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German Pages 303 Year 2006
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 344
Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche und faktische Duldungszwänge Eine Untersuchung zu den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB
Von Felix Maultzsch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
FELIX MAULTZSCH
Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche und faktische Duldungszwänge
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 344
Zivilrechtliche Aufopferungsansprüche und faktische Duldungszwänge Eine Untersuchung zu den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB
Von Felix Maultzsch
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-12074-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2005 durch die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich November 2005 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt in erster Linie meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Dietrich V. Simon, der meinen juristischen Werdegang sowohl während des Studiums als auch meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl über viele Jahre gefördert hat. Die vorliegende Arbeit hat er mit großer Geduld und konstruktiver Kritik begleitet. Danken möchte ich ebenfalls Herrn Professor Dr. Hartmut Oetker, der nicht nur die Erstellung des Zweitgutachtens übernommen, sondern mich auch in gemeinsame wissenschaftliche Projekte einbezogen hat. Die Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes großzügig unterstützt. Für den rechtsökonomischen Teil war ein Studienjahr an der New York University School of Law gewinnbringend, das durch ein Hauser Global Scholarship und ein FulbrightStipendium finanziert wurde. Ein besonderer Dank gilt aber meinen Eltern sowie meiner Freundin Daniela Rothe. Sie haben mir, jeder auf seine Weise, alle erdenkliche Unterstützung und Hilfe zukommen lassen und dadurch das Entstehen dieser Arbeit erst möglich gemacht. Frankfurt am Main, im Januar 2006
Felix Maultzsch
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff der Eigentumsaufopferung im Privatrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Einbeziehung „faktischer Duldungszwänge“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ziel und Gang der Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der faktische Duldungszwang in Rechtsprechung und Literatur zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entwicklungslinie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . a) Die Entstehung des allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Ausgleich für praeter legem statuierte Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Übergang zu einer Anwendung auf rechtswidrige Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Öffentlich-rechtliche Vorläufer der Erstreckung auf rechtswidrige Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Ausbau des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zu einer umfassenden Anspruchsnorm für faktische Duldungszwänge im nachbarlichen Raum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die verbleibende Bedeutung der Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtswidrige Beeinträchtigungen als Sonderopfer per se . . . . bb) Das Erfordernis eines faktischen Duldungszwangs. . . . . . . . . . . c) Versuche einer Einschränkung des Anspruchs bei rechtswidrigen Schädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Verhältnis zur Deliktshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Subsidiarität trotz Nichtbestehens eines anderweitigen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Abgrenzung gegenüber Sonderrechtsbeziehungen. . . . (2) Die Subsidiarität gegenüber Tatbeständen der Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Meinungsspektrum in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befürwortung der Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB durch die h. L. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnende Stimmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Differenzierende Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis aa) Der Gedanke der potentiellen Rechtsschutzverkürzung . . . . . . bb) Die Theorie der Begünstigtenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der faktische Duldungszwang in Rechtsprechung und Literatur zu § 904 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Befürwortung der Analogie durch die h. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnende Stimmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Differenzierende Auffassung nach Maßgabe des Begünstigungsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Überleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem. . . . . . I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der erfolgsbezogene Eingriff als möglicher Grundgedanke der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das haftungssystematische Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösungsversuche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bedeutung des faktischen Duldungszwangs . . . . . . . . . . . . (1) Das Verhältnis zur negatorischen und deliktischen Haftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die systemgerechte Lösung beweisrechtlicher Probleme. (a) Beweislast hinsichtlich der Duldungspflicht . . . . . . . . (b) Beweislast bezüglich des Verschuldens. . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Verhältnis des faktischen Duldungszwangs zur Vertrauenshaftung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Begrenzung auf das Umfeld gesetzlicher Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Problematik des Umfeldkriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das einschränkende Kriterium der potentiellen Rechtsschutzverkürzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die begrenzte Reichweite des Kriteriums . . . . . . . . . . (b) Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten zur Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Gedanke des vorsätzlichen Eingriffs als mögliche Haftungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Theorie eines allgemeinen Abwägungsprinzips . . . . . . . . . . . . . aa) Die Lehre Hubmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die beschränkte Verwirklichung des Abwägungsprinzips im Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Unvereinbarkeit mit dem Wesen des privatrechtlichen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Der Gedanke einer Haftung für vorsätzliche Rechtseingriffe als Risikozuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Aufopferung und Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Die haftungssystematische Problematik des Begünstigungsgedankens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Fragwürdige Differenzierungsfolgen des Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Die mangelnde Vereinbarkeit mit den Wertungen des Bereicherungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Die Einschlägigkeit des Bereicherungsrechts bei konkret erlangten Vorteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Die Unvereinbarkeit einer abstrakten Begünstigtenhaftung mit § 818 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Die abweichende gesetzliche Wertung im direkten Anwendungsbereich der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Eingriffsbefugnisse als Grundlage einer bereicherungsunabhängigen Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Keine Erweiterung der Aufopferung auf die irrtümliche Annahme einer Eingriffsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Vermeintliche Wertungswidersprüche bei Ablehnung der Analogie zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. . . . . 100 bb) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Die Zurechenbarkeit von Drittverhalten bei faktischen Duldungszwängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Fremdnütziges Verhalten bei § 904 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Fremdnütziges Verhalten bei § 906 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Aufopferung und Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Die Fehlerhaftigkeit der Deutung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Tatbestand der Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Die Relevanz des Enumerationsprinzips der Gefährdungshaftung für faktische Duldungszwänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Gesetzgeberische Wertungsspielräume als Grund der Sperrwirkung gegenüber Rechtsfortbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Exemplarische Verdeutlichung an der Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Unfallschäden durch defekte Leitungsanlagen. . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Die Emission schädigender Substanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Die Erforderlichkeit einer abstrakten Abgrenzung zur Gefährdungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
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Inhaltsverzeichnis IV. Keine Begründbarkeit einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter Rückgriff auf römisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung. I. Der Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erklärungsprobleme auf der Grundlage des klassisch-liberalen Eigentumsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Unergiebigkeit der Verfassung zur Lösung des Problems . . . . . . . a) Allgemeinwohl vs. Ausgleich privater Interessen . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatlicher Schutz vor Rechtsverletzungen durch Private vs. Aufopferungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Leistungspflichten vs. Lösung privater Konflikte . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aufopferungspflichten als Marktimitation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufopferungspflichten als „Versicherungsvertrag“? . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vom Eigentum über den Markt zur Aufopferungspflicht: Der Property-Rights-Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Funktionszusammenhang von Eigentum und Markt . . . . . . . . . b) Das Eigentum als Voraussetzung des Markts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenbemerkung zur Relevanz ökonomischer Argumente für das behandelte Thema. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aufopferungspflichten als Ersatz für einen Markt . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Marktimitation als rechtliche Reaktion auf Marktversagen . . . . . . a) Externalitäten als Wohlfahrtsverluste aufgrund von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Zuteilung rechtlicher Befugnisse als Ausgleich von Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Die Ermöglichung wertschöpfender Kooperation durch das Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Grenzen des Prinzips der Marktimitation als Grundlage von Eingriffsbefugnissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Querverbindungen zu anderen privatrechtlichen Instituten . . . . . . . . . . a) Ergänzende Vertragsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mutmaßliche Einwilligung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mögliche Kritik an der Modellfähigkeit privatautonomer Willkür d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Einordnung der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB in das entwickelte Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Transaktionskosten in Notstands- und Immissionsfällen . . . . . aa) § 904 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kosten-Nutzen-Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130 131 132 133 134 136 139 141 141 141 143 143 145 148 149 150 150 153 156 160 164 164 166 168 170 170 171 171 174 176
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aa) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) § 904 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation . . . . . . . . . 185 1. Aufopferungsansprüche als Anerkennung von Eigentumsrechten . . . . . 186 a) Der Primat des subjektiven Rechts gegenüber Nutzenerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Rechtsökonomische Flankierung des Primats: Wohlfahrtseffekte und „status quo bias“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Die Abhängigkeit des Aufopferungsgedankens vom Inhalt des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Die Kritik an der Unterscheidbarkeit von Rechtsgrenzen und Duldungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Replik am Beispiel der Entwicklung des Immissionsrechts . . . 193 d) Keine Umverteilung von Vermögen durch Aufopferungspflichten . 198 aa) Das Erforderlichkeitsprinzip als rechtsdogmatischer Anknüpfungspunkt für den Aufopferungsanspruch . . . . . . . . . . . . . 199 bb) Die Abgrenzung der Eigentumsaufopferung von ausgleichslosen Rechtseinbußen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (1) Der Unterschied zum gesetzlichen und gutgläubigen Eigentumserwerb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (2) Der Unterschied zu Duldungspflichten kraft Verantwortung (§§ 227, 228 Satz 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Die Vermeidung von Effizienzverlusten als Funktion von Aufopferungsansprüchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Die Entbehrlichkeit interpersonaler Nutzenvergleiche . . . . . . . . . . . . 209 b) Die Anreizwirkung der Ausgleichspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Die Anreizfunktion für den Eingreifenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Die Anreizfunktion für den Duldungspflichtigen . . . . . . . . . . . . 212 cc) Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Die Vereinbarkeit des entwickelten Modells mit der konkreten Ausgestaltung des Ausgleichs nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 a) Das Junktim von Aufopferungspflicht und Aufopferungsanspruch. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) § 904 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (1) Die Regelung des § 906 Abs. 1 BGB als tatbestandliche Grenze des § 1004 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 (2) Das Regelungsgeflecht des § 906 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . 220 (a) Die Unergiebigkeit nicht tatbestandsbezogener Klassifizierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
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Inhaltsverzeichnis (b) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB als Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Verneinende Auffassung in Anknüpfung an das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis . . . . . (bb) Die grundsätzliche Geltung des § 1004 Abs. 1 BGB auch für ortsübliche Beeinträchtigungen . . (cc) Die Abgrenzung zwischen § 1004 Abs. 1 und 2 BGB anhand des Zusammenspiels von Vermeidbarkeit und Ortsüblichkeit der Immission . . (c) Das Kriterium der Zumutbarkeit in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Die Begrenzung auf bestimmte Fallgruppen . . . (a) Kein Ausgleich für die Beeinträchtigung nicht-ortsüblicher Grundstückserträge . . . . . (b) Die Aussparung von Einbußen, die auf unwesentliche Einwirkungen zurückgehen (g) Kein Ausgleich bei saldierbaren Vorteilen (d) Die Unvereinbarkeit einer allgemeinen Abwägung mit der Indizwirkung öffentlich-rechtlicher Immissionsstandards . . . . . . (bb) Die Behandlung vorhersehbarer Nutzungskonflikte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Unterschied zwischen Ortsüblichkeit und Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Unbeachtlichkeit des Gedankens der Selbstgefährdung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Die zutreffende Verortung des Problems bei § 254 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Person des Ausgleichspflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 904 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Diskrepanz in den Rechtsfolgen aus Sicht der h. M. . . . . . bb) Das alternative Erklärungsmodell unterschiedlicher zeitlicher Anknüpfungspunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vergleich mit dem Gedanken eines hypothetischen Kaufpreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei faktischen Duldungszwängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
222 222 223
225 227 228 228 229 230
231 231 232 233 234 236 236 237 237 240 240 240 242 243 248 248 249
Inhaltsverzeichnis
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1. Die Fehlerhaftigkeit des Analogieschlusses unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Keine abweichende Beurteilung aufgrund der Anreizfunktion der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 V. Exkurs: Der enteignende und enteignungsgleiche Eingriff . . . . . . . . . . . . . . 258 E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. E. a. F. Abs. AcP ACR AG AHB Alt. Anm. AöR Art. Aufl. BB BBergG Bd. BergG-DDR bez. BGB BGH BGHZ BImSchG
BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE bzw.
anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) Archiv für das Civil- und Criminalrecht der Königlich-Preußischen Rheinprovinzen (Zeitschrift) Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung Alternative Anmerkung Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) Artikel Auflage Betriebsberater (Zeitschrift) Bundesberggesetz v. 13. August 1980 Band Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik v. 12. Mai 1969 bezüglich Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung v. 2. Januar 2002 Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) in der Fassung der Bekanntmachung v. 26. September 2002 Drucksache des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis d.h. DAR DB ders. dies. Diss. DVBl. EG EinlPrALR etc. EuGRZ EWiR f. ff. Fn. GA GewO GG GRUR h. L. h. M. HaftpflG HGB Hrsg. i. V. JA JherJb JITE JR Jura JuS JW JZ LG LM LuftVG m. w. N. MDR
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das heißt Deutsches Autorecht (Zeitschrift) Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe dieselbe Dissertation Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Europäische Gemeinschaft Einleitung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten v. 5. Februar 1794 et cetera Europäische Grundrechte-Zeitschrift Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgend folgende Fußnote Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (Zeitschrift) Gewerbeordnung v. 21. Juni 1869 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. Mai 1949 Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) herrschende Lehre herrschende Meinung Haftpflichtgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 4. Januar 1978 Handelsgesetzbuch v. 10. Mai 1897 Herausgeber in Verbindung Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts (Zeitschrift) Journal of Institutional and Theoretical Economics (Zeitschrift) Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Juristen Zeitung (Zeitschrift) Landgericht Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Fritz Lindenmaier und Philipp Möhring Luftverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung v. 27. März 1999 mit weiteren Nachweisen Monatszeitschrift des Deutschen Rechts
16 Mot. NJW NJW-RR Nr. NuR NZM OLG ProdHaftG Prot. RabelsZ RdA Rdnr. RG RGZ S. UmweltHG UTR v. vs. VersR VerwArch vgl. VRS VVDStRL WEG WHG WM z. B. ZEuP ZfL ZfS ZgS ZHR zit. ZRP ZStW ZVersWiss
Abkürzungsverzeichnis Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) Nummer Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Mietrecht Oberlandesgericht Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (Produkthaftungsgesetz) v. 15. Dezember 1989 Protokolle zum Bürgerlichen Gesetzbuch Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Randnummer Reichsgericht Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Seite Umwelthaftungsgesetz v. 10. Dezember 1990 Umwelt- und Technikrecht (Zeitschrift) vom versus Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) vergleiche Verkehrsrechts-Sammlung (Entscheidungssammlung) Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (Wohnungseigentumsgesetz) v. 15. März 1951 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts in der Fassung der Bekanntmachung v. 19. August 2002 Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Lebensrecht Zeitschrift für Schadensrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft
A. Einleitung I. Der Begriff der Eigentumsaufopferung im Privatrecht Mit dem Begriff der Eigentumsaufopferung werden im Zivilrecht klassischerweise Regelungen umschrieben, nach denen ein Rechtsinhaber einen Ausgleich dafür erhält, daß er gewisse Einwirkungen auf sein Eigentum zugunsten überwiegender Interessen eines anderen Privaten dulden muß.1 Dem Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts sind vor allem die folgenden Regelungen zuzuordnen:2 Nach § 904 Satz 2 BGB kann ein Eigentümer Schadensersatz beanspruchen, wenn sein Eigentum erlaubterweise zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr in Anspruch genommen wurde, aus der ein unverhältnismäßig großer Schaden drohte (sogenannter aggressiver Notstand). Gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht ein Anspruch auf angemessenen Ausgleich in Geld, wenn ein Grundstückseigentümer wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Immissionen eines Nachbarn dulden muß, weil diese nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vermeidbar sind und soweit er hierdurch über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird. Daneben werden dem Aufopferungsgedanken auch andere Vorschriften des Nachbarrechts zugeordnet, nämlich der Rentenanspruch bei einem zu duldenden Grenzüberbau nach § 912 Abs. 2 BGB und bei einem Notwegerecht gemäß § 917 Abs. 2 BGB. Als Ausgleich für eine Duldungspflicht wird darüber hinaus der Schadensersatz für die Konsequenzen der berechtigten Verfolgung eines Bienenschwarms (§ 962 Satz 3 BGB) begriffen, obgleich diese Regelung heute weitgehend den Status einer historischen Koloratur genießt. Zu nennen ist weiterhin die sogenannte große Haverei im Sinne des § 700 HGB, bei der ein Teil der Ladung eines Schiffes geopfert wird, um noch größere Schäden abzuwenden. Gemäß § 700 Abs. 2 HGB 1
Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 717; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1348; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 97 ff.; N. Horn, JZ 1960, 350; Hubmann, JZ 1958, 489 (491); Konzen, Aufopferung, S. 101 ff.; Michaelis, Festschrift Siber, Bd. II, S. 185 (294). 2 Ein umfangreicher Überblick zu den zivilrechtlichen Haftungsvorschriften, die dem Aufopferungsprinzip folgen, findet sich bei Konzen, Aufopferung, S. 101 ff.
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A. Einleitung
gebührt dem betroffenen Eigentümer dann ein anteiliger Ausgleich von den Inhabern des geschützten Eigentums. Die Vorschrift des § 14 Satz 2 BImSchG nimmt schließlich eine Sonderstellung zwischen privatem und öffentlichem Recht ein: Sie sieht einen Ausgleich für die Pflicht vor, Emissionen zu dulden, die von behördlich genehmigten Anlagen ausgehen. Hiermit wird ein Privatrechtsverhältnis gestaltet, um einer hoheitlichen Genehmigung praktische Wirksamkeit zu verleihen.3 Der Geldzahlungsanspruch ersetzt in diesen Konstellationen den „an sich“ bestehenden Abwehr- oder Beseitigungsanspruch gegenüber der betreffenden Störung, der aus § 1004 Abs. 1 BGB folgt, jedoch aufgrund einer Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB im Ergebnis ausgeschlossen ist.4 In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig auch von einer Kompensation für „erlaubte Rechtsverletzungen“ oder für eine „aus besonderem Anlaß“ erfolgende Einschränkung des Eigentumsschutzes durch eine Duldungspflicht gesprochen.5 Zugleich wird aber darauf hingewiesen, daß der bloße Ausschluß „an sich“ gegebener Abwehrrechte durch eine Eingriffsbefugnis keine hinreichende Voraussetzung für einen Aufopferungsanspruch darstellt.6 So muß z. B. eine Person im Rahmen einer gegen sie gerichteten Notwehr (§ 227 BGB) oder eines ihr zuzurechnenden defensiven Notstands (§ 228 Satz 1 BGB) unter Umständen Einwirkungen auf ihr Eigentum im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB dulden, ohne daß ihr ein korrespondierender Aufopferungsanspruch zusteht. Die vorherrschende Ansicht geht dementsprechend davon aus, daß für einen Anspruch nach Aufopferungsgrundsätzen maßgeblich sei, ob aufgrund der Duldungspflicht ein Sonderopfer vorliege, das dem Betroffenen ohne Geldausgleich nicht zugemutet werden könne.7 3 Aufgrund der privatrechtsgestaltenden Wirkung wird § 14 Satz 2 BImSchG überwiegend als zivilrechtliche Aufopferungshaftung eingeordnet: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 732; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 II 3, S. 661; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 76; a. A. Schapp, Nachbarrecht, S. 47 ff. 4 RGZ 58, 130 (134); BGHZ 16, 366 (369 f.); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 719; Dünnhaupt, Schadenersatz, S. 52; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 19 f.; Konzen, Aufopferung, S. 109, 129 f.; Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (136); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1a, S. 655; Schapp, Nachbarrecht, S. 47; Soergel/J. Baur, § 903 Rdnr. 45; Spyridakis, Festgabe Sontis, S. 241 (246); Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 25; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 5 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 716 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 218 I, S. 1345; Horst, Querverbindungen, S. 64; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 97 ff.; N. Horn, JZ 1960, 350; Hubmann, JZ 1958, 491; Konzen, Aufopferung, S. 101 ff.; Michaelis, Festschrift Siber, Bd. II, S. 185 (294). 6 H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 1; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 68; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 4.
II. Die Einbeziehung „faktischer Duldungszwänge“
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Nach dieser Auffassung hat die Kompensation wegen Eigentumsaufopferung ein stark billigkeitsrechtliches Gepräge. Beispielhaft spiegelt sich dies an Stellungnahmen zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wider.8 Hier wird von einigen Literaturvertretern betont, daß der Ausgleichsanspruch als Konsequenz des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zwischen den Beteiligten zu begreifen sei, das aus Gründen der Billigkeit einen Ausgleich gebiete, wenn Immissionen dem Betroffenen sonst ein unzumutbares Opfer abverlangen würden.9 Und auch der Bundesgerichtshof betrachtet § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht nur als eine Ausprägung des klassischen bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs im Sinne einer Kompensation für Duldungspflichten aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, sondern zugleich auch als sogenannten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, der seinen Grund in nachbarrechtlichen Rücksichtnahmepflichten und Zumutbarkeitserwägungen finde.10 Aus diesem Blickwinkel erscheint es dann folgerichtig, in die bestehenden Aufopferungsansprüche auch andere Formen von Sonderopfern einzubeziehen, die zwar nicht in der Erduldung einer Eingriffsbefugnis im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB bestehen, aber ebenso einen billigkeitsrechtlichen Ausgleich zu fordern scheinen.
II. Die Einbeziehung „faktischer Duldungszwänge“ Dementsprechend hat sich in Rechtsprechung und Literatur insbesondere zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine Auffassung herausgebildet, nach der diese Vorschriften analog auch im Fall bestimmter rechtswidriger Beeinträchtigungen anwendbar sein sollen, die nicht den Eingriffsvoraussetzungen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB entsprechen. Es handelt sich hierbei um die Fälle eines sogenannten faktischen Duldungszwangs. Hier muß der betroffene Eigentümer die Beeinträchtigung zwar de iure nicht dulden, sondern es stehen ihm negatorische Ansprüche aus § 1004 BGB bzw. die korrespondierenden Selbsthilferechte aus den §§ 227, 7 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 183 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 157; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 718; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/1, § 8 II 5, S. 136; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1347; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 185 f.; Gerlach, Umweltschutz, S. 222 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 37; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 73. 8 Zum kontroversen Standort dieser Vorschrift zwischen Aufopferungshaftung und reiner Billigkeitshaftung näher unten D. III. 3. a) bb) (2). 9 So vor allem Bälz, Strukturwandel, S. 38 ff.; ders., Freundesgabe Kübler, S. 355 (362 ff.) und Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 100 ff. 10 Seit BGHZ 48, 98 (100 f.) und 72, 289 (291); jüngst wieder BGH, NJW 2003, 2377 f. und NJW 2004, 3701 (3702).
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A. Einleitung
228 Satz 1 BGB zu. Es ist ihm jedoch aufgrund bestimmter tatsächlicher Umstände nicht mit zumutbaren Mitteln möglich, die schädigende Beeinträchtigung abzuwenden. Bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB betrifft dies vor allem die folgenden Fälle:11 fehlerhaft ausgeführte Bauarbeiten führen auf einem Nachbargrundstück zu Schäden, die aufgrund des schnellen zeitlichen Ablaufs präventiv nicht abgewehrt werden konnten; Emissionen benachbarter Betriebe überschreiten das Maß des Ortsüblichen bzw. hätten durch den Emittenten mit zumutbaren Mitteln verhindert werden können und sind somit nicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu dulden, ohne daß aber vor Eintritt bestimmter Schäden primärer Rechtsschutz erreichbar war; Schadstoffe dringen von einem Grundstück auf angrenzendes Gelände, ohne daß dessen Benutzer dies oder das Ausmaß der Kontamination erkannt hat; durch das Versagen von Leitungsanlagen in Gebäuden entstehen bei Nachbarn Wasser- oder Feuerschäden. In bezug auf § 904 BGB ist an folgende Fallgruppen zu denken: der Eingriff erfolgt zur Abwehr einer nicht wirklichen, sondern nur irrtümlich angenommenen Gefahr oder er dient dem Schutz eines nicht wesentlich überwiegenden Interesses, kann aber von dem betroffenen Eigentümer faktisch nicht abgewehrt werden. In all diesen Konstellationen stellt sich die Frage, ob dem betroffenen Eigentümer ein Ersatzanspruch zusteht. Da es sich um rechtswidrige Einwirkungen handelt, ist zunächst an deliktische Ansprüche zu denken. Diese scheitern aber häufig an fehlendem oder zumindest nicht nachweisbarem Verschulden. Beispielsweise: Die das Nachbargrundstück schädigenden Bauarbeiten wurden durch einen selbständigen Bauunternehmer ausgeführt; den Bauherrn trifft insoweit kein Verschulden und er haftet auch nicht nach § 831 BGB, während der Bauunternehmer unter Umständen insolvent ist. Oder: Die irrtümliche Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 904 Satz 1 BGB war aufgrund des raschen Handlungsbedarfs nicht schuldhaft, wie durch § 823 Abs. 1 BGB gefordert. Dann stellt sich die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch in Analogie zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gewährt werden kann. Die Rechtsprechung und h. L. bejahen dies.12 Ausgehend von der Annahme, daß diese Aufopferungsansprüche dem billigen Ausgleich unzumutbarer Eigentumsbeeinträchtigungen dienen, sollen auch solche Einwirkungen analog in die Ausgleichspflicht einbezogen werden, die zwar die betreffende Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB überschreiten, aber aus triftigen tatsächlichen Gründen durch 11 Siehe für Einzelheiten den Überblick zur Entwicklung der Rechtsprechung unter B. I. 1. 12 Ausführlich unter B.
III. Ziel und Gang der Darstellung
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den Betroffenen nicht in zumutbarer Weise unterbunden werden konnten. Einem rechtlichen Duldungszwang wird insoweit ein faktischer Duldungszwang gleichgestellt, da auch diese Konstellationen ein unzumutbares Sonderopfer für den geschädigten Eigentümer enthielten, dessen Ausgleich der Sinn der betreffenden Aufopferungsnormen sei. Daher wird in der Literatur dazu aufgefordert, die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei faktischen Duldungszwängen „endlich ruhig hin[zu]nehmen und sich nicht länger in Nachhutgefechten um letzte systematische Einzelheiten auf[zu]reiben“.13 Die Erstreckung auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs scheint einem unabweisbaren praktischen Bedürfnis zu entsprechen.14 Allerdings ist stets bemerkt worden, daß durch diese Auffassung ein haftungssystematischer Bruch droht. Wird doch von ihr ein Ersatzanspruch für rechtswidrige Eigentumsverletzungen ohne Rücksicht auf Verschulden und das Bestehen einer entsprechenden Norm der Gefährdungshaftung gewährt. Der Sache nach erfolgt dabei eine Verbindung des Tatbestands des § 1004 BGB (nicht zu duldende Eigentumsbeeinträchtigung) mit der Rechtsfolge einer finanziellen Entschädigungspflicht, die bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf angemessenen Ausgleich und bei § 904 Satz 2 BGB sogar auf vollen Schadensersatz gerichtet sein soll. Um dieser drohenden Friktion zu entgehen, hat die h. M. die analoge Anwendung der §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 904 Satz 2 BGB bei faktischen Duldungszwängen mit abweichenden Begründungen wiederum verschiedenen Einschränkungen unterworfen. Im Rahmen der folgenden Untersuchung soll die Konsistenz dieser Rechtsfortbildung eingehend geprüft werden.
III. Ziel und Gang der Darstellung Bereits die vorstehenden Andeutungen zeigen, daß sich die sachgerechte Behandlung faktischer Duldungszwänge als ein grundlegendes haftungssystematisches Problem erweist, das alle Kategorien der außervertraglichen Haftung betrifft. Es geht um das Wechselspiel der Aufopferungshaftung mit dem negatorischen Rechtsschutz, der Deliktshaftung, der Gefährdungshaftung und dem Bereicherungsrecht. Bisher liegen bereits mehrere monographische Untersuchungen vor, die – wenn auch begrenzt auf die immissionsrechtliche Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB – die Analogie für faktische Duldungszwänge entweder gänzlich ablehnen oder doch zumindest entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erheblich einschränken.15 Dabei ist die Frage der Anwendbarkeit von Aufopferungsansprüchen 13
Gerlach, JZ 1988, 161 (174). Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 169; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (501); Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 14
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A. Einleitung
auf rechtswidrige Schädigungen sogar als ein „Problem der Systemgerechtigkeit“ bezeichnet worden.16 Die vorliegende Arbeit verfolgt vor diesem Hintergrund zunächst das Ziel, die haftungssystematischen Grundlagen herauszuarbeiten, die für die analoge Anwendung der §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 904 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge von Bedeutung sind. Die Argumente für die Rechtsfortbildung können dabei auf drei verschiedene Grundverständnisse der privatrechtlichen Aufopferungshaftung zurückgeführt werden. Zunächst existiert eine Deutung, die das Wesen der Ausgleichspflicht als eine qualifizierte Form der Eingriffshaftung begreift. Weiterhin besteht eine Auffassung, welche die Aufopferungshaftung als bereicherungsähnliches Institut einer Begünstigungshaftung interpretiert. Und schließlich gibt es eine Sichtweise, die insbesondere § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als eine Art der Gefährdungshaftung deutet. Im Anschluß an eine Darstellung der Entwicklung dieses Meinungsstands17 werden diese Grundverständnisse auf ihre Vereinbarkeit mit dem privatrechtlichen Haftungssystem überprüft.18 Aus dieser Betrachtung wird sich ergeben, daß alle Varianten der herrschenden Sichtweise in schwerwiegende Konflikte mit dem geltenden Haftungssystem geraten. Soll das Verhältnis des faktischen Duldungszwangs zu dem Institut der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung umfassend gewürdigt werden, darf eine solche haftungssystematische Analyse aber nicht den Endpunkt der Überlegungen darstellen. Vielmehr ist anschließend ein Grundgedanke der Tatbestände der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB herauszuarbeiten und darzulegen, ob ein Aufopferungsausgleich für faktische Duldungszwänge aus dieser teleologischen Perspektive tragfähig ist.19 In Anknüpfung an die auf Coase zurückgehende Sichtweise von Eigentumsrechten als Verhandlungspositionen wird vorgeschlagen werden, die Regelungen der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB als eine gesetzliche Simulation von Marktergebnissen zu begreifen, welche die Beteiligten unter optimalen Bedingungen durch Austauschverträge wahrscheinlich selbst erzielt hätten. Die Eingriffsbefugnisse der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB führen dabei knappe Ressourcen einer effizienten Verwendung zu, während der Aufopferungsanspruch die Funktion eines Kaufpreises übernimmt, der die Verhältnismäßig15 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 209 ff.; Karsten, Ausgleichsanspruch; H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 1 ff.; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch; Süss, Haftung. 16 So der Untertitel von H. Roth, Aufopferungsanspruch. 17 Abschnitt B. 18 Abschnitt C. 19 Abschnitt D.
III. Ziel und Gang der Darstellung
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keit der betreffenden Duldungspflicht sicherstellt. Hingegen geht es bei dem Schadensausgleich für rechtlich nicht zu duldende, wenn auch faktisch unabwendbare Einwirkungen nach dem hier zu entwickelnden Verständnis um eine Kompensation von Rechtsverletzungen, die nicht an den Gedanken der Verhältnismäßigkeit eines wünschenswerten Eingriffs anknüpft und die dementsprechend den Regeln anderer Ausgleichsinstitute folgt. Für alle diese Fragestellungen stehen die Vorschriften der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nur pars pro toto. Auch bei anderen Normen der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung wie z. B. den Regelungen zum Grenzüberbau und zum Notweg in den §§ 912 Abs. 2, 917 Abs. 2 BGB könnte die Frage aufgeworfen werden, inwieweit ihre Anwendung auf rechtlich nicht zu duldende, faktisch aber nicht abzuwehrende Beeinträchtigungen legitim ist. In Rechtsprechung und Schrifttum wird die Problematik jedoch bisher fast ausschließlich anhand der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB diskutiert.20 Diese Vorschriften werden daher auch das Anschauungsmaterial dieser Arbeit bilden. Auf andere Normen wird nur insoweit zurückgegriffen werden, als es zur Verdeutlichung allgemeiner Strukturen der Eigentumsaufopferung erforderlich ist.
20 Einzig H. Roth möchte den Ersatzanspruch für rechtswidrig herbeigeführte Vertiefungsschäden nicht auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog, sondern § 912 Abs. 2 BGB analog stützen: Staudinger/H. Roth (2002), § 909 Rdnr. 65; ders. Aufopferungsanspruch, S. 19 ff.; ders., Anm. LM § 862 Nr. 2, 3. Dazu noch unten C. I. 1. b. bb. (2) (a).
B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang Als Ausgangspunkt der Analyse soll der gegenwärtige Stand zur Erstrekkung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und des § 904 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen in Rechtsprechung und Literatur wiedergegeben werden. Dabei lassen sich trotz der Vielfalt des Meinungsbilds zu beiden Vorschriften jeweils vergleichbare Argumentationsmuster ausmachen, die für oder gegen die Anwendung auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs angeführt werden.
I. Der faktische Duldungszwang in Rechtsprechung und Literatur zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB 1. Die Entwicklungslinie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Die Erstreckung des Anspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen ist insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprägt. Deren gegenwärtiger Stand findet sich prägnant in der folgenden Aussage zusammengefaßt: „Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes [. . .] ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden.“1
Als „besondere Gründe“ werden dabei nicht nur rechtliche Duldungspflichten angesehen, sondern auch rechtswidrige Einwirkungen, die rein tatsächlich nicht mit zumutbaren Mitteln präventiv unterbunden werden konnten.2 Diese Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist durch die Recht1
BGH, NJW 2004, 775. Zuletzt BGH, NJW 2003, 2377 (2378) und NJW 2004, 1037 (1040) jeweils m. w. N. 2
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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sprechung aber nicht in einer Leitentscheidung umfassend begründet worden. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof schrittweise über die analoge Einbeziehung verschiedener Fallgruppen judiziert und die Norm auf diesem Wege zu einer vollwertigen „dritten Säule“3 neben der Verschuldens- und Gefährdungshaftung ausgebaut. a) Die Entstehung des allgemeinen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs aa) Der Ausgleich für praeter legem statuierte Duldungspflichten Als Ausgangspunkt der Entwicklung kann die Entscheidung BGHZ 48, 98 ff. aus dem Jahre 1967 angesehen werden. Der Pächter eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks verlangte von der Bundesrepublik Deutschland Ausgleich für Schädigungen durch starke Staubaufwirbelungen, die im Rahmen von Bauarbeiten an einer nahegelegenen Bundesstraße entstanden waren.
Obwohl diese Einwirkungen nicht ortsüblich waren, konnte der Pächter sie nicht nach § 1004 Abs. 1 BGB abwehren. Denn gegenüber sachgerecht durchgeführten Straßenbauarbeiten, die im öffentlichen Interesse erfolgen, bestehen selbst dann keine negatorischen Rechte, wenn sie nicht hoheitlich, sondern durch private Auftragnehmer durchgeführt werden.4 Der Geschädigte sah sich folglich einer praeter legem statuierten Duldungspflicht ausgesetzt, die der Erfüllung gemeinwichtiger Aufgaben diente. Solche Duldungspflichten wurden und werden durch das Reichsgericht5 und den Bundesgerichtshof6 nicht nur gegenüber wesentlichen Einwirkungen durch Straßenbauarbeiten, sondern auch durch sogenannte gemeinwichtige Betriebe anerkannt, z. B. Eisenbahnen, Rohrpostanlagen, Mülldeponien oder Umspannwerke. Zum Ausgleich einer derartigen besonderen Duldungspflicht wurde aber stets ein entsprechender Entschädigungsanspruch gewährt,7 der ursprünglich dem Rechtsgedanken der §§ 74, 75 EinlPrALR entnommen wurde und der Struktur des heutigen § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entspricht. Vor diesem Hintergrund konnte der Bundesgerichtshof dem geschädigten Pächter nach der gefestigten Rechtsprechung einen Ausgleichsanspruch zuerkennen, weil ihm negatorischer Rechtsschutz gegenüber einer wesent3
Wenzel, NJW 2005, 241. BGHZ 48, 98 (104). 5 RGZ 17, 103 (104); 73, 270 (271); 159, 129 (135 ff.); 167, 14 (25). 6 BGHZ 48, 98 (104); 66, 37 (42); BGH, NJW 1970, 856 ff. 7 RGZ 58, 130 (134); 63, 371 (376); 97, 290 (291 f.); 122, 134 (137); 159, 129 (135 f.); 167, 14 (25); BGHZ 16, 366 (369 f.). 4
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
lichen Beeinträchtigung versagt und somit die zumutbare Opfergrenze überschritten war.8 bb) Der Übergang zu einer Anwendung auf rechtswidrige Beeinträchtigungen War somit ein Aufopferungsanspruch bis einschließlich BGHZ 48, 98 ff. noch an eine Duldungspflicht gekoppelt, begann mit einer Entscheidung des III. Zivilsenats aus dem Jahre 1978 (BGHZ 72, 289 ff.) der Übergang zu einer Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Einwirkungen. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt standen Gebäudeschäden in Rede, die infolge von Ausschachtungsarbeiten an einer angrenzenden Straße durch ein Zusammenwirken der Vertiefung mit starken Erschütterungen aufgetreten waren. Die Bauarbeiten gingen auf die beklagte Stadt zurück, wurden aber zumindest teilweise durch selbständige Bauunternehmer ausgeführt.
Das Gericht ging in seiner Entscheidung von der Prämisse aus, daß ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach dem Rechtsgedanken des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in jedem Fall gegeben ist, in dem „von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die über das Maß dessen hinausgehen, was ein Grundstückseigentümer nach den Bestimmungen des Nachbarrechts entschädigungslos hinzunehmen hat, gegen die gemäß § 1004 BGB vorzugehen dem betroffenen Eigentümer jedoch aus besonderen Gründen versagt ist“.9 Solche besonderen Gründe, aus denen dem klagenden Gebäudeeigentümer ein primärer Abwehranspruch gegen die beklagte Stadt versagt war, seien auch, daß der Geschädigte auf die ordnungsgemäße Durchführung der Ausschachtungen vertrauen durfte und selbst nach den ersten Schadensanzeichen für ihn nur schwer ermittelbar war, ob er gegen die Stadt auf dem Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg vorgehen mußte.10 Ob die Ausschachtungsarbeiten dem betroffenen Gebäude entgegen § 909 BGB den erforderlichen Halt entzogen hatten und somit de iure nicht zu dulden waren, ließ der Bundesgerichtshof hingegen ausdrücklich offen.11 Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei zwar subsidiärer Natur, d.h. solle keine Anwendung finden, wenn „eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt“.12 Für den entschiede8
BGHZ 48, 98 (101). BGHZ 72, 289 (291 f.). 10 BGHZ 72, 289 (294 f.). 11 BGHZ 72, 289 (292). 12 BGHZ 72, 289 (295). 9
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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nen Sachverhalt kam im übrigen aber nur eine verschuldensabhängige Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 909 BGB als Schutzgesetz in Betracht, und für ein Verschulden der Beklagten fehlte es an einem hinreichenden Tatsachenvortrag des Klägers. Nach der Auffassung des III. Zivilsenats kann für Vertiefungsschäden jedoch nicht unterstellt werden, „daß der Gesetzgeber die Haftung des privaten Störers nur auf die Fälle des Verschuldens hat beschränken wollen“.13 Damit erkannte das Gericht erstmals explizit an, daß ein Ausgleichsanspruch in Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegeben ist, wenn eine rechtswidrige Immission oder sonstige rechtswidrige Einwirkung aus rein faktischen Gründen von dem Betroffenen nicht abgewehrt werden kann. Insoweit hatte noch das Reichsgericht den grundlegenden Unterschied zwischen dem Aufopferungsanspruch für zu duldende Einwirkungen einerseits und der Haftung für unerlaubte Einwirkungen durch Grundstücksvertiefungen im Sinne des § 909 BGB andererseits betont.14 Auch in anderen Konstellationen lehnte es die Erstreckung von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrig-schuldlose Beeinträchtigungen in Abgrenzung zur Deliktshaftung ab.15 Hatte sich der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs dieser Beschränkung des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs auf duldungspflichtige Einwirkungen noch im Jahre 1976 ausdrücklich angeschlossen,16 weitete der III. Zivilsenat die bereits anerkannte einfache Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei außergesetzlichen Duldungspflichten in BGHZ 72, 289 ff. nun zu einer doppelten Analogie aus:17 Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch soll danach nicht nur bestehen, wenn andere wesentliche Einwirkungen als ortsübliche Immissionen geduldet werden müssen, sondern auch, wenn gegen sie zwar ein Abwehranspruch besteht, der aber praktisch nicht durchsetzbar ist. Die Motive des Gerichts für diesen Schritt lassen sich aus der Feststellung erahnen, der Kläger habe auf die ordnungsgemäße Durchführung der Bauarbeiten durch die beklagte Stadt vertrauen dürfen. Dem Geschädigten soll nicht zugemutet werden, die Ordnungsmäßigkeit der Ausschachtungen permanent zu überwachen oder bei fehlerhaften Arbeiten keinen Ersatzanspruch gegen den Bauherrn zu haben, wenn die Ausschachtungsfehler entweder schuldlos oder durch einen von § 831 BGB nicht erfaßten selbständigen Bauunternehmer verursacht wurden. 13
BGHZ 72, 289 (295). RGZ 167, 14 (26). 15 Insbesondere zu der dem heutigen § 14 BImSchG entsprechenden Vorschrift des § 26 GewO a. F.: RGZ 63, 374 (378 f.); RG, JW 1910, 74 (75); 1925, 2446 (2447); RGZ 172, 156 (158). 16 BGH, NJW 1977, 763 (764). 17 Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (500). 14
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cc) Öffentlich-rechtliche Vorläufer der Erstreckung auf rechtswidrige Beeinträchtigungen Die Hintergründe der Entscheidung BGHZ 72, 289 ff. wären jedoch nur unvollständig erfaßt, würden sie einzig in der Auffassung des Gerichts über eine angemessene Verteilung des Schadens zwischen den Parteien gesucht. Eine Besonderheit des Falls bestand gerade darin, daß hoheitlich veranlaßte Straßenbauarbeiten im Wege privatrechtlicher Handlungsformen realisiert wurden. Der Bundesgerichtshof deutete dies mit der Feststellung an, es sei für den Kläger nur schwer zu beurteilen gewesen, ob er gegen die fehlerhaften Baumaßnahmen auf dem Zivil- oder Verwaltungsrechtsweg hätte vorgehen müssen.18 Denn gerade bei schlichtem, d.h. nicht rechtsförmigem Handeln von Hoheitsträgern kann sich die Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Beziehungen häufig schwierig gestalten.19 Das Gericht selbst ließ letztendlich offen, ob der Streit öffentlichrechtlicher oder wegen der privatrechtlichen Organisation der Straßenarbeiten zivilrechtlicher Natur sei, da für beide Varianten dieselben Maßstäbe anzulegen seien.20 Dies setzte aber voraus, die aufopferungsrechtliche Behandlung faktisch nicht abwehrbarer Schädigungen im öffentlichen Recht und im Zivilrecht anzugleichen. Den Ausgangspunkt des modernen publizistischen Aufopferungs- und Enteignungsgedankens stellen die §§ 74, 75 EinlPrALR dar.21 Nach der ursprünglich ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung des Reichsgerichts22 und in der Lehre23 konnte Grundlage des Ausgleichsanspruchs nach § 75 EinlPrALR dabei nur eine staatliche Beeinträchtigung sein, die im Sinne des § 74 EinlPrALR rechtmäßig war. Der Ausgleich von verschuldetem oder schuldlosem Unrecht wurde hingegen ausschließlich dem deliktischen Staatshaftungsrecht zugewiesen.24 Einzig Otto Mayer25 18
BGHZ 72, 289 (294 f.). Allgemein hierzu Ehlers, Verwaltung, S. 497 ff. sowie im Zusammenhang mit § 906 BGB Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 95 ff. 20 So auch BGHZ 101, 106 (110); vergleichbar für einen Fall rechtmäßiger Beeinträchtigungen BGHZ 48, 98 (100 ff.). 21 Wortlaut des § 74 EinlPrALR: „Einzelne Rechte und Vortheile der Mitglieder des Staats muessen den Rechten und Pflichten zur Befoerderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Collision) eintritt, nachstehn.“ Wortlaut des § 75 EinlPrALR: „Dagegen ist der Staat denjenigen, welcher seine besondern Rechte und Vortheile dem Wohle des gemeinen Wesens aufzuopfern genoethigt wird, zu entschäedigen gehalten.“ 22 RGZ 78, 202 (206); 112, 95 (98); 137, 163 (167). 23 Anschütz, VerwArch 5 (1897), 1 (4); O. von Gierke, Privatrecht, Bd. I, S. 195; Löning, Haftung, S. 94; Stödter, Entschädigung, S. 19 ff. 19
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vertrat bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Ansicht, daß die staatliche Aufopferungsentschädigung ein Billigkeitsrecht sei, das auch einen vom Verschulden unabhängigen Ausgleich für rechtswidrige Schädigungen umfasse. Diese Auffassung hat sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung des Großen Senats im Jahre 1952 (BGHZ 6, 270 ff.) zu eigen gemacht. Die Entscheidung stellt den Grundsatz auf, daß ein rechtswidriger staatlicher Eingriff in das Eigentum, der in seiner „tatsächlichen Wirkung dem Betroffenen ein besonderes Opfer auferlegt“, einen Entschädigungsanspruch „mindestens in dem gleichen Maße“ gebiete wie eine rechtmäßige Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG.26 Mit dieser Argumentation wurde die Haftungslücke geschlossen, die zwischen dem Aufopferungsanspruch für rechtmäßige Beeinträchtigungen und der verschuldensabhängigen Amtshaftung aus § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG bestand.27 Auch durch den Naßauskiesungs-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts28 hat diese Rechtsprechung keinen erheblichen Abbruch erfahren. In diesem Beschluß betonte das Bundesverfassungsgericht zwar den grundgesetzlichen Vorrang des Primärrechtsschutzes bei rechtswidrigen Maßnahmen vor staatlichen Entschädigungsleistungen (kein „Dulde und liquidiere!“) und entwickelte dementsprechend einen engen Enteignungsbegriff als Voraussetzung einer Entschädigung nach Art. 14 Abs. 3 GG, der auf den rechtmäßigen Entzug konkret-individueller Rechtspositionen begrenzt ist.29 Der Bundesgerichtshof reagierte hierauf jedoch, indem er das Institut der Aufopferungsentschädigung für rechtswidrige Eigentumseingriffe (sogenannte enteignungsgleiche Eingriffe) einerseits von Art. 14 Abs. 3 GG abkoppelte und in der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ansiedelte und andererseits ein Moment der Subsidiarität in die Tatbestandsvoraussetzungen 24 Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 18 I, S. 356; Scheuner, Entschädigung, S. 63 (106); Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 94 ff.; Stödter, Entschädigung, S. 19 und 45 f. 25 Entschädigungspflicht, S. 9; ders., Verwaltungsrecht, Bd. II, S. 299 und 304 f.; ähnlich Goldschmidt, Festgabe von Gierke, Bd. 3, S. 109 (153) und später zustimmend Schack, Gutachten 41. DJT, S. 1 (14 ff.). 26 BGHZ 6, 270 (290). 27 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 214 f. Obwohl der enteignungsgleiche Eingriff primär mit der Zielrichtung eingeführt wurde, eine Anspruchsgrundlage für den Ausgleich rechtswidrig-schuldloser Beeinträchtigungen zu etablieren, hat der Bundesgerichtshof diesen in der Folgezeit auch auf rechtswidrig-schuldhafte Schädigungen durch Hoheitsträger erstreckt: BGHZ 7, 296 (297 f.); 13, 88 (92); 136, 182 (184). 28 BVerfGE 58, 300 ff. 29 Zu der Kontroverse um die Konsequenzen dieser Maßstäbe für den enteignungsgleichen Eingriff statt aller einerseits Ossenbühl, NJW 1983, 1 ff. und andererseits Sass, Entschädigungserfordernis, S. 117 ff.
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
des Entschädigungsanspruchs einfügte:30 Der Anspruch soll analog § 254 BGB entfallen, wenn es der Betroffene versäumt hat, die staatliche Beeinträchtigung durch die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes abzuwenden, soweit ihm dieser Weg in zumutbarer Weise offenstand.31 Ein entschädigungspflichtiger enteignungsgleicher Eingriff des Staats setzt somit einen faktischen Duldungszwang voraus.32 Die Annahme, daß nicht nur rechtmäßige, sondern auch tatsächlich nicht abwehrbare rechtswidrige Beeinträchtigungen durch den Staat ein Sonderopfer und damit eine Aufopferungslage bilden können, deckt sich dabei mit der in BGHZ 72, 289 ff. vorgenommenen Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach welcher der haftungsbegründende Ausschluß eines Abwehranspruchs rein faktischer Natur sein kann. Auch in einem solchen Fall sei „das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung“ überstiegen.33 Durch diese Angleichung der privatrechtlichen an die öffentlich-rechtlichen Maßstäbe entsprach der Bundesgerichtshof der Forderung, daß die privatrechtliche oder hoheitliche Organisation von Immissions- oder Bautätigkeiten mit Schadensfolgen nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Aufopferungsentschädigung führen dürfe.34 Die Bedeutung dieser Übereinstimmung in den Haftungsvoraussetzungen hat das Gericht mittlerweile mehrfach ausdrücklich hervorgehoben.35 dd) Der Ausbau des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zu einer umfassenden Anspruchsnorm für faktische Duldungszwänge im nachbarlichen Raum Mit der Entscheidung BGHZ 72, 289 ff. verbindet sich somit ein grundsätzlicher Richtungswechsel in der Dogmatik der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung,36 der später bruchlos fortgeführt wurde. So werden einer Dul30
BGHZ 90, 17 (31); 140, 285 (297); BGH, NJW 2000, 1402. Zur Konkretisierung dieses Kriteriums Nüßgens/Boujong, Eigentum, S. 195 ff. sowie aus der Rechtsprechung exemplarisch BGHZ 92, 34 (50). 32 Dabei ist der methodische Anknüpfungspunkt des Bundesgerichtshofs bei § 254 BGB zu kritisieren. Während diese Norm eine Anspruchskürzung auf der Rechtsfolgenseite betrifft, soll das Fehlen eines faktischen Duldungszwangs nach Auffassung des Gerichts ja bereits den Haftungstatbestand eines enteignungsgleichen Eingriffs ausschließen: Herrmann, NJW 1997, 153 (157); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 261. 33 BGHZ 72, 289 (291 f.). 34 So etwa Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 168 f.; Gerlach, Umweltschutz, S. 222; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (505 f.); Schirmer, ZVersWiss 1990, 137 (146). 35 BGHZ 91, 20 (25); BGH, NJW 1995, 714 (715); NJW 2005, 660 (661). 31
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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dungspflicht gegenüber wesentlichen ortsüblichen Immissionen in bezug auf die Ausgleichspflicht in einer Entscheidung des V. Zivilsenats aus dem Jahre 1982 alle triftigen tatsächlichen Gründe gleichgestellt, die einer Ausübung des bestehenden negatorischen Rechts entgegenstehen.37 Im diesem Fall ging es wiederum um Ausschachtungsarbeiten, auf deren sachgerechte Durchführung der Geschädigte vertraute, die aber durch einen von dem Eigentümer des auszuschachtenden Grundstücks beauftragten Architekten fehlerhaft durchgeführt wurden und Schäden an dem Gebäude des Klägers verursachten.
Das Gericht gewährte dem Geschädigten über § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Anspruch gegen den Bauherrn, obwohl dieser deliktisch für das Fehlverhalten des weisungsunabhängigen Architekten nicht nach § 831 BGB verantwortlich war. Und nach einer Entscheidung aus dem Jahre 1984 haftet der Benutzer eines Unkrautvernichtungsmittels im Rahmen eines nachbarlichen Ausgleichsanspruchs verschuldensunabhängig dafür, wenn Rückstände des Mittels mit dem Regenwasser in objektiv vermeidbarer und somit nicht von der Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB erfaßten Weise auf ein Nachbargrundstück gelangen.38 In diesen Entscheidungen setzte sich der Bundesgerichtshof aber nicht mehr mit der Frage auseinander, inwieweit die konkreten Einwirkungen mit einer duldungspflichtigen Beeinträchtigung durch ortsübliche Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB vergleichbar waren. Vielmehr berief sich das Gericht bereits auf den allgemeinen Grundsatz, daß analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB alle diejenigen Einwirkungen auszugleichen seien, die einerseits das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen und andererseits von dem Betroffenen aus besonderen Gründen nicht unterbunden werden konnten. Folgerichtig wird der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch in Anlehnung an die Entschädigungsjudikatur im öffentlichen Recht durch den Bundesgerichtshof generalklauselartig auf alle Beeinträchtigungen erstreckt, die eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums oder des Besitzes bewirken.39 Insbesondere die Art der Einwirkung, z. B. ihre konkrete Vergleichbarkeit mit den in § 906 Abs. 2 BGB genannten Imponderabilien, soll für die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausdrücklich unmaßgeblich sein.40 Die Ge36 Demgegenüber erachtet Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 35 den Schritt von der Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Duldungspflichten, die aus anderen Rechtsgründen als § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB folgen, zu der Ausdehnung auf einen nur faktischen Duldungszwang als „nicht mehr groß“. 37 BGHZ 85, 375 (385). 38 BGHZ 90, 255 (262 ff.). 39 BGHZ 90, 255 (262 f.). 40 So zuletzt BGH, NJW 2004, 1037 (1040) und seit BGHZ 85, 375 (385) sowie 90, 255 (262).
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
meinsamkeit der durch die Norm erfaßten Fälle beschränkt sich demgemäß darauf, daß ein Schadensverlauf zwischen Grundstücksnachbarn in Rede steht und der Betroffene die jeweilige Beeinträchtigung nach der Grundregel des § 1004 Abs. 1 BGB nicht dulden mußte, gleichwohl aber präventiv nicht abzuwehren vermochte. Und dabei bewirkt selbst das Erfordernis der Grundstücksnachbarschaft nur eine moderate Haftungseinschränkung, da es nach allgemeiner Auffassung kein unmittelbares Angrenzen der fraglichen Grundstücke voraussetzt.41 Geschützt wird durch den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch vielmehr jeder Grundstücksinhaber,42 den der von einem anderen Grundstück ausgehende Schadensverlauf faktisch erreicht. Auf dieser Linie liegt es, daß nach der Rechtsprechung gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog auch für Schäden aus einem Wasserrohrbruch auf einem anderen Grundstück gehaftet wird, der weder von dem Betroffenen zu dulden ist noch auf einer fehlerhaften Errichtung oder Unterhaltung des Gebäudes im Sinne des § 836 Abs. 1 BGB beruht. Dies hat der V. Zivilsenat im Jahre 1985 erstmals entschieden43 und jüngst wieder bestätigt.44 Gegenüber den vor 1985 ergangenen Judikaten stellt dies insoweit ein Novum dar, als die Analogie bis dahin Fälle betraf, die mit dem in § 906 Abs. 2 BGB geregelten Sachverhalt zumindest in einer Hinsicht verwandt waren: Es ging jeweils um die schädigende Auswirkung von Nutzungstätigkeiten, insbesondere Bautätigkeiten und landwirtschaftlichen Nutzungen, d.h. Beeinträchtigungen „durch eine [. . .] Benutzung des anderen Grundstücks“ im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Dieses Nutzungsmoment fehlt bei unfallartigen Abläufen wie dem Bruch eines Wasserrohrs. Gleichwohl bedarf die verschuldensunabhängige Haftungsfolge in den Wasserrohrbruchfällen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aufgrund der bereits zuvor erfolgten generalklauselartigen Ausdehnung des nachbarrechtlichen Aufopferungsanspruchs „keiner näheren Begründung“.45 Eine Begrenzung der Haftung für faktische Duldungszwänge unter Grundstücksnachbarn ergibt sich insoweit nur noch aus dem Umstand, daß der Anspruchsverpflichtete Störer im Sinne des § 1004 BGB gewesen sein muß.46 Bei der dahingehenden Beurteilung lehnt sich der Bundesgerichtshof an das Kriterium an, ob die Beeinträchtigung zumindest mittelbar auf den Willen der betreffenden Person zurückführbar war.47 Insoweit soll z. B. das ordnungsgemäße Pflanzen eines später bei einem heftigen Sturm entwurzelten Baumes nicht 41 42 43 44 45 46 47
Statt aller Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 66 m. w. N. Zur Einbeziehung von Besitzern noch unten B. I. 1. c) bb) (1). BGH, WM 1985, 1041. BGH, NJW 2003, 2377 ff. BGH, WM 1985, 1041. BGHZ 122, 283 (284 ff.); 142, 66 (69 f.). BGHZ 28, 110 (111); 90, 255 (266); 122, 283 (284); 142, 66 (69).
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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zu einer Zurechnung führen,48 während der Eigentümer eines Gebäudes nicht nur wie bereits dargelegt für einen Wasserrohrbruch, sondern auch einen durch elektrische Leitungen ausgelösten Brand unabhängig davon verantwortlich sein soll, ob die Anlage in ordnungsgemäßem Zustand gehalten wurde.49 Das Gericht nimmt dabei an, daß sich die Zurechenbarkeitsfrage nicht abstrakt beantworten läßt, sondern „nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall“.50 Die vorstehend dargelegten Grundsätze über die analoge Anwendbarkeit des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Schädigungen, die aus tatsächlichen Gründen nicht mit zumutbaren Mitteln abwehrbar sind, hat der Bundesgerichtshof mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen fortgeführt. Diese beziehen sich auf verschiedenste Formen rechtswidriger Einwirkungen und faktische Gründe, aus denen diese Schädigungen durch den Betroffenen nicht in zumutbarer Weise abgewendet werden konnten, insbesondere: – Vibrations- oder Vertiefungsschäden im Zuge von Bauarbeiten auf benachbarten Grundstücken, die sich für den Geschädigten zu schnell vollziehen, um Abwehrmaßnahmen ergreifen zu können;51 – unmerklich von einem Nachbargrundstück über die Grundstücksgrenze wachsende Baumwurzeln, die eine Mauer beschädigen52 oder Gebäudeschäden durch einen von dem Nachbargrundstück herüberstürzenden Baum, wenn dieser durch Krankheit oder Überalterung objektiv nicht hinreichend widerstandsfähig war53; – Rußablagerungsschäden, welche von Immissionen ausgehen, die nicht nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu dulden sind, und die der Betroffene deswegen nicht rechtzeitig durch die Inanspruchnahme von Rechtsschutz verhindert, weil ihm der Störer glaubhaft ein baldiges Einstellen der Immission zusagt;54 – grobkörperliche Immissionen, deren bodenschädigende Wirkung der Betroffene nicht voraussieht und deshalb keine Abwehransprüche geltend macht;55 48 BGHZ 122, 283 (284 ff.); anders für das Nichtentfernen eines altersbedingt umsturzgefährdeten Baums BGH, NJW 2003, 1732 (1733). 49 BGHZ 142, 66 (69 f.). 50 BGHZ 142, 66 (69); BGH, NJW 2003, 2377 (2379); ein Überblick zur jüngeren Kasuistik findet sich bei Wenzel, NJW 2005, 241 ff. 51 BGHZ 101, 106 (110); BGH, NJW-RR 1988, 136 (138); NJW-RR 1997, 1374; NJW 1999, 1029 (1030); BGHZ 147, 45 (49 f.). 52 BGH, NJW 1990, 3195 (3196). 53 BGHZ 122, 283 (284). 54 BGH, NJW 1995, 714. 55 BGHZ 111, 158 (162).
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
– Schäden, die der Eigentümer eines Weinbergs dadurch erleidet, daß ein Bauträger in der Nachbarschaft ohne seine Kenntnis vorübergehend eine rechtswidrige Erddeponie errichtet, die aufgrund ihrer luftstauenden Wirkungen zu Frostschäden an dem angebauten Wein führt;56 – Wasserschäden, die unvorhersehbar dadurch entstehen, daß auf einem Nachbargrundstück keine ordnungsgemäße Entwässerung sichergestellt ist;57 – Brand-58 oder Wasserschäden59, die durch ein plötzliches Versagen von elektrischen Leitungen bzw. Rohranlagen auf Nachbargrundstücken entstehen. Im Einklang mit den bereits referierten Entscheidungen enthalten diese Judikate jedoch keine spezifischen, auf den jeweiligen Fall bezogenen Argumente für die Analogiebildung, sondern regelmäßig nur den Verweis auf die ständige Rechtsprechung, nach der ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unabhängig von der Schädigungsart immer dann geboten sei, wenn eine das zumutbare Maß übersteigende, von einem anderen Grundstück ausgehende Beeinträchtigung faktisch nicht mit zumutbaren Mitteln unterbunden werden konnte. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich dem vorbehaltlos angeschlossen.60 b) Die verbleibende Bedeutung der Rechtswidrigkeit In allen diesen Entscheidungen spielt die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung nur noch in zweierlei Hinsicht eine Rolle: aa) Rechtswidrige Beeinträchtigungen als Sonderopfer per se Zum einen soll sich die Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung als Haftungsvoraussetzung in der Regel bereits aus der Rechtswidrigkeit der Ein56
BGHZ 113, 384 (391). BGH, NJW 1996, 3208 (3211); NJW-RR 2000, 537. 58 BGHZ 142, 66 (67 f.). 59 BGH, NJW 2003, 2377 ff. 60 OLG Celle, OLG-Report 1998, 105; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1990, 1040; NJW-RR 1995, 1482 (1483); VersR 2003, 455 f.; OLG Frankfurt, OLG-Report 2001, 110 (112); OLG Hamm, NJW 1988, 1030 (1031); NJW 1996, 1354; OLG-Report 2003, 236 (237); OLG Koblenz, OLG-Report 2000, 304 (306); VersR 2003, 112 (113 f.); OLG Köln, OLG-Report 2004, 263; OLG München, OLG-Report 1999, 183 f.; OLG Naumburg, OLG-Report 1998, 417 f.; OLG Nürnberg, OLG-Report 1998, 105; OLG-Report 2002, 158 (160); OLG Stuttgart, NJW 1994, 739 (741). 57
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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wirkung als solcher ergeben, was gesonderte Erwägungen zu dieser Frage entbehrlich macht.61 Während die Rechtsprechung bei einer rechtlich zu duldenden Beeinträchtigung auf deren Ausmaß abstellt, stützt sie die Entschädigungswürdigkeit bei einem faktischen Duldungszwang schon auf die Rechtswidrigkeit als solche. Wie für die Erstreckung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen insgesamt, findet sich auch für diese Sichtweise ein frühes Vorbild in der staatshaftungsrechtlichen Judikatur des Bundesgerichtshofs. Bei rechtswidrigen hoheitlichen Schädigungen soll im Gegensatz zur rechtmäßigen Inanspruchnahme von Eigentumsrechten stets ein Sonderopfer vorliegen, das Voraussetzung für eine öffentlich-rechtliche Entschädigung nach Aufopferungsgrundsätzen ist: „Denn mit der Feststellung, daß ein Eingriff rechtswidrig ist, steht gerade das dem enteignungsgleichen Eingriff Eigentümliche fest, daß das dem einzelnen durch den Eingriff auferlegte Sonderopfer jenseits der gesetzlichen allgemeinen Opfergrenze liegt und damit ein entsprechend dem Gebot des Gleichheitssatzes zu entschädigendes Sonderopfer darstellt. Die Rechtmäßigkeit des Eingriffs kann gerade umgekehrt dazu führen, daß der Eingriff nur als die dem Betroffenen ein Sonderopfer nicht abverlangende Verwirklichung einer allgemein getroffenen gesetzlichen Regelung erscheint.“62
Aus dieser Perspektive kann die Aufopferungshaftung eine Haftung nicht trotz, sondern gerade wegen der Rechtswidrigkeit sein.63 bb) Das Erfordernis eines faktischen Duldungszwangs Zum anderen ist das Kriterium der Rechtswidrigkeit nach der allgemeinen Formel zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB insoweit von Bedeutung, als die teleologische Vergleichbarkeit mit duldungspflichtigen Einwirkungen ausscheiden soll, wenn der Betroffene die Einwirkung entweder durch die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes oder durch Abwehrmaßnahmen im Sinne der §§ 227, 228 Satz 1 BGB effektiv verhindern konnte, d.h. kein faktischer Duldungszwang vorlag.64 Dann fehlt es an besonderen Gründen, die den negatorischen Rechtsschutz aus § 1004 BGB hindern. Bei der Beurteilung, ob ein faktischer Duldungszwang gegeben ist, wird im Einzelfall aber eher großzügig verfahren. 61 Siehe BGHZ 72, 289 (293); 85, 375 (384); 90, 255 (263); 101, 106 (110); 142, 66 (68); BGH, WM 1985, 1041. 62 BGHZ 32, 208 (211 f.); kritisch hierzu Krumbiegel, Sonderopferbegriff, S. 59 ff. 63 Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515 (2516). 64 Jüngst wieder BGH, NJW 2003, 1732 (1733).
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
In dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung BGHZ 111, 158 ff. zugrunde lag, fiel Schrotblei aus einer Schießanlage auf ein benachbartes Grundstück und verseuchte den Boden der Klägerin. Diese wußte um die rechtswidrigen Grobimmissionen als solche, nicht aber um deren bodenschädigende Wirkung.
Der Bundesgerichtshof bejahte einen faktischen Duldungszwang mit der Begründung, nicht die Kenntnis der Klägerin von der abstrakten Rechtswidrigkeit sei entscheidend, sondern ihre nicht fahrlässige Unkenntnis von dem Ausmaß der daraus resultierenden Schadensfolgen.65 c) Versuche einer Einschränkung des Anspruchs bei rechtswidrigen Schädigungen Wie bereits in der Einleitung festgestellt wurde, droht die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Einwirkungen jedoch zu Unstimmigkeiten im System der außervertraglichen Haftung zu führen, insbesondere zu einer Umgehung des deliktischen Verschuldensprinzips bzw. des Enumerationsprinzips der Gefährdungshaftung. Der Bundesgerichtshof versucht diesen Gefahren zu begegnen, indem er dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch die Gestalt eines subsidiären Auffangtatbestands verleiht.66 aa) Das Verhältnis zur Deliktshaftung In diesen Zusammenhang zählt nicht nur das Erfordernis eines faktischen Duldungszwangs, d.h. das Unvermögen des Geschädigten, die Beeinträchtigung präventiv mit zumutbaren Mitteln zu unterbinden. Vielmehr soll die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch ausscheiden, wenn die Voraussetzungen eines durchsetzbaren deliktischen Schadensersatzanspruchs nach den §§ 823 ff. BGB vorliegen.67 Vor diesem Hintergrund erlangt der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch wegen eines faktischen Duldungszwangs auf den ersten Blick nur in den folgenden Konstellationen praktische Relevanz:68 – Zunächst bei Fällen, in denen ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB an einer mangelnden deliktischen Handlung oder Unterlassung scheitert. Dies gilt beispielsweise bei dem unfallartigen Versagen ordnungsgemäß 65
BGHZ 111, 158 (163 f.). BGH, WM 1985, 1041; NJW 1990, 3195 (3196); BGHZ 111, 158 (163). 67 Siehe BGHZ 120, 239 (249); BGH, NJW 1997, 1374; NJW 2003, 1732 (1733). 68 Allgemein zu typischen Konfliktsituationen als Ausgangspunkt richterlicher Rechtsfortbildung Langenbucher, Richterrecht, S. 40 f. 66
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unterhaltener Gebäudeteile, z. B. bei Wasserrohrbrüchen oder Kabelbränden. – Weiterhin kann ein schuldloser Irrtum des Störers darüber vorliegen, daß das eigene Verhalten fremdes Eigentum berührt. Etwa wenn unvorhersehbar war, daß eine bestimmte Grundstücksnutzung zu schadhaften Immissionen auf einem anderen Grundstück führt. – Das Verschulden mag daneben auch aufgrund eines unvermeidbaren Irrtums des Störers über das Eingreifen einer Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB fehlen. Dies etwa bei der irrtümlichen Annahme, wesentlich beeinträchtigende Immissionen seien nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vermeidbar. In einem solchen Fall besteht zwar keine Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, aber auch kein Deliktsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, wenn die irrige Annahme nicht fahrlässig war. – Schließlich kann gerade in den bereits erörterten Fällen der Schädigung durch Baumaßnahmen (Vertiefungen etc.) das deliktische Verhalten durch einen Dritten vollzogen werden, dessen Handeln dem Eigentümer des störenden Grundstücks nicht über § 831 BGB zurechenbar ist, sei es mangels einer Stellung des Dritten als Verrichtungsgehilfe oder aufgrund einer Exkulpation nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB. So scheidet beispielsweise ein Deliktsanspruch gegen Bauherren aus, wenn schädigende Bauarbeiten durch einen selbständigen Bauunternehmer ausgeführt werden und der Bauherr selbst keine Auswahl- oder Überwachungspflicht verletzt hat. Bei näherer Betrachtung wäre es jedoch zu kurz gegriffen, dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung nur in diesen Konstellationen praktische Bedeutung zuzusprechen. Denn zwar nimmt der Bundesgerichtshof wie dargelegt an, daß ein solcher Anspruch zurücktritt, wenn gegen den Beklagten ein durchsetzbarer deliktischer Anspruch besteht. Aufgrund der geringen Voraussetzungen eines Anspruchs in Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erörtert der Bundesgerichtshof deliktische Ansprüche aber häufig nicht mehr näher, sondern bejaht unmittelbar das Bestehen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs. Auf diesem Wege wird der geschädigte Nachbar durch die materiellrechtliche Ausweitung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch umfassend von der prozessualen Beweislast hinsichtlich des Verschuldens bei § 823 Abs. 1 BGB befreit. Und in einer Entscheidung aus dem Jahre 1994 wurde ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch sogar für eine Konstellation zuerkannt, in der die rechtswidrigen Einwirkungen für den Betroffenen zwar tatsächlich nicht abzuwehren waren (faktischer Duldungszwang), aber aufgrund der positiven
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
Kenntnis des Störers von den schädlichen Auswirkungen seines Verhaltens ein durchsetzbarer Deliktsanspruch ursprünglich bestand und lediglich mangels Rechtsverfolgung durch den Geschädigten in der kurzen Frist des § 852 BGB a. F. verjährt war.69 Für den Aufopferungsanspruch galt hingegen die dreißigjährige Frist des § 195 BGB a. F. Diese verjährungsrechtliche Diskrepanz zwischen § 823 Abs. 1 BGB und § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog ist zwar mit der Schuldrechtsreform beseitigt worden, nach der für beide Ansprüche nun die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt. Gleichwohl belegt die besagte Entscheidung, daß der Bundesgerichtshof die Subsidiarität des Ausgleichsanspruchs gegenüber deliktischen Ansprüchen nicht streng handhabt.70 Der Stand der Rechtsprechung kann vielmehr dahingehend zusammengefaßt werden, daß ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog gegenüber dem Deliktsrecht der §§ 823 ff. BGB nur dann subsidiär zurücktritt, wenn ein deliktischer Anspruch gegen den beklagten Grundstücksnachbarn materiellrechtlich durchsetzbar und prozessual bewiesen vorliegt. Selbst unter Berücksichtung möglicher deliktischer Ansprüche bewirkt der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch für faktische Duldungszwänge daher eine erhebliche Haftungserweiterung. bb) Subsidiarität trotz Nichtbestehens eines anderweitigen Anspruchs In jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs wird die Subsidiarität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs allerdings auch dazu genutzt, die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Fällen einzuschränken, in denen dem Geschädigten im Ergebnis kein anderweitiger Ersatzanspruch zusteht. Dies geschieht, um Unstimmigkeiten mit anderen haftungsrechtlichen Instituten zu vermeiden, die aufgrund der großzügig gehandhabten Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB drohen. (1) Die Abgrenzung gegenüber Sonderrechtsbeziehungen Erste Ansatzpunkte hierzu sind bereits in einer Entscheidung des V. Zivilsenats aus dem Jahre 1987 enthalten.71 In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte der Eigentümer eines Grundstücks eine Vertiefung vorgenommen, die einem ebenfalls ihm gehörenden Nachbargrundstück den erforderlichen Halt entzog. Nach der Veräußerung dieses Nachbar69 70 71
BGH, NJW 1995, 714 (715). In dieser Richtung ausdrücklich BGH, NJW 2004, 3701. BGHZ 103, 39 ff.
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grundstücks machte der Erwerber wegen der mangelnden Festigkeit des erworbenen Grundstücks Rechte gegen den ursprünglichen Eigentümer geltend.
Das Gericht ließ offen, ob hier im Zeitpunkt der Veräußerung grundsätzlich ein Abwehranspruch gegen die fortdauernden Auswirkungen der Vertiefung entstanden sei, da die kaufrechtliche Mängelgewährleistung nach den §§ 459 ff. BGB a. F. einen etwaigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch jedenfalls verdränge.72 Die Subsidiarität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs wegen eines faktischen Duldungszwangs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wird hierbei nicht an das tatsächliche Bestehen eines kaufvertraglichen Anspruchs geknüpft, sondern an die abschließende Natur der vertraglichen Rechte. Einen gewissen Zusammenhang mit der Abgrenzung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von vorrangigen Rechtsverhältnissen weist auch die jüngste Entscheidung des V. Zivilsenats aus dem Dezember 2003 auf: Hier war in den Räumen des beklagten Mieters ein Wasserrohr gebrochen und hatte in den darunter liegenden Räumen des klagenden Mieters erhebliche Schäden angerichtet.
Zwar ist grundsätzlich anerkannt, daß aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog nicht nur Grundstückseigentümer, sondern auch Mieter als berechtigte Besitzer sowohl aktiv- als auch passivlegitimiert sein können.73 Dies gelte jedoch nicht für die Rechtsbeziehung unter Mietern in demselben Gebäude.74 Der Bundesgerichtshof begründet dies einerseits mit einem Verweis auf den Wortlaut der Norm, der eine Einwirkung voraussetzt, die von einem anderen Grundstück als dem Standort des Geschädigten ausgeht.75 Und andererseits besteht nach Auffassung des Gerichts für das Verhältnis unter verschiedenen Mietern auf demselben Grundstück keine planwidrige Regelungslücke, da diese Rechtsbeziehung durch Hausordnungen und das Deliktsrecht abschließend geregelt sei. Der Bundesgerichtshof geht dabei allerdings nicht näher darauf ein, warum das Deliktsrecht gerade und nur dann gegenüber § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB abschließender Natur sein soll, wenn sich der Schadensverlauf zwischen verschiedenen Parteien auf demselben Grundstück vollzieht.76 Nach dem gegenwärtigen Stand der Recht72 BGHZ 103, 39 (42 f.); kritisch hierzu aber Pfeiffer, JuS 1989, 357 (359 f.); Soergel/U. Huber, Vor § 459 Rdnr. 279 ff.; Süss, Haftung, S. 156 ff. 73 Zuletzt BGHZ 147, 45 (50) m. w. N.; kritisch hierzu Brehm, JZ 2001, 1086 f. 74 BGH, NJW 2004, 775 (776 f.). 75 Anders noch OLG Düsseldorf, VersR 2003, 455 (456), wonach das dem § 906 BGB zugrunde liegende nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis in gleicher Weise auch unter Mitmietern gegeben sei; dem zustimmend Dötsch, NZM 2004, 177 (179 f.); H. Roth, JZ 2004, 918 (919) und Siems, JuS 2005, 884 (886 f.). 76 Zutreffend weist Dötsch, NZM 2004, 177 (179 f.) darauf hin, daß unklar bleibt, ob der Bundesgerichtshof auch im Verhältnis unter verschiedenen Wohnungs-
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
sprechung ergibt sich dementsprechend die folgende Differenzierung: Wenn ein Wasserrohrbruch Räume in einem benachbarten, möglicherweise in geschlossener Bauweise angrenzenden Haus schädigt, greift § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog ein. Dies gilt hingegen nicht, wenn sich der Schadensverlauf vertikal in einem Gebäude vollzieht. (2) Die Subsidiarität gegenüber Tatbeständen der Gefährdungshaftung Bestand die Besonderheit der beiden zuletzt referierten Entscheidungen in der Abgrenzung der analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegenüber einer kaufvertraglichen Sonderbeziehung bzw. dem Rechtsverhältnis unter Mietern, nimmt der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Subsidiarität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs mittlerweile auch im Anwendungsbereich zweier Vorschriften der Gefährdungshaftung an. In einem 1999 entschiedenen Sachverhalt77 kam eine Haftung mehrerer Beklagter wegen einer Kontamination des Grundwassers mit Öl gemäß § 22 Abs. 2 WHG in Betracht. Es ließ sich jedoch nicht ermitteln, welcher der Beklagten im Zeitpunkt des Ölaustritts Inhaber der emittierenden Anlage war, wovon § 22 Abs. 2 WHG die Anspruchsverpflichtung abhängig macht.
Der Bundesgerichtshof entschied, daß die einschränkenden Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 WHG, insbesondere die Verpflichtung nur des Inhabers der Anlage, zu einem abschließenden Charakter dieser Vorschrift führen, der nicht durch eine „konkurrierende Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, dessen Entschädigungsregelung einem vollen Schadensersatz vielfach gleichkommt, überspielt werden darf“.78 Die Norm des § 22 Abs. 2 WHG sei eine den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch verdrängende Sonderregelung. Diese Argumentation wird auf den allgemeinen Satz gestützt, daß eine Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht komme, „wenn eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt“.79 Eine vergleichbare Argumentation findet sich in einem Urteil aus dem Jahre 2001.80 Entgegen einer früheren Entscheidung des V. Zivilsenats81 eigentümern in demselben Gebäude eine abschließende Natur der Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes und des Deliktsrechts annehmen würde. Für eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter Wohnungseigentümern mit Verweis auf die dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gleichkommenden Rücksichtnahmepflichten aus §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG Wenzel, NJW 2005, 241 (244). 77 BGHZ 142, 227 ff. 78 BGHZ 142, 227 (236) in Anknüpfung an BGHZ 76, 35 (43). 79 BGHZ 142, 227 (236). 80 BGHZ 148, 39 ff.
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nimmt der III. Zivilsenat hier einen abschließenden Charakter der Haftung nach § 18 BergG-DDR gegenüber einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch wegen faktischen Duldungszwangs an. Dies begründet er damit, daß die bergrechtliche Haftung gemäß § 114 Abs. 2 Nr. 3 BBergG einerseits erst eingreift, wenn die Einwirkung nicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu dulden ist, andererseits aber höhere Voraussetzungen hat, als sie bei einer analogen Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen erfüllt sein müßten.82 Insbesondere bedarf es für die bergrechtliche Haftung eines spezifischen Verursachungszusammenhangs, der enger ist als die für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog erforderliche Störereigenschaft des Grundstücksbenutzers. In diesem Fall wird somit eine unterschiedliche Behandlung von rechtlich und faktisch nicht abwehrbaren Einwirkungen in Kauf genommen, um die Restriktionen der Berghaftung nicht leerlaufen zu lassen. Denn zwar greift diese Haftung gemäß § 114 Abs. 2 Nr. 3 BBergG erst ein, wenn keine Duldungspflicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht. Liegt eine solche aber vor, kommt der Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne weiteres zur Anwendung. Wenn hingegen ein lediglich faktischer Duldungszwang besteht, soll für eine Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aufgrund des abschließenden Charakters der §§ 18 BergG-DDR, 114 Abs. 2 Nr. 3 BBergG kein Raum sein, selbst wenn im konkreten Fall auch kein bergrechtlicher Schadensersatzanspruch besteht. Im Regelungsbereich eines speziellen Tatbestands der Gefährdungshaftung beansprucht somit der in BGHZ 90, 255 (262 f.) aufgestellte Satz keine Geltung, daß es für die Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf die rechtmäßige oder rechtswidrige Natur der Beeinträchtigung, sondern nur deren Unzumutbarkeit ankommt. Anders könnte man auch formulieren, daß manche Tatbestände der Gefährdungshaftung mit ihren einschränkenden Voraussetzungen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs für den Bereich nicht duldungspflichtiger Einwirkungen selbst regulieren, was dem Betroffenen entschädigungslos zumutbar ist und was nicht. Es läßt sich allerdings nur schwerlich ausmachen, nach welchen Kriterien der Bundesgerichtshof eine Sperrwirkung der Gefährdungshaftung gegenüber der Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für faktische Duldungszwänge bemißt. So bejaht eine neuere Entscheidung des V. Zivilsenats aus dem Jahre 2003 den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch für die Schadensfolgen des Bruchs einer Wasserrohranlage, obwohl insoweit auch eine Haftung aus § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG gegeben war.83 Das praktische Be81 82 83
BGH, NJW 1999, 1029 (1030). BGHZ 148, 39 (53 f.). BGH, NJW 2003, 2377 (2379 f.).
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
dürfnis für eine parallele Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergab sich dabei aus der Haftungshöchstgrenze, die § 10 HaftpflG für die Gefährdungshaftung des Anlageninhabers vorsieht (in der für die Entscheidung anzuwendenden Fassung: 100 000,- DM). Der Bundesgerichtshof lehnt eine Sperrwirkung maßgeblich mit einem Verweis auf § 12 HaftpflG ab, nach dem das Haftpflichtgesetz weitergehende Schadensersatzansprüche unberührt läßt.84 Dieses Argument erscheint jedoch zweifelhaft: In Rede steht ja keine Verdrängung des direkten Anwendungsbereichs des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB durch das Haftpflichtgesetz, sondern die Frage, ob dessen Regelungsgefüge eine analoge Erstreckung des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs in den Anwendungsbereich des § 2 HaftpflG hindert. Und hierfür enthält § 12 HaftpflG keine Vorgaben, sondern es gelten die allgemeinen Analogievoraussetzungen.85 Insoweit wiederholt das Gericht lediglich seine Auffassung, daß jede wesentliche nachbarliche Einwirkung dem in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalt gleichstehe, wenn sie rechtlich oder faktisch nicht abwehrbar sei. Ein Konflikt mit den Grenzen der §§ 2, 10 HaftpflG ergebe sich nicht, weil aus dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht jedermann, sondern lediglich ein überschaubarer Personenkreis berechtigt sei, nämlich nur betroffene Grundstückseigentümer und Grundstücksbesitzer.86 Insoweit besteht aber kein Unterschied zu den §§ 22 Abs. 2 WHG, 18 BergG-DDR, bei denen die Rechtsprechung einen Aufopferungsanspruch für rechtswidrige Schädigungen wie dargelegt gerade ablehnt. d) Zwischenergebnis Für faktische Duldungszwänge, die eine gewisse Beziehung zu Tatbeständen der Gefährdungshaftung aufweisen, wird somit nach abstrakt schwer zu fassenden Kriterien im Einzelfall eine Subsidiarität des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht oder verneint. Für Fälle, die ausschließlich im Anwendungsbereich der allgemeinen Deliktshaftung angesiedelt sind, soll hingegen nach dem aktuellen Stand der Rechtsprechung bei faktisch nicht abwehrbaren Einwirkungen § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB immer dann analog eingreifen, wenn kein materiellrechtlich durchsetzbarer und prozessual beweisbarer deliktischer Anspruch des Geschädigten gegeben ist und auch keine vorrangige Sonderrechtsbeziehung besteht.87 84 BGH, NJW 2003, 2377 (2379 f.); auch Filthaut, VersR 1992, 150 (152); Krahe/Middelberg, ZfS 2002, 557 (558); Staudinger/Kohler (2002), § 2 HaftpflG Rdnr. 41 und Wenzel, NJW 2005, 241 (247). 85 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 267 f. 86 BGH, NJW 2003, 2377 (2379). 87 Siehe BGHZ 72, 289 (295).
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2. Das Meinungsspektrum in der Literatur Im Schrifttum findet sich zu der Frage der Anwendbarkeit des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Konstellationen eines faktischen Duldungszwangs ein differenziertes Meinungsbild. Dieses reicht von vorbehaltloser Zustimmung zur Position der Rechtsprechung über abweichende Begründungen unter Befürwortung der durch den Bundesgerichtshof erzielten Ergebnisse bis zu gänzlich ablehnenden oder differenzierenden Stimmen. a) Befürwortung der Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB durch die h. L. Zumindest in ihren Ergebnissen ist die skizzierte Rechtsprechung in der Literatur auf eine breite Zustimmung gestoßen. Dabei wird zum großen Teil der Analogieschluß des Bundesgerichtshofs unmodifiziert übernommen, nach dem die Ratio des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB der Ausgleich unzumutbarer Einwirkungen ist, die rechtlich oder faktisch nicht abgewehrt werden können.88 Haftungsgrund für die Fälle des faktischen Duldungszwangs ist hiernach die identische Opferlage des Betroffenen im nachbarlichen Raum. Andere Stimmen begründen die Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf einen faktischen Duldungszwang nicht nur mit einer schlichten Analogie, sondern sogar einem argumentum a fortiori:89 Wenn § 906 Abs. 2 88 Alsleben, Zufall, S. 18 f.; AnwK-BGB/Ring, § 909 Rdnr. 48; Bamberger/Roth/ Fritzsche, § 906 Rdnr. 84; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 29; Brüggemeier, UTR 12 (1990), 261 (279); Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 168 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 731; Enders, Verantwortlichkeit, S. 250 ff.; Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 39; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (499 ff.); ders., Karlsruher Forum 1987, 22 (23 f.); ders., EWiR 2003, 919 (920); Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 15; Krahe/Middelberg, ZfS 2002, 557 (558); Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (135); Lettl, JuS 2005, 871 (876); Lytras, Umweltschäden, S. 168; Marburger, UTR 2 (1987), 109 (127); Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 42; Pfeiffer, Immissionsschutz, S. 28; Röthel, Jura 2005, 539 (545 f.); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 141; Schimikowski, VersR 1992, 923 (928); Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 339; Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 151 ff.; Salje, DAR 1988, 302 (303 ff.); Stürner, Anm. LM § 906 BGB Nr. 91; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574 f.); Wendehorst, Ausgleich, S. 190; Wenzel, NJW 2005, 241 (246 f.); Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 III 3, S. 509 f.; ders., UTR 11 (1990), 103 (127 f.); Wieling, Sachenrecht, § 23 II 4i, S. 353. 89 Baumann, JuS 1989, 433 (435); Gerlach, JZ 1988, 161 (173 f.); ders., Umweltschutz, S. 225 ff.; ders., JZ 1990, 980 (982); Pfeiffer, Immissionsschutz, S. 28; Schirmer, ZVersWiss 1990, 137 (146); Stoll, Haftungsfolgen, S. 30. Der Bundesgerichtshof stützt die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegen Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 46 f.; Schirmer, a. a. O. und A.
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
Satz 2 BGB bereits den rechtmäßig Einwirkenden zum Ausgleich verpflichte, müsse dies erst recht für einen solchen Störer gelten, der das fremde Eigentum rechtswidrig in Anspruch nimmt und daher noch weniger schutzwürdig sei (argumentum a minore ad maius90). Umgekehrt bestehe eine noch höhere Schutzwürdigkeit des rechtswidrig Betroffenen im Vergleich mit einem nach der gesetzlichen Anordnung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB Duldungspflichtigen. Kritik erfährt der Bundesgerichtshof durch diese Autoren allenfalls dafür, daß er den Ausgleichsanspruch wegen faktischer Duldungszwänge im Verhältnis zu bestimmten Tatbeständen der Gefährdungshaftung deswegen subsidiär ausgestaltet, weil diese Tatbestände eine abschließende Regelung für die betreffende Fallkonstellation enthielten. Entgegen den jüngeren Entscheidungen zum Wasser- und Bergrecht91 erkennen manche Stimmen eine solche Subsidiarität nur gegenüber tatsächlich gegebenen Schadensersatzansprüchen an.92 Noch weitergehend wird teilweise jedwede Subsidiarität des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gegenüber deliktischen oder deliktsähnlichen Schadensersatzansprüchen bestritten.93 Beispielhaft hierfür steht die Auffassung Gerlachs, nach der dem Störer gemäß den §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG nicht nur die Haftungsfolgen rechtlich gebilligter Einwirkungen zugewiesen sind. Vielmehr werde dem Betroffenen durch die Duldungspflichten aus den §§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, 14 Satz 1 BImSchG auch das Gefahrenpotential weitergehender Störungen zugemutet, die im Fall ihres Eintretens daher unter den gleichen Bedingungen wie duldungspflichtige Einwirkungen entschädigt werden müßten.94 Die Regelungen der §§ 906 Abs. 2, 14 BImSchG enthalten danach eine umfassende Gefährdungshaftung zugunsten Immobiliarberechtigter, die mit anderen Schadensersatzansprüchen gleich welcher Art in freier Anspruchskonkurrenz stehen soll.95 Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 174 anders als in der Judikatur zum enteignungsgleichen Eingriff (BGHZ 6, 270 [290]) nicht auf ein argumentum a fortiori. 90 A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 153 ff. spricht in diesem Zusammenhang im Anschluß an Larenz, Methodenlehre, S. 389 f. unrichtig von einem argumentum a maiore ad minus. Es geht aber um einen Schluß von der Haftung „sogar“ für rechtmäßiges Verhalten (minus) auf die Haftung für rechtswidriges Verhalten (maius). Wie hier Rüthers, Rechtstheorie, Rdnr. 898. 91 Siehe oben B. I. 1. c) bb) (2). 92 So H. Roth, Anm. zu LM § 906 BGB Nr. 100; M. Wolf, Anm. zu LM § 22 WHG Nr. 30/31. 93 Bälz, Freundesgabe Kübler, S. 355 (370 ff.); ders., Strukturwandel, S. 38 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 182; Gerlach, Umweltschutz, S. 226 f.; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 94 Gerlach, JZ 1988, 161 (174); ders., Umweltschutz, S. 228 f.; ders., JZ 1990, 980 (981); zustimmend Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (501).
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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b) Ablehnende Stimmen Die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf bestimmte Formen rechtlich nicht zu duldender Einwirkungen ist in der Literatur allerdings auch auf Kritik gestoßen. Hierbei wird zunächst vorgebracht, daß die Ausgleichspflicht nur als Kehrseite des Eingriffsprivilegs aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB verständlich sei und schon deshalb auf dessen Anwendungsbereich beschränkt bleiben müsse.96 Vor allem werden gegen die analoge Einbeziehung faktischer Duldungszwänge aber haftungssystematische Gründe angeführt:97 Die Ausdehnung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs auf faktische Duldungszwänge umgehe einerseits das deliktische Verschuldenserfordernis und führe andererseits im Verhältnis unter Nachbarn eine gesetzlich nicht vorgesehene Gefährdungshaftung ein, was dem Verbot der richterlichen Rechtsfortbildung dieses Haftungsinstituts zuwiderlaufe. Der systematische Bruch sei um so gravierender, als die Ausdehnung der verschuldensunabhängigen Haftung nach der Rechtsprechung nur zugunsten von Immobiliarberechtigten erfolge98 und daher eine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung der Inhaber anderer Rechte, insbesondere von Mobiliareigentümern hervorrufe, die ebenfalls von rechtswidrigen Immissionen betroffen sein können.99 Es handele sich bei der Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB über die Fälle einer rechtlichen Duldungspflicht hinaus somit um die Begründung eines methodisch unzulässigen und sachlich nicht gerechtfertigten Sonderrechtsregimes. c) Differenzierende Auffassungen Schließlich existieren Auffassungen, welche die Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen weder gänzlich ablehnen noch in dem von der Rechtsprechung und der h. L. anerkannten Umfang für gerechtfertigt erachten. 95 Gerlach, JZ 1988, 161 (174); ders., Umweltschutz, S. 226 f., 229 f.; ders., JZ 1990, 980 (981). 96 Binder, VersR 2003, 1226 ff.; J. Neuner, JuS 2005, 487 (491). 97 Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3089); von Bar, Karlsruher Forum 1987, 4 (9 f.); J. Baur, Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 849 (868); Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 226 ff.; Brox, JA 1984, 182 (188); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (464); Goebel, JR 2002, 485 (487 ff.); J. Neuner, JuS 2005, 487 (491); Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (416 ff.); ders., Schuldrecht Besonderer Teil, Rdnr. 1025; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 163 ff.; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 92 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705. 98 Siehe die sogenannte Kupolofen-Entscheidung BGHZ 92, 143 (145). 99 von Bar, Karlsruher Forum 1987, 4 (10); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (464); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 181 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705.
