Zeichenhafte Wirklichkeit: Realitat ALS Ausdruck Der Kommunikativen Prasenz Gottes in Der Theologie George Berkeleys 9783161507939, 3161507932

English summary: George Berkeley (1685-1753) is often seen as an exotic, since his thinking leads to a strict immaterial

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Table of contents :
Cover
Danksagung
Inhaltsverzeichnis
Siglen
Einleitung Das Vorhaben einer theologischen Interpretation von Berkeley
Kapitel 1 Ontologie und Epistemologie: esse est percipi
A. Der Fahrplan
B. Das Prinzip
I. Realität und Ideen
1. Annäherung an den Begriff Idee
2. Dinge als Ideenbündel
3. Abstrakte Ideen
C. Immaterialismus
I. Eine Herausforderung
II. Weisen der Perzeption
III. Kritik des Begriffes Materie
1. Der Irrglaube
2. Berkeleys Widerlegung
D. Ergebnissicherung
Kapitel 2 Die Existenz des christlichen Gottes
A. Hinführung
B. Der Gottesbeweis
I. Kontinuitätsargument: Gott als Erhalter der Welt
II. Kausalitätsargument: Gott als Ursache
III. Argument der visuellen Sprache: Gott als Sinnursprung
IV. Dialogargument: Gott als Gesprächspartner
V. Die Verknüpfung der Argumente
C. Die Eigenschaften Gottes
I. Gott als der Erhalter der Welt
II. Gott als einzige Wirkmacht
III. Gott als permanenter Gesprächspartner
D. Ergebnissicherung
Kapitel 3 Der finite Geist
A. Hinführung
B. Imago dei
C. Die Substanz des Geistes
D. Die Seinsweisen des Geistes
I. Denken
II. Wille
III. Exkurs: Freiheit finiter Geister
IV. Verstand
E. Aktivität und Passivität
F. Dynamische Identität
G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis
H. Die Unsterblichkeit der Seele
I. Ergebnissicherung
Kapitel 4 Gotteserkenntnis
A. Berkeleys theologische Philosophie
B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes
I. Der Weg über die Welt
II. Der Weg über das Selbst
III. Der Nexus der beiden Wege
C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)
D. Allgemeine und spezielle Offenbarung
E. Im Geist Gottes
F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie
G. Rekonstruktion der Trinitätslehre
H. Ergebnissicherung
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Register
Personenregister
Sachregister
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Zeichenhafte Wirklichkeit: Realitat ALS Ausdruck Der Kommunikativen Prasenz Gottes in Der Theologie George Berkeleys
 9783161507939, 3161507932

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Collegium Metaphysicum

Herausgeber / Editors

Thomas Buchheim (München) · Friedrich Hermanni (Tübingen) Axel Hutter (München) · Christoph Schwöbel (Tübingen) Beirat / Advisory Board

Johannes Brachtendorf (Tübingen) · Jens Halfwassen (Heidelberg) Johannes Hübner (Halle) · Anton Friedrich Koch (Heidelberg) Michael Moxter (Hamburg) · Friedrike Schick (Tübingen) Rolf Schönberger (Regensburg) · Eleonore Stump (St. Louis)

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Carmen Nols

Zeichenhafte Wirklichkeit Realität als Ausdruck der kommunikativen Präsenz Gottes in der Theologie George Berkeleys

Mohr Siebeck

Carmen Nols, geboren 1979; Bankausbildung; Studium der Philosophie, der evangelischen sowie katholischen Theologie in Heidelberg, Berlin, Jerusalem und Tübingen; 2010 Promotion; derzeit wissenschaftliche Referentin bei der Max-Planck-Gesellschaft in München.

e-ISBN PDF 978-3-16-151089-2 ISBN 978-3-16-150793-9 ISSN 2191-6683 (Collegium Metaphysicum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. Christoph Schwöbel bedanken, der mich bestärkt hat, meine eigenen Forschungshypothesen zu verfolgen und mir dabei sämtliche Freiheiten gelassen hat. Die Gespräche mit ihm waren immer äußerst fruchtbar und wichtige Marksteine auf dem weiteren Weg. Ohne seine Unterstützung wäre die Arbeit in dieser Form nicht entstanden. Weiterhin bin ich meinem langjährigen Kollegen Dr. Martin Wendte zutiefst dankbar. In unseren Diskussionen habe ich sehr viel gelernt und so manche Schwierigkeiten konnten als Scheinriesen entlarvt werden. Für das sorgfältige Lektorat ist meiner besten Freundin Sarah Konrad und für das schnelle Korrekturlesen meinem Kollegen Alexander Kupsch zu danken. Ich danke der Hanns-Seidel-Stiftung e.V., die mich während der Promotionszeit durch ein Stipendium förderte, wodurch ich die Arbeit zügig zu einem Abschluss bringen konnte. Der größte Dank, der sich nicht versprachlichen lässt, gilt Roman und Marlene. Ihnen sei dieses Buch gewidmet.

Inhaltsverzeichnis Danksagung .................................................................................................... V Siglen ............................................................................................................ IX

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation von Berkeley ............................................................................................... 1 1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie: esse est percipi ........... 14 A. Der Fahrplan ........................................................................................... 14 B. Das Prinzip ............................................................................................. 18 I. Realität und Ideen ............................................................................. 23 C. Immaterialismus ..................................................................................... 51 I. Eine Herausforderung ....................................................................... 51 II. Weisen der Perzeption ...................................................................... 53 III. Kritik des Begriffes Materie ............................................................. 64 D. Ergebnissicherung ................................................................................... 75

2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes ............................. 78 A. Hinführung ............................................................................................. 78 B. Der Gottesbeweis .................................................................................... 81 I. Kontinuitätsargument: Gott als Erhalter der Welt ............................ 88 II. Kausalitätsargument: Gott als Ursache ............................................. 93 III. Argument der visuellen Sprache: Gott als Sinnursprung ................. 99 IV. Dialogargument: Gott als Gesprächspartner .................................. 111 V. Die Verknüpfung der Argumente ................................................... 116 C. Die Eigenschaften Gottes ..................................................................... 119 I. Gott als der Erhalter der Welt ......................................................... 121 II. Gott als einzige Wirkmacht ............................................................ 123 III. Gott als permanenter Gesprächspartner .......................................... 130 D. Ergebnissicherung ................................................................................ 134

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Inhaltsverzeichnis

3. Kapitel: Der finite Geist .................................................................. 137 A. B. C. D.

E. F. G. H. I.

Hinführung ........................................................................................... Imago dei .............................................................................................. Die Substanz des Geistes ...................................................................... Die Seinsweisen des Geistes ................................................................ I. Denken ............................................................................................ II. Wille ............................................................................................... III. Exkurs: Freiheit finiter Geister ....................................................... IV. Verstand .......................................................................................... Aktivität und Passivität ......................................................................... Dynamische Identität ............................................................................ Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis ....................................... Die Unsterblichkeit der Seele ............................................................... Ergebnissicherung ................................................................................

137 143 147 155 158 160 163 167 172 177 185 198 207

4. Kapitel: Gotteserkenntnis ................................................................ 211 A. Berkeleys theologische Philosophie ..................................................... B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes ........................................................ I. Der Weg über die Welt ................................................................... II. Der Weg über das Selbst ................................................................ III. Der Nexus der beiden Wege ........................................................... C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason) ................... D. Allgemeine und spezielle Offenbarung ................................................ E. Im Geist Gottes ..................................................................................... F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie ........................ G. Rekonstruktion der Trinitätslehre ......................................................... H. Ergebnissicherung ................................................................................

211 215 215 218 223 229 243 254 262 268 276

Zusammenfassung ...................................................................... 278 Literaturverzeichnis .................................................................................... 285 Register ....................................................................................................... 299 Personenregister...................................................................................... 299 Sachregister............................................................................................. 301

Siglen Sämtliche Berkeley-Zitate entstammen der Luce-Jessop-Edition: The Works of George Berkeley, Bishop of Cloyne (9 Bände, 1948–1957). Mit Ausnahme der Dialogues between Hylas and Philonous sind die Schriften in nummerierte Sektionen bzw. Paragraphen unterteilt. Sofern nicht anders vermerkt, sind Hervorhebungen von den genannten Ausgaben übernommen. A

Alciphron; or the Minute Philosopher (Zitiert mit Dialognummer, Sektion und Seite)

BJC

Korrespondenz zwischen Berkeley und Johnson (1729–1730)

D

Three Dialogues between Hylas and Philonous (Zitation der Nummer des Dialogs und der Seitenzahl)

DM

De Motu

Essay

John Locke: An Essay Concerning Human Understanding, hg. von Peter H. Nidditch, Oxford 1979

Intro

Introduction zu A Treatise Concerning the Principles of Human Knowledge

NTV

An Essay Towards a New Theory of Vision

P

A Treatise Concerning The Principles of Human Knowledge

PC

Philosophical Commentaries (Der Abkürzung folgt die Nummer des Eintrags)

TVV

The Theory of Vision, or Visual Language. Vindicated and Explained

S

Sermon (Zitiert wird die Nummer der Predigt, gefolgt von der Seitenangabe)

Einleitung

Das Vorhaben einer theologischen Interpretation von Berkeley We should believe that God has dealt more bountifully with the sons of men, than to give them a strong desire for that knowledge, which he had placed quite out of their reach. This were not agreeable to the wonted, indulgent methods of Providence, which, whatever appetites it may have implanted in the creatures, doth usually furnish them with such means as, if rightly made use of, will not fail to satisfy them. Upon the whole, I am inclined to think that the far greater part, if not all, of those difficulties which have hitherto amused philosophers, and blocked up the way to knowledge, are entirely owing to our selves. That we have first raised a dust, and then complain, we cannot see. (Intro 3)

Die geistesgeschichtliche Bedeutung eines Denkers ist nicht allein auf die Originalität seiner Ideen zurückzuführen. Hinzutreten muss eine gewisse Beständigkeit der geistigen Arbeit, die sich in der Erhellung vergangener und aktueller Diskurse widerspiegelt. George Berkeley (1685–1753) gehört sicherlich zu jenen Denkern, deren Werke beide Facetten, Originalität und Persistenz, in sich vereinen: Die Außergewöhnlichkeit seiner Gedanken reflektiert eine – zugegeben ungesicherte – Anekdote, wonach der bereits kranke Malebranche nach einem Gespräch mit Berkeley über dessen eigenwillige Auffassungen von Gott und Welt so erregt war, dass er einer Herzattacke erlag, was hoffentlich nicht das Schicksal des geneigten Lesers sein wird. Bezüglich der Beständigkeit seines Denkens sei vorab exemplarisch auf drei Diskurse verwiesen, in denen Berkeleys formulierte Gedanken einen hilfreichen Beitrag leisten können: Erstens das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit, das seit dem linguistic turn einerseits und der Wort-Gottes-Theologie andererseits durch viele Variationen hindurch intensive Behandlung erfährt.1 1 Verwiesen sei hier auf philosophische Werke, die mittlerweile den Status von Klassikern genießen: L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, in: Werkausgabe, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1984, 225–618 oder J. Searle, Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language, London 1969. Auf theologischer Seite wurde die Kritik an der Sprache angestoßen durch K. Barth, Der Römerbrief, Bern 1919; exemplarisch seien die Studien von E. Fuchs, Hermeneutik, Bad Cannstatt 1954, G. Ebeling, Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Göttingen 1964, E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 7. Aufl. 2001 und I. U. Dalferth, Religiöse Rede von Gott. Studien zur Analytischen Religionsphilosophie und Theologie, München 1981 genannt. S.a. die philosophische und theologische Aspekte integrierende Abhandlung von N. Woltersdorff, Divine Discourse. Philosophical Reflections on the Claim that God speaks, Cambridge 1995.

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

Zweitens die Frage nach dem Aufbau der Welt, die sich in der Kontroverse um den Primat von Materie und der Entstehung von Information widerspiegelt.2 Und drittens Untersuchungen zum Dialog,3 bei denen Berkeleys Überlegungen aufgrund des hohen Differenzierungsgrades nicht nur anschlussfähig sind, sondern eine vermittelnde Position für die postmoderne Kluft zwischen Theologie und Philosophie eröffnen, indem die kategorialen Gehalte der Theologie mithilfe der Instrumente der Philosophie exploriert werden. Auf diese Weise gelingt ihm eine kohärente Verbindung von Sprache, Materialität in ihrer Kritik, insofern der Fokus auf der transportierten Information (der Bedeutung) liegt, und Dialog. Mit Berkeley lassen sich somit wichtige Denkanstöße für derzeit verhandelte Probleme und sogar Möglichkeiten ihrer Neukonzeption gewinnen. Davon zeugen auch die intensiven Diskussionen der faszinierenden Argumente Berkeleys im anglo-amerikanischen Raum, die eine nahezu unüberschaubare Fülle an Sekundärliteratur nach sich zieht. Im deutschsprachigen Raum ist seit dem Erscheinen der Biographie von Kulenkampff4 ein zunehmendes Interesse zu verzeichnen.5 Die hiesige Rezeption erfolgt allerdings 2 Man denke an die von R. Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 9. Aufl. 2007 neu angestoßene Debatte, in der Vertreter eines naturalistisch auftretenden Atheismus sämtliche Informationen biologisch zu reduzieren trachten. Als Gegenentwurf ist A. E. McGrath/J. C. McGrath, The Dawkins Delusion? Atheist Fundamentalism and the Denial of the Divine, London 2007 anzuführen. 3 Erinnert sei an M. Buber, Ich und Du, Heidelberg 11. Aufl. 1983, J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a.M. 1981, V. Hösle, Der philosophische Dialog. Eine Poetik und Hermeneutik, München 2006; J. Clayton, „Philosophical discourse and normative religious discourses“, NZSTh 38 (1996), 322–328; sowie die Arbeiten zum interreligiösen Dialog von D. B. Burrell, Freedom and Creation in Three Traditions, Notre Dame 1993, D. F. Ford, Shaping Theology. Engagements in a Religious and Secular World, Malden, MA 2007 und P. Ochs, The Return to Scripture in Judaism and Christianity. Essays in Postcritical Scriptural Interpretation, New York 1993. 4 A. Kulenkampff, George Berkeley, München 1987. 5 A. Kulenkampff, Esse est percipi. Untersuchungen zur Philosophie George Berkeleys, Basel 2001, 7 bezeichnet die Situation Berkeleys hierzulande als museales Dasein eines Klassikers und wirft der deutschsprachigen Philosophie Problemamnesie vor. Dagegen sprechen die philosophischen Arbeiten von W. Breidert, George Berkeley 1685–1753, Basel/Boston/Berlin 1989, E. Stadelmann, Philosophie aus der Besinnung des Denkens auf sich selbst. Berkeley und Kant, Frankfurt a.M. 1999, K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge. Eine Untersuchung des Begriffs der Idee in der Philosophie George Berkeleys, Frankfurt a.M. 2006 und A.-U. Wilke, Philosophie und Stil. Eine Verhältnisbestimmung dargestellt an Berkeley, Kant und Wittgenstein, Göttingen 2006. Vgl. weiterhin die Aufsätze A. Kemmerling, „A Pleasant Mistake Enough – Zu Berkeley’s sogenanntem Meisterargument“, in: R. Schumacher (Hg.), Idealismus als Theorie der Repräsentation?, Paderborn 2001, 23–43, R. Schumacher, „Berkeley über die Wahrnehmung von Eigenschaften und Dingen“, in: ders. (Hg.): Idealismus als Theorie der Repräsentation, Paderborn 2001, 45–76 und R. Goeres, „Berkeleys Theorie der ‚visuellen Sprache Gottes‘“, Philosophisches Jahrbuch (2004), 148–179, sowie die wissenschaftstheoretischen Arbeiten F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus,

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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nahezu ausschließlich in der Philosophie – sei es unter epistemologischen, ontologischen oder wissenschaftstheoretischen Vorzeichen –, die wertvolle Erkenntnisse aus seinem Denken gewinnen konnte.6 Die theologischen Inhalte hingegen, die den Rahmen seines Denkens bilden, fristen ein stiefmütterliches Dasein, insofern sie entweder vollständig vernachlässigt oder als Nebenprodukt der Argumente betrachtet werden.7 Während sämtliche neu erschienenen Abhandlungen der Philosophie zuzuordnen sind, wurde von theologischer Seite bisher noch keine Gesamtinterpretation unternommen.8 Viele Interpreten akzeptieren zwar, dass die gesamte Argumentation ohne Theologie nicht vollständig zu verstehen ist, dennoch wird eine Abspaltung der philosophischen von den theologischen Argumenten versucht.9 Ein derartiges methodisches Vorgehen erscheint jedoch höchst bedenklich: Zunächst hat Berkeley selbst keine Trennung von Philosophie und Theologie vorgenommen, was die Paderborn 2003 und Die Wege des Idealismus, Paderborn 2006. Folgende Monographien integrieren die Theologie im Kontext des Arguments der visuellen Sprache Gottes: S. Bonk, Immaterialismus. Darstellung und Verteidigung von George Berkeleys Gottesbeweis und immaterialistischem Weltbild, München 1990 und Abschied von der Anima mundi. Die britische Philosophie im Vorfeld der industriellen Revolution, Freiburg/München 1999 als auch M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes. Ihre Bedeutung für die Philosophie des Immaterialismus und ihre historischen Wurzeln, Frankfurt a.M./Berlin/Bern u.a. 1993. 6 Schlagwortartig seien hier vorab seine Kritik an dualistischen Ontologien und abstrakten Ideen (Repräsentationsmodell), die Frage nach der Generierung von Bedeutung, Hinweise auf die Problematik von Induktionsschlüssen sowie der Einbezug der Psychologie genannt. 7 So erstaunt nicht, dass Gott – vgl. exemplarisch die ausgezeichneten philosophischen Arbeiten von K. P. Winkler, Berkeley. An Interpretation, Oxford 1994 oder I. C. Tipton, Berkeley. The Philosophy of Immaterialism, London 1974 – erst im letzten Kapitel Verhandlung findet. S.a G. S. Pappas, Berkeley’s Thought, Cornell 2000, der die Rolle Gottes lediglich im Rahmen des esse-est-percipi-Prinzips auf fünf Seiten darstellt und die sprachphilosophische Interpretation von G. J. Warnock, Berkeley, London 1953. T. Stoneham, Berkeley’s World. An Examination of the Three Dialogues, Oxford 2002, vi sieht die Theologie sogar als eine Hürde (obstacle), um Berkeley den Studenten näher zu bringen: „The one place at which Berkeley’s religious belief interferes with his philosophical rigour is in his assumption that by putting a mind more powerful than ours at the centre of the world, he has put God there. When thinking and writing about Berkeley, we all use his word ‚God‘ for the metaphysically special mind or minds, but we do not also need to make his mistake of giving this a religious interpretation.“ (Hervorhebung, C.N.). 8 Als Ausnahmen sind D. Berman, George Berkeley. Idealism and the man, Oxford 1994, der Berkeleys Leben und Lehre unter dem Fokus des homo religiosus (v) untersucht, sowie die Analyse des Gottesbeweises von S. Bonk, Immaterialismus (Anm. 5) anzuführen. 9 So etwa die ontologische Interpretation von R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology, Indianapolis/Cambridge 1992; s.a. G. Pitcher, Berkeley, London/Henley/Boston 1977. Bei A. C Grayling, Berkeley. The Central Arguments, London 1986, J. Dancy, Berkeley. An Introduction, Oxford/New York 1987, T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit. Consciousness, Ontology and the Elusive Subject, Norfolk 2007 und M. A. Hight, Idea and Ontology. An Essay in Early Modern Metaphysics of Ideas, Pennsylvania 2008 findet der theologische Hintergrund starke Beachtung.

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

Frage nach einem Differenzierungsmerkmal aufwirft. Wenngleich zur Stützung einseitiger Vereinnahmungen seitens der Philosophie seine unterschiedlichen Schriftgattungen angeführt werden könnten, bezeugt bereits ein flüchtiger Blick ans Ende des am häufigsten rezipierten Hauptwerks, die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, dass das Ziel und die Intention des Autors zutiefst theologisch ist: Berkeley kennzeichnet die Betrachtung Gottes und das Studium der Schrift als die wichtigste Aufgabe des Menschen. Die vorliegende Arbeit möchte zu einer theologischen Lesart von Berkeleys Gedanken einladen: Es wird der Versuch unternommen, Berkeley systematisch-theologisch anhand der Exegese einschlägiger Texte zu erschließen, wobei historische Fragestellungen als Hintergrund der systematischen zur Geltung kommen, da eine chronologische Darstellung der Schriften hierfür nicht zielführend ist. Der Anspruch ist, eine konsistente Darstellung der Gotteserkenntnis bei Berkeley zu erreichen. Dabei sei vorab auf zwei Gefahren verwiesen, denen diese Interpretation unterliegt: Zum einen besteht angesichts der Vielzahl philosophischer Interpretationen die Gefahr, ausschließlich auf der auslegungsgeschichtlichen Ebene zu verbleiben und sich in Spezialdiskursen zu verlieren.10 Wegweisend für diese Untersuchung ist daher der Aufweis des unauflöslichen Zusammenhangs von Philosophie und Theologie in Berkeleys Schriften, d.h. die Überführung der von der zeitgenössischen BerkeleyCommunity herausgearbeiteten einzelwissenschaftlich orientierten philosophischen Argumente in eine ganzheitliche Betrachtung, woraus ein entsprechender Ertrag für aktuelle Debatten resultiert. Zum anderen besteht eine Gefahr in der einseitigen Vereinnahmung eines situativen und vielschichtigen Denkers wie Berkeley, indem man sich willkürlich auf bestimmte Passagen bezieht, welche die eigene Argumentation stützen. Zur Vermeidung der genannten Gefahren werden in der vorliegenden Untersuchung auch die klassischen Passagen behandelt und die dazugehörigen, wertvollen Forschungsbeiträge integriert, um eine angemessene Ausgangsbasis zu erhalten. Über inhaltliche Argumente hinaus lässt sich die gewählte theologische Lesart vor allem auch biographisch begründen, weshalb ein paar einleitende Eckdaten hinsichtlich Berkeleys theologischer Karriere und seiner Publikationen angeführt werden.11 Im Jahre 1700 nimmt Berkeley sein Studium des Bachelor of Arts am Trinity College von Dublin auf und studiert interdisziplinär Mathematik, alte Sprachen, Philosophie und Theologie. In dieser Zeit ent10

Ein Beispiel ist die Frage nach den Ideen im Geist Gottes (Kapitel 4.5). Zur Vertiefung seiner Biographie vgl. die überaus positive Darstellung von A. A. Luce, The Life of George Berkeley, Bishop of Cloyne, London/New York 1949, der den theologischen Hintergrund beleuchtet, sowie die beiden deutschsprachigen Monographien von A. Kulenkampff, George Berkeley (Anm. 4), die ein breites Spektrum abdeckt, und W. Breidert, George Berkeley (Anm. 5). Letzterer legt den Schwerpunkt auf die Grundlagen der Mathematik. In Vorbereitung ist eine neue Biographie von Tom Jones. 11

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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stehen die posthum publizierten Philosophical Commentaries (Philosophisches Tagebuch), denen mittlerweile die neutralere Bezeichnung Notebooks zugeschrieben wird.12 Die Bedeutung der 888 Einträge, die häufig skizzenartigen Charakter besitzen und teilweise im Widerspruch zu anderen Schriften stehen, ist umstritten, da ein Eintrag sowohl als zentrale These als auch als spontane Assoziation oder Notiz interpretierbar ist. Daher werden diese Aufzeichnungen überwiegend zur Ergänzung und Illustration bereits belegter Thesen herangezogen.13 Auf den Abschluss im Jahre 1704 folgt ein dreijähriger Masterstudiengang (M.A.) und das fellowship an der Universität. Die Ordination zum anglikanischen Priester 1709 verdeutlicht seine kirchliche Beheimatung. Im selben Jahr publiziert Berkeley sein erstes Werk An Essay Towards a New Theory of Vision (Versuch über eine neue Theorie des Sehens), in der er sich mit den Grundlagen der damaligen Optiktheorien beschäftigt und diese durch eine neue, psychologische Theorie des Sehens ersetzt, die auf Perzeptionsanalysen beruht. Auch wenn in dieser Schrift sein Immaterialismus noch keine explizite Benennung findet, kann sie in dieser Hinsicht als wegbereitend gedeutet werden, insofern dort die Frage nach der Art der Erfassung von Wirklichkeit anhand des Gesichtssinns aufgeworfen und diskutiert wird.14 NTV15 findet 1733 eine Überarbeitung und Neuauflage unter dem Titel: The Theory of Vision, or Visual Language. Vindicated and Explained (Die Theorie des Sehens oder der 12

Die Benennung stammt von Luce, der diese als „[C]ommentaries on the arguments for immaterialism which Berkeley has in his mind, and probably on paper also, before he began to make the entries.“ Einleitung zur Werkausgabe, 3. S.a. W. Breidert, Vorwort zu George Berkeley. Philosophisches Tagebuch, Hamburg 2. Aufl. 1979 zu seiner Übersetzung von George Berkeleys Philosophischem Tagebuch, der diese Schrift auf viii als Arbeitsbuch oder Zettelkasten charakterisiert, in dem die ungeschminkte Unmittelbarkeit der Reflexion oder des Selbstgesprächs zum Vorschein kommt. 13 Berkeleys Systematisierung der Einträge besteht aus Zeichen, die verschiedenen Themenbereichen zugeordnet sind, die entsprechend zitiert werden (z.B. S für Soul oder G für God). Kontrovers diskutiert wird die Frage nach dem sog. Pluszeichen (+); während A. A. Luce, „Berkeley’s Commonplace Book – Its Date, Purpose, Structure and Marginal Signs“, Her. 22 (1932), 99–131, die Ansicht propagierte, die mit dem Plus-Zeichen versehenen Einträge seien von Berkeley selbst verworfen worden, hat B. Belfrage, „A New Approach to Berkeley’s Notebooks“, in: E. Sosa (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht 1987, 217–230 diese Meinung plausibel widerlegen können. Die Mehrheit der Interpreten ist bis heute der Ansicht, jene Einträge seien mit Vorsicht zu genießen. Eine gute Aufbereitung der Diskussion bietet K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5) 308– 318. 14 S.a. W. Breidert, Einleitung zu George Berkeley. Versuch über eine neue Theorie des Sehens und Die Theorie des Sehens oder der visuellen Sprache ... verteidigt und erklärt, Hamburg 1987, xi, wonach die Ziele von NTV in der Schwächung der erstarkenden Naturwissenschaften zugunsten der christlichen Religion und der Wegbereitung für den Immaterialismus bestehen. 15 Hinsichtlich der Siglen vgl. das dazu erstellte Verzeichnis.

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

visuellen Sprache, verteidigt und erklärt); diese Schrift verzeichnet einen maßgeblichen Einfluss auf die erkenntnistheoretische Debatte hinsichtlich der Frage einer adäquaten Perzeptionstheorie. Bereits in der frühen Schrift NTV wird das Sprachmodell auf die visuellen Eindrücke übertragen, um das Zusammenspiel zwischen den heterogenen Bereichen des Optischen und Haptischen zu erklären: Die visuellen Eindrücke fungieren als Zeichen einer Sprache. Analog zu den Wörtern der geschriebenen bzw. gesprochenen Sprache haben die Zeichen keine naturgegebene, sondern eine arbiträre Relation zu dem Bezeichneten. Der Autor dieser natürlichen Sprache ist kein geringerer als Gott. Diese Einsicht ist als integraler Bestandteil von Berkeleys Denken einzuordnen, die in verschiedenen Schriften präsent ist und eine erste Wegmarke zu Berkeleys Theologie darstellt; aus diesem Grunde findet NTV in der vorliegenden Arbeit Beachtung. 1710 publiziert Berkeley die Schrift Treatise concerning The Principles of Human Knowledge. Wherein the chief causes of error and difficulty in the Sciences, with the grounds of Scepticism, Atheism, and Irreligion, are inquired into (Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis), die als sein Hauptwerk gilt, wenngleich er damit vornehmlich auf Ablehnung stößt. Eine berühmte Erzählung ist etwa der Versuch des Dr. Johnson mittels eines Fußtritts gegen einen Stein Berkeleys Immaterialismus zu widerlegen.16 Trotz der Aufforderung im Vorwort, sich unvoreingenommen und frei von Vorurteilen auf die Inhalte zu konzentrieren, erzielt Berkeley keinen Erfolg bei seiner Leserschaft.17 Dessen ungeachtet fungiert dieses Werk als wichtige Leitlinie für die nachfolgende Interpretation; die darin enthaltenen Argumente werden auf ihren theologischen Gehalt und Hintergrund hin analysiert. Von seinen Grundeinsichten vollends überzeugt, unternimmt Berkeley einen weiteren Versuch und veröffentlicht 1713 in vereinfachter Dialogform die Three Dialogues between Hylas and Philonous. The design of which is plainly to demonstrate the reality and perfection of human knowledge, the incorporeal nature of the soul, and the immediate providence of a Deity: in opposition to Sceptics and Atheists. Also to open a method for rendering the Sciences more easy, useful, and compendious (Drei Dialoge zwischen Hylas und Philonous). Berkeley verfolgt damit die Intention, die Principles allgemeinverständlich darzulegen. In den Dialogen – ein stilistisches und rhetorisches Kunstwerk – findet ein fiktives Streitgespräch zwischen Philonous, dem geistliebenden Immaterialisten, und Hylas, dem Materialisten statt, das in sokratischer Manier verfasst wurde, und in dem Berkeleys Gewährsmann Philonous 16 In G. B. Hill/L. F. Foster (Hgg.), Boswell’s Life of Johnson, Oxford 1971, 417. S.a. D. Berman, (Hg.), George Berkeley. Eighteenth-century responses, New York 1989. 17 Vgl. P, Preface, 23: „I make it my request that the reader suspend his judgment, till he has once, at least, read the whole through with that degree of attention and thought which the subject matter shall seem to deserve.“

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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die Einwände seines Kontrahenten stets galant zu widerlegen weiß.18 Insofern Principles und Dialogues die systematischen Grundlagen seines Denkens enthalten, kommt diesen beiden Werken ein entsprechendes Schwergewicht in der vorliegenden Arbeit zu. Das intertextuelle Lesen dieser zwei Schriften ermöglicht ein besseres Verständnis seines Systems; zugleich werden auch Unstimmigkeiten sichtbar, die entsprechend markiert werden. Nach der Ernennung zum Professor für Theologie (Divinity Lecturer) im Jahre 1717, unterrichtet Berkeley in dieser Funktion Griechisch und Hebräisch – was als wichtig und wegweisend für Berkeleys Denken zu sehen ist und daher in die Interpretation aufgenommen wird – und ist weiterhin als Prediger an der Universität tätig. Im Jahre 1724 erfolgt die Ernennung zum Dekan von Derry. In den Folgejahren steht das sog. Bermuda-Projekt im Zentrum seiner Aufmerksamkeit. Berkeley strebt damit die Gründung eines theologischen Colleges zur Ausbildung von Missionaren in der Neuen Welt an. Finanziert werden soll dieses Projekt mithilfe von Spenden und staatlicher Unterstützung, die Berkeley vom englischen Parlament nur mündlich zugesagt bekommt. Zur Beschleunigung der Auszahlung reist er selbst nach Newport, Rhode Island, und verweilt dort bis 1731. Aus dieser von Misserfolgen gekennzeichneten Phase geht die apologetische Schrift Alciphron hervor, die er 1732 in London anonym veröffentlicht. Wiederum wählt Berkeley die Gattung des Dialogs, um die Positionen seiner Gegner, Deisten und Freidenker (freethinkers), bloßzustellen und zu widerlegen.19 In diesen Dialogen steht die Frage der Gotteserkenntnis im Hinblick auf Vernunft- versus Offenbarungserkenntnis im Vordergrund, weshalb sie für diese Arbeit eine wichtige Quelle darstellen. Im Anhang von Alciphron findet sich die bereits genannte Schrift TVV, in der Berkeley besonderes Augenmerk auf die Theologie legt und die visuellen Sensationen als Zeichensprache Gottes interpretiert. Auf die Rückkehr des gescheiterten Bermuda-Projekts folgt 1734 die Ernennung zum Bischof von Cloyne.

18 Vgl. die rhetorische Untersuchung von P. Walmsley, The Rhetoric of Berkeley’s Philosophy, Cambridge/New York/Port Chester u.a. 1990, der die unterschiedlichen Gattungen im Hinblick auf die philosophische Umsetzung untersucht, 67: „[T]he dialogue, as a pleasant as well as familiar genre, helps Berkeley attract the unphilosophical reader to immaterialism.“ 19 Zur Rezeptionsgeschichte vgl. W. Breidert, Einleitung zu George Berkeley (Anm. 14). A. Kulenkampff, George Berkeley (Anm. 4), 26 beurteilt im Anschluss an John St. Mill Alciphron als umfangreichstes und unbedeutendstes Werk. Jessop, Einleitung zur Werkausgabe, 12f erkennt den theologischen Wert, spricht diesem jedoch jeglichen philosophischen Gehalt ab. D. Berman, (Hg.), George Berkeley. Alciphron, or the Minute Philosopher in focus, London/New York 1993, der darin eine Interpretationshilfe für Berkeleys gesamtes Denken sieht, ist eine zunehmende Rezeption dieser Schrift, besonders im Hinblick auf die darin enthaltene sog. emotive Bedeutungstheorie, zu verdanken.

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

Berkeleys breit gestreute Interessen bezeugen die moral- und politikphilosophische Schrift Passive Obedience (1712),20 sein wissenschaftstheoretisches Werk De Motu (1721), ein Wettbewerbsbeitrag an der Pariser Akademie, The Analyst (1734), – seine wichtigste Abhandlung zur Mathematik21 – und nicht zuletzt The Querist (1735–37), eine nationalökonomische Schrift.22 Sein letztes großes und am wenigsten beachtetes Werk ist Siris – A Chain of Philosophical Reflexions and Inquiries Concerning the Virtues of Tar-water, and divers other Subjects connected together and arising One from Another (1744). Dieses beschäftigt sich mit dem Teerwasser, das Berkeley als Allheilmittel postuliert, was er mit Experimenten und philosophisch-theologischen Theorien zu stützen versucht. Die Verbindung von medizinischen Anleitungen mit mystisch-esoterisch-philosophischen Lehren veranlasste viele Interpreten dazu, darin einen Bruch zu Berkeleys vorherigen Werken zu sehen, der bis zu einer vollständigen Disqualifizierung von Siris reicht.23 Eine in diesem Text offenkundige Nähe zum Platonismus steht meines Erachtens tatsächlich im Widerspruch zu früheren Werken, weshalb diese Schrift keine Berücksichtigung erfährt. Für die Auseinandersetzung mit der Frage nach der Erkenntnis Gottes ist die Analyse von Berkeleys Predigten unerlässlich, da dieses Genre seine Theologie am klarsten reflektiert. Zwar sind nur neun Predigten überliefert und eine weitere (Sermon V) setzt sich aus einem Corpus von 14 Predigten in Notizform zusammen, die allesamt während Berkeleys Aufenthalt in Newport entstanden sind. Doch repräsentieren die Predigten diachron Berkeleys ge20

Vgl. dazu St. Darwall, „Berkeley’s moral and political philosophy“, in: K. P. Winkler (Hg.), The Cambridge Companion to Berkeley, Cambridge/New York/Melbourne u.a. 2005, 311–338. 21 Nach M. Cantor, Vorlesungen über Geschichte der Mathematik, Leipzig 2. Aufl. 1901, Bd. 3 (1668–1758) 737ff hat sich Berkeley damit einen Platz in der Wissenschaftsgeschichte gesichert. 22 A. Kulenkampff, George Berkeley (Anm. 4), 32 bezeichnet The Querist als eine Art Katechismus der damaligen irischen Nationalökonomie. Ein besonderes Merkmal, dieses Fragenkatalogs bildet Berkeleys Geldtheorie gerade im Angesicht der Wirtschaftskrise: Geld besitzt analog dem ausgearbeiteten Zeichensystem nur symbolischen Wert. 23 S.a. D. Berman, „Berkeley’s life and works“, in: K. Winkler (Hg.), The Cambridge Companion to Berkeley, Cambridge/New York/Melbourne u.a. 2005, 13–33, bes. 28. Während die Mehrheit der Interpreten davon ausgeht, dass der späte Berkeley (mit Entstehen von Siris) sich dem Platonismus verschrieben hat, argumentiert A. A. Luce, „The Unity of the Berkeleian Philosophy“, Mind XLVI:184 (1937), 454–464, dass Einheit besteht. S.a. ders. The Life of George Berkeley, Bishop of Cloyne (Anm. 11) 197ff. Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd. 2, Darmstadt 1974, 321, erkennt darin eine schonungslose Selbstkritik, die in der Philosophiegeschichte einzigartig ist, insofern Berkeley wieder zu seinem frühen Empirismus zurückkehrt. A. Kulenkampff, George Berkeley (Anm. 4), 44 sieht in Siris die Realisierung des in De Motu skizzierten Programms einer transzendentalen Wissenschaft.

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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samte praktische Theologie, insofern sie unterschiedlichen Perioden entstammen und die Inhalte der „theoretischen Schriften“ darin auf eine andere Weise – entsprechend der Gattung Predigt – dargestellt werden. Die Predigten werden daher als weiteres Genus an relevanten Stellen selektiv und exemplarisch für die Interpretation herangezogen. Methodisch stellt sich die Frage nach dem Verhältnis und der Gewichtung der Textgattungen, d.h. inwieweit die „philosophischen“ Schriften den Bereich der Explikation im Genus der Predigt beeinflussen und umgekehrt. Da in Berkeleys Denken eine unauflösliche Verbindung von Philosophie und Theologie besteht, lassen sich für die verschiedenen Genera trotz unterschiedlicher thematischer Schwerpunktsetzung Schnittmengen erkennen bzw. sind die jeweiligen Inhalte der unterschiedlichen Gattungen als Komplementärelemente einer Gesamtinterpretation zuzuordnen. Exemplarisch sei an dieser Stelle auf Berkeleys dialogisch-kommunikatives Realitätsverständnis vorgegriffen: Während in NTV, P, D, A und TVV eine theoretische Darstellung erfolgt, wird dieses semiotische Modell in den Predigten praktisch ausgebaut, indem die permanente Präsenz Gottes mit biblischen Darstellungen untermalt wird. Bei dem von mir gewählten Vorgehen ist der jeweilige Adressatenkreis zu berücksichtigen: Während die publizierten Werke (P, D und A) bei der Leserschaft eine philosophisch-theologische Bildung voraussetzen, sind die Predigten an eine heterogene Zuhörerschaft gerichtet. Letztere entstammen dem Bereich der Praxis, sind also in einem spezifischen Kommunikationszusammenhang zu verorten und somit keine ausgearbeiteten Publikationen.24 Dieser angestrebten intertextuellen Lesart liegt die Überzeugung zugrunde, dass Berkeley gerade nicht von „philosophischen“ Prämissen ausgeht, um dann zu prüfen, welche Rolle Gott in seinem System einnimmt; vielmehr bilden seine christlichen Glaubensüberzeugungen den Ausgangspunkt seines Denkens. Bestimmte theologische Topoi können geradezu als traditionelles Allgemeinwissen angesehen werden, wie sich beispielsweise bei der Kausalitätsauffassung oder auch der Negation eines absoluten Materieprinzips zeigen wird. Eine Rückübersetzung in die heutige philosophische Sprache, die jeglichen theologischen Hintergrund abzulösen sucht, ist zwar möglich, doch werden hierbei Mängel offensichtlich, die kurz erläutert werden sollen. Viele Interpreten wählen einen analytischen Weg, bei dem einzelne Argumente zu unterschiedlichen Themen isoliert und im nächsten Schritt dahinge24 Vgl. auch Preface D: 168: „As it was my intention to convince sceptics and infidels by reason, so it has been my endeavour strictly to observe the most rigid laws of reasoning. And, to an impartial reader, I hope, it will be manifest, that the sublime notion of a God, and the comfortable expectation of immortality, do naturally arise from a close and methodical application of thought: whatever may be the result of that loose, rambling way, not altogether improperly termed free-thinking, by certain libertines in thought, who can no more endure the restraints of logic, than those of religion, or government.“

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

hend untersucht werden, ob die Argumente die Konklusion zu beweisen vermögen. Dieses Vorgehen hat sicherlich seine Vorteile, dennoch werden dadurch Fragestellungen und Probleme aufgeworfen, die einem Denker wie Berkeley fremd waren. So zum Beispiel, ob es sich bei dem von Berkeley bewiesenen Gott um den christlichen Gott oder sogar um eine Vielzahl metaphysischer Entitäten handelt.25 Es zeichnet sich bei den Interpreten eine Haltung ab, sperrige Elemente im Werk Berkeleys auf den Einfluss theologischer Fragestellungen oder kirchliche Autoritäten zurückzuführen. Über die mögliche Integration entsprechender Elemente hat in der vorliegenden Arbeit die jeweilige Textanalyse zu entscheiden. Berkeleys Profession ist die eines Bischofs und sein Lebensalltag war von der christlichen Religion geprägt – ein Umstand, der in der heutigen säkularen Welt eher die Ausnahme darstellt. Doch innerhalb dieser Glaubenspraxis ist auch seine Gotteslehre fundiert. Die religiöse Erfahrung mit dem christlichen Gott bildet die Motivation für seine Schriften. Auf dem Fundament der Bibel, der Offenbarungsschrift des Christentums, baut seine Perzeptionstheorie und Ontologie auf. Entsprechend muss ein Ansatz mindestens als problematisch, wenn nicht als unhaltbar angesehen werden, bei dem Berkeleys Perzeptionstheorie isoliert rekonstruiert wird, um ihm dann zu unterstellen, er setze aus Mangel an anderen Erklärungen Gott in die Leerstelle ein. Sein theologisches Anliegen besitzt meines Erachtens den Primat und sämtliche Einsichten, wie etwa die Perzeptionstheorie, sind in diesen ganzheitlichen Rahmen eingebettet. Die theologische Pointierung dient als heuristisches Mittel, um solche Interpretationen, die sich allein auf die gleichsam theologiefreien Elemente von Berkeleys Philosophie beziehen, als reduktionistisch zu erweisen. Somit ist eine theologische Interpretation nicht als Alternative zu einer philosophischen zu verstehen, sondern als Kritik an einem reduktionistischen Philosophieverständnis, das die Relation von Welt, Selbst und Gott auf eine zweistellige beschränkt. Infolge lässt sich das Vorhaben einer theologischen Interpretation von Berkeley aus inhaltlichen und biographischen Gründen durchaus rechtfertigen. Vorliegende Arbeit strebt keine Gesamtdarstellung von Berkeleys Denken an, sondern fokussiert sich auf die Frage von Welt- und Selbsterkenntnis im Kontext der Gotteserkenntnis, weshalb bestimmte Werke keine oder nur geringe Berücksichtigung finden. Es folgt nun ein Aufriss der Arbeit, die sich in vier Hauptkapitel gliedert, welche aufeinander aufbauen und nachfolgend kurz dargestellt werden. Das erste Kapitel Ontologie und Epistemologie hat eine Art „Baukastenfunktion“, denn darin wird das sprachliche Instrumentarium für eine Interpretation ausgearbeitet: Der Ideenbegriff, der bei Berkeley eine zentrale Rolle einnimmt, insofern nur Geister (minds) und Ideen (ideas) existieren, findet im 25

So stellvertretend der Vorwurf von J. L. Mackie, Das Wunder des Theismus. Argumente für und gegen die Existenz Gottes, Stuttgart 1982, 114f

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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Rahmen des berühmten Diktums esse est percipere/percipi seine Entfaltung. Eine realistische Deutung seines ontologischen Immaterialismus ermöglicht eine erste Annäherung an dieses – auf den ersten Blick extravagant anmutende – Wirklichkeitsverständnis, dessen Konturen im Verlauf der Arbeit immer schärfer zutage treten werden. Berkeleys Materialismuskritik reflektiert die Verbindung zwischen Seiendem und wahrnehmendem Geist auf treffliche Weise: Etwas, also Materie, kann nicht losgelöst von einem wahrnehmenden Geist existieren. Genau genommen befindet sich alles immer in Relation zu etwas, wobei die Relation selbst als dynamisch aufzufassen ist. Die in den Texten bestehende Spannung von Ontologie und Epistemologie, die in der Sekundärliteratur zu großen Streitigkeiten hinsichtlich der Gewichtung führt, wird hier beibehalten, da zum einen Berkeley selbst keine Auflösung vorgibt und zum anderen dadurch fruchtbare Ergebnisse für eine theologische Interpretation erzielt werden können. An dieser Stelle soll auf den bewussten Sprachgebrauch meinerseits hingewiesen werden: Berkeleys Terminologie von Geist und Ideen wird beibehalten, was eine wachsende Vertrautheit und Annäherung an seinen Immaterialismus ermöglicht;26 die zunächst unbestimmt anmutenden Begrifflichkeiten erfahren fortschreitend Konkretisierung. Bei einem holistischen Denker wie Berkeley besteht eine methodische Notwendigkeit, die Begriffe anfangs noch recht offen zu verwenden, da sich die semantische Füllung derselben auch in seinen Schriften erst mit fortschreitendem Lesevorgang ergibt. Im zweiten Kapitel, Die Existenz des christlichen Gottes, erfolgt eine zentrale Weichenstellung für die Theologie anhand der Einordnung von Berkeleys Gottesbeweis. Gegenüber der vorherrschenden Meinung ist dieser kein Versuch eines notwendigen Schlusses auf Gottes Existenz im Rahmen einer natürlichen Theologie,27 sondern dient vielmehr zur Demonstration der göttlichen Eigenschaften, wie sie Gott selbst mitteilt. Der Beweis setzt sich aus vier akkumulierenden Argumenten zusammen, die eine plausible Darlegung des Wesens des christlichen Gottes bilden. Das primäre Ziel, das Berkeley mit dieser Argumentation verfolgt, ist die Explikation der Person Gottes, d.h. eine 26 S. Bonk, Immaterialismus (Anm. 5), 94 etwa meint: „Während das materialistische Weltbild, welches durch die Behauptung der Existenz von an sich bestehenden Gegenständen oder materiellen Substanzen gekennzeichnet ist, mit der Behauptung der Existenz Gottes wenn überhaupt, dann höchst zufällig verbunden ist, besteht zwischen der Befürwortung des immaterialistischen Weltbildes und der Annahme der Existenz Gottes eine notwendige Verbindung.“ 27 Laut E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God, London/New York/Toronto 1957, 7 war Berkeley einer der bemerkenswertesten Theologen, der natürliche Theologie vor Kant betrieb; vgl. 8: „Kant stands on the frontieres separating the old from the new. Natural theologians who lived before Kant belong, in the eyes of many, to the old world, and Berkeley had the great misfortune of being the last representative of the old natural theology.“

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Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

theologische Eigenschaftslehre. Die klassischen, göttlichen Attribute (Allwissenheit, Allmacht, Güte, Providentia, etc.) erweisen Gott als personales Gegenüber, als Schöpfer und Erhalter der Welt und somit als Bedingung der Möglichkeit jeglicher Erkenntnis. Grundaufgabe von Theologie ist, Gott und Wirklichkeit zusammen zu denken; insofern gilt es, Berkeleys Realismus zu erläutern und interpretieren, denn dieser fungiert als Selbstmitteilung Gottes und ist zugleich der Möglichkeitsraum für unsere Erfahrungen. Der finite Geist wird im gleichnamigen dritten Kapitel hinsichtlich der Frage nach Selbsterkenntnis untersucht; bezüglich der Rekonstruktion von Berkeleys Geistlehre ist vorab auf die schlechte Quellenlage hinzuweisen, was den teilweise hypothetischen Gehalt dieses Kapitels erklärt. Die Ausgangsthese ist, dass nach Berkeley eine Verwandtschaft von Gott, dem infiniten Geist, und Mensch, dem finiten Geist, besteht: Der Mensch als imago dei steht in einer bestimmten Relation zu Gott. Ausgehend von dieser Relation wird argumentiert, dass der Selbsterkenntnisprozess eine ertragreiche Methode für die Gotteserkenntnis bildet. Damit wird eine entscheidende Perspektive expliziert, welche die gesamte Arbeit durchdringt: die Relation von Gott und Mensch. Berkeley integriert die in der Identitätsphilosophie erzielten Resultate mit der alltäglichen Selbstwahrnehmung in seine Geisttheorie und fundiert seine Argumente in der christlichen Doktrin von der imago dei. Sämtliche Einsichten beziehen sich auf das Verhältnis zwischen Mensch und Gott, da Wirklichkeit das Sprachmedium Gottes bildet. Zugleich ist der finite Geist dazu aufgefordert, auf die Anrede Gottes, seines personalen Gegenübers, zu antworten. Das letzte große Kapitel Die Gotteserkenntnis stellt eine Bündelung der erzielten Ergebnisse im theologischen Kontext dar. Ein zentrales Ergebnis sind die zwei Wege zu Gott: über die Welt und über das Selbst. Die Möglichkeiten und Hindernisse auf diesen zwei Erkenntniswegen seien mithilfe traditioneller theologischer Begrifflichkeiten untersucht. So findet etwa die als Selbstmitteilung Gottes verstandene Realität im Kontext der Offenbarung Wiederaufnahme. Haben sich im Verlauf der Untersuchung viele theologische Folgeprobleme ergeben, so erfahren diese im Rahmen der Rekonstruktion der Schöpfungs- und Trinitätslehre eine vorläufige Bündelung und Lösung. Vorab ist anzumerken, dass Theologie bei Berkeley wörtlich zu verstehen ist: Theologie bedeutet Rede von Gott. Theologie soll, gegenüber den Einwänden des Atheismus, darlegen, dass das Sprechen von Gott sich nicht auf eine Fiktion bezieht, sondern eine Realität zum Gegenstand hat. Vor diesem Hintergrund ist auch die von Berkeley stark kritisierte Metaphysik zu sehen, die eben nicht mit Theologie in eins zu setzen ist: Während die Rede von Gott auf die von ihm kommunizierten Selbstmitteilungen referiert, unterstellt Berkeley den Metaphysikern eine spekulative Gotteserkenntnis, die allein dem

Einleitung: Das Vorhaben einer theologischen Interpretation

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menschlichen Denken entspringt und deshalb der Gefahr des Irrtums unterliegt.28 Als zentrale Einsicht der vorliegenden Interpretation ist Berkeleys „rationales“ Theologieverständnis anzuführen, das sich in seinem Glaubensverständnis widerspiegelt: Der Glaube ist rational darstellbar und besitzt für den Menschen die Funktion eines Orientierungswissens in der Welt. Insofern verfolgt Berkeley kein theoretisches Programm, sondern die Explikation eines konsistenten christlichen Wirklichkeitsverständnisses, das auch die Erkenntnisse anderer Wissenschaften zu integrieren vermag. Sämtliche Aussagen eines christlichen Wirklichkeitsverständnisses müssen sich nach Berkeley in der Lebenspraxis bewähren.

