S. d. i. S. v. ITS i. V. m. IZK JR JuS JZ Ka Kfz KG Ko Kza. LG Lkw LSA LStrGRhPf MDR MedR Mü MV m. w. N. neubearb. NGefAG NJW NJW-RR NRpfl. NStrG NStZ Nü NVwZ NZV o. ä. OGBNRW Ol OLG Pkw POGRhPf PolGNRW

23

Hamburgisches Wegegesetz Internationaler Gerichtshof Intelligent Speed Adaptation = Intelligente Geschwindigkeitsanpassung im Sinne der / die / das / des im Sinne von Intelligente Transportsysteme in Verbindung mit Internationale Zeitschrift für Kernenergie Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristenzeitung Karlsruhe Kraftfahrzeug(e) Kammergericht Berlin Koblenz Kennzahl(en) Landgericht Lastkraftwagen Land Sachsen Anhalt Landesstraßengesetz Rheinland-Pfalz Monatsschrift für Deutsches Recht Medizinrecht München Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen neubearbeitete Niedersächsisches Gefahren- und Abwehrgesetz Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsreport Niedersächsischer Rechtspfleger Niedersächsisches Straßengesetz Neue Zeitschrift für Strafrecht Nürnberg Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht oder ähnlichen / m Gesetz über Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden in Nordrhein-Westfalen Oldenburg Oberlandesgericht Personenkraftwagen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz für das Land Rheinland-Pfalz Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen

24 ProdHG RGBl. RhPf Rnr(n). Rspr. S. Sa SächsStrG Schl Sek. SEV SOG LSA SOG M-V SpolG SStrG st. Stg StrGBaWü StrWGNRW StrWGSchlH StVG StVO StVZO ThürPAG ThürStrG TKG überarb. UNECE Urt. u. U. v. VDE VDI Verf. VerkBl. VersR vgl. VM VRS WÜ WVK

Abkürzungsverzeichnis Produkthaftungsgesetz Reichsgesetzblatt Rheinland-Pfalz Randnummer(n) Rechtsprechung Satz / Sätze Saarbrücken Sächsisches Straßengesetz Schleswig Sekunde(n) Schweizerischer Elektronischer Verein Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalts Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in MecklenburgVorpommern Saarländisches Polizeigesetz Saarländisches Straßengesetz ständig Stuttgart Straßengesetz für Baden-Württemberg Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Straßen- und Wegegsetz des Landes Schleswig-Holstein Straßenverkehrsgesetz Straßenverkehrsordnung Straßenverkehrs-Zulassung-Ordnung Thüringer Polizeiaufgabengesetz Thüringer Straßengesetz Telekommunikationsgesetz überarbeitete United Nations Economic Commission for Europe Urteil unter Umständen von / vom Verband Deutscher Elektrotechniker Verein Deutscher Ingenieure Verfasser Verkehrsblatt Versicherungsrecht vergleiche Verkehrsrechtliche Mitteilungen Verkehrsrechtssammlung Internationales Übereinkommen über den Straßenverkehr, Wien 1968 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (Wiener Vertragsrechtskonvention)

Abkürzungsverzeichnis ZaöRV z. B. ZfAW ZfS ZHR ZIP ZÖR ZRP ZVS Zw zzgl.

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitswissenschaft Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für das gesamte Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Verkehrssicherheit Zweibrücken zuzüglich

25

§ 1 Einleitung A. Verkehrstechnischer Hintergrund Die aktuellen Bestrebungen im Bereich der Kraftfahrzeugtechnik gehen dahin, das Fahren komfortabler und sicherer zu machen. Durch den Einzug der Elektronik in das Kraftfahrzeug in den letzten 30 Jahren sind hierzu große Fortschritte gemacht worden. Trotz höherer Fahrleistungen und dichteren Verkehrs sind daher die Unfallzahlen in den letzten Jahrzehnten drastisch gesunken: Während es 1980 absolut 412.672 Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden gab, waren es im Jahr 2000 trotz höheren Verkehrsaufkommens nur 382.949 Unfälle.1 Die Anzahl der Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner ist von fast 30 im Jahre 1970 auf 10 im Jahre 2000 gesunken.2 Da die häufigste Unfallursache menschliches Fehlverhalten ist3, können Unfälle durch Sicherheitssysteme im Fahrzeug, die das automatische Fahren zum Endziel haben, weiter gesenkt werden, soweit diese Systeme zuverlässiger sind als menschliches Verkehrsverhalten. Die Einführung elektronischer Bremssysteme hat z. B. die Verkehrssicherheit deutlich erhöht. So hat sich das jährliche Unfallaufkommen durch Bremsendefekte zwischen 1991 bis 1998 um 35% verringert.4 Mit Fahrerassistenzsystemen, die z. B. Abstands- und Geschwindigkeitsregelungen übernehmen, lassen sich weitere Unfälle vermeiden, deren Ursache in menschlichem Fehlverhalten liegt.5

B. Problemaufriß Die vorliegende Arbeit bewertet die rechtliche Zulässigkeit bestehender und zukünftiger Systeme der aktiven Sicherheit in Kraftfahrzeugen und untersucht mögliche haftungsrechtliche Folgen für Fahrer, Halter, Hersteller und Staat. 1 Vgl. Unfallstatistik der International Road Traffic and Accident Database, Stand April 2002, abzurufen bei www.bast.de, link: IRTAD. 2 Grafische Darstellung der Verkehrstoten seit 1970 der International Road Traffic and Accident Database, Stand 2001, abzurufen bei www.bast.de; vgl. auch Unfallstatistik bei Frank / Reichart, S. 11 ff., wonach die drastische Verminderung von Unfalltoten vor allem der aktiven Sicherheit, d. h. Unfallvermeidung, vgl. S. 16, in Fahrzeugen und dem System Straße sowie dem Rettungswesen zugeschrieben wird; eine weitere Verbesserung der Verkehrssicherheit wird in Fahrerassistenzsystemen bzw. Systemen zum automatischen Fahren gesehen; ebenso Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Vogt, NZV 2003, S. 153. 3 Bölling, SEV 2001, S. 35, 37. 4 Wallentowitz / Ehmanns, S. 100. 5 Wallentowitz / Ehmanns, S. 100.

28

§ 1 Einleitung

Im Kapitel Zulassungsrechtliche Fragen werden Probleme im Zusammenhang mit der Einführung von Fahrerassistenzsystemen behandelt, sowie die Frage, ob eine Einführung nicht gegen Vorschriften internationaler Übereinkommen verstoßen würde. Im Kapitel über die Haftung des Fahrers und des Halters wird die Frage behandelt, welche Sorgfaltspflichten diese im Straßenverkehr unter Benutzung von Fahrerassistenzsystemen treffen und in welchen Fällen eine straßenverkehrsrechtliche und zivilrechtliche Haftung vorliegt. Im Kapitel Produkthaftung wird aufgezeigt, was der Hersteller beachten muß, um eine Haftung wegen fehlerhafter Fahrerassistenzsysteme zu vermeiden. Im Kapitel Staatshaftung wird der Frage nachgegangen, in welchen möglichen Fallkonstellationen eine Haftung des Staates wegen fehlerhafter Infrastrukturanlagen vorliegen könnte.

C. Fahrerassistenzsysteme und Telematik Bevor die in dieser Arbeit zu bewertenden Systeme beschrieben werden, sollen die in der Literatur unterschiedenen Begriffe der Telematik und der Fahrerassistenzsysteme erläutert und abgegrenzt werden. Dies dient zum einen dem Verständnis, über welche Art von Elektronik es im Kraftfahrzeug und in dessen Umgebung in dieser Arbeit geht und zum anderen der Abgrenzung zu Systemen, die mit Hilfe von Telekommunikationstechnik funktionieren. Die Begriffe Telematik und Fahrerassistenzsystem werden in der Literatur nicht nur unterschiedlich definiert, sondern die hier zu bewertenden Systeme werden teilweise sowohl der Telematik, als auch den Fahrerassistenzsystemen zugeordnet.

I. Von der Telekommunikation zur Telematik In der juristischen Literatur hat der Begriff der Telematik bereits vor Jahren Eingang gefunden, der Begriff der Fahrerassistenzsysteme hingegen erst neuerdings. Deshalb wird der Telematikbegriff zuvor behandelt. Sowohl Telematik als auch Fahrerassistenz sind Begriffe aus der Technik. Daher ist für eine Begriffsbestimmung der Blick auf die verkehrswissenschaftliche Literatur erforderlich. Der Begriff der Telematik ist eine Zusammensetzung der Begriffe Informatik und Telekommunikation.6 Der Schlüssel zum Inhalt der Telematik ist der Begriff der Telekommunikation. Dieser ergibt sich aus dem Telekommunikationsgesetz (TKG). 6 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545; Bosch, S. 798; Bouska, DAR 1995, S. 353; Ernst, ZVS 2000, S. 40, 42; Janker, DAR 1995, S. 472.

C. Fahrerassistenzsysteme und Telematik

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1. Der Telekommunikationsbegriff im TKG Der Begriff der Telekommunikation ist in § 3 Nr. 16 TKG als technischer Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Nachrichten jeglicher Art in der Form von Zeichen, Sprache, Bildern oder Tönen mittels Telekommunikationsanlagen legaldefiniert. Die Telekommunikation erfaßt demgemäß den Informationsaustausch über gewisse Entfernungen mit Hilfe von technischen Mitteln.7 Nicht erfaßt sind die Aufbereitung und Verarbeitung von Inhalten, sondern nur der Datentransport.8 Die Aufbereitung der Inhalte wird demgegenüber Teleoder Mediendiensten oder dem Rundfunk zugeordnet, wobei diese sich zum Teil des Mediums der Telekommunikation bedienen.9 Telekommunikationsanlagen sind gemäß § 3 Nr. 17 TKG technische Einrichtungen oder Systeme, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können. Telematiksysteme beinhalten daher ebenfalls einen Datenaustausch über eine gewisse Entfernung hinweg mit Hilfe von Telekommunikationsanlagen.

2. Telematik im Straßenverkehr a) Telematik und Fahrerassistenz in der verkehrswissenschaftlichen Literatur In der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Literatur sind die Begriffe der Telematik- und Fahrerassistenzsysteme nicht einheitlich definiert. aa) Fahrzeugautonome oder infrastrukturgestützte Systeme Teilweise wird zwischen fahrzeugautonomen, infrastrukturgestützten und integrierten Systemen, als Kombination aus den beiden anderen, unterschieden.10 Diese Ansicht stellt das Fahrzeug in den Vordergrund und bezieht den Begriff der Telematik nicht mit ein. Bei dieser Art der Gliederung werden Telematiksysteme den mit Verkehrsdaten arbeitenden Informations-, Leit- und Warnsystemen zugeordnet.11 Das Fahrzeug mit einbeziehend, wird Verkehrstelematik, ausgehend von den Begriffen der Telekommunikation und Informatik, auch definiert als „Anwendungen Büchner / Ehmer-Schuster, § 1, Rnr. 22. Büchner / Ehmer-Schuster, § 1, Rnr. 22; Schuster, 1. Teil, 1. Kap., D, Rnr. 2. 9 Schuster, 1. Teil, 1. Kap., D., Rnrn. 23, 25 und tabellarische Übersicht der einzelnen Dienste mit entsprechender Zuordnung in Rnr. 26. 10 Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Wallentowitz / Ehmanns, S. 10. 11 Bölling, SEV 2001, S. 35. 7 8

30

§ 1 Einleitung

zur Übertragung verkehrsrelevanter Informationen von und zu Fahrzeugen und deren nachfolgende meist automatische Auswertung“12. Übertragungswege für die Telekommunikation sind vor allem der Rundfunk und die Mobilfunknetze.13 Danach wären Telematiksysteme im Straßenverkehr nur solche, bei denen eine Informationsübertragung zu fahrzeugexternen Systemen stattfindet.

bb) Intelligente Transportsysteme als Oberbegriff Differenzierter ist dagegen die grundsätzliche begriffliche Unterscheidung der Telematik einerseits und der Fahrerassistenz andererseits, wobei beide unter einen allgemeineren Begriff der Intelligenten Transport-Systeme (ITS) zu fassen sind.14 ITS dienen dazu, den Straßenverkehr zu optimieren. Die reine Telematik wird als eine Verkehrstelematik verstanden, die unabhängig von der technischen Ausstattung in Fahrzeugen operiert.15 Im Überschneidungsbereich befinden sich danach Systeme, bei denen eine „telematische Interaktion“ entweder zwischen Fahrzeug und Infrastruktur einerseits oder zwischen verschiedenen Fahrzeugen andererseits stattfindet. Der Begriff Fahrerassistenzsystem wird dabei nicht genau definiert. Fahrerassistenzsysteme werden nach dieser Ansicht jedoch umschrieben als Systeme, die Aufgaben des Fahrers teilweise übernehmen und unabhängig von Fahreraktivitäten in die Regelung der Fahrzeugführung eingreifen. Nach dieser Auffassung fallen Abstandsregeltempomaten und Navigationssysteme in den Überschneidungsbereich, Antiblockiersysteme und Fahrdynamikregelungen wie z. B. der Bremsassistent gehören den reinen Fahrerassistenzsystemen an. Diese Unterscheidung ist nur dann widerspruchslos, wenn der Begriff der „telematischen Interaktion“ sehr weit ausgelegt wird. Der Abstandsregeltempomat16 benötigt z. B. nur eine fahrzeuginterne Ausstattung und kommuniziert nicht mit anderen Fahrzeugen. Er erkennt mit Hilfe von Radarsensoren ein vorausfahrendes Fahrzeug und greift aufgrund der aufbereiteten Daten in Antrieb und Bremse des Fahrzeuges ein. Würde nach dieser Ansicht Telematik als Verkehrstelematik, die ein fahrzeugexternes System voraussetzt, verstanden, dann fehlte es z. B. dem Abstandsregeltempomaten an einer „telematischen Interaktion“, da er allein auf einer fahrzeuginternen Ausstattung basiert. Dieser Unterscheidung ist aber vom Grundsatz her zuzustimmen. Allerdings ist der Überschneidungsbereich nicht so zu verstehen, daß es Systeme gibt, die zuBosch, S. 798. Bosch, S. 798. 14 Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, im Ergebnis auch Bölling, SEV 2001, S. 35; anders Wallentowitz / Ehmanns, S. 35, die unter ITS einen organisierten Verkehrsablauf auf Autobahnen verstehen. 15 Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98. 16 Dazu unten § 1 D. II. 1. 12 13

C. Fahrerassistenzsysteme und Telematik

31

gleich Fahrerassistenzsysteme und Telematiksysteme darstellen, sondern Telematik sollte als Medium in dem Sinne verstanden werden, daß einige Fahrerassistenzsysteme mit Hilfe der Telematik funktionieren.

b) Telematik in der juristischen Literatur Im Rahmen des Telekommunikationsrechts werden Telematiksysteme im Sinne von verkehrstelematischen Diensten verstanden. Beispiele hierfür sind Verkehrsinformations- und Leitsysteme, bei deren Benutzung ein Vertragsverhältnis mit miet-, dienst- und werkvertraglichen Elementen zwischen dem Anbieter der verkehrstelematischen Dienste und dem Kunden besteht.17 Eine andere Beschreibung des Begriffs der Telematik im Straßenverkehr ist „die Gesamtheit der Maßnahmen, die mit Hilfe der Übermittlung und Zusammenführung von Informationen und anderen Daten zu einer Verbesserung der Sicherheit, des Ablaufs und der Umweltverträglichkeit des Verkehrs, insbesondere des Straßenverkehrs, beitragen sollen“.18 Beide Definitionen sind zugeschnitten auf Verkehrsinformations- und Leitsysteme. Sie erfordern ganz im Sinne des Begriffs der Telekommunikation im TKG einen Informationsaustausch über eine gewisse Entfernung hinweg. Dies ist bei Verkehrsinformations- und Leitsystemen noch gegeben und der Bezug auf die Telekommunikation ist stimmig. Bei Systemen jedoch, die ohne fahrzeugexterne Anlagen funktionieren und dem Begriff der Telematik ebenfalls zugeordnet werden19, fehlt es an einem Austausch von Informationen über eine gewisse Entfernung hinweg. Systeme, die fahrzeugintern funktionieren, bestehen fast alle aus Sensoren, die Daten aus dem Umfeld des Straßenverkehrs aufnehmen, aufarbeiten und an ein fahrzeuginternes Steuerungsgerät abgeben, welches dann aufgrund dieser aufbereiteten Daten agiert, indem es den Fahrer informiert oder warnt und / oder gleich in das Fahrzeugverhalten eingreift20. Zwar werden zwischen den Sensoren und dem agierenden Steuerungsgerät Daten und Informationen übermittelt, aber es fehlt an einer gewissen Entfernung, die der Telekommunikation begriffsimmanent ist. Diese Systeme können daher nicht zu Telematiksystemen im Straßenverkehr gezählt werden. Hier ist der Begriff der Fahrerassistenzsysteme lückenfüllend. Dieser hat in der juristischen Literatur neuerdings Einzug gefunden.

Spindler, Teil IX, Rnrn. 8 ff. Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545; Bouska, DAR 1995, S. 353; Janker, DAR 1995, S. 472. 19 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545 und Janker, DAR 1995, S. 472, 473 nehmen Bezug auf Infrarotsichtgeräte, ACC, ESP und Notbremssystem, vgl. zur Systembeschreibung unten [§ 1 D. II. 1., 3., III. 1. a)]. 20 Anders / Neumann, S. 173. 17 18

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§ 1 Einleitung

II. Fahrerassistenzsysteme In der juristischen Literatur wird der Begriff der Fahrerassistenzsysteme von der Telematik in dem Sinne unterschieden, daß Fahrerassistenzsysteme bordeigene Systeme sind, die den Fahrer von seiner Fahrzeugführung entlasten bzw. seinen Fahrkomfort erhöhen und Unfälle vermeiden helfen, während Telematik als generelle Verkehrssteuerung verstanden wird, die von außen auf den Fahrer oder das Fahrzeug einwirken.21 Diese Ansicht differenziert erstmalig überzeugend zwischen bordeigenen, d. h. im Fahrzeug selbst befindlichen technischen Einrichtungen und externen Einrichtungen, die von Dritten betrieben werden und auf dessen Betrieb der Fahrer keinen Einfluß hat. Diese Unterscheidung paßt sich dem Begriff der Verkehrstelematik aus dem Telekommunikationsrecht an, mit der Folge, daß sich bei externen Anlagen Rechtsbeziehungen zwischen dem Fahrer und dem Anbieter der verkehrstelematischen Dienste ergeben.22 Externe Anlagen sind daher keine Fahrerassistenzsysteme. Eine andere Ansicht bezieht die Telematik mit ein. Danach sind Fahrerassistenzsysteme Systeme, die den Fahrer mit oder ohne Hilfe telematischer Einrichtungen bei seiner Fahraufgabe unterstützen bzw. seinen Fahrkomfort erhöhen.23 Diese Ansicht differenziert nicht zwischen Telematiksystemen und Fahrerassistenzsystemen, sondern erkennt richtigerweise, daß sich Fahrerassistenzsysteme teilweise des Mediums der Telematik bzw. der verkehrstelematischen Dienste bedienen. Danach läßt sich, auch unter der Berücksichtigung des Begriffes der Telekommunikation, folgern, daß die primäre Funktion der bordeigenen Fahrerassistenzsysteme die Informationsverarbeitung und -aufbereitung ist. Dabei kann sich das Fahrerassistenzsystem der Telekommunikation zum Datenaustausch und Datentransport bedienen. Geschieht dieses, dann sind sie zugleich auch Telematiksysteme, verlieren aber nicht ihre Funktion als Fahrerassistenzsystem. Fahrerassistenzsysteme sollten demnach definiert werden als technische Ausstattungen im Fahrzeug, die mit oder ohne Telematik mit dem Ziel der Verbesserung der Sicherheit oder Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs oder des Komforts des Fahrzeugführers – durch Informationen oder Warnungen auf die Entscheidung des Fahrers zur Fahrzeugführung Einfluß nehmen, oder – einen mutmaßlichen Willen des Fahrers unterstellend, durch Interventionen in das Fahrzeugverhalten eingreifen.

Vogt, NZV 2003, S. 153, 154. Vgl. Spindler, Vertragsrecht, Teil IX, Rnrn. 8 ff. 23 Empfehlung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates zur „Telematik im Straßenverkehr“, vom 17. 10. 2001, unter II. 1: Systeme mit telematischen Einrichtungen sind danach z. B. das GPS bei Zielführungssystemen, ohne sind z. B. ABS, ESP und ACC. 21 22

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme

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Aus dieser Definition wird einerseits deutlich, daß das System die Entscheidungsfreiheit des Fahrers berücksichtigt und daß es andererseits nur einen mutmaßlichen Willen unterstellt, der im Einzelfall nicht dem wirklichen Willen entsprechen muß, so daß beim Fahrer eine Restverantwortung verbleibt.

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme Im folgenden werden verschiedene Fahrerassistenzsysteme, die als Grundlage der rechtlichen Bewertung dienen, in technischer Hinsicht kurz dargestellt. Dabei wird zwischen Informations- und Warnsystemen sowie übersteuerbaren bzw. nichtübersteuerbaren Interventionssystemen unterschieden. Innerhalb dieser Systeme wird zwischen solchen Systemen unterschieden, die ihre Informationsgewinnung ausschließlich durch das Fahrerfahrzeug und solchen, die die Informationen durch das Fahrerfahrzeug in Verbindung mit anderen Fahrzeugen oder durch eine Infrastuktur gewinnen. Die Interventionssysteme lassen sich unterteilen in Systeme, die in die Längsführung (Eingriff in Antrieb und Bremse), in die Querführung (Lenkung) oder in beides gleichzeitig eingreifen. Übersteuerbare Systeme sind solche, bei denen zu jedem beliebigen Zeitpunkt durch Fahrereingriff die Systemfunktionen abgeschaltet werden können.24 Informations- und Warnsysteme sind immer übersteuerbar, da der Fahrer die Informationen und Warnungen lediglich zu ignorieren braucht. Interventionssysteme sind dagegen dann übersteuerbar, wenn der Fahrer entweder kurz vor dem Eingriff des Systems oder bereits nach Beginn der Intervention den Vorgang abbrechen kann, z. B. durch Gegenlenken oder Gasgeben. Fahrerassistenzsysteme gewinnen ihre Informationen im wesentlichen durch Geschwindigkeits- und Beschleunigungssensoren, Bildverarbeitungstechnik und Radar25, die sich im Fahrzeug des Fahrers befinden. Fahrerassistenzsysteme können auch auf einer Informationsgewinnung aus anderen Fahrzeugen basieren. Diese Systeme sind auf das Vorhandensein eines kompatiblen Systems in einem anderen Fahrzeug angewiesen. Als Fz 1 wird im folgenden das Fahrzeug beschrieben, das ein Signal aussendet, während Fz 2 als das Fahrzeug beschrieben wird, das das Signal empfängt.

24 Feldges / Kanz, ZfAW 3 / 2000, S. 38, 39; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 33; Feldges / Brandenburg, Response, S. 26. 25 Vgl. zur Radartechnik Wallentowitz / Ehmanns, S. 19: RADAR steht für Radio Detection and Ranging und kennzeichnet ein fernmeßtechnisches Verfahren, das durch Aussenden elektromagnetischer Wellen und Beobachtung ihrer Reflexion an Objekten Informationen über diese Objekte liefert, hier insbesondere den Abstand und die Relativgeschwindigkeit zwischen Sender und Objekt.

3 Bewersdorf

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§ 1 Einleitung

I. Informations- und Warnsysteme 1. Spurwechselassistent26 Dieses Informationssystem zeigt mit Hilfe von Bildverarbeitung und Radar an, ob sich Fahrzeuge auf den angrenzenden Fahrspuren befinden und ob deshalb eine gefährliche Verkehrssituation beim Spurwechsel vorliegt. Das System kann auch Fahrzeuge erkennen, die der Fahrer aufgrund von Sichthindernissen, z. B. hohe Geschwindigkeit, toter Winkel, schlechtes Wetter oder Dunkelheit nicht erkennen kann. Dieser intelligente elektronische Spiegel ist im rechten und linken Außenspiegel angebracht. Die beschriebene Spurwechselhilfe kann auch mit einem Warnsystem verbunden sein, das dem Fahrer durch akustische Signale oder Vibrationssignale am Steuer anzeigt, daß ein Spurwechsel gefährlich ist, sobald dieser, ohne den Blinker zu setzen, droht, von der Spur abzuweichen.

2. Fußgängererkennung27 Dieses System ist mit Hilfe von Bildverarbeitung in der Lage, Fußgänger und Radfahrer, die in die Fahrbahn des Fahrzeuges geraten, zu erkennen und daraufhin eine Warnung an den Fahrer abzugeben.

3. Spurführung28 Mit Hilfe von Bildverarbeitung erkennt das System die Position des Fahrzeugs auf der Fahrbahn und errechnet die ideale Fahrspur in der Fahrbahn. Sobald der Fahrer von der idealen Spur abzuweichen versucht, wird er gewarnt. Der Fahrer kann die Warnung ignorieren.

26 Vgl. zur Systembeschreibung Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 102; Anders / Neumann, S. 173 f.; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Bosch, S. 122; Feldges / Brandenburg, Response, S. 23 „Lane Warning Support“ und „Lane Change Support“; Mühlenberg, S. 879 ff.; Wallentowitz / Ehmanns, S. 26 f. 27 Vgl. zur Systembeschreibung Anders / Neumann, S. 102; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; zu Bildverarbeitungssystemen allgemein Mühlenberg, S. 879 ff. 28 Vgl. zur Systembeschreibung Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 102; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Bosch, S. 122; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 17; Feldges / Brandenburg, Response, S. 23 „Heading Control“; Frank / Reichart, S. 18 mit Bild; Mühlenberg, S. 879 ff.; Vukotich / Kirchner, S. 857 ff.; Wallentowitz / Ehmanns, S. 22 f.

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme

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4. Sichtverbesserung29 Mit Hilfe von Infrarotgeräten werden dem Fahrer auf einem Bildschirm Hindernisse und Verkehrsteilnehmer aufgezeigt, die er bei dichtem Nebel oder Dunkelheit mit bloßen Augen nicht wahrnehmen kann. 5. Verkehrsinformation durch Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation30 Durch ein System, das auf einer Informationsgewinnung durch Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation basiert, können Verkehrsinformationen schnell weitergegeben werden. Durch Weiterübertragung der Daten von Fahrzeug zu Fahrzeug erhalten alle in einer begrenzten Entfernung hintereinander fahrenden Fahrzeuge, die mit einem kompatiblen System ausgestattet sind, Verkehrsinformationen und Warnungen. Eine spezielle Infrastruktur ist nicht erforderlich, dafür jedoch eine ausreichende Versorgung von Fahrzeugen mit dem System. Hintereinander fahrende Fahrzeuge können Signale über Straßenverhältnisse (Nebel, Regen, Eis, Aquaplaning, Geisterfahrer) von Fahrzeug zu Fahrzeug weitergeben. Das System informiert und warnt den Fahrer. So sendet Fz 1 z. B. ein Signal als Unfall- oder Stauwarnung und gibt diese Information zusammen mit einer Warnung an den Fahrer des Fz 2 weiter. Bei Fz 1 werden die Signale z. B. ausgelöst durch eine Notbremsung, Warnlichter, einem manuellen Schalter, geringe Geschwindigkeit oder Airbag-Sensoren. Diese Verkehrsinformationssysteme sind auch als Interventionssysteme denkbar. 6. Verkehrsinformation durch eine Infrastruktur31 Eine fest installierte Infrastruktur sendet Informationen über die Verkehrslage an das Fahrzeugsystem, das wiederum den Fahrer informiert und ggf. warnt.

II. Übersteuerbare Interventionssysteme 1. Abstandsregeltempomat32 Abstandsregeltempomaten (Adaptive Cruise Control = ACC) mit Interventionsfunktion sind bereits auf dem Markt. Es handelt sich dabei um eine WeiterentwickVgl. zur Systembeschreibung Janker, DAR 1995, 472, 473; Response, Szenario 4, S. 35. Vgl. zur Systembeschreibung Wallentowitz / Ehmanns, S. 25; allgemein zur FahrzeugFahrzeug-Kommunikation Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 102. 31 Vgl. zur Systembeschreibung Feldges / Brandenburg, Response, S. 22 f.; Wallentowitz / Ehmanns, 35, S. 29 ff. 32 Die englische Bezeichnung „Adaptive Cruise Control“ (ACC) = anpassungsfähiger Geschwindigkeitsregler ist allgemein gebräuchlicher; vgl. zur Systembeschreibung Albus / 29 30

3*

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§ 1 Einleitung

lung des Geschwindigkeitsreglers (Tempomat). Zusätzlich zur Geschwindigkeit regelt das System den durch den Fahrer einstellbaren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug. Das System stellt den Abstand ein, wenn die gewünschte Geschwindigkeit nicht möglich ist und beschleunigt, sobald die Fahrspur vor dem Fahrzeug soweit frei ist, daß die gewünschte Geschwindigkeit bis zum nächsten vorausfahrenden Fahrzeug erreicht wird. Das System kann durch Gasgeben oder Bremsen übersteuert werden. Dieses System greift allerdings nur mit einem Teil des maximalen Bremsvermögens (20 – 35%) ein. Bei Annäherung an oder beim Einscheren eines in bezug zur eingestellten Geschwindigkeit sehr langsam fahrenden Fahrzeuges, reicht das begrenzte Bremsvermögen zur Ausregelung des Abstandes u. U. nicht mehr aus. Dies wird dem Fahrer durch optische und / oder akustische Warnung angezeigt. Bisherige Systeme funktionieren lediglich ab einer Geschwindigkeit von 40 km / h. Zwar können die Radarsensoren unbewegliche Gegenstände erkennen, diese werden aber komplett ausgeblendet, da die unterschiedlichen Gegenstände nur schlecht unterschieden werden können, z. B. stehende Fahrzeuge von Straßenschildern. Ein weiterentwickeltes System kann ohne eine nach unten beschränkte Geschwindigkeit bei stockendem Verkehr dem vorausfahrenden Fahrzeug folgen und dem vorausfahrenden Fahrzeug gemäß auch anhalten.

2. Bremsassistent33 Der Bremsassistent verstärkt die Bremskraft automatisch auf die Höhe einer Vollbremsung, wenn der Fahrer eine Vollbremsung wünscht. Der Bremsassistent wird ausgelöst durch eine schnelle Betätigung des Pedals. Wünscht der Fahrer eine Notbremsung, so ist seine Bremskraft nämlich nicht unbedingt stark genug. Der Bremswunsch wird vom System durch Sensoren am Pedalweg und Drucksensoren erkannt. Der Bremsdruck wird bei Auslösung über eine elektronische Regelung des Unterdruckbremskraftverstärkers auf sein Maximum erhöht. Das System wird deaktiviert, indem der Fahrer die Pedalkraft zurücknimmt. Dieses System ist bereits im Handel erhältlich.

Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 102; Anders / Neumann, S. 173, 174; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Bosch, S. 714 f.; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 17; Feldges / Brandenburg, Response, S. 21 f.; Frank / Reichart, S. 17 mit Bild; Janker, DAR 1995, S. 472, 473; Vogt, NZV 2003, S. 153, 155; Vukotich / Kirchner, S. 857 ff.; Wallentowitz / Ehmanns, S. 16 ff., 24 ff. 33 Vgl. zur Systembeschreibung Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 99; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Vogt, NZV 2003, S. 153, 154; Wallentowitz / Ehmanns, S. 16.

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme

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3. Elektronisches Stabilitätssystem34 Bereits seit einiger Zeit auf dem Markt befindliche Elektronische Stabilitätssysteme (z. B. ESP) verhindern das seitliche Ausbrechen des Fahrzeugs während eines Lenkvorganges. Die Grundidee dieses Systems ist die Einhaltung der Spur, die der Fahrer durch die Stellung des Lenkrades vorgibt. Die Querführung des Fahrzeuges wird durch einen Eingriff ins Bremssystem kontrolliert. Damit ist das Fahrzeug bei extremen Lenkmanövern, in allen Bremszuständen und bei schlechten Straßenverhältnissen stabiler. Eine Weiterentwicklung des Elektronischen Stabilitätsprogramms greift neben dem Bremssystem auch in das Lenksystem ein. Durch elektronische Steuerung der Lenkung kann eine Instabilität des Fahrzeugs, z. B. durch unterschiedlichen Straßenbelag und Seitenwind, ausgeregelt werden. 4. Automatische Spurführung35 Bei diesem System hat der Fahrer die Spurführung dem System übertragen. Das Fahrzeug wird elektronisch gelenkt. Der Fahrer kann durch aktives Lenken die automatische Spurführung übersteuern. Zu Fehlererkennungen kann es kommen, wenn am Straßenrand kontrastreiche Begrenzungen fehlen, bei schlechtem Wetter oder bei unzureichender Spurmarkierung. 5. Kreuzungsassistent36 Mit Hilfe von Bildverarbeitung erkennt das System an Kreuzungen Verkehrszeichen und Ampeln. Das System errechnet die Vorfahrtsregeln und informiert und warnt den Fahrer bei Fahrfehlern oder bei Gefahrsituationen ausgehend von anderen Verkehrsteilnehmern oder Fußgängern. Ignoriert der Fahrer die Warnung, greift das System aktiv in Bremse, Antrieb und Lenkung ein, um einen Zusammenstoß zu verhindern. Dies allerdings nur in Form einer kurzen Warnbremsung ohne volle Bremskraft. Dieser Assistent kann auch auf Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation basieren. An Kreuzungen wird der Fahrer des Fz 2 vor dem Fahrzeug Fz 1 gewarnt, welches 34 Vgl. zur Systembeschreibung Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 99; Anders / Neumann, S. 174; Bosch, S. 701; Freitag, S. 837 ff.; Vogt, NZV 2003, S. 153, 155. 35 Vgl. zur Systembeschreibung Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 102; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Bosch, S. 122; Frank / Reichart, S. 18 mit Bild; Götting, S. 127, 130 ff., 136 ff.; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 17; Mühlenberg, S. 879 ff.; Feldges / Brandenburg, Response, S. 23 „Heading Control“; Vukotich / Kirchner, S. 857 ff.; Wallentowitz / Ehmanns, S. 22 ff. 36 Vgl. zur Systembeschreibung Anders / Neumann, S. 174; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; zu Bildverarbeitungssystemen allgemein Mühlenberg, S. 879 ff.

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§ 1 Einleitung

Vorfahrt hat. Der Fahrer des Fz 2 hat somit die Möglichkeit zu erkennen, welche Fahrzeuge sich im Kreuzungsbereich befinden, bevor er die Kreuzung erreicht hat. 6. Elektronisch gekoppelte Fahrzeuge37 Dieses System hat seinen besonderen Nutzen im Bereich der Transportwirtschaft mit Lkws. Bei einer elektronischen Koppelung werden zwei Lkws in der Weise aneinander gekoppelt, daß der zweite Lkw dem ersten folgt (Elektronische Deichsel). Das zweite Fahrzeug erhält vom ersten Fahrzeug die dazu erforderlichen Informationen. Das nachfolgende Fahrzeug hält bei Lkws bis zu einer Geschwindigkeit von 80 km / h jeweils abhängig von der Geschwindigkeit einen Abstand zwischen 20 und 30 Metern ein, so daß kein weiteres Fahrzeug dazwischen kommen und die Verbindung unterbrechen kann. 7. Intelligente Geschwindigkeitsregelung38 Intelligente Geschwindigkeitssysteme (ISA = Intelligent Speed Adaptation) verfolgen das Ziel einer Geschwindigkeitsregelung von Fahrzeugen durch äußere Einwirkung. Damit sollen Geschwindigkeitsbeschränkungen durchgesetzt werden, z. B. in Tempo-30-Zonen. Die Übermittlung von externen Daten in das Fahrzeug kann durch eine fest installierte Infrastruktur oder Satellitenübertragung gewährleistet sein. Bei Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit wird so der Fahrer gewarnt. Das Fahrzeug könnte auch automatisch abgeregelt werden. 8. Organisierter Verkehr durch eine Infrastruktur39 Sämtliche Fahrzeuge werden durch eine Infrastruktur geleitet. Dabei wird in die Längsführung eingegriffen, um den erforderlichen Abstand zu halten oder auch in die Querführung, um die Spur zu halten. Ziel wäre ein organisierter Verkehrsablauf, z. B. auf Autobahnen. 9. Autonome Systeme40 Ein autonomes System greift in die Längsführung und in die Querführung des Fahrzeuges ein. Es kombiniert die oben beschriebenen Interventionssysteme, so

Vgl. zur Systembeschreibung www.chauffeur2.net / final_review; Götting, S. 127, 140 f. Vgl. zur Systembeschreibung Feldges / Brandenburg, Response, S. 22; Wallentowitz / Ehmanns, S. 75 f. 39 Vgl. zum „Automated Highway“ Wallentowitz / Ehmanns, S. 35 ff. 40 Vgl. zu einer möglichen Fahrzeugbeschaffenheit Wallentowitz / Ehmanns, S. 27 f.; allgemein zu autonomen Systemen Anders / Neumann, S. 174; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Göt37 38

D. Überblick über Fahrerassistenzsysteme

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daß der Fahrer die komplette Längs- und Querführung des Fahrzeuges an das System abgegeben hat. Das System kann übersteuert werden.

III. Nicht-übersteuerbare Interventionssysteme 1. Nicht-übersteuerbar aus technischen Gründen Ein System ist nicht-übersteuerbar, wenn der Fahrer keinerlei Möglichkeit besitzt das System auszuschalten.41 Dies kann zum einen darin begründet sein, daß es technisch unmöglich ist, dieses System übersteuerbar zu konstruieren. Zum anderen kann eine Übersteuerbarkeit nicht erwünscht sein. Letzteres ist denkbar bei der intelligenten Geschwindigkeitsregelung durch Infrastruktur. a) Notbremssystem42 Bei einem Notbremssystem erkennt das System den kritischen Zeitpunkt, zu dem eine Notbremsung erforderlich wäre, um einem Aufprall zu entgehen. Es bremst dabei mit der im konkreten Fall erforderlichen Bremskraft, die notfalls der einer Vollbremsung entspricht. In diesem letztmöglichen Moment wird die Notbremsung durch das System aktiviert. Der Fahrer kann den Notbremsvorgang nicht abbrechen. Das System beendet den Bremsvorgang, sobald wieder ein Abstand erreicht ist, der ausreicht, um bei erneuter Bremsung einen Aufprall zu verhindern. Technische Grenze: Das System hält nicht genau den Abstand ein, den der Fahrer auch einhalten würde. Einerseits ist das System in der Reaktion geringfügig schneller als der Fahrer und benötigt daher einen theoretisch kürzeren Abstand, um noch rechtzeitig bremsen zu können. Die Bremskraft ist außerdem in der erforderlichen Situation die größtmögliche, u. U. im Gegensatz zu der eines Fahrers ohne Bremsassistenten. Andererseits berücksichtigt das System weder Wetter- noch Straßenverhältnisse, d. h. es hält auch dann den geringsten Abstand, wenn die Straße naß oder gefroren ist und sich deshalb der Bremsweg verlängert. Außerdem rechnet das System in seinen Abstand ein, daß das vorausfahrende Fahrzeug ebenfalls höchstens einen Bremsweg mit Vollbremsung zurücklegt. Es kommt daher trotz Notbremting, S. 127, 130 ff.; vgl. auch das in Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 17 f. aufgeführte autonome Querführungssystem (AQ) als eine Verbindung des Abstandsregeltempomats mit der automatischen Spurführung. 41 Feldges / Kanz, ZfAW 3 / 2000, S. 38, 39; Feldges / Brandenburg, Response, S. 26; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 34. 42 Vgl. zur Systembeschreibung und zur Kollisionsvermeidung allgemein Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 99; Anders / Neumann, S. 174; Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Janker, DAR 1995, S. 472, 473; Wallentowitz / Ehmanns, S. 41 ff.

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§ 1 Einleitung

sung zu einem Aufprall, wenn das vorausfahrende Fahrzeug keinen eigenen Bremsweg mehr zur Verfügung hat, weil es z. B. selbst aufgefahren ist.

b) Intelligente Geschwindigkeitsregelung43 Die intelligente Geschwindigkeitsregelung kann auch als nicht-übersteuerbares System konstruiert und in Gebrauch genommen werden. Der Fahrer hätte dann keine Möglichkeit, die abgeregelte Geschwindigkeit zu ändern und wäre gezwungen, z. B. in einer Zone-30 höchstens 30 km / h zu fahren. Er kann aber jederzeit bremsen.

2. Nicht-übersteuerbar aus tatsächlichen Gründen Ein System ist aus tatsächlichen Gründen nicht-übersteuerbar, wenn dem Fahrer aus zeitlichen Gründen oder aus situationsspezifischen Gründen keine Möglichkeit verbleibt, das System abzuschalten.44 Grundsätzlich kann dies bei allen Interventionssystemen vorkommen.

43 Vgl. zur Systembeschreibung Bölling, SEV 2001, S. 35, 36; Bouska, DAR 1995, S. 353; Janker, DAR 1995, S. 472, 473. 44 Feldges / Brandenburg, Response, S. 26.

§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen Im Rahmen des Zulassungsrechts stellt sich die Frage, welche Anforderungen das internationale, europäische und nationale Recht an die Bauart von Fahrerassistenzsystemen stellt.

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr Moderne Fahrerassistenzsysteme, insbesondere Interventionssysteme, beinhalten technische Möglichkeiten und Folgen für das Fahrverhalten, die es zur Zeit der Unterzeichnung des WÜ nicht gab und die mangels technischer Möglichkeiten in dem Übereinkommen keinen Niederschlag gefunden haben. Es stellt sich daher die Frage, ob bestimmte Fahrerassistenzsysteme gegen einzelne Bestimmungen des WÜ, insbesondere Artt. 8, 13 WÜ, verstoßen. Um die Vereinbarkeit bestimmter Fahrerassistenzsysteme anhand des WÜ festzustellen, bedarf es einer Vertragsauslegung. Zunächst soll jedoch der Aufbau des WÜ und die Einbettung der Artt. 8, 13 WÜ, sowie der historische Hintergrund des Zustandekommens des WÜ dargestellt werden.

I. Allgemeines zum Wiener Übereinkommen Die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete am 08. November 1968 bei der Weltkonferenz der Vereinten Nationen in Wien das Übereinkommen über den Straßenverkehr.1 Mit Gesetz vom 21. September 19772 wurde dem Übereinkommen zugestimmt. Ebenfalls unterzeichnet wurde das Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen.3 Die Übereinkommen dienten dem Ziel, die vormals abgeschlossenen internationalen Straßenverkehrsabkommen, – das internationale Abkommen über Kraftfahrzeugverkehr vom 24. 04. 19264, 1 Im folgenden Wiener Übereinkommen (WÜ); abgedruckt in BGBl. II, 1977, S. 811 ff.; BT-Drs. 8 / 178, S. 308 ff.; allg. zur verkehrspolitischen Entwicklung: Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797 unter I. 2 BGBl. II, S. 809 f. 3 Abgedruckt in BGBl. 1977 II, S. 893 ff. 4 RGBl. 1930 II, S. 1234 ff.

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

– das internationale Abkommen über Straßenverkehr vom 24. 04. 19265, – das Abkommen über die Regelung des Interamerikanischen Kraftfahrzeugverkehrs vom 15. 12. 1943, – das Abkommen über den Straßenverkehr vom 19. 09. 19496, – das Abkommen betreffend die Vereinheitlichung von Straßenverkehrszeichen vom 30. 03. 1931 und – das Protokoll über Straßenverkehrszeichen vom 19. 09. 1949

zu ersetzen.7 Das Abkommen ist in den Vertragssprachen chinesisch, englisch, französisch, russisch und spanisch abgefaßt worden.8 Im BGBl. sind neben der amtlichen deutschen Übersetzung lediglich die Vertragssprachen englisch und französisch abgedruckt. Gemäß Art. 47 Abs. 1 WÜ tritt das Abkommen zwölf Monate nach Hinterlegung der 15. Ratifikationsurkunde, für jeden weiteren Staat gemäß Art. 47 Abs. 2 WÜ zwölf Monate nach Hinterlegung der eigenen Ratifikationsurkunde in Kraft. Die 15. Ratifikationsurkunde ist am 21. Mai 1976, die deutsche am 03. 08. 1978 bei dem Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt worden, weshalb das WÜ für Deutschland am 03. 08. 1979 in Kraft getreten ist.9

II. Historischer Hintergrund des Wiener Übereinkommens Das Übereinkommen wurde zum Ende der Weltkonferenz über den Straßenverkehr vom 7.10. bis 8. 11. 1968 in Wien abgeschlossen, zu welcher der Wirtschaftsund Sozialrat der Vereinten Nationen geladen und bei der die Bundesrepublik Deutschland als Mitglied der Wirtschaftskommission für Europa (UNECE)10 teilgenommen hatte.11 Das WÜ ist das Diskussionsergebnis zu Entwürfen eines Ab5 Dieses Abkommen wurde von Deutschland nicht ratifiziert: Müller / Full / Mühl / Rüth, S. 341. 6 Dieses Abkommen ist von Deutschland ebenfalls nicht ratifiziert worden, Abdruck in nicht amtlicher Übersetzung: BT-Drs. 2 / 291; Müller, 21. Aufl., S. 1192. 7 BTags-Drs. 8 / 178, S. 308; Mindorf, S. 285; Seidenstecher, DAR 1969, S. 66 f.; vgl. Art. 48 WÜ. 8 Booß, DAR 1973, S. 29, 30. 9 Mindorf, S. 287. 10 Die United Nations Economic Commission of Europe (UNECE) mit ihrem Sitz in Genf wurde 1947 von dem Wirtschaft und Sozialrat der Vereinten Nationen gegründet, vgl. www.unece.org; die Bundesrepublik wurde aufgrund eines Beschlusses des Wirtschafts- und Sozialrats im Jahre 1956 Vollmitglied der UNECE, vgl. Bericht des Bundesminister für Verkehr, S. 76. 11 BTags-Drs. 8 / 178, S. 308; Booß, DAR 1973, S. 29; Mindorf, S. 285; Seidenstecher, DAR 1969, S. 66.

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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kommens über den Straßenverkehr und eines über Straßenverkehrszeichen, welche die UNECE in Zusammenarbeit mit anderen regionalen Wirtschaftskommissionen, insbesondere der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Asien und den Fernen Osten, erarbeitet hatte.12 Ein erstes internationales Abkommen über den Kfz-Verkehr kam am 11. 10. 1909 zustande und wurde von Deutschland ratifiziert.13 Am 24. 04. 1926 wurde dieses Abkommen durch das Pariser Internationale Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen abgelöst, das von Deutschland im Jahre 1930 ratifiziert wurde.14 Dieses Abkommen galt bis zum Inkrafttreten des WÜ im Jahre 1977, da das Genfer Internationale Abkommen über Straßenverkehr vom 19. 09. 1949, welches das Abkommen von 1926 ablösen sollte, von der Bundesrepublik niemals ratifiziert wurde.15 Ebenfalls nicht ratifiziert wurde die Europäische Zusatzvereinbarung vom 16. September 1950 zum Abkommen über den Straßenverkehr und zum Protokoll über Straßenverkehrszeichen, die im wesentlichen Klarstellungen enthalten, die sich mit den deutschen Auffassungen decken.16 Das Internationale Abkommen von 1926 gilt weiterhin zwischen Deutschland und den Vertragsstaaten, die dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 (noch) nicht beigetreten sind.17

III. Systematik des Wiener Übereinkommens Das WÜ wurde mit dem Wunsch vereinbart, den internationalen Straßenverkehr zu erleichtern und die Sicherheit auf den Straßen durch die Annahme einheitlicher Verkehrsregeln zu erhöhen.18 Kapitel I, Art. 1 – 4, beinhaltet „Allgemeine Regeln“19, Kapitel II, Art. 5 – 34 beinhaltet „Verkehrsregeln“20, Kapitel III, Art. 35 – 40 beinhaltet die „Bedingungen für die Zulassung der Kraftfahrzeuge (Artikel 1 Buchstabe p) und Anhänger zum internationalen Verkehr“21, Kapitel IV, Art. 41 – Mindorf, S. 285; Seidenstecher, DAR 1969, S. 66. Müller, 18. Aufl., S. 1070; abgedruckt in RGBl. 1910, S. 603 ff. 14 RGBl. 1930 II, S. 1233; ebenfalls vollständig abgedruckt bei Müller / Full / Mühl / Rüth, S. 341 ff.; vgl. zu diesem Abkommen auch Mindorf, S. 260 ff. 15 Das Abkommen ist in nicht amtlicher Übersetzung abgedruckt bei BT-Drs. 2 / 291 (1953); Müller, 21. Aufl., S. 1192; in den Vertragssprachen Englisch: „Convention on road traffic“, französich: „Convention sur la circulation routière“. 16 BT-Drs. 2 / 291 (1953), S. 5, 69 ff. 17 Mindorf, S. 282, mit tabellarischer Aufstellung auf S. 282 ff. der Mitgliedstaaten des Abkommens von 1926 und 1968. 18 BGBl. II, 1977, S. 811, vor Kapitel 1 WÜ. 19 Englisch: „General Provisions“, französisch: „Généralités“. 20 Englisch: „Rules of the Road“, französisch: „Règles applicables à la circulation routière“. 21 Englisch: „Conditions for the admission of motor vehicles and trailers to international traffic“ französisch: „Conditions à remplir par les automobiles et les remorques pour être admises en circulation internationale“. 12 13

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

43, beinhaltet Regeln über den „Führer von Kraftfahrzeugen (Artikel 1 Buchstabe p)“22, Kapitel V, Art. 44, beinhaltet „Bedingungen für die Zulassung der Fahrräder und Motorfahrräder zum internationalen Verkehr“23 und in Kapitel VI, Art. 45 – 56, sind die „Schlussbestimmungen“24 geregelt. 1. Art. 3 WÜ Kernstück des WÜ ist die in Art. 3 WÜ geregelte Verpflichtung der Vertragsstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, um die in ihrem Gebiet geltenden Verkehrsregeln mit denen des Übereinkommens in Einklang zu bringen.25 Der Aufbau des Art. 3 WÜ lehnt sich der Kapiteleinteilung an. Art. 3 Abs. 1 WÜ enthält die Verpflichtung zur Anpassung der nationalen Vorschriften an die Verkehrsregeln in Kapitel II des WÜ. Art. 3 Abs. 2 WÜ enthält die Verpflichtung, die Kraftfahrzeuge im nationalen Hoheitsgebiet entsprechend den technischen Bedingungen des Anhangs 5 anzupassen. In Art. 3 Abs. 3 und 4 WÜ wird verlangt, daß die Zulassung von Kraftfahrzeugen und deren Anhängern von der Übereinstimmung der in Kapitel III WÜ festgelegten Bedingungen und die Zulassung eines Führers von der Übereinstimmung mit den in Kapitel IV WÜ niedergelegten Bedingungen abhängig gemacht wird. Art. 3 Abs. 5 WÜ betrifft die Übereinstimmung der Fahrradund Motorradzulassung mit den Regeln des Kapitels V WÜ. Artt. 8 und 13 WÜ befinden sich in Kapitel II WÜ, für das Art. 3 Abs. 1 WÜ maßgeblich ist. Darin heißt es: „a) Die Vertragsparteien treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die in ihrem Hoheitsgebiet geltenden Verkehrsregeln in ihrem sachlichen Gehalt mit den in Kapitel II enthaltenen Bestimmungen übereinstimmen. Unter der Bedingung, daß sie in keinem Punkte mit den genannten Bestimmungen unvereinbar sind, i) brauchen diese Regeln jene Bestimmungen nicht zu übernehmen, die im Hoheitsgebiet der betreffenden Vertragsparteien nicht vorkommen; ii) können diese Regeln Bestimmungen enthalten, die in Kapitel II nicht vorgesehen sind. b) Dieser Absatz verpflichtet die Vertragsparteien nicht, Strafmaßnahmen für jede Verletzung der Bestimmungen des Kapitels II, die in ihre Verkehrsregeln übernommen wurden, vorzusehen.“26

Englisch: „Drivers of motor vehicles“, französisch: „Conducteurs d’automobiles“. Englisch: „Conditions for the admission of cycles and mopeds to international traffic“, französisch: „Conditions à remplir par les cycles et les cyclomoteurs pour être admis en circulation internationale“. 24 Englisch: „Final Provisions“, französisch: „Dispositions finales“. 25 BT-Drs. 8 / 178, S. 308. 26 In der englischen Fassung heißt es in Art. 3 Abs. 1 (a) 1 WÜ: „Contracting Parties shall take appropriate measures to ensure that the rules of the road in force in their territories conform in substance to the provisions of Chapter II of this Convention“, in der französischen Fassung heißt es: „Les Parties contractantes prendront les mesures appropriées pour que les 22 23

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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Gemäß Art. 3 Abs. 1 WÜ ist die Bundesrepublik Deutschland daher verpflichtet, die innerstaatlich geltenden Verkehrsregeln („rules of the road“ bzw. „règles de circulation“) nicht im Widerspruch zu den Vorschriften in Kapitel II WÜ, d. h. im Widerspruch zu Artt. 8, 13 WÜ aufzustellen. 2. Artt. 8 und 13 WÜ Art. 8 Abs. 5 im Kapitel II des WÜ ist folgendermaßen gefaßt: „Jeder Führer muß dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können.“27 In Art. 13 Abs. 1 WÜ ist ebenfalls von einer Beherrschung des Fahrzeugs die Rede. Darin heißt es: „Jeder Fahrzeugführer muß unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen, um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen“.28 Aufgrund der Ausdrucksweise „beherrschen“ wird ohne jede Begründung lediglich die kurze These vertreten: „Mit den Anforderungen an die dauernde Beherrschbarkeit sind vollautomatische Assistenzsysteme, die der Fahrer nicht beeinflussen kann, nicht vereinbar“.29 Vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat wird in seiner Empfehlung vom Januar 2001 ausgeführt: „Die Einführung eines nicht-übersteuerbaren ISASystems erforderte eine Änderung der Art. 13 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 5 des Wiener Abkommens, die eine ständige Beherrschbarkeit des Fahrzeuges voraussetzen“.30 Was unter nicht-übersteuerbaren ISA-Systemen zu verstehen ist, ist ausgeführt worden. Unter vollautomatischen Assistenzsystemen, die der Fahrer nicht beeinflussen kann, können nur Systeme gemeint sein, die systeminitiiert und nicht-übersteuerbar in Antrieb, Bremse und / oder Lenkung eingreifen. Ein ISA-System in nicht-übersteuerbarer Ausführung würde auch dazu gehören. Der Grund weshalb eine Unvereinbarkeit mit Artt. 8, 13 WÜ nicht auch bzgl. des ABS vorgebracht wird, liegt offensichtlich in dem Unterschied, daß das ABS fahrerinitiiert (der Fahrer löst das Eingreifen aus) und die intelligente Geschwindigkeitsregelung systeminitiiert (das System greift selbständig ein) ist. Die Tatsache, daß ein System im Fahrzeug selbständig eingreift und dieser Eingriff nicht übersteuert werden kann, soll nicht nur ohne weitere Begründung zu einer Unbeherrschbarkeit des Fahrzeugs règles de circulation en vigueur sur leur territoire soient, quant à leur substance, en conformité avec les dispositions du chapitre II de la présente Convention“. 27 „Every driver shall at all times be able to control his vehicle or to guide his animals“ bzw. „Tout conducteur doit constamment avoir le contrôle de son véhicule ou pouvoir guider ses animaux.“ 28 „Every driver of a vehicle shall in all circumstances have his vehicle under control so as to be able to exercise due sand proper care and to be at all times in a position to perform all manœuvres required of him“, bzw. „Tout conducteur de véhicule doit rester, en toutes circonstances, maître de son véhicule, de facon à pouvoir se conformer aux exigences de la prudence et à être constamment en mesure d’effectuer toutes les manœuvres qui lui incombent.“ 29 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 547. 30 Empfehlung des Deutschen Verkehrssicherheitsrats vom Januar 2001 unter III. 7. b).

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

führen, sondern auch zu einer Unvereinbarkeit mit dem WÜ. Gleichzeitig wird mit dieser Unvereinbarkeitserklärung hingegen richtigerweise vertreten, daß sich der Fahrer im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten nicht darauf berufen können soll, daß er das System nicht übersteuern kann, sondern sich vielmehr auf die fehlende Übersteuerungsmöglichkeit einstellen muß.31 Um diesen Widerspruch aufzulösen, ist die Bedeutung des Art. 8 Abs. 5 WÜ in seinem Wort- und Sinnzusammenhang zu ermitteln. Die Anwendbarkeit von Art. 8 Abs. 5 WÜ sowie seine Bedeutung ist durch Vertragsauslegung festzustellen.

IV. Auslegung völkerrechtlicher Verträge Nach dem Vertragsabschluß ist das WÜ im Hinblick auf die Übereinstimmung des deutschen Straßenverkehrsrechts ausgelegt worden32, wobei jedoch weder Art. 8, noch Art. 13 WÜ behandelt worden sind. Für die Auslegung der umstrittenen Artikel des WÜ ist auf die Prinzipien zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge zurückzugreifen.

1. Allgemeines zur völkerrechtlichen Vertragsauslegung Sowohl für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge als auch für die Auslegung von Gesetzestexten werden Regeln und Auslegungsmethoden mit unterschiedlichen Bewertungsschwerpunkten aufgestellt.

a) Auslegungsregeln des Völkerrechts Für die Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen werden nach überwiegender Ansicht die Regeln der völkerrechtlichen Vertragsauslegung gewählt.33 Die deutsche Rechtsprechung bezieht sich ebenfalls auf völkerrechtliche Vertragsauslegungsmaximen, insbesondere Art. 31 ff. WVK.34 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. Vgl. Booß, DAR 1973, S. 29 ff.; Seidenstecher, DAR 1969, S. 66 ff.; vgl. auch BGBl. 1977 II, S. 823, in dem abweichend von Art. 11 Abs. 6 WÜ und auf neuen verkehrswissenschaftlichen Erkenntnissen basierend Rechtsüberholen nur bei der Bildung von Fahrzeugschlangen erlaubt wird. 33 Ress, BerDGVR 23, 1982, S. 65; Schreuer, BerDGVR 23 (1982), S. 65 f.; Vitzthum, 2. III., Rnr. 40, S. 108, 2. IV., Rnr. 114; S. 135; BVerfGE 1, S. 396, 410 f.; BVerfGE 4, S. 157, 168; BVerfGE 29, S. 348, 360; BVerwG, NVwZ 1993, S. 782, 783. 34 BVerfGE 4, S. 157; 168; BVerfGE 40, S. 141, 167; BVerfGE 90, S. 286, 362; BSGE 66, S. 28, 29 f.; BFHE 101, S. 537, 539; anders noch BVerfGE 36, S. 1, 35; die Wiener Vertragsrechtskonvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK) ist abgedruckt in BGBl. 1985 II, S. 927 ff. 31 32

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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b) Auslegung anhand des Vertragstextes Wie bei der innerstaatlichen Gesetzesauslegung35 hat sich auch bei der völkerrechtlichen Vertragsauslegung mit der überwiegenden Ansicht ein objektiver Ansatz durchgesetzt, so daß nicht der historische Parteiwille36, sondern vielmehr der objektive Wille der Vertragsparteien, wie er mittels des Vertragstextes zum Ausdruck kommt, bestätigt durch Artt. 31 ff. WVK, maßgeblich ist37. Dennoch ist es das Ziel der völkerrechtlichen Vertragsauslegung, im Unterschied zur Gesetzesauslegung, den wahren Willen der Vertragsparteien und nicht den objektiven Rechtswillen zu ermitteln; der subjektive Ansatz unterscheidet sich vom objektiven daher lediglich in der Frage, ob die Erkenntnisgrundlage ausschließlich auf den Vertragstext beschränkt ist.38 Art. 31 WVK legt den Vertragstext als Erkenntnisquelle vorrangig zugrunde und folgt dem objektiven Ansatz39, weshalb diesem auch vorliegend gefolgt wird. c) Rückgriff auf innerstaatliches Recht Von der Frage, welche Interpretationsmaximen bei völkerrechtlichen Verträgen bzw. Vertragsgesetzen anzuwenden sind, ist zu unterscheiden, welche Relevanz innerstaatliches Recht für die Bedeutung eines Begriffes in einem völkerrechtlichen Vertragstext hat. Ein Rückgriff auf ein sich aus dem nationalen Recht ergebenden Begriffsverständnis ist zwar oftmals erforderlich,40 sollte aber nur dann angenommen werden, wenn der Vertrag eine ausdrückliche Verweisung zur Auslegung auf staatliches Recht enthält41 oder wenn eine Auslegung aus dem internationalen Vertrag selbst nicht möglich ist42. Sobald ein Begriffsverständnis in allen Vertragsstaaten gleichermaßen existiert, darf dieses bei der Auslegung des Begriffs oder eines 35 Für die Gesetzesauslegung gilt nach h. M. die objektive Theorie, Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 137 ff.; Pawlowski, Rnrn. 3 c ff.; Stern, § 4 III. 1 b); BVerfGE 1, S. 299, 312; BVerfGE 8, S. 274, 307; BVerfGE 35, S. 263, 278 ff.; st. Rspr., vgl. Auslegung in BVerfGE 101, S. 54, 88 ff. 36 Subjektive Theorie, nach der der Parteiwille zur Zeit des Vertragsabschlusses und daher in erster Linie auf die Vertragsmaterialien (travaux préperatoires) ankommt, siehe dazu kritisch Doehring, Rnr. 391; Karl, in: Schreuer, S. 11 ff.; Ipsen, § 11, Rnr. 4; ausführlich zu den travaux préparatoires Köck, S. 32 ff. 37 So bereits Bernhardt, S. 173 f., 186; heute überwiegende Meinung, Doehring, Rnrn. 393 f.; Ipsen, § 11, Rnr. 5; Karl, S. 12; Matscher, FS Mosler, S. 545, 548 ff., 565; SeidlHohenveldern / Stein, § 20, Rnr. 334; Vitzthum, 1. III., Rnr. 123, S. 67. 38 Köck, S. 82 f.: im Gegensatz zur Erkenntnis eines objektiven Rechtswillens, da das Völkerrecht „keine rechtsstaatliche Bindung an ein Gesetz im Sinne einer formell in bestimmter Weise gefaßten Regelung – in unserem Fall: an einen Vertragstext – kennt“. 39 Ipsen, § 11, Rnr. 5. 40 Ress, S. 20 m. w. N. 41 Schreuer, S. 80; Hilf, Anm. 40, S. 36, 157 ff. 42 Ress, S. 20 f.

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

ähnlichen in einem völkerrechtlichen Vertrag zugrunde gelegt werden.43 Wo dieses nicht der Fall ist, ist die Auslegung allein aufgrund des Vertrages sowie mit Hilfe der Rechtsvergleichung vorzunehmen.44 Bei Verträgen, die auf keine bestimmte Zahl von Mitgliedern ausgelegt ist, kann nicht auf Begriffe des Rechts der augenblicklichen Vertragsstaaten zurückgegriffen werden, weil die Vertragsgrundlage auch für mögliche zukünftige Mitglieder bestimmt ist.45 Einen solchen Vertrag stellt das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr dar, in dem Art. 47 Abs. 2 WÜ bestimmt, daß das Übereinkommen für jeden neu hinzutretenden Staat zwölf Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde in Kraft tritt. Daher kommt ein Rückgriff auf das deutsche Straßenverkehrsrecht nicht in Betracht. 2. Die Wiener Vertragsrechtskonvention Das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 196946 enthält in Art. 31 ff. WVK Auslegungsregeln, die auch bei der Auslegung von Verträgen, die später abgeschlossen wurden, zu berücksichtigen sind, da sie lediglich Auslegungsregeln des völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts kodifiziert haben47. Sämtliche gewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln werden aber auch weiterhin angewendet.48 a) Die Grundregeln des Art. 31 Abs. 1 WVK Gemäß Art. 31 Abs. 1 WVK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang

43 Mosler, Gedächnisschrift für Panhuys, S. 149, 162; Ress, S. 21 zusätzlich mit dem Umkehrschluß, daß eine Bezugnahme nicht zulässig ist, wenn diese Voraussetzungen fehlen. 44 Hailbronner, ZaÖRV 36, (1976), S. 190, 222 f.; Schreuer, S. 80, wonach bei wenigen Vertragspartnern sowie bei übereinstimmender Praxis ein Vergleich mit den Begriffen des jeweils staatlichen Rechts eher anzunehmen ist, bei fehlender Übereinstimmung dagegen im Zweifel die Auslegung mit der geringsten Souveränitätseinschränkung zu wählen sei; gegen letzteres Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 233, für eine Rechtfolge nicht eindeutiger Vereinbarungen, die unabhängig von einer evtl. Souveränitätseinschränkung ist; vgl. auch Köck, S. 52 f. 45 Hailbronner, ZaÖRV 36 (1976), S. 190, 223. 46 Abgedruckt in BGBl. 1985 II, S. 927 ff. 47 Karl, S. 14; Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 218 f.; Matscher, FS Mosler, S. 545, 548; Vitzthum, 1. III., Rnr. 123, S. 67. 48 Ipsen, § 11, Rnrn. 16 ff.; Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 218 f.; Matscher, FS Mosler, S. 545, 560 f.; Seidl-Hohenveldern / Stein, § 20, Rnr. 340 ff.; Vitzthum, 1. III., Rnr. 123 f., S. 68 f.; nach Doehring, § 5, Rnr. 393 ff. sind restriktive und extensive Auslegung nicht von den Regeln des WVK umfaßt und daher zusätzlich anzuwenden, wenn der Vertragsinhalt unklar bleibt; Köck, S. 92 ff.: Art. 32 WVK läßt außervertragliche Auslegungmittel und daher auch die travaux préparatoires, d. h. die vorbereitenden Arbeiten für den Vertrag zu.

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Die Auslegung nach Treu und Glauben meint die Anwendung der Auslegungsmaximen in redlicher Weise, so daß die Auslegungsregeln in kombinierter Weise derart angewendet werden, daß die vertraglichen Bestimmungen dem Vertragszweck und dem Willen der Vertragsparteien entsprechend am besten ausgelegt werden.49 Die Wortlautauslegung und die Regel über die Bedeutung des Zusammenhangs hängen eng miteinander zusammen, da die Bedeutung eines Wortlauts in aller Regel erst in Verbindung mit dem Zusammenhang des übrigen Vertragstextes, in welchen er eingebettet ist, zu ermitteln ist.50 In Art. 31 Abs. 2 WVK ist aufgeführt, was im einzelnen unter dem Begriff des Zusammenhangs zu verstehen ist. Die Auslegung nach Ziel und Zweck des Vertrages gibt die teleologische Auslegung wieder und zielt damit auf die Ermittlung der von den Vertragsparteien verfolgen Absicht ab.51

b) Gewichtung der einzelnen Auslegungsmaximen Auch wenn durch Art. 31 Abs. 1 WVK die primäre Bedeutung der vier vorgenannten Auslegungsmaximen kodifiziert ist und der Schwerpunkt der Anwendung mit guten Gründen auf diese Maximen gelegt werden kann, stellt sich die Frage, welchem Auslegungsmittel im Einzelfall der Vorzug zu gewähren ist. Einerseits beabsichtigt Art. 31 Abs. 1 WVK keine Rangordnung der einzelnen Maximen, mit der Ausnahme, daß natürlich die Anwendung der Auslegungsmethoden nach Treu und Glauben oberste Maxime ist.52 Auf der anderen Seite ist damit nicht ausgeschlossen, daß im Einzelfall je nach Vertragstyp differenziert wird und eine Auslegungsmaxime eine größere Gewichtung erhält.53 Ziel der Vertragsauslegung ist es letztlich, den Willen der Vertragsparteien zu erfassen. Im Grunde geht der Wille der Parteien immer dahin, das gesetzte Vertragsziel nämlich die Zwecksetzung des Vertrages zu erreichen. Problematisch ist dabei die Kluft, die sich auftut, wenn die Bedeutung einer speziellen Regelung im Vertrag nicht allein aufgrund des gesetzten Vertragszweckes ermittelt werden kann. 49 Ipsen, § 11, Rnr. 20; Köck, ZÖR 53 (1998), Anm. 5, S. 218; Vitzthum, 1. III., Rnr. 123, S. 68. 50 Köck, ZÖR 53 (1998), Anm. 6, S. 218; Ipsen, § 11, Rnr. 7 mit Verweis darauf, daß der Wortlaut allein nur maßgeblich ist, wenn er bereits eindeutig zu verstehen ist; dann bedarf es allerdings auch keiner Auslegung mehr, worauf auch Seidl-Hohenveldern / Stein, 20, Rnr. 333 hinweist, wenn er auf den Zirkelschluß in der sog. Vattelschen Maxime „Ein klarer Wortlaut bedarf keiner Auslegung“ hinweist. 51 Ipsen, § 11, Rnr. 10; Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 224 ff., vgl. auch Anm. 24. 52 Ipsen, § 11, Rnr. 12 mit Verweis auf die Kommentierung der ILC: „The Commission, by heading the article . . . in the singular . . . , intended to indicate that the application of the means of interpretation in the article would be a single combined operation“; Ress, S. 13, Anm. 31 mit Verweis auf Klein, 1980, S. 330 f.; Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 223. 53 Doehring, § 5, Rnrn. 394 ff.; Ress, S. 13 ff.

4 Bewersdorf

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

Diese Lücke entsteht, weil ein allgemein gestecktes Ziel im Detail unterschiedliche Ausgestaltungsmöglichkeiten offenläßt und sich oftmals das konkret Gewollte erst aus der konkreten Regelung und nicht schon aus dem abstrakt formulierten Vertragsziel ergibt.54 Gerade bei multilateralen Verträgen kann ein gemeinsames Verständnis in jedem Detail weder erreicht werden, noch kommt diesem Umstand entscheidende Bedeutung zu, so daß der wahre Wille häufig nur in einem Annäherungswert besteht und sich die Parteien einer späteren im Einzelfall vernünftigen Rechtsfindung ausliefern wollen.55 Daher kann der subjektive Wille allenfalls subsidiär herangezogen werden.

c) Wortlautauslegung im Zusammenhang Die Unvereinbarkeit von ISA-Systemen bzw. „vollautomatischen Assistenzsystemen“ wird auf die Formulierung „beherrschen des Fahrzeugs“ zurückgeführt. Auszulegen ist daher die Bedeutung, die dieser Bestimmung in ihrem Zusammenhang zukommt. Ein besonderes Problem bei der Wortlautauslegung, ist die Mehrsprachigkeit von völkerrechtlichen Verträgen.

aa) Mehrsprachige Verträge Insbesondere mulitlaterale Verträge, wie das WÜ, sind in verschiedenen Vertragssprachen abgefaßt. Es besteht dann das Problem auf welchen Text abgestellt wird, wenn eine unterschiedliche Übersetzung vorliegt. Dazu gibt Art. 33 WVK Auslegungsregeln vor. Gemäß Art. 33 Abs. 1 WVK ist ein Vertragstext dann in gleicher Weise maßgeblich, wenn er als authentisch festgelegt worden ist. Für diesen authentischen Text besteht in Art. 33 Abs. 3 WVK eine Vermutung dafür, daß die Ausdrücke dieselbe Bedeutung haben. Für den Fall, daß ein Bedeutungsunterschied zwischen verschiedenen authentischen Texten besteht, sieht Art. 33 Abs. 4 WVK vor, daß diejenige Bedeutung zugrunde gelegt wird, die mit dem Ziel und Zweck des Vertrages am besten zu vereinbaren ist.56 Selbst bei authentischen Texten ist der Vertragsanwender um so eher gehalten, auch anderssprachige Texte hinzuzuziehen, je bekannter und geläufiger diese Sprachen sind.57 Ausführlich Köck, ZÖR 53 (1998), Anm. 25, S. 224. Köck, ZÖR 53 (1998), S. 217, 227 f., vgl. auch Anm. 32 mit Verweis auf Diskussionen und Verbesserungsvorschlägen auch in Bezug auf die WVK, die letztlich nur zu „unsubstantiierten Änderungen“ führten. 56 Vor der Wiener Vertragsrechtskonvention herrschte die Ansicht vor, daß bei Wortlautdifferenzen von gleichberechtigten Vertragstexten von der Sprache auszugehen war, in der die Entwürfe ausgearbeitet waren, ausführliche Meinungsdarstellung bei Hilf, S. 88 ff.; auf diese Ansicht bezieht sich bei der Auslegung des WÜ noch Booß, DAR 1973, S. 29, 31. 57 Hilf, S. 178 ff., 184, 233; allgemein zur Bedeutung von „authentischen Texten“ in Art. 33 WVK: Rosenne, FS Mosler, S. 761 ff. 54 55

A. Vereinbarkeit mit dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr

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Handelt es sich lediglich um eine amtliche Übersetzung, so darf sich der Vertragsanwender keinesfalls allein auf den Text der Übersetzung stützen, sondern muß den fremdsprachigen Wortlauten bei unklarer oder zweifelhafter Übersetzung den Vorrang einräumen, denn der Übersetzung kommt kein gleichberechtigter Stellenwert zu, da sie weder von den Vertragsparteien gebilligt, noch in sonstiger Weise anerkannt worden ist.58 Soweit im BGBl. neben der amtlichen Übersetzung lediglich der englische und französische Vertragstext abgedruckt ist, ist eine Auslegung zumindest unter Berücksichtigung dieser bekannten Sprachen vorzunehmen. Daraus ergibt sich für die Auslegung des WÜ, daß nicht nur die englische und französische Fassung zu berücksichtigen sind, sondern auch, daß diese im Zweifel maßgeblich sind. bb) Zusammenhang Gemäß Art. 31 Abs. 2 WVK fällt unter den Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut, der Präambel und den Anlagen zum einen jede sich auf den Vertrag beziehende anläßlich des Vertragsabschlusses von den Parteien verabschiedete Übereinkunft sowie jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses abgefaßt und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. Zusätzlich wird die Bezugnahme auf andere Verträge, die den gleichen Gegenstand oder das gleiche Grundkonzept aufweisen, zugelassen, insbesondere wenn der Vertrag auf den anderen verweist.59 Andererseits muß der gleiche Wortlaut an verschiedenen Stellen desselben Vertrages nicht unbedingt dieselbe Bedeutung haben, wenn auch grundsätzlich davon auszugehen ist.60

V. Vereinbarkeit nicht-übersteuerbarer Fahrerassistenzsysteme mit Artt. 8, 13 WÜ Die Unvereinbarkeit von nicht-übersteuerbaren, systeminitiierten Fahrerassistenzsystemen mit dem WÜ wird auf den Wortlaut der Artt. 8 Abs. 5, 13 Abs. 1 WÜ gestützt.61 Bevor diese Artikel im Detail ausgelegt werden, muß zunächst festgestellt werden, ob diese Bestimmungen auf den zu prüfenden Sachverhalt überhaupt anwendbar sind. 58 Bernhardt, EPIL, S. 1422; Hilf, S. 125, 147 ff., 190 ff., 219, 234; Seidl-Hohenveldern / Stein, § 20, Rnr. 269; Schreuer, S. 71, 73; vgl. bereits RGZ 102, 403, 404; RGZ 114, 188, 190 zu den Versailler Verträgen. 59 Hailbronner, ZaÖRV 36 (1976), S. 190, 222; Matscher, FS Mosler, 545, 560 f.; SeidlHohenveldern / Stein, § 20, Rnr. 338. 60 Matscher, FS Mosler, 545, 562; Seidl-Hohenveldern / Stein, § 20, Rnr. 339. 61 Vgl. oben unter (§ 2 A. III. 2.).

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

1. Anwendbarkeit von Artt. 8, 13 WÜ Um die Frage der Anwendbarkeit beantworten zu können, muß zuerst klargestellt werden, worauf sich die vertretene Unvereinbarkeit bezieht. Sodann ist aus dem Zusammenhang, insbesondere dem Vertragsaufbau des WÜ die Anwendbarkeit der streitgegenständlichen Artikel zu prüfen.

a) Zulassungsrechtliche Fragestellung Die bisher vertretenen Ansichten zur Unvereinbarkeit von bestimmten Fahrerassistenzsystemen mit Artt. 8, 13 WÜ erläutern nicht, welcher Sachverhalt konkret unvereinbar ist. Aus der These wird auch keine Rechtsfolge geschlossen, weshalb nicht deutlich gemacht wird, ob das System als Konsequenz der angeblichen Unvereinbarkeit nicht zugelassen, nicht vertrieben oder nicht gebraucht werden darf oder ob die am Steuer sitzende Person noch als Führer i. S. d. § 18 StVG anzusehen ist.62 Wenn nach diesen Ansichten nicht-übersteuerbare ISA-Systeme bzw. „vollautomatische Assistenzsysteme, die der Fahrer nicht beeinflussen kann“ als nicht vereinbar mit Artt. 8, 13 WÜ deklariert werden, kann dies nur bedeuten, daß diese Systeme nicht zugelassen werden dürften. Denn die Konsequenz eines Regelungsverstoßes von Systemen schlägt sich logisch zwingend zuerst auf die Zulassung bzw. auf die Bauart aus. Aus den aufgestellten Thesen, nach denen nur nicht-übersteuerbare bzw. vollautomatische und unbeinflußbare Systeme unvereinbar sind, ergibt sich, daß nach diesen Ansichten die Spezifikation des Fahrerassistenzsystems entscheidend für die Vereinbarkeit mit dem WÜ ist. Steht aber die Frage einer bestimmten Systemspezifikation zur Vereinbarkeitsprüfung an, dann geht es eindeutig um eine Frage des Kfz-Zulassungsrechts. Würde es sich um eine Verhaltenspflicht handeln, dann stünde nicht eine bestimmte Bauart im Mittelpunkt, sondern es müßte die Frage gestellt werden, ob der Gebrauch eines Systems mit dieser bestimmten Bauart zulässig wäre. Das wird jedoch nicht vertreten. Es handelt sich bei dem zu prüfenden Sachverhalt somit um zulassungsrechtliche Fragen. Zu prüfen ist, ob sich aus dem Vertragszusammenhang des WÜ die Anwendbarkeit von Artt. 8, 13 auf zulassungsrechtliche Fragestellungen ergibt.

b) Artt. 8, 13 WÜ im Vertragszusammenhang Sowohl Art. 8 als auch Art. 13 stehen in Kapitel II WÜ, das in der amtlichen Übersetzung mit „Verkehrsregeln“, im Englischen mit „Rules of the road“ und im 62 Die Frage der Unvereinbarkeit wird bei Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 547 bei dem Fahrerbegriff gemäß § 18 StVG behandelt.