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
aa) Der Gedanke der potentiellen Rechtsschutzverkürzung Nach Canaris100 und Herbert Roth101 wird die Erstreckung des Ausgleichsanspruchs auf nicht duldungspflichtige Einwirkungen im Grundsatz dadurch gerechtfertigt, daß schon die bloße Möglichkeit des Bestehens einer Duldungspflicht im nachbarlichen Verhältnis den Rechtsschutz des Betroffenen gravierend verkürze. Da für bestimmte Einwirkungen nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB keine Abwehrrechte bestünden, könne auch bei einer darüber hinausgehenden Schädigung von dem Betroffenen aufgrund einer Rechts- oder Tatsachenunkenntnis darauf verzichtet werden, objektiv bestehende negatorische Rechte auszuüben. Und umgekehrt könne ein unverschuldeter Irrtum des Störers über die Einhaltung der Grenzen der Duldungspflicht dem Betroffenen auch noch seinen deliktischen Anspruch entziehen. Diese Unsicherheiten müßten sich zu Lasten des Schädigers und nicht des Betroffenen auswirken. Allerdings wird erkannt, daß auf diesem Wege ein Systembruch innerhalb des Haftungsrechts droht, da sich der derart ausgedehnte Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in die Nähe einer Gefährdungshaftung contra legem bewegt. Deswegen sei der Aufopferungsanspruch wegen eines faktischen Duldungszwangs nur für unzulässige Handlungen, nicht aber die Folgen gefährlicher Zustände zu gewähren.102 Denn die Gefährdungshaftung sei typischerweise Zustands- und nicht Handlungshaftung, so daß eine Ausweitung der verschuldensunabhängigen Handlungshaftung im Nachbarrechtsverhältnis als noch systemkonform anzusehen sei. Canaris und Herbert Roth befürworten die referierte Rechtsprechung somit für solche Fälle, in denen der faktische Duldungszwang auf einer handlungsbezogenen Nutzung des Störergrundstücks beruht, z. B. bei unzulässigen Immissionen oder schädigenden Vertiefungen.103 Hingegen sei die Erstreckung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Unfallschäden, die aus dem Zustand von 100
Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 664 f. Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 69 ff.; ders., Aufopferungsanspruch, S. 14 ff., ders., JuS 2001, 1161 (1164); ders, Anm. LM § 906 Nr. 101. 102 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 665 ff.; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 69; ders., Aufopferungsanspruch, S. 23 ff.; ders., Anm. LM § 906 Nr. 100; ders., Anm. LM § 906 Nr. 101; ders., JZ 2004, 918 (919); zustimmend Boisserée, Haftung, S. 240; Dötsch, NZM 2004, 177 (180). 103 H. Roth möchte den Ausgleichsanspruch für rechtswidrig herbeigeführte Vertiefungsschäden dogmatisch allerdings nicht auf eine Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, sondern zu § 912 Abs. 2 BGB stützen, da Vertiefungen eher mit einem Grenzüberbau als mit Imponderabilien zu vergleichen seien: Staudinger/H. Roth (2002), § 909 Rdnr. 65; ders., Aufopferungsanspruch, S. 19 ff.; ders., Anm. LM § 862 Nr. 3. Dieser unterschiedliche Anknüpfungspunkt führt jedoch zu keiner strukturellen Abweichung von der Auffassung Canaris’. 101
I. Der faktische Duldungszwang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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Bauwerken resultieren (Wasserrohrbruch, Elektrobrand etc.), abzulehnen. In diesen Fällen soll gegenüber dem Zustand als solchem, d.h. dem benachbarten, mit Wasserrohren oder Elektrokabeln ausgestatteten Gebäude von vornherein kein Abwehranspruch gegeben sein. Folglich könne insoweit nicht davon gesprochen werden, daß eine besondere Duldungspflicht den Rechtsschutz auch gegenüber sie überschreitenden Einwirkungen potentiell verkürze.104 bb) Die Theorie der Begünstigtenhaftung Eine andere vermittelnde Auffassung stützt die Haftung für faktische Duldungszwänge analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den Gedanken der Verantwortlichkeit für eine eigene Vorteilsziehung. Im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die den Haftungsgrund in der Opferlage des Betroffenen findet, stützt sie damit die Analogie auf den Gedanken der ungerechtfertigten Bereicherung.105 § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB erlaube bestimmte Immissionen, um dem Emittenten eine sinnvolle Nutzung seines Grundstücks zu ermöglichen. Der Ausgleichsanspruch des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für derartige Immissionen diene dann dem angemessenen Interessenausgleich eines Nutzungskonflikts, in dessen Rahmen der Emittent besondere Vorteile zu Lasten des Betroffenen zieht.106 Unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots ist § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB daher nach Süss107 auf alle diejenigen Fälle rechtswidriger Einwirkungen anzuwenden, die aus einer Benutzung des Nachbargrundstücks resultieren und dem Nutzer einen Vorteil bringen. Dies führe dazu, daß rechtswidrige Emissionen aus Anlagen oder Schäden durch Bautätigkeit der verschuldensunabhängigen Haftung zuzuordnen seien, nicht aber Unfallschäden wie z. B. Wasserrohrbrüche, die nicht nur dem betroffenen Nachbarn, sondern auch dem „Emittenten“ selbst Schaden zufügten.108 Als Testfrage für die Bestimmung des legitimen Anwendungsbereichs des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB könne dienen, ob der Gesetzgeber dem Einwirkenden die fragliche Form der Beeinträchtigung sinnvollerweise gestatten könnte, wenn er dessen Interessen höher als diejenigen des Betroffenen gewichten würde. Dies sei bei Unfallschäden offensichtlich nicht der Fall. 104
Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 667. Besonders prononciert Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72 f., 163 und 176 ff.; subsidiär auch Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419 ff.), welcher der Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf nicht duldungspflichtige Einwirkungen jedoch in erster Linie kritisch gegenübersteht. 106 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 139 und 176 ff.; Süss, Haftung, S. 102 ff. 107 Haftung, S. 80 ff. und 96 ff.; ebenso Hk-BGB/Eckert, § 906 Rdnr. 22 f. 108 Süss, Haftung, S. 103 f. 105
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
Karsten, der den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verantwortlichkeit für eine Vorteilsziehung ebenfalls für solche Nutzungen dienstbar machen will, die notwendig mit einer rechtswidrigen Beeinträchtigung des Nachbarn verbunden sind,109 bezieht Unfallschäden immerhin in begrenztem Maße in die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein: Sie entsprächen dem Gedanken der Belastung desjenigen, der aus einer Nutzungshandlung Vorteile zieht, mit den negativen Folgen seiner Nutzung immer dann, wenn die Nutzungshandlung als solche bereits eine konkrete Gefahr des jeweiligen Unfalls herbeigeführt habe und daher gegen das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verstoße.110 Dann greife bereits diese Nutzungshandlung im übertragenen Sinne in das nachbarliche Eigentum ein. Wann eine Nutzung wie z. B. das Bewohnen eines Gebäudes in diesem Sinne die konkrete Gefahr eines Unfallschadens begründet, wird aber nicht näher ausgeführt.
3. Zusammenfassung Die h. M. in Rechtsprechung und Literatur bejaht eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Einwirkungen, die faktisch durch den betroffenen Nachbarn nicht in zumutbarer Weise abgewehrt werden konnten. Zumeist wird dies auf den Gedanken gestützt, der Ausgleichsanspruch diene der Kompensation eines unzumutbaren Sonderopfers, das auch durch einen faktischen Duldungszwang hervorgerufen werde. Kritik hieran wird vor allem indirekt vorgebracht. Die Analogie verwische die Grenzen zum verschuldensabhängigen Deliktsrecht und zur Gefährdungshaftung. Diese Einwände veranlassen manche Autoren, den Ausgleichsanspruch bei faktischen Duldungszwängen auf andere Haftungsgründe zu stützen (potentielle Rechtsschutzverkürzung, Begünstigungsgedanke) und die Analogie entsprechend einzuschränken.
II. Der faktische Duldungszwang in Rechtsprechung und Literatur zu § 904 Satz 2 BGB Bei der Notstandsvorschrift des § 904 Satz 2 BGB besteht ebenfalls Streit um die Anwendbarkeit des Schadensersatzanspruchs auf rechtswidrige Beeinträchtigungen. Wenn die Diskussion hier aufgrund der geringeren praktischen Bedeutung der Norm auch weniger intensiv geführt wird als im Nachbarrecht und insbesondere höchstrichterliche Entscheidungen bisher 109 110
Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 176 ff. Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 182 ff.
II. Der faktische Duldungszwang bei § 904 Satz 2 BGB
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nicht vorliegen, läßt sich doch eine Problem- und Meinungslage erkennen, die mit der dargestellten Kontroverse zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vergleichbar ist. Im Ausgangspunkt herrscht Einigkeit darüber, daß es sich bei § 904 Satz 2 BGB um einen Aufopferungsanspruch zum Ausgleich der aus § 904 Satz 1 BGB folgenden Duldungspflicht handelt.111 Diese greift nach dem Wortlaut der Vorschrift zu Lasten eines Eigentümers ein, wenn die schädigende Einwirkung auf seine Sache zur Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und der drohende Schaden gegenüber dem aus der Sacheinwirkung entstehenden Schaden unverhältnismäßig groß ist. Eine analoge Anwendung der Schadensersatzhaftung aus § 904 Satz 2 BGB ist jedoch auch für die Fälle anerkannt, in denen eine andere Vorschrift die Rechtswidrigkeit einer Beeinträchtigung ausschließt, die zum Zwecke der Gefahrenabwehr und zu Lasten eines für die Gefahr nicht Verantwortlichen erfolgt.112 Dies trifft namentlich auf Notstandssituationen im Sinne des § 34 StGB zu. Nach dieser Regelung darf zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für ein wesentlich überwiegendes Interesse in gewissen Grenzen auch in andere Rechte als das Eigentum eingegriffen werden. In diesem Fall ist der betroffene Rechtsgutsinhaber auch zivilrechtlich zur Duldung verpflichtet, was über eine analoge Anwendung des § 904 Satz 2 BGB ausgeglichen wird, der ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien insoweit einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält.113 Folglich besteht eine deutliche Parallele zu der Ausgleichshaftung analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wegen einer praeter legem statuierten Duldungspflicht des Grundstückseigentümers, die über den Tatbestand des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB hinausgeht.114 Umstritten ist aber, ob § 904 Satz 2 BGB auch auf einen nicht rechtlichen, sondern bloß faktischen Duldungszwang angewendet werden kann. In Betracht kommen hierbei Fälle, in denen der Schädiger eine Gefahr im Sinne des § 904 Satz 1 BGB nur irrtümlich annimmt bzw. verkennt, daß diese auch ohne eine Beeinträchtigung fremder Rechte abwendbar wäre oder in denen das nach § 904 Satz 1 BGB a. E. erforderliche Wertverhältnis 111
Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 7; Konzen, Aufopferung, S. 108; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1a, S. 655; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 2; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 1; Soergel/J. Baur § 904 Rdnr. 2; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 3. 112 Canaris, JZ 1963, 655 (658); Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 V, S. 1459; Grothe, MünchKomm. BGB, § 228 Rdnr. 1; Heck, Sachenrecht, § 49 Nr. 10, S. 213; Konzen, Aufopferung, S. 166 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 2, S. 656; Rümelin, Schadensersatz, S. 73; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 24; Soergel/Fahse, § 228 Rdnr. 9; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 48. 113 Prot. VI, S. 218. 114 Dazu oben B. I. 1. a) aa).
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
zwischen dem beeinträchtigten und dem geschützten Interesse nicht gegeben ist.115 Besondere Bedeutung erlangt die Frage nach der Anwendbarkeit des § 904 Satz 2 BGB dabei, wenn aufgrund eines fehlenden oder zumindest nicht nachweisbaren Verschuldens des Schädigers kein deliktischer Anspruch aus den §§ 823 ff. BGB gegeben ist.
1. Befürwortung der Analogie durch die h. M. Anders als bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB existieren zu dem Problem bei § 904 Satz 2 BGB keine höchstrichterlichen Stellungnahmen. Hierin spiegelt sich die geringere praktische Bedeutung des Notstands gemäß § 904 BGB im Verhältnis zu der nachbarrechtlichen Regelung des § 906 Abs. 2 BGB wider.116 Es liegt lediglich eine einschlägige Entscheidung des Landgerichts Hamburg aus dem Jahre 1959 vor.117 In dem zu entscheidenden Sachverhalt hatte die Feuerwehr aufgrund der irrtümlichen Annahme eines Unglücksfalls eine Ladentür des Klägers aufgebrochen.
Obwohl somit ein hoheitliches Handeln vorlag, beurteilte das Gericht die Schadensersatzpflicht der Freien und Hansestadt Hamburg am Maßstab des § 904 Satz 2 BGB. Trotz der objektiven Rechtswidrigkeit des Vorgehens, die sich aus dem mangelnden Vorliegen einer Gefahrensituation ergab, wurde der Schadensersatzanspruch des Betroffenen mit einem argumentum a fortiori zu § 904 Satz 2 BGB bejaht: Es sei nicht vertretbar, „den Eigentümer in dem Fall besser zu stellen, in welchem der auf sein Eigentum Einwirkende rechtmäßig handelte, als dort, wo der Eingriff unrechtmäßig – wenn möglicherweise wegen Irrtums auch nicht schuldhaft – erfolgt ist“.118 Die h. L. stimmt dieser Argumentationslinie zu und befürwortet die analoge Anwendung des § 904 Satz 2 BGB auf alle Schädigungen, bei denen 115
Nicht näher eingegangen werden soll an dieser Stelle auf die Frage der analogen Anwendbarkeit des § 904 Satz 2 BGB für den Fall, daß der Schädiger nicht im rechtfertigenden, sondern im entschuldigenden Notstand gemäß § 35 StGB gehandelt hat (eine Analogie befürworten z. B. Canaris, JZ 1963, 655 [658 f.]; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 IV 1, S. 668; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 25; K. Scholz, Zumutbarkeit, S. 156 ff.; Wilts, NJW 1962, 1852 f.; ders., NJW 1964, 708 f.). Das Problem der Erstreckung des § 904 Satz 2 BGB auf eine rechtswidrige Schädigung wird in diesem Fall von der im einzelnen umstrittenen Vorfrage überlagert, inwieweit die subjektive Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens auch im Zivilrecht zu einem Ausschluß des Verschuldens im Sinne der §§ 823 ff. BGB führt. Hierzu ausführlich Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 436 ff. m. w. N. 116 Siehe Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 11. 117 LG Hamburg, MDR 1959, 760. 118 LG Hamburg, MDR 1959, 760.
II. Der faktische Duldungszwang bei § 904 Satz 2 BGB
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zum Zwecke der Gefahrenabwehr bewußt und für den Betroffenen unabwendbar in ein fremdes Recht eingegriffen wird, ohne daß die rechtfertigenden Voraussetzungen des § 904 Satz 1 BGB oder einer anderen Vorschrift wie z. B. des § 34 StGB vorliegen.119 Die Opferlage des Betroffenen gebiete dann erst recht einen Schadensersatzanspruch, der unabhängig von einem Verschulden sei. Besteht hingegen ein durchsetzbarer Deliktsanspruch, soll die analoge Anwendung des § 904 Satz 2 BGB wiederum aufgrund einer Subsidiarität zurücktreten.120 Diese Ansicht lehnt sich erkennbar an das für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von der Rechtsprechung und h. L. vertretene Modell an.
2. Ablehnende Stimmen Demgegenüber argumentiert die Gegenansicht, die eine Erstreckung des § 904 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Beeinträchtigungen ablehnt, wiederum mit einer drohenden Umgehung des deliktsrechtlichen Verschuldenserfordernisses und damit einem Systembruch im privaten Haftungsrecht.121
3. Differenzierende Auffassung nach Maßgabe des Begünstigungsgedankens Eine vermittelnde Auffassung vertritt schließlich Konzen.122 Auch er lehnt eine Eingriffshaftung analog § 904 Satz 2 BGB aufgrund einer drohenden Umgehung des Verschuldenserfordernisses ab.123 Die Analogie zu 119 Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 24; Canaris, JZ 1963, 655 (658 f.); ders., Feststellung, S. 78 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 III 4b, S. 1458; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 182 ff.; Hk-BGB/Eckert, § 904 Rdnr. 8; Horst, Querverbindungen, S. 60; Hubmann, JZ 1958, 489 (491); Hueck, JherJb 68 (1919), 205 (229); Jauernig/Jauernig, § 904 Rdnr. 7; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/ 2, § 85 IV 1, S. 668; Rümelin, Schadensersatz, S. 73 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 26; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 14; Staudinger/Seufert11, § 904 Rdnr. 34; Tondorf, Aufopferungsanspruch, S. 115; Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 267; Wilts, NJW 1962, 1852; Ziegler, Aufopferungsanspruch, S. 86. Gegen eine Analogie zu § 904 Satz 2 BGB, aber für die Zuerkennung eines allgemeinen bürgerlichrechtlichen Aufopferungsanspruchs spricht sich Weimar, NJW 1962, 2093 (2094) aus. 120 Statt aller Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 24; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 14. 121 AnwK-BGB/Ring, § 904 Rdnr. 41 mit Fn. 100; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 738; Grothe, MünchKomm. BGB, § 228 Rdnr. 13; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 154 f.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 49. 122 Aufopferung, S. 177 ff. 123 Konzen, Aufopferung, S. 179 f.
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B. Der Meinungsstand zum faktischen Duldungszwang
§ 904 Satz 2 BGB setzt nach seiner Ansicht nicht nur eine Schädigung des betreffenden Rechtsinhabers voraus, die zum Zwecke der Gefahrenabwehr erfolgt ist. Vielmehr müsse trotz des Fehlens einer Notstandslage im Sinne des § 904 Satz 1 BGB eine Begünstigung des Anspruchsverpflichteten eingetreten sein.124 Daraus ergeben sich folgende Grundsätze: Wenn die Beeinträchtigung dem Schutz eines nicht wesentlich höherwertigen Interesses dient, soll der Inhaber des gefährdeten Rechtsguts wertmäßig bis zur Grenze des geschützten Interesses haften.125 Sofern eine Gefahrenlage irrtümlich angenommen oder fälschlicherweise davon ausgegangen wird, daß diese nicht ohne die Schädigung eines Dritten abgewendet werden kann, sei eine Begünstigung und damit eine Analogie zu § 904 Satz 2 BGB dann anzuerkennen, wenn in der betreffenden Situation auch ein „vernünftiger Mensch“ von einer Sachlage ausgegangen wäre, bei der die Voraussetzungen des § 904 Satz 1 BGB vorgelegen hätten. Die Vorteilserlangung, die für eine verschuldensunabhängige Haftung nach Konzen erforderlich ist, wird in diesem Fall in der Abwendung der rational angenommenen Interessenkollision erblickt, auch wenn sie nicht wirklich bestand. Diese Auffassung ist sachlich mit den Ansätzen zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verwandt, die eine Erstreckung von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrige Beeinträchtigungen mit dem Gedanken der Bereicherung bzw. der Vorteilsziehung begründen.
III. Zusammenfassung und Überleitung Die Darstellung des Meinungsstands zum Problem des faktischen Duldungszwangs läßt verschiedene Schlüsse zu. Zum einen folgen die Vertreter der dargestellten Auffassungen sowohl bei § 904 Satz 2 BGB als auch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vergleichbaren Argumentationsmustern. Die Kategorie des faktischen Duldungszwangs muß daher als ein allgemeines Problem der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung begriffen werden, das bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB lediglich seinen wichtigsten Anwendungsfall erfährt. Die Ausdehnung dieser Vorschrift auf rechtswidrige Beeinträchtigungen ist unter der Führung des Bundesgerichtshofs und einer Anlehnung an die Judikatur zum öffentlich-rechtlichen Aufopferungs- und Enteignungsrecht ohne eindeutig abgegrenzte Begründungsschritte erfolgt. Obwohl es dem Gericht jeweils um den Schadensausgleich in bestimmten Fallgruppen ging, hat er die analoge Anwendung sehr schnell auf eine abstrakte Formel gestützt, nach der § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein generelles Ausgleichsinsti124
Konzen, Aufopferung, S. 180 f. Insoweit schließt Konzen an Canaris, NJW 1964, 1987 (1993 Fn. 54) an; ähnlich ders., JZ 1963, 655 (659). 125
III. Zusammenfassung und Überleitung
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tut für alle unzumutbaren Sonderopfer im nachbarlichen Raum darstellt, die rechtlich oder faktisch nicht abzuwehren sind. Diese Rechtsprechung wird in der Literatur zum großen Teil als Schaffung eines flexiblen Haftungsinstituts begrüßt. Andere Stimmen erkennen Friktionen zu weiteren zivilrechtlichen Haftungsnormen und lehnen die analoge Erstreckung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge daher entweder ab oder versuchen, diese Tatbestände der Aufopferungshaftung anderen Kategorien wie den Gedanken einer potentiellen Rechtsschutzverkürzung oder der Begünstigung unterzuordnen, um systematische Widersprüche zu vermeiden. Vor dem Hintergrund dieses zersplitterten Befunds verspricht lediglich eine grundlegende Analyse der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung, einen Beitrag zur Lösung des Problems leisten zu können. Diese Analyse wird aus zwei Teilen bestehen: Im folgenden Abschnitt wird untersucht, ob sich die verschiedenen Argumentationsmuster, mit denen die h. M. die Aufopferungshaftung für faktische Duldungszwänge begründet, in das System außervertraglicher Haftung einpassen.126 Dabei wird sich erweisen, daß keiner der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansätze zu überzeugen vermag. Hiervon ausgehend, wird dann im Anschluß ein abweichendes Modell der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB entwickelt. Dieses deutet das Regelungsgefüge aus Duldungspflicht und Ausgleichsanspruch in den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB im Wege einer ökonomischen Analyse als Abbild eines hypothetischen Vertrags, den die Beteiligten unter günstigen Verhandlungsbedingungen abgeschlossen hätten.127 Auf dieser Basis kann abschließend dargelegt werden, daß die Fälle eines faktischen Duldungszwangs den gesetzlich geregelten Sachverhalten teleologisch nicht entsprechen und die Analogie daher abzulehnen ist.
126 127
Abschnitt C. Abschnitt D.
C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem Wie im Rahmen der Darstellung des Meinungsstands dargelegt wurde, können die verschiedenen Spielarten der h. M., nach denen die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge analog anwendbar sind, jeweils auf ein bestimmtes Grundverständnis der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung zurückgeführt werden. Im folgenden gilt es zu untersuchen, inwieweit diese Grundverständnisse und die daraus gezogenen Schlüsse zu überzeugen vermögen. Dies betrifft die Einpassungsfähigkeit dieser Auffassungen in das System der außervertraglichen Haftung, die insbesondere einen Quervergleich mit der negatorischen Haftung, dem Deliktsrecht, dem Bereicherungsrecht und der Gefährdungshaftung gebietet.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung In der Diskussion über die §§ 904, 906 Abs. 2 BGB als Ausprägungen der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung werden häufig die Kategorien des Eingriffs und der Begünstigung gegenübergestellt. Hiermit sollen zwei konkurrierende Legitimationsgründe für den Aufopferungsanspruch angegeben werden: Eine Auffassung sieht den Eingriff in ein fremdes Eigentumsrecht – hier: im nachbarlichen Raum bzw. in Notstandssituationen – als Grundlage des Ausgleichsanspruchs an.1 Die entgegenstehende Ansicht stellt auf die mit der Durchsetzung des wesentlich überwiegenden Interesses verbundene Begünstigung als Haftungsgrundlage ab.2 Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen diese Auffassungen insbesondere dann, wenn ein Eingriff nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse erfolgt, d.h. z. B. bei § 904 BGB Nothilfe zugunsten eines Dritten geleistet wird. Der eingriffs1 So ersetzen beispielsweise Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2, § 54 III, S. 148 den Begriff Aufopferungshaftung durch „Eingriffshaftung“; ähnlich Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 218 I, S. 1345; Jansen, Struktur, S. 32 und passim; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (144); Rümelin, Schadenszurechnung, S. 33; Hauptvertreter der eingriffsbezogenen Aufopferungshaftung ist Hubmann, AcP 155 (1956), 85 ff.; ders., JZ 1958, 489 ff. 2 Insbesondere Konzen, Aufopferung, S. 177 ff.; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72 f., 163 und 176 ff.; Süss, Haftung, S. 80 ff. und 96 ff.; auch Canaris, Feststellung, S. 79 f. und Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 170 f.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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orientierte Ansatz führt dann in der Regel zu einer Haftung des Handelnden,3 während der Gedanke der Begünstigung zu einer Verpflichtung desjenigen gelangt, zu dessen Gunsten die Rettungshandlung vollzogen wurde.4 Die Kategorie des Eingriffs wird aber auch dienstbar gemacht, um die Einbeziehung rechtswidriger Schädigungen in Aufopferungsansprüche wie die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu begründen. Dabei wird teilweise ein erfolgsbezogenes und teilweise ein willensbezogenes Eingriffsverständnis zugrunde gelegt. Während die Kategorie des erfolgsbezogenen Eingriffs auf die Verursachung einer unzumutbaren Beeinträchtigung des betroffenen Eigentums abstellt, knüpft die willensbezogene Kategorie an eine vorsätzliche Eigentumsbeeinträchtigung seitens des Störers an. Im folgenden soll untersucht werden, ob sich diese Ansichten in das System außervertraglicher Haftung einfügen.
1. Der erfolgsbezogene Eingriff als möglicher Grundgedanke der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Nach einer Variante besteht das Wesen einer zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung in einer Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, die eine Belastung des Eigentümers mit den Eingriffsfolgen als unbillig erscheinen läßt. Dieses Moment der Unbilligkeit findet sich dann für Eingriffe im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB in den korrespondierenden Ausgleichsansprüchen der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB implizit kodifiziert. Das auszugleichende Sonderopfer wird von diesem Ausgangspunkt erfolgsbezogen definiert als Schadenseintritt bei dem betroffenen Eigentümer, der ohne finanziellen Ausgleich als unzumutbar erscheint. Es muß dann lediglich noch bestimmt werden, ob hinsichtlich der Zumutbarkeitsfrage eine Duldungspflicht unabdingbare Voraussetzung einer Aufopferungshaftung ist oder ob sich die Ansprüche aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch auf solche faktisch nicht 3 RGZ 113, 301 (303); BGHZ 6, 102 (105 f.); Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 20; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 7 f.; von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (376 f.); Enneccerus/Nipperdey, AT, § 241 III 2, S. 1457 mit Fn. 16; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 153; F. Oetker, Notwehr, S. 303 ff.; Planck/Strecker, § 904 Anm. 3b b, S. 268 f.; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 9; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 44 ff.; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 23. 4 Canaris, NJW 1964, 1987 (1993); Erman/A. Lorenz, § 904 Rdnr. 10; Götz, Vergütungsanspruch, S. 151; N. Horn, JZ 1960, 350 (352); Kraffert, AcP 165 (1965), 453 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 107 ff.; ders., JZ 1985, 181 (182); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1b, S. 655 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 17 f.; Spöhr, Nothilfe, S. 40 ff.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 38; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II 2c, S. 164 f.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
abwehrbaren Eingriffe erstrecken lassen, die zwar in den Regelungsbereich der entsprechenden Duldungspflicht fallen, aber den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen letztlich doch nicht genügen, z. B. wesentliche, aber nichtortsübliche Immissionen im Verhältnis zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Eine solche Variante der Eingriffskonzeption, die eine Duldungspflicht nicht als notwendige Voraussetzung der Entschädigungspflicht anerkennt, liegt neben verschiedenen Literaturstimmen5 auch der analysierten Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 BGB zugrunde.6 Denn der Bundesgerichthof geht davon aus, daß ein Ausgleichsanspruch für alle Einwirkungen im nachbarlichen Raum besteht, „die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden“.7 Zwar könnte daran gezweifelt werden, daß der Bundesgerichtshof das Element der unzumutbaren Beeinträchtigung im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog maßgeblich auf die Verursachung eines schädigenden Eingriffs stützt. Denn bei einer arbeitsteiligen Verwirklichung des rechtswidrigen Eingriffs soll sich der Anspruch nicht gegen alle Beteiligten richten, sondern nur gegen den Initiator, der „die Nutzungsart des beeinträchtigenden Grundstücks bestimmt“ und somit Benutzer im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist.8 Hiermit wird insbesondere die Passivlegitimation bloß ausführender Bauunternehmen ausgeschlossen. Dies führt jedoch nicht dazu, daß die Rechtsprechung der Konzeption zuzuordnen wäre, welche die Ausgleichspflicht als Begünstigtenhaftung einstuft und an die Vorteilsziehung anknüpft, die in der Benutzung des störenden Grundstücks liegt. Denn die Anspruchsverpflichtung (nur) desjenigen, der über die Benutzung des Grundstücks bestimmt, beruht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht auf den Gedanken der Begünstigtenhaftung,9 sondern dem Veranlassungsprinzip.10 Indem die Rechtsprechung denjenigen haften läßt, der die Nutzung des Grundstücks bestimmt, von dem die Störung ausgeht, wird somit nicht der Ansatz der Eingriffshaftung zugunsten einer Begünstigtenhaftung verlassen, sondern eine Zurechnungsentscheidung innerhalb der Kategorie der Eingriffshaftung getroffen: Der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß der maßgebliche Störer, der den faktischen Duldungszwang aus5 H. Meyer, Aufopferungsentschädigungsgedanke, S. 68 ff.; Tondorf, Aufopferungsanspruch, S 95 ff.; Ziegler, Aufopferungsanspruch, S. 81 ff. 6 Siehe B. I. 1. 7 Zuletzt BGH, NJW 2004, 775. 8 BGHZ 72, 289 (297); 113, 384 (392); BGH, NJW 1999, 1029 (1030); BGH, NJW 2003, 2377 (2378). 9 Ausdrücklich BGHZ 113, 384 (392). 10 BGHZ 72, 289 (297); BGH, NJW 1999, 1029 (1030).
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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übt, jeweils derjenige ist, der die Beeinträchtigung als Grundstücksnutzer veranlaßt. Diese Interpretation harmoniert mit der Rechtsprechung zu § 904 Satz 2 BGB in den Fällen, in denen der Gerettete und der Retter verschiedene Personen sind. Hier soll grundsätzlich der unmittelbar Einwirkende zum Schadensersatz verpflichtet sein, es sei denn, er habe als Organ oder sonst auf Veranlassung des Geretteten gehandelt.11 Nur dann hafte der letztere. Auch hier wird folglich eine Zurechnungsentscheidung im Rahmen der Kategorie der Eingriffshaftung getroffen. Die Position des Bundesgerichtshofs kann zwar dahingehend kritisiert werden, daß eine Entlastung all derer, die auf Veranlassung eines Dritten handeln, im Rahmen der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht mit den zu § 1004 Abs. 1 BGB vertretenen Kriterien der Störereigenschaft harmoniert. Denn diese wird durch den Bundesgerichtshof auch für Personen bejaht, die auf Veranlassung durch Dritte handeln.12 Diese Friktion ändert aber nichts daran, daß die Rechtsprechung eine Version des (hier sogenannten) erfolgsbezogenen Eingriffsgedankens vertritt.13 a) Das haftungssystematische Problem Es zeigt sich jedoch sehr schnell eine Problematik dieser Ansicht, die im Ergebnis unüberwindbar ist. Wenn das ausgleichsgebietende Sonderopfer in einem rein erfolgsbezogenen Eingriff erblickt wird, der bei § 904 Satz 1 BGB zur Güterrettung bzw. bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB im nachbarlichen Raum erfolgt, und zugleich ein Handeln in den Grenzen der jeweiligen Duldungspflicht entbehrlich ist, droht der Gedanke des erfolgsbezogenen Eingriffs den Aufopferungsanspruch in die Uferlosigkeit auszudehnen. Ein Ausgleich wäre dann im Ansatzpunkt stets geboten, wenn eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB vorliegt, die aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abwehrbar war und zu unzumutbaren Folgen für den betroffenen Eigentümer führt. Der Anspruch würde im nachbarlichen Raum aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog folgen und bei der Förderung sonstiger Interessen durch Eingriff in fremdes Eigentum aus § 904 Satz 2 BGB analog. Diese großzügige Gewährung von Aufopferungsansprüchen geriete aber in einen Widerspruch zu der begrenzten Rechtsfolge des negatorischen Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB. 11
BGHZ 6, 102 (103 ff.); bereits auch RGZ 113, 301 (303 ff.); 156, 187 (190). Zur Störereigenschaft des Arbeitnehmers BGH, DB 1979, 544 (545); zur negatorischen Verantwortlichkeit eines Werkunternehmers RGZ 167, 14 (28). 13 Siehe Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 16; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 35. 12
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Bekanntermaßen ist stark umstritten, wie die Begriffe der Eigentumsbeeinträchtigung und der Beseitigung in dieser Norm zu interpretieren sind. Nach einer von Picker14 begründeten Lehre schützen die negatorischen Rechte aus § 1004 Abs. 1 BGB gegenüber einer sogenannten faktischen Usurpation des Eigentumsrechts durch Dritte. Eine faktische Rechtsusurpation zeichnet sich dadurch aus, daß ein Dritter durch ihm zurechenbare Handlungen oder ihm zurechenbare Gegenstände in einer Art und Weise auf die fremde Sache einwirkt, die dem Rechtsinhalt des Eigentums widerspricht. Dabei wird durch den Dritten faktisch eine Position usurpiert, die rechtlich dem Eigentümer zusteht.15 Die negatorische Verantwortlichkeit ist danach aufgrund des Moments der Ausdehnung der Organisation des Störers in einen fremden Rechtskreis als eine „Habenshaftung“ zu charakterisieren.16 Aufgrund dieser Zurechnungsvoraussetzungen dauert die faktische Rechtsusurpation andererseits nur so lange an, wie die mit dem fremden Eigentum in Widerspruch stehende Sphärenüberlagerung stattfindet.17 Es handelt sich bei der Beeinträchtigung des Eigentums im Rechtssinne, die § 1004 Abs. 1 BGB zum Gegenstand hat, danach nicht um einen verursachten nachteiligen Zustand der Sache, sondern nur um eine solche Überlagerung der Rechtssphäre des Eigentümers, der eine aktuelle Ausdehnung der Organisation des Usurpators entspricht. Gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB schuldet der Usurpator im Sinne Pickers somit nur die Zurücknahme seiner faktischen Organisation in die Grenzen der ihm zugewiesenen Rechtssphäre, nicht aber die Beseitigung bloßer Sachveränderungen. So muß etwa derjenige, der Altölfässer auf fremden Boden ablagert, diese Fässer im Sinne der Usurpationstheorie nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB entfernen, nicht aber Bodenverunreinigungen beseitigen, die sich aus ausgelaufenem Öl ergeben haben. Demgegenüber lehnt die h. M.18 dieses restriktive Verständnis der negatorischen Pflichten ab. Sie geht mit vielen Unterschieden 14 Grundlegend in: Beseitigungsanspruch; weiterhin ders., JuS 1974, 367 ff.; ders., AcP 176 (1976), 28 ff.; ders., AcP 178 (1978), 499 ff.; ders., Festschrift Lange, S. 625 (656 ff.); ders., Festschrift Gernhuber, S. 315 ff.; ders., Festschrift Bydlinski, S. 269 (304 ff.). Zustimmend Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 ff.; Gursky, JR 1989, 397 ff.; ders., JZ 1990, 921 ff.; ders., JZ 1996, 683 ff.; Staudinger/Gursky (1999), § 1004, Rdnr. 4 ff. und 97 ff.; König, NJW 2005, 191 (192); Lobinger, JuS 1997, 981 ff.; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 10 ff.; K. Schwabe, Einzelrechtsnachfolger, S. 63 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1267 ff.; im Grundsatz auch J. Neuner, JuS 2005, 385 (388 ff.), der jedoch einen Ausschluß der negatorischen Verantwortlichkeit durch Eigentumsverlust an der störenden Sache ablehnt. 15 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 50; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315 (332); Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 95 ff. 16 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 1269. 17 Picker, Beseitigungsanspruch, S. 113 ff.; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315 (335 ff.).
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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im einzelnen davon aus, daß eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB keine Überlagerung von Rechtssphären, sondern die nachteilige Veränderung des Sachzustands zum Gegenstand hat.19 Nach einer plastischen Formulierung führt dieser Ansatz zu einer Interpretation der negatorischen Ansprüche als „Deliktsrecht zweiten Grades“.20 Um zu zeigen, daß die Deutung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Ausgleich für einen unzumutbaren Eigentumseingriff einschließlich faktischer Duldungszwänge in Konflikt mit den begrenzten Rechtsfolgen des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB gerät, bedarf es jedoch keiner näheren Erörterung dieses Streits. Denn selbst auf dem Boden der h. M. ist unbestritten, daß die negatorische Beseitigungspflicht nicht zu einem Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB führen darf, sondern daß ein solcher nur nach deliktischen Kriterien gefordert werden kann, d.h. insbesondere bei Verschulden.21 Dem widerspricht es nun aber, wenn nicht-duldungspflichtige Eigentumsbeeinträchtigungen im Rahmen der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB allein deshalb mit einem verschuldensunabhängigen Geldausgleich verbunden werden, weil sie für den Betroffenen „unzumutbar“ sind. Offensichtlich ist diese Friktion bei der Anwendung des § 904 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge, die ja zu einem vollen Schadensersatzanspruch führt. Aber auch im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB läßt sich die dargelegte Problematik nicht allein dadurch bewältigen, daß der Aufopferungsanspruch für rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigungen in der Form des angemessenen Ausgleichs auf einen Ersatz des Verkehrswerts der beeinträchtigten Eigentumssubstanz begrenzt wird.22 Hiermit fallen zwar 18 BGH, NJW 1996, 845 (846 f.); Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3088); Canaris, JZ 1993, 377 (387); F. Baur, AcP 175 (1975), 177 (179 f.); Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 84 ff.; Canaris, JZ 1993, 377 (387); Enders, Verantwortlichkeit, S. 183 ff.; Herrmann, Störer, S. 92 ff.; Jabornegg/Strasser, Umweltschutz, S. 102 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 86 II 2, S. 676 ff.; Medicus, MünchKomm. BGB, § 1004 Rdnr. 25 ff.; Petersen, Duldungspflicht, S. 13 ff.; Soergel/Mühl, § 1004 Rdnr. 98; Steinbach, Eigentumsfreiheitsanspruch, S. 61 ff.; Stikkelbrock, AcP 197 (1997), 456 (471 ff.). 19 Überblick über die einzelnen Spielarten mit zahlreichen Nachweisen bei Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 69 ff. 20 F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (466). 21 BGHZ 28, 110 (113); F. Baur, AcP 160 (1961), 465 (489); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 12 Rdnr. 21; Medicus, MünchKomm. BGB, § 1004 Rdnr. 71; RGRK/ Pikart, § 1004 Rdnr. 90; H. Roth, AcP 180 (1980), 263 (282 ff.); Soergel/Mühl, § 1004 Rdnr. 112. 22 So aber Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 179; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (503); Siems, JuS 2005, 884 (886). Die Rechtsprechung betont stets, daß es sich bei Schadensersatzansprüchen und nachbarlichen Ausgleichsansprüchen aufgrund des unterschiedlichen Streitgegenstands um prozessual verschiedene Ansprüche handele: BGHZ 111, 158 (166); 113, 384 (390); 120, 239 (249); offen BGHZ 148, 39 (53).
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
entgegen § 252 BGB unter Umständen gewisse Formen entgangener Gewinne aus dem Ausgleichsanspruch heraus.23 Die Pflicht zum Ersatz des Verkehrswertschadens kann aber immer noch beträchtlich sein und namentlich bei Substanzschäden einem Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB praktisch gleichkommen.24 Dies gesteht auch der Bundesgerichtshof ausdrücklich zu.25 Die Ausgleichsfolge steht damit immer noch im Widerspruch sowohl zu der begrenzten Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch dem deliktischen Verschuldensprinzip.26 Vielmehr offenbart sich in dem Verweis auf den unterschiedlichen Anspruchsumfang des nachbarlichen Ausgleichsanspruchs für faktische Duldungszwänge und des deliktischen Schadensersatzanspruchs eine gewisse Unsicherheit der h. M.: Diese sieht, daß die Zuerkennung eines verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruchs mit anderen Haftungsinstituten in Konflikt zu geraten droht und betont deshalb die angeblich weniger einschneidende Rechtsfolge. Dies löst jedoch nicht die Gretchenfrage, ob für die rechtswidrigen Schädigungen überhaupt ein Geldzahlungsanspruch ohne Rücksicht auf Verschulden gewährt werden darf. b) Lösungsversuche Die h. M. nimmt allerdings an, der haftungssystematischen Problematik hinreichend durch die Einschränkungen zu begegnen, denen sie die analoge Erstreckung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Einwirkungen unterwirft. Zum einen zählt hierher das Erfordernis eines faktischen Duldungszwangs, d.h. des Umstands, daß der betreffende Eingriff aufgrund tatsächlicher Umstände nicht mit zumutbaren Mitteln abwehrbar gewesen sein darf. Zum anderen sollen die Aufopferungsansprüche wegen faktischer Duldungszwänge auf solche Eigentumsbeeinträchtigungen begrenzt werden, die sich „im Umfeld“ einer rechtlichen Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bewegen. So werden beispielsweise bei § 906 Abs. 2 BGB den gesetzlich geregelten ortsüblichen Imponderabilien nicht-ortsübliche Immissionen, schädigende Vertiefungen, aber 23
Dazu unten D. III. 3. c). Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 223; Boisserée, Haftung, S. 249. 25 BGHZ 142, 66 (72): Es gehe bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog „um einen für das Schadensersatzrecht charakteristischen Ausgleich für die durch die Beeinträchtigungen des Eigentums erlittenen Einbußen.“ 26 von Bar, Karlsruher Forum (1987), 4 (9 f.); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 738; Grothe, MünchKomm. BGB, § 228 Rdnr. 13; H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 18; Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, 407 (417 f.); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 198 f.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 49; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705. 24
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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auch unfallartige Einwirkungen durch Wasserrohrbrüche und Elektrobrände gleichgestellt.27 In bezug auf § 904 BGB dominieren die Fallgruppen irrtümlicher Notstandshandlungen und die Abwehr von Gefahren für nicht wesentlich überwiegende Interessen die Diskussion.28 Die Tauglichkeit dieser beiden einschränkenden Kriterien zur Abwendung haftungssystematischer Widersprüche gilt es im folgenden zu überprüfen. aa) Die Bedeutung des faktischen Duldungszwangs Die h. M. in Rechtsprechung und Literatur nimmt an, daß sich der von einem Eingriff betroffene Eigentümer nur dann in einer Opferlage befindet, die mit den Konstellationen einer rechtlichen Duldungspflicht vergleichbar ist, wenn der Eingriff nicht in zumutbarer Weise auf dem Rechtsweg oder durch die Ausübung von Abwehrrechten (§§ 227, 228 Satz 1 BGB) unterbunden werden konnte.29 Hierzu zählen zum einen Fälle, in denen eine solche präventive Unterbindung im engeren Sinne unmöglich war, insbesondere aufgrund eines zu schnellen zeitlichen Ablaufs. Über das Kriterium der Zumutbarkeit der Abwehr fließen aber in der Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch normative Erwägungen in die Definition eines faktischen Duldungszwangs ein. Laut Bundesgerichtshof kann sich ein faktischer Duldungszwang beispielsweise aus Unklarheiten über den einschlägigen Rechtsweg bei schlicht-hoheitlichen Baumaßnahmen ergeben.30 Und auch bei offenkundig rechtswidrigen grobkörnigen Immissionen durch 27
Siehe oben B. I. 1. a) dd). B. II. 1. 29 BGHZ 101, 106 (110); BGH, NJW-RR 1988, 136 (138); NJW 1990, 3195 (3196); BGHZ 111, 158 (162); 113, 384 (391); 122, 283 (284); BGH, NJW 1995, 714; NJW 1996, 3208 (3211); NJW-RR 1997, 1374; NJW 1999, 1029 (1030); BGHZ 142, 66 (67 f.); BGH, NJW-RR 2000, 537; BGHZ 147, 45 (49 f.); Alsleben, Zufall, S. 18 f.; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 29; Brüggemeier, UTR 12 (1990), 261 (279); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 731; Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 39; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (499 ff.); ders., Karlsruher Forum 1987, 22 (23 f.); Jauernig/Jauernig, § 906 Rdnr. 15; Krahe/Middelberg, ZfS 2002, 557 (558); Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (135); Lettl, JuS 2005, 871 (876); Lytras, Umweltschäden, S. 168; Marburger, UTR 2 (1987), 109 (127); Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 42; Pfeiffer, Immissionsschutz, S. 28; Röthel, Jura 2005, 539 (545 f.); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 141; Schwab/Prütting, Sachenrecht, Rdnr. 339; Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 151 ff.; Salje, DAR 1988, 302 (303 ff.); Stürner, Anm. LM § 906 BGB Nr. 91; Wenzel, NJW 2005, 241 (246); Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 III 3, S. 509; ders., UTR 11 (1990), 103 (127 f.); ablehnend gegenüber dem Subsidiaritätskriterium hingegen Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 182; Gerlach, Umweltschutz, S. 226 f.; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 30 BGHZ 72, 289 (294 f.). 28
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Schrotblei, die mit einer Unterlassungsklage rechtzeitig unterbunden hätten werden können, soll präventiver Rechtsschutz unzumutbar sein, wenn dem betroffenen Eigentümer das Ausmaß der bodenschädigenden Wirkung des Bleis nicht klar war und auch nicht klar sein mußte.31 Von dem rechtlichen Begriff des faktischen Duldungszwangs sind somit nach Maßgabe des Zumutbarkeitsgedankens, der in der Rechtsprechung durch eine Einzelfallabwägung konkretisiert wird, auch Fälle erfaßt, in denen negatorischer Rechtsschutz rein tatsächlich durchaus erlangbar gewesen wäre. (1) Das Verhältnis zur negatorischen und deliktischen Haftung Jedoch bleibt problematisch, wieso die begrenzte Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und das deliktische Verschuldenserfordernis einem verschuldensunabhängigen Aufopferungsanspruch nicht mehr im Wege stehen sollen, wenn die betreffende Eigentumsverletzung präventiv nicht in zumutbarer Weise unterbunden werden konnte. In den einschlägigen Entscheidungen findet sich lediglich die Feststellung, für solche Fälle könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber einen Ersatzanspruch auf schuldhafte Eingriffe habe beschränken wollen.32 Hiermit wird das Verschuldenserfordernis in den §§ 823 ff. BGB sachlich als eine Art Rechtsnachteil für den Geschädigten gedeutet, der erst dann Sperrwirkung gegenüber verschuldensunabhängigen Ersatzansprüchen zeitigt, wenn ihn aufgrund des Unterlassens zumutbarer Abwehrmaßnahmen eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden trifft. Denn auf einen verschuldensabhängigen Deliktsanspruch wäre er nur dann verwiesen, wenn er keinem faktischen Duldungszwang ausgesetzt war. Eine solche Interpretation würde jedoch den Zweck des Verschuldens als Voraussetzung einer deliktischen Haftung quasi auf den Kopf stellen. Das Verschuldenserfordernis soll nicht den Inhaber des verletzten Rechts für gewisse Unterlassungen mit einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung bestrafen, sondern ein hinreichendes Maß an Handlungsfreiheit auf der Seite potentieller Schädiger sicherstellen.33 Zwar erkennt die Rechtsordnung solche Handlungen nicht als schützenswert an, die in Rechte anderer eingreifen, ohne daß eine Duldungspflicht vorliegt, was sich bereits aus § 1004 BGB ergibt. Die Pflicht zur Unterlassung und Beseitigung von Eigentumsbeeinträchtigungen steht nicht unter 31
BGHZ 111, 158 (163 f.). BGHZ 72, 289 (295); BGH, WM 1985, 1041. 33 Ausführlich Gruber, Freiheitsschutz, S. 210 ff. m. w. N.; Deutsch, VersR 1971, 1 (2); zum liberalen Gesellschaftsmodell als Hintergrund des Verschuldensprinzips Esser, Gefährdungshaftung, S. 50 ff. 32
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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einem Verschuldenserfordernis. Insoweit wird der angemessene Schutz der Handlungsfreiheit ausschließlich über die Bestimmung und Begrenzung des Ausschlußgehalts des Eigentums geleistet bzw. aus Sicht des Gesamtsystems subjektiver Rechte über die Begrenzung aller absoluten Rechte.34 Die in Ausgleich zu bringenden Interessen des Eigentümers und des Störers sind aber anders gelagert, wenn es um den Ersatz von Schäden im Sinne der §§ 249 ff. BGB geht, d.h. nicht bloß die Verwirklichung der eigentumsbezogenen Freiheitssphäre selbst (§ 1004 BGB), sondern einen darüber hinausgehenden Wertschutz. Dann steht eine noch stärkere Belastung des Anspruchsverpflichteten in Rede, die in der Regel strengeren Voraussetzungen unterliegen muß als eine negatorische Verantwortlichkeit. Diesem Gedanken trägt das deliktische Verschuldenserfordernis Rechnung. Sofern lediglich die schuldlose, aber einem Störer objektiv zurechenbare Eigentumsverletzung als isolierter Ausschnitt betrachtet wird, kann zwar bezweifelt werden, ob unter Gerechtigkeitsaspekten der Eigentümer an Stelle des Rechtsusurpators den eingetretenen Schaden tragen soll. Das Prinzip „casum sentit dominus“ löst dieses Problem selbst nicht, da es insoweit bereits voraussetzt, daß eine schuldlose Eigentumsbeeinträchtigung hinsichtlich der Schadensfolgen einen casus darstellt, der durch den Rechtsinhaber zu tragen ist. Schließlich hat der Störer seinen Rechtskreis zu Lasten des geschädigten Eigentümers überschritten. Der Gedanke des Zufallsschadens erlangt normative Bedeutung im Sinne einer Haftungsverneinung somit erst dann, wenn das Verschuldensprinzip bereits eigenständig begründet worden ist.35 Und dies setzt voraus, den betrachteten Ausschnitt über das konkret eigentumsbeeinträchtigende Geschehen hinaus zu erweitern: Ob eine gewisse Handlung die Störung fremden Eigentums bewirkt und damit auch eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB begründet, kann aus der Sicht ex ante häufig unklar sein. Wenn es nun eine generelle Pflicht zum verschuldensunabhängigen Ersatz objektiv zurechenbar verursachter Schäden gäbe, würde dies folglich eine starke psychologische Sperre auch gegenüber der Vornahme vieler Handlungen errichten, die keine fremden Rechte verletzen, ohne daß dies aber ex ante von dem potentiell Handelnden mit absoluter Sicherheit prognostiziert werden könnte.36 Die Welt 34 Siehe (wenn auch jeweils aus der Sicht des deliktischen und nicht des vorgelagerten negatorischen Schutzes) Fraenkel, Tatbestand, S. 239; Gruber, Freiheitsschutz, S. 260 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 75 I 3b, S. 356 f.; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (129). 35 Vgl. Rümelin, Schadenszurechnung, S. 13 ff. 36 Eine psychologische Sperre gegenüber Handlungen, die zwar nicht tatsächlich, aber aus der Sicht ex ante möglicherweise in fremde Rechte eingreifen, kann sich allerdings auch aus dem „Drohen“ einer Verpflichtung aus § 1004 Abs. 1 BGB ergeben. Dieser Konflikt muß allerdings als unvermeidlich hingenommen werden; er
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
drohte, in einen „Quietismus“ zu verfallen.37 Diese plausible empirische Annahme hängt nicht von der umstrittenen normativen Auffassung ab, der positive Zweck des Deliktsrechts selbst bestehe darin, Rechtsverletzungen durch Erzeugung eines psychologischen Zwangs zu vermeiden.38 Vielmehr geht es ausschließlich darum, daß die Freiheit zur Vornahme von Handlungen, die keine Eigentumsbeeinträchtigungen im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB darstellen,39 zu stark beschnitten würde, falls eine Person schon dann eine Pflicht zum Ersatz bewirkter Schäden treffen würde, wenn sie in Widerspruch zu § 1004 BGB fremdes Eigentum stört, obwohl dies für sie nicht hinreichend erkennbar war.40 Der Gesetzgeber hat daher den Konflikt zwischen dem Interesse am Schutz subjektiver Rechte über Schadensersatzansprüche und der Handlungsfreiheit dahingehend aufgelöst, daß Schadensersatz im allgemeinen Rechtsverkehr grundsätzlich nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schädigers verlangt werden kann (§ 823 BGB). Dabei ist der Verschuldensbegriff hinreichend elastisch, um in den verschiedenen Fallkonstellationen einen angemessenen Ausgleich zwischen Handlungschancen und Schadensrisiken zu finden. Dies gilt zum einen für die herrschende Auslegung des Begriffs der verkehrserforderlichen Sorgfalt, die im allgemeinen Rechtsverkehr nicht nach den individuellen Fähigkeiten des Schädigers, sondern generalisierenden Maßstäben zu bemessen ist.41 Darüber hinaus können die Sorgfaltsanforderungen auf die Besonderheiten des ist eine logische Folge von Prognoserisiken. An dieser Stelle wird aber wieder die Gefahr deutlich, die aus einer Ausweitung der Rechtsfolge des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zu einem „Deliktsrecht zweiten Grades“ resultiert: Nur wenn der negatorische Beseitigungsanspruch deutlich von einer Pflicht zur Naturalrestitution abgegrenzt bleibt, wird anerkennenswerte Handlungsfreiheit hinreichend geschützt. 37 Rümelin, Schadensersatz, S. 59. 38 Hierzu Marburger, AcP 192 (1992), 1 (30 f.); Rohe, AcP 201 (2001), 117 (125 ff.) jeweils m. w. N. 39 Daß es nur um den Schutz der Freiheit zu solchen Handlungen gehen kann, wird von Gruber, Freiheitsschutz, S. 223 ff. nicht hinreichend berücksichtigt. 40 Prot. II, S. 569; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 21 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 75 I 1, S. 350; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 35; ders., Festschrift Gernhuber, S. 315 (357). Hiergegen wendet Jansen, Struktur, S. 66 ff.; ders., Oxford Journal of Legal Studies 24 (2002), 443 (460 f.) ein, der Schädiger könne sich gegen die Haftungsfolgen versichern, so daß eine verschuldensunabhängige Haftung ihn in seiner Handlungsfreiheit nicht mehr oder weniger belaste als eine Steuer. Jedoch kann auch die vis compulsiva, die von einer Versicherungsobliegenheit für die Handlungsfreiheit ausgeht, erheblich sein. Schließlich würden die Versicherungsprämien für eine allgemeine verschuldensunabhängige Haftung kaum unter dem statistisch erwarteten Wert künftiger Ersatzpflichten des jeweiligen Schädigers liegen und die aufgezeigte Problematik somit nicht mildern. 41 RGZ 152, 129 (140); BGHZ 80, 186 (193); von Bar, Verkehrspflichten, S. 137 ff.; Deutsch, Fahrlässigkeit, S. 128 ff.; RGRK/Alff, § 276 Rdnr. 18 ff.; kritisch Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 211, S. 1307 ff.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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jeweiligen Verkehrskreises abgestimmt werden, etwa die Gefahrneigung des betreffenden Verhaltens.42 Und dieser Gedanke des Schutzes von Handlungsfreiheit durch das Verschuldenserfordernis greift auch dann ein, wenn der betroffene Eigentümer die jeweilige Eigentumsbeeinträchtigung nicht mit zumutbaren Mitteln abwehren konnte. Die Möglichkeit einer solchen Abwehr beeinflußt einen Schadensersatzanspruch vielmehr erst dann, wenn dieser auf der Basis eines Verschuldens des Eingreifers oder eines sonstigen Zurechnungsmaßstabs bereits begründet ist: Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB gilt es auch als anspruchsminderndes Mitverschulden des Geschädigten, wenn er eine mögliche Abwendung oder Minderung des Schadens unterlassen hat. Bezeichnenderweise wird diese Obliegenheit nicht nur durch die faktische Möglichkeit einer Abwehr des Schadens begrenzt, sondern auch durch normative Kriterien der Zumutbarkeit,43 d.h. es sind dieselben Gesichtspunkte maßgeblich, wie sie die Rechtsprechung zur Begründung eines Aufopferungsanspruchs wegen eines faktischen Duldungszwangs heranzieht. Der § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BGB mit seinen Voraussetzungen einer Schadensminderungsobliegenheit wird damit in gewisser Weise zum Kronzeugen gegen die Vernachlässigung des deliktischen Verschuldenserfordernisses in den Fällen eines faktischen Duldungszwangs. Die fehlende zumutbare Abwehrbarkeit einer rechtswidrigen Eigentumsverletzung schließt als solche lediglich die Kürzung bzw. den Ausschluß eines anderweitig begründeten Ersatzanspruchs nach § 254 BGB aus, kann aber nicht selbst positiv eine hinreichende Haftungsgrundlage sein. Dies besagt zwar nicht abschließend, daß die Gewährung von Aufopferungsansprüchen in den Fällen faktischer Duldungszwänge illegitim ist. Aber zumindest stellt die Kategorie der faktisch nicht abwehrbaren Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB selbst noch keinen tauglichen Haftungsgrund dar. Dies ergibt sich umgekehrt wiederum auch aus einer Abgrenzung zu den Rechtsfolgen der negatorischen Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB. Aufopferungsansprüche wegen eines faktischen Duldungszwangs stellen der Sache nach nichts anderes dar als eine Anwendung des § 251 Abs. 1 BGB auf die nicht rechtzeitig durchsetzbaren Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche: Der Eigentümer kann danach einen Geldersatz verlangen, weil es ihm tatsächlich nicht möglich war, die Beeinträchtigung mit ihren Folgen im Wege des § 1004 Abs. 1 BGB zu verhindern. Dabei wird jedoch übersehen, daß es von vornherein an einem Anknüpfungspunkt für den Geldanspruch aufgrund der faktischen Wirkungslosigkeit der negatorischen Rechte 42 Statt aller Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 23 und Grundmann, MünchKomm. BGB, § 276 Rdnr. 57. 43 Oetker, MünchKomm. BGB, § 254 Rdnr. 75 ff.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
fehlt. Denn § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB sieht keine Naturalrestitution vor, so daß von dieser Norm auch kein Übergang zu § 251 Abs. 1 BGB erfolgen kann.44 (2) Die systemgerechte Lösung beweisrechtlicher Probleme Rechtfertigt somit das Bestehen eines faktischen Duldungszwangs an sich noch keine Ausnahme vom Verschuldensprinzip, kann sich der Betroffene aber erheblichen Beweisschwierigkeiten in bezug auf die Außerachtlassung der verkehrserforderlichen Sorgfalt durch den Störer gegenübersehen. Die analoge Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ist – abgesehen von Dreieckskonstellationen mit einem Auseinanderfallen von Eingreifendem und Eingriffsbegünstigtem45 – praktisch irrelevant, wenn dem Eingreifenden eine schuldhafte Ausübung des faktischen Duldungszwangs nachgewiesen werden kann und somit ein durchsetzbarer Deliktsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB besteht. Daher bilden die Fälle eines fehlenden oder zumindest nicht nachweisbaren Verschuldens den Kernpunkt der Kontroverse. Beweisprobleme treten dabei weniger in bezug auf einen Notstandsexzeß bei § 904 Satz 1 BGB auf. Greift eine Person zur Abwendung einer nur vermeintlichen Gefahr oder zum Schutz eines nicht wesentlich höherwertigen Interesses in fremdes Eigentum ein, wird sich die Verschuldensfrage regelmäßig mit hinreichender Klarheit beantworten lassen.46 Anders kann es aber bei Einwirkungen im nachbarlichen Bereich sein. Wer beispielsweise von Immissionen betroffen ist, welche die Schwelle des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB überschreiten, hat häufig keinen hinreichenden Einblick in die Organisation des Störers, um Tatsachen für ein Verschulden desselben vorzutragen. Diesem Problem ist aber nicht durch die Erstreckung von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrige Eigentumsverletzungen zu begegnen, sondern im Rahmen des Beweisrechts.47 Hierzu finden sich auch bereits Ansätze in der Rechtsprechung. Danach können sich Beweiserleichterungen sowohl auf den Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als auch einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB beziehen. 44 Hohloch, Negatorische Ansprüche, S. 190 f.; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 162 f.; ders., Festschrift Lange, S. 625 (629 f.); Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 148; von Tuhr, JherJb 46 (1904), 39 (55); Westermann/Gursky, § 36 IV 1, S. 271. 45 Hierzu unten C. II. 3. 46 Zu den erhöhten Sorgfaltsanforderungen bei bewußten Eingriffen in fremde Rechte unten C. I. 2. b. 47 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 141.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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(a) Beweislast hinsichtlich der Duldungspflicht Mit einer Beweiserleichterung in bezug auf die Anspruchsvoraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB befaßt sich die Entscheidung BGHZ 66, 70 ff.: In der Nähe eines Wohngebiets waren von zwei verschiedenen Unternehmen regelmäßig Sprengungen in Steinbrüchen vorgenommen worden. Diese führten im Laufe der Zeit zu Substanzschäden an den benachbarten Häusern, für welche deren Eigentümer Ersatz begehrten. Es bestand die Vermutung, daß die schadensverursachenden Sprengungen das Maß einer ortsüblichen Nutzung der Steinbrüche überschritten hatten und daher nicht im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB geduldet werden mußten.
Der Bundesgerichtshof trat jedoch nicht in eine Prüfung deliktischer Anspruchsnormen ein, sondern entschied, ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestehe selbst unter Zugrundelegung der Prämisse, die schadensverursachenden Sprengungen hätten außerhalb der Grenzen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gelegen. Maßgeblich sei, daß die Sprengungen nach ihrem Gesamtbild eine duldungspflichtige Immission im Sinne des § 906 Abs. 2 BGB darstellten und im einzelnen nicht mehr abgegrenzt werden konnte, ob und inwieweit der Schaden an den Wohngebäuden auf einzelne rechtswidrige Sprengungen zurückzuführen war.48 Wegen des grundsätzlichen Eingreifens des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB wäre es folglich Sache der Beklagten gewesen darzulegen, daß die schadensbringenden Einwirkungen die Grenze der Duldungspflicht überschritten hatten, um einer Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu entgehen und den Fall auf die Ebene des verschuldensabhängigen § 823 Abs. 1 BGB zu verlagern. Diese Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen ist sachgerecht.49 Wenn sich eine Aktivität grundsätzlich im Rahmen ortsüblicher Nutzungen hält, deren Folgen nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen abwendbar sind, ist der Handelnde in einer wesentlich besseren Lage darzulegen, daß die schädigenden Teileinwirkungen den Rahmen der Duldungspflicht und damit der Ausgleichspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB überschreiten. Dies stellt in gewisser Weise eine Anwendung des Rechtsgedankens dar, welcher der sogenannten Befundsicherungspflicht im Produkthaftungsrecht zugrunde liegt. Dort hat der Bundesgerichtshof entschieden, daß der (später schadensbringende) Fehler eines Produkts dann im Einflußbereich des Produzenten zu vermuten ist, wenn dieser die Produkte nicht regelmäßig auf Fehler testet und den Befund sichert.50 Und genauso wird bei 48
BGHZ 66, 70 (74). Abraham, Imissionen, S. 64 f.; Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 34; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 271. 49
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB umgekehrt vermutet, daß alle Teile einer Einwirkung der Duldungspflicht und damit auch dem Ausgleichsanspruch unterfallen, wenn der Emittent keinen gegenteiligen Befund vorlegt. Diesen beweisrechtlichen Ansatz hat der Bundesgerichtshof allerdings bereits wenig später zugunsten der materiellrechtlichen Erstreckung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge aufgegeben.51 (b) Beweislast bezüglich des Verschuldens Eine beweisrechtliche Entlastung des betroffenen Grundstückseigentümers kann zum anderen auch bei § 823 Abs. 1 BGB erfolgen. Selbst wenn feststeht, daß die schädigende Einwirkung nicht geduldet werden mußte, ist der Emittent in der wesentlich besseren Lage, ein mangelndes Verschulden darzulegen, als es dem Betroffenen möglich ist, nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen positiv einen Sorgfaltsverstoß nachzuweisen. Denn die Störungsquelle befindet sich im Organisationskreis des Schädigers, auf den der Geschädigte regelmäßig keinen Zugriff hat. Es liegt somit erneut die klassische Situation einer Beweislastumkehr nach Gefahrenbereichen vor,52 die wiederum eine Parallele im Recht der bürgerlichrechtlichen Produkthaftung findet, nach der ein im Verantwortungsbereich des Schädigers liegender Fehler im Zweifel schuldhaft entstanden ist.53 Diesen Gedanken hat der Bundesgerichtshof selbst in seiner Kupolofen-Entscheidung auf § 906 BGB übertragen. Danach muß der Emittent von Schadstoffen, die bei im Umkreis geparkten PKW zu Lackschäden führen, beweisen, daß diese nicht zu duldenden Einwirkungen54 ohne sein Verschulden ausgestoßen wurden.55 50 BGHZ 104, 323 (334 f.). Der Sache nach handelt es sich allerdings nicht um eine Pflicht zur Befundsicherung, sondern eine Obliegenheit. Denn die Schadensersatzpflicht resultiert materiellrechtlich nicht aus der unterlassenen Befundsicherung, sondern der Verbreitung eines fehlerhaften Gegenstands. Aufgrund der unterlassenen Befundsicherung wird lediglich prozessual vermutet, daß der Fehler bereits im Verantwortungsbereich des Produzenten entstanden ist. Die Befundsicherung stellt somit keine Pflicht gegenüber dem später Geschädigten dar, sondern verschlechtert lediglich die beweisrechtliche Stellung des Produzenten. 51 Näher oben B. I. 1. a) bb). 52 Grundlegend Prölss, Beweiserleichterungen, S. 65 ff.; kritisch zu dieser Rechtsfigur etwa Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 114 Rdnr. 18. 53 Siehe BGHZ 51, 91 (106 f.) – Hühnerpest. 54 In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof allerdings die Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Fahrniseigentümer übertragen, ohne zugleich auch den korrespondierenden Aufopferungsanspruch analog anzuwenden [Kritik hieran unter D. III. 1. d) aa)]. Diese Friktion wird allerdings dadurch abgemildert, daß auch für die Einhaltung der Grenzen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB und damit der mangelnden Rechtswidrigkeit bei § 823 Abs. 1 BGB der Emittent beweispflich-
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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(c) Zwischenergebnis Für die sachgerechte Lösung beweisrechtlicher Schwierigkeiten bei faktischen Duldungszwängen stehen somit prozessuale Hilfsmittel zur Verfügung, ohne daß eine materiellrechtliche Abweichung vom Regelungsgehalt der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB einerseits bzw. des § 823 Abs. 1 BGB andererseits erforderlich wäre. (3) Das Verhältnis des faktischen Duldungszwangs zur Vertrauenshaftung Ein spezielles haftungssystematisches Problem tritt schließlich in denjenigen Fällen eines faktischen Duldungszwangs auf, in denen der Primärrechtsschutz gegenüber dem Eingriff gerade wegen des Vertrauensprinzips unzumutbar sein soll. So hat die Rechtsprechung einen faktischen Duldungszwang z. B. darin gesehen, daß ein Nachbar annehmen durfte, Ausschachtungsarbeiten auf einem anderen Grundstück würden durch öffentliche Stellen sachgerecht durchgeführt.56 In einem anderen Fall wurde die Geltendmachung negatorischer Rechte als untunlich beurteilt, weil der Betroffene auf das Versprechen der Beklagten vertrauen durfte, dieser werde übermäßige Immissionen in Zukunft verhindern.57 Hiermit tritt ein Abgrenzungsproblem zum Institut der Vertrauenshaftung auf. Es ist umstritten, ob die Inanspruchnahme von Vertrauen einen allgemeinen Haftungsgrund bildet, der über gesetzlich angeordnete Einzeltatbestände hinausgeht.58 Selbst wenn diese Frage bejaht wird, ist noch unklar, unter welchen Voraussetzungen eine hinreichende Vertrauensschaffung vorliegt und welche Rechtsfolgen diese zeitigt. Teilweise folgt aus den entsprechenden Vertrauenstatbeständen eine unbedingte Risikohaftung ohne Rücksicht auf Verschulden. Dies gilt insbesondere für die Auswirkungen „mangelhafter“ Willenserklärungen (§§ 122, 179 Abs. 2 BGB), aber beispielstig ist: BGHZ 92, 143 (149 f.). Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dies stelle keine besondere Beweislastumkehr, sondern lediglich eine Anwendung der h. M. vom Erfolgsunrecht dar, nach der die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit einer Handlung indiziert: Gmehling, Beweislastverteilung, S. 129 f.; J. Hager, Jura 1991, 303 (306). 55 BGHZ 92, 143 (150 ff.); zustimmend Abraham, Immissionen, S. 104; Gerlach, Umweltschutz, S. 251; J. Hager, Jura 1991, 303 (306); Lytras, Umweltschäden, S. 330 ff.; Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (357); vorher bereits Lang, AcP 174 (1974), 381 (397). 56 BGHZ 72, 289 (294). 57 BGH, NJW 1995, 714. 58 Grundlegend Canaris, Vertrauenshaftung; ders., Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 129 ff.; kritisch z. B. Picker, AcP 183 (1983), 369 (418 ff.).
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
weise auch die Garantiehaftung des Gastwirts für eingebrachte Sachen gemäß den §§ 701 ff. BGB.59 In anderen Zusammenhängen begründet die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens nur eine Sonderrechtsbeziehung zwischen den Beteiligten, die nach Maßgabe des § 280 Abs. 1 BGB bei vermutetem Verschulden zu einer Schadensersatzpflicht für Schutzpflichtverletzungen führt.60 Dies betrifft insbesondere Schutzpflichtverhältnisse im Sinne des § 311 Abs. 2 und 3 BGB. Typologisch wäre der erwähnte Fall eines Abhilfeversprechens des störenden Nachbarn in die erste Gruppe einzuordnen, etwa als eine Form der haftungsbegründenden Selbstbindung ohne Vertrag.61 Hingegen entspricht das Vertrauen auf eine sachkundige Ausführung von Bauarbeiten mehr dem Gedanken eines besonderen sozialen Kontakts, aus dem nur unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB gehaftet wird. Immerhin würde sich die Zurechnung des Verhaltens Dritter zum Störer dann nach § 278 BGB und nicht § 831 BGB bemessen. Damit haftete der Bauherr insbesondere für ein Verschulden selbständiger Bauunternehmer. Unter welchen Voraussetzungen im nachbarrechtlichen Verhältnis eine haftungsbegründende Vertrauensschaffung vorliegt und ob diese Haftung dann verschuldensunabhängig oder nur nach Maßgabe der §§ 276 ff. BGB eingreift, muß an dieser Stelle aber nicht abschließend entschieden werden. Denn fest steht, daß jedenfalls die Aufopferungshaftung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes beruht, sondern dem Ausgleich zu duldender Einwirkungen dient. Auf das Ausbleiben von Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB darf gerade nicht vertraut werden, sondern es gilt „Dulde und liquidiere!“. Vor diesem Hintergrund ist es abzulehnen, wenn exzessive Einwirkungen einer bestehenden Duldungspflicht mit dem Argument haftungsbegründend gleichgestellt werden, der Betroffene habe nach dem Verhalten des Störers auf das Ausbleiben dieser Beeinträchtigungen vertrauen dürfen.62 Diese Umstände können nicht zu einer Aufopferungshaftung, sondern allenfalls einer Vertrauenshaftung führen, deren Legitimität und Voraussetzungen an dieser Stelle nicht weiter zu erörtern sind. 59 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 541 stellt diese der Erklärungshaftung im Sinne der §§ 122, 179 Abs. 2 BGB zur Seite. 60 Grundlegend die Lehre vom „einheitlichen gesetzlichen Schutzverhältnis“ auf der Basis eines vertrauensbildenden sozialen Kontakts Canaris, JZ 1965, 475 ff.; ders., Festschrift Larenz, 1983, S. 27 (84 ff.); kritisch hierzu z. B. von Bar, Verkehrspflichten, S. 312 ff. 61 Ausführlich Köndgen, Selbstbindung; kritisch zu dieser „Extension des Versprechensprinzips“ Brüggemeier, AG 1982, 268 (271 ff.). 62 Zu dem quasi umgekehrten Argument, die Möglichkeit einer Duldungspflicht liefere Nachbarn auch rechtswidrigen Eingriffen schutzlos aus, unten C. I. 1. b) bb) (2).
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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bb) Die Begrenzung auf das Umfeld gesetzlicher Duldungspflichten Ohne die vorstehend erörterte Problematik der Figur des faktischen Duldungszwangs im einzelnen zu thematisieren, womöglich aber im Bewußtsein um sie, sucht die h. M. nach einer weitergehenden Einschränkung der Aufopferungshaftung als Eingriffshaftung. Sie findet diese darin, den Ausgleichsanspruch auf solche Eigentumsbeeinträchtigungen zu beschränken, die entweder von einer Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gedeckt sind oder sich wenigstens sachlich im Umfeld einer solchen Duldungspflicht bewegen. (1) Die Problematik des Umfeldkriteriums So erstreckt der Bundesgerichtshof einen Aufopferungsanspruch als nachbarlichen Ausgleichsanspruch zumindest verbal nur auf solche rechtswidrigen Beeinträchtigungen, die Immissionen darstellen bzw. die immissionsähnlich sind. Da der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch für faktische Duldungszwänge auf eine Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gestützt wird, wäre in diesem Zusammenhang eine Analyse der teleologischen Vergleichbarkeit der jeweiligen rechtswidrigen Einwirkung mit ortsüblichen Immissionen zu erwarten, die von § 906 Abs. 2 BGB geregelt sind. Wie bei der Darstellung der Rechtsprechung bereits erwähnt wurde, fehlt es jedoch an einer solchen fallgruppenbezogenen Analyse. Vielmehr hat sich der Bundesgerichtshof sehr bald auf die rein abstrakte Aussage zurückgezogen, daß für den nachbarlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB „nicht die Art der Einwirkung“ maßgeblich sei, „sondern der Umstand, daß eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums eintritt“.63 So beschränkt sich beispielsweise der Vergleich schädigender Vertiefungen mit wesentlich beeinträchtigenden Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Rechtsprechung auf die Feststellung, in beiden Fällen liege eine unzumutbare Beeinträchtigung des Grundstücksnachbarn vor.64 Nach dem Bundesgerichtshof setzt die Vergleichbarkeit rechtswidriger Schädigungen mit dem von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalt somit nur voraus, daß ein Eigentümer bzw. Nutzer eines Grundstücks den Eigentümer oder Nutzer eines anderen, nicht notwendigerweise unmittelbar angrenzenden Grundstücks65 unzumutbar beeinträchtigt.66 63 So zuletzt BGH, NJW 2004, 1037 (1040) und seit BGHZ 85, 375 (385) sowie 90, 255 (262). 64 BGHZ 72, 289 (295); 85, 375 (384); 90, 255 (262); 147, 45 (50). 65 Statt aller Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 66. 66 Vgl. G. Hager, JZ 1990, 397 (400): „Für Grundstücksschäden besteht damit praktisch eine verschuldensunabhängige Haftung.“
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Etwas konturierter erscheint die h. L. zu § 904 Satz 2 BGB, die eine Analogie nur für solche rechtswidrigen Einwirkungen diskutiert, die vermeintlich zur Abwehr einer Gefahr erforderlich sind oder in denen eine Gefahr tatsächlich besteht, das von § 904 Satz 1 BGB vorausgesetzte wesentliche Überwiegen des geschützten Interesses aber nicht vorliegt.67 Die so verstandene Ansiedlung einer Eigentumsbeeinträchtigung im Umfeld der jeweiligen Duldungspflicht garantiert jedoch bei näherer Betrachtung keine taugliche Begrenzung der Ausgleichspflicht für rechtswidrige Schädigungen. Denn selbst wenn im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei § 906 Abs. 2 BGB in eine nähere Einzelfallanalyse eingetreten würde, ließe sich aus folgendem Grund kein sachlich gerechtfertigtes Kriterium für die Abgrenzung finden, welche rechtswidrigen Einwirkungen sich im Umfeld der jeweiligen Duldungspflicht befinden: Die Strukturen der Duldungspflicht ergeben sich gerade aus den spezifischen Rechtmäßigkeitsbedingungen, z. B. der Ortsüblichkeit der Immissionen bei § 906 Abs. 2 BGB68 oder der Gefahrenlage und dem Wertverhältnis der Interessen bei § 904 BGB. Sieht man von diesen Kriterien ab, wie dies bei der Beurteilung von Einwirkungen geschieht, die gerade nicht die jeweiligen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllen, droht das Ähnlichkeitsurteil („im Umfeld“) somit beliebig zu werden. Beispielsweise stehen eine nicht-ortsübliche Immission oder eine schädigende Vertiefung dem Regelungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht näher als eine Eigentumsbeeinträchtigung, die nicht der Abwehr einer Gefahr dient, dem § 904 Satz 2 BGB. Denn nicht anders als die Qualität einer Einwirkung als ortsübliche Immission bei § 906 Abs. 2 BGB stellt das Erfordernis der gegenwärtigen Gefahr bei § 904 BGB ja nur eine Bedingung der positivrechtlichen Duldungspflicht selbst dar und kann daher nicht darüber entscheiden, ob ein nicht duldungspflichtiger Eigentumseingriff gegenständlich im Umfeld eben dieser Duldungspflicht liegt. Insoweit bleibt die Umfeldbetrachtung denknotwendig inhaltsleer. Jeder rechtswidrige Eingriff in Eigentumsrechte wäre zumindest im Umfeld des § 904 Satz 1 BGB angesiedelt. Dies würde zu einem verschuldensunabhängigen Aufopferungsanspruch für jede faktisch nicht abwehrbare Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB in Analogie zu § 904 Satz 2 BGB führen.69 Eine solche Auffassung wird selbstverständlich nicht vertreten. Sie stellt jedoch lediglich die Übertragung des von der Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 BGB vertretenen Gedankens 67
Oben B. II. Siehe Goebel, JR 2002, 485 (487); Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 138 ff. 69 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705: „Nach dieser Argumentation [scil.: der Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB] ist jede Schädigung eine zu duldende und folglich zu kompensierende Last. Das Verschuldenserfordernis ist beseitigt.“ Ähnlich Binder, VersR 2003, 1226 (1230 f.). 68
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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auf das Rechtsverhältnis zwischen anderen Personen als Grundstückseigentümern dar und illustriert damit deren bedenkliche Weite. (2) Das einschränkende Kriterium der potentiellen Rechtsschutzverkürzung Ein weitergehender Vorschlag dafür, warum gewisse rechtswidrige Einwirkungen doch im Umfeld von Duldungspflichten angesiedelt sind und dies eine analoge Anwendung zumindest des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB rechtfertigt, ist durch Canaris gemacht und von Herbert Roth aufgegriffen worden. Zwar übernimmt Canaris70 für die Fälle, in denen eine unzulässige Beeinträchtigung unvorhersehbar und damit faktisch nicht verhinderbar war, im Ausgangspunkt auch das allgemeine Argument des Bundesgerichtshofs, daß die faktische Unmöglichkeit von Abwehrmaßnahmen aufgrund der vergleichbaren Opferlage des Betroffenen das Fehlen einer Duldungspflicht als Anspruchsvoraussetzung ausgleiche.71 Insoweit sieht er sich aber in Abgrenzung zur negatorischen Haftung und zur Deliktshaftung denselben Einwänden ausgesetzt wie die Rechtsprechung.72 Eine besondere Würdigung verdient der von ihm entwickelte und später durch Herbert Roth weiter entfaltete Ansatz vielmehr in folgender Hinsicht: Beide Autoren gehen davon aus, daß der betroffene Eigentümer häufig nicht voraussehen kann, ob eine bestimmte Einwirkung der Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB genügt. Gerade die Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe in dieser Norm („wesentlich“, „ortsüblich“, „wirtschaftlich zumutbar“) erschwere es, ex ante die Rechtswidrigkeit einer Einwirkung festzustellen und gegen diese vorzugehen.73 Daher schränke die Duldungspflicht Abwehrmöglichkeiten auch in solchen Fällen zumindest potentiell ein, in denen nicht rechtzeitig erkennbar ist, daß ein im Grundsatz zu duldendes Verhalten Dritter in eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung umschlägt.74 Hiermit wird der Aufopferungsanspruch aber nicht nur auf eine vergleichbare Opferlage des 70
Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 665. In der weiteren, differenzierenden Argumentation in Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 665 ff. wird dieser Gesichtspunkt aber nicht weiter verfolgt, sondern der sogleich zu behandelnde Gedanke der potentiellen Rechtsschutzverkürzung entfaltet. 72 Siehe dazu oben C. I. 1. b) aa) (1). 73 Näher zur sprachlichen Unbestimmtheit des § 906 BGB Vieweg, Festschrift Großfeld, S. 1251 (1257 ff.). 74 Während Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1, S. 665 ff. von einer potentiellen Rechtsschutzverkürzung sprechen, verwendet H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 16 f. den Begriff des Prognoserisikos. 71
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
faktisch zur Duldung Gezwungenen gestützt. Vielmehr greift der zusätzliche Gedanke einer angemessenen Verteilung der Risikoverantwortung ein: Der Störer sei „näher dran“ abzuschätzen, ob sein Verhalten einer Duldungspflicht genüge und müsse daher auch das Schadensrisiko eines Exzesses entgegen allgemeinen deliktischen Prinzipien verschuldensunabhängig tragen.75 Dies schon deshalb, weil häufig erst das mögliche Bestehen einer Eingriffsbefugnis einen schuldlosen Irrtum des Störers über die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung ermögliche und dem Betroffenen damit einen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB entziehe. Dies gilt beispielsweise für die Konstellation, in der für einen Emittenten im Einwirkungszeitpunkt nicht ersichtlich war, daß die Beeinträchtigung mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vermeidbar und damit nicht duldungspflichtig war. Dann ist der Tatbestand des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mangels einer Eingriffsbefugnis nicht erfüllt und scheitert ein Deliktsanspruch am Verschulden, was nur durch eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB angemessen aufzulösen sei.76 Diese Analogie soll nach der Auffassung der Autoren auch klar von einer unzulässigen Gefährdungshaftung contra legem abgrenzbar sein.77 Die Gefährdungshaftung sei typischerweise Zustands- und nicht Handlungshaftung,78 so daß sie auch nur in bezug auf schädigende Zustände eine Sperrwirkung gegenüber verschuldensunabhängigen Ersatzansprüchen auslösen könne. Um eine potentielle Rechtsschutzverkürzung durch Duldungspflichten gehe es dort, wo Handlungen vorgenommen würden, die möglicherweise einer gesetzlich angeordneten Eingriffsbefugnis unterfielen. Folge die Schädigung hingegen im Zuge eines unfallartigen Geschehens aus einem gefährlichen Zustand (Wasserrohrbruch, Kabelbrand etc.), stehe von vornherein keine potentielle Rechtsschutzverkürzung im Umfeld besonderer 75 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 664 f.; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 69 und 71; ders., Aufopferungsanspruch, S. 16 f.; ders., JuS 2001, 1161 (1164); ders., Anm. LM § 906 BGB Nr. 101; zustimmend Dötsch, NZM 2004, 177 (180); ähnlich Hagen, Karlsruher Forum 1987, 22 (23); Mattern, Anm. LM § 906 BGB Nr. 47; entsprechende Erwägungen finden sich auch in BGHZ 72, 289 (295). 76 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 665; H. Roth, JZ 2004, 918 (919). Eingeführt wurde dieses Argument durch Gerlach, Umweltschutz, S. 225 f. 77 Näher zur Ableitung von Aufopferungsansprüchen für faktische Duldungszwänge aus dem Gedanken der Gefährdungshaftung noch unten C. III. 78 Ausnahmen bilden die Tatbestände der § 84 ArzneimittelG (Inverkehrbringen von Arzneimitteln) und § 22 Abs. 1 WHG (Einwirken etc. auf ein Gewässer) sowie gegebenenfalls § 1 ProdHaftG (Inverkehrbringen von Produkten), dessen Zuordnung zum Bereich der Gefährdungshaftung allerdings umstritten ist (siehe Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 VI 1a, S. 643 f.).
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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Duldungspflichten in Rede.79 Es sei „geradezu lächerlich zu behaupten“, es existiere eine besondere Duldungspflicht gegenüber benachbarten Wasserrohren, Elektroleitungen etc., soweit sich diese in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden.80 Solche Anlagen berührten nicht den Ausschlußgehalt fremden Eigentums. Daher verwirkliche sich in den Fällen ihrer unfallbedingten Fehlfunktion niemals das Risiko des möglichen Eingreifens einer besonderen Duldungspflicht und könne die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hierfür nicht gelten. Damit sei zugleich ein Widerspruch zum Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung vermieden. Diese differenzierende Auffassung vermag jedoch aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen: (a) Die begrenzte Reichweite des Kriteriums Zum einen kann die soeben dargelegte Argumentation bei genauer Betrachtung nicht alle diejenigen Fallgruppen erfassen, auf welche die Autoren sie augenscheinlich anwenden wollen. Denn es müßte ja immer eine Situation gegeben sein, in der die bloße Möglichkeit einer Duldungspflicht die Rechtsstellung des Betroffenen unzumutbar verkürzt. Auf dieser Grundlage kann die Analogie aber nur dann eingreifen, wenn eine Einwirkung in Rede steht, in bezug auf die eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB überhaupt denkbar ist. Denn nur insoweit kann der potentiell Betroffene aufgrund einer bestehenden Unsicherheit über die Einhaltung der Grenzen der Duldungspflicht auf präventiven Rechtsschutz verzichten bzw. der Störer schuldlos-irrtümlich eine Eingriffsbefugnis annehmen, die seine deliktische Verantwortlichkeit ausschließt. Dies deckt jedoch solche schädigenden Handlungen nicht ab, die so beschaffen sind, daß sie niemals von einer Eingriffsbefugnis erfaßt sein können, weil sie das Grundstück des Nachbarn entweder überhaupt nicht beeinträchtigen oder im Fall einer solchen Beeinträchtigung stets unzulässig sind. Daher können z. B. mit dem Gedanken der potentiellen Rechtsschutzverkürzung durch Duldungspflichten Vertiefungsschäden nicht analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (so aber Canaris81) oder analog § 912 Abs. 2 BGB (so Herbert Roth82) verschuldensunabhängig ausgeglichen werden. Zwar ist 79 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 666 f.; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 69; ders., Aufopferungsanspruch, S. 25 ff.; ders., Anm. LM § 906 BGB Nr. 101. 80 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 667; ähnliche Erwägungen finden sich bereits bei Nawrath, Umweltchemikalien, S. 191 ff. 81 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 665. 82 Staudinger/H. Roth (2002), § 909 Rdnr. 65; ders., Aufopferungsanspruch, S. 19 ff.; ders., Anm. LM § 862 BGB Nr. 3.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Herbert Roth im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß Vertiefungen, die zu Schäden auf einem Nachbargrundstück führen, einem Grenzüberbau ähnlicher sind als Immissionen, so daß eine Analogie nicht zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, sondern zu § 912 Abs. 2 BGB in Erwägung gezogen werden sollte. Aber Vertiefungsschäden sind letztlich auch nicht mit dem Aufopferungstatbestand des § 912 BGB vergleichbar. Denn bei diesem bezieht sich der Aufopferungsanspruch nicht auf die rechtswidrige Überbauhandlung, sondern den hierdurch geschaffenen Überbau als Zustand (!), der Gegenstand einer gesetzlichen Duldungspflicht aus § 912 Abs. 1 BGB ist.83 Gegenüber der Überbauhandlung stehen dem Nachbarn hingegen stets negatorische Abwehrrechte zu. Ein Risiko durch das mögliche Eingreifen einer Duldungspflicht kann sich insoweit gar nicht ergeben und wird von § 912 BGB nicht geregelt. Und wie Überbauhandlungen sind auch Vertiefungen, die ein Nachbargrundstück schädigen, kategorisch verboten (§ 909 BGB). Die Grenzen einer besonderen Duldungspflicht und damit eine potentielle Rechtsschutzverkürzung stehen nicht in Rede. Für Vertiefungsschäden kann somit auch die hier diskutierte Auffassung richtigerweise nur auf das allgemeine Argument der Rechtsprechung zurückgreifen, nach dem eine faktisch nicht abwehrbare Schädigung einer duldungspflichtigen Einwirkung unter Ausgleichsgesichtspunkten gleichstehen muß84 und das im Rahmen dieser Darstellung bereits kritisiert wurde. (b) Verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten zur Gefährdungshaftung Zum anderen ist der Auffassung von Canaris und Herbert Roth entgegenzuhalten, daß sie entgegen ihrem Anspruch keine befriedigende Abgrenzung der Aufopferungshaftung für faktische Duldungszwänge von der Gefährdungshaftung leistet. Die Autoren gehen von der zutreffenden Annahme aus, die Gefährdungshaftung sei typischerweise eine Zustandshaftung und nur ausnahmsweise Handlungshaftung.85 Hieraus schließen sie nun, eine Gewährung von Aufopferungsansprüchen für faktische Duldungszwänge analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB könne zwar aufgrund des Enumerationsprinzips nicht in bezug auf gefährliche Zustände erfolgen, wohl aber dann, wenn die unzulässige Einwirkung in einer Handlung besteht. Denn für die verschuldensunabhängige Handlungshaftung erzeuge der Numerus clausus 83 Diese Rechtslage hebt Staudinger/H. Roth (2002), § 912 Rdnr. 5 selbst zutreffend hervor. In ders., Aufopferungsanspruch, S. 3, 20 f. und 23 geht er hingegen irrig davon aus, daß § 912 Abs. 2 BGB einen Aufopferungsanspruch für „rechtswidriges Handeln“ gewähre. Ausgeglichen wird aber der rechtmäßige Zustand des Überbaus. 84 Siehe Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a a. E., S. 665. 85 Hierzu noch näher unten C. III. 2.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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der Gefährdungstatbestände eben deswegen keine Sperrwirkung, weil der Regelungsbereich dieser Haftungskategorie Handlungen allenfalls am Rande berühre.86 Es spricht aber einiges dafür, daß diese Sichtweise den Regelungsbereich der Gefährdungshaftung zu eng und damit umgekehrt den Anwendungsbereich möglicher Ausnahmen vom deliktischen Verschuldensprinzip durch Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu weit begreift. Ohne an dieser Stelle nähere Ausführungen zu dem allgemeinen Rechtsgedanken der Gefährdungshaftung machen zu wollen,87 sind deren Tatbestände deshalb regelmäßig nicht auf Handlungen bezogen, weil diese im Gegensatz zu bestimmten Zuständen nicht diejenige Kontur und Dauer aufweisen, die für eine Ausnahme vom deliktischen Verschuldensprinzip erforderlich sind.88 Folgt man dem, liegt in Aufopferungsansprüchen für unverschuldetes Handlungsunrecht kein geringerer Verstoß gegen den negativen Regelungsbereich der Gefährdungshaftung als in ihrer Ausdehnung auf nicht zu duldende Zustände. Denn während die Sperrwirkung gegenüber verschuldensunabhängigen Ersatzansprüchen bei Zustandsstörungen aus der Nichterfüllung einzelner bestehender Gefährdungshaftungstatbestände folgt (z. B. des § 1 UmweltHG), ergibt sich eine entsprechende Negativregelung in bezug auf Handlungsstörungen bei dieser Sichtweise schon durch die nahezu vollständige Ausnahme dieser Störungsart aus dem Bereich der Gefährdungshaftung. Dieses Argument gegen die Differenzierung zwischen Handlungen und Zuständen bei der Frage nach der analogen Anwendbarkeit des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge stimmt auch damit überein, daß sich Eigentumsbeeinträchtigungen im Sinne des § 1004 BGB sowohl in Form der Handlungs- als auch der Zustandsstörung auf das einheitliche Prinzip der Organisationsverantwortlichkeit des Störers für seinen Rechtskreis zurückführen lassen.89 Deswegen erschiene es wenig befriedigend, diese Einheit im Rahmen der Aufopferungsansprüche für faktische Duldungszwänge nun wieder zu zerreißen und die Analogiefähigkeit zwar für die eine Fallgruppe zu verneinen (Zustandsstörung), aber für die andere zu bejahen (Handlungsstörung). Sofern der Regelungsbereich der Gefährdungshaftung eine Ausdehnung der Aufopferungshaftung auf rechtswidrige Zustandsstörungen ausschließt, was Canaris und Herbert Roth zutreffend annehmen, spricht ein starkes Argument somit auch gegen die Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Handlungsstörungen. 86
Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 666. Siehe dazu noch C. III. 2. 88 A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 170 ff. 89 Siehe G. Jakobs, Festschrift Spinellis, S. 447 (452 f.); Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 102. 87
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Diese aufopferungsrechtliche Gleichwertigkeit von Handlungs- und Zustandsstörungen kann gerade für den Regelungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, d.h. Immissionen, verdeutlicht werden. Immissionen werden häufig nicht durch isolierbare Handlungen erzeugt, sondern durch das Betreiben von Anlagen, das als ein Zustand eingeordnet werden kann.90 Canaris nimmt für das Herstellen oder Halten unzulässig-emittierender Anlagen im Sinne des § 907 BGB zwar wohl keine Zustands-, sondern eine Handlungsverantwortlichkeit an.91 Diese ungewöhnliche Einordnung der Haftung des Anlageninhabers erscheint aber problematisch. Schließlich existiert in § 1 UmweltHG eine Gefährdungshaftung für enumerierte Typen emittierender Anlagen, was gerade nach den Prämissen der diskutierten Auffassung für eine Zustandsverantwortlichkeit spricht. Nicht zu duldende Anlagenemissionen dürften somit dem § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei der Begrenzung der Analogie auf rechtswidrig-schädigende Handlungen gerade nicht unterfallen. Damit bliebe die verschuldensunabhängige Unrechtshaftung gerade auf solche Immissionen begrenzt, die auf isolierbaren Handlungen beruhen und die typischerweise ein wesentlich geringeres Gefahrenpotential darstellen als Umwelteinwirkungen durch systematisch betriebene Anlagen, selbst wenn diese nicht unter § 1 UmweltHG fallen. Auch diese Konsequenz befriedigt nicht. Aus diesen Gründen ist der Versuch abzulehnen, auf Handlungen zurückgehende faktische Duldungszwänge mit dem Gedanken der potentiellen Rechtsschutzverkürzung in die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einzubeziehen. Zwar mag im Einzelfall durchaus nur schwer zu ermitteln sein, ob eine drohende Einwirkung noch von einer Duldungspflicht im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gedeckt ist. Insoweit besteht in der Tat ein Risiko der effektiven Rechtsdurchsetzung. Solche Risiken sind aber, vorbehaltlich der bereits erörterten beweisrechtlichen Erleichterungen,92 nach allgemeinen Grundsätzen von dem jeweiligen Rechtsinhaber zu tragen und rechtfertigen keine Abkehr von so tragenden Prinzipien wie dem deliktischen Verschuldenserfordernis. c) Zusammenfassung Der Versuch, das Wesen der Aufopferungshaftung in einer unzumutbaren Eigentumsbeeinträchtigung (§ 1004 Abs. 1 BGB) auszumachen und davon ausgehend auch die Ersatzfähigkeit rechtswidriger Schädigungen abzuleiten, 90
Süss, Haftung, S. 105; auch Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 137. Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 666 a. E.; anders aber implizit ders., a. a. O., für die Anlagenhaftung aus § 2 HaftpflG. 92 Siehe oben C. I. 1. b) aa) (2). 91
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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überzeugt in keiner der diskutierten Varianten. Entweder vermag dieser Ansatz nicht das Mindestmaß an Einschränkung der Haftung zu gewährleisten, das aus systematischer Sicht – insbesondere bei einem Abgleich mit dem negatorischen Beseitigungsanspruch und dem deliktischen Verschuldenserfordernis – zwingend geboten ist, oder er führt zu Differenzierungen, die einer überzeugenden Wertungsgrundlage entbehren.