28 Das erinnert an das von Nietzsche kritisierte Metaphysikverständnis, wonach Metaphysiker als Hinterweltler charakterisiert werden. Vgl. F. Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen, München 1999, 35.

Kapitel 1

Ontologie und Epistemologie: esse est percipi A. Der Fahrplan A. Der Fahrplan

Die Überschrift dieses ersten Kapitels reflektiert die reziproke Relation von Ontologie und Epistemologie, die bei Berkeley in starker Ausprägung vorzufinden ist. Im Mittelpunkt stehen daher ontologische Untersuchungen, die Berkeley mittels epistemischer Überlegungen abzusichern sucht. Nachfolgend sei eine skizzenartige Übersicht verschiedener ontologischer Ansätze für die Optionen zur Beschreibung von Realität gegeben und auf epistemische Implikationen aufmerksam gemacht, um anschließend Berkeleys Position zu lokalisieren. Eine inhaltliche Präzisierung wird erst im weiteren Verlauf möglich. Zunächst wird eine Annäherung und erste Verhältnisbestimmung der Begriffe Ontologie, Epistemologie und Realismus vorgenommen. Grundsätzlich ist die Ontologie die Wissenschaft vom Seienden respektive Sein. Diese Wissenschaft ist mit der Unmöglichkeit konfrontiert, die gesamte Realität unter einem höchsten Gattungsbegriff zu subsumieren. Das erklärt sich aus dem Sachverhalt, dass der Begriff Seiendes nicht als solcher zu fungieren mag, obwohl das Sein diejenige Bestimmung ist, die allem zukommt. Ontologie bedeutet eben keine Addition alles Existierenden, sondern die Anzeige für den Aufbau von Realität notwendiger Grundelemente (Entitäten). Das Spektrum verschiedener Entitäten ist auf divergierende Methoden bei deren Bestimmung zurück zu führen. Ein traditionelles und bewährtes Mittel ist das Ökonomieprinzip bzw. das Rasiermesser des Wilhelm von Ockham,1 demzufolge der Aufbau der Welt mit einer minimalen Anzahl an Entitäten darzustellen ist. Die Benennung der Entitäten sowie deren Zusammenwirken gibt folglich Aufschluss über den ontologischen Ansatz. Klassischerweise dominieren drei Auffassungen die ontologische Diskussion: Materialismus, Idealismus und Dualismus, die jeweils eine Vielzahl an Positionen implizieren.2 Der Materialismus postuliert, alles Seiende, also inklusive des Geistigen, 1

Das Ökonomieprinzip, welches nicht wörtlich in Ockhams Werk zu finden ist, wird klassischerweise mit folgender Formulierung wiedergegeben: Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem. 2 Es ist darauf hinzuweisen, dass sich diese drei Ansätze in der Geistesgeschichte sowohl gegenseitig ablösten als auch nebeneinander existierten, was im Rahmen dieser Arbeit keine Beachtung finden kann.

A. Der Fahrplan

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sei auf eine körperliche Realität bzw. Materie zu reduzieren.3 Demgegenüber betont ein Idealismus die Dependenz der physischen Realität vom Geist:4 Die Existenz körperlicher Dinge ist danach nicht als absolute Existenz zu verstehen, sondern steht immer in Relation zu einem Subjekt bzw. Geistwesen.5 Der Dualismus nimmt eine mediale Position ein, da Körper und Geist als souveräne Realitäten angenommen werden. Für alle drei Positionen stellt sich die epistemologische Frage nach der Demarkation bzw. Vermittlung von Intraund Extramentalem. Ein steter Begleiter ontologischer Fragestellungen ist die Epistemologie, die sich der Frage nach der Generierung von Wissen verschrieben hat. Je nachdem, welche Ontologie man vertritt, resultieren daraus entsprechende Konsequenzen für die Erkenntnistheorie und umgekehrt sind mit den erkenntnistheoretischen Prämissen zugleich die Weichen für die Ontologie gestellt. Bei Berkeley lässt sich deren Reziprozität besonders schön illustrieren, da seine Aussagen über den Aufbau der Realität weite Kreise ziehen. Deshalb erfährt das grundsätzlich bestehende Spannungsfeld zwischen Ontologie und Epistemologie keine Auflösung zugunsten einer Seite, sondern wird bewusst aufrechterhalten.6 Dieses methodische Vorgehen verhilft dazu, die reichhaltige Tragweite seiner Philosophie zu illuminieren. Paradigmatisch sei auf folgendes Beispiel vorgegriffen: Die Annahme eines Materialismus impliziert nach Berkeley notwendig einen Skeptizismus. Diese Spannung ist meines Erachtens eine ausgeklügelte Methode und verdient daher eine adäquate Behandlung. Ein nächster wichtiger Begriff, der Klärung erfordert, ist Realismus. Dieser existiert ebenfalls in verschiedenen Varianten und wird nachkantianisch häufig als Gegenbegriff zum Idealismus verstanden. Das Postulat eines Realismus besteht in der Existenz des Seienden als independent zu einem menschlichen Bewusstsein, wobei drei Aspekte Behandlung finden: die extramentale Existenz von Gegenständen, deren Independenz vom menschlichen Bewusst3

Obwohl der Materialismus die jüngste Form darstellt, bezeichnet F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus (Anm. 5), 22 diesen zu Recht als das Dogma der Menge bzw. die offizielle Doktrin. 4 Kants Beitrag zum Idealismus ist unhintergehbar; er wird im Allgemeinen als Wegmarke gesehen, insofern er als erster Denker die Erkenntnisleistung des Subjekts bei der Erkenntnis von Realität miteinbezieht und deshalb dem sog. erkenntnistheoretischen Idealismus zuzuordnen ist. Dass Berkeley eine vergleichbare Epistemologie anstrebt, steht zur Demonstration aus. 5 Insofern ist auch der Fragestellung nachzugehen, auf welche Weise die Welt für das wahrnehmende Subjekt gegeben ist. Der Grund des Gegebenseins ist nicht in der Außenwelt zu finden, da diese keinen Erklärungswert an sich besitzt, sondern bedarf einer anderen, stärkeren Verankerung. 6 Während in den vergangenen Jahrzehnten Berkeley vorwiegend hinsichtlich epistemologischer Fragestellungen behandelt wurde, strebt M. A. Hight, Idea and Ontology (Anm. 9), bes. 138–217, eine ontologische Interpretation an.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

sein und letztlich die Frage nach dem Nexus zwischen extramentaler Realität und Bewusstsein.7 Insofern Berkeley lange Zeit als Idealist charakterisiert wurde8 und ein Realist das entsprechende Antonym darstellt, suchte kein Interpret eine Versöhnung dieser vermeintlichen Gegensätze. Mit der sorgfältigen Berkeley-Edition von Luce und Jessop änderte sich diese Sichtweise mit dem Ergebnis, dass aktualiter kein Forscher Berkeley als absoluten Idealisten verortet. Die vorliegende Arbeit erkennt in Berkeley sowohl einen Realisten, da er die extramentale Existenz von Dingen independent zu Menschen betont, als auch einen Idealisten, da Berkeley der Erkenntnisleistung des Individuums höchste Priorität zuschreibt. Sein sog. ontologischer Idealismus verdeutlicht die unauflösliche Verbindung der Perzeption eines Gegenstandes mit dem Sein selbst: Denken und Sein fallen zusammen, wie noch zu zeigen ist.9 Wissenschaftstheoretisch ist vorab die Unmöglichkeit eines objektiven Standpunktes zu unterstreichen, denn jede Beschreibung von Realität supponiert diese bereits.10 Berkeleys Methode, den Ausgangspunkt der Untersuchung im wahr7

In der verzweigten Realismusdebatte lassen sich vier maßgebliche Positionen differenzieren: 1. der metaphysische oder ontologische Realismus, wonach die Wirklichkeit independent zum Menschen existiert 2. der Antirealismus oder Idealismus, der Wirklichkeit zur epistemischen Größe erklärt, 3. der Relativismus, der eine Vermittlung dieser beiden Positionen anstrebt, indem er sämtliche Aussagen relativiert und 4. der interne Realismus als dessen Begründer Putnam gilt und wonach sich Realität erst durch Aussagen konstituiert. S.a. M. Willaschek, Der mentale Zugang zur Welt. Realismus, Skeptizismus und Intentionalität, Frankfurt a.M. 2003. Da die jeweiligen Spielarten dieser unterschiedlichen vier Positionen neben Unterschieden auch Gemeinsamkeiten aufweisen, ist es methodisch sinnvoll, eine Zuordnung Berkeleys vorerst zu vernachlässigen. 8 Im deutschen Sprachraum ist Kants verfehlte Interpretation zu nennen, in der er Berkeley die Unmöglichkeit der Erkenntnis von Gegenständen unterstellt (vgl. KrV B 274). Ähnlich auch die Darstellung von B. Russell, Philosophie des Abendlandes. Ihr Zusammenhang mit der politischen und der sozialen Entwicklung, Zürich 2007, Kap. 16 (Berkeley), 656–667. 9 Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass Berkeleys Immaterialismus keineswegs mit einem subjektiven Idealismus gleichzusetzen ist; also der Ansicht nur geistigen Subjekten komme Existenz zu und die Welt sei lediglich eine Vorstellung dieser. Berkeleys Immaterialismus ist demgegenüber greifbarer, da sämtliche Wahrnehmungen wahrhaft und miteinander verbunden sind. 10 Für die wichtige Einsicht, dass jede menschliche Erkenntnis immer schon in einen Seins-Zusammenhang eingebunden ist, vgl. M. Heidegger, Sein und Zeit, Tübingen 18. Aufl. 2001, bes. §12 und §13. Ähnlich formuliert Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (Anm. 23), 294f das Anliegen der Philosophie: „Der Vorwurf, dass der Idealismus das Sein zur Illusion herabsetzt, fällt also auf die Gegner zurück: sie sind es, die unserer empirischen Erkenntnis jeden Wert rauben, indem sie ihr ein falsches und unerreichbares Ideal vorenthalten. Wer die Realität der Vorstellung darin sieht, dass sie ein Unvorstellbares wiedergibt, wer somit die Schätzung des unmittelbaren Bekannten von einem schlechthin Unerkennbaren abhängig macht, der hat damit das Wissen aus seinen Angeln gehoben. Die Aufgabe der Philosophie aber besteht nicht darin, von einer im Voraus festgestellten metaphysischen Annahme aus die Wahrheit des empirischen Weltbildes zu kritisieren; vielmehr darf sie kein anderes

A. Der Fahrplan

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nehmenden Subjekt zu verankern, erweist sich vor diesem Hintergrund als stimmig.11 Sämtliche Bezugnahmen auf die Wirklichkeit sind nur von einem innerweltlichen Standpunkt aus sinnvoll, da ein ontologisch vorgegebenes Sein für den finiten Geist unerreichbar ist. Berkeleys Idealismus wird von zwei Merkmalen markiert. Zum einen sind Dinge keine independent existierenden Gegenstände, sondern sinnliche Perzeptionen und somit von einem perzipierenden Geist abhängig. Und zum anderen ist Realität von dem Erkenntnisvermögen des erkennenden Geistes immer mitbestimmt. Dazu eine längere Passage zur Verdeutlichung: From the principles we have laid down, it follows, human knowledge may naturally be reduced to two heads, that of ideas, and that of spirits. Of each of these I shall treat in order. And first as to ideas or unthinking things, our knowledge of these hath been very much obscured and confounded, and we have been led into very dangerous errors, by supposing a twofold existence of the objects of sense, the one intelligible, or in the mind, the other real and without the mind: whereby unthinking things are thought to have a natural subsistence of their own, distinct from being perceived by spirits. This which, if I mistake not, hath been shewn to be a most groundless and absurd notion, is the very root of scepticism; for so long as men thought that real things subsisted without the mind, and that their knowledge was only so far forth real as it was conformable to real things, it follows, they could not be certain that they has any real knowledge at all. For how can it be known, that the things which are not perceived, are conformable to those which are not perceived, or exist without the mind? (P § 86)

Auf der Suche nach sicherem Wissen verwirft Berkeley die Möglichkeit einer doppelten Existenzweise eines sinnlichen Gegenstandes, also einer intelligiblen im Geiste und einer absoluten, gegenständlichen außerhalb des Geistes. Eine Separation des perzipierten Gegenstandes in Erscheinungsweise und reales Sein ist nach Berkeley unmöglich zu leisten bzw. impliziert diese das Risiko, sicheres Wissen zu verlieren. Ein Vorrang von Berkeleys Philosophie besteht in der überwundenen Subjekt-Objekt-Spaltung: Es werden keine ontologisch divergierenden Reiche konstatiert, wodurch das Problem der Vermittlung virulent werden würde. Zur Untersuchung steht die Frage nach der Beschaffenheit von Realität mitsamt den in ihr wahrnehmbaren Gegenständen und auf welche Weise deren Erkenntnis erfolgt. Eine methodische Anmerkung sei vorweggenommen: Im vorliegenden Kapitel wird die Theologie vorläufig nachgestellt, da eine erste Annäherung an Berkeleys Terminologie im Fokus steht. Die Tiefe mancher Argumente, wie beispielsweise die Kritik am Materiebegriff wird jedoch erst unter Einbe-

Ziel kennen, als den Inhalt dieses Weltbildes selbst zur Klarheit und Selbstgewissheit zu erheben.“ (Hervorhebung im Original) 11 Auch wenn diese Erkenntnis für den Philosophen trivial anmutet, muss sie m.E. gerade in Hinblick auf die Vorgehensweise der Realwissenschaften in Erinnerung gerufen werden (vgl. etwa anthropologische Aussagen der aktuellen Hirnforschung).

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

zug des theologischen Horizonts deutlich, weshalb ein Rekurs auf die entsprechenden Argumente im weiteren Verlauf der Arbeit erfolgt.12 Dieses erste Kapitel Ontologie und Epistemologie ist in zwei große Teile untergliedert. Der erste Teil widmet sich Berkeleys berühmter Formel esse est percipi und beleuchtet anhand dieser Formel seine Ontologie mit Fokus auf den Ideenbegriff. Es wird sich zeigen, dass eine Subjekt-Objekt-Spaltung im Descartschen Sinne mittels dynamischer Relationen Überwindung erfährt. Mit diesen Vorarbeiten kann dann eine genauere Bestimmung von Berkeleys Immaterialismus im zweiten Teil erfolgen. Zunächst wird die Herausforderung, mit der Berkeley sich konfrontiert sieht, diagnostiziert, namentlich Atheismus und Skeptizismus, wodurch ein verständlicher Zugang für seine extravagant anmutende Realitätsauffassung ermöglicht wird. Darauf folgen seine Perzeptionstheorie zur Generierung von infallibler Erkenntnis und die Widerlegung materialistischer Realitätsinterpretationen. Eine Ergebnissicherung bildet den Abschluss.

B. Das Prinzip B. Das Prinzip

Berkeleys Ontologie folgt bei Betrachtung formaler Kriterien streng Ockhams Maxime, indem anhand der minimalen Anzahl von zwei Entitäten, Ideen (ideas) und Geister (minds), der Aufbau von Realität erklärt wird. Geister umfassen dabei finite Geister, also Menschen, und den einen infiniten Geist, sprich Gott. Die Differenzierung der Realität in zwei Entitäten gründet in der Intention, nur empirisch zugängliche Entitäten zu akzeptieren.13 Dahinter stehen zum einen das Bestreben, ein sicheres Fundament der Erkenntnis zu generieren und zum anderen die Demonstration von Gottes präsentischem Wirken. Von größter Relevanz ist der Hinweis, dass Geister und Ideen keine Polarität bilden, sondern durch den Akt der Wahrnehmung miteinander verbunden sind: Geister perzipieren Ideen. Die Existenz von Ideen ist nach Berkeley von einem Geist bzw. der Wahrnehmung durch diesen dependent. Diese einfach anmutende Relation kann auf die berühmte Formel esse est percipi bzw. esse est percipere gebracht werden. Das Diktum repräsentiert das, was man allgemein mit Berkeleys Denken identifiziert. Die kompakte Abfassung lässt eine simple Formel vermuten, die lediglich einer Deutung bedarf. In einem gewissen Sinne ist dieser Ansicht Recht zu geben, insofern die Formel die Grundzüge von Berkeleys Denken impliziert und mit wenigen Worten auszubuch12 Beispielsweise wird die Reichweite der Argumente gegen eine materielle Substanz erst in Berkeleys Geistlehre erfasst; auch die Frage nach der ersten Ursache findet im Kontext des Gottesbeweises letztgültige Beantwortung. 13 Was diese Methode für die Erkenntnis von Geistern bedeutet, wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen.

B. Das Prinzip

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stabieren ist. Andererseits bringt eine detaillierte Ausfaltung einen großen Spielraum an Deutungsvarianten mit sich, was die Vielzahl divergierender Interpretationen erklärt. Die Exegese der Formel und die damit einhergehende Schwerpunktsetzung sind folglich richtungsweisend für die Gesamtinterpretation Berkeleys.14 Nachfolgend wird eine Auslegung der Formel im Sinne einer ersten Approximation an Berkeley unternommen, mit der eine Skizze der Grundzüge seines Systems einhergeht. Eine bloße Identifikation von Sein mit Wahrnehmen gewährt noch keine Klärung von Berkeleys Realitätsauffassung, sondern lässt höchstens eine Richtung erahnen. Erst das Textstudium ermöglicht die Einsicht in die tatsächliche Tiefe der Formel und der entsprechenden Verknüpfungspunkte. Von Relevanz ist der Nachweis dieser Formel in den frühesten unpublizierten Notizbüchern (PC).15 Somit repräsentiert jene nicht das Resultat jahrelanger Forschung, sondern eine frühe Entdeckung, deren Konsequenzen Berkeley im Laufe seines Denkens fortwährend ausarbeitet. Die Etikette der Formel als the Principle in PC verdeutlicht die entsprechende Gewichtung.16 Insofern ist darin das Fundament von Berkeleys Immaterialismus enthalten, dessen Explikation und Untermauerung in anderen Schriften geleistet wird. Für die Auslegung ist Berkeleys Ansicht relevant, wonach das Prinzip nicht ausschließlich analytisch zu verstehen ist, sondern dessen Evidenz in jedem Moment des Daseins, d.h. in jedem Perzeptionsakt demonstriert werden kann. Die Beschreibung des relationalen Zusammenhangs von Gott, Mensch und Welt sowie die darin zugrunde liegende Dynamik reflektieren den Inhalt der Formel. Wirklichkeit existiert nicht an sich, wie in einem absoluten Realismus behauptet wird, sondern konstituiert sich aus Wahrnehmungsakten. Nun zur Darstellung dieses Prinzips, dessen kondensierte Variante in Principles § 1–7 zu finden ist.17

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Ergänzend ist auf den hermeneutischen Zirkel hinzuweisen, dem jede Interpretation unterliegt, da man immer mit Vorbedingungen an einen Text herangeht. Vgl. dazu H. G. Gadamer, Wahrheit und Methode, Tübingen 1960, 270ff. 15 Die lateinische Formel wird dort erstmalig und explizit im Kontext der Behauptung der sinnlichen Beschaffenheit von Welt verhandelt. 16 Vgl. etwa PC 285, 378f und 410f Die Bedeutung der Entdeckung beschreibt A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism. An account of the making of Berkeley’s Principles, London 1963, 88 (Hervorhebung im Original) eindringlich: „The discovery of the Principle esse est percipi, came first in time and in order of importance. It was the turning-point; all hinged on it. The discovery restored Berkeley’s self-confidence, and, like an injection, gave new life to his thought. It was a discovery, not a development; and the discoverer named it the Principle, because it was far more to him than a new notion with a Latin formula; he saw it as a creative principle, pulsing with life, like Aaron’s rod that budded.“ 17 Während P § 1–6 die Argumente darstellen, findet sich in P § 7 die Konklusion. Vgl. auch: D III: 236: „[T]here are only things perceiving, and things perceived […]“.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Some truths there are so near and obvious to the mind, that a man need only open his eyes to see them. Such I take this important one to be, to wit, that all the choir of heaven and furniture of the earth, in a word all those bodies which compose the mighty frame of the world, have not any subsistence without a mind, that their being is to be perceived or known […]. (P § 6)

Dieser wichtige Auszug zeigt den engen Zusammenhang zwischen Sein, also dem, was tatsächlich existiert, und Wahrgenommenwerden auf: Körper können nicht in sich selbst subsistieren, sondern supponieren als Existenzgrundlage einen perzipierenden Geist. Deren Sein besteht im Wahrgenommenwerden, was bedeutet, Realität existiert aufgrund der Wahrnehmung von Ideen durch einen Geist. Ohne einen Geist bzw. dessen Wahrnehmungsakt kann nichts existieren. Auffällig ist die Redeweise von Möbeln bzw. Einrichtungsgegenständen in der Welt. Die Verwendung dieser Metapher ist ein weiteres Indiz für Berkeleys lebensnahe Perspektive: Realität ist für den Menschen da, der darin sein Leben einrichtet. Dabei wird die Frage nach dessen Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Einrichtung in der Welt, d.h. der Auswahl der Möbel u.ä. virulent, die im Verlauf der Arbeit Beantwortung finden soll. Doch zurück zu einer ersten Annäherung an die Extension des komplexen Terminus Idee: Alles ist von der Wahrnehmung durch einen Geist dependent. Allem, was nicht Geist ist, kommt das Prinzip esse est percipi aut percipere zu.18 Unter Perzeption versteht Berkeley nicht nur die Wahrnehmung im Alltagsverständnis, sondern jene umfasst auch kognitive und sensorische Tätigkeiten, wie beispielsweise Denken, Vorstellen und Erinnern.19 Diese große Extension legt nahe, sich zunächst auf die sinnliche Wahrnehmung zu konzentrieren, insofern sich daran die Relation zwischen Geist und Sinnesideen am einfachsten darstellen lässt. Unter percipi ist, mit Fokus auf Sensationen, die direkte Wahrnehmung alltäglicher Gegenstände zu verstehen, was nicht mit einem Vernunftschluss zu verwechseln ist. Ein Blick in P § 3 belegt: „Their [unthinking things] esse is percipi.“ Das their bezieht sich auf nichtdenkende bzw. non-mentale Dinge, wodurch die zweistufige Ontologie Berkeleys offensichtlich wird. Ein Blick in den Text verdeutlicht die Implikation von zwei Bestandteilen des Prinzips: E Existence is percipi or percipere . the horse is in the stable, the Books are in the study as before. (PC 429)

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Nachfolgend abgekürzt als ep-Prinzip. Vgl. dazu die Definition von T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 13: to have before the mind. Insgesamt gibt es kontroverse Interpretationen, während A. A. Luce, Berkeley’s Immaterialism, London 1945 eine sehr weites Verständnis betont (61: esse est percipi aut posse percipi), wonach die Wahrnehmung sich sowohl auf mögliche als auch auf wirkliche Dinge bezieht, vertritt J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume. Central Themes, Oxford 1971, 137 das andere Extrem. 19

B. Das Prinzip

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Existenz besteht danach im Wahrgenommenwerden oder im Wahrnehmen, d.h. das Prinzip beinhaltet sowohl ein passives als auch ein aktives Element. Der erste, passive Teil spiegelt die Weise alles Seienden wider, d.h. das Dependenzverhältnis der Ideen zu einem Geist. Hinsichtlich der wahrnehmbaren Gegenstände, wie etwa einem Pferd im Stall oder den Büchern im Arbeitszimmer, kann man etwas nur dann Existenz zusprechen, wenn dieses perzipiert wird. Zugleich impliziert der Vorgang des percipi etwas, das die Fähigkeit zur Ausübung dieser Tätigkeit besitzt. Das Novum des Prinzips fundiert also darin, dass den erfahrbaren Gegenständen genau dann Sein und Bedeutung zukommt, wenn diese eine Relation zu einem Geist aufweisen. Existenz ist danach perzipierte Existenz, d.h. Sein besteht im Wahrgenommenwerden. Ontologische Fragestellungen rücken dabei Realität in den Blick, wie sie von finiten Geistern erfasst werden kann. Nach Berkeley gibt es kein ontologisch vorgegebenes Sein, auf das der Wahrnehmungsakt referiert, sondern sinnliche Perzeptionen werden relativ zum individuellen Standpunkt vereinigt. Das zweite Element der Formel expliziert die aktive Komponente, wodurch das Prinzip eine Erweiterung erfährt: esse est percipere. Mit dieser Erweiterung wird die Frage nach der Existenz finiter Geister ins Zentrum gestellt. Jeglicher Perzeptionsvorgang impliziert notwendig einen wahrnehmenden Geist, der selbst perzipiert und dadurch nicht nur das Sein erfahren kann, sondern auch seine eigene Existenz erlebt. Bei Akzeptanz der dargestellten Auffassung von existieren vermag allein dem Geist Substanz20 zugeschrieben werden, die nicht von dessen Denken abzusondern ist. Daher ist das esse ausschließlich auf den Geist zu beziehen. This perceiving, active being is what I call mind, spirit, soul or my self. By which words I do not denote any one of my ideas, but a thing entirely distinct from them, wherein they exist, or, which is the same thing, whereby they are perceived; for the existence of an idea consists in being perceived. (P § 2)

Die Aktivität von Geistern findet starke Betonung, insofern der Wahrnehmung von etwas Erschließungscharakter zukommt. Ideen sind nach Berkeley als Zeichen der Sprache Gottes zu verstehen, weshalb die Konklusion nahe liegt, Realität als Resultat geistiger Interaktion von Gott und Mensch zu verstehen. Berkeley intendiert damit keineswegs die Aufhebung der Schöpfung oder einer realistischen Position; vielmehr sieht er die Realität erst aufgrund der erhaltenden Tätigkeit Gottes in ihrem Sein bewahrt. Gottes Perzeption der Gegenstände ermöglicht deren Existenz auch dann, wenn sie von keinem finiten Geist perzipiert werden. Folglich ist Gott der Garant für die Existenz der Welt und fungiert nach Berkeley als einzig sinnvolle Begründung für einen 20 Der Begriff Substanz ist nach Berkeley nur im Hinblick auf den immateriellen Bereich, sprich Geister, sinnvoll zu verwenden. Die Konkretion des Bedeutungsgehalts wird ausführlich in Kapitel 3.3 verhandelt.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Realismus. Wenn ein sinnliches Objekt mit den sinnlichen Perzeptionen zu identifizieren ist, so ist damit die Erkennbarkeit von Realität gewährleistet. Die Perzeptionen garantieren nach Berkeley einen infalliblen Zugang zur Wirklichkeit, wie noch zu zeigen ist. Diese Wahrhaftigkeit der Wahrnehmungen lässt sich auch auf Gott anwenden, der die Welt aufgrund seiner Perzeptionen erhält. Gott ist nicht etwas Passives, das sich hinter der Welt verbirgt, sondern nimmt aktiv via Perzeptionen am Weltlauf teil und ist somit permanent erfahrbar. Die vorliegende Untersuchung verfolgt den Ansatz, Realität als Mitteilung Gottes zu verstehen, mit der sich der wahrnehmende Geist respektive der Mensch auseinandersetzen bzw. interpretieren muss. Das Prinzip lässt sich auf verschiedene Weisen zur Verhältnisbestimmung der Relation Geist – Ideen, je nach Schwerpunktsetzung, anwenden. Berkeley sieht darin eine Widerlegung materialistischer Auffassungen und zugleich drückt es seine Realitäts- und Sprachkonzeption aus. Ein Vorteil der Formel ist die intuitive Eingängigkeit, die zugleich die Gefahr von Missverständnissen in sich birgt: [P]lainest most obvious truths whereby to Demonstrate the Principle i.e that neither our Ideas nor any thing like our ideas can possibly be in an unperceiving thing. (PC 379) To be convinced of which, the reader need only reflect and try to separate in his own thoughts the being of a sensible thing from its being perceived. (P § 6)

Die Passage weist ausdrücklich darauf hin, das Prinzip nicht als ein metaphysisches Abstraktum zu verstehen, sondern stets einen Abgleich mit der eigenen Beobachtung hinsichtlich des Perzeptionsaktes sowie den Überzeugungen des Common Sense zu vollziehen.21 Laut Berkeley impliziert das Prinzip die

21 Als moderner Common Sense-Philosoph und, damit einhergehend, Metaphysikkritiker ist exemplarisch G. E. Moore, Eine Verteidigung des Common Sense. Fünf Aufsätze aus den Jahren 1903–1941, Frankfurt a.M. 1969 zu nennen, der Berkeley kritisiert. Moore sieht das ep-Prinzip als eine notwendige synthetische Aussage an, die er zu widerlegen anstrebt, wobei er die Unmöglichkeit dessen einräumt. Da Berkeley häufig auf den Common Sense referiert, wird dieser hier kurz umrissen. Berkeley gibt folgende Definition in A VI, 12, 241: „By common sense, I suppose, should be meant, either the general sense of mankind, or the improved reason of thinking men.“ Aus diesem Grund wird Common Sense nachfolgend im Sinne von gesunder Menschenverstand oder allgemein verbreitete Überzeugung verstanden, wodurch die praktische und die theoretische Komponente integriert sind. Anzumerken ist die bestehende Kontroverse, ob Berkeley diesen Begriff für sich in Anspruch nehmen darf. I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7), 15–56 unternimmt eine differenzierte Diskussion und argumentiert, Berkeley benutze den Common Sense-Begriff in Opposition zu materialistischen Weltanschauungen. Laut G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 183–234 kommt dem Common Sense nach Berkeley nur eine sehr geringe Rolle zu; dennoch führt er Argumente zur Verteidigung Berkeleys im Rahmen einer realistischen Interpretation an. Ähnlich dazu der Ansatz von K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 4 bezüglich der Annahme, Dinge besäßen unabhängig von der Wahrnehmung eines finiten Geistes Bestand. S.a. A. Kulen-

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offensichtlichste, von jedermann einsehbare Wahrheit. Auf diese hinführenden Sätze erfolgt im nächsten Kapitel eine Untersuchung des Berkeleyschen Ideenbegriffs, der für die Frage nach dem Sein der Realität unhintergehbare Bedeutung besitzt. I. Realität und Ideen 1. Annäherung an den Begriff Idee Die Gegenstände der Welt unter dem Begriff der Idee (idea) zu subsumieren, wirkt paradox, wenn man einer materiellen Weltsicht anhängt und dieser Objektivität zuschreibt. Bereits die Bezeichnung Idee, anstelle von beispielsweise materiellem Gegenstand, verwandelt die Weltsicht und erfordert eine Neudefinition alltagssprachlicher Konzepte zur Prävention von Missverständnissen.22 Berkeleys Ideenbegriff ist nicht mit einer Definition zu fassen, weshalb die Untersuchung von verschiedenen Perspektiven aus erfolgt. Eine umfassende Einholung der Extension bzw. die Füllung des Begriffs ergibt sich erst im Laufe der Auseinandersetzung mit seinem System. Wenn von Berkeley der im Empirismus gebräuchliche Term idea rezipiert wird, so ist dessen philosophiegeschichtlicher Bedeutungswandel mitzubedenken. Das Wort idea referiert weder auf eine platonische Idee im Sinne einer Entität noch auf eine reine Vernunfteinsicht. Dieser terminus technicus ist leicht misszuinterpretieren, da er aktualiter gewöhnlich im Gegensatz zur physikalischen Welt gebraucht wird.23 Bei Berkeley bedeuten Ideen soviel wie jegliche Vorstellung bzw. jeglicher Bewusstseinsinhalt sowohl begrifflich-rationaler als auch sinnlicher Art. Die weite Extension wird am deutlichsten, wenn man sich Berkeleys Aufteilung alles Seienden in zwei Entitäten, nämlich Geister und Ideen vor Augen führt; somit ist alles, was nicht der Entität Geist angehört, eine Idee. Damit integriert der Begriff auch die physikalische Welterfahrung. Das Konzept des Begriffs idea hat Berkeley in Anlehnung an John Locke entwickelt, der hinsichtlich erkenntnistheoretischer Überlegungen als ein Wegbereiter von Berkeleys Idealismus zu nennen ist. Deshalb erfolgt eine erste Annäherung via negativa, die seine Kritik an einem, zu kampff, Einleitung zu George Berkeley. Eine Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis, Hamburg 2004, xvi. 22 Aus sprachphilosophischer Perspektive sind Sprache und Sichtweise der Welt inseparabel, was anhand konträrer Ontologien wie Materialismus und Immaterialismus besonders deutlich wird; vgl. das berühmte Diktum von L. Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, in: Werkausgabe, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1984, 5.6., wonach die Grenzen meiner Sprache die Grenzen meiner Welt bedeuten. 23 Besondere Beachtung ist der Differenz zur deutschen Tradition des Idealismus zu schenken, die den Ideenbegriff im Sinne platonischer Allgemeinbegriffe versteht. Vgl. K. Neumann, „Idee IV.“, in: J. Ritter/K. Gründer (Hgg.), HWP, Bd. 2, Darmstadt 1976, Sp. 113– 134.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

seiner Zeit gängigen Ideenkonzept illuminiert.24 Das Ideenverständnis Lockes wird 1690 im Essay concerning human understanding publiziert, d.h. zeitgleich zu Berkeleys Aufnahme seines Philosophiestudiums. Als gemeinsamer Grundsatz der beiden Denker ist die Fundierung jeglicher Erkenntnis in der Empirie zu nennen, was einen Primat der Sinne gegenüber dem Verstand impliziert. Locke beschreibt Ideen: „Whatsoever the Mind perceives in it self, or is immediate object of Perception, Thought, or Understanding, that I call Idea.“25 Ideen sind also die Totalität der unmittelbaren Inhalte oder Gegenstände des Bewusstseins. Alles, was der Geist in sich beobachtet ist als Idee zu verstehen. Ideen existieren nach Locke im Geist, wodurch eine Differenzierung gegenüber extramentalen Dingen gegeben ist.26 Nach Locke sind Ideen real und wahr; sie fungieren als Fundament menschlicher Erkenntnis und sind infallibel, d.h. frei von Sinnestäuschungen. Als Ursprungsort der Ideen bestimmt er zum einen die sinnliche Erfahrung (sensation) und zum anderen die innere Erfahrung im Sinne eines Bewusstseins über eigene Gedanken, Wahrnehmungen u.ä. (reflection). Die innere Erfahrung erhält ihre Inhalte nicht von extramentalen Gegenständen, sondern vom Geist selbst. Dennoch ist Locke kein Vertreter des sog. Innatismus, der Vorstellung angeborener Ideen;27 vielmehr widmet er das gesamte erste Buch seines Essays der Widerlegung dieser Konzeption, wobei die berühmte Passage vom menschlichen Geist, der einem unbeschriebenen Blatt Papier gleiche, in Erinnerung zu rufen ist.28 Die Denktätigkeit des eigenen Geistes ist mittels Reflexion wahrnehmbar und zugleich ermöglicht dieser Akt das Entfernen subjektiver Elemente. Solchen Denkakten eignet keine schöpferische Macht, sondern lediglich das Vermögen zur Verknüpfung einfacher Ideen (simple ideas), was die 24 Unter via negativa ist zunächst eine Reduktion der Gegenposition auf das Wesentliche zu verstehen, um von da aus eine Abgrenzung zu Berkeley zu vollziehen. 25 Essay II, 8, 8; sowie Essay I, 1, 8: „It being that Term, which, I think, serves best to stand for whatsoever is the Object of the Understanding when a Man thinks, I have used it to express whatever is meant by Phantasm, Notion, Species, or whatever it is, which the Mind can be employ’d about in thinking […]“. 26 Eine Nähe zum cartesischen Substanzdualismus ist aus diesem Blickwinkel evident. 27 Die Theorie der sog. ideae innatae findet sich in R. Descartes, Meditationes, in: Oeuvres de Descartes, hg. von Ch. Adam/P. Tannery, Bd. VII, Paris 1973, 3. Meditation, 37f Kritik an Lockes Widerlegung übt R. Sporbert, Der Gottesbegriff Lockes und Berkeleys, Dresden 1910, 17. 28 Essay II, 1, 2: „Let us then suppose the Mind to be, as we say, white Paper, void of all Characters, without any Ideas; […] in one word, From Experience: In that, all our Knowledge is founded; and from that it ultimately derives it self. Our Observation employ’d either about external, sensible Objects; or about the internal Operations of our Minds, perceived and reflected on by our selves, is that, which supplies our Understandings with all the materials of thinking. These two are the Fountains of Knowledge, from whence all the Ideas we have, or can naturally have, do spring.“

B. Das Prinzip

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Generierung komplexer Ideen (complex ideas) nach sich zieht.29 Diese zunächst einfach anmutende Beschreibung des Erkenntnisvorgangs bringt einige Schwierigkeiten mit sich: For whensoever we would proceed beyond these simple Ideas, we have from Sensation and Reflection, and dive farther into the Nature of Things, we fall presently into Darkness and Obscurity, Perplexedness and Difficulties; and can discover nothing farther, but our own Blindness and Ignorance. (Essay II, 23, 32)

Die Transgression der sinnlichen Erfahrung, der Übergang von simple ideas zu complex ideas, impliziert allerdings eine Verdunkelung von Erkenntnis. Daraus erklärt sich die empiristische Sicht auf Realität, wonach sichere Erkenntnis auf mentale Inhalte limitiert ist und allein aus der Empirie generiert werden kann. Eine vom Mentalen independent existierende Welt, im Sinne einer Akkumulation einfacher Ideen, kann nicht sicher gewusst werden. Die Theorie, die Sinne als maßgebliches Erkenntnisorgan anzusehen, lässt Locke als Begründer des Empirismus gelten. Inwieweit Berkeley diese Konzeption von Ideen übernimmt bzw. ablehnt, wird nachfolgend eruiert.30 Festzuhalten ist vorab, dass Berkeley die angesprochenen Probleme von Locke aufnimmt und mit einem entsprechenden Bewusstsein bearbeitet. Von grundsätzlicher Bedeutung für Berkeleys Theorie ist der Sachverhalt, dass Ideen die einzigen extramentalen Erkenntnisgegenstände sind. Damit vermeidet er eine kategoriale Differenzierung der Realität, wie sie bei seinen Vorgängern üblich war. Als Gegenstand menschlicher Erkenntnis führt Berkeley Ideen im ersten Paragraphen von P ein: It is evident to any one who takes a survey of the objects of human knowledge, that they are either ideas actually imprinted on the senses, or else such as are perceived by attending to the passions and operations of the mind, or lastly ideas formed by help of memory and imagination […]. (P § 1)

Danach gibt es drei verschiedene Arten von Ideen: Ideen der Sinneswahrnehmung, Ideen, die aus der Betrachtung geistiger Operationen generiert werden und Ideen, die mithilfe von Erinnerung- und Vorstellungsvermögen vom finiten Geist selbständig geformt werden.31 Bei Verwendung des Terms Idee hat Berkeley vornehmlich die Sinnesideen im Blick, die mit perzipierbaren Qualitäten zu identifizieren sind und mit denen der Geist permanent konfrontiert wird. Dieser zentrale Aspekt wird ausführliche Behandlung hinsichtlich Berkeleys Verständnis von Gegenständen erfahren. Die Differenzierung von Vor29

Damit vertritt Locke einen Begriffsempirismus, wonach Erfahrung propositional bestimmt ist, und einen Urteilsempirismus, d.h. der Frage nach der Existenz synthetischapriorischer Erkenntnisse. Die entprechende Kritik findet hier keine Beachtung. 30 Berkeley wird von J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (Anm. 47) und in abgeschwächter Form von I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7), als sich abgrenzend gegenüber Locke gelesen. 31 Vgl. PC 823.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

stellungsideen gegenüber sinnlichen Ideen soll zugleich die Unterscheidung von Imagination und Wirklichkeit gewährleisten. Die Differenz besteht darin, dass erstere von finiten Geistern hervorgebracht werden können, während letztere allein Gottes Willen obliegen. Als Demarkationsmerkmal erläutert Berkeley: The ideas imprinted on the senses by the Author of Nature are called real things: and those excited in the imagination being less regular, vivid and constant, are more properly termed ideas, or images of things, which they copy and represent. (P § 33)

Damit wird der Affektion via Sinnesideen, die vom Autor der Natur respektive Gott evoziert werden, eine stärkere Kraft zugesprochen, weshalb diesen auch die Bezeichnung reale Dinge zukommt. Hingegen werden Vorstellungen als weniger geregelt, lebendig und konstant erfahren. Die Extension des Begriffs ist dahingehend zu verfeinern, Ideen als eine Art Gegenstand bestimmter Operationen des Geistes zu beschreiben, wobei als mentale Prozesse vorab das Denken und Wollen zu nennen sind. Der Begriff Gegenstand wird hier aufgrund seiner weiten Extension verwendet; doch genau genommen besteht eine nur schwer zu lösende Verwobenheit zwischen operans und operandum.32 Indem man Ideen als geistige bzw. gedankliche Gegenstände versteht, impliziert dies eine Gerichtetheit des Geistes; der Geist besitzt eine Intention, aufgrund derer er eine Idee zur Kenntnis nimmt.33 Die Gerichtetheit des Geistes ist nicht außer Acht zu lassen, da jeder Sinneseindruck einer Aufmerksamkeit des Geistes bedarf. Dabei ist die Extension von Gegenstand noch ungeklärt, also ob damit ein extramentaler, realiter existierender Gegenstand gemeint ist, wie es die Alltagssprache suggeriert, oder ob es sich ausschließlich um einen individuellen Sinneseindruck handelt, der keine vollkommen losgelöste Existenz beanspruchen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt mag diese Unterscheidung mehr Fragen aufwerfen als eine befriedigende Antwort hinsichtlich eines Kriteriums zu geben. Wichtig ist vorerst, dass Berkeley den Ideenbegriff in sich noch einmal differenziert, mithilfe der lebendigen, geregelten Ideenabfolge eine direkte Bezugnahme auf die Wirklichkeit zu begründen sucht und aus diesem Grund Indizien für einen realistischen Interpretationsversuch vorliegen. Die Wahl des Terminus idea verdeutlicht die wesentliche Relation alles Seienden zum Geist, insofern der Geist die Ideen perzipiert und mit diesen aktiv umgeht. Bei genauer Überlegung vermag wohl kein anderer Begriff Berkeleys methodischen Ansatz, alles in Dependenz zu einem

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Eine erste Unschärfe, mit der Berkeley ringt, wird deutlich, insofern unklar ist, inwieweit der Perzeptionsvorgang mentale Operationen inkludiert. T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (Anm. 9), 89 sieht Ideen synonym zu object of immediate perception. 33 Die Beschreibung intentional object findet sich u.a. bei M. R. Ayers, „Are Locke’s Ideas ‚Images‘, Intentional Objects or Natural signs?“, in: Locke Newsletter 17 (1986), 3–36, 19.