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Französischen mit „Règles applicables à la circulation routière“ überschrieben ist, und meint nur die Regeln für den Fahrer im Straßenverkehr. Auch wenn Kapitel I in der amtlichen Übersetzung ebenso mit „Verkehrsregeln“ übersetzt ist, zeigt sich doch im Vergleich zur französischen und englischen Fassung, wonach Kapitel I mit „General Provisions“ und „Généralités“ überschrieben ist, daß Kapitel II Spezialnormen für das Verhalten des Fahrers im Straßenverkehr enthält. Dafür spricht auch der übrige Aufbau des Vertrags, der sich in der Aufteilung in ein allgemeines Kapitel I und die speziellen Kapitel II – V und das Schlußkapitel VI, wie auch in Art. 3 WÜ widerspiegelt. Im Gegensatz zu den Fahrerpflichten gebietet Art. 3 Abs. 2 a sowie Art. 39 WÜ – Technische Vorschriften und Untersuchung der Fahrzeuge –, daß jedes Kraftfahrzeug, jeder Anhänger und alle miteinander verbundenen Fahrzeuge mit den Bestimmungen aus Anhang 5 des WÜ übereinstimmen müssen. Die Vorschriften über die Bauart von Fahrzeugen ist daher eindeutig im Kapitel III und Anhang 5 geregelt. Es gibt diesbezüglich auch keinen Verweis auf die Beachtung der Vorschriften des Kapitels II. Daß es sich bei den Vorschriften des Kapitels II, insbesondere der Artt. 8 Abs. 5, 13 Abs. 1 WÜ nur um Fahrerpflichten handelt, zeigt sich auch aus den Formulierungen der Artikel dieses Kapitels: Art. 8 Abs. 5: „Jeder Führer muß . . .“, Art. 13 Abs. 1: „jeder Fahrzeugführer muß . . .“; Artt. 5, 6, 7: „die Verkehrsteilnehmer müssen . . .“. Sämtliche Vorschriften des Kapitel II beinhalten Verhaltensregeln eines Verkehrsteilnehmers. Die hier zu behandelnde Frage der Bauart bzw. Spezifikation von Fahrzeugsystemen ist jedoch nicht anhand von Fahrerpflichten zu beurteilen, sondern anhand der Vorschriften, die für die Bauart von Fahrzeugen einschlägig sind. Weder im Kapitel III, noch im Anhang 5 findet sich eine Vorschrift, die sich auf die Beherrschbarkeit des Fahrzeugs durch den Fahrerbezieht. Daran ändert sich auch nichts, wenn man auf die Idee käme, daß die Frage einer Beherrschbarkeit des Fahrzeuges auch eine Frage des Zulassungsrechts im Rahmen der Normierung der einzelnen Zulassungsbestimmungen bzw. der subsidiären Gefahreneinschätzung des § 30 StVZO ist. Denn auch dann bleibt es eine Frage des Zulassungsrechts und führt nicht zu einer Unvereinbarkeit mit Verhaltensvorschriften.

c) Verhaltenspflichten und Zulassungsrecht Die Frage der Zulassung eines technischen Systems und im übrigen eines Fahrzeuges insgesamt, ist streng von dem Folgeproblem der Verhaltenspflichten eines Fahrers zu unterscheiden. Die Zulassung eines Fahrzeugs kann nicht von einer Verhaltenspflicht des Fahrers abhängig gemacht werden, wohl aber von seinen Verhaltensmöglichkeiten aufgrund seiner kognitiven und manuellen Fähigkeiten. In den Verhaltensmöglichkeiten kann dann auch die Frage zu prüfen sein, ob der Fahrer nach seinen Fähigkeiten in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, es zu beherrschen oder zu kontrollieren. Das Zulassungsrecht beinhaltet aber auch die

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Möglichkeit, ein Fahrzeug zuzulassen, das sicherer ist, wenn der Fahrer nicht auf alles Einfluß hat, wie z. B. beim ABS.63 Die Pflicht eines Fahrers folgt immer den technischen Möglichkeiten.64 Auf der anderen Seite wird nicht deshalb ein Fahrzeug grundsätzlich für nicht zulassungsfähig gehalten, weil Verhaltenspflichten einen bestimmten Gebrauch desselben in einzelnen Verkehrssituationen nicht erlauben.65 Eine Vermischung der unterschiedlichen Rechtsgebiete schleicht sich unter Umständen deshalb ein, weil das Zulassungsrecht und die Verhaltensvorschriften an den Fahrer die gleichen Schutzgüter betreffen, nämlich Vermeidung einer Gefahr des Verkehrs und anderer Personen und Sachgüter. Es ist jedoch nicht nur vom formaljuristischen Standpunkt aus erforderlich, die Zulassungsfragen unter zulassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, sondern auch aus dem logischen Argument heraus, daß die technische Sicherheit eines Fahrzeugs oder überhaupt einer Sache zwar von den Möglichkeiten ihrer Handhabung abhängen, nicht jedoch von den einzelnen Handlungsschritten, in welcher Weise mit der Sache umzugehen ist. Die Art des Umgangs, hier die Verhaltenspflicht im Umgang mit dem Fahrzeug, hängt von dessen technischer Ausstattung ab. Dies muß so sein, da nur dann etwas benutzbar ist, wenn es bereits existiert. Artt. 8, 13 WÜ sind daher nicht für die Anforderung an die Bauart eines Kraftfahrzeugs einschlägig. Deshalb sind nicht-übersteuerbare Systeme und so auch das ISA-System nicht unvereinbar mit Artt. 8 und 13 WÜ. Die Frage, ob und wie solche Systeme gebaut werden dürfen, ergibt sich ausschließlich nach zulassungsrechtlichen Vorschriften und ist an dieser Stelle nicht zu prüfen.

2. Wortlautauslegung der Artt. 8, 13 WÜ Eine Wortlautauslegung von Artt. 8, 13 WÜ erübrigt sich zwar wegen seiner Unanwendbarkeit. Da diese Vorschriften jedoch auf Fahrerassistenzsysteme angewendet werden, erscheint eine Auslegung dennoch insoweit sinnvoll, als um so deutlicher wird, daß diese Vorschriften nicht auf die Problematik, die im Raum steht, zugeschnitten sind. Außerdem wird erörter wie die Artikel stattdessen zu verstehen sind. Der Verstoß von nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen, die systeminitiiert funktionieren, gegen Artt. 8, 13 WÜ, wird begründet mit der Formulierung des Beherrschens des Fahrzeugs. Zum einen ist fraglich, was das Beherrschen ei63 Bei der Gefahreneinschätzung im Rahmen der Verhaltenspflichten, geht es hingegen nur um einen potentiellen Schadenseintritt aufgrund eines menschlichen Verhaltens, nicht auch aufgrund einer bestimmten Bauart. 64 So bestand früher die Pflicht eines jeden Führers, die Technik des Zwischengases zu beherrschen, vgl. OLG Dresden, VAE 1941, S. 54; diese Pflicht müssen Führer von Kraftfahrzeugen in der heutigen Zeit selbstverständlich nicht mehr erfüllen. 65 Kraftfahrzeuge können eine hohe Geschwindigkeit erreichen, obwohl in der StVO Geschwindigkeitsbegrenzungen normiert sind.

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nes Fahrzeuges überhaupt ausmacht. Es kann zumindest nicht bedeuten, daß der Ablauf der einzelnen technischen Komponenten des Fahrzeuges vom Fahrer selbst vollzogen werden, denn dazu sind sie zu komplex und waren bereits zur Zeit des Vertragsschlusses des WÜ zu komplex. Auf die Funktion des Motors kann der Fahrer lediglich durch An- und Abschalten des Fahrzeuges, wenn überhaupt, Einfluß ausüben. Obwohl fahrerinitiiert, ist der Fahrer bei der Benutzung des ABS ganz auf dessen Technik angewiesen. Der Fahrer ist schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, jedes Fahrzeugteil im einzelnen zu beherrschen. Bereits aufgrund dieser Überlegungen stellt sich die Frage, ob nicht die Formulierung Beherrschen eines Fahrzeuges vielmehr im Sinne einer Kontrolle über die Fahrfunktionen und über die Betriebssicherheit auszulegen ist. Vergleicht man die französische und englische Fassung von Artt. 8 Abs. 5, 13 Abs. 1 WÜ, so zeigt sich, daß die streitige Wendung in der englischen Fassung in beiden Fällen mit „be able to control the vehicle“, während die französische in Art. 8 Abs. 5 WÜ mit „avoir le contrôle de son véhicule“, in Art. 13 Abs. 1 WÜ jedoch mit „maître de son véhicule“ ausgedrückt wird.66 Die Formulierung „to control“ bedeutet Einfluß haben, beherrschen, aber auch beaufsichtigen, kontrollieren, überwachen, leiten, dirigieren und lenken.67 „Contrôler“ wird in erster Linie mit beaufsichtigen, die Aufsicht führen, überwachen, überprüfen, kontrollieren, wird aber heute auch mit beherrschen übersetzt.68 In der Übersetzungsliteratur zum Zeitpunkt der Entstehung des WÜ findet sich hingegen die Übersetzung von „contrôler“ mit „beherrschen“ nicht.69 Dagegen ist „maîtriser“ vor allem im Sinne von beherrschen, die Herrschaft ausüben, lenken, bändigen, zähmen zu verstehen.70 Aus dieser Erkenntnis kann geschlossen werden, daß die Formulierung der Beherrschung des Fahrzeugs in Art. 8 Abs. 5 WÜ eher im Sinne von Kontrolle und Überprüfung der Fahrfunktionen i. S. einer Betriebssicherheitsprüfung zu verstehen ist. Diese Bedeutung paßt auch in den Zusammenhang mit Art. 8 Abs. 1 – 4 WÜ. In Art. 8 Abs. 1 WÜ wird gefordert, daß jedes Fahrzeug einen Führer haben muß. Art. 8 Abs. 2 WÜ fordert dieses auch für Zug- und Reittiere. In Art. 8 Abs. 3 und 4 wird gefordert, daß jeder Führer die erforderlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten sowie Kenntnisse zur Führung eines Kraftfahrzeugs haben muß. 66 Der Wortlaut des ersetzten Abkommens von 1949 ist in den entsprechenden Artikeln hierzu identisch: in der englischen Fassung heißt es in Art. 8 Abs. 5 Abk. 1949: „Drivers shall at all times be able to control their vehicles . . .“, im Art. 13 WÜ entsprechenden Art. 10 Abk. 1949: „The driver of a vehicle shall at all times have its speed under control . . .“; in der französischen Fassung heißt es in Art. 8 Abs. 5 Abk. 1949: „Les conducteurs doivent constamment avoir le contrôle de leur véhicule . . .“, in Art. 10 Abk. 1949: „Tout conducteur de véhicules doit rester constamment maître de sa vitesse . . .“. 67 Dietl / Lorenz, S. 171; Schöffler / Weis, S. 98. 68 Potonnier, S. 417; Weis, S. 214. 69 Vgl. Grappin, S. 183; Lange-Kowal, S. 161. 70 Potonnier, S. 1024; Weis, S. 569.

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Art. 8 Abs. 5 WÜ ist deshalb in diesem Sinne zu verstehen, daß der Fahrer sicherstellen muß, daß er das Fahrzeug auch wirklich ordnungsgemäß führen kann und die Funktionen des Fahrzeugs kontrolliert bzw. überwacht. Die dem Art. 8 Abs. 5 WÜ entsprechende Vorschrift stellt im deutschen Straßenverkehrsrecht § 23 StVO dar.71 Das Pendant zu § 23 StVO ist die für den Halter geltende Vorschrift des § 31 StVZO, der allerdings auch nur eine Verhaltensvorschrift beinhaltet und keine Bestimmung für die technischen Anforderungen an die Bauart des Fahrzeuges enthält. Dagegen ist Art. 13 WÜ dahingehend zu verstehen, daß der Fahrer das Fahrzeug in seiner Gewalt hat und zwar in dem Sinne, daß es nicht wegen zu hoher Geschwindigkeit ausbricht oder wegschleudert etc. Art. 13 Abs. 1 WÜ fordert die „Beherrschung“ des Fahrzeugs, „um den Sorgfaltspflichten genügen zu können und um ständig in der Lage zu sein, alle ihm obliegenden Fahrbewegungen auszuführen“. An dieser Formulierung ist zu erkennen, daß es sich bei der „Beherrschung“ des Fahrzeugs um eine Anforderung an den Fahrer handelt, sich mit den Eigenheiten des Fahrzeuges vertraut zu machen, damit er sich an die Verhaltensregeln halten kann, insbesondere an die Grundregel Art. 7 Abs. 1 WÜ72, den Verkehr weder zu behindern, noch Personen oder öffentliches oder privates Gut zu gefährden. Art. 13 Abs. 1 S. 1 WÜ beinhaltet als Obersatz Anforderungen hinsichtlich der Geschwindigkeitsanpassung. In Satz 2 wird im einzelnen aufgeführt, welche Umstände, z. B. örtliche Verhältnisse, Straßenzustand, Fahrzeugzustand etc. er bei der Wahl der Geschwindigkeit zu berücksichtigen hat. Mit „Beherrschung“ des Fahrzeugs ist das Kontrollieren des Fahrzeugverhaltens gemeint. Der Fahrer soll nicht durch zu hohe Geschwindigkeit in einzelnen Situationen, z. B. in einer scharfen Kurve, bei Glatteis, bei Nebel oder Dunkelheit etc., in die Situation kommen, daß er das Fahrzeug nicht mehr in der Spur halten oder nicht mehr rechtzeitig bremsen kann. Demgemäß wird in Art. 13 Abs. 1 S. 2 WÜ auch verlangt, daß sich der Fahrer nicht nur auf die örtlichen Verhältnisse, die Straßen- und Witterungsverhältnisse, sondern auch auf die Beladung und den Zustand seines Fahrzeugs einstellen muß. Gerade hieraus ergibt sich eindeutig die Abhängigkeit der Verhaltenspflicht von der Bauart bzw. von dem Zustand des Fahrzeuges und es zeigt sich deutlich, daß der Zustand des Fahrzeuges den Verhaltenspflichten vorgeht, weil entweder dieser Zustand gar nicht zulässig ist oder aber der Fahrer sich darauf einstellen muß. Der Fahrer muß sich daher auch auf die Begrenztheit des Fahrzeugverhaltens einstellen und seine Geschwindigkeit der Situation und dem Fahrzeug71 Eine Auslegung in dieser Weise entspricht auch das wegen des verbotenen Rückgriffs auf innerstaatliches Recht bei multilateralen Verträgen hierfür irrelevante Verständnis des wortgleichen Art. 8 Abs. 5 Abkommen 1949; so hat Müller, 21. Aufl., S. 1194, Anm. Nr. 1 zu Art. 8 die Entsprechung des Art. 8 Abs. 5 im deutschen Recht in § 31 Abs. 1 S. 1 StVZO sowie § 7 Abs. 1 S. 1 StVO, die damals wortgleich waren, gesehen; der damalige § 7 Abs. 1 S. 1 StVO ist durch § 23 StVO ersetzt worden, § 31 Abs. 1 S. 1 StVZO ist ohne inhaltliche Änderung lediglich sprachlich geändert worden, vgl. zur Änderung von § 31 StVZO Hentschel, § 31 StVZO, Rnrn. 1 ff. 72 Im deutschen Straßenverkehrsrecht § 1 StVO.

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verhalten in dieser Situation, z. B. bei Glatteis, anpassen. Dies bedeutet aber nicht, daß das Fahrzeug nicht zugelassen werden darf, weil es bei Glatteis in Verbindung mit zu hoher Geschwindigkeit für den Fahrer nicht mehr „beherrschbar“ i. S. v. kontrollierbar ist. Richtigerweise wird deshalb auch gefordert, daß sich der Fahrer auf die neuen technischen Möglichkeiten und demgemäß auch auf eine fehlende Übersteuerbarkeit seines Fahrzeugs im Rahmen seiner Verhaltenspflichten einstellen muß.73 Soweit auch eingewendet wird, daß der Fahrer sein Fahrzeug übersteuern können muß, z. B. im Fall eines nicht-übersteuerbaren ISA-Systems beschleunigen können muß, um Gefahrensituationen zu bewältigen74, so ist neben dem Einwand, daß der Fahrer sich auf diesen Umstand einstellen muß zusätzlich einzuwenden, daß es sich ausschließlich um eine Frage der Zulassung handelt und damit um die Frage, ob das Fahrzeug in dieser technischen Ausführung mit den Zulassungsvorschriften zu vereinbaren ist, bzw. eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer i. S. d. § 30 StVZO darstellt75.

3. Auslegung im Lichte des Vertragszwecks Diese Vertragsauslegung widerspricht auch nicht dem Vertragszweck des WÜ. Dieser ist zu Beginn des Vertragstextes genannt: „In dem Wunsch, den internationalen Straßenverkehr zu erleichtern und die Sicherheit auf den Straßen durch die Annahme einheitlicher Vekehrsregeln zu erhöhen, ( . . . )“.76 Daß die Formulierung „einheitlicher Verkehrsregeln“ nicht nur die in Kapitel II genannten „Verkehrsregeln“, sondern alle im Vertrag geregelten Bereiche des Verkehrs und damit auch das Zulassungsrecht meint, zeigt zum einen die Stellung des Vertragszwecks zu Beginn des Vertrages, noch vor Kapitel I, zum anderen die Formulierungen in der englischen und französischen Fassung: Die Formulierung „traffic rules“ bzw. „règles de circulation“ unterscheiden sich von den Formulierungen in der Überschrift zu Kapitel II, in der es heißt: „Rules of the Road“ bzw. „Règles applicables à la circulation routière“. Es widerspricht daher nicht dem Vertragszweck, wenn die 73 So richtigerweise Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549: „Bei einer externen Geschwindigkeitsabregelung hat der Fahrer allerdings von Anfang an einzukalkulieren, daß er die abgeregelte Geschwindigkeit nicht überschreiten kann, so daß sein Einwand, er hätte die Gefahrensituation durch Beschleunigen beseitigen können, ins Leere geht, vgl. auch § 3 Abs. 1 S. 2 StVO“, leider ohne Konsequenz für die Ausführungen zum WÜ. 74 Dogmatisch richtig bei der Frage der nationalen Zulassungsvorschriften wird dieser Einwand eingebracht bei Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 43 f.; Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 15, S. 56 und Ausführungen dazu S. 63 ff. 75 § 30 StVZO stellt die zu §§ 32 – 62 StVZO subsidiäre Bau- und Betriebsvorschrift für die Beschaffenheit von Fahrzeugen dar, Dvorak, DAR 1984, S. 313; Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 7; Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 1; BayObLG, VRS 61, S. 133. 76 Englische Fassung: „Desiring to facilitate international road traffic and to increase road safety through the adoption of uniform traffic rules, ( . . . )“; französische Fassung: „Désireuses de faciliter la circulation routière internationale et d’accroître la sécurité sur les routes grâce à l’adoption de règles uniformes de circulation, ( . . . )“.

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

Verkehrssicherheit durch einen besseren technischen Fortschritt und damit durch neue Zulassungsregeln erreicht wird. Ein möglicher Einwand in der Art, daß die Verkehrssicherheit nur durch Schaffung einheitlicher Regelungen und nicht etwa auch durch neuen technischen Fortschritt erreicht werden sollte, wäre eine zu spitzfindige Auslegung, die weder Treu und Glauben, noch dem realen Willen der Vertragsparteien entsprechen dürfte. Auch der Schluß, daß diese einheitlichen Regelungen einen technischen Fortschritt, der zur Erhöhung der Verkehrssicherheit führt, verhindern wollen, kann nicht gezogen werden. Soweit systeminitiierte, nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen, wäre eine Nichtzulassung aufgrund von Verhaltensvorschriften daher eine Auslegung, die dem Vertragszweck und -ziel widersprechen würde.

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge Die Frage, ob ein Fahrzeug mit oben beschriebenen Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr zugelassen werden darf, richtet sich nach den Bestimmungen der StVZO. Gemäß § 18 StVZO dürfen Kraftfahrzeuge mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von mehr als 6 km / h und ihre Anhänger auf öffentlichen Straßen nur dann in Betrieb gesetzt werden, wenn sie durch Erteilung einer Betriebserlaubnis oder einer EG-Typgenehmigung sowie durch Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens zum Verkehr zugelassen sind. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis ergeben sich aus § 19 StVZO. Sie ist zu erteilen, wenn das Fahrzeug den Bestimmungen der StVZO, deren Ausführungsbestimmungen und den Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 3821 / 85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr77 entspricht. Die einzuhaltenden Vorschriften der StVZO sind die §§ 32 – 62 StVZO über Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie die allgemeinen Vorschriften für alle Kraftfahrzeuge, §§ 30, 31 StVZO.78 Gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 StVZO ist auch dann eine Betriebserlaubnis zu erteilen, wenn die Bestimmungen der in Nr. 1 – 3 genannten EG-Richtlinien eingehalten worden sind. Gemäß § 19 Abs. 1 S. 5 StVZO geht die Richtlinie den nationalen Bestimmungen vor, wenn deren verbindliche Anwendung in der Einzelrichtlinie vorgeschrieben ist. Für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger sind gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StVZO die Vorschriften im Anhang IV der Richtlinie 92 / 53 EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Änderung der Richtlinie 70 / 156 EWG maßgeblich. Sind sämtliche Voraussetzungen erfüllt, hat der Eigentümer des Fahrzeuges gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 StVZO einen Rechtsanspruch.79 77 78 79

ABl. EG Nr. L 370, S. 8. Hentschel, § 19 StVZO, Rnr. 3. Hentschel, § 19 StVZO, Rnr. 4.

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge

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I. Nationale Zulassungsbestimmungen Eine Betriebserlaubnis wird entweder als Allgemeine Betriebserlaubnis für alle Typen (ABE) gemäß § 20 StVZO, als Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge gemäß § 21 StVZO oder als Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile gemäß § 22 StVZO erteilt. Davon zu unterscheiden ist eine Bauartgenehmigung für Fahrzeugteile gemäß § 22 a StVZO. § 22 a StVZO i. V. m. der Fahrzeugteileverordnung schreiben vor, die aufgeführten Einrichtungen in amtlich genehmigter Bauart auszuführen. Die Zulassung wird versagt, wenn andere Teile verwendet werden.80 Oben beschriebene Fahrerassistenzsysteme gehören nicht dazu.

1. Erteilung und Erlöschen einer Betriebserlaubnis Die ABE wird für Fahrzeugtypen erteilt. Der Hersteller, der im Besitz einer ABE ist, hat für jedes Fahrzeug, das diesem Typ entspricht, innerhalb der Gültigkeit der ABE einen Fahrzeugbrief auszufertigen und die Richtigkeit der Angaben zu bescheinigen, § 20 Abs. 3 StVZO. Die Betriebserlaubnis erlischt entweder kraft Gesetzes gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 3 StVZO oder durch Erlaubnisentzug gemäß § 17 StVZO. Die Verwaltungsbehörde kann gemäß § 17 StVZO die Zulassung entziehen, wenn sich das Fahrzeug – nach den §§ 30 – 62 StVZO – als nicht vorschriftsmäßig erweist. Die Betriebserlaubnis erlischt kraft Gesetzes, insbesondere gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Allerdings gilt dies nicht, wenn diese Änderungen gemäß § 19 Abs. 3 StVZO entweder durch eine Betriebserlaubnis nach §§ 20, 21, 22, 22 a StVZO oder durch eine Genehmigung nach Gemeinschaftsrecht genehmigt sind oder wenn ein Gutachten eines technischen Dienstes über die Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeuges vorliegt. Sofern daher Typenfahrzeuge mit Fahrerassistenzsystemen versehen werden, bei denen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist und keine Genehmigung oder ein solches Gutachten vorliegt, erlischt die Betriebserlaubnis und muß durch eine Betriebserlaubnis für Einzelfahrzeuge gemäß § 21 StVZO wiedererlangt werden, vgl. § 19 Abs. 3 Nr. 1 b) StVZO. Hinsichtlich der Gefährdung der Verkehrsteilnehmer i. S. d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO, reicht die bloße Möglichkeit einer Gefährdung nicht aus, sondern diese muß vielmehr zu erwarten sein, was allerdings weniger als eine konkrete Gefährdung voraussetzt, sondern vielmehr ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit.81 Hentschel, § 22 a StVZO, Rnr. 19. Hentschel, § 19 StVZO, Rnr. 8; Hentschel, NJW 1995, S. 672; Janiszewski, NStZ 1995, S. 583, 587; OLG Düss, NZV 1995, S. 329; OLG Düss, NZV 1996, S. 249; OLG Düss, VM 1997, S. 21; OLG Köln, NZV 1997, S. 283, 284. 80 81

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Änderung Fahrzeugteile betrifft, die für die Verkehrssicherheit von besonderer Bedeutung sind.82

2. Generalregel für die Beschaffenheit eines Fahrzeuges Für die Zulassung eines Fahrzeuges mit Fahrerassistenzsystem ist vor allem § 30 StVZO maßgeblich. Gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 StVZO muß ein Fahrzeug so gebaut sein, daß der verkehrsübliche Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt. Ferner muß gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 2 StVZO sichergestellt werden, daß die Insassen insbesondere bei Unfällen vor Verletzungen möglichst geschützt sind und das Ausmaß sowie die Folgen von Verletzungen möglichst gering bleiben. § 30 StVZO gewährleistet die Verkehrssicherheit und stellt somit eine Generalregel für die Beschaffenheit eines Fahrzeuges dar.83 Die Bestimmungen der §§ 32 – 62 StVZO gehen § 30 StVZO als leges specialis vor.84 Damit richtet sich die Vorschrift vor allem an die Hersteller.85 Als Teil des Sicherheitsrechts86 normiert § 30 StVZO eine abstrakte Gefahr.87 Zweck des § 30 StVZO ist es, im Vorfeld alle möglicherweise auftretenden Gefahren auszuschalten. Ein verkehrsüblicher Betrieb liegt vor, wenn der Gebrauch des Fahrzeuges seiner allgemein gebräuchlichen Verwendungsart angepaßt ist.88 Die Bauart bzw. Ausrüstung darf nicht zu einer Schädigung anderer Personen führen. Die Einschränkung „mehr als unvermeidbar“ fehlt, so daß Fahrzeugkonstruktionen verboten sind, wenn allein durch den Betrieb des Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen abstrakt mit einem Schaden anderer sicher zu rechnen ist.89

a) Fahrerverhalten § 30 StVZO stellt Anforderungen an die Beschaffenheit des Fahrzeuges und nicht an die Verhaltenspflichten des Fahrzeugführers.90 Die Vorschrift stellt somit Hentschel, § 19 StVZO, Rnr. 8. Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 2. 84 Dvorak, DAR 1984, S. 313; Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 7; Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 1; BayObLG VRS 61, S. 133. 85 Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 8. 86 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 95. 87 Dvorak, DAR 1984, S. 313, 314; Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 1; Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 7; OLG Düss, VRS 74, S. 294; OLG Düss, VRS 90, S. 200, 203; OLG Hamm, VRS 59, S. 296, 298; OLG Hamm, VRS 48, S. 156, 157; BayObLG, VM 1967, S. 74. 88 Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 4; Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 9. 89 Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 10. 90 BGH, VRS 12, S. 231, 232; OLG Düss, VRS 74, S. 294. 82 83

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge

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das Pendant zu den Verhaltenspflichten des Fahrers gemäß § 1 StVO dar.91 Für die Einhaltung dieser baulichen Anforderungen ist gemäß § 31 StVZO der Halter bzw. gemäß § 23 StVO der Fahrer verantwortlich. Wie die Verhaltenspflichten des Fahrers von der Technik des Fahrzeugs abhängen, kann auch die Bauart und Ausrüstung des Fahrzeugs nicht fahrerunabhängig bestimmt werden. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 30 StVZO, in dem auf den verkehrsüblichen Betrieb abgestellt wird. Dieser meint den Gebrauch des Fahrzeugs in seiner allgemein gebräuchlichen Verwendungsart.92 Eine falsche Verwendung kann nicht darunter fallen, denn durch eine falsche Bedienung des Fahrzeuges ergibt sich häufig eine Gefährdung für andere Personen. § 30 StVZO läßt deshalb grundsätzlich ein Fehlverhalten des Fahrers außer Betracht. Wäre dies anders, so dürfte kein Fahrzeug zugelassen werden, denn gerade zu hohe Geschwindigkeiten oder sonstiges verkehrswidriges Verhalten ist Ursache der meisten Unfälle. Deshalb kommen grundsätzlich nur Gefährdungen durch eine ordnungsgemäße Bedienung des Fahrers in Betracht. Zu Gefährdungen kommt es andererseits nur in Verbindung mit einem bestimmten Verhalten des Fahrers, auch wenn dieses lediglich darin besteht, daß er das Fahrzeug fährt. Deshalb müssen solche Gefährdungen berücksichtigt werden, die durch ein Fahrerverhalten entstehen, ohne daß dem Fahrer ein Verschulden anzulasten ist. Erfordert die Benutzung eines Fahrerassistenzsystems demnach ein Fahrverhalten, das die kognitiven oder manuellen Fähigkeiten eines durchschnittlichen Fahrers überschreitet93, so muß dies berücksichtigt werden und kann dazu führen, daß das System nicht zugelassen wird.94 Davon betroffen sind vor allem Systeme, die ein spezielles Display benötigen, welches den Fahrer von dem Verkehrsgeschehen ablenkt.95 Aber auch die Konstruktion und Anordnung von anderen Bedienungselementen ist möglichst einfach zu gestalten. Solchen Gefahren vorzubeugen, dient eine Empfehlung der Europäischen Kommission zu Grundsätzen der Mensch-Maschine-Schnittstelle für Fahrzeuginformations- und Kommunikationssysteme mit einer Aufforderung zur Selbstverpflichtung der Hersteller.96 Kuckuk / Werny, § 30 StVZO, Rnr. 1. Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 4; Rüth / Berr / Berz, § 30 StVZO, Rnr. 9. 93 Vom Fahrer kann kein Verhalten gefordert werden, das die Leistungsfähigkeit seiner Sinne überschreitet, vgl. unten [§ 3, A. II. 1. a)]. 94 § 38 Abs. 1 StVZO verlangt: „Die Lenkeinrichtung muß leichtes und sicheres Lenken des Fahrzeugs gewährleisten; sie ist, wenn nötig, mit einer Lenkhilfe zu versehen“; die Richtlinie ECE-R-79 zu Lenkeinrichtungen verlangt in 5. 1. 1., daß die Lenkanlage die einfache, sichere Handhabung des Fahrzeugs bis zu seiner bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit gewährleisten muß; die Richtlinie gilt als gleichwertig zu § 38 StVZO. 95 Zur Ablenkung von Displays: Miura / Shinohara, ZVS 2000, S. 4 ff.; kritisch zu dessen Umsetzung: Hagemeister / Kettler, NZV 2002, S. 841 ff.; zu Bedienungskriterien von Fahrerassistenzsystemen: Landau, ZfAW 3 / 2000, S. 28 ff. 96 Empfehlung der Kommission vom 21. 12. 1999 an die Mitgliedstaaten und die Industrie über sichere und effiziente On-Board-Informations- und Kommunikationssysteme: Europäi91 92

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

Im Zusammenhang mit der nötigen Aufmerksamkeit des Fahrers bei der Bedienung von Fahrerassistenzsystemen haben Fahrertests allerdings gezeigt, daß es keinen signifikanten Unterschied bei der Reaktion des Fahrers hinsichtlich der Fahrzeugübersteuerung und der Bremsung macht, ob der Fahrer das Verkehrsgeschehen beobachtet oder ob er nebenher mit Bürotätigkeiten oder anderen intellektuell stimulierenden Aufgaben beschäftigt ist.97 b) Abstrakte Gefahr Durch die Bauart und Ausrüstung des Fahrzeuges darf kein anderer mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt werden. Eine abstrakte Gefahr liegt vor, wenn eine ex ante Betrachtung dazu führt, daß beim Eintritt bestimmter Zustände oder Verhaltensweisen regelmäßig aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung oder naturwissenschaftlicher Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einem Schadenseintritt zu rechnen ist.98 aa) Gefahreneinschätzung Im Rahmen der Gefahreneinschätzung sind grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung und das Schadensausmaß zu beachten, wobei die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts um so geringer sein darf, je höher sich das Schadensausmaß darstellen wird.99 Da bei Verkehrsunfällen das Ausmaß eines möglichen Schadens, nämlich Tod von Verkehrsteilnehmern, sehr hoch sein kann, ist eine Gefahr bereits bei geringer Eintrittswahrscheinlichkeit anzunehmen.100 Aufgrund der technischen Grenzen, die Fahrerassistenzsysteme bei der Erkennung und Bewertung von Verkehrssituationen derzeit (noch) haben, liegt das Risiko darin, daß das Fahrerassistenzsystem in einzelnen Verkehrssituationen entweder gar nicht oder in falscher Weise warnt oder interveniert. Eine gewisse Eintrittswahrscheinlichkeit ist daher anzunehmen, wenn gefährliche Verkehrssituationen denkbar sind. Eine abstrakte Gefährdung wird wegen der technischen Defizite bei nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen mit Eingriffen in die Längs- bzw. Querführung angenommen.101 Eine Gefahr ist aber nicht automatisch bei jedem nicht-überscher Grundsatzkatalog zur Mensch-Maschine-Schnittstelle, ABl. EG L 19 / 64 (2000), VerkBl. 2000, Heft 7, S. 119 ff. 97 Reichardt, S. 4 ff., www.dirk-reichardt.com. 98 Brandt / Smeddinck, Jura 1994, S. 225; Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 233, 459 f.; Schmidt-Aßmann, 2. Kapitel, Rnr. 84. 99 BVerfG, NJW 1979, S. 359, 362 – Kalkar; Drews / Wacke / Vogel / Martens, S. 496; Bender / Sparwasser / Engel, § 7, Rnr. 206. 100 Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 41, 43; Feldges / Brandenburg, Response, S. 64. 101 Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 43; Feldges / Brandenburg, Response, S. 66.

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge

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steuerbaren Fahrerassistenzsystem anzunehmen, sondern nur bei solchen, bei denen die Technik des Systems zur gefahrlosen Verkehrsbewältigung nicht ausreicht.102 Bei übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen liegt deshalb eine abstrakte Gefahr nicht vor, wenn der Fahrer durch sein Verhalten die Möglichkeit hat, potentiell gefährliche Verkehrssituationen zu vermeiden.

bb) Übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme Die oben beschriebenen übersteuerbaren Systeme sind vor allem deshalb übersteuerbar, um technische Defizite auszugleichen. Können diese Systeme allerdings in der konkreten Situation praktisch nicht übersteuert werden, führt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Unfall und stellt daher eine abstrakte Gefahr dar. Die folgenden Beispiele zeigen Gefahren aufgrund technischer Systemgrenzen und die Erforderlichkeit der Übersteuerung auf. Fallbeispiel 1103 F1 fährt mit ACC auf einer Autobahn. Das ACC erfaßt als Ziel in einer Kurve fälschlicherweise statt eines Fahrzeuges die Autobahnleitplanke und bremst ab. Die Bremsung ist allerdings nicht stark und jederzeit übersteuerbar. Es entsteht keine über das normale Risiko des Straßenverkehrs hinausgehende Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer. Fallbeispiel 2104 F1 fährt mit radarbasiertem Spurführungssystems im Nebel. Das System erkennt die Spur nicht richtig und lenkt in die falsche Richtung. Sobald das System anfängt, falsch zu lenken, kann F1 gegensteuern. Da er den Nebel allerdings erkennen kann, kann er sich auf dieses technische Defizit einstellen. Es besteht keine abstrakte Gefahr.

Es zeigt sich, daß eine Gefahr dann nicht besteht, wenn der Fahrer den Verkehr trotz Fahrerassistenzsysteme aufmerksam beobachtet und wenn er die Übersteuerungsfunktion bedienen kann. Das bedeutet, daß die Übersteuerungsfunktion für jeden verständlich und handhabbar sein muß.

cc) Nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme Bei nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen sind Risiken nur beachtlich, soweit sie auch bei fehlerfreier Funktion bestehen. Es wird daher davon ausgegangen, daß alle Systemfunktionen auch technisch fehlerfrei funktionieren, d. h. die Sensoren z. B. nicht kaputt und nicht verschmutzt sind, die Elektronik nicht ausgefallen ist etc. 102 Die bei Einführung des ABS damals gegebene Möglichkeit, das System abzuschalten, ist mittlerweile weggefallen, obwohl in Einzelfällen ein Bremsvorgang ohne ABS besser wäre, vgl. dazu unten [§ 3 A. II. 3. a) bb) (1)]. 103 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 8, S. 21. 104 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 13, S. 23.

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

(1) Notbremssystem Das Notbremssystem kann vor einem Bremsvorgang, der durch eine Warnung angezeigt wird, abgeschaltet werden. Es ist lediglich während des Bremsvorganges nicht zu übersteuern. Bei intendierter Anwendung ist kein Risiko denkbar, das über das normale Risiko bei Teilnahme am Straßenverkehr hinausgeht. Das System bremst in den Fällen, in denen der Fahrer auch bremsen müßte. Die Gefahr, daß sich ein Fahrer in eine Situation hineinmanövriert, in der das Notbremssystem eingreift und aufgrund der Bremsung ein anderes Fahrzeug aufprallt, ist nicht in der mangelnden Übersteuerbarkeit, sondern im Fahrverhalten begründet. Die fehlende Übersteuerbarkeit des Notbremssystems stellt daher keine abstrakte Gefahr dar und ist daher grundsätzlich zuzulassen. (2) Intelligente Geschwindigkeitsanpassung Das abstrakte Gefährdungspotential bei ISA-Systemen liegt darin, daß der Fahrer zu der Einhaltung einer Regelung genötigt ist, die ebenfalls nur aufgrund einer abstrakten Gefahr besteht. Wenn aber keine konkrete Gefahr vorliegt, kann die Einhaltung dieser Regel im Einzelfall Gefahren verursachen. Es ist nämlich denkbar, daß der Fahrer schneller als 30 km / h fahren muß, weil ein Notfall vorliegt, z. B. bei Krankentransporten oder Polizeieinsätzen. Der Fall, daß ein Fahrer Gas geben muß, um einer Gefahrensituation zu entgehen ist denkbar, wobei diese Situationen in aller Regel bei vorausschauendem Fahren durch vorheriges Bremsen verhindert werden können. (a) Gefahrensituationen In folgenden Fallbeispielen liegen Gefahrensituationen vor. Fallbeispiel 3105 F1 fährt in einer durch ISA überwachten Zone 30 (bzw. 50 oder 70) mit höchst möglicher Geschwindigkeit. Er fährt in eine Kreuzung ein. Von rechts fährt F2 ebenfalls in die Kreuzung ein. F1 hat jedoch Vorfahrt. F2 beachtet die Vorfahrt nicht. F1 könnte eine Kollision nur durch Beschleunigen verhindern.

Auch auf Autobahnen sind Verkehrssituationen denkbar, in denen der Fahrer nur durch Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit einen Unfall vermeiden kann. Fallbeispiel 4 F1 fährt auf der linken Spur einer durch ISA überwachten geschwindigkeitsbeschränkten Autobahn hinter F2 und neben dem LKW F3. F3 schert von der rechten in die linke Spur ein. F1 kann einem Zusammenstoß nur durch Beschleunigung verhindern. Diese Möglichkeit ist durch das ISA-System aber nicht gegeben. 105

Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 15, S. 56.

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In beiden Fällen ist es F1 nicht möglich, die Sorgfaltspflichtverletzung des F2 bzw. F3 auszugleichen. Es entstehen daher Gefahren für Leib und Leben bei F1 und F2 und ggf. auch bei dritten Verkehrsteilnehmern. (b) Anwendbarkeit des § 30 StVZO Es fragt sich jedoch, ob aufgrund dieser Gefahren die intelligente Geschwindigkeitsregelung versagt werden kann. Die Gefahren entstammen zwar dem verkehrsüblichen Betrieb des Fahrzeuges, aber nicht unmittelbar der Bauweise und Ausrüstung des Fahrzeuges. Diese Kausalität ist aber erforderlich.106 Die Abregelung der Geschwindigkeit, die allein Ursache der aufgezeigten Gefahren ist, passiert von außen, durch staatliche Maßnahmen. Daher ist § 30 StVZO für diese Fälle nicht anwendbar. Gleiches gilt für mögliche Notfallsituationen, in denen das System ein Risiko beinhaltet. Gefährdet werden die Personen in dem Notfallfahrzeug oder diejenigen zu denen das Notfallfahrzeug unterwegs ist. Deren Gefährdung ergibt sich nicht aus der Bauweise und Ausrüstung des Fahrzeugs. Das abgeregelte Notfallfahrzeug schafft durch die begrenzte Fahrweise keinen eigenständigen Kausalverlauf zur vorhandenen Gefährdung bzw. Schädigung der im Fahrzeug befindlichen Person oder der zu erreichenden Person. Für die Zulassung einer intelligenten Geschwindigkeitsregelung ist § 30 StVZO nicht anwendbar. Die intelligente Geschwindigkeitsregelung kann aufgrund des StVG eingeführt werden. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 StVG. In diesem Rahmen müssen Grundrechte der Bürger, bei den in Fallbeispiel 1 und 2 aufgezeigten Gefahren Art. 2 Abs. 2 GG beachtet werden. Dabei ist auch eine Abwägung von Nutzen und Risiken vorzunehmen. Inwieweit eine solche Abwägung im Zulassungsrecht Bedeutung erlangt, wird im folgenden ausgeführt.

c) Risiko-Nutzen-Abwägung Ein neues Fahrzeugsystem kann zwar einerseits zu einer höheren Verkehrssicherheit führen, andererseits trotzdem auch in bestimmten Verkehrssituationen zu Unfällen führen. Dies wird daran offensichtlich, daß z. B. Sicherheitsgurte und ABS zugelassen werden, obwohl sie im Einzelfall zu höheren Schäden führen können.107 Daher fragt sich, ob und unter welchen Umständen Gefahrensituationen akzeptiert werden, um andere Gefahren zu verhindern. Das führt zu der Frage, inwieweit § 30 StVZO eine Risiko-Nutzen-Analyse zuläßt. Mit Risiko-Nutzen-Abwägung ist keine betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse gemeint, sondern Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 2. Das ABS bewirkt im Einzelfall einen längeren Bremsweg; vgl. auch OLG Dresden, DAR 2001, S. 318. 106 107

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die Abwägung, wie hoch die Restrisiken im Vergleich zu einer höheren Gebrauchssicherheit sind, wie es das BVerfG in der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Gurtpflicht getan hat.108 Eine Risiko-Nutzen-Abwägung wird zwar vor allem im Rahmen der Freisetzungsentscheidungen im Gentechnikrecht und im Arzneimittelrecht diskutiert.109 Die Einbeziehung einer Risiko-Nutzen-Abwägung in die Prüfung zum Vorliegen einer abstrakten Gefahr im Rahmen des § 30 StVZO ist abgeleht worden.110 Begründet wird dies damit, daß es sich im Straßenverkehrszulassungsrecht um eine herkömmliche Gefahrenabwehrentscheidung und nicht um eine Risikovorsorge handelt.111 Diese formale Begründung hält aber einer näheren Untersuchung nicht stand. Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge ist schon deshalb nicht sinnvoll, da Gefahr und Risiko von denselben Parametern, der Eintrittswahrscheinlichkeit und des Schadensausmaßes, abhängen.112 Der Unterschied zwischen Gefahrenbegriff und Risikobegriff im Rahmen des Vorsorgeprinzips unterscheiden sich nämlich lediglich im Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit, so daß im Atomrecht aufgrund seines besonderen Schadenspotentials auch eine Eingriffsmöglichkeit in Fällen, in denen nach dem herkömmlichen Wahrscheinlichkeitsurteil des Gefahrenbegriffs eine Eintrittswahrscheinlichkeit gegen Null geht, möglich sein soll.113 Der Begriff der Gefahr umfaßt daher Risiken, die eine rechtlich nicht mehr hinzunehmende „Relevanzschwelle“ überschreiten.114 Allerdings sind unterschiedliche Sachbereiche betroffen. Eine Risikovorsorge wird in Bereichen diskutiert, in denen aufgrund von kognitiven Defiziten ein Wahrscheinlichkeitsurteil, wie es der herkömmliche Gefahrenbegriff fordert, nicht möglich ist.115 Basierend auf diesem Argument wird die Risiko-Nutzen-Abwägung Vgl. BVerfG, NJW 1987, S. 180. Bender / Sparwasser / Engel, § 7, Rnrn. 201 ff.; Di Fabio, S. 91, 126 ff., 178 ff., 216 ff.; Feldhaus, DVBl. 1981, 165, 169 f.; Kloepfer, § 14, Rnr. 73, S. 954; Lukes, DVBl. 1990, S. 273, 277; Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 162. 110 Feldges / Brandenburg, Response, S. 64 f.; Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 41, mit Verweis auf Di Fabio, S. 91, 127, der richtigerweise den Unterschied zwischen traditionellem Wahrscheinlichkeitsurteil und Gefahrenprognose in kognitiven Defiziten bei der Bewertung von Sachverhalten, bei denen eine Gefahrenprognose erforderlich ist, sieht; dabei wird aber keine Wertung abgegeben, ob die neue Technik im Kraftfahrzeugbereich auch in Bereiche gelangt, in denen kognitive Defizite bestehen. 111 Anders aber Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 41, 42; Feldges / Brandenburg, Response, S. 64. 112 Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 163 mit Hinweis darauf, daß mit dem Vorsorgebegriff gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG ursprünglich Gefahrenabwehr im herkömmlichen Sinne gemeint war und der Begriff der Risikovorsorge erst später entstanden ist; Tünnesen-Harmes, S. 51, 65. 113 Franzius, S. 80 ff.; Hermes, S. 83 ff.; Kloepfer, S. 89; Ossenbühl, NVwZ 1986, S. 161, 163; BVerfG, NJW 1979, S. 359, 362 – Kalkar. 114 Hermes, S. 86, 139. 115 Di Fabio, S. 91; Kloepfer, S. 88 f. 108 109

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im Gefahrenbegriff des § 30 StVZO abgeleht, weil im Rahmen des Kfz-Zulassungsrechts die Bewertung eines Wahrscheinlichkeitsurteils bzgl. einer Gefährdung insbesondere durch Testfahrten und Computersimulationen möglich, wenn auch aufwendig sei.116 Indes ist zu unterscheiden zwischen dem Vorsorgebegriff und einer Genehmigungsentscheidung mit Hilfe einer Risiko-Nutzen-Abwägung. Beide sind unabhängig zu betrachten. Der Vorsorgebegriff des Atomrechts ist bezogen auf den herkömmlichen Gefahrenbegriff, der Vorsorgebegriff des Immissionsschutzrechts in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BimSchG verlangt darüberhinaus auch Vorsorge gegen mögliche Emissionen.117 Beide Vorsorgebegriffe sind auf einen Zweck (Nutzen), nämlich die Verhinderung bzw. Minderung von Gefahren oder in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG möglicher Emissionen bezogen. Dagegen werden im Rahmen von Genehmigungsentscheidungen verschiedene Zwecke (Nutzen) gegen mögliche Gefahren abgewogen. Es geht dabei nicht nur um eine Gefahrenabwehr, sondern um eine Zukunftsgestaltung. Bei einer solchen Gestaltung geht es aber auch darum, welche neuen Möglichkeiten für eine bessere Zukunft (höhere Gesundheit, Energieversorgung, etc.) das Produkt birgt. Eine weitere Untersuchung wird zeigen, daß auch dem Straßenverkehrszulassungsrecht eine Risiko-Nutzen-Abwägung inbegriffen ist, ohne daß, anders als § 16 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 GenTG, das Gesetz der Kfz-Zulassungsbehörde eine solche explizit auferlegt. aa) Risiko-Nutzen-Abwägung im Kfz-Zulassungsrecht Eine Risiko-Nutzen-Abwägung im Rahmen von Freisetzungsentscheidungen gibt der Behörde Kriterien zur Rechtsgüterabwägung an die Hand, um die Schadensverdachtskriterien zur Bewertung einer Eintrittswahrscheinlichkeit zu begrenzen und vor allem zu rationalisieren. 118 Die Verbindung einer Risiko-Nutzen-Abwägung mit der Sicherheitsprognose führt nicht zu einer Absenkung des Sicherheitsniveaus, sondern ist lediglich ein Versuch, der Behörde Abwägungskriterien zur Rationalisierung von Schadensverdachtskriterien an die Hand zu geben.119 Um nicht zu einem nahezu vollständigen Technikverbot zu gelangen, ist immer auch ein gewisses Risiko, bezeichnet als Restrisiko, hinzunehmen, weil es nach dem „Maßstab der praktischen Vernunft“ zu unwahrscheinlich ist.120 Der Nutzen eines Vorhabens wird aber nicht nur in der Zulassungsentscheidung des GenTG und AMG berücksichtigt, sondern ist auch der Bauartbestimmung in § 30 StVZO inbegriffen. 116 117 118 119 120

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Feldges / Brandenburg, MoTiV, S. 41 f.; Feldges / Brandenburg, Response, S. 64. Ausführlich, Di Fabio, S. 65 ff., 88; Kloepfer, S. 88 ff. Di Fabio, S. 127. Di Fabio, S. 127. Kloepfer, S. 91.

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(1) Nutzenabwägung bei Zulassungsentscheidungen Anders als bei einer reinen Gefahrenabwehrregelung geht es bei einer Zulassung über eine bloße Schadensorientierung hinaus auch um die Frage, einen oder mehrere Nutzen einer Sache der Gesellschaft zugänglich zu machen. Im Rahmen der Arzneimittelzulassung werden gemäß §§ 3, 22 Abs. 1 Nr. 3 AMG Arzneimittel zugelassen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine schädliche Wirkung haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretberes Maß hinausgehen. Hier wird im Hinblick auf einen Nutzen, ein gewisses Risiko bzw. eine mögliche Gefahr hingenommen, weil sie diesbezüglich vertretbar ist. „Vertretbar“ i. S. d. § 5 AMG sind schädliche Wirkungen dann, wenn ihnen ein überwiegender therapeutischer Nutzen gegenübersteht.121 Auch im Kfz-Zulassungsrecht werden vertretbare Restrisiken hingenommen. § 30 StVZO setzt keine konkrete Gefahr voraus.122 Schon allein die Formulierung des § 30 Abs. 1 StVZO: „Fahrzeuge müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt ( . . . )“, zeigt, daß ein Restrisiko erlaubt ist. Untersagt werden kann nur eine Bauart oder Ausrüstung, die das verkehrsübliche Risiko über das zulässige Maß hinaus steigert.123 (2) Risiko-Nutzen-Analyse als Erfordernis der Sicherheitsgewährleistung gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Eine Berücksichtigung von Risiken im Rahmen einer Abwägung im Zulassungsrecht ist auch deshalb erforderlich, weil die Zulassungsbehörde ansonsten gegen ihre Pflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstoßen würde. Die Regulierung des Straßenverkehrs durch Zulassungsvorschriften und Verhaltensvorschriften entspricht der aus Art. 2 Abs. 2 GG stammenden staatlichen Schutzpflicht der Sicherheitsgewährleistung.124 Diese folgt aus den durch Dritte, nämlich anderen Verkehrsteilnehmern verursachten intensiven Gefahren für die Schutzgüter aus Art. 2 Abs. 2 GG und das Allgemeininteresse an der Mobilität.125 Durch die ZulassungsvorLaufs / Uhlenbruck, § 135, Rnr. 18; BGH, MedR 2000, S 482; Rehmann, § 5, Rnr. 2. Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 7; BGH, VRS 12, S. 231; OLG Hamm, VRS 48, S. 156, 157; OLG Düss, VRS 74, S. 294; OLG Düss, VRS 90, S. 200, 203. 123 Hentschel, § 30 StVZO, Rnr. 7. 124 Di Fabio, S. 50; Hermes, S. 117 f., 121, 137; Isensee, HStR V, Rnr. 83; Limbach, NZV 2000, S. 97, 98; Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 203. 125 Vgl. Di Fabio, S. 229; aus der objektiven Werteordnung der Grundrechte, BVerfGE 7, S. 198, 205 folgt eine Schutzpflicht auch für Gefahren grundrechtlich geschützter Rechtspositionen durch andere Bürger, BVerfGE 39, S. 1, 42; BVerfGE 46, S. 160, 162; BVerfGE 49, S. 89, 141; BVerfGE 53, S. 30, 57; BVerfGE 56, S. 54, 73; BVerfGE 77, S. 170, 214; BVerfGE 79, S. 174, 201; Di Fabio, S. 42; Isensee, S. 27 f., 33 f.; Isensee, HStrR V, Rnrn. 84 ff.; das traditionelle Grundrechtsverständnis der Grundrechte als Abwehrrechte konnte sich wegen der gestiegenen gesellschaftlichen Sensibilität von Risiken nicht mehr halten, Di Fabio, S. 43. 121 122

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schriften muß der Gesetzgeber daher im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes126 die technischen Risiken von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen im Verhältnis zu dessen Nutzen für die Mobilität und vor allem für die Verkehrssicherheit regeln. Anders als bei Fahrzeugteilen, die bei Schaffung des § 30 StVZO zur Zulassung anstanden, beinhalten heutige Sicherheitssysteme – der Sicherheitsgurt hat den Anfang gemacht – sowohl einen sicherheitsrelevanten Nutzen als auch mögliche neue Risiken. Die Zulassungsbehörde hat bei den Sicherheitssystemen zur Erfüllung ihres Auftrages zur Sicherheitsgewährleistung nicht nur mögliche Risiken für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger abzuwehren, sondern muß zu einer besseren Gewährleistung von Leben und körperlicher Unversehrtheit den Verkehrsteilnehmern diese Sicherheitssysteme auch zugänglich machen. Deshalb muß sie die möglichen Risiken mit dem möglichen Sicherheitsgewinn abwägen. Deshalb müssen genau wie bei Arzneimitteln die Verminderung von Schäden, bzw. die Heilwirkung, mit möglichen Restrisiken, bzw. Nebenwirkungen abgewogen werden. (3) Nutzenabwägung in der StVZO Eine derartige Abwägung existiert bereits im Rahmen des Zulassungsrechts, ohne daß eine solche explizit erwähnt ist, weil sie nicht als explizite Abwägungskriterien normiert sind oder weil sich die Gesellschaft ihrer nicht bewußt war. Bei der Frage der Zulassung von Sicherheitsgurten sind die lange Zeit umstrittenen Restrisiken niemals im Zulassungsrecht unter der relevanten Frage: „Stellt ein Sicherheitsgurt eine Gefahr dar?“ diskutiert worden. Die diesbezüglich hinnehmbaren, weil unwahrscheinlichen Restrisiken gehen in der Zulassung des Sicherheitsgurts gemäß § 35 a StVZO auf. Gleiches gilt für Restrisiken des Airbags.127 Die Wahrscheinlichkeitsprognose im Rahmen des § 30 StVZO ist darauf gerichtet, vor den Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen und die Sicherheit des Straßenverkehrs zu erhöhen. Es geht dabei um die Gestaltung von Vorhaben und nicht um deren Unterlassung und somit eben nicht nur um die Frage einer bloßen Gefahrenabwehr, d. h. liegt eine Gefahr vor und wie ist sie zu beseitigen.128 Bei einer Zulassungsentscheidung ist der Nutzen einer Sache für einen möglichen Vorteil, insbesondere einer höheren Sicherheit einzelner Personen oder der Gesell126 Der gesetzgeberische Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum ist im Bereich des Straßenverkehrsrechts sehr hoch, so daß z. B. die staatliche Pflicht zur Einführung einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung oder der Herabsetzung der Promillegrenze abgelehnt wird, Limbach, NZV 2000, S. 97, 98. 127 Vgl. zu Restrisiken von Sicherheitsgurten und Airbags: Löhle, DAR 1996, S. 8 ff.; zu Restrisiken bei Airbags auch Kluth, WIB 1997, 738. 128 Anders ist es bei der Gefahrenprognose im Rahmen des § 17 StVZO, wenn die Zulassung wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 30 – 62 StVZO entzogen wird.

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schaft bei einem der Sache innewohnendem Risiko zu berücksichtigen. Der Gefahrenabwehr steckt bei Zulassungsentscheidungen immer auch ein Nutzenaspekt inne, ohne daß er explizit genannt werden muß, weil er offensichtlich ist.

bb) Risiko-Nutzen-Abwägung bei Fahrerassistenzsystemen Bei der Frage der Zulassung von Sicherheitssystemen im Kraftfahrzeugbereich geht es immer um das Ausmaß des Nutzens für die Sicherheit des Straßenverkehrs. Bevor auf eine mögliche Risiko-Nutzen-Abwägung bei Fahrerassistenzsystemen eingegangen wird, soll die bisher grobmaschig vorgenommene Abwägung zum Sicherheitsgurt erörtert werden. (1) Risiko-Nutzen-Abwägung am Beispiel des Sicherheitsgurts Auch die Bewertung des BVerfG zum Sicherheitsgurt beinhaltet gerade diese Risiko-Nutzen-Abwägung.129 Das BVerfG hat unter Bezugnahme des BGH entschieden, daß die Verpflichtung zum Tragen eines Sicherheitsgurts deshalb gerechtfertigt ist, weil lediglich in 0,5 – 1,0% aller Fälle Unfallfolgen durch den Sicherheitsgurt verschlimmert oder erst herbeigeführt werden, während der Sicherheitsgurt grundsätzlich das Verletzungsrisiko der Insassen entscheidend verringert.130 Das entscheidend geringere Verletzungsrisiko sieht der BGH, auf dessen Entscheidung sich das BVerfG bezieht, darin, daß 30 – 40% aller Verletzungen durch den Sicherheitsgurt vermieden werden und sich schwere Verletzungen um 50 – 70% sowie tödliche Verletzungen um 30% reduzieren lassen.131 Zwar nimmt das BVerfG die Abwägung im Rahmen der Eingriffsintensität bzw. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der verfassungsmäßigen Rechtfertigung des Eingriffs in Art. 2 Abs. 2, S. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG vor. Die Abwägung ist jedoch mit der Abwägung im Zulassungsrecht identisch, da es sich um dieselbe Rechtsgüterabwägung des Art. 2 Abs. 1 GG handelt, im Zulassungsrecht allerdings im Rahmen einer staatlichen Schutzpflicht. Das Beispiel des Sicherheitsgurts zeigt, daß es bei diesem ebenso wie bei Airbags offensichtlich Risiken gibt, die durch Nutzen oder Vorteile aufgewogen werden und sodann als hinnehmbare Restrisiken insoweit berücksichtigt werden, als eine Zulassung gewährt wird. Da es sich bei der Frage der Zulassung von Fahrerassistenzsystemen auch um die Frage einer sichereren Gestaltung des Straßenverkehrs handelt, müssen auch Nutzen bzw. Vorteile berücksichtigt werden. Eine Risiko-Nutzen-AbBVerfG, NJW 1987, S. 180. BVerfG, NJW 1987, S. 180 unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1979, S. 1363, 1364, dieser bezieht sich auf Feststellungen von Luff, Verkehrsgerichtstag 1974, S. 66, 78 und Händel, NJW 1976, S. 2297, 2298. 131 BGH, NJW 1979, S. 1363, 1364. 129 130

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wägung zwischen Erhöhung der Verkehrssicherheit und Restrisiken, die mit den neuen Systemen einher gehen, ist daher nicht nur möglich, sondern auch erforderlich. Die Verneinung einer solcher Abwägung hätte lediglich zur Folge, daß dennoch Systeme mit zusätzlichen Risiken zugelassen würden, vgl. z. B. Sicherheitsgurt und Airbag, ohne daß eine Risiko-Nutzen-Abwägung explizit genannt würde. Die Zulässigkeit bestimmter Restrisiken hat der Benutzer sodann als sozialadäquate, von der Allgemeinheit hingenommene Risiken zu akzeptieren.132 (2) Verschulden als Bewertungskriterium Problematisch ist, inwieweit ein Verschulden des Fahrers in eine solche Bewertung einbezogen werden darf. Schäden durch den Gebrauch des Sicherheitsgurts können z. B. entweder wegen fehlender Fluchtmöglichkeiten im Brandfall, Ertrinken durch Sturz ins Gewässer, einem hervorgerufenen Defekt am Herzschrittmacher oder insbesondere wegen des Aufpralls des Körpers im Gurt (Brustbein-, Schlüsselbein-, Rippenbrüche) entstehen.133 Beim Eintreten letzterer, gurtspezifischer Schäden würden ohne Sicherheitsgurt zweifelsohne wesentlich schwerwiegendere Schäden eintreten.134 Alle diese Schäden entstehen ohne Verschulden des Gurtträgers. Beim Airbag dagegen entstehen weit mehr Schäden durch ein Verschulden des Geschädigten, insbesondere weil sich der Fahrer beim Zusammenstoß in falscher Sitzposition befunden hat, oder weil er nicht angeschnallt war.135 Auch bei der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen wird weniger ein technisches Versagen das größte Unfallrisiko bergen. Vielmehr werden die größten Unfallrisiken voraussichtlich durch ein Verschulden des Fahrers hervorgerufen. Ein Verschulden des Fahrers liegt insbesondere bei Bedienungsfehlern vor, wozu vor allem auch die Unkenntnis von den technischen Möglichkeiten und Grenzen der Systeme zu zählen ist. Die meisten Unfallrisiken werden deshalb beim Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen darin liegen, daß der Fahrer auf sein System in Situationen vertrauen wird, in denen das System, technisch begründet, nicht zuverlässig funktionieren kann und der Fahrer dies hätte wissen können.136 Ein derartiges Verschulden muß aber bei einer zulassungsrechtlichen Bewertung außer Betracht bleiben. Bei der Bewertung des Restrisikos eines technischen Systems ist allein maßgeblich, inwiefern das System bei einer richtigen Bedienung zu Schäden führt, da der Fahrer zur richtigen Bedienung ohnehin verpflichtet ist. Dies folgt auch aus der Formulierung des § 30 StVZO, der nur auf den verkehrs132 Vgl. auch BVerfG, NJW 1979, S. 359, 363 – Kalkar; zu einer möglichen Staatshaftung deshalb vgl. unten (§ 5 C. II., III.). 133 Beispiele bei Luff, S. 66, 78; BGH, VersR 1970, S. 442; v. Münch, FS Ipsen, 113, 119; Schlund, DAR 1976, S. 57, 58 (Fn. 27), 59; AG Wü, JR 1986, S. 304, 305. 134 Schlund, DAR 1976, S. 57, 58 (Fn. 27). 135 Löhle, DAR 1996, S. 8 ff.; vgl. auch Kluth, WIB 1997, 738. 136 Vgl. zur Unkenntnis der Systemgrenzen [§ 3 B. II. 2. a) bb)]; zur unangepaßten Systemeinstellung [§ 3 B. II. 2. a) cc)] und zur fehlenden Aufmerksamkeit [§ 3 B. II. 2. b)].

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üblichen Betrieb, d. h. der allgemein gebräuchlichen Verwendungsart abstellt. Diese bezieht sich nur auf den richtigen Gebrauch.137 Inwieweit ein Fahrer zur richtigen Bedienung auch körperlich in der Lage ist, d. h. die manuellen und kognitiven Fähigkeiten zur richtigen Bedienung eines Systems besitzt, ist dagegen ein zu berücksichtigendes Kriterium im Rahmen der Zulassung und kann ein Risiko darstellen. Eine Berücksichtigung des Fehlverhaltens würde im übrigen zu einem großen Unterschied dahingehend führen, ob ein System übersteuerbar ist oder nicht, denn bei übersteuerbaren Systemen ist mehr Verschulden möglich. Ein Verschulden zu berücksichtigen würde bedeuten, daß das Restrisiko bei übersteuerbaren Systemen höher zu bewerten wäre, als bei nicht-übersteuerbaren Systemen, da bei letzteren im wesentlichen nur die technische Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtigt werden kann, die wesentlich geringer ist als menschliches Versagen.138 (3) Bestimmung von Restrisiken Welches Restrisiko im einzelnen hinzunehmen sein wird, hängt vom jeweiligen System und seiner möglichen Unfallverhinderung oder -minderung ab. Unter Bezugnahme der Abwägung im Arzneimittelrecht kann auch hier vertreten werden, daß ein hohes Risiko bei hohem Nutzen akzeptiert werden kann, während ein geringes Risiko bei einem geringen Nutzen nicht mehr hinzunehmen sein wird.139 Im Arzneimittelrecht ist der Nutzen die therapeutische Wirksamkeit und das Risiko ist die unerwünschte schädliche Wirkung140, während im Kfz-Zulassungsrecht die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Verhinderung von Unfallgefahren oder Minderung von Unfallschäden der Nutzen und das Entstehen oder die Verschlimmerung von Unfällen oder Unfallschäden das Risiko darstellt. In diesem Sinne ist auch die Risiko-Nutzen-Abwägung des BVerfG zum Sicherheitsgurt zu verstehen. Die Hinnahme eines Restrisikos von 1% aller Fälle ist vergleichsweise sehr hoch. Denn die Bezugnahme auf „alle Fälle“ kann nur bedeuten, daß es sich um alle Fälle handelt, in denen der Sicherheitsgurt wirken soll, d. h. wenn ein Unfall passiert.141 Die Akzeptanz, daß in 10 von 1000 Unfällen die Unfallschäden erst durch den Sicherheitsgurt eintreten oder verschlimmert werden, ist nicht sehr gering. Dem steht jedoch die hohe Sicherheitswirkung bei Unfällen entgegen. Teilweise wird unterschieden, ob der Schaden auf den Gurt überhaupt zurückzuführen ist142 bzw. ob der Sicherheitsgurt in diesen Fällen lediglich die ohnehin einVgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. a)]. Ein Verschulden bei nicht-übersteuerbaren Systemen liegt nur dann vor, wenn sich der Fahrer nicht auf die mangelnde Übersteuerbarkeit eingestellt hat, Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. 139 Di Fabio, S. 179. 140 Di Fabio, S. 179; Laufs / Uhlenbruck, § 135, Rnr. 18; BGH, MedR 2002, S. 482. 141 Auf Unfälle bezogen haben es auch Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30, 34; Luff, S. 66, 78. 142 So Händel, NJW 1976, S. 2298. 137 138

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tretenden Unfallfolgen verschlimmert und erst schafft.143 Das BVerfG nimmt diese Unterscheidung nicht vor, sondern läßt offen, ob in den seltenen Fällen ein ohnehin eintretender Schaden nur verschlimmert oder ob ein neuer Schaden geschaffen wurde.144 Für die Beurteilung von Restrisiken bei Fahrerassistenzsystemen ist eine Unterscheidung jedoch erforderlich. Denn es macht einen Unterschied, ob ein Fahrerassistenzsystem in Situationen nicht funktioniert, in denen es zur Unfallvermeidung eingreifen sollte oder ob das System systemwidrig nicht funktioniert und es deshalb erst zu einer gefährlichen Situation oder einem Unfall führt – z. B. plötzliche Intervention des Systems aufgrund einer fehlerhaften Erkennung der Sensoren. Im ersten Fall können höhere Risiken hingenommen werden, da auch ohne das System eine Unfallgefahr und damit eine Verletzungsgefahr eintreten würde. Hier ist die Größenordnung, die das BVerfG für hinnehmbar erachtet hat, übertragbar. Zu berücksichtigen ist allerdings ein entstehendes Vertrauen des Fahrers auf die Funktionstüchtigkeit des Systems. Im zweiten Fall müssen die Risiken geringer sein, da ohne das System keine Unfallgefahr vorliegen würde. Da die meisten Fahrerassistenzsysteme beide Risiken bergen, müssen diese Risiken miteinander abgewogen werden. Als Verringerung des zweiten Risikos muß allerdings berücksichtigt werden, inwieweit der durchschnittliche Fahrer einen unvorhergesehenen Eingriff handhaben kann, um eine gefährliche Situation zu verhindern oder zu meistern. Insgesamt sind folgende Faktoren abzuwägen und die Risiken auf ein vertretbares Maß zu beschränken: – Vermeidung herkömmlicher Unfälle (Häufigkeit, Schwere der Unfälle, die verhindert werden). – Wahrscheinlichkeit eines technischen Versagens im Fall einer Unfallverhinderung. – Wahrscheinlichkeit eines technischen Versagens in sonstigen Fällen und Art und Maß einer daraufhin entstehenden Verkehrsgefährdung. – Berechtigtes Vertrauen des Fahrers in die Funktionstüchtigkeit.

Die pauschale Abwägung des BVerfG kann deshalb nicht ohne weiteres auf die Risiken von Fahrerassistenzsystemen übertragen werden.

143 Luff, S. 66, 77 schätzt die Fälle, in denen das Nichtangeschalltsein die einzige Überlebenschance sein könnte, auf höchstens 1% aller Unfälle, während Verletzungen durch den Sicherheitsgurt bei schweren Verletzungen nicht nur unvermeidbar, sondern sogar der Preis der Vermeidung lebensgefährlicher Verletzungen sei. 144 BVerfG, NJW 1987, S. 180.

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

3. Verstoß gegen die StVO Wie bei der Problematik des WÜ kommt es auch im deutschen Zulassungsrecht zu einer unzulässigen Vermischung von Verhaltens- und Zulassungsfragen. So wird z. B. vertreten, daß eine elektronische Koppelung von Lkws deshalb nicht zulässig sei, weil beim Fahren der Abstand zwischen den Fahrzeugen weit unter 50 m liege, was mit § 4 Abs. 3 StVO nicht in Einklang stehe.145 Die Zulassung eines Kraftfahrzeuges hängt jedoch nicht in erster Linie von den Verhaltenspflichten des Fahrers ab, sondern die Verhaltenspflichten sind auf die Möglichkeiten, die das Fahrzeug dem Fahrer zur Verfügung stellt, abgestimmt. Die Vorschriften der StVO begrenzen den möglichen Umgang mit dem zugelassenen Fahrzeug.146 Wenn ein Fahrzeug zu einem bestimmten Gebrauch zugelassen ist, muß dieser intendierte Gebrauch auch zulässig sein. Aufgrund des Grundsatzes, Normwidersprüche innerhalb der Rechtsordnung möglichst zu vermeiden147, kann dem Fahrer nicht aufgrund eines Gesetzes (hier der StVZO) ein konkreter Gebrauch erlaubt und gleichzeitig aufgrund eines anderen Gesetzes (StVO) verboten werden. Ein solcher Normwiderspruch kann durch Einschränkung beider Normen oder durch den Vorrang einer Norm auslegungstechnisch beseitigt werden.148 Hier wäre der Zulassungsvorschrift Vorrang zu geben.149 Ein weiteres Argument für ein Zurücktreten der StVO-Norm ist der verfassungsrechtliche Schutz des Fahrers aus Art. 2 Abs. 1 GG150, der es ihm erlaubt, zugelassene Systeme zu nutzen, solange sie nicht abstrakt gefährdend sind. Wenn durch die Zulassung einer elektronischen Koppelung eine Gefahr gemäß § 30 StVZO verneint worden ist, dann besteht auch kein Grund, dem Fahrer den Gebrauch dieses Systems aus ordnungsrechtlichen Gründen zu verweigern. Ein dennoch aufgestelltes Verbot in Form einer sanktionsbedachten Vorschrift, verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Die Verhaltensnorm ist daher auch aus diesem Grund verfassungswidrig. Zumindest ist der Gesetzgeber gehalten, den Normwiderspruch durch Änderung der StVO-Norm zu beheben. Nicht nur im Rahmen des WÜ werden Verhaltens- und Zulassungsvorschriften unzulässigerweise vermischt. Die vertretene Unzulässigkeit der elektronischen Koppelung wegen § 4 Abs. 3 StVO ist nur ein Beispiel. Des weiteren wird vertreten, daß auch ein ISA-System in nicht-übersteuerbarer Ausführung nicht zulässig sei, weil es gegen § 3 StVO verstoße, wonach der Fahrer jederzeit seine eigene Geschwindigkeit wählen darf und somit nicht gezwungen werden darf, schneller zu Frenz, DAR 2003, S. 58, 59 f.; vgl. auch unten [§ 3 A. II. 3. d)]. Vgl. Ausführungen zu diesem Problem beim WÜ, oben unter [§ 2 A. V. 1. c)]. 147 Engisch, S. 162 f.; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 155 f. 148 Engisch, S. 163; Larenz, Methodenlehre S. 335; Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 155 f., S. 155. 149 Für eine teleologische Reduktion aufgrund des Normzwecks zur Einhaltung eines Mindestabstandes bzgl. der Verkehrssicherheit Frenz, DAR 2003, S. 58, 60. 150 Vgl. Ronellenfitsch, DAR 1992, S. 321 ff.; Ronellenfitsch, DAR 1994, S. 7 ff. 145 146

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge

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fahren.151 Dem ist zum einen entgegenzuhalten, daß das ISA-System jederzeit die Möglichkeit gewährt, langsamer zu fahren und zum anderen, daß auch hier gilt, daß Verhaltensvorschriften mangels Anwendungsbereich nicht auf die Bauart von Fahrzeugen und auch nicht von Infrastrukturanlagen angewendet werden dürfen. Ein weiteres Beispiel einer unzulässigen Vermischung ist die Zulässigkeitsprüfung einer elektronischen Fahrzeugkoppelung anhand der Vorschrift des § 21 Abs. 2 S. 2 StVO (Verbot der Beförderung von Personen auf der Ladefläche eines Anhängers).152 Unabhängig davon, daß das elektronisch gekoppelte Fahrzeug kein Anhänger im Sinne des Gesetzes ist,153 geht es bei der StVO-Norm nicht um die Frage, ob und wie ein Anhänger gebaut werden darf, sondern wie er zu benutzen ist. Die Frage, ob es erlaubt ist, eine Person in dem gekoppelten Fahrzeug zu befördern, hängt davon ab, wie die elektronische Koppelung konstruiert ist und ist daher eine sekundäre Frage. Der Grund einer verbotenen Personenbeförderung auf der Ladefläche eines Anhängers liegt ebenfalls in der Konstruktion des Anhängers begründet, weil es nämlich für die zu befördernde Person auf der Ladefläche gefährlich sein kann.

II. EG-Richtlinien Durch die Richtlinie 92 / 53 / EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Änderung der Richtlinie 70 / 156 / EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ist das Betriebserlaubnisverfahren der Mitgliedstaaten durch das EU-Typgenehmigungsverfahren ersetzt worden.154 Die Typgenehmigung ist gemäß Art. 2 der geänderten Richtlinie 70 / 156 / EWG legaldefiniert als „das Verwaltungsverfahren, durch das ein Mitgliedstaat bestätigt, daß der Typ eines Fahrzeugs, eines Systems, eines Bauteils oder einer selbständigen technischen Einheit die einschlägigen technischen Anforderungen dieser Richtlinie oder einer Einzelrichtlinie erfüllt“. Die genannten Einzelrichtlinien finden sich im Anhang IV und Anhang IX der Richtlinie. Die Richtlinie 70 / 156 / EWG in der Fassung der Richtlinie 92 / 53 / EWG ist durch die Verordnung über die EG-Typgenehmigung für Fahrzeuge und Fahrzeugteile vom 09. Dezember 1994155 umgesetzt worden. Das Genehmigungsverfahren Berz / Dedy / Granich, ZVS 2002, S. 2, 4. Diese Bewertung nimmt Frenz, DAR 2003, S. 58, 61 vor. 153 Frenz, DAR 2003, S. 58, 61. 154 Richtlinie 92 / 53 / EWG; ABl. EG Nr. L 225, vom 18. Juni 1992 zur Änderung der Richtlinie 70 / 156 / EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzuege und Kraftfahrzeuganhänger, im folgenden Betriebserlaubnisrichtlinie. 155 BGBl. 1994 I, S. 3755 ff., im folgenden EG-TypVO. 151 152

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§ 2 Zulassungsrechtliche Fragen

erfolgt nach §§ 2 und 3 dieser Verordnung. Gemäß § 2 EG-TypVO erteilt das Kraftfahrt-Bundesamt als Genehmigungsbehörde dem Hersteller auf Antrag eine EG-Typgenehmigung. Die Genehmigung wird gemäß § 3 Abs. 1 EG-TypVO nur erteilt, wenn die Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 1 bis 4 der Betriebserlaubnisrichtlinie vorliegen und der Antragsteller über ein Qualitätssicherungssystem gemäß Anhang X der Richtlinie verfügt. Ist eine Genehmigung erteilt, so hat der Hersteller gemäß § 3 Abs. 3 EG-TypVO eine Übereinstimmungsbescheinigung nach Anhang IX der Betriebserlaubnisrichtlinie auszustellen und jedem dem genehmigten Typ entsprechenden Fahrzeug beizufügen oder vorzuhalten. Gemäß § 7 Abs. 1 EG-TypVO entscheidet das Kraftfahrt-Bundesamt auch über Ausnahmegenehmigungen gemäß Art. 8 Abs. 2 und 3 der Betriebserlaubnisrichtlinie. Gemäß Art. 8 Abs. 2 Betriebserlaubnisrichtlinie kann jeder Mitgliedstaat auf Antrag des Herstellers von einer oder mehreren Bestimmungen oder mehrerer Einzelrichtlinien a) Fahrzeuge, die in Kleinserien hergestellt werden, b) Fahrzeuge aus auslaufenden Serien und c) Fahrzeuge, Bauteile oder selbständige technische Einheiten, die aufgrund bestimmter angewandter Technologien oder Merkmale eine oder mehrere Anforderungen einer oder mehrerer Einzelrichtlinien nicht erfüllen können, ausnehmen. Das Kraftfahrt-Bundesamt kann aber gemäß § 8 Abs. 3 EG-TypVO die Verwendung von Fahrzeugen oder Fahrzeugteilen im Straßenverkehr untersagen, wenn sie feststellt, daß sie die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährden, obwohl sie mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung oder vorgeschriebener Kennzeichnung versehen sind. Die Zulassungsstelle kann gemäß § 8 Abs. 4 EGTypVO bei einer solchen Gefährdung auch die Zulassung solcher Fahrzeuge oder das Inverkehrbringen solcher Fahrzeugteile versagen. Die Zulassungsbehörde kann gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 EG-TypVO auch gemäß § 17 StVZO die Betriebserlaubnis entziehen. Sowohl die Untersagung nach § 8 Abs. 3 EG-TypVO durch das Kraftfahrt-Bundesamt als auch die Versagung nach § 8 Abs. 4 EG-TypVO durch die Zulassungsbehörde dürfen die Dauer von sechs Monaten nicht überschreiten, §§ 8 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 3 EG-TypVO. Die Zulassung eines Kraftfahrzeuges nach EG-Zulassungsrecht hängt somit davon ab, ob hinsichtlich der einzelnen Bauteile eine Einzelrichtlinie erlassen worden ist, die im Anhang IV der Betriebserlaubnisrichtlinie enthalten ist und die Bauteile damit übereinstimmen oder ob, falls dies nicht der Fall ist, eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden kann, weil das Fahrzeug bzw. die Bauteile oder die selbständigen technischen Einheiten die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht gefährden, § 8 Abs. 3 EG-TypVO. Hinsichtlich des Vorliegens einer Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit ist auf die Ausführungen zum nationalen Zulassungsrecht zu verweisen.