2. Der Gedanke des vorsätzlichen Eingriffs als mögliche Haftungsgrundlage Die dargelegten Schwächen der erfolgsbezogenen Theorie der Aufopferungshaftung als Eingriffshaftung versucht eine andere Ansicht zu vermeiden. Nach dieser können Aufopferungsansprüche wie die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB immer dann analog auf faktische Duldungszwänge angewendet werden, welche die Grenzen der jeweiligen Duldungspflicht überschreiten, wenn der betreffende Eingriff vorsätzlich erfolgt ist. Solche Eingriffe werden trotz des Fehlens einer Eingriffsbefugnis dann nicht von § 823 Abs. 1 BGB erfaßt, wenn der Handelnde schuldlos die Voraussetzungen einer Duldungspflicht annimmt, weshalb diese Auffassung insbesondere eine Lösung für derartige Irrtumsfälle anbietet. Der Ansatz der Haftung für vorsätzliche Eingriffe läßt sich allerdings auf zwei grundlegend verschiedene argumentative Ausgangspunkte zurückverfolgen: Während sich eine Sichtweise zur Begründung auf ein allgemeines Prinzip der Interessenabwägung im Zivilrecht beruft, geht es der anderen um eine Zuweisung des Risikos der irrtümlichen Annahme von Eingriffsbefugnissen. Diese beiden Varianten sind im folgenden getrennt zu untersuchen. a) Die Theorie eines allgemeinen Abwägungsprinzips aa) Die Lehre Hubmanns Der Gedanke eines allgemeinen Abwägungsprinzips im Zivilrecht liegt insbesondere der Auffassung Hubmanns zugrunde. Dieser geht im Anschluß an Rudolf Merkel93 davon aus, daß ein Eingriff in das Eigentum oder andere subjektive Rechte stets rechtmäßig ist, wenn dadurch ein wesentlich überwiegendes Interesse geschützt wird.94 Als Ausgleich hierfür müsse eine 93
Kollision, S. 49 ff. Hubmann, JZ 1958, 489 (492); ders., AcP 155 (1956), 85 (127 ff.); zustimmend Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 144 ff.; Horst, Querverbindungen, S. 63 f. (unter der Einschränkung, daß die überwiegenden Interessen „wenigstens mittelbar“ solche der Allgemeinheit sein müssen); H. Meyer, Aufopferungsentschädigungs94
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Entschädigung geleistet werden. Von diesem Grundsatz aus gelangt er im Wege eines argumentum a fortiori dazu, daß ein solcher Ausgleich auch dann erforderlich sei, wenn die Voraussetzungen einer Duldungspflicht nicht bestehen, d.h. kein wesentlich überwiegendes Interesse geschützt wird.95 Denn in diesem Fall befinde sich der Betroffene in derselben Opferlage und sei der Einwirkende weniger schutzwürdig als bei einem bestehenden Eingriffsrecht. Hubmann sieht selbst die Gefahr der Aufweichung des deliktischen Verschuldensprinzips und des Enumerationsprinzips der Gefährdungshaftung, die aus einer derart weiten Kategorie der Eingriffshaftung resultiert. Eine Entschädigung wäre dann für die Folgen jeder Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB geboten. Um dieses untragbare Ergebnis zu vermeiden, beschränkt er die Kategorie des Eingriffs auf die bewußte, zumindest bedingt vorsätzliche Beeinträchtigung fremder Rechte.96 Nur diese begründe ein Sonderopfer, das verschuldensunabhängig zu entschädigen sei. Das schließt insbesondere eine Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf solche faktischen Duldungszwänge aus, die reine Unfallschäden darstellen (Wasserrohrbruch, Kabelbrand etc.). Auch insoweit besteht eine Anlehnung an frühere Ausführungen Rudolf Merkels,97 der das Prinzip des „aktiven Interesses“ als Haftungsgrund befürwortet hatte. Derjenige, der seine Interessen durch aktive Willensbetätigung auf Kosten der rechtlich geschützten Interessen eines anderen durchsetze, müsse unabhängig von der Rechtmäßigkeit des Eingriffs Schadensersatz leisten. Hubmann gewinnt sein allgemeines Abwägungsprinzip dabei durch einen Rückgriff auf verschiedene gesetzliche Regelungen, nach denen sich das überwiegende von zwei kollidierenden Interessen durchsetzt:98 §§ 867, 904, 917, 962 BGB, § 26 GewO a. F. (heute § 14 BImSchG) und § 12 LuftVG a. F. (heute § 25 LuftVG: Notlanderecht). Daneben könnten die §§ 912, 1005 BGB, § 700 HGB (große Haverei) sowie heute § 906 Abs. 2 BGB angeführt werden. Aus dem Umstand, daß diese Normen zwar einerseits Ausfluß eines allgemeinen Rechtsprinzips seien, nämlich einer gesetzlichen Generalklausel der Interessenabwägung, aber andererseits bei weitem nicht gedanke, S. 62 f.; Tondorf, Aufopferungsanspruch, S. 102 ff.; Ziegler, Aufopferungsanspruch, S. 72 ff. 95 Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (130); ders., JZ 1958, 489 (493); zustimmend Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 182 ff. 96 Hubmann, JZ 1958, 489 (492 f.). 97 Kollision, S. 145 ff. und 228 ff.; auch Esser, Gefährdungshaftung, S. 91. Allerdings soll nach Rudolf Merkel die Haftung nicht davon abhängen, ob die Schädigung vorhergesehen wurde, sondern nur davon, ob sie vorhersehbar war; ähnlich jetzt Jansen, ZEuP 2003, 490 (495 ff.). 98 AcP 155 (1956), 85 (129).
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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alle denkbaren Fälle von Kollisionen privater Interessen regelten, folgert Hubmann,99 daß ein allgemeiner Grundsatz der Interessenabwägung existieren müsse, als dessen Konkretisierungen sich die angeführten Normen erweisen sollen. Methodisch handelt es sich hierbei um eine Induktion.100 Das Prinzip der Interessenabwägung wird als Ratio verschiedener gesetzlicher Regelungen identifiziert und auf die Ebene eines allgemeingültigen Rechtssatzes gehoben.101 bb) Kritik Die damit angenommene allgemeine Einschränkbarkeit subjektiver Rechte zugunsten überwiegender Interessen anderer Privater, aus der Hubmann mittelbar die allgemeine Ausgleichshaftung für vorsätzliche Rechtseingriffe ableitet, wird jedoch zu Recht ganz überwiegend abgelehnt.102 (1) Die beschränkte Verwirklichung des Abwägungsprinzips im Gesetz Anders als durch Hubmann angenommen, spiegelt sich in keinem der positivrechtlich geregelten Tatbestände der Eigentumsaufopferung das allgemeine Prinzip wider, daß Eigentümerrechte überwiegenden Interessen anderer Privater weichen müssen. Denn wie in der Literatur zu Recht bemerkt worden ist, beziehen sich die Duldungspflichten in diesen Tatbeständen jeweils auf ganz spezifische Situationen und sind von zusätzlichen tatbestandlichen Voraussetzungen abhängig, die über den Schutz eines wesentlich überwiegenden Interesses hinausgehen.103 99
AcP 155 (1956), 85 (88). Dieser methodische Anknüpfungspunkt für ein allgemeines privatrechtliches Aufopferungsprinzip wird bereits bei Lehmann, JherJb 13 (1874), 215 (224 ff.) zugrunde gelegt. 101 Siehe Canaris, Feststellung, S. 97 f.; Konzen, Aufopferung, S. 71 f. Der Unterschied zur Gesetzesanalogie besteht darin, daß nicht nur eine einzelne gesetzliche Regelung als Ausgangsbasis vorliegt. Von der Rechtsanalogie grenzt sich die Induktion dadurch ab, daß der Grundgedanke einer Mehrzahl von Vorschriften nicht lediglich zur Lösung einer bestimmten, nicht geregelten Konstellation angewandt, sondern als allgemeiner Rechtssatz postuliert wird. Kritisch zu der Unterscheidung zwischen Induktion und Rechtsanalogie aber Larenz, Methodenlehre, S. 383 ff. 102 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 39 f.; Canaris, NJW 1964, 1987 (1993); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 2a, S. 670; N. Horn, JZ 1960, 350 (351); Mühl, NJW 1960, 1133 (1135); Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 166 f.; Konzen, Aufopferung, S. 152 ff.; Schapp, Nachbarrecht, S. 78 f.; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 310; über das Zivilrecht hinausgreifend auch Druey, Festgabe Schweizerischer Juristentag, S. 131 (142 ff.) sowie Renzikowski, Notstand, S. 33 ff., 199 ff. 100
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Einige Beispiele: Nach § 904 Satz 1 BGB darf nur zum Schutz bedrohter Integritätsinteressen, nicht aber zur Schaffung neuer materieller oder ideeller Werte in Eigentumsrechte eingegriffen werden.104 Insoweit spricht ein argumentum e contrario dagegen, einem Eigentümer auf der Grundlage eines vermeintlichen allgemeinen Abwägungsprinzips den Bestandsschutz auch zu entziehen, um einem anderen einen Wertzuwachs zu ermöglichen, wie groß dieser auch sein mag.105 Das Gesetz selektiert vielmehr von vornherein nur bestimmte Formen rechtlich anerkannter Interessen als abwägungsrelevant.106 Zwar kann ein zulässiger Eingriff etwa bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, wo die erlaubten Immissionen häufig auf einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung beruhen, nicht nur der Erhaltung eines vorhandenen Bestands, sondern auch der Wertschöpfung dienen.107 Dieser Gedanke ist aber in Gesamtschau mit § 904 Satz 1 BGB auf nachbarliche Immissionsrechte begrenzt.108 Eine ähnliche Beschränkung, wie sie das Tatbestandsmerkmal der Gefahr bei § 904 Satz 1 BGB bewirkt, läßt sich auch für § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB aufzeigen. Wesentliche Immissionen müssen danach lediglich geduldet werden, wenn sie ortsüblich sind und sogenannte Imponderabilien, d.h. unwägbare Einwirkungen darstellen. Hierzu ergäbe sich ein Widerspruch, wenn dem Grundstückseigentümer nach allgemeinen Wertungsgesichtspunkten bei entsprechender Interessenlage auch eine Duldungspflicht in bezug auf ortsfremde Immissionen oder grobkörperliche Immissionen auferlegt würde.109 Zwar befürwortet die Rechtsprechung eine solche Ausdehnung der Eingriffsbefugnis unter Rückgriff auf das Institut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in zunehmendem Maße.110 Dies erscheint jedoch problematisch. Denn § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, der die Duldungspflicht gerade auf ortsübliche Imponderabilien beschränkt, betrifft ausschließlich Fälle, in 103 Konzen, Aufopferung, S. 154 ff.; Pawlik, Notstand, S. 136 ff.; Renzikowski, Notstand, S. 39. 104 Konzen, Aufopferung, S. 155 f. 105 Heck, Sachenrecht, § 49, S. 214; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 13; Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 264 in Fn. 57; a. A. Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 130; Titze, Notstandsrechte, 120; zur „Not“ als den Bereich der Interessenabwägung einschränkendes Moment grundlegend bereits Hold v. Ferneck, Rechtswidrigkeit, Bd. 2, S. 47 ff. sowie Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 228 ff. 106 Dies erkennt auch Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (104), ohne aber die Unvereinbarkeit dieses Umstands mit seinem allgemeinen Interessenabwägungsprinzip zu bemerken. 107 Vgl. zu dieser Unterscheidung bereits Rudolf Merkel, Kollision, S. 59. 108 Siehe Konzen, Aufopferung, S. 155. 109 Konzen, Aufopferung, S. 155 und 207 ff. 110 BGHZ 28, 225 (229 ff.); 58, 149 (158 ff.); zustimmend Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 176 ff.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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denen zugleich auch ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis besteht und gibt daher für diese die maßgeblichen Voraussetzungen einer Duldungspflicht an. Folglich sprechen insoweit erhebliche Gründe für eine Sperrwirkung der gesetzlichen Regelung. Schließlich sei noch § 912 Abs. 1 BGB angeführt, nach dem ein Überbau nur zu dulden ist, wenn der Überbauende weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt hat. Dann darf aber auch nicht aufgrund eines angeblichen allgemeinen Interessenabwägungsprinzips ein vorsätzlich oder grob fahrlässig errichteter Überbau als legaler Zustand betrachtet werden, selbst wenn die Bausubstanz besonders wertvoll sein sollte. Nach der klaren gesetzlichen Wertung entscheidet die Verschuldensform bei der Überbauhandlung über die Duldungspflicht und nicht der Wert des Überbaus. Hiervon unter Rückgriff auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis eine Ausnahme zulassen zu wollen,111 ist wiederum zirkulär: Die Norm des § 912 Abs. 1 BGB mit ihrer abweichenden Regelung betrifft ausschließlich Nachbarrechtsfälle und gibt daher denknotwendig für diese die maßgeblichen Kriterien vor. Das behauptete allgemeine Abwägungsprinzip wohnt somit bereits keiner Vorschrift des Privatrechts in reiner Form inne, sondern es bestehen stets qualifizierende Beschränkungen als Voraussetzung der Interessenabwägung. (2) Die Unvereinbarkeit mit dem Wesen des privatrechtlichen Eigentums Diesem Umstand würde auch nicht allein dadurch Rechnung getragen, daß man eine allgemeine Duldungspflicht zugunsten überwiegender Interessen lediglich im negativen Regelungsbereich der angeführten Spezialregelungen ausschlösse, der sich aus dem Nichtvorliegen der jeweiligen Anwendungsvoraussetzungen der Interessenabwägung ergibt (Gefahr bei § 904 Satz 1 BGB, ortsübliche Imponderabilien bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, nur einfach fahrlässiger Überbau bei § 912 Abs. 1 BGB etc.).112 Denn einer umfassenden Abwägbarkeit von Eigentumsrechten stehen nicht nur einzelne positivrechtliche Schranken von Duldungspflichten entgegen, sondern die Funktion des privatrechtlichen Eigentums schlechthin. Diese besteht darin, dem Rechtsinhaber einen Gestaltungsspielraum und damit personale Autonomie einzuräumen.113 Der mit dem Eigentum verbundene Freiheitsraum ermöglicht Personen, ihre rechtlichen Verhältnisse im Sinne des Prinzips 111
Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 165 ff. A. A. Horst, Querverbindungen, S. 63. 113 Grundlegend Kant, MS RL, S. 55 f.; auch Raiser, JZ 1961, 465 (471); von Tuhr, Notstand, S. 36. 112
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
der Privatautonomie in Selbstbestimmung zu regeln.114 Es liegt auf der Hand, daß dieses Konzept nicht nur angegriffen, sondern zerstört würde, wenn Eigentumsrechte unter dem Globalvorbehalt stünden, daß ihrer Ausübung nicht wesentlich überwiegende Interessen eines anderen entgegenstehen. Diese Perspektive beruht auch nicht auf einem einseitigen Individualismus, der das Wohl der Gemeinschaft außer Betracht läßt. Wie die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs gesehen haben, konterkariert die Ausstattung der Rechtssubjekte mit autonomen Freiheitsräumen das Wohl der Allgemeinheit grundsätzlich nicht, sondern stellt es vielmehr effektiv sicher.115 Hierfür gewinnt insbesondere der Zusammenhang zwischen Eigentum und Vertragsfreiheit eine entscheidende Rolle: Durch Austauschverträge werden Eigentumsrechte, von denen ein anderer sinnvolleren Gebrauch machen kann als der ursprüngliche Rechtsinhaber, typischerweise ihrer bestmöglichen Verwendung zugeführt.116 Mittels dieser Verträge ordnen die Rechtsinhaber ihre Verhältnisse selbst, was nach dem Prinzip der Privatautonomie eine Richtigkeitsgewähr nach sich zieht, die gesetzlich nur durch die Außenschranken der Vertragsfreiheit begrenzt ist (insbesondere die §§ 134, 138 BGB).117 Hingegen würde im Rahmen eines allgemeinen Abwägungsprinzips der Richter auf der Grundlage seiner Wert- und Interessenvorstellungen entscheiden, wer welche Einwirkungsrechte auf eine Sache hat. Die gegenläufigen Interessen müßten objektiv gewichtet werden, was häufig kaum befriedigend möglich ist.118 Vor diesem Hintergrund dürfen Eigentumsrechte nicht Gegenstand eines allgemeinen Abwägungsprinzips sein, sondern nur solcher gesetzlich verankerter Ausnahmen, die auf typisierte Konflikte begrenzt sind.119 Klar ausgesprochen findet sich dies bereits in den Erwägungen Hecks120 über Duldungspflichten von Eigentümern: 114
Dazu Flume, AT, Bd. 2, § 1, S. 1 ff.; ders., Festschrift 100 Jahre DJT, Bd. 1, S. 135 ff.; F. von Hippel, Privatautonomie, S. 78 ff. 115 Konzen, Aufopferung, S. 157 f.; Raiser, JZ 1961, 465. Mit den Worten Jherings, Kampf, S. 25: Das „Verhältnis des objektiven oder abstrakten Rechts und der subjektiven konkreten Rechte ist der Kreislauf des Blutes, das vom Herzen ausströmt und zum Herzen zurückströmt“. 116 Behrens, Grundlagen, S. 114; Calabresi/Melamed, Harvard Law Review 85 (1972), 1089 (1092 f.); Rose-Ackerman, Columbia Law Review 85 (1985), 931 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 563 sowie unten D. II. 2. a). 117 Grundlegend Flume, AT, Bd. 2, § 1/5, S. 6 f.; Raiser, Festschrift 100 Jahre DJT, Bd. 1, S. 101 (130); Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 (151). 118 In ökonomischer Terminologie geht es um die Unsicherheit und Unbestimmtheit interpersonaler Nutzenvergleiche: Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 17 f. und 150; Keating, Stanford Law Review 48 (1996), 311 (334 f.); Sen, Inequality, S. 1 ff. 119 Lenckner, Notstand, S. 26; Renzikowski, Notstand, S. 200; ähnlich Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 40; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 166 f; Konzen, Aufopferung, S. 159; H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 6.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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„Der Gedanke des Größenvorzugs bei Interessenkollisionen [. . .] tritt in Widerspruch mit andern Maßstäben, die unsere Rechtsordnung anerkennt und ist deshalb nur mit Zurückhaltung verwendbar.“
Duldungspflichten zugunsten der Interessen eines anderen Privaten kommen somit nur dann in Frage, wenn eine entsprechende Eingriffsbefugnis entweder gesetzlich angeordnet ist oder sich im Wege der Analogie zu einer oder mehreren der bestehenden Vorschriften gewinnen läßt.121 Die induktive Ableitung einer umfassenden Aufopferungspflicht nach Art eines allgemeinen Abwägungsprinzips ist hingegen nicht möglich. Hiermit bricht die Basis zusammen, auf die Hubmann die allgemeine Haftung für vorsätzliche Eingriffe stützt. b) Der Gedanke einer Haftung für vorsätzliche Rechtseingriffe als Risikozuweisung Von einer anderen Ansicht wird die Auffassung, daß ein vorsätzlicher und rechtswidriger Eingriff in fremdes Eigentum verschuldensunabhängig zum Schadensersatz verpflichtet, auf das Kriterium der Risikozuweisung gestützt. Wie bereits angedeutet kann ein solcher Eingriff nur deswegen schuldlos sein, weil der Eingreifende ohne Fahrlässigkeit eine entsprechende Duldungspflicht des Betroffenen annimmt. Dies betrifft beispielsweise die irrtümliche Annahme einer Gefahrenlage bei § 904 BGB oder die fehlerhafte Einschätzung, wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Immissionen seien nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vermeidbar. Das Risiko eines solchen Irrtums muß nach einer Literaturauffassung stets zu Lasten des Eingreifers gehen. So sei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst bei Fehlen einer Duldungspflicht anwendbar, wenn dem Störer zur Kenntnis gelangt sei, daß seine Tätigkeit Nachbarn wesentlich beeinträchtigt.122 Und für die irrtümliche Annahme von Notstandsfällen im Sinne des § 904 BGB ergebe sich eine entsprechende Risikozuweisung positivrechtlich bereits aus dem Rechtsgedanken der Vorschrift des § 231 BGB, nach der eine irrtümliche Selbsthilfehandlung ohne Rücksicht auf Fahrlässigkeit zum Schadensersatz verpflichtet.123 120
Sachenrecht, § 49, S. 214. Umfangreiche Darstellung der diesbezüglichen Rechtsprechung zu § 906 BGB bei Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 15 ff.; Diederichsen, Festschrift Schmidt, S. 1 (3 ff.); Konzen, Aufopferung, S. 33 ff.; kritisch zu der damit verbundenen Aufweichung des Grundeigentums Medicus, JZ 1986, 778 (784). 122 Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 706. 123 Canaris, Feststellung, S. 79 f.; Erman/A. Lorenz, § 904 Rdnr. 15; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 IV 2b, S. 669; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 26. 121
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Jedoch kommt mit der h. M. auch genau der entgegengesetzte Schluß in Betracht: Daß das Gesetz eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht nur für den Fall der irrtümlichen Selbsthilfe anordnet, spricht für einen begrenzten Regelungszweck dieser Vorschrift, d.h. dafür, sonstige Irrtümer über das Vorliegen von Duldungspflichten den allgemeinen Regelungen des Deliktsrechts zu unterstellen.124 In der Tat kann die Beschränkung des § 231 BGB auf die Konstellationen irrtümlicher Selbsthilfe damit gerechtfertigt werden, daß der Handelnde sich hierbei nicht nur auf ein vermeintliches Eingriffsrecht beruft, sondern zudem zur Durchsetzung eines bloß relativen Anspruchs handelt. Die Durchsetzung relativer Ansprüche unterfällt aber in ganz besonderem Maße der Hoheit staatlicher Gerichte, was die im Vergleich mit anderen Eingriffsrechten schwache Stellung der Selbsthilfe begründet (vgl. § 230 BGB).125 Und nur diese Schwäche legitimiert den Gedanken des unbedingten Handelns auf eigene Gefahr, der § 231 BGB zugrunde liegt. Bereits in den Gesetzesmaterialien zu dieser Vorschrift wird die verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung auf den „exzeptionellen“ Charakter der Selbsthilfebefugnis gestützt und soll danach nicht den allgemeinen Grundsatz berühren, „daß eine aus entschuldbarem Irrthume für erlaubt gehaltene Handlung den Handelnden zum Schadensersatze nicht verpflichte“.126 Somit hat der historische Gesetzgeber eine analoge Heranziehung des § 231 BGB bei der irrtümlichen Annahme anderer Duldungspflichten sogar ausdrücklich verworfen. Für die grundsätzliche Geltung des Verschuldenserfordernisses auch bei der irrigen Annahme eines Eingriffsrechts spricht zudem ein Umkehrschluß zum Recht der angemaßten Eigengeschäftsführung. Nach den §§ 678, 687 Abs. 2 Satz 1 BGB ist derjenige, der wissentlich unbefugt ein fremdes Geschäft als sein eigenes behandelt, unabhängig davon zum Schadensersatz gegenüber dem Geschäftsherrn verpflichtet, ob ihm bei der Durchführung der angemaßten Eigengeschäftsführung ein Verschulden zur Last fällt. Als fremde Geschäfte, die ein anderer sich im Sinne des § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB anmaßen kann, gelten unter anderem Eingriffe in absolute Rechte wie das Eigentum.127 Denn die Ausübung von Eigentümerbefugnissen ist Sache 124 RGZ 88, 118 (120); RG, JW 1926, 1145 (1146); BGH, NJW 1976, 42; 1987, 2509; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 738; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 240 III 2, S. 1454 mit Fn. 24 und § 241 III 4a, S. 1458 mit Fn. 17; Erman/ E. Wagner, § 228 Rdnr. 10; Grothe, MünchKomm. BGB, § 227 Rdnr. 49 und § 228 Rdnr. 10; Palandt/Heinrichs, § 227 Rdnr. 11, § 228 Rdnr. 10; RGRK/Johannsen, § 227 Rdnr. 18; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 60 ff.; Soergel/Fahse, § 228 Rdnr. 30; Staudinger/Werner (2001), § 227 Rdnr. 35 und § 228 Rdnr. 29. 125 Kuchinke, Festschrift Krause, S. 327 (338); Rümelin, Schadensersatz, S. 72. 126 Prot. I, S. 244. 127 Statt aller Palandt/Sprau, § 687 Rdnr. 5.
I. Aufopferungshaftung und Eingriffshaftung
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des jeweiligen Rechtsinhabers und gehört zu dessen Rechtskreis. Eine Schadensersatzpflicht gemäß § 678 BGB, die von einem Ausführungsverschulden unabhängig ist, ergibt sich aber nach § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB nur, wenn der Eingreifende weiß, daß er unberechtigt ein fremdes Geschäft als eigenes führt. Dieses Geschäft ist im vorliegenden Zusammenhang der Eingriff in das Eigentum. Und wenn die irrige Vorstellung einer Eingriffsbefugnis vorliegt, fehlt es gerade an einem solchen Wissen um die Nichtberechtigung. § 678 BGB greift daher nicht ein. Dies bestärkt die Annahme, daß der vorsätzliche Eingriff in fremde Rechte nicht per se zu einer Haftung ohne Verschulden führen kann. Auf dieser Linie liegt es auch, wenn im direkten Anwendungsbereich der §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 904 Satz 2 BGB einem Eingriffsvorsatz zunehmend weniger Bedeutung beigemessen wird. So vertritt für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einzig Wilhelm128, daß der Ausgleichsanspruch erst ab dem Zeitpunkt besteht, in dem der Störer von den schädigenden Auswirkungen seiner Tätigkeit durch einen Protest des Betroffenen erfahren hat. Diese im Gesetzeswortlaut nicht begründete Auffassung lehnt sich ersichtlich an die ursprüngliche Rechtsprechung des Reichsgerichts an, nach der ein Aufopferungsanspruch wegen zu duldender Immissionen erst ab dem Zeitpunkt eingriff, in dem eine entsprechende Klage erhoben wurde.129 Diese Auffassung ist jedoch sehr bald aufgegeben worden:130 Die Ausgleichspflicht stellt die Kehrseite des Ausschlusses negatorischer Ansprüche dar und bezieht sich nicht prozessual auf eine negatorische Klage. Und in bezug auf § 904 Satz 2 BGB besteht zwar nach der noch h. M.131 eine Schadensersatzpflicht selbst bei einer gegebenen Eingriffsbefugnis aus § 904 Satz 1 BGB nur dann, wenn dem Handelnden bewußt ist, daß er mit seiner Rettungshandlung fremdes Eigentum beschädigt. Diese Sichtweise wird aber verstärkt mit dem überzeugenden Argument in Frage gestellt, daß sich die Aufopferungslage des betroffenen Eigentümers unabhängig von einem Eingriffsvorsatz des Handelnden bereits aus der Duldungspflicht des § 904 Satz 1 BGB ergibt, die unter anderem die Abwehrrechte der §§ 227, 228 Satz 1 BGB ausschließt.132 Spielt somit der Eingriffsvorsatz im direkten 128
Sachenrecht, Rdnr. 706. So zu § 26 GewO a. F. RG, JW 1905, 503; JW 1915, 600 (601). 130 RGZ 139, 29 (35). 131 RGZ 113, 301 (302); BGH, VersR 1955, 10 (11); BGHZ 92, 357 (358 ff.); Deutsch, AcP 165 (1965), 193 (209); Dilcher, JuS 1987, 100 f.; Fischer/Henle/ Titze, § 904 Anm. 3, S. 513; Palandt/Bassenge, § 904 Rdnr. 3; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 5; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 7; Schlund, JR 1985, 285 (286); K. Scholz, Zumutbarkeit, S. 31 f.; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 9; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 23; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II 2c, S. 165. 129
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Anwendungsbereich der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eine immer geringere Rolle, erscheint es wenig schlüssig, bei rechtwidrigen Eingriffen die analoge Anwendung dieser Normen gerade auf einen Eingriffsvorsatz zu stützen und damit eine Ausnahme vom deliktischen Verschuldensprinzip zu begründen. Und schließlich führt ein Rückgriff auf § 823 Abs. 1 BGB in den fraglichen Konstellationen auch nicht zu einer unbilligen Risikoverteilung. An das mangelnde Verschulden sind bei der irrtümlichen Annahme einer Eingriffsbefugnis strenge Anforderungen zu stellen. Wer bewußt das Eigentum Dritter beeinträchtigt, ist in besonderem Maße angehalten, eine vermeintliche Berechtigung hierzu zu überprüfen. Es sprechen somit gute Gründe dafür, die geschuldete Sorgfalt in bezug auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Eingriffsbefugnis strenger zu fassen als hinsichtlich der Rechtsbeeinträchtigung bzw. Rechtsverletzung als solcher.133 Insoweit leuchtet nicht ein, warum – außerhalb von Tatbeständen der Gefährdungshaftung – gerade dann auf ein Verschulden als Haftungsvoraussetzung verzichtet werden soll, wenn an die mangelnde Fahrlässigkeit besonders strenge Maßstäbe anzulegen und von dem Handelnden erfüllt worden sind.134 Bezeichnenderweise sind Fälle, in denen der Störer zwar vorsätzlich in fremdes Eigentum einge132
Braun, NJW 1998, 941 (943); Dunz, VersR 1985, 336; Jansen, ZEuP 2003, 490 (495 f.); Jauernig/Jauernig, § 904 Rdnr. 2; Konzen, Aufopferung, S. 113 f.; ders., JZ 1985, 181 (182 f.); Schnorr von Carolsfeld, Festschrift Molitor, S. 365 (368 Fn. 5); Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 265; offen N. Horn, JZ 1960, 350 (354 Fn. 52). 133 Im Strafrecht wird dies von der sogenannten strengen Schuldtheorie bei einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrunds konsequent berücksichtigt: Nach dieser Ansicht läßt ein Sachverhaltsirrtum über die Rechtswidrigkeit einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung die Vorsatzschuld nur entfallen, wenn er seinerseits nicht auf Fahrlässigkeit beruht (grundlegend Welzel, ZStW 67 [1955], 196 ff.; ausführlich und m. w. N. auch Paeffgen, Verrat, S. 93 ff.). Gestützt wird diese Auffassung maßgeblich auf die Appellfunktion, die sich aus der vorsätzlichen Verwirklichung des jeweiligen Straftatbestands für eine sorgfältige Prüfung vermeintlicher Rechtfertigungsgründe ergibt und an die eine abweichende Behandlung des Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen von Rechtfertigungsgründen gegenüber einem Tatumstandsirrtum (§ 16 StGB) anknüpfen kann. Das hiergegen vorgebrachte Argument, die irrige Annahme einer Rechtfertigungslage lege die Impulse zur Prüfung der Rechtfertigung „lahm“ (Engisch, ZStW 70 [1958], 566 [599]), beruht auf einem offensichtlichen Fehlschluß: Die subjektive Annahme einer Rechtfertigungslage kann denknotwendig die Impulse zur Prüfung ihres Vorliegens nicht ausschalten, sondern der Handelnde kann allenfalls davon ausgehen, er habe seine Prüfungspflicht erfüllt. Wenn diese fehlerhafte Annahme aber auf Fahrlässigkeit beruht, d.h. vermeidbar war, kann sie somit ohne Widerspruch für unbeachtlich erklärt werden (vgl. G. Jakobs, Strafrecht AT, 11/47). 134 Siehe Picker, Festschrift Gernhuber, S. 315 (359).
II. Aufopferung und Begünstigung
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griffen hat, aber einem unverschuldeten Irrtum über eine Eingriffsbefugnis unterlegen war, in der Rechtsprechung auch kaum vorgekommen.135 Mit dem Gedanken der Risikozuweisung läßt sich daher die analoge Erstreckung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf vorsätzlich ausgeübte faktische Duldungszwänge nicht begründen.
3. Zusammenfassung Die Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge kann überzeugend weder mit dem Kriterium einer unzumutbaren Eigentumsbeeinträchtigung, die mit den gesetzlich geregelten Fällen vergleichbar sei, noch mit der Annahme einer unbedingten Haftung für vorsätzliche Eingriffe gerechtfertigt werden. Die Sichtweise der Rechtsprechung und der h. L., die auf die Vergleichbarkeit des Sonderopfers durch faktische Duldungszwänge mit den Konstellationen der Duldungspflichten aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB abstellt, gerät insbesondere in Konflikt mit den begrenzten Rechtsfolgen des § 1004 Abs. 1 BGB und dem deliktsrechtlichen Verschuldenserfordernis. Und auch wenn der erforderliche Eingriff enger gefaßt wird, führt dies zu dogmatischen und wertungsmäßigen Inkonsistenzen. Dies gilt sowohl für die Auffassung, nach welcher sich in dem ausgleichspflichtigen Eingriff eine potentielle Rechtsschutzverkürzung durch mögliche Duldungspflichten verwirklicht haben muß, als auch für die Sichtweise, ausgleichspflichtig sei jeder bewußte Eingriff in fremde Eigentumsrechte.
II. Aufopferung und Begünstigung Neben der Erfassung der Aufopferungshaftung über verschiedene Varianten des Eingriffsbegriffs führt eine zweite Hauptströmung die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sowohl in ihrem direkten Regelungsbereich als auch im Rahmen der analogen Anwendung bei faktischen Duldungszwängen auf den Gedanken der Begünstigtenhaftung zurück.136 Am klarsten äußert sich diese Auffassung, wenn die Beeinträchtigung des fremden Eigentums zur Wahrnehmung der Interessen eines Dritten erfolgt, was insbesondere bei § 904 BGB der Fall sein kann. Während die Eingriffstheorie hier 135
Eine Ausnahme bildet die Entscheidung LG Hamburg, MDR 1959, 760; siehe oben B. II. 1. 136 Insbesondere Konzen, Aufopferung, S. 177 ff.; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72 f., 163 und 176 ff.; Süss, Haftung, S. 80 ff. und 96 ff.; auch Canaris, Feststellung, S. 79 f. und Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 170 f.; hilfsweise Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419 ff.).
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
eine Haftung desjenigen annimmt, der die Eigentumsbeeinträchtigung vornimmt,137 führt die Begünstigtenhaftung zu einer Ausgleichspflicht der Person, deren Interessen mittels des Eingriffs verfolgt werden.138 Der Gedanke der Begünstigtenhaftung wird jedoch auch dienstbar gemacht, um die Einbeziehung faktischer Duldungszwänge in die Aufopferungshaftung zu begründen. Der Haftungsgrund wird dabei sowohl für duldungspflichtige als auch faktisch nicht abwehrbare Eingriffe in der Erlangung einer Begünstigung auf Kosten des betroffenen Eigentümers gesehen.139 Wer beispielsweise ein nicht wesentlich überwiegendes Interesse durch die Schädigung fremden Eigentums schütze, müsse – unbeschadet einer möglichen Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB – gemäß § 904 Satz 2 BGB analog Schadensersatz leisten,140 wobei der Umfang der Ersatzpflicht aufgrund des Begünstigungsgedankens durch manche Autoren auf den Vermögenswert des geschützten Interesses begrenzt wird.141 Aber sogar ein Eingriff in der irrigen Annahme einer Gefahrenlage führt nach Konzen142 immer dann zu einer auszugleichenden Begünstigung bis zur Wertgrenze des vermeintlich gefährdeten Interesses, wenn auch ein vernünftiger Mensch vom Vorliegen einer Gefahrensituation und somit davon ausgegangen wäre, daß der Eingriff Interessen des „Begünstigten“ fördert. Die Vorteilserlan137 RGZ 113, 301 (303); BGHZ 6, 102 (105 f.); Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 20; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 7 f.; von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (376 f.); Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 III 2, S. 1457 mit Fn. 16; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 153; F. Oetker, Notwehr, S. 303 ff.; Planck/Strecker, § 904 Anm. 3b b, S. 268 f.; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 9; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 44 ff.; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 23. 138 Canaris, NJW 1964, 1987 (1993); Erman/A. Lorenz, § 904 Rdnr. 10; Götz, Vergütungsanspruch, S. 151; N. Horn, JZ 1960, 350 (352); Kraffert, AcP 165 (1965), 453 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 107 ff.; ders., JZ 1985, 181 (182); Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1b, S. 655 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 17 f.; Spöhr, Nothilfe, S. 40 ff.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 38; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II 2c, S. 164 f. 139 Ein frühes Vorbild findet diese Sichtweise in der Entscheidung RGZ 140, 276 (283), nach der ein öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch gemäß § 75 EinlPrALR trotz Fehlens einer entsprechenden Duldungspflicht aus § 74 EinlPrALR zu gewähren ist, wenn der Eingriff gleichwohl „dem Staat oder dem sonstigen öffentlich-rechtlichen Verband den erstrebten Vorteil gebracht hat“. 140 Canaris, JZ 1963, 655 (658 f.); ders., Feststellung, S. 78 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 III 4b, S. 1458; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 182 ff.; Horst, Querverbindungen, S. 60; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 IV 1, S. 668; Rümelin, Schadensersatz, S. 73 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 25; Tondorf, Aufopferungsanspruch, S. 115; Wilts, NJW 1962, 1852; Ziegler, Aufopferungsanspruch, S. 86. 141 Canaris, NJW 1964, 1987 (1993 Fn. 54); Konzen, Aufopferung, S. 180 f. 142 Aufopferung, S. 181.
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gung, die nach dieser Sichtweise die Entschädigungspflicht trägt, wird also nicht durchgängig auf einen konkreten Vermögensvorteil bezogen, sondern teilweise abstrakt bestimmt. Und entsprechend findet sich auch für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die Ansicht, daß derjenige, der zum eigenen Vorteil ein Nachbargrundstück mit faktisch nicht abwehrbaren Immissionen belastet, auch dann gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zum Ausgleich verpflichtet sei, wenn die Rechtmäßigkeitsbedingungen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht vorliegen, z. B. weil die Einwirkungen nicht ortsüblich sind.143 Der Vorteil des Emittenten müsse dabei nicht in einer konkreten Vermögensmehrung bestehen, die den Wert der Ersatzpflicht erreicht, sondern wird wiederum abstrakt als Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks für eigene Zwecke definiert. Die Ersatzpflicht bemesse sich dann nach dem Betrag, den der betroffene Eigentümer vermutlich für eine vertragliche Gestattung verlangt hätte,144 d.h. den Grundsätzen einer Verkehrswertentschädigung.145 Diese Auffassung weicht zumindest insoweit von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ausgleichsanspruch für faktische Duldungszwänge analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ab, als sie solche Beeinträchtigungen nicht in die Analogie einbezieht, aus denen keine auch nur abstrakte Begünstigung für den Eingreifenden resultiert. Dies betrifft insbesondere reine Unfallschäden, wie z. B. die Schädigung eines Nachbargebäudes durch einen Wasserrohrbruch oder einen Brand.146 Vielmehr müsse in der störenden Einwirkung selbst im weitesten Sinne eine Nutzung des betroffenen Nachbargrundstücks liegen.147 Dies treffe aber auch auf solche willentlich erzeugten Emissionen zu, deren negative Auswirkungen auf fremdes Eigentum der Emittent zwar nicht vorhergesehen hat, die aber notwendige Folge seines Verhaltens sind.148 Als 143
Hk-BGB/Eckert, § 906 Rdnr. 22 f.; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72 f., 163 und 176 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 168 ff.; Süss, Haftung, S. 80 ff. und 96 ff. Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419 ff.) steht der Ausdehnung von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrige Schädigungen grundsätzlich kritisch gegenüber, stützt sie aber hilfsweise auf den Begünstigungsgedanken. 144 Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (421). 145 Näher zum Anspruchsumfang bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter D. III. 3. c). 146 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 176 ff.; Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419); Süss, Haftung, S. 103 f. 147 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 182 ff. rechnet hierzu allerdings auch diejenigen Unfallschäden, die aus einer „konkreten Gefährdung“ resultieren, welche „notwendige Folge“ einer bestimmten Nutzungshandlung ist. Die inhaltliche Ausgestaltung dieses Gedankens verbleibt jedoch dunkel. So soll sich die Frage, ob die mit einer bestimmten Nutzungshandlung verbundene und später in einen Unfall mündende Gefährdung hinreichend konkret ist, nach dem Maßstab des „nachbarlichen Rücksichtnahmegebots“ bemessen: Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 184. 148 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 178.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Testfrage für die Bestimmung des legitimen Anwendungsbereichs der Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB könne dienen, ob der Gesetzgeber dem Einwirkenden die fragliche Form der Beeinträchtigung sinnvollerweise hätte gestatten können, wenn er dessen Interessen höher als diejenigen des Betroffenen gewichten würde.149 Dies gelte nur für Einwirkungen, die dem Störer im weitesten Sinne einen Nutzen bringen, wie z. B. exzessive Emissionen oder Schädigungen durch Bautätigkeiten, nicht aber Unfallschäden, die auch dem Störer nachteilig sind.
1. Die haftungssystematische Problematik des Begünstigungsgedankens Auch die Zurückführung der Aufopferungshaftung für faktische Duldungszwänge auf den Begünstigungsgedanken vermag jedoch im Ergebnis nicht zu überzeugen. a) Fragwürdige Differenzierungsfolgen des Ansatzes Zum einen sieht sich die vorstehende Auffassung dem bereits gegenüber dem eingriffsorientierten Ansatz erhobenen Einwand ausgesetzt, daß nicht einleuchtet, warum die Erlangung einer Begünstigung dann, aber auch nur dann zu einer verschuldensunabhängigen Haftung führen soll, wenn sie sich im Umfeld einer Duldungspflicht bewegt.150 Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb nach dem Prinzip der Begünstigtenhaftung z. B. derjenige analog § 904 Satz 2 BGB haften soll, der in fremdes Eigentum eingreift, um eine Gefahr für ein nicht wesentlich überwiegendes Interesse abzuwenden, nicht aber derjenige, der keine Gefahr abwenden will, sondern einen sonstigen Vorteil, z. B. einen Gewinn, aus dem Eingriff erlangt. Denn das Moment der Gefahr hat bei § 904 Satz 1 BGB Bedeutung nur als Teil der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bzw. des korrespondierenden Ausgleichsanspruchs und verkörpert keinen tauglichen Haftungsgrund, wenn die sonstigen Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Entsprechendes gilt für Schädigungen im nachbarlichen Raum, welche den Kriterien des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht genügen.
149 150
Süss, Haftung, S. 103 f. Siehe oben C. I. 1. b) bb).
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b) Die mangelnde Vereinbarkeit mit den Wertungen des Bereicherungsrechts Vor allem widerspricht die Einbeziehung faktischer Duldungszwänge in Aufopferungsansprüche über den Begünstigungsgedanken aber den Wertungen des Bereicherungsrechts. aa) Die Einschlägigkeit des Bereicherungsrechts bei konkret erlangten Vorteilen Die Abwicklung von Vorteilen, die ohne Rechtsgrund auf Kosten anderer erlang werden, gehört zum Regelungsbereich der §§ 812 ff. BGB, insbesondere der Eingriffskondiktion. Wenn rechtswidrig in das Eigentum eines Dritten eingegriffen wird, ist derjenige, der hieraus einen Vorteil zieht, nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zur Herausgabe an den Eigentümer verpflichtet, subsidiär zum Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB. Somit bedarf es entgegen der in Rede stehenden Auffassung151 beispielsweise gar keiner analogen Anwendung des § 904 Satz 2 BGB, um zu begründen, daß derjenige dem Betroffenen bis zur Wertgrenze des geschützten Interesses haftet, der durch einen Eingriff in fremdes Eigentum eigene, nicht wesentlich überwiegende Interessen wahrt. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB i. V. mit § 818 Abs. 2 und 3 BGB. Eine etwaige Analogie zu § 904 Satz 2 BGB scheidet daneben schon deswegen aus, weil sich dieser Norm nicht die gewünschte Rechtsfolge entnehmen läßt. Die Vorschrift ordnet einen Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB an und nicht einen Schadensersatz bis zur Wertgrenze des durch den Eingriff geschützten Interesses. Durch eine Analogie kann zwar eine Rechtsfolge auf einen nicht geregelten Sachverhalt übertragen werden, aber keine selbst für den gesetzlich geregelten Fall nicht vorgesehene Rechtsfolge erzeugt werden. bb) Die Unvereinbarkeit einer abstrakten Begünstigtenhaftung mit § 818 Abs. 3 BGB Aus der Rechtsfolgenperspektive schlüssig ist die Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Fälle rechtswidriger Eingriffe nur, wenn die Ersatzpflicht des Begünstigten nicht auf seinen konkreten Vorteil begrenzt wird. Dies ist der Gedanke der abstrakten Begünstigtenhaftung: Die Förderung der Interessen einer Person durch einen rechtswidrigen Eingriff in fremdes Eigentum verpflichtet im Umfeld von Notstandssituationen 151
Siehe oben bei Fn. 141.
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zu einem Schadensersatz (§ 904 Satz 2 BGB analog) bzw. unter Grundstücksnachbarn zu einer angemessenen Entschädigung (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog) unabhängig davon, ob der Begünstigte einen konkreten Vermögensvorteil in dieser Höhe erlangt hat. Ein solcher Ansatz gerät jedoch ebenso in Widerspruch zum Recht der ungerechtfertigten Bereicherung, insbesondere zu dessen Abschöpfungsgedanken. Gemäß § 818 Abs. 3 BGB besteht keine bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht, sofern in dem Vermögen des Anspruchsverpflichteten kein konkreter Vorteil (mehr) vorhanden ist und auch kein Fall des § 819 Abs. 1 BGB vorliegt. Vor diesem Hintergrund kann nicht schon die Inanspruchnahme fremden Eigentums als solche, verstanden als Vorteilsziehung im abstrakten Sinne, zu einer Wertersatzpflicht ohne Rücksicht darauf führen, ob das Vermögen des Störers durch den Eingriff noch konkret erhöht ist. Genau dies bewirkt aber im Ergebnis die Aufopferungshaftung für rechtswidrige Schädigungen nach dem Begünstigungsgedanken. Diese Sichtweise wird im Ergebnis auch nicht durch diejenigen höchstrichterlichen Entscheidungen zum Bereicherungsrecht widerlegt, nach denen ein rechtsgrundloser Eingriff in fremdes Eigentum oder fremde Immaterialgüterrechte gegebenenfalls unabhängig von einer fortbestehenden Vermögensmehrung zu einer Wertersatzpflicht aus den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB führt: So versagte das Reichsgericht einer Gesellschaft kategorisch den Einwand der Entreicherung, die ein Bahngleis auf einem fremden Grundstück dauerhaft in einer Art und Weise genutzt hatte, die von einer zu ihren Gunsten bestehenden Dienstbarkeit nicht mehr gedeckt war.152 Die Beklagte hielt dem Anspruch auf eine angemessene Nutzungsentschädigung entgegen, daß sie die fragliche Benutzung des Gleises bei Kenntnis ihrer Nichtberechtigung und der damit verbundenen finanziellen Folgen nicht vorgenommen hätte, d.h. im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB nicht bereichert sei.153 Nach Auffassung des Gerichts mußte sich die Gesellschaft hingegen an der selbst geschaffenen Sachlage festhalten lassen und war zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet.154 Und nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs kann derjenige, der das Konterfei eines Prominenten unbefugt zu Werbezwecken benutzt, gegenüber seiner bereicherungsrechtlichen Inanspruchnahme nicht einwenden, er habe aus der Verwendung keinen meßbaren Vorteil erlangt und hätte diese bei Kenntnis der fehlenden Einwilligung auch unterlassen, d.h. kein entsprechendes Nutzungsrecht erworben.155 152
RGZ 97, 310 ff. Dazu, daß § 818 Abs. 3 BGB nicht nur einen späteren Entfall, sondern a fortiori auch ein ursprüngliches Ausbleiben der Bereicherung umfaßt, statt aller Gursky, JR 1972, 279 (283) m. w. N. 154 RGZ 97, 310 (312). 153
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Schlechtriem156 will den in diesen und anderen Entscheidungen zum Ausdruck gekommenen Gedanken einer bereicherungsrechtlichen Lizenzentschädigung, die sich auf einen bloßen rechtsgrundlos-rechtwidrigen Eingriff stützt, nun auf Aufopferungsansprüche übertragen und damit deren analoge Anwendung auf faktische Duldungszwänge begründen. Hieran erscheint zunächst problematisch, warum er auf dieser Grundlage überhaupt für eine Analogie zu Aufopferungsansprüchen plädiert und nicht für einen bereicherungsrechtlichen Anspruch des Betroffenen auf Ersatz des Eingriffswerts, der den Eingriffsschaden einschließt. Dies erklärt sich vielleicht daraus, daß die angeführten Judikate von der h. L.157 im Rahmen des Bereicherungsrechts als Verstoß gegen § 818 Abs. 3 BGB abgelehnt werden. Hält man diese Bedenken zutreffenderweise für durchgreifend, wäre es jedoch eine unzulässige Umgehung des § 818 Abs. 3 BGB, den Gedanken einer Lizenzentschädigung aufgrund rechtsgrundlos-rechtswidriger Eingriffe in eine Analogie zu Aufopferungsansprüchen zu übertragen und das Problem des Entreicherungseinwands somit formal zu umgehen. Die angeführten Entscheidungen mögen dadurch motiviert gewesen sein, daß die Beklagten das Eigentum bzw. das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger jeweils sogar fahrlässig verletzt hatten, mangels eines bezifferbaren Schadens jedoch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB den Klägern nicht weiterhalf.158 Bereits diese Argumentation ist problematisch, legitimiert doch grundsätzlich erst eine fortbestehende Vorteilserlangung die Kondiktion als schadensunabhängiges Rechtsinstitut.159 Wollte man die Rechtsprechung nun noch dahingehend verallgemeinern, daß jeder, der fremdes Eigentum unter Überschreitung einer Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Anspruch genommen hat, unabhängig davon eine angemessene Nutzungsentschädigung bzw. sogar Schadensersatz schuldet, ob er schuldhaft gehandelt oder aus dem Eingriff einen fortbestehenden Vermögensvorteil erlangt hat, würde die Abgrenzung des 155 BGHZ 20, 345 (355); zustimmend BGH, NJW-RR 1987, 231 (232); NJW 1992, 2084 (2085). 156 Festschrift Gernhuber, S. 407 (420 f.). 157 Gursky, JR 1972, 279 (283); H. H. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 136 ff.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 135 f.; Lieb, MünchKomm. BGB, § 818 Rdnr. 50 und 147; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 17 IV 3b, S. 618 ff.; Sack, Festschrift Hubmann, S. 373 (386). 158 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 73 I 5i, S. 307 f. befürworten die Entscheidungen auf der dogmatischen Grundlage des Einwands des Rechtsmißbrauchs gemäß § 242 BGB gegenüber der Berufung auf eine Entreicherung. Die Anwendung des § 242 BGB wird dabei darauf gestützt, daß die durch den Eingriff entstandenen wechselseitigen Vor- und Nachteile jeweils schwer bezifferbar seien und dem Eingreifenden das daraus resultierende Beweisrisiko zuzurechnen wäre. 159 von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (357 f.).
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Bereicherungsausgleichs von der Aufopferungshaftung und dem Deliktsrecht endgültig verwischt. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB i. V. mit § 818 Abs. 3 BGB setzt auch bei der unbefugten Nutzung fremder Rechte eine über den Eingriff als solchen hinausgehende Vorteilserlangung voraus. Erlangtes im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB ist in diesen Konstellationen nach zutreffender Auffassung zwar nicht eine abstrakte Vermögensmehrung im Sinne eines erzielten Gewinns bzw. ersparter Aufwendungen, sondern die Nutzung als solche, für die gemäß § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich Wertersatz in Höhe einer üblichen Nutzungsentschädigung zu leisten ist.160 Jedoch greift § 818 Abs. 3 BGB ein, wenn der Beklagte keine entsprechenden Aufwendungen erspart hat, d.h. nicht ohnehin ein entsprechendes Nutzungsrecht erworben hätte, und auch sonst aus dem Eingriff keine konkreten Vermögensvorteile resultieren, z. B. in Form von erzielten Gewinnen.161 Dem wird auch die von der Rechtsprechung zugrunde gelegte Auffassung nicht gerecht, nach der eine relevante Bereicherung in der Form ersparter Aufwendungen immer schon dann gegeben ist, wenn der Eingreifende „bei ordnungsgemäßem Vorgehen“ für die Nutzung ein Entgelt hätte zahlen müssen.162 Damit werden die Eingriffshandlung und ein entsprechender Vertragsschluß durch den Eingreifenden über ein entgeltliches Nutzungsrecht gleichgestellt. Dies ist aber vor dem Hintergrund der Privatautonomie nur dann vertretbar, wenn er von seiner Nichtberechtigung im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB Kenntnis hatte. Dann ist ihm die Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB gegenüber dem Begehren einer marktüblichen Nutzungsentschädigung nach dem Gedanken einer Quasi-Vertragskondiktion versagt.163 Er darf aufgrund seiner Bösgläubigkeit dann nicht besser stehen, als wenn er die Autonomie des Betroffenen geachtet und eine vertragliche Gestattung des Eingriffs erkauft hätte. Insoweit folgt die Pflicht zur Zahlung eines üblichen Nutzungsentgelts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB 160
Berg, JuS 1962, 73 (75); von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (381); Canaris, JZ 1971, 560 (561); Goetzke, AcP 173 (1973), 289 (311); Gursky, JR 1972, 279 (281 ff.); Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 117 ff.; Lieb, MünchKomm. BGB, § 818 Rdnr. 12 ff.; Staudinger/Lorenz, § 812 Rdnr. 71. 161 Da das Erlangte im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB jedoch die Nutzung als solche ist, wird die Gewinnerzielung nur im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB relevant und ist somit ein Gewinn, der den Wert einer üblichen Nutzungsentschädigung für den betreffenden Eingriff übersteigt, auch nicht an den Rechtsinhaber abzuführen; hierzu jüngst Ellger, Bereicherung, S. 900 ff. m. w. N. 162 So RGZ 97, 310 (311 f.); BGHZ 20, 345 (355). 163 Insbesondere Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 73 II 5a, S. 319 f. im Anschluß an von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (358 f.); der Sache nach auch BGHZ 55, 128 (132); 72, 252 (255); H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 42; Staudinger/Lorenz, § 818 Rdnr. 52.
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i. V. mit den §§ 818 Abs. 2 und Abs. 3, 819 Abs. 1 BGB. Neben einer deliktischen Haftung ist dieser Anspruch insbesondere dann von Interesse, wenn der Eigentümer keinen meßbaren Vermögensschaden im Sinne der §§ 249 ff. BGB erlitten hat, wie dies in den erwähnten höchstrichterlich entschiedenen Fällen gegeben war. Dem redlichen Eingreifer darf hingegen die Einwendung des § 818 Abs. 3 BGB nicht vorenthalten werden.164 Die Interessen des betroffenen Eigentümers werden angemessen dadurch berücksichtigt, daß der Wert eines Eingriffs in fremdes Eigentum im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB zunächst mit einem üblichen Nutzungsentgelt angesetzt wird165 und den Eingreifenden nach allgemeinen Regeln im Rahmen des § 818 Abs. 3 BGB die Beweislast dafür trifft, daß der Eingriff nicht zu einer Vermögensmehrung geführt hat, die dem Nutzungsentgelt entspricht.166 An einer solchen Entreicherung fehlt es insbesondere, wenn der Eingreifer ein entsprechendes Nutzungsrecht bei Kenntnis der Sachlage ohnehin erworben hätte und sein Vermögen daher durch die Ersparnis dieser Aufwendungen „vermehrt“ ist. Daneben schließen auch sonstige konkrete Vorteile wie z. B. Gewinne, die durch den Eingriff erlangt wurden, eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB aus. cc) Zwischenergebnis Soweit aus einem faktischen Duldungszwang ein konkreter Vorteil folgt (z. B. der Schutz eines nicht höherwertigen Interesses bei § 904 Satz 1 BGB oder die Erzielung eines Gewinns mittels Immissionen, welche die Grenzen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB überschreiten), ist der Begünstigte aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB i. V. mit § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet. Gleiches gilt gemäß § 819 Abs. 1 BGB, wenn der Eingreifer um die Rechtswidrigkeit seines Eingriffs wußte. Ist der Begünstigte aber gutgläubig und fehlt es an einem konkreten Vermögensvorteil, weil er den Eingriff gegen ein Nutzungsentgelt nicht vorgenommen hätte und auch keine sonstigen Vorteile erlangt hat, widerspricht eine Analogie zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, die sich auf den Gedanken einer 164 Canaris, JZ 1971, 560 (561); Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1088; Lieb, MünchKomm. BGB, § 818 Rdnr. 147; Soergel/Mühl, § 818 Rdnr. 32. 165 Für deren Höhe ist der hypothetische Marktpreis der Nutzung maßgeblich, auf den sich die Beteiligten bei einer vertraglichen Einigung vermutlich verständigt hätten: BGHZ 44, 372 (380 f.); 82, 299 (307 f.); von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (357 f.); Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 15 II 3b, S. 538 ff.; Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, S. 445 (458 f.); ausführlich zur Funktion der Eingriffskondiktion als „Rekonstruktion eines vertraglichen Tauschvorgangs“ Ellger, Bereicherung, S. 328 ff. 166 Allgemein zur Beweispflicht des Kondiktionsschuldners für eine Entreicherung Mot. II, S. 387; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 73 I 1c, S. 297.
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abstrakten Begünstigung durch den Eingriff in fremdes Eigentum stützt, der Wertung des § 818 Abs. 3 BGB.
2. Die abweichende gesetzliche Wertung im direkten Anwendungsbereich der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB a) Eingriffsbefugnisse als Grundlage einer bereicherungsunabhängigen Ausgleichspflicht Wurde vorstehend die Bedeutung des § 818 Abs. 3 BGB für die Frage der analogen Anwendbarkeit von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrige Schädigungen nach Maßgabe des Begünstigungsgedankens hervorgehoben, sieht das Gesetz bei Bestehen einer Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB aber ausdrücklich einen Aufopferungsausgleich unabhängig davon vor, ob der Eingreifende einen konkreten Vermögensvorteil erlangt hat. Die Schadensersatzpflicht nach § 904 Satz 2 BGB greift auch dann ein, wenn der Notstandseingriff fehlgeschlagen ist und das gefährdete Gut nicht gerettet wurde. Und umgekehrt hängt auch die Ausgleichspflicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht davon ab, ob sich die Gewinnerwartungen realisiert haben, die ein Emittent mit seinen ortsüblichen und nicht mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbaren Immissionen verbunden hat. Im direkten Anwendungsbereich der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erachtet das Gesetz die Wertung des § 818 Abs. 3 BGB somit implizit für unerheblich. Die Überzeugungskraft der bisherigen Argumentation hängt daher noch von einer Begründung dafür ab, daß die gesetzlich vorgesehene bereicherungsunabhängige Ausgleichspflicht gerade und nur bei einer bestehenden Eingriffsbefugnis gerechtfertigt ist. Hierbei kann auf den Gedanken „casum sentit dominus“ zurückgegriffen werden. In seinem Kernbereich besagt dieses Prinzip, daß der Inhaber eines Rechts Einbußen an dem Rechtsgegenstand dann selbst tragen muß, wenn sie keinem Dritten zugerechnet werden können. Aus dem Vorteil der Rechtsinhaberschaft folgt somit als korrespondierender Nachteil nicht nur die negatorische Verantwortlichkeit des Rechtsinhabers aus § 1004 Abs. 1 BGB bei einer Störung Dritter, sondern zugleich auch die Gefahrtragung für eigene Zufallsschäden.167 Es stellt nun eine konsequente Fortschreibung dieses Prinzips dar, wenn derjenige, der auf eine fremde Sache entgegen dem grundsätzlichen Eigentumsschutz einwirken darf, in Gestalt des Aufopferungsanspruchs auch unbedingt für die finanziellen Folgen dieser Einwirkung verantwortlich ist. Wem die Rechtsordnung zur Wahrung überwiegen167
Zu diesem Zusammenhang Wacke, Festschrift Hübner, S. 669 (670) m. w. N.
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der Interessen eine besondere Einwirkungsbefugnis zu Lasten fremden Eigentums erteilt, der muß die Schadensfolgen seines Handelns bereicherungsunabhängig tragen.168 Durch das Eingriffsrecht wird der Gefährdete somit zum dominus hinsichtlich der finanziellen Folgen der Interessendurchsetzung.169 Dieser Zusammenhang zwischen Eingriffsbefugnis und bereicherungsunabhängiger Ausgleichspflicht, den das Gesetz in den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB anerkennt, läßt sich aber nicht auf faktische Duldungszwänge ohne Eingriffsbefugnisse übertragen. In solchen Fällen folgt die Zurechnung nicht dem Prinzip „casum sentit dominus“, sondern anderen Instituten wie dem Deliktsrecht oder dem Bereicherungsrecht einschließlich des § 818 Abs. 3 BGB. Diese Abgrenzung des Aufopferungsausgleichs bei Eingriffsbefugnissen und des Bereicherungsausgleichs bei nicht duldungspflichtigen Einwirkungen wird dadurch untermauert, daß nicht nur bei mangelnder Duldungspflicht vor dem Hintergrund des § 818 Abs. 3 BGB kein bereicherungsunabhängiger Vorteilsausgleich erfolgen kann, sondern bei gegebener Duldungspflicht umgekehrt ein zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hinzutretender Bereicherungsanspruch ausscheidet: Zwar erfolgt auch eine Vorteilsziehung durch Eingriff in fremdes Eigentum, die von einer Duldungspflicht gedeckt ist, im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf Kosten des Eigentümers, wenn dieses Tatbestandsmerkmal mit der heute h. M. als Widerspruch zum Zuweisungsgehalt des betroffenen Rechts170 und nicht als rechtswidriger Eingriff171 interpretiert wird. Soweit der Eingriff gerechtfertigt ist, besteht aber nicht nur eine Duldungspflicht gegenüber der Eigentumsbeeinträchtigung nach § 1004 Abs. 2 BGB, sondern zugleich auch ein Rechtsgrund im Rahmen des § 812 BGB.172 Dieser mag zwar je nach der Art der Eingriffsbefugnis später wieder wegfallen.173 Der von einem Hund Angegriffene, der sich mit einem fremden Regenschirm vertei168 Konzen, Aufopferung, S. 115; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 39; ders., Schadensersatz, S. 28. 169 Anders in den Fällen der §§ 227, 228 Satz 1 BGB, bei denen die Eingriffsbefugnis nicht auf dem Gedanken der Interessenabwägung, sondern der Verantwortlichkeit des Duldungspflichtigen beruht [näher unter D. III. 1. d) bb) (2)]: Hier hat letzterer aufgrund der durch ihn drohenden Rechtsverletzung die Vermögensfolgen der Abwehr zu tragen. 170 Grundlegend zur Lehre vom Zuweisungsgehalt Wilburg, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 27 ff. und später von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (353 ff.). 171 So mit Unterschieden im einzelnen insbesondere F. Schulz, AcP 105 (1909), 1 (431 ff.); H. H. Jakobs, Eingriffserwerb, S. 50 ff.; Wilhelm, Rechtsverletzung, S. 90 ff. 172 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72; siehe auch Picker, Beseitigungsanspruch, S. 172.
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digt, muß diesen beispielsweise nach dem Abschluß des Angriffs dem Eigentümer nicht nur nach § 985 BGB, sondern auch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB herausgeben. Soweit die Duldungspflicht in sachlicher und zeitlicher Hinsicht reicht, besteht aber auch für daraus resultierende Vorteile ein Rechtsgrund. Der Gefährdete hat daher im vorstehenden Beispiel für die berechtigte Nutzung des Schirms nur Schadensersatz gemäß § 904 Satz 2 BGB zu leisten, sofern Schäden eingetreten sind, nicht aber nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB eine Nutzungsentschädigung zu zahlen.174 Die Tatbestände der Aufopferungshaftung und der bereicherungsrechtlichen Herausgabepflicht schließen sich somit wechselseitig aus. b) Keine Erweiterung der Aufopferung auf die irrtümliche Annahme einer Eingriffsbefugnis Allerdings wird in der Literatur vertreten, daß eine rechtswidrig-rechtsgrundlose Einwirkung unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichspflicht zumindest dann mit den Konstellationen einer Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gleich zu behandeln ist, wenn sie von dem Störer in der irrtümlichen Annahme einer solchen Duldungspflicht vorgenommen wird. Anders als bei dem oben erörterten eingriffsorientierten Ansatz175 wird dies jedoch nicht auf einen Vergleich mit der in § 231 BGB enthaltenen Risikozuweisung gestützt, sondern auf das Gebot, eine ungerechtfertigte Privilegierung des Irrenden zu vermeiden. aa) Vermeintliche Wertungswidersprüche bei Ablehnung der Analogie zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB So ist nach Konzen176 eine bereicherungs- und verschuldensunabhängige Haftung aus § 904 Satz 2 BGB analog geboten, wenn eine Gefahrenlage im Sinne des § 904 Satz 1 BGB nur irrig angenommen wird, dies aber auf einer ex ante vernünftigen Fehleinschätzung beruht. Auch aus der Abwehr einer Scheingefahr, für die aber triftige Anhaltspunkte bestehen, resultiere 173
Dies ist der berechtigte Kern der Kritik von Ellger, Bereicherung, S. 126 f.; Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 73 und Reeb, Grundprobleme, S. 34 an der Ausschlußwirkung der Duldungspflicht für Bereicherungsansprüche. 174 Anders wohl Ellger, Bereicherung, S. 227 f. und Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, S. 91, die das Verhältnis von § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu § 904 Satz 2 BGB aber nicht näher thematisieren. 175 Siehe oben C. I. 2. b). 176 Aufopferung, S. 181; auch Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 171.
II. Aufopferung und Begünstigung
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eine Begünstigung des Gefährdeten, weshalb der Fall mit Eingriffen zur Abwehr einer wirklichen Gefahr vergleichbar sei. Denn derjenige, dem nur vermeintlich eine Eingriffsbefugnis zugute kommt, dürfe nicht besser stehen als ein wirklich Gefährdeter, der gemäß § 904 Satz 1 BGB auch unabhängig davon haftet, ob sein Eingriff die Gefahr im Ergebnis abwendet. Diese Sichtweise führt zu einer lückenlosen Schadloshaltung des Betroffenen, da bei der „unvernünftigen“ Annahme einer Gefahrenlage zugleich ein Verschulden im Sinne der §§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 2 BGB vorliegt, d.h. der Eingreifende deliktisch haftet. Dem entspricht im Rahmen des § 906 Abs. 2 BGB das häufig als schlagend empfundene Argument, ein Aufopferungsausgleich dürfe nicht daran scheitern, daß der Emittent zumutbare Vorkehrungsmaßnahmen zur Vermeidung der wesentlich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen irrtumsbedingt unterläßt.177 Es sei geradezu sachwidrig, dem Emittenten die – wenn auch schuldlose – Unterlassung gebotener Schutzmaßnahmen dadurch zugute kommen zu lassen, daß mit der mangelnden Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zugleich auch der korrespondierende Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verneint werde. bb) Kritik Diese Ansicht erscheint intuitiv plausibel, hält jedoch einer näheren Betrachtung nicht stand. Auf den ersten Blick spricht für sie das Argument, nach dem eine Person, die sich auf einen Irrtum beruft, rechtlich nicht besser stehen darf, als sie stünde, wenn das wahr wäre, worauf sie vertraut:178 Wer schuldlos eine Eingriffsbefugnis aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB annimmt und damit einer deliktischen Haftung entgeht, hätte doch bei Zutreffen seiner Vorstellung, d.h. einer bestehenden Duldungspflicht, ohnehin nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Ausgleich leisten müssen. Dem dürfe er sich nicht durch seinen Irrtum entziehen. Eine solche Argumentation ähnelt der aus dem Recht des Vertrauensschutzes bekannten, wenn auch nicht unbestrittenen Auffassung,179 daß die 177 Gerlach, Umweltschutz, S. 225 f.; ebenso Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/ 2, § 85 III 1a, S. 665; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 82. 178 In dieser Richtung insbesondere Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 267; ders., Sachenrecht, § 8 II c, S. 89. 179 Canaris, Handelsrecht, § 5 I 3c, S. 72 f.; Lieb, MünchKomm. HGB1, § 15 Rdnr. 37; Schilken, AcP 187 (1987), 1 (10); Tiedtke, Gutgläubiger Erwerb, S. 217; a. A. BGHZ 65, 309 (310 f.); Krebs, MünchKomm. HGB2, § 15 Rdnr. 54; K. Schmidt, Handelsrecht, § 14 II 4c, S. 400 f.; differenzierend u. a. von Olshausen, AcP 189 (1989), 223 (229 ff.).
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Rechtsordnung eine irrende Person nicht besserstellen dürfe, als sie stünde, wenn der von ihr irrtümlich angenommene Sachverhalt wahr wäre. Danach soll beispielsweise derjenige nicht gutgläubig Eigentum erwerben können, der sich von einem Minderjährigen ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters eine fremde Sache übereignen läßt, weil der Erwerb selbst bei Berechtigung des Minderjährigen jedenfalls an den §§ 107, 108 BGB gescheitert wäre.180 Aus diesem Gedanken, nach dem Tatbestände des Vertrauensschutzes den Geschützten immer nur so stellen wollen, wie er bei Richtigkeit seiner Vorstellung stünde, kann jedoch nicht die analoge Geltung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bei irrtümlicher Annahme einer entsprechenden Eingriffsbefugnis abgeleitet werden. Denn die vorgetragene vertrauensrechtliche Sichtweise lehnt lediglich ab, daß sich der Vertrauende zur Begründung einer ihm günstigen Rechtsfolge (z. B. gutgläubiger Erwerb) selektiv auf einen irrtümlich angenommen Sachverhalt berufen kann.181 In dem gegebenen Beispiel soll es etwa verwehrt sein, sich im Rahmen der §§ 932 ff. BGB auf die angenommene Eigentümerstellung des Minderjährigen zu berufen, ohne zugleich auch die Konsequenzen mit zu berücksichtigen, die sich aus diesem Sachverhalt nach den §§ 107, 108 BGB ergeben und dem Erwerb des Eigentums durch den Gutgläubigen entgegenstehen. Bei den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB geht es jedoch in den Irrtumsfällen um zwei verschiedene Rechtsfolgen: Einmal darum, ob eine Eingriffsbefugnis besteht und damit insbesondere die §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung gelangen können. Und zum anderen ist fraglich, ob eine Aufopferungshaftung nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eingreift. Der dargelegten Auffassung zum Vertrauensschutz würde es daher nur widersprechen, dem Irrenden sowohl die ihm günstigen Rechtsfolgen einer Eingriffsbefugnis zuzugestehen als auch eine Ausgleichspflicht abzulehnen. Nur in diesem Fall stünde der Irrende insgesamt besser als bei der Richtigkeit seiner Vorstellung. Er ist aber anders als ein Eingriffsbefugter unstrittig aus den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 1004 Abs. 1 BGB verpflichtet und steht insoweit schlechter als bei Vorliegen einer Duldungspflicht. Deshalb ist es kein Selbstwiderspruch, ihn auch hinsichtlich der Ausgleichspflicht aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB anders zu behandeln als einen Eingriffsbefugten. Daß es aufgrund der irrtümlichen Annahme einer Duldungspflicht des Eigentümers möglicherweise an einem Verschulden des Störers fehlt und somit im Einzelfall kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegeben sein mag, steht auf 180
Medicus, BürgR, Rdnr. 542; a. A. Flume, AT, Bd. 2, § 13/7b, S. 194; Schmitt, MünchKomm. BGB, § 107 Rdnr. 34. 181 Vgl. die Fallzusammenstellung bei von Olshausen, AcP 189 (1989), 223 (226 ff.).
II. Aufopferung und Begünstigung
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einem anderen Blatt und trägt wie oben dargelegt ebenfalls keine unbedingte Haftung auf Schadensersatz (§ 904 Satz 2 BGB) oder einen angemessenen Ausgleich (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB).182 Widersprüchlich wäre es vor diesem Hintergrund nur, wenn der Störer mittels seines Irrtums wirtschaftlich zu Lasten des Betroffenen profitieren könnte. Um dies zu verhindern, bedarf es aber keiner analogen Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, sondern lediglich des Bereicherungsrechts. Wer z. B. ein Nachbargrundstück durch Immissionen schädigt, weil er den wirtschaftlich zumutbaren und somit gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gebotenen Einbau eines Filters in eine emittierende Anlage unterläßt, haftet dem Nachbarn gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB i. V. mit den §§ 818 Abs. 2 und Abs. 3 BGB bereicherungsrechtlich bis zur Höhe der ersparten Vorkehrungsaufwendungen: Durch die rechtswidrigen Immissionen wurde der Tatbestand des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB erfüllt. Hierfür schuldet der Eingreifende gemäß § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich eine angemessene Nutzungsentschädigung, die vorhersehbare Schäden einschließt. Und dabei ist der Störer – unbeschadet einer weitergehenden Haftung bei entsprechender Gewinnziehung – zumindest insoweit nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert, als er Aufwendungen für die gesetzlich gebotenen Schutzmaßnahmen erspart hat.183 Auch im Fall der irrtümlichen Annahme eines Sachverhalts, der eine Eingriffsbefugnis im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB begründen würde, ist es somit nicht erforderlich, die Aufopferungsansprüche analog anzuwenden, um eine untragbare Privilegierung des Störers zu vermeiden.
3. Die Zurechenbarkeit von Drittverhalten bei faktischen Duldungszwängen Die Tatbestände der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB können somit nur in eingeschränkter Weise dem Begriff einer Begünstigtenhaftung zugerechnet werden, nämlich insoweit, als die Begünstigung in einer ausgenutzten Eingriffsbefugnis besteht. Auf dieser Grundlage läßt sich auch zeigen, daß aus der analogen Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 182
Siehe oben C. I. 2. b). Hierbei muß genau überprüft werden, welcher Anteil der Kosten für unterlassene Schutzmaßnahmen auf den Zeitraum unrechtmäßiger Immissionen entfällt. Beispiel: Wenn nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB der Einbau eines Emissionsschutzfilters geboten gewesen wäre, der eine durchschnittliche Lebensdauer von fünf Jahren aufweist und ein Jahr lang ohne diesen Filter emittiert worden ist, muß der Emittent dem Nachbarn für die rechtswidrigen Immissionen nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB eine Nutzungsentschädigung zahlen, die jedoch nach § 818 Abs. 3 BGB auf maximal 20 % der Filterkosten begrenzt ist. 183
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
2 BGB auf faktische Duldungszwänge dann weitere haftungssystematische Unstimmigkeiten resultieren, wenn in diesem Rahmen eine Zurechnung von Drittverhalten erfolgt. a) Fremdnütziges Verhalten bei § 904 BGB Nach der Theorie der Begünstigtenhaftung ist bei einem Auseinanderfallen von Eingreifendem und Begünstigtem der letztere aus § 904 Satz 2 BGB verpflichtet.184 Dies müßte auch im Rahmen der analogen Anwendung dieser Norm auf rechtswidrige Schädigungen gelten, z. B. bei einem Eingriff, der eine nur irrtümlich angenommene Gefahr für einen Dritten abwendet. In der Literatur ist bereits darauf hingewiesen worden, daß mit dieser Sichtweise die – wenn auch vernünftige – Fehlbeurteilung des Eingreifers dem „Begünstigten“ haftungsbegründend aufgezwungen wird.185 Dies widerspricht einmal den Wertungen, die im Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag zum Ausdruck kommen. Denn eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag, die im Sinne der §§ 683 Satz 1, 670 BGB den Geschäftsherrn zum Aufwendungsersatz und analog § 670 BGB auch zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die dem Geschäftsführer als typische Folge der Geschäftsführung entstanden sind,186 setzt voraus, daß tatsächlich und nicht bloß vermeintlich im Interesse des Geschäftsherrn gehandelt wurde.187 Selbst eine 184 Canaris, NJW 1964, 1987 (1993); Erman/A. Lorenz, § 904 Rdnr. 10; Götz, Vergütungsanspruch, S. 151; N. Horn, JZ 1960, 350 (352); Kraffert, AcP 165 (1965), 453 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 107 ff.; ders., JZ 1985, 181 (182); Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1b, S. 655 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 17 f.; Spöhr, Nothilfe, S. 40 ff.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 38; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II 2c, S. 164 f. Für eine Haftung des Handelnden die Vertreter der „Eingriffstheorie“: RGZ 113, 301 (303); BGHZ 6, 102 (105 f.); Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 20; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 7 f.; von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (376 f.); Enneccerus/Nipperdey, AT, § 241 III 2, S. 1457 mit Fn. 16; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 153; Rudolf Merkel, Kollision, S. 184 f.; F. Oetker, Notwehr, S. 303 ff.; Planck/Strecker, § 904 Anm. 3b b, S. 268 f.; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 9; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 44 ff.; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 23. Für eine gesamtschuldnerische Haftung beider Beteiligter: Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 273; Pawlowski, AT, Rdnr. 859; Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 266 f.; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 334. 185 Canaris, Feststellung, S. 79 f. mit Fn. 71; ders., JZ 1971, 399. Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 26 nimmt insoweit einen „Sonderfall“ an, bei dem entgegen dem Grundgedanken der Aufopferung „ausnahmsweise“ der Einwirkende an Stelle des vermeintlich Begünstigten haften soll. Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 266 f., der im Grundsatz eine Gesamtschuld des Eingreifenden und des Begünstigten befürwortet, will in diesem Fall nur den Eingreifer haften lassen.
II. Aufopferung und Begünstigung
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schuldlose, d.h. vernünftige Fehlbeurteilung der Interessenlage durch den Geschäftsführer schließt eine Anwendung des § 670 BGB über § 683 Satz 1 BGB und damit eine Risikozurechnung188 zu Lasten des „Geschützten“ aus.189 Hierunter fällt auch die irrtümliche Annahme einer Gefahrenlage für den Geschäftsherrn.190 Vor diesem Hintergrund wäre es widersprüchlich, wenn im Recht der Eigentumsaufopferung in Dreieckskonstellationen bereits die Durchsetzung nur vermeintlich überwiegender Interessen zu einer unbedingten Einstandspflicht des vermeintlich Begünstigten gegenüber dem Geschädigten ausreichen würde. Und in Gesamtschau mit dem Bereicherungsrecht ergibt sich der Umstand, daß das Risiko der Nützlichkeit eines Eingriffs in fremdes Eigentum nur dann auf denjenigen verlagert werden darf, in dessen Interesse der Eingriff erfolgt, wenn dieses Interesse objektiv besteht und in Gestalt einer Eingriffsbefugnis rechtliche Anerkennung erfahren hat, wiederum aus einem Umkehrschluß zu § 818 Abs. 3 BGB, der die bereicherungsrechtliche Herausgabepflicht bei rechtswidrig-rechtsgrundlosen Eingriffen auf konkret erlangte Vorteile begrenzt. b) Fremdnütziges Verhalten bei § 906 Abs. 2 BGB Für die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ergibt sich bei einer Divergenz von Handelndem und Begünstigtem unmittelbar aus dem Gesetz, daß der letztere haftet. Passivlegitimiert ist der Benutzer des emittierenden Grundstücks, d.h. derjenige, der die Nutzungsart des Grundstücks bestimmt und damit regelmäßig zugleich auch die Vorteile aus den Emissionen zieht.191 Der Benutzer haftet in den Grenzen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB insbesondere unabhängig davon, ob die Emission durch einen weisungsab-
186
Siehe Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, § 11 B V 1d, S. 611 f. m. w. N. 187 Prot. II, S. 731 ff.; RGZ 149, 205 (207); BGHZ 47, 370 (372); Bamberger/ Roth/Gehrlein, § 683 Rdnr. 2; RGRK/Steffen, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rdnr. 62; Seiler, MünchKomm. BGB, § 683 Rdnr. 4; Staudinger/Wittmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rdnr. 47. 188 Dazu, daß der Haftung für typische Schäden analog § 670 BGB i. V. mit § 683 Satz 1 BGB der Gedanke einer Risikozurechnung innewohnt, Canaris, RdA 1966, 1 ff. und Genius, AcP 173 (1973), 481 ff. 189 BGH, NJW 1955, 747; Larenz, Schuldrecht, Bd. II/1, § 57 I a, S. 444; Seiler, MünchKomm. BGB, § 683 Rdnr. 12; Staudinger/Wittmann, Vorbem. zu §§ 677 ff. Rdnr. 47. 190 RGZ 57, 23 (27); Seiler, MünchKomm. BGB, § 683 Rdnr. 5. 191 BGHZ 113, 384 (392); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 137; Mattern, WM 1972, 1410 (1412); zurückhaltender Staudinger/H. Roth, § 906 Rdnr. 269.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
hängigen Verrichtungsgehilfen oder einen selbständigen Unternehmer hervorgerufen wird. Hingegen greifen bei rechtswidrigen Einwirkungen im nachbarlichen Raum, z. B. bei gegen § 909 BGB verstoßenden Vertiefungen, und einem Auseinanderfallen von Handelndem und Grundstücksnutzer abweichende Zurechnungsstrukturen ein. Der Handelnde (Architekt, Bauunternehmer etc.) haftet dann selbst nach Maßgabe des § 823 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 909 BGB auf Schadensersatz. Der Benutzer des betreffenden Grundstücks ist deliktisch hingegen nur dann verantwortlich, wenn ihn ein beweisbares Auswahl- oder Überwachungsverschulden trifft (§ 823 BGB) oder die Voraussetzungen des § 831 BGB vorliegen, d.h. ein weisungsabhängiger Verrichtungsgehilfe gehandelt hat. Das sogenannte nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis stellt nach der h. M. unter Einschluß des Bundesgerichtshofs192 kein selbständiges Schuldverhältnis im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB dar, so daß auch keine Verschuldenszurechnung nach § 278 BGB möglich ist. Und eine Bereicherungshaftung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn dem Grundstücksinhaber aus der rechtswidrigen Dritthandlung ein konkreter Vermögensvorteil erwachsen ist. Diese Zurechnungsstrukturen werden durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterlaufen, nach der ein Bauherr analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für das Fehlverhalten selbständiger Bauausführender (Architekten, Bauunternehmen etc.) haftet, das auf Nachbargrundstücken zu faktisch nicht abwehrbaren Schäden führt.193 Da die unmittelbaren Schädiger in den betreffenden Fällen keine Verrichtungsgehilfen waren, schied eine Haftung des Bauherrn für vermutetes Auswahlverschulden gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB aus. Weiterhin fehlte es an einem Verschulden des Bauherrn in bezug auf die Eigentumsschädigung nach § 823 Abs. 1 BGB bzw. einen Verstoß gegen § 823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 909 BGB, soweit er nicht den Bauausführenden unsorgfältig ausgewählt oder aufgekommene Zweifel an dessen ordnungsgemäßer Baudurchführung ignoriert hatte.194 Letztlich war auch § 278 BGB mangels einer bestehenden Sonderverbindung nicht an192 BGHZ 42, 374 (377 ff.); BGH, NJW-RR 2001, 1208 (1209); offen aber BGHZ 135, 235 (243 f.); ablehnend zu § 278 BGB auch RGZ 132, 51 (56); Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 5 Rdnr. 16; Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 163 f.; Brox, JA 1984, 182 (187); Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 130 f.; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 23; J. Neuner, JuS 2005, 385 (386); RGRK/Augustin, § 903 Rdnr. 30; Soergel/J. Baur, § 903 Rdnr. 57; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 726; a. A. Mühl, NJW 1960, 1133 (1136); H. Westermann, JZ 1963, 407 (408); Westermann/ H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 V 4, S. 515 f. 193 Siehe BGHZ 85, 375 (384 ff.); 113, 384 (390 ff.); BGH, NJW 1997, 1374 f. 194 BGH, NJW 1969, 2140 (2141); BGHZ 147, 45 (48 f.) m. w. N.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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wendbar, weil der Bundesgerichtshof das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis wie dargelegt nicht als selbständiges Schuldverhältnis anerkennt. Vor diesem Hintergrund stellt es einen erheblichen Bruch dar, wenn dasselbe Gericht den Bauherrn unter Berufung auf die nachbarliche Verbundenheit nun im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog für die Handlungen des Bauausführenden sogar ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 278 BGB, d.h. ein Verschulden des Gehilfen, haften läßt.195 c) Zwischenergebnis Auch im Zusammenhang mit der Zurechnung von Drittverhalten führt es somit zu systematisch nicht stimmigen Ergebnissen, wenn die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB über die Duldungspflichten hinaus auf faktische Duldungszwänge erstreckt werden.
4. Zusammenfassung Den Ansprüchen aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB liegt kein solcher Gedanke eines Ausgleichs für die Ziehung von Vorteilen zugrunde, der sich auf faktische Duldungszwänge übertragen ließe. Die Abschöpfung von Vermögensmehrungen, welche durch rechtswidrig-rechtsgrundlose Eingriffe in fremdes Eigentum im Sinne des § 1004 BGB erlangt worden sind, ist Gegenstand der Kondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB und bemißt sich auch nach den Voraussetzungen der §§ 818, 819 BGB. Dieser Haftung für konkrete Bereicherungen steht die Aufopferungshaftung als Ausgleich für abstrakte Begünstigungen gegenüber. Die Ausgleichspflicht knüpft hierbei an den Umstand an, daß die Rechtsordnung die Interessen des Begünstigten zu Lasten des Betroffenen durch eine Duldungspflicht besonders bevorzugt und ersterem daher auch die Schadensfolgen unbedingt zuweist („casum sentit dominus“).
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung In der Literatur wird der h. M. zur Einbeziehung faktischer Duldungszwänge in die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeworfen, daß sie damit eine gesetzlich nicht vorgesehene Gefährdungshaftung begründe.196 195
In dieser Richtung auch Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 259; Goebel, JR 2002, 485 (488); H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 38 ff. 196 Armbrüster, NJW 2003, 3087 (3089); von Bar, Karlsruher Forum 1987, 4 (9 f.); J. Baur, Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 849 (868); Bensching, Ausgleichs-
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Dieses Argument soll im folgenden näher untersucht und gegen mögliche Einwände verteidigt werden. Hierbei sind zwei verschiedene Repliken der h. M. zu unterscheiden: Einmal die Sichtweise, der Aufopferungstatbestand des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei richtigerweise als eine Form der Gefährdungshaftung zu begreifen, was einen Konflikt dieser beiden Haftungsinstitute von vornherein ausschlösse. Zum anderen ist der Versuch der Rechtsprechung zu diskutieren, die analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge dadurch vor einem haftungssystematischen Bruch zu bewahren, daß bestimmten Tatbeständen der Gefährdungshaftung im Wege einer Einzelfallanalyse eine Sperrwirkung gegenüber der Analogie beigemessen wird.
1. Die Fehlerhaftigkeit der Deutung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Tatbestand der Gefährdungshaftung Nach Gerlach wirken insbesondere § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 14 Satz 2 BImSchG in ihrem gegenständlichen Anwendungsbereich wie eine Gefährdungshaftung, „also unabhängig von Rechtswidrigkeit und Verschulden“.197 Dies ermöglicht es ihm, alle Formen faktischer Duldungszwänge in Nachbarverhältnissen in diese Ausgleichsnormen einzubeziehen. Er stützt diese Sichtweise auf folgende Argumentationskette: Gemäß den §§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, 14 Satz 1 BImSchG besteht eine Duldungspflicht des betroffenen Eigentümers gegenüber den Immissionen nur dann, wenn diese nicht mit Maßnahmen verhindert werden konnten, die dem Emittenten wirtschaftlich zumutbar sind. Gerlach198 geht dabei von der zutreffenden Annahme aus, daß diese Einschränkung den Zweck verfolgt, die Rechtsstellung des Betroffenen gegenüber wesentlich beeinträchtigenden Immissionen insoweit zu verbessern, als ein gewisses Maß an primärem Abwehrschutz sowohl gegenüber wesentlichen ortsüblichen Immissionen (§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB) als auch solchen Einwirkungen bestehen bleiben soll, die von genehmigten Anlagen ausgehen (§ 14 Satz 1 BImSchG). Damit wird der Ausschlußgehalt des Grundstückseigentums insbesondere im Vergleich mit der bis 1960 geltenden Fassung des § 906 Satz 1 BGB a. F. verstärkt, nach der wesentliche ortsübliche Immissionen als Ausdruck industrieller Betätigungsfreiheit unabhängig davon zu dulden waren, ob sie ansprüche, S. 226 ff.; Brox, JA 1984, 182 (188); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (464); Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (416 ff.); ders., Schuldrecht Besonderer Teil, Rdnr. 1025; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 163 ff.; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 92 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705. 197 Gerlach, Umweltschutz, S. 222. 198 Umweltschutz, S. 225 f.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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mit zumutbaren Schutzmaßnahmen des Emittenten vermieden werden konnten.199 Weiterhin folgert Gerlach200, diese Privilegierung des Immissionsbetroffenen werde in ihr Gegenteil verkehrt, wenn gleichzeitig der Ausgleichsanspruch nach den §§ 906 Abs. 2 Satz 2, 14 Satz 2 BImSchG von der Voraussetzung abhängig wäre, daß die Einwirkungen nicht mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar, d.h. nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB oder § 14 Satz 1 BImSchG zu dulden waren. Denn mittels einer solchen Einschränkung des Ausgleichsanspruchs könne sich der Emittent durch den Nachweis, daß seine wesentlichen Immissionen mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar und damit rechtlich nicht zu dulden waren, seiner Aufopferungshaftung entziehen. Sofern dann nicht die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB vorliegen, d.h. insbesondere ein nachweisbares Verschulden fehlt, würde der Betroffene danach gerade deshalb leer ausgehen, weil das Gesetz dem Emittenten zum Schutz des Nachbarn die Pflicht auferlegt, zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung wesentlicher Emissionen zu ergreifen. Dieses nach Gerlach absurde Ergebnis kann aus seiner Sicht nur vermieden werden, wenn die Ansprüche aus den §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG auch gegenüber solchen nachbarlichen Einwirkungen gewährt werden, die den Voraussetzungen einer Duldungspflicht nach den §§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, 14 Satz 1 BImSchG nicht genügen. Die immissionsbezogenen Aufopferungsansprüche seien auf rechtmäßige wie auf rechtswidrige Beeinträchtigungen in gleicher Weise anwendbar, da sie nicht eine konkret bestehende Duldungspflicht kompensierten, sondern eine latente Grundgefahr:201 Weil verschiedene Formen von Immissionen erlaubt seien, werde den Nachbarn nicht nur deren Hinnahme zugemutet, sondern auch das Risiko darüber hinausgehender Schadensgefahren, die von emittierenden Anlagen ausgehen und tatsächlich unabwendbar eintreten. Insoweit stimmt Gerlach mit der bereits diskutierten Ansicht von Canaris und Herbert Roth überein, nach der § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jedenfalls auf alle die Fälle anzuwenden ist, in denen das mögliche Eingreifen einer Duldungspflicht zu einer potentiellen Verkürzung des Rechtsschutzes des Betroffenen führt. Es wurde dargelegt, daß dieser Gedanke von vornherein nur dort tragen kann, wo von einem Nachbargrundstück Einwirkungen ausgehen, die grundsätzlich einer Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB oder einer anderen Norm unterfallen könnten.202 In anderen Situatio199
Näher unten D. III. 1. c) bb). Umweltschutz, S. 225 f.; ebenso Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1a, S. 665; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 82. 201 Gerlach, Umweltschutz, S. 228 f.; ders., JZ 1988, 161 (174); ders., JZ 1990, 980 (981). 200
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
nen, beispielsweise bei Vertiefungsschäden, kommt eine Duldungspflicht aber gar nicht in Betracht. Entweder bleibt eine störende Einwirkung auf das Nachbargrundstück aus oder sie ist in jedem Fall rechtswidrig. Die Kategorien der potentiellen Rechtsschutzverkürzung oder der latenten Grundgefahr, die mit möglicherweise rechtmäßigen Eingriffen verbunden sind, können daher jedenfalls nicht die gesamte Bandbreite der Fälle eines faktischen Duldungszwangs abdecken, auf welche die betreffenden Literaturvertreter den § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB anwenden wollen. Darüber hinaus wurde bereits dargelegt, daß der Versuch von Canaris und Herbert Roth wenig überzeugend ist, Aufopferungsansprüche für rechtswidrige Schädigungen dadurch von der Gefährdungshaftung abzugrenzen, solche Ansprüche nur für rechtswidrige Handlungen, nicht aber Zustandsstörungen zu gewähren. Denn der Numerus clausus der Gefährdungstatbestände stellt gegenüber verschuldensunabhängigen Handlungshaftungen, die durch richterliche Rechtsfortbildung gewonnen werden, einen genauso starken Einwand dar wie gegenüber der Rechtsfortbildung verschuldensunabhängiger Zustandshaftungen.203 Dieser Kritikpunkt einer unzulässigen Unterscheidung zwischen Handlungen und Zuständen trifft allerdings nicht die Auffassung Gerlachs, die eine differenzierende Abgrenzung des erweiterten Anwendungsbereichs des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB von der Gefährdungshaftung gerade bewußt verwirft, d.h. diese Norm auch auf rechtswidrige Zustandsstörungen anwenden will. Das steht im Einklang mit der von anderer Seite erhobenen Forderung, die Chance einer Nutzung des Privatrechts zum Zwecke des Umweltschutzes nicht „dadurch zu vertun, daß man sich aus zivilrechtsdogmatischen und -systematischen Gründen Denksperren auferlegt“.204 Die Aufopferungshaftung im nachbarlichen Bereich sei in Wahrheit eine Gefährdungshaftung für die Eröffnung bestimmter Gefahrenquellen, die nicht davon abhängen soll, ob im Einzelfall eine rechtmäßige oder rechtswidrige Schädigung vorliegt.205 Bei rechtswidrigen Schädigungen wird lediglich eine Anwendung des § 254 BGB in Betracht gezogen, wenn der Betroffene seinen Primärrechtsschutz tatsächlich hätte durchsetzen können und somit kein faktischer Duldungszwang gegeben ist.206
202
Siehe C. I. 1. b) bb) (2) (a). C. I. 1. b) bb) (2) (b). 204 Rehbinder, NuR 1989, 149 (150). 205 Gerlach, Umweltschutz, S. 229.; ders., JZ 1988, 161 (174); ders., JZ 1990, 980 (981); zustimmend Baumann, JuS 1989, 433 (436); Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (498 ff.); Salje, DAR 1988, 302 (303 ff.). 206 Gerlach, Umweltschutz, S. 227. 203
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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Gerlachs Argumentation beruht auf der Annahme, daß es eine Verkehrung des Zwecks der Grenzen der Duldungspflichten wäre, wenn man aufgrund ihrer Überschreitung keinen Aufopferungsanspruch zuerkennen würde. Er stützt sich hierbei wie dargelegt insbesondere auf den Ausschluß der Duldungspflicht gegenüber wesentlichen Immissionen, die mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar sind. Diese Begründung ließe sich aber auch auf andere Rechtmäßigkeitsbedingungen übertragen, z. B. diejenige der Ortsüblichkeit bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Gegenüber nicht-ortsüblichen wesentlichen Immissionen soll der Nachbar gemäß der Grundregel des § 1004 Abs. 1 BGB ein Abwehrrecht haben, so daß es nach der Auffassung Gerlachs sinnwidrig wäre, einen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gerade deswegen nicht zu gewähren, weil die betreffenden Immissionen nicht ortsüblich und damit nicht zu dulden waren. Diese auf den ersten Blick plausible Argumentation beruht jedoch auf fehlerhaften Prämissen. Sofern der Emittent die objektiven Grenzen der Duldungspflicht überschreitet, haftet er bei gegebenem Verschulden ohnehin nach § 823 Abs. 1 BGB. Nur wenn ein solches Verschulden nicht bzw. nicht beweisbar vorliegt und auch kein Fall des § 1 UmweltHG in Rede steht, würde es eines Rückgriffs auf die §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG bedürfen, um dem betroffenen Grundstückseigentümer einen Ersatz seines Schadens zu gewähren. Sofern Gerlach es nun als unerträglich ansieht, wenn der Emittent sich dieser Ersatzpflicht mit dem Nachweis „entziehen“ könne, daß er selbst die Grenze der erlaubten Immissionen überschritten hat, setzt er dabei einen bestimmten Haftungsgrund der §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG aber bereits voraus, den er mit seiner Argumentation erst beweisen will und bewegt sich somit in einem Zirkelschluß. Er geht stillschweigend davon aus, es müsse einen allgemeinen Schadensersatzanspruch für die Folgen von Emissionstätigkeiten geben. Ein solcher Anspruch könnte dann allerdings in der Tat nicht daran scheitern, daß auch noch eine unerlaubte Immission vorliegt. Hingegen stellt sich die Lage ganz anders dar, soweit man von der grundsätzlichen Geltung des zivilrechtlichen Haftungssystems auch für die Folgen von Einwirkungen im nachbarlichen Raum ausgeht. Dann besteht zum einen die deliktische Haftung für rechtswidrig-schuldhafte Schädigungen, in besonders angeordneten Fällen eine Gefährdungshaftung (vor allem § 1 UmweltHG) und schließlich die Aufopferungshaftung als Ausgleich einer Duldungspflicht (§§ 906 Abs. 2 Satz 2, 912 Abs. 2, 917 Abs. 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG). Eine unerträgliche Einschränkung stellt die Begrenzung der nachbarlichen Aufopferungsansprüche auf rechtmäßige Beeinträchtigungen nur dann dar, wenn eine allgemeine Ausgleichspflicht für alle objektiv rechtswidrigen Einwirkungen bereits unterstellt wird.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Dies tut Gerlach, indem er den §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG eine zentrale Rolle bei der Erfüllung der Aufgabe des Umweltschutzes zuweist. Die weitreichenden Gefahren und Schäden, die der Umwelt durch private Tätigkeiten drohten, müßten durch ein ebenso umfassendes, verschuldensunabhängiges privates Haftungsregime ausgeglichen werden.207 In der Literatur ist jedoch bereits dargelegt worden, daß nachbarliche Konflikte im Sinne des § 906 Abs. 2 BGB trotz der oftmals größeren Zahl von Beteiligten die Handschrift eines Privatrechtsverhältnisses tragen, für das die bürgerlichrechtliche Haftungssystematik nicht zugunsten der vermeintlich höheren Aufgabe des Umweltschutzes überspielt werden darf.208 Diese Sichtweise findet ihre Bestätigung einerseits in einem Blick auf die zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entschiedenen Fälle faktischer Duldungszwänge. Es handelt sich hierbei kaum um Umweltkatastrophen, sondern eher klassische Schadensfälle wie die Verunreinigung von Biogemüse mit Pflanzenschutzmitteln, Gebäudeschäden im Rahmen von Bauarbeiten oder Wasserschäden.209 Und andererseits sind die nachbarrechtlichen Aufopferungsansprüche auch aus theoretischer Sicht wenig geeignet, die Funktion eines großräumig anzulegenden Umweltschutzrechts auszufüllen. Ein effektiver Umweltschutz erfordert raumübergreifende Regelungs- und Anreizstrukturen mit den Mitteln des öffentlichen Rechts, während die Lösung nachbarlicher Streitigkeiten über Eigentumsbeeinträchtigungen das Anliegen des Umweltschutzes zwar nicht behindern darf,210 sich aber in diesem Rahmen an den anerkannten Instituten zivilrechtlicher Haftung orientieren muß. Der Gesetzgeber hat diese Sichtweise mit dem Erlaß des Umwelthaftungsgesetzes im Jahre 1990 implizit bestätigt, das eine Gefährdungshaftung für enumerierte Anlagen und gerade keinen allgemeinen Ersatzanspruch für rechtswidrige Schädigungen in Nachbarrechtsverhältnissen vorsieht. Der Vorschlag einer allgemeinen Rechtswidrigkeitshaftung für Umweltbeeinträchtigungen wurde vielmehr ausdrücklich zurückgewiesen.211 207 Gerlach, Umweltschutz, S. 24 ff.; ders., JZ 1988, 161 ff.; zustimmend Baumann, JuS 1989, 433 (436): „Der zivilrechtliche Aufopferungsanspruch ist ein Schritt zur dogmatisch sachgerechten Bewältigung von Umweltschäden.“ 208 Jauernig, Festschrift 600 Jahre Universität Heidelberg, S. 87 (90 f.); ders., JZ 1986, 605; Littbarski, JR 1994, 67 (68); Medicus, JZ 1986, 778 (785); H. Westermann, Festschrift Larenz, 1973, S. 1003 (1020); Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 IV 1, S. 512. 209 Siehe den Überblick zur Rechtsprechung unter B. I. 1. 210 Insbesondere bemißt sich die Wesentlichkeit von Einwirkungen im Rahmen des § 906 BGB in der Regel nach bestimmten öffentlich-rechtlichen Vorschriften (§ 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB). Umfassend und m. w. N. zur Einwirkung des öffentlichen Rechts auf die Bestimmung nachbarlicher Abwehr- und Duldungspflichten Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 8 ff. 211 Siehe die erfolglose BT-Drucks. 11/4247.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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Gerlachs umfassende Neubestimmung der Aufgabe des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verläßt somit den Boden der Rechtsanwendung und geht in den Bereich rechtspolitischer Postulate über. Vor diesem Hintergrund kann es entgegen Gerlach durchaus nicht als Widerspruch in der gesetzlichen Regelung betrachtet werden, wenn ein Emittent nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB haftet, sofern seine ortsüblichen wesentlichen Emissionen nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhinderbar waren, nicht aber dann, wenn solche Vorkehrungen möglich gewesen sind, er sie aber nicht ergriffen hat. Falls insoweit ein Verschulden vorliegt, haftet er wie dargelegt nach § 823 Abs. 1 BGB. Fehlt es an einem solchen, ist aber auch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht einschlägig, weil der Emittent keine Duldungspflicht des Nachbarn in Anspruch genommen hat. Zwar trifft es zu, daß in solchen Konstellationen eine Aufopferungshaftung dann eingreifen würde, wenn das Gesetz die Duldungspflicht nicht durch zumutbare Vorsorgemaßnahmen begrenzen würde. Gerlach irrt aber mit seinem argumentum ad absurdum, nach dem der Betroffene bei einer Nichtanwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtswidrige Schädigungen stets besser stehen würde, wenn der Kreis zu duldender Immissionen sehr weit gefaßt würde und er dementsprechend in vielen Fällen für – dann rechtmäßige – Einwirkungen einen Aufopferungsanspruch erhielte. Denn eine solche erweiterte Duldungspflicht würde umgekehrt bedeuten, daß der Betroffene auch in Zukunft „dulden und liquidieren“ müßte. Demgegenüber kann er bei enger begrenzten Duldungspflichten und der Beschränkung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf duldungspflichtige Beeinträchtigungen zwar für vergangene rechtswidrige Einwirkungen nur nach dem Bereicherungsrecht, dem Deliktsrecht oder einschlägigen Tatbeständen der Gefährdungshaftung Ersatz beanspruchen, aber pro futuro die Immissionen als solche verbieten.212 Hier zeigt sich die ausgewogene Balance zwischen Vor- und Nachteil, die in der Begrenzung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf rechtmäßige Eingriffe steckt und die bei seiner Umdefinition zur Gefährdungshaftung verloren ginge. Einen Wertungswiderspruch würde es vor diesem Hintergrund nur darstellen, wenn sich der Emittent gerade durch die Nichtvornahme zumutbarer Schutzmaßnahmen einer Verpflichtung aus den §§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, 14 Satz 2 BImSchG entziehen könnte. Dies trifft jedoch nicht zu. Denn wenn er seiner Vorsorgepflicht nachgekommen wäre, würde er ja auch nicht nach diesen Vorschriften haften, da der Nachbar dann überhaupt nicht durch wesentliche Immissionen beeinträchtigt worden wäre.213 Es ist also gerade nicht der Fall, daß der Emittent bei der Begrenzung des Aufopferungsan212 213
Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 272 f. Verkannt von A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 83.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
spruchs auf rechtmäßige Einwirkungen durch das Unterlassen der Schutzmaßnahmen seiner Aufopferungshaftung ausweichen kann. Eine solche Haftung greift in dem einen wie in dem anderen Fall nicht ein. Bei präziser Entfaltung dreht sich die durch Gerlach aufgeworfene Problematik somit gar nicht darum, daß dem Betroffenen durch unterlassene Schutzmaßnahmen ein Ersatzanspruch entzogen wird, sondern nur darum, daß der Emittent den Vorsorgeaufwand auf Kosten des betroffenen Nachbarn eingespart hat und insoweit ein Ausgleich geboten ist. Und dieses Ergebnis folgt, wie bei der Abgrenzung der Aufopferungshaftung vom Bereicherungsrecht bereits dargelegt wurde, aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB:214 Da es an einer Duldungspflicht nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB fehlt, ist der Tatbestand einer Eingriffskondiktion verwirklicht. Der Emittent hat mit seinen Einwirkungen das Nachbargrundstück „sine causa“ benutzt. Diesen Nutzungsvorteil muß er herausgeben, d.h. im Ausgangspunkt eine angemessene Nutzungsentschädigung zahlen (§ 818 Abs. 2 BGB). Allerdings ist diese Entschädigung nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Betrag zu begrenzen, den ihn die Vorsorgemaßnahmen gekostet hätten. Denn mittels derer hätte er bei voller Kenntnis der Sachlage den Eingriff in das fremde Recht vermeiden können, so daß oberhalb derselben eine Entreicherung vorliegt. Nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 und Abs. 3 BGB hat der betroffene Nachbar somit einen Anspruch auf Wertersatz bis zur Höhe der nicht aufgewendeten, aber nach den §§ 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, 14 Satz 1 BImSchG gebotenen Vorsorgekosten. Nur diese Kosten will das Gesetz dem Emittenten in derartigen Konstellationen verschuldensunabhängig zumuten. Ein weiterer Ersatz kann hingegen lediglich über § 823 Abs. 1 BGB oder § 1 UmweltHG erfolgen.