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Geist zu sehen, besser zu explizieren.34 Damit tritt zugleich die Aktivität des Geistes, die der Passivität der Ideen gegenübersteht, zutage. All our ideas, sensations, or the things which we perceive, by whatsoever names they may be distinguished, are visibly inactive, there is nothing of power or agency included in them. So that one idea or object of thought cannot produce, or make any alteration in another. […] A little attention will discover to us that the very being of an idea implies passiveness and inertness in it, insomuch that it is impossible for an idea to do any thing, or, strictly speaking, to be the cause of any thing. (P § 25)

Folglich vermag ein finiter Geist via Perzeption die Passivität von Ideen und somit deren kausale Ineffizienz zu erfassen. Ideen sind offensichtlich nicht aktiv, weshalb diesen weder Kraft noch Handlungsvermögen zuzuschreiben ist. Qualitäten wie Ausdehnung oder Bewegung können aufgrund der bestehenden Passivität nicht die Ursache von Ideen oder etwas anderem sein. Als weiteres Charakteristikum wird neben der Passivität und Dependenz die Similarität genannt: „[A]n idea can be like nothing but an idea“ (P § 8). Berkeleys Ansicht nach kann eine Idee immer nur einer Idee ähnlich sein und folglich gibt es keine Ähnlichkeitsrelation zwischen den zwei unterschiedlichen Entitäten Geist und Ideen.35 Dieses Charakteristikum besitzt besonders im Hinblick auf die Demarkation zu Locke Bedeutung. Für die unmittelbar perzipierten Ideen gilt weiterhin das Prädikat der Transparenz, denn eine Idee kann keinen anderen Inhalt enthalten, als den, welchen sie verkörpert: HYLAS. Upon inquiry, I find it impossible for me to conceive or understand how any thing but an idea can be like an idea. (D I: 206)

Die Transparenz einer Idee impliziert deren Einsehbarkeit, womit nach Berkeley deren Konsistenz einhergeht. Kontradiktionen entstehen erst auf der sprachlichen Ebene, weil die Kombination von Perzeptionen eine mentale Tätigkeit erfordert, die eine potentielle Fallibilität umfasst, wie noch in extenso demonstriert wird. Ideen stellen die einzige Option der Erfassung einer extramentalen Welt dar. Die herausgearbeiteten Charakteristika garantieren eine sichere Wahrnehmung der Realität, da jegliches Wissen und Denken auf diesen real existierenden Wesenheiten gründet. Bei den perzipierten Ideen handelt es sich weder um private Schöpfungen noch eigenständige Substanzen. Vielmehr sind Ideen als Qualitäten für einen Geist und in Dependenz zu 34 S.a. D III: 235f: „PHILONOUS. I own the word idea, not being commonly used for thing, sounds something out of the way. My reason for using it was, because a necessary relation to the mind is understood to be implied that term; and it is now commonly used by philosophers, to denote the immediate objects of the understanding.“ 35 Das Charakteristikum der Ähnlichkeit von Ideen wird in der Literatur allgemein als Likeness Principle verhandelt; diese Bezeichnung geht zurück auf P. D. Cummins, „Berkeley’s Likeness Principle“, in: C. B. Martin/D. M. Armstrong (Hgg.), Locke and Berkeley. A Collection of Critical Essays, New York 1968, 353–363. Vgl. weiterhin K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 141ff.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

diesem zu verstehen. Mittels Reflektion auf die Gedanken, den Willen oder die Imagination kann erfahren werden, wie der eigene Geist Ideen evozieren, umformen und in diesem eingeschränkten Sinne auch verursachen kann. Dass sich Ideen im Geist befinden, bedeutet deren ontologische Dependenz vom Geist, d.h. Ideen sind distinkt und extramental. Aus diesem Grund ist existence in the mind vorerst als unmittelbare Wahrnehmung eines Geistes zu verstehen.36 Die ab extra kommenden, also nicht eigenmächtig evozierten Sensationen bedürfen eines machtvolleren Geistes. Der finite Geist besitzt keine Schöpferfähigkeit, sondern hat lediglich Einfluss auf den Umgang mit den einströmenden Sinnesideen. Für die extramentale Existenz von Dingen beruft Berkeley weiterhin die Schöpfung in den Zeugenstand: „The Creation therefore I allow to have been a creation of things, of real things.“ (D III: 251) Damit wurden die zentralen Charakteristika von Ideen benannt. Im Anschluss sei die Frage verhandelt, wie nach Berkeley ein alltäglich perzipierbarer Gegenstand zu verstehen ist. 2. Dinge als Ideenbündel Die bisherigen Aussagen legen eine Verortung Berkeleys zu einem direkten Realismus nahe, wobei in seinem System die unmittelbar perzipierten Ideen ontologisch dependent zum wahrnehmenden Geist sind. In diesem Kapitel erfolgt eine Untersuchung der realen Dinge in Berkeleys immaterialistischer Welt.37 Diese Ausführungen sind von besonderer Relevanz, insofern das adäquate Verständnis von Berkeleys Dingen ein Schlüssel zu seinem Immaterialismus ist. Die Beschaffenheit der Dinge ist unauflösbar mit der Interpretation der Ideen verknüpft, da die extramentale Realität ausschließlich aus Ideen besteht und die Perzeption von Dingen mit der Wahrnehmung von Ideen zu identifizieren ist. Es wird sich zeigen, dass Berkeley die Existenz von Dingen 36 Das übernehme ich in Anschluss an T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (Anm. 9), 89, die jedoch Wahrnehmung als bewusstes Bewusstsein (conscious awareness) von Objekten versteht. 37 Objekt in der Übersetzung heißt das entgegen-Geworfene, wodurch eine gewisse Gleichwertigkeit gegenüber dem Subjekt zum Ausdruck kommt. Berkeleys Sprachgebrauch, der diese Begriffe vermeidet, verdeutlicht eine Überwindung dieser Spaltung, da dem Geist eine klare Hegemonie gegenüber den Ideen zukommt. In diesem Kontext ist auf die Kontroverse hinsichtlich der Frage hinzuweisen, ob Berkeley als Monist oder Dualist gelten kann. Während er im deutschsprachigen Raum vornehmlich als Monist aufgrund seines ontologischen Immaterialismus eingeordnet wird, herrscht im anglo-amerikanischen Raum überwiegend eine dualistische Interpretation vor, die sich auf die Anzahl von zwei Entitäten beruft. Meines Erachtens ist diese Frage ein Definitionsproblem, denn eine Minimalanzahl von zwei Entitäten ist notwendig, um überhaupt Aussagen über Realität treffen zu können: Ein Hintergrund ist die notwendige Voraussetzung für konkrete Erkenntnisse. Insofern Berkeley nur eine immaterielle Substanz postuliert und die Entität Ideen in Dependenz zu diesen steht, präferiere ich die Bezeichnung Monismus.

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durchaus akzeptiert, deren absolute, geistindependente Existenz jedoch negiert. Aus dieser Annahme ist die Hervorbringung derselben durch den wahrnehmenden Geist nicht zu deduzieren. Die unmittelbare Wahrnehmbarkeit von Dingen rechtfertigt die Behauptung eines direkten Realismus, wobei ein epistemologischer Idealismus nicht aufgegeben werden muss, denn: „Ideas imprinted on the senses are real things, or do really exist.“ (P § 90) Expliziert wird die unhintergehbare Dependenz der Dinge von einem Geist anhand von Berkeleys Aufhebung der Differenz primärer und sekundärer Qualitäten. Berkeley rekurriert bewusst auf den Begriff idea anstelle von thing. Diese Terminologie begründet er erstaunlicherweise mit dem allgemeinen Sprachgebrauch und schreibt den Philosophen eine Verkehrung der Bedeutung zu. If it be demanded why I make use of the word idea, and do not rather in compliance with custom call them things. I answer, I do it for two reasons: first, because the term thing, in contradistinction to idea, is generally supposed to denote somewhat existing without the mind: secondly, because thing hath a more comprehensive signification than idea, including spirits or thinking things as well as ideas. Since therefore the objects of sense exist only in the mind, and are withal thoughtless and inactive, I chose to mark them by the word idea, which implies those properties. (P § 39)

Zwei Aspekte moniert Berkeley hinsichtlich des Ding-Begriffs: Zum einen wird eine bestimmte Assoziation bei Benutzung desselben erweckt, weil ein Ding den Gedanken an etwas Eigenständiges, an sich Seiendes aufkommen lässt, während Idee eine Relation zum Geist impliziert. Zum anderen schreibt Berkeley dem Dingbegriff eine größere Extension zu, die auch Geister zu integrieren vermag und folglich ontologische Differenzen nivelliert. Zugunsten eines präziseren Sprachgebrauchs präferiert er den Ideenbegriff. Zu prüfen ist nun, ob Berkeleys zweistufige Ontologie zur Anwendung des Ideenbegriffs sowohl bei Eigenschaften als auch bei Dingen berechtigt ist: That a thing should be really perceived by my senses, and at the same time not really exist, is to me a plain contradiction; since I cannot prescind or abstract, even in thought, the existence of a sensible thing from its being perceived. Wood, stones, fire, flesh, iron, and the like things, which I name and discours of, are things that I know. And I should not have known them, but that I perceived them by my senses; and things perceived by the senses are immediately perceived; and things immediately perceived are ideas […]. (D III: 230)

Von den alltäglich wahrnehmbaren Gegenständen, wie etwa Holz, Steine oder Feuer, besitzt der Geist ein Wissen aufgrund der unmittelbaren Wahrnehmung; d.h. die perzipierten Qualitäten sind das Gebilde. Die perzipierten Ideen sind nicht Ideen von etwas, sondern die Dinge selbst. Die Differenzierung zwischen unmittelbar wahrgenommenen Sinneseindrücken und sinnlich wahrnehmbaren Objekten wird aufgehoben.38 Mit der Identität von Dingen 38 D III: 244f: „PHILONOUS. What you call the empty forms and outside of things, seems to me the very things themselves. Nor are they empty or incomplete otherwise, than upon your supposition, that matter is an essential part of all corporeal things. We both there-

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

und Ideen strebt Berkeley die Vermeidung eines Skeptizismus an. Dennoch scheint es einen Unterschied zwischen Dingen und einzelnen Sinneseindrücken zu geben, den bereits die alltagssprachliche Differenz bezeugt. Berkeley kommt dieser Unterscheidung nach, indem er gewöhnliche Gegenstände als eine (An-)Sammlung bzw. Bündel verschiedener Ideen versteht (collections of ideas, combinations, congeries).39 Dinge sind ein Konglomerat von Eigenschaften, das sich aus den tatsächlich perzipierten Ideen zusammensetzt. Die Kombination der Eigenschaften ist nicht arbiträr, sondern aufgrund beobachtbarer Korrelationen und Koexistenzen systematisch. Diese Systematik erlaubt die Bezeichnung ähnlicher Bündel mit demselben Namen. Dinge sind weder abstrakte noch komplexe Ideen, da eine Hierarchisierung der Ideen für die Gewähr einer direkten, infalliblen Perzeption unbedingt zu unterlassen ist. Anhand eines Apfels erklärt Berkeley paradigmatisch den Perzeptionsvorgang.40 By sight I have the ideas of light and colors with their several degrees and variations. By touch I perceive, for example, hard and soft, heat and cold, motion and resistance, and of all these more and less either as to quantity or degree. Smelling furnishes me with odours; the palate with tastes; and hearing conveys sounds to the mind in all their variety of tone and composition. And as several of these are observed to accompany each other, they come to be marked by one name, and so to be reputed as one thing. Thus, for example, a certain colour, taste, smell, figure, and consistence having been observed to go together, are accounted one distinct thing, signified by the name apple. (P § 1)

Diese Passage, die zugleich den Anfang des Haupttextes von P bildet, verdeutlicht den komplexen Charakter der Perzeption eines Apfels. Ein Apfel vereint in sich unterschiedliche Qualitäten, was in deren Synthese als ApfelDing, d.h. einer Zusammensetzung aus visuellen, haptischen und geschmacklichen Ideen mündet: Eine Synthese singulärer Sinnesideen erfährt durch eifore agree in this, that we perceive only sensible forms: but herein we differ, you will have them to be empty appearances, I real beings. In short you do not trust your senses, I do.“ 39 Eine Differenzierung dieser verschiedenen Termini ist nicht zu erkennen. Vgl. D I: 175; P § 1 und 38. Anders K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 172, Anm. 2. 40 Ein weiteres Beispiel ist die anschauliche Analyse der Wahrnehmung einer Kirsche in D III: 249: „I see this cherry, I feel it, I taste it: and I am sure nothing cannot be seen, or felt, or tasted: it is therefore real. Take away the sensations of softness, moisture, redness, tartness, and you take away the cherry. Since it is not a being distinct from sensations; a cherry, I say, is nothing but a congeries of sensible impressions, or ideas perceived by various senses: which ideas are united into one thing (or have one name given them) by the mind; because they are observed to attend each other. Thus when the palate is affected with such a particular taste, the sight is affected with a red colour, the touch with roundness, softness, &c. Hence, when I see, and feel, and taste, in sundry certain manners, I am sure the cherry exists, or is real; its reality being in my opinion nothing abstracted from those sensations. But if by the word cherry you mean an unknown nature distinct from all those sensible qualities, and by its existence something distinct from its being perceived; then indeed I own, neither you nor I, nor any one else can be sure it exists.“

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nen Namen eine Organisation auf der sprachlichen Ebene.41 Nach welcher Ordnung die jeweiligen Eigenschaften eines Dings perzipiert werden, ist für Berkeley irrelevant. Allerdings ist die Menge der Ideen, die einen Gegenstand konstituiert, nicht beliebig variabel: Eine Systematik der Ansammlung bestimmter, kovariierender Ideen ist für die Erkenntnis eines Dings notwendig, was sich auch in der Sprache widerspiegelt. Aus der Perzeption systematischer Relationen hinsichtlich der Sukzession von Ideen erfolgt deren Zusammenfassung in Dinge; bereits sprachpragmatische Gründe erfordern diesen Akt.42 Für die Erkenntnis eines Apfels ist die Wahrnehmung sämtlicher potentieller Qualitäten nicht notwendig.43 Ein Apfel wird dadurch zu einem Apfel, dass er von einem Geist als solcher perzipiert und bezeichnet wird, wobei der perzipierte Sinneseindruck im Gegensatz zur sprachlichen Bezeichnung nicht anfechtbar ist. Damit findet das Phänomen potentiell divergierender Wahrnehmungen eines Gegenstandes Erklärung. Eine rein subjektive Beschreibungsperspektive schließt ein sinnvoller Sprachgebrauch aus, insofern die Verwendung eines Wortes immer an eine Sprachgemeinschaft rückgebunden ist. Vermutlich könnte niemand alle möglichen Eigenschaften eines Apfels angeben, und doch ist im Alltag eindeutig, welchem Ding die Bezeichnung Apfel zukommt. Interessant ist die Frage, ob Berkeleys systematischer Rahmen auch Fehler zu integrieren vermag. Angenommen jemand bezeichnet einen Gegenstand als Birne, während jemand anderes diesen als Apfel identifiziert: Die Perzeptionen selbst (grün, rundlich etc.) sind nicht angreifbar; die Zuschreibung Birne ist auf der sprachlichen Ebene zu lokalisieren, die keinen unmittelbaren und somit infalliblen Bezug zum Sinneseindruck besitzt. Auf dieser sprachlichen Ebene sind folglich falsche Zuschreibungen möglich. Die Sinnesideen können hingegen keiner Täuschung unterliegen, denn die wahrgenommenen Qualitäten sind der wahrgenommene Gegenstand.44 Der Nexus zur sprachlichen Ebe41 Interessant ist der Einbezug von Kripkes Ansatz, wonach auch starre Designatoren (rigid designators) auf Eigenschaften basieren, die empirisch (a posteriori) aufgefunden werden. Vgl. S. A. Kripke, Name und Notwendigkeit, Frankfurt a.M. 1981, 43–49. 42 „Wir behaupten mit vollem Rechte, dass die Gegenstände, auch außerhalb des jeweiligen Wahrnehmungsaktes existieren; aber wir setzen sie damit nicht außer jeglicher Beziehung zum Bewusstsein, sondern sprechen damit nur die Erwartung möglicher Perzeptionen aus, die sich unter bestimmten Bedingungen für uns realisieren können.“ Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (Anm. 23), 291f (Hervorhebung im Original). 43 S.a. T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 37 (Hervorhebung im Original): „No one is ever confronted with a complete object (= collection of ideas); we do have sense experience of everyday objects, though strictly speaking we only ever see part of them.“ 44 Aufgrund der Identität von Sinnesideen mit dem Ding wird die Frage nach dessen intersubjektiver Identität virulent: Genau genommen können zwei Personen niemals denselben Gegenstand (im strengen, logischen Sinne) wahrnehmen. Vgl. dazu D III: 247f: „HYLAS. But the same idea which is in my mind, cannot be in yours, or in any other mind. Doth it not therefor follow from your principles, that no two can see the same thing? And is not this

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

ne ist folgender: Einige infallible Sinnesideen verleiten zu einer Identifikation des perzipierten Ideenbündels mit einer Birne, d.h. aus den infalliblen Sinnesideen resultiert eine falsche sprachliche Zuschreibung. Eine falsche Bezeichnung besitzt jedoch keinen Einfluss auf die wahren sinnlichen Eindrücke. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass eine Identität von wahrgenommenen Ideen mit dem jeweiligen Ding als Ideenbündel die Behauptung der Infallibilität der Perzeptionen gewährleistet. Von manchen Interpreten wird die Meinung vertreten, Ideenbündel seien auf einer anderen ontologische Ebene zu verorten als die wahrgenommenen Qualitäten, die als partikulare Ideen interpretiert werden.45 Danach sind Dinge nur vermittelt perzipierbar, was auf der Differenzierung zwischen der direkten Wahrnehmung von Qualitäten und der indirekten Wahrnehmung, beispielsweise der Synthetisierung von Eigenschaften zu einem bestimmten Ding, beruht. Diese Interpretation erscheint zunächst plausibel, insbesondere weil die Unterscheidung zur Sprachebene aufgenommen wird. Damit findet Berkeleys These Anerkennung, dass der kognitive Gehalt von der Menge der Eigenschaften bestimmt wird.46 Ein Blick in die Texte bezeugt allerdings widersprüchliche Aussagen. An manchen Stellen schreibt Berkeley, ausschließlich Qualitäten seien direkt wahrnehmbar – wobei die Existenzannahme von real things aufrechterhalten bleibt –, während gleichzeitig Textpassagen für eine highly absurd? PHILONOUS. If the term same be taken in the vulgar acceptation, it is certain […] that different persons may perceive the same thing; […] Let us suppose several men together, all endued with the same faculties, and consequently affected in like sort by their senses, and who had yet never known the use of language; they would without question agree in their perceptions. Though perhaps, when they came to the use of speech, some regarding the uniformness of what was perceived, might call it the same thing: others especially regarding the diversity of persons who perceived, might choose the denomination of different things. But who sees not that all the dispute is about a word? to wit, whether what is perceived by different persons, may yet have the term same applied to it?“ Das bezeugt die Trennung der sprachlichen Konstruktionsebene (same), die so nicht perzipierbar ist. Insgesamt erinnert dieses Realitätsbild an Heraklit, dem zufolge man niemals in denselben Fluss steigen kann. 45 T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 38 betont den Unterschied zwischen ideas und Dingen, den collections of ideas: „[W]e shall see that many of Berkeley’s arguments can be properly appreciated only if we are clear about whether we are talking about ideas or things (= collections of ideas). Also, it will turn out that along with the epistemological distinction, Berkeley has a rather different attitude to the reality of what we know in the two cases.“ Ähnlich G. Pitcher, „Berkeley on the Perception of Objects“, JHP 24 (1986), 99–105 und K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5). S.a. R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), 221: „[C]ollections are not immediately perceived, they are made.“, 36 wirft hingegen Berkeley vor, die Dinge selbst entfernt zu haben: „That is to say, Berkeley removed things themselves from the three terms (things themselves, ideas, and the mind) that compose the framework of Locke’s theory of ideas, and left the other two (ideas and the mind).“ 46 Vgl. K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 198.

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direkte Wahrnehmung von Dingen sprechen. Letztlich überwiegen die Befunde für eine Interpretation der Gleichwertigkeit von Dingen und Ideen. Besonderes Gewicht ist der bereits zitierten Aussage zuzumessen, wonach Berkeley nicht Dinge zu Ideen, sondern Ideen zu Dingen machen will. Weiterhin betont Berkeley im ersten Dialog: „PHILONOUS. Sensible things therefore are nothing else but so many sensible qualities, or combinations of sensible qualities.“ (D I: 175) Das, was ein Ding zu einem Ding konstituiert, ist keine primäre Qualität (z.B. Ausdehnung), sondern dessen Wahrnehmbarkeit. Dinge sind gerade keine extramentalen Substanzen, sondern Bündel perzipierter Qualitäten. Eine ontologische Trennung der Dinge von sinnlichen Eindrücken würde die Wahrnehmung bzw. Erkenntnis der Welt auf ein unsicheres Fundament stellen bzw. Berkeleys Unterfangen zur Behebung eines unvermittelten Dualismus wäre gescheitert.47 Nach Berkeleys immaterialistischem Ansatz sind die Gegenstände unmittelbar gegeben: Wahrnehmungsakt und Wahrnehmungsobjekt fallen zusammen und sind nicht mehr separierbar.48 Berkeley führt als Vorteil seiner Theorie die Zugänglichkeit der Qualitäten von Dingen an, die an sich seienden Objekten gegenübersteht. Insofern ist es erkenntnistheoretisch sinnvoll, von den Sinnesideen auszugehen.49 Wie gezeigt wurde, besteht zwischen Bündeln von Eigenschaften und dem wahrgenommenen Ding keine ontologische Differenz. Der im Common Sense vorhandene Unterschied existiert lediglich auf der sprachlichen Ebene und wird an anderer Stelle von Berkeley aufgehoben: „[I]deas, or those things that are 47 Obwohl R. Schumacher, „Berkeley über die Wahrnehmung von Eigenschaften und Dingen“ (Anm. 5), 75f für die Konsistenz der Behauptung, Dinge seien direkt wahrnehmbar, argumentiert, konstatiert er einen Skeptizismus: „Wenn wir uns manchmal hinsichtlich der Wahrnehmung von Dingen irren können, wie lässt sich dann rechtfertigen, dass dies nicht beständig der Fall ist? Dieses skeptische Problem ist aber nicht allein für Berkeleys Position charakteristisch, vielmehr stellt es sich für jede erkenntnistheoretische Position, die die Fallibilität der epistemischen Wahrnehmung von Dingen anerkennt. Da es zur Anerkennung dieser Fallibilität keine überzeugende Alternative gibt, besteht dieses Problem also für alle ernstzunehmenden erkenntnistheoretischen Ansätze.“ (Hervorhebungen im Original). Laut K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 305f hat Berkeley deswegen keinen Vorteil gegenüber der Skepsis: Beide haben mit demselben Problem zu kämpfen. 48 Dass Berkeley keine Differenzierung zwischen Wahrnehmung und Wahrnehmungsakt vornimmt ist von B. Russell, The Problems of Philosophy, London 1912, 65ff stark kritisiert worden. Seiner Ansicht nach untergräbt Berkeley damit eine wesentliche Erkenntnisleistung des menschlichen Verstandes, die darin besteht, etwas von diesem selbst Verschiedenes zu erkennen. 49 K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 178f erläutert meines Erachtens den Zusammenhang von Dingen und Ideen im Sinne Berkeleys: „In gewisser Weise behält Berkeley den alltäglichen Begriff des sinnlich wahrnehmbaren Dings bei und verwirft einen philosophischen Begriff der Idee. Denn er hält an der Vorstellung des Commonsense von sinnlich wahrnehmbaren Dingen als eben den Dingen fest, die wir sehen, fühlen, riechen usw., und folgt der Auffassung des gewöhnlichen Menschen auch darin, dass die Dinge die Eigenschaften besitzen, die wir an ihnen wahrnehmen.“

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immediately perceived by sense, call them what you will [...]“ (P § 18). Infolge sind Dinge Ausdruck organisierter Ideen-Formierungen, Komplexe sinnlicher Qualitäten und erst die Synthesis des Geistes konstituiert ein Ding.50 Dennoch handelt es sich nicht um Fiktionen, sondern extramentale Wirklichkeiten. Berkeleys Anliegen besteht in der Demonstration der vollständigen Realität von Dingen. Real sind Einheiten von Eindrücken, die im Gegensatz zu schwankenden Phantasiegebilden, Konstanz und Wiederholung aufweisen.51 Die Sichtweise der Ideenbündel ermöglicht Berkeleys Argumentation der Aufhebung der traditionellen Differenzierung von sekundären und primären Qualitäten.52 Diese Unterscheidung ist bis zu den antiken Philosophen Demokrit bzw. Platon zurückzuverfolgen53 und lässt sich als Kritik der neuzeitlichen Erkenntnistheorie am naiven Realismus verstehen. Allgemein gilt in der Philosophie eine Qualität dann als primär, wenn sie objektiv den Dingen zuzusprechen, d.h. messbar ist. Als Beispiele sind Größe, Umfang oder Entfernung eines physischen Objekts zu nennen, die zugleich das Forschungsgebiet der Physik konturieren. Sekundäre Qualitäten hingegen supponieren das Urteil des Wahrnehmenden, wie beispielsweise Duft, Farbe oder Geschmack. Während also sekundäre Qualitäten Sinneswahrnehmungen sind, die nur im Geist existieren, handelt es sich bei primären Qualitäten um etwas, das extramental vorhanden ist. Zur Verdeutlichung ein Rekurs auf Lockes einfache Ideen:54 For they [simple ideas] represent to us Things under those appearances which they are fitted to produce in us: whereby we are enabled to distinguish the sorts of particular Substances, to discern the states they are in, and so to take them for our Necessities, and apply them to our Uses. Thus the Idea of Whiteness, or Bitterness, as it is in the Mind, exactly answering that Power which is in any Body to produce it there, has all the real conformity it can, or ought to have, with Things without us. And this conformity between our simple Ideas, and the existence of Things, is sufficient for real Knowledge. (Essay IV, 4, 4)

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So bereits R. Metz, George Berkeley. Leben und Lehre, Stuttgart 1925, 89. R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), 219 sieht in der Ermangelung eines Kriteriums zur Unterscheidung von realen und imaginierten Dingen das Scheitern eines Realismus. 52 P. D. Cummins, „Perceptual Relativity and Ideas in the Mind“, PPR XXIV (1963f), 202–214, 208 weist auf Parallelen der Argumentation Berkeleys mit Simon Foucher und Pierre Bayle hin, die allerdings hinsichtlich der Intention divergiert. Während Berkeley die Unmöglichkeit von Materie zu demonstrieren sucht, verfolgen Foucher und Bayle die Verteidigung des Cartesianischen Dogmatismus. 53 So F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus (Anm. 5), 55ff. 54 Wie Ch. J. McCracken/J. C. Tipton (Hgg.), Berkeley’s Principles and Dialogues. Background Source Material, Cambridge 2000, 99 und I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7), 28ff belegen, hat sich Berkeley ausführlich mit Lockes Differenzierung auseinandergesetzt. 51

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Besonders die Idee einer Farbe bzw. Geschmacks demonstriert die Verankerung auf subjektiver Ebene. Hinter der Differenzierung von sekundären und primären Qualitäten steht bei Locke das Konzept, die Lebenswelt nicht nur mittels objektiver Größen respektive Daten zu erfassen, sondern subjektive Komponenten zu integrieren. Diese Einteilung kann als erkenntnistheoretischer Realismus aufgefasst werden, wonach die Wahrnehmung der Dinge von den Dingen selbst abweichen kann. Mit der Statuierung primärer Qualitäten wird in erster Linie die Begründung der independenten Existenz eines Gegenstandes angestrebt: Primäre Qualitäten repräsentieren ein Objekt so, wie es real existiert.55 Locke betont emphatisch die Differenz von Ideen und Qualitäten: „Ideas in the Mind, Qualities in Bodies“ (Essay II, 8, 7f.). Diese Differenzierung erfolgt aufgrund der Gewohnheit, von der Wahrnehmung einer Idee im Geist auf deren Existenz im Rahmen einer Qualität in dem wahrgenommenen Objekt zu schließen. Doch über die Art der Qualität bzw. ob es eine Relation zu einer Idee gibt, kann keine Aussage getroffen werden. Locke ist gegenüber der Gefahr sensibel, Ideen ausschließlich den beobachteten Dingen im Sinne von Inhärenz zuzuschreiben und strebt daher die Demonstration sekundärer Qualitäten anhand des folgenden Experiments an:56 Drei unterschiedlich temperierte Eimer Wasser stehen vor einer Person. Wenn man die linke Hand in den kältesten und die rechte Hand in den wärmsten Eimer steckt und nach einiger Zeit beide Hände in den wohltemperierten, mittleren Eimer eintaucht, dann wird die Versuchsperson im selben Moment divergierende Wärmesensationen haben: Die linke Hand wird Wärme und die rechte Hand wird Kälte empfinden. Würde die Idee der Wärme dem Wasser inhärieren, dann könnte der wohltemperierte Eimer nicht zugleich als warm und kalt empfunden werden. Aus diesem Sachverhalt folgert Locke den sekundären Charakter von Temperatur, insofern diese Qualität nicht objektiv inhäriert. Mit der Differenzierung von Ideen im Geist und Qualitäten in den Dingen strebt Locke nicht originär die Definierung der Bereiche des Objektiven und 55 Eine gute Definition des Verhältnisses der beiden Qualitäten liefert B. Kienzle, „Primäre und Sekundäre Qualitäten“, in: U. Thiel (Hg.), John Locke. Essay über den menschlichen Verstand, Tübingen 1997, 89–117, 104: „Sekundäre Qualitäten eines Gegenstandes sind Kräfte in ihm, welche kraft der primären Qualitäten seiner unmittelbar nicht wahrnehmbaren Teile Ideen in unserem Geist hervorrufen. Das bedeutet, dass die sekundären Qualitäten eines Gegenstandes von den primären Qualitäten seiner unmittelbar nicht wahrnehmbaren Korpuskel abhängen. Insofern machen sie dann die unmittelbar nicht wahrnehmbaren Korpuskel mittelbar wahrnehmbar.“ 56 Für das Eimerbeispiel siehe Essay II, 8, 21. S.a. das Schneeballbeispiel in Essay II, 8, 8: „Thus a Snow-ball having the power to produce in us the Ideas of White, Cold, and Round, the Powers to produce those Ideas in us, as they are in the Snow-ball, I call Qualities; and as they are Sensations, or Perceptions, in our Understandings, I call them Ideas: which Ideas, if I speak of sometimes, as in the things themselves, I would be understood to mean those Qualities in the Objects which produce them in us.“

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Subjektiven an. Qualitäten werden als diejenige Kraft (power) eines Gegenstandes definiert, durch die eine Idee im wahrnehmenden Geist erzeugt wird. Lockes Beispiel wird von Berkeley in den Dialogen rezipiert. Während nach Locke den Dingen zumindest primäre Qualitäten zukommen, ist laut Berkeley jede Eigenschaft von der Perzeption des Geistes dependent. Daraus resultiert eine Realitätsauffassung, die vornehmlich von den perzipierten Qualitäten bestimmt wird. Berkeley dazu im Original: But the objects perceived by sense are allowed to be nothing but combinations of those qualities, and consequently cannot subsist by themselves. Thus far it is agreed on all hands. So that in denying the things perceived by sense an existence independent of a substance or support wherein they may exist, we detract nothing from the received opinion of their reality, and are guilty of no innovation of that respect. All the difference is, that according to us the unthinking beings perceived by sense, have no existence from being perceived, and cannot therefore exist in any other substance, than those unextended, indivisible substances, or spirits, which act, and think, and perceive them: whereas philosophers vulgary hold, that the sensible qualities exist in an inert, extended unperceiving substance, which they call matter […]. (P § 91)

Berkeley sucht den sekundären Charakter sämtlicher Ideen zu demonstrieren, indem er die Existenzannahme primärer Qualitäten als inkonsistent nachweist. Laut obiger Passage bedarf es eines Trägers (substance) für sinnliche Qualitäten, da jeder Modus sich immer nur an etwas zeigen kann. Dieser Träger wäre in einem materialistischen Weltbild die Substanz, wie weiter unten ausführlich behandelt wird. Bei Berkeley verschiebt sich der Fokus auf die Relation: Es geht ihm nicht darum, wie sich Dinge darstellen, sondern wie sie für den finiten Geist existieren, insofern jedes Phänomen einen direkten Bezug zu einem wahrnehmenden Geist aufweist. Folglich ist für die Aufhebung der Differenzierung von Qualitäten das ep-Prinzip ausschlaggebend. Eine apriorische Differenzierung in unterschiedliche Klassen wäre independent vom Geist und somit nicht verifizierbar.57 Berkeleys Bestreben besteht gerade in der Vermeidung von Spekulationen sowie in der Reduktion zugrunde liegender Hypothesen auf ein Minimum. Die Vorrangstellung des Geistes gegenüber den Qualitäten illustriert folgendes Beispiel: Ein Sternekoch kreiert eine Bratensauce, deren Bestandteile chemisch genau analysierbar sind. Doch sowohl über den Geschmack der Sauce (sekundäre Qualität) als auch deren Konsistenz (primäre Qualität) kann letztlich keine allgemeine Aussage gemacht wer57 S.a. F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley, 1685–1753. Irish Philosopher, Lewiston/Queenston/Lampeter 1992, 97. F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus (Anm. 5), 56 wendet gegenüber der Rezeption des Eimerbeispiels durch Berkeley ein, dass „[...] dieses Beispiel alles andere als überzeugend [ist], denn wir unterscheiden zwischen jemandem als warm erscheinen und warm sein.“ (Hervorhebungen im Original). Jedoch wird eine derartige Beurteilung Berkeleys Philosophie nicht gerecht, da damit bereits eine Objektivität bzw. die absolute Existenz eines Gegenstandes in der Welt vorausgesetzt wird. Der Angriff von Kutscheras geht von Prämissen aus, die Berkeley als ungültig bewerten würde und ist daher haltlos.

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den, da die Qualitäten von der Synästhesie des essenden Geistes abhängen.58 Dieses Beispiel lässt sich leicht im Sinne des de gustibus non disputantur nachvollziehen. In den Dialogen wird ein ähnliches Beispiel, nämlich die Süße des Zuckers verhandelt und man ist geneigt, der Formulierung des Materialisten Hylas zuzustimmen: „Though I profess it sounds oddly, to say that sugar is not sweet.“ (D I: 180) Obwohl dem Zucker kein Geschmack inhärent ist, kann Berkeley dennoch an der Sensation von Süße festhalten, insofern diese eine mentale Qualität des wahrnehmenden Geistes ist und Zucker nicht in Independenz zu diesem existiert. Berkeley selbst stellt in P den Zusammenhang von Geist und wahrgenommenen Qualitäten auf folgende Weise dar: Let it be considered, the sensible qualities are colour, figure, motion, smell, taste, and such like, that is, the ideas perceived by sense. Now for an idea to exist in an unperceiving thing, is a manifest contradiction; for to have an idea is all one as to perceive: that therefore wherein colour, figure, and the like qualities exist, must perceive them; hence it is clear there can be no unthinking substance or substratum of those ideas. (P § 7)

Die Aussage, eine Idee existiere in einem nicht-wahrgenommenen Gegenstand, ist für Berkeley offenkundig kontradiktorisch. Aus der Dependenzrelation der Qualitäten zum Geist resultiert die Isolation eines materiellen Substanzbegriffs. Berkeleys Fundierung eines epistemisch gesicherten Zugangs zur Realität besteht in einer präzisen Differenz der beobachteten Phänomene zu der Entität des Geistes. Jede räumliche Vorstellung des rein mentalen Perzeptionsvorgangs eines Gegenstandes führt zu falschen Konklusionen.59 Dennoch sind sekundäre Qualitäten keine mentalen Konstrukte, sondern extramentale Qualitäten. Alles, was nicht in einer Wahrnehmung gründet, ist als Produkt mittelbarer Erfahrung bzw. der Verstandes- oder Imaginationsfähigkeit zu werten und verbürgt folglich keinen infalliblen Zugang zur Realität.60 Somit hat das ep-Prinzip seine erschließende Funktion für das Verständnis, Dinge als Ideenbündel zu bezeichnen, erwiesen. Das letzte Unterkapitel sei Berkeleys Kritik an den sog. abstrakten Ideen gewidmet. 58 Analog dazu ist das in der Philosophie häufig verwendete Beispiel von der Betrachtung eines Gemäldes zu verstehen. 59 Es ist darauf hinzuweisen, dass auch in materialistischen Strömungen eine Ablehnung der Differenzierung in Anknüpfung an Helmholtz bzw. Carnap zu verzeichnen ist. Das Stichwort dazu bilden die dispositionalen Prädikate bzw. Dispositionsbegriffe. Darunter versteht man Qualitäten, die nicht permanent, sondern nur unter bestimmten Umständen in Erscheinung treten. Das bekannteste Beispiel ist die Beobachtbarkeit der Löslichkeit von Zucker. Insofern zahlreiche naturwissenschaftliche Terme das Charakteristikum von Dispositionsbegriffen aufweisen, besaß eine Lösung entsprechende Relevanz für die Frage nach dem Aufbau einer empiristischen Sprache. Allerdings ist Carnaps Versuch einer expliziten Definition der dispositionalen Prädikate mit Hilfe von Beobachtungsbegriffen gescheitert. Vgl. dazu R. Carnap, Der logische Aufbau der Welt, Hamburg 1998, bes. Abschnitte 46–47, 51. 60 Eine ähnliche Interpretation unternimmt Erich Cassirer, Berkeleys System. Ein Beitrag zur Geschichte und Systematik des Idealismus, Gießen 1914, 69.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

3. Abstrakte Ideen Die Problemstellung Eine wichtige, bis in die heutige Sprachphilosophie relevante Erkenntnis stellt die Aufdeckung der Schwachstellen von Lockes Abstraktionstheorie durch Berkeley dar, die in der Forschung intensiv diskutiert wird.61 Die Ursache dieser Kontroverse liegt in der divergierenden Lokalisierung und Bewertung der Argumente. Berkeley kritisiert in der Einleitung zu P die Vorstellung abstrakter Ideen eingehend, hingegen wird dieses Problem im Haupttext sowie in D nur am Rande tangiert, weshalb daraus eine marginale Bedeutung dieses Topos deduziert werden könnte.62 Insofern die aus der Ablehnung abstrakter Ideen resultierenden Konsequenzen zentrale Aspekte der Ontologie sowie Epistemologie betreffen und ein essentielles Argument für die Widerlegung des Materialismus darstellen, ist diese Folgerung nicht haltbar.63 Weiterhin ist die Argumentation gegen den Abstraktionsvorgang für das Verhältnis von Ideen und Sprache von Bedeutung; genau genommen wird die Frage nach dem Lernvorgang von Sprache verhandelt und ob Sprache independent gegenüber Ideen ist. Vorliegende Interpretation rekurriert bei der Frage nach der Bildung allgemeiner Begriffe erneut auf den Freiraum von Sprache gegenüber Ideen. Ideen stellen zwar das notwendige Material jeglicher Erkenntnis dar, doch ist nach Berkeley eine relative Loslösung im sprachlichen Rahmen denkbar. 61

Die Untersuchung der Standard-Logikbücher des 17. Jahrhunderts hat eine allgemeine Beschäftigung mit Abstraktion erwiesen; vgl. J. Weinberg, Abstraction, Relations and Induction, Madison 1965, 13. Demnach richtet sich Berkeleys Kritik nicht ausschließlich gegen Locke. D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions. A Reconstruction based on his Theory of Meaning, London/Sydney 1987, 14-30 sieht Locke als Paradigma für sämtliche Abstraktionstheorien und belegt, dass sich Berkeleys Kritik neben Locke auch auf Aristoteles, Thomas von Aquin und die gesamte scholastische Tradition bezieht. S.a. K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 72. Berkeley selbst schreibt in PC 779: „I.M. I approve of this axiom of the Schoolemen nihil est in intellectu quod non prius fuit in sensu. I wish they had stuck to it. it had never taught them the Doctrine of Abstract Ideas.“ 62 Die relevanten Textpassagen sind (neben zahlreichen Kommentaren in PC) NTV 122ff, Intro zu P, D I: 194ff sowie A VII, 5ff. Eine Verortung der Textstellen im Gesamtwerk bietet G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 26ff. 63 Während J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (Anm. 47) und I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7) der Ansicht sind, die Einführung besitze wenig Zusammenhang mit dem Haupttext, erkennen M. Atherton, „Berkeley’s Anti-Abstractionism“, in: E. Sosa (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht/Boston/Lancaster u.a. 1987, 45–60, M. B. Bolton, „Berkeley’s Objection to Abstract Ideas and Unconceived Objects“, in: E. Sosa (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht/Boston/Lancaster u.a. 1987, 61–84, R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7) und K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5) einen starken Zusammenhang.