B. Vereinbarkeit mit Zulassungsbestimmungen für Kraftfahrzeuge

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III. UNECE-Regelungen Aufgrund des Übereinkommens vom 20. 03. 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und -teile von Kraftfahrzeugen und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung156 werden von der United Nations Economic Commission of Europe, einer Unterorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf, ECE-Regelungen157 herausgegeben, die sich auf die Typprüfung und Genehmigung von Fahrzeugteilen beziehen. Ziel der ECE-Regelungen ist es, eine Harmonisierung auf internationaler Ebene zu erreichen, da die weltweit unterschiedlichen Regelungen im Grunde gleiche oder vergleichbare Sicherheits- und Umweltziele verfolgen.158 Die ECE-Regelungen enthalten lediglich die Typgenehmigung für einzelne Bauteile oder Systeme, nicht jedoch die Typgenehmigung eines vollständigen Fahrzeuges. Die Einbeziehung der ECE-Regelungen in nationales Recht erfolgt in erster Linie indirekt über Verweise auf Vorschriften der EG-Typprüfung. Zudem wird zum Teil in der StVZO direkt auf ECE-Regelungen verwiesen.159 Die ECE-Anwenderstaaten sind im Gegensatz zu den EU-Mitgliedstaaten in ihrer Entscheidung, ob sie die ECE-Regelungen anwenden, frei.160 Eine Vielzahl dieser Regelungen sind mit EG-Einzelrichtlinien gleichwertig.161 Soweit eine ECE-Regelung mit einer Einzelrichtlinie gleichwertig ist, wird gemäß Art. 9 Abs. 1 der Betriebserlaubnisrichtlinie bei Einhaltung einer ECE-Regelung ebenfalls eine EG-Typgenehmigung erteilt. Die Gleichwertigkeit ist gemäß Art. 9 Abs. 2 der Betriebserlaubnisrichtlinie für die im Anhang IV Teil II aufgeführten Regelungen anerkannt. Teilweise ist in der jeweiligen Einzelrichtlinie die Gleichwertigkeit mit einer entsprechenden ECE-Regelung bestimmt.162 Gemäß Anhang IV der Betriebserlaubnisrichtlinie sind die ECE-Regelungen Nr. 13 für die Bremsanlagen sowie Nr. 79 für die Lenkung gleichwertig. BGBl. 1965 II, S. 857 ff. Die einzelnen Regelungen sind zu finden unter: www.unece.org. 158 Vgl. Präambel und Art. 1 des „Agreement concerning the establishing of global technical regulations for wheeled vehicles, equipment and parts which can be fitted and / or be used on wheeled vehicles“, vom 25. Juni 1998, Präambel zum „Concerning the adoption of uniform technical prescriptions for wheeled vehicles, equipment and parts which can be fitted and / or be used on wheeled vehicles and the conditions for reciprocal recognition of approvals granted on the basis of these prescriptions vom 20. 03. 1958, www.unece.org. 159 Vgl. z. B. § 35 d Abs. 3 StVZO. 160 Rüth / Berr / Berz, vor § 30 StVZO, Rnr. 2 Übersicht bei Rüth / Berr / Berz vor § 16 StVZO, Rnrn. 4, 6; Inkrafttreten des Übereinkommens der ECE-Regelungen, VerkBl. 1977, Heft 1, S. 14; Übersicht der Staaten, S. 16. 161 Vgl. Übersicht im Anhang IV, Teil II der Richtlinie 70 / 156 / EWG. 162 Vgl. z. B. Abs. 3 der Richtlinie 93 / 29 / EWG i. V. m. Art. 11 der Richtlinie 92 / 61, in der die Gleichwertigkeit mit ECE-Regelung Nr. 60 anerkannt wird. 156 157

§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters Schwerpunkt dieses Kapitels ist die Haftung des Fahrers und des Halters für Schäden im Straßenverkehr in Verbindung mit Fahrerassistenzsystemen. Wichtig dabei ist, herauszuarbeiten, in welchen Fällen ein Verschulden des Fahrers anzunehmen sein wird. Daher ist zunächst auf die grundsätzlichen Verhaltenspflichten des Fahrers unter Benutzung von Fahrerassistenzsystemen einzugehen.

A. Verhaltensvorschriften Aufzuzeigen sind zunächst die straßenverkehrsrechtlichen Verhaltensregeln der StVO, die bei der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen bedeutsam sind, da bei fehlerhafter Anwendung der Systeme die Gefahr besteht, gegen diese Vorschriften zu verstoßen. Dies führt bei vorliegendem Verschulden zu einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVO und im Falle eines Verkehrsunfalles zu einer Haftung gemäß §§ 7, 17, 18 StVG. Bevor auf diese Vorschriften im einzelnen eingegangen wird, soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit der Gesetzgeber den Fahrer zur Eingehung technischer Risiken zwingen kann. Beispielhaft dafür ist die kontrovers diskutierte Pflicht zum Tragen eines Sicherheitsgurts.1

I. Verfassungsmäßigkeit aufgezwungener Risiken Die Regulierung des Straßenverkehrs durch Zulassungsvorschriften einerseits und Verhaltensvorschriften im Verkehr andererseits entspricht der aus Art. 2 Abs. 2 GG stammenden staatlichen Schutzpflicht zur Sicherheitsgewährleistung.2 Die staatliche Schutzpflicht folgt aus den durch Dritte, nämlich anderen Verkehrsteilnehmern verursachten intensiven Gefahren für die Schutzgüter aus Art. 2 Abs. 2 GG und dem Allgemeininteresse an der Mobilität.3 Durch die Zulassungsvorschriften hat der Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielrau1 Zum Streit über eine formelle Verfassungswidrigkeit von § 21 StVO wegen Verletzung des Zitiergebotes aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG und einer fehlenden Ermächtigungsgrundlage wird hier nicht näher eingegangen, vgl. hierzu Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30, 33; Lisken, NJW 1985, S. 3053, 3054. 2 Di Fabio, S. 50; Hermes, S. 6 – 35; Isensee / Kirchhof-Isensee, HStR V, § 111, Rnr. 83; Limbach, NZV 2000, S. 97, 98; Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 203. 3 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. c) aa) (2)].

A. Verhaltensvorschriften

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mes4 die technischen Risiken von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen im Verhältnis zu dessen Nutzen für die Mobilität und die Verkehrssicherheit geregelt.5 Die gesetzlich normierten Verhaltensvorschriften betreffen vor allem die Art und Weise der Benutzung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr. Daneben ist für den Sicherheitsgurt und den Schutzhelm auch das „ob“ einer Benutzung eines Fahrzeugteiles bzw. Sicherheitszubehörs in § 21 a StVO geregelt. Insbesondere diese Verhaltenspflicht ist im Hinblick auf ihre Verfassungsmäßigkeit diskutiert worden.

1. Eingriff in Art. 2 GG Im Gegensatz zu den Verhaltenspflichten, die das „wie“ der Fahrzeugbenutzung und Verkehrsbeteiligung regeln, nimmt die Verpflichtung zum Gebrauch eines Sicherheitsgurts oder Schutzhelms dem Benutzer die Freiheit, selbst zu entscheiden, ob er das damit zusammenhängende Risiko, so klein es auch sein mag, auf sich nimmt. Psychologisch gesehen werden Risiken, denen sich der Mensch nicht selbst aussetzt, sondern durch andere ausgesetzt wird, wesentlich größer empfunden.6 Der staatliche Zwang zur Eingehung eines Risikos läßt die Berufung auf das grundrechtlich gewährleistete Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, zumindest aber das Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit laut werden. Inwieweit die Verpflichtung zur Benutzung eines Sicherheitsgurts bzw. eines Schutzhelms einen Eingriff in Abs. 2 Abs. 2, S. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG darstellt, ist diskutiert und für den Fall des Sicherheitsgurts vom BVerfG nicht geklärt worden.7 Hinsichtlich des Eingriffs in das Recht auf Leben und Unversehrtheit gilt der weite Eingriffsbegriff, der nichtfinale und mittelbare Beeinträchtigungen umfaßt.8 Umfaßt werden daher auch ungewollte Beeinträchtigungen.9 Ein Grundrechtseingriff ist auch dann möglich, wenn nur eine „entfernte Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts“ bestand.10 Streitig ist, ob die Beeinträchtigung mehr als nur geringfügig sein darf.11 Sowohl ungewollte Schäden durch Tragen eines Sicherheits4 Der gesetzgeberische Einschätzungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielraum ist im Bereich des Straßenverkehrsrechts sehr hoch, so daß z. B. die staatliche Pflicht zur Einführung einer generellen Geschwindigkeitsbeschränkung oder der Herabsetzung der Promillegrenze abgelehnt wird, Limbach, NZV 2000, S. 97, 98. 5 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. c)]. 6 Bechmann, 35, 41; Brejora, KuG, 2001, 264 f.; Frank / Reichart, S. 3, 8 f. 7 BVerfG, NJW 1987, S. 180 – Sicherheitsgurt, ebenfalls offengelassen von BGH, NJW 1979, S. 1363, 1365. 8 Isensee / Kirchhof-Lorenz, HStR VI, § 128, Rnr. 24; Pieroth / Schlink, Art. 2, Rnrn. 238 ff.; Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 151; BVerfGE 66, S. 39, 60. 9 Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 152. 10 Isensee-Kirchhof-Lorenz, HStR V, § 128, Rnr. 31; BVerfGE 49, S. 89, 124; BVerfGE 53, S. 30, 57; BVerwG, NJW 1970, S. 1890. 11 Dafür: v. Münch / Kunig, Art. 2, Rnr. 64; BVerwGE 46, S. 1, 7; BVerfGE 54, S. 211, 223; offen gelassen: BVerfGE 5, S. 13, 15; BVerfGE 17, S. 108, 115.

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

gurts als auch ungewollte Schäden durch eine Zwangsimpfung12 stellen daher Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG dar.13 Auf der Eingriffsebene spielt die Wahrscheinlichkeit von derartigen ungewollten Schäden somit keine Rolle, es kommt lediglich auf ein mögliches Schadensausmaß an. Entstehen durch den Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen möglicherweise Unfälle, so beeinträchtigt eine zwangsweise Benutzung derselben wegen möglicher erheblicher Körperschäden das Recht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Wegen der subsidiären Funktion der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG14 bleibt ein diesbezüglicher Eingriff außer Betracht.

2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Bei der Verpflichtung zur Nutzung eines Sicherheitssystems durch den Fahrer geht es nicht mehr um die Frage, wie dieses System beschaffen sein muß – dies ist eine zulassungsrechtliche Fragestellung – sondern darum, ob die Beschaffenheit die zwangsweise Benutzung und damit den Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG rechtfertigt. Die umstrittene Rechtfertigung zum Tragen eines Schutzhelms oder eines Sicherheitsgurts zur Verhinderung oder Minderung eigener unfallsbedingter Verletzungen15, soll hier außer Betracht bleiben, da die Nutzung eines Fahrerassistenzsystems schon einen Unfall an sich zu vermeiden sucht und insoweit unproblematisch dem Wohl der Allgemeinheit und dem Schutz anderer entspricht. Untersucht wird deshalb im folgenden, inwieweit die Pflicht zur Nutzung eines Fahrerassistenzsystems gerechtfertigt ist, wenn mit der Nutzung des Systems neuartige Unfallrisiken begründet werden.

BVerfGE 9, S. 78, 79. Einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG durch die Sicherheitsgurtpflicht bejahend: v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 142; Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30, 31; Jagusch, NJW 1976, S. 135, 137; Jagusch, NJW 1977, S. 940 f.; v. Münch, FS Ipsen, 113, 120; Streicher, NJW 1977, S. 282 ff.; AG Albstadt, NJW 1985, S. 927; OLG Hamm, NJW 1985, S. 1790, 1791 prüft nur Art. 2 Abs. 1 GG. 14 v. Münch / Kunig, Art. 2, Rnr. 12; Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 10; Schmidt-Bleibtreu / Klein, Art. 2, Rnr. 11; BVerfGE 9, S. 338, 343; BVerfGE 10, S. 55, 58; BVerfGE 21, S. 227, 234; BVerfGE 80, S. 137, 157; in die Weite des Schutzbereiches gehört richtigerweise auch, sofern spezielle Freiheitsrechte nicht einschlägig sind, allgemein das Recht auf Mobilität und im Rahmen dessen das Recht Auto zu fahren, Ronellenfitsch, DAR 1992, S. 321 ff.; Ronellenfitsch, DAR 1994, S. 7 ff. 15 Zur Diskussion inwieweit die Pflicht auch den Allgemeinwohlinteressen dient, v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 142; Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30 ff.; Geiger, DAR 1976, S. 319, 324; Lisken, NJW 1985, S. 3053, 3054; v. Münch, FS Ipsen, 113, 115 ff., 125 ff.; Schlund, DAR 1976, S. 57, 60 f.; Streicher, NJW 1977, S. 282, 283; BVerfG, NJW 1987, S. 180; BGH, NJW 1979, S. 1363, 1365; ebensowenig behandelt wird der Streit über eine formelle Verfassungswidrigkeit von § 21 StVO wegen Verletzung des Zitiergebotes aus Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG und auf eine fehlende Ermächtigungsgrundlage wird hier nicht näher eingegangen, vgl. hierzu Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30, 33; Lisken, NJW 1985, S. 3053, 3054. 12 13

A. Verhaltensvorschriften

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a) Zweck, Geeignetheit und Erforderlichkeit Fahrerassistenzsysteme verfolgen den Zweck, Unfälle zu verhindern, die durch Sorgfaltswidrigkeiten des Fahrers oder anderer Verkehrsteilnehmer entstehen. Unfälle können aber nur dann durch den Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen vermieden werden, wenn die Systeme auch benutzt werden. Eine Benutzungspflicht wäre daher geeignet. Viele Fahrerassistenzsysteme sind um so effektiver, je mehr Fahrer diese nutzen, z. B. Abstandsregler und Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikationssysteme. Um zu gewährleisten, daß auch jeder ein solches System nutzt, ist eine allgemeine Benutzungspflicht daher das effektivste und auch mildeste Mittel und somit erforderlich.16 b) Angemessenheit Vorzunehmen ist eine Abwägung der Zweckerreichung mit möglichen Schäden für den Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer. Im Rahmen der Gurtpflicht, ist die Abwägung der Schutzwirkungen gegenüber der Entstehung neuer oder der Verschlimmerung bestehender Unfallfolgen zuerst im Rahmen des § 254 BGB diskutiert und in der Verhältnismäßigkeitsprüfung übernommen worden.17 Das BVerfG hat unter Bezugnahme des BGH entschieden, daß die Verpflichtung zum Tragen eines Sicherheitsgurts deshalb gerechtfertigt ist, weil lediglich in 0,5 – 1,0% aller Fälle Unfallfolgen durch den Sicherheitsgurt verschlimmert oder erst herbeigeführt werden, während auf der anderen Seite das Verletzungsrisiko durch den Sicherheitsgurt entscheidend verringert wird.18 Zwangsimpfungen und andere Untersuchungen mit möglichen gesundheitlichen Neben- oder Folgewirkungen, z. B. Rötgenuntersuchungen sind verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn das öffentliche Interesse, z. B. an einer Seuchenbekämpfung gegenüber den Risiken deutlich überwiegt.19 Es handelt sich um die gleiche Abwägung, wie bei der Frage der Zulassung von Fahrerassistenzsystemen mit bestehenden Restrisiken, da ebenfalls das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit betroffen ist. Auf obige Ausführungen wird insoweit verwiesen.20 Ist danach eine Zulassung recht16 Auch die Gurtpflicht ist erforderlich, da mildere Mittel, z. B. Appelle zum Verkehrsverhalten, nicht so wirksam waren, Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30, 33. 17 Dehner / Jahn, JuS 1988, S. 30 ff.; Geigel, NJW 1967, S. 2014; Geiger, DAR 1976, S. 319, 324 f.; Händel, NJW 1970, S. 944 f.; Himer, DAR 1968, S. 126 f.; Jagusch, NJW 1977, S. 940 f.; Knippel, NJW 1977, S. 939 f.; v. Münch, FS Ipsen, S. 113, 115 ff.; Schmidt, VersR 1967, S. 218; Schmidt, DAR 1968, S. 9 ff.; Tilker, DAR 1976, S. 296 ff.; BGH, NJW 1979, S. 1363, 1365; BGH, NJW 1970, S. 944 ff.; OLG Mü, DAR 1967, S. 297 f.; OLG BS, DAR 1967, S. 297. 18 BVerfG, NJW 1987, S. 180 unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1979, S. 1363, 1364, dieser bezieht sich auf Feststellungen von Luff, S. 66, 78 und Händel, NJW 1976, S. 2297, 2298. 19 Sachs-Murswiek, Art. 2, Rnr. 186. 20 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. c)].

6 Bewersdorf

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

mäßig, bestehen gegen eine Benutzungspflicht keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

II. Vorschriften der StVO Bei der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen sind die Vorschriften der §§ 1; 3 Abs. 1; 4 Abs. 1, 3; 5 Abs. 4, 6; 8; 11 Abs. 3 und 23 StVO relevant. Bei der Bedeutung des Verstoßes gegen die StVO ist zwischen der Halter- und der Fahrerhaftung zu unterscheiden. Der Fahrer haftet bei einem Verstoß gegen die StVO nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit, §§ 7, 18, 24 StVG. Für die Halterhaftung ist die Feststellung eines Verstoßes gegen die StVO für die Frage nach dem Haftungsausgleich gemäß § 17 StVG wichtig.

1. § 1 StVO Grundregeln § 1 Abs. 1 StVO beinhaltet die Grundregel der ständigen Vorsicht und gegenseitigen Rücksicht aller Verkehrsteilnehmer. Sinn und Zweck der StVO ist die Regelung derjenigen Verkehrslagen und Fahrmanöver, die in besonderer Weise Ursache eines Verkehrsunfalls sein können und nicht die Reglementierung jedes einzelnen Verkehrsgeschehens.21 Geschützt wird nicht nur Leib, Leben und Eigentum, auch vermeidbare Behinderungen anderer, vermeidbarer Staßenlärm und Luftverschmutzung sollen untersagt sein.22 Aufbauend auf § 1 Abs. 1 StVO ergibt sich aus § 1 Abs. 2 StVO die Pflicht eines jeden Verkehrsteilnehmers, sich so zu verhalten, daß kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.23 Die Pflicht eines jeden Fahrers besteht daher in erster Linie darin, Gefahren abzuwehren. Dies hat insbesondere Vorrang vor wörtlicher Regelbefolgung.24

a) Beherrschbarkeit und Verschulden Es wird davon ausgegangen, daß der Fahrer die Pflicht aus § 1 StVO nur dann erfüllen kann, wenn er die Fahrbahn und den Verkehr aufmerksam beobachtet und Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797, 798 unter II 2.b). Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797, 799 unter II 2.b). 23 Vgl. Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797, 799, 801, mit Verweis auf eine entsprechende Formel in Art. 7 Abs. 1 WÜ: „Die Verkehrsteilnehmer müssen jedes Verhalten vermeiden, das eine Gefährdung oder Behinderung des Verkehrs mit sich bringen sowie Personen gefährden oder öffentliches oder privates Gut beschädigen könnte.“ 24 Barthelmess, NZV 1998, S. 357, 361; Greger, § 16 StVG, Rnr. 226; Hentschel, Einl. Zur StVO, Rnrn. 122, 124; OLG Düss, VersR 48, S. 134 f.; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 261: nicht rücksichtslos auf eigenes Recht beharren. 21 22

A. Verhaltensvorschriften

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in aller Regel beidhändig lenkt, da er nur dann das Fahrzeug sicher beherrscht.25 Die Beherrschbarkeit des Fahrzeuges wird als Grundlage rechtmäßigen Verkehrsverhaltens angesehen. Das ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 StVO, in dem die Beherrschbarkeit Maßstab und Grenze der Fahrgeschwindigkeit ist. Im Zusammenhang mit einem automatischen Fahren, kommt diesem Begriff eine andere Bedeutung zu. Zum einen ist auf die Ausführungen zum WÜ und auf die bislang mangelnden technischen Alternativen und die Auslegungsbedürftigkeit des Begriffes hinzuweisen.26 Zum anderen kann von dem Fahrer nichts Unmögliches verlangt werden, d. h. Verhaltensanforderungen, die er nicht erfüllen kann, weil sie die Leistungsfähigkeit der Sinne überschreiten.27 Der einzige Zweck der Verkehrsregeln besteht darin, daß sich die Verkehrsteilnehmer im Verkehr rücksichtsvoll, ungefährdend und unbehindernd verhalten.28 Es geht deshalb bei der Auslegung des Begriffs des Beherrschens nicht in erster Linie darum, daß der Fahrer jeden zum Fahren notwendigen Akt mechanisch selbst vornimmt, sondern wichtiger ist, daß er immer Eingreifen kann, wenn das System nicht alle Verkehrssituationen bewältigen kann. Die Fortbewegung des Fahrzeuges im Verkehr muß sicher sein. Der Fahrer ist für das Funktionieren und die Sicherheit des Fahrzeuges verantwortlich, § 23 StVO. Er darf daher die Fortbewegungsfunktion auf das Fahrzeug übertragen, soweit das Fahrzeug dazu in der Lage ist – dafür ist das Fahrzeug schließlich da. Soweit aber die Technik die im Verkehr auftretenden und daher von Fahrer gemäß § 1 StVO zu bewältigenden Gefahrensituationen nicht bewältigen kann, muß der Fahrer eingreifen können. Wenn daher ein nichtübersteuerbares System dies nicht kann, muß es in ein übersteuerbares System geändert werden oder darf nicht zugelassen werden. Das Verschuldenserfordernis bedeutet für die Frage der Beherrschbarkeit daher, daß der Fahrer im Rahmen der StVO nur dann haftet, wenn das Fahrzeug überhaupt beherrschbar ist. Wird vom Fahrer verlangt, daß er das Fahrzeug jederzeit beherrschen muß – um Vorsicht und Rücksicht zu nehmen –, dann kann das nur im Rahmen der Ausstattung des Fahrzeuges verlangt werden. Dabei bedeutet es aber nicht zugleich auch, daß der Fahrer das Fahrzeug bei nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen nicht beherrscht, vielmehr muß sich der Fahrer auf die fehlende Übersteuerbarkeit einstellen. Die wesentliche Pflicht des Fahrers liegt in dem richtigen Umgang mit dem System und in der Aufmerksamkeit auf das VerkehrsgeGreger, § 16 StVG, Rnr. 240; Hentschel, § 1 StVO, Rnr. 5. Vgl. oben unter (§ 2 A. V). 27 Hentschel, Einl., Rnrn. 130, 140; Kuckuk / Werny, § 1 StVO, Rnr. 8; BayObLG, VM 1967, S. 17, 18; zum begrenzten Sehvermögen aus medizinischer Sicht Hartmann, DAR 1976, S. 326, 328; Müller-Limmroth, DAR 1977, S. 151, 153 f. 28 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 StVO, vgl. auch Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, 797, 798, 801, wonach die unbedingte kleinliche Befolgung der Vorschriften diese allgemeine Verhaltensregel bagatellisieren würde; ebenso Jagusch, NJW 1971, S. 1, 4. 25 26

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schehen und die besonderen Verkehrssituationen. Die Formulierung, daß der Fahrer in der Lage sein muß, sein Fahrzeug sicher zu führen29, ist daher klarer.

b) Bedienung Hinsichtlich der Bedienung von Fahrerassistenzsystemen gilt im Rahmen des § 1 StVO, daß der Fahrer sich grundsätzlich nicht darauf berufen kann, daß er mit der Bedienung nicht zurechtkommt.30 Auch dies kann nur insoweit gelten, als das System an die Bedienung nicht zu hohe Anforderungen stellt. Fahrerassistenzsysteme, die die kognitiven und manuellen Fähigkeiten des Durchschnittsfahrers übersteigen, können bei der Haftungsfrage des Fahrers und Halters ebenfalls außer Betracht bleiben, weil sie nicht zugelassen werden dürfen.31 Der Fahrer ist aber dann noch nicht überfordert, wenn er sich durch Konzentration und Aufmerksamkeit sowie Erinnerung den technischen Grenzen des Fahrerassistenzsystems bewußt sein kann. Er kann daher nicht einwenden, ihm sei der Systemausfall in einer bestimmten Situation entfallen, weil er diese technische Grenze vergessen hat. Daher kann er im Fallbeispiel 132 nicht einwenden, er habe den Unfall nicht verhindern können, weil er vergessen habe, daß das System im Nebel u. U. die Spur nicht erkennen kann und er habe deshalb die Abweichung von der Spur erst zu spät bemerkt.

c) Vertrauensgrundsatz Mit Einführung moderner Fahrerassistenzsysteme muß der Fahrer u. U. mit veränderten Fahrverhalten von Verkehrsteilnehmern mit sochen Systemen rechnen. Dies kann sich auf den in der StVO verankerten Vertrauensgrundsatz auswirken. Dieser besagt, daß derjenige, der sich selbst verkehrsgerecht verhält, grundsätzlich auch von anderen ein richtiges Verhalten erwarten darf.33 Auch wenn grundsätzlich der Fahrer auf ein verkehrsgerechtes Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer vertrauen darf, so muß er mit solchen Fehlern rechnen, die erfahrungsgemäß oder nach den Umständen gerade in der konkreten Situation vorkommen können.34 Der BGH, NJW 1988, S. 909. Hentschel, Einl., Rnr. 143; OLG Ol, NRpfl 1992, S. 48, 49; OLG Düss, DAR 1954, S. 87; OLG Hamm, VRS 32, S. 146; OLG HH, VM 1965, S. 5. 31 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. a)]. 32 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. b) bb)]. 33 Barthelmess, NZV 1998, S. 357, 359; Greger, § 16 StVG, Rnr. 227; Hentschel, Einl. zur StVO, Rnr. 136; BGH, NZV 1992, S. 108, 109. 34 Cramer, § 1, Rrn. 10; Hentschel, Einl. Rnr. 123; § 1 StVO, Rnr. 20; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 250; BGH, VersR 1971, S. 440; BGH, VersR 1972, S. 459; OLG Düss, VRS 54, S. 298; BayObLG, NZV 1989, S. 121, 122; OLG Hamm, NZV 1993, S. 66. 29 30

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Vertrauensgrundsatz soll vor einer Überspannung der Sorgfaltspflichtanforderungen des Fahrers schützen.35 Dabei wird die Rechtsprechung insoweit kritisiert, als sie den Umfang des berechtigten Vertrauens von der Häufigkeit von Verkehrsverstößen abhängig macht36, mit dem Argument, daß diese Abgrenzung nicht konsequent ist und zur Folge hat, daß häufige Verkehrsverstöße rechtlich aufgewertet würden.37 Eine Begrenzung des Vertrauensgrundsatzes durch § 1 StVO ist in § 11 Abs. 3 StVO ausdrücklich geregelt. Danach muß derjenige, der nach den Verkehrsregeln weiterfahren darf oder anderweitig Vorrang hat, darauf verzichten, wenn die Verkehrslage es erfordert38; auf einen Verzicht darf der andere nur vertrauen, wenn er sich mit dem Verzichtenden verständigt hat. Gleichzeitig mit der Einschränkung des Vertrauensgrundsatzes wird dieser auch anerkannt.39 Dadurch wird deutlich, daß eine vor Einführung des § 11 Abs. 3 StVO40 vertretene Ansicht, die den Vertrauensgrundsatz grundsätzlich durch eine Pflicht defensiven Fahrens einzuengen versuchte41, mit Recht kritisiert wurde42. Hat der Vertrauensgrundsatz somit einen gefestigten Platz im Recht des Straßenverkehrs, so verbleibt dennoch eine Empfehlung zur prinzipiellen Einhaltung einer größeren als der rechtlich geforderten Sorgfalt.43 Das folgende Beispiel zeigt eine denkbare Verkehrssituation, in welcher u. a. der Vertrauensgrundsatz zum Tragen kommt. Fallbeispiel 544 F1 fährt mit seinem mit Infrarotsichtsystem ausgestattetem Fahrzeug auf einer auf 70 km / h beschränkten Landstraße bei Nebel mit Sichtweite von weniger als 50 m. Das System erkennt Fahrzeuge bis auf eine Entfernung von 300 m und erkennt auch Fahrzeuge, die sich in einem kegelförmigen Bereich neben der Fahrspur befinden. F1 fährt mit einer Hentschel, § 1 StVO, Rnr. 20. BGH, VRS 31, S. 37; BGH, VersR 1966, S. 1157; OLG Düss, VRS 50, S. 228 f.; OLG Düss, VRS 54, S. 298; OLG Düss, VersR 1987, S. 909, 910; OLG Stg, VRS 15, S. 273. 37 Hentschel, § 1 StVO, Rnr. 20, einerseits wird der Vertrauensgrundsatz trotz häufiger Mißachtung auf Vorfahrtstrecken bejaht, so BayObLG, VRS 49, S. 284; OLG Köln, VRS 90, S. 343; OLG Köln, NZV 1998, S. 437, das Vertrauen auf hindernisfreie Fahrbahn andererseits trotz seltenem Vorkommen verneint, so BGH, VRS 33, S. 368; OLG Hamm, NZV 1992, S. 407; OLG Mü, NZV 1994, S. 106, 107; OLG Schl, NZV 1995, S. 445; OLG Schl, VersR 1995, S. 476; ebenfalls kritisch zum Vertrauensgrundsatz Barthelmess, NZV 1998, S. 357, 358 f. 38 Eine untypische Verkehrslage ist z. B. das Ampelversagen, Hentschel, § 11, Rnr. 6; Fuchs-Wissemann, DAR 1995, S. 278, 279 mit Verweis auf OLG Düss, DAR 1983, S. 397. 39 Damals noch § 11 Abs. 2 StVO; Begründung zu § 11 Abs. 2, VerkBl. 1970, S. 807; vgl. auch Cramer, § 1, Rnr. 10. 40 Vgl. Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 807. 41 Wimmer, DAR 1963, S. 369, 372; ders., DAR 1964, S. 37 ff. 42 Ablehnend zur grundsätzlichen Einengung Cramer, StVR, § 1, Rnr. 12; Kuckuk / Werny, § 1StVO, Rnr. 14 – 15; Martin, DAR 1964, S. 299, 304 f. 43 Hentschel, § 1 StVO, Rnr. 25; Rüth / Berr / Berz, § 1 StVO, Rnr. 22. 44 Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 4, S. 35. 35 36

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters Geschwindigkeit von 70 km / h und hat Vorfahrt. Von recht kommt F2 ohne Infrarotsichtsystem in den Kreuzungsbereich herangefahren, in der Absicht, rechts in die Landstraße einzubiegen. Da F2 nicht weit sehen kann, fährt er sehr langsam – höchstens 20 km / h – in die Kreuzung ein und geht davon aus, daß andere Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeit ebenfalls erheblich reduziert haben. F1 kann nicht mehr rechtzeitig bremsen und kollidiert mit F2.

Die Bewertung dieses Fallbeispiels ist schwierig, denn es kann nicht nur der Vertrauensgrundsatz angeführt werden, sondern es spielen vor allem mehrere StVONormen eine Rolle. Es geht dabei um die Frage, ob F1 gegen das Sichtfahrverbot des § 3 StVO oder subsidiär gegen § 1 StVO und ob F2 gegen seine Vorfahrtspflicht verstoßen hat. Im Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz kommt es im Fallbeispiel 5 nicht nur deshalb zur Kollision von F1 und F2, weil F1 gemäß der Rechtsprechung zum Vertrauensgrundsatz bei Vorfahrtsregeln auf sein Vorfahrtsrecht vertraut hat, sondern vor allem deshalb, weil F2 das weitere Können des mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestatteten Fahrzeug von F1 nicht in Betracht gezogen hat. Ob F1 in diesem Fall die Geschwindigkeit hätte reduzieren müssen, ist im Rahmen der Pflichten aus § 3 StVO zu klären. Das Verhalten und das Vertrauen des F2 darauf, daß F1 langsam fahren würde, ist nicht Bestandteil des sogenannten Vertrauensgrundsatzes. Denn der Vertrauensgrundsatz besagt im Vorfahrtsfall, daß der vorfahrtsberechtigte Fahrer (hier: F1) auf ein richtiges Verhalten des Wartepflichtigen (hier: F2) vertrauen darf45, nicht aber, daß der Wartepflichtige auf eine auf ihn angepaßt reduzierte Geschwindigkeit vertraut. F2 ist lediglich fälschlich davon ausgegangen, daß F1 genauso schlecht sehen kann wie er. Für F2 stellt sich die Frage, ob er gegen die Vorfahrtspflicht des § 8 StVO verstoßen hat. In diesem Zusammenhang wird einzugehen sein, ob der Vertrauensgrundsatz des Vorfahrtberechtigten F1 eingeschränkt ist. 2. § 3 StVO Geschwindigkeit Während § 1 StVO sehr allgemein gehaltene Grundsätze aufstellt, sind die §§ 2 ff. StVO spezifizierter. Sie stellen Verhaltensgebote unter typischen Umständen dar, was zur Folge hat, daß Sachverhalt und Verhaltensnorm bei wechselnden Umständen auseinanderfallen können.46 § 3 Abs. 1 StVO normiert den Sichtgrundsatz und die Pflicht zur situativen Geschwindigkeitsanpassung. Gemäß § 3 Abs. 1 StVO darf der Fahrer nur so schnell fahren, daß er das Fahrzeug noch beherrschen kann, insbesondere hat er die Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie seinen persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften des Fahrzeuges anzupassen. Bei geringerer Sicht45 Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 50; Rüth / Berr / Berz, § 8 StVO, Rnr. 47; BayObLG, VRS 49, S. 284 f.; OLG Köln, VRS 90, S. 343; OLG Köln, NZV 1998, S. 437. 46 Hentschel, Einl. zur StVO, Rnr. 124.

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weite als 50 m darf er nicht schneller als 50 km / h fahren. Er darf grundsätzlich auch nur so schnell fahren, daß er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann, bei besonders schmalen Fahrbahnen, innerhalb der hälftigen Strecke. a) Sichtgrundsatz Nach § 3 Abs. 1 S. 4 StVO muß der Fahrer innerhalb der übersehbaren Strecke halten können. Dieser kodifizierte Sichtgrundsatz47 soll vor Kollisionen mit Hindernissen48 und entgegenkommenden Verkehrsteilnehmern49 schützen. Der Fahrer kann aber auch dann die Strecke unbehindert übersehen, wenn er trotz ungünstiger Sicht sehen kann, daß die Straße frei ist. So ist die Fahrgeschwindigkeit z. B. abhängig von der individuellen Sehfähigkeit oder der Anpassung des Auges in der Dämmerung oder bei Lichtwechsel.50 Zu beachten ist grundsätzlich nur die Sicht vor dem Fahrzeug51 sowie ein angemessener Seitenraum52. Ist die Sicht beeinträchtigt, hat der Fahrer gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 StVO die äußerste Geschwindigkeit begrenzend anzupassen und zwar nicht nur, wenn seine Sicht aufgrund umweltbedingter Umstände, sondern auch aufgrund individueller Unzulänglichkeiten behindert ist.53 Eine physiologische Unzulänglichkeit liegt z. B. bei Nacht und Nebel vor.54 Deshalb untersagt § 3 Abs. 1 Satz 3 StVO dem Fahrer bei einer Sichtweite von unter 50 m, mit einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km / h zu fahren. Die Sichtweite bestimmt sich danach, ob der Fahrer einen unbeleuchteten Gegenstand unter Umständen mit Hilfe von Scheinwerfern gerade noch zu erkennen vermag.55 Hentschel, § 3 StVO, Rnr. 14; Kuckuk / Werny, § 3 StVO, Rnrn. 1, 2. OLG Ko, NZV 1991, S. 471; OLG FaM, NZV 1990, S. 154; OLG Zw, NZV 1993, S. 153; OLG Mü, NZV 1994, S. 106 107. 49 BayObLG, VRS 58, S. 366. 50 Hentschel, Einl., Rnr. 141; fehl geht deshalb die Annahme von Seegmüller, DAR 1996, S. 347, 348, daß es eine Regelungslücke für die Diskrepanz gebe, daß mit Abblendlicht eine Sichtweite von lediglich 80 – 90 m bestehhe, während der Fahrer auch bei Nacht berechtigt sei, 100 km / h auf Landstraßen zu fahren; zwar besteht für dieses Problem die Möglichkeit, die minimale Scheinwerferleuchtweite auf 90 m zu erweitern, dies ist jedoch ein zulassungsrechtliches Problem und hängt von der Gefahrenbewertung ab; in diesem Fall spricht zu Lasten einer Erweiterung der Scheinwerfer, daß andere Fahrer geblendet werden, während es dem Fahrer möglich ist, seine Geschwindigkeit bei Nacht zu vermindern; die Verpflichtung zur Geschwindigkeitsanpassung ist ein Folgeproblem der Zulassung und durch die Regelung in § 3 StVO flexibel gelöst. 51 BGH, NZV 1998, S. 369; OLG Köln, VRS 67, S. 140; OLG Hamm, VRS 82, S. 12, 13 f. 52 Rüth / Berr / Berz, § 3 StVO, Rnrn. 44, 37; BGH, NZV 1998, S. 369; BayObLG, VRS 58, S. 366; BayObLG, VRS 60, S. 131 f., OLG Sa, VRS 37, S. 228. 53 Hentschel, § 3 StVO, Rnr. 17; Kuckuk / Werny, § 3 StVO, Rnr. 4; BayObLG, VRS 59, S. 224; z. B. langsame Reaktionszeit, BGH, VM 1965, S. 25, oder Alter, dazu Händel, DAR 1985, S. 210, 211; Himmelreich, DAR 1990, S. 447, 448 f. 54 Vgl. zur Begrenztheit der Sehfähigkeit des menschlichen Auges, Hartmann, DAR 1976, S. 326 ff.; Müller-Limmroth, DAR 1977, S. 151 ff. 47 48

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Bei der Einführung des § 3 Abs. 3 StVO56 wurde davon ausgegangen, daß die Bewertung der unterschiedlichen Kriterien zur Bestimmung der angemessenen Geschwindigkeit zu komplex für den Fahrer ist und wollte durch die Regelung dem Fahrer plakativ verdeutlichen, wie schnell er höchstens fahren darf.57 b) Sichtweite Es stellt sich die Frage, ob der Fahrer seine individuelle physiologische Sichtbegrenzung bei Nacht und Nebel durch die technischen Möglichkeiten dieses Systems möglicherweise ausgleichen kann. Neben der individuellen Sicht des Fahrers ist nämlich auch der individuelle Anhalteweg des Fahrzeuges zu berücksichtigen.58 So gilt für Bremsen auf nasser oder glatter (schlüpfriger) Straße, daß eine Reduzierung der Geschwindigkeit erforderlich ist.59 Mit Hilfe eines ABS ist aber Bremsen wesentlich sicherer geworden.60 Dieser technische Aspekt läßt daher in geringem Umfang eine schnellere Geschwindigkeit zu.61 Was für äußere Umstände gilt, kann bei neuen Fahrerassistenzsystemen auch für persönliche Fähigkeiten des Fahrers gelten. So handelt z. B. derjenige nicht vorwerfbar, der trotz Platzregens mit Hilfe von Scheibenwischern noch bei einer Geschwindigkeit von 50 km / h auf Sicht fahren kann.62 Die Pflicht, mit geringerer Geschwindigkeit bei Blendung durch Sonne zu fahren63, besteht natürlich auch nicht, wenn die Blendung durch Benutzung einer Sonnenbrille verhindert wird. Wenn daher der Anhalteweg je nach technischer Ausstattung eines Fahrzeuges unterschiedlich sein kann und der Fahrer diese technische Ausstattung zur Möglichkeit einer höheren Geschwindigkeit ausnutzen kann, dann muß dies auch für die jeweiligen menschlichen Fähigkeiten gelten. Das bedeutet, daß ein Fahrer mit einem Fahrzeug, welches mit einem Infrarotsichtsystem ausgestattet ist, nicht allein wegen der Unzulänglichkeiten seines menschlichen Auges die Geschwindigkeit verringern muß. Bouska, DAR 1992, S. 281. Durch die 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechlicher Vorschriften vom 15. 10. 1091, BGBl. I, 1991, S. 1992. 57 Begründung zu § 3 Abs. 3 StVO, VerkBl. 1991, Heft 20, S. 702, 703; Bouska, DAR 1992, 281. 58 BGH, NJW 1974, S. 1378; BGH, VRS 30, S. 272 f. 59 OLG Düss, VM 1975, S. 79, 80; OLG HH, VRS 15, S. 270; BGH, VRS 7, S. 367. 60 Vgl. zur Sicherheitstechnik von ABS-Systemen: Engels, NZV 1989, S. 89, 92; Gaupp / Wobben, S. 7, 10 f.; zu rechtlichen Konsequenzen: Heinze, NJW 1991, S. 395 mit der Forderung eines zwingenden Informierens und „Anlernens“ des Fahrens mit ABS. Entgegen solcher Befürchtungen, hat die Praxis gezeigt, daß Fahren mit ABS zu keinen nennenswerten verkehrsrechtlichen und verkehrssicherheitstechnischen Problemen geführt hat. Es wird gemäß § 15 FeV i. V. m. Anhang 7 Teil 2 auch keine spezielle ABS-Prüfung verlangt. 61 Ein Fahrzeug mit ABS ist nicht gezwungen, allein wegen Nässe langsamer zu fahren. 62 OLG Köln, VersR 1992, S. 1268. 63 Hentschel, § 3 StVO, Rnr. 36; BGH, VRS 27, S. 119; OLG Ko, VersR 1974, S. 442; OLG Hamm, NZV 1994, S. 400, 401. 55 56

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Im Fallbeispiel 5 mußte F1 nicht allein aufgrund des in § 3 StVO geforderten Sichtgrundsatzes die Geschwindigkeit begrenzen. Da das System auch die Straßenseiten in ausreichendem Umfang mit ausleuchtet, braucht F1 deshalb auch nicht seine Geschwindigkeit zu begrenzen. Er ist mit Hilfe der kegelförmigen Ausstrahlung des Systems in der Lage, die Strecke unbehindert zu übersehen. Auf diesen Umstand stützt sich die Pflicht aus § 3 StVO.

c) Sichtweite unter 50 m Im Fallbeispiel 5 liegt eine an der Möglichkeit des menschlichen Auges gemessene Sicht von unter 50 m vor. Allerdings ist der Fahrer mit Hilfe des Sichtverbesserungssystems tatsächlich in der Lage wesentlich weiter zu sehen. Fraglich ist daher, ob § 3 Abs. 1 S. 3 StVO in dieser Situation für den Fahrer einem solchen System überhaupt gilt. Während in § 3 Abs. 1 S. 1, 2 und 4 StVO eine absolute Geschwindigkeitsangabe mangels Möglichkeit konkreter Tatbestandsbeschreibung fehlt, ist in § 3 Abs. 1 S. 3 StVO eine Obergrenze angeben, weil die für alle Verkehrsteilnehmer geltende Begrenztheit des Auges zum Maßstab genommen wurde und damit eine abstrakte Gefahrenlage beschrieben werden konnte. Diese abstrakte Gefahrenlage würde mit Einführung derartiger Fahrerassistenzsysteme wegfallen. Es würde damit ein Auseinanderfallen von Sachverhalt und Verhaltensnorm aufgrund geänderter Umstände vorliegen. Solange allerdings noch nicht alle Fahrzeuge mit einem solchen Fahrerassistenzsystem ausgestattet sein können oder müssen, solange können, wie im Fallbeispiel 5 gezeigt, abstrakte Gefahrenlagen vorliegen. Es bleibt dennoch die Frage, wie § 3 Abs. 1 S. 3 StVO nunmehr auszulegen ist, wenn die zwingende Auslegung der Sichtweite aufgrund neuer Technik je nach Ausstattung des Fahrzeuges unterschiedlich sein kann. § 3 Abs. 1 S. 3 StVO ist im Gegensatz zu den anderen Sätzen des Abs. 1 objektiv gefaßt: „Beträgt die Sichtweite ( . . . ) weniger als 50 m ( . . . )“. Diese Objektivität ist nur deshalb berechtigt, weil die Sichtweite wegen der Begrenztheit des Auges64 bisher für alle Verkehrsteilnehmer im wesentlichen gleich definiert werden konnte. Der Begriff der Sichtweite ist bisher nicht näher definiert und problematisiert worden. Es liegt aber auf der Hand, daß nicht allein die individuelle rein physiologische Sehfähigkeit eines Fahrers seine Sichtweite i. S. d. § 3 StVO bestimmt, sondern daß er sich, um diese zu verbessern, Hilfsmittel nehmen darf. Ein kurzsichtiger Fahrer hat mit entsprechender Brille eine bessere Sichtweite, die er auch ausnutzen darf. Ein Fahrer mit Fernlicht hat eine größere Sichtweite, als ein Fahrer mit Abblendlicht. Der Fahrer darf sich z. B. der Hilfsmittel Abblendlicht, Scheinwerfer, Mondschein oder Straßenbeleuchtung zur Bemessung seiner Sichtweite i. S. d. § 3 StVO bedienen.65 Da64 Pflicht zum Sehtest gemäß § 12 FeV; in der Bescheinigung ist eine evtl. Sehhilfe anzugeben, Bouska, § 12 FeV, S. 274 f. 65 Bouska, DAR 1992, S. 281; Rüth / Berr / Berz, § 3 StVO, Rnrn. 40, 41; BGH, VRS 31, S. 106; BGH, VRS 35, S. 117 f.; OLG Ka, DAR 1961, S. 231.

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bei macht es keinen Unterschied, ob sich der Fahrer einer Lichtquelle, einer Brillenlinse oder einer Kamera bedient. Wichtig ist, ob er mit dem Hilfsinstrument die Straße in ausreichendem Maße überblicken kann. Ein rückwärtsfahrender Fahrer kann sich auch entweder umdrehen oder einen Rückspiegel benutzen oder er könnte in eine Kamera schauen, die den Verkehrsraum nach hinten hin filmt. Daher muß sich der Fahrer auch eines Infrarotsichtsystems zur Verbesserung seiner Sichtweite zu Hilfe nehmen dürfen. F1 hat daher im Fallbeispiel 5 nicht gegen § 3 Abs. 3 StVO verstoßen, weil seine Sichtweite über 50 m lag.

3. § 4 StVO Abstand § 4 StVO regelt den zulässigen Abstand zweier Kraftfahrzeuge. Dabei normiert § 4 StVO keinen konkret berechenbaren Abstand, auch wenn er durch Faustregeln von Literatur und Gerichten66 zum Teil beschrieben wurde. Vielmehr hängt der jeweils richtige Abstand von den unterschiedlichen Verkehrssituationen ab. Bei Benutzung von Abstandsregeltempomaten und im Zusammenhang einer Fahrzeugkolonne kann es zu Verstößen gegen § 4 StVO kommen. a) Der Sicherheitsabstand gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 StVO § 4 Abs. 1 StVO gebietet die Einhaltung des Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug, der in der Regel so groß sein muß, daß auch bei einem plötzlichen Bremsen des Vorausfahrenden noch angehalten werden kann. Dabei darf der Vorausfahrende gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StVO nicht ohne zwingenden Grund bremsen.

aa) Länge des Sicherheitsabstandes Dieser Sicherheitsabstand beträgt, in Zahlen ausgedrückt, unter normalen Verhältnissen 1, 5 Sek. durchfahrene Strecke.67 In diesem Abstand ist jedoch ein abrupter Stillstand des Vorausfahrenden infolge Kollision nicht berücksichtigt, da der Fahrer diesen in der Regel nicht einrechnen muß. Da § 4 Abs. 1 StVO nur von einem Regelfall ausgeht, muß der Fahrer dennoch eine Kollision des Vorausfahrenden mit in die Berechnung seines Abstandes einbeziehen, wenn nach den konkreten Umständen des Falles eine solche Kollision möglich und für den Fahrer erkennbar ist, wie z. B. bei dichtem Auffahren oder zu schnellem Fahren des Vorausfahrenden.68 66 Dem Fahrer soll danach der halbe Tachowert als Anhaltspunkt dienen, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 6; Rüth / Berr / Berz, § 4 StVO, Rnr. 2; BGH, VRS 34, S. 89. 67 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 6; Maase, DAR 1957, S. 226; Rüth / Berr / Berz, § 4 StVO, Rrn. 2; BGH, VRS 34, S. 89; OLG Düss, DAR 1978, S. 188; OLG Düss, VRS 74, S. 449, 451; OLG Köln, VRS 66, S. 463; OLG Köln, VRS 67, S. 286, 287.

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Von dem Sicherheitsabstand zu unterscheiden ist der gefährdende Abstand, der bei geringerer als in 0, 8 Sek. durchfahrener Strecke vorliegt.69 Dieser gefährdende Abstand dient der besseren Bewertung eines Regelverstoßes, da ein nicht nur ganz vorübergehender gefährdender Abstand eine konkrete Gefährdung im Sinne des § 1 StVO und § 315 c StGB darstellt.70 Als Ordnungswidrigkeit gemäß § 49 StVO i. V. m. § 24 StVG geahndet wird der Verstoß hingegen nur bei nicht bloß ganz vorübergehender Unterschreitung des erforderlichen Abstandes.71 bb) Kürzerer Bremsweg durch Fahrerassistenzsysteme Die Länge des Sicherheitsabstandes von 1,5 Sek. durchfahrene Strecke unter normalen Umständen basiert auf der Annahme, daß beide Fahrzeuge den gleichen Bremsweg besitzen zzgl. eines Reaktionswertes von ca. einer Sek. plus Sicherheitszuschlag von einer weiteren halben Sek.72 Deshalb wird vertreten, daß Fahrer von Fahrzeugen mit Automatischen Blockierverhinderungssystemen73 ihren angeblich kürzeren Bremsweg nicht zu bedrängendem Auffahren und nur aus zwingenden Gründen überhaupt ausnutzen dürfen74. (1) Antiblockiersysteme Anzumerken ist, daß ein ABS in technischer Hinsicht grds. nicht geeignet ist, den Bremsweg zu verkürzen. Ein ABS verhindert das Blockieren von Bremsen, das durch ein Gleiten zwischen Reifen und Fahrbahn entsteht, wenn die am Rad wirkenden Bremskräfte die Haftgrenze zwischen Reifen und Fahrbahn überschreiten.75 Durch das fehlende Blockieren wird das Fahrzeug während des Bremsvor68 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 5; Rüth / Berr / Berz, § 4 StVO, Rnrn. 22, 23; BGH, NJW 1987, S. 1075, 1076; OLG Ce, VRS 1975, S. 313. 69 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 6; Kuckuk / Werny, § 4 StVO, Rnr. 7; OLG Düss, VM 1978, S. 58; OLG Düss, VRS 74, S. 449, 451; OLG Köln, VM 1984, S. 4; OLG Köln, VRS 67, S. 286, 287; OLG Köln, NZV 1992, S. 371, 372. 70 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 6; Rüth / Berr / Berz, § 4 StVO, Rnr. 1; OLG Düss, DAR 1978, S. 188; BayObLG, NJW 1988, S. 273; OLG Köln, NZV 1992, S. 371, 372; OLG Ka, NJW 1972, S. 962; a.A. Berz, NZV 1989, S. 413 f. 71 Hentschel, § 4, Rnr. 15; OLG Köln, VM 1980, S. 24; OLG Köln, VM 1984, S. 4; OLG Zw, VRS 85, S. 212, 217; OLG Düss, NZV 1993, S. 242; BayObLG, VM 1979, S. 73. 72 Maase, DAR 1975, S. 225, 226; Minte, DAR 1957, S. 69. 73 Umgangsprachlich und zur besseren Verständlichkeit im folgenden Antiblockiersystem (ABS) genannt; in § 41 b Abs. 1 StVZO legaldefiniert: „Ein automatischer Blockierverhinderer ist der Teil einer Betriebsbremsanlage, der selbsttätig den Schlupf in der Drehrichtung des Rads an einem oder mehreren Rädern des Fahrzeugs während der Bremsung regelt“; zu rechtlichen Folgen von ABS: Heinze, NJW 1991, S. 395; Vogt, NZV 1989, S. 333, der u. a. auf den Markennamen „ABS, Anti-Blockier-System“ hinweist. 74 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 5. 75 Zur physikalischen Wirkung von ABV-Systemen: Bosch, S. 659 ff.; Engels, NZV 1989, S. 89, 91 f.; Gaupp / Wobben, S. 9 ff.

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ganges besser stabilisiert und behält zur Hälfte seine Lenkfähigkeit.76 Bei normalen Verhältnissen wird durch ein ABS ein kürzerer Bremsabstand als bei Fahrzeugen ohne ABS nicht erlangt.77 Das ABS erlaubt dem Fahrer, seinen Abstand nicht allein wegen Nässe zu beschränken, da das ABS die Schlupfwirkung im Gegensatz zu anderen Fahrzeugen verhindern kann und dadurch im nassen Zustand einen kürzeren Bremsweg hat als Fahrzeuge ohne ABS. (2) Fahrerassistenzsysteme mit kürzerem Bremsweg Soweit zukünftige Fahrerassistenzsysteme einen kürzeren Bremsweg auch bei normalen Straßenverhältnissen erlangen könnten, wäre fraglich, inwieweit dieser technische Vorteil im Rahmen des § 4 Abs. 1 StVO ausgenutzt werden dürfte. Zu einer Verkürzung des Bremsweges kommt es zwar bei der Benutzung eines Bremsassistenten, denn dieser erreicht sofort maximale Bremskraft, während ansonsten viele Fahrer mit geringerer Bremskraft bremsen, obwohl sie eine Notbremsung wünschen. Genaugenommen vollzieht der Bremsassistent lediglich den Erfolg einer Notbremsung. Im Hinblick auf den Einwand, der Fahrer dürfe den kürzeren Bremsweg nicht ausnutzen, um nicht in bedrängender Weise auf den Vorausfahrenden aufzurükken78, kann außer acht gelassen werden, daß der Fahrer den Abstand so groß halten muß, daß er nicht auf den Vorausfahrenden auffährt. Denn der Fahrer kann mit Hilfe des Fahrerassistenzsystems anhalten. Die Pflicht des Abstandhaltens aus § 4 StVO richtet sich nur nach vorne.79 Weil sich der Schutzzweck des § 4 StVO lediglich auf das rechtzeitige Bremsen und daher die Verhinderung eines Auffahrunfalls richtet80, läge kein Verstoß gegen § 4 StVO vor. Ein Verstoß kommt lediglich gegen § 1 StVO in Betracht. Ein nahes Auffahren, verstößt gegen § 1 StVO, wenn es den Vorausfahrenden bedrängt und ihn gefährdet. So ist für den gefährdenden Abstand von weniger als 0,8 Sek. durchfahrene Strecke eine konkrete Gefahr für den Vorausfahrenden festgestellt worden, mit dem Argument, daß dem bedrängenden Fahrer eine erheblich verkürzte Reaktionszeit verbleibe und daß der Vorausfahrende durch das bedrängende Verhalten zu falschen Reaktionen verleitet werde und es somit zu schweren Unfällen komme.81 Zu dichtes Aufschließen in VerbinBosch, S. 659; Gaupp / Wobben, S. 7; Wallentowitz / Ehmanns, S. 16. Im Fall OLG Dresden, DAR 2001, S. 318 hat das Gericht festgestellt, daß das ABS des Beklagten sich im konkreten Fall bremswegverlängernd ausgewirkt hatte, „da die Bildung eines Schneekeiles vor den Vorderrädern zu einem früheren Erreichen der Blockiergrenze geführt hatte und damit der Druckaufbau der Bremsanlage durch das ABS verringert wurde“. 78 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 5. 79 OLG Stg, DAR 1956, S. 279. 80 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 5; OLG Düss, VersR 1976, S. 545; OLG Ka, NJW-RR 1988, S. 28; OLG Ka, VM 1996, S. 8. 81 BGH, NJW 1969, S. 939, 940; BGH, NJW 1964, S. 1426, 1427; OLG Köln, VRS 44, S. 16, 17; OLG Düss, VM 1978, S. 58. 76 77

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dung mit ständigen Signalen erfüllt neben einem Verstoß gegen § 1 StVO auch den Nötigungstatbestand des § 240 StGB.82 Dagegen wird das Vorliegen einer konkreten Gefahr bei alleinigem Aufschließen bis 0, 8 Sek. durchfahrene Strecke ohne ständige Signale zum Teil verneint, mit der Begründung, daß sich der Fahrer in aller Regel nicht zu falschen Reaktionen verleiten lasse und es daher an einer für die konkrete Gefahr erforderlichen „akuten Krise“ fehle.83 Liegt demnach keine konkrete Gefährdung des vorausfahrenden Fahrers vor, so darf der Fahrer ohne Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO84 die technische Möglichkeit, die ihm das Fahrerassistenzsystem bietet, ausnutzen.

cc) Fallbeispiel zum Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO Bei Benutzung von Abstandsregeltempomaten kann es zu einem Verstoß des Fahrers gegen § 4 Abs. 1 StVO kommen. Dazu folgendes Fallbeispiel: Fallbeispiel 685 F1 fährt mit Abstandsregeltempomat, der auf 1, 5 Sek. durchfahrene Strecke eingestellt ist, mit einer Geschwindigkeit von 120 km / h auf der Autobahn. Er folgt dem ebenfalls mit einer Geschwindigkeit von 120 km / h fahrenden F2. Dieser hält allerdings zu dem vorausfahrenden F3 lediglich einen Abstand von 0, 6 Sek. durchfahrene Strecke. Als F3 wegen eines Stauendes hinter einer Kurve plötzlich bremsen muß, kollidiert F2 mit F3. F1 kann nicht mehr rechtzeitig bremsen. Variante: F1 fährt mit Notbremssystem, das mit einem Abstandsregeltempomaten verbunden ist. Auch das Notbremssystem kann in diesem Fall nur einen Aufprall lindern, nicht aber verhindern.

In diesem Fallbeispiel hat F1 gegen § 4 Abs. 1 StVO verstoßen, da der Sicherheitsabstand größer hätte sein müssen. F1 hätte in seinen Abstand mit einbeziehen müssen, daß F2 einen gefährlichen Abstand hält.86

82 Berz, NZV 1989, S. 409, 413; Hentschel, § 1 StVO, Rnr. 42 / 43; BGH, NJW 1969, S. 939; OLG FaM, VM 1979, S. 28, 29; OLG Düss, NZV 1989, S. 441. 83 Berz, NZV 1989, S. 409, 414; mit Verweis auf OLG Köln, VRS 44, S. 16, 17, das eine fehlende „zusätzliche akute Krise für das geschützte Objekt“ festgestellt hat. 84 Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO setzt eine konkrete Gefährdung voraus, siehe dazu Hentschel, § 1 StVO, Rnrn. 39, 47; OLG Düss, VRS 74, S. 285; OLG Düss, VRS 79, S. 131; KG, VRS 15, S. 455. 85 Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 2, S. 31. 86 Ein größerer Abstand ist erforderlich, wenn mit einem Auffahren des Vorausfahrenden zu rechnen ist, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 9; Rüth / Berr / Berz, § 4 StVO, Rnr. 23; OLG Hamm, VRS 25, S. 213, 214; OLG Ka, VRS 33, S. 219, 220; KG, DAR 1995, S. 482, 483.

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b) Starkes Bremsen gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StVO Gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StVO darf der Vorausfahrende nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen. Dieses Verbot soll Auffahrunfälle im dichteren Verkehr verhindern.87 Der „zwingende“ Grund ist enger auszulegen, als der „triftige“ Grund des § 3 Abs. 2 StVO und kann z. B. in einer gefährlichen Verkehrssituation, nicht aber bei der verspäteten Erkenntnis, abbiegen zu müssen, vorliegen.88 Ein zwingender Grund liegt vor, wenn der Fahrer oder andere Verkehrsteilnehmer ohne die Bremsung gefährdet oder geschädigt werden könnten.89 Der Grund muß dem Schutzzweck des Bremsverbots mindestens gleichwertig sein.90 Kein zwingender Grund ist daher eine starke Bremsung wegen eines Kleintiers, wenn dadurch der Verkehr gefährdet wird.91 Fahrer mit Notbremssystemen werden nicht in Kollision mit dieser Vorschrift kommen, da das Notbremssystem nur dann eingreift, wenn es ansonsten zu einem Unfall kommen würde. Ein Eingreifen des Notbremssystems kann zwar eine starke Bremsung im Sinne des § 4 Abs. 1 StVO darstellen, weil es mit voller Bremskraft eingreifen kann. Das System bremst bestimmungsgemäß nur mit der für eine Aufprallverhinderung erforderlichen Bremskraft. Da das Notbremssystem nur bewegliche Gegenstände erkennt, die bei einem Aufprall zur Gefährdung des Fahrers führen können, besteht auch keine Gefahr, daß das System z. B. bei Kleintieren bremst. c) Mindestabstand gemäß § 4 Abs. 2 StVO Lkws, die mit einer elektronischen Deichsel ausgestattet sind, kommen in Konflikt mit § 4 Abs. 2 StVO. Dieser normiert spezielle Abstandsvorschriften für Züge über 7 m und sonstige Kraftfahrzeuge mit einer besonderen Geschwindigkeitsbeschränkung. Der erforderliche Abstand muß bei diesen Fahrzeugen grundsätzlich so groß sein, daß ein überholendes Fahrzeug einscheren kann. Elektronisch gekoppelte Fahrzeuge halten jedoch einen Abstand, der zu gering ist, als das andere Fahrzeuge dazwischen einscheren könnten bzw. sollten. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit dieses Fahrerassistenzsystem mit Abstandsregelungen vereinbar ist.

Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 11; OLG Stg, VRS 56, S. 119. Begründung zu § 5 StVO, VerkBl. 1070, S. 803. 89 KG, VM 1975, S. 52; KG, VM 1983, S. 13; KG, NZV 1993, S. S. 478. 90 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 11; OLG Mü, DAR 1974, S. 19 – Igel; KG, VM 1983, S. 13; KG, NZV 1993, S. S. 478. 91 Hentschel, § 4, StVO, Rnr. 11; OLG Mü, DAR 1974, S. 19 – Igel; OLG Ka, NJW – RR 1988, S. 28 – Wildente; OLG Köln, VersR 1993, S. 1168 – Taube. 87 88

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aa) Ausnahmeregelung § 4 Abs. 2 StVO ist aufgrund Art. 13 Abs. 4 WÜ statt des veralteten § 14 StVO a. F. eingeführt worden.92 Art. 13 Abs. 4 S. 1 WÜ beinhaltet die gleiche Verhaltenspflicht und läßt Ausnahmen zu.93 Von der Ausnahmemöglichkeit ist in der StVO insoweit Gebrauch gemacht worden, als ein verkürzter Abstand auch zulässig ist, wenn mehr als ein Fahrstreifen für eine Fahrtrichtung vorhanden ist, wenn zum Überholen ausgeschert oder angekündigt worden oder das Überholen auf der Strecke verboten ist. Aufgrund der Ausnahmeregelung bei mehreren Fahrstreifen, ergibt sich kein Problem für Lkws auf Autobahnen. Für das Fahren auf Bundes-, Land-, Kreis- oder Ortsstraßen bleibt es bei einem Verstoß gegen § 4 Abs. 2 StVO. Zwar wäre eine Ausnahmeregelung auch hierfür mit Art. 13 Abs. 4 S. 2 b WÜ, nicht aber mit dem Zweck des § 4 Abs. 2 StVO vereinbar. § 4 Abs. 2 StVO dient zur Förderung des Verkehrsflusses.94 Unter Einrechnung des Abstandes beträgt die Länge der gekoppelten Fahrzeuge über 20 m. Eine Ausnahmeregelung hätte zur Folge, daß solche Lkws praktisch nicht überholt werden könnten und der Verkehrsfluß wesentlich gehemmt wäre.

bb) Geschlossene Verbände § 27 StVO regelt von § 4 Abs. 2 StVO abweichende Abstandsregelungen. Elektronisch gekoppelte Fahrzeuge fallen jedoch nicht unter die Bestimmung für geschlossene Verbände gemäß § 27 StVO. Ein geschlossener Verband ist eine sich gemeinsam fortbewegende Mehrheit von Verkehrsteilnehmern mit einheitlicher Führung.95 Dieser kann bereits bei drei Fahrzeugen bestehen.96 Daraus wird zum Teil gefolgert, daß ein geschlossener Verband erst ab drei Fahrzeugen anzunehmen sei und die elektronische Deichsel mit zwei Lkws nicht darunter falle.97 Die Rspr. setzt jedoch keine Mindestzahl voraus.98 Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, 797, 803 zu § 4 Abs. 2. Bereits in S. 1 ist klargestellt, daß dieser Abstand bei Überholmanövern nicht gilt. Art. 13 Abs. 4 S. 2 WÜ besagt: „Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verkehr sehr dicht oder das Überholen verboten ist. Außerdem können die zuständigen Behörden für bestimmte Fahrzeugkolonnen Abweichungen von diesen Bestimmungen zulassen oder sie auch auf Straßen, auf denen dem Verkehr in der betreffenden Richtung zwei Fahrsteifen zur Verfügung stehen, für unanwendbar erklären; können die Vertragsparteien oder ihre Teilgebiete andere Werte als die in diesem Absatz genannten für die betroffenen Fahrzeuge bestimmen.“ 94 Begr. zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797, 803 zu § 4 Abs. 2. 95 Kuckuk / Werny, § 27 StVO, Rnr. 1; Hentschel, § 27 StVO, Rnr. 5; Rüth / Berr / Berz, § 27 StVO, Rnr. 1. 96 Hentschel, § 27 StVO, Rnr. 5; Riecker, VersR 1982, S. 1034, 1035; OLG Nü, VersR 1978, S. 1045; OLG Ka, NZV 1991, S. 154; LG Verden, NZV 1989, S. 324, 325. 97 Frenz, DAR 2003, S. 58, 60. 98 LG Verden, NZV 1989, S. 324, 325. 92 93

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Allerdings wäre eine elektronische Koppelung nicht auf zwei Fahrzeuge beschränkt, sondern könnte sich auch auf drei Fahrzeuge ausweiten.99 Selbst wenn ein geschlossener Verband angenommen würde, müßte dieser ab einer gewissen Länge gemäß § 27 Abs. 2 1. HS StVO in angemessenen Abständen Zwischenräume für den übrigen Verkehr frei lassen. Dies würde eine elektronische Deichsel nicht einhalten können, wollte man sie nicht während der Fahrt öfter auflösen. Alternativ dürfte der Konvoi nicht so lang sein, daß Zwischenräume zwingend nötig seien.100 § 27 StVO paßt auch im übrigen nicht, da gemäß § 27 Abs. 3 S. 2 StVO jedes Kraftfahrzeug als zum Verband gehörig gekennzeichnet sein muß.101 Das Fahrerassistenzsystem befindet sich in jedem Lkw und kann nach Bedarf aktiviert und deaktiviert werden, so daß bei Kompatibilität des Fahrerassistenzsystems während einer mehrstündigen Fahrt eines Lkws zum Teil eine einfache Koppelung oder eine mehrfache Koppelung oder ein eigenständiges Fahren vorliegen kann. Zwar kann eine aktivierte Koppelung durch Lichtzeichen o. ä. kenntlich gemacht werden102, allerdings verbleibt dann die Frage nach einer Unterscheidung zwischen einer einfachen und einer mehrfachen Koppelung, zumal sich dann unterschiedliche Rechtsfolgen ergäben, falls ein Verband erst ab drei Fahrzeugen angenommen würde. Soweit man einen geschlossenen Verband ab drei elektronisch gekoppelten Fahrzeugen ansieht, wäre es konsequent, auch einen ab zweien anzusehen, da bei einer Sichtbarmachung durch Lichtzeichen o. ä. keine Sicherheitsgründe einer unterschiedlichen Bewertung entgegenstehen. Zudem ist eine einfache Koppelung kürzer und das Hindernis des Einscherens kleiner. Würde jedoch eine elektronische Koppelung als geschlossener Verband angesehen, würde die Ausnahmevorschrift des § 27 StVO über kurz oder lang zur Regel und das grundsätzliche Gebot des § 4 Abs. 2 StVO würde unterlaufen. Gekoppelte Lkws könnten praktisch auf einspurigen Fahrbahnen nicht überholt werden. Daher ist § 27 StVO für die elektronische Deichsel auch nicht entsprechend anwendbar.

d) Abstandsregelung gemäß § 4 Abs. 3 StVO Die Benutzung elektronisch gekoppelter Lkws auf Straßen mit mehren Fahrstreifen kollidiert auch mit § 4 StVO. Als besondere Regel für Lkws mit einem Gesamtgewicht über 3, 5 t und für Kraftomnibusse gilt, daß diese gemäß § 4 Abs. 3 StVO einen Mindestabstand von 50 m einhalten müssen, sobald sie schneller als 50 km / h fahren. Diese Vorschrift dient als Anhaltspunkt für die bessere BemesVgl. zur Systembeschreibung oben unter (§ 1 D. II. 6.). Frenz, DAR 2003, S. 58, 60. 101 A. A. Frenz, DAR 2003, S. 58, 60, der aus dieser Vorschrift eine bauliche Kennzeichnungspflicht zieht. 102 Dafür Frenz, DAR 2003, S. 58, 60. 99

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sung des Sicherheitsabstandes, insbesondere zur Überwachung desselben.103 Eine Unterschreitung, auch wenn sie lediglich ganz vorübergehend ist, ist ordnungswidrig.104 Da elektronisch gekoppelte Fahrzeuge zwei getrennte Fahrzeuge sind, käme es regelmäßig zu Verstößen des § 4 Abs. 2 und 3 StVO, da der Abstand zwischen den beiden Lkws höchstens 20 und 30 m beträgt. Da der Fahrer aufgrund der technischen Eigenart des Systems einem permanenten Verstoß nicht entgehen könnte, wird vertreten, daß § 4 Abs. 3 StVO teleologisch zu reduzieren sei, da durch die technologische Entwicklung die normierte abstrakte Gefahr nicht mehr anzunehmen sei.105 Dem ist vom Grundsatz auch zuzustimmen. Es kommt allerdings nicht darauf an, da sich ein Verstoß gegen § 4 Abs. 3 StVO mit einer Zulassung dieses Fahrerassistenzsystems erübrigt. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Rechtsordnung kann dem Fahrer nicht aufgrund eines Gesetzes (hier der StVZO) ein konkreter Gebrauch erlaubt und gleichzeitig aufgrund eines anderen Gesetzes (StVO) verboten sein, weshalb in diesem Fall die StVZO-Norm Vorrang hat und ein Verstoß gegen die StVO nicht geahndet werden kann.106 Hier muß der Gesetzgeber den Normwiderspruch durch Gesetzesänderung beseitigen.

4. § 5 StVO Überholen Der Begriff des Überholens wird definiert als der tatsächliche, auch absichtslose Vorgang des Vorbeifahrens auf demselben Straßenteil an einem anderen Verkehrsteilnehmer, der sich in derselben Richtung bewegt oder verkehrsbedingt wartet.107

a) Rückschaupflicht § 5 Abs. 4 S. 1 StVO schreibt vor, daß beim Ausscheren eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Daraus folgt, daß derjenige, der ausscheren will, sich z. B. mit Hilfe des Rückspiegels vergewissern muß, daß eine Gefährdung ausgeschlossen ist.108 Dabei muß der Fahrer allerdings den toten Winkel, den er kennen muß, berücksichtigen und diesen durch längeres Beobachten nach hinten ausgleichen.109 Anerkannt wird aber auch die Benutzung eines kleinen ZuFelke, DAR 1988, S. 73, 75 f.; Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 4 a. OLG Zw, NZV 1997, S. 283. 105 Frenz, DAR 2003, S. 58, 60 mit Zweifeln darüber, daß diese Argumentation von den Gerichten übernommen wird. 106 Vgl. oben unter (§ 2 B. I. 3.). 107 Hentschel, § 5 StVO, Rnr. 16; BGH, NJW 1975, S. 1330, 1331; OLG Düss, NZV 1990, S. 278; OLG Düss, NZV 1993, S. 359, 360; OLG Düss, NZV 1997, S. 491; OLG Köln, NZV 1995, S. 74; KG, NZV 1998, S. 376, 377. 108 Hentschel, § 5 StVO, Rnr. 42; Rüth / Berr / Berz, § 5 StVO, Rnrn. 59, 64 ff. 103 104

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satzspiegels zur Gefahrenverhütung.110 Die gleichen Pflichten zur Rückschau treffen den Fahrer bei einem Fahrstreifenwechsel gemäß § 7 Abs. 5 StVO.111 Zur noch besseren Gefahrenverhütung geeignet sind Spurwechselassistenten. Hierbei gilt allerdings, daß der Fahrer die Situationen, in denen das System nicht ausreichend ist, um den Verkehr im erforderlichen Umfang zu beobachten, kennen muß; genauso wie er die technische Grenze des toten Winkels eines herkömmlichen Rückspiegels kennen muß. b) Pflichten des zu Überholenden Für einige Fahrerassistenzsysteme ist weiterhin relevant, daß der zu Überholende gemäß § 5 Abs. 6 StVO während des Überholvorganges seine Geschwindigkeit nicht erhöhen darf. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, daß sich der Überholweg verlängern würde und somit nicht mehr abschätzbar wäre112, was auch für Straßen mit mehr als einer Fahrspur gilt.113 Bei der Benutzung von Abstandsregeltempomaten ist folgendes Fallbeispiel denkbar, bei dem ein Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 1 StVO vorliegt: Fallbeispiel 7114 F1 fährt mit Abstandsregeltempomat auf der rechten Spur einer Autobahn hinter F2 her. Der Abstandsregler ist auf eine Geschwindigkeit von zulässigen 120 km / h eingestellt. Da F2 lediglich mit einer Geschwindigkeit von 100 km / h fährt, ist F1 auch nicht schneller. F3 ist im Begriff F1 und F2 auf der linken Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von 120 km / h zu überholen. Währenddessen wechselt F2 auf die Spur einer Autobahnausfahrt. Vor F1 fährt nunmehr F4 mit einer Geschwindigkeit von 120 km / h, den sich der Abstandsregeltempomat als neues Ziel setzt. Das Fahrzeug des F1 beschleunigt auf 120 km / h.

In diesem Fall hätte F1 den Verstoß durch Übersteuerung des Systems, d. h. hier durch Bremsen verhindern können. 5. § 8 StVO Vorfahrt Gemäß § 8 Abs. 1 StVO hat an Kreuzungen und Einmündungen Vorfahrt, wer von rechts kommt. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 StVO muß derjenige Fahrer, der die Vorfahrt zu beachten hat, rechtzeitig insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit zu 109 Hentschel, § 5 StVO, Rnr. 43; Rüth / Berr / Berz, § 5 StVO, Rnr. 66; OLG Hamm, VM 1966, S. 85; OLG Ce, VRS 32, S. 384, 385; KG, VRS 66, S. 152, 153. 110 Hentschel, § 5 StVO, Rnr. 43. 111 Hentschel, § 7 StVO, Rnr. 17; Rüth / Berr / Berz, § 7 StVO, Rnr. 17; BayObLG, VRS 40, S. 466; OLG Ka, VRS 78, S. 322, 323. 112 BayObLG, VM 1978, S. 42, 43. 113 Hentschel, § 5 StVO, Rnr. 61. 114 Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 10, S. 47.

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erkennen geben, daß er warten wird. Nach Satz 2 darf er nur weiter fahren, wenn er übersehen kann, daß er den Vorfahrtsberechtigten nicht wesentlich behindert. Sofern er das nicht übersehen kann, ist er nach Satz 3 berechtigt, sich vorsichtig in die Kreuzung hineinzutasten. Aber auch im Rahmen des § 8 StVO muß der Vorfahrtsberechtigte die Sorgfaltspflichten aus §§ 1 und 11 StVO berücksichtigen und muß sein Vorfahrtsrecht gegenüber Leben, Gesundheit und Eigentum der anderen Verkehrsteilnehmer zurückstellen.115 Der Berechtigte kann sich nicht erst verkehrswidrig verhalten und dann zu seiner Entlastung vorbringen wollen, er habe den Unfall nicht vorhersehen können.116 Im Fallbeispiel 3117 hat F2 gegen § 8 Abs. 1 StVO verstoßen, weil er die Vorfahrt des F1 nicht beachtet hat. Soweit das Fahrerassistenzsystem übersteuerbar wäre, wäre F1 jedoch aufgrund seiner Pflicht aus § 1 StVO zur Gefahrenabwehr verpflichtet gewesen, trotz Geschwindigkeitsbeschränkung zu beschleunigen.

a) Übersehbarkeit des Kreuzungsbereiches § 8 Abs. 2 S. 3 StVO ist für Fallbeispiel 5 bedeutsam. Wer nämlich bei Nebel nach Anhalten ganz vorsichtig in eine Vorfahrtstraße abbiegt, der handelt gegenüber einem zu schnell fahrenden Vorfahrtsberechtigten nicht fahrlässig.118 Allerdings ist F1, wie bereits festgestellt, nicht zu schnell gefahren, da er mit Hilfe des Infrarotsichtsystems die Strecke übersehen konnte. An dieser Stelle zeigt sich, daß weder § 3 Abs. 1, noch § 8 Abs. 2 S. 3 StVO auf ein derartiges Fahrerassistenzsystem zugeschnitten sind. Die Konsequenz ist, daß F1 im Fallbeispiel 5 zwar nicht gegen § 3 StVO verstoßen hat, weil F1 die gesamte Strecke übersehen konnte. F1 hat jedoch gegen § 1 StVO verstoßen, weil er in Betracht ziehen mußte, daß F2 wegen seiner beschränkten Sicht darauf angewiesen war, vorsichtig in die Kreuzung hineinfahren zu müssen.119 Der grundsätzlich bestehende Vertrauensgrundsatz des Vorfahrtberechtigten ist in Situationen beschränkt, in denen die Umstände gegen diesen Grundsatz sprechen.120 Zu diesen besonderen Umständen gehört auch dichter Nebel.121 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß dichter Nebel 115 Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 47; BGH, VM 1959, S. 8; OLG Hamm, VersR 1989, S. 755; OLG Köln, VersR 1997, S. 465. 116 OLG Ka, VRS 30, S. 69, 70 f.; KG DAR 1974, S. 297. 117 Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. b) cc) (2) (a)]. 118 Hentschel, § 3 StVO, Rnr. 38; § 8 StVO, Rnr. 59. 119 Fahren auf Sicht gilt nicht, wenn der Fahrer ein verkehrswidrig entgegenkommendes Fahrzeug sieht, BGH, VersR 1987, S. 693. 120 Hentschel, § 8 StVO, Rnrn. 48 f., 51; BGHSt 7, S. 118 ff., 126; BGHSt 13, S. 169, 173; BGH, NJW 1985, S. 2757, 2758; BayObLG, NZV 1989, S. 121, 122; OLG Hamm, VersR 1989, S. 755; OLG Mü, VersR 1978, S. 973; OLG Ka, VRS 30, S. 69, 70; OLG Köln, NZV 1989, S. 437. 121 Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 51.

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als einschränkender Umstand nur deshalb genannt ist, weil ohne entsprechendes Fahrerassistenzsystem dieser Nebel dazu führt, daß die Wartepflicht des Wartepflichtigen eingeschränkt ist. Diese besteht nämlich nur gegenüber sichtbaren Berechtigten.122 Daraus, daß die Wartepflicht deshalb z. B. bei Nebel nicht besteht123, wird gefolgert, daß die Wartepflicht nicht besteht, wenn sich der Wartepflichtige auf das für den Vorfahrtberechtigten geltende Sichtfahrgebot berufen kann.124 Gerade diese Folgerung greift jedoch in Fallbeispiel 5 nicht, da F2 sich nicht auf das für F1 geltende Sichtfahrgebot berufen kann, weil F1 in seiner Sicht eben gerade nicht eingeschränkt ist. Im Fallbeispiel 5 ist jedoch der Vertrauensgrundsatz des Vorfahrtsberechtigten trotzdem einzuschränken, weil der Vorfahrtsberechtigte F1 damit rechnen muß, daß F2 davon ausgeht, F1 sei in seiner Sicht ebenso eingeschränkt wie er. Wenn § 1 Abs. 1 StVO den Fahrer zur Unfallverhütung verpflichtet, soweit er erkennen kann, daß andere Verkehrsteilnehmer durch verkehrswidriges Verhalten eine Unfallgefahr herbeiführen125, dann gilt dies erst recht, wenn andere Verkehrsteilnehmer aufgrund rechtmäßigen Verhaltens eine solche Gefahr herbeiführen. Der Vertrauensgrundsatz ist daher eingeschränkt, solange solche Fahrerassistenzsysteme entweder aufgrund gesetzlicher Vorschriften oder durch überwiegende Markteinführung in nahezu jedem Fahrzeug eingebaut sind. b) Bewertung von Fallbeispiel 5 F2 hat auch nicht gegen § 8 StVO verstoßen hat, obwohl auch F2 die theoretische Möglichkeit zur Verwendung eines Infrarotsichtsystems gehabt hätte. F2 wird durch die StVO gegenüber F1, der ein technisch besser ausgestattetes Fahrzeug benutzt, geschützt. Dieser Schutz folgt aus dem allgemeinen Gebot des § 1 StVO, Gefährdungen anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden. Zwar resultiert die Berechtigung des Fahrers, die technischen Möglichkeiten seines Fahrzeuges auszunutzen, aus den Bauvorschriften für Kfz aus der StVZO. Als Beispiel hierzu sei angeführt, daß F1 im Fallbeispiel 5 bei Regen statt dichtem Nebel nicht gegen § 1 StVO verstoßen hätte, weil F2 aufgrund der Scheibenwischer trotz Regen den Kreuzungsbereich hätte überblicken können. Solange aber nicht alle Fahrzeuge mit einem derartigen System ausgestattet sind oder sein müssen, kann ohne Änderung der StVO an dieser Stelle zu keinem ande122 Dannert, NZV 1995, S. 132; Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 55; BGH, NZV 1994, S. 184; OLG Hamm, NZV 1994, S. 277, 278; OLG Hamm, VRS 89, S. 20; OLG Köln, VRS 94, S. 249, 250; OLG Schl, NZV 1994, S. 439. 123 Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 55; OLG Schl, NZV 1994, S. 439. 124 Hentschel, § 8 StVO, Rnr. 55. 125 Cramer, § 1, Rnr. 10; Hentschel, Einl. Rnr. 123, § 1 StVO, Rnr. 20; Kuckuk / Werny, § 1 StVO, Rnrn. 11, 13; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 250; Rüth / Berr / Berz, § 1 StVO, Rnrn. 65 ff.; BGH, VersR 1971, S. 440; BGH, VersR 1972, S. 459; OLG Düss, VRS 54, S. 298; BayObLG, NZV 1989, S. 121, 122; OLG Hamm, NZV 1993, S. 66 bei gebrechlichen Personen und Kindern.