2. Die Relevanz des Enumerationsprinzips der Gefährdungshaftung für faktische Duldungszwänge Wie dargelegt ist es nicht erforderlich, die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als eine vermeintliche Art der Gefährdungshaftung auf Konstellationen anzuwenden, in denen es an einer Eingriffsbefugnis fehlt, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Im folgenden soll diese Auffassung durch den Nachweis ergänzt werden, inwieweit sich vielmehr umgekehrt gerade aus den Prinzipien der Gefährdungshaftung ergibt, warum die Anwendung dieser Normen auf faktische Duldungszwänge fehlerhaft ist. Zwar hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch das Reichsgericht für bestimmte Unfallschäden, die aus dem Betrieb von Anlagen oder Verkehrsmitteln resultierten, teilweise einen Ersatz nach Aufopferungsgesichtspunkten 214
Siehe oben C. II. 2. b) bb).
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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zugesprochen.215 Die Rechtsprechung war jedoch in höchstem Maße uneinheitlich, da spätere Entscheidungen der Instanzgerichte, die unfallartige Einwirkungen ohne Eingriffsrecht als Aufopferungskonstellationen deklarierten, durch das Reichsgericht ausdrücklich zurückgewiesen wurden.216 Die Zuerkennung von Aufopferungsansprüchen für Unfallschäden kann insoweit nur als dogmatisch wenig stringentes Resultat des Umstands betrachtet werden, daß an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert die Gefährdungshaftung noch im Entstehen begriffen und dementsprechend nur äußerst lückenhaft ausgestaltet war. Die daraus resultierenden Unbilligkeiten versuchte die Rechtsprechung entweder durch eine Überdehnung der Verschuldenshaftung oder aber eine fragwürdige Anwendung des Aufopferungsprinzips auf nicht zu duldende Einwirkungen zu kompensieren. Aus rechtsdogmatischer Sicht hat diese Vorgehensweise bald die berechtigte Kritik erfahren.217 Im gegenwärtigen Recht mit seinem weitgehend ausdifferenzierten System von Tatbeständen der Gefährdungshaftung gerät die Anwendung von Aufopferungsansprüchen auf rechtswidrige Schädigungen folgerichtig in offenen Widerspruch zu dem ganz überwiegend anerkannten Verbot einer richterlichen Rechtsfortbildung im Bereich der Gefährdungshaftung.218 a) Gesetzgeberische Wertungsspielräume als Grund der Sperrwirkung gegenüber Rechtsfortbildungen Nach überwiegender Ansicht wird die Gefährdungshaftung im deutschen Recht von einem strikten Enumerationsprinzip beherrscht, das schon eine analoge Anwendung einzelner Tatbestände ausschließt.219 Und selbst diejenigen Literaturvertreter, die ein solches Verbot nicht kategorisch anerkennen,220 wollen lediglich einzelne Gefährdungshaftungstatbestände im Wege einer Einzelanalogie auf „absolut parallel“ gelagerte Sachverhalte ausdehnen. Die richterrechtliche Einführung einer gefährdungsrechtlichen Generalklausel nach der Art, daß für alle Aktivitäten verschuldensunabhängig gehaftet wird, die ein besonderes Gefahrenpotential nach sich ziehen, erfährt hin215 RGZ 100, 69 (73 ff.): Flugzeugabsturz; 101, 102 (105 f.): Explosion; RG, JW 1907, 299 f.: Bahnunfall. 216 Vgl. RGZ 158, 34 (36); 159, 68 (71 ff.). 217 Vor allem Esser, Gefährdungshaftung, S. 11 ff. und Rümelin, Schadensersatz, S. 22 f.; auch Picker, Festschrift Gernhuber, S. 315 (359 ff.); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 188 f. 218 Goebel, JR 2002, 485 (487 f.). 219 Siehe RGZ 78, 171 (172); BGHZ 63, 234 (237); Laufs, Unglück, S. 23. 220 M. Bauer, Festschrift Ballerstedt, S. 305 (322 ff.); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 652 f.; Will, Gefahr, S. 111 ff.; wohl auch Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (130 ff.).
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
gegen de lege lata allgemeine Ablehnung. Denn welche Aktivitäten einen Gefährdungsgrad aufweisen, der ein Abweichen vom deliktischen Verschuldensprinzip rechtfertigt, kann im einzelnen sehr zweifelhaft sein. Insbesondere unterliegt die betreffende Beurteilung im Einklang mit der technischgesellschaftlichen Entwicklung einem Anschauungswandel.221 Sonderrisiken, die eine unbedingte Einstandspflicht erfordern, können dabei fließend in das allgemeine Lebensrisiko Geschädigter übergehen.222 Dies um so mehr, als der Geschädigte in seiner Lebensführung von der Zulässigkeit vieler Gefahren in der Regel selbst unmittelbar oder mittelbar in hinreichendem Maße profitiert, d.h. der Gedanke einer asymmetrischen Belastung durch die entsprechende Aktivität nicht eingreift.223 So hat bereits Rümelin224 treffend darauf hingewiesen, daß im Grundprinzip der Gefährdungshaftung selbst kein absoluter Maßstab für die einzubeziehenden Fälle enthalten ist. Der Gesetzgeber muß daher festlegen, welche Handlungen und Zustände ein hinreichendes Risikopotential aufweisen, um mit einer Gefährdungshaftung verbunden zu werden.225 Während die Duldungspflichten als Grundlage der Aufopferungshaftung quasi einen Teil aus dem Eigentumsrecht als Ausschlußbefugnis „herausbrechen“, geht es bei der Gefährdungshaftung um die weitaus diffusere Frage, wann ein bestimmtes Gefahrenpotential zwar aufgrund seiner Nützlichkeit hinzunehmen, aber doch so groß ist, daß die Verteilungsgerechtigkeit eine unbedingte Einstandspflicht für Schäden rechtfertigt.226 Günther Jakobs227 faßt dies für die strafrechtliche Abgrenzung zwischen Rechtfertigungsgründen (Eingriffsbefugnissen) und erlaubten Risiken (Gefährdungen) wie folgt zusammen: Bei Rechtfertigungsgründen geht es um Situationen, die aufgrund des Eindringens in die verletzten Rechte eindeutig eine soziale Störung darstellen und die nur aufgrund des spezifischen Kontextes (Notwehr, Notstand etc.) tolerierbar sind. Hingegen steht bei erlaubten Risiken die Frage in Rede, welche Organisationsakte trotz ihres möglichen Mündens in Rechtsverletzungen abstrakt – und nur in Verbindung mit einer Schadenser221 Unger, JherJb 30 (1891), 363: „Das Schadensrecht ist in ganz besonderem Grade das Produkt und der Niederschlag der ethischen Überzeugungen sowie der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer bestimmten Kulturepoche.“ 222 Steffen, NJW 1990, 1817 (1820). 223 Marburger, AcP 192 (1992), 1 (29 f.). 224 Schadensersatz, S. 30 f. 225 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 172; Konzen, Aufopferung, S. 140; Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 I 2b, S. 607; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (139). 226 BGHZ 105, 65 (66); Bälz, JZ 1992, 57 (64); Esser, Gefährdungshaftung, S. 73; Kötz, Festschrift Steindorff, S. 643 (660 f.); Larenz, VersR 1963, 593 (597); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 I 2c, S. 607 f.; a. A. Henkel, Rechtsphilosophie, S. 414: ausgleichende Gerechtigkeit als Grundlage der Gefährdungshaftung. 227 Strafrecht AT, 7/35 ff.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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satzpflicht – toleriert werden können. Das gesetzgeberische Mandat zu einer konstitutiven Festlegung ist im letzteren Fall relativ groß. Die daraus resultierende Rechtssicherheit ist nicht zuletzt auch erforderlich, um eine effektive Versicherbarkeit der Aktivitäten zu gewährleisten, die mit einer Gefährdungshaftung verbunden sind.228 Auf dieser Grundlage erscheint auch das Verhältnis der h. M., die im Sinne eines strikten Enumerationsprinzips jegliche analoge Ausdehnung von Tatbeständen der Gefährdungshaftung ablehnt, zu den Befürwortern sorgfältig begrenzter Einzelanalogien in einem neuen Licht. Es handelt sich hierbei nicht um eine primär methodologische Debatte darüber, ob das Institut der Analogie für die Gefährdungshaftung Geltung beansprucht, sondern um die substantielle Frage, ob der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum, der mit der Konkretisierung der Gefährdungstatbestände verbunden ist, eine teleologische Vergleichbarkeit faktisch ähnlicher Sachverhalte kategorisch ausschließt. Denn in der Tat wäre es merkwürdig, das Verschuldensprinzip des Deliktsrechts der §§ 823 ff. BGB für die Gefährdungshaftung als ungeschriebenes Analogieverbot dienstbar zu machen.229 Vielmehr müssen sich Gedanken wie die Schutzfunktion des Verschuldensprinzips in den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Analogie zu Gefährdungshaftungen niederschlagen.230 Die h. M. kann daher so interpretiert werden, daß nach ihr die gesetzliche Beschreibung der Aktivität, welche die Gefährdungshaftung auslöst, unabdingbar zum Telos des betreffenden Haftungstatbestands gehört. Im Bereich der Verschuldenshaftung gewährleistet die Kategorie der verkehrserforderlichen Sorgfalt ein hinreichendes Korrektiv, das beispielsweise auch die Entwicklung neuer Verkehrspflichten erlaubt, die keine unmittelbare gesetzliche Grundlage haben. Denn für deren Verletzung wird nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit gehaftet. Hingegen fehlt bei der Gefährdungshaftung ein solcher Filter, so daß die aus der jeweiligen gesetzlichen Umschreibung resultierende Rechtssicherheit zum wesensmäßigen Grund einer jeden Gefährdungshaftung zählt. Danach können „ähnliche“ Konstellationen, die nicht in die gesetzgeberische Anordnung eingegangen sind, eo ipso nicht teleologisch vergleichbar sein, es sei denn, der Gesetzgeber hätte mit der Differenzierung objektiv willkürlich gehandelt.231 Hingegen beruht die Auffassung, nach der auch im Bereich der Gefährdungshaftung Einzelanalogien in Betracht kommen, auf der Annahme, daß 228
Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 I 1b, S. 601 f. Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (130). 230 Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 I 1b, S. 601 f. 231 Siehe BGHZ 55, 229 (234); G. Wagner, MünchKomm. BGB, Vor § 823 Rdnr. 23. 229
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
sich das Substrat, welches die verschuldensunabhängige Haftung jeweils rechtfertigt, nicht denknotwendig in der gesetzlich umschriebenen Konstellation erschöpft, sondern einen weitergehenden Grundgedanken aufweisen kann, der beispielsweise auch neue technische Entwicklungen erfaßt, die nach Einführung der betreffenden Gefährdungshaftung eingetreten sind. Beide Auffassungen achten jedoch, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität, den Gedanken gesetzgeberischer Wertungsspielräume im Bereich der Gefährdungshaftung. Dem widerspricht es, wenn der Gefährdungsgedanke in Tatbestände der Aufopferungshaftung implementiert wird und diese auf rechtswidrige Schädigungen angewendet werden, gegen die der betroffene Eigentümer faktisch keine hinreichenden Abwehrmöglichkeiten besaß. Schließlich wird auch die, eben nur enumerativ angeordnete Gefährdungshaftung unter anderem damit begründet, der Geschädigte könne den betreffenden Gefahren im modernen Rechtsverkehr faktisch nicht ausweichen.232 b) Exemplarische Verdeutlichung an der Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Insbesondere am Beispiel der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge läßt sich zeigen, wie mit der Entkoppelung des Ausgleichsanspruchs von der Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB ein unlösbarer Widerspruch zu den Prinzipien der Gefährdungshaftung entstanden ist. Hierbei geht der Bundesgerichtshof bereits von einer falschen Begründungslast aus, wenn er beispielsweise für Vertiefungsschäden feststellt, es könne nicht angenommen werden, „daß der Gesetzgeber die Haftung des privaten Störers nur auf die Fälle des Verschuldens hat beschränken wollen“.233 Denn auch im Rechtsverhältnis unter Grundstücksnachbarn bedarf nicht die Geltung des allgemeinen Grundsatzes der Verschuldenshaftung für rechtswidrige Schädigungen einer besonderen Begründung, sondern eine davon abweichende Haftung ohne Verschulden.234 Der Gesetzgeber hat darauf verzichtet, eine Gefährdungshaftung des Bauherrn gegenüber Dritten zu statuieren. Vor diesem Hintergrund läßt es sich kaum methodengerecht begründen, diesen Personenkreis verschuldensunabhängig für Vertiefungsschäden 232 Adams, Ökonomische Analyse, S. 136 ff.; Esser, Gefährdungshaftung, S. 103; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (138 f.). 233 BGHZ 72, 289 (295); bestätigt durch BGHZ 85, 375 (384); 90, 255 (262); 147, 45 (50). 234 J. Baur, Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 849 (868).
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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auf Nachbargrundstücken haften zu lassen, wie dies der Bundesgerichtshof analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB annimmt.235 In den entsprechenden Entscheidungen hat sich der Bundesgerichtshof jedoch nicht mit dieser Problematik auseinandergesetzt. In anderen Konstellationen thematisiert die höchstrichterliche Rechtsprechung die Friktion zwischen den Grundsätzen der Gefährdungshaftung und einer analogen Anwendung von Aufopferungstatbeständen bei faktischen Duldungszwängen hingegen ansatzweise. Die Analogie soll dabei aus Subsidiaritätserwägungen ausscheiden, „wenn eine andere gesetzliche Bestimmung den konkreten Fall abschließend regelt“.236 Die konsistente Durchführung dieses zutreffenden Ausgangspunkts hängt jedoch davon ab, ob die Reichweite dieses negativen Regelungsbereichs von Tatbeständen der Gefährdungshaftung zutreffend bestimmt wird. Insoweit hat der Bundesgerichtshof eine Sperrwirkung bisher nur für § 22 Abs. 2 WHG237 und § 18 BergG-DDR238 anerkannt und zwar in Fällen, in denen der betreffende faktische Duldungszwang eindeutig dem Schädigungstypus entsprach, der in diesen Gefährdungstatbeständen geregelt ist, deren konkrete Anspruchsvoraussetzungen aber gleichwohl nicht erfüllt waren.239 Nach den hier angestellten Erwägungen zum Verhältnis von Aufopferungshaftung und Gefährdungshaftung geht dies jedoch nicht weit genug. Wenn ein bestimmtes Verhalten keinem Tatbestand der Gefährdungshaftung entspricht, ist es generell unzulässig, eine verschuldensunabhängige Haftung in Analogie zu Aufopferungstatbeständen auf den Gedanken zu stützen, der betroffene Eigentümer sei dem jeweiligen Gefährdungspotential faktisch schutzlos preisgegeben. Die höchstrichterliche Rechtsprechung berücksichtigt eine Sperrwirkung von Gefährdungstatbeständen gegenüber Ausgleichsansprüchen nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog hingegen nur unsystematisch. An einigen Beispielen kann dies verdeutlicht werden: aa) Unfallschäden durch defekte Leitungsanlagen Wenn der Bundesgerichtshof den Ausgleich bei nachbarlichen Schädigungen durch defekte Wasserrohre oder Kabelbrände in Gebäuden auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog stützt,240 gerät dies zum einen in Konflikt mit den Regelungen der §§ 836 ff. BGB, die eine entsprechende Haftung nur 235 236 237 238 239 240
Siehe Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 260 f. BGHZ 120, 239 (249); 142, 227 (236); 148, 39 (53). BGHZ 142, 227 ff. BGHZ 148, 39 ff. Näher oben B. I. 1. c) bb) (2). BGH, WM 1985, 1041; BGHZ 142, 66 (69 f.); BGH, NJW 2003, 2377 ff.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
bei fehlerhafter Errichtung oder mangelhafter Unterhaltung des betreffenden Gebäudes vorsehen und dem potentiell Ersatzpflichtigen darüber hinaus auch eine Exkulpation ermöglichen. Zwar stellen die §§ 836 ff. BGB somit keine Gefährdungshaftung, sondern eine Haftung für vermutetes Verschulden dar. Es ist aber nicht ersichtlich, warum sie für die besagten Unfallschäden anders als z. B. die §§ 22 Abs. 2 WHG, 18 BergG-DDR in ihrem Regelungsbereich keine Sperrwirkung erzeugen sollen.241 Darüber hinaus wäre auch § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG zu berücksichtigen. Hierbei muß zwischen selbständigen Rohr- und Kabelanlagen einerseits und Bestandteilen eines Hauses andererseits unterschieden werden: Auf selbständige Anlagen findet § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG unstrittig Anwendung, jedoch mit der Haftungshöchstgrenze des § 10 HaftpflG. Der Bundesgerichtshof wendet gleichwohl parallel § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog für die nicht abgedeckten Schadensbeträge an.242 Dies legitimiert sich entgegen der Auffassung des Gerichts auch nicht aus § 12 HaftpflG.243 Diese Norm schließt zwar eine Verdrängungswirkung des § 2 HaftpflG gegenüber bestehenden anderweitigen Ersatzansprüchen aus. Die Vorschrift trifft aber keine Aussage darüber, ob die Gefährdungshaftung mit ihrer Haftungshöchstgrenze einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entgegensteht, weil sie die betreffenden rechtswidrigen Einwirkungen abschließend regelt.244 Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Schaffung des Haftpflichtgesetzes die Auffassung zugrunde gelegt, für den Bruch einer Wasserrohrleitung werde im übrigen nur aus § 836 BGB mit dem möglichen Entlastungsbeweis gehaftet.245 Vor diesem Hintergrund wäre eine ausführliche Begründung der abweichenden Ansicht des Bundesgerichtshofs zu erwarten gewesen. Die Argumentation des Gerichts für eine parallele Geltung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog beschränkt sich jedoch auf die allgemeine Auffassung, faktisch nicht abwehrbare Wassereinwirkungen seien ohne Ausgleich unzumutbar, und den Hinweis darauf, daß der nachbarliche Ausgleichsanspruch nur einen eng begrenzten Personenkreis aktivlegitimiere. Dies schließe einen Wertungswiderspruch zu der Haftungshöchstgrenze des § 10 HaftpflG aus, die vor einer Inanspruchnahme durch einen unbestimmten Personenkreis schützen solle. Dies überzeugt jedoch nicht. Die Haftungshöchstgrenze soll insbesondere die Versicherbarkeit derjenigen Haftung des Anlageninhabers gewährleisten, 241
Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 265 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 1b, S. 665 f.; H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 25 ff. 242 BGH, NJW 2003, 2377 ff. 243 Siehe oben B. I. 1. c) bb) (2). 244 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 267 f. 245 BT-Drucks. 8/108, S. 11 f.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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die verschuldensunabhängig eingreift.246 Insoweit ist der Begrenzungszweck gerade nicht an einen bestimmten Kreis der Geschädigten, sondern das bloße Übersteigen der Haftungshöchstgrenze gebunden. Grundstücksnachbarn hiervon allein aufgrund eines faktischen Duldungszwangs auszunehmen, findet keinen Anhalt in der Systematik des Haftpflichtgesetzes. Darüber hinaus kann auch der Kreis der aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog Berechtigten nicht unerheblich sein, da nicht nur die Eigentümer und Besitzer eines unmittelbar angrenzenden Grundstücks geschützt sind, sondern sich die Anspruchsberechtigung nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf alle beeinträchtigten Grundstücke erstreckt.247 Und schließlich werden Schäden nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG auch für Drittbetroffene, die keine Grundstücksnachbarn in diesem weiten Sinne sind (z. B. Mobiliareigentümer), zumeist faktisch unabwendbar sein. Es wurde bereits dargelegt, daß die mangelnde Abwehrbarkeit einer Eigentumsverletzung selbst keinen hinreichenden Grund für eine verschuldensunabhängige Haftung außerhalb der Gefährdungshaftung bildet, sondern nur die Kürzung eines anderweitig begründeten Ersatzanspruchs nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB hindert.248 § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zugunsten von Nachbarn neben § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG bei Schäden durch selbständige Anlagen anzuwenden, ist daher nicht gerechtfertigt. Ähnliches gilt für Rohr- und Kabelanlagen, die Bestandteile eines Hauses sind. Zwar ist umstritten, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG auch für solche unselbständigen Anlagen eingreift.249 Selbst wenn eine Gefährdungshaftung daran scheitern sollte, würde doch aber ein ebenso starkes Argument für eine Sperrwirkung des § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG gegenüber einer Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sprechen wie bei selbständigen Anlagen. Wenn angesichts der Haftungshöchstgrenze des § 10 HaftpflG eine parallele Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wertungswidersprüchlich ist, gilt dies auch, sofern eine bestimmte Rohr- oder Kabelanlage bereits nicht durch den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG erfaßt wird, d.h. das Gesetz für nicht verschuldete Schäden insoweit implizit eine Haftungshöchstgrenze von „null“ vorsieht. Vor diesem Hintergrund vermag es auch nicht zu überzeugen, wenn der Aufopferungsanspruch bei den genannten Unfallschäden auf den Gesichtspunkt gestützt wird, daß die Störungen für den Geschädigten unabwendbar waren, „von dem Eigentümer oder Nutzer der Anlage aber bei gehöriger 246
BT-Drucks. 8/108, S. 6 f. Statt aller Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 66. 248 C. I. 1. b) aa) (1). 249 Befürwortend Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 265 f.; ablehnend Larenz/ Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 IV 1b, S. 627. 247
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
Sorgfalt durch entsprechende Vorkehrungen hätten vermieden werden können“.250 Denn entweder liegt eine Sorgfaltspflichtwidrigkeit im Sinne der §§ 823 ff. BGB und damit eine deliktische Haftung vor oder es geht in Wahrheit um eine verschuldensunabhängige Risikozurechnung, die wie dargelegt mit dem Gefüge der Gefährdungshaftung kollidiert. Der Bundesgerichtshof argumentiert zwar, in den Fällen eines faktischen Duldungszwangs bei defekten Leitungsanlagen gehe es nicht um die Einführung einer Gefährdungshaftung für erlaubte Einrichtungen, sondern um den Ausgleich rechtswidriger Störungen aus einer Grundstücksnutzung.251 Auch bei einer Gefährdungshaftung, z. B. nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG, stellt das Geschehen im Zeitpunkt der konkreten Schädigung aber eine gegen § 1004 BGB verstoßende Störung dar, selbst wenn den Störer nicht der Vorwurf eines rechtswidrigen Verhaltens trifft, das umgekehrt auch in den Fällen des faktischen Duldungszwangs nicht vorzuliegen braucht. Das genannte Argument beruht somit auf einem bloßen Scheinunterschied. Daß die Rechtsprechung bei gebäudebezogenen Unfallschäden gleichwohl großzügig mit der Bejahung eines nachbarlichen Ausgleichsanspruchs verfährt, mag unausgesprochen durch das Eingreifen einer Gebäudeversicherung für diese Schäden motiviert sein.252 In der deliktsrechtlichen Literatur wird jedoch zu Recht darauf hingewiesen, die Rechtsprechung überschreite ihre Kompetenz, wenn sie sich bei der Bestimmung der haftungsbegründenden Voraussetzungen davon leiten läßt, ob die Folgen einer etwaigen Haftung durch eine Versicherung gedeckt sind.253 Zwar mag es bei oberflächlicher Betrachtung billig erscheinen, eine Versicherung an Stelle betroffener Grundstückseigentümer mit einem Schaden zu belasten. Aber im Rahmen von Versicherungen werden Ersatzpflichten auf die Gemeinschaft der Beitragszahler umverteilt, und es steht nicht den Gerichten zu, durch systemwidrige Ausnahmen vom deliktischen Verschuldenserfordernis und den Einschränkungen der Gefährdungshaftung darüber zu entscheiden, ob eine solche Sozialisierung der Kosten angemessen ist.254 Daneben führt der Ansatz 250 Es handelt sich hierbei um eine Stellungnahme des Vorsitzenden des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs: Wenzel, NJW 2005, 241 (247). 251 BGH, NJW 2003, 2377 (2378). 252 Siehe BGHZ 142, 66 (71 f.). 253 Scharf Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 76 III 4g, S. 416 f.: „Münchhausen-Trick“ und „nachgerade ein Skandal“; auch Jansen, Struktur, S. 624 f.; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (158); a. A. allerdings von Bar, AcP 181 (1981), 289 (325 f.). 254 Zu negativen Folgewirkungen, die mit der Schadenssozialisierung durch Versicherungslösungen verbunden sein können („moral hazard“) Adams, Ökonomische Analyse, S. 24; Rohe, AcP 201 (2001), 117 (150 ff.); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 139 f.
III. Aufopferung und Gefährdungshaftung
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der Rechtsprechung zu dem paradoxen Ergebnis, daß eine etwaige Haftpflichtversicherung für Sachverhalte im analogen Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eingreifen würde (insbesondere für Unfallschäden), nicht aber für Einwirkungen, die sich in den Grenzen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB halten und somit den direkten Anwendungsbereich der Ausgleichspflicht bilden. Denn solche legalen Einwirkungen in der Form ortsüblicher Immissionen, die der Emittent zum eigenen Vorteil vornimmt, stellen für ihn keinen Haftpflichttatbestand im Sinne des § 1 Nr. 1 AHB dar.255 Auch an diesem Widerspruch zeigt sich, warum versicherungsbezogene Erwägungen die Ausdehnung von Aufopferungsansprüchen auf nicht duldungspflichtige Unfallschäden nicht rechtfertigen können. bb) Die Emission schädigender Substanzen Wenn es schließlich um die rechtswidrige Emission schädigender Substanzen geht, tritt eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu dem begrenzten Haftungstatbestand des § 1 UmweltHG in Widerspruch, der die Gefährdungshaftung auf einen Kreis enumerierter Anlagen beschränkt.256 Dieses Konkurrenzproblem wird von der Rechtsprechung, die einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht, nicht diskutiert.257 Ganz wie bei der Parallelproblematik im Haftpflichtgesetz wäre auch insoweit ein Verweis auf § 18 Abs. 1 UmweltHG unfruchtbar, der eine Haftung aufgrund anderer Vorschriften unberührt läßt. Denn dies verhindert nur eine Verdrängung anderweitig bestehender Ersatzansprüche, schließt aber nicht aus, daß die Regelungssystematik des § 1 UmweltHG eine Regelungslücke für die Fälle eines faktischen Duldungszwangs bzw. deren teleologische Vergleichbarkeit mit dem durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geregelten Sachverhalt hindert.258 cc) Die Erforderlichkeit einer abstrakten Abgrenzung zur Gefährdungshaftung Die Rechtsprechung läßt somit keine systematische Begründung dafür erkennen, wann die einschränkenden Voraussetzungen von Tatbeständen der Gefährdungshaftung eine Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf 255 Binder, VersR 2003, 1226 (1232); Prölss/Martin, § 1 AHB Rdnr. 7; Sieg, VersR 1984, 1105 (1106) jeweils m. w. N. zum Streitstand. 256 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 271; Littbarski, JR 1994, 67 (68). 257 Siehe für den Zeitraum nach Erlaß des Umwelthaftungsgesetzes insbesondere BGH, NJW 1995, 714. 258 Unrichtig daher Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72.
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
faktische Duldungszwänge ausschließen. Einzig die hier vorgeschlagene Lösung, nach der bereits das Nichtvorliegen eines Tatbestands der Gefährdungshaftung einen verschuldensunabhängigen Schadensausgleich für faktische Duldungszwänge sperrt, gewährleistet vorhersehbare und stimmige Ergebnisse. Hingegen wäre es untauglich, einen faktischen Duldungszwang nur dann nach allgemeinen deliktischen Kriterien einschließlich des Verschuldenserfordernisses zu beurteilen, wenn die betreffende Einwirkung „in gewissem Maße“ einer tatsächlich existierenden Gefährdungshaftung entspricht. Dies würde zum einen unlösbare Abgrenzungsschwierigkeiten heraufbeschwören (Warum sperrt § 18 BergG-DDR für Bergschäden, aber nicht § 1 UmweltHG für die Emission schädigender Substanzen durch nicht enumerierte Anlagen?). Und zum anderen führte es zu einer sachlich ungerechtfertigen Privilegierung desjenigen, dessen Einwirkung einem Tatbestand der Gefährdungshaftung möglichst nahekommt, diesen aber letztlich doch nicht erfüllt. Ein solcher Schädiger würde von der Sperrwirkung gegenüber § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog profitieren und nur deliktisch bei Verschulden haften. Hingegen würde derjenige, dessen rechtswidrig-schuldlose Einwirkung keinerlei Berührung zu einer Gefährdungshaftung aufweist, aber im weitesten Sinne im Umfeld von Duldungspflichten liegt, unbedingt haften. Dies gilt z. B. für Vertiefungsschäden in bezug auf § 906 Abs. 2 BGB oder Eigentumseingriffe zur Gefahrenabwehr, die nicht gemäß § 904 Satz 1 BGB rechtmäßig sind. Eine derartige Diskriminierung würde aber den Zweck der Gefährdungshaftung verfehlen: Diese soll denjenigen treffen, der ihre jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, aber nicht bewirken, daß manche sonstigen Schädiger verschuldensunabhängig und manche nur nach Deliktsrecht haften. Vielmehr ergibt sich aufgrund des Bedürfnisses nach einer enumerativen Konkretisierung relevanter Gefährdungen ein impliziter Primat des deliktischen Verschuldenserfordernisses für alle anderen unbefugten Schädigungen und nicht nur für solche, die einem Gefährdungstatbestand nahezu entsprechen. Dies ergänzt quasi spiegelbildlich die oben vertretene Auffassung, daß die Ansiedlung einer nicht duldungspflichtigen Beeinträchtigung im Umfeld von Einwirkungen, die nach den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB rechtmäßig sind, keine tragfähige Haftungsgrundlage bildet.259
3. Zusammenfassung Die Ansprüche aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB können nicht unter Anlehnung an den Rechtsgedanken der Gefährdungshaftung für solche rechtswidrigen Schädigungen dienstbar gemacht werden, denen mangels faktischer Abwehrbarkeit ein besonderes Gefährdungspotential inne259
Siehe oben C. I. 1. b) bb) (1).
IV. Keine Begründbarkeit einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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wohnt. Die Beurteilung der Aktivitäten, die unter normativen Gesichtspunkten ein Abweichen vom Verschuldensprinzip rechtfertigen, muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Dies deckt sich mit dem allgemein anerkannten Verbot einer Ausdehnung der Gefährdungshaftung durch Richterrecht. Daraus ergibt sich, daß für faktische Duldungszwänge, die keinem gesetzlich geregelten Tatbestand der Gefährdungshaftung entsprechen, keine verschuldensunabhängige Haftung in Betracht kommt.
IV. Keine Begründbarkeit einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unter Rückgriff auf römisches Recht Anders als die Rechtsprechung und die h. L. unternimmt Süss den Versuch, die Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs unter Rückgriff auf Rechtsinstitute des klassischen römischen Rechts zu begründen.260 Ausgangspunkt ist dabei die sogenannte cautio damni infecti. Diese Kautionsleistung in der Form des Versprechens künftiger Schadloshaltung stand einem Grundstückseigentümer gegenüber einem benachbarten Immobiliarberechtigten zu, wenn aufgrund des Zustands eines Bauwerks oder aufgrund einer nachbarlichen Bautätigkeit in nachvollziehbarer Weise eine Schädigung befürchtet wurde.261 Trat tatsächlich ein Schaden ein, konnte sich der durch die Kaution Begünstigte mit der actio ex stipulatu aus dieser Kaution befriedigen.262 Hingegen war es ihm nach der Leistung der Kaution nicht mehr möglich, die gefährliche Tätigkeit als solche mit negatorischen Rechtsbehelfen zu unterbinden. Denn diese standen ihm in Gestalt der operis novi nuntiatio nur zu dem Zweck zu, die Leistung einer Kaution zu erzwingen,263 nicht aber, um das gefährliche Verhalten des Nachbarn als solches – insbesondere eine Bautätigkeit – endgültig zu unterbinden.264 Das Institut der cautio damni infecti wird daher von der überwiegenden Auffassung als Ausgleich für eine erlaubte Inanspruchnahme eines benachbarten Grundstücks gedeutet.265 Es konnte dem Betroffenen jedoch nur helfen, wenn er rechtzeitig vor der Schädigung die Kautionsleistung durchzusetzen vermochte. Als Ergänzung gewährte das römische Recht daher einem durch Gebäudeeinsturz oder benachbarte Bautä260
Süss, Haftung, S. 26 ff. Ulp. ed. D. 39,2,7pr.; D. 39,2,24,1; D. 39,2,24,12; Paul. D. 39,2,18,11; Gaius D. 39,2,20. 262 Ulp. D. 39,2,28. 263 Ulp. D. 39,1,1,16. 264 Süss, Haftung, S. 43 f. m. w. N. 265 Süss, Haftung, S. 45 ff. m. w. N. auch zu abweichenden Auffassungen. 261
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
tigkeit geschädigten Eigentümer, der aus einem triftigen Grund wie Zeitnot oder Abwesenheit gehindert war, die cautio damni infecti vor der Schädigung durchzusetzen (sogenanntes impedimentum), einen Anspruch auf die cautio de praeterito damno. Diese stellte quasi eine nachträgliche Kaution dar, aus der sich der Betroffene für den eingetretenen Schaden ohne Rücksicht auf ein Verschulden der anderen Partei befriedigen konnte.266 Eine vergleichbare Rechtslage war mit gewissen Abweichungen auch im gemeinen Recht gegeben.267 Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wurde die cautio damni infecti jedoch nicht übernommen. Vielmehr empfanden die Gesetzesverfasser eine bloße Kautionsleistung als unzureichend.268 Daher sollte der bedrohte Eigentümer die Möglichkeit haben, gefährliche Aktivitäten auf Nachbargrundstücken präventiv zu unterbinden. Zu diesem Zwecke wurden insbesondere die §§ 907 bis 909 BGB eingefügt, die das Halten gefahrdrohender Anlagen sowie für das Nachbargrundstück gefährliche Vertiefungen verbieten bzw. bei einem drohenden Gebäudeeinsturz sichernde Vorkehrungen gebieten.269 Hiermit war eine Besserstellung des bedrohten Liegenschaftseigentümers gegenüber dem bloßen Anspruch auf eine Kautionsleistung unter Ausschluß von Abwehrrechten bezweckt. Süss argumentiert nun, dieser Regelungszweck sei für die Fälle eines faktischen Duldungszwangs erkennbar verfehlt worden.270 Denn hier versage der negatorische Schutz, und es mangele an einem der cautio de praeterito damno vergleichbaren Institut, das für einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch sorge. Insoweit sei das erklärte gesetzgeberische Ziel einer Verstärkung des Schutzes betroffener Eigentümer nur lückenhaft erzielt worden. Diese Lücke könne durch eine analoge Erstreckung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs geschlossen werden.271 Die Norm sehe ganz wie die cautio damni infecti einen Ausgleich für erlaubte Einwirkungen auf Nachbargrundstücke vor.272 Daher müsse sie im System des Bürgerlichen Gesetzbuchs nun über ihren Wortlaut hinaus auch die Funktion eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzes für rechtswid266
Ulp. D. 39,2,7,2; Gaius D. 39,2,8. Diese Haftung war allerdings nicht unbedingt. Der Eigentümer des Grundstücks, von dem die Beeinträchtigung ausging, konnte sich ihr durch Dereliktion des Grundstücks entziehen: Ulp. D. 39,2,9pr. Bereits dies weist Besonderheiten der römischrechtlichen Regelungen aus, die an einer Übertragbarkeit auf die heutige Rechtslage zweifeln lassen. 267 Süss, Haftung, S. 56 ff. 268 Süss, Haftung, S. 65 ff. 269 Johow, in: Schubert, Vorentwürfe, Sachenrecht, Bd. 1, S. 748 f. 270 Süss, Haftung, S. 70 ff. 271 Süss, Haftung, S. 76 ff. 272 Süss, Haftung, S. 55.
IV. Keine Begründbarkeit einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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rige Einwirkungen übernehmen, die im römischen Recht durch die nachträgliche cautio de praeterito damno erfüllt worden sei. Damit stützt Süss die Analogie auf ein argumentum a fortiori. Er behauptet zwar nicht, daß eine Vorschrift, die rechtmäßige Beeinträchtigungen sanktioniert (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB), erst recht auch auf rechtswidrige Störungen angewendet werden müsse. Er schließt jedoch aus der mit den primären Abwehrrechten der §§ 907, 909 BGB bezweckten Besserstellung des Betroffenen gegenüber der bloßen cautio damni infecti, daß nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch in keiner Konstellation eine Schlechterstellung gegenüber dem römischen Recht eintreten dürfe und daher ein Ersatz für die cautio de praeterito damno gefunden werden müsse. Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zunächst bestehen wesentliche Unterschiede zwischen dem Institut der cautio damni infecti und der Regelung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die Leistung der Kaution legalisierte im römischen Recht zwar eine den Nachbarn gefährdende Tätigkeit als solche, anders als § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB aber nicht die aus der Tätigkeit resultierende schädigende Beeinträchtigung.273 Dies ergibt sich daraus, daß trotz Leistung der cautio damni infecti gleichwohl eine deliktische Haftung aus der actio legis Aquiliae in Betracht kam, wenn der Störer schuldhaft gehandelt hatte.274 Vielmehr war ein Anspruch auf die Stellung der Kaution sogar ausgeschlossen, wenn eine deliktische Klage aufgrund vorhersehbaren Verschuldens mit Sicherheit begründet sein würde.275 Somit kam der cautio damni infecti unter systematischen Gesichtspunkten eher der Charakter einer Gefährdungshaftung zu, als derjenige der Kompensation einer Eingriffsbefugnis. Darüber hinaus betraf die cautio damni infecti den Schutz vor einsturzgefährdeten Bauwerken und gefährlichen Bautätigkeiten, während sich § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich lediglich auf nachbarliche Immissionen bezieht. Zwar trifft es zu, daß die ausgleichsbewehrten Duldungspflichten im nachbarlichen Raum von der Rechtsprechung im Laufe der Zeit auch auf andere Einwirkungen als unwägbare Immissionen ausgedehnt worden sind.276 Gleichwohl kann nicht davon gesprochen werden, der § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB habe im Bürgerlichen Gesetzbuch die Funktion der cautio damni infecti übernommen. Diese ist, wie Süss selbst darlegt, durch das Modell der präventiven Abwehr gemäß den §§ 907 bis 909 BGB ersetzt worden. Die Ausgleichsregelung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB 273
Johow, in: Schubert, Vorentwürfe, Sachenrecht, Bd. 1, S. 734. Rainer, Bau- und nachbarrechtliche Bestimmungen, S. 99; Süss, Haftung, S. 32; Werenberg, JherJb 6 (1863), 1 (32 f.). 275 Siehe Pomp. D. 8,2,19; Ulp. D. 9,2,27,10; D. 43,15,1,5. 276 Umfangreiche Darstellung bei Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 15 ff. 274
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C. Der faktische Duldungszwang als haftungssystematisches Problem
wurde erst 1960 in das Gesetz aufgenommen und besitzt keinen Bezug zur cautio damni infecti mehr, die vom Gesetzgeber durch das Modell des präventiven Rechtsschutzes abgelöst worden ist. Hierdurch ist zwar auch das Anschlußinstitut der cautio de praeterito damno für faktisch nicht abwehrbare rechtswidrige Schädigungen entfallen. Dies liegt aber in der Logik der Ausdehnung der Abwehrrechte bedrohter Grundstückseigentümer, die wie oben dargelegt auch dann eine Verweisung des rechtswidrig Geschädigten auf deliktische Ansprüche mit ihren einschränkenden Voraussetzungen (insbesondere Verschuldenserfordernis) rechtfertigt, wenn die Abwehrrechte im konkreten Fall nicht praktisch werden konnten.277 So wäre es beispielsweise demjenigen, der nach römischem Recht aus einer cautio de praeterito damno verpflichtet war, durch eine Leistung der Kaution möglich gewesen, wenn auch nicht konkrete Beeinträchtigungen des Nachbarn, wohl aber seine gefährliche Tätigkeit als solche zu legalisieren. Diese Option ist nach heutiger Gesetzeslage dann nicht gegeben, wenn die Tätigkeit eine nicht duldungspflichtige Eigentumsbeeinträchtigung enthält bzw. zu bewirken droht. Denn dann besteht ein Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB. Mit der Ausdehnung des Primärrechtsschutzes und dem daran geknüpften Wegfall auch der cautio de praeterito damno ist somit nicht etwa ein unbeabsichtigtes Haftungsvakuum entstanden, sondern sind die Parameter der nachbarlichen Rechtsbeziehungen systematisch gänzlich neu geordnet worden, so daß sich ein isolierter Rückgriff auf Teilelemente des römischen Rechts verbietet. Und diese Neuordnung kann in einzelnen Bereichen, insbesondere in bezug auf den faktischen Duldungszwang, im konkreten Anwendungsfall durchaus auch zu einer Schlechterstellung gegenüber der Regelung im römischen Recht führen. Das Bürgerliche Gesetzbuch will den bedrohten Eigentümer entgegen der These von Süss278 nicht in jedem Fall besser, sondern mit einem Schwerpunkt auf dem präventiven Rechtsschutz anders stellen als nach der früheren Rechtslage. Die Besserstellung soll nur auf die Gesamtsumme der denkbaren Rechte in allen Fällen bezogen sein. Diese Konsequenz haben auch bereits die Verfasser des Bürgerlichen Gesetzbuchs erkannt und gebilligt, indem sie davon ausgingen, daß sich die Haftung bei einem Verstoß gegen die §§ 907 bis 909 BGB anders als im römischen Recht nur als eine Deliktshaftung mit den entsprechenden Voraussetzungen konstruieren läßt.279 Folgerichtig entwickelt Süss280 die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch nicht aus der immanenten Teleologie dieser Vor277 278 279 280
C. I. 1. b) aa) (1). Vgl. Haftung, S. 78 ff. Johow, in: Schubert, Vorentwürfe, Sachenrecht, Bd. 1, S. 734; Mot. II, S. 818. Haftung, S. 73 ff.
IV. Keine Begründbarkeit einer Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB
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schrift, sondern einer angenommenen Gesetzeslücke zwischen den präventiven Rechten der §§ 907, 909 BGB und der Deliktshaftung. Nach der hier vertretenen Auffassung ist diese „Lücke“ aber systematisch folgerichtig. Demgegenüber geht es Süss der Sache nach um nichts anderes als eine reine Rechtswidrigkeitshaftung für faktisch unabwehrbare Verstöße gegen die §§ 907, 909 BGB. Die Verbindung seiner Argumentation zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist hingegen nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen Form der geregelten Einwirkungen brüchig (§ 906 BGB: Imponderabilien; §§ 907, 909 BGB: Anlagengefahren und Vertiefungen). Bezeichnenderweise bleibt seine Analyse der Ähnlichkeit des rechtlichen und des faktischen Duldungszwangs auf das Argument einer gleichen faktischen Schutzbedürftigkeit des Betroffenen beschränkt, die unabhängig von einem Verschulden des Einwirkenden sei.281 Im Endergebnis führt die historische Argumentation von Süss daher nicht über die Gründe für eine Ausdehnung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs hinaus, die hier im Rahmen der Diskussion des eingriffsbezogenen Aufopferungsverständnisses bereits abgelehnt wurden.282
281 282
Süss, Haftung, S. 76 ff. Siehe oben C. I. 1.
D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung Im vorangegangenen Abschnitt wurde dargelegt, weshalb die verschiedenen Grundverständnisse der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, mit denen eine Ausdehnung dieser Anspruchsnormen auf faktische Duldungszwänge begründet wird, aus haftungssystematischer Sicht nicht überzeugen. Hiermit ist allerdings noch nicht die intuitive Plausibilität entkräftet, die der analogen Anwendung dieser Normen auf faktische Duldungszwänge aus teleologischer Sicht zuzukommen scheint: Stellt es nicht einen wertungsmäßigen Widerspruch dar, wenn derjenige haftungsrechtlich anders als ein duldungspflichtiger Eigentümer behandelt wird, dem zwar aus rechtlicher Sicht negatorische Ansprüche zukamen, die aber aus tatsächlichen Gründen nicht in zumutbarer Weise durchgesetzt werden konnten und somit nur „auf dem Papier“ bestanden? Mag haftungssystematischen Erwägungen wie den Implikationen des deliktischen Verschuldensprinzips, der Regelung des § 818 Abs. 3 BGB oder dem Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung auch ein erhebliches Gewicht zukommen, ist die h. M. zu dem Problem des faktischen Duldungszwangs doch in ganz besonderem Maße von dem Streben nach einer teleologisch tragfähigen, gerechten Konfliktlösung geprägt. Die Ablehnung dieser h. M. muß somit auch aus der Teleologie der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst begründet werden. Daher gilt es, im folgenden einen Grundgedanken dieser Aufopferungstatbestände herauszuarbeiten, anhand dessen die Unrichtigkeit der analogen Erstreckung auf faktische Duldungszwänge verdeutlicht werden kann. Die Argumentation vollzieht sich dabei in den folgenden Schritten: Zunächst wird darzulegen sein, daß die Schwierigkeiten, eine sichere Grundlage privatrechtlicher Aufopferungspflichten auszumachen, von ihrem Spannungsverhältnis zum klassisch-liberalen Eigentumsbegriff herrühren und daß die daraus entstehende Problematik auch nicht durch die Neubestimmung gelöst wurde, die das privatrechtliche Eigentum unter der Geltung des Grundgesetzes erfahren hat.1 Im Anschluß daran soll die These begründet werden, daß die Aufopferungsansprüche der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht allgemein dem Ausgleich eines unzumutbaren Sonderopfers des Eigentümers dienen, sondern daß eine untrennbare teleo1
D. I.
I. Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff 131
logische Einheit zwischen den Duldungspflichten aus §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB und den korrespondierenden Ausgleichsansprüchen besteht. Dabei wird im Rahmen einer ökonomischen Analyse zu entwickeln sein, daß die Aufopferungspflichten der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB dem Eingriffsbefugten einen Freiraum eröffnen, der unter optimalen Marktbedingungen typischerweise mit dem duldungspflichtigen Eigentümer vertraglich vereinbart worden wäre.2 In Anknüpfung daran nehmen Aufopferungsansprüche die Rolle eines hypothetischen Kaufpreises für die Eingriffsbefugnis ein.3 Es wird dabei gezeigt, inwieweit die positivrechtliche Ausgestaltung der Ansprüche aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mit diesem Gedanken harmoniert.4 Erst wenn diese umfassende Grundlegung der §§ 904, 906 BGB erfolgt ist, kann abschließend dargelegt werden, warum die Fälle eines faktischen Duldungszwangs mit den gesetzlich geregelten Duldungspflichten teleologisch nicht vergleichbar sind und die von der h. M. befürwortete Analogie somit nicht nur zu haftungssystematischen Inkonsequenzen führt, sondern auch einer positiven Legitimationsgrundlage entbehrt.5
I. Der Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff In den gesetzlich geregelten Konstellationen der Eigentumsaufopferung besteht eine Eingriffsbefugnis, mittels derer die grundsätzlich aus § 1004 Abs. 1 BGB folgenden Eigentümerrechte zugunsten eines Interesses eingeschränkt werden, das von der Rechtsordnung als höherrangig bewertet wird.6 Das Vorliegen eines überwiegenden Interesses erklärt aber selbst noch nicht, warum dies eine Abweichung von der Freiheitsverteilung legitimiert, die sich aus den an sich bestehenden Ausschlußrechten des Eigentümers ergibt.7 Folgerichtig besteht Uneinigkeit darüber, ob derartige Eingriffsbefugnisse zugunsten anderer Privater auf einem Postulat vorpositiver Gerechtigkeit beruhen8 oder schlicht eine nicht weiter ableitbare Wertentscheidung des Gesetzgebers darstellen.9 2
D. II. D. III. 4 D. III. 3. 5 D. IV. 6 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 717; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1348; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 97 ff.; N. Horn, JZ 1960, 350; Hubmann, JZ 1958, 489 (491); Konzen, Aufopferung, S. 101 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669; Michaelis, Festschrift Siber, Bd. II, S. 185 (294). 7 Henkel, Notstand, S. 85; Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 127 ff.; Pawlik, Notstand, S. 32 ff.; Renzikowski, Notstand, S. 199 ff. 3
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
1. Erklärungsprobleme auf der Grundlage des klassisch-liberalen Eigentumsmodells Vor allem vom Standpunkt eines individualistischen Liberalismus aus läßt sich nur schwerlich begründen, warum einem Eigentümer, der selbst die ihm rechtlich zugewiesene Freiheitssphäre nicht überschreitet, Duldungspflichten zugunsten der Interessen einer anderen Person auferlegt werden, mögen diese Interessen auch nach einem gewissen Maßstab als wertvoller einzustufen sein. Vielmehr bleiben derartige Wertvergleiche von vornherein inhaltsleer, solange man die Privatrechtsordnung lediglich als gegeneinander abgegrenzte Freiheitssphären betrachtet, mit denen und in (!) denen eine jede Person ihr Auskommen finden muß.10 Insoweit droht ein direkter Widerspruch der Duldungspflichten zum Wesen des Eigentums: Das dem Eigentum wie anderen absoluten Rechten zugrunde liegende Prinzip der negativen Freiheit soll den Rechtsinhaber grundsätzlich gerade davon entbinden, innerhalb seines Rechtskreises auf eine solidarische Rücksichtnahme zugunsten anderer verpflichtet zu sein und ihm einen rechenschaftsfreien Handlungsspielraum gewähren.11 Zwar mag die Einräumung rechtlicher Freiheitssphären durch absolute Rechte nach dem Idealbild, das dem Gesetzgeber vorschwebte, auf eine sittliche Ausfüllung angelegt sein, die auch die legitimen Interessen anderer berücksichtigt. Die Schutzfunktion des Eigentums hängt aber nicht davon ab, „ob die Freiheit in diesem idealen Sinne ausgeübt wird“.12 Folgerichtig sind nach Kant13 Rechtsbeeinträchtigungen im aggressiven Notstand niemals rechtmäßig und damit in seiner Terminologie nicht „schuldfrei“ (inculpabile), sondern allenfalls aus Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit „unstrafbar“ (inpunibile). Die Annahme einer Eingriffsbefugnis des Gefährdeten bezeichnet er sogar als „Widerspruch der Rechtslehre mit sich selbst“. Aufopferungspflichten stellen nach diesem Verständnis keine Frage des Rechts dar, sondern der Tugendlehre. Diese Auffassung Kants hat insbesondere über ihren Einfluß auf Savigny neben den römischrechtlichen Wurzeln auch die Konzeption des Eigentums maßgeblich mitgeprägt, die bei Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorherrschte.14 Ganz im Geiste des absoluten 8
Canaris, Feststellung, S. 110 f. Renzikowski, Notstand, S. 197. 10 Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 226 f.; Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit, Bd. 2, S. 61 ff.; Küper, JZ 2005, 105 (108 f.). 11 G. Jakobs, Festschrift Roxin, S. 793 (796 f.); allgemein auch Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 100 f. und Kühl, Eigentumsordnung, S. 85 ff. 12 Vgl. Flume, AT, Bd. 2, § 1/5, S. 6 f. 13 MdS RL, 44 f.; näher zur Kantischen Notstandslehre jüngst Pawlik, Notstand, S. 18 ff. 9
I. Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff 133
Rechts als eines Gebiets „unabhängiger Herrschaft“ seines Inhabers15 erkannte die liberal-individualistische Strömung des 19. Jahrhunderts beispielsweise den aggressiven Notstand allenfalls als Entschuldigungs-, nicht aber als Rechtfertigungsgrund an.16 Die Regelung des heutigen § 904 Satz 1 BGB wurde unter heftigem Protest17 erst in den Zweiten Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgenommen.18 Denn nach dem Kantischen Grundmodell stellen die Ausschlußrechte des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB das letzte Wort dar und bleibt für davon abweichende Duldungspflichten kein Raum.
2. Die Unergiebigkeit der Verfassung zur Lösung des Problems Ein so strikter Liberalismus ist allerdings in die Defensive geraten. Er hat einerseits philosophische Kritik erfahren, beispielsweise schon frühzeitig im System Hegels, nach dem das Recht nicht auf einer bloßen Abgrenzung negativer Freiheitsräume aufbaut, sondern auf einer personalen Verbundenheit seiner Subjekte. Danach müssen die negativen Freiheitssphären als „abstrakte Rechte“ stets mit dem anerkennenswerten Interesse anderer Personen auf ihr „Wohl“ in Einklang gebracht werden.19 Demzufolge bestehen neben den Ausschlußrechten, wie sie beispielsweise aus dem Eigentum fließen, gleichrangige Solidaritätspflichten, aufgrund derer ein Dritter zur Wahrung seiner Interessen ausnahmsweise in einen grundsätzlich geschützten Rechtsbereich eingreifen darf.20 Und andererseits ist der individualistische Liberalismus auf dem Boden des Grundgesetzes auch positivrechtlich nicht mehr als alleiniges Erklärungsprinzip der Zivilrechtsordnung geeignet. Die privatrechtliche Eigentumsaufopferung in Gestalt der Eingriffsbefugnisse aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB könnte hierbei insbesondere als ein Ausdruck der folgenden verfassungsrechtlichen Institute gedeutet werden: der Sozialpflichtigkeit des Eigentums, staatlicher Schutzpflichten oder 14
Hierzu exemplarisch Kiefner, Einfluß Kants, S. 3 ff. Savigny, System, Bd. I, § 53, S. 334 ff. 16 Feuerbach, Lehrbuch, § 91, S. 179; Beling, Grundzüge, S. 60; explizit auch für § 904 Satz 1 BGB und sogar § 228 Satz 1 BGB: M.E. Mayer, Strafrecht AT, S. 304 ff. 17 von Alberti, Gefährdung, S. 37 sah in der Anerkennung des Aggressivnotstands gar „ein Stück Kommunismus“. 18 Siehe zum Verlauf der Diskussion Prot. VI, S. 212 ff.; kritisch in der Folge: C. L.von Bar, Gesetz und Schuld, Bd. III, S. 258 f.; Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit, Bd. 2, S. 79 ff.; Titze, Notstandsrechte, S. 37 ff. 19 Hierzu jüngst Pawlik, Notstand, S. 80 ff. und ders., Jahrbuch für Recht und Ethik 11 (2003), 287 (299 ff.). 20 Ausführlich zum rechtlichen Solidaritätsbegriff Pawlik, Notstand, S. 57 ff. 15
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
grundrechtlicher Leistungspflichten zugunsten der Eingriffsbefugten. Die folgende Betrachtung zeigt jedoch, daß sich eigentumsbezogene Aufopferungspflichten zugunsten anderer Privater mit den Vorgaben des Grundgesetzes nicht zufriedenstellend konturieren lassen und das teleologische Fundament der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB somit nicht in der Verfassung zu verorten ist. a) Allgemeinwohl vs. Ausgleich privater Interessen Solidarität wird typischerweise zugunsten der Allgemeinheit abgefordert, d.h. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts und auch dort vorwiegend über bloße Wertbeiträge (Steuer- und Abgabenpflicht) und seltener durch den Eingriff in die Integrität spezieller Freiheits- und Eigentumsrechte, z. B. durch eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG.21 Diese Trennung der finanziellen Solidarität von der sachbezogenen negativen Freiheit des Eigentümers führt in der Regel zu einer besseren Verwirklichung des Autonomieund des Solidaritätsgedankens als eine unmittelbare Umgestaltung der Freiheitssphären zum Zwecke der Herstellung einer „gerechten“ Ordnung.22 Dies zeitigt auch Auswirkungen für die Frage, inwieweit die Duldungspflichten des Privatrechts aus der Verfassung deduziert werden können. Das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG und insbesondere die Sozialpflichtigkeit des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinne nach Art. 14 Abs. 2 GG strahlen zwar auf das Privatrecht ein. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die positive Richtschnur der Sozialpflichtigkeit auch in diesem Rahmen nicht das Wohl bestimmter Einzelpersonen, sondern dasjenige der Allgemeinheit sein muß.23 Privatrechtliche Regelungen mit Eigentumsbezug lassen sich somit nur dann auf Art. 14 Abs. 2 GG zurückführen, wenn sie funktionell gerade im öffentlichen Interesse liegen. Wichtige Beispiele sind Schutzvorschriften zugunsten von Verbrauchern, Wohnraummietern und Arbeitnehmern. Diese Normenkomplexe betreffen zwingende Regelungen für die Ausgestaltung besonderer Leistungsbeziehungen zwischen Eigentümern im verfassungsrechtlichen Sinne und sozial schützenswerten Gruppen. Inso21 Selbst wenn die Steuerpflicht als Eingriff in das verfassungsrechtliche Eigentum nach Art. 14 GG betrachtet wird (dazu Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 14 Rdnr. 160 ff. m. w. N.), verbleibt sie doch bloßer Wertbeitrag, der sich z. B. von einer Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG in bezug auf die Beeinträchtigung von Autonomie deutlich unterscheiden läßt. 22 Kaplow/Shavell, Journal of Legal Studies 23 (1994), 667 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 37 m. w. N.; C. C. von Weizsäcker, Property Rights, S. 123 ff. 23 Siehe BVerfGE 25, 112 (118); Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art. 14 Rdnr. 225; Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 86 ff.; Leisner, HStR, Bd. VI, § 149 Rdnr. 143 ff.; Sachs/Wendt, Art. 14 Rdnr. 85 ff.
I. Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff 135
fern hat sich der Eigentümer in den betreffenden Sonderbeziehungen von vornherein in eine sozialrelevante Sphäre begeben, die ein verstärktes Mandat des Staats für regulierende Vorgaben begründet.24 Bei privatrechtlichen Eingriffsbefugnissen im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB wird der Rechtsinhaber hingegen zugunsten einer anderen Privatperson in seinem negativen Freiraum begrenzt, ohne daß er seine Eigentumsposition sozial exponiert hätte. Es erscheint fraglich, ob die Kriterien, die eine solche Neuziehung der Rechtssphären legitimieren, im Wohl der Allgemeinheit gemäß Art. 14 Abs. 2 GG oder nicht vielmehr in der relativen Interessenlage der Beteiligten Privatrechtssubjekte zu verorten sind. Beispielsweise besteht ein deutlicher Unterschied der Notstandsbefugnis und der Duldungspflicht in bezug auf ortsübliche Immissionen einerseits zur Regelung des § 14 Satz 1 BImSchG andererseits. Diese Vorschrift begründet eine Duldungspflicht gegenüber Immissionen, die über § 906 BGB hinausgehen,25 aber von behördlich genehmigten Anlagen freigesetzt werden und nicht mit zumutbaren Mitteln vermeidbar sind. Hierbei wird deutlich das öffentliche Interesse an der praktischen Wirksamkeit hoheitlicher Genehmigungsverfahren mit privatrechtlichen Folgewirkungen verklammert.26 Ähnlich liegen die in der Rechtsprechung entwickelten Duldungspflichten gegenüber solchen privatrechtlich organisierten Betrieben, die sogenannte gemeinwichtige Aufgaben erfüllen.27 Dies betrifft z. B. den Straßenbau, die Versorgung mit Strom oder die Entsorgung von Abwasser. Zwar mag insoweit bei rein formaler Betrachtung aufgrund der Organisationsform des Störers ein Privatrechtsverhältnis in Rede stehen, doch ist dieses durch die unmittelbare Förderung von Allgemeininteressen unter materiellen Gesichtspunkten stark öffentlich-rechtlich überlagert28 und kann daher nicht als Modellfall für privatrechtliche Aufopferungspflichten gelten.29 24 Zum „sozialen Bezug“ einer Eigentumsposition als Kriterium im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 GG BVerfGE 50, 290 (340 f.); 102, 1 (17); Dreier/Wieland, Art. 14 Rdnr. 89; Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 304 f. 25 Siehe BGHZ 69, 105 (110); F. Baur, JZ 1974, 657 (658); Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 64; G. Hager, NJW 1986, 1961 (1965); Jarass, BImSchG, § 14 Rdnr. 22; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 42; Marburger, Festschrift Ritter, S. 901 (907 f.); Petersen, Duldungspflicht, S. 59; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 81 f.; Staudinger/Kohler (2002), § 14 S. 2 BImSchG Rdnr. 39 f.; a. A. (Vorrang des § 14 BImSchG) AK-BGB/Winter, § 906 Rdnr. 34; Salje/Peters, Umwelthaftungsgesetz, § 18 Rdnr. 29. 26 Zu den historischen Wurzeln dieser Verklammerung in § 26 GewO a. F. Thier, Actio Negatoria, S. 407 (435 ff.). 27 Siehe im einzelnen Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 126 ff. 28 Vgl. etwa die privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Parallelprüfung in BGHZ 48, 98 (102 f.); allgemein zur Abgrenzung privatrechtlicher und öffentlichrechtlicher Rechtsverhältnisse bei Aufopferungsfällen Konzen, Aufopferung, S. 79 ff.; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 42 ff.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Hingegen sind die wesentlich überwiegenden Interessen, auf denen die Duldungspflicht bei den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB beruht, solche des individuell Einwirkenden. Deren Förderung mag zwar mittelbar auch im Interesse der Allgemeinheit liegen. So stellen die Rettung bedeutender Rechtsgüter durch eine Notstandshandlung oder die Entfaltung ortsüblicher Aktivitäten, die mit Emissionen verbunden sind, keinen Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes dar, sondern halten sich im Rahmen einer verhältnismäßigen Eigentumsbeschränkung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die bloße Verfassungskonformität ist aber von einer positiven Legitimationsgrundlage dieser Eingriffsbefugnisse zu unterscheiden. Und der Kern des Konflikts, der durch die Aufopferungspflichten gelöst wird, ist ein solcher zwischen Einzelpersonen und nicht dem betroffenen Eigentümer und der Allgemeinheit, wie es der Sozialpflichtigkeitsklausel entsprechen würde. Die Auffassung, das Regelungsgefüge der §§ 904 ff. BGB sei gleichwohl eine bloße Ausführung des Art. 14 Abs. 2 GG30 ist daher als Relikt derjenigen Lehre anzusehen, nach der die Sozialpflichtigkeit des Eigentums unmittelbare Pflichten des Eigentümers gegenüber anderen Einzelpersonen erzeugt.31 Diese These hat sich zusammen mit der Theorie von der unmittelbaren Grundrechtsbindung Privater erledigt.32 Und es stellt eine konsequente Fortschreibung dieser Entwicklung dar, wenn die §§ 904 ff. BGB auch für das Verhältnis zwischen Staat und Eigentümer nicht als bloße Anwendung des Art. 14 Abs. 2 GG, sondern als eigenständiger Normenkomplex begriffen werden, der seine Grundlage in der Ordnung der Rechtsbeziehungen zwischen privaten Rechtssubjekten findet.33 Aus der verfassungsrechtlichen Sozialpflichtigkeit des Eigentums ergibt sich somit keine selbständige Legitimationsgrundlage für die hier behandelten zivilrechtlichen Duldungspflichten.
b) Staatlicher Schutz vor Rechtsverletzungen durch Private vs. Aufopferungspflichten Die Grundrechte enthalten nach heutigem Verständnis nicht nur einen rein negativen Abwehrgehalt gegenüber dem Staat, sondern verpflichten 29
Konzen, Aufopferung, S. 142 ff.; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 90 ff. Säcker, MünchKomm. BGB, § 903 Rdnr. 12. 31 So vor allem Kübler, AcP 159 (1960), 236 (261 ff.) m. w. N. aus der älteren Literatur. 32 Hierzu statt aller Rüfner, HStR, Bd. V, § 117 Rdnr. 54 ff. m. w. N. 33 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 24 Rdnr. 6 f.; Soergel/J. Baur, § 903 Rdnr. 20 ff.; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II, S. 163 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 272. 30
I. Ausgangspunkt der Problematik im privatrechtlichen Eigentumsbegriff 137
diesen als Ausdruck einer objektiven Werteordnung unter anderem auch, Gefahren von dem Grundrechtsinhaber abzuhalten, die nicht von staatlichen Eingriffen ausgehen (sogenannte Schutzpflichten).34 Als eine solche Gefahrenquelle kommen vor allem andere Privatpersonen in Betracht. Und in einem solchen Fall kann die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht darin bestehen, daß der gefährdeten Person gegenüber dem Gefährdenden ein Recht eingeräumt wird.35 Es handelt sich hierbei um eine Form der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht.36 Durch sie wird eine reine Passivität des Staats gegenüber privaten Übergriffen in grundrechtlich fundierte Rechtssphären vermieden, die zu einer inakzeptablen „Freiheit zum privaten Eingriff“ führen würde.37 Beispielsweise sind die negatorische Haftung aus § 1004 BGB und die deliktische Verantwortlichkeit nach § 823 Abs. 1 BGB in ihrem Kern von einer staatlichen Schutzpflicht zugunsten des Verletzten abgedeckt.38 Schutzpflichten setzen demgemäß ein Dreiecksverhältnis von Opfer, Staat und Störer voraus: Der private Störer gefährdet oder verletzt ein grundrechtlich fundiertes Interesse des Opfers und der Staat stellt sich schützend vor das Opfer, indem er diesem einen Anspruch auf Abwehr der oder Wiedergutmachung für die Störung gegen den Verantwortlichen einräumt.39 Aus diesem Gehalt staatlicher Schutzpflichten ergibt sich aber zugleich, daß sie nur die Sanktion von Rechtsverletzungen unter Privaten betreffen, nicht aber die Einräumung von Eingriffsbefugnissen, die auf sonstigen überwiegenden Interessen Dritter beruhen. Schutzpflichten dienen dazu, Übergriffe eines anderen in den grundrechtlich geschützten Rechtskreis zu verhindern, so daß sie dem Bereich der Ordnungsverwaltung angehören.40 Insofern sind sie eng mit dem status negativus der Grundrechte verbunden; lediglich die Gefahrenquelle liegt hier nicht im staatlichen, sondern im privaten Bereich.41 34
Im Überblick zum modernen, multidimensionalen Grundrechtsverständnis Böckenförde, NJW 1974, 1529 ff.; Rupp, AöR 101 (1976), 161 ff. 35 Isensee, HStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 3 und 89; Pietzcker, Festschrift Dürig, S. 345 (356 ff.) jeweils m. w. N. 36 Canaris, AcP 184 (1984), 201 (225 ff.); ders., Grundrechte, S. 37 ff.; J. Hager, JZ 1994, 378 ff.; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1639 f.); Pietzcker, Festschrift Dürig, S. 345 (356 ff.). 37 Grundlegend Suhr, JZ 1980, 166 ff.; Hermes, Grundrecht, S. 204 ff. Zu der weitergehenden Frage, ob die Verneinung einer staatlichen Schutzpflicht gegenüber privaten Einwirkungen denselben strengen Kriterien folgt wie eine staatliche Eingriffsbefugnis J. Schwabe, Drittwirkung, S. 62 ff. (bejahend) und Canaris, Grundrechte, S. 39 ff. (verneinend) jeweils m. w. N. 38 BVerfGE 49, 304 (319 f.); Canaris, AcP 184 (1984), 201 (229 ff.); ders., Grundrechte, S. 82 f.; Isensee, HStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 128. 39 Isensee, HStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 5. 40 Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht, Bd. III, § 137 Rdnr. 3 ff. 41 Isensee, HStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 84.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
In den Konstellationen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB beeinträchtigt der Duldungspflichtige aber nicht den Rechtskreis des Eingriffsbefugten. Welches Verhalten Privater als Übergriff in die Sphäre eines Grundrechtsträgers gilt, der unter Umständen eine staatliche Schutzpflicht auslöst, kann zwar nicht ohne weiteres aus den Rechtskreisen entnommen werden, die durch privatrechtliche Regelungen gezogen sind, sondern muß aus der Verfassung selbst folgen. In bezug auf die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB erscheint jedoch eindeutig, daß die reine Passivität des duldungspflichtigen Eigentümers auch im Sinne des Verfassungsrechts nicht als rechtswidriger Eingriff in die grundrechtlich geschützten Positionen des Eingriffsbefugten gewertet werden kann. Vielmehr sind Übergriffe Privater als Voraussetzung staatlicher Schutzpflichten maßgeblich auf das Verbot physischen oder psychischen Zwangs im Sinne eines „neminem laedere“ zurückzuführen.42 Von diesem Maßstab weicht aber nicht der Zustand vor der Anordnung zivilrechtlicher Aufopferungspflichten ab, sondern gerade die Regelungen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB selbst. Durch diese Eingriffsbefugnisse wird ein Verhalten legalisiert, das anderenfalls eine Störung gegenüber dem betroffenen Eigentümer wäre, die der Staat nach dem Gesagten mit entsprechenden privatrechtlichen Haftungsinstrumentarien sanktionieren müßte.43 Daher kann es sich bei diesen Eingriffsbefugnissen denknotwendig nicht um einen Ausdruck staatlicher Schutzpflichten handeln, sondern nur um eine Grenze von Schutzpflichten gegenüber dem Grundrecht des Duldungspflichtigen auf Eigentum. Ganz in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß staatlicher Schutz nach dem Schutzpflichtgedanken nur gegenüber denjenigen Privatpersonen gewährt werden kann, von denen eine Rechtsbeeinträchtigung herrührt.44 Dies betrifft im Bereich der Eingriffsbefugnisse aber lediglich die Normen der §§ 227, 228 Satz 1 BGB und nicht die Tatbestände der Eigentumsaufopferung.45
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Isensee, HStR, Bd. V, § 111 Rdnr. 100 ff.; weitergehend für die Einbeziehung wirtschaftlicher Macht Canaris, Grundrechte, S. 75. 43 Zur staatlichen Schutzpflicht für Eigentumsrechte Sass, Entschädigungserfordernis, S. 403 ff. 44 BVerfGE 39, 1 (42); ähnlich Canaris, AcP 184 (1984), 201 (215 f.); Isensee, Sicherheit, S. 21; E. Klein, NJW 1989, 1633 (1637); a. A. Tondorf, Aufopferungsanspruch, S. 79 ff. 45 Zur Abgrenzung der Aufopferung gegenüber den §§ 227, 228 Satz 1 BGB näher noch unten D. III. 1. d) bb) (2).
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c) Staatliche Leistungspflichten vs. Lösung privater Konflikte Somit könnte eine grundrechtliche Determination der aufopferungsbezogenen Duldungspflichten allenfalls noch aus staatlichen Leistungspflichten gegenüber dem Eingriffsbefugten folgen. Während Schutzpflichten sich statisch auf die Bewahrung garantierter Freiheitssphären beziehen, führen Leistungspflichten des Staats zu subjektiven Rechten, die diese Rechtssphäre überschreiten. Der Gedanke staatlicher Leistung geht maßgeblich auf Forsthoff46 zurück, der vor die Garantie negativer Freiheit den Anspruch der Einzelperson auf „soziale Teilhabe“ und „Daseinsvorsorge“ setzte. Gemeint ist hiermit jedoch in erster Linie ein Teilhabeanspruch gegenüber dem Staat, etwa in Gestalt einer finanziellen Mindestausstattung zur Lebensführung oder eines angemessenen Zugangs zu Bildungseinrichtungen. In diesem Rahmen wird zwischen derivativen und originären Teilhabe- bzw. Leistungsrechten unterschieden:47 Derivative Teilhaberechte garantieren einen gleichmäßigen Zugang zu staatlich bereits angebotenen Leistungen und sind vornehmlich ein Problem des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 3 GG. Hingegen entstehen originäre Leistungsrechte unabhängig von einer vorgängigen Angebotsentscheidung des Staats, sondern verpflichten diesen unmittelbar, einem Bürger gewisse Vorteile zukommen zu lassen. In diesem Schema wären die Eingriffsrechte der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB den originären Leistungsrechten zuzuordnen, da es nicht um die Frage des Adressatenkreises einer ohnehin gewährten staatlichen Begünstigung geht, sondern um die Legitimation der Duldungspflichten als solche. Leistungsansprüche gegen den Staat sollen für jedermann die materiellen Grundlagen sicherstellen, die eine Ausübung negativer Freiheitsrechte erst sinnvoll ermöglichen.48 Eine objektivrechtliche Pflicht des Staats zur möglichst weitreichenden Ausstattung seiner Bürger mit den Voraussetzungen „realer“ Freiheit folgt aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Hingegen ist allgemein anerkannt, daß grundrechtlich fundierten subjektiven Leistungsrechten enge Grenzen gezogen sind.49 Denn zu ihrer Erfüllung sind anders als bei der Gewährung rein negativer Freiheitsrechte materielle Ressourcen erforderlich, die an anderer Stelle eingespart werden müssen. Originäre Leistungsrechte unterstehen somit von vornherein einem weiten Konkretisierungsspielraum des einfachrechtlichen Gesetzgebers sowie dem Vorbehalt des wirtschaftlich Möglichen.50 Vor allem aber sind sie auf Res46
Verwaltung, S. 42 ff.; ders., VVDStRL 12 (1954), S. 8 (18 ff.). Grundlegend Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (21 ff.); Breuer, Festgabe 25 Jahre BVerwG, S. 89 (100 ff.); Murswiek, HStR, Bd. V, § 112 Rdnr. 11. 48 Murswiek, HStR, Bd. V, § 112 Rdnr. 26 ff. 49 J. P. Müller, Soziale Grundrechte, S. 191; Hesse, EuGRZ 1978, 427 (434). 50 Murswiek, HStR, Bd. V, § 112 Rdnr. 49 ff. m. w. N. 47
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
sourcen zu begrenzen, die dem Staat zur Verfügung stehen.51 Diese werden zwar zuvor in der Regel von Privaten eingefordert, insbesondere im Wege der Steuer- und Abgabenpflicht. In dieser mittelbaren Privatlastigkeit originärer Leistungsrechte besteht ein wesentlicher Grund für ihre engen Grenzen. Noch viel problematischer wäre es aber, wenn man Befugnisse zum Eingriff in konkrete Eigentumspositionen Privater, wie sie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gewähren, als Ausdruck eines grundrechtlich fundierten sozialen Teilhabeanspruchs des Begünstigten deuten wollte. Ein solches Fundament wird zwar für die Immissionsregelung des § 906 Abs. 2 BGB in der Literatur vereinzelt behauptet,52 jedoch ohne dies auf eine konkrete Grundlage in der Verfassung zu stützen. Keinesfalls darf aus dem Umstand, daß privatrechtliche Aufopferungspflichten eine verhältnismäßige Auflösung von privatrechtlichen Konflikten bezwecken, gefolgert werden, es handele sich bei ihnen um die bloße Nachzeichnung vorgefertigter verfassungsrechtlicher Anspruchspositionen.53 Zu Recht wird auf die Fruchtlosigkeit hingewiesen, möglichst viele subjektive private Rechte auf angebliche verfassungsrechtliche Gebote zurückzuführen.54 Eine angemessene Lösung der Konflikte zwischen Einzelpersonen ergibt sich in aller Regel ohne Rücksicht auf staatsrechtliche Vorgaben, nämlich durch eine Analyse des unmittelbaren Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Dies gilt auch für privatrechtliche Aufopferungspflichten. Untermauert wird dies im vorliegenden Zusammenhang dadurch, daß die Eingriffsbefugnisse aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB im wesentlichen bereits seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs und somit weit länger als das Grundgesetz gelten. Vielmehr ist beispielsweise die Duldungspflicht gegenüber erheblich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen seit 1960 sogar durch das Kriterium der Unzumutbarkeit von Vorsorgemaßnahmen eingeschränkt worden.55 Im Ergebnis kann die Legitimationsgrundlage für die hier in Rede stehenden Aufopferungspflichten somit nicht maßgeblich aus der Verfassung gewonnen werden.
51
Siehe Murswiek, HStR, Bd. V, § 112 Rdnr. 24. Bälz, Freundesgabe Kübler, S. 355 (364 und 369 f.) im Anschluß an Ausführungen Küblers, AcP 159 (1960), 236 (241 ff.). 53 Vgl. Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff. 54 Canaris, Grundrechte, S. 43 ff.; Diederichsen, AcP 198 (1998), 171 (205 ff.); Medicus, AcP 192 (1992), 35 (60); Rüfner, HStR, Bd. V, § 117 Rdnr. 71. 55 Siehe oben C. III. 1. 52
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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d) Zwischenergebnis Somit hat die Abkehr von dem strikt individualistischen Eigentumsmodell zu einem gewissen Vakuum rechtlicher Begründung geführt: Aufopferungspflichten eines Eigentümers zugunsten anderer Privater sind jetzt zwar denkbar, es liegt aber kein Prinzip offen zu Tage, auf das sie sich stützen und aus dem sich ihre Konturen ergeben. Für den vorliegenden Zusammenhang ist die Identifizierung eines solchen Grundgedankens aber deswegen entscheidend, weil die Rechtfertigung und die Reichweite von Aufopferungsansprüchen unmittelbar mit der Legitimation der korrespondierenden Duldungspflichten zusammenhängen.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation Im folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Aufopferungspflichten der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB auf einen allgemeinen Grundgedanken zurückzuführen, der eine Weiterentwicklung des traditionellen individualbezogenen Eigentumsverständnisses darstellt, auf dem das Bürgerliche Gesetzbuch im Grundsatz aufbaut.56 Die Offenlegung eines solchen gemeinsamen Grundgedankens der Aufopferungspflichten führt entgegen mancher Stimmen in der Literatur57 gerade nicht zwangsläufig zu einer allgemeinen Aufopferungspflicht im Sinne Hubmanns und damit umgekehrt auch nicht zu einem allgemeinen Aufopferungsanspruch.58 Denn der Anwendungsbereich der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung reicht dann nicht weiter als eben dieser Grundgedanke, der dazu dienen kann, Aufopferungsansprüche wie die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB über die Formel des Ausgleichs eines unzumutbaren Sonderopfers hinaus zu konkretisieren.
1. Aufopferungspflichten als „Versicherungsvertrag“? Ein Erklärungsansatz für privatrechtliche Aufopferungspflichten, der von den Eigeninteressen des betroffenen Eigentümers ausgeht, verweist darauf, daß der Schutz wesentlich überwiegender Interessen bei bestimmten Interessenkollisionen jedes Mitglied der Gesellschaft potentiell bevorteilt.59 Beispielsweise verringern sich durch Eingriffsrechte in Notsituationen die Ge56
Siehe oben D. I. 1. A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 64 ff.; Wendehorst, Ausgleich, S. 188. 58 Dazu oben C. I. 2. a). 59 Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 191; F. Meyer, GA 2004, 356 (364 ff.); Reinhard Merkel, Zaungäste, S. 171 ff. 57
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
fahren, die aus der ausschließenden Wirkung des Eigentums resultieren (vgl. § 904 Satz 1 BGB), oder erweitert die Aufhebung gewisser Entfaltungsbeschränkungen im nachbarlichen Verhältnis die Handlungsfreiheit eines jeden, der bestimmte Grundstücksnutzungen vornehmen möchte (vgl. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es handelt sich nach diesem Ansatz bei Aufopferungspflichten um eine Art wechselseitiger Versicherung gegenüber den Nachteilen der Abgrenzung negativer Freiheitssphären, die als besonders drastisch empfunden werden und die potentiell jeden der Beteiligten treffen. Das Argument zugunsten der Anordnung einer Duldungspflicht lautet dabei auf abstrakter Ebene, jedermann könnte eine entsprechende „Versicherungspolice“ vernünftigerweise akzeptieren. Dieser Erklärungsversuch ist somit als Teil des umfassenderen Ansatzes der sogenannten Fairneßtheorie zu begreifen, die alle Pflichten im Staat über die Möglichkeit einer vernünftigen Einwilligung in sie legitimieren will.60 Es kommt also nicht auf eine Übereinstimmung mit dem positiven Willen des Betroffenen an, sondern nur darauf, daß eine gedachte Zustimmung aus seiner Sicht nicht unvernünftig wäre. Daher stellt es für diesen Ansatz keinen inneren Widerspruch dar, wenn die Duldungspflichten auch denjenigen erfassen, der als Ausdruck einer risikoorientierten Lebensgestaltung lieber auf den betreffenden erweiterten Freiraum verzichten würde, um umgekehrt die Vorteile eines uneingeschränkten Schutzes seiner Eigentumssphäre zu genießen. Denn wenn er sich anders, nämlich für die wechselseitigen Eingriffsbefugnisse entschließen würde, wäre dies aus seiner Sicht zumindest nicht unvernünftig. Das Problem des Ansatzes besteht vielmehr auf einer vorgelagerten Ebene, denn mit dem Gedanken einer vernünftigerweise akzeptablen Versicherung kann nicht selbst begründet werden, warum die solidarische Verbundenheit nicht unter dem Vorbehalt privatautonomer Vereinbarungen durch (Versicherungs-)Verträge steht, sondern zwangsweise eingreift. Hierbei wird das Kriterium der vernünftigen Annehmbarkeit bereits als maßgeblich vorausgesetzt. Zwar versucht der in Rede stehende Ansatz die Duldungspflichten mit diesem Kriterium im Ausgangspunkt aus der Interessenlage der Individuen zu begründen, d.h. von einem aufgezwungenen Altruismus abzugrenzen. Nach dem Modell könnte jeder Bürger aus Eigeninteresse den betreffenden Regelungen ex ante zustimmen, d.h. vor dem Wissen darum, wer die Eingriffsbefugnisse jeweils gegenüber wem in Anspruch nehmen wird. Hiermit schließt sich der Kreis zu Rawls’ Gesellschaftsmodell, nach dem diejenigen wechselseitigen Rechte und Pflichten gerechtfertigt sind, welche die Bürger hinter einem „Schleier des Nichtwissens“ (veil of ignorance) ohne Ansehen ihrer späteren Stellung in der Gemeinschaft festlegen 60 Arneson, Ethics 92 (1982), 616 ff.; Kavka, Hobbesian Theory, S. 409 ff.; Klosko, Fairness, passim und Scanlon, What We Owe, S. 189 ff.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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würden.61 Bei der Durchführung dieses Programms entfernt sich der Ansatz jedoch in erheblichem Maße vom individuellen Rechtssubjekt als dem maßgeblichen Bezugspunkt. Die bloße Möglichkeit eines vernünftigen Konsenses ist nicht gleichwertig mit einer tatsächlichen Zustimmung als Wahl unter verschiedenen Handlungsoptionen.62 Vielmehr wird die Begründungsarbeit in dem diskutierten Modell nicht von einer autonomen Entscheidung geleistet, sondern einzig der – wie auch immer konkretisierten – objektiven Vernünftigkeit einer gedachten Zustimmung. Der individuelle Standpunkt weicht dem universalen Blick „aus dem Nirgendwo“, der zu einem tatsächlichen Willensentschluß keinerlei Bezug mehr aufweist.63 Die Figur der vernünftigen Zustimmungsfähigkeit bedient sich daher der Kategorie des Willensentschlusses, entkleidet diese jedoch zugleich ihres wesentlichen Kerns, d.h. ausgeübter Privatautonomie. Der vorstehende Ansatz löst somit aufgrund des Wesensunterschieds zwischen tatsächlicher und bloß hypothetischer Zustimmung nicht die zu beantwortende Problematik, weshalb im Bereich von Aufopferungspflichten nicht die rechenschaftslose Willkür des Eigentümers gilt, die gerade das Wesen dieses Rechts ausmacht und die als grundsätzlich wünschenswert anerkannt ist.