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Die Untersuchung zu den abstrakten Ideen nimmt im ersten Unterkapitel Bezug auf Locke und gliedert sich hier folgendermaßen: Lockes Sprachphilosophie bietet eine vorläufige Antwort auf die Frage der Generierung von Allgemeinbegriffen, doch zugleich werden die Fragilitäten hinsichtlich des Abstraktionsprozess und der Namenstheorie von Ideen demonstriert. Das zweite Unterkapitel zeigt anhand des Postulats der Inkonsistenz von Ideen, der Ontologie, sowie der Infallibilität von Ideen, weshalb Berkeley die Abstraktionstheorie verwirft. Abschließend wird im dritten Unterkapitel die Plausibilität der vorgebrachten Argumente sowie deren Verortung im Gesamtwerk diskutiert. Gewöhnlich differenziert man die empiristische von der rationalistischen Abstraktionstheorie, wobei Locke als Stellvertreter der empiristischen Theorie anzuführen ist, die summarisch die Abstraktion des Allgemeinen aus der Erfahrung impliziert.64 Locke zielt mit der Theorie abstrakter Ideen auf die Begründung einer allgemeingültigen Wirklichkeitsbezugsnahme. Den Erweis dafür sieht er in der Konstruktion und Verwendung universal gültiger Begriffe. Der Blick auf das Verhältnis von Ideen und Sprache bei Locke erweist die Lokalisierung der Bildung abstrakter Ideen im Kontext der Entstehung von Allgemeinbegriffen. Die Hauptfunktion von Begriffen besteht seiner Ansicht nach in der Repräsentation von Ideen: Ideen sind als natürliche Zeichen von Gegenständen zu verstehen, während Begriffe als konventionelle, d.h. durch eine Sprachgemeinschaft bestimmte Zeichen dargestellt werden.65 Nachfolgende Passage, die sich auf den Lernvorgang der Abstraktion bei Kindern bezieht, konkretisiert den Prozess, wobei abstract und general als äquivalent betrachtet werden: But to deduce this a little more distinctly, it will not perhaps be amiss, to trace our Notions, and Names, from their beginning, and observe by what degrees we proceed, and by what steps we enlarge our Ideas from our first Infancy. There is nothing more evident, than that the Ideas of the Persons Children converse with, (to instance in them alone,) are like the Persons themselves, only particular. […] Afterwards, when time and a larger Acquaintance has made them observe, that there are a great many other Things in the World, that in some common agreements of Shape, and several other Qualities, resemble their Father and Mother, and those Persons they have been used to, they frame an Idea, which they find those many Particulars to partake in; and to that they give, with others, the name Man, for Example. And thus they come to have a general Name, and a general Idea. Wherein they make nothing new, but only leave out of the complex Idea they had of Peter and James, Mary and Jane, that which is peculiar to each, and retain only what is common to them all. (Essay III, 3, 7)

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Beide Theorien hält Berkeley für verfehlt. Da Locke bereits Argumente gegen den rationalistischen Ansatz ins Feld geführt hat, wird lediglich die Kritik an dessen empiristischer Abstraktionstheorie beleuchtet. 65 P. Guyer, „Locke’s philosophy of language“, in: V. Chappell (Hg.), The Cambridge Companion to Locke, Cambridge 1994, 115–145, 120 interpretiert dieses Verhältnis als eines der Referenz.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Beschrieben wird das Erlernen von Abstraktion anhand des Allgemeinbegriffs Mensch, was die Fähigkeit einer eigenständigen Anwendung impliziert. Der dominante Einfluss einer Sprachgemeinschaft tritt bei Locke zutage, denn die Bedeutung von Wörtern respektive der richtige Gebrauch werden in der Konversation erlernt. Erst mit einem bestimmten Grad an Sprachkompetenz sind Kinder in der Lage, Begriffskonzepte zu verwenden. Eine zugrunde gelegte Repräsentationstheorie rechtfertigt den Gebrauch von Begriffen als Zeichen, weshalb ein Dependenzverhältnis zu den vorhandenen Ideen zu konstatieren ist.66 Allgemeinbegriffe entstehen nach Locke entweder durch Absehung von allen charakteristischen Merkmalen der Dinge einer bestimmten Art (abstraction) oder umgekehrt, durch Synthese sämtlicher konkreter Merkmale zur Generierung einer komplex-allgemeinen Idee aller Einzeldinge dieser Art (complexion).67 Der Abstraktionsprozess bedeutet nicht das Vordringen zu einer Art Wesen von Begriffen, wie es beispielsweise in platonischen Theorien der Fall ist, sondern die Reduktion bestimmter Eigenschaften eines konkreten Einzelgegenstandes, wodurch eine Klassifizierung divergierender Begriffe unter eine Gattung möglich wird. Begriffe werden nach Locke allgemein, weil sie als Zeichen für abstrakte, gemeinsame Ideen angesehen werden. Eine Definition von Abstraktion wird bereits vorher im Text angeführt: The use of Words then being to stand as outward Marks of our internal Ideas, and those Ideas being taken from particular things, if every particular Idea that we take in, should have a distinct Name, Names must be endless. To prevent this, the Mind makes the particular Ideas, received from particular Objects, to become general; which is done by considering them as they are in the Mind such Appearances, separate from all other Existences, and the circumstances of real Existence, as Time, Place, or any other concomitant Ideas: This is called ABSTRACTION, whereby Ideas taken from particular Beings, become general Representatives of all of the same kind; and their Names general Names, applicable to whatever exists conformable to such abstract Ideas. (Essay II, 11, 9)

Abstraktion ist folglich eine mentale Fähigkeit, komplexe Qualitäten, die einer partikularen Idee zugrunde liegen, auszusondern. Die Abstraktion erfolgt, indem der Geist das jeweilige Phänomen von sämtlichen Anschauungsformen wie Raum und Zeit oder anderen Ideen abstrahiert. Diese Fähigkeit bildet das Fundament für die Bildung allgemeiner Bezeichnungen. Der gewonnene Allgemeinbegriff besitzt damit die Funktion eines Namens. Locke, in der nominalistischen Tradition stehend, nimmt an, jeder Name, der etwas bezeichne, stehe für nichts anderes als eine Idee.68 Jeder sprachliche 66

S.a. Essay III, 2, 4f. An dieser Stelle ist auf den bekannten Zirkularitätsvorwurf hinzuweisen, der mit Lockes Konzeption einhergeht: Locke setzt für den Vorgang der Abstraktion die Existenz von Allgemeinvorstellungen voraus, behauptet jedoch zugleich, dass diese erst durch den Vorgang der Abstraktion generiert werden. Dieser Vorwurf besitzt für Berkeleys Theorie keine Relevanz, weshalb er nicht verfolgt wird. 68 Essay III, 2, 2. 67

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Ausdruck, dem eine Bedeutung inhäriert, ist ein Name, woraus er folgert, die Bedeutung eines jeden Gemeinnamens sei eine bestimmte abstrakte Idee: Infolge werden Allgemeinbegriffe als Namen für ähnliche Dinge verstanden.69 In der Literatur wird die Vermischung von zwei Prinzipien bei dieser Folgerung kritisiert: Zum einen eine Art objektives Grundprinzip, wonach jeder Gegenstand notwendigerweise von Qualitäten bestimmt ist, die theoretisch von jedermann erfassbar sind. Zum anderen existiert zugleich eine Art subjektives Prinzip, nach welchem ein Gegenstand nicht notwendig immutable Qualitäten besitzt, da jede Vorstellung eines Gegenstandes unterschiedlich bestimmt sein kann.70 Die Bildung allgemeiner Termini erfolgt analog zu anderen Wörtern arbiträr. Begriffe erhalten Allgemeinheit, indem der Verstand eine Relation zu anderen Gegenständen anerkennt. Das subjektive Prinzip zeigt sich zum einen in der Ablehnung einer plausiblen Erklärung dieser Entitäten und zum anderen in der Verortung der Abstraktion in den Geist selbst bzw. im Denkvorgang. The simple Ideas that are found to co-exist in Substances, being that which their Names immediately signify, these, as united in the several Sorts of Things, are the proper Standards to which their Names are referred, and by which their Significations may best be rectified. But neither will these Archetypes so well serve to this purpose, as to leave these Names without very various and uncertain significations. Because these simple Ideas that co-exist, and are united in the same Subject, being very numerous, and having all an equal right to go into the complex specifick Idea, which the specifick Name is to stand for, Men, though they propose to themselves the very same Subject to consider, yet frame different Ideas about it; and so the Name they use for it, unavoidably comes to have, in several Men, very different significations. (Essay III, 9, 13)71

Damit verdeutlicht Locke die Unzulänglichkeit der einfachen Ideen als hinreichende Erklärung für das Funktionieren von Sprache, da diese auf Einzelgegenstände referieren. Wenn nun verschiedene Subjekte demselben Gegenstand divergierende Namen zuschreiben würden, hätte dies die Unmöglichkeit von Kommunikation zur Folge. Locke postuliert zur Lösung dieses Problems die mentale Fähigkeit zur Generierung allgemeiner Vorstellungen. Einfache Ideen werden vom Subjekt in allgemeine Begriffe umgeformt, wodurch sie individueller Merkmale ermangeln und vollkommen abstrakt sind. Wörter 69

Das Kapitel zu den General Terms beginnt mit folgender Aussage: „ALL Things, that exist, being Particulars, it may perhaps be thought reasonable, that Words, which ought to be conformed to Things, should be so too, I mean in their Signification: but yet we find the quite contrary. The far greatest part of Words, that make all Languages, are general Terms: which has not been the Effect of Neglect, or Chance, but of Reason, and Necessity.“ Essay III, 3, 2. 70 Aufgrund dieser Vermischung identifiziert Locke Prädikate mit Namen und kann als Begründer der konzeptualistischen Bedeutungstheorie gesehen werden, was einen Vermittlungsversuch des Universalienproblems bedeutet, indem man die Allgemeinbegriffe auf begrifflicher Ebene lokalisiert. 71 S.a. Essay III, 3, 9.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

repräsentieren bei diesem Prozess mentale Ideen und zur Vermeidung infiniter Bezeichnungen werden Konzepte entwickelt, die verschiedene Wörter subsumieren. Damit ist der Vorgang der Abstraktion umschrieben. Bei der Bildung abstrakter Ideen werden partikulare Ideen von ihren individuellen Erscheinungsumständen so stark abgesondert, dass am Ende eine übergeordnete Idee produziert wird.72 Locke ist der Ansicht, Allgemeinheit werde mittels geistiger Separation konkreter Umstände erreicht, die man mit der Formung abstrakter Ideen vollzieht.73 Vor der Hinwendung zu Berkeley seien erste Kritikpunkte an Lockes Konzeption benannt. Ein so gearteter Abstraktionsprozess entbehrt eines direkten Bezugs zur Erfahrung und ist theoretisch bis ins Unendliche iterierbar, da die Anzahl der Ähnlichkeitsmerkmale bezüglich der verschiedenen partikularen Ideen unbekannt ist und keine Kriteriologie für das Abstrahieren existiert.74 Die fehlende Kriteriologie lässt jedoch auf eine Arbitrarität beim Abstraktionsvorgang schließen.75 Insgesamt ist der falsche Eindruck der Unsinnigkeit eines Klassifizierungsprozesses zu vermeiden: Eine Sprache ist ohne Allgemeinbegriffe nicht vorstellbar, wenn ihr Zweck in der Kommunikation von Ideen besteht. Die Bezugnahme auf singuläre Dinge kann allerdings keine Relationalität einzelner Gegenstände leisten. Die Schwierigkeiten, die mit Lockes abstrakten Ideen aufgeworfen werden, also an welcher Stelle der Abstraktionsprozess zu beenden ist, welchen Kriterien dieser unterliegt und ob unter einem Gattungsbegriff alle Sprecher dasselbe verstehen, sind mit diesem Sprachmodell nicht zu lösen. Es folgt eine Darstellung von Berkeleys Kritik sowie des höheren Erklärungspotentials seiner Theorie. 72

Nach J. L. Mackie, Problems from Locke, Oxford 1976, 109ff bezeichnet eine abstrakte Idee hingegen die Konzentration auf eine partikulare Qualität einer komplexen Idee. 73 Essay III, 3, 6: „Words become general, by being made the signs of general Ideas: and Ideas become general, by separating from them the circumstances of Time, and Place, and any other Ideas, that may determine them to this or that particular Existence. By this way of abstraction they are made capable of representing more Individuals than one […].“ 74 L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (Anm. 1), § 66f hat die Unfassbarkeit dieses Phänomens unter dem Thema Familienähnlichkeit verhandelt. Die Gefahr einer Privatsprache bei Locke hat G. Brykman, „Locke on Private Language“, in: P. D. Cummins/G. Zoeller (Hg.), Minds, Ideas, and Objects. Essays on the Theory of Representation in Modern Philosophy, Bd. II, Atascadero 1992, 125–134 aufgezeigt. P. Guyer, „Locke’s philosophy of language“ (Anm. 93), 128f betont die Unsicherheit bezüglich der Bildung abstrakter Ideen: „General terms thus involve a voluntary imposition in two senses: the connection between the word and the idea is only conventional, but, even more important, the abstract idea itself must be a reflection of our own intellectual choice of important similarities among individual objects. Nature offers us important similarities, but cannot tell us which ones to mark off with our abstract ideas.“ (Hervorhebung im Original). 75 Nach Locke kann ein vollkommenes Wissen die Determinierung von Klassifizierungsregeln nicht leisten.

B. Das Prinzip

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Die Kritik Berkeleys Argumente sind komplex und eng miteinander verbunden. Nach einer kurzen systematischen Verortung derselben seien zwei Argumente ausgeführt. Insofern die Annahme abstrakter Ideen eine Verneinung des epPrinzips bedeutet, besitzt die Widerlegung abstrakter Ideen höchste Priorität für Berkeley.76 Nach Berkeleys Ontologie ist es logisch unmöglich, die Existenz wahrnehmbarer Gegenstände vom Wahrgenommenen zu differenzieren.77 If we throughly examine this tenet, it will, perhaps, be found at bottom to depend on the doctrine of abstract ideas. For can be there a nicer strain of abstraction than to distinguish the existence of sensible objects from their being perceived, so as to conceive them existing unperceived? […] So far I will not deny I can abstract, if that may properly be called abstraction, which extends only to the conceiving separately such objects, as it is possible may really exist or be actually perceived asunder. But my conceiving or imagining power does not extend beyond the possibility of real existence or perception. Hence as it is impossible for me to see or feel anything without an actual sensation of that thing, so is it impossible for me to conceive in my thoughts any sensible thing or object distinct from the sensation or perception of it. (P § 5)

Hinter tenet verbirgt sich die Frage nach einer extramentalen Realität, wodurch das eigentliche Argumentationsziel der Kritik bezeugt wird. Das ep76

A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (Anm. 16), 107 und Ch. J. McCracken, Malebranche and British Philosophy, Oxford 1983, 232f betonen ebenfalls den Zusammenhang mit dem ep-Prinzip. Es besteht eine Kontroverse darüber, ob Berkeley Lockes Ideenlehre richtig interpretiert hat, d.h. ob Locke eine neue Entität kreiert oder lediglich eine Kombination bereits bekannter Ideen anstrebt. Während J. L. Mackie, Problems from Locke (Anm. 100), 107ff eine Verteidigung Lockes unternimmt, betont G. J. Warnock, Berkeley (Anm. 7), 72f die Einführung einer neue Entität zur Klärung des Sprachproblems. Für die Erkenntnis des konventionalen Charakters der Allgemeinheit von Wörtern und Ideen macht sich K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 116 stark. D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (Anm. 89), 34f sieht das Scheitern von Berkeleys Kritik hinsichtlich der sog. Selektiven Aufmerksamkeit: Wenn der Abstraktionsvorgang bei Locke interpretiert wird im Sinne einer Konzentration auf ein bestimmtes Merkmal, dann treffen Berkeleys Argumente nicht, insofern dieser einen derartigen Akt für möglich hält. K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 73 unterstellt Berkeley eine Verwechslung von abstrakten und einfachen Ideen im Lockeschen Sinne und folgert daraus die Negation der Existenz einfacher Ideen. Berkeley argumentiert nach Winkler gegen den Abstraktionsvorgang metaphysisch, da dieser nicht mit dem Produkt des Prozesses zufrieden ist (69). Die angeführten Textstellen scheinen Winkler auf den ersten Blick Recht zu geben, doch ist die Kritik im Rahmen des ontologischen Idealismus zu lesen und die Analyse anderer Passagen erweist zum einen die unvollständige Charakterisierung abstrakter Ideen und zum anderen die Anerkennung der Existenz simpler Ideen an vielen Stellen. Berkeleys Ideen bilden das Fundament jeglicher Art von Wahrnehmung und ein Ideen-independenter Zugriff auf die Realität ist unmöglich. S.a. M. B. Bolton, „Berkeley’s Objection to Abstract Ideas and Unconceived Objects“ (Anm. 63), 76. 77 Indem man diesen Zusammenhang mittels abstrakter Ideen erklärt, gibt man einem metaphysischen Realismus Auftrieb. Ausführlich behandelt dieses Argument G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 80ff.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Prinzip bildet nach Berkeley die einzige Alternative, zu sicherer Erkenntnis zu gelangen. Jeglicher Rekurs auf abstrakte Ideen verstellt dieses Ziel.78 Manche Textpassagen erwecken den Anschein, als ob Berkeley die Kritik an abstrakten Ideen primär zur Widerlegung des Materialismus verwerten würde und die sprachphilosophischen Überlegungen lediglich als interessantes Beiwerk betrachtet. Festzuhalten bleibt, dass eine ausschließlich sprachphilosophische Lesart zu eng wäre und Berkeleys Intention nicht gerecht werden würde. Obige Passage verdeutlicht weiterhin, dass Berkeley den Abstraktionsvorgang nicht per se verwirft, sondern nur bestimmte Formen dessen für absurd hält, weshalb die Sprachkritik an Locke in diesem Zusammenhang zu verorten ist.79 Damit sind die systematische Einordnung und der Stellenwert der Kritik in Berkeleys Werk gezeigt und wir können uns den Argumenten zuwenden. Lockes Annahme abstrakter Ideen entlarvt Berkeley aus zwei Gründen als falsch: Erstens sind im Hinblick auf die Entwicklung von Allgemeinbegriffen Prädikate80 nicht als Namen zu deuten und zweitens sind abstrakte Ideen aufgrund von Inkonsistenzen undenkbar. Das erste Argument kritisiert einen rein intelligiblen, von jeglicher Erfahrung losgelösten Abstraktionsprozess. Eng damit verbunden ist das zweite Argument, wonach ausschließlich konsistente Ideen existieren können. Auf die Erörterung der beiden Argumente folgt eine Analyse der daraus resultierenden Konsequenzen für das Verhältnis von Sprache und Ideen. Berkeleys Fazit besteht in der Ablehnung der Existenzannahme abstrakter Ideen im Sinne eigener Entitäten, da diese sowohl auf ontologischer als auch epistemologischer Ebene mehr Probleme als Luzidität schaffen. Das erste Argument ist im Kontext der Bedeutung von Erkenntnis bei der Bildung von Allgemeinbegriffen zu finden. Berkeley wird von den Interpreten mehrheitlich der nominalistischen Tradition zugeordnet, weshalb diese Einteilung als vorläufiger heuristischer Ansatz übernommen wird.81 Aus der Abs-

78 Bei ebd., 85 finden sich folgende Thesen, die Berkeley mit seiner Argumentation anstrebt: 1. Metaphysical realism is true only if there are abstract ideas. 2. The esse is percipi thesis is false only if there are abstract ideas. 3. If there are no abstract ideas, then the esse is percipi thesis is true. Seiner Ansicht nach resultiert aus der Widerlegung die Wahrheit des epPrinzips. 79 Ebd., 40ff und E. Craig, „Berkeley’s Attack on Abstract Ideas“, PhRev 77 (1968), 425– 437 diagnostizieren vier Gruppen abstrakter Ideen: 1. der Abstraktionsprozess an sich, 2. generelle Ideen von Qualitäten, 3. Ideen von Körpern und 4. Ideen transzendenter Kategorien (Sein, Existenz u.ä.). Eine gelungene Darstellung dieser Diskussion findet sich bei K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 45ff. 80 Prädikat referiert hier auf den philosophischen Begriff, der im Rahmen von Aussagen zwischen dem, worüber etwas ausgesagt wird (Subjekt), und dem, das darüber ausgesagt wird (Prädikat) unterscheidet. 81 R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), 48 ordnet Berkeley als radikalen Nominalisten ein und argumentiert, Berkeleys Widerlegung treffe nicht vollständig. Muehlmanns Bewertung des nominalistischen Arguments als das schlagkräftigste verdient Zustim-

B. Das Prinzip

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traktionskritik resultiert die Aufgabe der Entwicklung einer Theorie zur Klärung des Zustandekommens von Allgemeinbegriffen. Berkeley verwirft Lockes Bedeutungstheorie aufgrund der Annahme, jeder allgemeine Term bezeichne eine abstrakte Idee. Das Konzept der abstrakten Ideen ist für eine Erklärung der Sprachfähigkeit nicht notwendig. Trotz der Kritik an Lockes Sprachtheorie betont Berkeley die Fähigkeit, abstrahierend zu denken – im Sinne einer korrekten Verwendung von Allgemeinbegriffen. Dieser Vorgang ist aufgrund einer relativen Freiheit der Sprache gegenüber den Ideen möglich, indem man beispielsweise von verschiedenen konkreten Gegenständen die jeweilige Gemeinsamkeit (Farbe, Form usw.) separiert und benennt. Allerdings darf aus dieser Beobachtung, wie bereits gezeigt wurde, nicht die falsche Konklusion der Existenz dieser Benennungen gezogen werden.82 Damit würde letztlich nur einer weiteren Entität Existenz eingeräumt werden und somit dem Ökonomieprinzip widersprochen werden: Sogar einer Fiktion käme dann Existenz zu.83 Die Imagination eines allgemeinen Inhalts ist nach Berkeley wegen der ausbleibenden Erfahrbarkeit unmöglich. Aus der Existenz von Worten zur Beschreibung von Allgemeinheiten ist deren faktische Existenz nicht zu deduzieren. Somit besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Allgemeinbegriffen und abstrakten Ideen. Prädikate sind nach Berkeley als gemeinsame Namen (common names) für viele Dinge zu verstehen und nicht zu verwechseln mit den Dingen selbst. Berkeley vertritt im Hinblick auf die Frage nach der Existenz von Eigenschaften (qualities oder modes) die Ansicht, es könne nur Einzeldinge geben, niemals aber die Eigenschaft an sich: It is agreed on all hands, that the qualities or modes of things do never really exist each of them apart by it self, and separated from all others, but are mixed as it were, and blended together, several in the same object. But we are told, the mind being able to consider each quality singly, or abstracted from those other qualities with which it is united, does by that means frame to it self abstract ideas. […] Not that it is possible for colour or motion to exist without extension: but only that mind can frame to it self by abstraction the idea of colour exclusive of extension, and of motion exclusive of both colour and extension. (Intro § 7)

Den Qualitäten selbst kommt kein eigener ontologischer Status zu; sie existieren nur im Rahmen der Perzeptionen. Die falsche Annahme von der absoluten Existenz allgemeiner Ideen wird mithilfe des Sprachverhaltens diagnostiziert.84 Ein einzelnes Wort gewinnt seine Bedeutung nicht mittels seiner Referenz auf eine universale Entität, sondern dadurch, dass es für andere Wörter mung. Ähnlich auch I. Hedenius, Sensationalism and Theology in Berkeley’s Philosophy, Uppsala 1936, 84 und A. Kulenkampff, Esse est percipi (Anm. 5), 41. 82 Vgl. P § 12. 83 D. E. Flage, „Berkeley on Abstraction“, JHP 24 (1986), 483–501, 496f verknüpft die Frage nach abstrakten Ideen mit dem Ökonomieprinzip und argumentiert, eine extensionale Bedeutungstheorie würde dieses gegenüber einer intensionalen stärker berücksichtigen. 84 Vgl. P § 20.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

als eine Art Zeichen gebraucht wird.85 Die Allgemeinheit eines Wortes bewährt sich in der Verwendung gegenüber anderen Geistern. Allgemeine Begriffe repräsentieren nach Berkeley keine Ideen, besitzen aber dennoch einen nachvollziehbaren Sinn. Die Möglichkeit zur Verallgemeinerung beschreibt Berkeley, nachdem er sich ausdrücklich von den abstrakten Ideen distanziert hat: And here it is to be noted that I do not deny absolutely that there are general ideas, but only that there are any abstract general ideas […] Now if we will annex a meaning to our words, and speak only of what we can conceive, I believe we shall acknowledge, that an idea, which considered in it self is particular, becomes general, by being made to represent or stand for all other particular ideas of the same sort. (Intro § 12)

Der entscheidende Unterschied zwischen Locke und Berkeley besteht in den Prämissen. Nach Berkeley können einem Prädikator mehrere partikulare Ideen und somit auch mehrere Dinge zugeordnet sein. Es ist ersichtlich, dass Prädikatoren nicht wie bei Locke als Eigennamen zu verstehen sind, denn Ideen sind keine erklärende Vermittlungsinstanz zwischen Wörtern und Dingen: Die Bedeutung eines Prädikators erklärt sich vielmehr durch dessen Gebrauch in der Sprache.86 Die Bedeutung eines Wortes besteht nicht in dem Gegenstand, den es angeblich repräsentiert, da Denken und Sein zusammenfallen. Durch derartige Verzerrungen wird die Erkenntnis von Wirklichkeit unscharf. Eine Qualität ist sprachlich von der Perzeption abzusondern. Analog dazu, wie eine Idee für eine andere Idee stehen kann, kann auch ein Wort für andere Wörter stehen. Allgemeinheit ist demnach etwas, das der finite Geist schafft und anhand der Verwendung dieser allgemeinen Begriffe durch andere Sprecher kontrollieren kann. Der Unterschied zwischen Wörtern und Ideen besteht darin, dass Ideen nur dem Individuum zugänglich sind, während Sprache intersubjektiv ist. Im Vergleich zu Locke ist eine fundamentale Differenz hinsichtlich des Verhältnisses von Sprache und Welt zu erkennen. Sprache wird stets im Umgang mit anderen erlernt.87 Berkeley räumt die Fähigkeit zu abstrahieren nur unter Bezug auf ein erfahrbares Faktum ein. 85

Dieser Gebrauch ist im Sinne Wittgensteins als pragmatischer zu interpretieren. Bezüglich der auffälligen Verwandtschaft der Sprachtheorie mit Wittgenstein vgl. die Arbeiten von H. Paxton, Gibbens, Berkeley and Wittgenstein. Some Correlations, Oklahoma 1969, A. Flew, „Was Berkeley a Precursor of Wittgenstein?“, in: W. B. Todd (Hg.), Hume and the Enlightenment, Edinburgh 1974, 153–163 sowie A.-U. Wilke, Philosophie und Stil (Anm. 4). 86 Vgl. L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (Anm. 1), bes. § 43. 87 Diese Differenzierung erinnert an die klassische distinctio formalis, wie sie von Duns Scotus entwickelt wurde und die den Akt geistiger Differenzierung von Intelligiblem und Sinnlichem bedeutet, d.h. Dinge werden bloß als getrennt betrachtet. Im Gegensatz dazu steht die distinctio realis, die eine tatsächliche Trennung der Dinge voraussetzt. Nach Duns Scotus vermag der Geist konkrete Gegenstände unverfälscht zu erfassen. Wenn nun an demselben Gegenstand zwei unterschiedliche Gehalte begrifflich distinguierbar sind, so ist bereits die distinctio formalis vollzogen. Inwieweit die begrifflich unterscheidbaren Gehalte nun real

B. Das Prinzip

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Damit ist die Untersuchung beim zweiten Argument Berkeleys gegen die Abstraktion angelangt: der Prämisse der Konsistenz von Ideen, die Berkeley in Anschluss an Locke übernimmt. Berkeley kritisiert das Konzept abstrakter Ideen, wonach beispielsweise die Idee eines Dreiecks weder schief- oder rechtwinklig noch gleich- oder ungleichseitig ist, sondern all and none of these at once, wie er Locke zitiert (Intro § 13).88 Während Locke jedem sprachkompetenten Menschen die Fähigkeit zuspricht, sich eine Art Dreieck an sich bzw. Urbild eines Dreiecks zu imaginieren, das diejenigen Eigenschaften besitzt, die auf alle potentiellen Dreiecke zutreffen, negiert Berkeley eine derart generalisierende Abstraktion: „In effect, it is something imperfect that cannot exist, an idea wherein some parts of several different and inconsistent ideas are put together.“ (Intro § 13)89 Etwas gedanklich Inkonsistentes kann realiter nicht existieren, denn ein partikular perzipiertes Ding impliziert notwendig Kohärenz. Abstrakte Ideen führen zu diffusen Vorstellungen geistiger Objekte, deren reale Existenz unmöglich ist. Eine ausgeprägte Imaginationsfähigkeit wäre für die Generierung derartiger Ideen notwendig, was deren Existenz jedoch nicht demonstriert hätte. Der Ertrag des Konzepts abstrakter Ideen wird durch Berkeleys Einwände insgesamt fraglich.90 Berkeley weist auf die ausschließliche Imaginierbarkeit von etwas Konkretem hin und illustriert dies anhand des Perzeptionsvorgangs von Farbe. Eine Farbe wird immer an etwas, das Ausdehnung besitzt, perzipiert. Sämtliche Eigenschaften des perzipierten Gegenstandes können nicht abstrahiert werden bis nur noch Farbe übrig ist. Eine Farbe ist dependent von einem kontrastierenden Hintergrund bzw. einer getrennt sind ist auf dieser Ebene nicht entscheidbar. Begriff und Sache sind inadäquat, insofern etwas konkret Reales von einem Begriff niemals vollständig eingeholt werden kann. Vgl. D. Scotus, Ordinatio, in: Joannis Duns Scoti Opera Omnia, hg. von Commissio Scotistica unter dem Vorsitz von C. Balic, Bd. II, Rom 1950, I, d. 2, p. 2, q. 1–4. S.a. P. King, „Scotus on Metaphysics“, in: Th. Williams (Hg.), The Cambridge Companion to Duns Scotus, Cambridge 2003, 15–68, bes. 21–25. Historische Bezüge zu Abstraktionsvorgängen bei Aristoteles oder Duns Scotus beleuchtet A.-U. Wilke, Philosophie und Stil (Anm. 4), 169. 88 Essay IV, 7, 9. Der vollständige Abschnitt lautet: „Does it not require some pains and skill to form the general Idea of a Triangle, (which is yet none of the most abstract, comprehensive, and difficult,) for it must be neither Oblique, nor Rectangle, neither Equilateral, Equicrural, nor Scalenon; but all and none of these at once.“ 89 S.a. Intro § 18. 90 Berkeleys Argument von der Unmöglichkeit abstrakter Ideen hat J. Weinberg, Abstraction, Relations and Induction (Anm. 89) als erster untersucht und bei K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 33 findet sich eine ausführliche Diskussion desselben. In prägnanter Form fasst letzterer das Argument der Inkonsistenz wie folgt zusammen: „What an abstract idea purports to represent is impossible. But what is impossible is inconsistent, and what is inconsistent cannot be conceived. It follows that there can be no abstract ideas.“ Winkler sieht jedoch Schwachstellen im Argument der Inkonsistenz, insofern er die Annahme einer allgemeinen Idee von einem Dreieck als plausibel einordnet. Allgemein wird diesem ad-hominem-Argument eine Schwäche konstatiert.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Form. Die Konzentration auf eine bestimmte Qualität ist ohne Kontext nicht möglich. Jede vorgestellte Farbe bedeutet eine bestimmte Farbe, denn die Röte der Universalisten ist weder imaginierbar noch perzipierbar. Die Idee einer Entität rote Farbe ist folglich absurd, da die Bildung von Ideen mit dem Vorgang sinnlicher Wahrnehmung verknüpft ist und keine Qualität in vollständiger Isolation bestehen kann.91 Da abstrakte Ideen nicht sinnlich wahrnehmbar sind und einer rein gedanklichen Leistung entspringen, ist deren Existenz unplausibel. Die Nähe zur Aufhebung der Differenzierung von Qualitäten wird virulent, insofern sie als notwendige Konsequenz zu verstehen ist.92 Mit derartigen Abstraktionstheorien geht zumeist folgende Verwirrung einher. Sobald man ein System auf solchen Gedankenkonstrukten aufbaut, wird der Zugang zu Wissen, wie Locke selbst eingeräumt hat, zunehmend opaker bzw. adäquate Kriterien sind nicht mehr benennbar. It will not be amiss to add, that the doctrine of abstract ideas hath had no small share in rendering those sciences intricate and obscure, which are particularly conversant about spiritual things. Men have imagined they could frame abstract notions of the powers and acts of the mind, and consider them prescinded, as well from the mind or spirit it self, as from their respective objects and effects. Hence a great number of dark and ambiguous terms presumed to stand for abstract notions, have been introduced into metaphysics and morality, and from these have grown infinite distractions and disputes amongst the learned. (P § 143)

Die Akzeptanz abstrakter Ideen führt zu leeren Konzepten, wie sie beispielsweise in metaphysischen oder moralischen Fragestellungen zu finden sind.93 Berkeley wendet sich gegen abstrakte Ideen als das Modell, zur Essenz von etwas vorzudringen.94 Aufgrund des Fehlens sämtlicher individueller Merkmale widerspricht eine Abstraktion der alltäglichen Perzeption eines Objektes, 91 In Replik auf das Zucker-Beispiel ist von der Qualität süß nicht die Süße an sich zu abstrahieren. Vgl. Intro § 10: „But I deny that I can abstract one from another, or conceive separately, those qualities which it is impossible should exist so seperated; or that I can frame a general notion by abstracting from particulars in the manner aforesaid.“ 92 Vgl. dazu M. Atherton, „Berkeley’s Anti-Abstractionism“ (Anm. 63), 47, M. B. Bolton, „Berkeley’s Objection to Abstract Ideas and Unconceived Objects“ (Anm. 63), 71, W. E. Creery, „General Introduction“, in: ders. (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. I, London/New York 1991, 1–33, 11 und G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 101f. D. E. Flage, Berkeley on Abstraction (Anm. 111), 487 schreibt: „Hence, Berkeley was correct in claiming that the abstractionists held that it is impossible for color or motion to exist without extension, even though they held that it is possible to conceive of these qualities in isolation from one another. As we shall see, this claim plays a central role in Berkeley’s criticism of abstraction.“ (Hervorhebung im Original) 93 Positiv gewendet kann vorab angemerkt werden, dass sowohl für die Theologie als auch moralische Fragen etwas Erfahrbares als Ausgangspunkt der Argumentation dient. 94 S.a. Intro § 15: „It is I know a point, much insisted on, that all knowledge and demonstration are about universal notions, to which I fully agree: but then it doth not appear to me that those notions are formed by abstraction in the manner premised […]“.

B. Das Prinzip

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das gerade durch spezifische Kennzeichen diskriminiert werden kann. Die Ablehnung der These, der Verstand könne die Bildung abstrakter Ideen leisten, wird in den Dialogues explizit verhandelt. Philonous belegt, dass abstrakte Ideen keine reine Verstandesleistung sein können: HYLAS. But what say you to pure intellect? May not abstracted ideas be framed by that faculty? PHILONOUS. Since I cannot frame abstract ideas at all, it is plain, I cannot frame them by the help of pure intellect, whatsoever faculty you understand by those words. Besides, not to inquire into the nature of pure intellect and its spiritual objects, as virtue, reason, God, or the like; thus much seems manifest, that sensible things are only to be perceived by sense, or represented by the imagination. Figures therefore and extension being originally perceived by sense, do not belong to pure intellect. But for your farther satisfaction, try if you can frame the idea of any figure, abstracted from all particularities of size, or even from other sensible qualities. (D I: 193)

Wiederholt betont Berkeley die sensuelle Komponente und distanziert sich von Konzeptionen, unabhängig von konkreten Eigenschaften eine Idee zu formen. Dabei klingt der Vorwurf der Fiktion an den Verstand an, die von der rein intellektuellen Denkleistung zu differenzieren ist. So ist die Idee eines Pegasus leicht zu imaginieren, doch sind für diesen phantasievollen Akt Qualitäten wie Form oder Farbe zur Generierung einer Vorstellung dieser Kreatur vonnöten.95 Die für eine Imagination notwendigen Denkoperationen bedürfen immer schon einer zugrunde liegenden Semantik, mithilfe derer die einzelnen Denkakte vollzogen werden können. Somit sind wir bei den Konsequenzen aus den Argumenten, die eine systematische Abgrenzung der Gebiete Sprachphilosophie und Erkenntnistheorie – soweit dies möglich ist – erfordern. Bereits in der Einleitung macht Berkeley den Leser auf den Zusammenhang von Sprache und Ideen im Rahmen eines immaterialistischen Weltbildes aufmerksam.96 Wörter können einen 95

Um es mit den Worten von K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 65 zu sagen: „Berkeley is aware of the distinction between imagination and pure intellect, and his main objection to abstraction is not that we cannot imagine what an abstract idea represents (though this is an objection which he would insist), but that no operation of the mind can frame an idea that can justly be called abstract.“ Sowie M. Atherton, „Berkeley’s Anti-Abstractionism“ (Anm. 63), 46: „He [Berkeley] identifies the belief that the mind can frame abstract ideas as one of the gravest sources of error.“ 96 Eine interessante Lesart gesteht Berkeley eine erfolgreiche Widerlegung zu, wenn Ideen als Bilder interpretiert werden. G. Pitcher, Berkeley (Anm. 9), 71: „The force of Berkeley’s attack so far on the existence of abstract ideas derives entirely from his doctrine that all ideas are images.“ Dagegen steht jedoch die Similaritätsthese, deren Funktion gerade in der Abwehr abstrakter Bilder besteht, insofern letztere konkreter Merkmale ermangeln; s.a. I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7), 143ff. K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 87ff rekonstruiert diese Ansicht und widerlegt sie erfolgreich; zum einen macht sie auf die unsaubere Argumentation vorheriger Kritiker der Bildmetapher aufmerksam, wonach abstrakte

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

sprachlichen Sinn besitzen, der eine relative Freiheit zu den Ideen aufweist, da dieser Freiraum auf der semantischen Ebene zu verorten ist.97 Man kann in Berkeleys Theorie den bereits angedeuteten Freiraum der Zeichenbenutzung gegenüber Ideen sehen.98 Damit ist die Akzeptanz eines begrifflichen, gewissermaßen Ideen-independenten Denkens belegt. Ideen sind partikular bzw. konkret und lassen sich zu sprachlichen Einheiten formieren. Jegliche Kreation ist der sprachlichen Ebene zuzuordnen und genau dann als falsch zu bewerten, wenn sie keine adäquate Relation zur wahrnehmbaren Wirklichkeit aufweist. Aus der Akzeptanz abstrakter Ideen ist leicht die abstrakte Idee Materie zu folgern. Berkeleys Negierung dieser Ideen ist daher nicht nur plausibel, sondern aus systemimmanenten Gründen notwendig. Die Akzeptanz abstrakter Ideen könnte eine Uneindeutigkeit der Dependenz alles Seienden von einem Geist involvieren. Eine Distanzierung von dieser Konzeption bekundet den Vorrang empirischer Einsichten sowohl gegenüber metaphysischen Erklärungen als auch reinen Denkoperationen. Bestimmte spekulative Methoden werden verworfen, wie beispielsweise der Gedanke, man könne die Sinneseindrücke mittels rationaler Einsicht überbieten und dabei wahre Erkenntnis erlangen, was offenkundig Auswirkungen auf die Gotteserkenntnis hat, insofern diese zum einen nicht aus eigener Verstandeskraft vollzogen werden kann und zum anderen auf die Sinne auf irgendeine Weise rekurrieren muss. Aus theologischer Perspektive liegt deshalb die Hypothese nahe, dass mit den dargestellten Argumenten die Notwendigkeit der präsentischen Bewahrertätigkeit Gottes aufgezeigt wird.99

Bilder durchaus existieren können (Piktogramme) und zum anderen diagnostiziert sie einen privaten Umgang mit Bildern, was jegliche Kommunikation sabotiert. 97 Für pragmatistische Ansätze in Berkeley bzw. dessen Einfluss auf Peirce vgl. L. Friedman, „Pragmatism. The Unformulated Method of Bishop Berkeley“, JHP 41:1 (2003), 81–96 sowie J. A. Moore, „The Semiotics of Bishop Berkeley – A Prelude to Peirce?“, in: Transactions of the Charles S. Peirce Society 20:3 (1984), 325–343. 98 „Ideenbezug stellt keine conditio sine qua non sinnvoller Zeichenverwendung dar.“ A. Kulenkampff, Esse est percipi (Anm. 5), 55 (Hervorhebung im Original). So auch der Duktus der Interpretation von A.-U. Wilke, Philosophie und Stil (Anm. 4). 99 N. Jolley, „Berkeley, Malebranche, and Vision in God“, JHP 34:4 (1996), 535–548, 544 ordnet die Abstraktionskritik in die Diskussion um das Verhältnis Ideen – Gott ein. Die Distanzierung erklärt sich s. E. aus Malebranches ewigen Ideen in Gott, die weiter unten verhandelt werden (4.E).

C. Immaterialismus

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C. Immaterialismus C. Immaterialismus

I. Eine Herausforderung Dem heutigen Leser ist die Rede von einer immateriellen Realität sowohl aus dem physikalischen Kontext verschiedener Theorien (Elektronen, Quarks) als auch Science-Fiction-Filmen (The Matrix) bekannt. Inwieweit derartige Vorstellungen mit Berkeleys Auffassung kommensurabel sind, ist zwar fraglich, doch zumindest ist ein Leser aus dem 21. Jahrhundert von der Bezeichnung Immaterialismus nicht sofort überfordert bzw. steigen eventuell Assoziationen auf. Nach Berkeley besteht die Welt nicht aus Materie, sondern aus perzipierten Ideen. Damit umfasst die Dependenzrelation sämtliche physikalischen Tatsachen, was häufig den Solipsismusvorwurf erklingen lässt. Berkeley wählt den Solipsismus jedoch lediglich als epistemologische Methode, insofern der Geist das Fundament jeglicher Erkenntnis darstellt. Die Erfassung der physischen Außenwelt ist allein unter Einbezug des Mentalen zu rekonstruieren. Berkeleys Immaterialismus ist als Gegenbegriff zum Materialismus zu verstehen, was anhand der Frage der Objektpermanenz deutlich wird, für deren Beantwortung ein materielles Konzept und ein geistiges Prinzip als Erklärungshypothese zur Auswahl stehen. Eine Analyse des Immaterialismus erfordert daher eine Begriffsklärung von Materie. Nachfolgend wird eine Darstellung der Herausforderungen, mit denen Berkeley sich konfrontiert sah, angefertigt, womit zugleich eine Skizzierung seines ontologischen Immaterialismus einhergeht. Als Begründung für die Abwehr des Materialismus nennt Berkeley die Bekämpfung des Skeptizismus und Atheismus, die in diesem Kontext kurz behandelt wird. For as we have shewn the doctrine of matter or corporeal substance, to have been the main pillar and support of scepticism, so likewise upon the same foundation have been raised all the impious schemes of atheism and irreligion. (P § 92)

Die Verknüpfung zwischen Theologie und Epistemologie ist zu vernehmen, da eine Weltanschauung jeweils bestimmte metaphysische Prämissen impliziert. Die Annahme, Gott sei der Grund der beobachtbaren Phänomene, findet in materialistischen Weltanschauungen nur geringe oder keine Akzeptanz; die physischen Gegenstände sind vielmehr aus sich selbst heraus erklärbar. Der damit nach Berkeley notwendig einhergehende Atheismus lässt sich folgendermaßen beschreiben: Eine Theorie von der absoluten Existenz materieller Gegenstände in der Welt impliziert deren Selbständigkeit und somit eine Independenz von Gott. Weiterhin ist aus der absoluten Existenz der Dinge zu folgern, dass diese schon immer existiert hätten. Gott wäre damit überflüssig

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bzw. lediglich für die Schöpfung materieller Substanzen zuständig.100 Ein Weltbild, das allerdings die Autarkie der Dinge independent von Gott konstatiert, ist nach Berkeley notwendig atheistisch.101 Sein Immaterialismus erkennt Gott als Grund der Welt und somit alles Erfahrbaren.102 Für eine Illumination der Verbindung von Erkenntnistheorie und der entsprechenden Weltanschauung sei nachfolgend das zweite Argumentationsziel, die Abwehr des Skeptizismus reflektiert:103 Zwischen Hylas und Philonous wird explizit der Streit geführt, wer von beiden bzw. welche Theorie über die Welt dem Skeptizismus verfallen ist. Man einigt sich auf folgende Definition eines Skeptikers: who denies the reality of sensible things, or professes the greatest ignorance of them. (D I: 173) Die Negation der Realität bzw. sinnlich erfahrbarer Dinge genügt als Anklagegrund. Der Skeptizismusvorwurf wird in erster Linie gegen Philosophen erhoben, die mittels abstrakter Konzepte von Materie die Welt zu begründen suchen: Sämtliche existierenden Körper bestehen angeblich aus Materie. Da nach Berkeley auf Materie kein unmittelbarer Zugriff möglich ist, wird die Erkenntnis sinnlich erfahrbarer Dinge ungewiss. Mit einem derartigen Konstrukt ist kein sicheres Wissen von der Welt möglich, was nach obiger Definition diese Anschauung als skeptische überführt. Aus diesem Grund besitzt für Berkeley die Annahme einer materiellen Außenwelt keinen Erklärungswert. In Berkeleys Immaterialismus nimmt ein infiniter Geist, der christliche Gott, den höchsten Stellenwert ein. Materie wird gewissermaßen durch den Geist ersetzt, dem Priorität vor der wahrnehmbaren Außenwelt zukommt. Damit steht das Erklärungspotential hinsichtlich der Realität und der entsprechenden Phänomene der beiden Annahmen zur Prüfung aus. Vorweg sei auf die metaphysische Aufladung hingewiesen, die vielen materialistischen Weltsichten inhäriert. Die von säkularen Wissenschaftlern häufig vertretene Meinung, Gott diene als Lückenbüßer, 100

S. Bonk, Abschied von der Anima mundi (Anm. 5), 253 weist darauf hin, dass Platon, Aristoteles, Thomas und die Hauptvertreter der Scholastik keine rein materiellen oder körperlichen Substanzen im Sinne eines eigenständig Seienden akzeptiert hätten und schon von daher zwingend auf etwas Geistiges angewiesen wären. 101 D II: 213: „Those miserable refuges, whether in an eternal succession of unthinking causes an effects, or in a fortuitous concourse of atoms; those wild imaginations of Vanini, Hobbes, and Spinoza; in a word the whole system of atheism, is it not entirely overthrown by this single reflexion on the repugnancy included in supposing the whole, or any part, even the most rude and shapeless of the visible world, to exist without a mind?“ 102 J. C. Eaton, „The Primacy of Spirit“, in: E. O. Springsled (Hg.), Spirituality and Theology. Essays in Honour of Diogenes Allen, Louisville, Kentucky 1998, 87–98, 95: „The philosophy of immaterialism is the affirmation of God as Spirit, intimately present in the sensible ideas that comprise our experience, an affirmation, as we have seen, that is implicit in Berkeley’s exposure of the absurd as represented in the doctrine of matter, a doctrine on which modern world is founded.“ 103 Man erinnere sich an den entsprechenden Untertitel von D: In Opposition to Sceptics and Atheists.