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ren Ergebnis gelangt werden. Denn aus der Sicht des F2 war es ohne Sichtverbesserungssystem nicht möglich, F1 zu erkennen und sich anders zu verhalten. F1 hingegen mußte, solange noch nicht jedes Fahrzeug ein solches System hat, davon ausgehen, daß F2 ihn nicht sehen konnte und vorsichtig in die Kreuzung einbog. Dadurch wird der Nutzen des Systems für F1 wesentlich geringer, da aus seiner Sicht alle Fahrer – er muß mit der Möglichkeit des Fehlens eines solchen Fahrerassistenzsystems rechnen – schutzbedürftig sind. Der grundsätzlich berechtigte Vertrauensgrundsatz bei derartigen Verkehrssituationen wird dem Fahrer daher genommen. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch zu beachten, daß der Vertrauensgrundsatz der StVO unter verkehrspsychologischen Aspekten keinen derart hohen Stellenwert verdient.126 Dies wird unter anderem damit begründet, daß es für die Verkehrssicherheit und das Verkehrsklima eher von Nutzen wäre, wenn größeres Gewicht auf den Grundsatz der abgestuften Sorgfaltspflichtanforderungen der StVO127 und den in § 11 StVO niedergelegten Verhaltenspflichten z. B. eines Vorfahrtverzichtes wegen besonderer Verkehrslage oder einer Verständigung mit einem anderen Fahrer gelegt würde.128

B. Halter- und Fahrerhaftung Bei den Haftungsvoraussetzungen für Fahrer und Halter eines mit Fahrerassistenzsystemen ausgestatteten Fahrzeuges stellen sich neue Probleme hinsichtlich der Beurteilung der Verhaltensanforderungen, der Höhe der Betriebsgefahr, des Verschuldens, der höheren Gewalt, des unabwendbaren Ereignisses und des Anscheinsbeweises. Für die Haftung des Halters gemäß § 7 StVG stellt sich einerseits die Frage, wie die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges mit Fahrerassistenzsystem gegenüber anderen unfallbeteiligten Fahrzeugen ohne Fahrerassistenzsystem zu bewerten ist. Des weiteren ist fraglich, in welchen Konstellationen ein Haftungsausschluß gemäß § 7 Abs. 2 StVG anzunehmen sein wird. Hinsichtlich der Fahrerhaftung gemäß §§ 7, 18 StVO ist fraglich, wann den Fahrer ein Verschulden trifft.

I. Haftung des Halters nach § 7 StVG Die straßenverkehrsrechtliche Haftung trifft den Halter gemäß § 7 StVG verschuldensunabhängig. Im Zusammenhang mit modernen Fahrerassistenzsystemen Barthelmess, NZV 1998, S. 357 ff. Vgl. unten (§ 3 B. II. 2.); Deutsch, JZ 1968, S. 104; Hentschel, Einl. zur StVO, Rnr. 139; BGH, NJW 1988, S. 909. 128 Barthelmess, NZV 1998, S. 357, 360 ff. 126 127

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ergeben sich hinsichtlich der Betriebsgefahr, des Haftungsausschlusses und des Verschuldens des Fahrers neue Fragestellungen. Hinsichtlich der Haltereigenschaft ergeben sich keine neuen Probleme. Halter eines Fahrzeuges ist, wer dieses auf eigene Rechnung gebraucht, indem er die Kosten bestreitet und die Verwendungsnutzungen zieht.129 1. Betrieb des Kraftfahrzeugs Die Haftung besteht nur, wenn beim Betrieb des Kraftfahrzeuges ein Mensch getötet oder verletzt oder eine Sache beschädigt wird, § 7 Abs. 1 StVG. Der maschinentechnische Begriff des Betriebes sieht vor, daß der Motor oder eine andere Betriebseinrichtung das Kraftfahrzeug bewegt130, während die weitergehende verkehrstechnische Auffassung einen Betrieb schon dann annimmt, wenn das Kraftfahrzeug sich im öffentlichen Verkehrsbereich bewegt oder darin in verkehrsbeeinflussender Weise ruht131. In Bezug auf Fahrerassistenzsysteme ergeben sich keine neuen Problemstellungen, da die auf Elektronik basierenden Systeme ihre Funktion erst dann einsetzen, wenn das Fahrzeug durch Motorenkraft oder elektrisch betrieben im Verkehr in Bewegung ist. Der Betrieb des Kfz ist die Grundlage der für jedes Fahrzeug im Einzelfall zu beurteilenden Betriebsgefahr. Diese ist für einen Haftungsausgleich gemäß § 17 StVG relevant.

2. Haftungsausschluß gemäß § 7 Abs. 2 StVG Der Halter wird gemäß § 7 Abs. 2 StVG nicht in die Haftung genommen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Mit der Einschränkung des Haftungsausschlusses durch die Einführung des im Vergleich zum unabwendbaren Ereignis engeren Merkmals der höheren Gewalt, ist vielfachen Forderungen in dieser Hinsicht, insbesondere aus Gründen des Minderjährigenschutzes nachgekommen worden.132 Das Merkmal der höheren Gewalt ist im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 HPflG zu verstehen.133 Rechtsdogmatisch soll die Änderung den Systembruch in § 7 StVG, der in der Abhängigkeit des sorgfaltswidrig handelnden Fahrers von seiner Haftung lag, beseitigen und eine Angleichung an andere Gefährdungshaftungs129 Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 14; Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 29; BGHZ 13, S. 351, 354; BGHZ 87, S. 133, 135. 130 Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 5 a; BGH, NJW 1975, S. 1886; OVG Münster, NZV 1995, S. 88. 131 Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 5; Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 29; BGHZ 29, S. 163, 165; KG, VersR 1978, S. 140, 141; OLG Köln, NJW-RR 1987, S. 478; OLG Düss, VersR 1987, S. 568. 132 Vgl. Jagusch / Hentschel, 35. Aufl., § 7 StVG, Rnr. 31; Scheffen, DAR 1991, S. 121, 122; Steffen, DAR 1998, S. 135. 133 BT-Drs. 14 / 7752, S. 30.

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tatbestände schaffen.134 Praktisch soll die Verschärfung auch im Hinblick auf § 3 Abs. 2 a StVO Kindern und älteren Menschen zugute kommen, deren grob sorgfaltswidriges Verkehrsverhalten in der Vergangenheit zum Haftungsausschluß führte, weil selbst ein Idealfahrer deren Sorgfaltswidrigkeit nicht mehr ausgleichen konnte.135 Letztendlich ist diese Änderung auch im Hinblick mit dem noch nicht ratifizierten Europäischen Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr erfolgt, welches einen Haftungsausschluß aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses nicht kennt.136 Ein Haftungsausschluß wird demgemäß unter Verweis auf die zu § 1 HPflG ergangene und vom Regierungsentwurf übernommene Rechtsprechung dann vorliegen, wenn ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis vorliegt, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.137 Durch diese hohen Anforderungen, die für einen Haftungsausschluß kumulativ erfüllt werden müssen, kommt ein solcher nur noch in Betracht, wenn der Unfall auf einem externen Eingriff in den Straßenverkehr oder auf einem Naturereignis beruht.138 Hier stellt sich die Frage, ob ein Fall von höherer Gewalt vorliegt, wenn von außen auf ein fehlerfreies Fahrerassistenzsystem eingewirkt wird, so daß es fehlerhaft wird, ohne daß der Fahrer den Fehler beheben kann.139

a) Einwirkung von außen auf fehlerfreies System Die Fälle, in denen von außen auf ein fehlerfreies System eingewirkt wird, so daß es fehlerhaft funktioniert, ohne daß der Fahrer den Fehler beheben kann, werden als unabwendbare Ereignisse angesehen.140 Solche Fälle können bei infrastrukturunterstützten Fahrerassistenzsystemen und bei solchen, die auf FahrzeugBT-Drs. 14 / 7752, S. 30. Vgl. BT-Drs. 14 / 7752, S. 30, Wagner, NJW 2002, S. 2049, 2061; Fälle eines unabwendbaren Ereignisses bei Sorgfaltspflichtverletzung von Kindern: OLG Ka, DAR 1984, S. 19; BGH, NJW 1985, S. 1950; OLG Mü, VRS 1993, S. 256; OLG Schl, MDR 1997, S. 1122. 136 BT-Drs. 14 / 7752, S. 31. 137 BT-Drs. 14 / 7752, S. 30 mit Verweis auf BGHZ 7, S. 338, 339; BGHZ 62, S. 351, 354; BGH, NJW 1953, S. 184; BGH, NJW 1986, S. 2313; BGH, VersR 1967, S. 138, 139; BGH, VersR 1976, S. 963; BGH, VersR 1988, S. 910; Wagner, NJW 2002, S. 2049, 2061. 138 BGHZ 105, S. 135, 136 f.; Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 34; Wagner, NJW 2002, S. 2049, 2061. 139 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546. 140 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546. 134 135

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Fahrzeug-Kommunikation basieren, vorkommen, wenn der Fahrer den Fehler nicht oder zu spät erkennt. Die Ursache müßte in einer Störung in der Infrastruktur oder im fremden Fahrzeug liegen. Da es sich bei Störungsfällen in der Infrastruktur um eine betriebsfremde Gefahr des einzelnen Fahrzeuges handelt, sollten diese Fälle auch weiterhin zum Haftungsausschluß führen.

b) Nicht-übersteuerbares System Ein unabwendbares Ereignis wird auch im Fallbeispiel 3 angenommen, wenn der Fahrer aufgrund eines nicht möglichen Beschleunigens einen Unfall nicht mehr vermeiden kann.141 Der Fahrer hat jedoch dieses bei seiner Fahrweise zu beachten, da er ansonsten fahrlässig handelt.142 Im Fallbeispiel 3 liegt ein unabwendbares Ereignis nur dann vor, wenn F1 nicht fahrlässig gehandelt hätte, d. h. wenn er vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich beim Erkennen, daß F2 die Vorfahrt nicht beachten wird, rechtzeitig hätte abbremsen können. Darüberhinaus ist die Sorgfaltspflicht eines Idealfahrers zu beachten. Zu dieser gehört auch die Einkalkulierung der fehlenden Beschleunigungsmöglichkeit in der Weise, daß F1 beim Einfahren in den Kreuzungsbereich schon bei geringem Zweifel über das Verhalten des F2 mit geringerer als der zulässigen Höchstgeschwindigkeit fährt. Gleiches gilt in folgendem Fallbeispiel: Fallbeispiel 8143 F1 fährt mit Notbremssystem hinter F2 auf der linken von zwei Fahrspuren. Auf der rechten Fahrspur direkt neben F1 fährt der Lkw F3. F3 schert ohne auf F1 zu achten auf dessen Fahrspur aus.

Da das Notbremssystem bei einer Beschleunigung wegen des geringen Abstandes zu F2 intervenieren würde, wird auch in diesem Fall ein unabwendbares Ereignis angenommen.144 Allerdings ist auch hier von einem Idealfahrer zu erwarten, daß dieser vor einer Beschleunigung und daher vor einer Intervention das Notbremssystem abschaltet und damit die Kollision verhindern kann. Während eine solche Beachtung in den Fallbeispielen 3 und 8 denkbar ist, kann sie im Fallbeispiel 4145 auch von einem Idealfahrer nicht eingehalten werden. In diesem Fallbeispiel hat F1 beim Ausscheren von F3 keine Möglichkeit die Kollision durch Beschleunigen zu vermeiden. Aufgrund der Länge des Lkws kann F1 die Kollision auch nicht durch Abbremsen vermeiden. 141 142 143 144 145

Feldges / Brandenburg, Response, S. 162. Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 14, S. 54. Feldges / Brandenburg, Response, Lösung zu Szenario 14, S. 162. Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. b) cc) (2) (a)].

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Anders als bei einer Störung der Infrastruktur handelt es sich hierbei um eine schadensbringende Ursache, die sich aus dem gesamten, funktionsfähigen Fahrerassistenzsystem ergibt. Da diese Ursache nicht ausschließlich aus der externen Anlage, sondern auch aus der fahrzeuginternen Konstruktion ergibt und somit betriebseigen ist, sollte kein Fall einer höheren Gewalt angenommen werden.

II. Haftung des Fahrers nach §§ 7, 18 StVG Im Unterschied zum Halter haftet der Fahrer gemäß §§ 7, 18 StVG verschuldensabhängig. Dabei ist im Hinblick auf das Notbremssystem zum einen der Fahrerbegriff problematisch, zum anderen, wann ein Verschulden anzunehmen ist. 1. Fahrzeugführer Im Zusammenhang mit der elektronisch gekoppelten Fahrzeuge – elektronische Deichsel – und allgemein bei nicht-übersteuerbaren Systemen, ist die Vereinbarkeit mit dem Begriff des Fahrzeugführers problematisiert worden.146 Die Vereinbarkeit von nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen mit dem WÜ ist bereits dargelegt worden.147 Davon zu unterscheiden ist die Problematik, ob die am Steuer des nachfahrenden Fahrzeugs bei einer elektronischen Deichsel sitzende Person noch als Fahrzeugführer im Sinne des § 18 StVG anzusehen ist. Gem. § 18 StVG ist Fahrzeugführer derjenige, der das Kraftfahrzeug in eigener Verantwortung in Bewegung setzt oder anhält und die tatsächliche Herrschaft über das Fahrzeug innehat.148 Im Fall eines Abstellens des Fahrzeuges bleibt er solange Führer, bis er es außer Betrieb setzt oder ein anderer die Führung übernimmt.149 Die Eigenschaft eines Fahrzeugführers ist daher abhängig von der Führung des Fahrzeuges und von seiner bleibenden Verantwortung.150 Der im nachfolgenden Fahrzeug sitzenden Person verbleibt die Verantwortung für die Führung des Fahrzeuges. Die elektronische Deichsel erleichtert zwar die Führung, das nachfolgende Fahrzeug ist dennoch ein eigenständiges Fahrzeug und kein Anhänger151. Die Fahrzeuge sind nicht zwingend permanent gekoppelt, denn 146 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 547, pauschalisierend in einem Satz gegen eine Vereinbarkeit mit Art. 8 Abs. 5 WÜ. 147 Vgl. oben unter (§ 2 A.). 148 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546; Greger, § 18 StVG, Rnr. 6. 149 Greger, § 18 StVG, Rnr. 6; Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 2; BGH, NZV 1989, S. 32, 33; OLG Hamm, VersR 1975, S. 752. 150 Begr. zur StVO, VerkBl. 1970, 797, 811, zu § 23. 151 Frenz, DAR 2003, S. 58, 62; nach der Rspr. kann sich ein Anhänger nicht durch eigene Antriebskraft fortbewegen, sondern benötigt die Zugkraft eines Motorwagens, BGH, VRS 72, S. 38, 39; BGH, VersR 1971, S. 611.

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das vordere Fahrzeug kann in Situationen, in denen die Kopplung nicht zuverlässig funktioniert, die Übergabe an das nachfolgende Fahrzeug vollziehen. Wie bereits im Rahmen des WÜ dargelegt,152 gilt auch hier, daß der Schwerpunkt auf die Innehabung der Überwachungsfunktion für eine ordnungsgemäße und sichere Führung des Fahrzeuges gelegt werden muß. Der Begriff des Beherrschens eines Fahrzeuges droht bei nicht-übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen bzw. autonomen Systemen mißinterpretiert zu werden.153 Zudem darf nicht übersehen werden, daß der Fahrzeugführerbegriff und dessen Pflichten vermengt werden. Selbst beim Fahren mit einem autonomen System ist Fahrzeugführer derjenige, der die Überwachungsfunktion des Autopiloten innehaben wird. Im Luftverkehr wird auch nicht an der Piloteneigenschaft gezweifelt, nur weil der Autopilot eingeschaltet ist.

2. Verschulden des Fahrers § 18 Abs. 1 S. 2 StVG schließt die Ersatzpflicht des Fahrzeugsführers aus, wenn der Schaden nicht durch ein Verschulden des Führers verursacht ist. Damit handelt es sich um eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast.154 Ein Verschulden kann aufgrund von Bedienungsfehlern, aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit und wegen unterlassener Nutzung des Fahrerassistenzsystems vorliegen. Außerdem liegt ein Verschulden des Fahrers immer dann vor, wenn das Fahrzeug, für den Fahrer erkennbar, durch ein defektes Fahrerassistenzsystem verkehrsunsicher ist.155 Im Rahmen der straßenverkehrsrechtlichen Verschuldenshaftung wird der Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB zugrunde gelegt. Fahrlässig handelt danach, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt. Dabei wird auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kraftfahrzeugfahrers abgestellt.156 Diese ist die Sorgfalt, mit der der Fahrer gewöhnliche Verkehrslagen hätte bewältigen können.157 Erforderlich ist neben dem objektiven Pflichtenverstoß die Außerachtlassung der inneren Sorgfalt, d. h. das Hinwegsetzen über Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit der Vgl. oben unter (§ 2 A. V.). Vgl. § 3 Abs. 1 StVO, in dem der Begriff des Beherrschens Gesetzestext ist, eine Erklärung aber in der Begründung zur StVO nicht vorkommt. Die StVO will sich als volkstümliches Gesetz dem Verständnis des Volkes möglichst anpassen, Begr. zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797, 799 unter I. 3. Konnte bisher „Beherrschen des Fahrzeuges“ ohne Definition eindeutig verstanden werden, so kommt es jetzt zu Verständnisproblemen. 154 Greger, § 18 StVG, Rnr. 13; Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 1; BGH, NJW 1983, S. 1326, 1327; OLG Stg, VersR 1979, S. 1039. 155 Vogt, NZV 2003, S. 153, 157. 156 Greger, § 18 StVG, Rnr. 15; Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 4; BGH, VersR 1968, S. 395; BGH, NJW 1988, S. 909; OLG Ba, VersR 1982, S. 583, 584. 157 Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 4; OLG Ka, VersR 1982, S. 450. 152 153

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Tatbestandsverwirklichung.158 Allerdings wird dabei nicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Handelnden abgestellt, sondern auf das allgemeine Verkehrsbedürfnis.159 Eine Abstufung wird aber insoweit vorgenommen, als unterschiedliche Anforderungen an verschiedene Menschen- oder Berufsgruppen vorgenommen werden, z. B. Jugendliche, ältere Menschen, persönliche Fähigkeiten.160 Dieser objektive Sorgfaltspflichtmaßstab gilt nicht bei der Feststellung eines Vorliegens von grober Fahrlässigkeit. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wobei ganz einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet werden, was im konkreten Fall jedem hätte einleuchten müssen.161 Dabei sind auch Umstände des Handelnden insoweit zu berücksichtigen, als dieser auch in subjektiver Hinsicht ein unentschuldbares Fehlverhalten an den Tag gelegt haben muß, das über das gewöhnliche Maß hinausgeht.162 Wichtiger als die buchstabengetreue Anwendung der Verkehrsregeln ist die ständige Aufmerksamkeit auf das Verkehrsgeschehen, um situationsangepaßt zu fahren und Unfälle und Gefahren anderer Verkehrsteilnehmer abzuwenden.163 Dies zeigt auch der aufgezeigte und anzuwendende Sorgfaltsmaßstab, nämlich die Bewältigung der verschiedenen Verkehrslagen. Ein Verschulden ist auf alle Fälle dann anzunehmen, wenn der Fahrer die Verkehrslage allein deshalb nicht bewältigt hat, weil er dem Verkehr zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat. a) Bedienungsfehler Damit der Fahrer seinen Pflichten aus der StVO gerecht werden kann, muß er das Fahrerassistenzsystem auch richtig bedienen. Dabei sind mehrere Arten einer fehlerhaften Bedienung zu unterscheiden. Greger, § 16 StVG, Rnr. 76; Palandt-Heinrichs, § 276, Rnrn. 12, 20, 21. BGH, NJW-RR 1996, S. 981; Greger, § 16 StVG, Rnr. 77; Palandt-Heinrichs, § 276, Rnr. 15. 160 Hentschel, Einl., Rnr. 139; BGHZ 31, S. 357, 367; BGH, NJW 1970, S. 1038; BGH, NJW 1988, S. 909. 161 Müko-Hanau, § 276 BGB, Rnr. 2; Palandt-Heinrichs, § 276, Rnr. 14; § 277, Rnr. 4; BGHZ 10, S. 14, 16; BGHZ 89, S. 153 161; BGH, NJW–RR 1994, S. 1469, 1471; BGH, NJW 2003, S. 1118, 1119; Beispielsfälle: OLG Mü, DAR 1983, S. 78 – Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit um 100%; BGH, NJW 1992, S. 2418 – Einfahren in Kreuzungsbereich bei Rotlicht; OLG Zw, VersR 1993, S. 218 – Überfahren eines Stoppschildes, weitere bei Riedmaier, VersR 1981, S. 10; deckt sich mit Legaldefinition in § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X: „Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird“. 162 Palandt-Heinrichs, § 276, Rnr. 5; BGHZ 10, S. 14, 17; BGHZ 119, S. 147, 149; BGH, NJW 1997, S. 1012; BGH, NJW 2003, S. 1118, 1119 st. Rspr. 163 Barthelmess, NZV 1998, S. 357, 361; Greger, § 16 StVG, Rnr. 226; Hentschel, Einl., Rnrn. 122, 124; OLG Düss, VersR 48, S. 134 f.; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 261: nicht rücksichtslos auf eigenes Recht beharren. 158 159

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aa) Unkenntnis der Bedienungsfunktionen Als fehlerhafte Bedienung ist zu werten, wenn der Fahrer mit den Bedienungsfunktionen des Systems nicht umzugehen weiß und daher auch nicht weiß, wie er ein Fahrerassistenzsystem übersteuern oder abschalten kann.164 bb) Unkenntnis der Systemgrenzen Zu den wesentlichen Pflichten des Fahrers gehört des weiteren, die Verkehrssituationen zu kennen, in denen das Fahrerassistenzsystem nicht zuverlässig funktioniert.165 Die Fallbeispiele 9 und 10 zeigen Verkehrssituationen, in denen der Fahrer um die technischen Systemgrenzen des Fahrerassistenzsystem nicht weiß. Fallbeispiel 9166 F1 fährt mit Abstandsregeltempomat mit einer Geschwindigkeit von 130 km / h auf der Autobahn. Plötzlich kommt Nebel auf. F1 reduziert die Geschwindigkeit nicht, weil er denkt, daß das Fahrerassistenzsystem auch bei Nebel genauso gut funktioniert. Das System erkennt den mit einer Geschwindigkeit von 80 km / h vorausfahrenden F2 nicht. F1 erkennt ihn zu spät, als daß er durch einen Bremsvorgang eine Kollision verhindern könnte. Fallbeispiel 10 F1 fährt mit automatischem Spurführungssystem auf der Autobahn. Die Spur hört auf. F1 denkt fälschlicherweise, daß sich das Spurführungssystem selbständig einfädelt.

In den Fallbeispielen 9 und 10 liegt ein Verschulden des Fahrers vor. Er hätte wissen müssen, daß das System nicht zuverlässig funktioniert und hätte somit einen Unfall verhindern können. In diesen Fällen versagt zwar die Systemfunktion, jedoch ist dieses Versagen für den Fahrer vorhersehbar, wenn er sich durch Bedienungsanleitungen etc. darüber hätte informieren können.167 cc) Unangepaßte Systemeinstellung Ein weiterer Fall einer fehlerhaften Bedienung liegt vor, wenn der Fahrer das Fahrerassistenzsystem für die jeweilige Verkehrssituation falsch einstellt und benutzt. In diesen Fällen funktioniert das System fehlerfrei und zuverlässig, ist aber für die konkrete Verkehrssituation in der vom Fahrer eingestellten Funktion nicht tauglich. Hier liegt das Verschulden des Fahrers darin, daß er die Fähigkeiten des Systems den Straßenverhältnissen nicht richtig anpaßt. Die fehlerhafte Bedienung Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. Ein vergleichbarer herkömmlicher Bedienungsfehler ist das Nichtbeachten des toten Winkels, Hentschel, Einl. Rnr. 143; OLG Hamm, VRS 32, S. 146. 166 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 2, S. 19. 167 Bei technischen Mängeln handelt der Fahrer grds. schuldhaft, wenn er diese kannte, Greger, § 18 StVG, Rnr. 20; BGH, VersR 1968, S. 395; OLG Düss, VersR 1970, S. 67. 164 165

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liegt zum einen an einer mangelnden Aufmerksamkeit auf die sich plötzlich ändernde Verkehrssituation und sodann an einer unterlassenen Systemanpassung. Dazu folgendes Fallbeispiel: Fallbeispiel 11168 F1 hat sein ACC auf 130 km / h eingestellt. Die Fahrbahn ist aufgrund überfrierender Nässe glatt. F1 hat die neuen Straßenverhältnisse falsch eingeschätzt. Aufgrund der schnellen Geschwindigkeit schleudert das Fahrzeug. Es kommt zur Kollision.

Auch im Fallbeispiel 11 handelt der Fahrer fahrlässig. Obwohl er sowohl die Bedienungsfunktionen als auch die technischen Grenzen des Fahrerassistenzsystems kennt, hat er versäumt, das System für die jeweilige Verkehrssituation richtig einzusetzen. Zur Verschuldenskategorie der unangepaßten Systemeinstellung gehört auch das fehlende Einstellen auf eine evtl. mangelnde Übersteuerbarkeit.169

dd) Blindes Systemvertrauen Ein blindes Systemvertrauen liegt vor, wenn der Fahrer das Fahrerassistenzsystem bewußt in Verkehrssituationen einsetzt, in denen es nicht zuverlässig funktioniert. Im Gegensatz zur fehlerhaften Bedienung kennt der Fahrer zwar die Systemgrenzen, er benutzt das Fahrerassistenzsystem trotzdem auch in diesen Situationen. Der Fahrer weiß zwar, daß das System möglicherweise nicht funktionieren wird, vertraut aber darauf, daß es funktioniert. Ein fehlerhafter Einsatz wäre z. B. der grundsätzliche Gebrauch eines Fahrerassistenzsystems im Stadtverkehr, wenn es lediglich für den Autobahnverkehr geeignet ist.170 Ein anderer Fall wäre Fallbeispiel 9, wenn F1 um den möglichen Systemausfall wußte. In diesem Fall kann angenommen werden, daß der Fahrer grob fahrlässig handelt. Ein Fahrer, der sich blindlinks auf ein Fahrerassistenzsystem verläßt, obwohl er um einen möglichen Ausfall weiß, geht Risiken ein, die er im Falle eines Eintritts unter Umständen nicht mehr kontrollieren kann. Ein solcher Fahrer muß in konkreter Weise mit einem Unfall rechnen. Er verstößt daher mindestens in grob fahrlässiger Weise gegen seine Verkehrspflichten. Ein vorsätzliches Handeln kann nicht grds. angenommen werden. Denn dieses liegt nur dann vor, wenn der Fahrer einen Unfall und damit einen Verletzungserfolg billigend in Kauf genommen hat.171 Dies ist im Einzelfall festzustellen. Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiele 15, 24, S. 23, 24. Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549 sehen ebenfalls in der mangelnden Einstellung einer fehlenden Übersteuerbarkeit ein Fahrerverschulden. 170 Grds. alle FAS mit Radarsensoren, da diese unbewegliche Gegenstände ausblenden, vgl. oben unter (§ 1 D. II. 1.). 171 Vgl. Müko-Hanau, § 276 BGB, Rnr. 61; BGH, NJW 1984, S. 800, 801; anders Janker, DAR 1995, S. 472, 475, der in diesen Fällen regelmäßig vorsätzliches Handeln annimmt. 168 169

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

b) Fehlende Aufmerksamkeit Kein Bedienungsfehler, aber ebenfalls fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Fahrer zwar um die Bedienungsfunktionen weiß und auch die Situationen kennt, in denen das System nicht zuverlässig funktioniert, aber den Eintritt einer solchen Verkehrssituation nicht erkennt. In solchen Fällen fehlt dem Fahrer die nötige Aufmerksamkeit eines ordentlichen Kraftfahrzeugfahrers. Fallbeispiele 12 und 13 zeigen dies auf. Fallbeispiel 12 F1 fährt mit automatischem Spurführungssystem auf einer Autobahn. Die Fahrbahnmarkierung ist plötzlich aufgrund einer neuen Teerdecke verschwunden. F1 achtet nicht darauf. In der nächsten Kurve kommt es zur Kollision. Fallbeispiel 13172 F1 fährt mit einer automatischen Spurführung in einem 5 km langen Stau hinter F2 her. F1 liest derweil Zeitung. Weil das Wetter so gut ist und sich schon längere Zeit nichts mehr gerührt hat, steigen einige Personen (P) aus ihren Fahrzeugen aus. Während P zwischen F1 und F2 hindurchgeht, um zu ihrem Fahrzeug zu kommen, fährt F2 weiter. Das Fahrzeug des F1 beschleunigt und da F1 nicht aufpaßt, kommt es zur Kollision mit P.

Neben der Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr muß der Fahrer auch die Funktion des Fahrerassistenzsystems im Blick haben. Der Fahrer muß daher auch beobachten, ob das System noch aktiviert ist oder nicht. Hat der Fahrer nicht beachtet, daß sich das Fahrerassistenzsystem ausgeschaltet hat, obwohl er dies hätte merken können, und verläßt sich weiter auf die Systemfunktion, handelt er fahrlässig. Der Fahrer handelt auch fahrlässig, wenn er bei Benutzung eines nicht-übersteuerbaren Systems die Grenze der Übersteuerbarkeit nicht in seine Fahrweise einbezieht. Bei der Benutzung eines ISA-Systems liegt nicht schon deshalb kein Verschulden vor, weil der Fahrer keine Möglichkeit zum Übersteuern hat.173 Der Fahrer muß sich auf die fehlende Beschleunigungsmöglichkeit einstellen.174 Im Fallbeispiel 3 handelt der Fahrer nur fahrlässig, wenn er vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich rechtzeitig hätte erkennen können, daß F2 die Vorfahrt nicht beachten wird. In der Regel überwiegt jedoch das Verschulden des F2, das zu berücksichtigen ist. c) Unterlassene Nutzung Der Fahrer kann auch fahrlässig zu einem Unfall beitragen, indem er ein eingebautes Fahrerassistenzsystem nicht nutzt. Er kann entweder eine Information oder 172 173 174

Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 13, S. 52. So aber Feldges / Brandenburg, Response, S. 132, 162. Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549.

B. Halter- und Fahrerhaftung

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Warnung ignorieren, ein Fahrerassistenzsystem übersteuern, obwohl es fehlerfrei funktioniert oder es ganz abschalten. Nutzt er ein System nicht, das im konkreten Fall einen Unfall verhindert oder gemindert hätte, so ist dem Fahrer in aller Regel auch ein Mitverschulden anzulasten. aa) Ignorieren einer Warnung oder Information Der Fahrer handelt fahrlässig, wenn er eine Warnung oder Information, die zur Schadensvermeidung beigetragen hätte, ignoriert.175 Ein vorsätzliches Handeln kann nicht grundsätzlich unterstellt werden, da die Möglichkeit besteht, daß der Fahrer darauf vertraut, daß schon kein Unfall passieren wird.176 Dennoch wird grob fahrlässiges Verhalten anzunehmen sein. bb) Übersteuerung Ein Verschulden ist auch dann anzunehmen, wenn der Fahrer das Interventionssystem in einer Situation übersteuert, in der das System besser als der Fahrer eine Gefahr abgewendet hätte. Das bewußte Übersteuern ist das Pendant zum Ignorieren einer Warnung oder Information bei einem Interventionssystem. Dazu folgendes Beispiel: Fallbeispiel 14177 F1 fährt mit ACC und übersteuert die Abstandsregelung. Der Abstand zum vorausfahrenden F2 ist zu gering. Durch plötzlich notwendiges Bremsen des F2 kommt es zu einem Auffahrunfall.

In aller Regel handelt der Fahrer zumindest grob fahrlässig. Selbst wenn der Fahrer fälschlicherweise angenommen hat, daß das Fahrerassistenzsystem fehlerhaft interveniert, hätte er durch Beobachtung des Straßenverkehrs erkennen können, daß dies nicht der Fall ist. cc) Abschalten des Fahrerassistenzsystems Der Fahrer handelt auch dann fahrlässig, wenn er ein Fahrerassistenzsystem, das im konkreten Fall einen Unfall verhindert oder Unfallfolgen vermindert hätte, abgeschaltet hat. Das gilt natürlich vor allem dann, wenn die Nutzung des Systems 175 Janker, DAR 1995, S. 472, 475, 477, der sogar regelmäßig vorsätzliches Handeln annimmt. 176 Nach überwiegender Ansicht liegt im Fall eines Vertrauens darauf, daß kein Schaden eintreten wird, bewußte Fahrlässigkeit vor, Palandt-Heinrichs, § 276, Rnrn. 10, 13; BGH, NJW 1971, S. 459, 460; BGH, NJW-RR 1998, S. 34; BAG, VersR 1971, S. 528; OLG, Hamm NZV 2001, S. 224. 177 Vgl. Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 1, S. 29.

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

zwingend vorgeschrieben ist, aber auch dann, wenn das System nicht zwingend hätte benutzt werden müssen. Bereits vor Einführung des Sicherheitsgurts traf den Verletzten nach überwiegender Auffassung ein Mitverschulden, wenn der Sicherheitsgurt nicht angelegt war, obwohl ein, allerdings äußerst geringes, Restrisiko besteht.178 Dabei ging es zwar nur um die eigene Schadensminderungspflicht. Um so größer ist jedoch die Verpflichtung des Fahrers, ein Fahrerassistenzsystem zu benutzen, um Schaden von anderen Verkehrsteilnehmer abzuwenden. Benutzt der Fahrer ein Notbremssystem, mit dem er vertraut ist, nicht, und reagiert er deshalb im Fall einer Notbremsung schlechter als es das System getan hätte und verursacht er deshalb einen Auffahrunfall oder vergrößert dessen Schadensfolgen, so handelt er in der Regel fahrlässig.

III. Ausgleichspflicht zwischen Halter und Fahrer gemäß § 17 StVG § 17 StVG regelt das Verhältnis der Ausgleichspflicht zwischen den am Unfall beteiligten Kraftfahrzeughaltern. Geregelt ist eine Ausgleichspflicht zwischen den verschiedenen Kraftfahrzeughaltern bei Personen- bzw. Sachschäden sowie die Ausgleichspflicht zwischen am Unfall beteiligten Kraftfahrzeughaltern und geschädigten Verkehrsteilnehmern ohne Kraftfahrzeug.179 Gemäß § 18 Abs. 3 StVG ist die Ausgleichsregelung des § 17 StVG auch für den Haftungsausgleich zwischen Halter und Fahrer verschiedener Fahrzeuge entsprechend anwendbar. Für die Abwägung entscheidend ist der Anteil der von den Beteiligten gesetzten Schadensursache.180 Das Verschulden wird immer mit berücksichtigt181, wobei die Betriebsgefahr des einen durch ein grobes Verschulden des anderen ganz zurücktreten kann182. Grobe Fahrlässigkeit ist in der Regel bei bewußtem Ignorieren von Warnungen, bei bewußtem Abschalten oder Übersteuern eines zuverlässig funktionierenden Fahrerassistenzsystems sowie bei blindem Systemvertrauen anzunehmen. 178 OLG Ka, VRS 65, S. 96, 97; OLG BS, NJW 1967, S. 2014; a.A. Geiger, DAR 1976, S. 319, 325; heute h. M., Greger, § 9 StVG, Rnr. 48; Hentschel, § 21 a StVO, Rnr. 9; PalandtHeinrichs, § 254, Rnr. 22; BGHZ 74, S. 25; BGHZ 83, S. 71, 73; OLG Zw, VRS 84, S. 182, 184. 179 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 1. 180 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 4; BGH, VersR 1966, S. 521, 522; BGH, NZV 1995, S. 145, 146; OLG Köln, VRS 73, S. 176, 177. 181 Hentschel, § 17 StVO, Rnr. 4; BGH, NZV 1996, S. 272, 273; OLG Hamm, NZV 1995, S. 194; KG, VM 1990, S. 52; OLG FaM, NZV 1990, S. 472; OLG Mü, NZV 1990, S. 394; OLG Kö, VRS 73, S. 176, 177; auch unterschiedliches Verschulden wird gegeneinander abgewogen: KG, VRS 58, S. 323, 326. 182 Hentschel, § 17 StVO, Rnr. 4, st. Rspr. BGH, NZV 1996, S. 272, 273; OLG Dresden, NZV 2001, S. 378; KG, NZV 1990, S. 155.

B. Halter- und Fahrerhaftung

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Im Gegensatz zu § 7 Abs. 2 StVG ist der Maßstab des Idealfahrers beim Haftungsausgleich zwischen den Haltern bzw. Fahrern mehrerer unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge durch Aufrechterhaltung des Haftungsausschlusses bei Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses in § 17 Abs. 3 StVG geblieben. Zur Erreichung des Änderungszwecks in § 7 Abs. 2 StVG – insbesondere Minderjährigenschutz – bedarf es nämlich einer entsprechenden Änderung der Haftungsausgleichsnormen gerade nicht.183 § 17 Abs. 3 StVG ist zwar vor allem aus Rechtssicherheitsgründen eingefügt worden, da der Gesetzgeber der Auffassung ist, daß eine Enthaftung über den Mitverschuldenseinwand gemäß §§ 9, StVG, 254 BGB verbleibt.184 Ein vollständiger Haftungsausschluß gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB wird jedoch in aller Regel nur dann angenommen, wenn grobes Verschulden der bloßen Betriebsgefahr gegenüber stehen. So weist auch die Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf darauf hin, daß eine Reduzierung der Mithaftung auf Null im Einzelfall vorliegen kann.185 Durch die explizite Regelung im neuen § 17 Abs. 3 StVG liegt hingegen nunmehr zwingend ein Haftungsausschluß für den Halter / Fahrer vor, für den ein unabwendbares Ereignis angenommen wird, auch wenn auf der Gegenseite bloße Betriebsgefahr vorliegt. Ohne § 17 Abs. 3 StVG würde man zu dem Ergebnis kommen müssen, daß beide Fahrer / Halter gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB anteilig ihrer Betriebsgefahr haften. Deshalb ist zunächst darzustellen, in welchen Fällen ein unabwendbares Ereignis vorliegen könnte.

1. Unabwendbares Ereignis § 17 Abs. 3 S. 1 StVG ist wortgleich mit § 7 Abs. 2 S. 1 StVG a. F. Lediglich der Begriff „Verrichtungen“ ist durch den Begriff „Vorrichtungen“ allerdings ohne inhaltliche Änderungsabsicht übernommen worden.186 Der neue § 17 Abs. 3 S. 2 StVG übernimmt den in § 7 Abs. 2 S. 2 a. F. aufgestellten Sorgfaltsmaßstab187, ist jedoch wesentlich kürzer und auf den Punkt gebracht formuliert. Unabwendbar ist ein Ereignis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Fahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Ein unabwendbares Ereignis liegt gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 StVG nicht vor, wenn der Unfall auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs oder auf dem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Es ist denkbar, daß der Fahrer Unfälle im Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen auch bei größter Sorgfalt nicht hätte abwenden können. Erfolgte der Un183 184 185 186 187

Wagner, NJW 2002, S. 2049, 2061. BT-Drs. 14 / 7752, S. 30; BT-Drs. 14 / 8780, S. 22. BT-Drs. 14 / 7752, S. 30. Vgl. BT-Drs. 14 / 8780, S. 22. BT-Drs. 14 / 8780, S. 22.

8 Bewersdorf

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

fall aufgrund eines Verschuldens des Fahrers, so haftet der Halter auch dann, wenn er nicht der Fahrer war, weil er auch für das Verhalten eines bei dem Betrieb des Kfz Beschäftigten haftet188 und das Verschulden des Fahrers außerdem die Betriebsgefahr des Halters erhöhen kann189. Eine dem Kfz-Betrieb eigentümliche typische Gefahr kann jedoch zu einem unabwendbaren Ereignis geführt haben.190 a) Maßstab an Idealfahrer Ein Haftungsausschluß aufgrund eines unabwendbaren Ereignisses kann nur bei fehlerfrei funktionierendem System vorliegen.191 Es wird vertreten, daß bei der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen ein noch höherer Maßstab als der, welcher bisher an den Idealfahrer angesetzt wurde, anzusetzen sei.192 Als Beispiel wird angebracht, daß der Fahrer, der ein Warnsignal ignoriert, noch seltener als bisher, sich entlasten kann.193 Stellt sich allerdings heraus, daß der Fahrer ein Warnsignal ignoriert hat und bei Beachtung dessen, ein Unfall oder dessen Folgen hätten vermieden werden können, so liegt ein Verschulden des Fahrers vor194 und ein unabwendbares Ereignis wird schon deshalb nicht anzunehmen sein. Es wird kein höherer Maßstab als bisher anzusetzen sein, vielmehr ändert sich zum Teil der Inhalt seiner einzelnen Verhaltenspflichten.

b) Höhere Gewalt Oben behandelte Fälle von höherer Gewalt unterfallen natürlich ebenfalls dem Begriff des unabwendbaren Ereignisses. Dazu zählen insbesondere die Fälle des Einwirkens von außen in das fehlerfrei funktionierende System. Hinzu kommen die Fälle, bei denen eine höhere Gewalt nicht vorliegt, weil das betriebseigene nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsystem für den Unfall ursächlich ist. Auf obige Ausführungen wird verwiesen.195

Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 46; Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 80 a. Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 11; Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 19; OLG Ko, NZV 1991, S. 471, 472; OLG Ko, NZV 1992, S. 406, 407; OLG Hamm, NZV 1995, S. 194. 190 Vgl. Fall BGH, DAR 1960, S. 136, Rutschen eines Busses auf schlüpfriger Fahrbahn. 191 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546; Greger, § 7 StVG, Rnr. 479; Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 30; Janker, DAR 1995, S. 472, 477. 192 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546. 193 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546. 194 Janker, DAR 1995, S. 472, 475, 477. 195 Vgl. oben unter (§ 3 B. I. 2.). 188 189

B. Halter- und Fahrerhaftung

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c) Fehlerfreies System Da ein Haftungsausschluß bei einem Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges oder beim Versagen der Verrichtungen nicht vorliegt, stellt sich die Frage, wann ein Fahrerassistenzsystem fehlerhaft funktioniert. Ein Fehler in der Beschaffenheit liegt vor, wenn der Unfall auf der Konstruktion, Bauausführung oder mangelnden Wartung des Fahrzeugs beruht, während ein Versagen der Verrichtungen bei davon unabhängigen, plötzlich auftretenden Defekten vorliegt.196 Fehler in der Beschaffenheit sind vor allem Defekte, bei denen eine Zulassung nach §§ 30 – 62 StVZO nicht genehmigt würde.197 Als ein Versagen wird z. B. ein Versagen der Steuerung oder der Bremse anzusehen sein.198 Ein Versagen der Vorrichtungen soll vorliegen, wenn ein Fahrerassistenzsystem plötzlich fehlerhaft arbeitet.199 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, wobei näher zu erläutern ist, in welchen Fällen ein Fahrerassistenzsystem fehlerhaft arbeitet. Wie bereits mehrfach dargestellt, funktionieren die Systeme bislang in bestimmten Verkehrssituationen nicht oder nicht zuverlässig. Liegt eine solche Verkehrssituation vor, kann weder von einem Fehler in der Beschaffenheit, noch von einem Versagen des Systems die Rede sein. Dies gilt für einen Systemfehler in Verkehrssituationen, für die die Sensortechnik an sich nicht reicht, z. B. ACC im Nebel, aber auch für einen Detektionsfehler oder Systemausfall aufgrund verschmutzter Sensoren. Selbst wenn man hier ein Versagen annehmen wollte, fehlt es am Moment des Plötzlichen. Ein plötzlichen Versagen kann dann nicht vorliegen, wenn der Fahrer den Systemfehler hätte voraussehen können. Der Fahrer handelt sorglos, wenn er sich nicht mit den technischen Grenzen des Systems vertraut macht. Ebenso hat er die Pflicht, die Sensoren auf Verschmutzung zu überprüfen. Insofern kann ein Systemausfall oder eine fehlerhafte Detektion für ihn nicht plötzlich sein. Weder ein Fehler in der Beschaffenheit, noch ein Versagen der Vorrichtungen wird anzunehmen sein, denn dann würde keine Zulassung gegeben werden.200 Ein Versagen der Vorrichtungen kann demnach nur bei einem rein technischen Defekt in Situationen, in denen das System an sich zuverlässig funktionieren sollte, anzunehmen sein. Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546; Greger, § 7 StVG, Rnr. 474. Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 97 – 98 ohne Unterscheidung zwischen Versagen der Verrichtungen und Fehler in der Beschaffenheit. 198 Janker, DAR 1995, S. 472, 477; BGH, VRS 5, S. 85 auch ohne Differenzierung; Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 30 mit weiteren Beispielen: Reißen der Anhängerkupplung; Versagen der Bremsstoffzufuhr, OLG Ba, DAR 1951, S. 80; Versagen des Stopplichts, LG Duisburg, MDR 1960, S. 842. 199 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546; Janker, DAR 1995, S. 472, 477; Vogt, NZV 2003, S. 153, 156. 200 Vgl. Kuckuk / Werny, § 7 StVG, Rnr. 97 – 98; das bereits auf dem Markt befindliche ACC weist ein solches Versagen in einzelnen Situationen, z. B. Nebel, auf. 196 197

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

d) Nutzungserfordernis Kein unabwendbares Ereignis liegt allerdings vor, wenn ein besonders umsichtiger Fahrer den Unfall verhindert oder den Schaden vermindert hätte.201 Ein Idealfahrer würde ein im Fahrzeug installiertes Fahrerassistenzsystem, mit dem er auch umgehen kann, nutzen. Daher liegt kein unabwendbares Ereignis vor, wenn der Fahrer das System nicht eingeschaltet hatte, obwohl dies zur Unfallvermeidung oder Schadensminderung beigetragen hätte. Solange die Benutzung eines Notbremssystem nicht zwingend vorgeschrieben ist, würde ein Idealfahrer dieses System dennoch nutzen und somit einen Auffahrunfall im Einzelfall verhindern oder dessen Folgen vermindern können.

2. Betriebsgefahr Die Betriebsgefahr bestimmt sich nach allen Eigenschaften des Kraftfahrzeuges, die, je nach möglichem Schaden für Dritte, eine Gefahr in den Verkehr tragen und die sich im konkreten Unfall ausgewirkt haben.202 Maßgeblich sind z. B. die Faktoren Fahrzeuggröße, -gewicht, -art, -beschaffenheit, typische Eigenschaften im Verkehr, Beleuchtung, verkehrsgerechte oder verkehrswidrige Verwendung.203 Das jeweilige Gewicht der einzelnen Umstände ist immer abhängig vom konkreten Fall, dennoch gibt es je nach typischer Unfallgestaltung allgemeine Grundsätze.204 So ist bei einer Kollision von mehreren Fahrzeugen, soweit nicht näher aufklärbar, die Betriebsgefahr gleich hoch, wenn es sich um Kraftfahrzeuge des gleichen oder ähnlichen Typs handelt.205 a) Geringere Betriebsgefahr Die Betriebsgefahr des einzelnen Fahrzeuges ist abhängig von den jeweiligen Umständen des konkreten Falls bzw. Unfalls sowie des konkreten Schadens, so daß außer Betracht bleibt, was sich nicht ausgewirkt hat.206 Für Kraftfahrzeuge, die mit einer Geschwindigkeits- oder Abstandsregelautomatik207 bzw. allgemein 201 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 28; BGH, NJW 1982, S. 1149; BGH, VersR 1966, S. 829; OLG Hamm, NZV 2001, S. 302. 202 Hentschel, § 17 StVO, Rnr. 6; BGH, NJW 1971, S. 1983, 1984; OLG Ka, VRS 77, S. 96, 98. 203 Hentschel, § 17 StVO, Rnr. 6; OLG Ka, VRS 77, S. 96, 98. 204 Höhere Betriebsgefahr eines Lkw bei gleicher Geschwindigkeit wie Pkw, OLG Köln, NZV 1995, S. 74; geringere Betriebsgefahr eines korrekt beleuchteten stehenden Fahrzeugs, OLG Köln, VRS 4, S. 566. 205 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 6; OLG Mü, VersR 1960, S. 862. 206 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 6. 207 Janker, DAR 1995, S. 472, 478 mit Blick auf das damals noch nicht vertriebene ACC.

B. Halter- und Fahrerhaftung

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mit einem gut funktionierenden Fahrerassistenzsystem, welches zur Schadensminderung beitragen kann208, ausgestattet sind, wird erwogen, daß bei diesen von einer geringeren Betriebsgefahr auszugehen sein sollte. Da sich das Fahrerassistenzsystem im Schadensfall ausgewirkt haben muß, kommt nur ein Fahrerassistenzsystem zur Kollisionsminderung in Betracht.

aa) Informations- und Warnsysteme Eine Schadensminderung durch Informations- und Warnsysteme ist schwer denkbar, da bei der Befolgung einer fehlerfreien Information seitens des Fahrers in aller Regel ein Unfall bzw. ein Schaden nicht eingetreten wäre.

bb) Interventionssysteme Interventionssyteme wie z. B. das ACC oder die automatische Spurführung209 tragen ebenfalls nicht zur Schadensminderung bei, da sie den Fahrer lediglich bei seinen Pflichten während der Fahrt unterstützen. Nutzt der Fahrer das fehlerfrei funktionierende System, hilft es ihm bei der Einhaltung seiner Verkehrspflichten. Im Kollisionsfall ist dies für ein Verschulden relevant210, aber nicht hinsichtlich des eingetretenen Schadensausmaßes. Daher stellen sie bei einer Kollision keine Hilfe dar, weil sie das Fahrzeugverhalten nicht verbessern. Sie sind genauso gut wie ein fehlerfrei fahrender Fahrzeugführer. Anders ist es aus bei Stabilitätssystemen wie ESP oder bei Konstruktionen der Fahrzeughaube zum Schutz von Fußgängern211. Fahrzeuge mit ESP sollten bei Kollisionsunfällen bei Nässe, Glätte oder unterschiedlich griffiger Fahrbahn eine geringere Betriebsgefahr als Fahrzeuge ohne ESP aufweisen, da das ESP bewirkt, daß das Fahrzeug weniger instabil ist.212 Auch im Falle eines Haftungsausgleiches zwischen zwei Fahrzeugen des gleichen Typs bei gleichermaßen ursächlicher Schädigung von Fußgängern, Radfahrern oder Kraftradfahrern, sollte die Betriebsgefahr des Fahrzeuges mit besserer Konstruktion für den Fußgängerschutz gegenüber dem anderen Fahrzeug ohne eine solche Konstruktion geringer sein.

Insbesondere, wenn das System schneller eingreift, als der Fahrer reagieren kann. Ebenso: Bremsassistent, Ausweichassistent, Kreuzungsassistent, elektronische Koppelung, ISA. 210 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Anscheinsbeweis unten [§ 3 C. II. 1. b)]. 211 Vgl. zum Fußgängerschutz Friesen / Wallentowitz / Phillips, S. 18. 212 Vgl. OLG Köln, VRS 66, S. 255, 259 höhere Betriebsgefahr eines Motorrades wegen hoher Instabilität; ähnlich auch OLG Sa, VM 1976, S. 23. 208 209

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

b) Höhere Betriebsgefahr Grundsätzlich gilt für alle Fahrerassistenzsysteme, daß eine erhöhte Betriebsgefahr vorliegt, wenn der Unfall aufgrund eines defekten Systems eintritt213 oder wenn ein Verschulden des Fahrers vorliegt.214 Unabhängig von einem evtl. Verschulden des Fahrers wird eine höhere Betriebsgefahr angenommen, wenn das System im Unfallzeitpunkt deaktiviert war, im aktivierten Zustand jedoch einen Unfall vermieden hätte, wobei danach differenziert wird, ob der Fahrer sich an die Herstelleranweisungen gehalten hat.215 Im Ergebnis wird eine erhöhte Betriebsgefahr auch nur dann bejaht, wenn der Fahrer entgegen seiner Sorgfaltspflicht gehandelt hat, so daß in aller Regel ein Verschulden vorliegen wird. Bei elektronischer Fahrzeugkoppelung im Lkw-Verkehr, wird wegen des im Vergleich viel geringeren Abstandes, des höheren Gewichtes der gekoppelten Lkws, der geringen Tätigkeit des Fahrers im nachfahrenden Lkw sowie einer größeren Gefahr eines technischen Versagens der elektronischen Deichsel eine höhere Betriebsgefahr anzunehmen sein. Eine erhöhte Betriebsgefahr eines mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestatteten Fahrzeuges im Vergleich zu einem herkömmlichen Fahrzeug, kommt vor allem bei nicht-übersteuerbaren Systemen in Betracht. Bei Einführung eines nicht-übersteuerbaren ISA-Systems kommt eine höhere Betriebsgefahr nur dann in Betracht, wenn bei einem Unfall im Kreuzungsbereich nur ein Fahrzeug aus einem geschwindigkeitsgeregelten Bereich kommt. Praktisch wird jedoch keine höhere Betriebsgefahr zum Tragen kommen, da der Unfall aufgrund eines Vorfahrtverstoßes eines Fahrers eintreten wird, das Verschulden weit schwerer wiegt und dem geschwindigkeitsgeregelten Fahrer immer ein Abbremsen verbleiben wird. Beim Notbremssystem kann ebenfalls eine höhere Betriebsgefahr vorliegen. Bremst das System aufgrund einer falschen Detektion mit voller Bremskraft ab, weil sich auf den Sensoren Schmutz gebildet hat und konnte der Fahrer dies nicht erkennen, so liegt eine erhöhte Betriebsgefahr vor, ohne daß dem Fahrer ein Verschulden trifft und ohne daß ein Versagen seiner Verrichtungen vorliegt. Eine erhöhte Betriebsgefahr kann im Fall einer falschen Detektion unabhängig von Fahrerverschulden und ohne Systemversagens auch bei übersteuerbaren Interventionssystemen vorliegen, wenn dem Fahrer zu wenig Zeit zum Übersteuern verbleibt.

213 Greger, § 7 StVG, Rnr. 479; Janker, DAR 1995, S. 472, 477; Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 546 – Fälle des technischen Versagens. 214 Hentschel, § 17 StVG, Rnr. 11; Kuckuk / Werny, § 17 StVG, Rnr. 19; OLG Ko, NZV 1991, S. 471, 472; OLG Ko, NZV 1992, S. 406, 407; OLG Hamm, NZV 1995, S. 194. 215 Vogt, NZV 2003, S. 153, 155 f.

B. Halter- und Fahrerhaftung

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c) Abwägung mit Verschulden Bei einer Abwägung zwischen einem defekten Fahrerassistenzsystem und einer Betriebsgefahr eines Fahrzeuges, dessen Fahrer ein fehlerfreies System mutwillig abgeschaltet, übersteuert oder dessen Warnung ignoriert hat, ist das Fahrzeug mit dem defekten System günstiger zu stellen.216 Dies folgt bereits daraus, daß der Fahrer bei bewußter Nutzungsunterlassung in aller Regel grob fahrlässig handelt und demgegenüber die Betriebsgefahr grundsätzlich zurücktritt.

IV. Deliktische Haftung 1. § 823 Abs. 1 BGB Der Fahrer oder Halter haftet nach § 823 Abs. 1 BGB bei Schäden durch die Verletzung von Leib, Leben oder Eigentum217, die durch rechtswidriges und schuldhaftes Handeln oder Unterlassen hervorgerufen worden sind. Die Handlung muß dabei kausal zur Rechtsgutverletzung und diese kausal zum entstandenen Schaden sein.218 Neue Probleme im Zusammenhang mit der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen entstehen bei der Frage der Handlung sowie beim Verschulden.

a) Handlung Eine Handlung des Fahrers wird bei „vollautomatischen Assistenzsystemen“ mit dem Argument verneint, daß sich nicht der Fahrer, sondern das System verhält.219 Deshalb wird die Handlung des Fahrers in einer Reaktion auf das Eingreifen des Fahrerassistenzsystems oder in der Inbetriebnahme des Fahrzeuges als Verkehrssicherungspflicht gesehen.220 Die Handlung i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB setzt ein der Bewußtseinskontrolle und Willenslenkung unterliegendes, beherrschbares menschliches Verhalten von rechtserheblicher Bedeutung voraus.221 Eine Handlung durch aktives Tun ist ein nach außen hin erkennbares Handeln, ein Unterlassen ist demgegenüber ein Nichthandeln, welches grundsätzlich nur bei bestehender Handlungspflicht einem aktiven Tun gleich steht.222 Eine solche Handlungspflicht ist Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 547. Die Verletzung von Freiheitsrechten und sonstigen geschützten Rechten kommt im Straßenverkehr in der Regel nicht vor. 218 Greger, § 16 StVG, Rnr. 90; § 7, Rnrn. 40 ff., 63 ff., 152; Larenz / Canaris, Schuldrecht, § 75 II. 2. b), S. 363, § 75 I. 2. e), S. 353; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 22. 219 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548. 220 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548. 221 Fikentscher, § 102, Rnr. 1192; Larenz / Canaris, Schuldrecht, § 75 II. 1. a), S. 361; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr.17; BGHZ 39, S. 103; BGHZ 98, S. 135, 137. 216 217

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die allgemeine Grundpflicht, sein Verhalten nach Eröffnung oder Duldung eines Verkehrs so zu gestalten, daß andere nicht gefährdet werden.223 Die allgemeinen Verkehrspflichten sind im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung festgelegte Pflichten, die, ähnlich zu den Schutzgesetzen des § 823 Abs. 2 BGB, als Subsumptionsgrundlage dienen und, weil eine vorweggenommene Interessenabwägung beinhaltend, ebenfalls eine Rechtswidrigkeit indizieren.224 Die Handlung des Fahrers ist jedoch nicht nur in der Reaktion auf eine Intervention des Systems zu sehen, sondern allgemein in der Führung des Kfz. Denn die Führungsfunktion verbleibt bei ihm, auch wenn sich die Ausübung in anderen Handlungsabfolgen ändert. Der Fahrer hat das System zu bedienen, d. h. er muß es auf die Situation einstellen, ggf. übersteuern und die Bedienungselemente kennen. Kommt es infolge oben beschriebener Bedienungsfehler225 zu einer Rechtsgutverletzung, liegt darin die kausale Handlung. Ein Handeln durch Unterlassen liegt beim Ignorieren einer Warnung vor,226 denn der Fahrer hat die allgemeine Verkehrspflicht, eine Gefährdung der anderen Verkehrsteilnehmer und Dritter zu verhindern. Bei einer bewußten Übersteuerung227 liegt indes aktives Tun vor, auch wenn diese Fallgruppe zu der unterlassenen Nutzung gezählt werden sollte, denn es handelt sich hierbei um das Pendant zum Ignorieren einer Warnung bei Interventionssystemen.

b) Verkehrspflichten Die Verkehrspflichten gründen sich darauf, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft und aufrechterhält, alle nötigen Vorkehrungen zum Schutze Dritter treffen muß, sofern eine Verletzungsmöglichkeit anderer naheliegt.228 In erster Linie hat der Fahrer bzw. der Halter die einschlägigen Vorschriften, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch eines Fahrzeugs stehen, einzuhalten.229 Diesbezüglich ist auf obige Ausführungen zu verweisen.

222 Larenz / Canaris, Schuldrecht, § 75 II. 1. b), S. 361; § 76 III. 3., S. 407; Medicus, Rnr. 642; Fikentscher, § 102, Rnr. 1194; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 18; BGHZ 98, S. 135. 223 Larenz, Schuldrecht I, § 27 III. 6. c), S. 457; Larenz / Canaris, Schuldrecht, § 76 III. 3. a), S. 407; Medicus, Rnr. 642. 224 Fikentscher, § 103, Rnr. 1232, § 97, Rnr. 1052 ff., 1058; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 24. 225 Vgl. oben unter [§ 3 B. II. 2. a)]. 226 Vgl. oben unter [§ 3 B. II. 2. c) aa)]. 227 Vgl. oben unter [§ 3 B. II. 2. c) bb)]. 228 Fikentscher, § 97, Rnr. 1058; Greger, § 16, Rnr. 217; Larenz / Canaris, Schuldrecht, § 76 III. 3. a), S. 407; st. Rspr. BGH, NZV 1990, S. 305. 229 Insbesondere StVO, StVZO; Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Greger, § 16 StVG, Rnr. 226.

B. Halter- und Fahrerhaftung

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Zu den Verkehrspflichten eines Halters gehört vor allem die Sicherstellung des verkehrssicheren Zustands seines Fahrzeugs.230 Bei einem neuen oder generalüberholten Fahrzeug bzw. Fahrerassistenzsystem kann sich der Halter zunächst auf den ordnungsgemäßen Zustand verlassen.231 Der Halter entspricht dieser Verkehrspflicht in aller Regel durch regelmäßige Inspektion des Fahrzeugs in einer Fachwerkstatt232, in die auch Fahrerassistenzsysteme mit einbezogen werden müssen.233 Die Inbetriebnahme hat er jedoch gemäß § 31 Abs. 2 StVZO oder bei einem Rückruf des Herstellers zu untersagen.234 Den Fahrer trifft diese Pflicht aus § 23 StVO. Die Überlassung eines verkehrsunsicheren Fahrzeuges an eine ungeeignete Person, stellt ebenfalls eine Verletzung der Verkehrspflicht dar.235 Für Fahrzeuge mit Fahrerassistenzsystem bedeutet dies, daß sich der Halter vergewissern muß, daß der Fahrermit dem System vertraut ist.236 Hinzu kommt, daß der Halter darüber informieren muß, daß ein Fahrerassistenzsystem eingebaut ist und, soweit die Bedienung nicht bekannt ist, über die Bedienungsfunktionen, Einstellungsmöglichkeiten und Systemgrenzen zu informieren hat.

c) Rechtswidrigkeit Die Rechtswidrigkeit wird im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich indiziert.237 Sie entfällt bei Vorliegen von Rechtfertigungsgründen. Für Fälle, in denen das infolge eines Systemfehlers außer Kontrolle geratenen Fahrzeug auf ein anderes Fahrzeug gelenkt wird, wird § 904 BGB als Rechtfertigungsgrund in Betracht gezogen.238 Gemäß § 904 BGB ist eine Einwirkung auf eine fremde Sache gerechtfertigt, wenn sie zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Einwirkung dem Eigentümer entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Diese grundsätzlich zwar denkbaren Fälle beziehen sich aber nicht auf ein fehlerhaftes Fahrerassistenzsystem, da 230 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Greger, § 16 StVG, Rnr. 219; BGH, VRS 37, S. 271, 273. 231 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; vgl. Greger, § 16 StVG, Rnr. 219. 232 Greger, § 16 StVG, Rnr. 222; BGH, VersR 1961, S. 848; BGH, VersR 1965, S. 473; BGH, VersR 1976, S. 148 f.\ 233 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Vogt, NZV 2003, S. 153, 156. 234 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Greger, § 16 StVG, Rnr. 219. 235 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Greger, § 16 StVG, Rnrn. 222, 223; BGH, VRS 34, S. 354, 355; BGH, VersR 1984, S. 1152, 1153; OLG Hamm, VersR 1977, S. 757. 236 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548; Vogt, NZV 2003, S. 153, 156. 237 Larenz / Canaris, Schuldrecht § 75 II. 2. c), S. 363; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 29. 238 Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 548.

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es das System ist, welches, wenn überhaupt, in die Bremse eingreift – die Lenkung sollte für diesen Fall noch funktionsfähig sein. Fällt somit die elektronische Bremse aus, bleibt dem Fahrer noch die Möglichkeit, wie bei herkömmlichen Fahrzeugen mechanisch zu bremsen (mechanische Rückfallebene). Im Rahmen des § 823 BGB gilt ebenfalls der Verschuldensmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB. Auf obige Ausführungen wird deshalb verwiesen.239 Zusammengefaßt ist ein Verschulden bei Bedienungsfehlern, bei blindem Systemvertrauen sowie bewußtem Übersteuern oder Ignorieren einer Warnung bei funktionsfähigem System anzunehmen. Fehlende Aufmerksamkeit auf den Verkehr stellt in der Regel ebenfalls fahrlässiges Handeln dar. Verschulden liegt nur dann nicht vor, wenn das Fahrerassistenzsystem so viel Aufmerksamkeit erfordert, daß der Fahrer überfordert ist. Solche Systeme wären allerdings nicht zulassungsfähig. Zusätzlich wird im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB ein Verschulden auch dann anzunehmen sein, wenn der Fahrer bzw. der Halter weiß oder hätte wissen können, daß er mit einem nicht gewarteten Fahrzeug fährt oder wenn der Halter bei der Fahrzeugüberlassung weiß, daß dieses nicht gewartet ist.240

2. § 823 Abs. 2 BGB Neben der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB kommt eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB bei einem Verstoß gegen ein den Schutz des Verletzten bezweckendes Gesetz in Betracht, wenn ein geschütztes Rechtsgut des Geschädigten verletzt worden ist, wozu auch reine Vermögensnachteile zählen.241 Über § 823 Abs. 2 BGB können gesetzlich normierte Verkehrspflichten aus anderen Bereichen in das Deliktsrecht einbezogen werden.242 Eine Norm ist dann Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sich nach ihrem Inhalt und Zweck ergibt, daß diese in persönlicher und sachlicher Hinsicht zumindest auch den Betroffenen in seinem verletzten Gut oder vor der eingetretenen Gefahr mit eigenem Schadensersatzanspruch schützen will.243 Zu den Schutzgesetzen gehören im Einzelfall je nach Verletzung die straßenverkehrsrechtlichen Verhaltensvorschriften des § 21 StVG, die oben behandelten §§ 1 Abs. 2 – Allgemeiner Schutz vor Schädigung durch ein Verhalten im Straßenverkehr, 3 Abs. 1 – Schutz anderer Verkehrsteilnehmer durch Unfallgefahr aufgrund überhöhter Geschwindigkeit, 4 – Schutz von Fußgängern auf der FahrVgl. oben unter (§ 3 B. II. 2.). Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. 241 Greger, § 16 StVG, Rnr. 97; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 160. 242 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 161; Soergel-Zeuner, § 823 BGB, Rnr. 285; Canaris, FS Larenz, S. 27, 49 für eine restriktive Auslegung dieser „Öffnungsfunktion“. 243 Canaris, FS Larenz, S. 27, 46; Greger, § 16 StVG, Rnr. 98; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 163; BGHZ 29, S. 100, 102; BGHZ 100, S. 13, 14; BGHZ 122, S. 1, 3 f., 9; BGH, NJW 1976, S. 1740. 239 240

C. Anscheinsbeweis

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bahn, 5 – Schutz des Gegen- und Nachfolgeverkehrs, 8 – Schutz des Wartepflichtigen StVO sowie §§ 27 Abs. 3, 36, 41 StVZO.244

C. Anscheinsbeweis Der Anscheinsbeweis, stellt zugunsten des Beweispflichtigen eine Vermutung auf. Im Rahmen des § 7 StVG hat der Verletzte zu beweisen, daß der Schaden beim Betrieb des Kraftfahrzeuges entstanden und kausal ist.245 Das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses, das Vorliegen einer höheren Gefahr und eine fehlende Kausalität zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und Schaden hat hingegen der Halter zu beweisen.246 Kann der Beweis nicht einwandfrei erbracht werden und bleiben Zweifel, geht dies zu Lasten des Halters.247 Das Verschulden im Rahmen des § 17 StVO hat nicht der Geschädigte zu beweisen, sondern der Fahrer trägt die Beweislast dafür, daß ihn kein Verschulden trifft.248 Insoweit liegt eine umgekehrte Beweislast vor.249 Im Rahmen des § 823 BGB trägt der Geschädigte hinsichtlich Rechtsgutverletzung, Verschulden, Schaden und Kausalitäten die Beweislast.250 Die Vermutung des Anscheinsbeweises besteht entweder bei einem festgestellten Verhalten in dem Ursachenzusammenhang für einen eingetretenen Erfolg oder bei festgestellter Kausalität in einem bestimmten Verhalten als dessen Ursache, wenn der Fall das Gepräge des Üblichen und Gewöhnlichen trägt und die allgemeine Lebenserfahrung auf Ursache bzw. das Verhalten schließen läßt.251 Der Anscheinsbeweis ist gewohnheitsrechtlich anerkannt252 und nach überwiegender Ansicht keine Änderung der Beweislast, sondern Teil der Beweiswürdigung des § 286 ZPO253. 244 Berz / Dedy / Granich, S. 549; vgl. Übersicht bei Greger, § 16 StVG, Rnr. 100 ff. und Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 195. 245 Hentschel, § 7 StVG, Rnr. 48; OLG Düss, VersR 1987, S. 568. 246 Hentschel, § 7 StVG, Rnrn. 31, 48; BGH, VRS 20, S. 166, 168; BGH, NJW 1982, S. 1149, 1150; OLG Köln, NZV 1994, S. 230, 231; OLG Köln, VRS 90, S. 339; Reiff, VersR 1992, S. 1367. 247 BGH, VRS 20, S. 166, 168; BGH, NJW 1982, S. 1149, 1150. 248 Greger, § 18 StVG, Rnr. 13; Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 1; BGH, NJW 1983, S. 1326, 1327; OLG Stg, VersR 1979, S. 1039. 249 Hentschel, § 18 StVG, Rnr. 1. 250 Dannert, NZV 1999, S. 453, 457; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 58; Palandt-Heinrichs, Vorbem. v. § 249 BGB, Rnr. 162; OLG Ka, NZV 1998, S. 153. 251 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 286 ZPO, Rnr. 15; Greger, VersR 1980, S. 1092; Hentschel, Einleitung, Rnr. 157 a; Musielak, § 286, Rnr. 23; Palandt-Heinrichs, Vorbem. v. § 249 BGB, Rnr. 163; Schilken, Rnr. 495; Stück, JuS 1996, S. 153, 155 f.; Thomas / Putzo-Reichold, § 286 ZPO, Rnrn. 12 f.; st. Rspr. BGHZ 2, S. 1, 5; BGHZ 31, S. 351, 357; BGHZ 100, S. 214, 216; BGH, NZV 1996, S. 277. 252 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 286 ZPO, Rnr. 15; Musielak, § 286, Rnr. 24; Schilken, Rnr. 494; Stück, JuS 1996, S. 153; st. Rspr. BGHZ 2, S. 5; BGHZ 7, S. 198; BGHZ 100, S. 214, 216; OLG Ce, MDR 1996, S. 1248.

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I. Allgemeines Bei Verkehrsunfällen liegt ein typischer Geschehensablauf vor, wenn die allgemeine Lebenserfahrung auf eine Sorgfaltspflichtverletzung schließen läßt, weil dieses Geschehen für die Verursachung oder für das Verschulden typisch ist.254 Entkräftet wird der Anscheinsbeweis schon dann, wenn besondere Umstände erwiesen sind, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit, nicht jedoch bereits die reine Denkmöglichkeit, eines atypischen Ablaufes oder eines möglichen anderen Ablaufes ergibt.255 Der Anscheinsbeweis kann auch durch Bestreiten der Sachverhaltsmerkmale, an welche der Geschehensablauf anknüpft, entkräftet werden.256 Der Geschehensablauf muß konkret und unstreitig bzw. bewiesen sein.257

II. Anscheinsbeweis bei Fahrerassistenzsystemen Mit dem Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen im Straßenverkehr kann es durchaus zu Verkehrssituationen kommen, die im Rahmen des Anscheinsbeweises anders als bisher gewürdigt werden sollten.

253 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 286 ZPO, Rnr. 15; Müko-Prütting, § 286 ZPO, Rnr. 52; Musielak, § 286, Rnr. 24; Thomas / Putzo-Reichold, Anh. § 286, Rnr. 13; st. Rspr. BGHZ 2, S. 5; BGHZ 7, S. 198; BGHZ 100, S. 34; BGH, NJW 1998, S. 81; dagegen mit dem Argument, daß ansonsten contra legem die freie Beweiswürdigung eingeschränkt würde: Kollhosser, AcP 165, (1965), S. 46, 55 ff.; zum Streitstand Stück, JuS 1996, S. 154, 155. 254 Fälle des Anscheinsbeweises der Kausalität: BGH, NZV 1990, S. 386; KG, VM 1989, S. 37; BGH, VersR 1964, S. 296; BGH, VersR 1969, S. 900; Fälle des Anscheinsbeweises des Verschuldens: OLG Düss, NZV 1996, S. 321; Auffahrunfälle BGH, VersR 1969, S. 859; BGH, NZV 1989, S. 265; KG, DAR 1995, S. 482, 483; Abkommen von der Fahrbahn BGH, VersR 1969, S. 636; BGH, JZ 1986, S. 251; BGH, NZV 1996, S. 277, 278; Verkehrszeichen BGH, VersR 1955, S. 183; Fahrzeugmängel BGH, VersR 1956, S. 696 – verneinend; Nichtanlegen eines Sicherheitsgurts BGH, NJW 1991, S. 230; OLG Hamm, NZV 1998, S. 155, 156; OLG Nü, NZV 1998, S. 155. 255 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 286, Rnr. 18; Hentschel, Einleitung, Rnr. 157 a; Lepa, NZV 1992, S. 131; Schilken, Rnr. 498; BGH, NZV 1978, S. 2032, 2033; BGH, NZV 1990, S. 386, 387; BGH, NZV 1992, S. 27, 28; BGH, VersR 1986, S. 141, 142; OLG Köln, VersR 1990, S. 390; OLG Düss, VersR 1987, S. 909, 910; atypischer Geschehensablauf: unbegründete Notbremsung BGH, NJW 1982, S. 1596; BGH, NJW 1978, S. 2032; BGH, NZV 1990, S. 386; BGH, NZV 1992, S. 27; OLG Mü, ZfS 1997, S. 245; typischer Geschehensablauf: BGH, NJW 1991, S. 230, 231. 256 Musielak, JuS 1980, S. 739; Stück, JuS 1996, S. 153, 157; Schilken, Rnr. 498. 257 Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Anh. § 286, Rnr. 20; Hentschel, Einl., Rnr. 157 a; Lepa, NZV 1992, S. 129, 131; OLG Mü, NZV 1989, S. 277, 278; BGH, NZV 1996, S. 231.

C. Anscheinsbeweis

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1. Erfahrungssätze mit Fahrerassistenzsystemen Bei der Ermittlung von typischen Ursachenzusammenhängen sind Schadenserfolg und ein bestimmter Umstand, der im Rahmen des Verkehrsunfalles festgestellt worden ist258, gegeben. Ist dieser Umstand typisch für den Schaden, so kann ein Anscheinsbeweis angenommen werden. Bei der Ermittlung eines Anscheinsbeweises für ein Verschulden, ist die Ursache des Unfalles unstreitig oder bewiesen festgestellt. Ist ein Verhalten zur Herbeiführung des Unfalls typisch259, so wird dieses Verhalten als gegeben vermutet. Streitig aber überwiegend verneint wird ein Anscheinsbeweis für das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit wegen eines Fehlens von Erfahrungssätzen für ein individuelles menschliches Verhalten.260 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Ein grobes Verschulden kann nämlich nur dann angenommen werden, wenn aufgrund des äußeren Geschehensablaufes auf eine subjektive Seite der Verantwortlichkeit geschlossen werden kann oder wenn ein Satz vorliegt, wonach bei Vorliegen eines äußeren Geschehensablaufes immer grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist.261 Denn bei einem Unfall kann z. B. kein Erfahrungssatz dafür vorliegen, ob der Fahrer bei einer fehlerhaften Spurerkennung das System aus mangelnder Aufmerksamkeit nicht übersteuert hat oder weil er blindlings darauf vertraut hat, daß das System diese Situation bewältigen wird, obwohl er von dessen technischen Grenzen wußte oder wissen mußte. Im ersten Fall kommt es darauf an, weshalb der Fahrer gerade nicht aufmerksam war, im letzten Fall wäre regelmäßig grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Ein solcher Erfahrungssatz ist beim Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen z. B. beim Ignorieren einer Warnung denkbar.262 258 Beispielsfälle: BGH, VersR 1964, S. 296 mangelhafte Beleuchtung eines Fahrzeugs; BGH, VersR 1956, S. 409 nicht ausreichend abgesichertes Fahrzeug auf der Autobahn; BGH, NJW 1991, S. 230, 231 bestimmte Verletzungsarten; BGH, NJW 1983, S. 1380: Fahren ohne Sturzhelm. 259 Beispielsfälle: BGH, NJW 1991, S. 230 bei Verletzungen, die typischerweise beim Nichtanlegen eines Sicherheitsgurtes entstehen, wird vermutet daß der Gurt nicht angelegt war; OLG Düss, VersR 1975, S. 160; BGH, VersR 1971, S. 439; BGH, VersR 1971, S. 842, 843 beim Schleudern auf nasser, vereister oder schneeglatter Straße wird zu hohe Geschwindigkeit oder unrichtiges Bremsen vermutet; BGH, VersR 1964, S. 639; BGH, VersR 1963, S. 1075; BGH, NJW 1982, S. 2668; OLG Köln, VersR 1994, S. 191, 192 bei demjenigen, der aus einer untergeordneten Straße kommt, wird eine Vorfahrtsverletzung vermutet; bei Auffahrunfällen wird zu dichter Abstand vermutet BGH, VersR 1969, S. 859; KG, VM 1983, S. 13; KG, VM 1997, S. 76; OLG Köln, MDR 1995, S. 577. 260 Greger, § 16 StVG, Rnr. 372; Lepa, NZV 1992, S. 129, 130; Schilken, Rnr. 495; BGH, VersR 1967, S. 269, 909; BGH, VersR 1972, S. 944; BGH, VersR 1978, S. 541, 542; BGH, VersR 1977, S. 619, 620; BGH, NJW 2003, S. 1118, 1119. 261 Hoffmann, NZV 1997, S. 57, 61, für den Satz, daß derjenige in der Regel grob fahrlässig handelt, der im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug lenkt; OLG Köln, VersR 1989, S. 952 für den Satz, daß derjenige, der bei Rot über eine Verkehrsampel fährt, grob fahrlässig handelt; ebenfalls dafür BGH, VersR 1992, S. 1085, 1086; OLG Ko, VersR 1991, S. 416; OLG FaM, VersR 1996, S. 52 f.; OLG Köln, VersR 1990, S. 390; OLG Köln, VersR 1994, S. 304; OLG Nü, VersR 1995, S. 331; OLG Hamm, NZV 1994, S. 112, 113; OLG Ka, VersR 1994, S. 211.