2. Vom Eigentum über den Markt zur Aufopferungspflicht: Der Property-Rights-Approach a) Der Funktionszusammenhang von Eigentum und Markt Die Suche nach dem Legitimationsgrund der Aufopferungspflichten muß vielmehr daran ansetzen, daß sich die erforderliche Funktionsfähigkeit des negativen Freiheitsraums, den das Eigentumsrecht erzeugt, nicht schon dann ergibt, wenn die jeweiligen Eigentümer dauerhaft in einer negativen Abwehrstellung in ihren Rechtssphären verharren. Eine Gesellschaft, in der jeder Rechtsinhaber alle seine Sachen bis zu seinem Tode selbst behält und dann auf seine Erben überträgt, verfiele schon bald in eine Friedhofsruhe. Die Attraktivität des Eigentums als gesellschaftlicher Organisationsform ergibt sich vielmehr erst daraus, daß Güter auch transferiert werden, d.h. im weitesten Sinne Tauschprozesse stattfinden. So gesehen stellt die Einräumung einer negativen Freiheitssphäre zugunsten des Eigentümers nur eine Zwischenstufe dar: Die Funktion des subjektiven Sachenrechts ist erst dann vollständig erfaßt, wenn man es als eine Güterzuordnung betrachtet, die 61
Rawls, Justice, S. 102 ff.; ders., Fairness, S. 80 ff. Coleman, Risks, S. 166 ff.; ders., Ethics 94 (1984), 649 (671 ff.); Dworkin, Rights, S. 150 ff. 63 Siehe Pawlik, Notstand, S. 60 f. und 66. 62
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
zwar rechtstechnisch einen negativen Ausschlußgehalt umfaßt, der aber positiv die Ausgangsplattform für Gütertransfers bildet.64 Das Eigentum wird somit zum Paradebeispiel sogenannter property rights, die eine rechtlich untermauerte Kompetenz zur Ausnutzung von Ressourcen (hier: einer Sache) begründen.65 Die ausschließliche Zuordnung eines solchen Rechts zu einer Person gibt dieser optimale Anreize zu einer möglichst effektiven Nutzung und Verwertung der betreffenden Ressource, da sie einerseits die Früchte einer solchen Verwendung genießt und andererseits bei einem ineffektiven Umgang mit ihr mögliche Vorteile verstreichen läßt, sich also selbst schadet. Zwar kommt es im Einklang mit dem Gedanken negativer Freiheit nicht darauf an, ob einzelne Eigentümer ihre Sachen tauschen oder ein einzelner Gütertransfer bestimmten Rationalitätsstandards entspricht.66 Das Gesetz sieht für privatautonome Verträge in weiser Selbstbeschränkung keine umfassende Inhaltskontrolle, sondern regelmäßig nur großzügige Außenschranken vor, insbesondere die §§ 134, 138 BGB. Eine Eigentumsordnung, in der kaum Gütertransfers stattfinden oder diese nicht dazu führen, daß der Erwerber regelmäßig einen höheren Nutzen von dem Gut hat als der Veräußerer, wäre aber faktisch zum Scheitern verurteilt.67 Wenn es auch nicht überzeugend ist, subjektive Rechte wie das Eigentum ausschließlich als nützliches Mittel zum Zwecke der Förderung des Allgemeinwohls zu begreifen68 und ihnen keinen intrinsischen Wert beizumessen, stellt doch eine Eigentumsordnung somit dann keinen erfolgreichen Gesellschaftsentwurf dar, wenn aus ihr nicht ein gewisses Maß an effizienter Ressourcenallokation folgt. Die hierzu erforderlichen Prozesse des Austauschs werden im liberalen Rechtsstaat in der Regel rechtsgeschäftlich vorgenommen, d.h. unter Zuhilfenahme autonomer Dispositionen der Eigentümer am Markt. Hingegen entscheidet grundsätzlich nicht die objektive Rechtsordnung heteronom über 64 Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (15); Harrison/McKee, Journal of Law & Economics 28 (1985), 653 (654 f.); Schanze, Ökonomische Analyse, S. 1 (12 ff.); ders., ZgS 138 (1982), 297 (302). 65 Näher zum Property-Rights-Approach Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 72; Demsetz, American Economic Review 57 (1967), 347 ff.; Ellger, Bereicherung, S. 269 ff.; R. Posner, Economic Analysis, S. 32 ff.; Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277 (282 ff.); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 97 ff. und 549 ff. 66 Flume, AT, Bd. 2, § 1/5, S. 6 f. 67 Siehe Graf, Vertrag, S. 61: „Verträge müssen im allgemeinen so beschaffen sein, daß sie die Interessen der Parteien besser als alternative Systeme des Gütertransfers fördern.“ 68 So aber Reinhardt, Grenzen, S. 1 (15): „Die Freiheit in der Betätigung privater Interessen gewinnt vom Gedanken des Rechts her ihren tieferen Sinn erst als hervorragendes Mittel zur Erzielung eines gerechten Interessenausgleichs!“
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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die Umschichtung von Eigentumsrechten. Dies entspricht nicht nur dem Postulat, gegenüber den Bürgern möglichst wenig Zwang anzuwenden, d.h. im vorliegenden Zusammenhang: einen an sich geschützten Eigentumsinhalt möglichst nicht ohne die Zustimmung des Rechtsinhabers zu entziehen. Vielmehr wird der Selbststeuerung durch Marktprozesse im Bereich privater Güterumschichtung auch aus ökonomisch-pragmatischer Sicht eine weitaus effizientere Ressourcenallokation zugetraut als kollektiven, gesetzgeberischen oder richterlichen Entscheidungen. Denn der Staat weiß in der Regel nicht um die Präferenzen der einzelnen Bürger, z. B. wer welche Güter und zu welchem Preis erwerben bzw. veräußern möchte. Es würde folglich entweder eine sinnlose Güterumschichtung erfolgen oder die Beschaffung der notwendigen Informationen, die für einen sachlich angemessenen Transfer erforderlich sind, wäre exorbitant teuer. In ökonomischer Terminologie würden viel höhere Transaktionskosten anfallen, als wenn das besagte Geschäft dem Markt überlassen bliebe. b) Das Eigentum als Voraussetzung des Markts Allerdings ist es die Vorbedingung eines leistungsfähigen Markts, Eigentumsrechte einem Rechtsträger zuzuteilen, der sie dann anbieten kann.69 Das berühmte Coase-Theorem steht dieser Annahme nicht entgegen, sondern bestätigt sie. Es besagt für den hier in Rede stehenden Zusammenhang, daß unter perfekten Marktbedingungen die Zuteilung eines Ausschlußrechts an eine bestimmte Person keine Voraussetzung dafür ist, daß eine effiziente Ressourcenallokation stattfindet.70 Dies deshalb, weil die Beteiligten als rational gedachte Parteien über beiderseitig vorteilhafte Verträge eine effiziente Lösung erzielen werden. So ist, um ein (abgewandeltes) Beispiel von Coase aufzugreifen, unter perfekten Marktbedingungen ein negatorisches Abwehrrecht eines Ackerbauern gegenüber einem benachbarten Viehzüchter, dessen Kühe einen Ertrag von 1000,– e abwerfen, der nicht abzuzäunenden Ernte des Ackerbauern aber 1500,– e Schaden zufügen, keine Vorbedingung für das Unter69
Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (8 und 19); in der Folge z. B. Behrens, Grundlagen, S. 116 ff.; Coleman, Risks, S. 147; G. Hesse, Handlungsrechte, S. 79 (90); Harrison/McKee, Journal of Law & Economics 28 (1985), 653 (654 f.); Hirshleifer, Price Theory, 490 f.; R. Posner, Economic Analysis, S. 32 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 105 f. 70 Coleman, Nomos 24 (1982), 83 (93); Eidenmüller, Effizienz, S. 61; Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (392). Die abstraktere ökonomische Aussage des Theorems ist, daß in perfekten Märkten keine Diskrepanz zwischen privaten und sozialen Kosten besteht: Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 ff.; Demsetz, Journal of Legal Studies 1 (1972), 13 (14 ff.).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
bleiben dieser volkswirtschaftlich ineffizienten Viehzucht. Denn bei Abwesenheit eines Ausschlußrechts wird der Ackerbauer dem Viehzüchter einen Betrag zwischen 1000,– e und 1500,– e anbieten und damit einen Verzicht auf das Recht zur Viehzucht erkaufen. Das Medium des Vertrags ermöglicht es den Parteien somit, sich auf die effizienteste Ressourcennutzung zu einigen und den hierdurch gegenüber alternativen Nutzungen erwirtschafteten Mehrwert untereinander aufzuteilen.71 Ob die Zahlungslast innerhalb des durch die Vertragsbeziehung ermöglichten gemeinsamen Unternehmens den Viehzüchter oder – wie im Beispiel aufgrund einer fehlenden Ausschlußmacht – den Ackerbauern trifft, ist für die effiziente Ressourcennutzung unerheblich.72 Diese Unerheblichkeit des Subjekts der Berechtigung in perfekten Märkten bedeutet aber gerade nicht, daß die Rechtszuteilung als solche entbehrlich wäre. Hätte jeder ein „Recht“ auf alles, würde dies zwar nicht notwendigerweise zu einem „bellum omnium contra omnes“ führen, in dem keine Kooperation im Sinne von einverständlichen Gütertransfers möglich wäre. Zahlreiche empirische Studien haben erwiesen, wie sich Formen von Eigentumsrechten auch unabhängig von staatlicher Rechtszuteilung entwickeln können.73 Die klare, wohldefinierte Zuordnung von Eigentumsrechten im Rahmen eines politischen Verbands verbessert die Funktionsfähigkeit eines Tauschsystems aber ganz erheblich. Ein schrankenloses Laissez-Faire ist in diesem Sinne mit einem leistungsfähigen Markt unvereinbar und führt häufig zu einer verschwenderischen Nutzung von Ressourcen.74 Aus diesen 71 Im gegebenen Beispiel besteht der Mehrwert, der aus der Einstellung der Viehzucht resultiert, in 500,- e. Seine Aufteilung zwischen dem Ackerbauern und dem Viehzüchter bestimmt sich danach, auf welchen, an den Viehzüchter für die Einstellung zu zahlenden Betrag zwischen 1000,- und 1500,- e die Parteien sich einigen. Fest steht nur, daß der Viehzüchter bei rationalem Verhalten nicht weniger als 1000,- e akzeptieren wird (diesen Betrag könnte er ohne einen Vertrag erwirtschaften) und der Ackerbauer nicht mehr als 1500,- e anbieten wird (denn einen höheren Schaden würde er auch ohne eine Einigung nicht erleiden). 72 Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (2 ff.); Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (396). Außer Betracht bleibt bei diesem Ansatz, daß die Rechtsverteilung die Verhandlungsspielräume der Parteien in einer Art und Weise bestimmen kann, die entscheidenden Einfluß auf den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung hat (sogenannte Wohlfahrtseffekte). Ausführlich hierzu Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (422 ff.). Allgemein dazu, daß eine wohlfahrtsmaximierend orientierte Analyse des Rechts gleichwohl Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigen kann, Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 114 (2001), 961 (989 ff.). 73 Siehe insbesondere Axelrod, Evolution; Ellickson, Order sowie im Überblick Maultzsch, Jahrbuch für Recht und Ethik 11 (2003), 491 (499 ff.). 74 Klassisch insoweit Hardins Beitrag „The Tragedy of the Commons“, Science 162 (1968), 1243 ff., der an Gedanken aus Aristoteles’, Politik, 1261b anknüpft.
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Gründen ist die originäre Zuteilung von Rechtssphären bereits Existenzbedingung des Markts und kann durch diesen nicht selbst geschaffen werden. Daher beginnt der Bereich von Tauschprozessen im Staat erst dort, wo eine originäre Abgrenzung von Rechtssphären erfolgt und verwirklicht ist. Hierbei kann diese Abgrenzung zwar ihrerseits unter Umständen wiederum an ein vertragliches Modell, nämlich dasjenige des Gesellschaftsvertrages anknüpfen.75 Diese Denkfigur, die nicht dem Gütertransfer, sondern der Güterverteilung und Rechtsabgrenzung dient, ist jedoch von individuellen Austauschvereinbarungen zu unterscheiden, die nur aufgrund einer feststehenden Güterverteilung reibungslos funktionieren können. In den Fällen der aufopferungsbezogenen Eingriffsbefugnisse wird nun aber auch jenseits der originären Rechtszuteilung und ihrer Verwirklichung nicht auf die Kompetenz der „unsichtbaren Hand des Markts“ zur Güterzuordnung und Konfliktlösung vertraut. Derjenige Eigentümer, der im Notstand nach § 904 Satz 1 BGB in Anspruch genommen wird, kann ebensowenig entscheiden, ob er den Eingriff des Gefährdeten zulassen möchte, wie der Eigentümer eines Grundstücks, das von Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB betroffen ist, dem Emittenten seine Zustimmung erteilen muß. Zwar erfolgt insoweit keine gänzliche Zwangsumschichtung, als zumindest der Gefährdete und der Emittent darüber entscheiden, ob sie den jeweiligen Eingriff in das fremde Recht vornehmen möchten. Niemand wird von der Rechtsordnung gezwungen, zur Abwendung eines unverhältnismäßig großen Schadens fremdes Eigentum in Anspruch zu nehmen oder sein Grundstück derart zu nutzen, daß Nachbarn durch ortsübliche Immissionen wesentlich beeinträchtigt werden. Insoweit sind Eingriffsbefugnisse dispositiv, d.h. es findet auf der Seite des Begünstigten noch Selbststeuerung statt.76 Ausgeschaltet ist diese aber auf der Seite des Eigentümers, den die Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB trifft, so daß die in Rede stehenden Konstellationen dem Markt entzogen sind, der sich gerade über eine beiderseitig autonome Entscheidung definiert. Die Anordnung von Eingriffsbefugnissen stellt folglich nicht nur eine Beeinträchtigung des Eigentums, sondern auch der Vertragsabschlußfreiheit des betroffenen Eigentümers dar, die durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt wird.77 Dieser Effekt privatrechtlicher Pflichten zur Eigentumsaufopferung ist seit langem erkannt worden. Traditionell bezeichnet 75 Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 74 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 112. 76 Eingehend Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 109 (1996), 713 (725 ff.); auch Graf, Vertrag, S. 348 f. 77 Für Verträge über Eigentum wird die Vertragsfreiheit nicht aus Art. 2 Abs. 1 BGB, sondern direkt aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitet: BVerfGE 86, 28 (37 ff.).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
man ein Regelungsgefüge aus Duldungspflicht und Ausgleichsanspruch, wie es sich bei den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB findet, als „Quasikontrakte“78 oder als „Zwangskauf“ bzw. „Zwangstausch“79. Jedoch hat es die Literatur bisher weitgehend versäumt, die Erkenntnis dieses Effekts – Ausschaltung des Markts durch Eigentumsaufopferung – systematisch zu einer Legitimationsgrundlage eigentumsbezogener Duldungspflichten im Bürgerlichen Gesetzbuch weiterzuentwickeln. Dieser Aufgabe sind die folgenden Ausführungen gewidmet. Hierbei kann vor allem auf anglo-amerikanische Literatur zur rechtsökonomischen Theorie der Eigentumsaufopferung zurückgegriffen werden, die den Zusammenhang zwischen der Kategorie des vertraglichen Austauschs und gesetzlich statuierten Eingriffsbefugnissen bereits eingehend gewürdigt hat. Wie sich im Rahmen der Betrachtung herausstellen wird, können diese Erkenntnisse auch für die §§ 904, 906 Abs. 2 BGB fruchtbar gemacht werden. c) Zwischenbemerkung zur Relevanz ökonomischer Argumente für das behandelte Thema Allerdings könnte gegen dieses Vorgehen eingewendet werden, daß rechtsökonomische Kategorien zwar gegebenenfalls durch den demokratischen Gesetzgeber bei der Setzung des deutschen (Zivil-)Rechts verwertbar seien, nicht aber eigenständig durch den Rechtsanwender bei der Anwendung dieses Rechts.80 So wird beispielsweise behauptet, daß sich in der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes alle Rechtsverhältnisse an einer sittlich-werthaltigen Autonomie des einzelnen orientieren müßten, die sich von dem ökonomischen Nutzendenken unterscheide.81 Gegen diesen Einwand ist jedoch folgendes zu bemerken: Zum einen wird hier keineswegs vorgeschlagen, das Kriterium rationalen Marktverhaltens als eine allgemeingültige Metatheorie des (Zivil-)Rechts zu etablieren,82 sondern geht es lediglich um die Berücksichtigung ökonomischer Erkenntnisse für einen spezifischen Regelungskontext und im Ein78
Rudolf Merkel, Kollision, S. 157 f. Binder, VersR 2003, 1226 (1227); Löffler, ZStW 21 (1901), 537 (579); Struck, Festschrift Esser, S. 171 (182). 80 In dieser Richtung etwa Eidenmüller, Effizienz, S. 393 ff. und Mathis, Effizienz, S. 188 ff. 81 Fezer, JZ 1986, 817 (822). 82 Zu einer deratigen Universalisierung des ökonomischen Verhaltensmodells aus anglo-amerikanischer Sicht grundlegend Becker, Journal of Political Economy 76 (1968), 169 ff. und Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 114 (2001), 961 ff.; kritisch hingegen Assmann, Transformationsprobleme, S. 17 (38 ff.); Eidenmüller, Effizienz, S. 28 ff. und N. Horn, AcP 176 (1976), 307 ff. 79
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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klang mit dem positivrechtlichen Normenbestand.83 Vor diesem Hintergrund ist es weder notwendig noch förderlich, an dieser Stelle eine abstrakte Diskussion über das Verhältnis rechtsökonomischer Kriterien zu dem klassischen Auslegungskanon der Methodenlehre zu führen. Zum anderen ist es ein unumstößliches Faktum, daß die Marktteilnehmer im Rahmen vertraglicher Güterumschichtungen typischerweise ihre individuellen Präferenzen verfolgen – die allerdings ohne weiteres altruistischer Natur sein können – und nicht hiervon losgelöste Verfassungswerte. Und dieser Umstand wird zumindest für denjenigen zugleich normativ bedeutsam sein, der den Staat nicht als reinen Selbstzweck begreift, sondern zumindest auch als Mittel individueller Selbstgestaltung. Vor diesem Hintergrund kann das Zivilrecht privates Verhalten nicht bloß regulierend überformen, sondern muß umgekehrt auch für den Blickwinkel individueller Rationalität offen sein. Folgerichtig erkennt die geltende Privatrechtsordnung absolute Rechte wie das Eigentum und rechtsgeschäftliche Handlungen vorbehaltlich besonderer Außenschranken unabhängig davon an, ob der einzelne seine Privatautonomie in den Dienst einer sittlich-demokratischen Grundhaltung stellt.84 Daher kann die Kategorie des Markts, d.h. eines Ortes individueller Präferenzverwirklichung, nicht aufgrund abstrakter Vorbehalte gegen rechtsökonomische Argumentationen a priori als Leitbild für die §§ 904, 906 Abs. 2 BGB verworfen werden.85 Entscheidend muß vielmehr sein, ob die Anwendung einer solchen Argumentation mit dem konkreten Gehalt dieser Normen vereinbar ist und zur Klärung der Reichweite der betreffenden Aufopferungsansprüche beitragen kann.86 Dieser Fragestellung sind die folgenden Ausführungen verpflichtet. d) Aufopferungspflichten als Ersatz für einen Markt Wenn die Rechtsordnung im Zusammenhang mit Duldungspflichten den Markt nicht in Dienst nimmt, obwohl sie privatautonomen Vereinbarungen im Bereich der Umschichtung von Eigentumsrechten grundsätzlich vertraut, liegt es nahe, den Grund hierfür in einem Defekt des Markts selbst zu suchen. Die Hypothese lautet somit, daß die aufopferungsbezogenen Eingriffsbefugnisse ein Handlungsrecht gewähren, das der Eigentümer und der Ein83 Siehe zu dieser Unterscheidung in bezug auf die Relevanz ökonomischer Kriterien im Recht statt aller Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (125 ff.). 84 Vgl. Flume, AT, Bd. 2, § 1/5, S. 6 f. 85 Zu geistesgeschichtlichen Barrieren gegenüber der Rezeption ökonomischer Argumente durch Juristen Schanze, ZgS 138 (1982), 297 ff. 86 Die Einbettung der hiesigen ökonomischen Argumentation in die Eigentumsordnung des Bürgerlichen Gesetzbuchs wird insbesondere unter D. III. 1. a) erläutert.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
greifende unter Abwesenheit von Hindernissen für einen Vertragsschluß mit größter Wahrscheinlichkeit privatautonom vereinbart hätten.87 Nach diesem Verständnis von Aufopferungspflichten als Marktimitation bestehen die Eingriffsbefugnisse deshalb, weil in ihrem Regelungsbereich kooperativen Marktprozessen nicht zugetraut wird, für das Mindestmaß an effizienter Güterumschichtung zu sorgen, das regelmäßig aus privatautonomem Verhalten folgt. Eine solche Situation liegt im Fall eines gravierenden Marktversagens vor, das folgerichtig in den Konstellationen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gegeben sein müßte, wenn die dort angeordneten Duldungspflichten als Marktimitation begreifbar sein sollen. Diese Normen sind daher im folgenden einer rechtsökonomischen Analyse zu unterziehen. In deren erstem Teil gilt es allgemein zu skizzieren, wann von einem Marktversagen gesprochen werden kann, das eine gesetzliche Güterumschichtung rechtfertigt. Im Anschluß ist zu überprüfen, ob die Konstellationen, welche von den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelt werden, diesem Gedanken zugeordnet werden können. Schließlich wird der Frage nachgegangen, inwieweit von dem Verständnis der Eingriffsbefugnisse als Marktimitation eine Verbindung zu der Ausgleichspflicht der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gezogen werden kann.88
3. Die Marktimitation als rechtliche Reaktion auf Marktversagen a) Externalitäten als Wohlfahrtsverluste aufgrund von Transaktionskosten Einen Zentralbegriff in der Kategorie des Marktversagens bildet derjenige der Externalität bzw. der externen Effekte. In der klassischen Sichtweise sind Externalitäten als positive oder negative Auswirkungen eines Verhaltens auf Dritte definiert.89 Ein positiver externer Effekt wäre beispielsweise der ästhetische Genuß, den Dritte mit dem Anblick eines privaten Bauwerks verbinden. Negative Externalitäten sind nach dem klassischen Verständnis schädigende Wirkungen eines bestimmten Verhaltens für Dritte. Ein ökonomisches Problem stellen Externalitäten immer dann dar, wenn sie nicht in die individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung des Handelnden eingehen. Denn dann werden die besagten Verhaltensfolgen bei der Entscheidung über die Vornahme der Handlung von einem rationalen Individuum nicht berücksich87
Coleman, Risks, S. 169 f. Unten D. III. 89 Siehe Behrens, Grundlagen, S. 85 ff.; Salje, Rechtshteorie 15 (1984), 277 (284 f.); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 559 und 565. 88
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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tigt und können im Fall von positiven Externalitäten zu einem volkswirtschaftlich unerwünscht niedrigen Aktivitätsniveau führen, während negative Externalitäten zur Vornahme volkswirtschaftlich ineffizienter Handlungen führen können. Denn das rationale Individuum wird eine Handlung mit positiven externen Effekten nicht vornehmen, wenn es für diese im Verhältnis zu seinen Handlungskosten nicht hinreichend „belohnt“ wird. Umgekehrt kann der Umstand, daß bestimmte negative Verhaltensfolgen nicht bei dem Handelnden, sondern einem Dritten eintreten, zur Vornahme von Handlungen führen, die dem Dritten mehr schaden als sie dem Handelnden nutzen und daher volkswirtschaftlich ineffizient sind. Die sozialen Kosten eines bestimmten Verhaltens übersteigen dann die privaten Kosten für den Handelnden und werden daher bei der Verhaltensentscheidung nicht vollständig berücksichtigt. Folgerichtig wurde es ursprünglich als eine generell notwendige Form der Korrektur von Marktversagen angesehen, negative Externalitäten über Haftungspflichten oder an das Verhalten geknüpfte Lenkungssteuern in die Bilanz des Handelnden zu internalisieren.90 Umgekehrt nahm man an, die Erzeugung positiver Externalitäten müsse stets über kollektive Mechanismen belohnt werden, z. B. durch Subventionen, um Anreize für die Vornahme solcher Handlungen zu geben. Das Verständnis von Externalitäten und Marktversagen hat sich jedoch seit Coases bahnbrechender Arbeit „The Problem of Social Cost“91 maßgeblich geändert. Seiner Schlußfolgerung, nach der eine effiziente Ressourcenallokation unter perfekten Marktbedingungen nicht von der Zuordnung von Eigentumsrechten zu einer bestimmten Person abhängt (sogenanntes CoaseTheorem),92 geht die grundlegende Erkenntnis voraus, daß nicht a priori bestimmt werden kann, was eine schädigende oder eine nützliche Wirkung ist und damit eine Externalität im klassischen Sinne begründet. Schädigt, um auf das oben erörterte Beispiel zurückzukommen, der Viehzüchter den Akkerbauern, wenn er Vieh anschafft, das die Ernte des letzteren zerstört, oder schädigt der Ackerbauer den Viehzüchter, wenn er die Gewinn versprechende Anschaffung des Viehs verhindert? Diese Frage kann erst auf der Basis konkret zugeordneter Abwehrrechte beantwortet werden. Daher gibt es auch keinen rein deskriptiven Begriff der negativen Externalität im Sinne schädigender Handlungsfolgen. Welche Ereignisse als relevante Schäden begriffen werden, ergibt sich erst aus normativen Erwägungen.93 Darüber hinaus wird, wie Coase dargelegt hat, ein Vertrag zwischen dem jeweils Handelnden und den von Handlungsfolgen betroffenen Personen 90 91 92 93
Pigou, Welfare, S. 127 ff. Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 ff. Siehe oben D. II. 2. b). Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (12 ff.).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
unter perfekten Marktbedingungen stets eine effiziente Ressourcenallokation hervorbringen,94 die gerade nicht von der Zuordnung des Abwehrrechts zu einem bestimmten Beteiligten abhängt. Ein Verhalten, das dem Handelnden einen Gewinn von 1000,– e einbringt, aber bei einer anderen Person Einbußen von 1500,– e nach sich zieht, wird unabhängig von einem Ausschlußrecht des Betroffenen unterbleiben, wenn die Beteiligten in effizienter Weise verhandeln können. Denn wie bereits erörtert, kann der „Geschädigte“ dem Handelnden zwischen 1000,– e und 1500,– e für ein Unterlassen des Verhaltens anbieten.95 In einem solchen Fall wäre die Ausübung eines bestehenden Handlungsrechts für seinen Inhaber teurer als ein vertraglicher Verzicht auf dieses. Denn es kostet die profitable Abfindung, die der potentiell Betroffene bereit ist zu zahlen. Das Ausschlagen eines solchen möglichen Gewinns (sogenannte Opportunitätskosten) kommt aus ökonomischer Sicht einem erlittenen Schaden gleich. Anders formuliert sind die privaten Kosten der Wahrnehmung von Rechten für den Inhaber in perfekten Märkten stets identisch mit den sozialen Kosten der betreffenden Handlung, die Auswirkungen auf Dritte einschließen. Denn mit der Ausübung des Rechts (Handlungs- oder Abwehrrecht) verzichtet dessen Inhaber zugleich auf einen Abkauf des Rechts durch Drittbetroffene und somit eine etwaige positive Differenz zwischen dem erzielbaren Kaufpreis und dem Nutzen, der aus der Rechtsausübung für ihn entsteht. Austauschverträge internalisieren daher externe Effekte in die individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung des jeweils Handelnden. Wenn somit erstens eine negative Externalität im Sinne einer schädigenden Wirkung nur auf der Basis bereits individuell zugeteilter Rechtspositionen definiert werden kann, aber zweitens die konkrete Person des Trägers der Rechtsposition bei der problemlosen Möglichkeit, Verträge zu schließen, für ein effizientes Verhalten unerheblich ist, können die Begriffe der negativen Externalität und des Marktversagens selbst nicht sinnvoll über schädigende Verhaltensfolgen für Dritte definiert werden. Vielmehr wird aus dem Vorstehenden deutlich, daß eine ineffiziente Externalität dann vorliegt, wenn ein Tun oder Unterlassen nicht durch einen Vertrag unterbunden wird, obwohl es einem anderen mehr schadet als es dem Handelnden nutzt. Externe Effekte sind somit nicht-realisierte Gewinne, die aus einer Änderung bestimmter Verhaltensweisen resultieren würden, aber aufgrund von Hindernissen nicht erzeugt werden, die für einen entsprechenden Vertragsschluß zwischen dem Handelnden und dem von Handlungsfolgen Betroffenen bestehen.96 Diese Hindernisse für einen effizienzsteigernden Vertrags94
Im Beispiel: Anschaffung des Viehs nur dann, wenn die hierdurch für die Ernte erzeugte Einbuße den aus der Viehhaltung erwirtschafteten Gewinn nicht übersteigt. 95 Siehe oben D. II. 2. b).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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schluß werden in ökonomischer Terminologie als Transaktionskosten bezeichnet. Was im einzelnen dem Begriff der Transaktionskosten zugerechnet werden kann, ist in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur umstritten.97 Für die Zwecke dieser Darstellung reicht es jedoch aus, Transaktionskosten als diejenigen Faktoren zu definieren, die einen vertraglichen Güteraustausch erschweren, der den Präferenzen der Parteien entspricht, d.h. ihren subjektiven Wertvorstellungen.98 Dies können nicht nur monetäre Vertragskosten (Transportkosten etc.) sein, sondern auch Zeitaufwand oder insbesondere mangelnde Informationen, die eine für alle Beteiligten profitable Vertragbeziehung vereiteln. Sofern derartige Hindernisse für Vertragsschlüsse vorliegen, ergeben sich effiziente Ressourcenallokationen folgerichtig nicht mehr unabhängig von der rechtlichen Zuordnung von Handlungs- und Abwehrrechten zu einer bestimmten Person.99 Genauer gesagt wird eine an sich effiziente vertragliche Güterumschichtung immer dann unterbleiben, wenn die Transaktionskosten den Mehrwert übersteigen, der aus dem Vertrag für die Beteiligten erzielbar wäre.100 b) Die Zuteilung rechtlicher Befugnisse als Ausgleich von Transaktionskosten Da privatautonome Vereinbarungen in einem solchen Fall prohibitiver Transaktionskosten nicht zu einer allseitig vorteilhaften Lösung führen, muß bereits die Rechtsordnung Handlungs- bzw. Abwehrrechte demjenigen zuteilen, der aus ihnen den größten Nutzen ziehen kann, wenn eine effiziente Ressourcenallokation erreicht werden soll.101 Die Rechtsordnung übernimmt insoweit die Koordinationsfunktion, die typischerweise Austauschverträge erfüllen, aber in den betreffenden Konstellationen aufgrund der Transaktionskosten nicht wahrnehmen können. Die rechtliche Zuordnung von Ausschluß- bzw. Handlungsrechten imitiert dann das Ergebnis, welches ein effizienter Markt bei Abwesenheit der Transaktionskosten ergeben hätte (sogenanntes market mimicking).102 96 Heller, Wisconsin Law Review 1976, 385 (396 f.); Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (398). 97 Siehe Eidenmüller, Effizienz, S. 97 ff. 98 Weiterführend Behrens, Grundlagen, S. 106 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 100 ff. 99 Statt aller Demsetz, Journal of Legal Studies 1 (1972), 13 (25 ff.). 100 Siehe Calabresi, Journal of Law & Economics 11 (1968), 67 (71). 101 Allerdings können unter gewissen Bedingungen auch private Mechanismen das transaktionskostenbedingte Versagen von Märkten ausgleichen. In Betracht kommen beispielsweise der Zusammenschluß zu Unternehmen oder die Etablierung dauerhafter Rechtsbeziehungen mit Rahmenvereinbarungen; grundlegend Coase, Economica 4 (1937), 386 ff.; siehe auch Eidenmüller, Effizienz, S. 93 ff. m. w. N.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Wer ein bestimmtes Handlungs- bzw. Abwehrrecht unter optimalen Marktbedingungen erworben hätte (bzw. es nicht veräußert hätte, sofern es ihm rechtlich bereits zustand), kann im Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse (cost-benefit-analysis) festgestellt werden. Die Anwendung dieses Verfahrens zur Ermittlung eines hypothetischen Marktverhaltens beruht auf der Annahme, daß sich Privatpersonen in vertraglichen Austauschbeziehungen von rationalen Gesichtspunkten leiten lassen, d.h. ihre subjektiven Präferenzen maximieren. Zu diesen subjektiven Präferenzen zählen selbstverständlich nicht nur monetäre Interessen, sondern alle Ziele, die den betreffenden Beteiligten wichtig sind. Daher können gegebenenfalls auch altruistische Motive in eine Kosten-Nutzen-Analyse Eingang finden.103 Wenn beispielsweise eine Person A an einer Handlung ein Interesse hat, eine andere Person B aber an deren Unterbleiben, kommt es darauf an, ob A die Möglichkeit der Handlung subjektiv höher bewertet als B das Unterbleiben der Handlung oder umgekehrt. Im ersten Fall hätte eine vertragliche Vereinbarung unter effizienten Marktbedingungen zu einem Erwerb des Handlungsrechts durch A geführt (bzw. zu einem Nichterwerb eines Handlungsverzichts durch B, sofern A bereits de lege ein solches Recht zusteht), weil die Kosten eines Handlungsrechts des A für B geringer sind als der Nutzen desselben für A. Im zweiten Fall hingegen hätte A dem B sein Abwehrrecht nicht abgekauft (bzw. hätte B dem A das Recht zur Handlung abgekauft, sofern es letzterem de lege zusteht); die Kosten des Handlungsrechts würden dessen Nutzen übersteigen. 102 Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (17 f.); Goetz/Scott, Virginia Law Review 69 (1983), 967 (971); R. Posner, Economic Analysis, S. 15 f. Allerdings stellt es nach einer neueren Lehre innerhalb der ökonomischen Analyse des Rechts nicht stets die beste Reaktion der Rechtsordnung auf Transaktionskosten dar, Ergebnisse zu imitieren, die ein Vertrag bei Abwesenheit der Transaktionskosten ergeben hätte. Nach dieser Auffassung sollen die rechtlichen Regelungen dann, wenn die Transaktionskosten eine individuelle vertragliche Vereinbarung zwar erschweren, aber nicht kategorisch verunmöglichen, so gewählt werden, daß sie Anreize geben, trotz der Transaktionskosten zu einer Vereinbarung zu gelangen. Erreicht werden kann dies durch die Anordnung einer dispositiven Rechtsfolge, die für diejenige Partei ungünstig ist, welche die besagten Transaktionskosten typischerweise am besten überwinden und daher eine effiziente vertragliche Vereinbarung in die Wege leiten kann: Ayres/Gertner, Yale Law Journal 99 (1989), 87 ff.; dies., Yale Law Journal 101, (1992), 729 (746 ff.); Bebchuk/Shavell, Journal of Law, Economics & Organization 7 (1991), 284 ff. In den Fällen der hier betrachteten Eingriffsbefugnisse sind die Transaktionskosten jedoch regelmäßig nicht überwindbar [näher unten D. II. 7. a)], so daß die angeführte Lehre vorliegend nicht einschlägig ist. Siehe noch allgemein zu einer Kritik dieser Auffassung Adler, Stanford Law Review 51 (1999), 1547 ff.; Johnston, Yale Law Journal 100 (1990), 615 ff. 103 Ausführlich hierzu Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 114 (2001), 961 ff.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Sofern die Rechtsordnung ein marktimitierendes Ergebnis über eine Eingriffsbefugnis erzielen will, müssen folgerichtig die Zahlungsbereitschaft des Eingreifers (Kaufbereitschaft) und die Zahlungsannahmebereitschaft des Rechtsinhabers (Verkaufsbereitschaft) verglichen werden. Eine Duldungspflicht ist effizient, wenn der Eingreifende bereit ist, für das Recht zu dem betreffenden Eingriff mindestens soviel auszugeben, wie der Eigentümer für eine Gestattung des Eingriffs im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung verlangen würde. Somit werden im Wege der Kosten-Nutzen-Analyse die subjektiven Präferenzen in derselben Weise in Geldbeträge übersetzt, wie dies auch bei der Einigung auf einen vertraglichen Güteraustausch geschieht.104 Nach dem sogenannten Kaldor-Hicks-Test ist die Zurücknahme eines an sich bestehenden Ausschlußrechts des Eigentümers dementsprechend legitim, wenn der Eingreifende mindestens soviel gewinnt wie der Eigentümer durch den Eingriff verliert, der erstere den letzteren also vollständig kompensieren könnte.105 In einem solchen Fall ist der Eigentümer derjenige, der die Auflösung des Interessenkonflikts in Gestalt einer Duldungspflicht mit den geringsten Kosten zu tragen vermag. Er ist mit den Worten Calabresis106 der „cheapest cost avoider“.107 Eine derartige Kosten-Nutzen-Abwägung findet ihre Legitimation somit letztlich nicht in rein objektiven Wertvorstellungen des Gesetzgebers, sondern in ihrer Anknüpfung an die subjektiven Präferenzen der Betroffenen:108 Die Veränderung eines Zustands ist nach weithin unbestrittener Ansicht wünschenswert, wenn durch sie niemand schlechter gestellt, aber mindestens eine Person besser gestellt wird. Der neue Zustand heißt in diesem Fall „Pareto-superior“.109 Zustandsänderungen, die den Kaldor-Hicks-Test 104
Kornhauser, Journal of Legal Studies 29 (2000), 1037 (1039). Kaldor, Economic Journal 49 (1939), 549 ff.; Hicks, Economic Journal 49 (1939), 696 ff. 106 Costs, S. 135 ff. 107 Hierbei ist zu berücksichtigen, daß sich die ökonomische Überlegenheit der Lösung, durch einen Ausschluß des betreffenden Abwehrrechts eine effiziente Ressourcennutzung herbeizuführen, nicht auf das Zwei-Personen-Verhältnis des Eingriffsbefugten zu dem Duldungspflichtigen beschränken darf, sondern auch die Leistungsfähigkeit Dritter, insbesondere des Staats einbeziehen muß. Z. B. setzt die Legitimität des § 904 Satz 1 BGB aus ökonomischer Sicht nicht nur voraus, daß der Notstandseingriff ein höheres Interesse schützt als er verletzt, sondern auch, daß der Staat die betreffenden Gefahren nicht durch flächendeckende Sicherheitsvorkehrungen mit Kosten vermeiden kann, die typischerweise unter dem Eingriffsschaden des Duldungspflichtigen liegen; siehe Pawlik, Notstand, S. 225 f. 108 Eidenmüller, Effizienz, S. 51; R. Posner, Hofstra Law Review 8 (1980), 487 (488 ff.). 109 Siehe Coleman, Risks, S. 18 f.; R. Posner, Economic Analysis, S. 12 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 24 ff. 105
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
erfüllen, sind ihrerseits potentiell Pareto-superior. Wenn z. B. im Fall eines Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte der Eingriffsbefugte dem Eigentümer die hypothetisch geforderte Kompensation tatsächlich zukommen läßt, stehen beide Personen besser oder zumindest nicht schlechter als ohne die Veränderung, da sie ja anderenfalls nicht bereit gewesen wären, die Güterumschichtung zu dem entsprechenden Preis vorzunehmen.110
4. Exkurs: Die Ermöglichung wertschöpfender Kooperation durch das Zivilrecht In der Literatur begegnet man der Annahme, das Privatrecht habe „nichts zu verschenken; es kann dem einen nur geben, was es einem anderen nimmt“.111 Nach diesem Verständnis besteht die Aufgabe des Zivilrechts einzig darin, bereits vorhandene Werte zu verteilen. Der Unterhalt, den das Kind nach den §§ 1601 ff. BGB von seinen Eltern verlangen kann, geht diesen verloren; die Wertsteigerung, welche eine Kaufsache für den Käufer durch Nachbesserung erfährt, macht den Verkäufer um einen entsprechenden Betrag ärmer (§ 439 Abs. 2 BGB); das Eigentum des einen begrenzt die Handlungsfreiheit der anderen etc. Dieses Bild ist jedoch falsch oder zumindest höchst unvollständig. Vorstehend wurde bereits dargelegt, daß die Rechtsordnung in bestimmten Fällen über Eingriffsrechte ein Ergebnis simulieren kann, welches die Beteiligten bei Abwesenheit von Transaktionskosten zum beiderseitigen Vorteil vorgenommen hätten. Dies bildet ein Paradebeispiel für Konstellationen, in denen das Privatrecht nicht rein umverteilend tätig wird, sondern zusätzliche Wertschöpfung ermöglicht. Durch die Übertragung einer rechtlichen Befugnis auf eine Person, die sie höher bewertet als ihr derzeitiger Inhaber, wird ein Gewinn geschaffen. Es gehört sogar zur Hauptaufgabe zumindest des Vertrags- und Sachenrechts, die Erzeugung von Werten im Sinne einer Steigerung der Verwirklichung individueller Präferenzen zu fördern, die im „Naturzustand“ nicht oder nur in geringerem Maße möglich wäre. Die Spieltheorie verdeutlicht dies paradigmatisch anhand der Situation eines sogenannten Gefangenendilemmas:112 In diesem Gedankenexperiment wird angenommen, daß zwei Personen ein Verbrechen begangen haben, das mit einer Höchststrafe von 10 Jahren 110 Außer acht gelassen seien dabei an dieser Stelle Auswirkungen des Güteraustauschs auf andere Personen als die Vertragsparteien sowie deren mögliche Rückwirkungen auf die vertragliche Vereinbarung; siehe Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (438); R. Posner, Economic Analysis, S. 12 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 394 ff. 111 Medicus, AcP 192 (1992), 35 (57). 112 Näher Baird/Gertner/Picker, Game Theory, S. 31 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse3, S. 468 ff.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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belegt ist. Sie werden von der Staatsanwaltschaft verhört, die ihnen ohne das Geständnis mindestens eines Verdächtigen jedoch nur ein minderschweres Vergehen (Höchststrafe 2 Jahre) nachweisen kann. Beide Verdächtige werden vor die folgende Wahl gestellt: Wenn sie aussagen und der andere nicht, wird der Aussagende mit einer großzügigen Strafmilderung auf 1 Jahr belohnt, während der andere – durch die Aussage ebenso Überführte – die Höchststrafe von 10 Jahren erhält. Sagen beide aus, müssen sie jeweils eine achtjährige Haftstrafe verbüßen. Eine stärkere Belohnung erfolgt nicht, da dann keine der Aussagen dazu erforderlich war, auch den anderen zu verurteilen. Schweigen beide, beläuft sich das Strafmaß wie bereits gesagt auf jeweils 2 Jahre. Unter Zugrundelegung rationalen Verhaltens wird in diesem Szenario jeder der beiden Verdächtigen folgenden Denkprozeß durchlaufen: „Wenn ich aussage und der andere nicht, muß ich nur 1 Jahr in das Gefängnis. Sagt auch der andere aus, erhalte ich 8 Jahre Haft. Wenn ich hingegen schweige, stehe ich unabhängig davon schlechter, ob der andere aussagt oder nicht: Schweigt er, erhalte ich 2 Jahre. Sagt er aus, ereilt mich eine Strafe von 10 Jahren. Also sage ich in jedem Fall aus.“ Im Ergebnis werden folglich beide Täter gestehen und jeweils 8 Jahre verbüßen. Hätten sie geschwiegen, wären sie aber nur mit jeweils 2 Jahren bestraft worden. Kooperation wäre also für beide vorteilhaft, d.h. Pareto-superior gewesen, aber gleichwohl nicht individuell rational. Wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten, einen bindenden Vertrag abzuschließen, der beiderseitiges Schweigen und für einen „Verrat“ eine hinreichend strenge Sanktion vorsieht, wäre es für beide Beteiligten hingegen auch individuell rational gewesen, sich an den Vertrag zu halten und beide hätten 6 Jahre Haft eingespart.113 Die vertragliche Sanktion würde den (negativen) externen Effekt, den eine Aussage jeweils für den anderen hat, in die private Kosten-Nutzen-Rechnung internalisieren und letztlich beiden Verdächtigen helfen, indem sie Kooperation individuell rational macht.114 Natürlich ist die Möglichkeit eines solchen Vertrags nicht wünschenswert. Er würde die Rechtspflege behindern und wäre daher ein unzulässiger Vertrag zu Lasten der Allgemeinheit.115 Das Beispiel verdeutlicht jedoch, daß die Verfügbarkeit eines bindenden Vertragsrechts nicht nur Werte umverteilen kann, sondern auch deren Schaffung ermöglicht. Man denke etwa an ein Kreditinstitut, das mit einem Betrag von 100,– e nach den ihm bekannten Investitionsmöglichkeiten eine maximale Jahresrendite von 9,– e erzielen kann. Ein Unternehmer wäre jeSchäfer/Ott, Ökonomische Analyse3, S. 470 f. Zur Internalisierung externer Effekte durch Verträge bereits oben D. II. 3. 115 Verträge internalisieren soziale Kosten eines Verhaltens selbst in perfekten Märkten nur insoweit, als sie bei den am Vertrag Beteiligten anfallen; siehe Fn. 110. 113 114
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
doch in der Lage, mit einem entsprechenden Kredit binnen Jahresfrist 11,– e zu erwirtschaften. Es würde folglich ein zusätzlicher Wert von 2,– e geschaffen, wenn der Kredit zustande käme. Dies wird jedoch ohne ein durch die staatliche Gewalt garantiertes Vertragsrecht vermutlich nicht der Fall sein.116 Denn wenn dem Unternehmer der Kredit einmal ausgezahlt ist, wird er ihn ohne das Bestehen einer im Notfall zwangsweise durchsetzbaren Rückzahlungspflicht nicht zurückerstatten; vorausgesetzt er fühlt sich dem Kreditinstitut nicht altruistisch verbunden und ist auch nicht in der Zukunft auf eine Geschäftsbeziehung zu der Bank angewiesen.117 Dies wird aber wiederum das Kreditinstitut vorhersehen und den Kredit erst gar nicht gewähren. Zwar könnte daran gedacht werden, daß sich die Bank bei der Kreditgewährung eine Sicherheit bestellen läßt, z. B. ein Pfandrecht, aus dem sie sich selbst befriedigen kann. Auch die Möglichkeit einer solchen Sicherheit setzt jedoch in der Regel das Eingreifen der Privatrechtsordnung voraus, insbesondere des Zwangsvollstreckungsrechts. Das Kreditinstitut und der Unternehmer befinden sich insoweit in einem Gefangenendilemma: Kooperation wäre für beide vorteilhaft, ist aber ohne eine Vertragsrechtsordnung individuell irrational. Ein Großteil der Wohlfahrtssteigerungen, die aus Austauschbeziehungen resultieren, welche nicht mit simultanen Zug-um-Zug Leistungen auskommen, wird daher erst durch das staatlich garantierte Vertragsrecht ermöglicht. Dieses reduziert die Transaktionskosten in beträchtlichem Maße, die entstehen würden, wenn die Parteien ihre Rechtsbeziehungen selbst gegen einen Bruch der Vereinbarung durch den jeweils anderen Teil immunisieren müßten (z. B. durch entsprechend ausgestaltete Sicherheiten). Die Möglichkeit, sich vertraglich zu binden, nützt entgegen dem ersten Anschein somit nicht nur dem Erklärungsempfänger, sondern auch dem Erklärenden, weil ansonsten die für ihn vorteilhafte Austauschbeziehung möglicherweise gar nicht zustande käme.118 Und eine ähnliche Bedeutung für die Wertschöpfung hat das Sachenrecht, insbesondere das Institut des Eigentums.119 Nur wenn wohldefinierte Ausschlußrechte an Sachen bestehen, kann der Marktmechanismus mit hinreichender Sicherheit bewirken, daß diese einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden. Ohne diese Voraussetzung würden prohibitive Transaktionskosten entstehen, beispielsweise wenn ein potentieller Investor ein Grundstück nicht nur von einem Eigentümer erwerben, sondern mit jeder 116
Baird/Gertner/Picker, Game Theory, S. 53 ff. Grundlegend zu der kooperationsfördernden Wirkung andauernder Beziehungen Axelrod, Evolution. 118 Graf, Vertrag, S. 28. 119 Siehe oben D. II. 2. b). 117
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Person fertig werden müßte, die nach und nach bei ihm anklopft und eine Abfindung dafür verlangt, daß sie die Nutzung des Grundstücks durch den Investor „duldet“. Zwar befassen sich andere Teilbereiche des Privatrechts vorwiegend oder ausschließlich mit einer Umverteilung vorhandenen Vermögens. Das erwähnte Unterhaltsrecht ist ein Beispiel hierfür. Dort geht es um eine Verlagerung von Vermögen zwischen bestimmten Personen, die in einer besonderen Nähebeziehung stehen, was durch privatrechtliche Normen in zufriedenstellender Weise bewerkstelligt werden kann.120 Hingegen ist für eine Umverteilung von Vermögen unter Fremden das Steuersystem in aller Regel viel besser geeignet als das Zivilrecht, das auf Rechtsverhältnisse mit in der Regel wenigen Beteiligten ausgerichtet ist.121 Etwaige Umverteilungszwecke können in diesem Rahmen kaum systematisch verfolgt werden und scheitern auch häufig an der Flexibilität, die sich aus dem Preismechanismus ergibt:122 Beispielsweise führen verbraucherschützende Normen nicht selten zu einer Preiserhöhung für die betreffenden Leistungen und werden somit nicht von den Anbietern, sondern den Verbrauchern selbst bezahlt. Der Umverteilungsgedanke kann dann allenfalls innerhalb der Gruppe der Verbraucher erfolgreich eingreifen. Wenn etwa die Kosten einer zweijährigen Mängelhaftung nach den §§ 437 ff. BGB in das Preisniveau eingehen, führt die zwingende Geltung dieser Rechte (vgl. die §§ 474, 475 BGB) zu einer Pflichtversicherung der Verbraucher. Diejenigen, welche die Mängelrechte nicht in Anspruch nehmen, zahlen für die anderen mit. Der Versuch einer Umverteilung durch Privatrecht ist daher bei genauerem Hinsehen häufig ein untauglicher und bewirkt anderes, als eigentlich beabsichtigt war.123 120 Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, selbst im Unterhaltsrecht nicht nur ein Mittel der Umverteilung, sondern der Wertschöpfung zu sehen: Unterhaltspflichtig ist jeweils ein Leistungsfähiger gegenüber einem Leistungsbedürftigen (vgl. die §§ 1602, 1603, 1360, 1360a BGB). Unter Berücksichtigung des Umstands, daß Geld für seinen Inhaber einen abnehmenden Grenznutzen hat (siehe Eidenmüller, Effizienz, S. 43 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 72 ff.), bewirkt somit auch die Unterhaltsleistung einen Wohlfahrtsgewinn. Anders ausgedrückt ist jede transferierte Geldeinheit für den Bedürftigen mehr wert als für den Leistungsfähigen. 121 Kaplow/Shavell, Journal of Legal Studies 23 (1994), S. 667 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 37 m. w. N.; C. C. von Weizsäcker, Property Rights, S. 123 ff.; differenzierend Eidenmüller, Effizienz, S. 283 ff. 122 Polinsky, Law and Economics, S. 121 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 8; Taupitz, AcP 196 (1996), 114 (141). 123 Vgl. den Erwägungsgrund Nr. 22 der Richtlinie 1999/44/EG vom 25. Mai 1999 (Verbrauchsgüterkaufrichtlinie), die den Regelungen der §§ 437 ff., 474 f. BGB zugrunde liegt: „Die Vertragsparteien dürfen die den Verbrauchern eingeräumten Rechte nicht durch Vereinbarung einschränken oder außer Kraft setzen, da dies den gesetzlichen Schutz aushöhlen würde.“ Der Effekt einer Pflichtversicherung der Verbraucher wird hier weder thematisiert, geschweige denn legitimiert.
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Aus all diesen Gründen besteht die wichtigste Aufgabe des Zivilrechts in der Ermöglichung wertschaffender Kooperation zwischen den Rechtssubjekten. Dies geschieht insbesondere im Wege der Reduktion von Transaktionskosten durch das Vertrags- und Sachenrecht. Den Rechtssubjekten werden durch diese Institute keine objektiven Werte vorgegeben, die sie zu verfolgen hätten, sondern ihnen steht ein privatautonomer Rahmen zur Verfügung, den sie in den Grenzen zwingender Normen (§§ 134, 138 BGB etc.) nach eigenen Vorstellungen ausfüllen. Und nach dem hier angedachten Modell sind auch privatrechtliche Aufopferungspflichten zur Duldung von Eigentumseingriffen wie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht als Mittel der Redistribution bestehender Werte, sondern als ein Surrogat für wertschaffende Austauschverträge zu sehen, die an prohibitiven Transaktionskosten scheitern. Dies ist ein bedeutsamer Umstand, der die Reichweite der Aufopferungshaftung beeinflußt und auf den an verschiedenen Stellen zurückzukommen sein wird.
5. Die Grenzen des Prinzips der Marktimitation als Grundlage von Eingriffsbefugnissen Allerdings wäre es verfehlt, dem Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse im dargestellten Sinne dieselbe Überzeugungskraft beizumessen wie einer tatsächlichen vertraglichen Vereinbarung.124 Während bei letzterer die Parteien ihre Interessen selbst wahrnehmen und ihre individuellen Präferenzen selbst zum Ausdruck bringen, bezieht sich eine Kosten-Nutzen-Analyse zwar auf diese subjektive Willensrichtung. Ermittelt und angewendet werden diese Präferenzen aber letzten Endes durch den Gesetzgeber bzw. den konkretisierenden Rechtsanwender, d.h. im Wege einer objektiven Beurteilung. Wie im Rahmen der Diskussion eines allgemeinen Aufopferungsprinzips bereits angedeutet und insbesondere durch Hayek herausgearbeitet wurde, steht eine solche Beurteilung aufgrund begrenzter Informationen des Entscheidungsträgers stets in der Gefahr von Fehleinschätzungen (sogenanntes Wissensproblem).125 Ein auf der Basis objektiv erkennbarer Umstände angenommener hypothetischer Wille einzelner besitzt demnach nicht dieselbe Wirkungsmacht wie eine tatsächliche privatautonome Entscheidung. Es darf daher bei der Beurteilung, ob eine Befugnis zum Eingriff in Eigentumsrechte angemessen ist, nicht von einer Kosten-Nutzen-Analyse ausgegangen und aus dem etwaigen Ergebnis, daß ein Dritter die Abwesen124
Grundlegend Graf, Vertrag, S. 15 ff. und 293 ff. Grundlegend von Hayek, American Economic Review 35 (1945), 519 ff.; spezifisch auf die Zuteilung privater Rechte bezogen Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (41 f.); Coleman, Nomos 24 (1982), 83 (94 ff.); Ellickson, Order, S. 171 f. 125
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heit eines an sich gegebenen Abwehrrechts des Eigentümers nach Maßgabe der verfügbaren Informationen höher bewertet als dieser das Abwehrrecht selbst, geschlossen werden, einzig hohe Transaktionskosten hätten einen vertraglichen Verzicht auf das Abwehrrecht vereitelt. Dieses Vorgehen würde einer Verwirklichung des Aufopferungsprinzips Hubmanns im technischen Gewand der Kosten-Nutzen-Analyse nahekommen und sieht sich daher denselben Einwänden ausgesetzt.126 Insbesondere würde es die Entscheidungshoheit des Eigentümers über sein Recht und die Richtigkeitsvermutung zugunsten privatautonomen Verhaltens vernachlässigen, wozu nicht nur vertragliche Gütertransfers, sondern auch deren Nichtvornahme zählen. Die Voraussetzung eines legitimen Rechtsentzugs auf der Basis einer Kosten-Nutzen-Abwägung ist vielmehr die Feststellung eines eindeutigen prozeduralen Defekts der unterbliebenen Güterumschichtung. Privatautonomes Verhalten muß das grundsätzlich maßgebliche Kriterium bleiben, weshalb für die Berechtigung einer Duldungspflicht ein klar identifizierbarer Mangel dieses Verhaltens (scil. des Nichtabschlusses eines Vertrags) erforderlich ist. Und dieser Mangel kann nur in erheblichen Transaktionskosten bestehen. Aufopferungsbezogene Eingriffsbefugnisse müssen daher auf typisierte Fallgruppen eindeutig nachweisbarer Transaktionskosten beschränkt bleiben.127 Welche Konstellationen diese Voraussetzung in hinreichendem Maße erfüllen, untersteht in letzter Instanz wiederum einem Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Die bisherigen Darlegungen führen zu der These, daß diejenigen speziellen Tatbestandsvoraussetzungen, die in den gesetzlich angeordneten Duldungspflichten neben dem Vorliegen eines überwiegenden Interesses enthalten sind, eine Chiffre für jeweils typisierbar hohe Transaktionskosten darstellen. Dies würde z. B. für das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefahrenlage bei § 904 Satz 1 BGB oder für die Charakteristika der Immissionssituation im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB gelten. Diese Annahme, der im folgenden noch näher nachgegangen wird, knüpft bruchlos an die Kritik gegenüber dem Hubmannschen Aufopferungsprinzip an, nach der dieses nicht den gesetzlich angeordneten Beschränkungen von Aufopferungspflichten Rechnung trägt.128 Die Deutung dieser Beschränkungen als 126 Es bliebe allerdings der Unterschied, daß nach dem Prinzip der Kosten-Nutzen-Analyse die Wertmaßstäbe der Beteiligten (so wie sie der Rechtsordnung oder dem Rechtsanwender erkennbar sind) entscheiden, während das Hubmannsche Abwägungsprinzip auf einer objektiven Interessenbewertung beruht. 127 Calabresi/Melamed, Harvard Law Review 85 (1972), 1089 (1106 ff. und 1115 ff.); Coleman, Ethics 94 (1982), 649 (660); Nozick, Anarchy, S. 71 ff. Ebenso für die Beeinträchtigung von Rechten des besitzenden Eigentümers Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 109 (1996), 713 (757 ff.) aufgrund der Annahme, daß der besitzende Eigentümer sein Recht im Zweifel höher bewertet als ein Dritter. 128 Siehe C. I. 2. a) bb) (1).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Ausdruck prohibitiver Transaktionskosten verleiht ihnen nun eine materielle Legitimation: Ohne eine derartige Einschränkung von nicht vertraglich begründeten Eingriffsrechten zugunsten überwiegender Interessen würden sowohl das Eigentum als auch die Vertragabschlußfreiheit unzulässig ausgehöhlt. Aufgrund dieser typisierenden Sichtweise kann die Rechtsordnung zwar bei weitem nicht alle Fälle korrigieren, in denen Transaktionskosten eine Umschichtung von Eigentümerrechten vereiteln, die an sich den Präferenzen der Beteiligten entspricht. Dies liegt aber darin begründet, daß sich eine gesetzliche Eingriffsbefugnis gegenüber vertraglichen Vereinbarungen von vornherein nur als „zweitbeste“ Lösung darstellt und per definitionem einen beschränkten Wirkungsgrad besitzt. Diese Einschränkung ist jedoch einer ungebundenen Generalklausel vorzuziehen, nach der das Eigentümerinteresse jedweden überwiegenden Interessen anderer zu weichen hat. Die Fehlerquote bei der Anwendung einer solchen Generalklausel wäre immens und würde daher einen zu hohen Preis für die Erfassung derjenigen Fallkonstellationen darstellen, die in typisierte Duldungspflichten nicht einbezogen sind, aber in Wirklichkeit ebenso durch Transaktionskosten vereitelte Vertragsverhältnisse darstellen. Der objektiven Rechtsordnung kann insoweit nicht die Kompetenz zugetraut werden, die Ergebnisse optimaler Marktbedingungen umfassend zu imitieren, d.h. ohne Begrenzung auf typisierte, eindeutige Fälle. Dies führt wieder zurück zu der hier vertretenen Annahme, nach der eigentumsbezogene Duldungspflichten nur aus unmittelbaren gesetzlichen Regelungen oder Einzelanalogien zu entsprechenden Vorschriften gewonnen werden können.129 Selbst bei einer derartigen Beschränkung von aufopferungsbezogenen Eingriffsbefugnissen ist allerdings nicht auszuschließen, daß die typisierten Fallgruppen zumindest in ihrer praktischen Anwendung auch einzelne Konstellationen erfassen, die selbst unter optimalen Marktbedingungen nicht zu einer vertraglichen Umschichtung der betreffenden Eigentümerrechte geführt hätten. Dies mag insbesondere eintreten, wenn der betroffene Eigentümer seine Interessen nicht zur Gänze nachvollziehbar darlegen kann. Vielleicht verbindet er mit der Sache ein besonderes Affektionsinteresse, das nach dem Gedanken der Marktimitation eigentlich in die Kosten-Nutzen-Analyse eingehen sollte, aber häufig nur eingeschränkt objektivierbar ist130 und daher beispielsweise auch keinen ersatzfähigen Vermögensschaden im Rahmen der §§ 249 ff. BGB darstellt.131 129
Näher oben C. I. 2. a) bb) (2). Calabresi, Costs, S. 203 f. 131 Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 29 Ib, S. 484; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, § 30 II 3a, S. 174 f.; Oetker, MünchKomm. BGB, § 249 Rdnr. 25. 130
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Von diesen Fehlerquellen ausgehend, wird die Berechtigung eines Entzugs an sich bestehender Rechte im Wege der Kosten-Nutzen-Analyse durch eine stark subjektiv orientierte Lehre innerhalb der ökonomischen Analyse des Rechts grundsätzlich in Frage gestellt, die ihre geistigen Wurzeln in der Wertlehre der Österreichischen Schule der Nationalökonomie findet. Nach diesem Verständnis läßt sich für Güter kein allgemeingültiger Wertmaßstab finden, sondern ist ihr Wert einzig Gegenstand einer subjektiven Beurteilung des einzelnen.132 Die Gefahren einer objektiven Beurteilung der Interessen der Beteiligten werden dabei als so gravierend eingeschätzt, daß für einen Verzicht auf jegliche Korrekturen von Transaktionskosten durch Rechtsvorschriften plädiert wird.133 Für diese Auffassung sind ausschließlich vertraglich vereinbarte Gütertransfers maßgeblich – oder eben auch deren Ausbleiben.134 Diese Kritik kann insoweit ergänzt werden, als die Effizienz einer Marktimitation durch die Zuteilung von Rechten im Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht nur aufgrund von Informationsproblemen in bezug auf die Präferenzen der Parteien gefährdet ist, sondern auch durch andere Formen von Interventionskosten.135 So verursacht auch die gerichtliche Administration von privatrechtlichen Aufopferungspflichten erhebliche Kosten. Beispielsweise wird im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB kritisiert, daß die Häufung unbestimmter Rechtsbegriffe wie „wesentlich“, „ortsüblich“ und „zumutbar“ große Rechtsunsicherheit erzeuge, wodurch die Vorschrift schwierig zu handhaben sei.136 Jedoch obliegt die Wertentscheidung, inwieweit die Fehlerquellen einer Fremdbeurteilung der beteiligten Interessen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse oder sonstige Interventionskosten die Chancen einer möglichen Annäherung an das Ergebnis optimaler Märkte überwiegen, in letzter Instanz dem Gesetzgeber. Er muß festlegen, ob das Ausbleiben potentiell wertvoller Güterumschichtungen infolge der betreffenden Transaktionskosten oder eine Korrektur über die unweigerlich mit einem Fehlerpotential behaftete Kosten-Nutzen-Analyse das kleinere Übel darstellt. Sofern sich 132 Grundlegend zur subjektiven Wertlehre Menger, Volkswirtschaftslehre; siehe auch Ott/Winkel, Volkswirtschaftslehre, S. 217 ff. 133 de Alessi/Staaf, JITE 145 (1989), S. 561 ff.; Craswell, Enforcing Promises, S. 19 (38 f.); Krier/Schwab, New York University Law Review 70 (1995), 440 (457 ff.); E. Posner, Social Norms, S. 153 ff.; allgemeine Kritik an Kosten-NutzenAnalysen auf der Basis ihrer informationellen Unzulänglichkeiten auch bei Richardson, Journal of Legal Studies 29 (2000), 971 (983 ff.). 134 Diese Sichtweise bildet auch die geistige Wurzel der sogenannten Chicago School und ist am klarsten durch von Hayek, Liberty, S. 133 ff. und Friedman, Capitalism, formuliert worden. 135 Hierauf weist zu Recht Eidenmüller, Effizienz, S. 106 ff. hin. 136 Siehe Gerlach, Umweltschutz, S. 227 ff.; ders., JZ 1990, 980 (981); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 71; ders., Aufopferungsanspruch, S. 16 f.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
die gesetzgeberische Entscheidung an den vorstehend gezeichneten Rahmen hält, d.h. Eingriffsbefugnisse auf typisierte Fallgruppen mit eindeutig hohen Transaktionskosten begrenzt, ist gegen sie auch aus legitimationstheoretischer Sicht nichts einzuwenden.137
6. Querverbindungen zu anderen privatrechtlichen Instituten Eingriffsbefugnisse, die eine Eigentumsaufopferung bewirken, können nach dem Gesagten für sich in Anspruch nehmen, diejenige Problemlösung bereitzuhalten, welche die Beteiligten ohne Hindernisse für einen Vertragsschluß mit größter Wahrscheinlichkeit privatautonom vereinbart hätten.138 Daher besteht eine enge Parallele dieser Regelungen zu zwei anderen Rechtsinstituten, was die Einpassungsfähigkeit der hier vorgetragenen Konzeption in das System des Privatrechts unterstreicht: a) Ergänzende Vertragsauslegung Zum einen finden sich übereinstimmende Grundgedanken mit der ergänzenden Vertragsauslegung. Bei dieser wird ein lückenhafter Vertrag durch den hypothetischen Willen „redlich denkender Parteien“ vervollständigt.139 Gemäß den §§ 157, 242 BGB orientiert sich die Lückenfüllung dabei maßgeblich an bestehenden Verkehrssitten sowie den Geboten von Treu und Glauben.140 Die ergänzende Regelung darf allerdings nicht im Widerspruch zu einem hinreichend erkennbaren tatsächlichen Willen der Parteien stehen, sondern muß diesen zu Ende denken.141 Dieses Erfordernis ergibt sich aus der grundsätzlichen Richtigkeitsgewähr privatautonomer Vereinbarungen, die es verbietet, mittels einer bloßen Willensfiktion paternalistische Billigkeitsentscheidungen zu treffen.142 Da die Parteien in bezug auf die betreffende Vertragslücke bei ihrem Vertragsschluß keinen positiven Willen gebildet haben, kann die ergänzende Vertragsauslegung jedoch im Einzelfall ins137 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 110 f.; allgemeiner auch Kornhauser, Journal of Legal Studies 29 (2000), 1037 (1054 ff.). 138 Coleman, Risks, S. 169 f. 139 BGH, WM 2000, 1109 (1110); Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661 (685 ff.); Flume, AT, Bd. 2, § 16/4c, S. 325 f.; Mayer-Maly/Busche, MünchKomm. BGB, § 157 Rdnr. 38 und 41. 140 BGHZ 90, 69 (75); Flume, AT, Bd. 2, § 16/4c, S. 324 f.; Larenz/Wolf, AT, § 28 Rdnr. 113. 141 RGZ 136, 178 (185); BGHZ 90, 69 (77); Ehricke, RabelsZ 60 (1996), 661 (688 f.); Larenz/Wolf, AT, § 28 Rdnr. 120; Mayer-Maly/Busche, MünchKomm. BGB, § 157 Rdnr. 40; Staudinger/H. Roth, § 157 Rdnr. 39. 142 Gernhuber, Festschrift Nikisch, S. 249 (265); W. Lorenz, JZ 1960, 108 (112).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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besondere aufgrund mangelnder Informationen über die Willenslage der Beteiligten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu Ergebnissen führen, welche die Parteien so nicht vereinbart hätten, wenn der betreffende Punkt bedacht worden wäre.143 Dies entspricht in seiner Struktur dem hier für die Eigentumsaufopferung vorgeschlagenen Modell. Der Gedanke der Marktimitation orientiert sich nicht an oktroyierten Wertvorstellungen, sondern der hypothetischen Willenslage der Parteien. Wie dargelegt ist es hierbei jedoch stets möglich, daß die Aufopferungspflichten im Einzelfall zu Ergebnissen führen, welche die Beteiligten unter perfekten Marktbedingungen so nicht vereinbart hätten. Die Imitation einer privatautonomen Vereinbarung ist eben stets nur die zweitbeste Lösung gegenüber einer tatsächlichen Willenseinigung. Die Anordnung von Aufopferungspflichten stellt dabei quasi eine gesteigerte Form ergänzender Auslegung dar:144 In ihrem Anwendungsbereich haben Transaktionskosten ein Rechtsgeschäft, das sich auf den jeweiligen Eingriff bezieht, nicht nur lückenhaft gemacht, sondern seine Vornahme gänzlich verhindert. Diese quantitative Diskrepanz enthält zugleich ein qualitatives Moment, das zu einem bedeutsamen Unterschied führt. Bei lückenhaften Verträgen liegt zumindest eine fragmentarische Willenseinigung der Beteiligten vor. Diese gibt häufig Anhaltspunkte dafür, wie der individuelle Regelungsplan durch den Rechtsanwender zu Ende gedacht werden kann. Hieraus folgt, daß die ergänzende Vertragsauslegung vorbehaltlich des bereits erwähnten Primats der Privatautonomie mit relativer Freiheit betrieben werden kann. Schließlich befinden sich die Parteien ohnehin bereits in einer vertraglichen Sonderverbindung, und deren sachgerechte Durchführung kann häufig von einer Ergänzung des lückenhaft Vereinbarten abhängen. Bei marktimitierenden Duldungspflichten bringt jedoch erst die Rechtsordnung selbst die Beteiligten „zusammen“. Eine gemeinsame Willensentscheidung der Beteiligten fehlt vollständig und damit zugleich auch ein Indikator für ihre gemeinsame Interessenlage. Aus diesem Grund müssen Eingriffsbefugnisse denknotwendig holzschnittartiger bleiben als eine ergänzende Vertragsauslegung. Die damit verbundene Gefahr für die Autonomie insbesondere des Duldungspflichtigen stützt somit das bereits gewonnene Ergebnis ab, nach dem entsprechende Eingriffsbefugnisse auf typisierte, eindeutige Fälle eines Marktversagens beschränkt bleiben müssen. Man kann sich dies mittels einer gedachten gedanklichen Linie verdeutlichen, die von einem vollständi143
Flume, AT, Bd. 2, § 16/4d, S. 327 f.; Lüderitz, Auslegung, S. 342. Siehe zum Zusammenhang von Eingriffsbefugnissen und „default rules“ Macneil, Virginia Law Review 68 (1982), 947 (961 ff.); Ulen, Michigan Law Review 83 (1984), 341 (366 ff.); auch Graf, Vertrag, S. 355 ff. 144
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gen (lückenfreien) Vertrag über einen lückenhaften Vertrag zu einem Vertragsschluß führt, der durch äußere Umstände vereitelt wird. Das praktische Bedürfnis nach einer Intervention der Rechtsordnung steigt auf dieser Linie, ihre sachliche Kompetenz jedoch nicht. b) Mutmaßliche Einwilligung Weiterhin besteht eine Verwandtschaft der marktimitierenden Aufopferungspflichten mit dem Institut der mutmaßlichen Einwilligung. Dieses rechtfertigt einen Eingriff in das Eigentum oder andere absolute Rechte, wenn eine tatsächliche Willensbekundung des Betroffenen nicht erfolgen kann, aber der Eingriff dem hypothetischen Willen des Rechtsinhabers entspricht.145 Paradebeispiele sind die Notoperation eines Bewußtlosen oder das Löschen eines Brands im Haus des abwesenden Eigentümers. Die Rechtmäßigkeit des Eingriffs in das betreffende Recht (körperliche Integrität, Grundstückseigentum etc.) im Sinne der §§ 1004 Abs. 2, 823 Abs. 1 BGB bemißt sich dabei nach der mutmaßlichen Einwilligung, während auf schuldrechtlicher Ebene eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 BGB in Betracht kommt.146 In der Regel geht es bei der mutmaßlichen Einwilligung zwar um Fälle, in denen es im engeren Sinne faktisch unmöglich ist, den tatsächlichen Willen des betroffenen Eigentümers zu ermitteln.147 Dies deckt sich nur mit einem Teilbereich der Aufopferungspflichten; in manchen Konstellationen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB mag beispielsweise der Duldungspflichtige den Eingriff dezidiert abgelehnt haben. Ein solcher Widerspruch ist jedoch auf der Grundlage typisierbar hoher Transaktionskosten gebildet.148 Und unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Richtigkeitsgewähr des Fehlens einer privatautonomen Eingriffserlaubnis durch den Eigentümer ist es durchaus vergleichbar mit einer unmöglichen Willensentscheidung, wenn zwar faktisch ein Wille gebildet wird, aber typisierbar hohe Transaktionskosten eine solche Willensbildung ausschließen, wie sie in funktionierenden Märkten erfolgt. 145 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 283; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 231 III 4, S. 932; Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 281 ff.; Ohly, Volenti, S. 214 ff.; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (102 ff.). 146 Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 496; G. Wagner, MünchKomm. BGB, § 823 Rdnr. 309; Ohly, Volenti, S. 224 f.; RGRK/Steffen, § 823 Rdnr. 383; Soergel/Zeuner, § 823 Rdnr. 232; für eine unmittelbar rechtfertigende Wirkung der Geschäftsführung ohne Auftrag Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (102 ff.); auch Staudinger/Wittmann, Vor §§ 677 ff. Rdnr. 9. 147 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 283. 148 Näher unten D. II. 7. a).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Allerdings wird bei der mutmaßlichen Einwilligung und einer marktimitierenden Duldungspflicht dem hypothetischen Willen des Eigentümers jeweils in unterschiedlicher Weise entsprochen. Im Fall einer mutmaßlichen Einwilligung dient der Eingriff schon bei isolierter Betrachtung dem hypothetischen Willen des Betroffenen. Dies kann sich daraus ergeben, daß der Eingriff selbst ein überwiegendes Interesse des Eigentümers schützt (Aufbrechen einer Tür seines Hauses, um in diesem einen Brand zu löschen)149 oder daraus, daß eine Bagatellbeeinträchtigung vorliegt, an deren Abwehr ein mangelndes Interesse besteht (Entnahme eines dringend benötigten Zündholzes aus der Schachtel des abwesenden Eigentümers).150 Hingegen folgt das hypothetische Einverständnis bei Aufopferungspflichten erst aus dem korrespondierenden finanziellen Ausgleich seitens des Begünstigten. Durch diesen weniger starken Zusammenhang von Eingriff und hypothetischer Einwilligung wird aber auch das Potential einer Fehlbeurteilung durch den Rechtsanwender größer. Anders als bei der mutmaßlichen Einwilligung geht es nicht nur um eine hypothetische Willenslage, sondern den Bereich eines Leistungsaustauschs, d.h. den genuinen Funktionsbereich des Markts. Und in diesen sollte die Rechtsordnung nur mit Zurückhaltung regulierend eindringen. Wird bereits mit Bezug auf die Wahrnehmung unmittelbarer Eigentümerinteressen im Wege der mutmaßlichen Einwilligung vor der Gefahr einer unangemessenen Bevormundung durch „tatkräftige Freunde“ gewarnt,151 lugt hinter Aufopferungspflichten bildlich gesprochen das noch größere Schreckgespenst unerwünschter Vertragspartner hervor. Aus diesem Unterschied zwischen Zwangskontrakten und den rechtlichen Grenzen unerbetener Freundschaftsdienste ergibt sich der geringere Spielraum, der für Aufopferungspflichten im Vergleich mit einer mutmaßlichen Einwilligung besteht. Der höhere Grad, mit dem aufopferungsbezogene Eingriffsbefugnisse von dem Willen des konkret Betroffenen abstrahieren, führt in anderer Hinsicht aber auch zu einer stärkeren Stellung dieses Instituts gegenüber der mutmaßlichen Einwilligung. Während diese nur in Betracht kommt, wenn eine tatsächliche Willensentscheidung des Rechtsinhabers unerreichbar ist, muß der Eingriffsbefugte sich im Anwendungsbereich von Duldungspflichten nicht erst um eine tatsächliche vertragliche Einigung mit dem jeweiligen 149 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 283; Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht, § 231 III 4, S. 932; Zitelmann, AcP 99 (1906), 1 (111 ff.). 150 Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 496; Zitelmann, AcP 99 (1906) 1 (128 ff.). Allerdings hängt das hypothetische Einverständnis hier von der Billigung des Zwecks, zu dem der Bagatelleingriff erfolgt, durch den Eigentümer ab. Kritisch daher zu solchen Fällen der „Selbstbedienung“ vor dem Hintergrund der Privatautonomie Ohly, Volenti, S. 217 f. 151 Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 281.
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Eigentümer bemühen, bevor er die betreffende Duldungspflicht in Anspruch nehmen darf.152 Dies ist schlüssig, da ja nicht einmal ein positiv entgegenstehender Wille des Eigentümers die Rechtmäßigkeit des Eingriffs berührt. Anders formuliert müssen Aufopferungspflichten zwar aufgrund ihres problematischen Verhältnisses zur Selbstbestimmung des betroffenen Eigentümers begrenzt bleiben; soweit sie aber durch die Rechtsordnung anerkannt sind, kann ihnen nicht die bloße Möglichkeit einer privatautonomen Vereinbarung entgegengehalten werden. Aus ihrem engen Anwendungsbereich folgt als Kehrseite somit eine besondere Schneidigkeit. c) Mögliche Kritik an der Modellfähigkeit privatautonomer Willkür Nach dem vorstehend Gesagten besteht von einem vollständigen Vertrag über lückenhafte Vereinbarungen bis hin zu Aufopferungspflichten eine Kontinuität derart, daß die Rechtsordnung jeweils an den tatsächlichen oder hypothetischen Willen der Beteiligten anknüpft und diesem zur rechtlichen Durchsetzung verhilft. Hiergegen könnte aber vorgebracht werden, das Recht exponiere sich bei der Lückenfüllung im weiteren Sinne (ergänzende Vertragsauslegung, mutmaßliche Einwilligung, Aufopferungspflichten) stärker als bei dem bloßen Vollzug einer privatautonomen Vereinbarung. Deshalb dürfe in diesem Bereich nicht auf hypothetische Willkür, sondern müsse auf objektive Werte abgestellt werden. Danach wäre es zwar richtig, Verträge vorbehaltlich der Außenschranken der Privatautonomie (z. B. §§ 134, 138 BGB) unabhängig von ihrer objektiven Vernünftigkeit schon deswegen rechtlich anzuerkennen, weil die Parteien sie gewollt haben. Hingegen müßte sich die gesetzliche Modellierung gegenseitiger Rechte und Pflichten deshalb stärker an eine objektiv verstandene Werteordnung anlehnen, weil sie ihren Geltungsgrund in der Rechtsordnung selbst und nicht in einem tatsächlich erklärten Parteiwillen hat. Diese Sichtweise findet sich sowohl in bezug auf die mutmaßliche Einwilligung als auch die ergänzende Vertragsauslegung. So wird für die mutmaßliche Einwilligung teilweise vertreten, in Notsituationen sei eine Berücksichtigung des hypothetischen individuellen Willens unangemessen. Vielmehr müsse analog § 34 StGB in einer Art und Weise gehandelt werden, die den „objektiv verständigen Interessen“ des Rechtsinhabers entspreche, nicht aber dessen vermutlicher individueller Willkür.153 Und noch viel verbreiteter sind solche Gedanken für die praktisch wichtigere ergänzende Vertragsauslegung: Der Maßstab 152 Siehe Pawlik, Notstand, S. 238 ff. m. w. N.; zweifelnd Graf, Vertrag, S. 356 Fn. 11. 153 Wollschläger, Geschäftsführung, S. 274 ff.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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redlich denkender Parteien für die Lückenfüllung wird hierbei nicht nur als Erkenntnismittel für die hypothetische Willkür der Beteiligten betrachtet, auf die mangels einer tatsächlichen Willenseinigung über den betreffenden Punkt zurückgegriffen werden muß. Vielmehr soll es sich um einen Standard handeln, der von der weitgehend unbegrenzten Gestaltungsmacht der Vertragsparteien gerade im Sinne einer wertbezogenen Regelung abweicht und daher auch Vertragsergänzungen rechtfertigt, welche die Beteiligten nachweisbar so nicht vereinbart hätten.154 Dieser Gedanke ließe sich angesichts der Bezugnahme auf Treu und Glauben in § 157 BGB vom Anwendungsbereich der ergänzenden Vertragsauslegung sogar auf die Vertragsauslegung im engeren Sinne übertragen. Danach ergäbe sich folgendes Bild: Die Selbstherrlichkeit der Parteien würde vorbehaltlich der Außenschranken der Privatautonomie nur insoweit gelten, als sie ihren Willen eindeutig zum Ausdruck gebracht haben. Immer dann, wenn die Rechtsordnung nicht nur einen solchen Willen vollzieht, sondern ergänzend tätig wird, müßte hingegen der Bezugspunkt der (hypothetischen) Willensentscheidung zugunsten objektiv werthaltiger Prinzipien verlassen werden.155 Eine solche Sichtweise würde es folgerichtig auch verwehren, Tatbestände der Eigentumsaufopferung wie die §§ 904, 906 Abs. 2 BGB auf das Prinzip der Marktimitation zurückzuführen. Diese Sichtweise vermag jedoch nicht zu überzeugen. Auch bei der bloßen Anerkennung von Verträgen und der Garantie ihres Vollzugs tritt der Staat als zwingende Instanz in Erscheinung. Sein Handeln setzt kein aktuelles Einverständnis der betroffenen Partei voraus, etwa in der Zwangsvollstreckung. Insoweit exponiert er sich nicht weniger als bei der gesetzlichen Festlegung von Rechten und Pflichten. Wenn er dabei gleichwohl akzessorisch an die privatautonome Willkür der Vertragsparteien anknüpft und beispielsweise den Vertragsgebundenen nicht mit dem allgemeinen Einwand hört, die eingegangene Verpflichtung sei „unvernünftig“ oder „unfair“, spricht nichts dagegen, auch bei Nichtvorliegen eines (vollständigen) Vertrags akzessorisch an die hypothetische Willkür der Beteiligten anzuschließen.156 Die Berechtigung dieses Ergebnisses folgt für die Fälle, in denen die Parteien zumindest eine lückenhafte Vereinbarung getroffen haben, be154 Vgl. Flume, AT 2, § 16/4d, S. 327: „Welche ergänzende Regelung sich für das Geschäft im Zeitpunkt der Entscheidung ‚gehört‘, ist maßgeblich.“ 155 Vgl. Mayer-Maly/Busche, MünchKomm. BGB, § 157 Rdnr. 7: „Als Reaktion auf die unzureichende Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Gegenseite ist insbesondere der Grundsatz zu verstehen, daß von einer Seite aufgestellte und durchgesetzte Vertragsbestimmungen zu deren Nachteil auszulegen sind, wenn sie sich als undeutlich herausstellen.“ 156 Kritisch zu einem Redlichkeitsfilter, der als bewußter Gegensatz zu individueller Rationalität verstanden wird, für die ergänzende Vertragsauslegung bereits Graf, Vertrag, S. 298 ff.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
reits daraus, daß ansonsten eine inkohärente Gemengelage aus anerkannter Willkür und oktroyierter Vernunft droht. Eindeutig vereinbarte Punkte wären innerhalb der Außenschranken der Privatautonomie unabhängig von ihrer objektiven Vernünftigkeit maßgeblich, während der Rechtsanwender jede kleine Unklarheit im Erklärungstatbestand nutzen könnte, um den Primat eines ermittelbaren Parteiwillens aufzugeben und die Beteiligten mit staatlichen Wertvorstellungen zu überziehen. Dies ergibt keinen Sinn. Dementsprechend ist beispielsweise im Rahmen des § 305c Abs. 2 BGB anerkannt, daß eine pauschale Auslegung zu Lasten des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erst dann erfolgen kann, wenn dessen individuelle Willenslage nicht nach den §§ 133, 157 BGB ermittelbar ist.157 Kann die Zweideutigkeit aufgeklärt werden, ist der tatsächliche Wille des Verwenders unabhängig von seiner Ausgewogenheit maßgeblich. Er kann dann nur noch über eine Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 ff. BGB als Außenschranke der Privatautonomie zu Fall gebracht werden. Da sich die Rechtsordnung bei dem zwangsweisen Vollzug privatautonomer Vereinbarungen in den Dienst der erklärten Präferenzen der Betroffenen stellt, kann sie somit auch bei der Lückenfüllung unabhängig davon an den hypothetischen Willen der Beteiligten anknüpfen, ob es sich um die Ergänzung von Verträgen handelt oder ihren kompletten Ersatz durch Aufopferungspflichten. Der Gedanke einer Beschränkung der Autonomie der Parteien auf explizit Erklärtes vermag nicht zu überzeugen. d) Zusammenfassung Die Deutung von Eingriffsrechten als Marktimitation kann als Fortschreibung des Gedankens begriffen werden, der sowohl der ergänzenden Vertragsauslegung als auch der mutmaßlichen Einwilligung zugrunde liegt, nämlich als Verwirklichung eines hypothetischen Willens der Beteiligten. Aufopferungspflichten entfernen sich dabei jedoch weiter von privatautonomen Entscheidungen als die besagten Institute und unterstehen dementsprechend strengeren Voraussetzungen.
7. Die Einordnung der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB in das entwickelte Schema Nach diesen vorbereitenden Überlegungen zum Prinzip der Marktimitation im Privatrecht stellt sich die Frage, ob die positivrechtlichen Eingriffsbefugnisse der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB in dieses Schema der 157 BGH, DB 1978, 629; Basedow, MünchKomm. BGB, § 305c Rdnr. 32; Thümmel/Oldenburg, BB 1979, 1067 (1069).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Reaktion auf ein Marktversagen eingeordnet werden können. Die in der Literatur anzutreffenden Bezeichnungen der Pflicht zur Eigentumsaufopferung als „Quasikontrakt“158 oder „Zwangstausch“159 und des Aufopferungsanspruchs als „Preis“ für die Duldungspflicht160 lassen dies vermuten, machen jedoch eine nähere Untersuchung nicht entbehrlich. Nach dem Gesagten müßten in den geregelten Sachverhalten zunächst eindeutig identifizierbare Transaktionskosten vorliegen, die für eine rationale vertragliche Umschichtung des entzogenen Abwehrrechts prohibitive Wirkung entfalten. Darüber hinaus wäre es erforderlich, daß der Eingriffsbefugte die Aufhebung des Abwehrrechts regelmäßig höher bewertet als der duldungspflichtige Eigentümer sein Vorhandensein (Kosten-Nutzen-Analyse). a) Die Transaktionskosten in Notstands- und Immissionsfällen aa) § 904 Satz 1 BGB Bei einem aggressiven Notstand verhindert regelmäßig das Erfordernis schnellen Handelns zur Abwehr der gegenwärtigen Gefahr eine vertragliche Einigung zwischen den Beteiligten. Wer etwa das Kraftfahrzeug eines anderen benutzen muß, um sich einer lebensbedrohenden Verfolgung zu entziehen, hat in der Regel nicht die Zeit, erst in Verhandlungen mit dem – zudem möglicherweise nicht anwesenden – Eigentümer zu treten, um eine vertragliche Gestattung der Benutzung herbeizuführen. Aber selbst wenn die Erreichbarkeit des Eigentümers trotz der gegenwärtigen Gefahr unter zeitlichen Aspekten einen Vertragsschluß erlauben sollte, würde sich das Problem eines situativen Monopols stellen:161 Der Eigentümer der Sache, deren Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr erforderlich ist, könnte sein Abwehrrecht angesichts der Zwangslage des Gefährdeten ausnutzen, um einen Preis zu verlangen, der weit über dem üblichen Marktwert einer entsprechenden Gestattung zur Sacheinwirkung läge. Als üblicher Marktwert wird dabei der Preis unter Bedingungen typischen Wettbewerbs angenommen. An einem solchen Wettbewerb fehlt es in den Fällen des § 904 Satz 1 BGB gerade, bei denen der Gefährdete auf eine konkrete Sache angewiesen ist. Auch dieses Fehlen eines Mindestmaßes an Wettbewerb und Anonymität, die typischerweise zu einem Gleichgewicht in Austauschbeziehungen führen, läßt ein Vertrauen auf vertragliche Einigungen nicht sachgerecht erscheinen.162 158
Rudolf Merkel, Kollision, S. 157 f. Löffler, ZStW 21 (1901), 537 (579); Struck, Festschrift Esser, S. 171 (182). 160 H. Roth, Aufopferungsanspruch, S. 8 f. 161 Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 136 f.; Eidenmüller, Effizienz, S. 82 ff.; Landes/Posner, Journal of Legal Studies 7 (1978), 83 (91). 159
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Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, daß mit dem Begriff des Monopols nicht etwa der unkonturierte Begriff einer strukturell ungleichen Verhandlungslage als maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Entzug an sich gegebener Eigentumsrechte durch § 904 Satz 1 BGB gewählt wird. Während es in Monopolsituationen bereits an einem Markt im Sinne eines Mindestvolumens an konkurrierendem Angebot fehlt, besteht bei einem bloßen Verhandlungsungleichgewicht durchaus ein solcher Wettbewerb am Markt. Er führt jedoch zu unerwünschten Ergebnissen. Dabei ist die Nachfrageseite auf einen Vertragsschluß in besonderem Maße angewiesen, erlangt aber durch die unsichtbare Hand des Markts nicht das, was ihr nach einem bestimmten normativen Maßstab zusteht. Ein derartiges strukturelles Verhandlungsungleichgewicht wird zwar in der jüngeren Entwicklung des Privatrechts in immer stärkerem Maße dienstbar gemacht, um Ausnahmen von dem Prinzip der Richtigkeitsgewähr privatautonomen Verhaltens zu rechtfertigen, etwa im Bereich des Arbeits-, Miet- und Verbraucherrechts.163 Hierfür mögen im Ergebnis gute Gründe sprechen. Jedoch ist die interventionistische Beeinflussung eines strukturellen Verhandlungsungleichgewichts zumindest dann problematisch, wenn kein prozeduraler Defekt des Markts vorliegt (etwa asymmetrische Informationen zwischen Unternehmern und Verbrauchern),164 sondern sich das Ungleichgewicht darin erschöpft, daß die Angebotsseite nicht bereit ist, die Konditionen einzuräumen, die einem bestimmten Gerechtigkeitsverständnis entsprechen (z. B.: Nichtdurchsetzbarkeit eines vertraglichen Ausschlusses des Rechts zur Kündigung ohne wichtigen Grund bei Arbeits- und Mietverhältnissen).165 Wenn der Staat in einem solchen Fall zwingende Schutzvorschriften zugunsten der unterlegenen Partei erläßt, ist dies nicht nur vor den Freiheitsrechten der anderen Seite zu legitimieren, sondern verfehlt im Endergebnis nicht selten auch seinen gewünschten Effekt. Denn wie oben bereits dargelegt, schlagen zwingende Vorschriften in privatrechtlichen Austauschbeziehungen über den Preismechanismus häufig gegen den vermeintlich Geschützten zurück (z. B.: der vor Kündigung geschützte Arbeitnehmer erhält einen niedrigeren Lohn oder der Mieter zahlt eine höhere Miete).166 Die Rechtsordnung kann dann zwar versuchen, über eine direkte Preiskontrolle gegenzusteuern (Mindestlöhne, Höchstmieten). Aber auch dem wird sich 162
Ähnlich Fried, Contract, S. 109 ff.; Graf, Vertrag, S. 354. Näher hierzu Zöllner, AcP 196 (1996), 1 (15 ff.) m. w. N. 164 Hierzu im Überblick Kötz, JuS 2003, 209 (212 f.). 165 Eidenmüller, JZ 2005, 216 (222 f.) unterscheidet in diesem Sinne als denkbare Grundlagen rechtlicher Regulierung einen „weichen Paternalismus“, der lediglich prozedurale Hindernisse der Präferenzverwirklichung ausgleicht, von einem „harten Paternalismus“, der Präferenzen bewußt überformt. 166 Siehe oben D. II. 4. 163
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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der Markt unter Umständen widersetzen, indem die fragliche Leistung nur noch in verknapptem Umfang angeboten wird, da sie im Verhältnis zu alternativen Investitionsmöglichkeiten dann weniger rentabel ist (z. B.: Unattraktivität der Schaffung neuer Arbeitsplätze oder von Mietwohnraum). Dieser „circulus vitiosus“ mag im konkreten Fall durch eine kluge Regelungspolitik durchbrochen werden können.167 Da aber Einschnitte in die Privatautonomie, die an einen weiten Begriff struktureller Ungleichgewichte anknüpfen, somit sowohl unter freiheitstheoretischen als auch instrumentellen Aspekten nicht zu unterschätzende Probleme aufweisen, ist zu betonen, daß im Fall des Notstands nach § 904 Satz 1 BGB das Verhandlungsungleichgewicht in einem wesentlich engeren Sinne vorliegt. Es geht nicht darum, daß ein Wettbewerb zu Ergebnissen führt, die normativ unerwünscht sind, sondern es fehlt bereits an einem Markt im Sinne einer Vielzahl von Angebot und Nachfrage. In einer solchen Monopolsituation ist das Mandat für einen korrigierenden Eingriff der Rechtsordnung weniger problematisch als bei bloßen Verhandlungsungleichgewichten im allgemeinen Sinne. Dies belegt auch der folgende Unterschied auf der Auswirkungsseite: Hat die Regulierung von Wettbewerb regelmäßig einen (verzerrenden) Einfluß auf das Volumen von Angebot und Nachfrage,168 liegt dies bei der Notstandsbefugnis fern. Kaum jemand wird bestimmte Eigentumsrechte nicht halten, weil er bei der – zudem unwahrscheinlichen – Inanspruchnahme durch einen Gefährdeten keinen Monopolpreis verlangen kann, sondern den Eingriff gegen Ersatz seines Schadens (§ 904 Satz 2 BGB) dulden muß. Wenn somit die klar definierbare zeitliche und verhandlungsbezogene Zwangslage des Gefährdeten als Hauptgrund der gesetzlichen Eingriffsbefugnis erkannt wird, ergibt sich auch bruchlos die Beschränkung des § 904 Satz 1 BGB auf gegenwärtige Gefahren. Solange die drohende Schädigung zeitlich noch hinreichend entfernt liegt, gibt es keinen Grund, dem Bedrohten nicht zuzumuten, sich die erforderlichen Abwehrmittel auf regulärem Wege zu beschaffen, d.h. am Markt.169
167 Eine ausführliche Analyse staatlicher Interventionen am Beispiel des Mietrechts, auch unter Angabe von Bedingungen unter denen die negativen Effekte für die zu schützende Gruppe nicht eintreten, findet sich bei Eidenmüller, Effizienz, S. 295 ff. 168 Polinsky, Law and Economics, S. 121 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 8. 169 Graf, Vertrag, S. 354.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
bb) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB Im Gegensatz zu § 904 Satz 1 BGB liegen bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB die Transaktionskosten, welche ein Vertrauen auf vertragliche Vereinbarungen unzulänglich erscheinen lassen, weniger offensichtlich zu Tage. Warum sollte derjenige, der wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Emissionen freisetzten möchte, nicht mit den potentiell betroffenen Nachbarn entsprechende Verträge abschließen können, die ihm dies gestatten? Die eindringliche Formulierung Hecks,170 nach der das „Verbot jeder Immission [. . .] das Leben lahmlegen“ würde, erscheint somit nicht ohne weiteres plausibel. Der Markt stellt prima facie ein geeignetes Mittel dar, um der befürchteten Erstarrung zu begegnen. Die Sicht auf das Problem ändert sich jedoch, wenn berücksichtigt wird, daß in Immissionsfällen regelmäßig eine Vielzahl von Beteiligten existiert.171 Zahlreiche Immissionen haben Auswirkungen auf einen großen Personenkreis, insbesondere landwirtschaftliche oder industrielle Immissionen, die den Hauptanwendungsbereich des § 906 Abs. 2 BGB ausmachen. Der Emittent müßte folgerichtig mit einer Vielzahl von Parteien Verträge schließen, wenn die Regelung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht existieren würde. Dies verursacht zum einen hohe Vertragsschlußkosten (Ermittlung aller Betroffenen, Zeitaufwand für Verhandlungen etc.). In dieser Form von Transaktionskosten kann aber noch nicht die alleinige Legitimation der Vorschrift erblickt werden. Vielmehr spielen aus ökonomischer Sicht sogenannte strategische Transaktionskosten eine entscheidende Rolle bei der Rechtfertigung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Von strategischen Transaktionskosten spricht man, wenn Beteiligte im Rahmen von Verhandlungen eine Strategie verfolgen, die rational auf die Maximierung ihres individuellen Gewinns ausgerichtet ist, aber letztlich das Zustandekommen eines effizienten Vertrags insgesamt gefährdet und somit allen schadet, einschließlich denjenigen, welche die betreffende Strategie anwenden.172 Die Transaktionskosten bestehen in einer solchen Konstellation, die ein Gefangenendilemma darstellt,173 somit in der Struktur der Verhandlungssituation selbst. 170 Sachenrecht, S. 216; ähnlich Kleindienst, Immissionsschutz, S. 11; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 21 f.; H. Westermann, Festschrift Larenz, 1973, S. 1003 (1005). 171 Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (18); Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 99 f.; Heyman, Harvard Law Review 86 (1973), 797 (835); Kaplow/ Shavell, Harvard Law Review 109 (1996), 713 (749); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 576 f. 172 Coleman, Risks, S. 112; ausführlich zu strategischen Transaktionskosten Cooter/Marks/Mnookin, Journal of Legal Studies 11 (1982), 225 ff. 173 Näher hierzu oben D. II. 4.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Im Fall des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB treten erhebliche strategische Transaktionskosten immer dann auf, wenn von den Immissionen mehrere, ex ante nicht mit absoluter Sicherheit abgrenzbare Personen betroffen sind. Als Beispiel mag ein Fall dienen, in dem der Emittent aus der Tätigkeit, die mit den Immissionen verbunden ist, einen Gewinn von 1000,– e erzielen kann und die Immissionen bei den betroffenen Nachbarn Nachteile bewirken, die nach deren Einschätzung mit einem Geldwert von 500,– e zu veranschlagen sind. Die Vornahme der Emission würde unter idealen Marktbedingungen somit zum Nutzen aller vertraglich vereinbart. Angenommen, es wäre nur ein Nachbar von den Emissionen nachteilig betroffen, ließe sich das effiziente Ergebnis regelmäßig auch in der Realität über einen Vertrag erzielen. Der Regelung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bedürfte es nicht, da sich die Parteien selbst ohne große Mühe auf eine Ausgleichszahlung zwischen 500,– e und 1000,– e einigen könnten. Der genaue Betrag ergäbe sich aus ihrem individuellen Verhandlungsgeschick. Die Beteiligten würden sich hingegen individuell irrational verhalten, wenn sie überhaupt keinen derartigen Vertrag schlössen, da sie eine beiderseitige Gewinnchance verstreichen ließen. Bei solchen Rahmenbedingungen muß die Rechtsordnung regelmäßig nicht mittels einer Duldungspflicht eingreifen, vertraut sie doch typischerweise auf das rationale Verhalten der Marktteilnehmer. Allerdings könnte eingewendet werden, daß zwischen Nachbarn nicht selten persönliche Aversionen bestehen, die rationale Verhandlungen vereiteln, weshalb schon aus diesem Grund die Regelung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich sei, um nicht jegliche Grundstücknutzung zu verunmöglichen, die mit ortsüblichen, aber wesentlich beeinträchtigenden Immissionen verbunden ist. Ihren hauptsächlichen Grund findet die Vorschrift unter Effizienzgesichtspunkten jedoch in strategischen Transaktionskosten im Fall mehrerer betroffener Nachbarn: Dann wäre es für jeden der Nachbarn individuell rational, seine Zustimmung so lange zurückzuhalten, bis alle anderen sich mit dem potentiellen Emittenten geeinigt haben und dann als „Zünglein an der Waage“ eine besonders hohe Ausgleichszahlung einzufordern. In diesem Sinne und vergleichbar mit der oben zu § 904 Satz 1 BGB erörterten Problematik hätte der Nachbar, dessen Zustimmung noch erforderlich wäre, mit seiner Vetoposition ein situatives Monopol, das dem jeweiligen Inhaber eine erdrückende Verhandlungsposition einräumt.174 Folglich bestünde die ernst zu nehmende Gefahr, daß niemals ein Vertrag über die effiziente Gestattung der Emission zustande käme, da jeder der betroffenen Nachbarn bei individuell rationalem Verhalten seine Zustimmung hinauszögern würde, um die 174
Binder, VersR 2003, 1226 (1227).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Monopolstellung zu erlangen (sogenannte Akkordstörung).175 Mag dieses Problem, wenn der Kreis der betroffenen Nachbarn von vornherein feststeht, noch durch ein Abfindungsangebot des potentiellen Emittenten umgehbar sein, das nur von allen gemeinsam angenommen werden kann, scheitert auch diese Möglichkeit, wenn die Betroffenen ex ante nicht mit absoluter Sicherheit ermittelt werden können. Insbesondere die Gefahr einer Akkordstörung ließe somit ein Marktversagen wahrscheinlich werden, wenn die Zulässigkeit ortsüblicher, wesentlich beeinträchtigender Immissionen vertraglichen Vereinbarungen überlassen bliebe. Dies rechtfertigt es, in den Konstellationen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Kosten-Nutzen-Analyse als Ausgleich eines drohenden Marktversagens anzuwenden. b) Kosten-Nutzen-Analyse In den Fällen aufopferungsbezogener Eingriffsbefugnisse wird der Ausschlußgehalt des Eigentums zugunsten einer Person zurückgenommen, die an der dadurch gewonnenen Handlungsfreiheit ein wesentlich größeres Interesse hat als der Eigentümer an der Aufrechterhaltung des betreffenden Abwehrrechts. Für § 904 Satz 1 BGB ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB erfolgt die Zulassung ortsüblicher Immissionen trotz ihres wesentlich beeinträchtigenden Charakters zwar pauschal und nicht im Wege einer individualisierten Interessenabwägung. Aber auch insoweit ist weithin anerkannt, daß die Zulässigkeit auf dem Gedanken des überwiegenden Interesses beruht.176 Die gegenteilige Auffassung, nach der § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nur gleichwertige Privatinteressen koordiniert, während ein höherwertiges Interesse stets ein solches der Allgemeinheit sein müsse,177 ist nicht nachvollziehbar. Weder ist jedes Gemeinschaftsinteresse höherwertig als alle Individualinteressen noch sind alle privaten Anliegen gleichwertig. Und so überwiegt auch das Interesse an der Freisetzung ortsüblicher Immissionen, die nicht mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar sind, nach der Wertung des Gesetzgebers typischerweise das Abwehrinteresse der Nachbarn selbst dann, wenn wesentliche Beeinträchtigungen erfolgen. 175 Calabresi/Melamed, Harvard Law Review 85 (1972), 1089 (1106 f.); Cooter/ Ulen, Law and Economics, S. 157 f.; Krier/Schwab, New York Unversity Law Review 70 (1995), 440 (461); Michelman, Yale Law Journal 80 (1971), 647 (671); Polinsky, Stanford Law Review 32 (1980), 1075 (1107 f.); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 576 f. 176 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 45; Liver, Festgabe Gutzwiller, S. 749 (753); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 1; H. Westermann, Festschrift Larenz, 1973, S. 1003 (1007 f.). 177 Bensching, Ausgleichsanprüche, S. 46; Jauernig, JZ 1986, 605 (611 f.); Mühl, Festschrift Raiser, S. 159 (162); Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 8.