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verkennt den Sachverhalt, dass mit der Existenzannahme von Materie lediglich eine Problemverschiebung stattfindet. Vorerst gilt festzuhalten: Atheismus und Skeptizismus sind nach Berkeley notwendige Begleiterscheinungen eines Materialismus, weshalb diese Weltanschauung zu widerlegen ist. Im Kontext der Relation von Ontologie und Epistemologie ist die Frage zu verhandeln, ob Realität nach Berkeley direkt oder medial perzipiert wird, wobei mit der Wahl eines Ansatzes zugleich die Weichen für einen Realismus oder Skeptizismus gestellt sind. Berkeley hat sich nach eigenen Aussagen eindeutig dem Alltagsrealismus verschrieben. Gewissheit erlangt der wahrnehmende Geist nur aufgrund von Einsichten, die er empirisch erfahren und anhand des Common Sense überprüft hat. Berkeley beruft sich permanent auf den Common Sense, womit in diesem Kontext eine Art intersubjektives Korrektiv und die kontinuierliche Existenz wahrnehmbarer Dinge gemeint ist, die jeder finite Geist wahrnehmen kann. Demgegenüber verwirft Berkeley jegliche Aussage über die Wirklichkeit, die keinen direkten oder indirekten Bezug zum Geist aufweist. Dass Berkeley kein Vertreter eines metaphysischen Realismus ist, wird aufgrund der Dependenz sämtlicher Dinge vom Geist offenkundig. Im nachfolgenden Abschnitt (II.) werden Perzeptionsweisen in Demarkation zu einem Repräsentationalismus untersucht, den Berkeley überzeugend widerlegt. Relevante Bezüge zur Ideenlehre fungieren als Unterbau für Berkeleys Repräsentationalismuskritik. In diesem Kontext wird weiterhin der These von der Infallibilität des Wissens nachgegangen. Der dritte Abschnitt (III.) widmet sich der Widerlegung von Materie-Konzeptionen, anhand deren Berkeleys Immaterialismus sowie die Verbindung zur Theologie deutlich zutage tritt. II. Weisen der Perzeption Insofern das ep-Prinzip einen Pfeiler des Immaterialismus bildet, stellt sich die Frage, was die Tätigkeit finiter Geister beim Perzipieren ist. Mittels einer Analyse der Möglichkeiten zur Wissensgenerierung strebt Berkeley die Entwicklung eines Konzepts für infallible Wahrnehmung an, die ein fundamentum inconcussum garantieren soll. Zunächst einmal werden die relevanten Merkmale von Wahrnehmung erörtert und anschließend in Abgrenzung zu einem Repräsentationalismus durchgespielt. Problematisch ist Berkeleys Differenzierung im Anschluss an die Tradition zwischen unmittelbarer bzw. direkter und mittelbarer bzw. indirekter Wahrnehmung. Der unmittelbaren Wahrnehmung kommt zweifelsohne der Primat zu, da diese eine Schlüsselfunktion für das Verstehen der Erkenntnistheorie seines Realismus besitzt. Der Stellenwert der mittelbaren Perzeption wirft jedoch Fragen auf. Eine erste Problemanzeige hinsichtlich der Perzeptionsweise bieten die zwei grundsätzlich divergierenden Antwortoptionen: Wäh-

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rend sich einige Interpreten für eine unmittelbare Wahrnehmung im strengen Sinne aussprechen,104 betonen andere die Unmöglichkeit direkter Wahrnehmung physischer Dinge.105 Die Untersuchung zielt darauf ab, was laut Berkeley Gegenstand der unmittelbaren Wahrnehmung ist. Wenn lediglich Ideen unmittelbar perzipierbar sind, sind Dinge entweder überhaupt nicht oder nur mittelbar perzipierbar, womit das Ziel den Skeptizismus zu widerlegen, verfehlt wäre. Die Relevanz des Topos Wahrnehmung erklärt sich aus der Tatsache, dass Philonous gleich zu Beginn von D die Frage stellt, auf welche Weise Dinge perzipiert werden: Are those things only perceived by the senses which are perceived immediately? Or may those things properly said to be sensible, which are perceived mediately, or not without the intervention of others? (D I: 174)

Philonous fragt, ob die Wahrnehmung von Dingen ausschließlich mittelbar oder auch unmittelbar erfolgen kann und meint, die Wirklichkeit sinnlicher Dinge bestehe in ihrem Wahrgenommenwerden, während Hylas eine Differenz zwischen dem Sein der Dinge und der Perzeption betont. Philonous rekurriert überzeugend auf das ep-Prinzip: Gegenstand unmittelbarer Wahrnehmung sind primär Sinnesideen (ideas of sense). Diesen kommt Existenz nur mit Bezug auf einen konkreten wahrnehmenden Geist zu, der sich zu einer bestimmten Zeit auf eine bestimmte Sensation konzentriert. Dennoch werden die Sinnesideen dem Geist ab extra gegeben und sind keine Eigenkreation.106 Die Infallibilität der direkten Wahrnehmung exkludiert das Phänomen der Sinnestäuschung. Berkeley führt das klassische Beispiel des im Wasser geknickten Ruders an und kommt zu neuen Einsichten:

104 Vgl. beispielsweise A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (Anm. 16) und G. S. Pappas, „Berkeley and Immediate Perception“, in: E. Sosa (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht/Boston/Lancaster u.a. 1987, 195–213. Eine ausführliche Diskussion der beiden unterschiedlichen Positionen bietet der Aufsatz von G. Dicker, „Berkeley on the Immediate Perception of Objects“, in: P. D. Cummins/G. Zoeller (Hgg.), Minds, Ideas, and Objects. Essays on the Theory of Representation in Modern Philosophy, Bd. II, Atascadero 1992, 201–213. Eine überzeugende Argumentation findet sich in K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 155ff. 105 G. Pitcher, Berkeley (Anm. 9), 146 sowie K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5). T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 49–88 bietet eine gute Übersicht der verschiedenen Interpretationsansätze mit den jeweiligen Schwierigkeiten. 106 Wie der Abschnitt Ideenbündel gezeigt hat, kann es kein Ding als abgeschlossenes Ganzes geben und somit existiert auch keine vollständige Perzeption, insofern ein Ding immer kontextuell erscheint. Vgl. dazu die Beschreibung des Begriffes sensedata von B. Russell, „The Relation of Sense-data to Physics“, Mysticism and Logic (1963), 108–131, 109f (Hervorhebung im Original): „When I speak of a sense-datum, I do not mean the whole as might be singled out by attention: particular patches of colour, particular noises, and so on.“ T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 278f illustriert diesen Sachverhalt.

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PHILONOUS. He is not mistaken with regard to the ideas he actually perceives; but in the inferences he makes from his present perceptions. Thus in the case of the oar, what he immediately perceives by sight is certainly crooked; and so far he is in the right. But if he thence conclude, that upon taking the oar out of the water he shall perceive the same crookedness; or that it would affect his touch, as crooked things are wont to do: in that he is mistaken. (D III: 238)

Laut Philonous ist die Wahrnehmung des gebrochenen Ruders völlig korrekt, da eine Perzeption niemals falsch sein kann: Im Wasser ist für den Betrachter das Ruder gebrochen, während diese Wahrnehmung außerhalb von Wasser nicht erfahrbar ist. Dadurch erübrigt sich die Frage nach einer wirklichen Beschaffenheit des Ruders im Sinne eines absolut existierenden Dings. Die Annahme einer potentiellen Sinnestäuschung impliziert bereits eine Kontradiktion, denn Berkeley diagnostiziert den Verstand als Quelle für falsche Folgerungen. Sensationen sind wahr, während Schlussfolgerungen falsch sein können. Auf das damit einhergehende Problem weist Hylas im Anschluss an obigen Gesprächsauszug hin.107 Vor falschen Verzerrungen durch den Verstand warnt Berkeley auch ausdrücklich im Intro: But no sooner do we depart from sense and instinct to follow the light of a superior principle, to reason, meditate, and reflect on the nature of things, but a thousand scruples spring up in our minds, concerning those things which before we seemed fully to comprehend. Prejudices and errors of sense do from all parts discover themselves to our view; and endeavouring to correct these by reason we are insensibly drawn into uncouth paradoxes, difficulties, and inconsistencies, which multiply and grow upon us as we advance in speculation; till at length, having wander’d through many intricate mazes, we find our selves just where we were, or, which is worse, sit down in a folorn scepticism. (Intro § 1)

Der Verstand wird mit der altbekannten Lichtmetapher bezeichnet, die sich auf ein überlegenes, klares Prinzip bezieht. Jener erweist sich allerdings als Irrlicht, da er vom Pfad der wahren Erkenntnis der Wirklichkeit abweicht und sich zu falschen Urteilen verleiten lässt. Derartige Verirrungen führen im schlimmsten Fall zum Skeptizismus. In den Dialogen wird wiederholt betont, dass Wahrnehmung nur aufgrund der unmittelbaren Sensationen möglich sei. Diese Unmittelbarkeit exkludiert jegliche mediale Interferenz, die zu Verfälschungen führen könnte. Als bedeutendstes Merkmal der unmittelbaren Wahrnehmung ist festzuhalten, dass diese im strengen Sinne ohne Hilfe von

107 D I: 174f: „To prevent any more questions of this kind, I tell you once for all, that by sensible things I mean those only which are perceived by sense, and that in truth the senses perceive nothing which they do not perceive immediately: for they make no inferences. The deducing therefore of causes or occasions from effects and appearances, which alone are perceived by sense, entirely relates to reason.“

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Verstand, Imagination oder Erinnerung stattfindet und sich auf wahrnehmbare Qualitäten bezieht.108 Dazu Philonous: In reading a book, what I immediately perceive are the letters, but mediately, or by means of these, are suggested to my mind the notions of God, virtue, truth etc. Now, that the letters are truly sensible things, or perceived by sense, there is no doubt: but I would know whether you take the things suggested by them to be so too. (D I: 174)

Dieses Beispiel verdeutlicht den Unterschied zwischen mittelbarer und unmittelbarer Wahrnehmung: Unmittelbar wahrgenommen werden hier die Buchstaben bzw. das Buch, das der Leser in der Hand hält, die Sensationen. Mittelbar perzipiert werden laut Philonous die Bilder, die aufgrund der Buchstaben im Geist evoziert werden, d.h. der Leser greift auf ein abgespeichertes Erlebnis zurück.109 Man könnte diesen Sachverhalt auch folgendermaßen beschreiben: Unmittelbar perzipiert wird die Realität so wie sie ist, und mittelbar nimmt der Geist das wahr, was er selbst daraus macht, d.h. wie er mit den Ideen umgeht, sie benennt, bewertet etc.110 Bis hierher kann man eine konsistente Argumentation rekonstruieren; problematisch ist jedoch das Kutschenbeispiel: PHILONOUS. Consequently it will not follow from that instance, that any thing is perceived by sense which is not immediately perceived. Though I grant we may in one acceptation be said to perceive sensible things mediately by sense: that is, when from a frequently perceived connexion, the immediate perception of ideas by one sense suggests to the mind others perhaps belonging to another sense, which are wont to be connected with them. For instance, when I hear a coach drive along the streets, immediately I perceive only the sound; but from the experience I have had that such a sound is connected with a coach, I am said to hear the coach. It is nevertheless evident, that in truth and strictness, nothing can be heard but sound: and the coach is not then properly perceived by sense, but suggested from experience. (D I: 204)

Berkeley beschreibt in dieser Passage einen alltäglichen, unbewusst ablaufenden Mechanismus: In der Vergangenheit wurde ein Phänomen mit verschiedenen Sinnen direkt perzipiert; als Beispiel dient hierfür das Vorbeifahren einer Kutsche. Bei erneuter Wahrnehmung ähnlicher bzw. charakteristischer 108 R. Schumacher, „Berkeley über die Wahrnehmung von Eigenschaften und Dingen“ (Anm. 5), 54 folgert aus der direkten Wahrnehmung die absurde Konsequenz, dass alle Subjekte dieselben Objekte sehen müssten und somit die Welt allen Menschen gleich erscheint. 109 G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 152 interpretiert das Buchbeispiel nicht im Kontext einer Verstandesleistung, sondern ordnet es in den Kontext von suggestion ein, der weiter unter verhandelt wird. Es ist zu überlegen, ob ein Lesender eine sinnliche Wahrnehmung davon besitzt, dass er gerade ein Buch in der Hand hält. Aus eigener Erfahrung kennt man bei spannender Lektüre den Verlust jeglichen Gefühls für Raum und Zeit. Bei derartigen geistigen Ausflügen könnte man nicht einmal das bewusste Umblättern der Seiten bestätigen. 110 Da eine Bewertung stets individuelle Komponenten umfasst, ist damit die divergierende Perzeption eines Dings von verschiedenen Geistern erklärbar.

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Merkmale mittels des akustischen Sinnes findet eine Identifizierung mit dem in der Vergangenheit direkt wahrgenommenen Ideenbündel statt. Das Kutschenbeispiel demonstriert den Zusammenhang von mittelbarer Wahrnehmung und Vorstellungen, die laut Philonous wiederum ihren Ursprung in sinnlicher Wahrnehmung (by sense) haben. Die scharfe Trennung der beiden Perzeptionsweisen wird aufgeweicht, insofern hier nur der akustische Eindruck unmittelbar perzipiert wird.111 Das Ideenbündel Kutsche wird genau genommen induktiv durch den Verstand erschlossen. Deshalb ist zu klären, wann eine Wahrnehmung unter die Klasse der acceptation fällt. Das Substantiv acceptation, das mit in dieser (konkreten) Situation übersetzt werden kann, bestätigt zwar die Interpretation, dass Berkeley diese Wahrnehmungsart für weniger bedeutend erachtet als die Form der direkten Wahrnehmung, doch kann dies nicht als Problemlösung akzeptiert werden. Wenden wir uns nun der Frage nach der Einmischung von Verstand und Erinnerung bei mittelbarer Wahrnehmung zu. Berkeley vermag, so die These, mithilfe der mittelbaren Perzeption notwendige Schlussfolgerungen im Alltag zu klären.112 Wenn man hierin einen Vorläufer des Induktionsproblems sehen würde,113 wäre das zwar wissenschaftstheoretisch korrekt, doch hinsichtlich Berkeleys Versuch, die empirisch erfahrbare Wirklichkeit zu erfassen, nicht tiefgreifend genug. Der (vorwiegend unbewusste) Induktionsschluss ist das den Alltag dominierende Verhalten, das vornehmlich auf rationalen Schlüssen beruht, die aufgrund von Sinneseindrücken getätigt werden.114 Anhand des Kutschenbeispiels wird die Relevanz des Common Sense bei der alltäglichen Wahrnehmung augenscheinlich. Der Alltagserfahrung ist gegenüber der Er111 I. C. Tipton, Berkeley (Anm. 7), 193 wendet ein, dass ein akustisches Geräusch nicht als Qualität angeführt werden kann. A. C. Grayling, Berkeley (Anm. 9), 66 hingegen nimmt das Beispiel produktiv auf und verweist auf vergleichbare Absurditäten der allgemein akzeptierten Wahrnehmungstheorie von Farbe, wonach Licht entsprechende Partikel absorbiert. 112 G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 157 betont, dass die unmittelbare Wahrnehmung bei Berkeley weder konzeptuell noch propositional ist, weshalb auch bestimmte Schlussfolgerungen annehmbar sind. 113 Das Induktionsproblem wird zwar erst von Hume explizit verhandelt, D. Hume, A Treatise on Human Nature, hg. von Norton, David F./Norton, Mary J., Oxford 8. Aufl. 2006, I, 3, 6, doch kann man mit guten Gründen Berkeley ein Bewusstsein davon zuschreiben: Ein finiter Geist hat zu einem bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt t1 das Geräusch x wahrgenommen. Aus diesem Erfahrungswissen schließt er beim Hören zum Zeitpunkt t2 eines Geräusches y induktiv, dass es sich um das bereits einmal wahrgenommene Geräusch x zum Zeitpunkt t1 handeln muss. Doch es könnte der Fall sein, dass es sich um ein, dem wahrnehmenden Geist unbekanntes Phänomen handelt, das keinerlei Bezug zu dem ersten akustischen Eindruck x aufweist. 114 Ein anthropologisches Merkmal stellt das Streben nach Sinnzusammenhängen bzw. einer umfassenden Deutung der wahrgenommenen Realität dar. Jeder Sinneseindruck erweckt im Menschen das Bedürfnis, ein darin ausgedrücktes vollständiges Ganzes zu erkennen. Dieses grundlegende Bedürfnis bezieht Berkeley m. E. mit ein.

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kenntnisgewissheit der Vorrang zu geben, ohne dabei auf überflüssige Spekulationen zu rekurrieren. Das Erfahrungswissen in Form von Erinnerung, Verstand oder Imagination nimmt Einfluss auf den Wahrnehmungsakt. Immerhin wird zumindest die Idee Geräusch des Ideenbündels Kutsche perzipiert. Trotz dieser Erklärung demonstriert das Kutschenbeispiel, im Gegensatz zum Ruderbeispiel, nicht die ausschließliche Akzeptanz unmittelbarer Perzeption. Mit einer Aufweichung der Perzeptionsweisen könnte man Berkeley einen Verlust der Erkenntnisgewissheit unterstellen. Dagegen ist einzuwenden, dass hinsichtlich induktiver Folgerungen stets eine potentielle Fallibilität zu beachten ist, die deren hypothetischen Charakter transparent macht. Im Gesprächskontext von D findet sich noch ein drittes Beispiel, in welchem Hylas die Unterscheidung der unmittelbaren Perzeption von Ideen und einer vermittelten Wahrnehmung der Dinge durch Ideen vollzieht. To speak the truth, Philonous, I think there are two kinds of objects, the one perceived immediately, which are likewise called ideas; the other are real things or external objects perceived by the mediation of ideas, which are their images and representations. Now I own, ideas do not exist without the mind; but the latter sort of objects do. (D I: 203)

Hylas Anliegen besteht im Erweis der Existenz von Geist-independenten Objekten, weshalb er an der These festhält, die eine Ideen-Gattung würde unmittelbar perzipiert, während die andere als Repräsentant zur Vermittlung divergierender Gegenstände fungiere. Interessanterweise werden hier image und representation gleichgesetzt, wodurch das Mediationsproblem bei Ideen angesprochen wird: Wenn man neben der Entität eine weitere Entität Ideen konstatiert, wird zum einen die Differenz der verschiedenen Entitäten ungewiss und zum anderen droht ein infiniter Regress. Mit der Bestimmung der Entität Idee müssen konstante Merkmale einhergehen, denn das Postulat hierarchischer Abfolgen innerhalb dieser Entität bringt weitreichende Folgen mit sich. Zunächst ein paar Worte zur Klärung des Terms Repräsentation. Repräsentation bedeutet allgemein eine Präsenz zweiter Stufe, insofern die Dinge im Bewusstsein immer durch einen Stellvertreter vermittelt sind. Neben Descartes, der als neuzeitlicher Begründer des Repräsentationalismus angesehen wird, gilt auch Locke als Repräsentationalist.115 Jegliche Idee wird als menta115 In der neueren Forschung wird Descartes vom Vorwurf des Repräsentationalismus befreit, so etwa D. Perler, Repräsentation bei Descartes, Frankfurt a.M. 1998. Allerdings steht Berkeleys Verständnis im Vordergrund, weshalb eine nähere Behandlung nicht verfolgt wird. A. Kemmerling, „A Pleasant Mistake Enough“ (Anm. 5), 23 fasst den repräsentationalistischen Denkvorgang seit Descartes folgendermaßen zusammen: „Alles Denken [...] war den meisten Philosophen seit Descartes ganz selbstverständlich und seinem innersten Wesen nach dies: das Haben (Perzipieren) von Ideen (mentalen Repräsentationen). Zum An-etwasDenken und erst recht zum Um-etwas-Wissen gehört es, eine Idee davon zu haben. Ohne Idee von X kein Denken an X; nicht einmal ein Gedanke an ein Denken an oder Wissen über X.“

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le Repräsentation verstanden und diese inneren Ideen bilden die Erfahrungswelt.116 Allein die Ideen, die als immaterielle, mentale Objekte betrachtet werden, ermöglichen die Erkenntnis materieller Objekte. Ideen werden via Perzeption extramentaler Gegenstände evoziert und sind im Geist zu lokalisieren. Lockes System erfordert eine Relation zwischen geistiger und körperlicher Welt. Das Abgleiten in die Skepsis soll durch die Annahme, unmittelbare Sinneseindrücke als Repräsentanten extramentaler Gegenstände zu verstehen, verhindert werden.117 Nach Lockes Theorie evozieren Körper, die aus kleinen Korpuskeln bestehen, im menschlichen Geist ähnliche Ideen. Geistige Vorstellungen repräsentieren demnach körperliche Objekte, die ab extra auf den menschlichen Geist einwirken, wodurch die Ursache der Ideen in der Außenwelt zu verorten ist.118 Das Vermittlungsproblem von Wirklichkeit und Erscheinung wird mithilfe geistiger Entitäten gelöst: Ideen sind die Repräsentanten extramentaler Gegenstände. Dieser Annahme wird eine Korrespondenztheorie der Wahrheit unterstellt. Die Relata sind auf der einen Seite extramentale Gegenstände und auf der anderen Seite Qualitäten, die nicht unmittelbar perzipiert werden, sondern einer Formgebung des Geistes unterstehen.119 Für eine Adäquation zweier Relata liegt nach dieser Theorie eine Entsprechung auf verschiedenen ontologischen Ebenen zugrunde, denen Isomorphie zugesprochen wird. Die Perzeption extramentaler Objekte unterliegt einer Mediation, wodurch ein direkter Zugang zur Wirklichkeit verstellt wird. Folglich ist die Frage nach der Gewissheit von Sinneswahrnehmungen weiterhin ungelöst, da kein Kriterium zur Kontrolle der Kongruenz von wahrgenommenen Ideen mit extramentalen Gegenständen vorhanden ist.120 Berkeley hat um die Überzeugungskraft des Repräsentationalismus gewusst. Sein Interesse besteht in dessen Widerlegung, insofern keine hinreichende 116 D. Dennett, Philosophie des menschlichen Bewusstseins, Hamburg 1994, 139f bezeichnet dieses Szenario als cartesianisches Theater. 117 Essay IV, 21, 4: „For since the Things, the Mind contemplates, are none of them, besides it self, present to the Understanding, ‘tis necessary that something else, as a Sign or Representation of the thing it considers, should be present to it: And these are Ideas.“ Unklarheiten in Locke ermöglichen die Interpretation einer Abbildtheorie im Sinne Descartes bis hin zu einem erkenntnistheoretischen Idealismus. Vgl. dazu F. v. Kutschera, Grundfragen der Erkenntnistheorie, Berlin/New York 1982, 194ff. 118 Vgl. Essay IV, 4, 4. Die Relation zwischen Repräsentation und realem Ding wird auch bei anderen Philosophen überwiegend als kausale verstanden. 119 Derart mentale Zustände werden in der Philosophie des Geistes als Qualia bezeichnet. 120 Die Verteidigung gegenüber dem Skeptizismusvorwurf dieser Theorie wird nicht weiter verfolgt. Als aktuelle Vertreter eines repräsentationalistischen Realismus sind stellvertretend F. Dretske, Die Naturalisierung des Geistes, Paderborn/München/Wien u.a. 1998 und J. A. Fodor, Representations. Philosophical Essays on the Foundation of Cognitive Science, Brighton 1981, bes. 177–253 anzuführen. Ein entscheidender Kritiker des Repräsentationalismus ist G. Ryle, Der Begriff des Geistes, Stuttgart 2002, der einen Zirkel in der Argumentation benennt.

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Erklärung der Frage nach der Realität der Außenwelt gegeben wird, was dem Skeptizismus Tür und Tor öffnet. PHILONOUS. It is your opinion, the ideas we perceive by our senses are not real things, but images, or copies of them. Our knowledge therefore is no farther real, than as our ideas are the true representations of those originals. But as these supposed originals are in themselves unknown, it is impossible to know how far our ideas resemble them; or whether they resemble them at all. We cannot therefore be sure we have any real knowledge. (D III: 246)

Hinter den unmittelbar perzipierten Ideen existiert keine andersartige Welt. Bezeugt wird die repräsentationalistische Variante als Nahrung für den Skeptizismus, den Berkeley abwendet, indem er die traditionell nur mittelbar wahrnehmbaren Repräsentanten als unmittelbare und somit infallible Vorstellungen versteht. Dadurch ist ein direkter Zugang zur Wirklichkeit und somit infallible Erkenntnis gewährleistet.121 Eine Erkenntnistheorie, die irgendwelche, absolute Existenz beanspruchenden, für den menschlichen Geist jedoch unerreichbaren Objekte konstruiert, stellt für Berkeley eine Absurdität dar: In short, if there were external bodies, it is impossible we should ever come to know it; and if there were not, we might have the very same reasons to think there were that we have now. Suppose, what no one can deny possible, an intelligence, without the help of external bodies, to be affected with the same train of sensations or ideas that you are, imprinted in the same order and with like vividness in his mind. I ask whether that intelligence hath not all the reason to believe the existence of corporeal substances, represented by his ideas, and exciting them in his mind, that you can possibly have for believing the same thing? Of this there can be no question; which one consideration is enough to make any reasonable person suspect the strength of whatever arguments he may think himself to have, for the existence of bodies without the mind. (P § 20)

Auch wenn Gegenstände absolut existieren würden, könnte von diesen niemals ein sicheres Wissen generiert werden und sämtliche Aussagen wären Hypothesen. Berkeley fragt kritisch an, weshalb man die Erkenntnis von etwas anstreben soll, das per definitionem unerkennbar, da mental nicht greifbar ist. Ihm zufolge ist eine Repräsentationsbeziehung ausschließlich auf der sprachlichen Ebene zu verorten.122 Deshalb ist auch der Besitz einer abstrakten Idee unmöglich, da diese Idee viele konkrete Vorstellungen bzw. andere Ideen unter sich vereinen bzw. repräsentieren würde. Eine derartige Repräsentationsbeziehung steht im Widerspruch zu Berkeleys These von der Ähnlichkeit, wonach Ideen grundsätzlich nur Ideen ähneln können. Es existiert keine Relation zwischen zwei ontologisch verschiedenen Relata: Denken und Sein 121 J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (Anm. 47), 69 bezeichnet das von Berkeley erkannte Problem als veil-of-perception doctrine. Damit wird deutlich, dass die Sinnesvorstellungen bei Locke als Vorhang zu verstehen sind, der sich auf die externen Objekte legt und jegliche Erkenntnis verschleiert. Die Ironie zu Lockes Anliegen ist offenkundig. 122 Während es sich bei sprachlichen Zeichen um eine konventionelle Zeichentheorie handelt, ist dies bei Ideen nicht möglich; eine Idee kann lediglich einer anderen Idee ähneln, diese jedoch niemals repräsentieren.

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fallen zusammen. Eine Idee kann nicht etwas ihr essentiell Verschiedenem, wie beispielsweise einem materiellen Objekt, ähneln.123 In dem Beispiel der Perzeption der Statue Julius Cäsars wird das Argument zur Widerlegung des Repräsentationalismus mit der Frage der Perzeptionsweise verknüpft. Hylas vertritt erneut die These, Gegenstände seien indirekt perzipierbar. PHILONOUS. How! Is there anything perceived by sense, which is not immediately perceived? HYLAS. Yet, Philonous, in some sort there is. For example, when I look on a picture or statue of Julius Cæsar, I may be said after a manner to perceive him (though not immediately) by my senses. PHILONOUS. It seems then, you will have your ideas, which alone are immediately perceived, to be pictures of external things: and that these also are perceived by sense, inasmuch as they have a conformity or resemblance to our ideas. (D I: 203)

Philonous widerlegt Hylas’ repräsentationalistische Konzeption und entgegnet im weiteren Gesprächsverlauf, man könne sich zwei Personen vorstellen, die in ihrem Wissen um Julius Cäsar divergieren. Ohne ein Wissen von Cäsar respektive seinem Aussehen ist man nicht in der Lage, die Statue im Sinne Hylas als Cäsar zu sehen; vielmehr bleibt die Skulptur eine einfache Statue, die sich lediglich durch eine bestimmte Form auszeichnet. Mit diesem Beispiel wird bei der mittelbaren Wahrnehmung der Person Julius Cäsars ein notwendiges Wissen um die Repräsentationsfunktion der Statue illustriert, weshalb das von Hylas gewählte Beispiel nicht als ein Fall indirekter Wahrnehmung gelten kann. Das Argument bezeugt die Unmöglichkeit einer adäquaten Relation für eine Repräsentation, insofern über die Abbildrelation eines Bildes und dessen Original keine Aussage getroffen werden kann. Nur unter Rückgriff auf das Original wäre eine Aussage möglich, andernfalls bleibt jegliche Aussage Spekulation.124 Philonous stellt die entscheidende Frage: „[H]ow shall we be able to distinguish the true copy from all the false ones?“ (D I: 206)125 123

S.a. D III: 239. In D I: 204 betont Philonous, dass mittelbare Wahrnehmung aufgrund von Vorstellungen erfolgt und das Erkennen der Statue Cäsars auf Verstand und Erinnerung an das Wissen um dessen Person rekurriert: „As for other things, it is plain they are only suggested to the mind by experience grounded on former perceptions. But to return to your comparison of Caesar’s picture, it is plain, if you keep to that, you must hold the real things or archetypes of our ideas are not perceived by sense, but by some internal faculty of the soul, as reason or memory. “ Ein weiteres Argument gegen den repräsentativen Realismus stellt das Faktum der Relativität der Wahrnehmung dar, auch wenn es sich dabei um ein ad-hominem-Argument handelt. Nach R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), 114 trifft dieses Argument den repräsentativen Realismus am stärksten. 125 H. Schnädelbach, Erkenntnistheorie zur Einführung, Hamburg 2002, 198: „Die traditionelle Orientierung der Theorie der Erinnerung und Vorstellung am Modell der Vorstellung 124

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Die ausgeführten Argumente besitzen hinsichtlich der Epistemologie und Ontologie natürlich eine wichtige Funktion. Berkeley hält an der Annahme fest, dass es kein tertium quid zwischen Ideen und Dingen gibt. Nach den bisherigen Untersuchungen präferiert Berkeley eindeutig die unmittelbare Wahrnehmung aufgrund der Erkenntnisgewissheit, d.h. die Perzeption sämtlicher Qualitäten eines Ideenbündels ist für die Benennung nicht erforderlich. Es wird dabei die Vorstellung vermittelt, als würde die sinnliche Wahrnehmung nach Berkeleys Ansicht von jeglichem kognitiven Verständnis independent sein. Daraus ergäbe sich die These, dass das Erfahrungswissen des finiten Geists nur marginale Bedeutung besäße. Jede Wahrnehmung ist demnach als nicht-epistemisch und direkt zu verstehen.126 Berkeleys Epistemologie sucht nach universalen Prinzipien für den Perzeptionsvorgang und formuliert sein Vorgehen am Ende der Dialogues: I do not pretend to be a setter-up of new notions. My endeavours tend only to unite and place in a clearer light that truth, which was before shared between the vulgar and the philosophers: the former being of opinion, that those things they immediately perceive are the real things; and the latter, that the things immediately perceived, are ideas which exist only in the mind. Which two notions put together, do in effect constitute the substance of what I advance. (D II: 262)

Berkeley plant nicht die Einführung neuer Terme oder Konzepte auf der Verstandesebene, sondern entwickelt eine Methode, nach der jedermann selbständig zur Wahrheit gelangen kann. Die Relation für den Geist ist eine unentbehrliche Bedingung, insofern sämtliche Gegenstände maßgeblich von einem mentalen Prozess mitbestimmt werden. Hinter einer Perzeption verbirgt sich keine isolierte Empfindung, sondern jegliche Perzeption ist bereits in einen Deutungshorizont integriert und folglich wird Realität vom finiten Geist

qua Repräsentation führte zu dem Missverständnis, wir hätten es dabei mit einfachen QuasiGegenständen wie Bildern, Geräuschen, etc. zu tun. Tatsächlich gilt auch hier die Propositionalitätsthese, d.h. wir erinnern uns im Medium der Vorstellung niemals nur an Dinge, Zustände oder Ereignisse, sondern immer an sie mit einer bestimmten Eigenschaft, und nur in dieser Struktur können sie in unserem Wissen vorkommen, das immer propositional verfasst ist.“ 126 Der Begriff der nicht-epistemischen Wahrnehmung stammt von F. Dretske, Die Naturalisierung des Geistes (Anm. 148) und verweist auf die nominale Verwendungsweise im Gegensatz zur propositionalen. G. Dicker, „The Concept of Immediate Perception in Berkeley’s Immaterialism“, in: C. M. Turbayne (Hg.), Berkeley. Critical and Interpretative Essays, Minneapolis 1982, 48–66 findet neben einem epistemologischen Konzept auch ein psychologisches in der unmittelbaren Wahrnehmung und ist der Ansicht, Berkeley vermische diese beiden Konzepte. G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 169ff kann hingegen kein psychologisches Konzept finden und argumentiert für eine Angemessenheit unmittelbarer Perzeption mit dem Common Sense. Vgl. auch G. Pitcher, Berkeley (Anm. 9), 146, G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (Anm. 7), 7 und R. Schumacher, „Berkeley über die Wahrnehmung von Eigenschaften und Dingen“ (Anm. 5), 53.

C. Immaterialismus

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mitkonstituiert.127 Das sprachliche Definieren von Relationen, die den Perzeptionen zugeschrieben werden, ist als Mitwirkung des Geistes bei der Konstitution von Realität zu verstehen. Dieser Akt der Konstitution wird möglich aufgrund der Relationalität von Sensationen: Jede Sensation verweist auf eine andere und wird von dieser begrenzt. Begrenzung ist hier positiv zu verstehen, da diese die Identifikation einer Sensation gestattet. Nichts existiert nach Berkeley atomar, insofern alles in einem unauflöslichen Verweisungsgefüge besteht. Ohne einen Kontext, d.h. ohne relationalen Zusammenhang wäre eine sinnvolle Perzeption undenkbar. Insgesamt wird der systematische Stellenwert von Perzeptionen im Rahmen der Erkenntnisgewissheit deutlich.128 Hinsichtlich der Repräsentationalismuskritik, die bis heute Aktualität aufweist und weshalb Berkeley als der erste Philosoph der Neuzeit bezeichnet wird, der die repräsentationalistische Theorie grundsätzlich in Frage stellt, ist noch eine letzte Anmerkung anzuführen.129 Ein zentrales Argument, das Berkeley ins Feld führt, konzentriert sich auf die theologische Architektonik seiner Perzeptionstheorie. Ein repräsentationalistischer Ansatz vermag die Existenz aktiver Substanzen wie beispielsweise des eigenen Geistes oder auch Gottes nicht befriedigend zu erklären.130 Hingegen kommt einer Theorie, die den aktiven Geist als Ausgangspunkt wählt und die Perzeptionen in Dependenz zu diesem sieht, ein größeres Erklärungspotential zu, sofern damit ein künstlicher Hiat zur extramentalen Außenwelt vermieden wird. Doch bevor wir uns der Theologie zuwenden, steht noch Berkeleys Kritik an MaterieKonzeptionen aus.

127

Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (Anm. 23), 283f beschreibt diese Mitkonstitution: „[Der Begriff Perzeption] zeigt, dass nicht die bloße Materie des Sinneseindrucks, sondern erst ihre Formung und Verknüpfung durch die Seele die Dinge in ihrer endgültigen Gestalt erschafft; aber er weist nicht minder darauf hin, dass der Geist in dieser Gestaltung keine selbstbewusste und selbsttätige Leistung vollzieht.“ (Hervorhebungen im Original) 128 Berkeleys Position weist in dieser Hinsicht eine Nähe zur Instrumentalismuskritik des Antirealisten B. C. v. Fraasen, The Scientific Image, Oxford 1980 auf. 129 So etwa A. Kemmerling, „A Pleasant Mistake Enough“ (Anm. 5), 24. 130 S.a. R. Schumacher, „Einleitung“ (Anm. 5), 13f sowie K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (Anm. 5), 125.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

III. Kritik des Begriffes Materie 1. Der Irrglaube Berkeleys Widerlegung der Existenzannahme von Materie veranschaulicht die Selbstbezeichnung seiner Philosophie als Immaterialismus.131 Materie ist das Paradigma einer abstrakten Idee, der keine Bedeutung zukommt, da sie keinen wahrnehmbaren Inhalt verkörpert. Die verschiedenen Bedeutungen von Materie erweisen sich entweder als inhaltslos, insofern ein Abstraktionsprozess voraus geht oder als kontradiktorisch. Die Kontradiktion liegt in der Konstatierung, Materie existiere independent zu einer Wahrnehmungssituation, denn das Sein von Ideen besteht gerade im Perzeptionsakt. Trotz offenkundiger Unzulänglichkeiten sind nach Berkeley viele Denker dem inkonsistenten Konstrukt Materie und somit einem Irrglauben verfallen. Im vorliegenden Abschnitt (1.) sei Lockes Substanzbegriff paradigmatisch referiert, von dem sich Berkeley distanziert; der anschließende Abschnitt Berkeleys Widerlegung (2.) konzentriert sich auf den zweiten Dialog von D, insofern darin die Widerlegung sämtlicher Materie-Konzeptionen eruiert wird.132 Locke ist als Vertreter eines metaphysischen Dualismus einzuordnen,133 da er im Anschluss an Descartes zwei verschiedene Arten von Substanzen postuliert: eine ausgedehnte, materielle (res extensa) und eine nichtausgedehnte, geistige (res cogitans).134 Locke konstatiert im zweiten Buch seines Essay eine Substanz, welche die Identität von Sinneseindrücken mit perzipierten Gegenständen garantieren soll. Die Erfahrung erweist eine Kovarianz bestimmter Eigenschaften, weshalb die Existenz von etwas Zugrundeliegenden vermutet wird, das die jeweiligen Eigenschaften trägt und zusammenhält.

131

Vgl. dazu auch die Verortung von E. Stadelmann, Philosophie aus der Besinnung des Denkens auf sich selbst (Anm. 5), 116: „Berkeley will dieses Wort aufheben und legt auf diese Weise den Grundstein für seine Lehre, die er nicht etwa nach seinen positiven Ausführungen Spiritualismus nennt, sondern die er selbst – in Entgegensetzung zu dem Wort Materie – als Immaterialismus bezeichnet.“ (Hervorhebungen im Original) 132 S.a. Essay II, 23, 3. In der Sekundärliteratur wird die Frage verhandelt, welchen Denker Berkeley anvisiert. D. Berman, „George Berkeley“, in: S. Brown (Hg.), British Philosophy and the Age of Enlightment, Bd. V, London 1996, 104ff vertritt die Ansicht, Hobbes und Descartes bildeten das Angriffsziel, während J. Bennett, „Substance, Reality and Primary Qualities“, in: W. E. Creery (Hg.), Matter and the external world, mind and notions, Bd. III (George Berkeley), London 1991, 52–81 Locke vermutet. A. C. Grayling, Berkeley (Anm. 9), 144 erkennt Locke als Erben der Scholastik (sine re substante). 133 Essay II, 12, 3; so auch G. Pitcher, Berkeley (Anm. 9), 91. 134 Essay II, 23, 29: „Sensation convinces us, that there are solid extended Substances; and Reflection, that there are thinking ones: Experience assures us of the Existence of such Beings; and that the one hath a power to move Body by impulse, the other by thought; this we cannot doubt of.“

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[N]ot imagining how these simple Ideas can subsist by themselves, we accustom our selves, to suppose some Substratum, wherein they do subsist, and from which they do result, which therefore we call Substance. (Essay II, 23, 1)

Locke rekurriert zur Klärung der Wahrnehmbarkeit von Qualitäten bzw. zur Lösung des Problems der Objektpermanenz auf ein Konzept von Substanz, das als ein zentrales Argument von Materialisten anzusehen ist.135 Die Unsicherheit und Uneindeutigkeit dieses Konzeptes sowie dessen hypothetischer Charakter ist ihm bewusst, was die Attribute dunkle und relative Idee verdeutlichen, die mit seinem Postulat einer körperlichen Substanz einhergehen. Tis plain then, that the Idea of corporeal Substance in Matter is as remote from our Conceptions, and Apprehensions, as that of Spiritual Substance, or Spirit; and therefore from our not having any notion of the Substance of Spirit, we can no more conclude its non-Existence, than we can, for the same reason, deny the Existence of Body: It being as rational to affirm, there is no Body, because we have no clear and distinct idea of the substance of matter, as to say there is no spirit, because we have no clear and distinct Idea of the Substance of a spirit. (Essay II, 23, 5)136

Als Empirist geht Locke von der Existenz gegebener Körper aus. Seine Kritik hat eine traditionelle Vorstellung im Visier, nach der Substanzen nicht nur Träger von Eigenschaften sind, sondern ein eigenes Wesen besitzen. Er argumentiert gegen die Behauptung einer Wesenheit von Substanz und sieht in den Sinnen den Erkenntnisprimat. Der Substanzbegriff wird nach Locke mittels Abstraktion generiert, indem aus der Erfahrung das Allgemeine herausgelöst wird. Die abstrakte Idee Substanz entspringt der Wahrnehmung einer konstanten und objektiv überprüfbaren Verbindung einfacher Ideen.137 Letztlich vermag Locke keine ausreichende Erklärung zu geben, wie materielle, 135

Vgl. weiterhin Essay II, 31, 13. Eine Verteidigung der Korpuskeltheorie Lockes findet sich in Y. Tomida, „Locke, Berkeley, and the Logic of Idealism II (2003)“, in: ders. (Hg.), The Lost Paradigm of the Theory of Ideas, Hildesheim/Zürich/New York 2007, 43–68. 136 Vgl. Essay I, 4, 18: „I confess, there is another Idea, which would be of general use for Mankind to have, as it is of general talk as if they had it; and that is the Idea of Substance, which we neither have, nor can have, by Sensation or Reflection. […] We have no such clear Idea at all and therefore signify nothing by the word Substance, but only an uncertain supposition of we know not what; (i.e. of something whereof we have no particular distinct positive) Idea, which we take to be the substratum, or support, of those Ideas, we do know.“ Eine drastische Kritik von Th. Reid, An Inquiry into the Human Mind, Chicago 1970, 26 an Lockes Theorie lässt sich mit folgenden Worten wiedergeben: „[P]aradoxes shocking to common sense, and scepticism, which disgrace our philosophy of the mind.“ Inwieweit eine Einordnung Lockes als Skeptiker diesem gerecht wird, ist jedoch fraglich. 137 Da die Wahrnehmung von Gegenständen einer Substanz bedarf, gilt es eine Differenzierung hinsichtlich der Ideen vorzunehmen. S.a. Essay II, 8, 7. In P § 16 wirft Berkeley der Lockeschen Theorie vor, die Relation zwischen der materiellen Substanz und den wahrnehmbaren Qualitäten derselben, also das Tragen von Qualitäten, nicht ausreichend erklären zu können. Allerdings sieht Locke selbst die konzeptuelle Unangemessenheit. Vgl. dazu Essay I, 3, 19; II, 13, 17–19; II, 23, 1–2.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

ausgedehnte Objekte von geistigen, nicht-ausgedehnten Substanzen erfahren werden können.138 Dieses Erklärungsdefizit hat Berkeley erkannt und argumentiert daher für eine andere Weltsicht. 2. Berkeleys Widerlegung Interessanterweise beginnt der zweite Dialog, in dem die Kritik am MaterieBegriff diskutiert wird, mit einer Reminiszenz an platonische Dialoge: Die Ähnlichkeit von Wahrheit und Schönheit wird bestaunt. Dem schließt sich ein Lob der Schöpfung an, das deren Schönheit, Zweckmäßigkeit und Ordnung beschreibt. Dieser Prolog verdeutlicht das eigentliche Ziel der Abhandlung, das in der Demonstration von Gottes Wesen respektive der Verteidigung des Theismus zu sehen ist. Es finden sich sieben verschiedene Konzeptionen von Materie im zweiten Dialog. Die Anzahl der divergierenden Konzepte bzw. das Fehlen einer handfesten Definition reflektiert eine offenkundige Vagheit. Zugleich explizieren die Schilderungen der Konzepte den Nexus von Weltsicht und Metaphysik bzw. Theologie. Folgende, schlagwortartig angeführten Konzepte werden verhandelt: third nature, object, cause of our ideas, instrument God needs to produce ideas, occasion at the presence of which God produces our ideas, substance/substratum, und something entirely unknown.139 Sämtliche Konzepte werden von dem Materialisten Hylas referiert und aufgrund entsprechender Einwände seitens Philonous verworfen. Beispielsweise induziert Hylas neben Geistern und Ideen Materie als dritte Entität (third nature), was dessen Hilflosigkeit illustriert.140 [M]ay there not be still a third nature besides spirits and ideas? May we not admit a subordinate and limited cause of our ideas? In a word, may there not for all that be matter? (D II: 215)

Hylas verstrickt sich im fortlaufenden Dialog permanent in Widersprüche und vermag dennoch die Unmöglichkeit der Existenz von Materie nicht zuzugeben. Diese materialistische Variante ist aufgrund der Ermangelung eines 138

Essay III, 6, 2. In Lockes System wird Gott zur Erschaffung der Seelen und materieller Objekte bzw. für die Bewegung von Materie benötigt. 139 D II: 222f: „Pray tell me if the case stands not thus: at first, from a belief of material substance you would have it that the immediate objects existed without the mind; than that their archetypes; then causes; next instruments; then occasions: lastly, something in general, which being interpreted proves nothing. What think you, Hylas, is not this a fair summary of your whole proceeding?“ 140 S.a. D II: 217. Hylas wird als ein Gesprächspartner dargestellt, der naiv die Überzeugung von der Existenz der Materie übernommen hat und sich an diese Weltsicht klammert; dementsprechend fungiert er als Repräsentant eines zeitgenössischen Gelehrten. Hylas’ materialistische Weltsicht weist Parallelen zu einem religiösen Fundamentalismus auf, der sich auf ungefüllte Begriffe gründet und daher als blinder Glaube im weitesten Sinne zu interpretieren ist.