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

a) Erfahrungssätze für einen Ursachenzusammenhang Ein Anscheinsbeweis für einen Ursachenzusammenhang kommt bei fehlerhafter Funktion des Fahrerassistenzsystems ist Betracht. Dabei ist zwischen einem technischen Versagen und einem Systemausfall bzw. einer Fehlererkennung aufgrund von Systemgrenzen zu unterscheiden. Im letzteren Fall kann zusätzlich ein Anscheinsbeweis für Verschulden vorliegen. Beim technischen Versagen kommen nur Fälle in Betracht, bei denen das Fahrerassistenzsystem während einer Intervention ausfällt. Ein technisches Versagen kann entweder dazu führen, daß das System nicht interveniert, obwohl es sollte. Dann verbleibt dem Fahrer die Aufgabe, selbst zu intervenieren. Oder aber das System interveniert, ohne daß dies konstruktionsbedingt sein sollte. Dann muß der Fahrer möglichst schnell das System übersteuern. Letzteres ist beim Notbremssystem nicht möglich. Während einer ungewollten Intervention kann das Notbremssystem nicht übersteuert werden. Dieser Fall führt zur Entkräftung eines Anscheinsbeweises.263 aa) Technisches Versagen (1) Längsführungsfehler Ein Versagen in der Längsführung führt entweder dazu, daß das Fahrzeug während einer Intervention im Antrieb abgebremst wird oder während eines Beschleunigungsvorgangs die Beschleunigung unterbricht. Längsführungsfehler führen daher zu Auffahrunfällen. Betroffen ist der geltende Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen.264 Folgendes Fallbeispiel zeigt einen Auffahrunfall beim Ausfall eines ACC. Fallbeispiel 15265 F1 fährt mit ACC auf der linken Spur einer Autobahn. Hinter ihm fährt F2 mit zu geringem Abstand. Plötzlich fällt das ACC aus und das Fahrzeug wird durch das Motorschleppmoment verzögert. Dadurch kommt es zu einem Auffahrunfall.

Stellt sich nach dem Unfall heraus, daß das ACC ausgefallen war, so kann typischerweise davon ausgegangen werden, daß das Fahrzeug des F1 für den Nachfolgenden F2 unvorhersehbar, weil ohne Aufleuchten der Bremsleuchten266, langsaVgl. unten [§ 3 C. II. 1. b) bb)]. Vgl. unten [§ 3 C. II. 2. a) bb)]. 264 BGH, VersR 1964, S. 296; OLG Düss, VersR 1975, S. 143, 144: mangelhafte Beleuchtung; BGH, VersR 1956, S. 409: mangelhafte Absicherung eines liegengebliebenen Fahrzeugs; BGH, VersR 1963, S. 1026, 1027; BGH, NZV 1989, S. 265; OLG Düss, VersR 1978, S. 142; OLG HH, VRS 87, S. 249, 251: Auffahren auf unbeleuchtetes Hindernis. 265 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 3, S. 20. 266 Entkräftigung der Verschuldensvermutung des Nachfolgenden, wenn die Bremslichter des Vorausfahrenden nicht aufleuchten, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 17; OLG Ka, VRS 62, S. 408. 262 263

C. Anscheinsbeweis

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mer geworden ist und dies für den Unfall zumindest mit ursächlich war. Dieser vermutete Ursachenzusammenhang ist auch für die Erhöhung der Betriebsgefahr entscheidend.267 (2) Querführungsfehler Folgendes Beispiel zeigt einen möglichen Unfall beim Versagen einer automatischen Spurführung. Fallbeispiel 16268 F1 fährt mit automatischer Spurführung auf einer Autobahn. In einer S-Kurve versagt das System. Das Fahrzeug gerät unvermittelt auf die linke Spur. Der links fahrende F2 muß scharf bremsen, es kommt zu einem Unfall.

Wird nach dem Unfall festgestellt, daß das Fahrerassistenzsystem versagt hatte, spricht dies typischerweise dafür, daß der Unfall darauf zurückzuführen ist, daß das Fahrzeug des F1 plötzlich auf die Nebenspur geraten ist.

bb) Fehlerhafte Detektion Eine fehlerhafte Detektion im Rahmen der Längsführung kann ebenfalls zu einem unvorhergesehenen Bremsvorgang führen. Fallbeispiel 17269 F1 fährt mit ACC auf einer Autobahn im dichten Kolonnenverkehr. In einer Kurve wird eine Leitplanke fälschlicherweise als Ziel erkannt. Das Fahrzeug bremst unvorhergesehen ab. F2, der hinter F1 fährt, kann nicht mehr rechtzeitig bremsen.

Hier kann ebenfalls davon ausgegangen werden, daß der Bremsvorgang zu dem Unfall geführt hat. Wegen der abgeschwächten Bremsung kommt jedoch keine Erhöhung der Betriebsgefahr in Betracht. Der Ursachenzusammenhang ist hier nicht von praktischer Bedeutung. cc) Unterlassene Nutzung Ein Ursachenzusammenhang kann bei unterlassener Nutzung eines Interventionssystems nicht vermutet werden, da bei den vorliegenden Fahrerassistenzsystemen nicht davon ausgegangen werden kann, daß diese besser als ein alternatives Fahrerverhalten einen Unfall verhindert oder Folgen gemindert hätten. Hatte z. B. der Fahrer im Falle eines Auffahrunfalls das Notbremssystem nicht aktiviert, kann 267 Doppelte Betriebsgefahr des vorausfahrenden Fahrzeugs gegenüber der Betriebsgefahr des schuldlos Auffahrenden, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 17; OLG Ka, VRS 62, S. 408. 268 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiele 16, 24, S. 23, 24. 269 Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 8, S. 21.

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

nicht davon ausgegangen werden, daß dieses besser als der Fahrer im konkreten Fall den Unfall verhindert oder gemildert hätte. Folgende Situation ist denkbar, in der auch das Notbremssystem nicht rechtzeitig zum Stillstand gekommen wäre: Fallbeispiel 18270 F1 fährt hinter F2 auf einer Autobahn mit Notbremssystem bei zäh fließenden Verkehr. F2 bremst plötzlich scharf. Das Notbremssystem des F1 interveniert fehlerfrei. F2 prallt jedoch auf den vorausfahrenden F3 auf. F1 fährt daher auch auf F2 auf.

Die Abschaltung eines Interventionssystems läßt daher eine Kausalität genauso wenig vermuten, wie ein Anscheinsbeweis bei Kettenauffahrunfällen greift.271 Ein Abschalten kann aber zu einem vermuteten Verschulden führen.

dd) Bedienungsfehler Bei Unfällen, die einen Bedienungsfehler von Fahrerassistenzsystemen zur Ursache haben, fallen Ursächlichkeit und Verschulden zusammen. Es handelt sich daher um Fälle von Erfahrungssätzen für ein Verschulden.

b) Erfahrungssätze für ein Verschulden Der Fahrer kann im Zusammenhang mit der Benutzung eines Fahrerassistenzsystems schuldhaft handeln, indem er dieses fehlerhaft bedient, die sich ändernden Verkehrsverhältnisse nicht beachtet, das System mißbraucht oder es gar nicht nutzt.272

aa) Bedienungsfehler Bei Interventionssystemen kann ein Verschulden durch Übersteuerung oder durch unterlassene Übersteuerung in Fällen, in denen das System an seine technischen Grenzen gelangt ist, sowie eine fehlerhafte Handhabung der Bedienungselemente ein Verschulden vermuten. Eine unterlassene Übersteuerung und eine fehlerhafte Handhabung der Bedienungselemente hingegen ergeben lediglich eine Vermutung für einfaches Verschulden. Diesbezüglich ändert sich gegenüber herkömmlichen Verkehrssituationen nichts. Dazu folgende Fallbeispiele: Vgl. oben Fallbeipiel 6; Feldges / Brandenburg, Response, Szenario 2, S. 31. Kein Anscheinsbeweis, wenn Vorausfahrender aprupt zum Stehen kommt, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18; Lepa, NZV 1992, S. 132; der Anscheinsbeweis ist erschüttert, wenn auf das aufgefahrene Fahrzeug ebenfalls aufgefahren worden ist, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18; OLG Nü, DAR 1982, S. 329; Entkräftigung bei verkürztem Bremsweg des Vorausfahrenden; OLG Düss, NZV 1995, S. 486, 487 f.; Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18. 272 Vgl. oben unter (§ 3 B. II. 2.). 270 271

C. Anscheinsbeweis

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Fallbeispiel 19 F1 fährt mit ACC bei Nebel. Das System hat sich abgeschaltet, da es nichts erkennen kann. F1 hat dies jedoch nicht bemerkt, weil er nicht wußte, was die Abschaltinformation bedeutet. Sodann erwartet F1, daß ihn das Fahrerassistenzsystem warnt, wenn er zu nah auffährt und ist unaufmerksam. Fallbeispiel 20273 F1 fährt mit ACC auf einer Autobahn. Das ACC verfolgt in einer Linkskurve das vorausfahrende Fahrzeug auch dann noch, wenn dieses auf die linke Spur wechselt. F1 ist unaufmerksam und lenkt nicht gegen. F1 kollidiert mit einem auf der linken Fahrspur fahrenden Fahrzeug.

Ereignet sich im Fallbeispiel 19 ein Auffahrunfall, so gilt der geltende Erfahrungssatz, daß der Fahrer zu dicht aufgefahren ist274, weiter. Im Fallbeispiel 20 spricht der Anschein wie in Fällen ohne Fahrerassistenzsystem ebenfalls für ein Verschulden des Fahrers.275 Da ein Erfahrungssatz für individuelles Verhalten grundsätzlich nicht besteht, kann ein grob fahrlässiger Bedienungsfehler in Form eines blinden Systemvertrauens grundsätzlich nicht durch Anscheinsbeweis vermutet werden, da weder ein Erfahrungssatz, noch ein äußerer Geschehensablauf ersichtlich ist, welcher auf ein Wissen des Fahrers von einem möglichen Systemausfall schließen läßt.

bb) Unterlassene Nutzung Neue Erfahrungssätze ergeben sich auch bei einer unterlassenen Nutzung. Solche Fälle sind das Ignorieren einer Warnung, das Ausschalten des Fahrerassistenzsystems und das Übersteuern in Verkehrssituationen, in denen das Fahrerassistenzsystem funktioniert. Dazu folgendes Fallbeispiel: Fallbeispiel 21 F1 fährt mit einem Spurführungsassistenten auf einer Autobahn und möchte von der rechten Fahrspur auf die linke wechseln. Der Spurführungsassistent sendet ein Warnsignal aus, weil sich F2 im toten Winkel befindet. F1 ignoriert die Warnung und fährt trotzdem. Es kommt zu einem Unfall. Es kann festgestellt werden, daß der Spurführungsassistent einwandfrei funktionierte und auch in der konkreten Verkehrssituation richtigerweise gewarnt hat.

Ist der Umstand der richtigen Warnung und die Kausalität zum Schadenserfolg bewiesen oder unstreitig, so ist zu vermuten, daß die Warnung ignoriert wurde. Damit liegt ein Anscheinsbeweis auch für grobe Fahrlässigkeit vor. Es gilt der oben aufgestellte Satz, daß beim Ignorieren von Warnungen oder bei einem bewußten Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 7, S. 21. BGH, VersR 1969, S. 859; BGH, NZV 1996, S. 277, 278; KG, DAR 1995, S. 482, 483. 275 Wechsel des Fahrstreifen ohne Anzeige: OLG Hamm, VRS 81, S. 342; OLG Hamm, NZV 1990, S. 269; KG, VRS 65, S. 189; KG, VM 1992, S. 28; KG, VM 1996, S. 21. 273 274

9 Bewersdorf

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

Übersteuern grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist. Wenn die Bedingung des Ignorierens bzw. Übersteuerns unstreitig oder bewiesen ist, kann deshalb auf die subjektive Seite der Verantwortlichkeit geschlossen werden.276 Gleiches muß beim Ignorieren einer Warnung zur Abstandsregelung gelten. Ein bewußtes Übersteuern und damit ein grobes Verschulden kann vermutet werden, wenn das installierte Fahrerassistenzsystem funktionsfähig war. Ein Abschalten des Systems kann ebenfalls vermutet werden, worin jedoch kein grob fahrlässiges Verhalten zu sehen ist.277 Fallbeispiel 22 F1 fährt mit ACC hinter F2 auf einer Autobahn. F2 muß situationsbedingt stark bremsen. F1 fährt auf F2 auf. Variante: Das Fahrzeug des F1 ist mit einem Notbremssystem ausgestattet.

Im Fallbeispiel 22 spricht der Anschein dafür, daß F1 das ACC übersteuert hat und daher bewußt einen zu geringen Abstand eingehalten hat. In der Variante spricht der Anschein dafür, daß F1 das Notbremssystem ausgeschaltet und daher fahrlässig gehandelt hat. 2. Entkräftung des Anscheinsbeweises Zur Entkräftung eines bestehenden Anscheinsbeweises kommen Fälle in Betracht, bei denen der Fahrer bzw. Halter zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis besteht, ein Fahrerassistenzsystem benutzt hat. Zur Entkräftung stehen ihm die oben genannten Möglichkeiten offen. a) Entkräftung des Ursachenzusammenhanges aa) Technisches Versagen Ein Versagen eines ACC kann zu einer Entkräftung des herkömmlichen Erfahrungssatzes führen, daß der Auffahrende einen zu geringen Abstand eingehalten hat. Im Fallbeispiel 15 könnte der Anschein des zu dichten Auffahrens als Ursache des Schadens entkräftet sein. Kann festgestellt werden, daß das ACC ausgefallen ist, könnte eine ernsthafte Möglichkeit dafür vorliegen, daß die Verzögerung des 276 Vgl. die Fälle zum Anscheinsbeweis für grobe Fahrlässigkeit bei Vorliegen von absoluter Fahruntüchtigkeit und Überfahren einer roten Ampel: Hoffmann, NZV 1997, S. 57, 61, BGH, VersR 1992, S. 1085, 1086; OLG Ko, VersR 1991, S. 416; OLG FaM, VersR 1996, S. 52 f.; OLG Köln, VersR 1989, S. 952; OLG Köln, VersR 1990, S. 390; OLG Köln, VersR 1994, S. 304; OLG Nü, VersR 1995, S. 331; OLG Hamm, NZV 1994, S. 112, 113; OLG Ka, VersR 1994, S. 211. 277 Vgl. oben unter [§ 3 B. II. 2. c) cc)].

C. Anscheinsbeweis

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Fahrzeugs zu dem Unfall geführt hat. F1 hätte dann zu beweisen, daß der Unfall hätte vermieden werden können, wenn F2 einen Sicherheitsabstand eingehalten hätte. Im Rahmen von Auffahrunfällen ist ein zu geringer Abstand nur dann nicht ursächlich, wenn gewiß ist, daß die Kollision unterblieben wäre.278 Demgemäß ist der Anscheinsbeweis entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, daß der Vorausfahrende unvorhersehbar und ruckartig, z. B. durch einen Unfall, angehalten hat.279 Ein plötzliches starkes Bremsen entkräftet nur dann den Anscheinsbeweis, wenn ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO280 vorliegt.281 Im Fallbeispiel 15 ist dies jedoch nicht der Fall, da die Verzögerung des Fahrzeuges jedenfalls lange nicht so stark ist. Sie entspricht nicht einmal einer Vollbremsung, bei welcher ein Fahrzeug auch nicht ruckartig zum Stehen kommt.

bb) Fehlerhafte Detektion Wird, ggf. durch Anscheinsbeweis, bewiesen, daß ein apruptes Bremsen aufgrund fehlerhafter Detektion eines Fahrerassistenzsystems für den Schaden ursächlich ist, ist der Anscheinsbeweis wie in bisherigen Fällen zu erschüttern.282 Fallbeispiel 23 F1 fährt mit Notbremssystem auf der Autobahn. Aufgrund verdreckter Sensoren detektiert das System fehlerhaft und bremst stark. Der nachfolgende F2 fährt auf F1 auf.

Im Fallbeispiel 23 führt der Nachweis eines starken Bremsens ohne zwingenden Grund zu einer Erschütterung des Anscheinsbeweises gegen F2.

cc) Unterlassene Nutzung Als atypischer Geschehensablauf kommt die Darlegung einer Verkehrssituation oder eines anderen Umstandes in Betracht, in der oder aufgrund dessen das Fahrerassistenzsystem nicht oder nicht zuverlässig funktioniert hätte. In Betracht kommen insbesondere Kettenauffahrunfälle.283 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 17; OLG Köln, VM 1979, S. 94. Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18; Lepa, NZV 1992, S. 129, 132. 280 § 4 Abs. 1 S. 2 StVO normiert das Verbot des starken Bremsens ohne zwingenden Grund, z. B. starkes Bremsen wegen eines Kleintiers, Hentschel § 4 StVO, Rnr. 11; AG Liebenwerda, MDR 1997, S. 737 – Fuchs. 281 Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18; OLG Köln, VRS 90, S. 340, 341; OLG Ko, VRS 68, S. 251, 252; OLG Köln, MDR 1995, S. 577; KG, VM 1983, S. 13. 282 Vgl. vorherige Fußnote. 283 Der Anscheinsbeweis ist erschüttert, wenn auf das aufgefahrene Fahrzeug ebenfalls aufgefahren worden ist, Hentschel, § 4 StVO, Rnr. 18; OLG Nü, DAR 1982, S. 329; OLG FaM, VRS 75, S. 256; Entkräftigung bei verkürzten Bremsweg des Vorausfahrenden, OLG Düss, NZV 1995, S. 486; Anscheinsbeweis nur für Heckschaden beim Auffahren in einer Kolonne, KG, DAR 1995, S. 482, 483. 278 279

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§ 3 Haftung des Fahrers und des Halters

b) Entkräftung des Verschuldens aa) Bedienungsfehler Ein Verschulden aufgrund eines Bedienungsfehlers kann über die Darlegung eines atypischen Geschehensablaufes hinaus damit entkräftet werden, daß der Fahrer darlegt, das Interventionssystem sei nicht kontrollierbar. Da dem Fahrer bei übersteuerbaren Fahrerassistenzsystemen die Kontrolle immer verbleibt, sind Systeme in aller Regel kontrollierbar. Folgendes Fallbeispiel zeigt eine atypische Situation. Fallbeispiel 24284 F1 fährt mit automatischer Spurführung. Nach Passieren eines großen Schlaglochs, schaltet sich das System aus. F1 verbleibt keine Zeit, die Steuerung zu übernehmen. Das Fahrzeug kommt von der Spur ab und verunfallt.

In diesem Fallbeispiel wäre der Anscheinsbeweis, der wegen vermuteter Übersteuerung gegen F1 spricht, entkräftet.

bb) Unterlassene Nutzung Ein atypischer Umstand, der das Verschulden des Fahrers entkräften könnte, wäre die Darlegung einer möglichen Gefahrensituation, die es rechtfertigt, daß der Fahrerdas System trotz Warnung ignoriert bzw. übersteuert hat. Beim Abschalten des Systems ist ein atypischer Geschehensablauf nicht ohne weiteres denkbar. Er müßte darlegen, daß er das Fahrerassistenzsystem im aktivierten Zustand nicht hätte bedienen können. cc) Ausnutzung des Systems Eine Entkräftung kommt auch bei einer Ausnutzung des Systems in Betracht. Im Fallbeispiel 5 nutzt F1 die Sichtmöglichkeit seines Infrarotsichtsystems aus und verstößt damit gegen § 1 StVO.285 Die Vermutung zugunsten F1, daß F2 die Vorfahrt nicht beachtet hat286, wird entkräftet durch die Benutzung eines Infrarotsichtsystems.287 Nunmehr wird sogar zu vermuten sein, daß F1 F2 gesehen hat. Vgl. Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 26, S. 24. Vgl. oben unter [§ 3 A. II. 5. b)]. 286 Vgl. BGH, VersR 1963, S. 1075; BGH, NJW 1982, S. 2668; OLG Köln, VersR 1994, S. 191, 192; Entkräfung durch den Beweis, daß der Vorfahrtsberechtigte so schnell war, daß der Wartepflichtige ihn nicht sehen konnte: BGH, VersR 1964, S. 639; gegen einen solchen Anscheinsbeweis Dannert, DAR 1995, S. 132, 133. 287 Vgl. BGH, VersR 1964, S. 296: Entkräftung des Anscheinsbeweises für eine mangelnde Beleuchtung, wenn das Fahrzeug aufgrund anderweitiger Beleuchtung gut sichtbar war. 284 285

§ 4 Produkthaftung Die Produkthaftung umfaßt die Haftung für Schäden, die aufgrund der Fehlerhaftigkeit eines Produktes an anderen Rechtsgütern eintritt.1 Unterschieden wird zwischen der Gefährdungshaftung nach dem ProdHG und der sog. Produzentenhaftung, der verschuldensabhängigen Haftung nach § 823 BGB. Das ProdHG ist aufgrund der EG-Richtlinie Produkthaftung vom 25. 07. 1985, Art. 19 erlassen und seit dem 01. 01. 1990 inkraft getreten. Anknüpfungspunkt und Begründung für die verschuldensunabhängige Haftung ist, ebenso wie bei der Haftung nach § 823 BGB, die Haftung für die Verletzung einer Gefahrsteuerungs- und abwendungspflicht, die an die Herstellung bzw. das Inverkehrbringen von Waren angeknüpft ist.2 Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt in der Fragestellung, wann ein Fahrerassistenzsystem einen Fehler aufweist bzw. was der Hersteller zu beachten hat. Die übrigen Haftungsvoraussetzungen werden zuvor im Überblick dargestellt.

A. Verschuldensunabhängige Haftung und Gefährdungshaftung Wegen des verobjektivierten Verschuldens in Form der dem Produzenten auferlegten Verkehrssicherungspflicht, ist das Verschuldenserfordernis des § 823 BGB nicht mehr schwierig zu überwinden.3 Deshalb ist der formale Vorteil des ProdHG für die Verbraucher nicht wesentlich. Hinzu kommt, daß hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen § 823 Abs. 1 BGB u. a. wegen der inbegriffenen Produktbeobachtungspflicht weiter reicht.

I. Hersteller – Produzent Die Ersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 BGB richtet sich gegen denjenigen, der im Zusammenhang mit dem Entstehen oder Inverkehrbringen des Produkts eine VerPalandt-Thomas, Einf. ProdHG, Rnr. 1, § 3 ProdHG, Rnr. 1, § 823 BGB, Rnr. 212. Deutsch, VersR 1988, S. 1197, 1198 f.; Koch, S. 91. 3 Seit der Hühnerpest-Entscheidung, BGHZ 51, S. 91 ff., ist die Pflicht zur Herstellung fehlerfreier Produkte eine Verkehrssicherungspflicht, mit der Folge, daß der Geschädigte die Nichterfüllung dieser Pflicht, die aus dem Verantwortungsbereich des Herstellers kommt, nicht beweisen muß. 1 2

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§ 4 Produkthaftung

kehrssicherungspflicht verletzt hat.4 Die Haftung nach dem ProdHG ist dagegen an den Herstellerbegriff des § 4 ProdHG geknüpft, der neben dem Hersteller des Endoder Teilprodukts gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 ProdHG auch den Quasihersteller nach § 4 Abs. 1 S. 2 ProdHG, den Importeur gemäß § 4 Abs. 2 ProdHG und subsidiär auch den Lieferanten gemäß § 4 Abs. 3 ProdHG als Hersteller ansieht. Die End- und Teilehersteller haften dabei im Verhältnis zum Geschädigten gleichartig und gleichwertig.5 Da die deliktische Produkthaftung an die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten geknüpft ist, kommt es nicht auf den Begriff des Produzenten an, sondern Haftungsschuldner ist jeder Verkehrssicherungspflichtige, d. h. jeder, der die Herrschaft über die Produktherstellung innehat.6

II. Pflichten des Herstellers Hinsichtlich der den Produzenten obliegenden Verkehrssicherungspflicht geht § 823 Abs. 1 BGB weiter, da hiernach auch die Produktbeobachtung zu den Pflichten gehört.7 Es reicht danach nicht, nur dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens zu entsprechen, sondern der Produzent muß sowohl aktiv als auch passiv die Brauchbarkeit und Sicherheit des Produktes auf dem Markt beobachten.8 Das bedeutet, daß der Hersteller gemäß § 823 Abs. 1 BGB auch nach dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens, für den ein Haftungsausschluß nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG besteht, den neuesten Stand von Wissenschaft und Technik beachten muß.9 Ergeben sich aufgrund der Produktbeobachtungspflicht noch nicht erkennbare Gefahren, ist der Hersteller zu weiteren Instruktions- oder Warnpflichten sowie unter Umständen zum Rückruf verpflichtet.10 Dabei ist der Hersteller auch zur Beseitigung der gefahrbringenden Eigenschaften, d. h. zur Umstellung der Fabrikation, Verbesserung der Instruktion sowie zur zumutbaren Änderung der Konstruktion seiner übrigen Produkte verpflichtet.11

Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 278. Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 10; Taschner / Frietsch, § 4 ProdHaftG, Rnr. 14. 6 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.060. 7 Michalski, BB 1998, 961 f.; Palandt-Sprau, § 823 BGB, Rnr. 172; BGHZ 80, S. 199, 202 – Apfelschorf; BGH, NJW 1987, S. 1009 – Motorradlenkerverkleidung; BGH, NJW 1990, S. 906 – Pferdebox. 8 Kullmann, NZV 2002, S. 1, 6; Kullmann / Pfister, Produzentenhaftung, Kza. 1520, S. 54 ff.; Michalski, BB 1998, 961; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 289; BGH, VersR 1989, S. 1307, 1308 – Pferdebox; BGH, NJW 1994, S. 517 – Gewindeschneidemittel I; BGH, NJW 1994, S. 3349 – Atemüberwachungsgerät;. 9 Birkmann, DAR 1990, S. 124, 126; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 289; Palandt-Sprau, § 823 BGB, Rnr. 172. 10 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 289; Palandt-Sprau, § 823 BGB, Rnr. 172. 4 5

A. Verschuldensunabhängige Haftung und Gefährdungshaftung

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In bezug auf Fahrerassistenzsysteme wird eine passive Produktbeobachtung als nicht ausreichend angesehen, sondern es wird von den Herstellern verlangt, daß sie sich Informationen über die Bewährung des Fahrerassistenzsystems in der Praxis beschaffen, sammeln und auswerten.12

III. Rechtsgutverletzung und Schaden Auch hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter ist der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB weiter gefaßt als § 1 ProdHG. Mit Inkrafttreten des 2. Schadensrechtsänderungsgesetzes zum 01. 08. 2002 können allerdings nunmehr gem. § 253 Abs. 2 BGB auch nach dem ProdHG Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden.13 Für den Ersatz von Sachschäden gilt allerdings die Einschränkung des § 1 S. 2 ProdHG, wonach nur der Schaden an einer anderen Sache als das fehlerhafte Produkt ersetzt wird, wenn diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist. 1. Andere Sache Kommt es aufgrund eines fehlerhaften Fahrerassistenzsystems zu einem Unfall und wird dabei ein fremdes Fahrzeug beschädigt, so ergeben sich hierbei keine Schwierigkeiten. Fraglich ist lediglich, ob das Fahrzeug ohne das System eine andere Sache ist. Hierbei ergibt sich dieselbe rechtliche Problematik wie bei den im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB diskutierten Fällen des Weiterfresserschadens.14 a) Weiterfresserschaden Bei sogenannten Weiterfresserschäden besteht nach mittlerweile gefestigter Rechsprechung dann ein deliktischer Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, wenn durch ein fehlerhaftes Teilprodukt der übrige Teil des Produktes geschädigt oder gebrauchsunfähig wird, soweit der entstandene Schaden mit dem anhaftenden Mangelunwert des Produkts im Zeitpunkt des Eigentumsübergangs nicht „stoffgleich“ ist.15 Stoffgleichheit wird bejaht, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der 11 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 289; BGH, NJW 1990, S. 906 – Pferdebox; BGH, NJW 1994, S. 3349 – Atemüberwachungsgerät. 12 Vogt, NZV 2003, S. 153, 159. 13 BT-Drs. 14 / 7752, S. 14; gemäß dem geänderten Art. 229, § 5 EGBGB gilt dies nicht für Schäden, die vor dem 01. 01. 2002 eingetreten sind. 14 Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 9; Palandt-Sprau, § 1 ProdHG, Rnr. 6. 15 BGHZ 86, S. 256, 257 ff. – Gaszug; BGHZ 117, S. 183, 187 f. – Kondensatoren; BGH, VersR 1990, S. 204, 205 – Weinkorken; BGH, VersR 1985, S. 837 – Kompressor; BGH, ZIP

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§ 4 Produkthaftung

Mangel deshalb von Anfang an die Gesamtsache umfaßt, weil diese wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr beschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar war.16 Zum Teil wird vertreten, daß auch dann eine Haftung nach § 1 ProdHG eintritt, wenn ein fehlerhaftes Teilprodukt andere Teile eines Gesamtproduktes beschädigt.17 Argumentiert wird, daß auch ein Teilprodukt nach § 2 Abs. 1 ProdHG als ein Produkt angesehen wird und somit die fehlerfreie Restsache als (Teil)produkt zum restlichen fehlerhaften Teilprodukt eine andere Sache im Sinne des § 1 ProdHG sein könne.18 Die überwiegende Mehrheit lehnt aber eine Haftung für das fehlerhafte Teilprodukt nicht zuletzt wegen einer nicht gewollten Verwischung mit dem Gewährleistungsrecht ab.19

b) Fahrerassistenzsystem als abgrenzbares Teilprodukt In aller Regel wird bei Defekten an Fahrerassistenzsystemen ein Mangelunwert eines fehlerhaften Teilproduktes vorliegen, da Funktionsstörungen dieser Systeme in aller Regel auf einen Fehler eines kleineren Teils zurückzuführen sein werden.20 Ein Schadensersatzanspruch liegt daher regelmäßig zumindest gemäß § 823 Abs. 1 BGB vor. Nicht ersetzt, weil das Äquivalenzinteresse betreffend, werden die Kosten für den Ausbau der fehlerhaften Zulieferteile21, sofern durch diese nicht auch eine Gefahr für die Abnehmer oder Dritte entstehen kann22. Letzteres ist bei fehler1998, S. 865, 866 – Transistoren; BGH, VersR 1992, S. 758, 759 – PKW-Motor; BGH, NJW 1983, S. 812, 813 – Hebebühne; BGH, NJW 2001, S. 1346 – Schlacke. 16 BGH, VersR 1985, S. 837 – Kompressor; BGH, VersR 1992, S. 758 – PKW-Motor; diese Rspr. wird kontrovers diskutiert und kritisiert, dazu im Überblick Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 106 ff.; ausführlich Katzenmeier, S. 66 ff.; dazu, ob diese im Hinblick auf die verlängerte Gewährleistungsfrist im neuen Schuldrecht aufrechtzuerhalten ist: Mansel, NJW 2002, S. 89, 95; Gsell, NJW 2004, 1913, 1915; Graf v. Westphalen, DB 2001, S. 803; Zimmermann / Leenen / Mansel / Ernst, JZ 2001, S. 684, 691 f. 17 Ausführlich Katzenmeier, S. 270 ff., 286; Kullmann / Pfister, Kza. 3602, S. 2; Sack, VersR 1988, S. 439, 445; Graf von Westphalen, ProdH II, § 72, Rnrn. 13 ff., 16 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht in NJW 1990, S. 83, 84 f. 18 Kullmann / Pfister, Kza. 3602, S. 2 f.; Sack, VersR 1984, S. 439, 445; Katzenmeier, S. 277, mit der Darlegung, daß sich diese Argumentation sowohl für als auch gegen eine Übertragung auf das ProdHG einbringen läßt; das Argument wird zumeist gegen eine Übertragung verwendet, indem argumentiert wird, daß Teilidentität eine Andersartigkeit ausschließe, Reinelt, DAR 1988, S. 80, 87; Landscheidt, NZV 1989, S. 169, 171. 19 BT-Drs. 11 / 5520, S. 13; Kullmann / Pfister, Bd. 1 Nr. 3600 B IV 1; Kullmann, NZV 2002, S. 1, 9; Marburger, AcP 192 (1992), S. 1, 7 ff.; Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 10 m. w. N.; Pott / Frieling, § 1, Rnr. 39; Reinking / Eggert, Rnr. 575; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 155. 20 So auch im Fall BGHZ 117, S. 183 – fehlerhafte Kondensatoren für ABS-Regler, die zum Ausfall des Systems führten. 21 Kullmann, NZV 2002, S. 1, 3; a.A. Schöpflin, JR 1999, S. 30, 31.

A. Verschuldensunabhängige Haftung und Gefährdungshaftung

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haften Fahrerassistenzsystemen der Fall, denn dadurch entstehen Unfälle mit möglicherweise schwerwiegenden Verletzungsfolgen.

2. Privater Gebrauch Wird bei einem Unfall durch ein fehlerhaftes Fahrerassistenzsystem ein Fremdfahrzeug beschädigt, so hängt der Ersatz des Sachschadens gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHG davon ab, wie das andere Fahrzeug seiner Art nach gewöhnlich bestimmt und hauptsächlich verwendet worden ist. Nicht ersetzt werden Sachschäden im beruflichen, geschäftlichen oder gewerblichen Bereich.23 Unter einer gewöhnlichen Bestimmung ist zu verstehen, daß die andere Sache nach der allgemeinen Verkehrsauffassung für Erwerbszwecke hergestellt wird und sich dies nicht nur aus der Produktbezeichnung, sondern auch aus der Gestaltung und Verwendungsbestimmung ergibt.24 Das bedeutet, daß Sachschäden für beschädigte Fremd-Lkws, die im allgemeinen für einen gewerblich genutzten Bereich hergestellt werden, nicht zu ersetzen sind. Pkws werden hingegen im allgemeinen für den privaten Gebrauch hergestellt, auch wenn sie geschäftlich genutzt werden können. Soweit dies der Fall ist, ist ein Sachschäden dann nicht zu ersetzten, wenn der beschädigte Fremd-Pkw hauptsächlich, d. h. ganz überwiegend für geschäftliche Zwecke genutzt wird. Andererseits ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHG erfaßt, wenn ein hauptsächlich zum privaten Gebrauch genutzter Pkw im Zeitpunkt des Unfalls ausnahmsweise zur beruflichen Tätigkeit eingesetzt wurde.25 Von der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB sind auch Schäden an gewerblich genutzten Sachen erfaßt. Dies bedeutet für Fahrerassistenzsysteme, daß auch Schäden an LKWs zu ersetzen sind.

IV. Verschulden Eine Haftung liegt gemäß § 823 Abs. 1 BGB nur vor, wenn der Hersteller hinsichtlich des Verstoßes gegen die Verkehrssicherungspflicht bei Inverkehrbringen des fehlerhaften Produktes fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Dies bedeutet, daß der Hersteller im Gegensatz zur Haftung nach dem ProdHG für Ausreißer 22 Kullmann, NZV 2002, S. 1, 3, Fn. 29; OLG Ka, NJW-RR 1995, S. 594 f. – Dunstabzugshaube; OLG Mü, VersR 1992, S. 1135 – Druckmeßzellen. 23 Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 12; Palandt-Sprau, § 1 ProdHG, Rnr. 7; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 33. 24 Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 13; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 34. 25 Vgl. Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 16; Palandt-Sprau, § 1 ProdHG, Rnr. 7; Taschner / Frietsch, Rnr. 36 f.

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§ 4 Produkthaftung

nicht haftet.26 Für Entwicklungsfehler haftet er ebenfalls nicht, soweit das subjektive Moment des Entwicklungsfehlers betroffen ist.27 Gehaftet wird daher nicht für gefährliche Eigenschaften, die zwar hätten objektiv erkannt und auch verhindert werden können, deren Erkennung und Beseitigung dem Hersteller aber bei Beachtung seiner Sorgfaltspflicht trotzdem nicht möglich war.28 Wird nach dem ProdHG auch für Ausreißer gehaftet, so ist eine Haftung für Entwicklungsfehler allerdings nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG insoweit ausgeschlossen, als der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Trotz dieser Entlastungsmöglichkeit liegt aber grundsätzlich ein fehlerhaftes Produkt vor, während nach § 823 Abs. 1 BGB bereits deshalb nicht für Entwicklungsrisiken gehaftet wird, weil es an einer Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung fehlt.29

V. Haftungsumfang Hinsichtlich des Haftungsumfanges ist § 823 Abs. 1 BGB ebenfalls günstiger für den Geschädigten. Denn die Haftung nach dem ProdHG ist gemäß § 10 ProdHG auf 85 Mio Euro begrenzt. Außerdem besteht gemäß § 11 ProdHG eine Selbstbeteiligung von 500 Euro besteht.

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen Anliegen dieses Kapitels ist die Frage der Sicherheit und der Risiken von Fahrerassistenzsystemen. Im Rahmen der Haftung des Herstellers ist insbesondere die Gebrauchssicherheit relevant, d. h. die Frage, wie das Fahrerassistenzsystem konstruiert werden muß und über welche Risiken in welcher Weise aufgeklärt werden muß. Kernproblem ist daher der Fehlerbegriff. Die für die Haftung nach dem ProdHG zu erfüllenden Tatbestandsmerkmale sind in Bezug auf den Fehlerbegriff gleich. Im Schrifttum ist zwar im einzelnen die Frage der Kongruenz beider Fehlerbegriffe umstritten.30 Aus der Begründung des Regierungsentwurfs zum ProdHG, die darauf verweist, daß die drei Hauptkate26 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 291; Palandt-Sprau, § 823, Rnr. 169; Schmidt-Salzer, III / 1, Rnrn. 4.120; 4.124; BGH, NJW 1995, S. 2162, 2163 – Mineralwasserflasche II. 27 Dazu Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 80; LG Berlin, NJW-RR 1996, S. 501, 502 – toxische Wirkung von Teppichen. 28 Vgl. unten (§ 4 B. II. 1.). 29 Wieckhorst, VersR 1995, S. 1005, 1014. 30 Buchner, DB 1988, S. 32, 33 ff.; Koch, S. 95 ff.; Kötz / Wagner, Rnr. 461; Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545 ff.

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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gorien keinesfalls abschließend seien und im Einzelfall ersetzt oder ergänzt werden müssen und in bezug auf den Fehlerbegriff nach dem durch das ProdHG keine Änderung der Rechtslage eintrete31, ist zu schließen, daß mindestens die Erfordernisse des Fehlerbegriffs gemäß § 823 Abs. 1 BGB auch für § 3 ProdHG zu gelten haben32. Dogmatisch basiert das ProdHG als Gefährdungshaftungsnorm auf einem objektivierten Fehlerbegriff, verstanden als Fehlerhaftigkeit eines Produktes, während der Fehlerbegriff nach § 823 BGB von einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht bezogen auf die Konstruktion, Fabrikation oder Instruktion eines Produktes ausgeht.33 Hinsichtlich der inhaltlichen Konkretisierung des Fehlerbegriffs gilt, daß die zur Definition des Fehlerbegriffs in § 3 ProdHG maßgebliche Sicherheitserwartung den in § 823 BGB konkretisierten Verkehrspflichten des Herstellers im Ergebnis entspricht.34 Denn die Fehlerhaftigkeit eines Produktes kann nicht allein aus sich heraus definiert werden, sondern der Begriff des Fehlers impliziert das Fehlen von etwas und benötigt daher eine Bezugsgröße. Diese Bezugsgröße ist im ProdHG wie auch in § 823 BGB die Produktsicherheit, die unter Berücksichtigung aller Umstände berechtigterweise erwartet werden kann.35 Da der Fehlerbegriff im ProdHG legaldefiniert ist, wird auf diesen anhand des ProdHG eingegangen. Wegen der Kongruenz des Fehlerbegriffs mit den Verkehrssicherungspflichten wird auch auf diese Rechtsprechung zurückgegriffen. Nach § 3 Abs. 1 ProdHG ist ein Produkt fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit besitzt, die unter Berücksichtigung bestimmter Umstände berechtigterweise erwartet werden kann. Aus dem Wortlaut ergibt sich schon unmittelbar, daß sich die Fehlerhaftigkeit nicht auf die Gebrauchstauglichkeit wie im Gewährleistungsrecht, sondern auf die Gebrauchssicherheit des Produktes bezieht.36 Produktfehler, für die eine Haftung besteht, werden in Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler unterteilt.37 Bevor auf die Besonderheiten der einzelnen Fehlerarten eingegangen wird, müssen anhand des Sicherheitsmaßstabs die berechtigten Verbrauchererwartungen an die Systeme erfaßt werden. BR-Drs. 101 / 88, S. 22. Koch, S. 95 f. 33 Rolland, § 3, Rnr. 2; Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545, 546. 34 Koch, S. 97; Kötz / Wagner, Rnr. 461; Rolland, § 3, Rnr. 2; Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545, 549 ff.; Schmidt-Salzer, III / 1, Rnrn. 4.734, 4.745 f.; Schmidt-Salzer, BB 1988, S. 349, 350; Wieckhorst, VersR 1995, S. 1005, 1014. 35 Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545, 551. 36 Vgl. auch BT-Drs. 11 / 2447, S. 18; Koch, S. 94; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 271; Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545; BGHZ 80, S. 186, 187 – Apfelschorf; gewisse Überschneidungen gibt es z. B. im Bereich des Produktsicherheitsrechts, in dem eine Sache grundsätzlich einen Mangel aufweist, weil der gewöhnliche Gebrauch gemindert oder aufgehoben wird, wenn von der Sache wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften eine Gefahr ausgeht, Kollmer, NJW 1997, S. 2015 f.; Wagner, BB 1997, S. 2541, 2543; BGH, NJW 1985, S. 1769, 1770. 37 Zur Entstehung dieser Einteilung Schlechtriem, FS für Rittner, S. 545, 546 ff. 31 32

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§ 4 Produkthaftung

I. Berechtigte Sicherheitserwartungen an Fahrerassistenzsysteme Der Sicherheitsmaßstab ergibt sich aus § 1 ProdHG. Das Produkt muß so beschaffen sein, daß der Benutzer oder ein Dritter in seiner körperlichen Unversehrtheit nicht verletzt oder sonstiges Eigentum nicht beschädigt wird. Erwartet werden darf eine objektive Sicherheit, nämlich diejenige, die die Allgemeinheit nach Abwägung aller wichtigen Umstände für erforderlich halten darf.38 Abzustellen ist dabei immer auf den Benutzertyp, für den das Produkt bestimmt ist.39 Gemeint ist dabei grundsätzlich immer ein durchschnittlicher Benutzer.40 Nur ausnahmsweise ist ein individueller Maßstab der schützenswertesten Personen anzulegen, wenn damit zu rechnen ist, daß Personen mit einem außergewöhnlichen Mangel an Erfahrung oder Vorsicht mit dem Produkt in Berührung kommen41. Unter diese Fallgruppe zählen z. B. Kleinkinder, die in allgemeinen Lebenssituationen mit Produkten in Berührung kommen, um deren Gefährlichkeit Erwachsene und größere Kinder wissen. Damit ist bei Fahrerassistenzsystemen nicht zu rechnen, da Fahrer von Kraftfahrzeugen ein Grundwissen um Vorsicht und Erfahrung im Straßenverkehr aufgrund des Führerscheines haben und Fahrschüler unter Aufsicht stehen. Die Fälle, daß Minderjährige unerlaubt fahren, sind Fälle der völligen Zweckentfremdung. Damit muß der Hersteller nicht rechnen.

1. Benutzergruppe der Fahrerassistenzsysteme Fahrerassistenzsysteme sollen in Fahrzeugen eingebaut werden, die für jedermann zugänglich sind. Der Benutzertyp, auf den sich der Blick des Herstellers richtet, ist für Konstruktions- wie für Instruktionspflichten der Sache nach derselbe. Im Rahmen von Instruktionspflichten hat der BGH auf die am wenigsten informierteste und daher am meist gefährdetste Benutzergruppe abgestellt.42 Dabei be38 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 8; Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1035; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 13; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 62, Rnr. 7; zum Teil wird auch auf eine verständige Person, Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 5, oder auf einen idealtypischen Verbraucher abgestellt, Kullmann / Pfister, Kza. 3604, S. 3. 39 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 4; BGH, VersR 1972, S. 149, 150 f. – Förderband; BGH, NJW 1975, S. 1827, 1829 – Spannkupplung; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 f. – Kältemittel. 40 MüKo-Cahn, § 3 ProdHG, Rnr. 6; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 4, 65, Bd. II, § 72, Rnr. 19, § 74, Rnr. 33; BGH, NJW 1975, S. 1827, 1829 – Spannkupplung; BGH, NJW 1990, S. 907 – Pferdebox; OLG Köln Urt. v. 20. 01. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlg II, II.30, S. 319, 322 – Speiseeisbereiter – danach ist der durchschnittliche Benutzer der nicht übertrieben vorsichtige Benutzer. 41 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 15. 42 BGH, NJW 1994, S. 932, 933 – Kindertee II.

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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zieht er sich zum einen auf die Silokipperentscheidung43, in der zwischen Fachleuten und Laien, die das Produkt für den privaten Haushalt gebrauchen, unterschieden wird. Zum anderen bezieht er sich auf Foerste, der von der gefährdetsten Käufergruppe spricht.44 Auch im Rahmen der Konstruktionspflichten stellt Foerste auf die gefährdetste Käufergruppe ab,45 wobei beidemal dieselbe Gruppe gemeint ist. Es geht ihm jeweils um die Unterscheidung zwischen Produkten, die ausschließlich von Fachleuten benutzt werden und Produkten des täglichen Bedarfs, die für jedermann zugänglich sind.46 Unterschieden wird daher nur zwischen den jeweiligen Fachleuten und den sonstigen Laien in privaten Haushalten, denen ein Fachwissen zu dem Produkt fehlt. Da Fahrerassistenzsysteme für jedermann bestimmt sind, kommt es somit auf den durchschnittlichen Fahreran, der keine Fachkenntnisse bezüglich des technischen Aufbaus, der technischen Möglichkeiten und Grenzen dieser Systeme besitzt. Es kann sich die Frage aufdrängen, ob innerhalb der Gruppe der privaten Kraftfahrer zwischen einzelnen Untergruppierungen zu unterscheiden ist, etwa zwischen Vielfahrern, Gelegenheitsfahrern, älteren und jüngeren Fahrern.47 Eine solche Unterscheidung ist weder vom BGH intendiert worden, noch ist sie erforderlich. Zum einen ist zu bezweifeln, daß Benutzer einer dieser Untergruppierungen fachspezifischere Kenntnisse hinsichtlich der Eigenschaften und Bedienung von Fahrerassistenzsystemen besitzen, als Benutzer einer anderen Gruppierung. Allen Kraftfahrern, die zur Gruppe der fachlichen Laien gehören, wird gemeinsam sein, daß sie die technischen Möglichkeiten und Grenzen dieser Systeme gleichermaßen (nicht) kennen. Zum anderen kommt es weniger auf die Definition einer Benutzergruppe als Maßstab der Sicherheitserwartungen an, als vielmehr auf den Inhalt der Erwartung an das System. In diesem Rahmen ist darauf abzustellen, welche Erwartungen Fahrer haben. Soweit sich herausstellt, daß von einigen Fahrern eine bestimmte Eigenschaft des Produktes erwartet wird, ist es gleichgültig, ob diese Fahrer typischerweise einer wie auch immer definierten Gruppe der älteren Fahrer, Fahranfänger oder Vielfahrer angehören. Es bleibt daher dabei, daß der Hersteller den durchschnittlichen Kraftfahrer als Maßstab zu nehmen hat, der sich mit der Technik von Fahrerassistenzsystemen nicht auskennt. BGH, NJW 1992, S. 2016, 2018 – Silokipper. In: Graf v. Westphalen, ProdH I, 1. Aufl., § 24, Rnr. 172. 45 In: Graf v. Westphalen, ProdH I, 1. Aufl., § 24, Rnr. 69. 46 Vgl. die dazu zitierten Entscheidungen: BGH, VersR 1972, S. 149 – Förderanlage; BGH, VersR 1978, S. 830 – Betonbereitungsanlage; BGH, VersR 1984, S. 270 – Flachmeißel; BGH, VersR 1984, S. 544 – Trockenputzmischer; BGH, VersR 1992, S. 1010 – Silobehälter; der Begriff der gefährdetsten Benutzergruppe wird von Foerste, in: Graf v. Westphalen, ProdH, 2. Aufl., § 24, Rnrn. 61 ff., 176 ff. nicht mehr verwendet, sondern es wird auf den Durchschnittsbenutzer des jeweiligen Abnehmers- bzw. Benutzerkreises abstellt. 47 Diese Art der Unterscheidung ist in einer Studie zur Funktionalitätseinschätzung von Fahrerassistenzsystemen vorgenommen worden von Färber / Färber, S. 16; sie wird auch unter Bezugnahme auf BGH, NJW 1994, S. 932, 933 Kindertee II im Gutachten von Response gefordert, Feldges / Brandenburg, Response, S. 203. 43 44

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§ 4 Produkthaftung

2. Zu berücksichtigende Umstände Die Umstände, die bei der Erfassung der Sicherheitserwartungen zu berücksichtigen sind, sind einerseits solche, die aus der Perspektive des Benutzers herrühren und andererseits solche, die aus Herstellersicht entstehen.48 Gerade hierin zeigt sich der Einfluß des Herstellers auf die Benutzererwartungen.49 Der Hersteller hat insbesondere durch die Darbietung, die Ausstattung und die Gebrauchshinweise die Möglichkeit, im gewissen Rahmen die Anwendungsverantwortung beim Umgang mit dem Produkt auf den Benutzer zu übertragen.50 Allerdings darf der Hersteller seine Konstruktionspflichten nicht durch Instrumente der Instruktionen auf den Benutzer übertragen, wenn eine ungefährlichere Konstruktionsweise des Produktes durch zumutbare51 konstruktive Maßnahmen möglich ist.52 Erwartungsmaßstab sind zum einen die Umstände, die in § 3 Abs. 1 Nr. a – c ProdHG genannt sind. Hiervon ist § 3 Abs. 1 Nr. c ProdHG unproblematisch, da dieser lediglich den Zeitpunkt des Inverkehrbringens als maßgeblichen Zeitpunkt bestimmt. Aus § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG folgt, daß zu den berechtigten Erwartungen ferner die Einhaltung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Technik gehört.53 Darüberhinaus sind insgesamt alle Umstände des konkreten Schadensfalles zu berücksichtigen.54 Während die Sicherheitserwartungen auch vom Preis abhängen, hat der Hersteller immer eine Mindestsicherheit des Produktes zu gewährleisten.55 Da die meisten Systeme noch nicht auf dem Markt erhältlich sind, ist vor allem auf vorhersehbare Erwartungen und auf vorhersehbare Umstände, die aus der Erfahrung zu erwarten sind, abzustellen.

a) Stand von Wissenschaft und Technik Der Stand von Wissenschaft und Technik ist im Rahmen der Produkthaftung an mehreren Stellen von Bedeutung. Zum einen beinhalten die berechtigten Sicherheitserwartungen, daß das Produkt hinsichtlich Konstruktion, Instruktion und Fa48 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 7; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 27; Graf v. Westphalen, ProdH II § 74, Rnr. 33 ff. 49 Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 33. 50 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 7; Tascher / Frietsch, § 3 ProdHG, Rnr. 7; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 33. 51 Zur Zumutbarkeit unten § 4 B. I. 2. B) aa) (2) (b). 52 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 71, 62 f., 98. 53 Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr .12; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 22; Wieckhost, VersR 1995, S. 1005, 1011. 54 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 9. 55 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 94; OLG Köln, Urt. v. 20. 01. 1972, SchmidtSalzer, EntschSammlg II, II 30, S. 319 ff. – Speiseeisbereiter; OLG Ce, VersR 1978, S. 258, 259 – Hocker, vgl. unten [§ 4 B. I. 2. b)].

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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brikation den Anforderungen des neuesten Standes von Wissenschaft und Technik erfüllt, soweit dieser ermittelbar ist und den anerkannten Regeln des Faches entspricht. Dabei ist aber zu beachten, daß der Stand von Wissenschaft und Technik mit der Einhaltung technischer Regeln nicht identisch ist.56 Des weiteren besteht bei Einhaltung des Standes der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens ein Haftungsausschluß gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG. Hinsichtlich der Konkretisierung des Standes von Wissenschaft und Technik kann auf die Rspr. und Literatur zu den Verkehrssicherungspflichten gemäß § 823 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden, soweit sich nicht aus der Produktbeobachtungspflicht etwas anderes ergibt.57 Zwar wird diskutiert, ob der Begriff des Standes der Wissenschaft und Technik gemäß § 1 ProdHG als einheitlicher Begriff aufgefaßt werden muß.58 Inhaltlich besteht allerdings weitgehend Einigkeit darüber, daß Stand der Technik nicht nur den gerade praktizierten Standard meint. Außerdem geht der Stand der Wissenschaft über den Begriff des Standes der Technik hinaus und meint auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die aufgrund ihrer theoretischen oder experimentellen Grundlage noch keine praktische Relevanz haben59. Damit kann der Stand von Wissenschaft und Technik als Summe der Erkenntnismöglichkeit von Wissen und Technik verstanden werden, die für die Konstruktion und Instruktion des Produktes verfügbar ist.60 Vorliegend geht es um die für Fahrerassistenzsysteme relevante Frage, inwieweit es dem Hersteller zuzumuten bzw. inwieweit er verpflichtet ist, das Fahrerassistenzsystem selbst in der Weise sicherer zu konstruieren, daß es weniger Restrisiken aufweist, insbesondere durch die Zuverlässigkeit in mehreren möglichen Verkehrssituationen. Es ist z. B. fraglich, ob der Hersteller dazu verpflichtet ist, noch mehr Sensoren einzubauen, damit einige Verkehrssituationen zusätzlich erkannt werden können mit der Folge einer Kostenexplosion und mangelhaften Verkauf.

aa) Technischer Standard und allgemein anerkannte Regeln der Technik Zur Einhaltung des geforderten Sicherheitsniveaus im Rahmen des Standes von Wissenschaft und Technik hat der Hersteller zuerst einmal die allgemein aner56 Marburger, S. 162 f., 164 f.; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 101; Schmidt-Salzer, III / 1, Rnrn. 4.790 ff.; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 18. 57 Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 79, § 74, Rnr. 22; ders., NJW 1990, S. 83, 85. 58 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.797; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 101; Winkler, BB 1983, 2125, 2128. 59 BT-Drs. 11 / 2447, S. 15; Marburger, S. 164 f.; Pott / Frieling, § 1, Rnr. 99; Schmidt-Salzer, III / 1, Rnrn. 4.790 ff., 4.797; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 101; Art. 7, Rnr. 43; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 84 f. 60 BT-Drs. 11 / 2447, S. 15; Koch, S. 102; Kort; VersR 1989, S. 1113, 1115; Palandt-Sprau, § 1 ProdHG, Rnr. 21; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 85; ders., NJW 1990, S. 83, 85;.

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kannten Regeln der Technik einzuhalten. Dies sind Kriterien, die in den Kreisen der betroffenen Techniker bekannt und anerkannt sind, weil sie in der Praxis erprobt sowie verbreitet worden sind und sich bewährt haben.61 Demgegenüber ist der später entwickelte Begriff „Stand der Technik“ unabhängig von der Anerkennung durch die jeweilige technische Fachwelt und auch dann erreicht, wenn fortschrittliche, vergleichbare Verfahren in ihrer Wirksamkeit in der Betriebspraxis zuverlässig nachgewiesen werden.62 Dazu gehört nicht bloß die Einhaltung der für das Produkt geltenden technischen Normen. Die Nichteinhaltung bedeutet zwar unweigerlich das Vorliegen eines Konstruktionsfehlers, soweit die Produktsicherheit beeinträchtigt ist.63 Der umgekehrte Fall, daß bei Einhaltung der technischen Sicherheitsnormen das Produkt fehlerfrei ist, kann jedoch nicht angenommen werden.64 Die Einhaltung solcher Normen erweckt lediglich den Anschein, daß das Produkt den berechtigten Sicherheitserwartungen entspricht.65 Im Bereich der Haftung für Produktfehler bei Kraftfahrzeugen wird vom Hersteller mehr verlangt, denn der Hersteller darf sich nicht auf die Erteilung einer Zulassung für das Fahrzeug gemäß §§ 30 ff. StVZO66 verlassen.67 Wenn im Einzelfall die Verbraucher berechtigterweise mehr Sicherheit erwarten dürfen, als durch §§ 30 ff. StVZO gewährleistet ist, muß der Hersteller diesen Erwartungen entsprechen, da durch eine behördliche Genehmigung die Verantwortung des Herstellers nicht auf die Behörde über geht.68 Die Zulassungsbestimmungen der §§ 30 ff. StVZO in Verbindung mit den einzelnen Richtlinien, auf die verwiesen wird, beinhalten kein spezielles Prüfverfahren zur Systemsicherheit. Daher genügt die Einhaltung der Zulassungsbestimmungen allein nicht zur Erfüllung der berechtigten Benutzererwartungen. Die anerkannten Regeln der Technik sind keine zwingend angeordneten Vorschriften. Demgemäß kommt es ausschließlich auf Erreichung desjenigen Sicherheitsstandards an, der bei Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik auch erreicht würde.69 Auf die Regeln der Technik wird häufig in den Bestimmungen des 61 Marburger, S. 157, 439; Obenhaus / Kuckuck, DVBl. 1980, 154, 156; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 16; Schmidt-Salzer III / 1, Rnr. 4.796. 62 Marburger, S. 162 f.; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 27; Obenhaus / Kuckuck, DVBl. 1980, 154, 156. 63 Kollmer, NJW 1997, S. 2015, 2018; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 9; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 22; vgl. BGH, VersR 1984, S. 270 – Flachmeißel. 64 Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 16; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 23. 65 BT-Drs. 11 / 2447, S. 19; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 15; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 39. 66 Dies gilt auch für die technischen Normen, auf die §§ 30 ff. StVZO verweisen sowie sonstige europäische Verordnungen zur Typgenehmigung. 67 Vgl. Kullmann / Pfister, Kza. 1520, S. 21 f.; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 23, BGH, NJW 1952, S. 357 – Rungenverschluß; BGH, NJW 1987, S. 372, 373 – Spraydose. 68 Vgl. Kullmann / Pfister, Kza. 1520, S. 20 f.; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 95; BGH, VersR 1952, S. 357 – Rungenverschluß; BGH, NJW 1987, S. 372, 373 – Verzinkspray. 69 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 20.

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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öffentlichen Sicherheitsrechts verwiesen, z. B. § 3 Abs. 1 S. 1 GSG. Zu den Regeln der Technik im Bereich der Fahrerassistenzsysteme gehören diejenigen bewährten Regeln im Bereich der Elektronik, Informatik und Fahrzeugbau und Fahrzeugentwicklung allgemein. Im Bereich der Systemsicherheit, d. h. der Untersuchung des Systems auf einen möglichen Ausfall einzelner Komponenten und Baugruppen, sind neben Fahrversuchen70 auch die Fehlermöglichkeits- und -effektanalyse (FMEA) sowie die Fehlerbaumanalyse (FBA) Stand der Technik.71 Diese Systemanalysemethoden sind auch bei Fahrerassistenzsystemen anzuwenden.72 Als weiterer, im Zusammenhang mit GPS-Systemen neuer technischer Standard ist die Empfehlung der Europäischen Kommission vom 21. 12. 1999 zur Sicherheit von Informations- und Kommunikationssystemen in Fahrzeugen.73 Die Automobilhersteller haben sich gemäß dieser Empfehlung selbstverpflichtet, die Bestimmungen des im Anhang dargestellten Grundsatzkatalogs zur Mensch-MaschineSchnittstelle für On-board-Informations- und -Kommunikationssysteme einzuhalten. Wesentlicher Inhalt dieser Bestimmungen ist es, das System so zu konstruieren, daß der Fahrer Anzeige und Bedienungselemente benutzen kann, ohne daß seine Aufmerksamkeit auf das Verkehrsgeschehen leidet, bzw. das Führen des Fahrzeuges beeinträchtigt ist. Deshalb sollten u. a. irrelevante optische Informationen abgeschaltet und die Bedienungsanleitung leicht verständlich sein.

bb) Forschungsstand von Technik und Wissenschaft Neben der Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik muß der Hersteller auch gesicherte Erkenntnisse aus dem Forschungsstand von Technik und anderen Naturwissenschaften beachten, wenn diese Erkenntnisse die Vermeidung einer Produktgefahr ermöglichen.74 Denn der Stand der Wissenschaft und Technik ist die Summe der Sachkunde aus Wissenschaft und Technik, die allgemein anerkannt und zur Verfügung steht.75 Die Berücksichtigung neuer Forschungserkenntnisse gleicht den Nachteil aus, der darin besteht, daß die Rechtsordnung mit dem Maßstab der anerkannten Regeln der Technik grundsätzlich hinter einer weiterstreVgl. zu Fahrversuchen und Simulation Wallentowitz / Ehmanns, S. 62 ff., 96 ff. Bölling, SEV 2001, S. 35,37; Gaupp / Wobben, S. 44 ff.; ausführlich zur Analyse der Systemsicherheit Wallentowitz / Ehmanns, S. 45 ff.; FMEA bei x-by-wire-Systemen; zur Bedeutung der FMEA auch in US-amerikanischen Produkthaftungsfällen, Knapp, S. 257 f. 72 Bölling, SEV 2001, S. 35, 37. 73 Empfehlung der Kommission vom 21. Dezember 1999 an die Mitgliedstaaten und die Industrie über sichere und effiziente On-board-Informations- und –Kommunikationssysteme: Europäischer Grundsatzkatalog zur Mensch-Maschine-Schnittstelle, ABl. EG v. 25. 01. 2000, L 19, S. 64 ff.; zur Entwicklung der nationalen Leitlinien Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 101. 74 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnrn. 4.815 ff., 4.821; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 22 ff. 75 BT-Drs. 11 / 2447, S. 15; Pott / Frieling, § 1, Rnr. 99; Taschner / Frietsch, Art. 7, Rnr. 43. 70 71

10 Bewersdorf

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benden technischen Entwicklung her hinkt.76 Der Hersteller braucht allerdings nur bereits gesicherte Erkenntnisse zu beachten, d. h. solche, über die sich bereits anerkannte Fachleute auf höchster Ebene ein Urteil gebildet haben.77 Abweichende Meinungen sind grundsätzlich irrelevant, es sei denn sie haben auch Anerkennung gefunden.78 Über Neuerkenntnisse kann sich der Hersteller in Form von Fachzeitschriften, je nach Größe des Unternehmens auch ausländischer Art, Fachtagungen, Korrespondenz mit wissenschaftlichen Instituten und Beobachtung von Konkurrenzprodukten unterrichten.79 Für Fahrerassistenzsysteme ist es deshalb für den Hersteller auch erforderlich, sich über die Fragen der Technik hinaus mit Fragen des Fahrerverhaltens, d. h. sozialwissenschaftliche und psychologische Fragen auseinanderzusetzten. Denn aktive Fahrerassistenzsysteme können nur dann zur Sicherheit beitragen, wenn sie benutzergerecht sind und den menschlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen angepaßt sind.80 Im Hinblick auf diese Fragen ist auch die Empfehlung der Europäischen Kommission und die Selbstverpflichtung der Hersteller bzgl. der Mensch-Maschine-Schnittstelle entstanden.81 Speziell für die Bedienung und Grenzerkennung gibt es derzeit weder eine Standardisierung, noch eine Selbstverpflichtung der Hersteller vergleichbar der Selbstverpflichtung zur Mensch-Maschine-Schnittstelle. Eine Zusammenführung aller naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse auf diesem Gebiet ist zumindest ratsam, wenn nicht gar notwendig, um den Anforderungen des Standes von Wissenschaft und Technik entsprechen zu können. Die Schaffung einer derartigen Selbstverpflichtung könnte alle neuen Erkenntnisse bis dato zusammenführen und den Herstellern ermöglichen, Gefahren im Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen zu erkennen. Wenn aber eine derartige Zusammenführung zu einer besseren Fehlererkennung führt, ist dies auch nach den Anforderungen des Standes von Wissenschaft und Technik erforderlich, da der Haftungsausschluß nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG nur für objektive Nichterkennbarkeit besteht.82 Die daraufhin bestehende Selbstverpflichtung ist dann wieder Teil des allgemein technischen Standards und neuere Erkenntnisse sind wiederum zu berücksichtigen.83

BVerfG, NJW 1979, S. 359, 362 – Kalkar. Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 23. 78 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 23. 79 Kullmann / Pfister, Kza. 1520, S. 16; Pott / Frieling, § 1, Rnr. 103; Taschner / Frietsch, Art. 7, Rnr. 43; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 24 f.; BGH, VersR 1960, S. 1095, 1096 – Kühlanlage. 80 Becker, S. 64. 81 Siehe hierzu Nirschl / Blum, S. 42 ff. 82 Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 80; BGH, NJW 1995, S. 2162, 2163 – Mineralwasserflasche, m. w. N. 83 So z. B. Abhandlung von Miura / Shinohara, ZVS 2000, S. 4. 76 77

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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b) Mindestsicherheit Es ist bereits festgestellt worden, daß der Hersteller einerseits das Produkt nach dem Stand der Wissenschaft und Technik so sicher wie möglich machen muß, es andererseits aber dann doch fehlerhaft ist, wenn es nicht eine sog. Mindestsicherheit, auch Basissicherheit genannt, aufweist.84 Ist die Mindestsicherheit erfüllt, birgt aber das Produkt noch immer ein bekanntes Risiko, so wird es vom Verbraucher als hingenommen angesehen, weil der soziale Nutzen, der Unterhaltungsoder Prestigewert des Produktes die Risiken überwiegt, wie dies z. B. vor der Entdeckung des Sicherheitsgurtes oder der Kopfstützen der Fall war.85 Dies gilt aber nur solange, wie das verbleibende Risiko aus technischen Gründen nicht in zumutbarer Weise beseitigt werden kann.86

aa) Fehlende Definition einer Mindestsicherheit Eine konkrete Definition der Mindestsicherheit gibt es nicht.87 Zum Teil wird diese Mindestsicherheit nicht einmal ansatzweise versucht so zu beschreiben, daß sie einer Subsumption zugänglich ist.88 Teilweise wird aber auch ganz konkret auf funktionsnotwendige Einrichtungen abgestellt und so bei Bremsen und Lenkung eine 100prozentige Sicherheit verlangt.89 Für die Sicherheit von Airbags wird ebenfalls eine Sicherheit von 100 Prozent gefordert.90 An dieser Stelle sei angemerkt, daß diese Aussagen natürlich nicht technisch verstanden werden können, 84 BR-Drs. 101 / 88, S. 45; Kullmann, S. 103; Möllers, S. 256; Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 23; Pott / Frieling, § 3, Rnr. 65; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 85; Wieckhorst, VersR 1995, S. 1005, 1011; OLG Köln, Urt. v. 20. 01. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlg II, II 30, S. 319 ff. – Speiseeisbereiter; OLG Ce, VersR 1987, S. 258, 259 – Hocker, vgl. oben unter (§ 4 B. I. 2.). 85 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 86. 86 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 86; zur Zumutbarkeit im Rahmen der verschuldensunabhängigen Haftung, Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.745; in der Sache auch Kullmann, S. 102 f., mit Hinweis auf ein Urteil des österr. OGH v. 11. 05. 2000 – 8 Ob 192 / 99i und unter Bezugnahme zum US-amerikanischem Recht, wo bei Anwendung des sog. Verbraucher-Erwartungstests ein Fehler auch bei zumutbarer möglichen Beseitigung verneint wird, wenn die Gefahr offensichtlich ist. 87 Dazu Hörl, S. 38; Möllers, S. 256. 88 Die Begründung des ProdHG sieht einfach nur eine „am Gebrauchszweck orientiere Basissicherheit“ vor, BR-Drs. 101 / 88, S. 45; Taschner / Frietsch, Art. 6, Rnr. 22 fordert, daß eine „gewisse Risikoschwelle“ nicht unterschritten werden darf, BGH, NJW 1990, S. 907 – Pferdebox; BGH, NJW 1990, S. 908, 909 – Weinkorken; OLG Ce, VersR 1978, S. 258 – Hokker; OLG Köln, Urt. v. 20. 01. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlg II, II 30, S. 319 ff. – Speiseeisbereiter entscheiden ohne vorherige Definition, daß die Mindestsicherheit nicht gewährleistet war. 89 Kullmann, Rspr., Rnr. 440; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 30. 90 Kluth, WiB 1997, 738, 740, der jedoch die Vergleichbarkeit zu Bremsen und Lenkung nicht begründet.

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denn weder Bremsen noch Lenkung sind 100prozentig sicher. Auch diese, wie überhaupt jede technische Konstruktion besitzt eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu versagen. Es kann daher nur der im deutschen Recht höchste Sicherheitsmaßstab verlangt werden. Der höchste Sicherheitsmaßstab wird im Bereich der Risikovorsorge im Umweltrecht, insbesondere im Atomrecht verlangt. Er fordert, daß es nach dem Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint, daß das schadensauslösende Ereignis eintritt.91 Es fragt sich, ob bei Fahrerassistenzsystemen die gleiche hohe Mindestsicherheit wie bei Bremsen zu verlangen ist oder ob Risiken bestehen, die vom Verbraucher hingenommen werden. Es muß dabei differenziert werden: Nicht bei allen Fahrerassistenzsystemen ist ein Ausfall mit einem Unfall zwingend verbunden. Im folgenden soll versucht werden, sowohl anhand von Rechtsprechungsfällen als auch aus den verschiedenen Kriterien, die in dem Begriff der Mindestsicherheit enthalten sind, zu einer Aussage zu kommen, was zur Erfüllung der Mindestsicherheit bei Fahrerassistenzsystemen erforderlich ist. (1) Fälle der Mindestsicherheit aus der Rechtsprechung Im Speiseeisbereiter-Fall92 starb die Ehefrau des Klägers an einem Stromschlag bei der Benutzung des streitgegenständlichen Speiseeisbereiters, indem sie das Gerät von der Netzzuleitung durch Trennung des Steckers am Gerät selbst trennte (in welchem sich Flüssigkeit angesammelt hatte), anstatt zuvor den Netzstecker der Wandsteckdose zu ziehen. Obwohl es durch damaliges technisches Wissen nicht vermeidbar war, zwei Netzzugänge zu konstruieren, befand das OLG Köln das Produkt als fehlerhaft In diesem Fall waren die Restrisiken zwar unvermeidbar, aber doch kontrollierbar. Trotzdem war das Produkt fehlerhaft. Das Gericht führt dazu aus: „Die Gefahr einer derartigen Verschmutzung der isolierten Teile der elektrischen Einrichtung des Geräts hätte vermieden werden müssen. Wenn das nach dem damaligen Stand der technischen Entwicklung nicht möglich war, hätte das Gerät nicht in den Handel gebracht werden dürfen ( . . . ).“ Zunächst wird ausgeführt, daß auch dieser Fehlgebrauch von einem durchschnittlichen Benutzer zu erwarten und deshalb vom Hersteller zu berücksichtigen war. Der Hersteller hätte danach das Risiko eines Stromschlages bei fehlerhafter Anwendung bereits durch eine bessere Konstruktion vermeiden müssen. Das Gerät erfüllte daher die Anforderungen an die Mindestsicherheit nicht. Sodann führt das Gericht aus, daß „auch durch die mitgelieferten Bedienungshinweise nicht mit einer der Gefahr angemessenen Deutlichkeit entgegengewirkt“ wurde. Aus der Urteilsbegründung wird nicht klar, ob das Produkt wegen fehlerhafter Konstruktion oder fehlerhafter Instruktion nicht hätte vertrieben werden müssen. Das Gericht rügt zwar die unterbliebene Einbeziehung der fehlerhaften und ungeschickten Handhabung des Benutzers, der 91 92

BVerfG, NJW 1979, S. 359, 363 – Kalkar. OLG Köln, Urt. v. 20. 01. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlg II, II 30, S. 319 ff.

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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die dadurch beeinträchtigte Sicherheit nicht erkennt und auch nicht aus der Instruktion erkennen kann. Aus dieser Rüge wird aber nicht klar, ob der Hersteller die fehlerhafte Handhabung des Benutzers auch bei der Konstruktion hätte berücksichtigen müssen, denn unklar bleibt, ob das Gerät bei genügendem Hinweis auf die Gefahr ebenfalls nicht hätte vertrieben werden dürfen.93 In der Hocker-Entscheidung des OLG Celle vom 28. 11. 197794 wurde ebenfalls eine Mindestsicherheit verlangt. In diesem Fall hatte die beklagte Herstellerin einen Klapphocker in Verkehr gebracht, bei dessen Konstruktion eine Feststellvorrichtung des eingerasteten Fußbügels nicht vorgesehen war. Der Hocker klappte beim Heranziehen zusammen und der darauf sitzende Kläger verletzte sich erheblich. Der Hocker besaß nach Ansicht des Gerichts ein erforderliches Mindestmaß an Sicherheit nicht, weil eine mögliche und bei teureren Modellen durchaus übliche Feststelleinrichtung, die den Schaden verhindert hätte, nicht angebracht war. Diese Entscheidung bezieht sich zwar ausschließlich auf Konstruktionsfehler und läßt die Frage eines Warnhinweises außer Betracht. Die Frage nach der Instruktion stellt sich in dem Fall deshalb nicht, weil eine alternative Konstruktion, die das Produkt sicherer gemacht hätte, möglich und aus Kostengesichtspunkten auch zumutbar war. Damit bleibt aber die Frage offen, ob und welches Maß an Mindestsicherheit gefordert ist, wenn keine alternative Konstruktion möglich ist. Wäre der Hocker auch dann fehlerhaft, wenn die Möglichkeit einer Feststellvorrichtung nicht erfunden wäre und auf die Gefahr des Zusammenklappens hingewiesen wurde? Das Erfordernis der Mindestsicherheit sollte aber als ausschließlich konstruktionsbezogenes Kriterium verstanden werden. Denn der Hersteller kann weder dafür Sorge tragen, daß der Benutzer die Warnung aufnimmt und sich dementsprechend verhält, noch ist er dazu verpflichtet, denn er muß nur dafür Sorge tragen, daß der Benutzer die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat.95 Gerade deshalb ist die rein konstruktionsbezogene Mindestsicherheit nötig, denn der Hersteller hat die Herrschaft über die Konstruktion und muß, falls diese den Mindestanforderungen nicht entspricht, das Produkt nicht auf den Markt zu bringen. In der Speiseeisbereiter Entscheidung hat das OLG denn auch vor allem auf die Konstruktion abgestellt. Der Hinweis, daß im übrigen ein genügender Warnhin93 Vgl. OLG Köln, a. a. O., S. 325: „Fehlerhafte und ungeschickte Handhabungen, die sich als die maßgebenden Ursachen für die Beeinträchtigung der elektrotechnischen Sicherheit im Ergebnis ansehen ließen, die aber als solche dem durchschnittlichen Benutzer weder von selbst erkennbar noch instruktiv erkennbar gemacht worden sind, mußten deshalb bei der Beurteilung der elektrotechnischen Ordnungsmäßigkeit von vornherein mit einbezogen werden. Dies aber ist hier nicht erfolgt; vielmehr wurde das Unfallgerät in technisch fehlerhaftem, für den ahnungslosen Benutzer gefährlichem Zustand vertrieben. Dabei wurde durch das angebrachte VDE-Zeichen noch vorgetäuscht, daß das Gerät unfallsicher sei.“ 94 OLG Ce, VersR 1978, S. 258 – Hocker. 95 BVerfG, NJW 1997, S. 249, 250 – Kindertee III; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III.

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weis auf dem Gerät vorhanden war, war unwesentlich, da auch bei entsprechendem Warnhinweis nicht auszuschließen ist, daß ein Benutzer das Produkt falsch bedient und es unweigerlich zum Tode führt. Instruktionspflichten sind erst dann relevant, wenn konstruktiv die Mindestanforderungen erfüllt sind, aber dennoch Gefahrensituationen denkbar sind. Offen bleibt, bei welchen bestehenden Produktrisiken eine fehlerfreie Instruktion und Warnung des Herstellers ausreicht, um das Risiko in den Verantwortungsbereich des Benutzers zu verschieben und bei welchen Risiken eine Warnung nicht ausreicht, so daß der Hersteller ohne konstruktive Verbesserung das Produkt nicht in den Handel bringen darf. (2) Inhaltliche Kriterien der Mindestsicherheit Das Erfordernis einer Mindestsicherheit, die sich auf Konstruktionspflichten bezieht, wird vor allem auch als Gegensatzkriterium dazu angegeben, daß teurere Produkte sicherer sein dürfen.96 Um die Mindestsicherheit näher zu bestimmen, ist es notwendig zu erkennen, daß in der Mindestsicherheit verschiedene Verbrauchererwartungskriterien enthalten sind. (a) Stand von Wissenschaft und Technik Zum einen spielt der Stand von Wissenschaft und Technik eine Rolle. Während Foerste97 diesbezüglich verlangt, daß der Mindestsicherheitsstandard durch die fehlende technische Möglichkeit einer zumutbaren sichereren Produktkonstruktion bedingt ist, spricht Kullmann98 den Vergleich des unsicheren Produkts mit dem tatsächlich bestehenden und damit technisch möglichen Sicherheitsstandard einer sogenannten Basissicherheit anderer Produkte an. Im Ergebnis erfüllen Produkte dann nicht den Mindestsicherheitsstandard, wenn es eine technisch bessere Möglichkeit zur Konstruktion gibt. Nichts anderes besagt aber auch das Kriterium des Standes von Wissenschaft und Technik. (b) Zumutbarkeit Mit dem Stand von Wissenschaft und Technik hängt auch das Zumutbarkeitskriterium zusammen. Das im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB aufgrund des Verschuldenserfordernisses verbleibende Kriterium der Zumutbarkeit gilt auch im ProdHG, soweit es für die Bestimmung eines Produktfehlers relevant ist. Dies folgt daraus, daß Sinn und Zweck des Fehlerbegriffs die Abgrenzung dessen ist, welche Risiken 96 Zum Kriterium der Preisgestaltung siehe unten § 4 B. I. 2 e) bb), vgl. auch Taschner / Frietsch, Art. 6, Rnr. 22. 97 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 86. 98 Kullmann, S. 103.