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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Es stellt sich aber die Frage, ob die Kategorie des überwiegenden Interesses in den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB an den Gedanken einer Kosten-Nutzen-Analyse anknüpft. Diese sieht wie dargelegt vor, Rechte dann von ihrem ursprünglichen Inhaber auf andere zu verlagern, wenn letztere sie in einem perfekt funktionierenden Markt erworben hätten, d.h. ihre Kaufbereitschaft die Verkaufsbereitschaft des Inhabers monetär übersteigt. Gegen die Deutung der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB als Fälle einer Kosten-Nutzen-Analyse könnte der Einwand erhoben werden, daß die gesetzliche Interessenbewertung nicht auf einen Vergleich hypothetischer Kauf- und Verkaufsbereitschaft reduzierbar sei. Der Gedanke des überwiegenden Interesses, der privatrechtlichen Aufopferungspflichten eines Eigentümers zugrunde liegt, würde dann als Durchsetzung objektiv werthaltiger Prinzipien im Sinne einer sittlichen Wertordnung begriffen und damit als Gegensatz zu einer Effizienzsteigerung am Maßstab subjektiver Präferenzen. Eine solche Sichtweise wendet auf die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB den in der Literatur teilweise vertretenen allgemeinen Gedanken an, daß sich in der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes alle Rechtsverhältnisse an einer sittlich-werthaltigen Autonomie des einzelnen orientieren müssen und nicht im ökonomischen Sinne als Durchsetzung subjektiver Präferenzen verstanden werden dürfen.178 Bei einer Analyse des konkreten Normenbestands läßt sich aber durchaus der Gedanke einer Kosten-NutzenAnalyse als Grundlage der Duldungspflichten gegenüber Notstandseingriffen und ortsüblichen Immissionen herausarbeiten. aa) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB Für § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB wird die Zulässigkeit ortsüblicher Immissionen allgemein auf die Annahme gestützt, diese seien typischerweise raumplanerisch und volkswirtschaftlich sinnvoll.179 Schon in den Gesetzesmaterialien klingt der Gedanke an, die mit ortsüblichen Immissionen verbundene Tätigkeit sei förderungswürdig und bringe einen „Vorteil für das Ganze“.180 Dies kann sich aber nur daraus ergeben, daß die Befugnis zu wesentlich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen dem Emittenten in 178 So vor allem Fezer, JZ 1986, 817 (822); gegen ihn bereits Graf, Vertrag, S. 57 ff.; Schäfer/Ott, JZ 1988, 213 ff. 179 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 72; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 45; Liver, Festgabe Gutzwiller, S. 749 (753); Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277 (307 f.); ders., DAR 1988, 302 (305); Steffen, NJW 1990, 1817 (1819); H. Westermann, Festschrift Larenz, 1973, S. 1003 (1007 f.). 180 Johow, in Schubert: Vorentwürfe, Sachenrecht, Bd. 2, S. 584; Mot. III, S. 267. Allgemein zur expansionsfreundlichen Gestaltung des Immissionsrechts im ausgehenden 19. Jahrhundert Ogorek, Actio Negatoria, S. 40 (56 ff.); Thier, Actio Negatoria, S. 407 (424 ff.).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
der Regel mehr Nutzen einbringt, als sie den betroffenen Nachbarn schadet. Denn sonst erwiese sich die Erlaubnis nicht als raumplanerisch und volkswirtschaftlich sinnvoll. Etwas, das den benachteiligten Personen mehr schadet als es den begünstigten Personen nutzt, kann nicht summa summarum (d.h. aus kollektiver Sicht) gleichwohl wirtschaftlich sinnvoll sein. So hat namentlich Schanze181 darauf hingewiesen, daß das Nachbarrecht zu denjenigen Gebieten des bürgerlichen Rechts gehört, in die eine marktbezogene Sichtweise der alternativen Nutzung von Ressourcen bereits unterschwellig Eingang gefunden hat. Nun ließe sich hiergegen zwar einwenden, der aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB resultierende volkswirtschaftliche Nutzen dürfe personell nicht auf den Emittenten und die betroffenen Nachbarn reduziert werden, sondern müsse auch Dritte einbeziehen, z. B. Arbeitnehmer und Kunden des Emittenten oder die Gemeinde, die von entrichteter Gewerbesteuer profitiert. Deshalb sei es unrichtig, den volkswirtschaftlichen Nutzen der Immissionsbefugnis mit einem positiven Saldo der Kaufbereitschaft des Emittenten und der Verkaufsbereitschaft der betroffenen Nachbarn gleichzusetzen. Bei näherer Betrachtung ist dieser Schluß jedoch unplausibel. Darüber, ob eine wesentliche Immission im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB vorgenommen wird, entscheidet ja der Emittent und nicht Dritte, die mittelbar auch von dieser Entscheidung betroffen sind. Die Eingriffsbefugnis wird folgerichtig nur dann ausgenutzt, wenn dem Eingreifenden ein solches Verhalten als rational erscheint, wobei er insbesondere auch die Ausgleichspflicht nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht ziehen muß. Ob er diese Entscheidung aus reinem Profitkalkül oder mit sozialer Verantwortung gegenüber mittelbar von ihm Abhängigen (Arbeitnehmer, Kunden, besteuernde Gemeinde) trifft, ist seine Sache. Jedenfalls werden Drittinteressen in die Wahl, ob von der Immissionsbefugnis Gebrauch gemacht wird, nur eingehen, wenn der potentielle Emittent sie auch zu seinen eigenen gemacht, d.h. internalisiert hat. Deshalb ist es nur schlüssig, die Habenseite des volkswirtschaftlichen Nutzens, der hinter § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB steht, einzig nach der Zahlungsbereitschaft des Eingriffsbefugten für die betreffende Handlungsfreiheit zu bemessen. § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB entspricht somit dem vorgestellten Modell der Kosten-Nutzen-Analyse, nach dem die fragliche Rechtsposition demjenigen zugeteilt wird, der sie (typischerweise) höher bewertet. Bestätigung findet diese Sichtweise umgekehrt darin, daß sowohl grobkörperliche Immissionen als auch nicht-ortsübliche, wesentlich beeinträchtigende Imponderabilien nach § 906 BGB grundsätzlich nicht zu dulden sind. Es handelt sich um Einwirkungen, die aufgrund ihrer physischen Konsistenz (Grobimmissio181
Ökonomische Analyse, S. 1 (13 f.).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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nen) oder ihres Herausfallens aus dem lokalen Nutzungsgefüge in der Regel besonders belastend sind. Daher kann ohne eine einverständliche Regelung der Beteiligten nicht mit der notwendigen Gewißheit davon ausgegangen werden, daß sie mehr Nutzen als Schaden bewirken.182 Trotz der Transaktionskosten in Nachbarverhältnissen müssen diese Einwirkungen daher grundsätzlich Gegenstand einer vertraglichen Einigung bleiben. Eine Ausnahme gilt wiederum nur gemäß § 14 Satz 1 BImSchG, wenn derartige Emissionen von einer behördlichen Genehmigung gedeckt sind. In einem solchen Fall wurden die entgegenstehenden Interessen in dem Genehmigungsverfahren ermittelt und die Emissionsfreiheit als das wertvollere Anliegen beurteilt. Dem systematischen Zusammenhang von § 906 BGB und § 14 BImSchG liegt dabei der Gedanke zugrunde, daß auf der Basis eines spezialisierten Genehmigungsverfahrens die Zulässigkeit von Immissionen in weiterem Maße angeordnet werden kann als durch allgemeine nachbarrechtliche Vorschriften. Zwar befürwortet die Rechtsprechung auch außerhalb des § 14 BImSchG in zunehmendem Maße eine Ausdehnung der Duldungspflicht auf bestimmte ortsfremde oder grobkörperliche Immissionen. Hierfür greift sie auf eine Einschränkung der negatorischen Rechte durch das Institut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zurück.183 Dies ist aus dogmatischer Sicht problematisch, weil § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB, der die Duldungspflicht gerade auf ortsübliche Imponderabilien beschränkt, ausschließlich Fälle betrifft, in denen zwischen Einwirkendem und Betroffenem zugleich auch ein nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis besteht und die Norm damit „auch“ für dieses Verhältnis die maßgeblichen Kriterien enthält.184 Die daraus richtigerweise zu folgernde Sperrwirkung gegenüber einer analogen Einbeziehung von anderen Einwirkungen als ortsüblichen Imponderabilien185 findet in den vorstehenden Erwägungen zur besonderen Beschwer, die nicht-ortsübliche und grobkörperliche Immissionen für die Betroffenen enthalten, eine materielle Begründung.
182
Siehe allgemein Ellickson, University of Chicago Law Review 40 (1973), 681 (751 ff.). 183 BGHZ 28, 225 ff.; 58, 149 ff.; zustimmend Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 176 ff. 184 Siehe oben C. I. 2. a) bb) (1). 185 Konzen, Aufopferung, S. 155 und 207 ff. H. Roth, Ausgleichsanspruch, S. 14; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 117 erkennt die erwähnte Rechtsprechung nur als einzelfallgebundenes Billigkeitsrecht an, das keine Schlüsse auf die Grundstrukturen privatrechtlicher Aufopferungen zulasse.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
bb) § 904 Satz 1 BGB Größere Plausibilität als für die Immissionsbefugnisse scheint die Ablehnung des Gedankens einer Kosten-Nutzen-Analyse bei § 904 Satz 1 BGB zu besitzen. Zu denken ist insbesondere an diejenigen Notstandsfälle, in denen fremdes Eigentum zur Rettung höchstpersönlicher Rechtsgüter beeinträchtigt wird. Insoweit könnte die Eingriffsbefugnis nicht auf Gesichtspunkte der Effizienz, sondern auf ein Gebot vorpositiver Gerechtigkeit zurückgeführt werden.186 Diese Sichtweise des § 904 Satz 1 BGB geht auf den Satz Thomas von Aquins187 zurück: „In necessitate sunt omnia communia.“ Individuelle Eigentumsrechte können danach nur im Regelfall, nicht aber in besonderen Notsituationen Geltung beanspruchen, in denen sie bildlich gesprochen vor fundamentalen Interessen anderer die Augen verschließen.188 Eine ähnliche Sichtweise hat jüngst Pawlik189 in Anlehnung an die Hegelsche Rechtsphilosophie für den strafrechtlichen Notstand im Sinne des § 34 StGB vertreten. Die Notstandsbefugnis soll sich als Vermittlung zwischen den Postulaten eines abstrakten Freiheitsschutzes durch absolute Rechte und der Wahrung des Wohls Gefährdeter in einer personalen Ordnung darstellen, die nicht auf individuelle Klugheit, sondern eine „politische Vorimprägnierung“ der Bürger und damit auch eine rechtliche Gemeinschaft in besonderen Gefahrenlagen gestützt ist. In diesem Sinne ließe sich vertreten, daß z. B. die Befugnis, zur Rettung des eigenen Lebens eine fremde Sache zu zerstören, eine sittliche Verbundenheit der Rechtssubjekte zum Ausdruck bringt und nicht der trivialen Logik des Markts folgt, d.h. daß die Eingriffsbefugnis nicht auf den Gedanken der Erzeugung eines Mehrwerts im Sinne der mutmaßlichen Präferenzen der Beteiligten reduziert werden kann. Die Anwendung einer Kosten-Nutzen-Analyse würde, so die Kritik, das Leben bzw. andere höchstpersönliche Güter zum Gegenstand eines hypothetischen Vertrags machen, obwohl eine Marktfähigkeit dieser Güter von der Rechtsordnung nicht anerkannt ist.190 Dieser denkbare Einwand vermag aber für den Bereich des Zivilrechts aus verschiedenen Gründen nicht zu überzeugen. Zum einen findet § 904 Satz 1 BGB ja nicht nur zum Schutz höchstpersönlicher Rechte Anwendung, 186
Siehe etwa Canaris, Feststellung, S. 109 f. Summa Theologica, II-II, qu. 66, 7; ähnlich auch von Tuhr, Notstand, S. 74: „Wenn ein Recht das Prädikat ‚natürlich‘ verdient, so ist es dieses.“ 188 Näher Murphy, Georgetown Law Journal 89 (2001), 605 (644 ff.). 189 Notstand, S. 80 ff. 190 Zur Fallgruppe der mißbilligten Kommerzialisierung im Rahmen des § 138 Abs. 1 BGB, nach der Verträge über bestimmte höchstpersönliche Rechtspositionen für nichtig erklärt werden, Mayer-Maly/Armbrüster, MünchKomm. BGB, § 138 Rdnr. 127 f. 187
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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sondern etwa auch zur Rettung von Eigentum.191 Und soweit die Norm den Eingriff in Eigentum zum Schutz höherwertigen Eigentums zuläßt, liegt es bereits weniger nahe, hierin keine Kosten-Nutzen-Analyse, sondern eine genuin sittliche Verbundenheit der Beteiligten zu erkennen.192 Somit darf sich der Grundgedanke des § 904 Satz 1 BGB nicht ausschließlich auf die Fälle fokussieren, in denen es um „Leben oder Tod“ geht. Andererseits muß der hier angebotene Regelungssinn natürlich auch für Notstandseingriffe zum Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter passen. Dies ist bei näherer Betrachtung jedoch der Fall. Die angestellten ökonomischen Erwägungen entsagen nicht jeglichen substantiellen Wertvorstellungen. Vielmehr sind sie Ausdruck einer bestimmten Wertvorstellung, namentlich der Orientierung an der Wohlfahrt der Rechtssubjekte im Sinne einer bestmöglichen Verwirklichung ihrer eigenen Interessen, sofern diese fehlerfrei, d.h. insbesondere auf der Grundlage hinreichender Information gebildet wurden. Dies kann am Beispiel der Entscheidung über den Entzug an sich gegebener Abwehrechte aufgrund einer Kosten-Nutzen-Analyse verdeutlicht werden. Wenn diese Entscheidung danach gefällt wird, ob der begünstigte Dritte den Entfall des betreffenden Abwehrrechts typischerweise höher bewertet als der Eigentümer seinen Fortbestand, übernimmt das Abstellen auf hypothetische Kauf- und Verkaufspreise lediglich eine heuristische Funktion. Es geht nicht darum, alle der jeweils in Rede stehenden Interessen auf Geldwerte zu reduzieren. Die tiefere Legitimation der Kosten-Nutzen-Analyse besteht vielmehr darin, daß trotz des Fehlens einer privatautonomen Vereinbarung, die an prohibitiven Transaktionskosten scheitert, soweit als möglich an die subjektive Interessenlage der Beteiligten angeknüpft wird. Die maßgebliche Frage lautet, wie die Parteien unter perfekten Marktbedingungen die fragliche Rechtsposition bei individuell rationalem Verhalten zugeteilt hätten. Und insoweit kann auch in dem beispielhaft angeführten Extremfall des § 904 Satz 1 BGB, nämlich der Beschädigung oder Zerstörung einer fremden Sache zur Abwehr einer Lebensgefahr, nichts Anstößiges an der Aussage gefunden werden, daß ein solches Verhalten gesetzlich erlaubt 191
Siehe Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 5 f.; Soergel/J. Baur, § 904 Rdnr. 5 f.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 13. 192 Allerdings ist insbesondere bei Pawlik, der § 34 StGB auf eine politisch-personale Verbundenheit stützt, hervorzuheben, daß er die Eingriffsbefugnis nur als eine Mindestsolidarität begreift: Notstand, S. 150 ff. Sie sei insbesondere zum Schutz reiner Sachwerte sehr eng auszulegen. Dies stellt ein in sich schlüssiges Konzept auf dem Grundgedanken des Rechts als sittlicher Vermittlung zwischen abstraktem Freiheitsschutz und Schutz des personalen Wohls dar, weicht aber mit Blick auf das Zivilrecht erheblich von der Interpretation ab, die § 904 Satz 1 BGB durch die allgemeine Meinung erfährt. Der hiesige Erklärungsansatz will diesen, auch zugunsten reiner Sachwerte eher weiten Anwendungsbereich des Notstands verständlich machen.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
wird, weil der Gefährdete die Zugriffsmöglichkeit auf die betreffende Sache wegen der damit verbundenen Rettungschance typischerweise höher bewertet als der Eigentümer sein Ausschlußrecht.193 Die Kosten-Nutzen-Analyse führt in diesem Fall folglich nicht dazu, daß dem Leben des Gefährdeten ein bestimmter Geldwert zugeordnet und mit dem monetären Interesse des Eigentümers abgewogen wird.194 Der quantifizierbare Vergleich bezieht sich von vornherein nur auf den Wert, den die Entscheidungshoheit über das Eingriffsobjekt, d.h. bei § 904 Satz 1 BGB die betreffende Sache, jeweils für den Gefährdeten bzw. den Eigentümer hat. Somit erfolgt im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse auch bei § 904 Satz 1 BGB keine Kommodifizierung des gefährdeten Interesses, d.h. es wird in keinem Fall ein Markt für höchstpersönliche Rechtsgüter eröffnet.195 Vielmehr kann umgekehrt eine Aufopferungspflicht zu Lasten bedeutender höchstpersönlicher Interessen gerade mangels einer rechtlich anerkannten Marktfähigkeit dieser Güter nicht angeordnet werden. Insoweit greift eine absolute, d.h. keiner Interessenabwägung zugängliche Opfergrenze ein, die nach gefestigter Ansicht beispielsweise eine Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB auf gesundheitsgefährdende Immissionen ausschließt.196 Da sich das Moment eines hypothetischen Vertrags auch bei § 904 Satz 1 BGB somit nur auf das Eingriffsobjekt bezieht, erscheint die Anwendung einer Kosten-Nutzen-Analyse nicht unangemessen. Diese bringt die Entscheidung über die Anordnung einer Eingriffsbefugnis soweit als möglich mit dem Willen der Beteiligten in Einklang, indem auf die jeweilige Kauf- bzw. Verkaufsbereitschaft unter optimalen Marktbedingungen abgestellt wird. Die Alternative wäre, daß die Rechtsordnung aufgrund einer kollektiven und somit von den subjektiven Interessen der Betroffenen losgelösten Interessenbewertung über den Rechtsentzug entscheiden würde. Ein solches Vorgehen ist jedoch pro193
Siehe Ellger, Bereicherung, S. 228: Hinter § 904 Satz 1 BGB „steht die wirtschaftlich sinnvolle Erwägung, daß bei Gefahr eines im Verhältnis zum Nachteil des Eigentümers unverhältnismäßig großen Schadens dieser Schaden abgewendet werden sollte.“ 194 Weiterführend zur ökonomischen Bewertung von Persönlichkeitsrechten Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 114 (2001), 967 (1368 ff.). 195 Kornhauser, Journal of Legal Studies 29 (2000), 1037 (1048): „[C]ost-benefit analysis does not price life, the environment, or any other irreplaceable commodity. Rather, cost-benefit analysis places a value on specific policies offered in specific contexts.“ 196 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 105 f.; Diederichsen, Festschrift Schmidt, S. 1 (9); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 39 f.; Forkel, Immissionsschutz, S. 60 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 204 ff.; Lytras, Umweltschäden, S. 168 ff.; RGRK/Augustin, § 1004 Rdnr. 50; Pfeiffer, Immissionsschutz, S. 182 f.; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 231; kritisch zu einer unterschiedlichen Behandlung von Eigentumsinteressen und höchstpersönlichen Rechtsgütern in bezug auf § 906 BGB aber Lang, AcP 174 (1974), 381 (388) und G. H. Roth, NJW 1972, 921 (923).
II. Aufopferungspflichten als Marktimitation
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blematisch. Wenn es, wie dargelegt, Marktineffizienzen sind, die in den besagten Konstellationen eine Korrektur durch die Rechtsordnung erforderlich machen, spricht bereits das Kriterium des mildesten Mittels bei Eingriffen in die Privatautonomie entscheidend dafür, den hypothetischen Parteiwillen unter den gedachten Bedingungen eines optimalen Markts zum Maßstab der rechtlichen Regelung zu machen.197 Die entgegengesetzte Sichtweise, nach der die Notstandsbefugnis auf einer objektiv-sittlichen Aufopferungspflicht zugunsten höherrangiger Werte beruht, erscheint darüber hinaus auch deswegen unbefriedigend, weil ihre praktische Wirksamkeit in zu großem Maße von Zufälligkeiten abhängt, als daß sie der systematische Ausdruck rein objektiver Rechtswerte sein könnte. Beispielsweise fehlt es in vielen Gefahrenlagen schlicht an der Möglichkeit, sich durch den Eingriff in fremdes Eigentum der Gefahr zu entziehen – die Regelung des § 904 Satz 1 BGB baut strukturell auf „Glück im Unglück“ auf. Schon aus diesem Grund taugt die Duldungspflicht kaum als sittliches Wertkorsett. Mit ihr reagiert der Staat vielmehr in gewissem Maße gerade auf seine eigenen Grenzen: Weil er selbst nicht dazu in der Lage ist, alle Gefahrenlagen mit ordnungsbehördlichen Mitteln abzuwenden, wird deren Lösung mit § 904 BGB wieder auf die private Ebene zurückverlagert. Dann kann aber auch die Anlehnung an eine hypothetische vertragliche Lösung nicht falsch sein. Für diese Deutung der Aggressivnotstandsbefugnis als Ausdruck individueller Rationalität der Beteiligten lassen sich auch Anhaltspunkte in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zeigen. Dabei kann es selbstverständlich nicht um das Auffinden der technischen Terminologie der Rechtsökonomik gehen, die am Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht existierte. Vielmehr ist es nur möglich, § 904 Satz 1 BGB seinem allgemeinen Grundgedanken nach nicht als Produkt einer paternalistischen Wertlehre, sondern des Gedankens einer bestmöglichen Wahrung subjektiver Präferenzen auszuweisen. Zwar war der Zweiten Gesetzgebungskommission vorgeschlagen worden, eine Befugnis zum Eingriff in fremdes Eigentum zur Gefahrabwehr immer dann zu verleihen, wenn ein Widerspruch des Eigentümers gegen den Eingriff „nach den Umständen des Falls gegen die guten Sitten verstoßen würde“.198 Dieser Vorschlag beruhte auf dem erklärten Gedanken, die Eingriffsbefugnis realisiere eine objektive Wertordnung, d.h. das Interesse der Allgemeinheit als solches.199 Wie bereits dargelegt, widerspricht dieser Ansatz jedoch dem Verständnis absoluter Rechte, das dem Bürgerlichen Gesetzbuch zugrunde liegt und das auf einer Entscheidungshoheit des Rechts197 198 199
Im Ergebnis auch Graf, Vertrag, S. 352 ff. Prot. VI, S. 213. Prot. VI, S. 214.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
inhabers aufbaut, die gerade unter keinem umfassenden Allgemeinwohlvorbehalt steht.200 Der heutige § 904 BGB mit seiner abweichenden Fassung wurde – immer noch unter schweren Bedenken ob der damit verbundenen Einschränkung der Eigentumsfreiheit201 – von der Mehrheit im wesentlichen aus einem pragmatischen Grund in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen. Eine Regelung des Notstands im Zivilrecht sei erforderlich, um die Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts sicherzustellen und zu verhindern, daß das Strafrecht in diesem Bereich ein zu starkes und zu mißbilligendes Eigenleben entfalte.202 Daneben findet sich in den Gesetzesmaterialien aber auch die Aussage, eine eng begrenzte Notstandsbefugnis zur Durchsetzung überwiegender Interessen „sei ihrer Wirkung wegen auch vom volkswirtschaftlichen Standpunkte zu empfehlen“.203 Dies ist eine klare Anlehnung an den Gedanken der Wohlfahrtssteigerung, der sich am Prinzip der Maximierung subjektiver Präferenzen orientiert. Das Bild wird abgesichert durch die kategorische Ablehnung, die eine Eingriffsbefugnis zu Lasten bedeutender höchstpersönlicher Rechtsgüter erfuhr. Eine solche Befugnis sei selbst dann inakzeptabel, wenn sie zur Abwendung noch größerer Gefahren diene, weil „für die Aufopferung jener Güter kein Äquivalent würde gewährt werden können“. Hiermit wird auf die Sinneinheit von Eingriffsbefugnis (§ 904 Satz 1 BGB) und Aufopferungsanspruch (§ 904 Satz 2 BGB) Bezug genommen, d.h. das Modell der Eingriffsbefugnis als eines Zwangsverkaufs. Insoweit findet sich bereits in der Gesetzesentstehung der Gedanke der Marktimitation. Auch die Regelung des aggressiven Notstands entzieht somit die betreffende Güterumschichtung nicht der Hoheit der Privatautonomie, weil deren Ausübung hier nach Auffassung des Gesetzgebers von vornherein unangemessen wäre,204 sondern imitiert das Ergebnis zwangfreier Vereinbarungen soweit als möglich in einem Bereich, der wettbewerbsgestützten Märkten verschlossen ist. c) Zusammenfassung Die Duldungspflichten in Situationen eines Aggressivnotstands und gegenüber wesentlich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen reagieren auf ein typisierbares Marktversagen, indem sie eine Eingriffsbefugnis ge200
Siehe oben C. I. 2. a) bb). Vgl. die Kritik bei von Alberti, Gefährdung, S. 37; C. L.von Bar, Gesetz und Schuld, S. 258 f.; Hold von Ferneck, Rechtswidrigkeit, Bd. 2, S. 79 ff. und Titze, Notstandsrechte, S. 37 ff. 202 Prot. VI, S. 215. Zur Entwicklungsgeschichte des Notstandsgedankens im Strafrecht Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 16 Rdnr. 1 ff. 203 Prot. VI, S. 218. 204 So aber Lege, Zwangskontrakt, S. 100. 201
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währen, die in funktionierenden Märkten bei rationalem Verhalten vertraglich vereinbart worden wäre (Marktimitation). Folglich haben sie nicht zur Aufgabe, Interessen durchzusetzen, die zwar nicht nach der Willenslage der Beteiligten, wohl aber einem – wie auch immer bestimmten – objektiven Wertmaßstab überwiegen. Dieses Verständnis wird dadurch bestätigt, daß das Gesetz dem Eingriffsbefugten nur ein Recht, aber keine Pflicht auferlegt, eigene Interessen zu Lasten derjenigen des betroffenen Eigentümers zu verfolgen. Ginge es um die Durchsetzung rein objektiv bestimmter höherwertiger Interessen, wäre eine solche Pflicht aber nur konsequent.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation In den bisherigen Erwägungen zu aufopferungsbezogenen Eingriffsrechten als Marktimitation ist noch nicht begründet worden, warum der Rechtsentzug nicht nur an eine Kosten-Nutzen-Analyse geknüpft ist, sondern mit ihm eine tatsächliche und nicht nur hypothetische Entschädigungspflicht desjenigen verbunden wird, der von der Eingriffsbefugnis Gebrauch macht. Die effiziente Verteilung von Abwehr- und Handlungsrechten wird gerade durch das Eingriffsrecht sichergestellt, während die Zahlung eines Ausgleichs auf den ersten Blick selbst nicht wohlfahrtssteigernd wirkt. Sie verlagert einen Geldwert von dem Eingreifenden auf den Duldungspflichtigen und führt dabei zu zusätzlichen Transaktionskosten. Z. B. können Rechtsstreitigkeiten über den Ausgleichsanspruch entstehen, welche den Effizienzgewinn aus der Duldungspflicht schmälern oder im Einzelfall möglicherweise sogar gänzlich nivellieren.205 In diesem Sinne stellt der oben verwendete Kaldor-Hicks-Test, nach dem sich die Effizienz einer Zustandsänderung bemißt, auch lediglich darauf ab, ob der „Gewinner“ den „Verlierer“ kompensieren könnte. Eine tatsächliche Ausgleichszahlung gebietet der bloße Gedanke einer Effizienzsteigerung durch Eingriffsbefugnisse nicht.206 Es bedarf somit einer Begründung, warum der Ausschluß des Abwehrrechts des Eigentümers nicht das letzte Wort darstellt,207 sondern mit einem Ersatzanspruch verbunden wird. Nun wäre bereits die hier permanent gezogene Parallele zwischen der Kosten-Nutzen-Analyse und einem hypothetischen Vertrag bemakelt, wenn die 205 Coleman, Ethics 94 (1984), 649 (651 f.); grundlegend bereits Hicks, Economic Journal 49 (1939), 696 (712). Es handelt sich um sogenannte tertiäre Kosten im Sinne Calabresis, Cost, S. 28. 206 Coleman, Nomos 24 (1982), 83 (84); Eidenmüller, Effizienz, S. 51. 207 Hierfür aus ökonomischer Sicht wohl Coase, Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (19 ff.).
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Ausgleichspflicht keine Notwendigkeit darstellen würde. Hätte doch der Begünstigte den Entfall des Abwehrrechts des Eigentümers auch am Markt nur gegen ein tatsächliches und nicht bloß hypothetisches Entgelt erwerben können. Im folgenden ist dementsprechend darzulegen, daß auch ein Ausgleichsanspruch nach Art der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB integraler Bestandteil einer Interpretation der Eigentumsaufopferung als Marktimitation ist. Dies läßt sich auf zwei unterschiedliche Erwägungen stützen, von denen die erste rein normativer (deontologischer) Natur ist, während die zweite auf instrumentellen (konsequentialistischen) Gründen beruht: Zum ersten und vor allem ist der Ausgleichsanspruch geboten, weil die Marktimitation durch Eingriffsbefugnisse immer schon auf der Grundlage an sich gegebener Eigentümerrechte erfolgt und diesem Ausgangspunkt Rechnung tragen muß.208 Anders gesprochen geht es bei dem hier vertretenen Modell der Marktimitation nicht isoliert darum, eine Ressource ihrer effizienten Verwendung zuzuführen, sondern dies in einer Art und Weise zu tun, welche die berechtigten Interessen beider Beteiligter in größtmöglichem Maße verwirklicht. Und zum zweiten drohen bei Fehlen einer tatsächlichen Ausgleichspflicht aus verschiedenen Gründen letztlich doch ineffiziente Nutzungen der Ressource, die Gegenstand des Eingriffsrechts ist, wodurch die Idee der Imitation perfekter Märkte geradezu konterkariert würde.209
1. Aufopferungsansprüche als Anerkennung von Eigentumsrechten a) Der Primat des subjektiven Rechts gegenüber Nutzenerwägungen Das hier vertretene Modell hat nicht zum Inhalt, daß alle eigentumsbezogenen Ausschluß- bzw. Handlungsrechte schon von vornherein im streng utilitaristischen Sinne demjenigen zugeteilt werden, der im Einzelfall aus ihnen den größten Nutzen ziehen kann. Was zum grundsätzlichen Inhalt des Eigentumsrechts einer bestimmten Person im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB gehört, wird daher nicht durch das gedankliche Experiment bestimmt, ob der Eigentümer oder ein Dritter auf der Basis ihrer tatsächlichen Vermögensverhältnisse mehr für das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines konkreten negatorischen Rechts geboten hätten (sogenannte Auktions-Entscheidungsregel).210 Durch diese Sichtweise, die einer Spielart der ökonomischen Ana208
D. III. 1. D. III. 2. 210 So aber namentlich der rechtspolitische Vorschlag von R. Posner, Journal of Legal Studies 8 (1979), 103 ff.; ders., Hofstra Law Review 8 (1980), 487 (488 ff.); 209
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lyse des Rechts zugrunde liegt, würden absolute Rechte als autonome Rechtssphären zwangsläufig aufgelöst. Denn es müßte für jede einzelne denkbare Nutzung einer Sache bzw. für jede denkbare Einwirkung auf diese ermittelt werden, welche Person ihre Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit am höchsten bewertet und die Rechtsposition entsprechend zugeteilt werden. Es ginge nicht mehr um Eigentumsrechte als umfangreiche Rechtsbündel, sondern nur noch atomisierte Handlungs- und Abwehrbefugnisse, die relativen Rechtsverhältnissen nahekämen. Zwar könnten die Kosten für die Bestimmung und Verwaltung solcher atomisierter Rechte derart hoch sein, daß auch dann umfangreiche absolute Rechtspositionen vorzuziehen wären, wenn das einzige Ziel die Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt durch Zuteilung aller Rechtspositionen an denjenigen wäre, der das größte Interesse an ihrer Innehabung hat.211 Wie sollte es z. B. ohne immensen Verwaltungsaufwand und Schaden für die Rechtssicherheit umgesetzt werden, eine Sache, aus deren Gebrauch von Montag bis Freitag Person A den größten Nutzen ziehen kann, am Wochenende aber Person B, den jeweiligen Beteiligten an den entsprechenden Tagen kraft Gesetzes rechtlich zuzuordnen? Dieses praktische Bedürfnis nach einer Standardisierung würde aber nichts daran ändern, daß die Aufteilung aller Ausschluß- und Handlungsbefugnisse zugunsten der jeweils Meistbietenden das Ideal bliebe und umfassende Rechtsbündel wie das Eigentum als Vollrecht nur eine Verlegenheitslösung darstellen würden, die zu hohen Kosten der Verwirklichung des Ideals geschuldet wäre. In einem solchen Schema müßte darüber hinaus zumindest eine gravierende Abweichung von der geltenden Struktur absoluter Rechte eingreifen: Wenn das regulative Prinzip darin besteht, jegliche Rechtsbefugnis demjenigen zuzuteilen, der aus ihr den größten Nutzen hat, dürfen absolute Rechte generell keine negatorischen Ansprüche im Sinne des § 1004 BGB begründen (property rules), sondern lediglich Schadensersatzpflichten des Eingreifenden (liability rules).212 Sofern eine Person in Rechte eingreift, obwohl sie den Schaden des Rechtsinhabers ersetzen muß, wird sie für die betreffende Ressource im Regelfall eine Verwendung haben, die wertvoller ist als der Schaden des Rechtsinhabers. Denn sonst würde der Eingriff zum Preis der Schadensersatzpflicht nicht vorgenommen. Besteht aber ein solches ders., Economic Analysis, S. 10 ff.; zur zwiespältigen Relation des Systems Posners zum Credo der sogenannten Chicago School Eidenmüller, Effizienz, S. 65 ff. 211 Siehe Behrens, Grundlagen, S. 127 f.; Ellger, Bereicherung, S. 286 ff. 212 Hierzu mit Verfeinerungen des aufgeworfenen Grundproblems, die an dieser Stelle außer Betracht bleiben können, Calabresi/Melamed, Harvard Law Review 85 (1972), 1089 ff.; Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 109 (1996), 713 ff.; Krier/ Schwab, New York University Law Review 70 (1995), 440 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 551.
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Wertverhältnis, ist es nach dem in Rede stehenden Ansatz geboten, den Eingriff zu gestatten. Die betreffende Rechtsposition gelangt zu demjenigen, der sie höher bewertet. Dann müßten aber alle negatorischen Rechte zugunsten bloßer Schadensersatzpflichten aufgehoben werden. Und selbst die Schadensersatzpflicht würde dabei nicht der Anerkennung eines „suum cuique“ des Rechtsinhabers dienen. Wenn der Staat mit vertretbaren Kosten im Einzelfall bestimmen könnte, wer eine fragliche Rechtsposition am höchsten bewertet, würde er diese wie dargelegt zwecks Mehrung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt der betreffenden Person direkt zuteilen, ohne einen anderen zu entschädigen.213 Nur weil dies praktisch nicht möglich ist, muß das diskutierte Modell individuelle Eigensteuerung in Dienst nehmen: Der Rechtsinhaber dient als bloßer Sachwalter des Gemeinwohls, indem die drohende Geltendmachung von Schadensersatz durch ihn andere dazu bewegt, Eingriffe nur dann vorzunehmen, wenn ihr Interesse an dem Eingriff größer ist als der Schaden des Rechtsinhabers. Private Eigentumsrechte sind danach eine Chiffre für die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt und stellen keine negatorischen Ausschlußrechte dar, sondern erfüllen als Haftungs213 In diesen Zusammenhang ist die berühmte Learned Hand-Formel einzuordnen, die durch Judge Learned Hand in der Entscheidung United States v. Carroll Towing Co., 159 F. 2d 169 (2d Cir. 1947) aufgestellt wurde und nach der im anglo-amerikanischen Recht häufig der Fahrlässigkeitsbegriff und damit die deliktische Verantwortlichkeit für Eigentumsverletzungen bestimmt werden (hierzu R. Posner, Economic Analysis, S. 167 ff. und Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 158 f.). Eine Handlung ist danach nur dann fahrlässig und verpflichtet somit zum Schadensersatz, wenn der Vorsorgeaufwand (V), der mit ihrer Unterlassung bzw. vorsichtigeren Vornahme verbunden wäre (z. B. Sicherungskosten, Einschränkung von Geschäftsmöglichkeiten etc.), kleiner ist als das aus der Handlung für fremdes Eigentum resultierende Risiko, welches sich wiederum aus dem Produkt des potentiellen Schadens (S) und der Schadenswahrscheinlichkeit (p) ergibt. Hinter diesem Modell steht der folgende Gedanke: Wenn V < pS, ist das Verhalten ineffizient, weil seine Unterlassung den Handelnden weniger kostet als es Risiken für einen Dritten birgt. Daher soll eine verhaltenslenkende Schadensersatzpflicht eingreifen, die solche Handlungen unattraktiv macht. Der Handelnde ist ersatzpflichtig, weil er mit einem NichtHandeln den Konflikt kostengünstiger beseitigen kann als der Eigentümer durch die Hinnahme des Schadensrisikos. Anderes gilt, wenn V > pS. Dann ist die Handlung effizient, weil sie für den Eigentümer ein geringeres Risiko birgt, als ihre Unterlassung an Vorsorgeaufwand für den Handelnden verursacht. Dementsprechend muß der Eigentümer „haften“, indem der Handelnde nicht ersatzpflichtig ist („casum sentit dominus“). Nach der Learned Hand-Formel wird somit in jedem Fall derjenige belastet, welcher in bezug auf den Konflikt der „cheapest cost avoider“ ist (siehe Calabresi, Costs, S. 135 ff.). Die Formel stellt somit einen Spezialfall des KaldorHicks-Kriteriums dar: Wenn V > pS, wäre der Handelnde in perfekten Märkten in Form einer Versicherung bereit, das Risiko (pS) des Gefährdeten abzudecken, falls er im Gegenzug die Handlung vornehmen dürfte und somit V einsparen würde. Die Fragen der Gefährdungsbefugnis und der Schadensersatzpflicht werden somit am Leitbild der Nutzenmaximierung miteinander verschmolzen.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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posten lediglich eine Anreizfunktion für potentielle Eingreifer. Diese Sichtweise entspricht nicht dem geltenden Recht, welches das Eigentum mit § 1004 Abs. 1 BGB als eine autonome Sphäre des jeweiligen Inhabers versteht, die einen Eigenwert besitzt. Die Marktimitation geht daher nicht von einer „tabula rasa“ aus und verteilt atomisierte Handlungsrechte nach dem Prinzip des größten Nutzens. Das Kriterium der Steigerung subjektiv verstandener Wohlfahrt durch Aufopferungspflichten greift vielmehr erst von der Ausgangsbasis des Eigentumsinhalts ein, den § 1004 Abs. 1 BGB dem jeweiligen Rechtsinhaber zumindest an sich zuweist. Der Gedanke der Marktimitation wird daher positivrechtlich überhaupt erst relevant, wenn bereits eine Person nach den Regelungen des originären oder derivativen Eigentumserwerbs als Inhaber der betreffenden Sache feststeht und der grundsätzliche Inhalt der Ausschlußbefugnis im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB geklärt ist.214 Daß der Gedanke der Marktimitation dann auf einer nachrangigen Ebene fruchtbar ist, wenn es um die ausnahmsweise Abweichung von an sich bestehenden Ausschlußrechten geht, folgt aus der bereits angedeuteten Eigenschaft rational handelnder Rechtssubjekte, ohnehin zu einer optimalen Verwendung von Ressourcen durch die Umschichtung von Ausschlußrechten zu streben.215 Mittels privatautonomer Tauschprozesse werden Gewinnpotentiale zum beiderseitigen Vorteil genutzt. Die Zuführung eines Guts zu einer effizienteren Verwendung verkörpert dabei anders als nach utilitaristischer Sichtweise aber kein eo ipso erstrebenswertes Ziel.216 Die Beteiligten haben vielmehr berechtigterweise nur ihre individuellen Interessen im Sinn, d.h. die Verwirklichung ihrer eigenen Präferenzen durch Tauschvorgänge. Die Wohlfahrtssteigerung, die sich aus einer Umschichtung an sich bestehender Abwehrrechte ergibt, erlangt daher als Grundlage von Aufopferungspflichten nur insoweit Bedeutung, als sie beiden Beteiligten nützt: Der Mehrwert, der sich aus der Aufgabe eines Ausschlußrechts zugunsten einer Person ergibt, welche die korrespondierende Handlungsfreiheit höher bewertet als der Rechtsinhaber das Ausschlußrecht, stellt einen aufteilbaren Gewinn dar. Wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, aber prohibitive Transaktionskosten einen vertraglichen Austausch verhindern, kann die Rechtsord214 Es muß somit ermittelt werden, welche Handlungen oder Zustände eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellen. 215 Siehe Graf, Vertrag, S. 53 ff. In der Literatur wird zu Recht darauf verwiesen, daß nach dem Coase-Theorem bei niedrigen Transaktionskosten eine Verteilung der originären Rechte nach einem bestimmten Maßstab von Verteilungsgerechtigkeit nicht zu Ressourcenverschwendung führt, da das betreffende Gut über Tauschprozesse einer effizienten Verwendung zugeführt werden wird: Eidenmüller, Effizienz, S. 81; Schwab, Michigan Law Review 87 (1989), 1171 (1195). 216 So für den Bereich der Vertragsergänzung bereits Graf, Vertrag, S. 293 ff.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
nung selbst durch Aufopferungspflichten des Eigentümers auf eine Wohlfahrtssteigerung hinwirken, die sich am Leitbild des Markts orientiert. Nach der hier vertretenen Auffassung sind auch die Eingriffsbefugnisse der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Ausdruck dieses Gedankens. Zu der Anlehnung an einen hypothetischen Vertrag gehört dann aber auch eine tatsächliche Kompensation des Duldungspflichtigen. Würde die Anordnung einer Duldungspflicht im Sinne des Kaldor-Hicks-Kriteriums schon durch die bloße Fähigkeit des Eingriffsbefugten getragen, den Duldungspflichtigen aus dem mit der Eingriffsbefugnis verbundenen Wohlfahrtsgewinn zu kompensieren, eine tatsächliche Ausgleichszahlung aber unterbleiben, wäre der dargestellte Legitimationszusammenhang hingegen zerrissen. Zwar würde die betreffende Ressource ihrer besten Verwendung zugeführt, zugleich gäbe es aber in der Person des betroffenen Eigentümers einen vermögensmäßigen Verlierer. Ein solches Ergebnis dient nach rein utilitaristischer Logik einer Steigerung der kollektiven Wohlfahrt. Mit dem Modell eines hypothetischen Vertrags auf der Basis vorhandener Eigentumsrechte hätte es aber nichts mehr zu tun. Erst die Ausgleichszahlung sorgt dafür, daß Aufopferungspflichten einen Mehrwert schaffen, ohne Vermögen zu Lasten einer Person umzuverteilen. Und nur deswegen kann das Institut der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung die Legitimationskraft eines hypothetischen Konsenses für sich in Anspruch nehmen. Das hier zugrunde gelegte Modell der Marktimitation verficht somit keinen Primat kollektiver Wohlfahrt über subjektive Rechte, sondern lediglich eine Anwendung der Logik des Austauschvertrags auf die ausnahmsweise Abweichung von den Schutzpositionen des § 1004 Abs. 1 BGB durch die Anordnung von Eingriffsbefugnissen. b) Rechtsökonomische Flankierung des Primats: Wohlfahrtseffekte und „status quo bias“ Durch diesen Umstand treffen zugleich auch zwei spezifisch rechtsökonomische Einwände das hier vorgeschlagene Modell nicht, die gegen die originäre Zuteilung aller eigentumsbezogenen Ausschlußrechte im Wege einer Kosten-Nutzen-Analyse vorgebracht werden: Hiermit ist zum einen das Problem der sogenannten Wohlfahrtseffekte gemeint, das gegen eine solche Interpretation des Coase-Theorems angeführt wird, nach der die Person des ursprünglichen Rechtsinhabers bei Abwesenheit von Transaktionskosten niemals relevant dafür sein kann, welcher Verwendung die betreffende Ressource letztlich zugeführt wird. Dagegen wird argumentiert, daß es Situationen gebe, in denen der Inhaber eines Rechts für dessen Aufgabe mehr verlangt als er bereit wäre, für seinen Erwerb zu zahlen, weil die Kaufbereitschaft anders als die Verkaufsbereit-
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schaft durch sein vorhandenes bzw. aktivierbares Vermögen nach oben begrenzt ist.217 Als extremes Beispiel dient insoweit die Verteilung des letzten Glases Wasser in einer Wüste zwischen zwei Personen, A und B. Steht A das Eigentum an dem Wasser zu, wird er es B nicht verkaufen, weil A keinen Geldbetrag, den B bieten könnte, höher bewertet als die mit dem Wasser verbundene Überlebenschance. Ist hingegen B Eigentümer, wird es wiederum A unmöglich sein, das Glas zu erwerben. Welcher Verwendung das Wasser zugeführt wird, ergibt sich somit selbst bei Fehlen von Transaktionskosten nicht ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Eigentumsposition. Auf dieser Basis wird die gerade abgelehnte Auffassung kritisiert, die Eigentumsrechte von vornherein immer demjenigen zuteilen will, der sie in perfekten Märkten erworben hätte. Denn es gibt wie dargelegt Situationen, in denen das Ergebnis solcher Markttransaktionen selbst schon von der ursprünglichen Rechtsverteilung abhängt. Dieses Problem stellt sich jedoch für die hier vertretene Ansicht nicht, weil der maßgebliche Ausgangspunkt für die hypothetische Kauf- bzw. Verkaufsbereitschaft, nach der über eine Eingriffsbefugnis zu entscheiden ist, eben immer schon das konkret bestehende Eigentum einer bestimmten Person mit seinem grundsätzlichen Inhalt im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB ist. Und dadurch sieht sich das hiesige Modell auch nicht dem Kritikpunkt ausgesetzt, welcher von einer Behavioral Law and Economics genannten Schule218 unter dem Stichwort „status quo bias“ gegen die Rechtszuteilung am Maßstab hypothetischer Märkte vorgebracht wird. Mit dem sogenannten status quo bias wird das empirisch nachgewiesene Phänomen bezeichnet, daß Rechtssubjekte ihre Kauf- bzw. Verkaufsbereitschaft in bezug auf Ausschluß- und Handlungsbefugnisse häufig nicht unabhängig von der Frage bilden, wem eine solche Befugnis durch die Rechtsordnung vor einer möglichen vertraglichen Umschichtung zugewiesen ist.219 Anders gesprochen verlangt eine Person nicht selten mehr für die Aufgabe eines ihr zugewiesenen Eigentumsrechts, als sie für den Erwerb eines solchen Rechts zu zahlen bereit ist, eben weil sie der originären Rechtszuteilung selbst einen Eigenwert beimißt.220 Hängt somit das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse schon von der originären Verteilung bestimmter Eigentümerbefugnisse ab, wäre es nicht möglich, diese Verteilung selbst auf einen solchen Präferenz217 Eidenmüller, Effizienz, S. 118 ff.; Kennedy, Stanford Law Review 33 (1981), 387 (401). 218 Hierzu im Überblick Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 65 ff.; Sunstein, Introduction, S. 1 ff. 219 Eidenmüller, JZ 2005, 216 (218 f.); Korobkin, Contract Formation, S. 116 ff.; Mathis, Effizienz, S. 167 f. 220 Die entsprechende Präferenzstruktur der Beteiligten verhält sich nicht exogen zu der rechtlichen Eigentumszuteilung, sondern endogen.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
vergleich zu stützen. So wird hier aber auch nicht vorgegangen, da die Kosten-Nutzen-Analyse lediglich als Hilfsmittel für die Frage verwendet wird, ob ein bereits anderweitig begründetes Ausschlußrecht des Eigentümers ausnahmsweise zurückstehen muß. In all diesen Erwägungen findet sich auch Coases221 eigene Aussage bestätigt, nach der Märkte am besten auf dem Fundament stabiler Eigentumsrechte gedeihen und sie nicht ersetzen. Diese Erkenntnis wird hier respektiert, indem der Gedanke der Marktimitation akzessorisch an die gemäß § 1004 Abs. 1 BGB an sich bestehenden Ausschlußrechte des betreffenden Eigentümers anknüpft. c) Die Abhängigkeit des Aufopferungsgedankens vom Inhalt des Eigentums Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, daß die Beantwortung der Frage, ob die Befugnis Dritter zu einer bestimmten, für den Eigentümer nachteiligen Handlung eine Aufopferungspflicht darstellt und damit nach dem Gedanken der Marktimitation einen Ausgleichsanspruch gebietet, davon abhängt, was jeweils zum Ausschlußgehalt des Eigentumsrechts im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB gerechnet wird. Nur wenn ein danach an sich gegebenes Abwehrrecht durch die Rechtsordnung entzogen wird, besteht ein ausgleichspflichtiges Sonderopfer. Wird ein bestimmtes Geschehen hingegen schon nicht als Eigentumsbeeinträchtigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB eingeordnet, scheidet ein Aufopferungsanspruch von vornherein aus. aa) Die Kritik an der Unterscheidbarkeit von Rechtsgrenzen und Duldungspflichten Der Norm des § 1004 Abs. 1 BGB wohnt aber selbst kein abschließender Maßstab dafür inne, welche Verhaltensweisen Dritter und welche Zustände eine Eigentumsbeeinträchtigung verkörpern.222 Dieser Umstand hat zu einer Kritik geführt, die der Kategorie des an sich zugewiesenen Eigentumsinhalts als Voraussetzung der Aufopferungshaftung einen Leerformelcharakter 221 Journal of Law & Economics 3 (1960), 1 (8 und 19); in der Folge z. B. Behrens, Grundlagen, S. 116 ff.; Coleman, Risks, S. 147; Hesse, Handlungsrechte, S. 79 (90); Harrison/McKee, Journal of Law & Economics 28 (1985), 653 (654 f.); Hirshleifer, Price Theory, 490 f.; R. Posner, Economic Analysis, S. 32 ff.; Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse, S. 105 f. 222 Vgl. Picker, Beseitigungsanspruch, S. 95: „§ 1004 ist nur das rechtliche Instrument, die Wertentscheidung über Inhalt und Umfang des geschützten Rechts durchzusetzen; er gibt selbst keinen Anhalt dafür, wie diese Wertentscheidung zu treffen ist.“
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unterstellt.223 Der Einwand stützt sich darauf, daß in letzter Instanz der Gesetzgeber über die Verleihung eines bestimmten Bestandsschutzes zugunsten des Eigentümers entscheidet und daher für den Fall seiner Versagung nicht zwischen an sich gegebenen Abwehrrechten einerseits und schon originär ausgeschlossenen Abwehrrechten andererseits differenziert werden könne. Diese Auffassung stellt eine besondere Ausprägung der sogenannten Immanenztheorie dar, nach der alle gesetzlichen Schranken, die dem Eigentümer gezogen werden, bereits integraler Bestandteil des Eigentumsrechts sind und dieses somit originär begrenzen.224 Jenseits des tatsächlichen Bestehens von Abwehransprüchen nach § 1004 BGB soll stets eine tatbestandliche Grenze des Rechts vorliegen, die nicht von darüber hinausgehenden Duldungspflichten unterschieden werden könne.225 Danach ist z. B. die Regelung des § 905 Satz 2 BGB, nach welcher der Eigentümer bestimmte Einwirkungen in großer Höhe oder Tiefe mangels bestehenden Ausschlußinteresses nicht verbieten kann, auf derselben Ebene angesiedelt wie etwa die Regelungen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach dieser Position existieren dementsprechend keine an sich bestehenden Abwehrrechte, von denen das hier vertretene Modell der Eigentumsaufopferung als Marktimitation aber abhängt. Vielmehr beruhe die Ausgleichspflicht nicht auf dem Gedanken des Entzugs negatorischer Rechte, sondern einer gesetzgeberischen Interessenabwägung, die sich an den Erfordernissen des Gleichheitssatzes und des Übermaßverbots orientiere.226 bb) Replik am Beispiel der Entwicklung des Immissionsrechts Dem vorstehenden Ansatz ist zuzugeben, daß bei der Einordnung eines Geschehens als mangelnde Eigentumsbeeinträchtigung oder als Gegenstand einer Eingriffsbefugnis im Sinne einer Aufopferungspflicht ein gewisser gesetzgeberischer Wertungsspielraum besteht. Hierdurch verblaßt die Figur ei223 Insbesondere Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 23 ff. und im Anschluß an sie A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 67 f. 224 F. Baur, AcP 176 (1976), 97 (117 f.); Palandt/Bassenge, Vor § 903 Rdnr. 1; Pleyer, AcP 168 (1968), 407 (409 f.); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 24 ff.; Soergel/J. Baur, § 903 Rdnr. 20; Sontis, Festschrift Larenz, 1973, S. 981 (983 ff.). Widersprüchlich Wendehorst, Ausgleich, S. 191 ff., die einerseits dem Immanenzgedanken folgt, andererseits aber in der Duldung von Einwirkungen im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Quasi-Leistung des Eigentümers an den Eingriffsbefugten erblickt. 225 Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 157; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 61 ff.; Hubmann, JZ 1958, 489 (491 ); J. Schmidt, Aktionsberechtigung, S. 96 f.; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 18 ff. 226 Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff.; zustimmend A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 68.
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ner aufopferungsbezogenen Duldungspflicht jedoch nicht zu einer schieren Leerformel. Schon der Wortlaut des § 1004 BGB deutet mit seiner Zweiteilung in Abs. 1 und 2 darauf hin, daß im Rahmen der §§ 903 ff. BGB wertungsmäßig zwischen mangelnden Eigentumsbeeinträchtigungen und duldungspflichtigen Eingriffen unterschieden werden kann. Dies belegt z. B. anschaulich die Entstehungsgeschichte des heutigen § 906 Abs. 2 BGB: Bei der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuchs mußte ein Grundstückseigentümer nach § 906 Satz 1 BGB a. F. auch die Zuführung wesentlich beeinträchtigender Immissionen ohne einen Ausgleichsanspruch hinnehmen, wenn sie ortsüblich waren.227 Begründet wurde diese Regelung nicht nur als Unterstützung der industriellen Expansion, obwohl diese gegen Ende des 19. Jahrhunderts zweifellos ein bedeutendes Anliegen darstellte.228 Vielmehr erblickte man in der Entscheidung ausdrücklich einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den Emittenten und den betroffenen Grundstückseigentümern.229 Zum einen wurde davon ausgegangen, daß sich der Ausschluß des Abwehrrechts gegenüber allen ortsüblichen Immissionen von selbst ausgleiche, da jedem eine entsprechende Emissionsmöglichkeit offenstehe. Und zum anderen steige der Wert der betroffenen Grundstücke durch die mit den benachbarten emittierenden Anlagen verbundene „Hebung des Gewerbefleißes“ entsprechend an. Die Regelung stellte somit aus der Sicht des Gesetzgebers eine angemessene tatbestandliche Abgrenzung der wechselseitigen Freiheitssphären des Emittenten und des betroffenen Eigentümers dar. Folglich wurde die Nichtabwehrbarkeit auch wesentlich beeinträchtigender ortsüblicher Immissionen als immanente Grenze des Eigentumsschutzes und nicht als Entzug an sich gegebener Abwehrrechte begriffen und dementsprechend nicht mit einem Ausgleichsanspruch verbunden. Lediglich für Beeinträchtigungen, die das ortsübliche Maß und damit die Duldungspflicht aus § 906 Satz 1 BGB a. F. überstiegen, sah § 26 GewO a. F. einen Schadensersatz vor, wenn die Emissionen von einem im Sinne des § 16 GewO a. F. genehmigten Betrieb ausgingen. Dieser Schadensersatzanspruch bildete einen Ausgleich dafür, daß gegenüber genehmigten Betrieben gemäß § 26 GewO a. F. trotz einer Überschreitung der Duldungs227 Wortlaut des § 906 BGB a. F.: „Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt oder durch eine Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstükken dieser Lage gewöhnlich ist. Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.“ 228 Näher Ogorek, Actio Negatoria, S. 40 (56 ff.); Thier, Actio Negatoria, S. 407 (424 ff.). 229 Planck/Strecker, § 906 Anm. 4b, S. 278.
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pflicht aus § 906 Satz 1 BGB a. F., d.h. auch bei nicht-ortsüblichen Immissionen, keine negatorischen Rechte nach § 1004 Abs. 1 BGB bestanden.230 Dieses Regelungsgefüge des § 26 GewO a. F. entspricht im wesentlichen dem heutigen § 14 BImSchG, dessen Schadensersatzregelung in Satz 2 ebenfalls erst eingreift, wenn die Duldungspflicht gerade nach Satz 1 aus der Anlagengenehmigung und nicht bereits aus der allgemeinen Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB folgt.231 In der Rechtswirklichkeit trat der mit § 906 Satz 1 BGB a. F. angestrebte Interessenausgleich in bezug auf wesentliche Emissionen jedoch nicht ein. Gerade in der Nähe von Industriezentren drohte das Grundeigentum aufgrund der entschädigungslos hinzunehmenden wesentlichen Immissionen vielmehr zu einem „nudum ius“ zu schrumpfen.232 Entsprechende Vorteile standen der Zulässigkeit der Immissionen nicht gegenüber. Weder nutzte den nicht industriell tätigen Grundstückseigentümern eine weitgehende Emissionsfreiheit noch bewirkten die nahegelegenen Industriebetriebe eine Wertsteigerung in der Umgebung, sondern im Zuge gesteigerter Mobilität vielmehr einen Wertverfall. Die Regelung des § 906 Satz 1 BGB a. F. enthielt somit für wesentlich beeinträchtigende Immissionen keine „gerechte“ Bestimmung der originären Grenzen des Eigentumsschutzes. Das Reichsgericht griff diesen Mißstand im Jahre 1937 in dem sogenannten Zweiten Gutehoffnungshütte-Urteil auf.233 Bei diesem Sachverhalt ging es um die Frage, inwieweit einem Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke ein Ausgleich für Schäden zustand, die durch wesentlich beeinträchtigende Emissionen benachbarter Industriewerke auftraten. Das Gericht sah dabei 230 Wortlaut des § 26 GewO a. F.: „Soweit die bestehenden Rechte zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen, welche von einem Grundstück aus auf ein benachbartes Grundstück geübt werden, dem Eigentümer oder Besitzer des letzteren eine Privatklage gewähren, kann diese Klage einer mit obrigkeitlicher Genehmigung errichteten gewerblichen Anlage gegenüber niemals auf Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern nur auf Herstellung von Einrichtungen, welche die benachteiligende Einwirkung ausschließen, oder, wo solche Einrichtungen untunlich oder mit einem gehörigen Betriebe des Gewerbes unvereinbar sind, auf Schadloshaltung gerichtet werden.“ 231 Siehe BGHZ 69, 105 (110); F. Baur, JZ 1974, 657 (658); Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 64; G. Hager, NJW 1986, 1961 (1965); Jarass, BImSchG, § 14 Rdnr. 22; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 42; Marburger, Festschrift Ritter, S. 901 (907 f.); Petersen, Duldungspflicht, S. 59; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 81 f.; Staudinger/Kohler (2002), § 14 S. 2 BImSchG Rdnr. 39 f.; a. A. (Vorrang des § 14 Satz 2 BImSchG) AK-BGB/Winter, § 906 Rdnr. 34; Salje/Peters, Umwelthaftungsgesetz, § 18 Rdnr. 29. 232 Kleindienst, Immissionsschutz, S. 27; ähnlich Lang, AcP 174 (1974), 381 (392); Mittenzwei, MDR 1977, 99 (101); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 206. 233 RGZ 154, 161 ff.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
eine solche Emission nicht als ortsüblich im Sinne des § 906 Satz 1 BGB a. F. an, deren Auswirkungen einen Nachbarn in seiner wirtschaftlichen Existenz bedrohen. Denn bei der Auslegung des Begriffs der Ortsüblichkeit in § 906 Satz 1 BGB a. F. sei das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zwischen industriellen und landwirtschaftlichen Produzenten in der betreffenden Gegend zu berücksichtigen.234 Dieses Gemeinschaftsverhältnis verbiete es zumindest dann, industrielle Emissionen als ortsüblich einzustufen, wenn sie eine landwirtschaftliche Nutzung in ihrem Dasein gefährdeten, die das Gebiet ebenso präge.235 Somit seien die Beeinträchtigungen seitens des Beklagten nicht durch § 906 Satz 1 BGB a. F. gedeckt.236 Damit war der Weg frei, die betreffenden Immissionen der Regelung des § 26 GewO a. F. zu unterstellen, weil es sich bei der Beklagten um einen gemäß § 16 GewO a. F. genehmigten Betrieb handelte, und dem Nachbarn somit einen Entschädigungsanspruch zuzuerkennen. Verbal bewegte sich das Reichsgericht damit zwar noch im Bereich einer einschränkenden Auslegung des § 906 Satz 1 BGB a. F., indem es die Grenzen der Ortsüblichkeit über das Maß der Auswirkungen der Emission bei dem Betroffenen definierte. Der Sache nach wurde hiermit jedoch das gesetzgeberische Konzept stillschweigend korrigiert, das die mangelnde Abwehrbarkeit aller ortsüblichen Immissionen als originäre Grenze des Eigentumsrechts betroffener Nachbarn verstand, weil es sich für wesentlich beeinträchtigende Immissionen als untauglich erwiesen hatte.237 Obwohl der Gesetzgeber davon ausgegangen war, daß ortsübliche Immissionen unbeschadet des Ausmaßes ihrer Folgen deswegen entschädigungslos zu dulden seien, weil ihnen idealtypisch entsprechende Vorteile des Betroffenen gegenüberstünden, basiert die Entscheidung des Reichsgerichts sachlich auf der Annahme, daß auch ortsübliche Immissionen zumindest dann gegen den grundsätzlichen Inhalt des Eigentums der Nachbarn verstoßen, wenn sie deren wirtschaftliche Existenz gefährden. Insoweit wurde ein Entzug an sich gegebener Abwehrrechte angenommen. Dieses Abrücken von der gesetzgeberischen Konzeption hat der Bundesgerichtshof später deutlicher offengelegt und nicht mehr in den Mantel einer restriktiven Auslegung des § 906 Satz 1 BGB a. F. gehüllt.238 Er 234
RGZ 154, 161 (165 f.). RGZ 154, 161 (167). Dieser Gesichtspunkt findet sich im sogenannten Ersten Gutehoffnungshütte-Urteil aus dem Jahre 1932 (RGZ 139, 29 ff.), das dieselbe Beklagte betraf, noch nicht. 236 RGZ 154, 161 (166). 237 Hubmann, JZ 1958, 489 (491 f.); Mühl, NJW 1960, 1133 (1134); Schapp, Nachbarrecht, S. 78 ff.; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 64; H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 30 ff.; H. Westermann, Maßnahmen, S. 20. 238 Siehe zu den unterschiedlichen dogmatischen Ansätzen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs Konzen, Aufopferung, S. 54 ff. sowie Süss, Haftung, S. 114 ff. 235
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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erkannte betroffenen Nachbarn einen „Billigkeitsanspruch auf Teilentschädigung“ zu, wenn ortsübliche Emissionen bei ihnen zu einer schweren wirtschaftlichen Beeinträchtigung führen.239 Damit wurde nicht nur die Konzeption des § 906 Satz 1 BGB a. F., nach der die Zulässigkeit aller ortsüblichen Immissionen unterschiedslos als Grenze des Eigentumsinhalts benachbarter Grundstücke ausgestaltet war, implizit verworfen, sondern senkte die Rechtsprechung zugleich auch die sachlichen Voraussetzungen für die Annahme eines Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte ab. Hatte das Reichsgericht noch darauf abgestellt, ob eine Daseinsgefährdung vorliegt,240 nahm der Bundesgerichtshof einen entschädigungspflichtigen Entzug an sich gegebener Abwehrrechte bereits bei schweren wirtschaftlichen Beeinträchtigungen an.241 Im Jahre 1959 griff der Gesetzgeber dann diese Entwicklung in der Rechtsprechung und das Scheitern der Regelung des § 906 Satz 1 BGB a. F. auf und führte den heutigen § 906 Abs. 2 BGB ein. Nach diesem ist der idealtypische Eigentumsinhalt (§ 1004 Abs. 1 BGB) von einer wesentlichen ortsüblichen Immission immer dann betroffen, wenn dadurch eine ihrerseits ortsübliche Nutzung des betroffenen Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt wird.242 In diesem Fall wird durch § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für den Ausschluß des Bestandsschutzes ein Ausgleichsanspruch gewährt, der nach dem allgemeinen Gedanken der Eigentumsaufopferung eine besondere Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB zur Voraussetzung hat, d.h. eine Einschränkung des Eigentumsschutzes, die über eine Bestimmung der originären Tatbestandsgrenzen hinausgeht.243 Indem somit alle und nicht nur gewerbsmäßige ortsübliche Nutzungen mit an sich bestehenden Abwehrrechten vor wesentlichen Beeinträchtigungen geschützt sind, kehrt das Gesetz in Erweiterung der korrigierenden Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs zugleich von einer rein wirtschaftlichen zu einer autonomieorientierten Betrachtung zurück, die dem Eigentum als Schutz sachbezogener Freiheit angemessen ist. Hatte die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 906 Satz 1 BGB a. F. lediglich auf unbillige Folgen der Konflikte wirtschaftlicher 239
BGHZ 30, 273 (280). RGZ 154, 161 (167). 241 BGHZ 30, 273 (280). 242 Eingehend unten D. III. 3. a) bb). 243 RGZ 58, 130 (134); BGHZ 16, 366 (369 f.); Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 719; Dünnhaupt, Schadenersatz, S. 52; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 19 f.; Konzen, Aufopferung, S. 109 und 129 f.; Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (136); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1a, S. 655; Schapp, Nachbarrecht, S. 47; Soergel/J. Baur, § 903 Rdnr. 45; Spyridakis, Festgabe Sontis, S. 241 (246); Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 25; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574). 240
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Grundstücksnutzungen reagiert, kommt es heute für den Ausgleichsanspruch nur noch auf die Ortsüblichkeit der betroffenen Nutzung an, die durchaus ideeller Natur sein kann. Diese kurze Skizze der Entwicklung des Eigentumsschutzes gegenüber wesentlich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen seit Entstehung des Bürgerlichen Gesetzbuchs belegt zweierlei: Zum einen kann die Bestimmung desjenigen Bestandsinteresses des Eigentümers, das dem Eigentumsinhalt im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist, einem Wandel unterliegen. Zum anderen wird aber durch dieses Beispiel zugleich deutlich, daß die Grenzen des Schutztatbestands nicht dem freien Belieben des Gesetzgebers überlassen sind, was die Kategorie der an sich gegebenen Abwehrrechte in der Tat zu einer Leerformel degradieren würde. Vielmehr lassen sich Kriterien für die Bestimmung des Begriffs der Eigentumsbeeinträchtigung benennen, die von der jeweiligen positiven gesetzgeberischen Entscheidung unabhängig sind und auf dem Gedanken angemessener Freiheitsräume aufbauen. Die schrittweise Auflösung der positivrechtlichen Regelung des § 906 Satz 1 BGB a. F. durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs beweist dieses Vorhandensein eines materiellen Gehalts an sich bestehender Ausschlußrechte. Ob die Überwindung des evidenten Regelungszwecks des § 906 Satz 1 BGB a. F. durch die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung methodisch zulässig war244 oder umgekehrt diese Vorschrift aufgrund der ihr innewohnenden unangemessenen Interessenabgrenzung bereits damals gegen höherrangiges Recht verstieß,245 stellt eine andere, an dieser Stelle nicht zu erörternde Frage dar. Hier geht es nicht um eine vollständige und zeitübergreifende Bestimmung des grundsätzlichen Eigentumsinhalts, sondern nur darum, daß aufopferungsbezogene Duldungspflichten wie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB sinnhaltig von den tatbestandlichen Grenzen des Eigentums wie z. B. § 905 Satz 2 BGB unterschieden werden können. d) Keine Umverteilung von Vermögen durch Aufopferungspflichten Weil sich Aufopferungspflichten von anderen Konstellationen des Fehlens von Abwehrrechten nach § 1004 BGB abgrenzen lassen und sich die daran anknüpfende Kategorie der Eigentumsaufopferung mit dem Gedanken eines 244 So bezeichnet Kleindienst, Immissionsschutz, S. 43 die Entscheidung BGHZ 30, 273 als „Versuch einer Revolution in letzter Stunde“. 245 Beispielsweise erachtet Vieweg, NJW 1993, 2570 (2574); ders., Festschrift Großfeld, S. 1251 (1257) den Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Ausfluß der mittelbaren Drittwirkung des Grundrechts auf Eigentum.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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hypothetischen Austauschvertrags legitimieren läßt, darf der Duldungspflichtige durch den Eingriff keine vermögensmäßigen Einbußen erleiden. aa) Das Erforderlichkeitsprinzip als rechtsdogmatischer Anknüpfungspunkt für den Aufopferungsanspruch In der Literatur findet sich der Gedanke, daß die Aufopferungshaftung in den Fällen einer Eingriffsbefugnis zugunsten überwiegender Interessen eines Dritten ein Gebot der Verhältnismäßigkeit sei.246 Dabei beschränkt sich die Verhältnismäßigkeitserwägung jedoch regelmäßig auf die Annahme, die Auferlegung des betreffenden Sonderopfers sei ohne einen Ausgleich nicht zumutbar.247 Teilweise wird konkretisierend hinzugefügt, die Unzumutbarkeit einer ausgleichslosen Beeinträchtigung bemesse sich nach den Kriterien des Gleichheitssatzes und des Übermaßverbots.248 Vor diesem Hintergrund wäre der Zusammenhang zwischen Aufopferungspflichten und korrespondierenden Aufopferungsansprüchen auf eine fallgruppenbezogene Interessenabwägung begrenzt: Einerseits könnte aus dem bloßen Entzug an sich bestehender Ausschlußrechte keine abschließende Aussage über einen korrespondierenden Aufopferungsanspruch gemacht werden und andererseits wäre der Gedanke der Zumutbarkeitsabwägung zugleich auch das Einfalltor, um unter bestehende Aufopferungsansprüche auch solche faktisch unabwehrbaren Schädigungen zu fassen, die nicht von der betreffenden Duldungspflicht gedeckt sind. Legt man hingegen das Modell der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung als Marktimitation zugrunde, lassen sich aus dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit andere Schlüsse für die Beziehung zwischen Aufopferungspflicht und Ausgleichsanspruch ziehen. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gebietet, Eingriffe in verfassungsmäßig geschütztes Eigentum auf ein Maß zu begrenzen, das zur Erreichung des angestrebten Zwecks erforderlich ist.249 Der Entzug an sich bestehender Abwehrrechte aus § 1004 Abs. 1 BGB zu246 Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (129 ff.); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/ 2, § 85 V 1a, S. 669 f.; Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575). 247 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 183 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 157; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 718; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/1, § 8 II 5, S. 136; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1347; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 185 f.; Gerlach, Umweltschutz, S. 222 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 37; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 73. 248 Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff.; zustimmend A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 68. 249 BVerfGE 52, 1 (27 f.); 55, 249 (261); Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 14 Rdnr. 226 f.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
gunsten eines anderen stellt zugleich einen Eingriff in das Grundrecht des Eigentümers aus Art. 14 Abs. 1 GG dar, so daß für ihn dieses Prinzip des mildesten Mittels gilt. Wird als Legitimationsgrund für aufopferungsbezogene Duldungspflichten wie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB der Gedanke der Marktimitation erkannt, folgt zugleich aus dem Erforderlichkeitsprinzip die Notwendigkeit eines korrespondierenden Aufopferungsanspruchs: Weil in den betreffenden Konstellationen das Ausschlußinteresse des Eigentümers mit den wesentlich überwiegenden Handlungsinteressen des anderen faktisch nicht zusammen bestehen kann, unter perfekten Marktbedingungen und bei rationalem Verhalten aber eine vertragliche Eingriffsgestattung vereinbart worden wäre, muß der Eigentümer abweichend von dem grundsätzlichen Eigentumsinhalt solidarisch zurückstehen.250 Die rechtserhebliche Kollision besteht dabei jedoch nur in bezug auf den Bestandsschutz der beteiligten Interessen und nicht deren Vermögenswert.251 Eingriffsbefugnisse wie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB existieren nicht, weil der betroffene Eigentümer in vermögensmäßiger Hinsicht leistungsfähiger wäre als der Eingriffsbefugte, sondern weil letzterer jeweils ein besonderes Interesse an einer Einwirkung auf die betreffende Sache als konkretes Objekt hat.252 Wesentlich höher zu veranschlagen ist in den betreffenden Konstellationen nur das Handlungsinteresse desjenigen, der von der Eingriffsbefugnis begünstigt wird, nicht aber sein Vermögensinteresse. Jürgen Schmidt253 formuliert dies dahingehend, daß Aufopferungspflichten in ihrem Anwendungsbereich zwar die Aktionsberechtigung an der Sache (d.h. den ausschließenden Schutz durch negatorische Rechte) verhindern, nicht aber die Vermögensberechtigung. So wäre es offensichtlich inakzeptabel, einen „quivis ex populo“ unmittelbar dazu zu verpflichten, einer anderen Person finanzielle Mittel für die Verfolgung bestimmter – wenn auch anerkennenswerter – Zwecke zur Verfügung zu stellen, zu denen der Ver250
D. II. Grundlegend Häberlin, AcP 39 (1856), S. 147 (180 f.) und Lehmann, JherJb 13 (1874), 215 (247 f.). 252 Mit der Unterscheidung von Bestands- und Wertschutz argumentieren im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Enteignungsfrage insbesondere: Salzwedel, Die Verwaltung 5 (1972), 11 (23); Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 214 ff.; Suhr, Eigentumsinstitut, S. 27 ff.; M. Wolff, Festgabe Kahl, S. 3 (20 ff.); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. II, § 72 Rdnr. 31 ff.; siehe für das Privatrecht im Ansatz J. Hager, Verkehrsschutz, S. 85 f. und Jansen, Struktur, S. 65; ders., ZEuP 2003, 490 (513). 253 Aktionsberechtigung, S. 85 f. Er versäumt es jedoch, die verbliebene Vermögensberechtigung mit der Aktionsberechtigung im Sinne eines Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte zu verkoppeln, da er der Immanenztheorie subjektiver Rechte folgt: a. a. O., S. 96 f. 251
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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pflichtete in keiner besonderen Beziehung steht. Nichts anderes würde es im Ergebnis aber darstellen, wenn die Inanspruchnahme einer Aufopferungspflicht keine Ausgleichspflicht nach sich zöge. Finanzielle Solidarität eines Eigentümers mit Fremden bedarf einer ganz anderen Begründung als der beiderseitig akzeptable Ausgleich ungünstiger Marktbedingungen und kann nur auf der Ebene der Allgemeinheit durch Steuer- und Abgabenpflichten eingefordert werden. Daher rechtfertigt es die bei Aufopferungspflichten bestehende Interessenkollision nicht, die atypische Verschiebung der Freiheitssphären zugleich auch vermögensmäßig zu Lasten des betroffenen Eigentümers vorzunehmen und auf diesem Wege teilweise die Vermögensverhältnisse umzuverteilen, die sich aus den bestehenden Eigentumsrechten ergeben.254 Insoweit ist bereits erkannt worden, daß die Kompensation des Entzugs an sich eingreifender Abwehrrechte einem Achtungsanspruch des duldungspflichtigen Eigentümers geschuldet ist, der trotz der bestehenden Duldungspflicht aus seinem Eigentumsrecht folgt.255 Die hier vertretene Auffassung ermöglicht es, diesen zutreffenden Gedanken als Ausprägung des Erforderlichkeitsprinzips zu konkretisieren: Der mit der Eingriffsbefugnis verbundene Zweck gebietet es nicht, dem Betroffenen auch die finanziellen Lasten des Eingriffs aufzuerlegen, weshalb diese nach dem Kriterium des mildesten Eingriffsmittels ausgeglichen werden müssen. Aufopferungsansprüche stellen somit eine notwendige Bedingung für die Legitimität der marktimitierenden Eingriffsbefugnis selbst dar.256 Wie die ersetzten negatorischen Ansprüche fließt die Entschädigungspflicht dabei unmittelbar aus dem Eigentum, das aufgrund einer besonderen Konfliktlage nicht als Bestandsinteresse, sondern nur in seinem Wert geschützt werden kann. Die Aufopferungshaftung ist folglich genau wie die Ausschlußrechte aus § 1004 Abs. 1 BGB den rechtsverfolgenden Ansprüchen im Sinne Robert Neuners257 zuzuordnen, deren Wesen darin besteht, daß sie „unmittelbar aus einem Recht erwachsen und dieses selbst unmittelbar schützen“. 254 Im Grundsatz findet sich dieser Gedanke schon bei Grotius, De iure belli ac pacis, lib. II, cap. II, § 9; des weiteren Kohler, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie 8 (1914/15), 411 (439); Pawlik, JZ 2004, 1045 (1047); Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 303. 255 H.-R. Horn, Rechtswidrigkeit, S. 158 ff.; Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (130); Rudolf Merkel, Kollision, S. 147 ff. 256 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 718 spricht plastisch von der Ersatzpflicht als „Pferdefuß der Güterabwägung“. Insoweit besteht eine Parallele zur verfassungsrechtlichen Enteignungsentschädigung, die aufgrund der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG eine Rechtmäßigkeitsbedingung für Enteignungen bildet: Rozek, Eigentumsbindung, S. 90; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 216; Weyreuther, Entschädigungsregelungen, S. 23. 257 AcP 133 (1931), 277 (291 [mit Fn. 51] und 303). H. Roth, AcP 180 (1980), 263 ff. zieht den Begriff „Ansprüche auf Rechtsfortsetzung“ vor.
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Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise die Kupolofen-Entscheidung des Bundesgerichtshofs abzulehnen, in der das Gericht zwar die Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB auf die Eigentümer beweglicher Sachen wie z. B. Kraftfahrzeuge ausdehnt, zugleich aber eine Erstreckung des Ausgleichsanspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf diesen Personenkreis mit dem Argument ablehnt, daß Fahrniseigentümer weit eher in der Lage seien, den Immissionen auszuweichen als Grundstückseigentümer.258 Ob diese faktische Annahme in jedem Fall zutrifft, muß bezweifelt werden. Dies gilt insbesondere für Mobiliareigentümer, die eine dauerhafte Nähebeziehung zu dem Grundstück aufweisen (z. B. geparkte Kraftfahrzeuge von Arbeitnehmern) sowie unvorhersehbare Immissionen.259 Diese tatsächliche Frage kann aber richtigerweise dahinstehen. Denn inwieweit der Betroffene den Immissionen auszuweichen vermag, ist für die Ausgleichspflicht vorbehaltlich eines Eingreifens des § 254 Abs. 1 BGB nicht relevant. Polemisch ließe sich entgegenhalten, daß auch der Eigentümer eines Grundstücks, das von Immissionen beeinträchtigt wird, seine Nutzung auf einem anderen Grundstück ausüben könnte. Dies ist aber genauso wie die Ausweichmöglichkeit bei beweglichen Sachen unerheblich. Denn wenn der Eigentümer eine wesentliche Beeinträchtigung analog § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB dulden muß, wird ihm eine Einbuße abverlangt, die auf der Grundlage des Gedankens der Marktimitation nach dem Erforderlichkeitsprinzip zu entgelten ist. Für eine abweichende Behandlung der Mobiliareigentümer besteht somit kein Grund;260 die Aufopferungspflicht und der Ausgleichsanspruch sind untrennbar. bb) Die Abgrenzung der Eigentumsaufopferung von ausgleichslosen Rechtseinbußen Die vorstehend vertretene Auffassung, nach der die Aufopferungsentschädigung als Ausdruck des Prinzips der Erforderlichkeit immer dann eingreift, wenn einem Eigentümer an sich bestehende Abwehrrechte zugunsten überwiegender Interessen eines anderen Privaten entzogen werden, muß sich al258 BGHZ 92, 143 (145); zustimmend Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (356); Olzen, Jura 1991, 281 (284); Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 142; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 108; Süss, Haftung, S. 146. 259 J. Hager, Jura 1991, 303 (307); Konzen, Aufopferung, S. 203; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 III 6b, S. 664; Lytras, Umweltschäden, S. 165 ff. 260 von Bar, Karlsruher Forum 1987, 4 (9); Buchholz/Radke, Jura 1997, 454 (464); Gerlach, Umweltschutz, S. 230 ff; ders., JZ 1988, 161 (169 f.); J. Hager, Jura 1991, 303 (306 f.); Marburger, Gutachten 56. DJT, Bd. 1, C 117 ff.; Salje, DAR 1988, 302 (305); ders., ZRP 1988, 153 (156); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 181 ff.; G. Wagner, Genehmigung, S. 266 ff.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 705.
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lerdings gegenüber einem Einwand bewähren, der vor allem von SchulzeOsterloh in die Diskussion eingebracht worden ist. Danach soll es gesetzliche Lösungen von Interessenkonflikten geben, in denen ein Eigentümer zugunsten der höherrangigen Interessen einer anderen Person zurückstehen muß, ohne daß hieran ein Ausgleichsanspruch geknüpft wäre. Schulze-Osterloh verweist insbesondere darauf, daß nach der positivrechtlichen Regelung des gesetzlichen Eigentumserwerbs in den §§ 937, 946 ff. BGB und des gutgläubigen Eigentumserwerbs ein früherer Eigentümer sein Recht verlieren kann, ohne daß hieran ein Aufopferungsanspruch gegen den Rechtserwerber geknüpft ist.261 Der Ausgleich erfolgt vielmehr auf der bereicherungsrechtlichen Ebene über § 816 Abs. 1 BGB oder § 951 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. mit den §§ 812 ff. BGB.262 Deshalb fordere das verfassungsrechtlich fundierte Prinzip der Verhältnismäßigkeit offensichtlich nicht, mit jedem Entzug an sich bestehender Rechte aus § 1004 Abs. 1 BGB zugunsten überwiegender Interessen zugleich einen Aufopferungsanspruch zu verbinden. Die Gewährung eines solchen Anspruchs für eigentumsbezogene Duldungspflichten sei vielmehr eine weitgehend freie Ermessensentscheidung des Gesetzgebers, der dabei nur die Kriterien des Gleichbehandlungsgebots und des Übermaßverbots achten müsse.263 Ergänzt werden könnte diese Argumentation durch einen Verweis auf die Eingriffsrechte in Eigentum bei Notwehr (§ 227 BGB) und einem defensiven Notstand (§ 228 Satz 1 BGB). Auch diese Normen finden ihre Grundlage nach h. L. in einem – im einzelnen unterschiedlich bestimmten – überwiegenden Interesse zu Lasten des Duldungspflichtigen, ohne daß ein korrespondierender Ausgleichsanspruch besteht.264 Dies läßt sich auf dem Boden der vorherrschenden Sichtweise dann dadurch begründen, daß es trotz des Rechtsentzugs an einem unzumutbaren Sonderopfer fehlt, in dem das Wesen der Eigentumsaufopferung erblickt wird.265 Im folgenden soll hingegen dargelegt werden, warum der Verweis auf den mangelnden Aufopferungsanspruch in den Fällen des gesetzlichen und 261
Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 28 ff. In der Literatur werden diese Normen allerdings gelegentlich als „aufopferungsähnlich“ bezeichnet: Götz, Vergütungsanspruch, S. 152 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 69 II 1a, S. 181; ähnlich Baur/Stürner, § 53 Rdnr. 23. 263 Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff.; zustimmend A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 68. 264 Dazu sogleich unter D. III. 1. d) bb) (2). 265 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 183 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 157; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 718; Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/1, § 8 II 5, S. 136; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1347; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 185 f.; Gerlach, Umweltschutz, S. 222 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 37; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 73. 262
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gutgläubigen Eigentumserwerbs einerseits bzw. der §§ 227, 228 Satz 1 BGB andererseits das hier entwickelte Modell nicht widerlegen kann, nach dem ein Ausgleichsanspruch gemäß dem Erforderlichkeitsprinzip stets dann geboten ist, wenn einem Eigentümer an sich bestehende negatorische Rechte zugunsten überwiegender Interessen eines anderen Privaten entzogen werden. (1) Der Unterschied zum gesetzlichen und gutgläubigen Eigentumserwerb Die Regelungskomplexe des gesetzlichen und gutgläubigen Eigentumserwerbs unterscheiden sich in einer wesentlichen Hinsicht von Konstellationen wie den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB. Denn sie dienen nicht vorrangig den individuellen Interessen des jeweils Erwerbenden, sondern zumindest gleichrangig auch Gesichtspunkten des Allgemeinwohls. So beruht die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs oder einer Ersitzung nicht darauf, daß die Erwerbsinteressen des neuen, individuellen Eigentümers stärker wären als die Bestandsinteressen des ursprünglich Berechtigten. Vielmehr sind diese Rechtsinstitute den Gedanken des Verkehrsschutzes und der Rechtssicherheit geschuldet.266 Ebenso verhält es sich im Ergebnis mit dem Eigentumserwerb des Herstellers nach § 950 BGB. Diese Norm regelt nicht sozialpolitisch den Konflikt zwischen „Kapital und Arbeit“, sondern berücksichtigt, daß mit der Verarbeitung eine neue Sache entsteht, die häufig in den wirtschaftlichen Güterstrom eingeht. Die Hauptbedeutung der Norm besteht daher darin, mit der rechtlichen Zuordnung der neuen Sache zum Hersteller zugleich auch den Rechtsverkehr zu schützen, vor allem Abnehmer und Gläubiger des Herstellers.267 Und schließlich existieren die §§ 946 bis 949 BGB nicht deswegen, weil vor der Verwirklichung des betreffenden Erwerbstatbestands ein überwiegendes Interesse die „Enteignung“ des ursprünglichen Eigentümers geböte, sondern es werden mit ihnen aus der Sicht ex post klare Rechtsverhältnisse an wirtschaftlichen Einheiten bezweckt.268 Derjenige, der originär oder gutgläubig erwirbt, wird somit 266 Für den gutgläubigen Erwerb Prot. III, S. 208; Quack, MünchKomm. BGB, § 932 Rdnr. 1; Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem. zu §§ 932 ff. Rdnr. 3 f. und ausführlich Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (215 ff.); für die Ersitzung: Soergel/ Henssler, Vor § 937 Rdnr. 1; Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem. zu §§ 937 ff. Rdnr. 3; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 51 I 2, S. 413; a. A. Heck, Sachenrecht, § 61 Nr. 1, S. 256: Kontinuitätsinteresse des Ersitzers. 267 Baur/Stürner, Sachenrecht, § 53 Rdnr. 13; Heck, Sachenrecht, § 62 Nr. 4, S. 261; Staudinger/Wiegand (2004), § 950 Rdnr. 4 ff.; ähnlich Röthel, NJW 2005, 625 (627 ff.): Regelungszweck der Publizität. 268 Mot. III, S. 358 ff.; Staudinger/Wiegand (2004), Vorbem. zu §§ 946 ff. Rdnr. 1 f.; Westermann/Gursky, Sachenrecht, § 52 I 1, S. 422.
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nur als Repräsentant des Rechtsverkehrs, als „quivis ex populo“ geschützt und nicht wie bei einem Angriffsnotstand oder den Immissionsbefugnissen aufgrund seiner spezifisch individuellen Interessen. Untermauert wird dies durch das Gedankenexperiment, daß in den Fällen des gutgläubigen und des gesetzlichen Eigentumserwerbs in dem Zeitpunkt des Erwerbs regelmäßig keine Interessenlage besteht, die unter perfekten Marktbedingungen zu einer vertraglichen Einigung zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Rechtsinhaber über den Eigentumsübergang geführt hätte.269 Vielmehr sind es die dargelegten verkehrsbezogenen Interessen, die den Eigentumsübergang rechtfertigen. Deswegen kann zwar die hier nicht weiter zu diskutierende Frage aufgeworfen werden, ob die Regelungen des gesetzlichen und des gutgläubigen Eigentumserwerbs eine Enteignung zugunsten Privater, aber zum Wohle der Allgemeinheit im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG enthalten, die eine öffentlich-rechtliche Enteignungsentschädigung durch den Staat erforderlich macht.270 Diese Normenkomplexe sind aber jedenfalls nicht geeignet, für die Konstellationen der Eigentumsaufopferung zugunsten individueller Privatinteressen das Modell der Marktimitation zu widerlegen, nach dem korrespondierende Ausgleichsansprüche ein Gebot der verhältnismäßigen Konfliktlösung am Leitbild eines hypothetischen Vertrags sind. (2) Der Unterschied zu Duldungspflichten kraft Verantwortung (§§ 227, 228 Satz 1 BGB) Ähnliches gilt im Ergebnis für die mangelnde Ausgleichspflicht bei Notwehr oder einem defensiven Notstand. Wie bereits angedeutet beruhen auch diese Eingriffsbefugnisse nach h. L. auf einer Abwägung der Interessen der beteiligten Personen.271 Für den Defensivnotstand scheint die Richtigkeit dieser Auffassung bereits aus der Abwägungsklausel des § 228 Satz 1 BGB a. E. zu folgen („und der Schaden nicht außer Verhältnis zu der Gefahr 269 Anders ist dies natürlich in den Fällen der §§ 946 ff. BGB, in denen der gesetzliche Erwerb im Zuge der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem alten und dem neuen Eigentümer erfolgt (z. B. Einbau des dem Unternehmer gehörenden Baumaterials in das Haus des Erwerbers im Rahmen eines Werkvertrags). In diesen Fällen stellen sich aber von vornherein keine Aufopferungsprobleme. 270 Siehe hierzu verneinend J. Hager, Verkehrsschutz, S. 75 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 69 II 1a, S. 181; Leuschner, AcP 205 (2005), 205 (210 ff.); und Peters, Entzug, S. 36 ff.; bejahend Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, § 8 I, S. 285 und § 12 II 4, S. 459 f.; grundlegende Kritik an der gesetzlichen Regelung bei Binding, Eigentumserwerb, S. 35 ff. 271 Grothe, MünchKomm. BGB, § 227 Rdnr. 1 und § 228 Rdnr. 1; K. Scholz, Zumutbarkeit, S. 30 f.; Staudinger/Werner (2001), § 227 Rdnr. 16.