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Arguments schnell widerlegt. Nachfolgend wird die Argumentation von vier Materie-Konzepten kurz rekonstruiert (substance, cause, instrument und occasion) und abschließend die Leere dieses Begriffs beleuchtet.141 Jeder Abschnitt beinhaltet erste Hinweise auf die damit einhergehende Theologie. Die erste Konzeption sieht Materie als Substrat an und impliziert eine Kritik an Lockes Verständnis. Danach ist eine Qualität in Dependenz zu einem Träger zu perzipieren, dem diese inhäriert. In D referiert Hylas diese Vorstellung. [W]hen I look on sensible things in a different view, considering them as so many modes and qualities, I find it necessary to suppose a material substratum, without which they cannot be conceived to exist. (D I: 197)

Die Nähe zu Lockes Substanzverständnis ist nicht abzustreiten. Noch deutlicher wird diese Ansicht in P § 16 dargestellt: It is said extension is a mode or accident of matter, and that matter is the substratum that , supports it. Now I desire that you would explain what is meant by matter s supporting extension; say you, I have no idea of matter, and therefore cannot explain it. I answer, though you have no positive, yet if you have any meaning at all, you must at least have a relative idea of matter; though you know not what it is, yet you must be supposed to know what relation it bears to accidents, and what is meant by its supporting them. It is evident support cannot here be taken in its usual or literal sense, as when we say that pillars support a building; in what sense therefore must it be taken? (P § 16)

Dieses hypothetische Konzept ist einsichtig, insofern einer Qualität das Erfordernis eines Bezugsobjekts unterstellt wird. Eine Qualität ist eine Qualität von etwas und besteht nach obiger Vorstellung in einem Substrat. Das Angriffsziel bildet u.a. die Cartesianische Definition, nach der Materie etwas Ausgedehntes ist.142 Das Resultat wären Qualitäten als Formen der Ausdehnung, womit das Problem lediglich verschoben wäre, da der Substratbegriff in dieser Vorstellung mit den Qualitäten koinzidiert. Philonous Kritik zielt auf die indirekte Perzeption von Substanz via Qualitäten.143 Diese Theorie gründet auf einen Abstraktionsprozess, der wiederum hypothetischen Charakter aufweist und folglich als widerlegt gilt. Im weiteren Dialogverlauf interpretiert Philonous den Substratbegriff wörtlich als etwas Darunterliegendes im räumlichen Sinne.144 Dieses Verständnis generiert zwar einen Dissens bei Hylas, der jedoch keine Erklärung der Relation von Qualitäten und Substrat anbieten kann. Phi141

M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (Anm. 5), 29–55 behandelt die Konzepte object, substance/substratum, cause und occasion ausführlich. 142 Vgl. R. Descartes, Prima Philosophia, in: Oeuvres de Descartes, hg. von Ch. Adam/P. Tannery, Bd. VII, Paris 1973, II, I (355). 143 D I: 197: „HYLAS. It is not itself sensible; its modes and qualities only being perceived by senses.“ 144 Der griechische Begriff des ‘ȣʌȠțİ‫ܝ‬ȝİȞȠȞ reflektiert die Subjekt-Objekt-Spaltung in einem Dualismus anschaulich.

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

lonous entkräftet diese Konzeption analog zur Repräsentationalismuskritik, da eine Korrespondenz zwischen Ideen und andersartigen ontologischen Gegenständen unmöglich sicher gewusst werden kann.145 Berkeley verwirft eine Dependenz der Qualitäten zu einer materiellen Substanz und akzentuiert das ep-Prinzip, wonach dem Substanzbegriff ausschließlich für mentale Substanzen Gültigkeit zukommt.146 Wenn Materie in der beschriebenen Weise als Substanz fungiert, dann wird Gottes Wirken in der Welt überflüssig – Gott wäre höchstens im Kontext der Frage nach dem Ursprung von Materie relevant. Zugleich impliziert diese Weltsicht eine starke Verengung des Erklärungsrahmens für Phänomene auf das Vermögen von Substanzen, wodurch die Frage virulent wird, ob damit nicht eine Idolatrie der Natur bzw. eine Sonderform des Pantheismus einhergeht. Das zweite behandelte Konzept erkennt Materie als extramentale Ursache (cause). Hylas ist der Meinung, Realität sei nur via Materie im Sinne eines Erfahrungen bewirkenden Prinzips erklärbar: I find myself affected with various ideas, whereof I know I am not the cause; neither are they the cause of themselves, or of one another, or capable of subsisting by themselves, as being altogether inactive, fleeting, dependent beings, they have therefore some cause distinct from me and them: of which I pretend to know more, than that it is the cause of my ideas. And this thing, whatever it be, I call matter. (D II: 216)

Da man sich selbst nicht als Ursache der Erfahrungen erlebt, ist eine extramentale Ursache, ein tertium quid zu Ideen und Geistern, zu deduzieren. Hylas betont eine Ereigniskausalität von materiellen Dingen. Materie fungiert seines Erachtens als Begründung für Bewegung und die von Philonous postulierte Annahme, Ideen seien ohne Aktivität, wird als konträr zur Empirie befunden. Der bisherige Diskurs hat Ideen als völlig passiv demonstriert, wes145 Vgl. P § 19: „[F]or though we give the materialists their external bodies, they by their own confession are never the nearer knowing how our ideas are produced: since they own themselves unable to comprehend in what manner body can act upon spirit, or how it is possible it should imprint any idea in the mind. Hence it is evident the production of ideas or sensations in our minds, can be no reason why we should suppose matter or corporeal substances, since that is acknowledged to remain equally inexplicable with, or without this supposition.“ T. Stoneham, Berkeley’s World (Anm. 7), 98 dazu: „[Berkeley] has a totally clear way of understanding that a quality must exist in a substance, namely that it must be perceived by a mind, whereas the materialist cannot explain what he means by qualities inhering in matter or any other substance.“ 146 D III: 237: „It is therefore evident that there can be no substratum of those qualities but spirit, in which they exist, not by way of mode or property, but as a thing perceived in that which perceives it. I deny therefore that there is any unthinking substratum of the objects of sense, and in that acceptation that there is any material substance. But if by material substance is meant only sensible body, that which is seen and felt (and the unphilosophical part of the world, I dare say, mean no more) then I am more certain of matter’s existence then you, or any other philosopher, pretend to be.“ Eine ausführliche Verhandlung des mentalen Substanzbegriffs erfolgt im dritten Kapitel zur Selbsterkenntnis (3.C).

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halb diese genau genommen als Ursache ausscheiden: Etwas Passives kann nichts Aktives generieren.147 Philonous argumentiert sprachanalytisch und betont die allgemeine Verwendungsweise eines Begriffes, wodurch eine arbiträre Modifikation der Extension exkludiert wird. Mit Materie wird im Common Sense laut Philonous an extended, solid, moveable, unthinking, inactive substance (D II: 216) bezeichnet. Diese Begriffe geben Aufschluss über die relevanten Qualitäten, die man Materie gewöhnlich zuschreibt: Sie ist passiv und denkt nicht, was die Fähigkeit Erfahrungen zu machen ausschließt. Dieser Definition stimmt Hylas zu, was zur Konsequenz führt, ein passives Prinzip evoziere etwas Aktives. Materie ist dann mit einer Wirkkraft zu identifizieren, was dem Allgemeinverständnis widerspricht. Philonous negiert die Grundannahmen kausaler Wahrnehmungstheorien und demonstriert die Unmöglichkeit einer Interaktion zwischen verschiedenen Substanzen. Geist ist nach Berkeley das einzig aktive Prinzip, weshalb nur Geister etwas verursachen können. [F]or though we give the materialists their external bodies, they by their own confession are never the nearer knowing how our ideas are produced: since they own themselves unable to comprehend in what manner body can act upon spirit, or how it is possible it should imprint any idea in the mind. (P § 19)

Die Problematik besteht in der Frage nach der Explikation der Interaktionsmodi, auf die bis heute keine befriedigende Antwort gefunden wurde.148 Berkeleys Analyse der mentalen Fähigkeiten hat den finiten Geist als Ursache der Perzeptionen exkludiert, wodurch zwei Optionen bleiben: entweder etwas Materielles oder etwas Geistiges evoziert die Sensationen.149 Eine Aufnahme des sog. Kausalarguments wird uns beim Gottesbeweis begegnen. Für die weitere Argumentation ist noch Hylas Anerkenntnis von Gott als letzter Ursache anzumerken: „I would by no means be thought to deny that God or an Infinite Spirit is the supreme cause of all things.“ (D II: 217) Diese zweite Sicht von Materie stellt die Welt als eine Art Container vor, in der sich bestimmte Substanzen vorfinden, die nach bestimmten Regeln interagieren: Alles funktioniert nach dem Muster von Aktion und Reaktion. Jegliches Wirken Gottes wird irrelevant, insofern die Welt zur Selbstregulie147

S.a. P § 32. Ein Zustand, der nach F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus (Anm. 5), 37 auch in aktuellen Diskussionen noch Gültigkeit besitzt: „Im Verlauf dieser Metamorphosen ist der Gehalt des Materialismus zunehmend verdunstet. Man bekennt sich zwar noch zum Materialismus, kann aber nicht mehr angeben, was der beinhalten soll. Der Materialismus ist also heute keineswegs das Maß rationaler Weltanschauung, wie er immer noch behauptet, sondern eher ein Beispiel für die erstaunliche Resistenz vieler Wissenschaftler und Philosophen gegen rationale Argumente.“ 149 Dieser Gedankengang rekurriert auf Descartes, der bekanntlich der Materie den Vorzug gibt; vgl. R. Descartes, Meditationes (Anm. 55), III, 41: „vel haec substantia est corpus sive natura corporea, in qua nempe omnia formaliter continentur quae in ideis obiective; vel certe Deus est, vel aliqua creatura corpore nobilior, in qua continentur eminenter.“ 148

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

rung bestimmt ist. Auch wenn Hylas Gott als letzte Ursache anerkennt, so ist doch fraglich, wie Gottes präsentisches Wirken erfahren werden kann. Im Grunde ist kein übergeordnetes Prinzip vonnöten, da die Reaktionen aus unendlichen Kausalketten bestehen, die immutabel ablaufen. Als Drittes wird Materie im Sinne eines Werkzeugs (instrument) im Rahmen einer theologischen Kontroverse verhandelt. Mit dem Begriff des Werkzeugs bekräftigt Hylas seine Zustimmung zu vorheriger Konklusion, Materie jegliche Handlungsmacht abzuerkennen. Wenn Gott die letzte Ursache ist, kann Materie nicht diese Position einnehmen: Gott bedient sich laut Hylas des Instruments Materie zur Evokation von Ideen. Materie weist keine konkreten Qualitäten auf, sondern ist von allgemeiner (general) Natur. Damit rekurriert Hylas erneut auf eine Abstraktion hinsichtlich der Gemeinsamkeiten sämtlicher Instrumente, wodurch auch diese Argumentation invalide wird. Philonous untersucht hier ebenfalls die theologischen Konsequenzen und stellt ein problematisches Gottesbild fest: PHILONOUS. How therefore can you suppose, that an all-perfect spirit, on whose will all things have an absolute and immediate dependence, should need an instrument in his operations, or not needing it make use of it? Thus it seems to me that you are obliged to own the use of a lifeless inactive instrument, to be incompatible with the infinite perfection of God […]. (D II: 219)

Wenn Gott ein Instrument zur Umsetzung seines Willens benötigt, wird damit seine Allmacht unglaubwürdig. Berkeleys Anliegen besteht gerade im Erweis der absoluten Dependenz alles Seienden von Gottes Willen. Diese Textpassage expliziert den Stellenwert der Theologie besonders anschaulich, insofern Gottes Wesen mit den dazugehörigen Attributen das Fundament von Ontologie und Epistemologie bildet. Die letzte, zur Diskussion stehende Konzeption, erkennt Materie als occasion in general: „[B]y occasion I mean an inactive unthinking being, at the presence whereof God excites ideas in our minds.“ (D II: 219) Dahinter verbirgt sich die bei Malebranche zu findende Vorstellung, Gott rufe genau dann Sinnesempfindungen im Geschöpf hervor, wenn ein entsprechender Körper präsent ist. Der Materie kommt in dieser Konzeption, dem sog. Okkasionalismus, der Status einer sekundären Ursache zu. Sie fungiert als Gelegenheitsursache für Gott, die dessen Wirken ermöglicht. Damit ist eine Alternative zum Dualismus gegeben, da das Postulat psycho-physischer Wechselwirkungen vermieden wird. Dass materielle Ereignisse immaterielle Zustände bewirken, ist letztlich Gott als mentaler Letztursache (supreme cause) zu verdanken, was auch für den umgekehrten Prozess, die faktische Umsetzung eines mentalen Zustandes, gilt. Gott erhält nach dieser Vorstellung die Welt aufgrund permanenter Eingriffe (concursus dei). Daraus resultiert erneut das Problem der starken Limitation von Gottes Wirkmacht, der von den offerierten Okkasionen dependent ist. Gott erscheint nach diesem Modell in der Welt

C. Immaterialismus

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als ein deus ex machina, der von den gelegentlich vorbeifahrenden Transportern, die ihn zur Weltbühne bringen, vollkommen dependent ist. Philonous wendet ein, dass Gott nach dieser Vorstellung Ideen nur dann evozieren könnte, wenn sich zufällig die Gelegenheit dazu bieten würde. Das würde die Aufgabe der Permanenz von Regelmäßigkeiten in der Natur bedeuten, insofern alles auf arbiträren Okkasionen aufbaut. Das Argument der erfahrbaren Ordnung, die nach Berkeley nicht auf kontinuierlichen Zufällen beruhen kann, räumt auch diese Vorstellung aus.150 Auf die Darstellung der Argumente folgt nun eine Auswertung des Zusammenhangs von Epistemologie und Weltanschauung. Das Ende des zweiten Dialoges kulminiert in der Demonstration der Absurdität von Materie. Trotz Entkräftung sämtlicher Konzepte hält Hylas weiterhin an seiner Überzeugung fest und operiert mit Materie sogar als etwas vollständig Unbekanntem (entirely unknown), wodurch er seinen blinden bzw. fanatischen Glauben offenbart.151 Now in that which you call the obscure indefinite sense of the word matter, it is plain, by your own confession, there was included no idea at all, no sense except an unknown sense, which is the same thing as none. You are not therefore to expect I should prove a repugnancy between ideas where there are no ideas; or the impossibility of matter taken in an unknown sense, that is no sense at all. My business was only to shew, you meant nothing; and this you were brought to own. So that in all your various senses, you have been shewed either to mean nothing at all, or if any thing, an absurdity. And if this be not sufficient to prove the impossibility of a thing, I desire you will let me know what it is. (D II: 225)

Philonous deckt diesen letzten und schwächsten Definitionsversuch auf: Primär wird die fehlende Relation zu den Sinnen bei sämtlichen Konzepten betont. Diese sind bedeutungslos, da jedes auf einer Abstraktionsleistung beruht, die wiederum in einer falschen Verwendung von Sprache gründet, wodurch die Inkonsistenz offenkundig wird.152 Eine faktische Verwendung des Materie-Begriffs sowie die entsprechende Intention negiert Berkeley nicht.153 Doch erweist der Gebrauch des Nomens durch den plain man eine ontologische 150 Die Nähe von Berkeleys Denken zum Okkasionalismus wird uns im weiteren Verlauf der Arbeit begegnen. 151 P § 96: much fruitless work for mankind. 152 P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“, in: Daniel, St. H. (Hg.), Reexamining Berkeley’s Philosophy, Toronto/Buffalo/London 2007, 121–152, 129 erkennt drei Gründe, weshalb das Postulat von Materie sinnlos ist: 1. Inkonsistenz, 2. existiert kein rationaler Grund für deren Existenzannahme und 3. ermangelt der Begriff jeglicher Bedeutung. D. Berman, Idealism and the man (Anm. 8), 31f und J. A. Brunton, „Berkeley and the External World“, Philosophy 28:107 (1953), 325–341 vertreten hingegen die Position, der Begriff Materie sei für Berkeley bedeutungslos. 153 In P § 54 wird auf Materie als handlungsleitend referiert: „In one sense indeed, men may be said to believe that matter exists, that is, they act as if the immediate cause of their sensations, which affects them every moment and is so nearly present to them, were some senseless unthinking being.“

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

Neutralität.154 Die Verwendung dieses Begriffs wird von den vorgegebenen Sprachregeln des Common Sense restringiert: PHILONOUS. With all my heart: retain the word matter, and apply it to the objects of sense, if you please, provided you do not attribute to them any subsistence distinct from their being perceived. I shall never quarrel with you for an expression. Matter, or material substance, are terms introduced by philosophers; and as used by them, imply a sort of independency, or a subsistence distinct from being perceived by a mind: but are never used by common people; or if ever, it is to signify the immediate objects of sense. (D III: 261)155

Die Konstatierung einer bewusstseins-independenten Materie ist das Resultat eines philosophischen Irrweges und besitzt im Grunde keine Relevanz für den Alltag. Rationale Fähigkeiten verhelfen zur Einsicht um diesen Irrtum.156 Die sprachpragmatische Analyse der Konzepte diagnostiziert Materie als affirmative Setzung, ein sprachliches Konstrukt zur Deskription erfahrbarer Phänomene: Dem Begriff Materie entspricht nichts Existierendes, also auch keine Idee. Eine Aussage ist sinnvoll, wenn ihr ein deskriptiver Gehalt zukommt, was nach Berkeley notwendig die Perzeption durch einen Geist impliziert. I do not argue against the existence of any one thing that we can apprehend, either by sense or reflexion. That the things I see with mine eyes and touch with my hands do exist, really exist, I make not the least question. The only thing whose existence we deny, is that which philosophers call matter or corporeal substance. And in doing of this, there is no damage done to the rest of mankind, who, I dare say, will never miss it. The atheist indeed will want the colour of an empty name to support his impiety; and the philosophers may possibly find, they have lost a great handle for trifling and disputation. (P § 35)

Berkeley ficht nicht die Existenz perzipierbarer Objekte an, sondern materialistische Hypothesen, wonach wahrgenommene Dinge irgendwie und an sich bestehen sollen. Die größte Schwierigkeit besteht in der Unmöglichkeit, Materie weder sinnlich noch mental greifen zu können.157 Mit der Eliminierung 154

S.a. P § 37. Ein Ausblick in die analytische Philosophie am Beispiel M. MacDonald, „The philosopher’s use of analogy“, in: A. F. Flew (Hg.), Essays on Logic and Language, Oxford/New York 1951, 80–100 unterstützt Berkeleys These falscher Konklusionen seitens der Philosophen aus dem allgemeinen Sprachgebrauch von Materie bis heute. 156 S.a. K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 278. Man beachte weiterhin die Würdigung von B. Russell, The Problems of Philosophy (Anm. 76), 15: „But Berkeley retains the merit of having shown that the existence of matter is capable of being denied without absurdity [...].“ 157 Vgl. D III: 233: „[W]e we may not believe that any particular thing exists, without some reason for such believe: but I have no reason for believing the existence of matter. I have no immediate intuition thereof: neither can I mediately from my sensations, ideas, notions, actions or passions, infer an unthinking, unperceiving, inactive substance, either by probable deduction, or necessary consequence.“ Augustinus bestimmt Materie als etwas, das an sich weder sinnlich noch geistig erkennbar ist. Vgl. A. Augustinus, Contra Faustum, in: Patrologiae cursus completus. Series Latina, hg. von Migne, Bd. 42, Paris 18 XX, 14: „Hylen namque Graeci, cum de natura disserunt, materiem quamdam rerum definiunt, nullo prorsus 155

C. Immaterialismus

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jeglicher Materie-Konstruktion führt er Lockes Streben nach sicherem Wissen konsequent zu Ende. An die Systemstelle von Materie, deren Existenzannahme als Frevel (impiety) bezeichnet wird, tritt Gott. PHILONOUS. That from a cause, effect, operation, sign, or other circumstance, there may be reasonably be inferred the existence of a thing not immediately perceived, and that it were absurd for any man to argue against the existence of that thing, from his having no direct and positive notion of it, I freely own. But where there is nothing of all this; where neither reason nor revelation induce us to believe the existence of a thing; where we have not even a relative notion of it; where an abstraction is made from perceiving and being perceived, from spirit and idea: lastly, where there is not so much as the most inadaequate or faint idea pretended to: I will not indeed thence conclude against the reality of any notion or existence of any thing: but my inference shall be, that you mean nothing at all: that you employ words to no manner of purpose, without any design or signification whatsoever. (D III: 235)

Philonous weist auf das Fehlen jeglicher Vorstellung hin, da eine solche wahrnehmbare Eigenschaften implizieren würde. Berkeley würde die Existenz von Materie bei Besitz eines relativen Begriffs (relative notion) sogar einräumen.158 Doch wurde gezeigt, dass keine Relation zu den Sinnen besteht und dementsprechend weder ein positiver noch ein relativer Begriff von Materie existiert. Die intensive Analyse von Materie-Konzeptionen ist ein Hinweis darauf, dass Berkeley diesen starkes Gewicht beimisst. Sprachliche Konstrukte besitzen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Weltsicht und wie bereits angedeutet, impliziert die Existenzannahme von Materie eine bestimmte Weltanschauung, die dem Theismus entgegensteht.159 Andere Weltanschauungen bedeuten entweder einen blinden Glauben oder führen zu Atheismus und Skeptizismus. It is a very extraordinary instance of the force of prejudice, and much to be lamented, that the mind of man retains so great a fondness against all the evidence of reason, for a stupid thoughtless somewhat, by the interposition whereof it would, as it were, skreen it self from the providence of God, and remove him farther off from the affairs of the world. But though we do the utmost we can, to secure the belief of matter, though when reason forsakes us, we endeavour to support our opinion on the bare possibility of the thing, and though we indulge our selves in the full scope of an imagination not regulated by reason, to make out that poor modo formatam, sed omnium corporalium formarum capacem: quae quidem in corporum mutabilitate utcumque cognoscitur; nam per se ipsam nec sentiri nec intellegi potest.“ 158 Vgl. P § 68. 159 E. Stadelmann, Philosophie aus der Besinnung des Denkens auf sich selbst (Anm. 5), 124 kritisiert: „Wenn Berkeley aber das Wort Materie wegfallen lässt, eliminiert er damit nicht nur das Wort Materie, insofern es das Fortschreiten des atheistischen Hanges in der Philosophie bedeutet, sondern auch, insofern es Ausdruck des theistischen Anliegens ist. Die Philosophen sind zwar nicht in der Lage, den atheistischen Hang zu überwinden, d.h. sie werden dem theistischen Anliegen nicht gerecht; aber in dem Wort Materie haben sie eine Manifestation für das Anliegen gefunden, die Nähe Gottes als Nähe zu meinen.“ (Hervorhebungen im Original)

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

possibility, yet the upshot of all is, that there are certain unknown ideas in the mind of God; for this, if any thing, is all that I conceive to be meant by occasion with regard to God. And this, at the bottom, is no longer contending for the thing, but for the name. (P § 80)

Materie, ein dummes, gedankenloses Etwas, das jeglicher Relation zum Geist entbehrt, verbürgt keinen hinreichenden Erklärungshorizont für die erfahrbare Realität. Hier wird abermals die entscheidende Frage aufgeworfen, ob ein non-mentales Prinzip, das independent zu jeglicher Perzeption existiert, die Quelle sinnlicher Wahrnehmung sein kann. Berkeley illuminiert die Fragilität von Gedankenkonstrukten und betont emphatisch die Dependenz von einem Geist. Ohne Rückbindung an die Perzeption fungieren derartige Konstrukte als Projektionsfläche für Fiktionen, die jeglicher Vernunfttätigkeit ermangeln.160 Damit geht auch eine Verabsolutierung des Menschen einher, die Berkeley als große Gefahr ansieht. Mit der Konstatierung von Materie als Ursache werden Erfahrungen notwendig kontingent, da sie geistlos und folglich arbiträr evoziert werden. Drastisch formuliert verliert die Sinnfrage in diesem Weltverständnis ihren Sinn.161 Die empirisch wahrnehmbare Außenwelt ist nach Berkeley einerseits mehr als bloße Vorstellung, aber andererseits weniger als eine eigenständige Wirklichkeit, denn sie ist keine Anhäufung von Dingen.162 Die Kritik am Materie-Begriff ist unter Anwendung analytischer Methoden im Bereich der Metaphysik zu lokalisieren, da metaphysische Hypothesen für jegliche Ontologie vonnöten sind. Berkeley verknüpft wissenschaftstheoretische Fragen auf elegante Weise mit Aussagen der christlichen Theologie. In seinem System gewährleistet Gott sowohl die kontinuierliche Existenz als auch die Erkennbarkeit der wahrnehmbaren Gegenstände, wie nachfolgender 160

Der Begriff Materie wird in P §§ 9–15 in Zusammenhang mit der Differenzierung primärer und sekundärer Qualitäten verwendet. J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (Anm. 47), 59ff und I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“, in: Steinkraus, W. E. (Hg.), New Studies in Berkeley’s Philosophy, New York/Chicago/San Francisco u.a. 1966, 59–71 diagnostizieren einen unklaren Zusammenhang dieser Differenzierung und der Materialismuskritik. Ihrer Ansicht nach richtet sich Berkeleys Angriff gegen die Konzeption einer independenten Realität, der primäre Qualitäten inhärieren. J. O. Urmson, Berkeley, Oxford 1982, 17 folgert sogar, Berkeley bekämpfe einen Materiebegriff, der lediglich die primären Eigenschaften umfasst. 161 Das aus dem Materialismus resultierende, pessimistische Weltbild hat M. Horkheimer, „Geschichte des Materialismus“, in: Alfred Schmidt (Hg.), Max Horkheimer. Gesammelte Schriften. Nachgelassene Schriften 1949–1972, Bd. 13, Frankfurt a.M. 1989, 397–451, 404 folgendermaßen formuliert: „Wenn die Wahrheit sich reduziert auf sinnlose Bewegungen von Atomen, dann gibt es außerhalb des Menschen keine Macht, die ihm ewigen Schutz, ausgleichende Gerechtigkeit gewährt. Der Mensch ist dann im transzendenten Sinne verlassen. Zwei Möglichkeiten bleiben ihm dann noch: entweder zu verzweifeln oder, allein in einem unendlichen Universum, dasjenige zu steigern, was man allgemeine menschliche Solidarität heißt.“ 162 W. Post/A. Schmidt, Was ist Materialismus? Zur Einleitung in die Philosophie, München 1975, 12 beschreiben die Paradoxie einer materialistischen Philosophie, da sie den Versuch unternimmt, zu systematisieren, was dem Systemcharakter widerstreitet.

D. Ergebnissicherung

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Abschnitt zur Existenz Gottes demonstrieren wird. Natürlich ist diese Erklärung ebenfalls „metaphysisch“, doch werden die Karten offen gelegt, an welchem Punkt metaphysische Annahmen relevant werden, während materialistische Theorien entsprechende Prämissen verschleiern. Berkeley demonstriert nicht nur die Gleichwertigkeit der Prämissen der beiden Anschauungen, sondern zielt auf die Überlegenheit der christlichen Doktrin.163

D. Ergebnissicherung D. Ergebnissicherung

Wie ausführlich dargestellt wurde, erkennt Berkeley die unmittelbaren Sensationen als das einzig faktisch Gegebene. Beim Perzeptionsvorgang tritt das Spezifische eines Phänomens in den Vordergrund und garantiert zugleich die Gewissheit der individuellen Perspektive auf die Realität. Zugleich bleibt Berkeley bei diesem Postulat nicht stehen, sondern schreibt dem Geist eine konstituierende Funktion der Wirklichkeit beim Vorgang der Wahrnehmung zu. Berkeley differenziert keine ontologischen Realitätssphären und konstatiert für sämtliche Perzeptionen Gewissheit (certainty), so dass diese als fundamentum inconcussum in seiner Epistemologie fungieren und als infallibel anzusehen sind.164 Hinsichtlich der Perzeptionen fallen Wissen und Gewissheit zusammen,165 womit die skeptische Position vermieden wird. Die Möglichkeit 163 Y. Tomida, „Locke, Berkeley, and the Logic of Idealism II (2003)“ (Anm. 163), 64 betont wie viele andere die Adäquatheit der Erklärungshypothesen Materie und Gott: „Neither God nor matter are immediately perceivable objects.“ S. Bonk, Immaterialismus (Anm. 5), 14 sieht die Überlegenheit des Immaterialismus im Hinblick auf den Skeptizismus darin, „dass der Skeptizismus für den Vertreter des materialistischen Weltbildes allerdings unwiderlegbar ist, dass die skeptische These aber dann, wenn die Existenz einer nichtgeistigen Außenwelt geleugnet wird, sozusagen völlig ins Leere stößt, also gänzlich uninteressant wird. Eine wesentliche Überlegenheit des Immaterialismus gegenüber dem Materialismus würde also dann deutlich werden, wenn man beide Positionen dem skeptischen Frontalangriff aussetzte.“ Vgl. auch A. C Grayling, Berkeley (Anm. 9), 137 und 152, der den Erfolg der Argumente vom Gelingen der Demonstration der Existenz Gottes abhängig macht. 164 Gewissheit entspricht im Allgemeinen einem Zustand, in dem kein Grund besteht, die entsprechende Überzeugung zu bezweifeln. Demgegenüber wird Wissen als wahre, gerechtfertigte Überzeugung definiert, die nicht mit einer persönlichen Sichtweise zu identifizieren ist, sondern eine objektive Bestimmung fordert. Vgl. L. Wittgenstein, Über Gewissheit, in: Werkausgabe, Bd. 8, Frankfurt a.M. 8. Aufl. 1999, 113–257. 165 H. Schnädelbach, Erkenntnistheorie zur Einführung (Anm. 153), 175f ist der Ansicht, Berkeleys Argumentation richte sich gegen Dogmatismus und Skeptizismus: „Dem Dogmatiker ist der subjektive Zustand des Einer-Sache-gewiss-Seins wichtiger als Wahrheit und Rechtfertigung als bestreitbare Ansprüche; der Skeptiker hingegen zieht in allen Dingen den subjektiven Zustand der Ungewissheit vor und zuckt, wenn er von Wahrheit und Rechtfertigung reden hört, bloß die Achseln. Insofern macht es in der Theorie Berkeleys durchaus Sinn, nicht nur von hypothetischem, sondern auch von fehlbarem Wissen zu sprechen, wenn mit

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1. Kapitel: Ontologie und Epistemologie

des Irrtums erklärt er anhand der Schlussfolgerungen des Verstandes, da dieser aus dem Perzipierten falsche Aussagen deduziert. Berkeley schreibt den logischen Gesetzen vollständige Geltung und Richtigkeit zu, während die Unzulänglichkeit auf dem Verstand respektive auf falschen Hypothesen beruht. Erste Hinweise konnten hinsichtlich des Verhältnisses von Ideen und Sprache gewonnen werden, insofern Ideen infallibel und wahr sind, während die Zuordnung sprachlicher Zeichen einen Übersetzungsprozess impliziert, der fehlerhaft verlaufen kann. Die strukturelle Systematik der Ideen sowie die Einsicht unterschiedlicher Zwecke von Sprache wird für die Gotteslehre noch starke Relevanz besitzen. Das Verhältnis von Sprache und dem hier vertretenen ontologischen Immaterialismus steht noch zur Klärung aus. Ein wichtiger Aspekt ist nach Berkeley die Ablehnung eines reinen Theoretisierens bzw. Spekulierens.166 Die Wahrnehmungstheorie ist nicht im Sinne eines ausschließlich epistemologischen Konzepts zu verstehen, wie sie gerne von analytischen Philosophen in Anspruch genommen wird. Vielmehr findet der präsentische Kontext vollständigen Einbezug, was sich in der Argumentation Berkeleys widerspiegelt, die den einzelnen, individuellen Geist berücksichtigt: Realität existiert für den Geist und bedarf seiner Mitgestaltung. Damit ist der eigentliche Kern des ep-Prinzips expliziert, das die Seinsweise des Geistes als ein kreatives Individuum bestimmt, das den Verlauf seiner Realität mitkonstituiert.167 In diesem Kontext ist auch die Materialismuskritik zu verorten, die Berkeley als seine alleinige Errungenschaft ansieht: Ohne Relation zu etwas anderem vermag nichts zu existieren. Unter dem Konstrukt Materie wird zumeist etwas Absolutes bzw. Beziehungsloses verstanden. Weil über die Beschaffenheit einer materiellen Welt keine Aussage getroffen werden kann, ist deren Annahme ungerechtfertigt und überflüssig. Materiekonzeptionen vermögen das Phänomen unterschiedlicher Perzeptionen nicht zu klären.168 Laut epPrinzip kommt nur etwas Aktivem Existenz zu bzw. die Existenz von etwas Passivem lässt auf einen aktiven Träger schließen. Wissen ein Anspruch einhergeht: Wenn das, was als wahre, gerechtfertigte Überzeugung gilt, sich als irrig herausstellt.“ (Hervorhebungen im Original) 166 Etwa im Sinne des aristotelischen bios theoretikos. 167 Bereits die Annahme der Existenz des christlichen Gottes impliziert, dass die Realität für den Menschen geschaffen wurde. Wenn sämtliche Erfahrungen von Gott gewollt sind, dann erfolgen diese gerade nicht arbiträr. 168 M. A. Hight, „How Immaterialism Can Save Your Soul“, Revue de Philosophique 1 (2010), 109–122 erkennt im Materialismus ebenfalls die Gefahr eines Atheismus und ist der Ansicht, wenn sich jemand als Theist versteht, so existieren gravierende Gründe für die Annahme eines Immaterialismus. Nach der Interpretation von J. C. Eaton, „The Primacy of Spirit“ (Anm. 130), 89 liegt das Hauptproblem, das mit der Konstatierung von Materie einhergeht, in einer falschen Theorie der Wahrnehmung.

D. Ergebnissicherung

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Ein relationales Weltbild besitzt nach Berkeley also eindeutig den Vorrang, insofern zum einen Gottes Wirken Berücksichtigung findet, was sein theologisches Anliegen zum Ausdruck bringt, zum anderen aber auch naturwissenschaftliche Erklärungen der Welt eine Berechtigung erleben: Sinn ist nicht artifiziell seitens des Menschen in die Welt einzuschreiben, denn alles besteht immer schon in einem Verweisungszusammenhang, wie im nächsten Kapitel noch eingehend erläutert wird. Insgesamt ist Berkeleys Widerlegung nicht als ein Festhalten an alten theologischen Dogmen zu interpretieren, das den naturwissenschaftlichen Einsichten skeptisch gegenübersteht. Vielmehr erkennt er die Nützlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie deren Wert im Alltag an, doch attestiert er materialistisch-metaphysischen Prämissen wenig Erklärungspotential.

Kapitel 2

Die Existenz des christlichen Gottes A. Hinführung A. Hinführung

Das zweite Hauptkapitel widmet sich der Frage nach der Existenz des christlichen Gottes und den damit einhergehenden Implikationen für die Erkenntnistheorie und Ontologie im Werk Berkeleys. Es wird sich zeigen, dass der christliche Gott nach Berkeley die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Erkenntnis ist. Diese zur Demonstration ausstehende These gründet sich auf zwei Annahmen, die zu belegen sind: Erstens reflektiert Realität die Eigenschaften Gottes und zweitens ist Welt- und Selbsterkenntnis nur aufgrund der von Gott eingeschriebenen Strukturen möglich. Bei Bestätigung dieser Thesen ergibt sich die systematische Notwendigkeit, die Bedeutung der Existenz Gottes für die Epistemologie zu erörtern, bevor eine Untersuchung der Erkenntnisvollzüge stattfinden kann. Vorweg sei der primär praktische Charakter der Gotteslehre Berkeleys angemerkt. Nach Berkeley liegen Sinn und Zweck der Theologie nicht in einem theoretischen Wissen, auch dann nicht, wenn dieses höchste Präzision aufweist, sondern in einer Einsicht mit der ein bestimmtes Welt- und Selbstverständnis einhergeht, die sich in der Lebenspraxis äußert. In diesem Sinne besitzt die Theologie eine zentrale Stellung für die Lebensführung des Menschen. Jene betrachtet die Wirklichkeit Gottes als den Horizont, von dem her das menschliche Selbst- und Weltverständnis geprägt und erlebt wird. Berkeleys Demonstration der Wirklichkeit Gottes beruht nicht auf einer Überzeugung des Verstandes, sondern zielt vielmehr auf ein gelebtes Gottesverhältnis, das die Relation des finiten Geistes zur Realität umgreift. Diese Einsicht wird durch einen Vers aus der Apostelgeschichte (17,28) verdeutlicht, dem Berkeley große Bedeutung zumisst: In God we live, move and have our being.1 Damit wird die Verbundenheit alles Seienden mit Gott zum Ausdruck gebracht: Nichts vermag außerhalb von Gott zu sein bzw. alles existiert in Relation zu Gott. Weiterhin wird Berkeleys These der Zusammengehörigkeit von Gottesund Selbsterkenntnis expliziert, insofern der finite Geist in seinem Sein immer 1 Auf diesen Vers bezieht sich Berkeley in seinem Gesamtwerk und zwar an zentralen Stellen: D II: 214, D III: 236, A IV, 14, 159, auf der Titelseite von TVV (publiziert London, 1733) sowie im X. Essay im Guardian, Bd. VII: 219.

A. Hinführung

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schon auf Gott verwiesen ist. Die Frage des Menschen nach sich selbst rückt in den Vordergrund, um vor diesem Hintergrund die Gottesthematik zu entfalten, woraus eine faktische Verwiesenheit des Menschen auf Gott abzuleiten ist. Demnach kann der finite Geist nicht aus Gottes Wirklichkeit heraustreten, sondern wird in jedem Augenblick von dieser umgeben – auch wenn er dessen Existenz leugnet. Berkeleys Argumente zur Darstellung dieser Realitätsauffassung rekurrieren dabei nicht nur auf die Logik, denn die Wirklichkeit Gottes ist keine ausschließlich logische Voraussetzung einer Gedankenoperation, sondern eine Wirkmacht, welche sich im und am Selbstvollzug finiter Geister in der Realität erweist. Gegenüber einer derartigen Macht ist nach Berkeley jeglicher Entzugsversuch, besonders einer, der sich auf logische Argumente beruft, zum Scheitern verurteilt. Eine von jedermann und deshalb objektiv wahrnehmbare Systematik der Ideen – man denke etwa an Naturgesetze – macht Berkeley als einen Realisten kenntlich, wobei die Außenwelt nicht materiell existiert. Die Argumentation gegen den Materialismus führt allerdings nicht in den Skeptizismus, sondern zum Theismus, den es nun systematisch-historisch zu verorten gilt. Berkeleys Gotteslehre ist als eine Apologie des klassischen Theismus zu lesen.2 Die Bezeichnung Theismus bildete sich im 17. Jahrhundert im Zuge der Aufklärung in Abgrenzung zu zwei anderen Weltanschauungen, dem Atheismus und dem Deismus, heraus. Prinzipiell nennt der Theismus eine religiöse bzw. philosophische Überzeugung, die von der Existenz eines höchsten Wesens bzw. Gott ausgeht. Der klassische Theist sieht die Schöpfung als einen Akt Gottes an, der einer freiheitlichen Entscheidung entspringt. Zugleich wird ein Dependenzverhältnis behauptet: Die Schöpfung existiert in einer Abhängigkeitsrelation zu Gott. Die physische Welt ist nicht nur von Gott erschaffen worden, sondern wird von Gott erhalten. Mit der Ungleichheit von Schöpfer und Schöpfung wird weiterhin die Immanenz und Transzendenz Gottes betont. Die Trennung von Gott und Welt kann allein aufgrund der Selbstmitteilung Gottes überbrückt werden.3 Die theistischen Argumente Berkeleys sind im Kontext der Auseinandersetzung mit dem, seit der Renaissance erstarkenden Atheismus zu verstehen. Berkeleys Argumentation beruht im Anschluss an die Tradition auf Vernunft2

Vgl. D Preface: 167. Seit Leibniz (1710) stellt ein Merkmal theistischer Positionen die Auseinandersetzung mit der Theodizee dar. Im 20. Jahrhundert wird die Diskussion um den Theismus durch Swinburne und Mackie neu belebt. Letzterer sieht in Berkeley dafür sogar den Anstoß: „Als Form des Theismus hat sie [Berkeleys immaterialistische Philosophie] den Vorzug, dass sie der traditionellen Lehre, Gott habe die Welt nicht nur erschaffen, sondern erhalte sie auch ständig im Dasein, und unser endlicher Geist mit den meisten seiner Erkenntnisinhalte hänge unmittelbar vom unendlichen Geist Gottes ab, eine sehr klare Deutung gibt.“ J. L. Mackie, Das Wunder des Theismus (Kap. 1, Anm. 24), 103. Eine Verteidigung Berkeleys gegenüber Mackie unternimmt S. Bonk, Abschied von der Anima mundi (Kap. 1, Anm. 5). 3

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

argumenten. Obwohl der rationalen Erkenntnis ein hoher Stellenwert eingeräumt wird, wendet sich Berkeley explizit gegen den Deismus, wonach Gott die Welt lediglich geschaffen hat – aber nicht erhält.4 Der Deismus gewann zu Lebzeiten Berkeleys schärfere Konturen und impliziert zwar den Glauben an die Existenz Gottes bzw. eines höchsten Prinzips, leugnet jedoch eine Offenbarung und somit ein spezifisches Merkmal des Christentums. Berkeleys apologetische Schrift Alciphron richtet sich vornehmlich gegen deistische Gruppierungen, die dort als Freidenker (freethinkers) bezeichnet werden, was deren Anliegen adäquat beschreibt: Autoritäten, besonders die Kirche, werden nicht anerkannt, vielmehr ist allein der eigenen Verstandesleistung Vertrauen zu schenken. Im Deismus, als dessen populärster Vertreter und Gegner Berkeleys Shaftesbury zu nennen ist, lebt die platonische Lehre wieder auf, nach der die Schönheit des Kosmos auf das Schöne selbst, nämlich Gott verweist.5 Es ist leicht einsichtig, welche Spannung der theistischen Argumentation Berkeleys zugrunde liegt. Zum einen versucht Berkeley mittels rationaler Einsichten zu argumentieren und gleichzeitig bekämpft er die Gruppe der Freidenker, die diese Methode mit allen daraus resultierenden Konsequenzen praktizieren.6 Hinsichtlich Berkeleys Methodik steht zur Prüfung aus, ob er sein Rationalitätsprinzip abschwächen wird oder plausibel für die Existenz und Erkennbarkeit des christlichen Gottes zu argumentieren vermag. Festzuhalten ist vorerst, dass nach Berkeley lediglich eine einzige Erklärung der Realität sowie der menschlichen Erfahrung möglich ist, nämlich diese als andauernde Schöpfung eines mächtigen Geistes zu begreifen. Folglich existiert nur eine Auslegung von Wirklichkeit: Gott, der Schöpfer, ist der einheitlich erfahrbare Grund, weshalb die Realität an sich die größtmögliche Evidenz für die Existenz Gottes besitzt. Das vorliegende Kapitel gliedert sich in zwei Hauptteile. Der erste Hauptteil widmet sich Berkeleys Gottesbeweis; vier Argumente werden hier akkumuliert. Insofern Berkeley als Theist den christlichen Gott zu demonstrieren sucht, der sich den Menschen offenbart hat, besteht das Anliegen des Gottes4

Vgl. dazu G. V. Lechler, Geschichte des englischen Deismus, Stuttgart 1841. Dass der Deismus ein internationales Phänomen darstellt, erweist B. A. Gerrish, „Natural and Revealed Religion“, in: K. Haakonssen (Hg.), The Cambridge History of Eighteenth-Century Philosophy, Bd. II, Cambridge 2006, 641–665, 649. 5 Die Begriffe des Wahren, Guten und Schönen sind laut A. A. C. Shaftesbury, An Inquiry Concerning Virtue, or Merit, in: Standard-Edition, Sämtliche Werke, hg., üs. und kommentiert von G. Hemmerich, W. Bernd und U. Schödlbauer, Bd. II, 2, Stuttgart-Bad Cannstatt 1984 angeboren. Die göttliche Ordnung des Kosmos kann erfasst werden, indem der göttliche Geist im Menschen wohnt und sich unmittelbar mitteilt. 6 Ein Rückblick auf das bereits Ausgearbeitete lässt vermuten, dass aus der Akzeptanz von Berkeleys Ideenlehre entweder ein Phänomenalismus oder sogar ein Solipsismus folgen müsste, da das Verlassen der empirischen Ebene und das Übersteigen des wahrnehmenden Geistes nicht rational wäre.