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der Produktbenutzer bzw. Dritte und welche der Hersteller zu tragen hat.99 Es geht hier wie da um die Abwägung von Verantwortungsbereichen, so daß auch im Rahmen des Fehlerkriteriums der berechtigten Sicherheitserwartungen und der Preisgestaltung die Abwägungskriterien der Verkehrssicherungspflichten einfließen, die da sind: Erforderlichkeit, Möglichkeit, Zumutbarkeit, Ausreichens der Gefahrenabwehrmaßnahmen sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Sorgfaltspflichten-Überspannungsverbot.100 Insofern können nicht grundsätzlich Herstellungskosten bzw. jede Kosten-Nutzen-Analyse aus der Abwägung i. S. d. § 3 ProdHG ausgeschlossen bleiben.101 Auf der anderen Seite soll eine Kosten-Nutzen-Abwägung nämlich dann bzgl. solcher Restrisiken zulässig sein, die der Benutzer akzeptiert, wie z. B Fahren ohne Sicherheitsgurt oder Cabriofahren.102 Im Rahmen der Zumutbarkeit spielt das Kostenkriterium dort eine Rolle, wo eine Produktverbesserung wegen der damit verbundenen Kostenexplosion zur Unverkäuflichkeit des Produkts führt.103 Nicht zulässig ist dagegen eine Kosten-Nutzen-Abwägung in der Weise, daß die Kosten für eine höhere Produktsicherheit mit den Kosten eines Produkthaftungsfalles abgewogen werden. Im Rahmen der Mindestsicherheit spielen die Kosten dagegen keine Rolle. Besitzt das Produkt nicht die konstruktiv erforderliche Mindestsicherheit und würde eine konstruktive Verbesserung wegen zu hoher Kosten zur Unverkäuflichkeit führen, so kann das Produkt nicht vertrieben werden. (c) Restrisiko und Risikoakzeptanz Ein anderer Faktor der Mindestsicherheit ist das bestehende Restrisiko. Risiko wird im technischen und versicherungstechnischen Sinn definiert als das Produkt aus Schadensausmaß und der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts104, wobei sowohl das zu erwartende Schadensausmaß als auch der Schadenseintritt Wahrscheinlichkeitsaussagen, d. h. Hypothesen sind105. Im juristischen Sinne wird der Risikobegriff vor allem im Umwelt- und Gentechnikrecht verwendet. Ein bestehendes Risiko wird überwiegend mit dem Gefahrenbegriff ausgefüllt. Dabei handelt es sich in der Sache um dasselbe Problem.106 Das (Rest-)Risiko beschreibt den über die Grenze der Mindestsicherheit hinausgehenden erlaubten Bereich, Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.745. Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.745. 101 Für eine Berücksichtigung in § 823 BGB: BGH, NJW 1990, S. 907 –Pferdebox; BGHZ 104, S. 232, 326 – Limonadenflasche; Diederichsen, DAR 1976, S. 312, 317; gegen eine solche in § 3 ProdHG wegen fehlender Transparenz und Verschuldensunabhängigkeit: Kullmann, S. 111; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rrn. 282; Taschner / Frietsch, Art. 6, Rrn. 23. 102 Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rrn. 28. 103 Schmidt / Salzer, III / 1, Rnr. 4.749. 104 Brejora, IZK 2001, S. S. 264; Frank / Reichart, S. 3, 4; Hinzen, S. 65, 66. 105 Frank / Reichart, S. 3, 6. 106 Vgl. oben unter [§ 4 B. I. 2. c)]. 99

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während der Gefahrenbegriff den rechtswidrigen Bereich beschreibt. Die Grenze, auf die es letztlich ankommt, ist nicht konkretisiert und bleibt begrifflich ungeklärt, damit sie im Einzelfall konkret gezogen werden kann. Diese verbleibende Unklarheit geht zu Lasten des Herstellers, dem die letzte Verantwortung zur Festlegung dieser Grenze nämlich der sogenannten Mindestsicherheit verbleibt. Wird dieses (Rest-)Risiko vom Benutzer akzeptiert, ist das Produkt fehlerfrei,107 weshalb diese unspezifizierte Risikoakzeptanz einen weiteren Faktor der Mindestsicherheit darstellt. Somit konzentriert sich die Konstruktionspflicht des Herstellers auch auf die Frage, welches (Rest-)Risiko von dem Benutzer akzeptiert wird. Damit obliegt dem Hersteller nicht nur die Bewertung der Risikoakzeptanz des Verbrauchers aus betriebswirtschaftlichem Hintergrund, sondern er gerät auch in die Haftung, wenn er die Akzeptanz falsch bewertet. Damit wird eine sehr subjektive Verbrauchererwartung, die nicht nur hinsichtlich einzelner Produkte unterschiedlich ist, sondern auch von Medien, Politik und Mode abhängig ist, zu einem objektiven Haftungskriterium erhoben. Die Risikoakzeptanz des Benutzers richtig zu bewerten, ist schwierig, denn diese folgt keinen mathematisch logischen Schlußfolgerungen. So beträgt z. B. die Wahrscheinlichkeit, durch eine Flugreise zu Tode zu kommen 1: 814.000, dagegen durch 1 Päckchen Zigarettenrauchen 1: 200.108 Das Risiko in Deutschland, durch falsche Ernährung an Krebs zu erkranken, liegt bei 35%, durch Rauchen bei 30%, durch Alkohol bei 3%, durch medizinische Strahlenbelastung bei 0, 5% und durch Kernenergie (Normalbetrieb) bei 0, 0001%.109 Entgegen der mathematischen Logik der Wahrscheinlichkeit ist die Risikoakzeptanz in diesem Beispiel gerade bei den hohen Restrisiken größer. Aber nicht nur die Akzeptanz ist größer, sondern auch die Risikoeinschätzung ist verschoben. So werden selbstbestimmte Risiken, wie z. B. Rauchen, Alkohol und Autofahren weit unterschätzt, im Gegensatz zu fremdbestimmten Risiken, z. B. Kernenergie, die überschätzt werden.110 Da das Risiko dem Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schaden entspricht, ist das Risiko gleich hoch, wenn an einem Ereignis pro Zeiteinheit (z. B. Jahr) 100 Menschen sterben wie wenn an 100 Ereignissen pro Zeiteinheit jeweils ein Mensch stirbt. Obwohl gleiches Risiko, ist das subjektive Risikoempfinden bei hohem Schadensausmaß unverhältnismäßig größer.111 Es zeigt sich somit, daß der Verbraucher Risiken, die er in gewisser Weise selbst bestimmen kann, weit eher akzeptiert. Das liegt daran, daß der Mensch diejenigen 107 So Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 86 für die Beispiele: Nebenwirkungen von Medikamenten, Verletzungsgefahren vor Entdeckung von Sicherheitsgurten und Kopfstützen, Gefahren bei Flugreisen vor Erfindung des Radar oder Autopiloten; Gefahr der Eisenbahnreise vor Erfindung des automatischen Bremssystems. 108 Vgl. Tabelle bei Frank / Reichart, S. 3, 6. 109 Vgl. Tabelle bei Frank / Reichart, S. 8. 110 Frank / Reichart, S. 9. 111 Brejora, IZK 2001, S. 264

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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Risiken viel deutlicher empfindet, wenn er sich ihnen ausgesetzt fühlt, da die kausale Handlung für den Schadenseintritt in fremder Hand liegt.112 So ist es zu erklären, daß insbesondere die Gefahren im Straßenverkehr schon immer vom Verkehrsteilnehmer in relativ großem Maße akzeptiert wurden und werden,113 im Gegensatz zu den Risiken der Kernenergie, die wesentlich geringer sind. Es kommt hinzu, daß Menschen dann ein höheres Risikoempfinden haben, je weniger sie die technologischen und umweltlichen Zusammenhänge verstehen.114 Es kann deshalb zum einen festgestellt werden, daß bei Ereignissen, deren Eintritt zu einem Schaden führt, die Akzeptanz dann besonders gering ist, wenn der Benutzer diesen Eintritt nicht selbst in der Hand hat. Zum anderen kann festgestellt werden, daß bei einer möglichen erheblichen Schadensfolge die Risikoakzeptanz ebenfalls besonders niedrig ist. Da bei Verkehrsunfällen das potentielle Schadensausmaß immer sehr hoch ist, weil eine Todesfolge möglich ist, werden Fehler eines Fahrzeugteiles oder -systems nicht akzeptiert, weil der Benutzer diese Fehler nicht selbst beeinflussen kann. Das erklärt auch den geforderten Sicherheitsstandard von 100 Prozent für Bremse, Lenkung und Airbagsystem sowie das entgegenstehende akzeptierte hohe Risiko, mit überhöhter Geschwindigkeit fahren zu können. Denn bei letzterem glaubt der Fahrer, das unfallbringende Ereignis selbst steuern zu können, während ein Ausfall von Bremse oder Lenkung sowie fehlerhafter Airbagauslösung nicht vom Fahrer kontrollierbar sind. Sofern der Schadenseintritt nicht selbstbestimmt ist, wird ein ebenso hoher Sicherheitsmaßstab erwartet. Dies ist bei einem technischen Versagen der Fall, wenn dieses unweigerlich zu einem Unfall führt, ohne daß der Fahrer den Unfall noch verhindern kann. (d) Nutzen Ein weiterer Faktor der Mindestsicherheit ist der Nutzen des Produkts. Der Nutzen hängt unmittelbar mit der Risikoakzeptanz zusammen, denn ein Risiko wird nur dann akzeptiert, wenn der Gebrauchswert, d. h. der Nutzen groß genug ist.115 Der Benutzer wägt daher für sich selbst die Gefahren des Produkts, die ihm bekannt sind, mit dem Nutzen, den das Produkt für ihn selbst hat, ab.116 Ob darüber hinaus auch der Nutzen, den das Produkt für die Öffentlichkeit hat, eine Rolle spielt, wie es im US-amerikanischen Recht der Fall ist,117 ist umstritten.118 Brejora, IZK 2001, S. 264 f. Vgl. Tabellen bei Frank / Reichart, S. 9, 10, 11, die Tabelle auf S. 12 zeigt, daß es in Berlin 1875 doppelt so viele Verkehrstote und 1971 mehr als fünfmal so viele Verkehrstote gab, vgl. dazu auch Brejora, IZK 2001, S. 264. 114 Brejora, IZK 2001, S. 264, 265. 115 Nach Foerste in Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 86 wird das Risiko aufgrund des Nutzens, des Unterhaltungswerts oder des Prestigewerts hingenommen. 116 So auch Kullmann, S. 113. 117 Kullmann, S. 113; Hörl, S. 46, 50 mit Verweis auf die Entscheidung Bloxom v. Bloxom, 494 Sl. 2d 1297 (La. Ct. App. 1986), in welcher die Akzeptanz des Restrisikos und 112 113

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§ 4 Produkthaftung

Das im Vergleich mit einem Lenkungsausfall oder Bremsausfall relativ hohe Risiko, durch die Benutzung eines Sicherheitsgurts zu Schaden zu kommen, wird deshalb akzeptiert, weil in den anderen Fällen Schäden vermindert oder verhindert werden.119 Ebenso werden die Risiken eines u. U. längeren Bremsweges beim ABS in Kauf genommen. Bei Fahrerassistenzsystemen werden demgemäß nur dann neue Unfallgefahren oder mögliche Schäden, die der Fahrer nicht verhindern kann, akzeptiert, wenn ihnen auch ein höherer Sicherheitsgewinn gegenübersteht und zwar in Situationen, die der Fahrer ohne das System nicht oder nur schwer bewältigen kann. Vertraut z. B. der Fahrer auf eine eingreifende Notbremsung, so kann es trotzdem vorkommen, daß es zu einem leichten Auffahrunfall kommt. Dieses Risiko kann aber akzeptiert werden, wenn das Notbremssystem wesentlich schneller und zuverlässiger bremst als der Durchschnittsfahrer120, so daß wesentlich mehr Unfälle verhindert oder abgemildert werden. (3) Mindestsicherheit bei Fahrerassistenzsystemen Auf die Mindestsicherheit kann deshalb nicht verzichtet werden, weil auch die sicherste Konstruktion nach Stand von Wissenschaft und Technik im Einzelfall nicht unbedingt sicher genug ist. Auf die Mindestsicherheit muß dann nicht abgestellt werden, wenn eine sicherere Konstruktion möglich und zumutbar ist. Ob eine sicherere Konstruktion zumutbar ist, darf bei Automobilen und insbesondere Fahrerassistenzsystemen nicht auf die Erhöhung des Fahrzeuges durch die Ausstattung mit besseren Sicherheitssystemen abgestellt werden, sondern auf die Verbesserungsfähigkeit eines einzelnen Systems. Die Frage, welches Fahrzeug welches Sicherheitssystem haben muß, ist eine Frage des Preis-Leistungs-Verhältnisses.121 Nach den vorliegenden Feststellungen erfordert die Mindestsicherheit, daß die Risiken um so geringer sein müssen, um so größer ein mögliches Schadensausmaß ist und um so weniger der Benutzer auch bei einem Fehlgebrauch auf den Schadenseintritt Einfluß hat. Deshalb wird gerade bei Bremse, Lenkung und Airbag eine 100prozentige Sicherheit verlangt. Da beim Bremsen und Lenken ein Ausfall mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Unfall und damit zu einem erheblichen Schadensausmaß – Tod der Unfallbeteiligten – führen kann und der Fahrer in eidamit die Fehlerfreiheit des KfZ im Straßenverkehr mit dem Nutzen für die Gesellschaft begründet wurde: „The importance of the automobile, including its exhaust system and catalytic converter, in today’s society is undeniable. It is the major method of transportation, commercial and personal, in a higly mobile society“. 118 Dagegen Kullmann, S. 113; dafür Möllers, S. 317, 320; 119 Die Wahrscheinlichkeit beträgt 0,5 – 1,0 aller Unfälle, vgl. oben unter [§ 3 A. I. 2. b)]. 120 Auch beim Idealfahrer kann es trotz rechtzeitiger Vollbremsung zum Auffahrunfall führen, wenn nämlich der vorausfahrende Fahrer durch einen weiteren Auffahrunfall einen verkürzten Bremsweg hat. 121 Vgl. unten [§ 4 B. I. 2. e) bb)].

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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nem solchen Fall, z. B. bei einem Bruch der Lenkstange, den Schaden auch nicht mehr vermeiden kann, muß die Konstruktion dem höchsten Sicherheitsniveau entsprechen (umgangssprachlich 100prozentige Sicherheit), d. h. der Eintritt dieses Ereignisses muß nach Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheinen.122 Bei Fahrerassistenzsystemen ist die Mindestsicherheit zumindest dann nicht erfüllt, wenn durch eine richtige oder vorhersehbar fehlerhafte Benutzung eines Fahrerassistenzsystems durch dieses mit Wahrscheinlichkeit unweigerlich ein erheblicher Schaden eintritt, ohne das der Benutzer diesen abwenden konnte. Auch hier ist, ähnlich zu der Gefahrenprognose im Zulassungsrecht, die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts mit dem möglichen Ausmaß des Schadens abzuwägen. Anders als im Zulassungsrecht ist aber ein Fehlverhalten der Benutzer gerade zu berücksichtigen.123 Deshalb kann die Erfüllung der Kfz-Zulassungskriterien nicht der Erfüllung der Mindestsicherheit gleichgesetzt werden.124 Die Mindestsicherheit wäre z. B. dann nicht erfüllt, wenn das Fahrerassistenzsystem in bestimmten vorhersehbar auftretenden Verkehrssituationen plötzlich und ohne verkehrlichen Grund stark bremst, ohne daß andere Verkehrsteilnehmer damit rechnen mußten. Eine solche ungewollte Bremsung muß praktisch ausgeschlossen sein. Denn in diesem Fall könnte der Fahrer einen wahrscheinlichen Auffahrunfall hinter ihm fahrender Fahrzeuge nicht mehr verhindern.

bb) Bedeutung für Fahrerassistenzsysteme Die Risiken bei Fahrerassistenzsystemen können entweder in der Art der Bedienung oder in der Möglichkeit eines technischen Versagens liegen. (1) Bedienbarkeit Als Mindestsicherheit für die Bedienbarkeit von Fahrerassistenzsystemen muß verlangt werden, daß die kognitiven und manuellen Fähigkeiten eines Durchschnittsfahrers ausreichen, um das System zu bedienen.125 So hat der BGH im Urteil zum Rungenverschluß126 die Entscheidung des OLG Stuttgarts bestätigt, daß die Bauweise des Rungenverschlusses an dem streitgegenständlichen Wagen zur Stammholzbeförderung fehlerhaft gewesen ist, weil die Bedienung zu schwierig Vgl. BVerfG, NJW 1979, S. 359, 363 – Kalkar. Vgl. unten [§ 4 B. I. 2. d)]. 124 Technische Normen werden auch als festgelegter Mindeststandard angesehen, Pott / Frieling, § 3, Rnr. 70; Taschner / Frietsch, E, Rnr. 63; die Kfz-Zulassungsvorschriften sind allerdings hierbei nicht gemeint und für diesen Zweck auch nicht geeignet, da sie zu allgemein gefaßt sind. 125 Vgl. BGH, VersR 1952, S. 357 – Rungenverschluß. 126 BGH, VersR 1952, S. 357, 358 – Rungenverschluß. 122 123

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gewesen sei. Die Bedienung wurde deshalb als zu schwierig angesehen, weil das Einrasten des Rungenverschlusses weder einwandfrei durch Hören des Einrastgeräusches, noch durch Rütteln an der Runge überprüfbar war. Mehr konnte von einem technisch ungeschulten Holzarbeiter nicht verlangt werden. Der BGH kam zu dem Schluß, daß eine in diesem speziellen Fall richtige Bauweise, die Überprüfung mit den Augen möglich gemacht hätte. Das bedeutet, daß die begrenzten menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten bei der Konstruktion eines Produktes berücksichtigt werden müssen. Für Fahrerassistenzsysteme bedeutet dies, daß sie fehlerhaft gebaut sind, wenn sie im Rahmen ihrer Bedienung dem Fahrer zu viel abverlangen. In Frage kommen kann eine Überbeanspruchung der visuellen Wahrnehmung (Displays, die ablenken127), des Erinnerungsvermögens (hinsichtlich der technischen Grenzen des Systems) und der Konzentrationsfähigkeit (hinsichtlich des Erkennens einer Verkehrssituation, für die das System technisch nicht ausgelegt ist). Zu der Bedienung zählt im übrigen die manuelle Fähigkeit, das System je nach Verkehrssituation einzustellen, zu aktivieren, zu deaktivieren oder zu übersteuern. Der Fahrermuß außerdem in der Lage sein, wissen zu können, in welchen Situationen das Fahrerassistenzsystem nicht oder nicht zuverlässig funktioniert. Zudem muß der Fahrer in der Lage sein, die Bedienungsfunktionen auseinander zu halten. Die Übersteuerungsfunktion darf nicht zu schwierig sein. Sie ist dann zu schwierig, wenn der Benutzer meinen darf, damit umgehen zu können, aber im Einzelfall dies nicht kann. Der Benutzer darf meinen, damit umgehen zu können, wenn er die erforderlichen Funktionen ausführen kann, obwohl er keine Möglichkeit hat, zu überprüfen, daß die Ausführung nicht funktioniert hat – z. B. Tritt aufs Gaspedal, um Bremsung zu übersteuern. Die Übersteuerung geht aber nur bei bestimmtem Druck, den nicht alle AutofahrerInnen erzeugen können. Des weiteren ist eine Übersteuerungsfunktion zu schwierig, wenn das Reaktionsvermögen mancher Autofahrer zur Einhaltung der erforderlichen Übersteuerungszeit nicht ausreicht. Bei übersteuerbaren Interventionssystemen ist nicht nur die technische Einfachheit der Übersteuerung wichtig, wie z. B. einfach auf das Gaspedal zu treten, sondern hinzu kommt, daß sich der Fahrer in der konkreten Verkehrssituation über die Möglichkeit der Übersteuerung bewußt wird und weiß, wie er das System übersteuern kann. Dies kann z. B. durch eine akustische Warnung vor der Intervention geschehen. Ein Interesse an der Übersteuerbarkeit hat nicht nur der Hersteller der Systeme, der die Verantwortung möglichst beim Fahrer belassen möchte. Auch der Fahrer darf erwarten, daß er das System übersteuern kann, wenn wegen der bestehenden technischen Grenzen der Systeme Gefahrensituationen denkbar sind. Der Fahrer muß insbesondere dann das Fahrzeug übersteuern können, wenn das System ausfällt, z. B. weil das Fahrzeug über ein großes Schlagloch gefahren ist.

127 Vgl. dazu Hagemeister / Kettler, NZV 2002, S. 481 ff.; Miura / Shinohara, ZVS 2000, S. 145.

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Fallbeispiel 25128 F 1 fährt mit automatischer Spurhaltung. Nach dem Passieren eines Schlaglochs schaltet sich das System aus. Eine Übernahme der Steuerung ist in der Kürze der Zeit nicht möglich. Das Fahrzeug steuert gegen eine Schilderbrücke.

In Fällen, in denen das Fahrerassistenzsystem ausfällt, muß der Fahrer die Kontrolle, soweit sie vorher beim System lag, schnell und sicher übernehmen können. Kann er das nicht, ist dieser Mangel auch nicht durch Instruktionen auszugleichen, so daß ein Produktfehler vorliegen würde. Nicht zu den Anforderungen an die Mindestsicherheit gehört es, die Benutzung so einfach wie möglich zu machen, so daß dem Fahrer ein Blick in die Bedienungsanleitung erspart bleiben kann. Es reicht aus, wenn der Fahrer das Wissen einer richtigen Bedienung aus der Bedienungsanleitung, die dem Fahrzeug beiliegen muß, entnehmen kann. (2) Technisches Versagen Wie bereits festgestellt, muß die Wahrscheinlichkeit, daß ein Fahrzeugteil einen derartigen Ausfall erleidet, daß es mit gewisser Wahrscheinlichkeit durch das System unweigerlich zu einem Unfall kommt, so gering sein, daß es nach Stand von Wissenschaft und Technik praktisch ausgeschlossen erscheint.129 Die Systemanalysen der FMEA und Fehlerbaumanalyse ermöglichen es allerdings, daß die Ausfallwahrscheinlichkeit bei elektronischer Ansteuerung von Lenkung und Bremsung gegenüber den herkömmlichen Systemen nicht nur nicht steigt, sondern die Systemsicherheit aufgrund der Möglichkeit, Fehler frühzeitig zu erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten, erhöht.130 Das Fahrerassistenzsystem muß falsch detektierte Informationen als falsch erkennen und den Fahrer vor einer Fehlfunktion warnen131 oder sich abschalten und den Fahrer darüber informieren. Bei einer fehlerhaften Übertragung kommt es nur dann zu einer unweigerlichen Unfallgefahr, wenn der Fahrer den Systemausfall nicht erkennen kann oder wenn die durch den Systemausfall hervorgerufene Unfallgefahr trotz Erkennens aber mangels ausreichender Reaktionszeit vom Fahrer nicht mehr abgewendet werden kann. Bei Warnsystemen muß unterschieden werden. Ist das Warnsystem mit einem Informationssystem verbunden, dann bemerkt der Fahrer den Ausfall und kann wie beim Informationssystemausfall den Verkehr auf herkömmliche Weise überblik128 Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiel 26, S. 24; vgl. auch Feldges / Brandenburg, MoTiV, Beispiele 8 und 20, S. 21, 24. 129 Vgl. oben unter [§ 4 B. I. 2. b) aa) (3)]. 130 Bölling, SEV 2001, S. 35, 36 f. 131 Bölling, SEV 2001, S. 35, 37.

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ken. Wenn es sich um ein Warnsystem handelt, welches den Fahrer vor der ansonsten eintretenden Intervention warnt, dann besteht bei Ausfall der Warnung bei gleichzeitig funktionierender Intervention in aller Regel auch keine Unfallgefahr, wenn der Fahrer die Intervention sofort spüren und reagieren kann. c) Darbietung des Produktes § 3 Abs. 1 Nr. a ProdHG betrifft die Darbietung des Produktes. Umstritten ist, welche Fälle davon umfaßt sind.132 Ein wesentlicher Teil der Darbietung betrifft unstreitig die Instruktionspflichten.133 Allerdings ist der Begriff der Darbietung weiter gefaßt und umfaßt die äußere Gestaltung, jede Art der Beschreibung, die Gebrauchsanweisung, die Bestimmung des Verwendungszwecks und die Gefahrenwarnung.134 Vielfach wird allerdings auch die Produktwerbung im weiten Sinne (Produktbeschreibungen, Werbeaussagen, Verkaufs- und Beratungsgespräche, Darbietung durch Dritte) unter den Begriff der Darbietung gefaßt.135 Dieses Fehlerkriterium wird im Rahmen der Instruktionspflichten relevant, in der es um die Frage geht, über welche im Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen möglicherweise entstehenden Risiken der Hersteller in welcher Art und Weise hinweisen muß. d) Bestimmungsgemäßer Gebrauch § 3 Abs. 1 Nr. b ProdHG betrifft den Gebrauch, mit dem billigerweise gerechnet werden kann. Dies ist zum einen der bestimmungsgemäße Gebrauch, der sich aus der Zweckbestimmung, die der Hersteller durch Beschreibung und Gebrauchsanweisung dem Produkt zugewiesen hat sowie der objektiven Funktionsbestimmung und Art und Wesen des Produkts, ergibt.136 So sind z. B. viele Fahrerassistenzsysteme nur für den Autobahnverkehr und nicht für den Stadtverkehr geeignet. Darüber hinaus sind der übliche (Fehl-)gebrauch, mit dem zu rechnen ist, sowie nicht ganz fernliegende versehentliche Fehlanwendungen zu berücksichtigen137. Ein Zum Streitstand Koch, S. 95 ff. Koch, S. 96; Lorenz, ZHR 1987, S. 1, 21 f.; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG; Rnr. 5; Taschner / Frietsch, Art. 6, Rnr. 1; § 3 ProdHaftG, Rnr. 36. 134 Kullmann-Pfister, Kza. 3604, S. 9; Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 10; Pott / Frieling, § 3, Rnr. 25; Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1036; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 37. 135 Vgl. BT-Drs. 11 / 2447, S. 18; Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 13; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 37; Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1036, der diesbezüglich auf die Annäherung an den kaufrechtlichen Fehlerbegriff Bezug nimmt. 136 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 11; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 43. 137 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnrn. 7 ff.; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 11; Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1036; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 44; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 51; BGH, NJW 1972, S. 2217, 2218 f. – Estil; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel; BGHZ 116, S. 60 – Kindertee I. 132 133

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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Fehlgebrauch hinsichtlich der Zweckbestimmung ist z. B. die Benutzung eines Fahrerassistenzsystems im Stadtverkehr, wenn es hierfür nicht vorgesehen ist. Dieser Fall gehört der Fahrerverschuldenskategorie der unangepaßten Systemeinstellung an. Erfaßt werden müssen aber auch die Umstände und Fallkonstellationen, bei denen ein bestimmungsgemäßer Gebrauch nicht mehr vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn das Produkt mißbräuchlich oder völlig zweckentfremdet verwendet wird.138

aa) Zweckbestimmung Der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Produktes ergibt sich aus der Verkehrsanschauung und den Verwendungshinweisen des Herstellers.139 Durch Verwendungshinweise wie Gebrauchsanweisungen, Beipackzettel und Warnungen, hat der Hersteller zwar auch die Möglichkeit, die Benutzererwartung einzuschränken.140 Der Hersteller kann sich seiner Konstruktionspflichten aber durch Instruktionen nicht vollständig entledigen, wenn das Produkt z. B. auch zu einer anderen Nutzung geeignet ist.141 Was nach der Verkehrsanschauung erwartet wird, ergibt sich aus der Eignung, die das Produkt nach der Überzeugung des Durchschnittsverbrauchers hat bzw. haben sollte.142 Auch die Verwendungshinweise des Herstellers beziehen sich auf die Eignung des Produkts. Diesbezüglich ist es von besonderer Bedeutung, daß einige Systeme neu auf den Markt kommen. Der Hersteller hat in diesem Fall den Verbraucher über den Verwendungszweck aufzuklären und begründet damit die Eignung des Produktes originär.143 Bei den unterschiedlichen Aspekten der Eignung eines Fahrerassistenzsystems ist daher immer sowohl die Verkehrsanschauung als auch die Verwendungshinweise des Herstellers zu beachten. Diese sind miteinander verzahnt und bilden zusammen die Zweckbestimmung. (1) Einsatzmöglichkeit Die Erwartungen der Verbraucher an die Eignung des Produktes sind beschränkt auf die konstruktionsgemäße Bereitstellung dessen Einsatzmöglichkeit. Fahrerassi138 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 18; Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1036; Taschner, NJW 1986, S. 611; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 77 ff., 231; vgl. oben unter [§ 3 B. II. 2. a) dd)] – blindes Systemvertrauen. 139 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 61 ff. 140 Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 31; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 66. 141 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 17; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 70, 98. 142 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 62; vgl. BGHZ 104, S. 323, 328 – Limonadenflasche; BGH, NJW 1989, S. 707, 708 – Fischfutter. 143 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 72.

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stenzsysteme sind Systeme der aktiven Sicherheit, sie dienen dem Fahrer als Komfortsystem und als Mittel zur Unfallvermeidung. Hinsichtlich der Einsatzmöglichkeiten sind die Verwendungshinweise für die Zweckbestimmung maßgeblich. Informationssysteme dienen dazu, daß der Fahrer die Information über das Verkehrsgeschehen erhält, Warnsysteme dazu, daß er vor gefährlichen Verkehrssituationen oder vor Verkehrsverstößen gewarnt wird und Interventionssystemen dazu, daß ein Unfall verhindert oder in seinen Folgen gemindert wird. Allgemein kann festgehalten werden, daß der Fahrer mit Hilfe der Fahrerassistenzsysteme zu einer größeren Sicherheit im Verkehr gelangen kann, weil gefährliche Verkehrssituationen erkannt oder verhindert werden und dadurch potentiell Unfälle vermieden oder ihre Folgen verringert werden können. Ihr Einsatz kann daher zu einer höhere Verkehrssicherheit beitragen. Fahrerassistenzsysteme können z. B. im Autobahnverkehr oder auch im Stadtverkehr benutzt werden. Die Funktionalität, d. h. die technischen Möglichkeiten und Grenzen kann und muß der Hersteller durch die Verwendungshinweise bestimmen. Soweit das Fahrerassistenzsystem die notwendige Mindestsicherheit aufweist, bestimmt der Hersteller die technischen Inhalte des Systems. Es liegt dann an dem Benutzer, die Möglichkeiten des Fahrerassistenzsystems in Anspruch zu nehmen. Der Verbraucher hat insbesondere Grenzen der Systeme zu akzeptieren, die mit der derzeitigen Technik nicht überwunden werden können. Diese Grenzen sind in den verschiedenen Verkehrssituationen und Witterungsverhältnissen begründet. (2) Bedienung der Systeme Bei den Verwendungshinweisen hinsichtlich der Bedienung geht es um die im einzelnen zu beschreibenden Bedienfunktionen. Dabei darf die Bedienung des Systems selbst nicht so schwierig sein, daß diese den Durchschnittsfahrer nicht manuell und kognitiv überfordert.144 (3) Namensgebung Auch durch die Namensgebung des Fahrerassistenzsystems kann der Hersteller Einfluß auf die Erwartungshaltung der Benutzer ausüben. So soll die Bezeichnung „Assistenzsystem“ aus Herstellersicht dem Benutzer suggerieren, daß es ihm zwar eine gewisse Hilfestellung geben kann, daß aber die Verantwortung für sein Verhalten mit dem Fahrzeug im Straßenverkehr nicht vom System übernommen werden kann und soll. Das System soll dem Fahrer bei der Wahrnehmung seiner Verkehrspflichten nur assistieren. Würde z. B. die Bezeichnung „Autopilot-System“ oder Ähnliches benutzt werden, würde dem Verbraucher unmittelbar suggeriert werden, daß von nun an das System die Führung des Fahrzeuges insgesamt und 144

Vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. a)].

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damit auch die gesamte Verantwortung für die Sorgfaltspflichten des Fahrers im Verkehr übernimmt. Einem derartigen falschen Verständnis soll durch die Bezeichnung als „Komfortsystem“ statt „Sicherheitssystem“ entgegengewirkt werden. Aus Herstellersicht soll der Verbraucher jedoch nicht in Sicherheit gewogen werden, sondern es soll gerade vermieden werden, daß der mit den Fahrerassistenzsystemen verfolgte Zweck, unfallbedingte Verletzungen und Todesfolgen zu vermeiden, durch eine reaktive Verhaltensanpassung145 nicht in vollem Umfang erreicht werden kann. Aktive Fahrerassistenzsysteme sollen dem Benutzer unter anderem dabei behilflich sein, die Verkehrsregeln einzuhalten und dadurch zur höheren Sicherheit des Fahrers im Straßenverkehr beizutragen. Die Verantwortung soll dabei ausschließlich beim Fahrer bleiben. Wie bereits erwähnt, kann sich der Hersteller aber nicht allein durch eine Produktbeschreibung seiner konstruktiven Verantwortung entziehen. Deshalb kann sich der Hersteller auch nicht durch die Beschreibung eines Fahrerassistenzsystems als „Komfortsystem“ seiner Verantwortung entziehen, wenn das System auch dafür geeignet ist, Unfälle zu verhindern bzw. die Folgen abzumildern und der Verbraucher dieses System deshalb auch als Sicherheitssystem auffaßt. Sofern Fahrerassistenzsysteme dem Fahrer helfen, die Verkehrsregeln einzuhalten, z. B. genügender Abstand, so ist das System auch ein Sicherheitssystem, unabhängig von der Herstellerbezeichnung. Einem Komfortsystem wird sogar dann ein Sicherheitsaspekt zugesprochen, wenn es die Bedienung des Fahrzeugs oder seine Bewegung im Verkehrsumfeld erleichtert.146 Die Namensgebung eines Produktes hat außerdem nicht alleinigen Einfluß auf die berechtigten Sicherheitserwartungen, denn der Fahrer darf unabhängig von dem Namen des Systems in den Fällen auf dessen Funktionsfähigkeit vertrauen, in welchem das System eine Funktionsfähigkeit nach seiner technischen Beschreibung verspricht. Birgt das System in funktionsgerechtem Zustand einen Sicherheitsgewinn, wird der Benutzer das System auch als Sicherheitssystem auffassen dürfen, notfalls im Wege eines vorhersehbaren Fehlgebrauchs. Läßt die Konstruktion einen Nutzen zu, so kann die Namensgebung diesen Nutzen nicht in der Weise leugnen, daß das System fehlerfrei wäre, wenn es den Nutzen wegen eines bestehenden Systemfehlers im Einzelfall nicht bringt.

bb) Vorhersehbarer Fehlgebrauch und Mißbrauch Der Hersteller muß auch den vorhersehbaren Fehlgebrauch des Produktes beachten. Dieser muß abgegrenzt werden von einem Mißbrauch, den der Hersteller grundsätzlich nicht zu berücksichtigen hat.147 Um diese Unterscheidung zu treffen, 145 146

Vgl. Holte, S. 56, 59. Vogt, NZV 2003, S. 153, 156.

11 Bewersdorf

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kommt es auf die Kriterien naheliegender und fernliegender Fehlgebrauch, Häufigkeit und Seltenheit und Maß der Schuld an.148 Der Hersteller muß ggf. agieren oder reagieren bei Üblichkeit149, Bekanntwerden150 oder Naheliegen151 von nicht vorsätzlichen152 oder nicht äußerst leichtfertigen Fehlanwendungen153. Betrachtet man die verschiedenen Kriterien und die damit verbundene sehr auf den Einzelfall zielende Abgrenzung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch, so läßt sich ein besser handhabbarer Abgrenzungsrahmen extrahieren. Die Fehlanwendung des Benutzers, die ihm in einem gewissen Rahmen „erlaubt“ ist, stellt keine Pflichtverletzung dar, wenn sie vorhersehbar ist. Bei unvorhersehbarer Fehlanwendung haftet der Hersteller daher nicht. Fälle dieser Art sind z. B. Fälle, in denen Fachlaien das Produkt, ohne daß der Hersteller damit rechnen mußte, in die Hände bekommen haben.154 Der Begriff der Vorhersehbarkeit ist daher auch von dem spezifischen Benutzerkreis abhängig. Diese Fälle sind für die hiesige Betrachtung irrelevant, da zum einen Fahrerassistenzsysteme auch und gerade für Fachlaien bestimmt sind155, und zum anderen weil diese Fälle aus der ex ante Perspektive nicht zu extrahieren sind, da sie ansonsten vorhersehbar wären. Alle denkbaren Gefahren sind daher vorhersehbar. Ist die Vorhersehbarkeit daher immer gegeben, ist sodann zu prüfen, ob der Benutzer vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Diese Prüfung entspricht den Abgrenzungskriterien des Schuldmaßes, des nicht vorsätzlichen bzw. nicht allzu leichtfertigen Handelns. Liegt danach lediglich einfache Fahrlässigkeit vor, so haftet der Hersteller für diesen Fehlgebrauch. Handelt der Benutzer mit Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, so haftet der Hersteller grundsätzlich nicht.156 Allerdings besteht nach Ansicht der 147 Müko-Cahn, § ProdHaftG, Rnr. 18; Taschner, NJW 1986, S. 611, 614; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 74 ff.; BGH, NJW 1981, S. 2514 – Kältemittel, BGH, NJW 1992, S. 560, 561 – Kindertee I; BGH, NJW 1998, S. 2906 – Feuerwerkskörper; BGH, NJW 1999, S. 2815, 2816; OLG Düss, VersR 1982, S. 199, 200 – Wendelrutsche. 148 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 18; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 285; SchmidtSalzer, III / 1, Rnr. 4.715; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 75; BGH, VersR 1967, S. 498, 499 – Plastikmassebehälter; BGH, NJW 1972, S. 2217, 2221 – ESTIL; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel; OLG Hamm, NZV 1993, S. 310, 311 – Pkw-Anhänger. 149 BGH, VersR 1976, S. 498, 499 – Plastikmassebehälter; BGHZ 104, S. 323, 328 – Limonadenflasche. 150 BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel. 151 BGH, VersR 1952, S. 357 – Rungenverschluß; BGH, NJW 1972, S. 2217, 2221 – ESTIL; BGH, NJW 1989, S. 707, 708 – Fischfutter; BGH, NJW 1992, S. 560, 561 – Kindertee I; BGH, NJW 1998, S. 2905, 2906 – Feuerwerkskörper; BGH, NJW 1999, S. 2815, 1816 – Papierreißwolf; OLG Köln, Urt. v. 20. 1. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlung II,II 30, S. 319, 325, 327 – Speiseeisbereiter; OLG Hamm, NZV 1993, S. 310, 311 – Pkw-Anhänger. 152 BGH, NJW 1972, S. 2217, 2221 – ESTIL; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel. 153 BGH, NJW 1980, S. 1159 f. – Kopfsprung. 154 So der Fall BGH, NJW 1981, S. 2514 – Kältemittel. 155 Vgl. oben unter (§ 4 B. I. 1.).

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Rechtsprechung auch in diesem Fall zumindest eine Instruktionspflicht als Pflicht zur Gefahrenabwehr.157 In der Literatur wird ebenfalls vertreten, daß, wenn diese absolut zweckentfremdete Verwendung vorhersehbar ist, der Hersteller auch dann haftet, wenn ihm konstruktive Schutzmaßnahmen zumutbar waren.158 Aus diesen Ansichten folgt, daß für die Fälle, in denen konstruktive Schutzmaßnahmen weder möglich noch zumutbar sind, eine entsprechende Warnung abgegeben werden muß. Im Ergebnis muß der Hersteller immer Schutzmaßnahmen, zumindest in Form von Instruktionen, vornehmen, wenn eine Fehlanwendung vorhersehbar ist. Die Abgrenzung nach Verschuldensgraden ist deshalb nicht sinnvoll, weil zum einen sogar bei grob fahrlässigem Handeln die Mindestsicherheit nicht einmal als erfüllt angesehen worden ist159 und zum anderen, weil das Vorliegen von bewußter Fahrlässigkeit oder bedingtem Vorsatz ausschließlich von der Willensrichtung des Benutzers abhängt. Im Speiseeisbereiter-Fall wurde dem Produkt die Mindestsicherheit abgesprochen, ohne das geprüft werden konnte, ob die Benutzerin bei ihrem zumindest grob fahrlässigem Handeln nicht doch ihren Tod billigend in Kauf genommen hat. Der BGH hat zumindest zum Verschuldensgrad der fehlerhaften Bedienung nichts gesagt. Im Rahmen der Benutzererwartungen ist daher festzustellen, welche Fehlanwendungen des Benutzers im einzelnen für den Hersteller vorhersehbar sind. Die Frage, ob die Gefahren aufgrund vorhersehbarer Fehlanwendung durch konstruktive Schutzmaßnahmen zumutbar beseitigt werden können, ist eine Frage der Konstruktionspflichten.160 Für alle unzumutbaren konstruktiven Schutzmaßnahmen bleibt die Frage der konkret auszugestaltenden Instruktionspflicht.161 Das Kriterium der Vorhersehbarkeit ist daher Dreh- und Angelpunkt der berechtigten Fehlanwendung. Auch bei Fahrerassistenzsystemen muß mit Fehlbedienungen gerechnet werden. Des weiteren ist aufgrund von psychologischen Erkenntnissen davon auszugehen, daß es beim Benutzer unter Umständen zu einer reaktiven Verhaltensanpassung kommen kann.162 Darunter ist ein geändertes Fahrverhalten zu verstehen, welches den Sicherheitsgewinn der Systeme durch riskanteres Fahren teilweise oder ganz aufheben kann.163 Das Syndrom der reaktiven Verhaltensanpassung darf aber auch 156 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 79; BGH, NJW 1972, S. 2217, 2221 – ESTIL; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel. 157 BGH, NJW 1972, S. 2217, 2221 – ESTIL; BGH, NJW 1981, S. 2514, 2515 – Kältemittel. 158 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 80. 159 Vgl. OLG Köln, Urt. v. 20. 1. 1972, Schmidt-Salzer, EntschSammlg II, II 20, S. 319, 325 – Speiseeisbereiter. 160 Vgl. dazu (§ 4 B. II.). 161 Vgl. unten (§ 4 B. III.). 162 Holte, S. 56, 59; kritisch: Huguenin, S. 61 ff. 163 Holte, S. 56, 59.

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nicht überbewertet werden. Die deutlich gesunkene Unfallzahl von Fahrzeugen, die mit ESP ausgestattet sind,164 spricht dafür, daß das Sicherheitssystem einer evtl. gestiegenen unbekümmerten Fahrweise in Kurven stand hält. Im Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen wird zum Teil erwartet, daß der Fahrer häufig auf das Funktionieren solcher Systeme vertrauen wird.165 Ein solches fälschliches Vertrauen in die Funktion der Systeme liegt bei Fehlbedienungen (mit Ausnahme der Unkenntnis der Bedienfunktionen) und bei fehlender Aufmerksamkeit vor und ist als vorhersehbarer Fehlgebrauch vom Hersteller grds. zu berücksichtigen. (1) Bedienungsfehler Wie bereits oben herausgearbeitet, kommen als Bedienungsfehler in Betracht: Unkenntnis der Bedienfunktion, Unkenntnis der Systemgrenzen, Unangepaßte Systemeinstellung sowie blindes Systemvertrauen.166 (2) Unterlassene Nutzung Ein vorhersehbarer Fehlgebrauch wäre auch ein Übersteuern des Systems in Situationen, in denen das System hilfreich gewesen wäre. In einem solchen Fall kann das System aber nicht ursächlich für einen Unfall bzw. Schaden sein, da es ja gerade nicht benutzt wurde. Dieser Fall muß daher nicht berücksichtigt werden. (3) Fehlende Aufmerksamkeit Ist der Benutzer nicht aufmerksam und beachtet nicht, daß sich die Verkehrssituation in der Weise geändert hat, daß das Fahrerassistenzsystem nicht mehr für die Situation geeignet ist, ist ebenfalls ein vorhersehbarer Fall. So ist z. B. denkbar, daß ein Fahrer ein automatisches Spurführungs- und Abstandsregelungssystem dazu nutzt, um über eine längere Zeit hinweg seine Aufmerksamkeit anderen Dingen als dem Straßenverkehr zu widmen. Durch eine solche Benutzung könnte sich der Fahrer einen erheblichen Fahrkomfort versprechen. (4) Reaktive Verhaltensanpassung Als eine nicht auszuschließende Folge durch den Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen wird in gewisser Weise die reaktive Verhaltensanpassung bei Fahrern zu beobachten sein. Insbesondere bei Notbremssystemen ist nicht auszuschließen, daß Der Tagesspiegel vom 4. 1. 2003, S. M 2. Bouska, DAR 1995, S. 353, 354, der aber diese Einschätzung weder differenziert noch weiter ausführt. 166 Vgl. oben unter (§ 3 B. II. 2.). 164 165

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Fahrer ihre Aufmerksamkeit entweder nicht mehr so sehr wie vorher dem Straßenverkehr widmen in dem Bewußtsein, daß das System im letzten kritischen Moment abbremsen wird. Da das Notbremssystem aber nicht in allen Fällen einen Aufprall verhindern kann, sondern in vielen Fällen nur einen Aufprall lindern kann, wäre die Folge einer derartigen reaktiven Verhaltensanpassung, daß Unfälle, zwar mit gelindertem Aufprall, überhaupt erst geschehen, obwohl sie u. U. ohne Fahrerassistenzsystemen aufgrund der höheren Wachsamkeit erst gar nicht entstanden wären. Allerdings kann dem Hersteller diese Folge nicht angelastet werden, auch wenn sie vorhersehbar ist, denn dieses Verhalten liegt allein im Verantwortungsbereich des Fahrers. Das Phänomen der reaktiven Verhaltensanpassung ist bereits bei vorhergehenden Sicherheitssystemen in Fahrzeugen aufgetreten.167 Da dieses allerdings vorhersehbar ist, wird erwogen, ob nicht diesbezüglich gewarnt werden muß.168 Es ist jedoch zu differenzieren, zwischen der Pflicht des Herstellers, vor verbleibende Risiken zu warnen und der Warnung vor übermütigem Verhalten. Letzteres kann nicht in der Verantwortung des Herstellers liegen, da nicht nur der Umstand, daß ein riskanteres Fahrverhalten zu einem höheren Risiko führt, allgemein bekannt und schon deshalb nicht von der Instruktionspflicht umfaßt ist, sondern auch deshalb nicht, weil jegliche Art von Instruktion den Fahrernicht vor dieser Verhaltensanpassung bewahren könnte. Wenn jeder technische Laie weiß, daß ein riskanteres Fahren zu einem höheren Sicherheitsrisiko führt und jeder technische Laie durch die Instruktionen weiß, wo Grenzen und Risiken des Systems liegen, dann ist jedem technischen und auch psychologischen Laien bewußt, welches Sicherheitsrisiko er eingeht, wenn er dennoch riskanter fährt. Deshalb kann auch der Hersteller diese Gefahr nicht bannen.

e) Umstände des Einzelfalls Über § 3 Abs. 1 Nr. b ProdHG hinaus sind alle weiteren Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. aa) Natur der Sache Aus der Natur des Produktes können sich Rückschlüsse auf den Erwartungshorizont ergeben169. Dies gilt für Produkte, denen eine Gefährlichkeit von Natur aus 167 Chaloupka / Risser, S. 7 ff., 47 ff.; Löhle, DAR 1996, S. 8, 10; Albus / Friedel / Nicklisch / Schulze, ZVS 1999, S. 98, 100: eine derartige Risikokompensation sei dann zu erwarten, wenn der Fahrer einen „tatsächlichen oder vermeintlichen Sicherheitsgewinn bemerkt“, weshalb auch ein Sicherheitsgewinn nicht notwendig zu erwarten ist; kritisch zu Risikokompensationstheorien Huguenin, S. 61, 65 ff. 168 So Löhle, DAR 1996, S. 8, 10. 169 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 9.

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innewohnt, wie z. B. Nikotin oder ein Messer.170 Bei Fahrerassistenzsystemen als rein technischen Systemen ist dies nicht der Fall.

bb) Preisgestaltung Die Preisgestaltung ist ein zu berücksichtigender Umstand bei der zu erwarteten Sicherheit, da jede Sicherheit ihren Preis hat.171 Insbesondere bei Kraftfahrzeugen ist die Preisgestaltung ein wesentlicher Umstand. So wird vertreten, daß die Sicherheitserwartungen bei Fahrern eines Kleinstwagens niedriger sind als bei Fahrern eines BMW, Mercedes oder Volvo, oder daß Fahrer von Klein- oder Mittelwagen geringere Sicherheitserwartungen haben als es bei teureren Pkw zu erwarten ist.172 Gerade im Rahmen der Preisgestaltung ist das Zumutbarkeitskriterium 173 relevant, denn es geht zum einen um die Frage, ob ein Produkt, insbesondere ein Kfz mit einem Sicherheitselement ausgestattet werden muß, um zu einer höheren Sicherheit mit demensprechender Kosten- und Preiserhöhung konstruiert werden muß mit der Folge, daß sich das Produkt wegen des hohen Preises nicht mehr verkaufen läßt.174 Dies betrifft die Frage, in welchen Fahrzeugen ein Fahrerassistenzsystem überhaupt eingebaut werden muß175 und soll hier außer Betracht bleiben, weil dies zum einen sehr einzelfallbezogen ist und zum anderen nicht die Sicherheit des Systems an sich betrifft. f) Risiko-Nutzen-Analyse Eine Risiko-Nutzen-Abwägung wird bei der Frage der Fehlerhaftigkeit eines Produktes nicht ausdrücklich vorgenommen. Allerdings wird eine Abwägung in der Sache dennoch insofern berücksichtigt, als der Benutzer aufgrund einer solchen Abwägung Gefahren kennt und hinnimmt und damit auch erwartet.176 Eine

Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 53; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 87. BT-Drs. 11 / 2447, S. 18 f.; Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 23; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 9, Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 55; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 25 m. w. N. 172 Kort, VersR 1989, S. 1113, 1115; Kullmann / Pfister, Kza. 1520, 23; Möllers, S. 318 f.; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 9; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 55; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 25; Wieckhorst, VersR 1995, S. 1005, 1011; mittlerweile gibt es ABS in fast jedem neuen Kleinwagen; aber Abstandsregelungstempomaten gibt es z. B. derzeit lediglich in Oberklasse- und obere Mittelklasse Fahrzeugen. 173 Dieses ist als haftungsbegrenzendes Kriterium auch im Fehlerbegriff des ProdHG anzuwenden, vgl. oben unter [§ 4 B. I. 2 b) aa) (2) (b)]. 174 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.749. 175 Vgl. dazu im einzelnen Möllers, S. 319 ff. mit der Ansicht, daß jedes Neufahrzeug ohne Airbag fehlerhaft konstruiert ist, S. 322, wobei aber nicht zwischen Front- und Seiten-, bzw. Fahrer- und Beifahrerairbag unterschieden wird. 170 171

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nicht ganz so versteckte, aber auch nicht ausdrücklich genannte Risiko-NutzenAbwägung findet im Bereich der Haftung für Arzneimittel statt. Bei Nebenwirkungen, die sich erst nach einiger Zeit des Gebrauches herausstellen, liegt nämlich dann kein Arzneimittelfehler vor, wenn diese im Vergleich zu dem therapeutischen Nutzen des Arzneimittels derart unerheblich einzustufen sind, daß sie der Benutzer hinnehmen muß.177 Sind die Nebenwirkungen im Vergleich zum Nutzen des Arzneimittels erheblich, liegt ein Fehler vor.178 Dies betrifft jedoch nur Entwicklungsrisiken, für die der Hersteller ohnehin nicht haftet.179 Erkennt der Hersteller mögliche Nebenwirkungen oder sonstige Risiken, kann aber weder er, noch der Verbraucher sie verhindern, kann keine Risiko-Nutzen-Abwägung, sondern lediglich eine entsprechende Darbietung der Risiken bzw. Nebenwirkungen ihn vor einer Haftung schützen.180 Eine Frage der Abwägung eines Sicherheitsrisikos mit dem Gebrauchsnutzen des Produkts stellt sich auch immer dann, wenn ein Gebrauchsvorteil gleichzeitig einen Nachteil mit sich führt.181 Der Nachteil besteht dann in der Regel weniger in einem Gebrauchsnachteil als vielmehr in einem größeren Risiko, weil sich durch das weitere Vorliegen einer möglichen Gefahr die Eintrittswahrscheinlichkeit182 erhöht. Es stellt sich hierbei wiederum das Problem der Risikoakzeptanz, deren weitgehend unmögliche Vorhersage vom Hersteller verlangt wird. Deshalb wird zu diesem Problembereich auch nur als der kleinste gemeinsame Nenner festgestellt, daß ein Produkt dann fehlerhaft ist, wenn ein nach dem Stand von Wissenschaft und Technik kostenneutrales alternatives und sichereres Produkt möglich wäre.183 Aber diese Forderung ergibt sich bereits aus dem Erfordernis des Standes von Wissenschaft und Technik und der Mindestsicherheit. Darüberhinaus kann ein Produkt nicht als fehlerhaft angesehen werden, wenn die neuen Risiken vom Benutzer akzeptiert werden, weil sie dann im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartung der Benutzer liegen. Deshalb ist auch der Sicherheitsgurt kein fehlerhaftes Produkt, wenn es in 0,5 – 1% aller Unfälle zu größeren Unfallfolgen führen kann. Die arzneimittelrechtlichen Fälle der Nebenwirkungen finden im Kfz-Bereich keine vollständige Entsprechung. Allerdings ist dieses Abwägungsproblem deshalb 176 Kullmann, S. 113; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 21; vgl. auch Graf v. Westphalen, ProdH II, § 74, Rnr. 28. 177 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.1142. 178 Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.1142. 179 Vgl. unten (§ 4 B. II. 1.). 180 Kullmann, S. 113 f. 181 Kullmann, S. 98 und Kullmann / Pfister, Kza. 3604, S. 6 mit den Beispielen: Zufügung von Konservierungsmitteln bei Körperpflegemitteln, die zu Allergien führen können und Verstärkungen am Rahmen und am Aufbau eines Kfz, die aufgrund von höherem Gewicht den Benzinverbrauch steigern; mit gleichen Beispielen auch Hörl, S. 35; 182 Risiko = Eintrittshäufigkeit  Schadensausmaß, vgl. oben unter [§ 2 B. I. 2. c)]. 183 Kullmann, S. 98.

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von Bedeutung, weil der Einbau eines Fahrerassistenzsystems im Kraftfahrzeug einerseits helfen kann, Unfälle zu verhindern, andererseits aber andere Unfallrisiken schafft. Diese neuen Unfallrisiken entstehen durch unsachgemäße Bedienung, verminderte Aufmerksamkeit, blindes Vertrauen und dem technischen Versagen von Fahrerassistenzsystemen. Sie sind jedoch allesamt vom Benutzer zu akzeptieren, wenn sie die Voraussetzungen des Stands von Wissenschaft und Technik und der Mindestsicherheit aufweisen.

II. Konstruktionsfehler Ein Konstruktionsfehler liegt vor, wenn das Produkt aufgrund fehlerhafter technischer Konzeption oder Planung für den gefahrlosen Gebrauch ungeeignet ist.184 Der Hersteller muß daher die zuvor aufgestellten Kriterien in konstruktiver Weise erfüllen. Kein Konstruktionsfehler und auch keine Haftung besteht bei Vorliegen eines sogenannten Entwicklungsfehlers. Der Entwicklungsfehler gehört nicht in die Unterscheidung der Fehlerarten im Rahmen des § 3 ProdHG, da für Entwicklungsfehler die Haftung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG ausgeschlossen ist: „Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn der Fehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte.“ Der Haftungsausschluß ist ausschließlich auf Konstruktionsfehler zugeschnitten.185

1. Entwicklungsfehler Im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG kann unterschieden werden zwischen Entwicklungsrisiken und Entwicklungslücken.186 Entwicklungsrisiken sind Gefahren, die von der Konstruktion eines Produkts ausgehen, aber nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens noch nicht zu entdecken waren, jedoch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bereits erkannt sind.187 Entwicklungslücken sind dagegen Gefahren, die zwar zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens erkannt wurden, konstruktionstechnische Mög184 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 283; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 3; BGHZ 104, S. 323, 328 – Limonadenflasche; OLG Köln, VersR 1993, S. 1993, 110, 111 – Sicherheitsklemme. 185 Kullmann / Pfister, Kza. 1520, S. 9; Palandt-Sprau, § 1 ProdHG, Rnr. 21; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnr. 98; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 83. 186 Schmidt / Salzer, III / 1, Rnr. 4.1138; Taschner / Frietsch, § 1 ProdHaftG, Rnrn. 99 f.; anders Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 77, der die Unterscheidung nicht für erforderlich hält. 187 Schmidt / Salzer, III / 1, Rnr. 4.1137; Taschner / Frietsch, Art. 7, Rnr. 35; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 77; BGH, NJW 1995, S. 2162, 2163 – Mineralwasserflasche II.

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lichkeiten zu deren Beseitigung jedoch nicht vorlagen.188 Nach anderer Ansicht kann auf die Unterscheidung zumindest im Rahmen des § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHG verzichtet werden, weil ein Haftungsausschluß in den Fällen der Entwicklungslükken nur dann vorliegt, wenn die erkannte und nicht zu beseitigende fehlerhafte Eigenschaft von den Sicherheitserwartungen der Benutzer akzeptiert wurde.189 Das Problem der Entwicklungslücke ist daher ein Problem der berechtigten Sicherheitserwartungen. Der Haftungsausschluß betrifft daher nur die Fälle der Entwicklungsrisiken.190

2. Konstruktionsbedingte Produktgefahren Im Rahmen der möglichen Produktgefahren, die von Fahrerassistenzsystemen ausgehen können, ist auch festzustellen, ob diese Gefahren durch konstruktive Änderungen vermieden werden können. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Fehlern, die in den jeweiligen Bauteilen der Fahrerassistenzsysteme entstehen können, Fehlern, die durch die Verbindung der Systeme mit der Steuermöglichkeit des Fahrers auftreten können (Mensch-Maschine-Schnittstelle) sowie Fehlern, die durch einen vorhersehbaren Fehlgebrauch des Systems im Straßenverkehr auftreten können.

a) Fehler der jeweiligen Bauteile Fehler in den Bauteilen würden vorliegen, wenn die Sensoren fehlerhafte oder gar keine Daten aufnehmen, wenn die Daten gar nicht oder fehlerhaft weitergeleitet werden oder wenn die Daten fehlerhaft oder gar nicht ausgewertet werden. Die Vermeidung solcher Fehler ist ausschließlich ein technisches Problem und wird durch Sicherheitsanalysen nach dem Stand der Technik gewährleistet. Die Anforderungen an die Systemsicherheit, um solche Fehler zu vermeiden, sind im Rahmen des Standes von Wissenschaft und Technik dargestellt. Ist die Konstruktion des Systems daher nach der Systemanalyse FMEA und Fehlerbaumanalyse erfolgt, so konnte ein dennoch vorliegendem Ausfall nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht vermieden werden. Der Fahrermuß allerdings deutlich erkennen, daß das System nicht funktionsfähig ist. Soweit der Fahrer auf die Informationen, die das System gibt, vertrauen darf, muß dem Fahrer eine Fehlermeldung gegeben werden oder das System muß sich selbst abschalten. Bei Interventionssystemen muß ein Systemfehler ebenfalls angezeigt werden, damit der Fahrer weiß, daß er selbst handeln muß. Schmidt / Salzer, III / 1, Rnr. 4.1137. Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 77. 190 BT-Drs.11 / 2447, S. 15; Honsell, JuS 1995, S. 211, 213; Kort, VersR 1989, S. 1113; Kullmann / Pfister, Kza. 3602, S. 20 f.; Schmidt-Salzer, III / 1, Rnr. 4.1136; Graf v. Westphalen, ProdH II, § 72, Rnr. 80; BGH, NJW 1995, S. 2162, 2163 – Mineralwasserflasche II. 188 189

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b) Fehler in der Mensch-Maschine-Schnittstelle Fehler der Systeme können auftreten, indem die Systeme so konstruiert sind, daß der Fahrer nicht in der Lage ist, diese Systeme zu benutzen, weil er sie nicht steuern kann. Wie bereits oben festgestellt worden ist,191 gehört auch die Steuerbarkeit zu den berechtigten Sicherheitserwartungen der Benutzer. Die Sicherheitserwartung richtet sich, wie bereits erwähnt, bei Produkten des täglichen Bedarfs nach denen des idealtypischen, durchschnittlichen Benutzers.192 Dieser ist bei Fahrzeugen mit Fahrerassistenzsystemen der durchschnittliche Kraftfahrer, der sich mit der Technik von Fahrerassistenzsystemen nicht auskennt, so daß z. B. der Mieter eines Fahrzeuges der Oberklasse, der selbst nur einen Kleinwagen besitzt, damit zurecht kommt. Große Gefahren bei der Benutzung von Fahrerassistenzsystemen können sich insbesondere durch eine fehlerhafte Benutzung ergeben und zwar insbesondere dadurch, daß der Benutzer auf sein System in Situationen vertrauen wird, für die das System nicht ausgelegt ist. Deshalb ist der Hersteller verpflichtet, sofern nach Stand von Wissenschaft und Technik möglich und zumutbar, die vorhandenen Systemgrenzen zu verkleinern, um einen möglichst großen Anwendungsbereich zu schaffen, in dem das Fahrerassistenzsystem zuverlässig funktioniert. Ist dies dem Hersteller nicht möglich, so verbleibt es diesbezüglich bei den Instruktionspflichten. Je mehr Systeme in einem Fahrzeug eingebaut sind, desto größer wird das Problem der Anordnung und des Zusammenspiels der Bedienfunktionen. Deshalb muß der Hersteller eine Konstruktion wählen, die für den Fahrer so leicht wie möglich zu steuern ist. Dies bedeutet aber nicht, daß eine Konstruktion fehlerhaft ist, nur weil der Fahrer die Bedienfunktionen nicht versteht ohne einen Blick in die Bedienungsanleitung zu werfen. Eine Anordnung und ein Zusammenspiel von Knöpfen und Tasten, die der Fahrer ad hoc versteht, ist sicherlich ein Kaufanreiz. Aber eine kompliziertere Anordnung führt nicht gleich zu einem Konstruktionsfehler. Die Grenze ist erst dann erreicht, wenn der Benutzer wegen seiner manuellen und kognitiven Fähigkeiten nicht in der Lage ist, die Bedienung zu überblicken, da es dann an der Mindestsicherheit fehlt.193

c) Fehler durch vorhersehbaren Fehlgebrauch Fehler durch die Art und Weise der Benutzung können auftreten, indem der Fahrer das Fahrzeug zweckwidrig gebraucht. Solange der Fehlgebrauch vorhersehbar ist, stellt sich die Frage, ob der Hersteller lediglich eine Instruktionspflicht hat oder Vgl. oben unter [§ 4 B. I. 2 b) bb) (1), d) aa) (2)]. Vgl. oben unter (§ 4 B. I. 1.). 193 Vgl. auch BGH, VersR 1952, S. 357 – Rungenverschluß – in der Entscheidung konnte der Benutzer das Einrasten des Rungenverschlusses nicht hören. 191 192

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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ob er verpflichtet ist, die Konstruktion zu ändern. In diesem Rahmen ist die Möglichkeit und Zumutbarkeit von konstruktiven Schutzmaßnahmen für vorhersehbare Fehlanwendungen zu prüfen. Gefahren im Zusammenhang mit dem Fehlgebrauch von Fahrerassistenzsystemen können sich ergeben durch Fehlbedienungen, fehlende Aufmerksamkeit und reaktive Verhaltensanpassung. Diese Gefahren sind im einzelnen bereits festgestellt worden.194 Es bleibt daher die Frage, ob diese Gefahren durch zumutbare konstruktive Maßnahmen verhindert werden können. Fehler, die dadurch entstehen, daß das System für die Verkehrssituation nicht vorgesehen ist (Unkenntnis der Systemgrenzen), sind grundsätzlich keine Konstruktionsfehler. Fälle solcher Fehler sind z. B. das Abschalten des Abstandsregeltempomates bei einer Geschwindigkeit unter 30 km / h. Dem Hersteller obliegt für solche Fälle die Pflicht zur Instruktion.195 Hier trifft den Hersteller nur die Pflicht, die Menge der Verkehrssituationen, die das System nicht bewältigen kann, durch eine bessere Konstruktion so gering wie möglich zu halten, da die Wahrscheinlichkeit von Benutzungsfehlern geringer und somit die Sicherheit höher wäre. Denn die Konstruktionspflicht geht der Instruktionspflicht vor.196 Sofern die Mindestsicherheit erfüllt ist, hängt diese Verbesserung allerdings auch vom Preis ab. Der Hersteller ist im Rahmen des ihm Zumutbaren197 verpflichtet Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Bei Fahrerassistenzsystemen ist z. B. eine Information an den Fahrer, sobald das System nicht mehr funktionsfähig ist, Teil der Mindestsicherheit.198 Nicht mehr zumutbar ist es jedenfalls, den Verbraucher vor der Umgehung der Schutzmaßnahmen zu schützen.199 Daher muß der Benutzer bei Informations- und Warnsystemen auch nicht vor den Folgen des Ignorierens der Warnung aufgeklärt werden. Das Ignorieren der Warnung oder Information bei Informations- und Warnsystemen ist immer ein Mißbrauch, für den keine Konstruktionspflichten bestehen. Im Falle der Interventionssysteme gilt dies nicht uneingeschränkt, da Interventionssysteme nicht informieren. Die Warnfunktion im Interventionssystem dient dazu, den Fahrer zu unterrichten, daß es alsbald eingreifen wird. Es ist dann Sache des Fahrers den Eingriff, wenn möglich, zu übersteuern. Ignoriert der Fahrer in diesem Fall die Warnung, so mißbraucht er das System gerade nicht. Die Funktion der Übersteuerbarkeit ist vom Hersteller auch gewollt, denn damit gibt er dem BeVgl. oben unter (§ 3 B. II. 2.). Vgl. unten (§ 4 B. III.). 196 Müko-Cahn, § 3 ProdHaftG, Rnr. 7; Taschner / Frietsch, § 3 ProdHaftG, Rnr. 7; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnrn. 68, 97, ProdH II, § 74, Rnr. 32, vgl. oben unter (§ 4 B. I. 2.). 197 Insbesondere abhängig von der Preisgestaltung, Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 283. 198 Vgl. oben unten [§ 4 B. I. 2. b) bb) (2)]. 199 Schmidt-Salzer / Hollmann, Bd. 1, Art. 6, Rnr. 154; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 81. 194 195

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nutzer erst die Möglichkeit, das System in einzelnen Fahrsituationen, in denen es an seine Grenzen gelangt, bestimmungsgemäß zu gebrauchen.

III. Instruktionsfehler Instruktionsfehler liegen vor, wenn die Gebrauchsanweisung des Produktes bzw. eine Warnung vor gefahrbringenden Eigenschaften nicht ausreicht.200 Keine Warnpflicht besteht bei Gefahren, die jedem Verständigen einleuchten, da es nicht erforderlich ist zu warnen, wenn der Benutzer über die sicherheitsrelevante Information selbst verfügt und sie im konkreten Fall auch gegenwärtig ist.201 Der Hersteller muß zunächst auf die korrekte Handhabung, mögliche Gefahren und die Grenzen der Produktanwendung hinweisen.202 Dabei gilt der Grundsatz, daß je nach Art und Ausmaß der möglichen Gefahren unterschiedlich hohe Anforderungen an die Gestaltung der notwendigen Warnhinweise geknüpft sind.203 Bestehen mögliche Gesundheits- und Körperschäden, muß neben einer besonders deutlichen Beschreibung der Gefahrenarten auch der Funktionszusammenhang sowie der Grund der Produktgefährlichkeit angegeben werden.204 Weiterhin besteht eine Warn- und Hinweispflicht, wenn das Produkt, welches bestimmungsgemäß die Abwendung einer Gefahr zum Zweck hat, im Einzelfall wirkungslos ist und der Verwender deshalb von dem Gebrauch eines tatsächlich wirksamen Produktes absieht.205 Für Gebrauchsanleitungen bedeutet dies, daß sie deutlich und ausreichend, dem Produkt beiliegend und vollständig sein müssen.206 Hinsichtlich der Deutlichkeit reicht es aus, wenn der Warnhinweis sich deutlich von Text abhebt und an einer Stelle plaziert ist, die nicht die Gefahr birgt, überlesen zu werden.207 Denn der Benutzer muß jederzeit die Möglichkeit zur Kenntnisnahme haben.208 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 5. Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 284; BGH, NJW 1980, S. 1159, 1160 – Kopfsprung; BGH, NJW 1994, S. 932, 933 – Kindertee II; BGH, NJW 2001, S. 1654, 1655 – Bierflasche. 202 Kullmann, NJW 2002, S. 3033; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 284; Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 5; BGH, NJW 1998, S. 2905, 2906 – Feuerwerkskörper; BGH, NJW 1999, S. 2815, 2816 – Papierreißwolf. 203 BVerfG, NJW 1997, S. 249 – Kindertee; BGH, NJW 1992, S. 560, 561 – Kindertee I. 204 Kullmann, NJW 1996, S. 18, 19 ff.; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 286; PalandtSprau, § 3 ProdHG, Rnr. 5; BVerfG, NJW 1997, S. 249 – Kindertee; BGH, NJW 1992, S. 560, 561 – Kindertee I; BGH, NJW 1994, S. 932, 933 – Kindertee II; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III; OLG Hamm, NZV 1993, S. 310, 311 – Pkw-Anhänger; AG Nürnberg, NJW 2004, S. 3123, 3124; kritisch: Honsell, JuS 1995, S. 211, 212 f.; Littbarski, NJW 1995, S. 217, 219 ff. 205 BGHZ 80, S. 186 – Apfelschorf; diese Fallgruppe bleibt im weiteren unberücksichtigt, weil sie für FAS unbedeutend ist. 206 Palandt-Sprau, § 3 ProdHG, Rnr. 5. 207 BVerfG, NJW 1997, S. 249, 250 – Kindertee; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III; OLG Düss, NJW-RR 1995, S. 25, 26 – Kinder-Kräutertee. 200 201

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Zum Teil wird in dem Merkmal der Darbietung in § 3 ProdHG anders als in den Verkehrspflichten nach § 823 Abs. 1 BGB nicht auch die Verpflichtung zur Warnung vor Gefahren aus bestimmungwidrigem Gebrauch erkannt.209 Diese Ansicht ist aber anzulehnen, da nicht einzusehen ist, weshalb in der Konstruktion ein vorhersehbarer naheliegender Fehlgebrauch zu berücksichtigen ist, in der Darbietung, die der Konstruktionspflicht nachrangig ist, jedoch nicht. Zudem entspricht die Warnung vor Gefahren aus naheliegendem Fehlgebrauch vor allem den Interessen des Verbraucherschutzes und sollte schon deshalb nicht aus den Herstellerpflichten des § 3 ProdHG herausgefiltert werden. In Fällen, in denen das Produkt völlig entgegen seines Verwendungszweckes benutzt wird,210 ist sorgfältig abzuwägen, ob durch eine Warnung nicht erst der Anreiz zu einem solchen Verhalten gegeben wird.211 Dabei ist aber zu beachten, daß selbst ein solcher bewußter Mißbrauch in erster Linie vorhersehbar sein muß, damit der Hersteller überhaupt erst darauf aufmerksam wird. Wenn aber ein solcher Mißbrauch vorhersehbar ist, dann ist eine Warnung in aller Regel vorzuziehen. Die Gefahr des Anreizgebens bei diesen bewußt handelnden Personen ist ohnehin als sehr gering einzuschätzen.212

1. Hinweis auf Funktion und Funktionalitätsgrenzen Während sich der Fahrer einerseits grundsätzlich vor Fahrtantritt selbst kundig machen muß, wie er mit dem Fahrzeug umzugehen hat, ist andererseits das Wissen um die richtige Bedienung des Fahrzeugs grundsätzlich durch die Führerscheinpflicht entschärft.213 Gerade für die hier in Frage stehenden Fahrerassistenzsysteme gilt dies nicht unbedingt. Denn zum einen sind Fahrschulautos in aller Regel Kleinbis Mittelklassewagen, die regelmäßig erst nach einiger Zeit mit derartigen Systemen ausgestattet werden und zum anderen sind die wenigsten Fahrer, die mit diesen Systemen fahren, Fahrschüler. Daher kann in diesem Fall die Wissensvermittlung nicht über die Führerscheinprüfung gesichert werden. Wie bei jedem Produkt muß deshalb auch bei Fahrerassistenzsystemen die Bedienung genau und einfach erklärt werden. Darüber hinaus muß auf die oben beschriebenen gefahrbringenden Eigenschaften,214 die durch einen Fehlgebrauch ent208 BVerfG, NJW 1997, S. 249, 250 – Kindertee; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III. 209 Schlechtriem, VersR 1986, S. 1033, 1036; Taschner / Frietsch, Art. 6, Rnr. 13. 210 So im Fall BGH, NJW 1981, S. 2514, 2514 – Kältemittel. 211 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 239. 212 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 239; BGH, NJW 1980, S. 1159, 1160 – Kopfsprung, zur Wirkung von Verboten bei grob fahrlässigem Fehlverhalten. 213 Diederichsen, DAR 1976, S. 312, 315. 214 Vgl. oben unter [§ 4 B. I. 2. d) bb)].

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§ 4 Produkthaftung

stehen können, im einzelnen hingewiesen und gewarnt werden. Dabei ist zunächst die Art der Gefahr für jeden, der sich mit der Technik nicht auskennt215, verständlich zu beschreiben. Besonders deutlich sind die Grenzen der Systeme hervorzuheben216, da die größten Gefahren hiervon ausgehend zu erwarten sind, nämlich dann, wenn daraufhin die Aufmerksamkeit auf den Verkehr nachläßt. Um dem Benutzer die Grenzen deutlich zu machen, ist es sinnvoll, diese anhand von beispielhaften Verkehrsszenarien aufzuzeigen. In diesem Rahmen ist auch darauf hinzuweisen, daß das Fahrerassistenzsystem die Verkehrspflichten des Fahrers bzw. des Halters nicht übernimmt und der Fahrer für Gefahren, die sich aus der Benutzung außerhalb dieser Grenzen ergeben, selbst verantwortlich bleibt. Bei der Aufzeigung der Grenzen ist zu beachten, daß sich der Benutzer einer erheblichen Unfallgefahr im Straßenverkehr aussetzt, wenn er dem Fahrerassistenzsystem außerhalb seiner Funktionsgrenzen vertraut. Da es sich bei Unfallgefahren im Straßenverkehr immer mindestens um Körper- und Gesundheitsgefahren handelt, muß auch aufgezeigt werden, weshalb das System in diesem Fall nicht funktionieren kann und weshalb es deshalb zu einer Unfallgefahr kommen kann, wenn trotzdem darauf vertraut wird.217 So reicht es z. B. nicht aus, wenn erklärt wird, daß das Fahrerassistenzsystem bei Schneematsch nicht funktioniert, sondern es muß erklärt werden, daß die Sensoren bei schlechtem Wetter verschmutzt werden können und daher Objekte nicht zuverlässig erkennen können.

2. Form der gebotenen Instruktionen Aufgrund der Tatsache, daß Warnungen effizient sein müssen,218 wird gefordert, eine Erinnerungsstrategie zur Erläuterung von Gefahren in Verbindung einer fehlerhaften Nutzung von Fahrerassistenzsystemen in das Fahrzeug einzubauen.219 Von der Rspr. wird jedoch nur verlangt, daß die Warnung deutlich ist220, der Benutzer jederzeit die Möglichkeit einer Kenntnisnahme haben muß221 und daß die Instruktionen auch der meist gefährdetsten Benutzergruppe verständlich sein müssen222. Soweit die Warnung deutlich ist, reicht es aus, daß der Nutzer die MöglichVgl. oben unter (§ 4 B. I. 1.). Ebenso Vogt, NZV 2003, S. 153, 159. 217 Ebenso Vogt, NZV 2003, S. 153, 159. 218 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 202. 219 Feldges / Brandenburg, Response, S. 210. 220 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 286; Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 203; BGH, VersR 1960, S. 342, 343 – Teppichklebeband; BGH, NJW 1992, S. 560, 561 – Kindertee I; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III; OLG Hamm, NJW-RR 1993, S. 989, 990 – Kindertee; OLG Düss, NJW-RR 1995, S. 25, 26 – Kindertee. 221 BVerfG, NJW 1995, S. 249, 250 – Kindertee; BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III. 222 Zur Auslegung der gefährdetsten Benutzergruppe vgl. oben unter (§ 4 B. I. 1.). 215 216

B. Produktfehler bei Fahrerassistenzsystemen

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keit der Kenntnisnahme hat, denn der Hersteller muß nicht dafür sorgen, daß sie der Nutzer auch wirklich aufnimmt und verinnerlicht und sich daran hält. Der Hersteller haftet daher nicht für den Erfolg seiner Instruktion. Eine Effektivität oder Effizient ist daher nur insoweit erforderlich, daß der Inhalt der Instruktion möglichst eingängig ist und der Benutzer insbesondere über mögliche Gefahren insoweit aufgeklärt wird, daß er ein Bewußtsein über diese Gefahren entwickeln kann, das ihn effektiver vor einer gefahrbringenden Handlung bewahrt.223 Wegen der Möglichkeit, daß bei Umlaufprodukten die Bedienungsanleitung mit den Gefahrenhinweisen verloren gehen kann, muß der Hersteller bei solchen Produkten Warnhinweise dauerhaft mit dem Produkt verbinden,224 wobei die Haltbarkeit dieser Warnhinweise zumindest der Lebensdauer des Produkts entsprechen muß.225 Bei Fahrzeugen ist dies nicht erforderlich, da zum einen die Bedienungsanleitung recht sicher in einem Autofach (z. B. „Handschuhfach“) aufbewahrt werden kann und zum anderen bei einem Wiederverkauf bei Autohändlern jederzeit eine Bedienungsanleitung erhältlich ist. Eine Instruktion im Rahmen eines Begleitheftes reicht daher grundsätzlich aus. Insoweit liegt eine Erinnerungsstrategie grundsätzlich im Ermessen des Herstellers.

3. Konstruktive Instruktion Eine solche Strategie könnte aber aus einem anderen Grunde erforderlich sein: Wie bereits oben erläutert, kann die Verantwortung des Herstellers für mögliche Gefahren nur dann durch eine Instruktion auf den Nutzer abgegeben werden, wenn eine sicherere Konstruktion nicht möglich ist. Eine Erinnerungsstrategie könnte aber in einen Bordcomputer eingebaut werden, so daß der Fahrer zu Beginn der Fahrt und ggf. von Zeit zu Zeit über eine fehlerhafte Nutzung, insbesondere die Systemgrenzen informiert würde.226 Eine solche Erinnerungsstrategie wäre ein konstruktives Element und müßte daher, sofern zumutbar, einer Instruktion vorgezogen werden. Hat der Hersteller die Möglichkeit einer solchen konstruktiven Verbesserung, ist er dazu auch verpflichtet. Eine solche Auslegung birgt jedoch das Risiko einer unbegrenzten Informationspflicht. Wollte man auch Warnschilder als konstruktive Verbesserung des Fahrzeuges ansehen, wäre es problematisch, inwieweit der Hersteller zu solchen Warnhin223 Hörl, S. 70; dagegen verlangt Wieckhorst, VersR 1995, S. 1005, 1008, daß geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um sicherzustellen, daß die Instruktion den Benutzer auch tatsächlich erreicht; es ist aber nicht möglich, den Erfolg sicherzustellen, da oftmals nur wenige Benutzer die Gebrauchsanweisung lesen, BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 – Kindertee III schätzt die Anzahl auf 20%. 224 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 191; BGH, VersR 1960, S. 342, 343 – Fußbodenklebemittel. 225 Graf v. Westphalen, ProdH I, § 24, Rnr. 191. 226 So Feldges / Brandenburg, Response, S. 210.