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steht“). Und für die Notwehr wird zwar stets die Entbehrlichkeit einer individuellen Interessenabwägung betont, das Prinzip des überwiegenden Interesses aber aus den Interessen des Angegriffenen an seinen Rechtsgütern plus dem Interesse der Allgemeinheit an der Unterbindung des rechtswidrigen Angriffs abgeleitet (sogenanntes Rechtsbewährungsprinzip).272 Der Gesetzgeber habe die Wertabwägung zugunsten der Bewährung der Rechtsordnung vorweggenommen.273 Zusammengefaßt werden kann diese Sichtweise in der bekannten Formel, jede Form von Rechtfertigungsgründen beruhe auf dem Einsatz des angemessenen Mittels für einen gebilligten Zweck.274 Richtigerweise liegt den §§ 227, 228 Satz 1 BGB aber nicht eine Abwägung von Interessen zugrunde, sondern der Gedanke der Verantwortung des Duldungspflichtigen.275 Denn der Angriff im Sinne des § 227 BGB und die von § 228 Satz 1 BGB erfaßte Gefahr stellen jeweils nichts anderes dar als das Drohen einer Rechtsbeeinträchtigung zu Lasten des Abwehrenden und von Seiten des Duldungspflichtigen. Diese drohende Rechtsverletzung hat im Fall des Defensivnotstands die Gestalt einer Zustandsstörung und bei der Notwehr die einer Handlungsstörung.276 Die Ausübung von Abwehrrechten gemäß den §§ 227, 228 Satz 1 BGB dient somit der praktischen Verwirklichung der negatorischen Ansprüche des Gefährdeten. Diese Ansprüche folgen direkt aus § 1004 BGB, wenn das bedrohte Recht seinerseits ein Eigentumsrecht ist, und für andere absolute Rechte aus speziellen Normen wie § 12 BGB oder einer Analogie zu § 1004 BGB.277 Folgerichtig 272
Grothe, MünchKomm. BGB, § 227 Rdnr. 1; Münzberg, Verhalten, S. 369 f. sowie die h. M. im Strafrecht: Lenckner, GA 1985, 295 (307); Montenbruck, Thesen, S. 39; Noll, ZStW 77 (1965), 1 ff.; Seelmann, Verhältnis, S. 24 f.; Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 14 Rdnr. 47; Otto, Festschrift Würtenberger, S. 129 (139). 273 LK/Hirsch, Vor § 32 Rdnr. 46; ähnlich im Zivilrecht: Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 240 II 4, S. 1452; Hubmann, AcP 155 (1956), 85 (117). 274 Aus der zivilistischen Literatur grundlegend Bienenfeld, Haftungen, S. 408 ff.; weitere Nachweise bei Münzberg, Verhalten, S. 287 f. 275 Grundlegend G. Jakobs, Strafrecht AT, 11/3 und 13/46 Fn. 90 und Renzikowski, Notstand, S. 221 ff., 275 ff.; in der zivilistischen Literatur andeutungsweise Jansen, Struktur, S. 585; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669. 276 Besteht die drohende Eigentumsbeeinträchtigung in einer menschlichen Handlung, ist noch umstritten, ob dies automatisch die Notwehrbefugnis aus § 227 BGB auslöst oder ob es über das drohende Erfolgsunrecht hinaus einer objektiven Verhaltenspflichtwidrigkeit bzw. sogar Schuldhaftigkeit der Handlung bedarf: siehe dazu G. Jakobs, Strafrecht AT, 12/14 ff.; Staudinger/Werner (2001), § 227 Rdnr. 11 ff. jeweils m. w. N. Diese Problematik muß im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht vertieft werden, da selbst bei einer derart einschränkenden Interpretation des § 227 BGB eine nicht verhaltenspflichtwidrige bzw. nicht schuldhafte Handlungsstörung in jedem Fall eine Defensivnotstandsbefugnis analog § 228 Satz 1 BGB begründet: Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 34 Rdnr. 31; Pawlik, Jura 2002, 26 (30); Roxin, Strafrecht AT, Bd. I, § 16 Rdnr. 64 ff.; a. A. Hoyer, JuS 1988, 89 (95).
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werden sowohl die Notwehr als auch der Defensivnotstand in der Überschrift des Sechsten Abschnitts des Allgemeinen Teils dem Begriff der „Selbstverteidigung“ zugeordnet.278 Es geht um die Verteidigung der rechtlich abgesteckten Freiheitsgrenzen zwischen den beteiligten Personen und nicht lediglich um einen Schutz von Interessen in Gestalt der Rettung von Rechtsgegenständen (im Fall des Eigentums: einer Sache), wie dies z. B. bei § 904 Satz 1 BGB auf der Grundlage des Interessenabwägungsprinzips geschieht.279 Wenn § 228 Satz 1 BGB a. E. eine Abwehr bei unverhältnismäßigen Folgen ausschließt, ist die Interessenabwägung gerade nicht der Legitimationsgrund, sondern nur die Grenze der Eingriffsbefugnis.280 In Erweiterung einer Formulierung von Lesch281 kann insoweit gesagt werden, daß es bei einem defensiven Notstand nicht um Solidarität des Eigentümers der gefahrbringenden Sache mit überwiegenden Interessen des Bedrohten geht, sondern um eine Verantwortung des ersteren, deren Folgen lediglich durch eine Solidaritätspflicht des Bedrohten zugunsten überwiegender Interessen des Eigentümers begrenzt sind.282 Dementsprechend sah der Erste Entwurf des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahre 1887 als Ausdruck eines strengen Liberalismus in § 187 E I noch einen Defensivnotstand ohne die 277 Für die dadurch gewonnenen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche findet sich teilweise die Bezeichnung quasi-negatorische Ansprüche (Medicus, MünchKomm. BGB, § 1004 Rdnr. 10; RGRK/Pikart, § 1004 Rdnr. 7), teilweise der Begriff negatorische Ansprüche (wobei der Begriff quasi-negatorische Ansprüche dann für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche zum Schutz sonstiger deliktisch geschützter Positionen mit Ausnahme der absoluten Rechte verwendet wird; so F. Baur, JZ 1966, 381 ff.). Näher zur uneinheitlichen Terminologie Fritzsche, Unterlassungsanspruch, S. 123 f. m. w. N. und zu einem umfassenden Modell negatorischer Schutzrechte, das absolute und relative Positionen gleichermaßen umfaßt, Picker, Festschrift Bydlinski, S. 269 (313 ff.). 278 Diese Einordnung geht zurück auf Thibaut, AcP 8 (1825), 139 ff. 279 Dies wird bereits klar herausgestellt bei Berner, ACR 1848, 547 ff. und Graf zu Dohna, Rechtswidrigkeit, S. 128 f. 280 Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für die sogenannten sozialethischen Einschränkungen des Notwehrrechts; dazu im Überblick Grothe, MünchKomm. BGB, § 227 Rdnr. 15 ff. 281 ZfL 2001, 2 (7); ähnlich Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 232 f.; Hruschka, Festschrift Dreher, S. 189 (204 Fn. 24); Meißner, Interessenabwägungsformel, S. 30 ff.; Pawlik, Notstand, S. 140 ff.; ders., Jura 2002, 26 (27); Renzikowski, Notstand, S. 243 ff. 282 Grundlegend Löffler, ZStW 21 (1901), 537 (578): „Der Eigentümer jenes Hundes, der meine Wurst nicht fahren lassen will, ist es, der an meine soziale Gesinnung appelliert und von mir erwartet, daß ich aus meiner Rechtsposition weiche, daß ich sein teures Tier nicht wegen einer Wurst töten werde. Nicht mein Recht zur Verteidigung, sondern sein Recht auf Schonung beruht auf dem Gedanken des Notstandsrechtes.“
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Proportionalitätsklausel vor.283 Diese wurde erst in letzter Minute in die endgültige Gesetzesfassung aufgenommen, um unbillige Abwehrmaßnahmen auszuschließen, die nur ganz geringfügige Gefahren zum Preis erheblicher Beschädigungen der gefahrbringenden Sache abwenden.284 Insoweit unterscheiden sich § 228 Satz 1 BGB und § 904 Satz 1 BGB nicht nur graduell, sondern wesensmäßig, obwohl beide Normen im Ergebnis zu einem Schutz des wesentlich überwiegenden Interesses führen.285 Denn in dem einen Fall geschieht dies durch die Anordnung einer Duldungspflicht (§ 904 Satz 1 BGB) und in dem anderen durch die Begrenzung einer solchen (§ 228 Satz 1 BGB a. E.). Die umgekehrte Proportionalität der Güterabwägung beruht somit auf den qualitativ andersartigen Legitimationsgrundlagen der Normen: Verantwortung bei § 228 Satz 1 BGB, Schutz überwiegender Interessen bei § 904 Satz 1 BGB.286 Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich der mangelnde Aufopferungsanspruch in den Fällen der §§ 227, 228 Satz 1 BGB nicht etwa dadurch, daß auch bei Eingriffsbefugnissen, die einem Eigentümer an sich bestehende Ausschlußrechte zugunsten überwiegender Interessen eines Dritten entziehen, noch separat zu prüfen wäre, ob dieser Umstand ein unzumutbares Sonderopfer enthält. Vielmehr finden diese Vorschriften ihren Grund nicht im Prinzip der marktimitierenden Interessenabwägung, sondern der Verantwortung des Duldungspflichtigen für eine drohende Rechtsverletzung, weshalb dieser anders als ein Aufopferungspflichtiger auch die vermögensmäßigen Einbußen zu tragen hat, die aus dem Eingriff resultieren.
2. Die Vermeidung von Effizienzverlusten als Funktion von Aufopferungsansprüchen Vorstehend ist dargelegt worden, daß im Rahmen der Interpretation von Aufopferungspflichten als Marktimitation das Bestehen eines tatsächlichen Ersatzanspruchs zugunsten des Duldungspflichtigen stets erforderlich ist, 283 C. L.von Bar, Gesetz und Schuld, Bd. III, S. 258, rügte deren nachträgliche Einführung – genauso wie diejenige des heutigen § 904 BGB – als „schweren gesetzgeberischen Mißgriff“. 284 Näher zur Einfügung der Verhältnismäßigkeitsklausel in den Zweiten Entwurf HKK/Haferkamp, §§ 226-231 Rdnr. 31 m. w. N. 285 Wiederum Löffler, ZStW 21 (1901), 537 (578): „Vom Standpunkt desjenigen betrachtet, der aus seinem Rechte weichen muß, sind beide Vorschriften über die Proportionalität freilich – als Ausdruck eines und desselben Prinzipes – völlig identisch“. Siehe auch Hruschka, Festschrift Dreher, S. 189 (209); Renzikowski, Notstand, S. 247. 286 Anders Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 II 1, S. 1456, die zwischen den Regelungen „nur geringfügige Unterschiede“ erkennen.
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um den legitimationstheoretischen Zusammenhang mit dem Modell privatautonomer Austauschverträge und infolgedessen auch das verfassungsrechtlich fundierte Prinzip der Erforderlichkeit zu wahren. In der Folge soll gezeigt werden, weshalb ohne eine tatsächliche Ausgleichspflicht nicht nur der Boden des Vertragsmodells verlassen wird, sondern Aufopferungspflichten sogar zu ineffizienten Güterumschichtungen führen können. Ohne die Entschädigungspflicht würden also nicht nur unzulässigerweise Vermögenswerte zwischen zwei Privatpersonen umverteilt, sondern könnte hieraus sogar ein gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrtsverlust resultieren. Hieraus erwächst eine zusätzliche Funktion der Ansprüche aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. a) Die Entbehrlichkeit interpersonaler Nutzenvergleiche Ein tatsächlicher Ausgleich ist für die Effizienz aufopferungsbezogener Eingriffe zum einen deswegen bedeutsam, weil die Kosten-Nutzen-Analyse nur bei einer wirklichen Kompensation des Verlierers durch den Gewinner ohne einen problematischen interpersonalen Nutzenvergleich auskommt.287 So ergibt sich beispielsweise aus dem Umstand, daß A bereit ist, ein Gut für 100,– e zu verkaufen und B hierfür 120,– e zahlen würde, der wohlfahrtssteigernde Charakter eines entsprechenden Vertrags. Hierzu bedarf es keiner Aussage darüber, ob eine gewisse Geldeinheit (z. B. 1,– e) sowohl für A als auch für B den gleichen Nutzen hat. Dies könnte beispielsweise deshalb zu verneinen sein, weil B wesentlich wohlhabender ist als A und eine Geldeinheit für ihn daher einen geringeren Grenznutzen aufweist als für letzteren.288 All diese Erwägungen berühren die Effizienz des Gütertransfers von A auf B nicht, wenn sie sich auf einen vertraglichen Austausch einschließlich einer Kaufpreiszahlung zwischen 100,– e und 120,– e einigen. A läßt sich hierauf nur ein, weil ihm 100,– e bis 120,– e lieber sind als das Gut und B, weil die Ressource für ihn einen höheren Wert hat als der entsprechende Geldverlust. Der Zustand nach dem Austausch ist gegenüber der Ausgangslage Pareto-superior, weil beide Parteien gewinnen. Wenn hingegen dem B nur deswegen ein Recht eingeräumt wird, sich das Gut ohne Ausgleichszahlung anzueignen, weil er mehr zu zahlen bereit ist, als A fordert, bleibt eine Wohlfahrtssteigerung ungewiß. Denn zwar hat B dann einen Wohlfahrtsgewinn erzielt, der sich nach seiner Einschätzung auf 120,– e beläuft, während A aus seiner Sicht nur einen Wert von 100,– e verloren hat. Gleichwohl kann der neue Zustand einen Effizienzverlust bedeuten, weil der Grenznutzen von 100,– e für A möglicherweise höher ist 287 288
Näher Eidenmüller, Effizienz, S. 189 ff. Zum Grenznutzenkonzept Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 72 ff.
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als derjenige von 120,– e für B. Soweit die Kompensation nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium nur hypothetisch und nicht tatsächlich erfolgt, verliert die Kosten-Nutzen-Analyse somit ihren größten Vorzug: Sie ist mangels einer Befriedigung der subjektiven Präferenzen beider Beteiligter kein Garant mehr für eine Wohlfahrtssteigerung, deren Eintritt nicht von einer objektiven interpersonalen Bewertung von Nutzenfunktionen abhängt. b) Die Anreizwirkung der Ausgleichspflicht Zum anderen muß berücksichtigt werden, daß die Setzung von Rechtsfolgen mit der Zielrichtung einer effizienten Ressourcenallokation nur dann Erfolg verspricht, wenn zugleich auch die individuell rationale Reaktion der Rechtssubjekte auf die Regelungen berücksichtigt wird.289 So schaden beispielsweise manche Schutzvorschriften zugunsten von Wohnraummietern oder Arbeitnehmern diesen Personengruppen unter Umständen mehr, als sie ihnen nutzen. Denn ihr Erlaß kann zu einer nicht erwünschten Verknappung des Angebots an Wohnraum oder der Nachfrage nach Arbeitskraft führen, weil aufgrund der Regulierung ein alternativer Einsatz von Ressourcen profitabler ist als das Angebot von Wohnraum oder die Nachfrage nach Arbeitskraft.290 Folglich muß die Anreizwirkung rechtlicher Regelungen bei ihrer Strukturierung selbst berücksichtigt werden, sollen sie in der Rechtswirklichkeit den erstrebten Erfolg erzielen und den Beteiligten nicht Steine statt Brot reichen. Die Gewährung eines Aufopferungsanspruchs bei entsprechenden Eingriffsbefugnissen erfüllt insoweit in zweifacher Hinsicht eine zentrale Funktion. Sie setzt sowohl für den Eingreifenden als auch den Eigentümer Anreize, die einem effizienten Umgang mit der jeweiligen Ressource zuträglich sind. aa) Die Anreizfunktion für den Eingreifenden Mit Blick auf den Eingreifenden ist zu berücksichtigen, daß sich die zu seinen Gunsten angeordnete Befugnis durch sein überwiegendes Interesse an der Handlungsfreiheit gegenüber dem Bestandsinteresse des Eigentümers legitimiert. In den Tatbeständen, die eine solche Befugnis gewähren, kann das überwiegende Interesse jedoch nur abstrakt und nicht für jeden Einzelfall verankert werden. 289 Kornhauser, Hofstra Law Review 8 (1980), 591 (635 f.); ders., Stanford Law Review 36 (1984), 349 (355 ff.). 290 Eine ausführliche Analyse am Beispiel des Mietrechts, auch unter Angabe von Bedingungen unter denen die negativen Effekte für die zu schützende Gruppe nicht eintreten, findet sich bei Eidenmüller, Effizienz, S. 295 ff.
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So erfordert § 904 Satz 1 BGB für jeden Anwendungsfall eine richterliche Ermittlung der widerstreitenden Interessen des Eigentümers und des Gefährdeten. Wie dargelegt stellt das erhebliche Fehlerpotential, das einer solchen Drittbeurteilung von Interessen innewohnt, ein maßgebliches Argument für die enge Begrenzung privatrechtlicher Aufopferungspflichten dar.291 So werden etwa beide Parteien mit Bezug auf § 904 Satz 1 BGB ihr jeweiliges Interesse als größtmöglich herausstellen, weshalb die während eines Rechtsstreits gemachten Angaben keine Richtigkeitsgewähr bieten. Ähnliches läßt sich für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB feststellen. Zwar geht der Gesetzgeber davon aus, mit der Freisetzung auch wesentlich beeinträchtigender ortsüblicher Immissionen werde in der Regel ein überwiegendes Interesse verfolgt. Doch muß dies keineswegs stets so sein. Und soweit die Emissionstätigkeit nicht mehr materiellen bzw. ideellen Gewinn einbringt als sie an Schaden verursacht, ist sie nicht wünschenswert und eine Duldungspflicht kaum zu rechtfertigen. Ein gänzlicher Ausweg aus diesem Problem existiert nicht, denn er könnte lediglich durch ein privatautonomes Verhalten der Parteien gewiesen werden. Nur sofern der Eigentümer und der Eingreifende einen Austauschvertrag über das Eingriffsrecht abschließen würden oder zu dem Ergebnis kämen, daß ein solcher und damit der Eingriff nicht zum beiderseitigen Vorteil gereicht, bestünde Gewißheit über die im Einzelfall effiziente Rechtszuteilung. Gerade das Erfordernis, den Entfall eines bestimmten Ausschlußrechts am Markt gegen ein Entgelt zu erwerben, stellt sicher, daß der Eingreifende eine dem Eigentümer zugeordnete Ressource nur dann in Anspruch nehmen wird, wenn sie für ihn einen höheren Wert hat als für den Eigentümer.292 Ein solches Einverständnis beider Betroffener liegt in den Fällen einer Aufopferungspflicht gerade nicht vor. Es bietet sich aber an, innerhalb der marktsimulierenden gesetzlichen Rechtszuteilung soweit als möglich privatautonome Selbststeuerung in Dienst zu nehmen. Und insoweit erfüllt die Ausgleichspflicht desjenigen, der von einer Eingriffsbefugnis Gebrauch macht, eine wertvolle Anreizfunktion.293 Wenn der Eingreifende trotz seiner Ersatzpflicht bereit ist, die Eigentumsbeeinträchtigung durchzuführen, besteht eine starke Vermutung dafür, daß er auch tatsächlich sein Eingriffsrecht höher bewertet als der Eigentümer dessen Versagung. Zwar muß die Einbuße des Betroffenen durch eine Drittinstanz, das Gericht, ermittelt werden – mit dem daran anknüpfenden Fehlerpotential. Hierin besteht der Unterschied zu einem vertraglich vereinbarten Kaufpreis. 291
Siehe oben D. II. 5. Behrens, Grundlagen, S. 118; Ellger, Bereicherung, S. 300 ff. 293 Calabresi, Yale Law Journal 70 (1961), 499 (537); Coleman, Risks, S. 184; Epstein, Takings, S. 195 ff.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 578 ff. 292
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Aber vorbehaltlich dieser unvermeidlichen Einschränkung führt die tatsächliche Ausgleichspflicht dem Eingreifenden die vollen Kosten seines Verhaltens vor Augen und bezieht dieser sie dadurch regelmäßig in seine Entscheidung über den Eingriff ein.294 Zwar wird nicht in jedem Fall die Ersatzpflicht bedacht werden, so z. B. bei einem schnellen Handeln im Rahmen des § 904 BGB. Doch grundsätzlich kommt der Haftung eine nicht zu unterschätzende Wirkung als Feuerprobe für das überwiegende Interesse des Eingreifenden zu.295 bb) Die Anreizfunktion für den Duldungspflichtigen Eine wünschenswerte Anreizfunktion erfüllt der Aufopferungsanspruch umgekehrt auch aus der Perspektive des betroffenen Eigentümers. Denn wenn an seine Duldungspflicht kein Ersatzanspruch geknüpft wäre, drohte auf lange Sicht und in der Gesamtheit der Fälle ein Effizienzverlust in der Nutzung des betreffenden Eigentums. Plastisch läßt sich dies für § 906 Abs. 2 BGB verdeutlichen: Falls wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Nutzungen ersatzlos geduldet werden müßten, bestünde die Gefahr des Unterbleibens von Investitionen in an sich wünschenswerte, aber von besagten Immissionen bedrohte Grundstücksnutzungen. Der Eigentümer schwebte ständig in der Gefahr, daß seine Aufwendungen schon bald durch die Aufnahme einer entsprechenden Immissionstätigkeit in der Nachbarschaft frustriert werden. Besonders im Fall risikoscheuer Eigentümer würde auf diesem Wege die innovative, aber investitionsintensive Weiterentwicklung von Grundstücksnutzungen merklich gehemmt.296 Eine effektive Eigentumsnutzung setzt in diesem Sinne Erwartungssicherheit voraus und würde durch das Drohen ausgleichsloser wesentlicher Beeinträchtigungen behindert.297 Die noch dem § 906 BGB a. F. zugrunde gelegte Auffassung, daß derartige Effekte nicht eintreten bzw. sich auf lange Sicht ausgleichen und daher auch für wesentlich beeinträchti294 Es handelt sich um eine Internalisierung externer Effekte als Ausgleich eines Marktversagens. 295 Siehe speziell für § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Gotthold, ZHR 144 (1980), 545 (550); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 16; Salje, Rechtstheorie 15 (1984), 277 (307); Vieweg, NJW 1993, 2570 (2575). Für Enteignungen durch Hoheitsträger ist die Anreizfunktion hingegen wesentlich durch den Umstand beeinträchtigt, daß der Entscheidende die Kosten der Enteignung nicht selbst zu tragen hat; siehe Levinson, University of Chicago Law Review 67 (2000), 345 (354 ff.). 296 Blume/Rubinfeld, California Law Review 72 (1984), 569 (584 ff.); Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse, S. 580 ff. 297 Eingehend Michelman, Harvard Law Review 80 (1967), 1165 (1214 ff.); allgemein auch Eidenmüller, Effizienz, S. 159.
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gende ortsübliche Immissionen kein Ausgleich erforderlich ist, hat sich als trügerisch erwiesen.298 Vielmehr bedarf es einer Art Versicherung gegenüber aufopferungsbezogenen Eingriffen, die der Aufopferungsanspruch gewährt.299 Allerdings kann die Aussicht auf einen Ersatzanspruch im Einzelfall auch zu verschwendeten Investitionen führen.300 So mag der betroffene Nachbar in der Erwartung einer Entschädigung noch solche Aufwendungen tätigen, die durch eine absehbar bevorstehende, noch rentablere nachbarliche Immissionstätigkeit frustriert werden. Zwar hat der Immissionsbetroffene gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ohnehin keinen direkten Anspruch auf den Ersatz frustrierter Aufwendungen. Relevanter Maßstab für den Ausgleich ist vielmehr die Verschlechterung der Vermögenslage, die auf die wesentlich beeinträchtigenden Immissionen zurückgeht.301 In diesen Betrag könnten aber indirekt auch die frustrierten Aufwendungen eingehen, wenn sie sich ohne die Immissionen in einem entsprechend erhöhten Grundstückswert niedergeschlagen hätten. Um dem betroffenen Nachbarn den wünschenswerten Anreiz zu geben, solche absehbar frustrierten Aufwendungen nicht vorzunehmen, müssen diese ausgebliebenen Wertsteigerungen daher aus dem Ersatz ausgeklammert werden. Dieser Effekt kann mit Hilfe einer sachgerechten Bestimmung des Umfangs des Ausgleichsanspruchs erzielt werden. Nach dem Rechtsgedanken des § 254 Abs. 1 BGB sind deshalb solche ausgebliebenen Werterhöhungen nicht ersatzfähig, die das Spiegelbild von Investitionen darstellen, welche zu einem Zeitpunkt vorgenommen wurden, in dem die Aufnahme der Immissionstätigkeit für den Eigentümer bereits deutlich erkennbar war.302 Dies gibt umgekehrt demjenigen, der eine ortsübliche, aber wesentlich beeinträchtigende Immissionstätigkeit plant, wiederum einen Anreiz, hiervon Betroffene frühzeitig zu informieren, um seine Ausgleichspflicht möglichst gering zu halten. Auf diesem Wege ergänzen sich die Anreize harmonisch, welche durch die Ausgestaltung der Ersatzpflicht gegeben werden. Nicht aus dem Ausgleich auszuklammern ist hingegen diejenige Einbuße an Eigentumswert, die sich für den betroffenen 298
Oben D. III. 1. c) bb). Blume/Rubinfeld, California Law Review 72 (1984), 569 (571 ff.). 300 Blume/Rubinfeld, California Law Review 72 (1984), 569 (618 ff.); Cooter/ Ulen, Law and Economics, S. 153 ff. 301 Zur Berechnung des Anspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB noch unten D. III. 3. c); allgemein zur Ablehnung des Gedankens, Vermögensschäden nach der Frustration von Aufwendungen zu bemessen, Oetker, MünchKomm. BGB, § 249 Rdnr. 46 f. m. w. N. 302 Dazu, daß es sich insoweit um eine analoge Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB auf der Rechtsfolgenseite des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB und nicht eine Frage des Zumutbarkeitsbegriffs im Rahmen dieser Vorschrift handelt, unten D. III. 3. a) bb) (2) (c) (bb) (g). 299
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Eigentümer daraus ergibt, daß die wesentlich beeinträchtigenden Immissionen bestimmte Nutzungen des Grundstücks vereiteln. Diese Einbuße gehört vielmehr zu den sozialen Kosten der eingreifenden Immissionstätigkeit und muß daher von dem Emittenten ausgeglichen werden. Die erörterte Kürzung des Ausgleichsanspruchs soll nur vermeiden, daß der Betroffene in vermeidbarer Weise noch in frustrierte Nutzungen investiert. Die vorstehende Argumentation läßt sich im Grundsatz auch auf § 904 BGB übertragen. Wäre für Eingriffe im aggressiven Notstand kein Schadensersatz zu leisten, könnte die Bereitschaft abnehmen, eigene Sachen einem anderen zur Abwehr von Gefahren zur Verfügung zu stellen, was ein ineffizienter und nicht wünschenswerter Effekt wäre.303 Sicherlich ist dieses Problem in seiner praktischen Bedeutung nicht mit den Auswirkungen zu vergleichen, welche die Ersatzpflicht gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für Investitionsentscheidungen hat. Das steht jedoch nicht der grundsätzlichen Richtigkeit dieses Arguments auch für Notstandsfälle entgegen. cc) Zusammenfassung Aufopferungsansprüche für Eigentumsbeeinträchtigungen, die auf einer Aufopferungspflicht beruhen, dienen aus rechtsökonomischer Sicht somit nicht nur der Anerkennung an sich bestehender Eigentumsrechte, sondern geben dem Eingreifenden und dem Eigentümer auch Anreize zu effizientem Handeln im Zusammenhang mit der Eingriffsbefugnis.
3. Die Vereinbarkeit des entwickelten Modells mit der konkreten Ausgestaltung des Ausgleichs nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Bisher wurde dargelegt, daß sich (1.) zivilrechtliche Aufopferungspflichten auf abstrakter Ebene als Reaktion auf ein Marktversagen begreifen lassen, daß (2.) die positivrechtlichen Eingriffsbefugnisse aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB die Anwendungsvoraussetzungen dieses Gedankens erfüllen und daß (3.) der Aufopferungsanspruch im Modell der Marktimitation der Anerkennung an sich gegebener Eigentumsrechte nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz dient sowie mögliche Anreize zu ineffizientem Verhalten nivelliert, die aus der Eingriffsbefugnis folgen können. Um das hier vorgeschlagene Modell abschließend als taugliche Grundlage der Regelungen der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB und damit auch als Vergleichsmaßstab 303 Ähnlich zu den Anreizwirkungen eines angemessenen Rechtsschutzes gegenüber Diebstählen Kaplow/Shavell, Harvard Law Review 109 (1996), 713 (768 f.); Shavell, International Review of Law & Economics 11 (1991), 123 ff.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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für die Fälle eines faktischen Duldungszwangs zu etablieren, muß somit noch dargelegt werden, daß die konkrete Ausgestaltung der Ausgleichsansprüche nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB mit den Funktionen harmoniert, die für die Entschädigungspflicht im Rahmen der Marktimitation herausgearbeitet wurden. Hierbei geht es insbesondere um die Übereinstimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der jeweiligen Duldungspflicht mit dem Ausgleichsanspruch, die Person des Ersatzpflichtigen und den Umfang des Aufopferungsanspruchs. a) Das Junktim von Aufopferungspflicht und Aufopferungsanspruch Nach dem Gedanken des Aufopferungsanspruchs als vermögensmäßiger Anerkennung an sich bestehender Eigentumsrechte ist ein finanzieller Ausgleich immer dann geboten, wenn ein Eigentümer entgegen § 1004 Abs. 1 BGB zur Duldung von Eigentumsbeeinträchtigungen zugunsten überwiegender Interessen eines Dritten verpflichtet ist. Eine solche Befugnis wäre in perfekten Märkten nur gegen ein Entgelt übertragen worden. Wenn die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein Ausdruck dieses Prinzips sein sollen, müßten sie somit immer dann einen Ausgleich gewähren, sofern durch die Regelungen der §§ 904 Satz 1, 906 BGB eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB statuiert wird, die von den grundsätzlichen Ausschlußrechten des betroffenen Eigentümers abweicht. aa) § 904 Satz 2 BGB Für § 904 Satz 2 BGB ist dies der Fall, da dem Duldungspflichtigen ein Ersatzanspruch stets dann zusteht, wenn unter Ausnutzung einer Eingriffsbefugnis aus § 904 Satz 1 BGB schädigend auf sein Eigentum eingewirkt wurde. bb) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Problematischer gestaltet sich das Verhältnis der Idee der Marktimitation zur positivrechtlichen Ausgleichsregelung bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. Nach dem Regelungsgefüge des § 906 BGB können unwägbare Immissionen unter den folgenden Voraussetzungen nicht untersagt werden: Entweder sie zeitigen nur unwesentliche Beeinträchtigungen (§ 906 Abs. 1 BGB) oder sie führen zwar zu wesentlichen Beeinträchtigungen, gehen aber auf eine ortsübliche Nutzung des emittierenden Grundstücks zurück und sind mit wirtschaftlich zumutbaren Mitteln nicht vermeidbar (§ 906 Abs. 2 Satz
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
1 BGB). Die Pflicht zur Zahlung eines angemessenen Ausgleichs betrifft gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hingegen nicht alle diese Konstellationen, sondern nur solche wesentlichen Einwirkungen, die eine ortsübliche Benutzung des betroffenen Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. Ohne Ausgleich bleiben somit unwesentliche Immissionen und solche wesentlichen Immissionen, die entweder eine nicht-ortsübliche Nutzung stören oder eine ortsübliche Nutzung nicht über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. Aus dieser Diskrepanz des Anwendungsbereichs fehlender Abwehrrechte einerseits und des Ausgleichsanspruchs andererseits schließt insbesondere Schulze-Osterloh304, daß sich die Regelungen des § 906 BGB nicht bruchlos auf den Gedanken eines Ausgleichs für die zwangsweise Aufgabe an sich bestehender Eigentümerrechte zurückführen lassen. Denn wäre dies der Fall, müßte der betroffene Eigentümer nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für alle Einwirkungen einen Ausgleich erhalten, die er zu dulden habe. Wie allen anderen privatrechtlichen Aufopferungsansprüchen liege der Regelung immissionsbezogener Duldungspflichten kein scharf zu fassendes Aufopferungsprinzip zugrunde, sondern eine fallgruppenbezogene Abwägung anhand des Gleichheitssatzes und des Übermaßverbots.305 Eine solche Abwägung habe der Gesetzgeber mit § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB vorgenommen, dabei aber nicht an den Gedanken angeknüpft, daß jeder Entzug an sich gegebener Abwehrrechte durch § 906 BGB eine Ausgleichspflicht nach sich ziehen müsse. Hingegen ist bei der Zurückführung des § 906 Abs. 2 BGB auf den Gedanken eines hypothetischen Vertrags ein Ausgleich nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Erforderlichkeitsgrundsatzes aus Art. 14 Abs. 1 GG immer dann geboten, wenn Immissionen entgegen § 1004 Abs. 1 BGB geduldet werden müssen.306 Daneben würde eine Ausgleichsregelung, die weniger weit reicht, auch mögliche Anreize zur Unterlassung ineffizienten Verhaltens ungenutzt lassen.307 Im folgenden gilt es daher darzulegen, inwieweit das Regelungsgefüge des § 906 BGB so interpretiert werden kann, daß die Ausgleichspflicht des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB tatsächlich alle Fälle abdeckt, in denen der betroffene Eigentümer eine Einwirkung im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB und entgegen § 1004 Abs. 1 BGB dulden muß.
304
Eigentumsopferentschädigung, S. 19 f. und 27 f. Eigentumsopferentschädigung, S. 301 ff.; zustimmend A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 68. 306 Siehe oben D. III. 1. 307 Näher D. III. 2. 305
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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(1) Die Regelung des § 906 Abs. 1 BGB als tatbestandliche Grenze des § 1004 Abs. 1 BGB Die Analyse geht dabei zweckmäßigerweise von § 906 Abs. 1 BGB aus. Nach dieser Vorschrift ist die Einwirkung von Imponderabilien dann ohne Ausgleich zu dulden, wenn sie den Grundstückseigentümer nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen, es sei denn, die Zuführung erfolgt über eine besondere Leitung (§ 906 Abs. 3 BGB). Die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung bemißt sich dabei gemäß § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in der Regel nach einschlägigen öffentlich-rechtlichen Immissionsvorschriften und im übrigen nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen unter Berücksichtigung der Zweckbestimmung des Grundstücks.308 Ob es sich bei dieser Regelung um eine Grenze des Schutztatbestands des Grundstückseigentums309 oder um eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB als Entzug an sich gegebener Eigentümerrechte310 handelt, ist umstritten. Zur Beantwortung dieser Frage muß wie folgt differenziert werden:311 Um eine Grenze des Schutztatbestands des § 1004 Abs. 1 BGB handelt es sich bei § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn durch diese Norm schon die idealtypisch bestmögliche Freiheitsverteilung zwischen dem Emittenten und dem Grundstückseigentümer hergestellt wird; ein Entzug an sich gegebener Ausschlußrechte im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB läge hingegen vor, wenn das mangelnde Abwehrrecht eine außergewöhnliche Belastung des Betroffenen aufgrund einer besonderen Interessenkollision enthielte. Der Sache nach geht es somit abermals um einen Anwendungsfall des oben bereits erörterten allgemeinen Problems, die Grenzen des idealtypischen Eigentumsinhalts von besonderen Duldungspflichten zu unterscheiden.312 Insoweit ist festzuhalten, daß der Gewinn an Bestandsschutz, der für den Eigentümer durch negatorische Rechte auch gegenüber nur unwesentlich beeinträchtigenden Immissionen erzielt würde, von vornherein und unab308 BGHZ 70, 102 (110); 90, 97 (104); 120, 239 (255); 121, 248 (255); 140, 1 (5); Lang, AcP 174 (1974), 381 (391); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 34; teilweise kritisch und m. w. N. Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 177 ff. 309 So Abraham, Immissionen, S. 51; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 13 Fn. 13; Picker, Beseitigungsanspruch, S. 110 Fn. 268; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 20 ff.; Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 169; Olzen, Jura 1991, 281 (284). 310 Dahingehend Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 55 f.; Medicus, MünchKomm. BGB, § 1004 Rdnr. 62; Soergel/Mühl, § 1004 Rdnr. 193; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 3. 311 Im Ergebnis nahestehend Picker, Beseitigungsanspruch, S. 110 Fn. 268; Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 169. 312 Siehe oben D. III. 1. c).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
hängig von einer konkreten Interessenkollision mit einem zu hohen Preis an Handlungseinschränkung der Emittenten verbunden wäre. Beispielsweise könnte der Eigentümer des an einem Gehweg gelegenen Gartens bei der Einordnung des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB als Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB es an sich verbieten, wenn Passanten im Vorbeigehen in üblicher Lautstärke ein Gespräch führen, welches akustisch auf dem Grundstück wahrnehmbar ist. Ein derartiges Abwehrrecht ist aber schon idealtypisch nicht vorstellbar, sofern das Eigentumsrecht wie hier als Mittel der Abgrenzung angemessener wechselseitiger Freiheit begriffen wird.313 Auch nach den Gesetzesmaterialien steht ein absolutes Immissionsverbot „mit den menschlichen Lebensbedingungen in einem solchen Widerspruche, daß es für den Gesetzgeber unbrauchbar und gefährlich wird, da es nicht einzelne aus Zweckmäßigkeits- und Billigkeitsgründen zuzugestehende Modifikationen, welche aber die Richtigkeit der Regel in ihrer Allgemeinheit unangefochten lassen, zu erleiden haben würde, sondern seine Undurchführbarkeit in sich trägt und folglich unhaltbar erscheint“.314 Diese Erwägungen weisen § 906 Abs. 1 BGB als geradezu paradigmatischen Fall einer Interessenabgrenzung aus, die schon den Begriff der (mangelnden) Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB konkretisiert. Anderes gilt nur für solche unwesentlichen Immissionen, die sich nicht natürlich verbreiten, sondern gezielt durch eine Leitung auf das betroffene Grundstück gelenkt werden und deren Verbot die Handlungsfreiheit Dritter somit nicht erheblich beschränkt. § 906 Abs. 3 BGB berücksichtigt dies, indem gegenüber einer derart gezielten Einwirkung stets negatorische Rechte eingreifen. Diese Beurteilung des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auf zweierlei Weise untermauert werden: Zum einen bestimmt sich die Wesentlichkeit der Immission nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen und ziehen die § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB zur Konkretisierung bestimmte öffentlich-rechtliche Immissionsgrenzen heran. Diese Anknüpfung an generalisierende Maßstäbe, die keine besondere Konfliktregelung als Feinsteuerung zum Gegenstand haben, spricht dafür, daß bereits eine Abgrenzung der an sich bestehenden Freiheitssphären zwischen den Beteiligten vorgenommen wird. Die Interessen des Grundstückseigentümers finden gleichwohl angemessene Berücksichtigung, weil sich die Wesentlichkeit der Einwirkung nach der individuellen Grundstücksnutzung richtet.315 313
Näher unter C. I. 2. a) bb) (2). Mot. III, S. 265 f. 315 BGHZ 90, 256 (261); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 182. Es ist allerdings kritisch zu beurteilen, wenn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in neuerer Zeit mittels einer umfassenden Abwägung auch dann zur Unwesentlichkeit einer Immission gelangt, sofern ein „verständiger Durchschnitts314
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Und zum anderen spricht auch ein Rückgriff auf die oben angewandte ökonomische Analyse am Leitbild des Markts dafür, § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB als originäre Grenze des Schutzbereichs zu betrachten. Wenn die Immission den Eigentümer nur unwesentlich beeinträchtigt, ist sein Interesse an ihrem Ausschluß typischerweise nicht auf das Unterbleiben der Einwirkung als solcher gerichtet. Einerseits könnte ein negatorisches Recht dann einer bloßen Schikane des Emittenten dienen, was nach dem Rechtsgedanken des § 226 BGB nicht anerkennenswert ist.316 Daneben ist aber auch daran zu denken, daß der durch unwesentliche Einwirkungen „Betroffene“ ein unterstelltes Abwehrrecht als Blockademittel nutzt, um für die vertragliche Erlaubnis der Immission einen möglichst hohen Preis zu erzielen, der zu den Einbußen, die mit der Immission einhergehen, auch aus seiner Sicht in keinem vernünftigen Verhältnis steht. Ein solches Abwehrrecht würde damit nicht dem Schutz sachbezogener Autonomie dienen, sondern verkäme zum Selbstzweck. Es läge folglich ein strategischer Umgang des Grundstückseigentümers mit seinem gedachten Recht nahe, auch unwesentliche Immissionen verbieten zu können.317 Vor diesem Hintergrund würde der Markt aber kein effizientes Mittel der Ressourcenallokation bieten. Der Gedanke, daß negative Ausschlußrechte einen Freiraum schaffen, der über die unsichtbare Hand des Markts zu sinnvollen Güterverteilungen führt, trifft daher auf die von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB umfaßten Einwirkungen schon idealtypisch nicht zu. Aus den genannten Gründen ist § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB als originäre Grenze des Grundstückseigentums zu begreifen. Unwesentliche Immissionen stellen daher keine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB dar, soweit sie nicht über eine besondere Leitung zugeführt werden. Zwar spricht auf der Grundlage dieser Auffassung vieles dafür, dem betroffenen Eigentümer im Rahmen einer negatorischen Klage die Beweislast dafür aufzuerlegen, inwieweit ihn eine bestimmte Immission wesentlich beeinträchtigt. Dies ist aber eine konsequente Folge der hier vertretenen Rechtsnatur des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB, die als solche kein Argument gegen die Einmensch“ diese gerade aufgrund der besonderen Allgemeininteressen hinnehmen würde, die mit ihr verbunden sind: BGHZ 120, 239 ff. – Lärm durch artengeschützte Frösche; 122, 248 (255 f.) – Jugendzeltplatz und jüngst BGH, NJW 2003, 3699 (3700 f.) – Rockkonzert. Insoweit geht es um spezielle Interessenkollisionen, die mit einer starken Literaturmeinung dem Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 BGB zuzuordnen sind: J. Baur, Festgabe 50 Jahre BGH, Bd. I, S. 849 (852 f.); Endres, Eigentumsfreiheitsklage, S. 41 ff.; Marburger, Festschrift Ritter, S. 901 (914 f.); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 178. Umfassend zum Kriterium des „verständigen Durchschnittsmenschen“ in der jüngeren Rechtsprechung zu § 906 Abs. 1 BGB Vieweg/Röthel, NJW 1999, 969 ff. 316 Vieweg, Festschrift Großfeld, S. 1251 (1258). 317 Näher oben D. II. 7. a) bb).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
ordnung dieser Norm als Grenze des Schutztatbestands bilden kann.318 Vielmehr muß nach der Regelung in § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ohnehin der Kläger Tatsachen für eine wesentliche Beeinträchtigung vortragen, wenn der Beklagte die Einhaltung einschlägiger öffentlich-rechtlicher Immissionsgrenzwerte nachweist.319 Im Ergebnis fehlt es bei der Zulässigkeit unwesentlich beeinträchtigender Immissionen daher an einer über die Grenzen des § 1004 Abs. 1 BGB hinausgehenden Duldungspflicht, weshalb insoweit folgerichtig auch kein Entschädigungsanspruch besteht. (2) Das Regelungsgeflecht des § 906 Abs. 2 BGB Noch kontroverser werden der Standort und der Regelungsgehalt des § 906 Abs. 2 BGB diskutiert, der wesentlich beeinträchtigende, aber ortsübliche Immissionen betrifft, die nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden können.320 Nach einer Auffassung handelt es sich bei § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB um den Entzug an sich gegebener Abwehrrechte, wonach die Ausgleichsregelung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB folgerichtig als Aufopferungsanspruch eingeordnet wird.321 Die Gegenauffassung nimmt an, daß im nachbarlichen Verhältnis auch gegenüber wesentlichen, aber ortsüblichen Immissionen schon prima facie keine Abwehrrechte bestehen. Der Ausgleichsanspruch des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB begründe vielmehr eine reine Billigkeitshaftung auf der Basis des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, die an den Gesichtspunkten eines materiellen Äquivalenzprinzips und der Zumutbarkeit orientiert sei.322 318 Anders Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 3; wie hier Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 56. 319 Insoweit geht BGH, NJW 2004, 1317 (1318 f.) von einer bloßen Indizwirkung zu Lasten des Klägers aus, während BT-Drucks. 12/7425, S. 87 f.; Fritz, NJW 1996, 573 (574) und Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 20 eine Beweislastumkehr annehmen; kritisch zu der beweisrechtlichen Schlechterstellung des Klägers Marburger, Festschrift Ritter, S. 901 (904 ff.) und Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 202. 320 Dazu ausführlich Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 37 ff. 321 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 43 ff.; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 719; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 63 und 176; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 19 f. und S. 42 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 145 ff.; Kreuzer, Festschrift Lorenz, S. 123 (134); Larenz, JuS 1965, 373 (376); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 II 1, S. 656; Liver, Festgabe Gutzwiller, S. 749 (753); Palandt/ Bassenge, § 906 Rdnr. 31; Petersen, Duldungspflicht, S. 47 f.; Pleyer, JZ 1959, 305 (307); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 137; Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419); H. Schulte, Aufopferung, S. 52 ff.; Süss, Haftung, S. 113 ff.; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 II 1, S. 497 und II 5, S. 506 f.; Wilhelm, Sachenrecht, Rdnr. 681. 322 Bälz, Strukturwandel, S. 38 ff.; ders., Freundesgabe Kübler, S. 355 (362 ff.); Goebel, JR 2002, 485 (486 f.); Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (493 f.); Jauernig,
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(a) Die Unergiebigkeit nicht tatbestandsbezogener Klassifizierungen Bei dieser Diskussion wird häufig auf bloße Klassifizierungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Bezug genommen, die während der Entstehungsphase dieser Vorschrift erfolgt sind. Die heutige Regelung ist unter Anknüpfung an rechtsfortbildende Judikate des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs geschaffen worden.323 Das Reichsgericht hatte dabei den Ausgleichsanspruch für wesentlich beeinträchtigende Immissionen in Anlehnung an § 26 GewO a. F. als ein Problem des Entzugs negatorischer Rechte gesehen, während der Bundesgerichtshof seine Leitentscheidung vor Einführung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stark auf Gesichtspunkte der Billigkeit stützte. Der Gesetzgeber berief sich für die Neuregelung auf beide Entscheidungen, ohne eindeutig Stellung zu ihrer unterschiedlichen dogmatischen Grundlage zu nehmen.324 Es wäre aber fruchtlos, im Vorfeld einer Analyse des Regelungsinhalts des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB darüber zu spekulieren, welcher Entscheidungslinie sich der historische Gesetzgeber mit Schaffung dieser Norm eher anschließen wollte. Denn rein verbale Zuordnungen einer Norm zu einem bestimmten Rechtsinstitut (hier: Aufopferungshaftung oder Billigkeitshaftung) in Gesetzesmaterialien sind unerheblich.325 Entscheidend kann vielmehr nur sein, welchen sachlichen Gehalt die Vorschrift aufweist und ob dieser mit dem hier herausgearbeiteten Prinzip der Marktimitation übereinstimmt. Bereits eingangs dieser Untersuchung wurde darauf hingewiesen, daß die Unterscheidung zwischen Aufopferungshaftung und Billigkeitshaftung nur dann sinnvoll ist, wenn ein konturierter Begriff der Aufopferung zugrunde gelegt wird, der selbst über bloße Billigkeitsgesichtpunkte hinausgeht. Es kommt daher einzig darauf an, inwieweit § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB eine Duldungspflicht enthält, die dem Eigentümer einen durch § 1004 Abs. 1 BGB an sich zugewiesenen Eigentumsinhalt entzieht, den dieser ansonsten zum Gegenstand eines Austauschvertrages mit dem Eingriffsbefugten machen könnte. Soweit dies zu bejahen ist, hat nach der oben vertretenen Auffassung eo ipso ein Aufopferungsanspruch zu folgen. JZ 1986, 605 (611); Mühl, NJW 1960, 1133 (1135 f.); H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 32 ff.; Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 8; Vieweg/Werner, Sachenrecht, Rdnr. 44; widersprüchlich H. Roth: für Aufopferungsanspruch ders., Aufopferungsanspruch, S. 8 f. und Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 65; für Billigkeitsentschädigung Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 263. 323 Zu diesen Entscheidungen oben D. III. 1. c) bb). 324 Siehe Even, in: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 44 (1959), S. 4852 (4855). 325 Süss, Haftung, S. 117 mit Verweis auf die grundlegenden Ausführungen Eiseles, AcP 69 (1885), 275 (309 ff.) zur Unverbindlichkeit dogmatischer „Klassification“ von Vorschriften durch den Gesetzgeber.
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Wählt man diesen Ansatz, gerät sofort eine Diskrepanz zwischen § 906 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB in den Blick: Satz 1 versagt dem Grundstückseigentümer negatorische Rechte gegenüber allen ortsüblichen Imponderabilien, die zwar wesentlich beeinträchtigen, von dem Emittenten aber nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden können. Hingegen steht der Ausgleichsanspruch nach Satz 2 unter zwei weiteren, qualifizierenden Voraussetzungen. Die Immissionen müssen (1.) entweder den Ertrag oder eine solche Benutzung des Grundstücks beeinträchtigen, die selbst ortsüblich ist, und dies (2.) über das zumutbare Maß hinaus. Die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB würde aber gleichwohl einen Anwendungsfall des hier entwickelten Aufopferungsprinzips darstellen, wenn die einschränkenden Voraussetzungen, die diese Norm für einen Ausgleichsanspruch vorsieht, zugleich als Bedingungen dafür interpretiert werden könnten, daß überhaupt eine Pflicht des Grundstückseigentümers zur Aufopferung an sich gegebener Abwehrrechte vorliegt. Wie § 906 Abs. 2 BGB vor diesem Hintergrund dogmatisch einzuordnen ist, gilt es im folgenden zu untersuchen. (b) § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB als Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB Zunächst muß die Frage beantwortet werden, ob und inwieweit durch § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB an sich bestehende Abwehrrechte entzogen werden. (aa) Verneinende Auffassung in Anknüpfung an das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis Wie angedeutet wird dies von einer Auffassung in Abrede gestellt. Sie kann sich insbesondere auf die Entstehungsgeschichte des § 906 BGB berufen. Bei der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuchs herrschte eine immissionsfreundliche Grundhaltung vor. Von dem Redaktor Johow stammt die berühmte Metapher, daß die Menschen auf dem Grunde eines „Luftmeers“ leben, in dem sich Imponderabilien unvermeidbar verbreiten.326 Man ging davon aus, die Belastung mit ortsüblichen Immissionen werde sich wechselseitig automatisch ausgleichen.327 Und so wird im Anschluß an Heck328 auch heute noch auf die starke Interessenverbindung im nachbar326 327 328
Mot. III, S. 264. Siehe oben D. III. 1. c) bb). Sachenrecht, § 50, S. 215.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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lichen Verhältnis hingewiesen, die eine klare Trennung der gegenseitigen Freiheitssphären durch Ausschlußansprüche unmöglich mache und die zu der Rechtsfigur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses führte. Prononciert hat Deneke329 diese Rechtsfigur als begriffliche Verdichtung für die Auffassung in Stellung gebracht, daß der Inhalt des Eigentums im nachbarlichen Raum erst aus einer umfassenden Abwägung aller widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu gewinnen sei. Deshalb könnten gegenüber ortsüblichen Immissionen, die mit einer bestimmten Nutzung unvermeidlich verbunden sind, schon an sich, d.h. idealtypisch keine negatorischen Rechte eingreifen. Denn nach dem in Rede stehenden Ansatz ist im Bereich nachbarlicher Immissionen überhaupt kein idealtypischer Eigentumsinhalt auszumachen, der spezifischen Konfliktlösungen im Einzelfall vorgelagert ist. Danach enthält § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB keine Eingriffsbefugnis, sondern eine originäre Grenze des Eigentumsschutzes. (bb) Die grundsätzliche Geltung des § 1004 Abs. 1 BGB auch für ortsübliche Beeinträchtigungen Dieser Sichtweise kann jedoch nicht zugestimmt werden. Es wurde bereits dargelegt, daß sich die Prognose des historischen Gesetzgebers, die Duldungspflicht gegenüber allen ortsüblichen Immissionen werde sich automatisch in angemessener Weise ausgleichen, nicht verwirklicht hat.330 Der Aufopferungscharakter des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kann daher nicht mit dem Argument bestritten werden, Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB stünden jedermann, also auch dem Duldungspflichtigen offen.331 Die Rechtsprechung gelangte in Entscheidungen zu § 906 Satz 1 BGB a. F. Schritt für Schritt zu der Auffassung, daß wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Immissionen durchaus eine Belastung des Grundstückseigentümers darstellen können, die von dem grundsätzlich anerkennenswerten Eigentumsinhalt abweicht.332 Insoweit kann eine Störung des materiellen Äquivalenzprinzips eintreten, dessen Herstellung gerade Aufgabe der Festlegung der Grenzen des Schutztatbestands des § 1004 Abs. 1 BGB ist. Es würde nicht dem Gebot einer angemessenen Verteilung der originären Freiheitssphären entsprechen, in bezug auf ortsübliche Emissionen eine schrankenlose Handlungsfreiheit zu Lasten benachbarter Grundstückseigentümer anzunehmen, sondern lediglich eine Normativierung der faktischen Macht 329
Gemeinschaftsverhältnis, S. 100 ff. Näher oben D. III. 1. c) bb). 331 So aber H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 15 ff. und 30 ff. im Anschluß an H. Westermann, Maßnahmen, S. 47 ff. 332 Insbesondere RGZ 154, 161 ff. und BGHZ 30, 273 ff. 330
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
des Durchsetzungsstärksten darstellen.333 Wenn Mühl334 hingegen die mögliche Störung der materiellen Äquivalenz zwischen den Nachbarn durch wesentliche, wenn auch ortsübliche Immissionen gerade als Argument dafür verwendet, § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Billigkeitsanspruch und nicht als Aufopferungsanspruch zu begreifen, verkennt er, daß eine Abweichung von diesem Gleichgewicht (scil. dem idealtypischen wechselseitigen Freiheitsraum) gerade das Wesen eines Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte ausmacht.335 Dies spricht dagegen, § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB insgesamt als originäre Grenze des Eigentumsrechts aufzufassen. Untermauert wird diese Argumentation durch einen weiteren Umstand: Seit der Neufassung des § 906 BGB im Jahre 1959 bestehen gegenüber wesentlich beeinträchtigenden ortsüblichen Immissionen zumindest dann negatorische Rechte, wenn ihnen mit Maßnahmen begegnet werden kann, die dem Emittenten bei einer typisierten Betrachtung wirtschaftlich zumutbar sind.336 Diese Regelung beruht auf dem Gedanken des Erforderlichkeitsprinzips, das aber gerade ein Charakteristikum des Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte bildet. Dieses Kriterium findet sich insbesondere auch in den §§ 227 Abs. 2, 228 Satz 1, 904 Satz 1 BGB.337 Hingegen kann die Änderung einer Handlung oder eines Zustandes, die keine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB darstellt, dem Eigentümer aber gleichwohl mißfällt, selbst dann nicht verlangt werden, wenn sie ohne besonderen Aufwand möglich wäre (keine Erforderlichkeitsprüfung).338 Aus diesen Gründen kann nicht davon ausgegangen werden, daß gegenüber allen wesentlichen ortsüblichen Immissionen schon an sich keine Abwehrrechte im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB bestehen und nur bei deren Vermeidbarkeit mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen ein Abwehranspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgt. Vielmehr gehört es zum Kern des Eigentumsrechts, erhebliche Einwirkungen auf die Sache grundsätzlich abwehren zu dürfen. Es ist somit auch im nachbar333
Kleindienst, Immissionsschutz, S. 11 f. bezeichnet diese Sichtweise als rein „dynamisches Modell“, das mit dem Eigentumsrecht unvereinbar ist. 334 NJW 1960, 1133 (1135); ders., Festschrift Raiser, S. 159 (162). 335 In dieser Richtung bereits Konzen, Aufopferung, S. 146. 336 Zur Konkretisierung Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 237 ff. m. w. N. 337 Zum Zusammenhang zwischen der Tatbestandsverwirklichung als Wertungsstufe und dem Erforderlichkeitskriterium bei strafrechtlichen Rechtfertigungsgründen Arm. Kaufmann, Normentheorie, S. 253 ff.; ders., JZ 1955, 37, (40 f.) sowie Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 277 und G. Jakobs, Strafrecht AT, 6/58 Fn. 125; vgl. aus zivilistischer Perspektive auch die Ausführungen Hubmanns, AcP 155 (1956), 85 (123 ff.) zum sogenannten Ausweichprinzip. 338 Siehe BGHZ 88, 344 ff. bez. der leicht vermeidbaren Abschattung von Funkwellen, die als durch § 1004 Abs. 1 BGB nicht erfaßte negative Immissionen eingeordnet wurden.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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lichen Raum trotz der ohne Zweifel bestehenden erhöhten wechselseitigen Abhängigkeit nicht ausgeschlossen, eine idealtypische Freiheitsverteilung zu definieren.339 Diese ist einer Interessenabwägung im Einzelfall vorgelagert und macht das Grundstückseigentum erst zu einem absoluten Recht, das von bloßen rechtlich anerkannten Interessen verschieden ist.340 (cc) Die Abgrenzung zwischen § 1004 Abs. 1 und 2 BGB anhand des Zusammenspiels von Vermeidbarkeit und Ortsüblichkeit der Immission Allerdings führt die zwischen den Nachbarn bestehende Interessenverflechtung dazu, daß die negativen Freiheitsräume nicht so glatt abgegrenzt werden können, wie beispielsweise bei Fahrniseigentum.341 Insbesondere muß eine sinnfällig-räumliche Betrachtung fruchtlos bleiben, die für die Frage der Erlaubnis nur darauf abstellt, ob ein bestimmtes Verhalten in den Grenzen des eigenen Grundstücks gehalten wird oder ob es umgekehrt auf fremdem Boden Folgen zeitigt.342 Dies beweist bereits das umfangreiche und differenzierte Regelungsgefüge der §§ 905 ff. BGB. Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, daß nicht jede Form wesentlicher Immissionen eine Beeinträchtigung des Eigentums im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB darstellt, gegenüber der an sich Abwehrrechte bestehen. Zwar bezieht § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf den gesamten Regelungsgehalt des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB die Formulierung „Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden [. . .]“. Dieser Wortlaut läßt jedoch offen, ob hiermit unterschiedslos ein Verweis auf Duldungspflichten im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB gemeint ist, die über bloße Schutzgrenzen des Eigentums hinausgehen. Vielmehr etablieren sich unter Lenkung durch das Bauplanungsrecht gewisse ortstypische Nutzungsformen, die schon bei der Abgrenzung der originären Rechtssphären eine gewisse Privilegierung verdienen.343 Denn eine Ausgestaltung des Grundeigentums, nach der gebietsatypische Nutzungen zu Lasten solcher ortsüblicher Tätigkeiten abgeschirmt werden können, 339 Vgl. den Verweis auf den Kategorischen Imperativ als Grundlage des Nachbarrechts bei K. Müller, Sachenrecht, Rdnr. 323. 340 Siehe Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 52 sowie oben C. I. 2. a) bb). 341 Kleindienst, Immissionsschutz, S. 9 ff.; zu der daraus resultierenden Sensitivität für gesellschaftlichen Wandel in der Umwelt insbesondere H. Westermann, Festschrift Larenz, 1973, S. 1003 ff.; kritisch zum Bild des Interessengeflechts hingegen J. Neuner, JuS 2005, 385 (386). 342 Grundlegend Werenberg, JherJb 6 (1863), 1 ff. 343 Kleindienst, Immissionsschutz, S. 48: „Ortsüblichkeits-Privileg“; Deutsch, VersR 1984, 1001 (1002) zieht eine Parallele zwischen Ortsüblichkeit und Sozialadäquanz.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
die unvermeidbar mit Emissionen verbunden sind, wäre nicht einmal idealtypisch durchzuhalten. Im öffentlichen Recht entspricht dem das Kriterium der Situationsgebundenheit des Grundstücks, die dem an sich zugewiesenen Eigentumsinhalt im verfassungsrechtlichen Sinne Grenzen zieht.344 Die Äquivalenz, nach der jedem Grundstückseigentümer der gleiche Ausschlußgehalt zukommt wie seinen Nachbarn,345 besteht daher nur auf abstrakt-typisierender Ebene, die von einer ortsüblichen Nutzung ausgeht. Deswegen müssen nicht-ortsübliche Nutzungen gegenüber ortsüblichen Emissionen allerdings nicht gänzlich schutzlos gestellt werden. Wenn die Emissionen mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen vermeidbar sind, spricht nichts dagegen, auch demjenigen Grundstückseigentümer einen negatorischen Abwehranspruch zu geben, der in einer nicht-ortsüblichen Nutzung betroffen ist, wie § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB dies mit der entsprechenden Einschränkung der Duldungspflicht implizit voraussetzt. Daraus folgt: Die Regelung des § 906 Abs. 2 BGB kann so interpretiert werden, daß die Störung einer nicht-ortsüblichen Grundstücksnutzung346 durch eine benachbarte ortsübliche Nutzung nur insoweit eine Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB darstellt, als die Störung durch Maßnahmen vermeidbar ist, die dem Emittenten wirtschaftlich zumutbar sind. In einem solchen Fall stehen dem Betroffenen nach § 1004 BGB auch im Ergebnis negatorische Rechte zu. Wenn die ortsüblichen Immissionen hingegen unvermeidbar sind, liegt in der „Duldungspflicht“, die durch § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB angeordnet ist, überhaupt nur insoweit ein Entzug an sich gegebener Abwehrrechte, als eine ihrerseits ortsübliche Nutzung betroffen ist. In bezug auf die Beeinträchtigung nicht typischer Nutzungen wird hingegen eine originäre Begrenzung des Eigentumsinhalts vorgenommen.347 Zwar schließt diese Regelung mit den atypischen Nutzern eine faktische Minderheit gegenüber Einwirkungen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schutztatbestand des § 1004 Abs. 1 BGB aus.348 Dies ficht die Ablehnung einer Aufopferungspflicht aber nicht an, weil eine solche immer auf einem normativen, nicht einem deskriptiven Regel-Ausnahme-Schema beruht. Es geht bei der Differenzierung zwischen den origi344 Dazu Depenheuer, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14 Rdnr. 284 ff. m. w. N. 345 Liver, Festgabe Gutzwiller, S. 749 (751). 346 Zu einer Beeinträchtigung des Ertrags, den das Gesetz in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB neben die Benutzung stellt, noch unten D. III. 3. a) bb) (c) (aa) (a). 347 Vgl. H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 56 im Anschluß an H. Westermann, Maßnahmen, S. 51: Nur „solche Nutzungsarten sollen die Hilfe der Rechtsordnung verdienen, die in den Raum passen, sich also aus ebenfalls inhaltsgemäßer Ausnutzung des Eigentums ergeben“. 348 So der Einwand von Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 27.
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nären Eigentumsgrenzen und einer besonderen Duldungspflicht darum, welcher Schutz den Eigentümern unter wertenden Gesichtspunkten grundsätzlich zukommt und nicht darum, ob die Schutzversagung quantitativ eine Mehrheit oder Minderheit betrifft.349 Die Regelung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach der eine ortsübliche Nutzung oder der Ertrag des Grundstücks als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs wesentlich beeinträchtigt worden sein müssen, markiert somit selbst den Anfangsbereich der Aufopferungspflicht des Betroffenen und steht mit der hier vorgetragenen Konzeption in Einklang, nach dem jeder Entzug an sich gegebener Abwehrrechte zugunsten überwiegender Interessen eines anderen einen Aufopferungsanspruch gebietet. Die Formulierung Schulze-Osterlohs350, die Norm des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erachte die „unzumutbare“ Beeinträchtigung nicht-ortsüblicher Nutzungen offenbar in einem weiteren Sinne als entschädigungslos „zumutbar“, geht daher insoweit fehl, als die spezifische Frage eines verhältnismäßigen Interessenausgleichs durch einen Aufopferungsanspruch überhaupt erst gestellt werden kann, wenn eine Eingriffsbefugnis vorliegt. Eine Einwirkung, die bereits nicht dem grundsätzlichen Eigentumsinhalt widerspricht, kann hingegen auch ohne Ausgleich per definitionem nicht unzumutbar sein. (c) Das Kriterium der Zumutbarkeit in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Eine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB ist in § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB daher lediglich insoweit enthalten, als die Immissionen eine ortsübliche Nutzung des betroffenen Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Für die hiesige Konzeption, die einen Aufopferungsanspruch nach dem Gedanken eines hypothetischen Kaufpreises als Ausdruck des Erforderlichkeitsprinzips automatisch an eine solche Duldungspflicht knüpft, stellt sich aber das weitere Problem, daß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB den Ausgleichsanspruch zudem davon abhängig macht, ob die ortsübliche Nutzung oder der Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt werden. Dieser Umstand scheint gerade auf eine allgemeine Billigkeitsabwägung hinauszulaufen, in deren Rahmen nach der h. M. alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.351 Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, daß 349 Vgl. Hruschka, Strafrecht, S. 419 ff.; Stoll, JZ 1958, 137 (140); verkannt von Welzel, Strafrecht, S. 81. 350 Eigentumsopferentschädigung, S. 38; ebenso Goebel, JR 2002, 485; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 69. 351 BGHZ 49, 148 (153); 59, 379 (383 ff.); 62, 361 (369); 69, 119 (127); Röthel, Jura 2000, 617 (622); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 139; Schneider, MDR 1965, 439 (442); Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 143; H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 57; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 261.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
eine eingeschränkte Anwendung des Kriteriums der Zumutbarkeit in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geboten ist und teilweise sogar von der h. M. implizit vollzogen wird. (aa) Die Begrenzung auf bestimmte Fallgruppen In erster Linie sind über die Abwägungsklausel folgende Konstellationen aus der Ausgleichspflicht auszuscheiden: (a) Kein Ausgleich für die Beeinträchtigung nicht-ortsüblicher Grundstückserträge Soweit eine Beeinträchtigung des Grundstücksertrags, d.h. insbesondere der Fruchtziehung, in Rede steht, unterscheidet § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nach seinem Wortlaut im Gegensatz zu sonstigen Grundstücksnutzungen nicht danach, ob diese Ertragsgewinnung ortsüblich erfolgt.352 Es bestehen aber keine Anhaltspunkte oder sachlichen Gründe für die Annahme, der Gesetzgeber habe den Ertrag stärker als sonstige Nutzungen gegen wesentliche, aber ortsübliche Immissionen absichern wollen.353 Somit übernimmt das Kriterium der Unzumutbarkeit in bezug auf die Beeinträchtigung von Grundstückserträgen einmal die Funktion, die Beeinträchtigung nicht-ortsüblicher Erträge ausgleichslos zu stellen. Da aber § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Maßgabe des oben Gesagten insoweit überhaupt keine Aufopferungspflicht enthält, sondern eine originäre Grenze des Eigentumsrechts darstellt, bringt das Erfordernis einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Ertrags (scil.: der Beeinträchtigung eines ortsüblichen Ertrags) lediglich die Notwendigkeit einer Eingriffsbefugnis als Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs zum Ausdruck und widerlegt somit nicht die hiesige Konzeption der Marktimitation. Allerdings hätte der Gesetzgeber diesen Umstand präziser regeln können, indem er auch in bezug auf den Grundstücksertrag das Erfordernis der Ortsüblichkeit ergänzt hätte.
352 Denn die Wendung „dessen Ertrag“ bezieht sich auf „Grundstück“ und nicht auf „eine ortsübliche Benutzung“, sonst müßte es „deren Ertrag“ heißen. 353 Siehe H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 56; vgl. auch Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 139 und Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 252 ff., die eine Beeinträchtigung des Ertrags jeweils nicht gesondert würdigen.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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(b) Die Aussparung von Einbußen, die auf unwesentliche Einwirkungen zurückgehen Weiterhin sorgt das Erfordernis einer über das zumutbare Maß hinausgehenden Beeinträchtigung dafür, solche Einbußen aus der Ausgleichspflicht auszuscheiden, die trotz des Vorliegens einer wesentlichen Beeinträchtigung auch dann eingetreten wären, wenn sich die Einwirkung in den Grenzen des § 906 Abs. 1 BGB, insbesondere der Grenzwerte der Sätze 2 und 3 BGB gehalten hätte.354 Da die Zulässigkeit solcher nicht-wesentlicher Immissionen bereits keine Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB begründet, wird hiermit wiederum nur sichergestellt, daß lediglich diejenigen Nachteile über § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeglichen werden, die auf einer gemäß § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB legalisierten Eigentumsbeeinträchtigung beruhen. Parallel dazu wird im öffentlichen Recht bei der Höhe des Ersatzanspruchs für eine sogenannte ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums ein gewisses Quantum der Beeinträchtigung als ausgleichslose Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG angesehen.355 Häufig wird diese Begrenzung im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zwar auf der Rechtsfolgenseite bei der Bestimmung des angemessenen Ausgleichs thematisiert.356 Die Nachteile, die auch bei einer unwesentlichen Immission eingetreten wären, sind aber nicht Gegenstand einer Aufopferungspflicht des Grundstückseigentümers, sondern der originären Abgrenzung der Freiheitssphären, so daß sie bereits in Anknüpfung an das Zumutbarkeitskriterium aus dem Tatbestand des Ausgleichsanspruchs auszuscheiden sind. Dementsprechend werden durch diese Facette der Zumutbarkeitsklausel des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aber auch nur relativ wenige und geringe Einbußen ausgleichslos gestellt. So z. B. Erträge, die aus einer besonders empfindlichen ortsüblichen Nutzung nur dann zu erzielen gewesen wären, wenn auch keine Immissionen in den Grenzwerten der § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB vorlägen. Deren Nichtabwehrbarkeit begründet aber keine Eigentumsaufopferung, weshalb der mangelnde Aufopferungsanspruch nur konsequent ist.
354
BGHZ 62, 361 (372); 91, 20 (31 f.); BGH, NJW-RR 1988, 1291 (1292). Rozek, Eigentumsbindung, S. 128 f.; Schlette, JuS 1996, 204 (206); de Witt, DVBl. 1995, 107 (108 f.). 356 Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 79; RGRK/Augustin, § 906 Rdnr. 79; Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 138; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 264. 355
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(g) Kein Ausgleich bei saldierbaren Vorteilen Schließlich geht die wesentliche Beeinträchtigung dann nicht über das zumutbare Maß hinaus, wenn der Betroffene seinerseits das Grundstück des Emittenten mit vergleichbaren wesentlichen Immissionen belastet oder durch die zu duldenden Emissionen anderweitige konkrete Vorteile erlangt, wie z. B. ein verbessertes infrastrukturelles Umfeld für sein eigenes Gewerbe. Gerade diese Konstellationen waren ein maßgeblicher Beweggrund für den Gesetzgeber, das Korrektiv der Zumutbarkeit einzufügen.357 In diesen Fällen ist der vom Gesetzgeber Ende des 19. Jahrhunderts für alle Konstellationen unterstellte Effekt, daß sich wesentliche, aber ortsübliche Einwirkungen automatisch ausgleichen,358 tatsächlich gegeben und rechtfertigt einen (teilweisen) Ausschluß des Aufopferungsanspruchs. Beispielsweise wäre es bei gegenseitigen Immissionen von vergleichbarer Intensität eine unnötige Formalität, beiden Parteien wechselseitig Ausgleichsansprüche nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zuzusprechen und auf einer Aufrechnung zu bestehen. Da der Betroffene hier selbst von der anderen Partei eine entsprechende Eigentumsaufopferung abfordert, handelt es sich insoweit um die bloße Saldierung des Entzugs an sich gegebener Abwehrrechte, so daß der mangelnde Ausgleichsanspruch anhand des Kriteriums der Zumutbarkeit das Modell der Marktimitation für § 906 Abs. 2 BGB nicht anficht. Bei sonstigen günstigen Nebenwirkungen der Immissionstätigkeit für den Betroffenen (erhöhter Publikumszustrom etc.) handelt es sich schließlich um eine vorweggenommene Vorteilsausgleichung.359 Dies wird zwar mit dem Gegenargument bestritten, condicio qua non des Lagevorteils sei nur die Existenz des emittierenden Betriebs als solche, nicht aber die jeweilige Immission.360 Der Einwand verkennt jedoch die ökonomischen Zusammenhänge: Ein Unternehmen, das im Betrieb bestimmte Emissionen erzeugt, würde ohne deren Ausstoß nicht existieren und somit auch keine Lagevorteile erzeugen. Diese Vorteile stellen einen positiven externen Effekt dar, den der Emittent für den Immissionsbetroffenen bewirkt.361 In perfekten Märkten müßte dieser den Emittenten dafür bezahlen. Die Einbeziehung solcher Vorteile in die Ausgleichsrechnung über das Kriterium der Zumut357 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 44 (1959), S. 4852 (4855). 358 Siehe oben D. III. 1. c) bb). 359 Auf die Diskrepanz zwischen Vor- und Nachteil als Ratio des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stellt folgerichtig Kleindienst, Immissionsschutz, S. 48 ab; ähnlich Schelinski, NZM 2005, 211 (213). 360 Jauernig, JZ 1986, 605 (611). 361 Siehe oben D. II. 3. a).
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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barkeit internalisiert daher lediglich einen externen Effekt und steht im Einklang mit der Idee der Marktimitation. (d) Die Unvereinbarkeit einer allgemeinen Abwägung mit der Indizwirkung öffentlich-rechtlicher Immissionsstandards Die vorstehenden Anwendungsfälle des Zumutbarkeitskriteriums in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stellen somit keinen Widerspruch zu der hier entwikkelten Aufopferungskonzeption dar. Dafür, daß die Norm über diese Fallgruppen hinaus keine allgemeine Interessenabwägung nach Billigkeitsgesichtpunkten als Voraussetzung des Ausgleichsanspruchs fordert, spricht unter systematischen Gesichtspunkten insbesondere der folgende Umstand: Nach ganz überwiegender Ansicht indiziert das Überschreiten von Grenzwerten, die in öffentlich-rechtlichen Normen im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB enthalten sind, die Unzumutbarkeit einer Beeinträchtigung nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.362 Diese Werte bilden jedoch ihrerseits nach dem Regelungsgefüge des § 906 Abs. 1 BGB bereits die regelmäßige Grenze zwischen unwesentlichen und wesentlichen Beeinträchtigungen. Daraus folgt, daß die Zumutbarkeitsklausel bei wesentlichen Immissionen keine freie Abwägung offenhalten soll, sondern lediglich in typisierten Ausnahmefällen einen Ausgleichsanspruch zu hindern vermag. Denn ansonsten könnte eine Überschreitung der Grenzwerte, die überhaupt erst zu einer wesentlichen Beeinträchtigung führt, nicht zugleich deren Unzumutbarkeit indizieren. Der Begriff des zumutbaren Maßes in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB kann daher methodengerecht auf diejenigen Fallgruppen beschränkt werden, in denen das Fehlen eines Ausgleichsanspruchs mit dem Prinzip der Marktimitation vereinbar ist. (bb) Die Behandlung vorhersehbarer Nutzungskonflikte Daraus folgt zugleich, daß eine bestimmte Fallgruppe wesentlicher Beeinträchtigungen, die nach h. M. das zumutbare Maß nicht überschreitet, abzulehnen ist: Nach überwiegender Auffassung soll der Ausgleichsanspruch ganz oder teilweise entfallen, wenn der betroffene Grundstückseigentümer für den Nutzungskonflikt zu einem bestimmten Teil mitverantwortlich ist. Gedacht ist z. B. an Fälle, in denen ein Wohnhaus in eine bereits erkennbar immissionsbelastete Umgebung einfügt wird. Hier soll das Zumutbarkeits362 BGHZ 64, 220 (223); BGHZ 69, 105 (116 f.); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 50; Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 139; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 256; kritisch jedoch Kastner, NJW 1975, 2319.
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kriterium als spezifische Ausprägung einer Pflicht zur nachbarlichen Rücksichtnahme fungieren, bei deren Konkretisierung insbesondere zu berücksichtigen sei, ob der Konflikt in der Sphäre des Störers oder des Betroffenen wurzele.363 Diese Ansicht vermag jedoch in ihrer Argumentation nicht und im Ergebnis nur teilweise zu überzeugen. Insofern muß genau zwischen dem Tatbestand des § 906 Abs. 2 BGB und einer Anwendung des § 254 BGB auf den Ausgleichsanspruch unterschieden werden. (a) Der Unterschied zwischen Ortsüblichkeit und Priorität Entweder ist die neue Nutzung, die sich nicht vollständig in die vorgefundene Umgebung einfügt, nicht ortsüblich, was sich gegebenenfalls auch aus bauplanungsrechtlichen Vorschriften ergeben kann. Dann fehlt es in bezug auf die Immissionen bereits an einer Duldungspflicht im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB sowie den Tatbestandsvoraussetzungen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.364 Ist die neue Nutzung des betroffenen Grundstückseigentümers hingegen ortsüblich, besteht kein Grund, wesentlich beeinträchtigende Einwirkungen nur deshalb aus der Ausgleichspflicht des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auszunehmen, weil der Nutzungskonflikt absehbar war. Eine abweichende Entscheidung würde vielmehr unter Berufung auf angebliche Rücksichtnahmepflichten den Ausschlußgehalt des Grundeigentums aufweichen und die von § 906 Abs. 2 BGB festgelegten Koordinaten über die Hintertür des Zumutbarkeitsbegriffs verschieben: Die Regelung soll ortsübliche gegenüber nicht-ortsüblichen Nutzungen dergestalt privilegieren, daß für die Beeinträchtigung letzterer durch erstere kein Ausgleich verlangt werden kann. Hingegen bevorzugt die h. M. innerhalb der ortsüblichen Nutzungen noch die früheren gegenüber den späteren.365 Nach ihr präkludiert die Vornahme einer Grundstücksnutzung, die Nachbarn nur deshalb nicht wesentlich beeinträchtigt, weil diese ihrerseits von einer konfligierenden ortsüblichen Nutzungsart bisher keinen Gebrauch machen, quasi die spätere Aufnahme einer solchen Nutzung. Damit würde 363 BGHZ 49, 148 (153 ff.); 79, 45 (53); BGH, NJW 1995, 1823 (1824); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 50 f.; Oetker, MünchKomm. BGB, § 254 Rdnr. 25; Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 139; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 260. Dies war auch bereits vor der Neufassung des § 906 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt: RGZ 154, 161 (167); 159, 129 (168); 162, 349 (357). 364 Siehe oben D. III. 3. a) bb) (2) (b) (cc). 365 So ausdrücklich Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 36; Hagen, Festschrift Medicus, S. 161 (171 ff.); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 260; ders., JZ 2002, 245 (246).
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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aber der Inhalt des Eigentums des Störers ohne eine korrespondierende Ausgleichspflicht über das Maß idealtypisch gleichverteilter Freiheit hinaus ausgedehnt, da das bloße Wissen des Betroffenen um bzw. die bloße Erkennbarkeit der zeitlich vorangehenden störenden nachbarlichen Nutzung nicht den originären Inhalt der in Rede stehenden Eigentumsrechte umgestalten kann.366 Die h. M. beruht daher auf einer verfehlten Übertragung des Prinzips „prior tempore potior iure“ in den Tatbestand des § 906 Abs. 2 BGB. Dieses Prinzip ist in der Vorschrift weder verankert367 noch bei unvereinbaren Nutzungen ökonomisch effizient.368 Angelpunkt der Konfliktlösung muß vielmehr die Kategorie der Ortsüblichkeit sein und nur in ihrem Rahmen ist daher auch der Prioritätsgedanke von Bedeutung. Zwar kann eine bisher nicht ausgeübte Nutzung, die durch eine benachbarte ortsübliche Tätigkeit beeinträchtigt wird, selbst nicht dem örtlichen Gefüge entsprechen und daher nicht von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB geschützt sein. In der Rechtsprechung ist aber allgemein anerkannt, daß der Prioritätsgedanke nur ein Element des Begriffs der Ortsüblichkeit unter vielen ist. Ortsüblich kann ohne weiteres auch eine bisher nicht ausgeübte Nutzung sein, die mit benachbarten Aktivitäten in Konflikt gerät.369 Dieser beifallswerte Gedanke wird aber teilweise wieder zunichte gemacht, wenn die Beeinträchtigung einer ortsüblichen Nutzung deshalb ohne Ausgleich zumutbar sein soll, weil die störende Nutzung zeitlich voranging oder auch nur absehbar war. Daher ist § 906 Abs. 2 BGB so auszulegen, daß sich im nachbarlichen Raum unter mehreren ortsüblichen, in concreto aber unvereinbaren Nutzungsarten die „wertvollere“ durchsetzt, jedoch immer nur gegen eine Zahlungspflicht. Folglich ist in den Begriff des zumutbaren Maßes im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht einzubeziehen, ob der Nutzungskonflikt für den betroffenen Eigentümer absehbar war. (b) Die Unbeachtlichkeit des Gedankens der Selbstgefährdung Auch die Kategorie der sogenannten eigenverantwortlichen Selbstgefährdung, welche für die Gefährdungshaftung als Zurechnungsausschluß entwikkelt wurde,370 vermag ein gegenteiliges Ergebnis nicht zu tragen. Die Legi366
Siehe Epstein, Takings, S. 154 ff. J. Neuner, AcP 203 (2003), 46 (67 f.); Vieweg, Festschrift Großfeld, S. 1251 (1258). 368 Statt aller Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 611 f. 369 RGZ 64, 363 (365); 154, 161 (164); BGHZ 15, 146 (148); 60, 235 (242). 370 Grundlegend Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (352 ff.) zur sogenannten freiwilligen Interessenexponierung; Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II/2; § 58 III 1d, S. 218; Hasselblatt, NJW 1993, 2577 ff.; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 31 Ib, 367
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timität dieser Rechtsfigur wird dabei schon im Rahmen der Gefährdungshaftung bestritten.371 Für Aufopferungsansprüche ist sie aber gänzlich untauglich. Denn in der Konstellation einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung begibt sich der Geschädigte in den Bereich einer Gefahrenquelle, obwohl ihm gegenüber dieser Gefahr negatorische Rechte verbleiben. Sie lehnt sich daher an das Verbot eines venire contra factum proprium an (§ 242 BGB). Der Geschädigte verzichtet nicht durch eine Einwilligung auf seine Ausschlußrechte, exponiert seine Interessen aber in vergleichbarer Weise.372 Bei einer Duldungspflicht, z. B. nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, stehen dem Betroffenen gegenüber der konkreten Einwirkung aber anders als in den Fällen der Gefährdungshaftung gerade keine Abwehrrechte zu, so daß der tragende Gedanke des Haftungsausschlusses entfällt. Der Vorwurf, der Geschädigte habe sich offenen Auges in das Verderben begeben,373 hängt in diesen Fällen quasi in der Luft, da die Rechtsordnung die Einwirkung selbst als rechtmäßig qualifiziert und somit nicht als „Verderben“ betrachtet. Daher ist der Tatbestand des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auch dann erfüllt, wenn eine durch die Immissionen frustrierte Nutzung erst aufgenommen wurde, als die Einwirkungen bereits stattfanden oder ihr baldiges Einsetzen erkennbar war. (g) Die zutreffende Verortung des Problems bei § 254 BGB Diese Argumentation schließt jedoch nicht die analoge Anwendung des § 254 BGB auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB aus, um den Ausgleichsanspruch bei vorhersehbaren Nutzungskonflikten unter Umständen auf der Rechtsfolgenseite zu beschränken. Zwar verweist die Rechtsfolge des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht auf die §§ 249 ff. BGB, doch übernimmt die geschuldete Verkehrswertentschädigung sachlich eine vergleichbare Funktion wie ein Schadensausgleich.374 Selbst die h. M., die das Problem absehbarer Nutzungskonflikte im Rahmen des Zumutbarkeitsbegriffs auf der Tatbestandsseite behandelt, erkennt grundsätzlich an, daß es insoweit um ein Problem der Mitverantwortung des Geschädigten geht, d.h. eine Ausprägung des dem § 254 BGB zugrunde liegenden Regelungsgehalts.375 Dies spricht daS. 542 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 84 II 1e, S. 617; umfassend und differenzierend Stoll, Handeln. 371 Ablehnend insbesondere die Rechtsprechung zu § 833 Satz 1 BGB: BGH, NJW 1992, 2474 f.; 1993, 2611; zustimmend hingegen G. Wagner, MünchKomm. BGB, § 833 Rdnr. 19 m. w. N. 372 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 588. 373 Vgl. Müller-Erzbach, AcP 106 (1910), 309 (397). 374 Näher unten D. III. 3. c).
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für, diesen Gesichtspunkt wie üblich auf der Rechtsfolgenseite über § 254 BGB analog zu berücksichtigen und nicht in methodisch fragwürdiger Weise in den Tatbestand des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu verlagern.376 Der analogen Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB auf den Aufopferungsanspruch steht es jedenfalls auch nicht entgegen, wenn man mit Bezug auf den Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB der Rechtsusurpationstheorie folgt,377 nach der § 254 BGB auf die negatorischen Ansprüche des Eigentümers selbst nicht anwendbar ist.378 Zwar ersetzt der Aufopferungsanspruch diese negatorischen Rechte. Anders als sie schützt er aber nicht das Bestandsinteresse des Eigentümers, sondern gleicht die finanziellen Folgen dessen Wegfalls aus. Und bei deren Geringhaltung trifft den Eigentümer eine gewisse Mitwirkungsobliegenheit, was den Anwendungsbereich des § 254 BGB unabhängig von dem zugrunde gelegten Begriff der Eigentumsbeeinträchtigung auch für Aufopferungsansprüche eröffnet. Im Rahmen der rechtsökonomischen Analyse des § 906 Abs. 2 BGB wurde bereits dargelegt, inwieweit die Aussicht auf vollen Ausgleich Anreize dazu geben kann, Investitionen vorzunehmen, die durch zulässige Immissionen im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB frustriert werden, was eine unnötige Ressourcenverschwendung darstellt.379 Nach § 254 Abs. 1 BGB analog sind daher solche durch die Immissionen ausgebliebenen Wertsteigerungen nicht ersatzfähig, die das Spiegelbild von Aufwendungen darstellen, welche noch vorgenommen wurden, als ihre Frustrierung bereits absehbar war. Insoweit besteht jedoch neben der dogmatischen Verortung dieses Problems auf der Rechtsfolgenseite auch ein gravierender inhaltlicher Unterschied zur h. M.: § 254 Abs. 1 BGB schließt lediglich den Ersatz desjenigen Betrags unterbliebener Wertsteigerungen aus, der den nutzlosen Aufwendungen korrespondiert. Insoweit soll der durch die Immissionen betroffene Nachbar einen Anreiz zu effizientem Umgang mit Ressourcen er375 BGHZ 49, 148 (153); 79, 45 (53); BGH, NJW 1995, 1823 (1824); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 50 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 139; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 273. 376 Kritisch zur h. M. auch Hubmann, JZ 1968, 271 (272). 377 Dazu oben C. I. 1. a). 378 Siehe Picker, Beseitigungsanspruch, S. 163 ff.; Staudinger/Gursky (1999), § 1004 Rdnr. 145; auch H. Roth, AcP 180 (1980), 263 (282 ff.); ders., JZ 1998, 94 (95 f.); a. A. die h. M., die § 1004 BGB für den Ausgleich abgeschlossener faktischer Veränderungen dienstbar macht: RGZ 154, 161 (167); BGHZ 135, 235 (239 ff.); Herrmann, JR 1998, 242 (244); Hohloch, Negatorische Ansprüche, S. 195 f.; Oetker, MünchKomm. BGB, § 254 Rdnr. 25; Soergel/Mühl, § 1004 Rdnr. 198. 379 Siehe oben D. III. 2. b) bb).
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halten. Hingegen bleibt er nach dem allgemeinen Prinzip der Ausgleichspflicht für die Inanspruchnahme fremden Eigentums berechtigt, eine Kompensation dafür zu verlangen, daß er das Grundstück nicht in der gewünschten, ortsüblichen Weise nutzen kann, z. B. als Wohngrundstück. Der Erwerber eines Baugrundstücks wird daher nicht etwa deshalb von einem Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die praktische Verunmöglichung der Bebauung durch wesentlich beeinträchtigende ortsübliche Immissionen bereits im Zeitpunkt des Erwerbs erkennbar war. Der Emittent muß vielmehr den Minderwert des unbebauten Grundstücks, der sich aus der Nutzungseinschränkung ergibt, selbst dann ersetzen, wenn seine Immission zeitlich voranging. Sofern er bereits einen früheren Eigentümer des Grundstücks für die betreffende Einbuße abgefunden hat, muß er die Wirksamkeit gegenüber den Rechtsnachfolgern durch eine Grunddienstbarkeit gemäß § 1018 BGB sicherstellen. Aus § 254 Abs. 1 BGB ergibt sich lediglich, daß der Bauherr, der trotz des zeitlichen Vorangehens der zu duldenden Immissionen noch gebaut hat, nicht auch die Wertdifferenz zu dem hypothetisch-immissionsfrei bebauten Grundstück verlangen kann. Schließlich kann § 254 Abs. 2 BGB analog darüber hinaus die Obliegenheit des Betroffenen begründen, durch Vorkehrungs- oder Anpassungsmaßnahmen (Schallschutzfenster etc.) etwaige Beeinträchtigungen bzw. Schäden gering zu halten.380 Auch dann besteht aber kein Grund, ihm die Kosten für diese sinnvollen Maßnahmen nicht nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu ersetzen.381 Insoweit greift wiederum der Gedanke der Ausgleichspflicht für den Entzug an sich gegebener Ausschlußrechte durch. (3) Ergebnis Auch die einschränkenden Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, d.h. dessen Begrenzung auf die unzumutbare Störung ortsüblicher Nutzungen, können folglich in einer Art und Weise interpretiert werden, die mit dem Modell der Marktimitation vereinbar ist. b) Die Person des Ausgleichspflichtigen Im Rahmen der haftungssystematischen Analyse der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB wurde bereits auf den zur privatrechtlichen Eigentumsaufopferung bestehenden Streit hingewiesen, ob in Dreieckskonstellationen der Eingreifende oder der Begünstigte zu einem Ausgleich verpflichtet 380
Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 II 5a, S. 507. A. A. H.-W. Schulte, Interessenkonflikte, S. 164 auf dem Boden der h. M. für „zumutbare“ Anpassungsmaßnahmen. 381
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ist.382 Auch insoweit bedarf es eines Abgleichs mit dem Gedanken der Marktimitation. aa) § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Für den Ausgleich zu duldender, wesentlich beeinträchtigender Immissionen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, daß bei einer Beteiligung mehrerer Personen nicht der konkrete Störer, sondern der Begünstigte passivlegitimiert ist. Denn der Ausgleich kann nur von dem Benutzer des emittierenden Grundstücks verlangt werden, d.h. demjenigen, der die Nutzungsart dieses Grundstücks bestimmt und auch die Vorteile aus dieser Nutzung zieht.383 Diese Regelung entspricht der Rolle, die der Entschädigungsanspruch im Rahmen einer Marktimitation übernimmt. Denn das Ungleichgewicht, das infolge der Eingriffsbefugnis droht und durch den finanziellen Ausgleich abgefangen wird, besteht zwischen dem Duldungspflichtigen und demjenigen, zu dessen Gunsten der Eingriff erlaubt wird. Das Interesse des Benutzers des emittierenden Grundstücks ist es, das unter optimalen Marktbedingungen zu einem Vertrag zwischen ihm und dem Duldungspflichtigen geführt hätte. Aus diesem Vertrag wäre folgerichtig auch der Benutzer des störenden Grundstücks zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet gewesen und nicht der konkret Ausführende, z. B. ein Arbeitnehmer oder selbständiger Vertragspartner des Benutzers. Daher muß bei einer marktimitierenden Aufopferungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB der Begünstigte anspruchsverpflichtet sein, um einen Widerspruch gegen die aus § 1004 Abs. 1 BGB an sich folgende Rechtsverteilung zu vermeiden. bb) § 904 Satz 2 BGB Aus diesen Überlegungen ergibt sich, daß auch bei Aggressivnotstandshandlungen zugunsten Dritter der Gefährdete384 und nicht der Handelnde385 382
C. I. BGHZ 113, 384 (392); Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 137; Mattern, WM 1972, 1410 (1412); zurückhaltender Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 269. 384 So auf der Grundlage des Begünstigungsprinzips Canaris, NJW 1964, 1987 (1993); Erman/A. Lorenz, § 904 Rdnr. 10; Götz, Vergütungsanspruch, S. 151; N. Horn, JZ 1960, 350 (352); Kraffert, AcP 165 (1965), 453 ff.; Konzen, Aufopferung, S. 107 ff.; ders., JZ 1985, 181 (182); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 I 1b, S. 655 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 17 f.; Spöhr, Nothilfe, S. 40 ff.; Staudinger/Seiler (2002), § 904 Rdnr. 38; Westermann/H. P. Westermann, Sachenrecht, § 28 II 2c, S. 164 f. 383
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haftet und auch keine gesamtschuldnerische Haftung beider Personen386 eingreift. Der Verpflichtete kann dabei nur unter teleologischen Aspekten bestimmt werden, weil weder der Gesetzeswortlaut des § 904 Satz 2 BGB noch die Entstehungsgeschichte eindeutige Aufschlüsse zulassen. Zwar lag der Zweiten Gesetzgebungskommission ein Antrag vor, nach dem der heutige § 904 Satz 2 BGB wie folgt gefaßt war: „Der Einwirkende ist dem Eigentümer zum Schadensersatze verpflichtet.“387
Letztlich wurde aber die heute geltende, neutrale Fassung beschlossen, ohne daß die Person des Verpflichteten näher erörtert worden wäre.388 Die Erweiterung der Handlungsfreiheit, die in der Eingriffsbefugnis liegt, rechtfertigt sich in Dreieckskonstellationen dabei nicht aus der Interessenlage des Eingreifenden, sondern des Gefährdeten als dem Eingriffsbegünstigten.389 Und die Ausgleichspflicht der Aufopferungshaftung besteht umgekehrt deshalb, weil diese Interessen nach dem Gedanken einer Marktimitation nur auf der Ebene der Handlungsbefugnis und nicht der Ebene der finanziellen Lastentragungspflicht gegenüber den aufgeopferten Eigentümerinteressen privilegiert werden können, was zu einer Ausgleichspflicht des Gefährdeten führt. Hiermit wird die Verpflichtung des Gefährdeten nicht etwa allein damit begründet, daß der Eingreifende im Innenverhältnis ein Geschäft für diesen führt. Denn der bloße Umstand einer (berechtigten) Fremdgeschäftsführung bewirkt nach allgemeinen Prinzipien noch nicht eine Verschmelzung der Rechtsverhältnisse zwischen dem Geschäftsherrn, dem Geschäftsführer und Dritten, wie Kritiker einer Haftung des nicht selbst eingreifenden Gefährdeten zu Recht bemerken.390 Wer z. B. im eigenen Namen, aber in Fremdgeschäftsführung einen Vertrag abschließt, wird aus diesem selbst berechtigt 385 So die Vertreter der Eingriffstheorie: RGZ 113, 301 (303); BGHZ 6, 102 (105 f.); Bamberger/Roth/Fritzsche, § 904 Rdnr. 20; Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 7 f.; von Caemmerer, Festschrift Rabel, Bd. I, S. 333 (376 f.); Enneccerus/Nipperdey, AT, § 241 III 2, S. 1457 mit Fn. 16; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1349; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 153; Rudolf Merkel, Kollision, S. 184 f.; F. Oetker, Notwehr, S. 303 ff.; Planck/Strecker, § 904 Anm. 3b b, S. 268 f.; RGRK/Augustin, § 904 Rdnr. 9; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 44 ff.; Soergel/ J. Baur, § 904 Rdnr. 23. 386 Dafür Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 273; Pawlowski, AT, Rdnr. 859; Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 266 f.; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 334. 387 Prot. VI, S. 213. 388 Siehe Prot. VI, S. 219 und 399. 389 Wendehorst, Ausgleich, S. 187 spricht insoweit von einer „materiellen“ Begünstigung des Gefährdeten, während der Eingreifende durch die Befugnis aus § 904 Satz 1 BGB nur „formell“ begünstigt wird. 390 Rudolf Merkel, Kollision, S. 184 f. und Rümelin, Schadensersatz, S. 40 ff.