B. Der Gottesbeweis

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beweises in der Explikation zentraler Attribute. Diese Eigenschaften werden dann im zweiten Hauptteil durchdekliniert, wodurch die Relationen zwischen Gott, Schöpfung und Geschöpfen luzide werden.

B. Der Gottesbeweis B. Der Gottesbeweis

Die Rede von einem Gottesbeweis (proof) scheint auf den ersten Blick im Widerspruch zu Berkeleys bisherigem Vorgehen zu stehen. Die Erörterung hat gezeigt, dass der Denker metaphysische Theoriegebilde nicht nur ablehnt, sondern sogar verachtet. Diese scheinbare Inkonsistenz gilt es im Folgenden aufzulösen. Das geschieht aufgrund der These von der vernünftigen Darstellbarkeit des Glaubens. Der Gegenstand des christlichen Glaubens ist kein opakes Mysterium, sondern argumentativ einholbar.7 So lässt sich ein enger Nexus des Beweises mit der Erkenntnistheorie vermuten, da finite Geister nur in der eigenen Erfahrungswirklichkeit die Spuren Gottes, des Schöpfers dieser Wirklichkeit, zu finden vermögen. Die Pointe von Berkeleys Gottesbeweis besteht darin, den Glauben an den christlichen Gott im Rahmen eines Realismus sowohl aus religiösen als auch wissenschaftstheoretischen Gründen für plausibel anzunehmen. Berkeley strebt keinen abstrakten Existenzerweis an, da ein solcher seines Erachtens bedeutungslos ist. Sinn und Zweck des Beweises besteht in der Demonstration der These, dass jegliche Existenzaussage zugleich eine Wesensaussage impliziert. Jede Existenzaussage ist nach Berkeley nur dann verständlich, wenn der Inhalt bestimmt ist.8 Ein Beleg für diesen Interpretationsansatz findet sich in einem Monolog des Lysicles: For how are things reconciled with the divine attributes when these attributes themselves are in every intelligible sense denied, and, consequently, the very notion of God taken away, and nothing left but the name without any meaning annexed to it? In short, the belief that there is an unknown subject of attributes absolutely unknown is a very innocent doctrine […]. (A IV, 17, 163)

Danach ist eine Gotteslehre nur dann sinnvoll, wenn das geistige Prinzip bekannte Attribute aufweist. So wie eine Idee vom finiten Geist nicht an sich, d.h. eigenschaftslos erkennbar ist, sondern vielmehr konkret perzipiert wird, ist auch der Erkenntnisgegenstand Gott nicht abstrakt einholbar, sondern zeigt sich auf eine bestimmte Weise. Das Betreiben von Theologie beinhaltet folglich eine Auseinandersetzung mit bestimmten Attributen. Die Anwendung dieser Interpretationsfolie lässt den Sinn des Beweises in einem neuen Licht 7 Auf das konkrete Verhältnis von Vernunft und Offenbarung ist an späterer Stelle einzugehen. 8 T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (Kap. 1, Anm. 9), 14f betont, dass die Existenz Gottes und die Unsterblichkeit der Seele die beiden zentralen Doktrinen natürlicher Theologie sind und Berkeley hier der Tradition folgt.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

erscheinen. Dieser zielt dann nicht vorrangig auf eine Demonstration der Existenzaussage, sondern vielmehr auf die Explikation der göttlichen Attribute.9 Eine Betrachtung des Sprachgebrauchs illustriert diesen Sachverhalt. Der Begriff Gott transportiert nach Berkeley ein für jedermann verständliches Konzept. Aus diesem Grund ist auch eine Definition hinfällig, da auf den alltäglichen Sprachgebrauch referiert wird. Ein derart selbstverständlicher Umgang mit dem Gottesbegriff verdeutlicht die ursprüngliche Intention, den bereits bekannten Sprachhorizont zu explizieren.10 Die Argumente sind daher nicht auf einer logisch-formalen Ebene zu verorten, sondern füllen das bereits vertraute Konzept Gott.11 Ein derartiger Füllvorgang verhilft zu einem tieferen Verständnis der eigentlichen, multidimensionalen Bedeutung der Existenzaussage. Die verschiedenen Argumente, aus denen sich der Beweis zusammensetzt, dienen nicht dem Existenzerweis eines abstrakten Prinzips – etwa einer letzten Ursache –, sondern der Veranschaulichung der Eigenschaften des christlichen Gottes, der sich durch Weisheit, Allmacht und Güte auszeichnet. Trotz der eindeutigen Intention des Theologen wird Berkeleys Beweis häufig im Sinne eines traditionellen Gottesbeweises missverstanden, demgegenüber zwei extreme Reaktionen möglich sind. Zum einen kann bereits der theoretische Anspruch des Beweises abgelehnt werden und zum anderen ist das Ausweichen auf die biographisch-subjektive Ebene möglich. Beide Reaktionen verkennen das eigentliche Anliegen. Der Gottesbeweis ist nicht mit einem Bekehrungserlebnis zum christlichen Glauben zu verwechseln, sondern als Aufforderung zum eigenständigen Nachvollzug im Denken aufzufassen.12 Beispielsweise sieht Berkeley eine Notwendigkeit, sich gegen Alciphrons Vorwurf zu erwehren, Religion sei lediglich anerzogen. ALCIPHRON. What! upon every subject? Upon the notions you first sucked in with your milk, and which have been ever since nursed by parents, pastors, tutors, religious assemblies, books of devotion, and such methods of prepossessing men's minds? (A I, 5, 39f)

9 Die enge Verknüpfung von Gottesbeweis(en) und Attributen Gottes sehen auch E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (Kap. 1, Anm. 27), 50, W. B. Piper, „Berkeley’s Demonstration of God“, HTR 51 (1958), 275–287, 276 und A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“, SPHP 1 (1961), 57–95, 66. 10 Eine weitere Parallele zu Wittgenstein wird deutlich, wenn man sich dessen Beispiel zur Verwendung des Begriffs Gott anschaut: L. Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, in: Werkausgabe, Bd. 8, Frankfurt a.M. 8. Aufl. 1999, 445–573, 566. 11 Die Vertrautheit bewirkt der sprachliche Umgang. 12 Die nachfolgenden Argumente eignen sich nicht für eine externe Indoktrinierung, da geistige Freiheit eine Bedingung für die Entdeckung von Vorgängigkeit der Erfahrung darstellt.

B. Der Gottesbeweis

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Alciphron beteuert mehrfach die geistige Naivität von Gläubigen, die sich von Autoritäten blenden lassen; die Inhalte der christlichen Lehre entbehren seiner Ansicht nach jeglicher Fundierung. Aufgrund solch harter Vorwürfe gegenüber dem christlichen Glauben, erkennt Berkeley die Dringlichkeit, dem ordinary man ein Instrument zur eigenständigen Überprüfung der Glaubensinhalte an die Hand zu geben. Ziel dieses Instruments ist die Generierung einer gewissenhaften Überzeugung, die rational einsichtig ist und auch gegenüber Sektierern besteht. Berkeley war sich der Überflüssigkeit eines ausschließlichen Existenzerweises bewusst, da Gott der Grund, das Ziel und der Sinn alles Seienden ist. Jeder Versuch eines Existenzerweises bewegt sich in dieser Paradoxie, insofern der theologische Hintergrund die wesentliche Bedingung darstellt und die Funktion in der Erläuterung der Relation von Gott und Schöpfung besteht.13 Bevor die Frage nach Gottes Existenz überhaupt gestellt werden kann, ist die Frage nach seinem Wesen zu formulieren. Berkeley überbietet diese Einsicht sogar, denn Gott ist dem eigenen Geist vertrauter als jeder andere Mensch: Gott wird zwar analog zu anderen Geistern indirekt erkannt, doch befindet sich jeder Mensch qua Mensch in diesem exklusiven Verhältnis. Den Gottesbeweisen kommt die Aufgabe zu, diese unüberbietbare Vertrautheit zu explizieren. Im Fokus der Argumente steht demnach die unmittelbare Präsenz Gottes in seiner Schöpfung und zu seinen Geschöpfen.14 Dies ist der eigentliche Grund, weshalb Berkeley die klassischen Gottesbeweise (ontologisch, teleologisch und kosmologisch) verwirft. Diese Beweise vermögen es seiner Ansicht nach nicht, die Präsenz und Wirklichkeit Gottes plausibel darzustellen, sondern versteigen sich zu sehr in Gottes Transzendenz.15 Sein Beweis dagegen soll demonstrieren, dass Gott in der Realität allgegenwärtig und erfahrbar ist, die notwendige Bedingung jeglicher Erkenntnis bedeutet und somit konträr zum mechanischen Uhrmacher-Modell der Deisten steht:16 Gottes Immanenz rückt in den Fokus. Auf verschiedene Weisen distanziert sich Berkeley also von der Tradition der Gottesbeweise. Im vierten Dialog des Alciphron präzisiert er sein Vorge-

13 Die Beschäftigung mit der Scholastik zeigt, dass zuerst die Frage gestellt wird, ob Gott sei (an sit Deus) bevor das Wesen Gottes beleuchtet wird (quid sit Deus). Descartes hingegen betont die Unmöglichkeit der Demonstration von etwas Unbekanntem. Eine pointierte Analyse der Geschichte der Gottesbeweise findet sich bei G. Hindrichs, Das Absolute und das Subjekt, Frankfurt a.M. 2008. 14 D. M. Jesseph, „Berkeley, God, and Explanation“, in: Ch. Mercer/E. O’Neill (Hg.), Early Modern Philosophy. Mind, Matter, and Metaphysics, Oxford 2005, 183–205, 195 hat dieses Anliegen mit dem passenden Terminus immediacy requirement bezeichnet. 15 Dass Berkeley damit andere Formen von Gottesbeweisen nicht widerlegt hat, ist offenkundig und wird daher nicht weiter verfolgt. 16 Vgl. BJC, 25. November 1729, 280–282.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

hen, indem er drei bestimmte Argumentationsweisen verwirft, die nachfolgend markiert sind: First, then, let me tell you I am not to be persuaded by metaphysical arguments: such, for instance, as are drawn from the idea of an all-perfect being, or the absurdity of an infinite progression of causes. This sort of arguments I have always found dry and jejune: and, as they are not suited to my way of thinking, they may perhaps puzzle, but never will convince me. Secondly, I am not to be persuaded by the authority either of past or present ages, of mankind in general, or of particular wise men: all which passeth for little or nothing with a man of sound argument and free thought. Thirdly, all proofs drawn from utility or convenience are foreign to the purpose. They may prove indeed the usefulness of the notion, but not the existence of the thing. (A IV, 2, 142, Hervorhebungen C.N.)

Von dem Freidenker Alciphron werden metaphysische Argumente, die Referenz auf Autoritäten sowie Argumente der Nützlichkeit als ungültig spezifiziert. Die erste Anforderung enthält eine nicht überhörbare Spitze gegenüber Anselm, Thomas und Descartes, deren Argumente als trocken und nüchtern (dry and jejune) bezeichnet werden. Beispielsweise ist Anselms ontologisches Argument, das von Descartes, Leibniz u.a. aufgenommen wurde, sowohl aufgrund metaphysischer Prämissen, die in der apriorischen Beweisstruktur zu sehen sind, als auch wegen des Abstraktionsgrades abzulehnen.17 Die zweite Bedingung impliziert die Exklusion von Autoritäten. Diese werden bei Berkeley nicht per se zurückgewiesen, doch versucht er in den philosophischen Schriften, das Dasein Gottes verständlich, ohne zu starke Rückgriffe auf die Tradition, zu belegen.18 Der Hauptgrund für die Ablehnung von Autoritäten besteht im Adressatenkreis des Alciphron. Diese Schrift richtet sich gegen die Freidenker, denen Berkeley die Überzeugung zuschreibt, Menschen seien von kirchlichen Autoritäten infiltriert bzw. indoktriniert und würden nur deshalb einer Religion anhängen. Als letztes werden noch Argumente der Nützlichkeit verworfen. Auch wenn sich aus der Existenzannahme Gottes sinnvolle Regeln für das soziale Leben deduzieren lassen, so besitzen derartige Argumente keine Überzeugungskraft.19 Soviel zu den ungültigen Argumentationen; wenden wir uns nun Berkeleys Vorgehen zu, das strengen Anforderungen obliegt, die er erneut durch den Freidenker Alciphron verkünden lässt: ALCIPHRON. I am for admitting no inward speech, no holy instincts, or suggestions of light or spirit. All that, you must know, passeth with men of sense for nothing. (A IV, 7, 149)

17 Anselms ontologisches Argument wird nicht diskutiert, lediglich eine Stelle im Gesamtwerk bezeugt den Grund der Verwerfung: „Absurd to Argue the Existence of God from his Idea. we have no Idea of God. tis impossible!“ (PC 782). 18 Auch wenn die gesamte Menschheit von Gottes Existenz überzeugt wäre, würde es sich dabei nicht um eine hinreichende Bedingung für den Existenzerweis handeln. 19 Allerdings betont Berkeley an anderer Stelle (A I, 16) gerade die Nützlichkeit als einen Test bezüglich des Wahrheitswertes.

B. Der Gottesbeweis

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Alciphron fordert objektive Kriterien ein: Persönliche Zeugnisse, Offenbarungs- und Erleuchtungserlebnisse besitzen keinerlei Beweischarakter, was Konsequenzen hinsichtlich der Offenbarungstheologie bzw. der Frage nach dem Stellenwert der Mystik mit sich bringt. Angestrebt wird eine Erkenntnis, die von jedermann rational nachvollzogen werden kann. The being of a God is capable of clear proof, and a proper object of human reason: whereas the mysteries of his nature, and indeed whatever there is of mystery in religion, to endeavour to explain and prove by reason is a vain attempt. It is sufficient if we can shew there is nothing absurd or repugnant in our belief of those points, and, instead of framing hypotheses to explain them, we use our reason only for answering the objections brought against them. (A VII, 30, 327)

Gott, als Grund und Voraussetzung aller Rationalität, ist demnach rational einzusehen und demonstrierbar. Es handelt sich dabei um einen der Vernunft adäquaten (proper) Gegenstand. Der Stellenwert dieser Aussagen wird im weiteren Verlauf noch zu erweisen sein. Eine weitere Prämisse bildet die Überzeugung, dass es sich beim Faktischen nicht um etwas Verborgenes handeln kann. Weiterhin wird die Kohärenz von Glaubensinhalten aufgrund ihrer plausiblen Darstellbarkeit betont. Für Berkeley ist ein Aufweisen der Konsistenz der Inhalte des christlichen Glaubens eine hinreichende Bedingung für deren Wahrheitserweis. Darin zeigt sich der starke Rationalitätsanspruch an die christliche Theologie, der näher zu charakterisieren ist.20 Der Empirist Berkeley verachtet ein rein theoretisches Denken, das sich ausschließlich auf Abstrakta beruft. Seine Theologie versucht, die Gegenstände der Erfahrung verständlich zu machen, was besonders im Gottesbeweis zum Ausdruck kommt: „This furnishes you with a direct and immediate demonstration, from a most evident principle, of the being of a God.“ (D II: 212) Das am besten einsehbare Prinzip steht also zur Demonstration aus. Daher noch ein letzter Blick auf den schwierigen Terminus Gottesbeweis. Dabei handelt es sich nicht um einen Beweis im strengen Sinne, d.h. einen notwendigen Schluss. Vielmehr ist Beweis hier in einem weiten Sinne aufzufassen, nämlich als plausible Begründung der Existenzannahme, die selbst außer Frage steht.21 Aus dem bisher Gesagten resultiert, dass ein Beweis genau dann gültig ist, wenn die Argumente rational einholbar sind und benennbare Zweifel an der Existenz Gottes ausgeräumt werden können. Gott als der Erfahrbare kann nicht überschritten werden: Gott ist derjenige, der sich den Menschen in jedem Moment zu erkennen gibt. Infolge ist das erklärte Ziel Berkeleys, die Nähe Gottes mittels Evidenzen zu verdeutlichen. Der Schluss auf die Existenz Gottes ist deshalb nicht zwingend, sondern plausibel. 20

Dieser Anspruch erfährt im letzten Hauptkapitel (besonders Kap. 4.C) eingehende Behandlung. 21 K. P. Winkler, Berkeley (Kap. 1, Anm. 7), 84 beschreibt den Term proof: „[W]hich in the eighteenth century generally signified a non-demonstrative argument.“

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

It is therefore plain, that nothing can be more evident to any one that is capable of the least reflexion, than the existence of God, or a spirit who is intimately present to our minds, producing in them all that variety of ideas or sensations, which continually affect us, on whom we have an absolute and entire dependence, in short, in whom we live, and move, and have our being. (P § 149)

Gottes Existenz ist aufgrund seiner unmittelbaren Nähe evident. Diese Evidenz findet in den Sinneswahrnehmungen, deren Ursprung Gott ist, ihren Ausdruck. Gott ist die alles umfassende Wirklichkeit, in der wir leben, uns bewegen und in der unser Sein sich gründet. Aus dieser Wirklichkeit vermag kein Mensch herauszutreten. Wenn es überhaupt Realität gibt, dann bedarf diese eines Grundes, welcher allein der christliche Gott sein kann.22 [Y]et to an unbiassed and attentive mind, nothing can be more plainly legible, then the intimate presence of an all-wise Spirit, who fashions, regulates, and sustains the whole system of being. (P § 151)

Berkeley bezeichnet die Nähe Gottes als intimate presence; Gott ist nicht nur permanent präsent, sondern steht in einem innigen Vertrauensverhältnis mit finiten Geistern. Dieses starke Gottesbild bildet den Ansatz einer rationalen Argumentation zur Überzeugung der vom Glauben Abgefallenen bzw. der Abwehr bestimmter geistiger Strömungen, die Berkeley als Gefährdung für den Gläubigen ansieht. Aufgrund der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Atheismus kommt der Frage nach der Existenz Gottes und somit dem Gottesbeweis ein besonderer Stellenwert zu. Der Atheismus ist nicht mehr die Meinung einzelner Individuen, sondern repräsentiert eine eigene philosophische Strömung mit vielen Anhängern. Berkeley diagnostiziert im Atheismus eine entscheidende Gefahr: Bei diesem handelt es sich nicht um ein bloßes Gedankenkonstrukt, sondern um eine Lebensform.23 Das erklärt auch sein Anliegen, weshalb ein rein rationales Verstehen des Arguments noch nicht dazu führt, Gott, den Schöpfer, zu erkennen. Wenden wir uns nun den Argumenten zu, für deren adäquates Verständnis Erkenntnistheorie und Ontologie die notwendigen Voraussetzungen bilden, da die jeweiligen Prämissen teilweise implizit im Beweisgang enthalten sind. Dieser Punkt erklärt auch die zahlreichen unterschiedlichen Interpretationsansätze. In der Sekundärliteratur finden sich verschiedene Bezeichnungen und 22 Da in Berkeleys System die Sinnesideen vor den sprachlichen Zeichen kommen, ist der klassische Vorwurf, er würde von Begriffen auf die Wirklichkeit schließen bzw. von der Logik auf die Ontologie ungültig. 23 Die Frage, weshalb ein Gottesbeweis notwendig sei, beantwortet Berkeley unter anderem in TVV 1: „And being persuaded that the Theory of Vision, annexed to the Minute Philosopher, affords to thinking men a new and unanswerable proof of the existence and immediate operation of God, and the constant condescending care of his providence, I think my self concerned, as well as I am able, to defend and explain it, at a time wherein atheism hath made a greater progress than some are willing to own, or others to believe.“

B. Der Gottesbeweis

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Definitionen der Argumente. Die beiden Standardbezeichnungen sind das Kontinuitäts- (continuity argument) und das Kausalitätsargument (passivity argument), die von Jonathan Bennett in seinem maßgebenden Artikel geprägt wurden. Das Kontinuitätsargument bildete bis zu dem Erscheinen des Aufsatzes von Bennett die Standardinterpretation für die Existenz Gottes, weshalb es auch an erster Stelle dargestellt wird (2.B.I).24 Das Argument von der Passivität ist auch unter dem Namen Kausalargument bekannt, was meines Erachtens den Sachverhalt angemessener beschreibt, weshalb ich diese Bezeichnung übernehme (2.B.II). Anschließend wird das grandiose Argument von der visuellen Sprache Gottes (divine language argument) erörtert (2.B.III), das die theologische Leistung Berkeleys widerspiegelt und in enger Verbindung zu dem zuletzt verhandelten Argument von Gott als Gesprächspartner im Alciphron steht (2.B.IV). Die Differenzierung in zwei Argumente ist unüblich und wird vorgenommen, da es sich zum einen um zwei unterscheidbare Argumente handelt und zum anderen eine Entwicklung im Denken markiert werden kann: Berkeley hat meines Erachtens das Erklärungspotential des Arguments von der visuellen Sprache erst mit fortschreitender Beschäftigung erfasst und ausgeschöpft. Erst im Alciphron wird die Rolle Gottes als Dialogpartner mit den entsprechenden Charakteristika expliziert.25 Nachfolgend wird der Terminus Gottesbeweis im Singular benutzt, da bei einem holistischen Denker wie Berkeley die vier Argumente in einem unauflöslichen Verbund stehen.26 Für eine Analyse ist eine Trennung der unter24 In dem Artikel J. Bennett, „Berkeley and God“, Philosophy 40 (1965), 207–221 wird die Bedeutung der Argumente für das gesamte System betont. J. Dancy, Berkeley (Kap. 1, Anm. 9), 43–49 akzentuiert ebenfalls deren Inseparierbarkeit und bezeichnet sie als independence arg. und continuity arg., wobei die Divergenz zu Bennetts passivity arg. unklar ist. T. Stoneham, Berkeley’s World (Kap. 1, Anm. 7), 153–162 spricht von einem independence arg., das sich vom passivity arg. dadurch differenziert, dass es Beobachtungen bezüglich der ontologischen Abhängigkeit als eine Prämisse hinsichtlich der Verursachung der Ideen ansieht. J.-R. Armogathe, „Proofs of the Existence of God“, in: D. Garber/M. Ayers (Hgg.), The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, Bd. I, Cambridge 1998, 305–330, 322 unterscheidet zwei Arten von Gottesbeweisen: In P führt er Gott als Ursache der Perzeptionen ein, während die Betonung in D auf dem ep-Prinzip liegt. 25 Das vierte Argument wird zumeist im Kontext der visuellen Sprache verhandelt ohne Rücksicht auf dessen eigenständige Dimension. 26 Ein enger Zusammenhang von Kontinuitäts- und Kausalargument ist unumstritten. Dass es sich um drei Argumente handelt, die zusammen einen Beweis bilden, vertreten sowohl A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 9), 71 (Hervorhebung C.N.): „These three proofs may be called: (1) the proof from necessity of an eternal mind that sustains all things by perceiving them; (2) the proof from necessity of an adaeqaute cause producing all things, and particularly, man’s ideas; and (3) the proof based on the interpretation of the phenomena of the world as a divine visual language“ als auch M. Atherton, „Berkeley Without God“, in: R. G. Muehlmann (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 231–248, 237: „While the occurences of the proof differ in detail, they do not differ significantly from each other, in the

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

schiedlichen Aspekte natürlich notwendig, doch bilden die vier identifizierten Argumente mit ihren unterschiedlichen Ansätzen einen akkumulierenden Beweis dafür, dass Gott die notwendige Bedingung jeglicher Erkenntnis ist. Alle Argumente sollen belegen, dass Gott für das Erfassen von Realität unabdingbar ist. Es geht um das Aufdecken eines Lebens- und Denkzusammenhangs, der seine Voraussetzungen als notwendig transzendent und doch in Erfahrungen sich ausprägend kennt. In den Kapiteln 2.B.I bis 2.B.V erfolgt die Darstellung und Diskussion der Argumente, denen sich im analogen Aufbau die Explikation der jeweiligen Gottesattribute anschließt (2.C.I–2.C.III). I. Kontinuitätsargument: Gott als Erhalter der Welt Eine Variante des Gottesbeweises findet sich in den Dialogues und ist als Kontinuitätsargument in die Sekundärliteratur eingegangen.27 Das Kontinuitätsargument ist kein a priori Beweis, sondern erfolgt empirisch bzw. induktiv und ist vom Ansatz her vergleichbar mit dem Designargument.28 Die Stärke des Beweises liegt darin, dass mit der Akzeptanz des Immaterialismus die Konklusion von der Erhaltung der sinnlichen Dinge durch einen mächtigen bzw. infiniten Geist zu akzeptieren ist: Immaterialismus und Theismus werden kunstvoll miteinander verwoben. Weiterhin zeichnet sich das Argument durch kreative Formulierungen aus, die an Anselms Beweis erinnern. Der

sense, that each relies on roughly the same body of evidence.“ P. J. Olscamp, „George Berkeley’s Unique Arguments about God“, Studi internazionali di filosofia 2 (1970), 29–48, 31 erkennt zwei Argumente, wobei das eine ein notwendiger und das andere ein wahrscheinlicher Schluss ist und argumentiert, die notwendige Folgerung auf eine Ursache sei eine Prämisse zur Erklärung der Kontinuität der natürlichen Welt. D. M. Jesseph, „Berkeley, God, and Explanation“ (2. Kap., Anm. 14) differenziert drei zusammenhängende Argumente und S. Bonk, „George Berkeleys Gottesbeweis“, NZSTh 36 (1994), 268–283 zieht es vor, von einem Gottesbeweis zu sprechen. 27 Die Historie der Sekundärliteratur beleuchtet M. Atherton, „Berkeley Without God“ (2. Kap., Anm. 26), 241. M. R. Ayers, „Divine Ideas and Berkeley’s Proof of God’s Existence“, in: E. Sosa (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht/Boston/Lancaster u.a. 1987, 115–128, 121 (Hervorhebung im Original) präferiert mit Recht die Bezeichnung distinctness arg.: „That is why the name, the Continuity Argument, is a misleading title, disastrously misleading if it brings us to suppose, as Bennett seems to have supposed, that where there is no mention of continuity the argument does not occur. To put the point in a way which gives greater credit to Bennett’s perspectiveness, the truth behind his paradoxical claims is that essentially the same argument occurs in the Second Dialogue as occurs in the Third, but without any reference to continuity. Let us then call that recurring argument the Distinctness Argument.“ Aufgrund des überwiegenden Gebrauchs von Kontinuitätsargument in der Sekundärliteratur wird diese Bezeichnung jedoch beibehalten. 28 Laut A. C Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 196 hat Berkeley das Kausal- mit dem Designargument ergänzt. Nach seinem Verständnis hängt das Funktionieren von Berkeleys gesamter Philosophie an einer erfolgreichen Demonstration der Existenz Gottes.

B. Der Gottesbeweis

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Fokus liegt auf der Erhaltung der perzipierbaren Ideen durch Gott. Folgende Textstelle aus D ist als Kurzform dieses Arguments zu identifizieren:29 PHILONOUS. I can; but then it must be in another mind. When I deny sensible things an existence out of the mind, I do not mean my mind in particular, but all minds. Now it is plain they have an existence exterior to my mind, since I find them by experience to be independent of it. There is therefore some other mind wherein they exist, during the intervals between the times of my perceiving them: as likewise they did before my birth, and would do after my supposed annihilation. And as the same is true, with regard to all other finite created spirits; it necessarily follows, there is an omnipresent eternal Mind, which knows and comprehends all things, and exhibits them to our view in such a manner, and according to such rules as he himself hath ordained, and are by us termed the Laws of Nature. (D III: 230)30

Berkeley betont neben der extramentalen Existenzweise alles Seienden deren geistige, d.h. immaterielle Existenz. Wenn derartigen Gegenständen faktisch Sein zukommt, so werden diese notwendig von einem infiniten Geist perzipiert. Der Schluss auf die Existenz eines mächtigen Geistes, der niemand anders als der christliche Gott sein kann (letzteres steht allerdings noch zur Demonstration aus), ist laut Philonous notwendig (necessarily follows). Bevor wir die Frage nach der Harmonisierung mit den einführenden Bemerkungen beantworten, wenden wir uns der Analyse des Arguments zu. Eine klare Abfolge der Prämissen und Konklusion des Arguments wird zwar durch Berkeleys dialogischen Schreibstil erschwert, dennoch lassen sich die Hauptaspekte identifizieren und in Kurzform darstellen:

29

Da das Argument in P keine ausführliche Verhandlung erfährt und zirkulär ist, folgert I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 323 eine Ablehnung desselben durch Berkeley und bezeichnet es im Anschluss an J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (1. Kap., Anm. 47), 171 als momentary aberration. Weiter führt I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 334 drei Stellen als Beleg dafür an (PC 98, 185a und 293a), dass Berkeley das Kontinuitätsproblem ohne Gott zu lösen suchte. Hinsichtlich der Verbindung von Kontinuitäts- und Kausalitätsargument bestehen Kontroversen: Während G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 177, J. Bennett, Locke, Berkeley, Hume (1. Kap., Anm. 47), 168f und I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 383ff Berkeley einen doppeldeutigen Gebrauch der Dependenzrelation einer Idee zu einem Geist unterstellen, schließe ich mich dem Argument Winklers an, wonach eine mögliche Ambiguität von dependent das Argument nicht ungültig werden lässt. K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 214 argumentiert gegen Bennett (Hervorhebung im Original): „If Berkeley can derive the existence of ideas in another mind without exploiting the ambiguity of depend, surely he can derive their continued existence without exploiting it – especially if the other spirit in which ideas exist is immutable. The ambiguity of depend has nothing in particular to do with continuos existence. The continuity argument, far from constituting an independent argument for the existence of God, is simply a modification or elabortion of the passivity argument, or an adaption of the passivity argument to the problem of intermittency.“ Der Vorwurf, Berkeley verschmelze Verursachung mit Inhärenz ist damit ausgeräumt. 30 Vgl. weiterhin P §§ 29–30 und 146.

90 1. 2. 3. 4.

2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes Weder eine einzelne Idee noch ein Ideenbündel kann independent von der Perzeption durch einen Geist existieren Dinge sind nichts anderes als eine Ansammlung von Ideen und existieren somit nur dann, wenn sie von einem Geist perzipiert werden Dinge existieren manchmal auch dann, wenn sie nicht von einem finiten Geist perzipiert werden Also gibt es einen infiniten Geist, der die Dinge perzipiert, wenn sie nicht von finiten Geistern perzipiert werden.

Die Existenz von Sinnesideen als etwas Extramentales gilt bereits als erwiesen. Aus dieser Existenzannahme lässt sich deren kontinuierliche Existenz folgern. Zugleich behält das ep-Prinzip Gültigkeit, wonach eine Idee genau dann existiert, wenn sie von einem Geist perzipiert wird. Der Schluss geht also von der Dependenz der Ideen über deren fortdauerndes Bestehen auf einen infiniten Geist. Dass es sich bei diesem Argument um keinen notwendigen Schluss handelt, ist offenkundig. Berkeley bezweckt mit diesem Argument neben der Verteidigung seines immaterialistischen Prinzips vor allem den Erweis der Permanenz alles Seienden durch Gott. In Demarkation zum Materialismus ist es für Berkeley unabdingbar, die andauernde Existenz der Realität bzw. eine Lösung des offensichtlichen Problems der Selbsterhaltung der Dinge zu erläutern, ohne dabei auf das Erklärungsmuster einer materiellen Substanz zurückzugreifen.31 Er wendet seine bereits dargestellte immaterialistische Ontologie an und zeigt, dass notwendigerweise ein strukturgebendes Prinzip existiert, mithilfe dessen das Seiende im Sein erhalten bleibt. Die alltäglich perzipierbaren Objekte besitzen keine Eigenständigkeit, sondern weisen eine potentia ad non esse auf, d.h. sie sind potentiell der Nichtexistenz ausgesetzt. Erst die Perzeption eines infiniten Geistes bewahrt den Fortbestand der Sinnendinge. In diesem Zusammenhang ist zu verhandeln, was Berkeley unter der Wahrnehmung (perception) Gottes versteht.32 Die Rede von der Perzeption Gottes ist insofern schwierig, da es sich bei Gott um ein körperloses Wesen handelt, das über keine, dem finiten Geist entsprechenden Sinnesorgane verfügt. Die Annahme, die sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände seien von Gottes Perzeption dependent, bildet das Fundament für Berkeleys gesamtes System: 31

Dazu die entgegengesetzte Lesart von R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 252: „Note that he describes the intermittency of his bodies as a pretended absurdity; and clearly, this is not the comment of a philosopher eager to defend the continuity of bodies. Indeed, it seems more to be the comment of a philosopher who wishes to solve, but rather to dissolve, the intermittency problem.“ I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 329– 341 ist der Ansicht, das Problem der Objektpermanenz ergebe sich erst aus dem ep-Prinzip. 32 Die Frage, ob Gott wahrnimmt, mag auf den ersten Blick abwegig klingen. Doch in verschiedenen Textpassagen benutzt Berkeley ausdrücklich diese Bezeichnung, was zu einer großen Kontroverse geführt hat, die nachfolgend nur angedeutet wird, soweit es für das Verständnis dieses Zusammenhangs notwendig ist. Vgl. dazu das Kapitel 4.E.

B. Der Gottesbeweis

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Das ep-Prinzip beschreibt den ontologischen Zusammenhang von Denken und Sein: Etwas existiert genau dann, wenn es von einem Geist wahrgenommen wird. Im Hinblick auf eine realistische Interpretation bleibt deshalb die Frage zu klären, ob bzw. inwieweit Gott nach Berkeley ein wahrnehmendes Subjekt ist bzw. die Explikation der Perzeptionsweise von Dingen. Berkeley sieht Gott als den Erhalter der Schöpfung, der die sinnlich wahrnehmbare Welt aufgrund seiner Wahrnehmung im Sein erhält. Insofern Gottes Perzeptionsakt die Existenz alles Seienden konstituiert, steht dieser auch mit der Rezeption der Ideen durch einen finiten Geist in Zusammenhang. Wie jeder finite Geist, ist auch Gott von dem perzipierten Inhalt zu differenzieren. Gottes Wahrnehmung der Dinge, die deren Sein überhaupt erst ermöglicht, entspricht jedoch keinesfalls der Wahrnehmung eines finiten Geistes. Dies schließt Berkeley im Anschluss an die Tradition aus: But God, whom no external being can affect, who perceives nothing by senses as we do, whose will is absolute and independent, causing all things, and liable to be thwarted or resisted by nothing; it is evident, such a being as this can suffer nothing, nor be affected with any painful sensation, or indeed any sensation at all. (D III: 241)33

Gottes vollkommene Independenz und Aktivität wird damit bezeugt: Gott wird vorrangig als nicht affizier- und wahrnehmbar bestimmt, woraus die Ineffizienz von Sensationen gegenüber dem infiniten Geist zu schließen ist. Dieser Punkt erfährt Stärkung durch den Verweis auf Gottes absoluten und independenten Willen, der die Ursache alles Seienden ist und im nächsten Argument eingehende Behandlung erfährt. Aus all diesen Bestimmungen ist zu folgern, dass Gott weder leiden noch von Sensationen affiziert werden kann. Sensationen sind als Affekte zu verstehen, die ausschließlich auf den finiten Geist einwirken. Den göttlichen Geist hingegen affiziert nichts, da der göttliche Geist keine Passivität impliziert:34 In D wird anhand der Idee Schmerz die Wahrnehmung Gottes diskutiert. Hylas lokalisiert die Idee von Schmerz in Gottes Geist, wodurch ein Widerspruch zu dem klassischen Gottesattribut der Vollkommenheit respektive Gottes Apathie entsteht. Philonous erwidert, Gottes Wissen um den Schmerz sei ausreichend für dessen Existenzberechtigung. Gott selbst besitzt keine körperlichen Impressionen: „God knows or hath ideas; but His ideas are not convey’d to Him by sense, as ours are.“ (D III: 241)35 Dass Ideen, die permanent als passiv und dependent cha33

Vgl. Siris § 289: „There is nor sensory, nor anything like a sense or sensory, in God. Sense implies an impression from some other being, and denotes a dependence in the soul whicht hath it. Sense is a passion; and passions imply imperfection. God knoweth all things as pure mind or intellect; but nothing by sense, nor in nor through a sensory.“ 34 Perzeption wird von Berkeley folglich nicht univok verwendet. 35 G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 171ff ist der Ansicht, Berkeley erlaube sich einen schlechten Scherz (bad joke), indem er Gottes Denktätigkeit für die Bewahrung des Seins der Dinge annimmt. Sowohl D. Jacquette, „Berkeley’s Continuity Argument for the Existence

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

rakterisiert werden, einen Teil von Gottes vollständig aktivem Wesen ausmachen sollen, stellt einen Widerspruch in sich dar. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Gott wird nicht von Ideen affiziert, wie es beim Perzeptionsvorgang finiter Geistern der Fall ist, und so kann gefolgert werden, dass Gott nicht sinnlich wahrnimmt. Gott als Ermöglichungsgrund von Erfahrung impliziert nicht, dass er selbst Erfahrungen macht; ebenso verhält es sich mit sinnlichen Wahrnehmungen. Aufgrund des intimen Verhältnisses Gottes zu seinen Geschöpfen kann er die Ideen, die er in den wahrnehmenden Geistern evoziert, natürlich ebenfalls wahrnehmen, doch erfolgt diese Form des Wahrnehmens auf einer rein geistigen Ebene. Wahrnehmung ist sonach als die Aufnahme von Empfindungen zu verstehen, die überhaupt erst die Möglichkeit der Erlangung von Wissen darstellt. Gott als Ursache der Perzeptionen besitzt immer schon ein Wissen um diese. Besser ist es deshalb, anstelle des Begriffs Perzeption von einem vollständigen Wissen Gottes bezüglich sämtlicher potentieller und realer Sensationen zu sprechen. Damit sei auf das Attribut der Allwissenheit Gottes Bezug genommen: Von der Behauptung der Existenz eines allwissenden Gottes kann unmittelbar auf dessen Wahrnehmung sämtlicher realer Objekte geschlossen werden. Mit dem Kontinuitätsargument wird die Abhängigkeit alles Seienden von Gott bezeugt. Nur aufgrund der Existenzannahme Gottes ist die sinnlich wahrnehmbare Realität erklärbar.36 Allein Gott kann sich qua Allmacht selbst im Sein erhalten. Alles andere – also auch immaterielle Substanzen – bedarf der erhaltenden Tätigkeit Gottes.37 Die Welt wird aufgrund der andauernden Vorstellung im Geist Gottes beständig im Dasein erhalten. Gott hat die Ideen einmal geschaffen, und seither kommt diesen geistige Existenz zu. Damit of God“,JR 65 (1985), 1–14, 10 als auch K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 218 argumentieren gegen Pitcher: „Pitchers objection uncovers, I think, the real motivation behind the view that Berkeley’s God must perceive in some way that resembles perception by sense. Because God is aware of all possible objects as well as all actual ones, merely being thought of by God cannot be sufficient for the real existence of an object. If divine perception is going to establish real existence, it seems that God has to register or somehow respond to actual existence – but this is exactly what he cannot do. Any form of awareness that waits on its object is incompatible with God’s omnipotence.“ (Hervorhebungen im Original). Die Frage nach dem leidenden Gott markiert eine Abgrenzung gegenüber dem klassischen Theismus, die erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Nachdruck gestellt wird; vgl. dazu F. Hermanni, „Abschied vom Theismus? Die Theodizeeuntauglichkeit der Rede vom leidenden Gott“, in: P. Koslowski/F. Hermanni (Hgg.), Der leidende Gott. Eine philosophische und theologische Kritik, München 2001, 151–176. 36 Wie im Materialismuskapitel gezeigt worden ist, bedarf auch ein Materialist einer metaphysischen Annahme. 37 Folglich existieren keine privilegierten Entitäten. Vgl. dazu J. L. Kvanvig/H. J. McCann, „Divine Conservation and the Persistence of the World“, in: Th. V. Morris (Hg.), Divine and Human Action. Essays in the Metaphysics of Theism, Ithaca/London 1988, 13–49, bes. 35ff.