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§ 4 Produkthaftung

weisen im Fahrzeug verpflichtet wäre, und es gäbe ähnliche Probleme zum Produkthaftungsrecht in den USA, deren Rechtsprechung eine derart ausweitende Anforderung an Warnungen zustande gebracht hat, daß u. a. wegen Überfrachtungen an Warnungen und daher geringer Effizient eine Eingrenzung wünschenswert wäre.227 Deshalb sollte eine konstruktive Verbesserung nicht bereits im Anbringen von Warnzeichen zu sehen sein, sondern erst, wenn z. B. durch die Software eine über die bloß schriftliche Information über mögliche Gefahren hinausgehende Warnstategie erreicht werden kann. In die Software eingebaute Warnhinweise können daher zwar als technische Vorschriften, die zu erfüllen sind, produkthaftungsrechtlich relevant sein.228 Sofern sie nicht vorgeschrieben sind, sind sie jedoch nicht allein unter dem Verweis einer effektiven Instruktion notwendig. Beispielhaft für bloße schriftliche Warnhinweise sind Navigationssysteme, bei denen der Fahrer bei Einschaltung des Systems vor einer Ablenkung des Verkehrs durch das Display gewarnt wird. Anders dagegen ist die Gefahrenhinweisstrategie für Fernseher im Fahrzeug, die über eine Ablenkungswarnung hinaus sich abschalten, sobald das Fahrzeug fährt. Das Argument, daß eine bessere Konstruktion jeder Instruktion vorrangig ist, birgt aber auch die Gefahr einer ausufernden Produkthaftung insoweit, als jede Bedienung, die komplizierter ist als die Bedienung von Konkurrenzprodukten, einen Produktfehler hervorrufen könnte. Gerade weil viele Nutzer keinen Blick in Bedienungsanweisungen werfen229, könnte rein theoretisch argumentiert werden, daß Fahrzeug A gegenüber Fahrzeug B fehlerhaft ist, weil der Durchschnittsfahrer des Fahrzeugs A den Knopf zur Einstellung des Rückspiegels nicht ohne Blick in die Bedienungsanleitung findet und daher ohne richtig eingestellten Rückspiegel fährt, was das Fahrzeug gefährlich macht. Von einer derartigen Argumentation sollte wegen einer drohenden Ausuferung der Produkthaftung abgesehen werden, zumal der Fahrer grundsätzlich verpflichtet ist, sich selbst um die Bedienung seines Fahrzeugs zu kümmern230. Eine Pflicht des Herstellers, das Produkt so zu konstruieren, daß es jedermann ohne Bedienungsanleitung bedienen kann, besteht daher nicht. Die Pflicht zu einer einfacheren Bedienung besteht nur dort, wo der durchschnittliche Benutzer nach seinen manuellen und kognitiven Fähigkeiten nicht in der Lage sein kann, das Produkt mit dieser Konstruktion zu bedienen.231 Diese Grenze kann erreicht sein, wenn die Bedienung vieler verschiedener Fahrerassistenzsysteme in einem Fahrzeug derart komplex ist, daß ein durchschnittlicher Fahrer das Zusammenspiel und die Funktionsweisen in den einzelnen Verkehrssituationen nicht mehr verarbeiten kann.

Zu diesem Problem Hörl, S. 77, 79 f. § 35 a Abs. 8 StVZO verlangt z. B. einen dauerhaft angebrachten Warnhinweis hinsichtlich des Beifahrerairbags am Beifahrerplatz in Form eines Piktogramms. 229 BGH, NJW 1995, S. 1286, 1287 hat die Anzahl auf 20% geschätzt. 230 Diederichsen, DAR 1976, S. 312, 315. 231 Vgl. BGH, VersR 1952, S. 357 – Rungenverschluß. 227 228

C. Beweislast und Anscheinsbeweis

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4. Instruktionspflichten bei Fahrerassistenzsystemen Für Fahrerassistenzsysteme ergeben sich nach allem folgende Instruktionspflichten: Zunächst müssen die Bedienungselemente und die Art und Weise ihrer Benutzung erklärt werden (z. B. wo kann das System abgeschaltet werden, wie wird es übersteuert; wie sehen die Warnsignale aus; woran merkt der Fahrer, daß das System außer Funktion ist). Des weiteren muß beschrieben werden, wo und in welchen Verkehrssituationen das System nur funktionieren kann und wann es nicht mehr zuverlässig funktioniert (z. B. ACC funktioniert nicht mehr, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit geringer als 40 km / h beträgt; ACC funktioniert im Stadtverkehr nicht zuverlässig). Außerdem muß erklärt werden, weshalb das Fahrerassistenzsystem in den bestimmten Situationen nicht mehr zuverlässig oder gar nicht funktioniert und der Fahrer sich deshalb nicht auf das System in diesen Situationen verlassen darf (z. B. ACC funktioniert im Stadtverkehr nicht zuverlässig, weil es stehende Objekte nicht erkennt, da diese ausgeblendet werden, das gilt auch für Autobahnen, wenn sich dort Personen aufhalten oder umgestürzte Bäume befinden). Der Benutzer muß aber auch darauf hingewiesen werden, daß er jederzeit die Verkehrssituationen beobachten muß, damit er das System der Situation entsprechend einstellen / abschalten kann (z. B. größeren Abstand einstellen, wenn der Fahrer die vorausfahrenden Fahrzeuge wegen eines Lkws nicht beobachten kann). Der Benutzer muß hingegen nicht darauf hingewiesen werden, daß und wann er möglicherweise bei einer bestimmten Systemeinstellung oder in bestimmten Verkehrssituationen gegen Verkehrsregeln verstößt. Die Einhaltung der Verkehrsregeln gehört zum allgemeinen Wissensstand eines jeden Fahrers. So muß er z. B. selber wissen und darauf achten, daß die Einstellung eines ACC auf einen Abstand je nach Verkehrssituation zu gering sein kann.

C. Beweislast und Anscheinsbeweis Dem Geschädigte wird durch § 1 Abs. 4 ProdHG und durch die von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen einer Beweislastumkehr und des Anscheinsbeweises die Beweislast für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen erleichtert.

I. Beweislast Aus § 1 Abs. 4 ProdHG ergibt sich, daß der Geschädigte zu beweisen hat, daß der Fehler des Produktes ursächlich für den Schaden ist. Der Hersteller hat zu beweisen, daß die Ersatzpflicht ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Beweislastregelungen gelten die zugunsten des Geschädigten von der Rechtsprechung im Bereich der Produzentenhaftung modifizierten Beweislastverteilungen auch für die Haf12 Bewersdorf

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§ 4 Produkthaftung

tung nach dem ProdHG.232 Es besteht eine Beweislastumkehr, wenn der Geschädigte lediglich beweist, daß die Schadensursache (haftungsbegründend und haftungsausfüllend) in einem Produktfehler begründet ist, der im Organisations- und Gefahrenbereich des Herstellers aufgetreten ist.233 Um einen Fehler des Produkts im Zeitpunkt der Auslieferung aus dem Herstellerwerk zu beweisen, bedarf es allerdings nicht des Beweises einer Nichteinhaltung des Standes von Wissenschaft und Technik, obwohl dieses ein Kriterium des Fehlerbegriffs darstellt. Deshalb muß der Geschädigte beweisen, welche oder welches Fehlerkriterium, mit Ausnahme des Standes von Wissenschaft und Technik, der Hersteller nicht erfüllt hat. Macht der Benutzer geltend, daß ihn das Fahrerassistenzsystem unnötig gewarnt bzw. informiert hat, hat er nur zu beweisen, daß eine Situation vorgelegen hat, in der das System bestimmungsgemäß nicht agieren sollte. Den Grund des technischen Fehlers hat er nicht zu beweisen.234 Allerdings besteht auch hier die Problematik hinsichtlich des Beweises der Auslösesituation. Dem Geschädigten kommt auch bei dem Beweis der Ursächlichkeit die Beweiserleichterung des ersten Anscheins zugute.235 Für den Geschädigten bestehen außerdem die Beweiserleichterungen des § 286 ZPO.236 Beweiserleichterungen bis zur Beweislastumkehr können auch in Ausnahmefällen zum Beweis der Fehlerfreiheit im Zeitpunkt des Inverkehrbringens sowie zur Ursächlichkeit aufgrund unterlassener Sicherung des Prüfungsbefundes führen.237 Der Hersteller hat jedenfalls zu beweisen, daß er die objektive Sorgfaltspflicht eingehalten hat, d. h. daß der Produktfehler nicht im Herstellungsbereich verursacht worden ist.238 Bei einem Verstoß gegen die Instruktionspflicht, hat grundsätzlich der Geschädigte das Vorhandensein von Tatsachen, aus denen sich eine Instruktionspflicht ergibt, bzw. die unrichtige Instruktion zu beweisen.239 Sodann besteht eine Vermutung dahingehend, daß bei richtiger Instruktion und Gefahrenwarnung die Warnung auch beachtet worden wäre.240 232 Marburger, AcP 192, S. 1, 15; Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 71; Reinking / Eggert, Rnr. 987. 233 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 298 m. w. N.; Reinking / Eggert, Rnr. 653; BGHZ 51, S. 91, 104 ff. – Hühnerpest; BGHZ 80, S. 186, 196 – Apfelschorf. 234 Vgl. Reinking / Eggert, Rnr. 587. 235 Müko-Cahn, § 1 ProdHaftG, Rnr. 71; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 298; PalandtSprau, § 1 ProdHG, Rnr. 25; § 823, Rnr. 183. 236 Reinking / Eggert, Rnr. 587. 237 Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 298 m. w. N; Reinking / Eggert, Rnr. 654; BGHZ 104, S. 323, 325 – Limonadenflasche; BGH, NJW 1993, S. 528, 529 – Mineralwasserflasche; BGH, NJW 1995, S. 2162, 2163 – Mineralwasserflasche II. 238 Palandt-Sprau, § 823, Rnr. 183; BGHZ 80, S. 186 – Apfelschorf; BGH, NJW 1996, S. 2507, 2508 – Lack; BGH, NJW 1999, S. 1028 – Torfsubstrat. 239 Palandt-Sprau, § 823, Rnr. 183; Reinking / Eggert, Rnr. 654; BGHZ 80, S. 186 – Apfelschorf. 240 BGH, NJW 1992, S. 560, 561 –Kindertee I; BGH, DB 1999, S. 891 – Plastiksaugerflasche.

C. Beweislast und Anscheinsbeweis

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II. Anscheinsbeweis Der Anscheinsbeweis, auch prima-facie-Beweis, entbindet den Beweispflichtigen von dem Beweis der Ursache bei bestehendem Geschehensverlauf oder des Geschehensablaufes bei feststehender Ursache bzw. Pflichtverletzung. Der Anscheinsbeweis liegt bei typischen Geschehensabläufen vor, bei denen ein bestehender Sachverhalt nach allgemeiner Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgebliche Ursache für den bestimmten Erfolgseintritt schließen läßt.241 Für Produktfehler kommt nur die Entbindung von dem Beweis der Pflichtverletzung in Frage, da der Hersteller auf den Geschehensablauf keinen Einfluß haben kann. Der Benutzer hat daher immer den Unfallhergang zu beweisen. 1. Erfahrungssätze für einen Konstruktionsfehler Von einem Unfall kann aber nur selten auf einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler geschlossen werden.242 Denn oftmals sind fehlerhafte oder unterbliebene Wartungsarbeiten am Fahrzeug für ein Versagen von Fahrzeugteilen und damit für den Unfall ursächlich.243 Das Nichtauslösen eines Airbags erzeugt allerdings einen Anscheinsbeweis für das Vorliegen eines Produktfehlers.244 Diese Beweiserleichterung gilt grundsätzlich auch in Bezug auf Fahrerassistenzsysteme. Bei solchen Fahrerassistenzsystemen, die in mehreren verschiedenen Verkehrssituationen nicht oder nicht zuverlässig funktionieren245 wird allerdings bei einem Systemausfall kein Anscheinsbeweis für einen Konstruktionsfehler anzunehmen sein. Macht der Benutzer geltend, daß das Fahrerassistenzsystem ihn nicht informiert bzw. gewarnt hatte und es daraufhin zu einem Unfall und Schaden kam, hat er erstens zu beweisen, daß eine Situation vorlag, in der das Fahrerassistenzsystem hätte informieren oder warnen oder eingreifen müssen, zweitens, daß es nicht informiert oder gewarnt oder eingegriffen hat und drittens, daß es deshalb zu einem Unfall und Schaden kam. Fallbeispiel 26 Der Geschädigte benutzte ein Spurführungssystem, daß nicht intervenierte, als er von seiner Spur abkam, denn das System konnte in der Situation die Fahrspur mangels eindeutiger Markierung nicht erkennen. Es kam zu einem seitlichen Aufprall mit einem Lkw. Vgl. im einzelnen oben unter (§ 3 C. I.). Kullmann, NZV 2002, S. 1, 7; Reinking / Eggert, Rnr. 657; ältere Fälle: BGH, DAR 1969, S. 240, 241 – Felge; BGH, JZ 1971, S. 29 –Bremsen. 243 Kullmann, NZV 2002, S. 1, 7; BGH, VersR 1971, S. 453, 454 – Traktor; BGH, VersR 1982, S. 1146 – Pkw-Reifen; BGH, VersR 1984, S. 1097 – Schlauchmontage. 244 Reinking / Eggert, Rnr. 587. 245 Z. B. alle ausschließlich auf Radarsensoren basierenden FAS, die stehende Objekte nicht erkennen können und bei schlechtem Wetter nicht zuverlässig funktionieren. 241 242

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§ 4 Produkthaftung

Die Tatsache einer bestehenden Auslösesituation und einer fehlenden Intervention läßt auf einen Fehler schließen. Allerdings wird es dem Benutzer faktisch nicht gelingen, eine Auslösesituation vollständig zu beweisen, denn zum Beweis der Auslösesituation gehört auch die Tatsache, daß das System in der Lage war, trotz uneindeutiger Fahrbahnmarkierung dieselbe zu erkennen. Dies konnte das System jedoch bestimmungsgemäß nicht. Der Anscheinsbeweis ist daher nur in Fällen denkbar, in denen sich der Fahrer auf das System verlassen durfte, weil das System in diesen Verkehrssituationen zuverlässig hätte funktionieren müssen.246 Selbst wenn dieser Beweis gelingt, kann nicht gleich auf einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler geschlossen werden, weil die Möglichkeit besteht, daß durch Alter des Systems247, bzw. fehlende Wartung oder anderweitigen Unfall das System Schaden genommen hat.

2. Erfahrungssätze für einen Ursachenzusammenhang Von größerer Relevanz ist der Anscheinsbeweis für das Vorliegen der Kausalität zwischen Produktfehler und Schaden. Hier wird ein Anscheinsbeweis anzunehmen sein, wenn ein fehlerhaftes Fahrerassistenzsystem nachgewiesen ist und ein Unfall vorliegt, vor dem das fehlerhafte System hätte warnen oder den es durch Intervention hätte verhindern sollen. Fallbeispiel 27 Der Geschädigte F1 erleidet einen Autounfall, weil er seitlich in das Fahrzeug des F2 gefahren ist. Das Spurhaltesystem des F1 war fehlerhaft.

Das Spurhaltesystem sollte gerade vor seitlichen Aufprallunfällen schützen. Hier besteht daher ein Anscheinsbeweis dafür, daß der Unfall und damit der Schaden des F1 durch das fehlerhafte Spurhaltesystem entstanden ist. Im übrigen ist auf obige Ausführungen zu den Erfahrungssätzen für einen Ursachenzusammenhang zu verweisen.248

D. Verletzung von Schutzgesetzen, § 823 Abs. 2 BGB Der Hersteller haftet auch dann verschuldensabhängig, wenn er ein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB verletzt hat. Die Schutznorm darf nicht nur dem Schutz 246 Vgl. auch die Darlegungs- und Beweislast für eine Auslösesituation beim Airbag, Reinking / Eggert, Rnr. 587. 247 Für Produkte, die länger als 10 Jahre ohne Anhängigkeit eines Rechtsstreits oder Mahnverfahrens im Verkehr waren, gilt der Haftungsausschluß gemäß § 13 Abs. 1 ProdHG. 248 Vgl. oben unter (§ 3 C. II.).

D. Verletzung von Schutzgesetzen, § 823 Abs. 2 BGB

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der Allgemeinheit dienen, sondern muß einen schadensersatzrechtlichen Schutz des durch die Norm Betroffenen zumindest auch bezwecken.249 Zu den hier relevanten Schutzgesetzen gehören §§ 30 – 30 c, 32 – 62 StVZO.250 Bisher gehörten zu den Schutzgesetzen § 3 Abs. 1 GSG bzgl. des Inverkehrbringens und Ausstellens technischer Arbeitsmittel251 sowie §§ 4 – 6, 8 und 9 ProdSG252. Das GSG und das ProdSG sind durch das Gesetz über technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte (Geräte- und Produktsicherheitsgesetz – GPSG) abgelöst worden und mit Inkrafttreten des GPSD am 01. 05. 2004 außer Kraft getreten.253

I. GPSG als Schutzgesetz Das GPSG gilt gemäß § 1 GPSG für das Inverkehrbringen und Ausstellen von Produkten, soweit dies selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung erfolgt. Das spätere Benutzen dieser Produkte ist vom Anwendungsbereich des GPSG nicht umfaßt.254 Produkte sind in § 2 Abs. 1 GPSG als technische Arbeitsmittel und Verbraucherprodukte legaldefiniert. Verbraucherprodukte sind gemäß § 2 Abs. 3 GPSG Gebrauchsgegenstände und sonstige Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden können, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind. §§ 4 und 5 GPSG regeln den Sicherheitsmaßstab von Produkten, der grundsätzlich dem des § 6 ProdSG entspricht und die besonderen Pflichten des Herstellers, seines Bevollmächtigten, des Einführers und des Händlers beim Inverkehrbringen des Verbraucherproduktes.255 Insoweit ersetzen sie §§ 4 – 6 ProdSG und müssen daher auch als Schutzgesetze des § 823 Abs. 2 BGB angesehen werden. Gleiches gilt für § 8 Abs. 4 GPSG, in dem nunmehr die behördlichen Anordnungen zu Warnungen (§ 8 Abs. 4 S. 1 Nrn. 4, 8), Hinweisen (Nrn. 4, 8) und Rückrufen (Nr. 7) geregelt sind. Außerdem ist die Behörde befugt, Maßnahmen anzuordnen, die gewährleisten, daß das Produkt erst in den Verkehr gebracht wird, wenn es den Sicherheitsanforderungen gemäß § 4 GPSG entspricht (Nr. 2) und anzuordnen, das Produkt von einer geeigneten Stelle prüfen Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 162. Greger, § 16 StVG, Rnr. 135; Kullmann, NZV 2002, S. 1, 8; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 195. 251 Kollmer, NJW 1997, S. 2015; Kullmann, NZV 2002, S. 1, 8; Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnr. 195; BGH, VersR 1984, S. 270 – Flachmeißel; BGH, VersR 1988, S. 636 – Minitrainer; 2017. 252 Klindt, § 4, Rnr. 16; Kullmann / Pfister, Kza. 2705, S. 2; Kullmann, NZV 2002, S. 1, 8; Nickel / Kaufmann, VersR 1998, S. 948, 951; Graf v. Westphalen, DB 1999, S. 1369, 1370 ff. 253 Klindt, NJW 2004, S. 465. 254 Klindt, NJW 2004, S. 465, 467. 255 Vgl. zur Verschärfung wegen fehlender Bagatellgrenze und insoweit europarechtlicher Bedenken: Klindt, NJW 2004, S. 465, 467. 249 250

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§ 4 Produkthaftung

zu lassen (Nr. 3). Gemäß den Nrn. 5 und 6 darf die Behörde auch ein (vorübergehendes) Inverkehrbringen des Produktes verbieten. Gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 GPSG kann die Behörde auch die Öffentlichkeit warnen, wenn andere wirksame Maßnahmen durch den Hersteller nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, und nach § 8 Abs. 4 S. 2 GPSG kann die Behörde von diesen Maßnahmen absehen, wenn die Gefahr durch eigene Maßnahmen der für das Inverkehrbringen verantwortlichen Person sichergestellt ist. Bei ihrer Ermessensausübung ist die Behörde selbstverständlich daran gehalten, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten.256 Nicht zum Schutzgesetz gehören die Ordnungsvorschriften über die CE-Kennzeichnung.257 Die Vorschriften über die CE-Kennzeichnung sind nunmehr in §§ 3, 6, 19 Abs. 1 GPSG geregelt.

II. Anwendungsbereich des GPSG Wie das ProdSG enthält auch das GPSG Ausnahmen seiner Anwendbarkeit. Unter anderem gelten gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 GPSG die der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit beim Inverkehrbringen oder Ausstellen von Produkten dienenden Vorschriften des GPSG nicht, soweit in anderen Rechtsvorschriften entsprechende oder weitergehende Anforderungen an die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit vorgesehen sind. Gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 GPSG gelten die §§ 5, 6, 8 und 10 GPSG nur insoweit nicht, als in anderen Rechtsvorschriften entsprechende oder weitergehende Regelungen vorgesehen sind. § 1 Abs. 3 GPSG ersetzt die bisherigen §§ 1 Abs. 2 GSG und 2 Abs. 3 ProdSG, wonach die Produkte, die dem StVG und den aufgrund dessen erlassenen Rechtsverordnungen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 h ProdSG)258, bzw. das Inverkehrbringen und Ausstellen von Fahrzeugen, Fahrzeugteilen und Fahrzeugzubehörartikeln (§ 2 Nr. 1 GSG) ausgenommen waren. Auch hinsichtlich des Anwendungsbereichs des GPSG kann davon ausgegangen weren, daß die verkehrsrechtlichen Zulassungsvorschriften die Anforderungen hinsichtlich Sicherheit und Gesundheit abdecken und insoweit den Anforderungen des GPSG entsprechen.259

Klindt / von Locquenghien / Ostermann, S. 111. Kollmer, NJW 1997, S. 2015, 2017; die CE-Kennzeichnung gibt Aufschluß darüber, ob das Gerät den für dieses Gerät entsprechenden Vorschriften entspricht, vgl. Wagner, BB 1997, S. 2489. 258 Mit Ausnahme der §§ 8, 9, 10, 15 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 ProdSG. 259 Klindt / von Locquenghien / Ostermann, S. 97; Klindt, NJW 2004, S. 465, 467. 256 257

D. Verletzung von Schutzgesetzen, § 823 Abs. 2 BGB

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III. Verschulden Das Verschulden muß sich auf die Verletzung der Schutznorm und nicht auf die konkrete Verletzung eines bestimmten Schutzgutes beziehen, soweit nicht der Verletzungserfolg Tatbestandsmerkmal ist,260 was weder bei §§ 30 ff. StVZO noch im GPSG der Fall ist. Ist ein Schutzgesetz verletzt, wird ein Verschulden vermutet.261

260 Kullmann, NZV 2002, S. 1, 8; Larenz / Canaris, Schuldrecht II / 2, § 77 IV 1., S. 445; Wagner, BB 1999, S. 2541, 2542; BGH, VersR 1971, S. 239, 241; a.A. Müko-Mertens, § 823 BGB, Rnrn. 186 f. 261 Müko-Mertens, § 823, Rnr. 187; Kollmer, NJW 1997, S. 2015, 2017; Wagner, BB 1997, S. 2541, 2542; BGHZ 51, S. 91, 103 f. – Hühnerpest; BGHZ 116, S. 104, 114 f.- Salmonellen.

§ 5 Staatshaftung Eine Haftung für staatliches Handeln kann bei Fahrerassistenzsystemen im Rahmen von staatlich betriebenen Infrastrukturanlagen gegeben sein. Dabei kommt eine Staatshaftung nur bei technischem Versagen der Infrastruktur in Betracht. Sofern das bordeigene System ein fehlerfreies Signal der Infrastruktur falsch aufnimmt bzw. weiterleitet oder bei sonstigen Fehlern des bordeigenen Systems kommt eine Haftung des Staates hingegen nicht in Betracht. Hinsichtlich der Haftung für fehlerhafte Infrastrukturanlagen, wird insbesondere auf die Rechtsprechung zu fehlerhaften Ampelanlagen Bezug genommen. Als Anspruchsgrundlagen kommen bei Verschulden des Amtsträgers ein Amtshaftungsanspruch und bei fehlendem Verschulden ein Anspruch aus polizeirechtlichen Entschädigungsanspruch und enteignungsgleichen Eingriff in Frage.

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG Ein Amtshaftungsanspruch kommt bei fehlerhaft funktionierenden Infrastrukturanlagen in Betracht, wenn ein Beamter eine einem Dritten gegenüber bestehende Amtspflicht schuldhaft verletzt hat. Ein Mitverschulden ist gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen. Der Beamte kann gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er lediglich fahrlässig gehandelt hat und der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz verlangen kann. Der Beamte ist gemäß Art. 34 GG von seiner persönlichen Haftung dem geschädigten Dritten gegenüber vollständig, im Regreßfall dem Staat gegenüber, bei einfacher Fahrlässigkeit befreit.

I. Hoheitliches Handeln Die Körperschaft, in deren Diensten der handelnde Beamte steht, haftet anstelle des Beamten gemäß Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB, wenn dieser in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt hat. Ein solches liegt vor, wenn die Intension der Tätigkeit dem Bereich der hoheitlichen Verwaltung zuzurechnen ist und ein enger äußerer und innerer Zusammenhang zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung besteht.1 Wesentliches Kennzeichen der öffentlichen Gewalt

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG

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ist der Einsatz von öffentlich-rechtlichen Machtmitteln, wozu auch die schlichte Hoheitsverwaltung zählt.2 Für Fehler im Zusammenhang mit der Installation, Programmierung und Unterhaltung einer Infrastrukturanlage kann eine Haftung nur begründet werden, wenn dies als Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist. Das ist unproblematisch, wenn die Anlage durch die öffentliche Hand installiert, programmiert und betrieben wird. Aber auch bei privaten Betreibern kann ein hoheitliches Handeln anzunehmen sein. Dabei kommt es darauf an, ob die Zielsetzung, die die betreibende Person verfolgt, der hoheitlichen Verwaltung zuzurechnen ist.3 Das ist dann anzunehmen, wenn die Einflußnahme der öffentlichen Hand auf die Durchführungsarbeiten derart groß ist, daß der Privatunternehmer lediglich als Werkzeug der Behörde anzusehen ist.4 Maßgeblich sind insbesondere das Hervortreten des hoheitlichen Charakters der Aufgabe, die Verbindung zwischen übertragener Tätigkeit und hoheitlicher Aufgabe sowie die Größe des Entscheidungsspielraumes des Privatunternehmers.5 Schlichtes Verwaltungshandeln kann zwar grundsätzlich auf Privatpersonen abgegeben werden, wenn diese allerdings typische Aufgaben ihrer Hoheitsverwaltung wahrnimmt, ist anzunehmen, daß sie hoheitlich tätig wird.6 Für die Installation, Betreibung und Überwachung von Infrastrukturanlagen bedeutet dies, daß auch bei Ausführung dieser Aufgaben durch Private ein hoheitliches Handeln vorliegt, wenn es sich um eine typische Aufgabe der Hoheitsverwaltung handelt.

II. Amtspflichten Amtspflichten sind Pflichten des Beamten gegenüber seinem Dienstherren und erhalten ihren Bezug zum Bürger dadurch, daß ihnen Außenwirkung zukommt.7 Die einzelnen Amtspflichten sind durch Rechtsprechung und Lehre geformt worden. Dies sind insbesondere die Pflicht zum rechtmäßigem Handeln, zu zuständigkeits- und verfahrensgemäßem Handeln, zur fehlerfreien Ermessensausübung, und zu verhältnismäßigem Verhalten.8 Die Drittbezogenheit besteht dann, wenn die 1 Greger, § 16 StVG, Rnr. 461; Ossenbühl, S. 25; Palandt-Sprau, § 839, Rnr. 10; BGHZ 42, S. 176; BGHZ 68, S. 217, 219; BGHZ 69, S. 128, 130; BGHZ 108, S. 230, 232; BGH, NJW 1992, S. 1227. 2 Greger, § 16 StVG, Rnr. 462; Palandt-Sprau, § 839, Rnr. 11; BGH, NJW 1962, S. 796. 3 Greger, § 16 StVG; Rnr. 438; Palandt-Sprau, § 839, Rnr. 11. 4 Greger, § 16 StVG, Rnr. 438; BGHZ 48, S. 103; BGH, NZV 1993, S. 223; BGH, NJW 1971, S. 2220, 2221; BGH, NJW 1981, S. 50, 51. 5 Greger, § 16 StVG, Rnr. 438; BGH, NZV 1993, S. 223, 224. 6 Palandt-Sprau, § 839, Rnr. 11, BGHZ 38, S. 49, 52. 7 Ossenbühl, S. 42. 8 Siehe im Einzelnen Ossenbühl, S. 41 ff.

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verletzte Amtspflicht drittschützende Wirkung entfaltet, d. h. den Zweck hat, Interessen gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen und wenn der Geschädigte dem geschützten Personenkreis angehört sowie das verletze Recht oder Rechtsgut von der drittschützenden Wirkung erfaßt wird.9 Im Rahmen des Straßenverkehrs besteht eine drittbezogene Amtspflicht der Verkehrsbehörden darin, durch deutliche und sachgerechte Verkehrseinrichtungen und -zeichen für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu sorgen.10 Verkehrseinrichtungen sind so anzubringen, daß sie z. B. nicht infolge unrichtiger Programmierung gefahrbringende Zeichen geben.11 Im Rahmen der Amtspflichten ist zwischen Verkehrssicherungspflichten und Verkehrsregelungspflichten zu unterscheiden. Verkehrssicherungspflichten beinhalten die Verpflichtung, die Straße in einem ungefährlichem Zustand zu erhalten und sichern somit die Abwehr von Gefahren, die sich aus dem Zustand der Straße ergeben, während Verkehrsregelungspflichten Gefahren verhindern, die sich aus dem Verkehr auf der Straße ergeben.12 Während Verkehrsregelungspflichten drittbezogene Amtspflichten darstellen, sind Verkehrssicherungspflichten nur dann solche, wenn sie in den Straßengesetzen der Länder als öffentlich-rechtliche Pflichten ausgestaltet sind.13 Die Verkehrssicherungspflichten können zur Haftungsentlastung der Körperschaft an Privatpersonen abgegeben werden.14

1. Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Im Rahmen der fehlerhaften Ampelsignale gilt nur die fehlerfreie Umsetzung des Ampelschaltprogramms sowie die weitere Unterhaltung und Wartung der Anlagen als Verkehrssicherungspflicht, während die Einrichtung der Anlage und die Entscheidung, wo sie installiert und wie sie geschaltet werden soll, d. h. die Programmierung, der Verkehrsregelung zugeordnet wird.15 Wird eine private Firma 9 Detterbeck / Windthorst / Sproll, § 9, Rnr. 97 ff.; Ossenbühl, S. 58; Schoch, Jura 1988, S. 585, 590. 10 Greger, § 16, Rnr. 443; Ossenbühl, S. 30; BGH, VersR 1972, S. 1127; BGH, DB 1972, S. 1163; BGH, VersR 1985, S. 835; BGH, NZV 1988, S. 58. 11 Jox, NZV 1989, S. 133, 134; Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 576; BGH, NJW 1966, S. 1456; BGH, NJW 1970, S. 1126; BGH, NJW 1987, S. 1945. 12 Greger, § 16, Rnr. 464; Ossenbühl, S. 32; ders., JuS 1971, S. 575, 576; ders., JuS 1973, S. 421, 424; BGHZ 91, S. 48, 52; BGH, NJW 1987, S. 1945; OLG Zw, NZV 1989, S. 311. 13 OLG Ko, NJW 1993, S. 192. 14 Vgl. OLG Köln, NZV 1992, S. 265 – Haftung des privaten Betreibers einer Bauampel nach § 823 Abs. 1 BGB; Greger, § 16, Rnrn. 464, 529; BGHZ 60, S. 54, 59; BGH, VersR 1969, S. 35. 15 Greger, § 16, StVG, Rnr. 464; Ossenbühl, S. 31; ders., JuS 1973, S. 421, 425; BGH, VersR 1971, S. 867, 868; BGH, VersR 1972, S. 788; BGH, DB 1972, S. 1163.

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mit der Herstellung einer Verkehrsampel und deren Unterhaltung sowie Wartung betraut, so handelt die Firma in aller Regel privatrechtlich. 16 Ebenso wie die Installation und Wartung von Ampelanlagen eine Verkehrssicherungspflicht darstellt, stellt die Installation und Wartung von Infrastrukturanlagen, die mit Hilfe der Telematik Signale in Fahrzeuge senden, eine Verkehrssicherungspflicht dar. Grundsätzlich ist für die Beschaffung, Anbringung, Unterhaltung und Entfernung sowie zu dem Betrieb der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen gemäß § 45 Abs. 5 StVO i. V. m. den Straßengesetzen der Länder17 der Straßenbaulastträger18 zuständig. Basiert der Fehler, der zu einem Unfall führt, auf fehlerhafter Wartung bzw. einem technischen Defekt durch oder nach Inbetriebnahme von Infrastrukturanlagen, so liegt eine Amtspflichtverletzung vor, wenn keine private Firma mit den schadensursächlichen Aufgaben betraut war.

a) Inhalt der Verkehrssicherungspflicht Aus der Installation und der Wartung von Infrastrukturanlagen dürfen keine Gefahren für die Verkehrsteilnehmer ausgehen. Sicherheitsrelevante Risiken, die von solchen Infrastrukturanlagen ausgehen können, sind in der Übertragung von Daten zu sehen. Dabei trifft den Betreiber nur die Pflicht, für die störungsfreie Sendung der Daten Sorge zu tragen, da der fehlerfreie Empfang vom jeweiligen Fahrzeug und dem darin befindlichen System abhängt. Es ist nämlich nicht ersichtlich, wie die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Empfängergeräts im Fahrzeug vom Hersteller bzw. von dem Fahrer auf die öffentliche Hand verlagert werden sollte. Dieses Risiko kann der Staat auch nicht übernehmen, da er zu wenig Einflußmöglichkeit auf Herstellung und Gebrauch hat.

b) Umfang der Verkehrssicherungspflicht Die Verkehrssicherungspflicht geht nur soweit, wie dem Verkehrsteilnehmer selbst die Vermeidung der Gefahren möglich ist und dies auch von ihm erwartet werden kann.19 Maßgeblich für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht sind BGH, NJW 1971, S. 2220, 2221. § 5 FStrG; §§ 43 ff. StrWGNRW; Artt. 41 ff. BayStrWG; §§ 43 ff. StrGBaWü; § 7 Abs. 1 Berl. StrG; § 11 BremLStrG; § 12 Abs. 1 HWG; §§ 41 ff. Hess. StrG; §§ 43 ff. NStrG; §§ 41 ff. LStrGRhPf; §§ 50 ff. SStrG; §§ 11 ff. StrWGSchlH, § 46 BbgStrG; § 44 SächsStrG; § 42 StrG LSA; §§ 11 ff. StrWG M-V; § 43 ThürStrG. 18 Die Straßenbaulast ist eine bloße Verwaltungskompetenz und stellt lediglich eine der Allgemeinheit gegenüber bestehende Verpflichtung dar, ohne einen Anspruch auf Erfüllung des einzelnen Wegebenutzers zu gewährleisten, Ossenbühl, S. 30; BGH, NJW 1967, S. 1325, 1326. 19 Greger, § 16, Rnr. 552. 16 17

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daher die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Art des Verkehrsweges und der Verkehrsbestimmung, die Erkennbarkeit der Gefahr, die Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit von finanziellem Aufwand und Nutzen der Gefahrenabwehr sowie Rechtsvorschriften und technische Regelwerke.20 Wegen der Vergleichbarkeit mit Ampelanlagen muß die Installation und Wartung von Infrastrukturanlagen mindestens den gleichen sicherheitstechnischen Anforderungen genügen. Die Fehlerwahrscheinlichkeit muß genauso gering sein, da als Folge ebenfalls uneindeutige und widersprüchliche Signale und damit Gefahrensituationen mit erheblichem Schadenspotential auftreten können. Hinsichtlich der Anforderung an die Beweisführung für das Vorliegen eines „feindlichen Grüns“, d. h. sich widersprechende Ampellichtzeichen, ist aufgrund von Sachverständigen-Gutachten eine Wahrscheinlichkeit von 1:44.000.000 bei einem Wartungsintervall von 3 Monaten festgestellt worden.21 Bevor die Ampel daher ein widersprüchliches grünes Signal aufweist, schaltet sie sich ab (gelbes Blinklicht). Wenn diese Sicherheit nicht funktioniert, schaltet sie auf widersprüchliches rotes Signal. Bei Infrastrukturanlagen zur Unterstützung von Fahrerassistenzsystemen ist zu beachten, daß unter Umständen eine derartige Redundanz nicht ausreichend sein kann, wenn durch ein gänzliches Fehlen eines Signals die Verkehrsregelungspflicht verletzt würde. Es zeigt sich, daß an dieser Stelle Verkehrsregelungspflicht und Verkehrssicherungspflicht sehr nahe beieinander liegen. Denn die Ursache eines fehlerhaften Signals liegt nicht immer in einer fehlerhaften Programmierung der Behörde begründet, sondern in einem technisch nicht zu behebenden Systemversagen, dessen Ursache im Herstellungsprozeß liegt. Dieser Herstellungsprozeß gehört jedoch zur Verkehrssicherungspflicht.

2. Verletzung der Verkehrsregelungspflicht Der Inhalt der Verkehrsregelungspflicht liegt im Ermessen der Behörde und bestimmt sich danach, welche objektiv erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen sind, um den Verkehr zu erleichtern und Gefahren zu vermeiden.22 Verkehrsregelnde Maßnahmen der Behörde sind auf das zumutbare Maß zu beschränken und sind dann nicht erforderlich, wenn der Verkehrsteilnehmer mit der gebotenen Sorgfalt mögliche Gefahren selbst vermeiden kann.23 Zuständige Behörden der Verkehrsregelungspflicht sind gemäß § 45 Abs. 3 StVO die StraßenverGreger, § 16, Rnrn. 552, 556 ff. OLG Hamm, NZV 1993, S. 481; OLG Hamm, NZV 1997, S. 40; damit ist es 100 mal wahrscheinlicher vom Blitz getroffen zu werden. 22 Greger, § 16, Rnr. 444; Ossenbühl, S. 30; BGH, NZV 1988, S. 58, 59; OLG FaM, VersR 1984, S. 473; OLG Stg, NZV 1990, S. 268. 23 Greger, § 16, Rnr. 444; BGH, NJW 1970, S. 1126; BGH, VersR 1985, S. 835, 836; BGH, NZV 1988, S. 58, 59; OLG Stg, NZV 1990, S. 268; OLG Düss, NJW-RR 1994, S. 1443, 1444; OLG Düss, NZV 1996, S. 366. 20 21

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kehrsbehörden. Gemäß § 45 Abs. 4 StVO sind diese verpflichtet, den Verkehr durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen zu regeln und zu lenken. Die Verletzung der Verkehrsregelungspflicht besteht bei Ampelanlagen darin, daß die konkrete fehlerhafte Signalübermittlung als rechtswidriger Verwaltungsakt der Verkehrsregelung anzusehen ist.24 Im einzelnen wird in der Programmierung der Anlage die Quelle jeder ausgestrahlten Allgemeinverfügung gesehen und das Farbsignal als Bekanntmachung angesehen.25 Entsprechend den Fällen zu fehlerhaften Ampelanlagen kann auch eine Verletzung von Verkehrsregelungspflichten zu einer Haftung für fehlerhafte Infrastrukturanlagen führen.

a) Trennbarkeit von Verkehrssicherungs- und Verkehrsregelungspflicht bei Verkehrssignalanlagen Die Unterscheidung von Verkehrssicherungs- und Verkehrsregelungspflichten bei Verkehrsampeln ist wegen der Unschärfe der Unterscheidung und wegen der Folge, daß eine Haftung für feindliches Grün auf zweierlei Rechtsgrundlagen basieren kann, kritisiert worden.26 In der nachfolgenden Betrachtung wird sich zeigen, daß die Verbindung von Verwaltungshandeln mit der Technik an mehreren Stellen zu Wertungsproblemen und Widersprüchen führt. Bereits bei der vorgenommenen Unterscheidung kommen Zweifel auf, ob nicht auch das feindliche Grün, das der Verkehrsregelungspflicht zugeordnet wird, besser der Verkehrssicherungspflicht zuzuordnen wäre. Der vorliegenden Unterscheidung zwischen Verkehrssicherungs- und Verkehrsregelungspflichten ist ohne weiteres in den Fällen zu folgen, in denen die Programmierung derart fehlerhaft geplant worden ist, daß sich die Grünphase gegensätzlicher Anlagen ein paar Sekunden überschneiden.27 Verkehrssignalanlagen haben heute jedoch eine Signalsicherung, die feindliches Grün verhindern soll.28 Durch eine solche Signalsicherung wird gewährleistet, daß bei einem Defekt die Ampel zunächst auf gelbes Blinklicht und bei einem weiteren Defekt auf „feindliches Rot“ schaltet. Daher ist feindliches Grün in höchstem Maße unwahrscheinlich. Das Vorkommen eines feindlichen Grüns kann mit einer Sicherheitsschaltung zwar nicht völlig verhindert, aber erheblich 24 OLG Ka, NZV 1993, S. 187, berufend auf BGHZ 99, S. 249; dies voraussetzend OLG Ce, NZV 1999, S. 245, welches den Ausgleichsanspruch auf § 80 Abs. 1 S. 1 NGefAG stützt. 25 BGH, NJW 1971, S. 2220, 2222; BGHZ 99, S. 249, 252. 26 Ossenbühl, JuS 1973, S. 421, 425. 27 So im Fall BGH, NJW 1971, S. 2220, den der BGH zum Anlaß der Unterscheidung genommen hat und auf die in allen Fällen verwiesen wird, in denen kein Fehler des Wartungspflichtigen vorliegt; ähnlich auch OLG Ka, NZV 1993, S. 187. 28 Im Fall BGHZ 99, S. 249 wurde festgestellt, daß die maßgebliche Ampel eine solche Sicherungsschaltung seit 1975 hatte; das Urteil verweist aber auf BGH, NJW 1971, S. 2220.

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verringert werden. Der praktische Unterschied zwischen den Fällen liegt darin, daß bei der fehlerhaften Programmierung einer permanenten Überschneidung der Grünphasen stattfindet, während in den neueren Fällen der Ausfall der Sicherheitsschaltung höchst selten vorkommt. Es liegt daher kein Programmierungsfehler vor, sondern ein Umsetzungsproblem eines vorgegebenen Schaltprogramms. Die Umsetzung eines Schaltprogramms gehört aber nach der Unterscheidung der Rechtsprechung zu den Verkehrssicherungspflichten. Des Weiteren kommt hinzu, daß die Umsetzung des Schaltprogramms nicht einmal fehlerhaft ist, sondern nicht sicherer zu konstruieren ist. Würde man die Unterscheidung der Rechtsprechung konsequent weiterführen, müßten daher bei heutigen Ampelanlagen diese Fälle des feindlichen Grüns der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zugeordnet werden. Dennoch macht die vorgenommene Unterscheidung vom Ergebnis her Sinn. Denn sie zielt darauf ab, der Behörde die Verantwortung für die Ausstrahlung fehlerfreier Lichtsignale zu geben. Die Behörde regelt den Verkehr mit Hilfe der Ampeln. Die Verkehrsregelung gehört zu ihren Pflichten. Die Ampeln ersetzen lediglich den Polizisten auf der Kreuzung, der durch seine Armzeichen Verkehrsregelungsmaßnahmen in Form von Allgemeinverfügungen erläßt.29 Die Behörde bedient sich daher lediglich der Technik. In den Fällen, in denen die Ampel ohne einen Fehler des Verkehrssicherungspflichtigen feindliches Grün zeigt, sollte daher immer eine Verletzung der Verkehrsregelungspflicht angenommen werden. Sofern der Verkehrssicherungspflichtige seiner Wartungspflicht nicht nachgekommen ist, kann der erste Anschein allerdings dafür sprechen, daß die Verletzung der Wartungspflicht für den Schaden ursächlich war.30

b) Amtspflicht bei telematischen Infrastrukturanlagen Bei Infrastrukturanlagen, die Signale in das Fahrzeug übermitteln, kann es sich um eine Verkehrsregelung in Form einer Allgemeinverfügung oder um eine Verkehrsinformation handeln. Es kann auch eine Verwaltungsvollstreckungsmaßnahme vorliegen.

aa) Verkehrsinformations- und Leitsysteme Bei infrastrukturunterstützten Informations- und Warnsystemen kann es sich um Verkehrsregelungen in Form von Allgemeinverfügungen oder von Verkehrsinformationen handeln.

29 30

BGHSt 20, S. 125, 127 f.; BGHZ 99, S. 249, 252. OLG Köln, NZV 1992, S. 364.

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(1) Allgemeinverfügungen Für Ampelanlagen gilt, daß auch Gebots- und Verbotszeichen in Form von Automaten Maßnahmen sind, die der Behörde zuzurechnen sind und daher ebenfalls Allgemeinverfügungen darstellen.31 Handelt es sich bei der durch Daten übertragenen Information um die Mitteilung eines Verkehrszeichens, dann handelt es sich um eine Verkehrsregelung in Form einer Allgemeinverfügung, § 35 S. 2 VwVfG. Deshalb sind Infrastrukturanlagen, die in variabler Form z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen oder zu befolgende Umleitungen anzeigen, auf der Technik der Telematik basierende Verwaltungsakte. Das gleiche gilt, wenn der Fahrer diese Information über eine Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation mit Infrastruktur erlangt, z. B. vor einer Kurve. (2) Informationen über das Verkehrsgeschehen Ist Ziel der Datenübermittlung eine Information über das Verkehrsaufkommen, handelt es sich ebenfalls um eine Verkehrsregelung. Denn beinhalten die Daten eine Mitteilung darüber, wie die Verkehrslage aussieht, z. B. auf welchen Strecken es zum Verkehrserliegen gekommen ist, dann handelt es sich um eine Mitteilung, welche Strecken für eine flüssigere und damit sicherere Verkehrsregelung befahren werden können. Diese Information beinhaltet zwar keine Anordnung zur Änderung einer Fahrroute, aber sie intendiert eine mögliche Änderung zum besseren Verkehrsfluß und ist deshalb als Verkehrsregelung mit der Folge einer drittbezogenen Amtspflicht anzusehen. (3) Informationen über eine mögliche Fahrweise Es handelt sich ebenfalls um Maßnahmen der Verkehrsregelung, wenn mit oder ohne Eingriff in das Fahrzeugverhalten dem Fahrer Informationen über eine mögliche Fahrweise gegeben werden. Fallbeispiel 28 F1 fährt auf der rechten Spur einer dreispurigen Autobahn. Er erhält die Information, daß die mittlere Spur frei ist zum Ausscheren. Gleichzeitig erhält der auf der linken Spur fahrende F2 die Information, daß er entsprechend der berechneten Fahrtroute abfahren muß und jetzt die letzte Möglichkeit besteht, nach rechts einzuscheren. Es kommt zur Kollision von F1 und F2.

Durch die Verkehrsinformation wird zwar nicht beabsichtigt, dem Fahrer eine bestimmte Fahrweise in der konkreten Situation aufzuerlegen. Es wird ihm aber ermöglicht, sein Verkehrsumfeld besser zu erfassen und zusätzlich zur optischen Betrachtung des Verkehrs eine Bewertung der Verkehrslage für ein mögliches Fahrverhalten. Derartige Informationen stellen daher auch Verkehrsregelungen dar. Es handelt sich ebenfalls um drittbezogene Amtspflichten. 31

BGHZ 99, S. 249, 252.

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bb) Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung Wird durch die Signale direkt in die Längs- oder Querführung eines Fahrzeuges eingegriffen, kann es sich um die Umsetzung eines Verkehrszeichens handeln. In einer solchen Durchsetzung eines Verwaltungsaktes ist eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung zu sehen. Dies wäre z. B. bei ISA-Systemen anzunehmen, da das Signal zum Abbremsen eines Fahrzeugs auf die maximal zulässige Höchstgeschwindigkeit eine Maßnahme des Verwaltungszwanges in Form eines unmittelbaren Zwanges darstellen würde. Die Maßnahme des unmittelbaren Zwanges ist selbst kein Verwaltungsakt.32 Die rechtmäßige Durchsetzung eines Verwaltungsakts zur Verkehrsregelung stellt jedoch als Pflicht zu rechtmäßigem Handeln eine drittbezogene Amtspflicht dar.

c) Verletzung der Amtspflicht Eine Amtspflichtverletzung liegt bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln vor. In den Fällen einer fehlerhaften Ampelanlage ist die Widersprüchlichkeit zweier Lichtzeichen als rechtswidrig anzusehen.33 Bei Verkehrsregelungsanlagen i. V. m. Fahrerassistenzsystemen ist die Signalübertragung rechtswidrig, wenn in zwei verschiedenen Fahrzeugen widersprüchliche Signale ankommen oder von zwei Anlagen widersprüchliche Signale ausgehen. Sofern es sich nicht um widersprüchliche Signale handelt, ist näher zu untersuchen, wann eine Amtspflichtverletzung vorliegt.

aa) Allgemeinverfügungen Die Amtspflicht kann verletzt sein, wenn die Signale zur Verkehrsregelung gänzlich ausfallen oder etwas anderes anzeigen bzw. übertragen als zur sicheren Verkehrsregelung erforderlich wäre. (1) Systemausfall Ist die Datenübertragung gänzlich ausgefallen, liegt eine Verletzung der Amtspflicht nur dann vor, wenn eine Verkehrsregelung im Einzelfall erforderlich wäre, weil Unfälle zu erwarten sind, obwohl die Verkehrsteilnehmer ihrer Sorgfalt Genüge tun34. Keine Verletzung liegt vor, wenn neben der Signalanlage subsidiär gelSadler, § 15 VwVG, Rnr. 1. „Feindliches Grün“, Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Landwehrmann, NJW 1971, S. 840; Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 579; BGH, NJW 1966, S. 1456, 1457; BGH, VersR 1967, S. 602, 603; BGHZ 99, S. 249, 254; OLG Ka, NZV 1993, S. 187; OLG Zw, NZV 1989, S. 311; OLG Ce, NZV 1999, S. 244. 34 Greger, § 16, Rnr. 445. 32 33

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tende Verkehrsschilder stehen, wie an den meisten Kreuzungen derzeit beim Ausfall einer Ampelanlage. Eine Verkehrsregelung ist auch bei Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht erforderlich, da der Fahrer die Verkehrsverhältnisse sieht und daher seine Geschwindigkeit darauf einstellen kann. (2) Fehlerhafte Datenübertragung Die fehlerhafte Übertragung stellt vor allem dann eine Amtspflichtverletzung dar, wenn mindestens zwei Fahrzeuge durch sich widersprechende Verkehrsregelungsangaben aufeinander zu dirigiert werden. Dies ist in Fällen denkbar, in denen die Infrastruktur Verkehrsregelungen im Kreuzungsbereich, insbesondere die Funktion bisheriger Ampelanlagen übernimmt. Fallbeispiel 28 ist ein anderes Beispiel einer widersprüchlichen Verkehrsregelung. Zeigt die Signalanlage fälschlicherweise eine zu hohe Geschwindigkeit an, so stellt auch dies keine Verletzung der Verkehrsregelungspflicht dar, weil ebenso wie beim Systemausfall der Fahrer selbständig die richtige Geschwindigkeit abschätzen kann und muß. Wird durch fehlerhafte Datenübertragung eine so niedrige Geschwindigkeit angezeigt, daß sie unzweifelhaft nicht erforderlich ist, stellt dies allerdings eine Verletzung der Verkehrsregelungspflicht dar. Eine nicht erforderliche Verkehrsregelungsmaßnahme verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Fallbeispiel 29 F1 fährt auf einer Autobahn, die wenig befahren ist. Die Infrastruktur zeigt eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 40 km / h an. Weder die Verkehrs- oder Straßenverhältnisse noch die Witterungsverhältnisse geben Anlaß zu dieser Geschwindigkeitsreduzierung.

bb) Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen Das Signal der Anlage, das ein davon unabhängiges Verkehrsschild umsetzt, ist als unmittelbarer Verwaltungszwang anzusehen. Dieser ist unabhängig von der Rechtmäßigkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes rechtswidrig, wenn der Verwaltungszwang mehr umsetzt als der Grundverwaltungsakt enthält, da es dann an dem für die Vollstreckung erforderlichen Grundverwaltungsakt fehlt.35 Zeigt der zugrundeliegende Verwaltungsakt (z. B. in Form einer Allgemeinverfügung: Verkehrsschild Zone 30) eine Geschwindigkeitsbeschränkung an und gibt die In35 Sadler, § 15 VwVG, Rnr. 1; Problematisch dürfte zudem sein, inwieweit die mit einem ISA-System verbundene Geschwindigkeitsbeschränkung auch eine Androhung beinhaltet. Eine Androhung ist gemäß § 13 VwVG erforderlich. Wird das Zwangsmittel nicht entsprechend der Androhung festgesetzt, so ist die Vollstreckungsmaßnahme ebenfalls rechtswidrig, Maurer, § 20, Rnr. 22.

13 Bewersdorf

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frastrukturanlage das fehlerhafte Signal „auf 20 km / h abbremsen“ an, dann handelt es sich um eine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme. Denn die gemäß §§ 6 ff. VwVG für die rechtmäßige Vollstreckung erforderliche Voraussetzung eines zugrundeliegenden sofort vollziehbaren Verwaltungsaktes liegt in Bezug auf die Regelung: 20 km / h nicht vor. Keine rechtswidrige Maßnahme liegt vor, wenn das Fahrzeug auf 40 km / h statt geregelter 30 km / h abbremsen soll. Hier füllt die Maßnahme ihren Spielraum nicht aus und bleibt unter dem, was sie eigentlich darf. Eine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme liegt auch dann nicht vor, wenn die Anlage fälschlicherweise überhaupt kein Signal aussendet, da es dann an einem ausgeführten Verwaltungszwang insgesamt mangelt. Der Fahrer muß selbst für die Einhaltung der Geschwindigkeit sorgen. Ebenfalls keine rechtswidrige hoheitliche Maßnahme liegt vor, wenn das Fahrzeug so stark abbremst, daß der Fahrer gegen § 4 Abs. 1 StVO verstößt, denn dies liegt nicht im Einflußbereich der Infrastruktur, sondern ausschließlich in den fahrzeuginternen Einrichtungen begründet.

III. Verschulden Eine Haftung besteht nur, wenn der Beamte zumindest fahrlässig seine Pflichten verletzt hat. Der Beamte handelt fahrlässig, wenn er bei Beobachtung der für einen Beamten erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen könne, daß er eine Amtspflicht verletzt.36 Nicht erforderlich ist, daß er den Schaden hätte voraussehen können.37

1. Verschulden durch behördliches Handeln Bei der Versäumung von Installations- bzw. Wartungspflichten als Verkehrssicherungspflichten ist ein Verschulden dann anzunehmen, wenn die Wartungspflichten nicht ordnungsgemäß, z. B. nicht termingerecht, durchgeführt wurden38 bzw. die Installation fehlerhaft war. Es fehlt aber an einem Verschulden, wenn der Fehler nach technischen Erkenntnissen nicht erkannt werden konnte,39 was in den meisten Fällen vorliegt wird.40 Bei Maßnahmen der Verkehrsregelung liegt ein Verschulden nur vor, wenn die irreführende bzw. undeutliche Regelung als solche von der Behörde erkannt werden konnte. Bei der Verletzung von Verkehrsregelungspflichten ist ein Verschulden wegen der Verflechtung von behördlichem Handeln und technischem Versagen in aller 36 37 38 39 40

Greger, § 16, Rnr. 457; Ossenbühl, S. 74. Greger, § 16, Rnr. 457; BGHZ 34, S. 375, 381; BGH, NJW 1965, S. 962, 963. So im Fall OLG Köln, NZV 1992, S. 364. Vgl. BGHZ 54, S. 332, 333 ff.; BGHZ 99, S. 249, 250. Jox, NZV 1989, S. 133, 134.

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG

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Regel nicht anzunehmen. Aufgrund der vorgenommenen Unterscheidung zwischen Verkehrsregelungs- und Verkehrssicherungspflichten obliegt dem Verkehrssicherungspflichtigen (Straßenbaulastträger oder z. B. private Elektrofirma) die Ausführung der vom Verkehrsregelungspflichtigen (Straßenverkehrsbehörde) vorgenommenen Entscheidung über das „wo“ und das „wie“ der Regelung. Ein technisches Versagen liegt deshalb entweder im Verschulden des Verkehrssicherungspflichtigen oder es war von niemandem zu verhindern, weil keine bessere Konstruktion möglich war. 2. Mitverschulden des Geschädigten Ein Mitverschulden des Geschädigten ist nach § 254 BGB zu berücksichtigen, wenn kein Haftungsausschluß gemäß § 839 Abs. 3 (Rechtsmittelversäumung) BGB vorliegt.41 Ein Mitverschulden ist trotz des Grundsatzes, daß der Bürger auf die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung vertrauen darf, dann gegeben, wenn nicht die Sorgfalt angewendet wird, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur eigenen Schadensvermeidung anzuwenden pflegt, so z. B. wenn er nicht das ihm zumutbare Maß an Aufmerksamkeit in eigener Angelegenheit aufgewendet hat.42 Dabei ist fraglich, inwieweit der Fahrer hätte erkennen können, daß die gesendeten Daten falsch waren. Des weiteren liegt ein Mitverschulden vor, wenn dem Fahrer sonstige Sorgfaltspflichtverletzungen anzulasten sind.

a) Erkennbarkeit fehlerhafter Signale und Eingriffe Bei widersprüchlichen Signalen oder sonstigen fehlerhaften Eingriffen kommt es darauf an, inwieweit sich der Fahrer auf die Richtigkeit der Informationen verlassen darf. Dabei sollte auf deren Erkennbarkeit abgestellt werden. Der Fahrer trägt dann ein hohes Maß an Mitverschulden, wenn er ohne weiteres erkennen konnte, daß es sich um eine fehlerhafte Meldung handelt. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn ein ISA-System das Fahrzeug auf eine Geschwindigkeit von 40 km / h abbremst, obwohl eine Geschwindigkeit von 30 km / h aufgrund der Verkehrsschilder erlaubt ist. Der Fahrer ist nämlich verpflichtet, die Verkehrsschilder zu beachten. Anders liegt die Situation, wenn die intelligente Geschwindigkeitsabregelung nicht statisch ist, sondern eine situationsbedingte Geschwindigkeitsanpassung je nach Straßen- und Wetterlage vorschlägt bzw. interveniert. Dann kann der Fahrer nicht ohne weiteres erkennen, daß es sich um eine falsche Übertragung gehandelt hat. Bremst das System fehlerhaft nicht ab, so ist der Fehler erst dann für den Fahrer 41 Ossenbühl, S. 89; BGHZ 68, S. 142, 151; BGH, NJW 1964, S. 195; BGH, NJW 1987, S. 2664, 2666; BGH, NJW 2002, S. 432. 42 Ossenbühl, S. 89; BGH, VersR 1959, S. 532; BGH, NJW 1987, S. 2553, 2666.

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§ 5 Staatshaftung

offensichtlich, wenn die Straßenverhältnisse (z. B. Stauende) auch für den Fahrer sichtbar werden. Allerdings muß der Fahrer auch bei fehlender Abregelung seine Geschwindigkeit den Straßenverhältnissen, soweit er diese überblicken kann, anpassen. Ein Mitverschulden kann aber anzunehmen sein, wenn die Anlage äußerlich erkennbar in schlechtem Zustand ist. b) Sonstiges Mitverschulden Den Fahrer trifft ein Mitverschulden unabhängig von der Erkennung fehlerhafter Signale, wenn er aus sonstigen Gründen sorgfaltswidrig gehandelt und damit zum Schaden beigetragen hat. Dazu gehört z. B. zu schnelles Fahren.43 Im Hinblick auf die verschiedenen Sorgfaltspflichtverstöße bei dem Gebrauch von Fahrerassistenzsystemen im Rahmen der Fahrerhaftung44 ist ein Mitverschulden bei fehlender Aufmerksamkeit und bei Bedienungsfehlern und je nach Fallgestaltung auch bei unterlassener Nutzung anzunehmen.

IV. Kausalität Für eine Haftung ist das Vorliegen einer haftungsausfüllenden Kausalität erforderlich. Da es in § 839 BGB keinen § 823 Abs. 1 BGB vergleichbaren Rechtsgüterkatalog gibt und dementsprechend jeder Vermögensschaden ersetzt wird, bedarf es keiner haftungsbegründenden Kausalität.45 Bei Unfällen in Verbindung mit fehlerhafter Datenübermittlung kann es aber insbesondere an der haftungsausfüllenden Kausalität fehlen. Zur Begrenzung der Äquivalenztheorie, nach der jedes Ereignis gleichwertig und insoweit kausal ist, als es nicht hinweg gedacht werden kann, ohne daß der Erfolg entfiele46, ist ein Ereignis nach der Adäquanztheorie nur dann kausal, wenn es im allgemeinen und nicht in eigenartigen, unwahrscheinlichen und ungewöhnlichen Umständen geeignet ist, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen47. So im Fall OLG Ko, NZV 1994, S. 192. Vgl. oben unter (§ 3 B. II. 2.). 45 Ossenbühl, S. 70. 46 Müko-Oetker, § 249 BGB, Rnr. 97; BGHZ 2, S. 141; BGHZ 57, S. 137, 141. 47 Kombination aus negativer und positiver Formulierung, Müko-Papier, § 839 BGB, Rnr. 272; Müko-Oetker, § 249 BGB, Rnr. 104; Ossenbühl, S. 71; Palandt-Heinrichs, Vorbem. v. § 249, Rnr. 59; BGHZ 7, S. 198, 204; BGHZ 57, S. 137, 141; BGHZ 137, S. 11, 19; BGH, NJW 1995, S. 126, 127; negativ: der Schadenseintritt darf nicht so unwahrscheinlich sein, daß er nach der Lebenserfahrung vernünftigerweise nicht zu erwarten ist, RGZ 152, 401; RGZ 168, 86, 88; positiv: das Ereignis muß die Eintrittsmöglichkeit generell nicht unerheblich erhöht haben, BGHZ 3, S. 261, 266; BGHZ 57, S. 245, 255; BGH, NJW 1990, S. 2882, 2883; BVerwG, DÖV 1999, S. 645, 646. 43 44

A. Amtshaftung, § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG

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Die Adäquanztheorie wird mit der Lehre vom Schutzzweck der Norm durch eine wertende Betrachtung dahingehend ergänzt, daß eine Haftung entfallen soll, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise aus einer Gefahrenlage stammt, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte Pflicht übernommen worden ist.48 Der Zurechnungszusammenhang ist nicht bereits dann unterbrochen, wenn sich der Schaden auf ungewöhnliche Weise verwirklicht hat49, jedoch dann, wenn der Geschädigte in völlig unsachgemäßer und ungewöhnlicher Weise selbständig in den Geschehensablauf eingreift.50 Die haftungsausfüllende Kausalität ist nicht deshalb abzulehnen, weil es sich bei Schäden aus widersprechenden Lichtsignalanlagen um untypische, weil unwahrscheinliche Schäden handelt. Denn der hier vorliegende untypische Schadensfall liegt darin begründet, daß es sich um eine untypische Amtspflichtverletzung handelt. Eine haftungsbegründende Kausalität wird jedoch, wie bereits erwähnt, nicht geprüft. Der Eintritt des Schadens basiert zwar auf einer untypischen Amtspflichtverletzung, ist aber typische Folge dieser Pflichtverletzung. Der Zusammenstoß mindestens zweier Fahrzeuge, die aufgrund der widersprüchlichen Signale die Kreuzung passieren ist daher adäquat verursacht worden.51 Verkehrsregelungsanlagen i. V. m. Fahrerassistenzsystemen sind komplexer, da sie Allgemeinverfügungen oder auch Vollstreckungsmaßnahmen in Form eines Längs- oder Querführungseingriffs darstellen können. Die Kausalität der Amtspflichtverletzung für mögliche Unfälle ist daher näher zu untersuchen.

1. Verkehrsinformationen Fehlerhafte Signale sind für einen Unfall in aller Regel deshalb adäquat kausal, weil der Fahrer auf diese Informationen vertraut und nach dem Gehalt der Verkehrsinformation auf diese vertrauen darf. Denn sie schaffen einen Vertrauenstatbestand.52 Zudem muß der Fahrer den Anordnungen auch Folge leisten. Inwieweit er einer fehlerhaften Information im Einzelfall nicht vertrauen darf, ist lediglich eine Frage des zu berücksichtigenden Mitverschuldens.53 48 Müko-Oetker, § 249 BGB, Rnrn. 112 ff.; 118; Ossenbühl, S. 72, 111; Palandt-Heinrichs, Vorbem. v. § 249, Rnr. 62; BGHZ 27, S. 137, 140; BGHZ 57, S. 145, 256; BGH, NJW 1982, S. 1046, 1047; BGH, NJW 1991, S. 2346, 2347. 49 Müko-Papier, § 839 BGB, Rnr. 277; BGH, NJW 1992, S. 2086. 50 Müko-Papier, § 839 BGB, Rnr. 277. 51 Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Ossenbühl, S. 251; Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 195; BGHZ 99, S. 249, 252; OLG Ka, NZV 1993, S. 187; OLG Zw, NZV 1989, S. 311; OLG Ce, NZV 1999, S. 244, 245: Die Kausalitätsprüfung erfolgt zumeist im Rahmen des polizeirechtlichen Entschädigungsanspruchs oder des enteignungsgleichen Eingriffs, da es in aller Regel am Verschulden fehlt, vgl. Jox, NZV 1989, S. 133. 52 Vgl. Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 581. 53 Vgl. dazu unten (§ 5 A. IV.).

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Soweit im Kreuzungsbereich widersprüchliche Signale übertragen werden und der Fahrer diesen Folge leisten muß und ihrer Richtigkeit vertraut, ist das fehlerhafte Signal regelmäßig für den Unfall ursächlich.54 Fehlerhafte Signale ohne widersprüchliche Gegensignale können vor allem bei Geschwindigkeitsbeschränkungen vorkommen. Geschwindigkeitsbeschränkungen sind aber im allgemeinen nicht dazu geeignet, einen Unfall herbeizuführen, sondern im Gegenteil dazu geeignet, einen Unfall zu verhindern. Wird eine zu hohe Geschwindigkeit angezeigt, ist ein Unfall nicht adäquat verursacht worden, da der Fahrer die Geschwindigkeit trotz bestehender höherer zulässiger Geschwindigkeit den Verhältnissen des Straßenverkehrs anpassen muß. Eine wesentlich zu niedrige Geschwindigkeit wie im Fallbeispiel 30 kann jedoch für einen Unfall kausal sein. Denn die Anzeige einer zu niedrigen Geschwindigkeit ist einer undeutlichen und widersprüchlichen Verkehrsregelung gleichzusetzen, da es nicht auszuschließen ist, daß einige Fahrer sich an die niedrige Geschwindigkeit halten, während andere die Beschränkung ignorieren. 2. Verwaltungsvollstreckungshandlungen Zu unterscheiden ist wiederum zwischen Verkehrsregelungsanlagen, die unmittelbar in die Längsführung und solchen, die in die Querführung des Fahrzeugs eingreifen. a) Eingriff in die Längsführung In Betracht kommen insbesondere ISA-Systeme. Die Anlage kann entweder kein Signal aussenden oder dem Fahrzeug ein nicht dem Verkehrsschild entsprechendes Signal aussenden. Im ersten Fall mangelt es, wie bereits erwähnt, an einer Amtspflichtverletzung, sofern nicht eine Regelung im Einzelfall erforderlich ist.55 Ein fehlerhaftes Signal ist entweder als Abregelung unter oder über die höchst zulässige Geschwindigkeit denkbar. Alle Bremsvorgänge führen zwar dazu, daß der Fahrer nicht schneller fahren kann, aber der Fahrer wird nach den hier beschriebenen Systemen niemals daran gehindert, langsamer zu fahren. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung fordert lediglich, daß der Fahrer die Geschwindigkeit nicht überschreiten darf. Geschwindigkeitsbeschränkungen haben zum Ziel, eine potentielle Gefahrensituation durch zu schnelles Fahren auf einer bestimmten Strecke oder in einer bestimmten Verkehrssituation zu verhindern.56 Darüber hinaus muß der Fahrer trotzdem alles tun, um 54 Vgl. Fälle zum „feindlichen Grün“: BGHZ 99, S. 249, 252; OLG Köln, NZV 1992, S. 364; OLG Ko, NZV 1994, S. 192; OLG Ce, NZV 1999, S. 244. 55 Vgl. oben unter [§ 5 A. II. 2. c) bb)]. 56 Vgl. Verwaltungsvorschrift zu Zeichen 274, Zulässige Höchstgeschwindigkeit, abgedruckt bei Hentschel, § 41 Abs. 2 Nr. 7 StVO, Rnr. 118.

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niemanden zu gefährden, d. h. im Einzelfall noch langsamer fahren. Tritt ein Unfall in einer auf 80 km / h beschränkten Zone ein, der Fahrer hätte aber im Einzelfall 60 km / h fahren müssen, so ist nicht das geschwindigkeitsbeschränkende Verkehrsschild für den Unfall ursächlich, sondern der Pflichtverstoß des Fahrers gegen §§ 1, 3 StVO. Der Unfall kann nicht aufgrund der mangelhaften Übersteuerbarkeit eintreten, weil der Fahrer langsamer hätte fahren können. In den Fällen, in denen nur eine Beschleunigung den Unfall hätte vermeiden können, trifft den Fahrer die überwiegende Schuld. Denn er hat die Pflicht, sich auf eine fehlende Beschleunigungsmöglichkeit einzustellen.57 Versäumt der Fahrer dies, so ist dieser Pflichtverstoß in erster Linie für den Unfall maßgeblich und nicht die Geschwindigkeitsabregelung. Die Allgemeinverfügung, die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht zu überschreiten, ist daher nach ihrem Schutzzweck für einen Unfall nicht ursächlich. Da auch Vermögensschäden nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen der Bezugnahme auf die allgemeinen Schadensersatzvorschriften des BGB ersetzt werden58, ist der einzig praktisch denkbare Fall der, daß die Anlage dem Fahrzeug das Signal übermittelt, auf 0 km / h oder nahezu 0 km / h abzubremsen. Kann dann der Fahrer nicht weiterfahren, so kann er Schadensersatz geltend machen. Dies kann z. B. sein: Schaden wegen Versäumung eines Termins; Verdienstausfall etc.

b) Eingriff in die Querführung Fahrerassistenzsysteme, die mit Hilfe eines von außen in das Fahrzeug eindringenden Signals in die Querführung des Fahrzeugs eingreifen, sind bei Fahrspurverengungen oder in Kreuzungsbereichen denkbar. Hier gilt ebenfalls, daß bei einem Systemausfall der Unfall nicht adäquate Folge des Versagens der Anlage ist, soweit das Fahrzeug so gebaut ist, daß der Fahrer dies noch selbständig lenken kann. Beim Auftritt von Signalen, die den Verkehr fehlerhaft leiten, d. h. undeutlichen oder widersprüchlichen Signalen, wird eine Kausalität in der Regel anzunehmen sein. Im übrigen kommt es auf die Zielrichtung der zugrunde liegenden Allgemeinverfügung an.

V. Subsidiarität Eine Haftung besteht gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB dann nicht, wenn dem Beamten lediglich Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann und der Verletzte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Die Inanspruchnahme des Hoheitsträgers ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Geschädigte anderweitig Ersatz erlan57 58

Berz / Dedy / Granich, DAR 2000, S. 545, 549. Greger, § 16, Rnr. 429; Ossenbühl, S. 110.

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gen kann.59 Die Subsidiaritätsklausel ist nicht auf die Fälle anwendbar, in denen eine haftungsrechtliche Gleichstellung zwischen Amtsträger und Geschädigten bejaht wird. Eine solche wird bei der Teilnahme am Straßenverkehr angenommen.60 Bei einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wird § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ebenfalls nicht angewendet. Die haftungsrechtliche Gleichstellung wird in diesen Fällen damit begründet, daß die dem Amtsträger obliegende hoheitliche Aufgabe der Verkehrssicherungspflicht mit der allgemeinen, jedermann treffenden Verkehrssicherungspflicht deckungsgleich sei.61 Die Haftungseinschränkung gilt allerdings bei der Verletzung von Verkehrsregelungspflichten, da hier keine Deckungsgleichheit bestehe, weil die Verkehrsregelungspflicht eine Pflicht sei, die ausschließlich dem Amtsträger obliege.62 Ist die Subsidiaritätsklausel zwar grundsätzlich anwendbar, so kann der Geschädigte trotzdem auch vom Amtsträger Ersatz verlangen, wenn seine anderweitige Ersatzmöglichkeit in einer Leistung besteht, die der Geschädigte durch Aufwendung eigener Mittel erlangt hat.63 Dazu gehören Leistungen der gesetzlichen Unfall-, Renten- und Krankenversicherung, der privaten Krankenversicherung, der Kaskoversicherung, einer Lebensversicherung sowie Lohnfortzahlungsansprüche.64

B. Haftung aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen Ein Entschädigungsanspruch für Vermögensschäden kommt bei der Verletzung einer Verkehrsregelungspflicht nach den Entschädigungsvorschriften der Polizeigesetze der Länder in Betracht.65 Danach besteht ein Anspruch auf Entschädigung, wenn der Geschädigte durch eine rechtswidrige Maßnahme der Ordnungsbehörden, unabhängig von einem Verschulden, einen Schaden erleidet. Zu den ersatzfähigen Schäden zählt anders als im enteignungsgleichen Eingriff das gesamte Vermögen.66 v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 146; Ossenbühl, S. 78. Greger, § 16 StVG, Rnr. 483; BGHZ 68, S. 217. 61 BGH, NJW 1992, S. 2476; BGH, NZV 1993, S. 386, 387; OLG Hamm, NZV 1995, S. 275, 276. 62 Greger, § 16 StVG, Rnr. 485; OLG Hamm, NZV 1995, S. 275, 276. 63 Greger, § 16 StVG, Rnr. 486. 64 Greger, § 16 StVG, Rnr. 487; BGHZ 62, S. 380; BGHZ 79, S. 36; BGHZ 79, S. 35; BGHZ 85, S. 230; BGH, VersR 1983, S. 638. 65 § 70 BbgPolG; § 59 Berl. ASOG; § 56 BremPolG; § 64 HSOG; § 80 NGefAG; § 68 POGRhPf; § 67 PolGNRW i. V. m. § 39 OBGNRW; § 69 SOG LSA; § 68 SPolG; § 68 ThürPAG. 66 Drews / Wacke / Vogel / Martens, § 33, S. 672; Treffer, S. 34; BGHZ 72, S. 273, 277. 59 60

B. Haftung aus polizeirechtlichen Entschädigungsansprüchen

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Hinsichtlich des Mitverschuldens, welches auch zu berücksichtigen ist, ist auf obige Ausführungen zu verweisen.67

I. Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde Nach den Enschädigungsvorschriften der Länder ist eine hoheitliche Maßnahme, d. h. in diesem Fall eine Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde erforderlich. Unter einer Maßnahme in diesem Sinne ist jede Form verwaltungsrechtlicher Willenserklärungen und darüber hinaus auch jedes verwaltungsrechtliche Handeln, Tun oder Unterlassen zu verstehen.68 Das Vorliegen einer behördlichen Maßnahme hängt weder von Finalitätsgesichtspunkten 69 ab, noch spielt die Verbindlichkeit der Maßnahme eine Rolle. Verkehrsregelungen mit Hilfe von Infrastrukturanlagen sind Maßnahmen i. S. d. Entschädigungsvorschriften. Auch die Vollstreckung eines Verwaltungsakts ist ein behördliches Handeln und daher eine Maßnahme. Die Intervention in das Fahrzeugverhalten aufgrund der Signale einer Verkehrsregelungsinfrastruktur stellt daher ebenfalls eine Maßnahme der Straßenverkehrsbehörde dar.

II. Rechtswidrigkeit Die Maßnahme muß rechtswidrig sein. Diesbezüglich kommt es lediglich darauf an, ob das Signal fehlerhaft ist. Es kommt hingegen nicht darauf an, inwieweit sich der dahinter stehende Beamte rechtswidrig verhalten hat.70 Entsprechend der Verletzung einer Verkehrsregelungspflicht ist eine derartige Maßnahme rechtswidrig, wenn Verkehrszeichen und Verkehrsregelungen geeignet sind, die Verkehrsteilnehmer zu gefährden.71 Ein widersprüchliches Ampelsignal ist eine solche rechtswidrige Maßnahme der Polizei- bzw. Ordnungsbehörden.72 Vgl. oben unter (§ 5 A. III. 2.). Jox, NZV 1989, S. 133, 135; OLG Hamm, NVwZ 1986, S. 509. 69 Treffer, S. 39 verneint diese, weil die polizeirechtliche Unrechtshaftung nicht voraussetzt, daß sich die rechtswidrige Maßnahme gerade gegen den Geschädigten richtet; nach OLG Hamm, NVwZ 1986, S. 509, 510 spielen sie keine Rolle, weil die Opferlage der Betroffenen die gleiche bleibt. 70 Greger, § 16, Rnr. 866; BGHZ 99, S. 249, 252. 71 BGHZ 99, S. 249, 253; BGH, NJW 1966, S. 1456, 1457; BGH, VersR 1967, S. 602; OLG Ka, NZV 1993, S. 187; OLG Zw, NZV 1989, S. 311; OLG Ce, NZV 1999, S. 144, 145. 72 Haftung bei „feindlichem Grün“ aus § 39 Abs. 1 b OBGNRW: BGHZ 99, S. 249; aus § 80 Abs. 1 S. 1 NGefAG: OLG Ce, NZV 1999, S. 244; § 68 Abs. 1 PVG (RhlPf.): OLG Zw, NZV 1998, S. 311. 67 68

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§ 5 Staatshaftung

Die Lichtzeichen einer Ampelanlage sind die Bekanntgabe einer zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidung in Form einer Allgemeinverfügung aufgrund einer Programmierung der Anlage.73 Die einzelne Betrachtung beider Lichtzeichen hindert nicht die Rechtswidrigkeit, da auch das richtige (grüne) Signal der einen Richtung deshalb rechtswidrig ist, weil gleichzeitig auch die „feindliche“ Gegenrichtung freigegeben wird.74 Widersprüchliche Verkehrsinformationen und Vollstreckungsmaßnahmen sind grundsätzlich geeignet, den Verkehrsteilnehmer zu gefährden, da sie zumindest einen Vertrauenstatbestand schaffen und im Fall von Allgemeinverfügungen und Vollstreckungsmaßnahmen Anordnungen zu einem konkreten Verkehrsverhalten geben.

III. Unmittelbarkeit Als Kausalitätskriterium und zur Festlegung von Verantwortungsbereichen ist ebenso wie im enteignungsgleichen Eingriff eine Unmittelbarkeit zwischen rechtswidriger Maßnahme und Schaden erforderlich.75 Ohne weitere Zurechnungkriterien wird die Unmittelbarkeit des Schadens bei widersprüchlichen Ampelzeichen, nach anfänglicher Verneinung76, nunmehr angenommen.77 Die frühere Rechtsprechung ist abgelehnt worden, da nicht einsichtig war, welche weiteren Zwischenschritte zwischen widersprechenden Lichtsignalen und dem Zusammenstoß der Fahrzeuge vorliegen sollen, und daß das grüne Lichtzeichen auch das Gebot enthält, zügig die Kreuzung zu überqueren.78 In den Ampelfällen wird lediglich auf die Ursächlichkeit des fehlerhaften Signals zum Unfall bzw. Schaden abgestellt. Diesbezüglich wird auf obige Ausführungen zu verwiesen.79 Welche Zurechnungskriterien darüber hinaus zu berücksichtigen sind, wird im Rahmen des enteignungsgleichen Anspruchs erörtert.

73 Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Peine, JZ 1987, S. 824; BGHZ 99, S. 149, 252; BGH, NJW 1971, S. 2220, 2222. 74 Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Landwehrmann, NJW 1971, S. 840; BGHZ 99, S. 249, 254. 75 Engelhardt, NVwZ 1992, S. 1052, 1065; Treffer, S. 71. 76 BGHZ 54, S. 332, 338. 77 Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Ossenbühl, S. 250 f.; Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 195; BGHZ 99, S. 249, 252, 254; OLG Ka, NZV 1993, S. 187; OLG Zw, NZV 1989, S. 311; OLG Ce, NZV 1999, S. 244, 245. 78 Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Ossenbühl, JuS 1971, S. 575. 79 Vgl. oben unter (§ 5 A. IV.).