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und verpflichtet; die Auseinandersetzung mit dem Geschäftsherrn erfolgt im Innenverhältnis nach Maßgabe eines bestehenden Auftragsverhältnisses oder der §§ 677 ff. BGB. Bei einem Notstandshandeln zugunsten Dritter liegen die Dinge aber insoweit anders, als erst die Interessen des Gefährdeten im Außenverhältnis die Eingriffsbefugnis begründen und dieser daher auch der Adressat in bezug auf die Schadensfolgen wird.391 Die Analogie zum Vertragsrecht führt somit entgegen der erwähnten Kritik gerade nicht zu einer Vergleichbarkeit der Wahrnehmung von Eingriffsbefugnissen zugunsten Dritter mit einem in Fremdgeschäftsführung abgeschlossenen Vertrag. Wenn bei § 904 BGB die äußeren Umstände, z. B. ein zu schneller zeitlicher Ablauf, eine vertragliche Lösung nicht verunmöglichen würden, hätte der Begünstigte selbst mit dem betroffenen Eigentümer einen Vertrag abgeschlossen, der ihn im Sinne des § 904 Satz 1 BGB zur Nutzung der Sache zwecks Gefahrabwendung berechtigen würde. Der Nothelfer müßte gar nicht eingreifen und wäre daher auch keine vertragliche Verbindlichkeit eingegangen. Hier besteht ein Berührungspunkt des Gedankens der Marktimitation mit dem Argument, eine Ersatzpflicht altruistisch Handelnder hemme die wünschenswerte Neigung, Eingriffsbefugnisse zugunsten Dritter auszuüben.392 Für sich gesehen kann dieser pragmatische Gesichtspunkt das Problem der Passivlegitimation zwar nicht entscheiden, stimmt aber im Ergebnis mit den hier angestellten Erwägungen überein. Diese Zusammenhänge bewirken dabei nicht nur positiv die Ausgleichspflicht des Gefährdeten, sondern auch negativ den Ausschluß einer Haftung des eingreifenden Dritten. Der Zuschreibung zur Person des Privilegierten korrespondiert eine „Abschreibung“ von Verantwortung auf der Seite des Ausführenden.393 Es ist daher nicht möglich, den Rettenden als Gesamtschuldner neben dem Geretteten aus § 904 Satz 2 BGB haften zu lassen.394 Hierfür werden zwar ergebnisorientierte Gesichtspunkte einer möglichst weitgehenden Abmilderung von Insolvenzrisiken für den betroffenen Eigentümer vorgebracht. Diese fügen sich jedoch nicht in die Struktur einer Marktimitation ein und können daher keine Anerkennung finden.395 391
N. Horn, JZ 1960, 350 (352); H.-R. Horn, Rechtswidrigkeit, S. 167 ff. Konzen, Aufopferung, S. 111; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 17; Wendehorst, Ausgleich, S. 188. 393 Siehe G. Jakobs, Festschrift Lüderssen, S. 559 (564 ff.). 394 So aber Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 273; Pawlowski, AT, Rdnr. 859; Wieling, Sachenrecht, Bd. I, § 8 II 2c, S. 266 f.; M. Wolf, Sachenrecht, Rdnr. 334. 395 Allerdings ist bei einer Insolvenz des Geretteten eine subsidiäre Haftung des Staats in Erwägung zu ziehen, soweit dieser das gefährdete Interesse aufgrund eines Anspruchs auf polizeiliches Einschreiten an sich selbst hätte schützen müssen; siehe Haas, Notwehr, S. 211 f.; G. Jakobs, Befreiung, S. 143 (168); Pawlik, Notstand, S. 123. 392
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Auf diesem Wege werden schließlich auch nicht unzulässig die Anreize für den Eingreifenden abgeschwächt, nur dann zu handeln, wenn das Eingriffsinteresse des Gefährdeten das Ausschlußinteresse des Begünstigten tatsächlich wesentlich überwiegt. Denn besteht ein solches Wertverhältnis nicht, fehlt es zugleich an einer Eingriffsbefugnis im Sinne des § 904 Satz 1 BGB und haftet der Eingreifende selbst nach Maßgabe des § 823 Abs. 1 BGB. Eine parallele Verpflichtung des Gefährdeten aus § 904 Satz 2 BGB kommt dann nach der hier vertretenen Auffassung schon aus haftungssystematischen Gründen nicht in Betracht,396 was angesichts des Fehlens der Voraussetzungen einer entsprechenden Marktimitation auch anhand des entwickelten Grundgedankens des § 904 BGB folgerichtig ist. cc) Zusammenfassung Die Konsequenz des Modells der Marktimitation, daß in Dreieckskonstellationen nicht der Eingreifende, sondern der Begünstigte ausgleichsverpflichtet ist, läßt sich im Rahmen der positivrechtlichen Regelung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB methodengerecht verwirklichen. c) Der Umfang des Ausgleichsanspruchs aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Schließlich müßte auch der Umfang des jeweils gewährten Anspruchs mit den Vorgaben vereinbar sein, die sich aus dem Modell der Marktimitation ergeben. aa) Die Diskrepanz in den Rechtsfolgen aus Sicht der h. M. Der positivrechtliche Befund gestaltet sich insoweit uneinheitlich. Während § 904 Satz 2 BGB für die Notstandsfälle einen Schadensersatz gemäß den §§ 249 ff. BGB anordnet, sieht § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen angemessenen Ausgleich vor. Dies stellt zwar keinen unüberwindbaren begrifflichen Gegensatz zu einem vollen Schadensersatz dar. Der angemessene Ausgleich könnte vielmehr als Ersatz der im Sinne des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unzumutbaren Schäden gedeutet werden.397 Die h. M. interpretiert die 396
C. II. 3. a). Dafür Deutsch, Festschrift Steffen, S. 101 (118); Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1348; Horst, Querverbindungen, S. 19 f.; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 40; Konzen, Aufopferung, S. 45 ff.; Jauernig, JZ 1986, 605 (610 ff.); Palandt/Bassenge, § 906 Rdnr. 33; Säcker, MünchKomm. BGB, § 906 Rdnr. 138; Spieß, JuS 1980, 100 (103); Spyridakis, Festgabe Sontis, S. 241 (243). 397
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angeordnete Rechtsfolge jedoch als einen bewußten Gegensatz zum Schadensersatz.398 Ausgeglichen werden soll im Einklang mit den Grundsätzen, die in der Rechtsprechung zur öffentlich-rechtlichen Aufopferungsentschädigung entwickelt wurden,399 regelmäßig nur der Verkehrswert der durch den Eingriff entzogenen Ressource im Zeitpunkt der Störung, nicht aber ausgebliebene Vermögenssteigerungen.400 Die Diskrepanz zur Rechtsfolge des § 14 Satz 2 BImSchG (Schadensersatz) sei gerechtfertigt,401 weil diese Vorschrift nur Emissionen behördlich genehmigter Anlagen betreffe, die nicht schon nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zu dulden seien und damit eine noch stärkere Beeinträchtigung darstellten.402 Der praktische Unterschied der Rechtsfolge des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu einem Schadensersatz besteht dabei unter Zugrundelegung der h. M. vor allem darin, daß ein entgangener Gewinn nicht gemäß § 252 BGB zu ersetzen ist, der durch die Einwirkung ausgeblieben ist.403 Denn eine Naturalrestitution im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB soll – anders als bei § 904 Satz 2 BGB – auch nach den Befürwortern eines vollen Schadensausgleichs nicht geschuldet sein. Die Pflicht zur tatsächlichen Beseitigung der Einwirkungsfolgen stünde nicht nur in klarem Widerspruch zum 398 RGZ 139, 29 (33); BGHZ 49, 148 (155); 85, 375 (386); 111, 158 (167); BGH, NJW 2004, 1037 (1041); Baur/Stürner, Sachenrecht, § 25 Rdnr. 29; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 178; Elshorst, NJW 2001, 3222 (3224); Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 40; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (502 f.); G. Hager, NJW 1986, 1961 (1964); Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 78 ff.; Kleindienst, Immissionsschutz, S. 51 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 II 1b, S. 657; J. Neuner, JuS 2005, 487 (490); RGRK/Augustin, § 906 Rdnr. 80; Schlechtriem, Festschrift Gernhuber, S. 407 (419); Soergel/J. Baur, § 906 Rdnr. 74; Staudinger/ H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 262 ff.; Wendehorst, Ausgleich, S. 197 f.; Westermann/ H. P. Westermann, Sachenrecht, § 62 II 5b, S. 508. 399 BGHZ 30, 338 (351); 45, 46 (77); 65, 182 (189); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 139 und 207 ff. 400 Bei der Beeinträchtigung der Nutzung einer Sache umfaßt der angemessene Ausgleich allerdings auch den kommerzialisierbaren Geldwert der betreffenden Nutzungsmöglichkeit; BGHZ 91, 20 (31 f.): hypothetische Mietminderung bei Geruchsbelästigungen auf einem selbst bewohnten Grundstück; Stoll, Haftungsfolgen, S. 29 f. 401 Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 263; kritisch z. B. Jauernig, JZ 1986, 605 (612). 402 Siehe F. Baur, JZ 1974, 657 (658); Erman/A. Lorenz, § 906 Rdnr. 64; G. Hager, NJW 1986, 1961 (1965); Jarass, BImSchG, § 14 Rdnr. 22; Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 42; Marburger, Festschrift Ritter, S. 901 (907 f.); Petersen, Duldungspflicht, S. 59; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 81 f.; Staudinger/Kohler (2002), § 14 S. 2 BImSchG Rdnr. 39 f.; a. A. (Vorrang des § 14 Satz 2 BImSchG) AK-BGB/Winter, § 906 Rdnr. 34; Salje/Peters, Umwelthaftungsgesetz, § 18 Rdnr. 29. 403 BGHZ 62, 361 (371); G. Hager, NJW 1991, 134 (135); Karsten, Ausgleichsanspruch, S. 77; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 264.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB („einen angemessenen Ausgleich in Geld“), sondern würde die Ausübung des Immissionsrechts zumindest dann praktisch verunmöglichen, wenn eine dauerhafte Immissionstätigkeit in Rede steht.404 Die Kontroverse dreht sich mithin nur um die Maßgeblichkeit einer Verkehrswertentschädigung einerseits oder der §§ 251 ff. BGB einschließlich des § 252 BGB andererseits. Auf abstrakterer Ebene wird der Meinungsstreit dabei auf die Unterscheidung zwischen einem objektiv-typisierten Ausgleich (Verkehrswert) und einem Ersatz individueller Vermögenseinbußen (§§ 251 ff. BGB) zurückgeführt.405 bb) Das alternative Erklärungsmodell unterschiedlicher zeitlicher Anknüpfungspunkte Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, daß es in Wirklichkeit um die Bestimmung des Zeitpunkts geht, der für den Ausgleichsbetrag maßgeblich ist, und nicht um die Wahl eines objektivierten oder individualisierten Maßstabs. Gerade in bezug auf die Ersatzfähigkeit entgangener Gewinne unterscheiden sich die Auffassungen nämlich bei genauer Betrachtung nur in zeitlicher Hinsicht: War eine mit dem betroffenen Grundstück verbundene Gewinnaussicht im Zeitpunkt des Eingriffs bereits hinreichend konkretisiert (vgl. § 252 Satz 2 BGB), beeinflußt sie mittelbar den Verkehrswert des entzogenen Gegenstands am Markt und geht somit unstrittig in die Ausgleichszahlung ein. Dies gilt beispielsweise auch dann, wenn eine lukrative Gewinnaussicht erst aus einem Gewerbe resultiert, das auf dem Grundstück betrieben wird. Der Verkehrswert des Grundstücks bezieht sich ja nicht nur auf den blanken Erdboden, sondern auch mögliche gewerbliche Nutzungen mit entsprechenden Folgechancen. So wird die mangelnde Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns in der wenig einheitlichen Rechtsprechung auch nicht ausnahmslos durchgehalten.406 Der Unterschied zwischen einer angemessenen Entschädigung und vollem Schadensersatz reduziert sich somit auf die Ausgleichsfähigkeit solcher Gewinnchancen, die erst nach dem Zeitpunkt des Eingriffs entstanden bzw. wieder weggefallen sind. Die Vorschrift des § 252 BGB, für welche der Zeitpunkt der endgültigen Streitentschei404 Siehe Dünnhaupt, Schadenersatz, S. 54; Petersen, Duldungspflicht, S. 52; Wendehorst, Ausgleich, S. 195. 405 Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 263 f.; Wendehorst, Ausgleich, S. 196. 406 Siehe BGHZ 147, 45 (54) m. w. N. für die Beeinträchtigung von Gewerbebetrieben unter der Einschränkung, daß nur ein der bisherigen Ertragslage entsprechender entgangener Gewinn ersatzfähig sein soll, nicht aber (bereits absehbare) Gewinnsteigerungen, da hypothetische Kausalverläufe für die Entschädigung nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB unbeachtlich seien. Aber auch die Fortschreibung der bisherigen Ertragslage stellt auf einen hypothetischen Kausalverlauf ab.
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dung über den Ersatzanspruch maßgeblich ist,407 gebietet insoweit jeweils eine Anpassung, während der Maßstab des Verkehrswerts abschließend auf den Eingriffszeitpunkt abstellt. Diese Interpretation wird auch durch einen Blick auf andere nachbarrechtliche Vorschriften bestätigt, die dem Aufopferungsprinzip zugehören. Als Ausgleich für den Ausschluß negatorischer Rechte gegenüber einem Überbau nach § 912 BGB bzw. die Benutzung eines Notwegs im Sinne des § 917 BGB ist jeweils die Zahlung einer Geldrente vorgesehen. Diese Regelung bezieht sich zwar unmittelbar nur auf die Modalität der Entschädigung und nicht deren Umfang. Aber nach den §§ 912 Abs. 2 Satz 2, 917 Abs. 2 Satz 2 BGB bemißt sich die Höhe der Rente jeweils nach der Zeit der Grenzüberschreitung. Der § 915 Abs. 1 Satz 1 BGB ergänzt dies für den Überbau im Sinne des § 912 BGB um einen Anspruch des Grundstückseigentümers auf Abkauf des überbauten Bodens zum Wert im Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Dieser Wert umfaßt aber in einem funktionierenden Markt auch Gewinnchancen, die in dem betreffenden Zeitpunkt bereits konkretisiert waren.408 Nach der Gesetzessystematik sind Aufopferungspflichten somit entweder mit einem Anspruch auf Schadensersatz oder auf den Ersatz des Verkehrswerts zur Zeit des Eingriffs versehen, der seinerseits alle Vermögensminderungen bzw. durch den Eingriff ausgebliebene Vermögensmehrungen umfaßt, die damals bereits hinreichend konkretisiert waren. cc) Vergleich mit dem Gedanken eines hypothetischen Kaufpreises Die Bewertung dieses Befunds muß wiederum an den Umstand anknüpfen, daß die §§ 904, 906 Abs. 2 BGB nach der hier vertretenen Auffassung einen Ersatz für Marktverhalten der Beteiligten darstellen. Ein Vertrauen auf einen rein vertraglichen Güteraustausch ist in den betreffenden Konstellationen aufgrund typisierbar hoher Transaktionskosten unangebracht. Gleichwohl ist ein Ausgleich für den deswegen gesetzlich gestatteten Eingriff nach Art eines Kaufpreises erforderlich, um den legitimationstheoretischen Gedanken des hypothetischen Vertrags nicht zu verlassen und Anreize zu einer effizienten Nutzung der betreffenden Ressource zu geben.409 Erkennt man diesen Zusammenhang, kommt von vornherein keine Kürzung des Ausgleichsanspruchs gegenüber einer vollen Kompensation mit 407 BGHZ 29, 393 (398); Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I/2, § 32 II 3a, S. 213; Larenz, Schuldrecht, Bd. I, § 29 IIb, S. 493; Oetker, MünchKomm. BGB, § 252 Rdnr. 41 ff. 408 Siehe Säcker, MünchKomm. BGB, § 912 Rdnr. 31; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 47. 409 Näher oben D. III. 1. und 2.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
dem Argument in Betracht, der betreffende Eingriff sei rechtmäßig. Die Aufopferungspflicht betrifft nur die Ebene des Bestandsschutzes, berührt aber nicht die legitimen Vermögensinteressen des betroffenen Eigentümers. Aus rechtsökonomischer Sicht führt die Ausgleichspflicht darüber hinaus dem Eingreifenden einerseits die vollen Kosten seines Verhaltens vor Augen (scil.: die sozialen Kosten des Eingriffs werden in die private KostenNutzen-Rechnung internalisiert) und stellt damit sicher, daß die Ausnutzung der Eingriffsbefugnis wirklich der Durchsetzung überwiegender Interessen im Sinne einer Kosten-Nutzen-Analyse dient. Und schließlich kann wie dargelegt nur eine Entschädigung bewirken, daß Eigentümer, die potentiell von Aufopferungspflichten betroffen sind, nicht aus Furcht vor einem Eingriff Investitionen unterlassen. Diese Zusammenhänge machen es erforderlich, den zu gewährenden Ausgleich soweit als möglich dem Betrag anzunähern, auf den sich die Beteiligten unter Abwesenheit der betreffenden Transaktionskosten im Zuge eines Vertrags als Ausgleich für den Eingriff geeinigt hätten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß eine etwaige Monopolstellung des Eigentümers im Rahmen der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB selbst zu dem betreffenden Marktversagen gehört und daher in die Bestimmung des hypothetischen Marktpreises nicht eingehen darf.410 Es ist daher aus rechtsökonomischer Sicht beispielsweise unerheblich, welchen Preis der Inhaber einer Sache, die zur Beseitigung einer Lebensgefahr benötigt wird, hätte durchsetzen können, weil der Gefährdete gerade auf seine Sache angewiesen ist. Vielmehr ist bei der Ermittlung des Betrags zu unterstellen, daß der Gefährdete unter mehreren Anbietern auswählen kann, d.h. ein funktionierender Markt zugrunde zu legen. Sofern ein rationales Verhalten der Parteien angenommen wird, umfaßt der hypothetische Vertragspreis zunächst den vollen Verkehrswert der Ressourcen, die durch den Eingriff von dem Aufopferungspflichtigen auf den Begünstigten umgeschichtet werden. Denn gegen einen geringeren Ausgleich wäre der Eigentümer im Zweifel nicht bereit, vertraglich auf sein Abwehrrecht zu verzichten. Insoweit kann auch der Auffassung nicht gefolgt werden, eine voller Wertersatz gerate in Widerspruch dazu, daß der Aufopferungsanspruch den negatorischen Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB ersetze, der seinerseits nicht auf volle Schadloshaltung des Eigentümers, sondern eben nur Störungsbeseitigung gerichtet sei; der Ersatzanspruch könne nicht weiter gehen als der ersetzte Anspruch.411 Jedoch schließt die Duldungspflicht nicht nur den Beseitigungsanspruch nach erfolgtem Eingriff aus, sondern insbesondere auch und gerade den präventi410 411
Siehe oben D. II. 7. a). Petersen, Duldungspflicht, S. 53.
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
245
ven Anspruch auf Unterlassung des Eingriffs (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dessen erfolgreiche Ausübung würde dem Eigentümer aber die gesamte Einbuße ersparen, die aus dem Eingriff resultiert. Daher hätte der potentielle Eingreifer den Ausschluß des Abwehrrechts bei einem Hinwegdenken der gesetzlichen Eingriffsbefugnis mindestens zum vollen Verkehrswert erkaufen müssen. Den Aufopferungsanspruch entsprechend auszugestalten, gerät somit nicht in Widerspruch zu dessen rechtsersetzender Funktion. Zu diesem Verkehrswert zählen auch Gewinnchancen, die dem Eigentümer nach den im Zeitpunkt des hypothetischen Vertragsschlusses, d.h. unmittelbar vor dem Eingriff, verfügbaren Informationen offenstanden. Fallen diese später weg, wäre diese Veränderung in den Vertragspreis hingegen nicht mehr eingegangen. Umgekehrt hätten Vermögensmehrungen, die durch einen anderweitigen Einsatz der Ressource als zum Zweck des Eingriffs möglich gewesen wären, sich aber erst nach dem hypothetischen Vertragsschluß aufgetan haben, den geforderten Preis nicht beeinflußt. Solche, für den Eigentümer negative oder positive nachträgliche Veränderungen müssen somit aus streng rechtsökonomischer Sicht entgegen der Reglung des § 252 BGB nicht in den Ausgleichsanspruch einbezogen werden. Folglich wäre daran zu denken, die Rechtsfolge des § 904 Satz 2 BGB teleologisch auf eine Verkehrswertentschädigung zu reduzieren,412 sofern diese Norm im größtmöglichen Maß als Ausprägung des Gedankens der Marktimitation begriffen werden soll. Jedoch erscheint dies erstens aufgrund der eindeutigen Rechtsfolgenregelung des § 904 Satz 2 BGB methodengerecht kaum möglich. Und zweitens führt auch die Einbeziehung später veränderter Gewinnchancen nach Maßgabe des § 252 BGB in den Anspruch nur zu einer moderaten Abweichung vom Idealbild der Marktimitation durch Aufopferungspflichten. Gerade im Hinblick auf mögliche Beweisprobleme in der Rechtspraxis könnte die Anordnung des Schadensersatzes im Sinne der §§ 251 ff. BGB dem hypothetischen Vertragspreis in der Gesamtheit aller Fälle sogar in gleichem Maße entsprechen wie ein Ersatz des Verkehrswerts im Zeitpunkt des Eingriffs: Zu welcher Zeit sich eine bestimmte Gewinnchance mit ausreichender Gewißheit ergeben hat oder weggefallen ist, ist häufig zweifelhaft. Dann im Sinne des § 252 BGB auf den Zeitpunkt der Streitentscheidung abzustellen, kann als Kompromiß betrachtet werden, der von hypothetischen Vertragspreisen nicht weiter entfernt sein muß als der – ex post unter Umständen auf unsicherer Tatsachengrundlage ermittelte – Verkehrswert bei Vornahme des Eingriffs. Insoweit kann es nicht um eine punktgenaue Abbildung, son412 So im Ergebnis für § 14 Satz 2 BImSchG Bälz, JZ 1992, 57 (58); Schapp, Nachbarrecht, S. 60 ff.; Singer, Persönlichkeitsschutz, S. 79 ff., jedoch nach dem Gedanken eines angemessenen Interessenausgleichs im Nachbarverhältnis.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
dern nur eine Annäherung an gedachte Austauschvereinbarungen gehen. Welche der beiden Methoden zur Berechnung des Anspruchsinhalts gewählt wird, erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr als nicht weiter hinterfragbare Zweckmäßigkeitsentscheidung des Gesetzgebers. Eine solche Pauschalisierung im Einklang mit dem Wortlaut der positivrechtlichen Tatbestände zuzulassen, erscheint um so vertretbarer, als die gesetzlich gewährte Aufopferungsentschädigung auch in anderer Hinsicht denknotwendig etwas von dem Marktpreis abweichen muß, der hypothetisch für den Eingriff gefordert worden wäre: Zum einen können anders als bei einem vertraglichen Austausch besondere Affektionsinteressen des Eigentümers in den Aufopferungsanspruch nur in sehr begrenztem Maße eingehen. Wenn beispielsweise der Eigentümer eines Grundstücks aufgrund besonderer persönlicher Umstände ein ungewöhnlich großes Interesse an Immissionsfreiheit hat, das sich nicht verobjektivieren und damit in einem Verkehrswert oder einem Vermögensschaden ausdrücken läßt, kann er für eine vertragliche Gestattung von Immissionen gleichwohl einen entsprechend hohen Preis nach Maßgabe seiner individuellen Einschätzung verlangen bzw. eine vertragliche Gestattung gänzlich ablehnen. Wenn hingegen die Rechtsordnung den einverständlichen Güteraustausch aufgrund prohibitiver Transaktionskosten zwangsweise ersetzen muß, finden die Eigentümerinteressen nur insoweit Berücksichtigung, als sie objektiv nachvollziehbar sind.413 Dies beruht nach dem hier vertretenen Konzept nicht darauf, daß die in Aufopferungspflichten enthaltenen Wertungen zielgerichtet von den individuellen Werteinschätzungen der Beteiligten abzukoppeln wären. Ein solcher Rechtspaternalismus wird durch den hiesigen Ansatz der Marktimitation gerade abgelehnt.414 Aber die Fähigkeit der Rechtsordnung, subjektive Präferenzen zutreffend nachzuvollziehen, ist strukturell begrenzt. Beispielsweise kann einem bestimmten Affektionsinteresse nicht ohne weiteres der Geldwert beigemessen werden, den der Betroffene in einem Rechtsstreit angibt, da insoweit natürlich eine Übertreibung naheliegt. Wirklich meßbar sind Werteinschätzungen, für die es keine Verkehrsgrößen gibt, nur in privatautonomen Handlungen, insbesondere den Preisen, die ein Rechtsinhaber am Markt für die Aufgabe eines bestimmten Rechts verlangt. Die Rechtsordnung kann Präferenzen hingegen nur dann praktikabel in Geldwerte übersetzen, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die für die Kommerzialisierung eines Interesses im Rahmen der §§ 249 ff. BGB gefordert werden und die sich an tatsächlich bestehenden Märkten orientieren.415 Hiermit zeigt sich wiederum, weshalb eine Um413 Als Faustregel wird auf den Durchschnittsbenutzer abgestellt: Kleindienst, NJW 1968, 1953 (1955); Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 264. 414 Näher oben D. II. 7. b).
III. Die Rolle der Ausgleichspflicht im Modell der Marktimitation
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schichtung von Rechten durch die Rechtsordnung gegenüber autonomen Marktentscheidungen immer nur die zweitbeste Lösung darstellt und daher auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte. Dieses Problem wird in der Auslegung von Aufopferungspflichten in der Literatur auch durchaus berücksichtigt. Hierzu ist beispielhaft auf die Nichtgeltung der Duldungspflicht aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB für Fälle zu verweisen, in denen eine Immission, die bei natürlicher Betrachtungsweise durchaus ortsüblich ist, eine konkrete Gefährdung der unternehmerischen Existenz des betroffenen Eigentümers begründet.416 In einem solchen Fall ist es wahrscheinlich, daß erhebliche und achtenswerte Affektionsinteressen des potentiellen Duldungspflichtigen betroffen sind, denen im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht hinreichend Rechnung getragen werden könnte. Deshalb gilt in diesem Bereich der Vorbehalt privatautonomer Vereinbarungen absolut. Zum anderen besteht eine Diskrepanz zwischen hypothetischen Marktpreisen und Aufopferungsansprüchen in bezug auf eine Verteilung des Gewinns, der aus einer Ausnutzung der betreffenden Duldungspflicht folgt. Wie im Rahmen des Instituts der Kosten-Nutzen-Analyse gezeigt wurde, betreffen die Aufopferungspflichten Fälle, in denen der Eingreifende den Entfall des Abwehrrechts typischerweise höher bewertet als der Eigentümer sein Bestehen. Wenn die Beteiligten eine solche Umschichtung von Rechten vertraglich vereinbart hätten, wäre dieser Mehrwert bei rationalem Verhalten nach einem Verhältnis zwischen ihnen aufgeteilt worden, das sich im einzelnen nach ihrem Verhandlungsgeschick und den sonstigen Marktbedingungen bemessen würde. Folglich ist auch für die Aufopferungshaftung in der Literatur bemerkt worden, daß es eigentlich geboten wäre, dem Eigentümer nicht bloß seinen Schaden zu ersetzen, sondern mit einem gewissen Geldbetrag an dem Gewinn zu beteiligen, der aus dem Zurücktreten seines Abwehrrechts resultiert.417 Dies kann praktisch jedoch nicht umgesetzt werden, weil mangels eines tatsächlichen Konsenses der Beteiligten jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, welche Aufteilung des Gewinns die Parteien in einem Vertrag zugrunde gelegt hätten. Dieser Umstand ist um so leichter hinnehmbar, als sich der Anbieter einer Leistung auch im Rahmen von Verträgen nur wenn und soweit einen Gewinnanteil sichern kann, der über seine Opportunitätskosten hinausgeht, als kein vollkommener Wettbewerb 415 BGHZ 63, 98 (102); 92, 85 (90 f.); Köndgen, AcP 177 (1977), 1 ff.; Oetker, MünchKomm. BGB, § 249 Rdnr. 40 ff. 416 Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 105 f.; Diederichsen, Festschrift Schmidt, S. 1 (9); Kleindienst, Immissionsschutz, S. 39 f.; Konzen, Aufopferung, S. 204 ff.; RGRK/Augustin, § 1004 Rdnr. 50; Staudinger/H. Roth (2002), § 906 Rdnr. 231. 417 Eingebracht wurde dieser Gedanke erstmals durch Heck, Sachenrecht, § 49, S. 214; siehe auch Epstein, Takings, S. 162 ff.; Nozick, Anarchy, S. 63 ff.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
besteht. In perfekten Märkten – die hier als Leitbild dienen – würde sich der Kaufpreis hingegen ohnehin asymptotisch den Opportunitätskosten des Anbieters annähern, d.h. untechnisch gesprochen den Schäden, die für ihn daraus entstehen, daß er die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel nicht anderweitig einsetzen kann.418 Dies rechtfertigt es, auch im Rahmen marktimitierender Aufopferungspflichten den duldungspflichtigen Eigentümer nur mit einem Schadensersatz bzw. einer Verkehrswertentschädigung abzufinden. dd) Zwischenergebnis Im Ergebnis erfordert die Deutung der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung als Marktimitation somit, den Ausgleichsanspruch in seinem Umfang so weit als möglich an den Preis anzulehnen, den der Eigentümer ohne das betreffende Marktversagen für eine vertragliche Gestattung des Eingriffsrechts erlangt hätte. Wie dargelegt muß eine objektive Bestimmung dieses Betrags aber denknotwendig defizitär bleiben. Insoweit kann die gesetzlich jeweils vorgesehene Anordnung eines Schadensersatzanspruchs (§ 904 Satz 2 BGB) bzw. eines Verkehrswertersatzes (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) aus rechtsökonomischer Sicht als Kompromiß betrachtet werden, der die praktische Handhabbarkeit der Ausgleichspflicht gewährleistet.
4. Zusammenfassung Grundlage der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB als Ausprägungen der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung ist nicht allgemein das Erleiden eines Sonderopfers im Sinne einer Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen, welche ohne Kompensation unzumutbare Konsequenzen zeitigen würde. Das ausgleichsgebietende Sonderopfer kann vielmehr nach den hier vorgenommenen Schritten konkretisiert werden: Der rechtliche Schutz des Bestandsinteresses eines Eigentümers ist nicht aufgrund der originären Freiheitsverteilung (§ 1004 Abs. 1 BGB), sondern einer atypischen Eingriffsbefugnis (§ 1004 Abs. 2 BGB) versagt worden. Diese Duldungspflicht darf zudem nicht auf dem Gedanken des Verkehrsschutzes (gesetzlicher und gutgläubiger Erwerb) oder einer Zurechenbarkeit des Konflikts zu dem betroffenen Eigentümer (Notwehr und defensiver Notstand) beruhen, sondern muß ihre Rechtfertigung in wesentlich überwiegenden Interessen eines anderen finden. Ihre Grundlage haben diese Aufopferungspflichten in dem Gedanken einer Korrektur eindeutigen Marktversagens. Lägen nicht typi418 Überblick zum Konzept der Opportunitätskosten bei Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 81.
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion
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sierbar hohe Transaktionskosten vor, hätten die Beteiligten ein Eingriffsrecht bei rationalem Verhalten mittels eines Austauschvertrags begründet. Hieraus ergibt sich zugleich, daß die Eingriffsbefugnis unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips nur in Verbindung mit einem entsprechenden „Kaufpreis“ gewährt werden kann, der von dem Eingriffsbegünstigten zu entrichten ist. Dieser gibt den Beteiligten darüber hinaus Anreize, ihr Eigentumsrecht bzw. die Eingriffsbefugnis in effizienter Weise zu nutzen. In seinem Umfang sollte der Ersatzanspruch dem Vertragspreis entsprechen, auf den sich die Parteien für eine vertragliche Gestattung des betreffenden Eingriffs hypothetisch geeinigt hätten. Die gesetzliche Regelung kann diesen Wert aber niemals genau abbilden, sondern sich ihm nur annähern. Ob dies wie bei § 904 Satz 2 BGB durch Schadensersatz im Sinne der §§ 249 ff. BGB oder wie bei § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB durch eine Verkehrswertentschädigung erfolgt, stellt im wesentlichen eine Zweckmäßigkeitsentscheidung dar.
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bei faktischen Duldungszwängen Auf der Grundlage dieses Konzepts der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung kann zu der Fragestellung zurückgekehrt werden, ob die Konstellationen eines faktischen Duldungszwangs aus Sicht des Ausgleichsanspruchs mit zulässigen Eingriffen im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB teleologisch vergleichbar sind.
1. Die Fehlerhaftigkeit des Analogieschlusses unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit Die h. M. bejaht eine teleologische Vergleichbarkeit der duldungspflichtigen Einwirkungen mit solchen Beeinträchtigungen, die zwar nicht den konkreten Voraussetzungen der Duldungspflicht genügen, aber faktisch nicht abwehrbar sind, weil in beiden Konstellationen ein Sonderopfer vorliege, welches ohne einen finanziellen Ausgleich unzumutbar sei.419 Jedoch sind in 419 So der Bundesgerichtshof zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB durchgängig seit BGHZ 72, 289 (291 f.) und jüngst in BGH, NJW 2004, 775; Bensching, Ausgleichsansprüche, S. 183 ff.; Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 157; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rdnr. 718; Fikentscher, Schuldrecht, Rdnr. 1347; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 185 f.; Gerlach, Umweltschutz, S. 222 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 V 1a, S. 669; Rümelin, Schadenszurechnung, S. 37; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 73; Süss, Haftung, S. 81.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
den beiden Konstellationen ganz unterschiedliche Formen von Sonderopfern gegeben, weshalb bei ihnen auch das Kriterium der Unzumutbarkeit eines mangelnden Ersatzanspruchs eine unterschiedliche Beurteilung verdient. Vor allem läßt sich für die Übertragbarkeit des hier herausgearbeiteten Gedankens der Marktimitation auf die Fälle eines faktischen Duldungszwangs nicht anführen, daß der betroffene Eigentümer dem Störer den Eingriff ja gegen ein Entgelt hätte gestatten können, wenn das schädigende Ereignis für ihn nicht unabwendbar gewesen wäre. Grundgedanke der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB ist es nicht, eine Rechtsverletzung, die nur aufgrund einer vertraglichen Einwilligung des Betroffenen hätte erfolgen dürfen, mit einem „Kaufpreis“ in Form eines Ersatzanspruchs zu versehen, um das faktische Geschehen so weit als möglich einem Marktprozeß anzunähern. Die hier vertretene Idee der Marktimitation ist vielmehr eine andere und knüpft immer daran an, daß die Rechtsordnung einen bestimmten Eingriff als wünschenswert betrachtet und im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB zuläßt: Mit den Aufopferungspflichten aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB werden Güterumschichtungen bewirkt, die rational handelnde Parteien auf der Basis der ihnen zustehenden idealtypischen Rechte wahrscheinlich vorgenommen hätten, wenn nicht prohibitive Transaktionskosten einem solchen Gütertransfer entgegenstünden.420 Aufgrund dieses Gedankens eines hypothetischen Austauschvertrags muß die Duldungspflicht aber nach Maßgabe des Erforderlichkeitsprinzips zugleich mit einem Ausgleichsanspruch als einer Art von Kaufpreis verbunden werden.421 Der durch den Eingriff Begünstigte leistet Ersatz, weil der betroffene Eigentümer an ihn eine von der Rechtsordnung erzwungene Leistung erbracht hat. Und aus der Perspektive des Betroffenen bewirkt der Aufopferungsanspruch zugleich, daß die Duldungspflicht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verhältnismäßig wird. Die Eingriffsbefugnis führt aufgrund der Kompensation nicht zu einer Mißachtung von Eigentumsrechten in Form einer unzulässigen Umverteilung ihres Vermögenswerts. Diese positive Funktion des Aufopferungsanspruchs, eine Duldungspflicht mit dem Gebot eines verhältnismäßigen Interessenausgleichs zwischen den Beteiligten in Einklang zu bringen, ist bei faktischen Duldungszwängen nicht gegeben.422 Der tatsächlich aufgezwungene Eingriff wird von der Rechtsordnung nicht als rechtmäßig-effizienzsteigernd anerkannt. Folglich kann das von dem Betroffenen erlittene Unrecht als Widerspruch zum negatorischen Ausschlußgehalt des § 1004 BGB anders als im direkten Anwendungsbereich der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB auch nicht dadurch verhältnismäßig werden, daß ex post ein Schadensausgleich erfolgt. 420 421 422
D. II. D. III. 1. d). Ähnlich für § 906 Abs. 2 BGB bereits Binder, VersR 2003, 1226 (1227 ff.).
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion
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Außerhalb von Duldungspflichten genießen Dritte in bezug auf fremdes Eigentum gerade nicht die Freiheit eines „Verletze und kompensiere!“. Deswegen ist auch der Maßstab der Unzumutbarkeit, den die h. M. für die Ausgleichsfolgen eines faktischen Duldungszwangs nach Aufopferungsgesichtspunkten dienstbar macht, bei näherer Betrachtung untauglich. Eine unrechtmäßige Beeinträchtigung ist per se, d.h. selbst im Fall einer finanziellen Kompensation unzumutbar, eben weil das Gesetz sie nach § 1004 BGB verbietet.423 Sie unterscheidet sich von duldungspflichtigen Eingriffen unter dem hier eingenommenen Blickwinkel maßgeblich darin, daß die Rechtsordnung sie nicht vorbehaltlich der „Auflage“ eines finanziellen Ausgleichs als typischerweise effizienzsteigernd gestattet, sondern vorbehaltlich einer rechtsgeschäftlichen Einwilligung des Betroffenen verbietet. Sofern ein Eingriff rechtlich nicht zu dulden war, muß die Ersatzpflicht daher einen anderen Anknüpfungspunkt finden als den verhältnismäßigen Ausgleich für eine Aufopferungspflicht anhand des Erforderlichkeitsprinzips. Folglich ist mit der Feststellung, daß in den diskutierten Konstellationen eines faktischen Duldungszwangs eine unzumutbare Eigentumsbeeinträchtigung vorliegt, nichts für die Frage gewonnen, ob der Störer im Einzelfall neben einer Beseitigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB auch noch einen finanziellen Ausgleich für eingetretene Schäden leisten muß.424 Da die h. M. die Fragen der Unzumutbarkeit einer Eigentumsbeeinträchtigung und der Unzumutbarkeit eines fehlenden finanziellen Ausgleichs für eine solche Beeinträchtigung nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit trennt, ist es nicht verwunderlich, daß aus der Analogie zu den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erhebliche haftungssystematische Widersprüche folgen. Im Abschnitt C. der Abhandlung wurde gezeigt, inwieweit die Anknüpfung eines unbedingten Ausgleichsanspruchs an die bloße Unabwendbarkeit der rechtswidrigen Schädigung für den Betroffenen mit den begrenzten Rechtsfolgen des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, dem deliktischen Verschuldenserfordernis, dem Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung und der Abhängigkeit einer Herausgabepflicht aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB von einer fortbestehenden Bereicherung in Konflikt gerät. Während bei einer Aufopferungspflicht das Fehlen eines korrespondierenden Ersatz423 Siehe Deneke, Gemeinschaftsverhältnis, S. 171 f.; Hagen, Festschrift Lange, S. 483 (503); A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 110. 424 Unrichtig daher die Schlußfolge bei A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 110: „Da die aus tatsächlichen Gründen nicht abwehrbaren Einwirkungen keiner Duldungspflicht unterfallen, stellt sich sowohl der Vorgang ihrer Zufügung als auch die in der Folge eintretende Eigentumsverletzung als rechtswidrig dar und übersteigen schon aus diesem Grund das zumutbare Maß des entschädigungslos Hinzunehmenden.“ Damit wäre das Verschuldenserfordernis des Deliktsrechts gänzlich aufgegeben.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
anspruchs anhand des Modells der Marktimitation unverhältnismäßig wäre, bei Gewährung des Anspruchs zugleich aber die duldungspflichtige Einwirkung zumutbar wird, bestimmen bei bloß faktischen Duldungszwängen gerade die Institute des Deliktsrechts, der Gefährdungshaftung und des Bereicherungsrechts, unter welchen Voraussetzungen den Beteiligten ein Schadens- bzw. Bereicherungsausgleich für die als solche unzumutbare (weil rechtswidrige) Beeinträchtigung „zumutbar“ ist. In diesem Zusammenhang sollen in Anknüpfung an die haftungssystematischen Erwägungen im ersten Teil der Arbeit noch einmal kurz die Möglichkeiten zusammengefaßt werden, die das Zivilrecht für den Ausgleich in den verschiedenen Fallgruppen des faktischen Duldungszwangs bietet und die nach der hier vertretenen Auffassung anstelle einer analogen Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB maßgeblich sind: Die zum aggressiven Notstand im Sinne des § 904 BGB diskutierten Fälle eines faktischen Duldungszwangs lassen sich zu großen Teilen über das Institut der Eingriffskondiktion einer befriedigenden Lösung zuführen. Wenn der Eingreifer zur Abwehr einer wirklichen Gefahr fremdes Eigentum beschädigt, der drohende Schaden aber – für ihn unerkennbar – nicht unverhältnismäßig groß war und deshalb die Voraussetzungen des § 904 Satz 1 BGB nicht erfüllt sind, schuldet er dem Betroffenen gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB Wertersatz bis zur Höhe des wirklichen Werts des geschützten Interesses.425 Denn als rechtsgrundloser Eingreifer hat er nach § 818 Abs. 2 BGB grundsätzlich den Eingriffswert zu ersetzen, der den Eingriffsschaden einschließt, und ist in Höhe des Werts seines durch den Eingriff geschützten Interesses auch nicht gemäß § 818 Abs. 3 BGB entreichert. Einen über den Wert seines geschützten Interesses hinausgehenden Eingriffsschaden hat er hingegen nur nach § 823 Abs. 1 BGB bei Verschulden zu ersetzen; gleiches gilt, wenn der Eingreifer nur irrtümlich eine Gefahrenlage für eines seiner Rechtsgüter angenommen hat und somit aus dem Eingriff nicht bereichert ist. Daß dem Eingreifer in einem solchen Fall nach der hier vertretenen Auffassung der Schaden nicht analog § 904 Satz 2 BGB verschuldensunabhängig aufzubürden ist, ist eine stimmige Konsequenz des oben dargelegten Umstands, nach dem die unbedingte Haftung bei irrtümlicher Selbsthilfe gemäß § 231 BGB eine Ausnahmevorschrift darstellt, die auf andere Fälle der irrtümlichen Annahme einer Eingriffsbefugnis nicht ausgedehnt werden kann.426 Eine Lösung über einen Bereicherungsausgleich ist auch in den Fällen eines faktischen Duldungszwangs möglich, in denen ein Emittent schadhafter Stoffe schuldlos-irrtümlich annimmt, es gebe keine ihm zumutbaren Vor425 426
Siehe oben C. II. 1. b) aa). C. I. 2. b).
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion
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kehrungsmaßnahmen, mit denen die Immissionsschäden zu verhindern wären. Auch dann schuldet der Emittent einen Bereicherungsausgleich bis zur Höhe der ersparten Vorsorgeaufwendungen gemäß den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 und 3 BGB.427 Es gibt keinen Grund, den Störer hier analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB – etwa nach Maßgabe eines vermeintlichen Prinzips der Begünstigtenhaftung – verschuldensunabhängig auch für Schäden haften zu lassen, die seinen ersparten Vorsorgeaufwand übersteigen. Ein solcher Ersatz ist vielmehr Gegenstand des Deliktsrechts. Etwaige inakzeptable Ergebnisse lassen sich dabei durch eine sachgerechte Bestimmung von Verkehrspflichten zur Überwachung eigener Emissionstätigkeit vermeiden. Sofern der Geschädigte dabei hinsichtlich des Verschuldens mangels eines Einblicks in die Emissionsverhältnisse des Störers in Beweisnot gerät, ist eine Beweislastumkehr nach Gefahrenbereichen in Erwägung zu ziehen, die sich auf ein gesichertes Fundament in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu vergleichbaren Problemkonstellationen stützen kann.428 Über diesen Weg einer sachgerechten Bestimmung von Verkehrspflichten hätten beispielsweise auch der Schrotbleifall429 oder die Fälle der Schädigungen durch über die Grundstücksgrenze wachsendes Wurzelwerk430 bzw. umstürzende Bäume431 gelöst werden können. Selbst der Bundesgerichtshof hat in einer jüngeren Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt diesen Weg beschritten.432 Bei den reinen Unfallschäden ohne Verletzung einer Verkehrspflicht durch den Schädiger, z. B. bei einem unfallartigen Versagen von emittierenden Anlagen, dem Bruch von Wasserrohren oder Kabelbränden, ist der Regelungsbereich der Gefährdungshaftung betroffen. Insbesondere § 1 UmweltHG und § 2 HaftpflG bestimmen dann mit ihren Tatbestandsvoraussetzungen und Haftungshöchstgrenzen den Spielraum für einen verschuldensunabhängigen Schadensausgleich.433 Hiervon analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugunsten geschädigter Grundstückseigentümer eine Ausnahme zu machen, entbehrt schon angesichts des Enumerationsprinzips der Gefährdungshaftung einer tragfähigen Grundlage. Schließlich verbleiben die Fälle durch Schädigungen bei Baumaßnahmen, insbesondere Vertiefungsschäden, bei denen der Bauherr einen selbständigen Bauausführenden einsetzt, der dann fehlerhaft arbeitet. Wenn die h. M. 427 428 429 430 431 432 433
Siehe C. III. 1. Näher unter C. I. 1. b) aa) (2). Oben B. I. 1. b) bb). BGH, NJW 1990, 3195. BGHZ 122, 283. BGH, NJW 2003, 1732. Siehe C. III. 2) b).
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
dem Betroffenen hier gegen den Bauherrn analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB einen verschuldensunabhängigen Schadensausgleich zugesteht, setzt sie sich implizit über die Zurechnungsvoraussetzungen des § 831 BGB hinweg, der eine Haftung wegen vermuteten Auswahl- oder Überwachungsverschuldens nur bei unselbständigen Verrichtungsgehilfen vorsieht. Zwar kann zu Lasten des Bauherrn je nach den Umständen des Einzelfalls auch in bezug auf selbständige Bauausführende die schuldhafte Verletzung von Organisationsoder Überwachungspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht kommen. Soweit dies aber nicht der Fall ist, wirkt die Analogie zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in dieser Fallgruppe als eine bloße Zurechnung von Drittverschulden, die jedenfalls solange nicht zu überzeugen vermag, wie selbst der Bundesgerichtshof die Vorschrift des § 278 BGB im sogenannten nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis für unanwendbar hält.434 Diese kurze Zusammenfassung zu den Fallgruppen des faktischen Duldungszwangs belegt, daß in diesen bei näherer Betrachtung ganz andere Haftungsprinzipien betroffen sind als bei der Aufopferungshaftung zum Ausgleich von rechtmäßigen Eingriffen.435 Normen wie die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verkörpern nach der hier entwickelten Auffassung das, was die Rechtsordnung dem Eigentümer gewähren muß, weil sie ihm einen vorrangigen Bestandsschutz aufgrund der Aufopferungspflicht nach dem Gedanken der Marktimitation nicht zugesteht. Wie die negatorischen Rechte fließt ein Aufopferungsanspruch somit unmittelbar aus dem Eigentum, weil ohne ihn die betreffende Eingriffsbefugnis nicht gerechtfertigt werden könnte. Bei einem faktischen Duldungszwang steht hingegen keine verhältnismäßige Ersetzung des Bestandsschutzes durch einen Wertschutz in Rede, sondern geht es um die Voraussetzungen von Ersatzansprüchen als Folgewirkung einer unrechtmäßigen Eigentumsverletzung. Hierbei bedarf es insbesondere eines gerechten Ausgleichs zwischen den Vermögensinteressen des Eigentümers, die aus der Verletzung seines Bestandsschutzes resultieren, und den Vermögens- und Entfaltungsinteressen des potentiell Ersatzpflichtigen, die durch einen Ersatzanspruch beeinträchtigt werden. Dieser Ausgleich wird durch die Haftungsinstitute für rechtswidrig-rechtsgrundlose Eigentumseingriffe mit ihren jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen hergestellt. Hingegen ergibt sich die Vermittlung zwischen den widerstreitenden Interessen bei einem rechtlichen Duldungszwang nach dem Marktgedanken automatisch: Wer eine Aufopferungspflicht in Anspruch nimmt, muß als „Käufer“ des beeinträchtigten Rechts ohne weiteres einen finanziellen Ausgleich leisten. 434
Dazu oben C. II. 3. b). Siehe zum folgenden auch die Unterscheidung in primäre und sekundäre Rechtsfortsetzungsansprüche bei H. Roth, AcP 180 (1980), 263 (266 ff.). 435
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion
255
Vor diesem Hintergrund geht auch die Annahme fehl, die zu den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB diskutierten Fallgruppen faktischer Duldungszwänge stimmten mit den duldungspflichtigen Einwirkungen unter teleologischen Gesichtspunkten bis auf den Umstand überein, daß bei einem faktischen Duldungszwang noch die Rechtswidrigkeit des Eingriffs hinzutrete. Diese hinzutretende Rechtswidrigkeit könne, so die häufig vorgetragene Argumentation, dem Aufopferungsausgleich nicht entgegenstehen, sondern gebiete ihn noch mehr als in den gesetzlich geregelten Fällen duldungspflichtiger Einwirkungen (argumentum a fortiori).436 Ob das für einen solchen Erstrecht-Schluß erforderliche Stufenverhältnis gegeben ist, stellt aber keine Frage der formalen Logik dar, sondern des normativen Sinns, den das Tatbestandsmerkmal, von dem der Größenschluß aus erfolgen soll (hier: die Duldungspflichtigkeit der Einwirkung), als Voraussetzung der fraglichen Rechtsfolge (hier: eines verschuldensunabhängigen Ersatzanspruchs) hat.437 Der schematische Verweis auf das Begriffspaar rechtmäßige Beeinträchtigung/rechtswidrige Beeinträchtigung bildet daher keine Begründung für die Analogie. Vielmehr ist unter teleologischen Gesichtspunkten entscheidend, daß den Ausgleichsansprüchen der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB die Funktion zukommt, Einwirkungen im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB zum Teil eines verhältnismäßigen Interessenausgleichs nach Maßgabe eines hypothetischen Vertrags zu machen. Deshalb können absolut, d.h. auch angesichts eines möglichen Ersatzanspruchs unzumutbare, rechtswidrige Einwirkungen mit Blick auf die Ausgleichspflicht niemals „bis auf“ die „hinzutretende“ Rechtswidrigkeit vergleichbar sein. Sie haben insoweit nichts mit den gesetzlich geregelten Fällen der duldungspflichtigen Einwirkungen gemein. Es ist strenggenommen sogar unrichtig, Aufopferungsansprüche als verschuldensunabhängig zu bezeichnen. Denn mit der Bezugnahme auf das Verschuldenskriterium werden diese Ansprüche bereits fälschlich in den Kontext der Haftung für unrechtmäßige Einwirkungen eingeordnet, obwohl es bei ihnen um den verhältnismäßigen Ausgleich im Rahmen eines Zwangsverkaufs geht. Binder438 faßt dies pla436
Für § 904 Satz 2 BGB: Canaris, JZ 1963, 655 (658 f.); ders., Feststellung, S. 78 ff.; Enneccerus/Nipperdey, AT 2, § 241 III 4b, S. 1458; Hemsen, Aufopferungsanspruch, S. 182 ff.; Horst, Querverbindungen, S. 60; Hubmann, JZ 1958, 489 (491); Hueck, JherJb. 68 (1919), 205 (229); Larenz/Canaris, Schuldrecht, Bd. II/2, § 85 IV 1, S. 668; Rümelin, Schadensersatz, S. 73 f.; Säcker, MünchKomm. BGB, § 904 Rdnr. 26; Staudinger/Seufert11, § 904 Rdnr. 34; Tondorf, Aufopferungsanspruch, S. 115; Wilts, NJW 1962, 1852; Ziegler, Aufopferungsanspruch, S. 86. Zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB: Baumann, JuS 1989, 433 (435); Gerlach, JZ 1988, 161 (173 f.); ders., Umweltschutz, S. 225 ff.; ders., JZ 1990, 980 (982); Pfeiffer, Immissionsschutz, S. 28; Schirmer, ZVersWiss 1990, 137 (146); Stoll, Haftungsfolgen, S. 30. 437 Canaris, Feststellung, S. 78 f.; Larenz, Methodenlehre, S. 391.
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D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
stisch in der Formulierung zusammen, Aufopferungsansprüche wie § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB seien nicht mehr und nicht weniger verschuldensunabhängig als ein Kaufpreisanspruch.
2. Keine abweichende Beurteilung aufgrund der Anreizfunktion der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Ein überzeugendes Argument für die analoge Gleichstellung faktischer Duldungszwänge ergibt sich schließlich auch nicht daraus, daß die Aufopferungsansprüche nach der hier vertretenen Auffassung neben ihrer Bedeutung für die Verhältnismäßigkeit des Entzugs an sich gegebener Ausschlußrechte zugleich auch eine Anreizfunktion für die Beteiligten erfüllen. Die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB halten einerseits den Eingriffsbefugten an, Aufopferungspflichten nur dann auszunutzen, wenn der daraus resultierende materielle oder ideelle Gewinn wirklich hinreichend groß ist, um den Eingriff zu legitimieren.439 Andererseits würde der Eigentümer ohne die Existenz von Aufopferungsansprüchen aus Furcht vor einer Inanspruchnahme der Eingriffsbefugnisse unter Umständen eine effiziente Nutzung seines Eigentums unterlassen, vor allem nur sehr eingeschränkte Investitionen vornehmen.440 Bei einem flüchtigen Blick sind diese verhaltenslenkenden Funktionen des Ersatzanspruchs auch außerhalb des Bereichs von Eingriffsbefugnissen einschlägig, d.h. bei faktischen Duldungszwängen. Beispielsweise erhält derjenige, der eine unbedingte Schadensersatzpflicht zu gewärtigen hat, wenn er in fremdes Eigentum zur Rettung nicht höherwertiger Interessen eingreift, dadurch einen Anreiz zum Unterlassen eines solchen Eingriffs. Und umgekehrt wird ein Grundstückseigentümer unter Umständen stärker sinnvolle Investitionen tätigen, wenn er weiß, daß sein Nachbar für Vertiefungsschäden ohne Rücksicht auf Verschulden haftet. Damit wäre gerade diejenige teleologische Entkoppelung der Ausgleichspflicht von der Eingriffsbefugnis auf eine rechtsökonomische Grundlage gestellt, welche die h. M. in den Konstellationen eines faktischen Duldungszwangs befürwortet. Der Störer würde unabhängig davon haften, ob er die Grenzen der betreffenden Duldungspflicht einhält, weil Schädigungen dann bei rationalem Verhalten nur erfolgen werden, wenn der Aufwand zu ihrer Vermeidung unwirtschaftlich ist und weil wünschenswerte Investitionen nicht durch die Furcht vor ausgleichslosen Einbußen zu unterbleiben drohen. 438 439 440
VersR 2003, 1226 (1228 f.). D. III. 2. b) aa). D. III. 2. b) bb).
IV. Die Verfehlung der Ausgleichsfunktion
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Diese Sichtweise würde jedoch unzulässigerweise die verhaltenslenkende Funktion von Aufopferungsansprüchen aus einem größeren Sinnzusammenhang isolieren. Im Rahmen dieser Darstellung ist die Anreizwirkung nicht als die primäre Funktion der Ausgleichsansprüche aufgefaßt worden. Vielmehr wurde dargelegt, daß diese Ansprüche nicht nur dem Erforderlichkeitsprinzip geschuldet sind, sondern bei einer gegebenen Eingriffsbefugnis zugleich auch sicherstellen, daß diese Aufopferungspflicht im Einzelfall nicht zu ineffizienten Güterumschichtungen führt, die nach dem Modell der Marktimitation unerwünscht sind. Der Anreizgedanke wurde somit nicht als eine selbständige Grundlage der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB eingeführt, die unabhängig von dem Eingreifen einer entsprechenden Duldungspflicht und der damit verbundenen primären Funktion des Aufopferungsausgleichs stehen könnte. Da die Fälle eines faktischen Duldungszwangs insoweit aber wie dargelegt nicht teleologisch vergleichbar sind, kann die Analogie somit auch nicht auf den Gedanken der Verhaltenslenkung durch Ersatzansprüche gestützt werden, der bei der Eigentumsaufopferung nur akzessorisch eingreift.441 Eine andere Auffassung, nach der die Aufopferungsansprüche ausschließlich als Verhaltensanreize für den Schädiger fungieren, würde zwar im utilitaristischen Sinne eine effiziente Ressourcenallokation befördern, weil ein Eingriff aufgrund der unbedingten Schadensfolge bei rationalem Verhalten dann nur vorgenommen wird, wenn der Eingriffsgewinn des Störers den Eingriffsverlust des Eigentümers übersteigt und weil es dem Rechtsanwender zudem erspart bliebe, anhand einer wohlfahrtsorientierten Interpretation des Fahrlässigkeitsbegriffs in § 823 Abs. 1 BGB442 im Einzelfall zu ermitteln, ob ein solcher „Mehrertrag“ vorliegt.443 Daß dieser Gedanke einer effizienzsteigernden Haftung für rein objektiv zurechenbare Schädigungen im geltenden Recht nicht haltbar ist, folgt aber bereits aus dem Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung bzw. der grundsätzlichen Geltung des Verschuldensprinzips.444
3. Ergebnis Die Konstellationen eines faktischen Duldungszwangs stimmen teleologisch nicht mit dem hier entwickelten Grundgedanken der §§ 904 Satz 2, 441 Allgemein dazu, daß der Nebenzweck eines Ersatzanspruchs diesen nur in Verbindung mit dem Hauptzweck zu tragen vermag, Dreier, Kompensation, S. 147 ff. 442 Eine solche Interpretation stellt insbesondere die Learned Hand-Formel dar; siehe oben in Fn. 213. 443 Vgl. Rohe, AcP 201 (2001), 117 (140), der eine solche Deutung von Aufopferungsansprüchen in Erwägung zieht. 444 Binder, VersR 2003, 1226 (1229).
258
D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
906 Abs. 2 Satz 2 BGB überein, insbesondere der Eingliederung dieser Aufopferungsansprüche in das Schema eines verhältnismäßigen Interessenausgleichs vor dem Hintergrund eines hypothetischen Vertrags. Eine entsprechende Analogie ist somit nicht gerechtfertigt.
V. Exkurs: Der enteignende und enteignungsgleiche Eingriff Eingangs der Untersuchung wurde dargelegt, daß die hier abgelehnte Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog auf rechtswidrige Schädigungen erstreckt, in einer entsprechenden Ausdehnung des Aufopferungsgedankens im öffentlichen Recht wurzelt.445 Zum Abschluß ist daher eine kurze Betrachtung geboten, die das hier gewonnene Ergebnis in Beziehung zu der öffentlich-rechtlichen Doktrin setzt. Nach ganz h. M. besteht für solche rechtswidrigen Eingriffe des Staats in verfassungsrechtlich geschützte Eigentumspositionen ein verschuldensunabhängiger Anspruch auf eine Entschädigung nach enteignungsrechtlichen Grundsätzen, die der Grundrechtsinhaber nicht in zumutbarer Weise durch Inanspruchnahme von Rechtsschutz abwehren kann. Als Rechtsgrundlage hierfür wird das Aufopferungsprinzip angesehen, wie es ausgehend von § 75 EinlPrALR seine richterrechtliche Ausgestaltung erfahren hat.446 Hierbei spricht man von einem enteignenden Eingriff, sofern der handelnden staatlichen Stelle kein Verhaltensunrecht vorgeworfen werden kann, aber gegenüber der betreffenden Beeinträchtigung auch keine Duldungspflicht besteht.447 Das ist beispielsweise gegeben, wenn eine ordnungsgemäß betriebene Kläranlage unvorhersehbar zu atypischen Geruchsbelästigungen bei einzelnen Nachbarn führt, die selbst durch den öffentlichen Zweck der Anlage nicht zu rechtfertigen sind.448 Ein enteignungsgleicher Eingriff liegt demgegenüber vor, wenn der Staat bei dem Eingriff gegen bestimmte Schutznormen verstoßen hat, die zugunsten des Eigentümer bestehen, ohne daß dieses Verhaltensunrecht schuldhaft begangen worden sein muß. Das 445
Siehe B. I. 1. a) cc). BGHZ 90, 17 (29 ff.); 91, 20 (26 ff.); 102, 350 (357); 111, 349 (353); 122, 76 (77 f.); BVerfG, NJW 1992, 36 (37); BK/Kimminich, Art. 14 Rdnr. 238 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 224 ff.; ders., NJW 1983, 1 (5); Schenke, NJW 1991, 1777 (1778 f.); Maunz/Dürig/Papier, Art. 14 Rdnr. 722 ff.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Rdnr. 430. 447 „Rechtmäßiges Handeln mit rechtswidrigen (Neben-)Folgen“: Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 272 f.; Schmitt-Kammler, NJW 1990, 2515 (2519). 448 BGHZ 91, 20 ff. 446
V. Exkurs: Der enteignende und enteignungsgleiche Eingriff
259
trifft etwa auf die behördliche Untersagung des Abbaus von Bodenschätzen zu, der nach den einschlägigen Vorschriften zulässig ist.449 In beiden Fällen wird somit der Aufopferungsgedanke auf Beeinträchtigungen angewendet, die nicht kraft einer Aufopferungspflicht durch den Eigentümer zu dulden waren. Gleichwohl sieht es die h. M. als unangemessen an, den Betroffenen auf einen verschuldensabhängigen Staatshaftungsanspruch nach § 839 BGB i. V. mit Art. 34 GG zu verweisen. Diese Lösung weicht von der hier für das Privatrecht vertretenen Auffassung ab, nach der die Eigentumsaufopferung eine im Sinne des § 1004 Abs. 2 BGB rechtmäßige Beeinträchtigung voraussetzt. Aber auch für das öffentliche Recht wird in zunehmendem Maße vertreten, daß es sich bei dem enteignenden und dem enteignungsgleichen Eingriff um Fragen der staatlichen Unrechtshaftung handelt, die bei dem Aufopferungsprinzip dogmatisch fehlerhaft verortet sind.450 Vor dem Naßauskiesungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts hatte die h. M. die in Rede stehenden Konstellationen gleich einer Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG behandelt.451 Wenn aus dieser Norm eine Entschädigungspflicht für dem Eigentümer rechtmäßig auferlegte Sonderopfer folge, müsse dies erst recht auch für rechtswidrige Maßnahmen gelten. Seit das Bundesverfassungsgericht diesen Weg versperrt und den Anwendungsbereich der Enteignungsentschädigung auf einen rechtmäßigen Entzug konkret-individueller Rechtspositionen begrenzt hat,452 weicht insbesondere der für öffentlich-rechtliche Entschädigungen zuständige Bundesgerichtshof (siehe § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) auf den allgemeinen aufopferungsrechtlichen Anknüpfungspunkt aus. Dies überzeugt bereits deshalb wenig, weil es sich bei der Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG lediglich um einen Sonderfall des Aufopferungsprinzips handelt, d.h. im Bereich des Verfassungsrechts um eine Duldungspflicht des Grundrechtsinhabers zugunsten der Allgemeinheit.453 Und gerade in den Vorschriften der §§ 74, 75 EinlPrALR, auf die sich die h. M. bis zum heutigen Tage beruft, kommt zum Ausdruck, daß die Aufopferung einen Entzug an sich bestehender subjektiver öffentlicher Rechte zur Voraussetzung hat, der vorbehaltlich der Gewährung einer Entschädigung rechtmäßig ist.454 Genausowenig wie faktische Duldungszwänge im Privatrecht dem Modell einer legitimen Marktimitation ent449
BGHZ 90, 17 ff. Vor allem Schmidt-Kammler, Festschrift Wolf, S. 595 (609 ff.); ders., NJW 1990, 2515 (2516 ff.); ders., JuS 1995, 473 (474 ff.); auch Dürig, JZ 1955, 521 (524); Konzen, Aufopferung, S. 96 ff.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 239 ff.; A. Schmidt, Ausgleichsanspruch, S. 174 ff.; Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 23 ff. 451 Hierzu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 215 f. 452 BVerfGE 58, 300 (330 f.); in der Folge auch BVerfGE 70, 191 (199 f.); 71, 137 (143); 72, 66 (76); 74, 264 (281); 79, 174 (191); 83, 201 (211 f.). 453 Rozek, Eigentumsbindung, S. 241; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (479). 450
260
D. Die teleologische Grundlage der zivilrechtlichen Eigentumsaufopferung
sprechen, liegen rechtswidrige Eigentumseingriffe aus publizistischer Sicht im öffentlichen Interesse oder werden durch die Gewährung einer Entschädigung verhältnismäßig.455 Es geht nicht um einen primären Wertschutz als Ausgleich für versagten Bestandsschutz, sondern einen sekundären Wertschutz wegen einer Mißachtung verfassungsrechtlicher Eigentumspositionen. Die Konstellationen des enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffs sind vielmehr in anderen Bereichen des staatlichen Ersatzsystems anzusiedeln. Nach allgemeiner Meinung hat der Staat fortbestehende Beeinträchtigungen, die der Eigentümer rechtlich nicht dulden muß, unabhängig von Verschulden und Handlungsunrecht zu beseitigen.456 Dieser sogenannte Folgenbeseitigungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus dem status negativus des Eigentumsrechts gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und entspricht der zivilrechtlichen Vorschrift des § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB.457 Auch seine Rechtsfolge muß daher gegenüber Schadensersatzansprüchen abgegrenzt werden. Das Entschädigungsproblem betrifft hingegen Einbußen, die zwar aus einer Eigentumsbeeinträchtigung resultieren, aber über eine solche hinausgehen. Aus dogmatischer Sicht muß dabei zwischen dem enteignenden und dem enteignungsgleichen Eingriff unterschieden werden. Bei dem enteignenden Eingriff liegen rechtswidrige Beeinträchtigungen vor, die aus einem erlaubten „gefährlichen“ Verhalten des Staats resultieren. Es geht mithin um den Gedanken einer staatlichen Gefährdungshaftung.458 Bei enteignungsgleichen Eingriffen steht ein rechtswidriges Verhalten der öffentlichen Stelle in Rede, das aber schuldlos sein kann. Dies betrifft die Voraussetzungen der deliktischen Unrechtshaftung des Staats.459 Durch die verfehlte aufopferungsrechtliche Einkleidung dieser Konstellationen werden somit die eigentlichen haftungssystematischen Fragen umgangen: Kann es im geltenden Recht eine Gefährdungshaftung der öffentlichen Hand geben, ohne daß ein entsprechend enumerierter Haftungstatbestand existiert (enteignender Eingriff)? Und ist es trotz des Verschuldenserfordernisses der Amtshaftung in § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB de lege lata möglich, den Staat für Verhaltens454 So auch die ursprüngliche Sicht der öffentlich-rechtlichen Literatur: Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 18 I, S. 356; Schulze-Osterloh, Eigentumsopferentschädigung, S. 94 ff.; Stödter, Entschädigung, S. 19 und 45 f. jeweils m. w. N. 455 Konzen, Aufopferung, S. 96 f.; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (477). 456 BVerwGE 82, 76 (95); 94, 100 (103); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 286 ff.; Rozek, Eigentumsbindung, S. 241; Schoch, VerwArch 79 (1988), 1 (42 f.). 457 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 293 ff. m. w. N. auch zu abweichenden Begründungen. 458 Konzen, Aufopferung, S. 98 ff.; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (478 f.). 459 Konzen, Aufopferung, S. 97 f.; Schmitt-Kammler, JuS 1995, 473 (479).
V. Exkurs: Der enteignende und enteignungsgleiche Eingriff
261
unrecht, das Grundrechte beeinträchtigt, ohne Rücksicht auf Verschulden haftbar zu machen (enteignungsgleicher Eingriff)? Es gibt Argumente, die für eine Bejahung dieser Fragen sprechen. Das Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung mag im öffentlichen Recht beispielsweise entbehrlich sein, weil der Staat gegenüber seinen Bürgern eine einseitig-zwingende Regelungs- und Handlungsbefugnis in Anspruch nimmt, die zu einer flächendeckenden Gefahr von Exzeßhandlungen führt, welche nur im Verbund mit einer unbedingten Haftungsfolge angemessen sein könnte. Und in bezug auf das Handlungsunrecht ließe sich vertreten, daß der Schutz privatautonomer Entfaltungsfreiheit, der mit dem deliktischen Verschuldenserfordernis bezweckt wird, auf der Seite des Staats als funktionellem Zweckgebilde nicht in Rede steht. Es drängen sich aber auch Gegengründe auf. Dies betrifft beispielsweise positivrechtliche Festlegungen wie das Verschuldenskriterium in § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB oder das Bedürfnis, staatliche Tätigkeit unter funktionalen Gesichtspunkten nicht durch übermäßige Haftungsfolgen zu lähmen. Diese privatrechtliche Untersuchung ist nicht der Platz, die öffentlichrechtliche Problematik der Entschädigung für nicht duldungspflichtige Eingriffe im einzelnen aufzuarbeiten.460 Es genügt festzuhalten, daß es sich auch dabei richtigerweise nicht um eine Frage der Eigentumsaufopferung handelt.
460 Hierzu jüngst aus verfassungsrechtlicher Sicht ausführlich Röder, Haftungsfunktion, S. 150 ff. m. w. N.
E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 1. Die analoge Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge durch die h. M. erschöpft sich nicht in der Gleichstellung ganz spezifischer Sachverhalte, sondern ist jeweils Ausdruck eines bestimmten Grundverständnisses des Prinzips der Eigentumsaufopferung, das diesen Normen zugrunde liegt. Daher darf sich eine angemessene Behandlung des Problems nicht auf eine rein fallgruppenbezogene Analyse beschränken, sondern muß die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB als Konkretisierungen des Grundgedankens der Eigentumsaufopferung und Teil des Gesamtsystems außervertraglicher Haftung beleuchten.1 2. Teile der h. M. deuten die privatrechtliche Aufopferungshaftung als eine Form der Eingriffshaftung und begründen hiermit die Erstreckung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge. Dabei kann zwischen einem erfolgsbezogenen und einem willensbezogenen Eingriffsverständnis unterschieden werden: a) Das erfolgsbezogene Eingriffsverständnis leitet das Haftungssubstrat aus einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentums ab und liegt insbesondere der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde. Einen Aufopferungsanspruch auf diese Grundlage zu stellen, droht jedoch, das deliktische Verschuldenserfordernis und spiegelbildlich die begrenzte Rechtsfolge des Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB zu unterlaufen, die keinen Schadensersatz umfaßt.2 Diese Friktion wird auch nicht durch die einschränkenden Kriterien vermieden, von welchen die Vertreter dieser Theorie die Aufopferungshaftung für rechtswidrige Beeinträchtigungen abhängig machen wollen: aa) Insbesondere trägt es der begrenzten Rechtsfolge des negatorischen Beseitigungsanspruchs und der grundsätzlichen Geltung des Verschuldensprinzips als Voraussetzung einer Schadensersatzhaftung (§ 823 Abs. 1 BGB) nicht hinreichend Rechnung, daß die rechtswidrige Beeinträchtigung faktisch nicht in zumutbarer Weise abwehrbar gewesen sein muß, um den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog zu unterfallen. Dies ergibt sich vor allem mittelbar aus der Vorschrift des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB, 1 2
Abschnitt B. Abschnitt C. I. 1. a).
E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
263
nach der ein bestehender Schadensersatzanspruch zu kürzen ist, soweit der Geschädigte die Einbuße mit zumutbaren Mitteln abwenden konnte. Deshalb kann die mangelnde Vermeidbarkeit eines Schadenseintritts durch den Geschädigten lediglich einen bereits begründeten Ersatzanspruch unberührt lassen, nicht aber selbst eine hinreichende Haftungsgrundlage bilden.3 bb) Die haftungssystematischen Widersprüche werden auch nicht dadurch vermieden, daß die Aufopferungshaftung auf solche faktische Duldungszwänge begrenzt wird, die „im Umfeld“ der Duldungspflichten aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB angesiedelt sind. Zum einen fehlt es an einem tragfähigen Kriterium dafür, wann sich eine nicht duldungspflichtige Einwirkung im Umfeld einer Duldungspflicht aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB bewegt, da sich die Strukturen dieser Tatbestände gerade erst aus den spezifischen Bedingungen der Duldungspflicht ergeben.4 Zum anderen trägt auch nicht der Gedanke, rechtswidrige Beeinträchtigungen stünden den duldungspflichtigen Einwirkungen unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichspflicht immer dann gleich, wenn durch das mögliche Eingreifen einer Duldungspflicht der Rechtsschutz des Betroffenen potentiell verkürzt wurde.5 Denn dieser Ansatz hilft erstens nicht weiter, wenn wie z. B. bei Grundstücksvertiefungen eine Beeinträchtigung Dritter entweder gänzlich ausbleibt oder stets rechtswidrig ist, d.h. nicht die Grenzen einer besonderen Duldungspflicht in Rede stehen. Zweitens vermag der Gedanke der potentiellen Rechtsschutzverkürzung den erweiterten Anwendungsbereich des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht überzeugend von einer unzulässigen Gefährdungshaftung contra legem abzugrenzen. b) Nach dem willensbezogenen Eingriffsgedanken können die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB immer dann analog auf faktische Duldungszwänge angewendet werden, wenn der betreffende Eingriff vorsätzlich erfolgt ist. In Abgrenzung zum Deliktsrecht werden von dieser Auffassung daher insbesondere die Fälle abgedeckt, in denen der Eingreifende schuldlos-irrig die Voraussetzungen der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB als gegeben annimmt. aa) Von einer Strömung in der Literatur wird diese unbedingte Haftung für vorsätzliche Eingriffe als Annex eines allgemeinen privatrechtlichen Abwägungsprinzips entwickelt, nach dem ein Eingriff in Eigentumsrechte immer dann geduldet werden muß, wenn er höherrangigen Interessen eines anderen dient. Diese Sichtweise steht aber im Widerspruch zur Eigentumskonzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs, nach der das Eigentum ein abso3 4 5
Abschnitt C. I. 1. b) aa) (1). Abschnitt C. I. 1. b) bb) (1). Abschnitt C. I. 1. b) bb) (2).
264
E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
lutes Ausschlußrecht darstellt und nur einzelnen, typisierten Duldungspflichten unterliegen darf.6 bb) Dem Gesetz läßt sich auch keine Risikozuweisung dergestalt entnehmen, daß ein Eingreifer immer dann verschuldensunabhängig haften muß, wenn er irrtümlich die Voraussetzungen einer Eingriffsbefugnis aus den §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB annimmt. Dieses Ergebnis folgt unter anderem aus dem begrenzten Anwendungsbereich des § 231 BGB (unbedingte Haftung für irrtümliche Selbsthilfe) und den tatbestandlichen Voraussetzungen einer verschuldensunabhängigen Übernahmehaftung (§ 678 BGB) bei angemaßter Eigengeschäftsführung im Sinne des § 687 Abs. 2 Satz 1 BGB.7 3. Die Einbeziehung faktischer Duldungszwänge in die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB läßt sich auch nicht mit dem Gedanken begründen, diese Normen glichen eine Vorteilsziehung auf Kosten des betroffenen Eigentümers aus, die auch bei rechtswidrigen Eingriffen vorliegen könne. a) Soweit aus dem faktischen Duldungszwang ein konkreter Vermögensvorteil eines Dritten resultiert, schuldet der Dritte dem Betroffenen bereits nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 und 3 BGB ein übliches Nutzungsentgelt bis zur Grenze seiner Vorteilsziehung. Für eine parallele Analogie zu den Aufopferungsvorschriften besteht dann weder ein Bedürfnis noch Raum. Fehlt es hingegen an einem solchen konkreten Vermögensvorteil, widerspricht eine auf den Begünstigungsgedanken gestützte Anwendung der Aufopferungsansprüche der Wertung des § 818 Abs. 3 BGB, nach der rechtsgrundlose Eingriffe als solche nur bis zur Grenze einer konkreten Vorteilserlangung zum Ausgleich verpflichten. Anderes gilt nach dem Gedanken einer Quasi-Vertragskondiktion, wenn der Eingreifer bösgläubig im Sinne des § 819 Abs. 1 BGB war.8 b) Diese Sichtweise ist auch mit dem Umstand vereinbar, daß im direkten Anwendungsbereich der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (d.h. bei gegebener Duldungspflicht) ein Ausgleichsanspruch unabhängig davon besteht, ob der Eingreifer durch seinen Eingriff einen konkreten Vermögensvorteil erlangt hat. Denn diese bereicherungsunabhängige Ausgleichshaftung beruht auf dem Prinzip „casum sentit dominus“: Wer aufgrund überwiegender Interessen in fremde Rechte eingreifen darf, ist für die finanziellen Folgen unbedingt zuständig. Dieser Gedanke kann in Abgrenzung zu § 818 Abs. 3 BGB aber nicht auf rechtswidrig-rechtsgrundlose Störungen übertragen werden.9 6 7 8
Abschnitt C. I. 2. a). Abschnitt C. I. 2. b). Abschnitt C. II. 1.
E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
265
c) Das gilt richtigerweise auch dann, wenn der Eingreifende schuldlosirrtümlich eine Eingriffsbefugnis im Sinne der §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB angenommen hat. Eine unangemessene Privilegierung des Störers wird in diesen Fällen durch die negatorische Beseitigungshaftung aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB und den Bereicherungsausgleich gemäß den §§ 812 ff. BGB verhindert.10 d) Schließlich treten durch eine analoge Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf faktische Duldungszwänge nach dem Begünstigungsgedanken haftungssystematische Widersprüche insbesondere dann auf, wenn der rechtswidrige Eingriff zugunsten eines Dritten erfolgt. Hier stehen einer unbedingten Haftung des Dritten die einschränkenden Voraussetzungen einer Geschäftsführerhaftung nach den §§ 670, 683 Satz 1 BGB bzw. einer Zurechnung gemäß den §§ 278, 831 BGB entgegen.11 Dies betrifft insbesondere die zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB entschiedenen Fälle, in denen ein Bauherr analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB für Schädigungen Dritter durch selbständige Bauausführende haften soll. 4. Die Einbeziehung faktischer Duldungszwänge in die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB erzeugt auch Widersprüche zu den Grundsätzen der Gefährdungshaftung.12 Dies gilt auf abstrakter Ebene für das Enumerationsprinzip der Gefährdungshaftung und läßt sich konkret an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog nachweisen, deren Versuch einer schlüssigen Abgrenzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs für faktische Duldungszwänge von einzelnen Tatbeständen der Gefährdungshaftung scheitert. 5. Wenn die Deutung der privatrechtlichen Ansprüche aus Eigentumsaufopferung als eine Form der Eingriffs-, der Begünstigungs- oder der Gefährdungshaftung somit zu systematischen Unstimmigkeiten führt, muß dem Regelungsgefüge aus Duldungspflicht und Ausgleichsanspruch ein anderer Grundgedanke innewohnen. Erst dessen Herausarbeitung ermöglicht ein abschließendes Urteil über die Analogiefähigkeit der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in den Fällen eines faktischen Duldungszwangs. 6. Aufopferungspflichten wie die §§ 904 Satz 1, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB rechtfertigen sich nicht aus verfassungsrechtlichen Vorgaben,13 sondern der Idee der Marktimitation:14 Die Rechtsordnung gewährt mit ihnen ein Ein9
Abschnitt C. II. 2. a). Abschnitt C. II. 2. b). 11 Abschnitt C. II. 3. 12 Abschnitt C. III. 13 Abschnitt D. I. 2. 14 Abschnitt D. II. 10
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griffsrecht, das die Beteiligten unter optimalen Marktbedingungen wahrscheinlich vertraglich vereinbart hätten. Einer solchen Vereinbarung stehen jedoch prohibitive Transaktionskosten entgegen. Auch die Notstandsbefugnis sowie die Freiheit zur Vornahme wesentlicher ortsüblicher Immissionen, die nicht mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar sind, resultieren daher nicht aus einer rein objektiven Wertentscheidung des Gesetzgebers, sondern – in Fortschreibung des den Instituten der ergänzenden Vertragsauslegung und der mutmaßlichen Einwilligung zugrunde liegenden Gedankens – aus einem Anknüpfen an den hypothetischen Parteiwillen. 7. Vor diesem Hintergrund kommen den Aufopferungsansprüchen als Ausgleich für Eingriffsbefugnisse zwei Funktionen zu: a) Das Modell der Marktimitation ist, soweit es im Einklang mit der bürgerlichrechtlichen Eigentumsordnung steht, kein Kriterium der originären Zuteilung von Eigentumsrechten, sondern geht immer schon von den Ausschlußrechten aus, die grundsätzlich aus § 1004 Abs. 1 BGB folgen.15 Diese nur an sich, nicht aber im Ergebnis bestehenden negatorischen Rechte können entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch sinnhaltig von den ursprünglichen tatbestandlichen Grenzen der Ausschlußbefugnis nach § 1004 Abs. 1 BGB unterschieden werden.16 Mit dem Aufopferungsanspruch werden folglich diese an sich bestehenden Eigentümerrechte in Form eines hypothetischen Kaufpreises anerkannt, der geboten ist, weil sich das überwiegende Interesse des Eingriffsbefugten in Fällen wie den §§ 904, 906 Abs. 2 BGB nur auf die Einwirkungsfreiheit als solche bezieht, nicht aber die Verteilung der vermögensmäßigen Folgen des Eingriffs.17 Die Gewährung des Ausgleichs ist daher bereits ein Gebot des verfassungsrechtlich abgesicherten Prinzips, daß Eingriffe in durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Positionen auf das erforderliche Maß zu begrenzen sind. In diesem Sinne folgt die Verhältnismäßigkeit der Aufopferungspflichten erst aus dem korrespondierenden Aufopferungsanspruch. b) Daneben bewirkt die Leistung eines finanziellen Ausgleichs für die Eingriffe, daß die Aufopferungspflichten im Einzelfall nicht in ineffizienter Weise ausgenutzt werden.18 Während die Ausgleichspflicht aus Sicht des Eingreifenden einen Kontrollmechanismus für das Überwiegen seines Eingriffsinteresses darstellt, dient sie aus der Perspektive des Duldungspflichtigen als Anreiz, sinnvolle Investitionen in sein Eigentum nicht aus Furcht vor ausgleichslosen Eingriffen zu unterlassen. 15 16 17 18
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
D. D. D. D.
III. III. III. III.
1. a). 1. c). 1. d). 2.
E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
267
8. Die positivrechtliche Ausgestaltung der Ausgleichsansprüche nach den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB fügt sich in die Funktionen ein, die der Aufopferungsanspruch nach dem Modell der Marktimitation übernimmt. a) Die einschränkenden Voraussetzungen des Anspruchs aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB (wesentliche und unzumutbare Beeinträchtigung einer ortsüblichen Nutzung) sind richtigerweise nicht als Ausdruck einer allgemeinen Billigkeitsabwägung anzusehen, sondern stellen sicher, daß ein Aufopferungsanspruch nur für solche Einbußen gewährt wird, die auf dem Entzug an sich gegebener Ausschlußrechte beruhen.19 b) Im Einklang mit dem Modell der Marktimitation haftet aus den §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB jeweils der Begünstigte und nicht notwendig der Eingreifer.20 c) Unter dem Aspekt des Ausgleichsumfangs gebietet die Idee der Marktimitation eine größtmögliche Anlehnung an den hypothetischen Vertragspreis, den die Parteien unter optimalen Marktbedingungen für eine vertragliche Gestattung des Eingriffs wahrscheinlich vereinbart hätten. Der gesetzliche Ausgleichsmechanismus kann diesen Preis jedoch niemals genau abbilden. Vor diesem Hintergrund ist weder die Anordnung eines Schadensersatzes (§ 904 Satz 2 BGB) noch eines angemessenen Ausgleichs (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) eindeutig vorzuziehen, so daß insoweit ein gesetzgeberischer Ermessensspielraum besteht, der mit dem Gedanken der Marktimitation vereinbar ist.21 9. Die Funktion, welche die §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB im Modell der Marktimitation primär übernehmen, nämlich für einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Interessen des Eingreifers und des Betroffenen in der Form eines hypothetischen Kaufpreises zu sorgen, ist in den Fällen faktischer Duldungszwänge nicht erfüllt. Vielmehr bleibt eine rechtswidrige Beeinträchtigung, die auch unter optimalen Marktbedingungen vermutlich nicht gestattet worden wäre, selbst bei einem nachfolgenden Geldausgleich als solche unzumutbar, so daß es nicht um die Imitation des Ergebnisses perfekter Märkte geht und sich die Ausgleichsvoraussetzungen an anderen Kriterien orientieren müssen als bei bestehenden Aufopferungspflichten. Diese Kriterien geben die Institute des Deliktsrechts, der Gefährdungshaftung und des Bereicherungsrechts vor. Für eine analoge Anwendung der §§ 904 Satz 2, 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bleibt daneben kein Raum.22 19 20 21 22
Abschnitt Abschnitt Abschnitt Abschnitt
D. D. D. D.
III. 3. a) bb). III. 3. b). III. 3. c). IV.
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E. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
10. Diese einschränkende Sichtweise führt nicht zwangsläufig zu einer Divergenz zwischen dem Anwendungsbereich der privatrechtlichen Eigentumsaufopferung als Grundlage der §§ 904, 906 Abs. 2 BGB und dem öffentlich-rechtlichen Begriff der Eigentumsaufopferung. Zwar werden in letzteren von der h. M. auch nicht duldungspflichtige Einwirkungen einbezogen (enteignender und enteignungsgleicher Eingriff). Hiergegen wird aber zutreffend vorgebracht, daß es sich dabei nicht um Aufopferungsfragen, sondern das Problem einer allgemeinen staatlichen Haftung für Verhaltensunrecht bzw. für besondere Gefährdungen handelt.23
23
Abschnitt D. V.
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Sachwortverzeichnis Affektionsinteressen 162, 246 f. Akkordstörung 175 f. angemaßte Eigengeschäftsführung 86 f. Anreizwirkung von Aufopferungsansprüchen 210 ff. – für den Eingriffsbefugten 210 ff. – für den Duldungspflichtigen 212 ff. argumentum a fortiori – siehe Erst-recht-Schluß Aufopferungshaftung passim – Anspruchsverpflichteter 236 ff. – Begriff 17 ff. – Grundgedanke 24 ff., 54 ff., 130 ff. – Haftungsumfang 240 ff. Auktions-Entscheidungsregel 186 f. Begünstigtenhaftung 47 f., 51 f., 89 ff. Behavioral Law and Economics 191 f. Bereicherungsrecht 93 ff. – Eingriffskondiktion 93, 114, 252 f. – Entreicherung 93 ff., 103, 114, 252 – Quasi-Vertragskondiktion 96 f. – Nutzungsentschädigung 94 ff. Beweislast 66 ff. – hinsichtlich einer Duldungspflicht 67 f. – hinsichtlich des Verschuldens 68 Billigkeitshaftung 19, 28, 55, 197, 220 f., 224, 227 ff. casum sentit dominus 63, 98 f., 188 Fn. 213 cheapest cost avoider 155, 188 Fn. 213 Coase-Theorem 145 ff.
Cost-Benefit-Analysis – siehe Kosten-Nutzen-Analyse Daseinsvorsorge 139 Deliktshaftung 36 ff., 62 ff. Dreieckskonstellationen 103 ff. Duldungspflicht 24 ff., 71 ff., 153 ff., 220 ff. Effizienz 143 ff., 208 ff. Eigentumsaufopferung – siehe Aufopferungshaftung Eigentumsbeeinträchtigung 57 ff. Eigentumsbegriff 131 ff. Eigentumserwerb 203 ff. – gesetzlicher 204 f. – gutgläubiger 204 f. Eigentumsstörung – siehe Eigentumsbeeinträchtigung Eingriffsbefugnis – siehe Duldungspflicht Eingriffshaftung 54 ff. – erfolgsbezogen 55 ff. – willensbezogen 79 ff. enteignender Eingriff 258 ff. Enteignung 29, 258 ff. enteignungsgleicher Eingriff 29 f., 258 ff. Erforderlichkeitsprinzip 199 ff. ergänzende Vertragsauslegung 164 ff. Erst-recht-Schluß 43 f., 50, 80, 126 f., 255 f. Ertragsbeeinträchtigung 228 Externalitäten 150 ff., 230 f. externe Effekte – siehe Externalitäten
Sachwortverzeichnis faktischer Duldungszwang 19 ff., passim Folgenbeseitigungsanspruch 260 Fremdgeschäftsführung 238 f. Gefährdungshaftung 46 f., 76 ff., 107 ff. – Enumerationsprinzip 36, 75 ff., 114 ff. – Grundgedanke 115 ff. – Versicherbarkeit 116 Gefangenendilemma 156 ff., 174 gemeinwichtige Betriebe 25, 135 Gesellschaftsvertrag 147 Grenzüberbau 17, 23, 75 f., 243 Grundrechte 133 ff. – mittelbare Drittwirkung 133 ff. – Leistungsrechte 139 f. – Schutzfunktion 136 ff. Handlungsstörung 57 ff., 73 ff. Haverei 17, 80 hypothetischer Vertrag – siehe Marktimitation Immanenztheorie 193 Immissionen passim – Ortsüblichkeit 220 ff. – Vermeidbarkeit 225 ff. – Zumutbarkeit 227 ff. Informationsdefizite 160 ff., 209 f. Interessenabwägung – als allgemeines Prinzip 79 ff. interpersonaler Nutzenvergleich 209 f. Irrtum über Eingriffsbefugnisse 100 ff. Kaldor-Hicks-Test 155 f., 185, 188 Fn. 213, 210 Kosten-Nutzen-Analyse 154 ff., 160 ff., 176 ff. latente Grundgefahr 109 liability rules 187
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market mimicking – siehe Marktimitation Marktimitation 141 ff. Marktversagen 149 ff. Mitverschulden – Begrenzung durch Zumutbarkeit 65 – und Aufopferungsansprüche 213 f., 234 ff. Monopolstellung 171 ff., 175 f. mutmaßliche Einwilligung 166 ff. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch 19, 25 ff., 220 ff. nachbarrechtliches Gemeinschaftsverhältnis 19, 82 f., 106 f., 220 ff. negatorische Ansprüche 57 ff., 62 ff. Notlanderecht 80 Notstand – aggressiver 17, 48 ff., 100 ff., 104 f., 171 ff., 180 ff., 237 ff. – defensiver 18, 205 ff. Notweg 17, 23, 243 Notwehr 18, 205 ff. Nutzungskonflikte – vorhersehbare 231 ff. Ökonomische Analyse der Eigentumsaufopferung 141 ff. Opportunitätskosten 152, 247 f. Organisationsverantwortlichkeit 77 Pareto-Kriterium 155 f., 209 potentielle Rechtsschutzverkürzung 46 f., 73 ff. Präferenzen 143 ff. Preismechanismus 159 f. Prioritätsgedanke 231 ff. Privatautonomie – siehe Vertragsfreiheit property rules 187 Property-Rights-Approach 143 ff. Rechtssphärenüberlagerung – siehe Rechtsusurpation
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Sachwortverzeichnis
Rechtsusurpation 58 f. Richtigkeitsgewähr privatautonomen Verhaltens 84, 164, 166, 172 Risikozuweisung – als Grundlage verschuldensunabhängiger Haftung 85 ff. römisches Nachbarrecht 125 ff. – actio legis Aquiliae 127 – cautio damni infecti 125 ff. – cautio de praeterito damno 125 ff. Schadensersatz 240 ff. Sonderopfer 18 ff., 24 ff., 249 ff. Sonderrechtsbeziehungen 38 ff. Sozialbindung des Eigentums 134 ff. Staatshaftung 28 ff., 258 ff. status quo bias 191 f. Störerbegriff 32 f., 57 ff. strategische Transaktionskosten 174 ff. subjektive Werttheorie 163 Subsidiarität – des Aufopferungsanspruchs 36 ff. Teleologie der Eigentumsaufopferung 130 ff. Transaktionskosten 150 ff., 171 ff. Typisierung von Aufopferungspflichten 81 ff., 160 ff. Umfang des Aufopferungsanspruchs 240 ff. Umweltschutz 108 ff.
Unfallschäden 32 f., 46 ff., 119 ff., 253 – Kabelbrände 34, 119 ff. – Wasserrohrbrüche 32 ff., 119 ff. Unzumutbarkeit 24 ff., 227 ff., 249 ff. Verantwortungsgedanke 205 ff. Verhältnismäßigkeit 199 ff. Verkehrswertentschädigung 240 ff. Verschuldensprinzip 57 ff., 62 ff. Versicherungsgedanke 141 ff. Vertiefungsschäden 26 ff., 106 f., 253 f. Vertragsfreiheit 84 f., 143 ff., 160 ff. Vertrauenshaftung – Verhältnis zur Aufopferungshaftung 69 f. Vorteilsausgleichung 230 f. Vorteilsziehung – siehe Begünstigtenhaftung Wohlfahrtseffekte 190 f. Wohlfahrtssteigerung – siehe Kosten-Nutzen-Analyse Zumutbarkeit – siehe Unzumutbarkeit Zurechnung von Drittverhalten – als Haftungsvoraussetzung 103 ff. Zustandsstörung 57 ff., 73 ff.