C. Enteignungsgleicher Eingriff

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C. Enteignungsgleicher Eingriff Der Staat haftet aus enteignungsgleichem Eingriff, wenn rechtswidrig durch hoheitliches Handeln in eine eigentumsmäßig geschützte Rechtsposition eingegriffen wird und dem Berechtigten dadurch unmittelbar ein Sonderopfer auferlegt wird.80 Die landesrechtlichen Entschädigungsvorschriften sind spezialgesetzliche Konkretisierungen des aus dem allgemeinen Aufopferungsgedanken abgeleiteten Entschädigungsanspruchs aus enteignungsgleichen Eingriff.81 Der allgemeine Aufopferungsanspruch entstammt der Einleitung des Allgemeinen Preußischen Landrechts (ALR), §§ 74, 75.82 Besteht eine landesrechtliche Entschädigungsvorschrift nicht, ist eine Haftung für widersprüchliche Ampelsignale nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs möglich.83 Handelt es sich um Verkehrsregelungen, die mit Hilfe der infrastrukturbasierten Fahrerassistenzsysteme umgesetzt werden, kommt daher eine solche Haftung in Betracht, wenn es am Verschulden i. S. d. § 839 BGB fehlt. Bei widersprüchlichen oder sonst fehlerhaften Signalen oder Datenübertragungen zum Eingriff in das Fahrzeugverhalten, fehlt es in aller Regel am Verschulden, da diese Fälle der Verkehrsregelungspflicht zuzuordnen sind, obwohl es sich um technische Defekte handelt und für die technische Überwachung der Straßenbaulastträger zuständig ist. Da Vermögensschäden nicht vom enteignungsgleichen Eingriff erfaßt werden, werden Verdienstausfallschäden oder andere Schäden wegen vollständigen Verkehrserliegens nicht ausgeglichen. Hinsichtlich des auch hier zu berücksichtigenden Mitverschuldens, wird auf obige Ausführungen verwiesen.84

I. Rechtswidriger hoheitlicher Eingriff Wie bereits oben festgestellt, wird die Aussendung eines fehlerhaften Signals als rechtswidrige Maßnahme der Verkehrsregelung angesehen. Ein Eingriff in eigentumsmäßig geschützte Rechtspositionen wird hinsichtlich eines Schadens am Fahrzeug bejaht.

80 Greger, § 16 StVG, Rnr. 864; Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 194; BGHZ 117, S. 240, 252; BGHZ 125, S. 19, 21. 81 Drews / Wacke / Vogel / Martens, § 33, S. 664; Treffer, S. 77;; BGHZ 14, S. 363, 366; BGHZ 90, S. 17, 29 f.; BGHZ 99, S. 249, 255; vgl. auch Jox, NZV 1989, S. 133, 136. 82 BGHZ 6, S. 270, 275 ff.; BGH, NJW 1984, S. 1169, 1171; BGH, NJW 1997, S. 3432, 3434; Ossenbühl, JuS 1970, S. 276; § 75 Einleitung ALR von 1794: „Dagegen ist der Staat demjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten. . .“, zitiert nach Müller, NJW 1983, S. 593. 83 Jox, NZV 1989, S. 133, 136; OLG Ka, NZV 1993, S. 187. 84 Vgl. oben unter (§ 5 A. III. 2.).

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§ 5 Staatshaftung

II. Unmittelbarkeit Das Unmittelbarkeitskriterium im enteignungsgleichen Eingriff ist als haftungsbegrenzendes Kriterium eingeführt worden,85 nachdem das Erfordernis eines finalen Eingriffs durch das Genügen einer „unmittelbaren Auswirkung“86 ersetzt worden war.87 Der erste Ampelfall88 ist einer der ersten Fälle des Unmittelbarkeitskriteriums und vielleicht deshalb vom BGH derart restriktiv gehandhabt worden.89 Wie bereits festgestellt, wird bei widersprechenden Ampelzeichen das Unmittelbarkeitskriterium inzwischen bejaht.90

1. Zurechnungskriterien Das Unmittelbarkeitskriterium ist jedoch kein reines Kausalitätskriterium 91, sondern ein wertendes Kriterium zur Zuordnung von Verantwortungsbereichen.92 Deshalb bedarf es weiterer Kriterien, um das Merkmal der Unmittelbarkeit zwecks einer Haftungsbegrenzung zu rationalisieren. Dies sind vor allem die Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs sowie das Vorliegen eines Sonderopfers beim Geschädigten. Zusätzlich wird u. a. auf die Eigenart der hoheitlichen Maßnahme, das Vorliegen einer typischen Gefahr, auf die Lehre vom Schutzzweck der Norm oder auf die Zuordnung von Risikobereichen93 abgestellt.94 Bevor auf die Zurechnungskriterien im einzelnen eingegangen wird, soll der Unterschied zwischen Allgemeinwohlbezogenheit und Sonderopfer dargelegt werden. Außerdem werden vergleichbare Fälle geschildert, die für eine Haftung bei fehlerhaften Infrastrukturanlagen von Bedeutung sind.

Dazu Nipperdey, NJW 1967, S. 1985, 1990. BGHZ 37, S. 44, 47; BGH, NJW 1964, S. 104. 87 Dazu eingehend Ossenbühl, S. 248; ders., JuS 1988, S. 193, 195. 88 BGHZ 54, S. 322. 89 Ossenbühl, S. 249; ders., JuS 1988, S. 193, 195. 90 Vgl. oben unter (§ 5 B. III.). 91 Ansonsten hätte die Unmittelbarkeit im ersten Ampelfall bejaht werden müssen, weil es keiner weiterer Zwischenursachen zum Schadenseintritt bedurfte, Ossenbühl, S. 250; ders., JuS 1988, S. 193, 195; Peine, JZ 1987, S. 824; OLG Hamm, NVwZ 1986, S. 509. 92 Ossenbühl, S. 250; ders., JuS 1988, S. 193, 195; dem folgend BGHZ 125, S. 19, 21. 93 BGHZ 46, S. 327, 330; BGHZ 60, S. 302, 310 f. 94 Ossenbühl, S. 250; BGHZ 92, S. 34, 41; BGHZ 28, S. 310, 313; BGH, MDR 1976, S. 826; BGH, NJW 1980, S. 770; zum Schutzzweck Olivet, NVwZ 1986, S. 431 ff. 85 86

C. Enteignungsgleicher Eingriff

205

2. Die Allgemeinwohlbezogenheit als Zurechnungskriterium Ein weiteres haftungsbegrenzendes Kriterium des Entschädigungsrechts ist die Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs. Dieses ist auch Gegenstand des enteignungsgleichen Eingriffs, aber zugunsten der Unmittelbarkeit des Eingriffs in den Hintergrund gerückt. Denn das Merkmal der Allgemeinwohlbezogenheit ist im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs anders als beim Aufopferungsanspruch in aller Regel überflüssig, weil ein rechtswidriger Eingriff prinzipiell nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient.95 In diesem Zusammenhang wird auch vertreten, auf das Merkmal zum Wohle der Allgemeinheit gänzlich zu verzichten, da es dogmatisch nicht mehr passe, nachdem der nunmehr neben Art. 14 GG bestehende96 enteignungsgleiche Eingriff als Kompensation von Unrechtsfolgen anerkannt worden ist.97 Gleichwohl findet sich das Merkmal der Allgemeinwohlbezogenheit im Rahmen des Sonderopfers wieder und wird zur Begründung desselben verwendet. So wird in den Fällen des feindlichen Grüns das Sonderopfer damit begründet, daß durch Ampeln die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs erst ermöglicht werde, diese also im Allgemeinwohlinteresse betrieben werden und der Bürger den Schaden einer fehlerhaften Ampelschaltung nicht tragen solle, zumal ihn keinerlei Mitverantwortung treffe.98 Da sich das Allgemeinwohlkriterium auf die hoheitliche Maßnahme beziehen muß,99 kann aber nicht darauf abgestellt werden, daß die Ampelanlage der Verkehrssicherheit dient. Denn die rechtswidrige Maßnahme ist das widersprüchliche Lichtzeichen und dieses dient gerade nicht der Verkehrssicherheit und damit auch nicht dem Allgemeinwohl. Hinzu kommt, daß eine normative Haftungsbegründung, weshalb der Bürger das Risiko für das technische Versagen einer Ampelanlage nicht tragen soll, in den Entscheidungen der Gerichte fehlt.100 Auch in der Literatur fehlt eine weitere normative Begründung. Es bedarf daher näherer Betrachtung, ob eine Haftung des Staates aufgrund anderer Zurechnungsnormen gerechtfertigt ist.

3. Das Sonderopfer als Zurechnungskriterium Das Sonderopfer hat im enteignungsgleichen Eingriff seine Bedeutung verloren, weil es nach der Rspr. des BGH das Sonderopfer durch die Rechtswidrigkeit des Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 194. BGH, NJW 1984, S. 1169, 1171. 97 Ossenbühl, S. 260. 98 Greger, § 16 StVG, Rnr. 868; Jox, NZV 1989, S. 133, 136. 99 Ossenbühl, S. 136; ders., JuS 1970, S. 276, 281; ders., JuS 1971, S. 575, 578. 100 Ossenbühl, S. 251. 95 96

206

§ 5 Staatshaftung

Eingriffs indiziert, da ein gesetzmäßiges Handeln des Hoheitsträgers den rechtswidrigen Eingriff von vornherein ausgeschlossen hätte.101 Der Rückgriff auf die haftungsbegrenzenden Inhalte des Sonderopferbegriffs erscheint deshalb erforderlich, weil zum einen das Sonderopfer dann Bedeutung erlangt, wenn die hoheitliche Maßnahme über den Einzelfall hinaus auch die Allgemeinheit betrifft und zum anderen das Tatbestandsmerkmal des Sonderopfers von jeher eigene Anspruchsvoraussetzung des enteignungsgleichen Eingriffs als paralleles Institut des Quasi-Aufopferungsanspruchs war und weiterhin eigenständige Funktion zur Haftungsbegrenzung und Zurechnung von Verantwortungsbereichen innehat.102 Des weiteren bedeutet das Indizieren eines Sonderopfers durch die Rechtswidrigkeit der Maßnahme nicht, daß es in jedem Fall vorliegt.103 In den Ampelfällen ist zwar das Vorliegen des Sonderopfers über die bestehende Rechtswidrigkeit hinaus begründet worden, jedoch nur mit dem Vorliegen eines Allgemeinwohlinteresses.104 Dieses reicht zur Begründung einer Staatshaftung aber allein nicht aus, da der Staat dem Bürger in vielen Bereichen im Allgemeinwohlinteresse technische oder andere Risiken auferlegt, für die er haftungsrechtlich nicht unbedingt verantwortlich gemacht wird. Die folgende Darstellung von Vergleichsfällen dient einer normativen Begründung für eine Staatshaftung in den Fällen von fehlerhaften Infrastrukturanlagen. 4. Vergleichbare Fälle Für die Begründung einer Zurechnung für technisches Versagen von Verkehrsregelungsanlagen mit Hilfe der Kriterien der Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs und des Sonderopfers soll im folgenden auf die Aufopferungsfälle der Schäden durch Schutzimpfungen105 sowie der Schäden durch die Benutzung eines Sicherheitsgurts106 zurückgegriffen werden. Gerade beim Sicherheitsgurt ist strittig, 101 Detterbeck / Windthorst / Sproll, § 17, Rnr. 33; Ossenbühl, S. 252; ders., JuS 1988, S. 193, 196; BGHZ 32, S. 208 211; BGH, NJW 1965, S. 1912 st. Rspr. 102 Ossenbühl, S. 259; ders. JuS 1988, S. 193, 196. 103 Einer besonderen Begründung des Sonderopfers bedarf es z. B. in den Fällen, in denen die Beeinträchtigung des Eigentums materiell rechtmäßig bleibt, Detterbeck / Windthorst / Sproll, § 17, Rnr. 34; BGHZ 78, S. 41, 44. 104 Greger, § 16 StVG, Rnr. 868; Jox, NZV 1989, S. 133, 136, obwohl das Allgemeinwohlinteresse nicht Bestandteil des Sonderopfers ist, Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 281. 105 Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 578 f.; Steffen, DRiZ 1967, S. 110, 112; Wagner, NJW 1976, S. 2333, 2335; BGHZ 9, S. 83; BGH, NJW 1955, S. 1876; BGH, NJW 1957, S. 948; BGH, NJW 1960, S. 379; BGH, NJW 1964, S. 2206; BGH, NJW 1965, S. 347; heute im BSeuchG geregelt. 106 Für eine Haftung: v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 146; Jagusch, NJW 1976, S. 135; Müller, NJW 1983, S. 593 ff.; dagegen: Schlund, DAR 1976, S. 57, 62; Schwabe, NJW 1983, S. 2370.

C. Enteignungsgleicher Eingriff

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ob ein Aufopferungsanspruch – denn es handelt sich um Schäden an den immateriellen Rechtsgütern Leben und Gesundheit – gegeben ist. Ein Vergleich ist für die Begründung der Haftung zum einen wegen technischen Versagens von Verkehrsregelungsanlagen wichtig, weil zur Haftungsbegründung bei den Sicherheitsgurtfällen viele Kriterien genannt werden, die auch für die Ampelfälle von Bedeutung sind.107 Zum anderen weisen die Schäden aus der Benutzung des Sicherheitsgurts mit den Ampelfällen Überschneidungen auf, die die Fälle vergleichbar machen. Drittens ist ein Vergleich auch für die Haftungsbegründung wegen technischen Versagens von Verkehrsregelungsanlagen in Verbindung mit Fahrerassistenzsystemen von Bedeutung, da diese die externen Verkehrsregelungsanlagen mit fahrzeuginternen Systemen verbinden. Auf die Überschneidungen und Unterschiede wird im folgenden eingegangen. a) Vergleichbare Risiken bei Ampelanlagen und Sicherheitsgurten Sicherheitsgurte und Verkehrsregelungsanlagen verfolgen das gleiche Ziel und beinhalten ähnliche Risiken, die in beiden Fällen nicht vermieden werden können. In beiden Fällen ist der Verkehrsteilnehmer diesen Risiken ausgesetzt. aa) Gemeinsames Ziel: Erhöhung der Verkehrssicherheit Sowohl Sicherheitsgurte als auch Verkehrsregelungsanlagen dienen der Erhöhung der Verkehrssicherheit. Sicherheitsgurte verfolgen dieses Ziel dadurch, daß sie Leben retten. Der Sicherheitsgurt verhindert zwar nicht den Unfall, aber er vermindert die Unfallfolgen. Insgesamt wird dadurch die Verkehrssicherheit erhöht, weil wesentlich weniger Verkehrsteilnehmer ums Leben kommen bzw. die Verletzungsfolgen gemindert werden. Ampeln verhindern oder mindern bereits das Entstehen von Unfällen und senken dadurch die Zahl der Verkehrstoten bzw. Verletzten. bb) Vergleichbares Restrisiko Bei Verkehrsregelungsanlagen besteht das Risiko eines technischen Versagens. Tritt ein solches ein, so erleidet der Verkehrsteilnehmer, der auf das Lichtzeichen vertraut und vertrauen muß, unmittelbar einen Schaden. Das Risiko eines derartigen Versagens unterliegt weder der Kontrolle der Straßenverkehrsbehörde, noch der des Fahrers. Das Risiko ist auch nicht vermeidbar, denn der Fall des feindlichen Grüns kann durch eine bessere Programmierung oder Wartung nicht ausgeschlossen werden.108 Bei Schäden durch die Benutzung des Sicherheitsgurts be107 Landwehrmann, NJW 1971, S. 840 hat bereits die Fälle des feindlichen Grüns mit den Impffällen gleichgesetzt. 108 Es verbleibt ein Restrisiko von 1:44.000.000, vgl. OLG Hamm, NZV 1993, S. 481, 482; OLG Hamm, NZV 1997, S. 40, 41.

208

§ 5 Staatshaftung

steht das Risiko, daß die Unfallfolgen erheblich höher sind als ohne Gurt, insbesondere wenn sich der Fahrer beim Unfall in einer falschen Sitzposition befand.109 Sowohl bei Verkehrsregelungsanlagen als auch beim Sicherheitsgurt bestehen ohne deren Nutzung Risiken, die sich zwar anders verwirklichen, aber zu den gleichen Schäden führen. Ohne Nutzung von Ampelanlagen ist die Unfallgefahr darin zu sehen, daß sich ein Verkehrsteilnehmer nicht an die Regeln des Straßenverkehrs hält und es deshalb zu einem Unfall mit den gleichen Unfallfolgen wie bei einem Zusammenstoß wegen feindlichen Grüns kommt. Ohne Nutzung eines Sicherheitsgurts kann es natürlich auch und sehr viel häufiger zum Tod oder zu erheblichen Verletzungen kommen.

b) Unterschiede der Sicherheitsgurt- und Ampelfälle Zwischen den Ampelfällen und den Sicherheitsgurtfällen gibt es signifikante und für die Haftungsbegrenzung wichtige Unterschiede. Zunächst stellt die Verkehrsregelung durch eine Ampel eine konkret-individuelle Verwaltungsmaßnahme in Form einer Allgemeinverfügung dar, während der Zwang zur Benutzung eines Sicherheitsgurts eine abstrakt-generelle Regelung nach § 21 StVO ist. Deshalb sind die widersprechenden Lichtzeichen, als rechtswidrige Maßnahmen anzusehen, weil sie sich auf den Einzelfall beziehen. Beim Sicherheitsgurt ist die Verpflichtung hingegen bei Schäden im Einzelfall nicht rechtswidrig, weil auf die an sich rechtmäßige abstrakte Norm abgestellt wird. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß der Sicherheitsgurt lediglich die Unfallfolgen verhindert, während Verkehrsregelungsanlagen Unfälle an sich verhindern. Außerdem hat die Behörde die Möglichkeit, anderweitig den Verkehr zu regeln, nämlich durch Polizeibeamte, und bei dieser Art der Verkehrsregelung hätte sie auch die Risiken einer fehlerhaften Regelung zu tragen. Bei einer Schutzimpfung und beim Sicherheitsgurt gibt es keine ersatzweise Möglichkeit der Behörde, anderweitig für eine größere Sicherheit zu sorgen.

III. Haftungsbegrenzende Kriterien zur Rationalisierung der Unmittelbarkeit Zur Rationalisierung der Unmittelbarkeit bieten sich vor allem die Merkmale der Allgemeinwohlbezogenheit und des Sonderopfers an. Zusätzlich zu den Zurechnungskriterien des Sonderopfers können noch die Eigenart der hoheitlichen Maßnahme, das Vorliegen einer typischen Gefahr und der Zweck der Maßnahme angeführt werden. Auch das allgemeine Lebensrisiko wird als normatives Krite109

Kluth, WiB 1997, 738; Löhle, DAR 1996, S. 8 ff.

C. Enteignungsgleicher Eingriff

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rium angeführt. Hinzu kommt eine ergebnisorientierte Zurechnung und eine Abgrenzung nach Risikobereichen.

1. Allgemeinwohlbezogenheit des Eingriffs Im Rahmen der Allgemeinwohlbezogenheit liegen die problematischen Fälle dann vor, wenn der Eingriff nicht nur dem Wohle der Allgemeinheit, sondern auch oder sogar primär dem Individualinteresse des Geschädigten dient. Hierin liegt ein Argument gegen einen Aufopferungsanspruch für Gurtschäden. Bevor auf diesen Punkt eingegangen wird, soll erklärt werden, weshalb in den Ampelfällen die Allgemeinwohlbezogenheit wichtig ist, obwohl ein rechtswidriger Eingriff doch prinzipiell dem Allgemeinwohl nicht zu dienen geeignet ist.

a) Allgemeinwohlbezogenheit trotz rechtswidrigen Eingriffs Im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs stellt sich die Frage, ob der Eingriff dem Allgemeinwohl dient, in aller Regel nicht, weil eine rechtswidrige Maßnahme selten dem Allgemeinwohl110 und noch seltener den Individualinteressen dient. Indem auf die Allgemeinwohlbezogenheit der Ampelanlage, anstatt auf die der rechtswidrigen Maßnahme abgestellt wird, kommt es zu einer Vermischung. Diese führt zu einer erleichterten Tatbestandssubsumtion im enteignungsgleichen Eingriff: Rechtswidrigkeit indiziert das Sonderopfer; Rechtswidrigkeit führt zum Fehlen des Allgemeinwohls. Das Problem wird aber nicht gelöst, weshalb eine normative Begründung einer Haftung noch fehlt.111 Die Sicherheitsgurtfälle unterfallen nicht dem enteignungsgleichen Eingriff, weil zum einen ein Eingriff in immaterielle Rechtsgüter vorliegt und zum anderen die Anordnung zur Benutzung eines Sicherheitsgurts, § 21 a StVO als rechtmäßig angesehen wird. Letzteres deshalb, weil kein Grund gefunden werden kann, weshalb der Eintritt des Restrisikos einer derartigen Schadensfolge durch einen Sicherheitsgurt eine rechtswidrige Maßnahme darstellen soll. Der Eintritt der unwahrscheinlichen Fälle des feindlichen Grüns kann nur deshalb als rechtswidrig angesehen werden, weil die Ampelanlage der Verkehrsregelung dient. Die mangelnde Allgemeinwohlbezogenheit wird in den Sicherheitsgurtfällen als haftungsbegrenzendes Kriterium benutzt.112 In den Fällen des feindlichen Grüns Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 194. Einigkeit besteht insoweit, als die öffentliche Hand für das technische Versagen von Ampelanlagen einzustehen hat, Greger, § 16 StVG, Rnr. 868; Jox, NZV 1989, S. 133, 136; Ossenbühl, S. 251. 112 Schwabe, NJW 1983, S. 2370. 110 111

14 Bewersdorf

210

§ 5 Staatshaftung

ist durch den Vergleich mit einer staatlichen Gefährdungshaftung und einer Ablehnung derselben versucht worden, die Haftung auszuschließen.113 Unabhängig davon, ob auf das hinter der Ampelanlage stehende Verwaltungshandeln abgestellt wird oder auf das technische Versagen der Anlage: Es geht um die Frage, wer für das Risiko des technischen Versagens einer Verkehrsregelungsanlage einstehen muß. Genauso wie bei den Sicherheitsgurtfällen und den Impffällen geht es bei den Verkehrsregelungsanlagen um die Haftungszuordnung für Restrisiken, die nicht zu beseitigen sind, weil das technische Wissen dazu nicht ausreicht oder eine Verbesserung aus anderen Gründen nicht möglich ist.

b) Allgemeinwohlbezogenheit als Begründung einer Entschädigungspflicht für technisches Versagen von Verkehrsregelungsanlagen Wie bereits erwähnt, wird eine Allgemeinwohlbezogenheit bei den Ampelfällen bejaht, weil durch sie die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs erst ermöglicht wird.114 Gleiches gilt für Verkehrsregelungsanlagen in Verbindung mit Fahrerassistenzsystemen und auch für Verkehrsinformationsanlagen. Denn diese dienen vor allem der Leichtigkeit des Verkehrs, indem Staus und übermäßiges Verkehrsaufkommen verhindert werden, sowie indirekt der Verkehrssicherheit durch bessere Umleitungen. Die Allgemeinwohlbezogenheit reicht aber nicht aus, um eine Entschädigungshaftung zu begründen. Im Rahmen des Aufopferungsanspruchs wegen Impfschäden ist anerkannt, daß es ausreichend ist, wenn der hoheitliche Zwang auch dem Wohl der Allgemeinheit dient.115 Inwieweit die Maßnahme daneben dem Individualinteresse dienen darf, um einen Entschädigungsanspruch auszuschließen, wird auch bei Schäden durch die Benutzung eines Sicherheitsgurts diskutiert.116 Auch Verkehrsregelungsanlagen dienen nicht nur dem Wohle der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz des Einzelnen, da die Unfallgefahren und damit verbundenen Gefahren für Leben und Gesundheit wesentlich gesenkt werden. Ist eine Verkehrsregelungsanlage nützlich für die Sicherheit des Straßenverkehrs, so ist sie zwangsläufig auch nützlich für die persönliche Sicherheit von Leben und Gesundheit des einzelnen Verkehrsteilnehmers. Wollte man die Haftung für fehlerhafte Lichtzeichen in der AllgemeinPeine, JZ 1987, S. 824. Jox, NZV 1989, S. 133, 136; Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 195; ein Anspruch aus enteignendem Eingriff in Fällen des „feindlichen Grüns“ ist weder bei, BGHZ 99, S. 249 (basierte aus § 39 Abs. 1 b OBGNRW) noch bei OLG Ka, NZV 1993, S. 187 (scheiterte am Beweis der Kausalität) entschieden worden. 115 Müller, NJW 1983, S. 593, 594; Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 279 f.; Schwabe, NJW 1983, S. 2370; BGHZ 9, S. 83, 91; BGHZ 25, S. 238, 242; BGHZ 45, S. 290, 293; BGHZ 36, S. 379, 388; BGH, NJW 1971, S. 1881, 1882. 116 v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 146; Müller, NJW 1983, S. 593, 594; Schwabe, NJW 1983, S. 2370. 113 114

C. Enteignungsgleicher Eingriff

211

wohlbezogenheit sehen, dann müßte man sich mit der Frage beschäftigen, ob es reicht, daß die Maßnahme auch dem Allgemeinwohl117, oder in erster Linie oder überwiegend dem Interesse der Allgemeinheit118, oder zumindest aber nicht in nennenswerter Weise dem Interesse des einzelnen119 dient. Eine derartige Diskussion ist wenig fruchtbar, weil zum einen bei staatlichen Maßnahmen zum Individualinteresse immer auch das Allgemeininteresse berührt wird120 und zum anderen in kaum einem Fall festgestellt werden kann, ob das Individualinteresse oder das Allgemeinwohlinteresse überwiegt. Die Feststellung, daß Verkehrsregelungsanlagen dem Allgemeinwohl dienen, ist ein naheliegenden aber nicht das einzige Zurechnungskriterium. Weiterhin offen bleibt die Frage, warum der Bürger gerade diese Risiken nicht tragen soll. Es bedarf daher der Prüfung, ob die betroffenen Verkehrsteilnehmer ein Sonderopfer bringen, wenn sich das Restrisiko verwirklicht.

2. Sonderopfer Ein Sonderopfer besteht dann, wenn der Betroffene über das übliche Maß, d. h. die Opfergrenze, hinaus in Anspruch genommen worden ist.121 Es handelt sich um Fälle, bei denen eine atypische, die Opfergrenze überschreitende Schadensfolge eingetreten ist, wobei zur Bewertung der ungleichen Belastung der Gleichheitssatz herangezogen werden soll.122 Die Bewertung des Vorliegens eines Sonderopfers hängt zunächst davon ab, ob es sich um eine allgemeine hoheitliche Zwangsmaßnahme handelt, oder ob es sich um eine Zwangsmaßnahme handelt, die selbst schon die Sonderopferlage begründet, weil die Maßnahme nicht allgemein zwingend ist.123 Die Befolgung von Anzeigen der Verkehrsregelungsanlagen stellt einen allgemeinen hoheitlichen Zwang dar. Bei diesem hängt das Vorliegen einer Sonderopferlage davon ab, ob die entstandenen Schäden untypisch und inadäquat sind, d. h. nicht regelmäßig, sondern nur in großen Ausnahmefällen vorliegen.124 Zur Feststellung, ob die Schäden inad117 Müller, NJW 1983, S. 593, 594; Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 280; BGHZ 25, S. 238, 242; BGHZ 36, S. 379, 388; BGH, NJW 1960, S. 379, 380; BGH, NJW 1966, S. 1859. 118 BGHZ 9, S. 83, 91; BGH, NJW 1971, S. 1881, 1882. 119 Schwabe, NJW 1983, S. 2370, 2371. 120 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 280. 121 Jox, NZV 1989, S. 133, 136; Müller, NJW 1983, S. 593; Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 277; BGHZ 9, S. 83, 92; BGHZ 45, S. 58, 76. 122 v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 147; Müller, NJW 1983, S. 593, 595; Ossenbühl, S. 126 f.; ders., JuS 1970, S. 276 f.; BGHZ 9, S. 83, 90; BGHZ 46, S. 327, 329. 123 Ossenbühl, S. 137; ders., JuS 1970, S. 276, 277. 124 Ossenbühl, S. 137; ders., JuS 1970, S. 276, 277: Es ist zwischen zwangstypischen Beeinträchtigungen und solchen, die darüber hinausgehend die Opfergrenze überschreiten zu unterscheiden, da regelmäßig eintretende Gefahren und Beeinträchtigungen, die im Rahmen des allgemeinen hoheitlichen Zwangs eintreten, als Bagatelfälle nicht als Sonderopfer qualifiziert werden können.

14*

212

§ 5 Staatshaftung

äquat sind bzw. die Opfergrenze überschreiten, sind der gesetzgeberische Wille, die „Natur der Sache“ und das „vernünftige Urteil der billig und gerecht Denkenden“ maßgeblich.125 Es wird hinsichtlich der Schadensarten folgendermaßen differenziert. a) Zwangstypische, eingriffsadäquate Schäden Unter zwangstypischen und eingriffsadäquaten Schäden sind Schäden aus Gefahren gemeint, die regelmäßig eintreten, d. h. zwangsläufig mit dem hoheitlichen Eingriff verbunden sind, wozu bei Zwangsimpfungen z. B. Unwohlsein und u. U. Fieber gehören können.126 Man könnte diese zwangstypischen Schäden als Nebenwirkungen bezeichnen, die aber regelmäßig eintreten. Solche Schäden sollen dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden.127

b) Untypische vorher angelegte Schäden Untypische Schäden, die nur im Zusammenhang einer beim Betroffenen individuellen Veranlagung eintreten, gehören dem allgemeinen Lebensrisiko an und sind nicht zu entschädigen, obwohl sie nur selten vorkommen.128 Ob ein solcher angelegter Schaden vorliegt, kann nur im Einzelfall festgestellt werden und ist deshalb hier nicht weiter von Bedeutung.

c) Untypische nicht vorher angelegte Schäden Eine andere Gruppe von Schäden, die nicht dem allgemeinen Lebensrisiko zugerechnet werden sollen, sind Schäden, die allein aufgrund des hoheitlichen Zwangs eintreten, aber untypisch sind.129 Untypische Schäden sind Schäden, die unvorhersehbar waren oder zwar vorhersehbar waren, deren Eintritt aber sehr unwahrscheinlich ist. Dadurch wird sichergestellt, daß eine Entschädigungspflicht nur für verhältnismäßig seltene Ausnahmefälle begründet wird und keine Gefahr der uferlosen Ausweitung einer staatlichen Entschädigungspflicht besteht.130 Darin kommt auch der Gleichheitssatz zum tragen, da der Eintritt dieser unwahrscheinlichen Schäden denjenigen, den es trifft, ungleich härter trifft als die anderen.

125 Ossenbühl, S. 138; ders., JuS 1970, S. 276, 277; BGHZ 9, S. 83, 88; BGHZ 17, S. 172, 175; BGHZ 66, S. 118, 120 f.; OLG FaM, NJW 1967, S. 633. 126 Ossenbühl, S. 137; ders., JuS 1970, S. 276, 277, 279. 127 Ossenbühl, S. 137; ders., JuS 1970, S. 276, 279; BGHZ 9, S. 83, 87. 128 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 279. 129 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 279. 130 BGHZ 9, S. 83, 92.

C. Enteignungsgleicher Eingriff

213

Bei einer Impfung soll der einzelne keine erheblichen gesundheitlichen Schädigungen auf sich nehmen.131 Ebenso soll der Autofahrer keinen Schaden dadurch erleiden, daß er durch sein Vertrauen auf die Ampelschaltung in einen Unfall gerät und deshalb Schäden davonträgt. Fraglich ist, ob die Schäden aus dem Sicherheitsgurt untypische Schäden in diesem Sinne sind. Daß der Fahrzeuginsasse Schäden durch einen Unfall erleidet, ist nicht untypisch. Die Besonderheit in den Sicherheitsgurtfällen liegt darin, daß bei jedem Fall eines Schadens durch einen Sicherheitsgurt eine konkrete Gefahr bestand, auch ohne Sicherheitsgurt zumindest geringere Schäden zu bekommen. Dennoch haben sich in den Fällen, in denen ein größerer Schaden durch Benutzung eines Sicherheitsgurts eingetreten ist, gerade nicht die Schäden verwirklicht, die durch die Gefahrenlage Verkehrsunfall ohne Sicherheitsgurt angelegt waren. Deshalb ist der Fall des Sicherheitsgurts mit denen der Ampelanlage und der Zwangsimpfung identisch. In allen Fällen haben sich nicht die Schäden verwirklicht, die sich ohne eine Nutzung verwirklicht hätten. Es handelt sich daher um untypische Risiken, für die eine Sonderopferlage anerkannt werden muß.132

3. Das allgemeine Lebensrisiko Die Abgrenzung nach dem allgemeinen Lebensrisiko ist ebenfalls als haftungsbegrenzendes Merkmal verwendet worden.133 Das allgemeine Lebensrisiko kann wegen seines grenzenlos möglichen Inhalts keine normativ abgrenzende Funktion übernehmen.134 Es betrifft letztendlich die Frage nach der Adäquanz der Schäden, die aber durch die normativen Kriterien zum Wohle der Allgemeinheit und des Sonderopfers ausgefüllt werden.135 Die Schäden, die diesen Kriterien nicht entsprechen, werden dann im Ergebnis dem allgemeinen Lebensrisiko zugeschrieben.136

4. Eigenart der hoheitlichen Maßnahme und Vorliegen einer typischen Gefahr Die Eigenart der hoheitlichen Maßnahme soll Aufschluß darüber geben, ob diese eine Gefahrenlage geschaffen hat, die zu den fraglichen Schäden geführt hat.137 Eine Haftung liegt demnach nur dann vor, wenn sich der Schaden als Folge BGHZ 9, S. 83, 88. Für das Vorliegen eines Sonderopfers in den Sicherheitsgurtfällen v. Brunn, DAR 1974, S. 141, 146; Müller, NJW 1983, S. 593 ff. 133 BGHZ 46, S. 327, 330; BGHZ 60, S. 302, 310 f. 134 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 280. 135 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 279. 136 Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 281. 137 Ossenbühl, S. 250; BGHZ 28, S. 310, 313; BGHZ 92, S. 34, 41; BGHZ 100, S. 335. 131 132

214

§ 5 Staatshaftung

dieser hoheitlich geschaffenen Gefahrenlage darstellt. Ähnlich dazu soll eine Haftung auch nur dann gegeben sein, wenn der Schaden in der Verwirklichung einer hoheitlich geschaffenen typischen Gefahr besteht.138 Die Bezugnahme auf das Bestehen einer Gefahrenlage bzw. typischen Gefahr als Schadensursache führt zum Vergleich mit einer Gefährdungshaftung, die im öffentlichen Recht umstritten ist139 und von der Rechtsprechung u. a. im ersten Ampelfall abgelehnt wurde.140

a) Entschädigungshaftung oder Gefährdungshaftung Hinsichtlich des ersten Ampelurteils sind Bedenken aufgekommen, ob es sich nicht um einen Fall der Gefährdungshaftung handelt, weil ein rechtswidriges Handeln sich nur auf menschliches Handeln und nicht auf vorliegendes technisches Versagen beziehen kann.141 Demzufolge hat der BGH im zweiten Ampelurteil argumentiert, daß die Rechtswidrigkeit nicht auf menschliches Verhalten bezogen werden dürfe, sondern die sachliche Richtigkeit der Regelung und die Übereinstimmung mit der objektiven Rechtslage entscheidend sei.142 Dieses zweite Ampelurteil ist dann auch als Durchbruch zur Anerkennung einer Gefährdungshaftung im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs begrüßt worden.143 Unabhängig von der Frage, inwieweit der enteignungsgleiche Eingriff in der heutigen Funktion einer Gefährdungshaftung gleich kommt, bestehen zumindest in Bezug auf eine normative Haftungsbegrenzung an dieser Stelle Übereinstimmungen.144

b) Besondere Gefahrenlage Obwohl eine Haftung wegen feindlichen Grüns aus dem Institut des enteignungsgleichen Eingriffs überwiegend bejaht wird, wird gerade das Bestehen einer BGH, NJW 1980, S. 770. Siehe zum Streitstand Ossenbühl, S. 368 ff.; Stuth, S. 126 ff.; das vom Bund erlassene Staatshaftungsgesetz vom 26. 6. 1981, BGBl. I, S. 553, ist aus kompetenzrechtlichen Gründen vom BVerfGE 61, S. 149 für nichtig erklärt worden. Von der daraufhin eingeführten Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 II GG ist bislang nicht Gebrauch gemacht worden. 140 BGHZ 54, S. 332, 336; BGH, NJW 1971, S. 607, 608; BGH, VersR 1972, S. 1047, 1049. 141 Wagner, NJW 1967, S. 2333, 2335; Zeidler, DVBl. 1959, S. 681 ff. 142 BGHZ 99, S. 249, 253. 143 Peine, JZ 1987, S. 824; gegen eine Gefährdungshaftung insbesondere Jox, NZV 1989, S. 133, 136 f.; Ossenbühl, JuS 1988, S. 193, 196. 144 Ossenbühl, S. 251 sieht in dem Kriterium der „typischen Gefahr“ eine Angleichung des enteigungsgleichen Eingriffs an die Funktion einer Gefährdungshaftung und sieht darin die Entbehrlichkeit einer eigenständigen richterrechtlichen Gefährdungshaftung, für letztere aber Olivet, NVwZ 1986, S. 431, 439; Peine, JZ 1987, S. 824. 138 139

C. Enteignungsgleicher Eingriff

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besonderen Gefahrenlage verneint, da Verkehrsampeln einerseits gerade Gefahren vermeiden sollen145 und andererseits zwar wegen ihres Vertrauenstatbestandes gefährlich sein können, aber eben typischerweise nicht gefährlich sind.146 Deshalb sollen sie auch nicht mit Atomkraftwerken, Flugzeugen, Straßenbahnen oder Autos zu vergleichen sein.147 Bei Anlagen zur Verkehrsregelung wird dem Fahrer auferlegt, dieser Anlage nicht nur zu vertrauen, sondern auch zu gehorchen.148 Der Fahrer ist durch die staatliche Obrigkeit daher gezwungen, die Anordnung der Anlage zu befolgen und das Restrisiko einzugehen. Für das Vorliegen einer Gefahrenlage kommt es jedoch sehr darauf an, um welche Gefahren, d. h. um welche Wahrscheinlichkeit zum Eintritt welcher Ereignisse es sich handelt und um welches potentielle Schadensausmaß es geht. Bei Ampelanlagen geht es lediglich um die Wahrscheinlichkeit, daß ein widersprüchliches Signal auftritt. Bei Straßenbahnen, Autos etc. gibt es eine Vielzahl möglicher Ereignisse mit unterschiedlichem potentiellen Schadensausmaß. Der Eintritt technischen Versagens als Ursache für Unfälle ist dabei am geringsten. Die meisten Unfälle bei Autos, Flugzeugen, Zügen und auch Atomkraftwerken liegen in menschlichem Versagen, seien es auch Wartungsfehler, begründet. Betrachtet man die Summe der möglichen gefahrbringenden Ereignisse bei Autos, Straßenbahnen etc., und vergleicht man diese mit der Wahrscheinlichkeit eines Vorliegens widersprüchlicher Ampelsignale, ist die Verkehrsampel weniger gefahrbringend. Man mag deshalb das Vorliegen einer besonderen Gefahrenlage verneinen. Das bringt jedoch die Lösung des Problems nicht voran. Denn es geht um die Frage, ob eine besondere Gefahrenlage, d. h. eine besondere Eintrittswahrscheinlichkeit mit besonderem Schadensausmaß hinsichtlich des konkreten Schadenseintritts vorlag. Da das Vorliegen einer Gefahrenlage davon abhängt, wie hoch Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß sind, führt dies zu der Frage, für welche Schäden überhaupt gehaftet werden soll. Hier ist daher wie bereits im Rahmen des Sonderopfers nach Schadenstypen zu unterscheiden. Auch den Sicherheitsgurt kann man nicht als Erschaffung einer besonderen Gefahrenlage ansehen. Genauso wie bei Zwangsimpfungen kann dessen Nutzung zwar im Einzelfall gefährlich sein, ist sie aber typischerweise nicht.

Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 581; Salzwedel, AöR 87, 104. Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 581. 147 Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 581. 148 Der Fahrer muß bei Grünlicht den Kreuzungsbereich zügig durchfahren, Jox, NZV 1989, S. 133, 135; Ossenbühl, JuS 1971, S. 575, 578; vorsichtiger Hentschel, § 37 StVO, Rnr. 45. 145 146

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§ 5 Staatshaftung

c) Widerspruch zwischen Kriterium der besonderen Gefahrenlage und Vorliegen eines Sonderopfers Bei der Betrachtung obiger Schadenstypisierungen zeigt sich, daß die entschädigungsfähigen Schäden nach den Kriterien des Sonderopfers solche sind, deren Eintritt unwahrscheinlich und deren Schadensausmaß gering oder groß ist. Stellt man aber darauf ab, daß sich bei den zu ersetzenden Schäden eine besondere Gefahr verwirklicht hat, müssen gerade alle Schäden ersetzt werden, deren Eintritt nicht ganz unwahrscheinlich bzw. nicht außerhalb des regelmäßigen Verlaufs der Dinge liegen, so z. B. bei Zwangsimpfungen Fieber und Unwohlsein oder beim Sportunterricht gelegentliche Prellungen und Verstauchungen149. Bezieht man sich auf die Kriterien des Sonderopfers, so ergibt sich für die Schäden aus feindlichem Grün, daß es sich um untypische Schäden handelt, die unwahrscheinlich sind und außerhalb des regelmäßigen Verlaufs der Dinge liegen und deshalb zu ersetzen sind, weil Ampelanlagen solche Schäden gerade nicht hervorrufen sollten. Bezieht man sich hingegen auf das Vorliegen einer besonderen Gefahr der hoheitlichen Maßnahme, die sich verwirklicht haben muß, so muß man zu dem Schluß kommen, daß sich gerade bei Ampelanlagen keine besondere Gefahr verwirklicht hat, denn der Fall des feindlichen Grüns ist sehr unwahrscheinlich und liegt außerhalb des regelmäßigen Ablaufs der Dinge. Die Anknüpfung an eine besondere Gefahr ist eine reine Kausalitätsprüfung, und im Ampelfall kann damit allenfalls geklärt werden, ob der Unfall die Verwirklichung der besonderen Gefahr darstellt, welche das feindliche Grün ausgesondert hat, was in aller Regel der Fall ist. Soll das Unmittelbarkeitskriterium aber mehr sein, als ein Kausalitätsmerkmal, so muß nach einem weiteren Grund gesucht werden, warum der Staat für dieses unwahrscheinliche Schadensereignis im Straßenverkehr haften soll.

5. Schutzzweck der Maßnahme: Gefahrenverminderung Der Bezug auf die Schutzzwecklehre des zivilen Schadensersatzrechts zur Begrenzung der Entschädigungshaftung,150 wird als weitgehend nutzlos kritisiert, da in den meisten Fällen eine deutlich formulierte Schutznorm fehlt, auf die Bezug genommen werden kann.151 In den vorliegenden Ampel- und Sicherheitsgurtfällen besteht jedoch eine hinreichend formulierte Schutznorm. In beiden Fällen ist der Schutzzweck der Straßenverkehrsordnung maßgeblich. Dieser strebt die Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Verhinderung von Gesundheitsschäden und Todes149 150 151

Ossenbühl, S. 137; ders, JuS 1970, S. 276, 277. Olivet, NVwZ 1986, S. 431, 436 ff. Ossenbühl, S. 250.

C. Enteignungsgleicher Eingriff

217

folgen durch die Teilnahme am Straßenverkehr an.152 Der Schutzzweck hilft aber über das bestehende Problem nicht hinweg, denn er läßt nicht erkennen, wer die bestehenden Restrisiken tragen soll. So wird gegen einen Aufopferungsanspruch wegen Gurtschäden angeführt, daß die Regelung den Zweck hat, bereits bestehende Gefahren zu vermindern, ein Anspruch aber nur dann gerechtfertigt wäre, wenn diese Regelung den Zweck verfehlen würde.153 Die Abgrenzung einer Haftung danach, ob die Maßnahme ohnehin bestehende Gefahren nur mindern will, führt nicht zu befriedigenden Ergebnissen, da auch die Zwangsimpfung lediglich bestehende Krankheitsgefahren vermindern will. Auch Verkehrsregelungsanlagen haben nur das Ziel, Gefahren durch ungeregelten Verkehr zu vermindern.

6. Ergebnisorientierte Betrachtung Der Anspruch eines Aufopferungsanspruchs für Schäden aus Zwangsimpfungen und aus der Benutzung eines Sicherheitsgurts ist mit dem Argument verneint worden, daß derjenige benachteiligt wird, der vernünftigerweise auch ohne subjektives Wissen vom Vorliegen eines hoheitlichen Zwangs oder einer hoheitlichen Empfehlung sich impfen läßt bzw. den Sicherheitsgurt anlegt.154 Die Konsequenz eines bestehenden Aufopferungsanspruchs wäre danach entweder darin zu sehen, daß derjenige, der ohnehin vernünftig handelt gegenüber denjenigen benachteiligt wird, die nur auf hoheitlichen Zwang hin handeln, wenn er keine Entschädigung bekommt oder aber, wenn er eine Entschädigung bekommt, gegenüber den anderen einen Vorteil zieht, den er ohne den hoheitlichen Zwang nicht hätte.155 Dieser Einwand ist aber nicht geeignet, eine Haftung wegen Auftretens dieser untypischen Schäden zu verneinen. Denn es geht nicht darum, daß derjenige priviligiert bzw. benachteiligt wird, der subjektiv ohne hoheitlichen Zwang vernünftig handelt, d. h. die Risiken in Kauf nimmt, weil die individuellen (und allgemeinen) Vorteile viel größer sind. Es geht darum, daß durch das abgeforderte vernünftige Handeln objektiv ein Vorteil für die Allgemeinheit besteht und zwar unabhängig von der Motivation des Handelnden und von dem Bestehen individueller Vorteile, so groß sie auch sein mögen. Denn durch das Bestehen des hoheitlichen Zwangs macht der Staat deutlich, daß ihm die Vorteile für die Allgemeinheit wichtig sind. Durch die hoheitliche Anordnung vernünftigen Handelns – Beachtung einer Signalanlage, Nutzung eines Sicherheitsgurts, Durchführung einer Schutzimpfung – setzt der Staat durch, daß der Bürger die individuelle Entscheidung, das Restrisiko einzugehen, objektiv nicht mehr hat. Der Staat nimmt dem Bürger die Entschei152 153 154 155

Vgl. Begründung zur StVO, VerkBl. 1970, S. 797 unter II. Leitgedanken. Schlund, DAR 1976, S. 57, 62. Schwabe, NJW 1983, S. 2370, 2371. Schwabe, NJW 1983, S. 2370, 2371.

218

§ 5 Staatshaftung

dung ab, weil er im Interesse des Gemeinwohls handelnd den Eintritt dieser untypischen Schäden in Kauf nimmt. Damit hat der Staat dem Bürger die Freiheit genommen, selbst zu bestimmen, ob er die Risiken eingehen will. Diese Feststellung ist aber auch nicht ausreichend, um die Frage zu klären, ob der Bürger die Risiken, die er eingehen muß, auch haftungsrechtlich zu tragen hat.

7. Abgrenzung nach Risikosphären Hinsichtlich der Schäden, die aus einer Verletzung beim schulischen Turnunterricht resultieren,156 hat der BGH entschieden, daß diese Verletzung die Folge einer Gefahrenlage darstellte, die auch in der außerschulischen Lebenssphäre bestehen würde. Im Rahmen der Prüfung eines Aufopferungsanspruchs hat er damit über eine reine Kausalitätsprüfung hinaus eine wertende Betrachtung vorgenommen und das Vorliegen eines Sonderopfers davon abhängig gemacht, ob neue Gefahrenlagen geschaffen wurden.157 Gemeint ist, daß das verwirklichte Risiko in den Fällen vom Geschädigten zu tragen ist, in denen er sich diese Verletzung auch ohne das Vorliegen des hoheitlichen Zwanges hätte zuziehen können.158 Es geht dabei um den Umstand, daß der Geschädigte dasselbe Risiko eingehen könnte, ohne daß immer zugleich auch hoheitlicher Zwang vorliegt. Da im Fall des Turnunterrichts die Möglichkeit besteht, die Turnübung z. B. auch im Rahmen eines Turnvereins in einer privaten Turnhalle auszuführen, hat der BGH das Sonderopfer verneint. Bei den Impffällen besteht die Möglichkeit, sich ohne Zwang zu impfen und beim Sicherheitsgurt besteht die Möglichkeit, diesen auch ohne die Vorgabe § 21 a StVO anzulegen. Die Fälle sind diesbezüglich gleich gelagert und eine Haftung müßte aus diesem Grunde auch gleichermaßen abgelehnt werden.159 Denn dies ist der einzige Unterschied zu den Ampelfällen, will man die Haftungsbegründung der Ampelfälle nicht nur auf die bestehende Rechtswidrigkeit und die Kausalität stützen. Im Unterschied zum Turnunterrichtsfall hat die Behörde in den Ampelfällen eine neue Gefahrenlage geschaffen. Diese besteht für den Verkehrsteilnehmer darin, bei der Überquerung einer Kreuzung im berechtigten Vertrauen einer Vorfahrt zu Schaden zu kommen, ohne daß ein Ersatzanspruch wegen der gegnerischen Verletzung einer Vorfahrtspflicht oder sonstigen Sorgfaltspflichtverletzungen besteht. Das Risiko eines Autounfalls, wie er sich in den Fällen des feindlichen Grüns verwirklicht, kann der Geschädigte nur in Verbindung mit dem hoheitlichen Zwang eingehen, da Risikoursache und hoheitlicher Zwang in der Ampelanlage zusammenfallen. Deshalb hat die Behörde auch für die daraus entstehenden Schäden zu haften. 156 157 158 159

BGHZ 46, S. 327, 330. Dazu Kötz, JZ 1968, S. 285 ff.; Ossenbühl, JuS 1970, S. 280 ff. Ossenbühl, JuS 1970, S. 276, 280; BGHZ 46, S. 327, 330; BGH, VersR 1967, S. 470. Im Ergebnis auch Schwabe, NJW 1983, S. 2370 f.

D. Beweislast

219

Sofern die zwingende Benutzung von Fahrerassistenzsystemen ähnlich der Pflicht zum Tragen eines Sicherheitsgurts staatlich verordnet werden sollte, wäre eine Haftung des Staates aus den gleichen Gründen abzulehnen. Auch hier würde sich lediglich ein Risiko verwirklichen, daß der Fahrer auch freiwillig eingehen könnte. Für widersprüchliche oder uneindeutige Signale mittels Infrastruktur hingegen haftet der Staat vergleichbar zu den Ampelanlagen. In diesen Fällen hat der Staat nämlich neuartige Risiken geschaffen, die der Bürger vorher nicht kannte und auch ohne Einbeziehung in den staatlichen Zwang nicht privat auf sich nehmen kann bzw. muß. Diese Risiken gehören daher nicht zum allgemeinen Lebensrisiko.

IV. Übertragung der haftungsbegrenzenden Zurechnungskriterien auf den polizeirechtlichen Entschädigungsanspruch Da der enteignungsgleiche Eingriff nur eingreift, soweit keine Entschädigungsvorschriften in den landesrechtlichen Polizei- und Ordnungsgesetzen gegeben sind, stellt sich die Frage, ob die haftungsbegrenzenden Zurechnungsnormen des enteignungsgleichen Eingriffs auch dort gelten. Dies muß bejaht werden, da es sich um spezialgesetzliche Konkretisierungen des enteignungsgleichen Eingriffs und gerade nicht um eine Gefährdungshaftung160 handelt. Durch das Unmittelbarkeitserfordernis innerhalb des polizeirechtlichen Entschädigungsanspruchs161 sind gleichzeitig auch die Kriterien zur Rationalisierung der Unmittelbarkeit und damit zur Haftungsbegrenzung in dem spezialgesetzlichen Entschädigungsanspruch enthalten.

D. Beweislast Die eigentliche Schwierigkeit zur Durchsetzung eines staatshaftungsrechtlichen Anspruchs besteht im Beweis widersprüchlicher Signale durch die Verkehrsregelungsanlage. Wie bereits erwähnt, ist es extrem unwahrscheinlich, daß die Anlage für beide entgegengesetzte Richtungen grünes Licht zeigt, denn vorher schaltet sie auf gelbes Blinklicht und danach auf für alle Richtungen geltendes Rotlicht. Die Rechtsprechung hat aufgrund eines Sachverständigengutachtens festgestellt, daß feindliches Grün rechnerisch innerhalb eines Zeitraums von 3 Monaten 1 : 44.000.000 beträgt, d. h. innerhalb von 3 Monaten eine von 44.000.000 Ampeln feindliches Grün anzeigt.162 Aufgrund dieser geringen Wahrscheinlichkeit werden 160 161

BGHZ 99, S. 249, 255. Jox, NZV 1989, S. 133, 136; BGHZ 99, S. 249, 252; OLG Ka, NZV 1993, S. 187.

220

§ 5 Staatshaftung

an den vom Kläger zu führenden Beweis für das Vorliegen des feindlichen Grüns sehr hohe Anforderungen gestellt.163 Bei Zeugen, die in aller Regel nur eine Signalgruppe beobachten können, ist die Fehlerquelle als mindestens doppelt so hoch wie bei sonstigen Zeugenaussagen einzustufen.164 Hinzu kommt die häufige Motivation eines Zeugen, selbst der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit zu entgehen, die eine unzureichende Beobachtung wesentlich wahrscheinlicher macht als das Vorliegen eines feindlichen Grüns.165 Liegen widersprüchliche Angaben auch zu anderen Bereichen des Unfallgeschehens vor, ist es durchaus möglich, daß sich zumindest ein Zeuge hinsichtlich des Lichtzeichens der Ampel ebenfalls geirrt hat.166 Die hohen Anforderungen an die Beweisführung können dennoch erreicht werden, wenn der Zeuge sehr glaubwürdig ist und eine Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit nicht zu befürchten hat.167 Kann festgestellt werden, daß bei Telematikanlagen eine ähnlich geringe Wahrscheinlichkeit einer widersprüchlichen Anzeige besteht, müssen ebenso hohe Anforderungen an die Beweisführung des Klägers gestellt werden.

OLG Hamm, NZV 1993, S. 481, 482; OLG Hamm, NZV 1997, S. 40, 41. OLG Hamm, NZV 1993, S. 481, 482; OLG Hamm, NZV 1997, S. 40, 41; OLG Ce, NZV 1999, S. 244, 245. 164 OLG Hamm, NZV 1993, S. 481, 482. 165 OLG Hamm, NZV 1993, S. 481, 482. 166 OLG Hamm, NZV 1999, S. 40, 41. 167 Wie im Fall OLG Ce, NZV 1999, S. 244 geschehen. 162 163

§ 6 Zusammenfassung A. Begriffsbildung Fahrerassistenzsysteme können im Gegensatz zu Telematiksystemen definiert werden als technische Ausstattungen im Fahrzeug, die, mit oder ohne Telematik, mit dem Ziel der Verbesserung der Sicherheit oder Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs oder des Komforts des Fahrzeugführers – durch Informationen oder Warnungen auf die Entscheidung des Fahrers zur Fahrzeugführung Einfluß nehmen, oder – einen mutmaßlichen Willen des Fahrers unterstellend, durch Interventionen in das Fahrzeugverhalten eingreifen.

Aus dieser Definition wird einerseits deutlich, daß das System die Entscheidungsfreiheit des Fahrers berücksichtigt und daß es andererseits nur einen mutmaßlichen Willen unterstellt, der im Einzelfall nicht dem wirklichen Willen entsprechen muß, so daß beim Fahrer eine Restverantwortung verbleibt.

B. Ergebnisse zum Zulassungsrecht I. Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr Die von Teilen der Literatur vertretene Ansicht, daß Artt. 8 Abs. 5 und 13 Abs. 1 WÜ mit bestimmten Fahrerassistenzsystemen nicht zu vereinbaren sind, ist abzulehnen. Es handelt sich bei den umstrittenen Artikeln um Verhaltensvorschriften, die für die Frage der Gestaltung von Fahrerassistenzsystemen nicht anwendbar sind. Denn dies ist eine zulassungsrechtliche Frage, bei der Verhaltenspflichten im Gegensatz zu Verhaltensmöglichkeiten nicht zu prüfen sind. Auch wenn es sich im Zulassungsrecht und bei den Fahrerpflichten um das gleiche Schutzgut handelt, sind die Vorschriften streng auseinander zu halten. Die Art und Weise, wie mit einer Sache umzugehen ist, folgt aus den technischen Eigenschaften der Sache. Soweit systeminitiierte, nicht-übersteuerbare Fahrerassistenzsysteme zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen, wäre eine Nichtzulassung aufgrund von Verhaltensvorschriften auch eine Auslegung, die dem Vertragszweck und dem Vertragsziel widersprechen würde. Es bleibt deshalb festzustellen, daß die vorgenommene Auslegung nicht nur seinem Wortlaut im Vertragszu-

222

§ 6 Zusammenfassung

sammenhang, sondern auch dem Vertragszweck und -ziel am besten entspricht. Es bedarf insoweit keiner Korrektur des Wortlauts durch eine Vertragsänderung.

II. Kraftfahrzeug-Zulassungsrecht 1. Risiko-Nutzen-Analyse Im Zulassungsrecht muß die Behörde abwägen, welche Risiken eines Sicherheitssystems in bezug auf dessen Nutzen für die Verkehrssicherheit hingenommen bzw. vertretbar sind. Diese Pflicht folgt aus der staatlichen Schutzpflicht auf Sicherheitsgewährleistung gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Insgesamt sind folgende Faktoren abzuwägen, um die Risiken auf ein vertretbares Maß zu beschränken: – Vermeidung herkömmlicher Unfälle – Häufigkeit, Schwere der Unfälle, die verhindert werden. – Wahrscheinlichkeit eines technischen Versagens im Fall einer Unfallverhinderung. – Wahrscheinlichkeit eines technischen Versagens in sonstigen Fällen und Art und Maß einer daraufhin entstehenden Verkehrsgefährdung. – Berechtigtes Vertrauen des Fahrers in die Funktionstüchtigkeit.

2. Berücksichtigung von Verhaltenspflichten Bei der Bauart von Fahrzeugen wird ein fehlerhafter Gebrauch des Fahrerassistenzsystems durch den Fahrer grundsätzlich nicht berücksichtigt. Auch das Fahrverhalten an sich wird nur insoweit berücksichtigt, als der durchschnittliche Fahrer in der Lage sein muß, das Fahrzeug mit seinen manuellen und kognitiven Fähigkeiten ordnungsgemäß zu bedienen.

3. Verhältnis StVO – StVZO Die Vorschriften der StVO begrenzen den möglichen Umgang mit dem zugelassenen Fahrzeug. Wenn ein Fahrzeug zu einem bestimmten Gebrauch zugelassen ist, muß dieser intendierte Gebrauch auch zulässig sein. Aufgrund des Grundsatzes, Normwidersprüche innerhalb der Rechtsordnung möglichst zu vermeiden, kann dem Fahrer nicht aufgrund eines Gesetzes (hier: der StVZO) ein konkreter Gebrauch erlaubt und gleichzeitig aufgrund eines anderen Gesetzes (StVO) verboten werden. Ein weiteres Argument für ein Zurücktreten der StVO-Norm ist der verfassungsrechtliche Schutz des Fahrers, der es ihm erlaubt, zugelassene Systeme

C. Ergebnisse zum Haftungsrecht

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zu nutzen, solange sie nicht abstrakt gefährdend sind. Wenn durch die Zulassung eines Systems eine Gefahr gemäß § 30 StVZO verneint worden ist, dann besteht auch kein Grund, dem Fahrer den Gebrauch dieses Systems aus ordnungsrechtlichen Gründen zu verweigern.

C. Ergebnisse zum Haftungsrecht I. Verhaltenspflichten Eine gesetzlich normierte Benutzungspflicht für Fahrerassistenzsysteme wäre nur dann verfassungsmäßig, wenn im Verhältnis zu allen Unfällen, die durch eine richtige Bedienung eines Fahrerassistenzsystems vermieden (bzw. deren Unfallschäden vermindert) werden, nur in sehr seltenen Fällen Unfälle aufgrund eines technischen Versagens und trotz richtiger Benutzung eines solchen Systems verursacht (bzw. deren Unfallschäden erhöht) werden. Nicht zu berücksichtigen ist ein Verschulden des Fahrers: Zum einen hat eine Pflicht zur richtigen Bedienung nichts mit der Bewertung eines technischen Risikos zu tun. Zum anderen ist die Frage, ob der Benutzer nach seinen Fähigkeiten überhaupt zur richtigen Bedienung in der Lage ist, keine Frage der zwangsweisen Nutzung eines solchen Systems, sondern eine Frage dessen Bauweise.

II. Verschulden des Fahrers Ein Verschulden des Fahrers im Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen liegt bei Bedienungsfehlern, bei unterlassener Nutzung sowie bei fehlender Aufmerksamkeit auf das wechselnde Verkehrsgeschehen vor. Als fehlerhafte Bedienung ist zu werten, wenn der Fahrer mit den Bedienungsfunktionen des Systems nicht umzugehen weiß und daher auch nicht weiß, wie er ein Fahrerassistenzsystem übersteuern oder abschalten kann (Unkenntnis der Bedienungsfunktionen). Zu den Bedienungspflichten des Fahrers gehört des weiteren, die Verkehrssituationen zu kennen, in denen das Fahrerassistenzsystem nicht zuverlässig funktioniert (Unkenntnis der Systemgrenzen). Eine unangepaßte Systemeinstellung als weiterer Fall einer fehlerhaften Bedienung liegt vor, wenn der Fahrer das Fahrerassistenzsystem für die jeweilige Verkehrssituation falsch einstellt und benutzt (Unangepaßte Systemeinstellung). In diesen Fällen funktioniert das System fehlerfrei und zuverlässig, ist aber für die konkrete Verkehrssituation in der vom Fahrer eingestellten Funktion untauglich. Hier liegt das Verschulden des Fahrers darin, daß er die Fähigkeiten des Systems nicht den Straßenverhältnissen angepaßt hat. Ein „blindes Systemvertrauen“ liegt vor, wenn der Fahrer das Fahrerassistenzsystem bewußt in Verkehrssituationen einsetzt, in denen es nicht zuverlässig funktioniert.

224

§ 6 Zusammenfassung

Kein Bedienungsfehler, aber ebenfalls fahrlässiges Handeln liegt vor, wenn der Fahrer zwar die Bedienungsfunktionen kennt und auch die Situationen, in denen das System nicht zuverlässig funktioniert, aber den Eintritt einer solchen Verkehrssituation nicht erkennt. In solchen Fällen fehlt dem Fahrer die nötige Aufmerksamkeit eines ordentlichen Kraftfahrzeugfahrers. Der Fahrer kann auch dadurch fahrlässig zu einem Unfall beitragen, indem er ein eingebautes Fahrerassistenzsystem nicht nutzt. Er kann entweder eine Information oder Warnung ignorieren, ein Fahrerassistenzsystem übersteuern obwohl es fehlerfrei funktioniert oder es ganz abschalten. Nutzt er ein System nicht, das im konkreten Fall einen Unfall verhindert oder gemindert hätte, so kann dem Fahrer auch ein Mitverschulden anzulasten sein. Grobe Fahrlässigkeit ist in der Regel bei bewußtem Ignorieren von Warnungen, bei bewußtem Abschalten oder Übersteuern eines zuverlässig funktionierenden Fahrerassistenzsystems sowie bei blindem Systemvertrauen anzunehmen.

III. Verschuldensunabhängige Haftung des Halters 1. Unabwendbares Ereignis Als Haftungsausschluß gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 StVG kommen Fälle in Betracht, bei denen von außen auf ein fehlerfreies System eingewirkt wird, so daß es fehlerhaft funktioniert, ohne daß der Fahrer den Fehler beheben kann. Solche Fälle können bei infrastrukturunterstützten Fahrerassistenzsystemen und bei solchen, die auf Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation basieren, vorkommen, wenn der Fahrer den Fehler nicht oder zu spät erkennt. Die Ursache muß in einer Störung der Infrastruktur oder im fremden Fahrzeug liegen. Kein Haftungsausschluß wegen Versagens der Vorrichtungen liegt vor, wenn ein Fahrerassistenzsystem ausfällt, in denen es grundsätzlich nicht zuverlässig funktioniert, z. B. Radarsysteme im Nebel. Ein Versagen der Vorrichtungen kann nur bei einem rein technischen Defekt in Situationen, in denen das System an sich zuverlässig funktionieren sollte, anzunehmen sein.

2. Höhere Gewalt Der Haftungsausschluß der höheren Gewalt ist im Unterschied zum unabwendbaren Ereignis nur in den Fällen der Störung der Infrastrukturanlage anzunehmen. Denn nur in diesen Fällen liegt die schadensbringende Ursache ausschließlich in der externen Anlage und nicht zumindest auch im fahrzeuginternen Fahrerassistenzsystem.

D. Ergebnisse zur Produkthaftung

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D. Ergebnisse zur Produkthaftung I. Mindestsicherheit Der Hersteller hat die Pflicht, das Fahrerassistenzsystem so sicher wie nach dem Stand von Wissenschaft und Technik möglich zu konstruieren. Er muß dabei eine gewisse Mindestsicherheit einhalten. Bei Fahrerassistenzsystemen ist die Mindestsicherheit dann nicht erfüllt, wenn durch eine richtige oder vorhersehbar fehlerhafte Benutzung eines Fahrerassistenzsystems mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unweigerlich ein erheblicher Schaden durch das System eintritt, ohne daß der Benutzer diesen abwenden konnte. Auch hier ist, ähnlich zu der Gefahrenprognose im Zulassungsrecht, die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts mit dem möglichen Ausmaß des Schadens abzuwägen. Anders als im Zulassungsrecht ist aber ein Fehlverhalten des Benutzers zu berücksichtigen. Deshalb kann die Erfüllung der Kfz-Zulassungskriterien nicht der Erfüllung der Mindestsicherheit gleichgesetzt werden. Die Mindestsicherheit ist z. B. dann nicht erfüllt, wenn das Fahrerassistenzsystem in bestimmten vorhersehbar auftretenden Verkehrssituationen plötzlich und ohne verkehrlichen Grund stark bremst, ohne daß andere Verkehrsteilnehmer damit rechnen mußten. Denn der Fahrer kann in einer solchen Situation einen wahrscheinlichen Auffahrunfall hinter ihm fahrender Fahrzeuge nicht mehr verhindern.

II. Konstruktionspflichten Da der Hersteller auch ein mögliches Fehlverhalten des Benutzers berücksichtigen muß, muß er alle Gefahren, die sich aus einem fehlerhaften Gebrauch ergeben können, durch eine bessere Konstruktion verhindern, soweit ihm dies möglich ist. Für den Hersteller bedeutet dies folgendes: – Situationen, in denen das Fahrerassistenzsystem durch richtigen oder falschen Gebrauch derart fehlerhaft reagiert, daß es unweigerlich zu einem Unfall kommt, müssen technisch praktisch ausgeschlossen sein. – Der Fahrer muß das Fahrzeug auch dann noch kontrollieren können, wenn das Fahrerassistenzsystem ausfällt. – Die Wahrscheinlichkeit, daß das Fahrerassistenzsystem versagt, muß auf das Möglichste reduziert werden. Je eher ein technisches Versagen zu einem Unfall führt, desto geringer muß die Wahrscheinlichkeit sein. Führt ein technisches Versagen unweigerlich zu einem Unfall, muß dieser Eintritt technisch praktisch ausgeschlossen sein. – Das Fahrerassistenzsystem muß sich abschalten oder den Fahrer warnen, sobald es nicht oder nicht zuverlässig funktioniert. 15 Bewersdorf

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§ 6 Zusammenfassung

– Das Fahrerassistenzsystem muß, sofern technisch möglich, so konstruiert sein, daß der Durchschnittsfahrer merkt, wenn sich das Fahrerassistenzsystem abschaltet oder abgeschaltet ist. – Die Bedienung darf nicht so kompliziert sein, daß die manuellen und kognitiven Fähigkeiten des Durchschnittsfahrers nicht ausreichen, das Fahrzeug samt Fahrerassistenzsystem richtig zu bedienen. Der Fahrer muß beim Fahren in jeder Verkehrssituation den Überblick über die Funktionen der verschiedenen Fahrerassistenzsystem behalten können. – Sofern möglich und zumutbar, muß eine Erinnerungsstrategie eingebaut werden.

III. Instruktionspflichten Sind alle Konstruktionspflichten ausgeschöpft, so muß der Hersteller den Benutzer über die restlichen Risiken informieren. Hierbei muß wiederum ein mögliches Fehlverhalten des Benutzers berücksichtigt werden. Zu den Instruktionspflichten, die für den Durchschnittsfahrer, der sich mit der Technik von Fahrerassistenzsystemen nicht auskennt, verständlich sein müssen, gehört folgendes: – Die Bedienungselemente und die Art und Weise ihrer Benutzung müssen erklärt werden. – Es muß beschrieben werden, in welchen Verkehrssituationen das System nur funktionieren kann und wann es nicht mehr zuverlässig funktioniert. – Es muß erklärt werden, weshalb das Fahrerassistenzsystem in bestimmten Situationen nicht mehr zuverlässig oder gar nicht funktioniert und der Fahrer sich deshalb nicht auf das System in diesen Situationen verlassen darf. – Der Benutzer muß darauf hingewiesen werden, daß er jederzeit die Verkehrssituationen beobachten muß, damit er das System der Situation entsprechend einstellen / abschalten kann.

E. Ergebnisse zur Staatshaftung I. Relevante Haftungsfälle Eine Staatshaftung kann bei fehlerhaften Infrastrukturanlagen in folgenden Fällen vorkommen: Verkehrsinformationen und Verkehrsregelungen: – Die Anlage sendet, insbesondere im Kreuzungsbereich, widersprüchliche Signale aus, die die Fahrer befolgen müssen und durch die es zu einem Unfall kommt, z. B. Vorfahrtsregelungen.

E. Ergebnisse zur Staatshaftung

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– Die Anlage gibt als zu befolgende Geschwindigkeitsbeschränkung eine offensichtlich zu geringe Geschwindigkeit an. Daraufhin kommt es zu Unfällen, weil die Anzeige die Fahrer verwirrt.

Verwaltungsvollstreckungsmaßnahmen: – Die Fahrzeuge werden entsprechend der widersprüchlichen Signale verkehrt geregelt und es kommt zu einem Unfall. – Die Anlage bremst die Fahrzeuge auf 0 km / h ab. Dann kann ein Vermögensschaden, z. B. Verdienstausfall entstehen, der u. U. ersetzt wird.

II. Risikozurechnung bei fehlerhaften Infrastrukturanlagen Anders als bei Sicherheitsgurten und staatlich verordneten Schutzimpfungen, hat der Bürger das Schadensrisiko bei fehlerhaften Verkehrsregelungsanlagen nicht zu tragen. Zwar verfolgen Sicherheitsgurte und Verkehrsregelungsanlagen das gleiche Ziel (Erhöhung der Verkehrssicherheit) und beinhalten ähnliche Risiken (Gesundheitsschäden oder Tod durch Verkehrsunfall), die in beiden Fällen nicht vermieden werden können. Der wesentliche Grund für eine Haftung bei fehlerhaften Verkehrsregelungsanlagen liegt darin, daß der Geschädigte sowohl die Risiken durch das Anlegen eines Sicherheitsgurtes als auch die Risiken im Zusammenhang mit einer Schutzimpfung auch im privaten Bereich, d. h. ohne staatlich verordneten Zwang eingehen könnte. Die Risiken eines Unfalls durch widersprüchliche Verkehrsregelungssignale hingegen kann der Verkehrsteilnehmer nur im Rahmen eines hoheitlichen Zwanges eingehen. Deshalb hat die Behörde auch für die daraus entstehenden Schäden zu haften.

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16 Bewersdorf

Stichwortverzeichnis Abstand 33, 36, 38, 39, 74, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 97, 111, 125, 126, 130, 161, 177 Allgemeine Betriebserlaubnis 58, 59, 75, 76, 77 Allgemeinwohlbezogenheit 204, 205, 206, 208, 209, 210, 211 Ampel 130, 188, 189, 190, 192, 193, 202, 205, 208, 209, 210, 213, 216, 218, 220 – feindliches Grün 192 Amtspflichten 184, 185, 186, 190, 191, 192, 194 – Verkehrsregelungspflichten 188, 189, 190, 193, 200, 201, 203 – Verkehrssicherungspflichten 119, 133, 134, 137, 139, 186, 187, 188, 189, 200 Anscheinsbeweis 117, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 177, 179, 180 Auslegungsregeln 46, 48, 49, 50, 54 Bedienbarkeit von Fahrerassistenzsystemen 155 Benutzergruppe 140, 141, 174 Besondere Gefahrenlage 214 Bestimmungsgemäßer Gebrauch 158 Betriebsgefahr 101, 102, 112, 113, 114, 116, 117, 118, 119, 127 Bildverarbeitung 34, 37 Bremsweg 39, 65, 91, 92, 128, 131, 154 EG-Richtlinie 133 Elektronik 27, 28, 63, 102, 145 Enteignungsgleicher Eingriff 203, 205, 207, 209, 211, 213, 215, 217 Entschädigunghaftung 210, 214, 216 Entwicklungsfehler 138, 168 Fahrerassistenzsysteme – Abstandsregeltempomat 30, 31, 32, 35, 63, 93, 98, 108, 109, 111, 115, 116, 117, 126, 127, 129, 130, 177

– Antiblockiersystem 32, 45, 54, 55, 63, 65, 66, 88, 91, 92, 154, 166 – Bremsassistent 30, 36, 92, 117 – Elektronisch gekoppelte Fahrzeuge 38, 94, 95 – Fahrzeug-Fahrzeug-Kommunikation 35, 37, 104, 191, 224 – Fußgängererkennung 34 – infrastrukturgestützt 30, 35, 38, 39, 104, 105, 184, 191, 193, 194, 219, 224 – Intelligente Geschwindigkeitsregelung 38, 40, 45, 54, 64, 74, 193, 195 – Kreuzungsassistent 37, 117 – Notbremssystem 31, 39, 64, 93, 94, 104, 105, 112, 116, 118, 126, 127, 128, 130, 131, 154, 165 – Sichtverbesserung 35 – Spurführung 34, 37, 39, 110, 117, 127, 132 – Spurwechselassistent 34 Fallbeispiel 1 63, 65, 84 Fallbeispiel 2 63, 193 Fallbeispiel 3 64, 99, 104, 110, 198 Fallbeispiel 4 64, 104 Fallbeispiel 5 85, 86, 89, 90, 99, 100, 132 Fallbeispiel 6 93 Fallbeispiel 7 98 Fallbeispiel 8 104 Fallbeispiel 9 108, 109 Fallbeispiel 10 108 Fallbeispiel 11 109 Fallbeispiel 12 110 Fallbeispiel 13 110 Fallbeispiel 14 111 Fallbeispiel 15 126, 130 Fallbeispiel 16 127 Fallbeispiel 17 127 Fallbeispiel 18 128 Fallbeispiel 19 129 Fallbeispiel 20 129

Stichwortverzeichnis Fallbeispiel 21 129 Fallbeispiel 22 130 Fallbeispiel 23 131 Fallbeispiel 24 132 Fallbeispiel 25 157 Fallbeispiel 26 179 Fallbeispiel 27 180 Fallbeispiel 28 191, 193 Fallbeispiel 29 193 Fehlerhafte Datenübertragung 193 Gefährdungshaftung

133, 210, 214, 219

Halter 27, 56, 61, 82, 101, 102, 103, 105, 107, 109, 111, 112, 113, 115, 117, 119, 120, 121, 122, 123, 130 Höhere Gewalt 114, 224 Informationssystem 34, 157, 160 Infrastrukturanlagen 28, 30, 35, 38, 39, 45, 54, 64, 74, 104, 105, 184, 185, 187, 188, 189, 190, 191, 193, 194, 195, 201, 204, 206, 219, 224, 226, 227 Instruktionsfehler 139, 172, 175 Instruktionspflichten 140, 150, 158, 170, 177, 226 Instruktionspflichten bei Fahrerassistenzsystemen 177 Intelligent Speed Adaptation 45, 54, 64, 74, 193, 195 Intelligente Geschwindigkeitsregelung 45, 54, 64, 74, 193, 195 Intelligente Transportsysteme 30 Interventionssystem 111, 132, 171 Konstruktionsfehler 179

149, 168, 170, 171,

Mensch-Maschine-Schnittstelle 61, 62, 145, 146, 169, 170 Mindestabstand 94, 96 Mindestsicherheit 142, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 157, 160, 163, 167, 168, 170, 171, 225 Mißbrauch 161, 171, 173 16*

243

Produkthaftung 28, 133, 134, 136, 138, 140, 142, 144, 146, 148, 150, 152, 154, 156, 158, 160, 162, 164, 166, 168, 170, 172, 174, 176, 178, 180, 182, 225 Produzent 133, 134 Radar 33, 34, 152 reaktive Verhaltensanpassung 164 Risiko 78, 151, 207 – Ausfallwahrscheinlichkeit 72, 157, 188 – Restrisiko 66, 67, 68, 69, 70, 72, 73, 81, 112, 143, 148, 151, 152, 207, 210, 211, 215, 217 – Risikoakzeptanz 151, 152, 153, 167 Risiko-Nutzen-Abwägung 65, 66, 67, 70, 71, 72, 166 Risikozurechnung 227 Sicherheitsabstand 90, 91, 93, 131 Sicherheitserwartung 139, 167, 170 Sicherheitsgewährleistung 68, 69, 78, 222 Sicherheitsgurt 69, 70, 71, 72, 73, 79, 81, 112, 151, 167, 206, 207, 208, 209, 213, 215, 217, 218 Sichtweite 85, 86, 87, 88, 89 Sonderopfer 203, 204, 205, 206, 209, 211, 218 Staatshaftung 28, 71, 184, 186, 188, 190, 192, 194, 196, 198, 200, 202, 204, 206, 208, 210, 212, 214, 216, 218, 220, 226, 227 Stand von Wissenschaft und Technik 134, 138, 142, 143, 144, 145, 147, 148, 150, 154, 155, 157, 167, 168, 169, 170, 225 Systemausfall 84, 109, 115, 126, 129, 157, 179, 192, 193, 199 Systemsicherheit 144, 145, 157, 169 – Fehlerbaumanalyse 145, 157, 169 – FMEA 145, 157, 169 – Redundanz 188 Technisches Versagen 126, 130, 157 – Fehlerhafte Detektion 127, 131 – Längsführungsfehler 126 – Querführungsfehler 127 Telekommunikation 28, 29, 31, 32 Telematik 28, 29, 30, 31, 32, 187, 191, 221 Tempomat 36

244 Unabwendbares Ereignis

Stichwortverzeichnis 113, 224

Verkehrsinformationssysteme 35 Verkehrspflichten 109, 117, 120, 121, 139, 160, 173, 174 Verkehrssicherheit 27, 58, 60, 65, 69, 71, 72, 74, 79, 101, 160, 205, 207, 210, 216, 221, 222, 227 Verschulden – Bedienungsfehler 107, 108, 110, 120, 128, 129, 132, 164, 224 – Ignorieren einer Warnung 111, 120, 122, 125, 129, 130 – Unterlassene Nutzung 110, 127, 129, 131, 132, 164

Vorfahrt 38, 64, 86, 98, 99, 104, 110, 132, 218 Vorhersehbarer Fehlgebrauch 161 Warnsystem 34, 157 Weiterfresserschaden 135 Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr 41, 43, 44, 46, 50, 57, 74, 82, 83, 95, 105, 106, 221 Wiener Vertragsrechtskonvention 46, 47, 48, 49, 50, 51 Zulassungsrecht 53, 58, 59, 144 Zumutbarkeit 142, 147, 150, 151, 171, 188 Zurechnungskriterien 202, 204, 205, 208, 211, 219