B. Der Gottesbeweis

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wird der Vorwurf abgewehrt, die Dinge würden mit jedem Akt der Wahrnehmung neu erschaffen werden.38 Oftmals wird das Kontinuitätsargument ironisch abgehandelt, da man im Allgemeinen eine säkulare Lesart anstrebt und Gott als Garant für die Existenz des Seienden nicht akzeptiert. Wenn der Immaterialismus als bewiesen gilt, bedarf es jedoch einer Erklärung für die Kontinuität der Dinge. Innerhalb eines immaterialistischen Weltbildes, d.h. mit der Akzeptanz der idealistischen Prämissen, besitzt es große Schlagkraft. Es erfolgt nun die Analyse des Kausalarguments bevor der unauflösliche Zusammenhang zum Kontinuitätsargument dargestellt wird. II. Kausalitätsargument: Gott als Ursache Das Kausalitätsargument beruht auf der These, Gott sei die Ursache sämtlicher sinnlich wahrnehmbarer Ideen. Nahezu alle Gottesbeweise basieren letztlich explizit oder implizit auf dieser Annahme. Erinnern wir uns an den Charakter der Berkeleyschen Ideen, denen keine eigenständige Existenz zukommt. Die Matrix, die dem Erscheinen der Ideen zugrunde liegt, ist kein inhärentes Wesensmerkmal, sondern erfolgt nach bestimmten Gesetzen, die Gottes Willen unterstehen. Gottes Aufgabe besteht in der Verursachung von Sinneswahrnehmungen für finite Geister. Gott ist die einzige Wirkursache, ohne selbst in seiner Macht eingeschränkt zu sein, d.h. jede Veränderung hat eine gottgewirkte Ursache. Das Argument ist zum ersten Mal in P belegt.39 We perceive a continual succession of ideas, some are anew excited, others are changed or totally disappear. There is therefore some cause of these ideas whereon they depend, and which produces and changes them. That this cause cannot be any quality or idea or combination of ideas, is clear from the preceeding section. It must therefore be a substance; but it has been shewn that there is no corporeal or material substance: it remains therfore that the cause of ideas is an incorporeal active substance or spirit. (P § 26)

Der Beweis für den Vorgang der Verursachung verläuft per Ausschlussverfahren. Potentielle Ursachen der Sinneseindrücke sind entweder andere Ideen, der wahrnehmende Geist selbst oder ein anderer Geist. Da die Nichtexistenz von Materie bereits demonstriert wurde, fällt diese von vornherein als potenzielle Erklärungshypothese weg. Die erste Option, Ideen als Ursache anzusehen, wird aufgrund des passiven Charakters sowie der bestehenden Dependenz eliminiert.40 Die zweite Möglichkeit, man selbst sei die Ursache der Sinneseindrücke, scheidet aufgrund der Beobachtung aus, dass Sensationen überwiegend nicht dem persönlichen Verfügungsbereich unterstehen und in38

Vgl. dazu A. A. Luce, Berkeley’s Immaterialism (1. Kap., Anm. 47), 68. Vgl. P §§ 25–33. M. R. Ayers, „Divine Ideas and Berkeley’s Proof of God’s Existence“ (Kap. 2, Anm. 27), 122 meint, das Argument existiere ausschließlich in P. 40 S.a. P § 25. 39

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

sofern auch nicht willentlich hervorgerufen werden können. Finite Geister besitzen nur eine limitierte Macht hinsichtlich des Evozierens von Sinneseindrücken.41 Die nicht willentlich evozierten Perzeptionen bedürfen daher einer anderen Erklärung. In der immaterialistischen Realität Berkeleys vermag allein ein allmächtiger Geist die Ursache jener zu sein. Der infinite Geist ist das einzige, dem kein passives Moment inhärent ist und der vollständige Omnipotenz besitzt, d.h. in keiner Dependenzrelation zu etwas anderem steht. Nach Berkeley kann ausschließlich eine geistige Substanz Ideen im menschlichen Geist hervorrufen: Ideen need a substance in which to subsist (P § 73). Ideen können nicht unabhängig von einem Geist existieren. Aus dem Gedanken der Subsistenz resultiert die Dependenz, was den Zusammenhang mit dem epPrinzip veranschaulicht.42 In D ist die Prämisse für den Gottesbeweis folgendermaßen formuliert: Nor is it less plain that these ideas or things by me perceived, either themselves or their archetypes, exist independently of my mind, since I know myself not to be their author, it being out of my power to determine at pleasure, what particular ideas I shall be affected with upon opening my eyes or ears. (D II: 214)43

Das direkte Bewusstsein vom eigenen Geist bezeugt dessen Potential, Veränderungen in der Realität zu bewirken. Bestimmte Sensationen sind jedoch als gegeben hinzunehmen – beispielsweise kann man sich weder die Umgebung, in der man morgens aufwacht, noch die Weckgeräusche aussuchen. Derart manifeste Umstände vermitteln ein Bewusstsein für die Limitation der eigenen Urheberschaft hinsichtlich sensueller Daten. Wenn ein finiter Geist als Ursache sämtlicher Gegebenheiten ausscheidet, dann bleiben nur zwei weitere Erklärungshypothesen: Entweder existieren Ideen absolut, was der materialistischen bzw. atomistischen Variante entspricht, oder es existiert ein anderer Geist, der diese verursacht. Die vollständige Passivität von Ideen, die an sich kein Existenzpotential besitzen, lässt etwas Mächtigeres als Ursache vermuten. Dieses höhere Etwas wird von Berkeley mit dem christlichen Gott identifiziert, dessen evidente Existenz damit aufgezeigt werden soll. In Kurzform lässt sich das Argument wie folgt niederschreiben: 41 Es ist leicht einzusehen, dass Realität nicht allein von der persönlichen Existenz abhängt. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Imaginationen, die keine Beständigkeit aufweisen. S.a. P § 28. 42 Die kontinuierliche Abfolge der Ideen lässt bereits das dependente Verhältnis der finiten Geister zu Gott erahnen. 43 J. Bennett, „Berkeley and God“ (2. Kap., Anm. 24) sieht D II: 211–215 als Ausformulierung des Passivity-Arguments. A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 9), 76–84 differenziert fälschlicherweise zwischen zwei Kausalitätsargumenten: Gott als Ursache der Ideen finiter Geister und Gott als Ursache des Universums aller Dinge. Besonderes Augenmerk verdient die schöne Darstellung von T. Stoneham, Berkeley’s World (1. Kap. Anm. 7), 143–176.

B. Der Gottesbeweis

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1. 2. 3.

Es gibt Sinnesideen, die von einem finiten Geist perzipiert werden Diese Sinnesideen sind nicht das Resultat der Willenstätigkeit eines finiten Geistes Das Auftreten jeglicher Idee muss einen Geist als Ursache besitzen, in dem die entsprechende Idee existiert Also werden die perzipierten Sinnesideen von einem anderen Geist verursacht.

Es handelt sich wiederum um ein a posteriori Argument, denn es setzt ein bei der Erfahrung, um im nächsten Schritt auf die Bedingung der Möglichkeit dieser Erfahrung zu folgern. Die Beobachtung der independenten Existenz von Sensationen aus der Perspektive eines finiten Geistes wirft die Frage nach der eigentlichen Ursache auf; zugleich soll diese Fragestellung die Demonstration eines Wesens, das die Sensationen evoziert, erbringen. Die Akzeptanz von drei Prämissen, nämlich der ausschließlichen Aktivität immaterieller Substanzen, der Dependenzrelation von Ideen zu dieser Substanz sowie die Beschränkung der Macht finiter Geister führt zu der notwendigen Konklusion, Gott als Ursache anzunehmen.44 Perzipierbar sind ausschließlich von einer mächtigeren Substanz hervorgebrachte Qualitäten bzw. deren Wahrgenommenwerden bedeutet, dass Gott eine Sensation in einem Individuum evoziert. Alles sinnlich Wahrnehmbare ist demnach auf Gottes Wirken zurückzuführen, weshalb zu prüfen bleibt, ob letztlich Gott das einzig Wirkende in der Welt ist. Jeglicher Rückgriff auf materielle Formen als Erklärungsprinzip von Kausalität wird exkludiert. Gott wird als einzige Ursache sämtlicher Dinge genannt, woraus die Nichtexistenz wirksamer Kräfte in der Natur zu deduzieren ist. + One idea not the cause of another, one power not the cause of another. The cause of all natural things is onely God. Hence trifling to enquire after second Causes. This Doctrine gives a most suitable idea of the Divinity. (PC 433)

Berkeley räumt die aristotelisch-scholastischen zweiten Ursachen bewusst aus, um Gott als einzige Ursache alles Existierenden zu garantieren. Erst wenn Gott allein die vollständige Wirkmacht zugeschrieben wird, kann ein adäquates (most suitable) Gottesbild gewonnen werden.45 Die Dependenz der Realität zu Gott steht den Vorstellungen der Mechanik diametral gegenüber. Nach Berkeley existieren in der Natur keine verborgenen Kräfte, deren Entdeckung noch aussteht, und insofern auch keine klassischen Kausalitätsbeziehungen, sondern nur regelmäßig aufeinander folgende Ereignisse. Innerhalb der Natur und somit dem Gebiet, das die Physik untersucht, existieren keine wirkenden Ursachen.46 Wissenschaftstheoretisch ist an dieser Stelle anzumer44

So auch K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 289. T. Stoneham, Berkeley’s World (1. Kap., Anm. 7), 153 betont zu Recht die unzureichende Begründung der zentralen Prämisse, allein Geister könnten etwas verursachen. Erst die Hinzunahme des theologischen Rahmens vermag diese Weltsicht ausreichend zu klären. 46 Dazu W. Breidert, George Berkeley (1. Kap., Anm. 5), 42f (Hervorhebung im Original): „Das ist aber gerade das Ziel Berkeleys, denn für ihn ist Gott die einzige Ursache aller natür45

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

ken, dass Kausalität kein empirisches Datum darstellt, sondern eine Verbindung von Ereignissen durch den Beobachter geschaffen wird und wiederholte Regelmäßigkeiten als kausale Zusammenhänge interpretiert werden. Infolge liegt keine intrinsische Relation zwischen zwei Phänomenen vor.47 Ob Berkeley in obigem Eintrag ein bestimmtes Kausalitätsargument zu widerlegen trachtet, ist unklar. Aufgrund der Ablehnung jeglicher materialistischen Kausalitätsauffassung ist es wahrscheinlich, dass er sämtliche Argumente, die auf der Unmöglichkeit einer infiniten Kausalkette beruhen, als ungültig ansieht. Das Spezifische an Berkeleys theologischer Interpretation von Strukturzusammenhängen besteht in der Unmittelbarkeit alles Wahrnehmbaren, die ihn vor systematischen Erklärungslücken, wie beispielsweise einem infiniten Regress, bewahrt. Da die Sinnesideen von Gott direkt verursacht werden, bedarf es keines Vermittlungsgeschehens. Die Existenz von Ereignisketten ist unkontrovers; komplexer ist die Frage nach der Ursache für ein spezifisches Ereignis, wie beispielsweise einem Brand, wenn dem Feuer keine Kraft inhärent ist. Berkeley differenziert in De Motu kausale Erklärungen von mechanischen: A thing can be said to be explained mechanically then indeed when it is reduced to those most simple and universal principles, and shown by accurate reasoning to be in agreement and lichen Dinge. Berkeley legt Wert darauf, dass es nicht nur um einen Streit über Worte gehe, weil man unter Ursache dieses oder jenes verstehen könne (Nr. 850). Die Kenntnis der Natur der Dinge besteht also nur in der Kenntnis der Verknüpfung von Vorstellungen.“ Das bringt eine herausragende Stellung der Theologie im Kanon der Wissenschaften mit sich. 47 N. Jolley, „Berkeley and Malebranche on Causality and Volition“, in: J. A. Cover (Hg.), Central Themes in Early Modern Philosophy. Essays presented to Jonathan Bennett, Indianapolis 1990, 227–244, 239 ist von Berkeleys Argument nicht überzeugt und versucht mit einem intuitiven Konzept zu kontern: „But we do possess a notion of causality, and this notion is not only a psychological possession; it has its source wholly within our experience of volition.“ Inwieweit einem derartigen Argument Geltung zugesprochen werden kann, ist fraglich. Auch R. McKim, „Berkeley on Human Agency“, History of Philosophy Quarterly 1:2 (1984), 181–194 erkennt Inkonsistenzen; die Nähe zu Malebranche betonen G. Pitcher, „Berkeley on the Mind’s Activity“, APQ 18 (1981), 221–227, A. D. Fritz, „Berkeley’s Self – Its origin in Malebranche“, JHI 15 (1954), 554–572, N. Jolley, „Berkeley and Malebranche on Causality and Volition“ (2. Kap., Anm. 47), K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 190 und M. A. Hight, Idea and Ontology (1. Kap., Anm. 9), 177ff. Philosophiegeschichtlich darf an dieser Stelle der Hinweis auf Hume nicht fehlen, der Berkeleys Einsicht einerseits würdigt, andererseits die Behauptung, Verursachung fundiere in den Willenstätigkeiten Gottes, verwirft. Laut Hume besteht Kausalität lediglich in der Beobachtung konstanter Verbindungen; derart habituelle Verknüpfungen bieten ein gutes Fundament für plausible Prognosen: „We may form like observation concerning resemblance. We have remarke’d, that the conclusion, which we draw from a present object to its absent cause or effect, is never founded on any qualities, which we observe in that object, consider’d in itself; or, in other words, that ‘tis impossible to determine, otherwise than by experience, what will result from any phaenomenon, or what has preceded it.“ D. Hume, A Treatise on Human Nature (1. Kap., Anm. 141), I, 3, 9 (Hervorhebung im Original).

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connection with them. For once the laws of nature have been found out, then it is the philosopher's task to show that each phenomenon is in constant conformity with those laws, that is, necessarily follows from those principles. In that consist the explanation and solution of phenomena and the assigning their cause, i.e. the reason why they take place. (DM 37)48

Eine mechanische Erklärung ist aufgrund der Interpretation der Phänomene mithilfe von Naturgesetzen möglich. Die Naturgesetze bilden einen ersten Erklärungsrahmen für die deskriptive Erfassung von Ideenabfolgen. Damit ist ausschließlich der instrumentelle Charakter erklärt und die eigentliche Ursache noch nicht ergründet.49 Ein Anliegen des Empiristen ist die hinlängliche Erklärung beobachtbarer Phänomene, weshalb die Rede von mechanischer Verursachung Berechtigung findet. It cannot be accounted for by mechanical principles, by atoms, attractions, or effluvia. The instantaneous production and reproduction of so many signs, combined, dissolved, transposed, diversified, and adapted to such an endless variety of purposes, ever shifting with the occasions and suited to them, being utterly inexplicable and unaccountable by the laws of motion, by chance, by fate, or the like blind principles, doth set forth and testify the immediate operation of a spirit or thinking being […]. (A IV, 14, 159f)

Mechanische Erklärungen als finale Ursache werden exkludiert, da ein derart simples Modell die Komplexität der Phänomenwelt niemals ausreichend erklären könnte. Für die Ungültigkeit mechanistischer Argumente spricht weiterhin das Kriterium der Verständlichkeit, wonach sämtliche Erklärungen, die einen Abstraktionsprozess implizieren, der vom ordinary man nicht mehr vollzogen werden kann, zu verwerfen sind. Gott wird die unabhängige Aktivität als Attribut der Macht vorbehalten. Das Argument betont den Charakter der Allmacht Gottes, insofern nichts ohne Gottes Willen geschehen kann bzw. positiv gewendet, alles von Gott dependent ist. Das Argument, Gott als einzige Ursache alles Seienden zu begreifen, besitzt analog zum Kontinuitätsargument in erster Linie nicht Beweis-, sondern explizierenden Charakter. Gott ist als bekannt vorauszusetzen, ansonsten würde das Kausalargument lediglich den Schluss auf eine Kraft außerhalb des eigenen Wirkbereiches bedeuten. Doch Berkeleys Anliegen besteht gerade in der Demonstration des Wirkens des christlichen Gottes in der Welt. Insofern sind die Eigenschaften dieses christlichen Gottes als bekannt vorauszusetzen. Mit der Fundierung der Ursache von Realität in Gottes Geist geht die Sicherung von zwei Erkenntnisebenen einher: Zum einen wird die Benennung von causae finales innerhalb der Welt ermöglicht, woraus ein tieferes Verständnis der Strukturen und inhaltlichen Zusammenhänge resultiert. Und zum anderen bedeutet das Studium der Natur auch eine theologische Beschäftigung, da jede Kenntnis über Ursachenzusammenhänge zugleich eine Einsicht in Gottes 48 Vgl. auch DM 70, worin die Widerlegung des dritten Newtonschen Gesetzes erfolgt. Eine Analyse bietet T. Stoneham, Berkeley’s World (1. Kap., Anm. 7), 150ff. 49 Vgl. weiterhin DM 41.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

Wirkweise impliziert.50 Gottes Handeln ist nicht nur eine notwendige Bedingung für die Existenz der Realität, sondern auch für ein potentielles Verstehen und Beschreiben derselben. Dieses brillante Kausalitätsverständnis ist das konsequente Resultat von Berkeleys immaterialistischer Realitätsauffassung: Es bietet in Auseinandersetzung mit und in Abgrenzung zu der Tradition eine neue konsistente Beschreibung von Realität. Eine zusätzliche Dimension des Arguments liefert Botterills Interpretation, die er als Shared Reality Argument bezeichnet.51 Der Fokus bei dieser Variante liegt auf einer allen finiten Geistern gemeinsam erfahrbaren Wirklichkeit, wodurch eine realistische Interpretation Stützung erfährt. Botterill ist der Überzeugung, seine Interpretation des Gottesbeweises weise keinen jener Mängel auf, die den anderen Auslegungen zukämen. Das Argument läuft so: 1.

Unsere Sinnesideen werden nicht durch einen Willensakt verursacht (Perzeption ist ein passiver Vorgang) 2. Das Auftreten jeglicher Idee wird durch den Willen eines Geistes verursacht 3. Unsere Ideen sind auf eine harmonische und verbindliche Weise komplex koordiniert, wodurch uns die Wahrnehmung einer gemeinsamen Realität ermöglicht wird Also werden unsere Sinnesideen durch den Willen eines unfassbar großen und allwissenden Geistes verursacht.

Die Herangehensweise für die Begründung einer gemeinsamen Realität ist durchaus sinnvoll, insofern sich in den Texten dafür kaum explizite Argumente finden lassen, obwohl Berkeley der Überzeugung des Common Sense stets großes Gewicht beimisst. Das Argument verhandelt danach nicht nur die Art und Weise der Wahrnehmung von Ideen, sondern die Erklärung einer einheitlich erfahrbaren Lebenswirklichkeit und weist somit den Solipsismusvorwurf in die Schranken.52 Die größte Schwäche dieser Interpretation, die vom Verfasser selbst eingeräumt wird, besteht im Fehlen eindeutiger Textbelege.53 Die Betonung der Regelmäßigkeit von Ideen, die sehr bedeutsam ist und die Erkennbarkeit von Welt überhaupt erst gewährleistet, ist meines Erachtens nicht nur sinnvoll, sondern entspricht Berkeleys Intention. Bevor wir zur Erörterung des nächsten Abschnitts übergehen, erfolgt noch ein kurzer Ausblick, welche Einsichten das Kausalargument in das Realitätsverständnis ermöglicht. Berkeleys immaterialistische Realität bedeutet keine teleologische Naturkausalität, sondern akzentuiert die prozessualen Struktu50 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass Gottes Geist in der Welt zweckgebunden handelt. Vgl. P § 107 sowie die Ausführungen von P. J. Olscamp, „George Berkeley’s Unique Arguments about God“ (2. Kap., Anm. 26), 32. 51 Vgl. G. Botterill, „God and First Person in Berkeley“, Philosophy 82 (2007), 87–114, 97. 52 In dieser Form kann es u.a. als Variante des Arguments vom intelligent design gelesen werden. 53 Zu würdigen ist der hermeneutische Zugang Botterills, dem das charity-principle Davidsons zugrunde liegt, wodurch die Gesamtintention in den Blick genommen wird.

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ren. Diese wahrnehmbaren Prozessstrukturen sind nicht mechanisch und daher mittels Ereigniskausalitäten nicht ausreichend erklärbar. Sowohl eine materielle als auch eine dingliche Realitätsauffassung gilt es, aufgrund bestehender Defizienzen und mangelhafter Erklärungspotentiale abzulösen. An deren Stelle tritt ein semiotisches Verständnis, was in nachfolgendem Argument beleuchtet wird, aber welches sich schemenhaft in der Kausalauffassung widerspiegelt, wonach Wirkzusammenhänge als Zeichenrelationen zu beschreiben sind, insofern Gottes Wort immer schon mit Gottes Tat in eins fällt. Das Kausalargument ist nur im Kontext von Gottes Mitwirkung verständlich, da sämtliche Prozesse in der Welt seinem Willen unterliegen und hinsichtlich dessen kontingent sind.54 Berkeley hat somit als erster Denker das Kausalproblem nicht nur auf der ontologischen, sondern auch auf der erkenntnistheoretischen Ebene verhandelt.55 III. Argument der visuellen Sprache: Gott als Sinnursprung Das dritte Argument, das die Realität als Sprache Gottes beinhaltet, erfährt nicht nur aufgrund seiner Originalität, sondern auch der Komplexität wegen eine ausführliche Behandlung. Im Alciphron wird die Theorie von der visuellen Sprache Gottes als ein neuartiges Argument zur Demonstration der Existenz Gottes vorgestellt.56 Das Bestreben dieser philosophisch-psychologischen Ausführung ist einerseits die Exploration allgemeiner Regeln zur Erklärung von Uniformitäten in der Natur und andererseits das Aufdecken des wahren Wesens des Sehens als einer Fähigkeit der Seele (TVV 43). Visuelle Eindrücke sind als eine Sprache Gottes zu verstehen, die den finiten Geist in einem stetigen Kommunikationsprozess mit Gott erkennen lassen. 54

Das Kontingenzargument des Thomas besagt, Dingen und Ereignissen der Welt komme keine innere Notwendigkeit zu. Das Kontingente kann jedoch nur aufgrund eines Seins existieren, das in sich eine innere Notwendigkeit hat. Ausführlich behandelt bei R. Spaemann, Der letzte Gottesbeweis. Mit einer Einführung in die großen Gottesbeweise und einem Kommentar zum Gottesbeweis Robert Spaemanns von R. Schönberger, München 2007, 22. 55 Trotz der Kritik von P. Schaefer, Die Philosophie Berkeleys und die Entwicklung des Kausalproblems, Essen 1915, 26 an Berkeleys unzureichender Kausalitätsauffassung, bringt diese den Sachverhalt auf den Punkt: „Letzten Endes ist jedoch Gott als die Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung nichts andres als die moderne Behauptung: Kausalität die Bedingung der Möglichkeit aller Erfahrung; der Unterschied besteht darin, dass die Moderne beim Postulat stehen bleibt, während Berkeley Hinweise auf ein Transzendentes, auf eine absolute Realität, die das menschliche Erkennen und Wollen birgt, ontologisiert.“ 56 Jessop (Einleitung Works III: 13) betrachtet das Argument im Alciphron als eine unbedeutende Variante, während D. M. Jesseph, „Berkeley, God, and Explanation“ (2. Kap. Anm. 14), 187 den Zusammenhang zu früheren Schriften betont. Im deutschsprachigen Raum wurde dieses Argument von S. Bonk, Immaterialismus (1. Kap., Anm. 5), M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5) und A.-U. Wilke, Philosophie und Stil (1. Kap., Anm. 4) behandelt. Einen guten Überblick zur Behandlung in der Sekundärliteratur bietet R. Goeres, „Berkeleys Theorie der ‚visuellen Sprache Gottes‘“ (1. Kap., Anm. 5).

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Berkeleys Argument, die Realität als göttliche Sprache aufzufassen, beruht auf folgender These: Der Sehvorgang besitzt die Funktion einer Sprache, wobei jeder visuelle Sinneseindruck ein Zeichen ist. Via visuelle Eindrücke informiert Gott den Menschen über seine Schöpfung. Damit besteht in der Natur ein universeller Zeichen- und Sinnzusammenhang, der zu dechiffrieren ist. Sämtliche visuellen Eindrücke formen eine Sprache, die der finite Geist erlernen muss, wobei Licht, Schatten und Farbe als Zeichen fungieren. Sinn und Ordnung der Realität führen nach Berkeley zu der Annahme eines ewigen Geistwesens von unermesslicher Macht, Weisheit und Güte. Bevor wir uns der Analyse zuwenden, werden einige Informationen zur geistigen Entwicklung des Arguments anhand relevanter Schriften gegeben. Interessant ist die Beobachtung, dass dieses Argument nicht nur in einer Schrift erklärt wird, sondern ein permanenter Begleiter in Berkeleys Denken ist und mit seiner geistigen Weiterentwicklung auch dessen Tiefe ausgelotet wird. Wenden wir uns nun der Entwicklung des Arguments zu. 1709 publiziert Berkeley An Essay towards a New Theory of Vision (NTV). Diese Schrift setzt sich empirisch mit der Wahrnehmung von Distanz, Größe und Gestalt auseinander, wobei die Grundlagen der damaligen Optik kritisiert und widerlegt werden.57 Mit NTV verfolgt Berkeley zwei Anliegen: Zum einen die Lösung der damaligen optischen Probleme und zum anderen die Wegbereitung für eine positive Aufnahme des Immaterialismus. Beispielsweise werden die Fragen aufgeworfen, ob Distanz perzipierbar ist, inwieweit der zweidimensionale Sehsinn Dreidimensionalität zu produzieren vermag oder weshalb der Mond am Horizont größer erscheint. Wie bei nahezu allen zeitgenössischen Denkern, die sich mit der Wahrnehmung beschäftigt haben, stehen der visuelle und taktile Sinn im Zentrum der Untersuchung.58 Berkeley überwindet die damals gültige geometrische Optik durch eine psychologische Theorie des Sehens.59 Der Fokus ist auf die Analyse der Be57

Besonders die Optiken von Descartes, Barrow, Malebranche und Molyneux werden angegriffen. In diesen geometrischen Optiken besteht ein Konsens, Distanz mithilfe von Winkelberechnungen zu bestimmen. Hinsichtlich Descartes vgl. U. Clasen, Die Sehtheorien von René Descartes und George Berkeley im Spiegel der Geschichte der physiologischen Optik, Aachen 1997. 58 Zwar bezieht sich Berkeley in sämtlichen Schriften auf alle fünf Sinne, doch wird visuellem und taktilem Sinn traditionell (seit der Antike) eine Vorrangstellung eingeräumt. Aufschlussreich für die Priorität des Sehsinns ist die Etymologie, welche auf die Verwandtschaft von sehen und erkennen bei zahlreichen Begriffen hinweist (z.B. Einsicht, Evidenz, Intuition). 59 S.a. TVV 8. A. C. Fraser, „Editor’s Preface to the Essay Towards a New Theory of Vision“, in: ders. (Hg.), The Works of George Berkeley, Bd. I, Oxford 2005, 95 beschreibt das Ziel von NTV in seiner Einführung: „It [NTV] was also the first attempt to show that our apparently immediate Vision of Space and of bodies extended in three-dimensioned space, is either tacit or conscious inference, occasioned by constant association of the phenomena of

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wusstseinsinhalte beim Sehvorgang mittels Introspektion gerichtet. Während in NTV explizit noch keine immaterialistische Position vertreten wird, dient eine weitere Ausarbeitung der Thesen in Theory of Vision Vindicated and Explained (1732/3) zu deren Illustration und zur Eingliederung der Sinneseindrücke in die Gotteslehre; die zentrale These der letztgenannten Schrift lautet: Das Sehen ist die Sprache des Autors der Natur.60 Die Arbeiten zur visuellen Perzeption sind zum einen als Bestätigung dieser Aussage und zum anderen zur Verdeutlichung der Intention des Alciphron zu werten.61 Das Argument erfasst die visuell wahrnehmbaren Effekte als Zeichen und folgert auf einen göttlichen Verfasser. Der bekannteste Paragraph 147 aus NTV illuminiert Berkeleys Vorhaben: Upon the whole, I think we may fairly conclude, that the proper objects of vision constitute an universal language of the Author of nature, whereby we are instructed how to regulate our actions, in order to attain those things that are necessary to the preservation and well-being of our bodies, as also to avoid whatever may be hurtful and destructive of them. It is by their information that we are principally guided in all the transactions and concerns of life. And the manner wherein they signify, and mark unto us the objects which are at a distance, is the same with that of languages and signs of human appointment, which do not suggest the things signified, by any likeness or identity of nature, but only by an habitual connexion, that experience has made us to observe between them. (NTV 147)62

Berkeley argumentiert für die Selbstmitteilung Gottes (Author of nature) beim Perzeptionsvorgang via visuelle Zeichen. Die unmittelbaren, visuellen Ideen bilden eine universale Sprache, der ein pragmatischer Zweck inhäriert: Der finite Geist wird mittels Gesichtssinn auf den Schaden bzw. Nutzen hingewiesen, der mit der Berührung eines Objekts einhergeht.63 Die Zeichen ermöglichen Orientierung in der Welt, da sie bestimmte Handlungen evozieren.64 Den Verweischarakter von Wörtern in einer Sprache transferiert Berkeley auf visuwhich alone we are visually percipient with assumed realities of our tactual and locomotive experience.“ 60 Relevant sind weiterhin der A IV (1732), P §§ 42–44 sowie D I: 201–203. 61 Vgl. A VII, 13, 307. Mit der Publikation des Alciphron fanden einige zentrale Thesen aus NTV eine Neuauflage, insofern TVV als Appendix dazu fungierte. 62 Dieser zentrale Paragraph hat in den unterschiedlichen Ausgaben Modifikationen erfahren. Während in der ersten Ausgabe von 1709 von der universalen Sprache der Natur (the universal language of nature) die Rede ist, wird dieser Teil in der Ausgabe von 1732 in die universale Sprache des Schöpfers der Natur (universal language of the Author of nature) geändert: Eine bewusste Explikation des Gottesbezugs erfolgt in der späteren Ausgabe. 63 M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 122 betont die pragmatische Dimension, wonach Berkeleys Anliegen nicht primär das Feld der Erkenntnis, sondern der Bereich des Handelns ist. P. J. Olscamp, The Moral Philosophy of George Berkeley, The Hague 1970 sieht darin den Grundstein für Berkeleys Ontologie, Epistemologie und Moralphilosophie. 64 Dieser Aspekt wird auch in einer idiosynkratischen Version des Arguments in A IV, 7, 149 beleuchtet.

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elle Sensationen: Das unmittelbar Gesehene65 ist ein von Gott kommuniziertes Zeichen, das auf etwas Taktiles verweist. Folglich ist das Taktile das Denotat. Diese Sprachauffassung beruht auf der Erfahrung der Regelmäßigkeit der Eindrücke, die als Grammatik interpretiert werden kann. Eine visuelle Perzeption evoziert eine entsprechende taktile Vorstellung. Die bestehende Differenz zwischen den beiden Sinnen betont Berkeley zu Beginn von NTV: My design is to shew the manner wherein we perceive by sight the distance, magnitude, and situation of objects. Also to consider the difference there is betwixt the ideas of sight and touch and whether there be any idea common to both senses. (NTV 1)

Ein primäres Kennzeichen von visuellem und taktilem Sinn ist deren Heterogenität, wobei die Option zur Verknüpfung durch den finiten Geist zu leisten und somit nicht a priori gegeben ist.66 Aufgrund jeglicher fehlenden internen Relation bestehen Optionen der Induktion. Laut Berkeley ist aufgrund von Gewohnheit das Zusammenspiel der beiden Sinne so eng verwoben, dass eine Differenzierung der heterogenen Sensationen nahezu auszuschließen ist. Allein aufgrund eines habituellen Arrangements wird irrtümlich ein konstanter oder sogar notwendiger Nexus angenommen.67 Jeder Sinn konstituiert wegen der starken Divergenz der Impressionen eine eigene Realitätssphäre.68 Berkeley entfaltet diesen Sachverhalt anhand der Wahrnehmung eines fernen Tur65

Zur Erklärung von unmittelbar ist auf eine wichtige These in NTV 2 zu rekurrieren, wonach Entfernung an sich nicht perzipierbar ist: „It is, I think, agreed by all that Distance, of itself and immediately, cannot be seen. For, distance being a line directed endwise to the eye, it projects only one point in the fund of the eye, which point remains invariably the same, whether the distance be longer or shorter.“ In den Ausführungen wird eine Erfassung von Realität mit dem visuellen Sinn exkludiert, denn dieser bietet lediglich Zweidimensionalität. Für die Wahrnehmung eines dreidimensionalen Raumes ist deshalb die Hinzunahme taktiler Sinneseindrücke erforderlich. S.a. D I: 201. 66 Vgl. die ausführlichen Diskussionen von K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 42ff sowie G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (1. Kap., Anm. 7), 32ff. 67 In NTV 51, 79 und 95 spricht Berkeley sogar von prejudice; NTV 66 und 43 betonen einen Mangel an Reflexion. Die Verweisungsrelation ist von Kindheit an gegeben und weist Konstanz auf: „EUPHRANOR. No wonder; we cannot assign a time beyond our remotest memory. If we have been all practising this language ever since our first entrance into the world; if the Author of Nature constantly speaks to the eyes of all mankind, even in their earliest infancy, whenever the eyes are open in the light, whether alone or in company: it doth not seem to me at all strange that men should not be aware they had ever learned a language begun so early, and practised so constantly, as this of vision.“ (A IV, 11, 155f) Für eine aktuellere Einbettung ist ein Vergleich mit der Sapir-Whorf-Hypothese interessant, wonach das Denken stark von der semantischen Struktur seiner Muttersprache bestimmt wird. H. Bußmann/C. Gerstner-Link, „Sprachlicher Determinismus“, in: ders. (Hg.), Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart 3. Aufl. 2002, 626 sowie J. B. Carroll (Hg.), Language, Thought, and Reality. Selected Writings of Benjamin Lee Whorf, New York 1956. 68 Das bringt die Aufgabe des Konzepts der numerischen Identität mit sich. Eine vollständige Vorstellung vom Raum und den Dingen entsteht erst durch Verknüpfung heterogener Sinneseindrücke.

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mes: Eine adäquate Schätzung der Entfernung, Größe etc. des Turmes ist nicht allein aufgrund visueller Perzeption möglich; erst die Antizipation taktiler Sinneseindrücke erzielt ein Resultat.69 Das Beispiel zeigt den Zusammenfall des präsenten visuellen Eindrucks mit dadurch evozierten erinnerten taktilen Eindrücken bei jeglichem Perzeptionsakt. Die dreidimensionale Realität entsteht aufgrund der Synthetisierung von memorierter Erfahrung und aktualer Perzeption.70 Meines Erachtens wird dieser Vorgang adäquat mit dem Terminus Umbuchung beschrieben. Der finite Geist synthetisiert die unterschiedlichen Perzeptionen der beiden Sinne, indem der zweidimensionale visuelle Eindruck auf eine in der Vergangenheit wahrgenommene Empfindung, in der die verschiedenen Sinne kovariierten, gebucht wird. Bei dem Vorgang der Umbuchung ist die Aktivität des finiten Geistes, dem die Passivität der jeweiligen Wahrnehmungen gegenübersteht, in Erinnerung zu rufen. In treating of vision, it was my purpose to consider the effects and appearances, the objects perceived by my senses, the ideas of sight as connected with those of touch; to inquire how one idea comes to suggest another belonging to a different sense, how things visible suggest things tangible, how present things suggest things remote and future, whether by likeness, by necessary connexion, by geometrical inference, or by arbitrary institution. (NTV 14)

Unter Zuhilfenahme der Analyse des Sehvorgangs betrachtet Berkeley die Effekte und Phänomene, die aufgrund des Umbuchungsvorgangs evoziert werden. Es wird die Hypothese eingeführt, dass bestimmte Konfigurationen von Ideen bestimmte andere Ideen suggerieren. Unter Suggestion ist ein Assoziationsprozess zu verstehen, der jeglicher bewussten Verstandesleistung entbehrt, insofern dieser habituell gesteuert wird.71 Upon the whole, it seems the proper objects of sight are light and colours, with their several shades and degrees; all which, being infinitely diversified and combined, form a language wonderfully adapted to suggest and exhibit to us the distances, figures, situations, dimensions, and various qualities of tangible objects. (A IV, 10, 154)

Die Passage veranschaulicht nicht nur den immateriellen Charakter von Gegenständen, sondern beschreibt die mannigfaltigen Zeichen der göttlichen Sprache. Der Suggestionsvorgang verdeutlicht die Funktion von Distanzwahrnehmung: Visuelle Eindrücke sind keine Singularitäten, sondern erfahren 69

S.a. NTV 44f. Historisch ist auf das sog. Molyneux-Problem zu verweisen, das von Locke (Essay II, 9, 8), Leibniz u.a. lebhaft diskutiert wurde und von Berkeley als Beleg für die Heterogenität der Sinne angeführt wird. Vgl. PC 5, 7, 27, 32, 49; NTV 40f, 89; P §§ 43 und 47. Eine gelungene historische Darstellung der Debatte findet sich bei M. Degenaar, Molyneux’s Problem. Three Centuries of Discussion on the Perception of Forms, Dordrecht/Boston/London 1996. 71 W. Breidert, Einleitung zu George Berkeley (Anm. 14), Anm. 16,1 auf 139 definiert Suggestion: „[D]ie Hervorrufung einer Vorstellung durch eine andere, wie das Zeichen das Bezeichnete hervorruft. Im Unterschied zum psychologischen Begriff der Assoziation enthält der Begriff der Suggestion eine Richtung.“ 70

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

eine Kontextualisierung in einem unerschöpflichen Zeichenkosmos.72 Analog der Fähigkeit in einem Dialog eine Aussage des Gesprächspartners aufgrund des Kontextes sinnvoll ergänzen zu können bzw. eine bekannte Melodie weiter zu singen, ist auch der Suggestionsvorgang aufzufassen. As sounds suggest other things, so characters suggest those sounds; and, in general, all signs suggest the things signified, there being no idea which may not offer to the mind another idea which hath been frequently joined with it. In certain cases a sign may suggest its correlate as an image, in others as an effect, in others as a cause. But where there is no such relation of similitude or causality, nor any necessary connexion whatsoever, two things, by their mere coexistence, or two ideas, merely by being perceived together, may suggest or signify one the other, their connexion being all the while arbitrary; for it is the connexion only, as such, that causeth this effect. (TVV 39)

Die Suggestionen unterliegen Regeln, welche zum einen potentielle Kombinationen und zum anderen lineare Abfolgen der Zeichen ausdrücken.73 Obwohl diese Regeln auf vergangenen Erfahrungen beruhen, sind sie aus der Perspektive eines finiten Geistes invariabel. Der Grund für die Unmöglichkeit einer Änderung linearer Kombinationen in dem Zeichensystem liegt nach Berkeley im Willen Gottes. Die perzipierbare Ideenanordnung bildet letztlich die Basis für die semantischen Strukturen menschlicher Sprachen. Da jegliche visuelle Perzeption den Regeln der Suggestion obliegt, impliziert das Sehen der extramentalen Realität eine Interpretation visueller Zeichen. Mit der Eliminierung von Materie wird der Verweis auf die Natur der Dinge verwehrt, und so stellt sich die Frage, welchen Regeln Suggestion unterliegt bzw. wie und was unter Realität zu verstehen ist. Wenn eine Sprache beherrscht wird, werden beim Sprechen die singulären Zeichen selbst nicht mehr bedacht, d.h. es wird immer schon die Bedeutung eines Zeichenkomplexes, d.h. eines Wortes erfasst.74 Analog dazu erfolgt keine Identifikation von visuellen Eindrücken mit taktilen Zeichen; vielmehr wird die Verbindung zum Taktilen spontan hergestellt, was zu der Annahme führt, etwas haptisch Erfassbares zu perzipieren. Analog der Schwierigkeit in 72 Vgl. NTV 45. Die Regel von der Suggestion unterliegt dabei jeweils dem Kontext der Wahrnehmung, wodurch dem menschlichen Irrtum ein Platz eingeräumt wird. S.a. S. K. Land, „Berkeleyan Linguistic“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. I, London/New York 1991, 86–110, 99. Ein Unterlaufen der Suggestionsregeln verhindern die unterschiedlichen Ideenkonzeptionen: Sinnesideen unterliegen nicht den Willen finiter Geister; vgl. P §§ 26–30. 73 Vgl. NTV 49; eine Kombination verschiedener Vorstellungen trägt aus ökonomischen Gründen denselben Namen. 74 Vgl. auch P § 109f. Die Sprache Gottes wird nach Berkeley analog dem Lernprozess des Lesens erlernt; angesichts der komplexen Lebenswirklichkeit handelt es sich um einen niemals abgeschlossenen Prozess, denn jedes Zeichen beinhaltet eine unerschöpfliche Tiefe und weiterhin bestehen infinite Optionen an Verbindungen. S.a. Intro § 7. Man denke auch an den Vorgang der Abrichtung im Sinne von L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (1. Kap., Anm. 1), §§ 5ff.

B. Der Gottesbeweis

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einer Sprache Zeichen und Bezeichnetes zu separieren, gestaltet sich der Versuch, die Sinne vereinzelt zu behandeln: Die visuelle Sprache ist permanent wahrnehmbar, so dass der finite Geist sofort taktile Vorstellungen evoziert.75 Die vertraute, aber nichtsdestoweniger arbiträre Beziehung wird übersehen.76 Bevor die Interpretation ihren weiteren Gang nimmt, erfolgt der Übersicht wegen eine Darstellung der Kurzform des Arguments der visuellen Sprache: 1. 2.

Finite Geister perzipieren (im Wachzustand) permanent visuelle Ideen Die visuellen Ideen weisen Zusammenhänge bzw. Regelmäßigkeiten auf und ermöglichen Prognosen 3. Die Komplexität der Zusammenhänge lässt eine rationale Ursache annehmen 4. Visuelle Ideen lassen sich analog den Zeichen einer Sprache interpretieren Also gibt es einen weisen Geist, der permanent via visuelle Zeichen mit finiten Geistern spricht.

Der interpretierende Charakter wird bei diesem Argument besonders deutlich, insofern der Schritt von visuellen Ideen zu Zeichen kein deduktiver, sondern ein induktiver Schluss ist, den Berkeley mit den bereits ausgeführten Argumenten zwar plausibel darlegt, der jedoch eine Wohlgesonnenheit beim Leser voraussetzt. Als notwendige Prämissen für einen gültigen Schluss sind weiterhin die Immaterialität der Welt sowie ein mentales Wirkprinzip vorauszusetzen. Parallel zur artifiziellen Sprache ist Wirklichkeit bei Berkeley dynamisch bzw. prozessual strukturiert. Realität fungiert als Kommunikationsmedium zwischen Gott und finitem Geist, was erneut die Frage nach der Bedeutung der Zeichen aufwirft. Der Sinn respektive die Bedeutung von Realität ist im Dialog mit Gott zu verorten. Da die visuelle Sprache vollständig auf Gott, dem allwissenden Schöpfer bzw. Autor, beruht, handelt es sich um eine authentische Sprache. Der finite Geist konstituiert (seine) Realität in eingeschränktem Maße mit, indem er beispielsweise verschiedene Ideenbündel definiert und koordiniert.77 Erst die Wahrnehmung konstituiert Objekte als (sinnvolle) Einheiten. Sämtliche Ideenrelationen involvieren einen geistigen

75

Vgl. NTV §§ 88, 159. Eine Schwierigkeit, die das Argument mit sich bringt, besteht im Prinzip der Unmittelbarkeit von Gottes Wirken. Dementsprechend könnte Gott sämtliche taktilen Vorstellungen auch unabhängig von einer extramentalen Realität evozieren. Dieser Aspekt bleibt seitens Berkeleys unbeantwortet. So W. Breidert, Einleitung zu George Berkeley (1. Kap., Anm. 14), xxii. W. Porterfield, Treatise on the Eye, Bd. 2, Edinburgh 1759, 303f (B.V., §15) erhebt den Vorwurf, die Natur bzw. Gott evoziere die visuellen Vorstellungen überflüssigerweise. 77 Vgl. A. C. Fraser, „Editor’s Preface to the Essay Towards a New Theory of Vision“ (2. Kap., Anm. 59), 100 (Hervorhebungen im Original): „Visible objects and ocular sensations can only be ideal signs of real things. […] But if this is all that man can see, it follows that his visible world, at any rate, becomes real only in and through percipient mind.“ 76

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

Akt, der eine begrenzte kreative Freiheit zum Ausdruck bringt.78 Das Korrektiv der individuellen Perspektive auf die Welt bildet die Grammatik der göttlichen Sprache, d.h. es übersteigt die Macht finiter Geister, die gewünschten Sensationen selbst hervorzurufen. Die Existenz individueller Sinneseindrücke ist fundiert in der Relation zu Gott, da Gottes Wesen absolutes Sein verkörpert und den Fortbestand der Realität garantiert. Gottes Urheberschaft bildet das Fundament für eine gemeinsame Realität. [T]he arbitrary use of sensible signs, which have no similitude or necessary connexion with the things signified; so as by the apposite management of them to suggest and exhibit to my mind an endless variety of things, differing in nature, time, and place; thereby informing me, entertaining me, and directing me how to act, not only with regard to things near and present, but also with regard to things distant and future. No matter whether these signs are pronounced or written; whether they enter by the eye or the ear: they have the same use, and are equally proofs of an intelligent, thinking, designing cause. (A IV, 7, 149)

Berkeleys Sprachauffassung und die darin enthaltenen Charakteristika lassen sich folgendermaßen wiedergeben: Sprache umfasst einen Zeichensatz, Regeln, eine pragmatische bzw. funktionale Komponente, eine grobe Voraussagbarkeit und letztlich wird die Verbindung von Zeichen und Denotat als arbiträr bestimmt.79 Neben der informierenden und handlungsleitenden Funktion kommt der göttlichen Sprache auch Unterhaltungswert zu.80 Die visuell 78 Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (1. Kap., Anm. 23), 275f interpretiert den Sachverhalt aus einer anderen Perspektive: „Die gegenständliche Wirklichkeit entsteht erst auf Grund einer Deutung, die wir an den sinnlichen Zeichen, die uns zunächst allein gegeben sind, vollziehen. Erst indem wir sie in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit voneinander erfassen, ist der erste Schritt zum Aufbau des Seins getan. Bevor wir nicht gelernt haben, die an sich unräumlichen Qualitäten des Gesichtssinnes als Symbole für die räumlichen Verhältnisse des Tastsinnes zu verstehen und zu verwerten, besitzen wir keinerlei Hinweis, der uns zur Annahme der Tiefendimension, sowie zur Abgrenzung bestimmter Gestalten und Formen hinführen könnte.“ (Hervorhebung im Original) 79 Vgl. W. E. Creery, „Berkeley’s argument for a Divine Visual Language“, IJPR 3 (1972), 212–222 und C. M. Turbayne, „Berkeley’s Metaphysical Grammar“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. I, London/New York 1991, 50–73. Mit dem Sprachmodell wird die Erkenntnis einer mangelhaften Alltagssprache expliziert; W. Breidert, Einleitung zu George Berkeley (Anm. 14), xxii: „Seine [Berkeleys] Verwendung der Sprache als Modell muss daher als ein Teil einer intensiveren Reflexion über Sprache aufgefasst werden, auch wenn Berkeley kein selbständiges Werk zur Sprachphilosophie verfasst hat.“ Weiterhin ist auf S. K. Land, „Berkeleyan Linguistic“ (2. Kap., Anm. 72), 89 zu verweisen, der sowohl bei Locke als auch bei Berkeley eine Benennung der Ideen als Zeichen diagnostiziert. 80 Dieser Aspekt ist nicht nur amüsant, sondern verdeutlicht Berkeleys positives Gottesbild, das Gottes Anstrengung um seine Geschöpfe zum Ausdruck bringt. Vgl. auch Siris 254, 120 (Hervorhebung C.N.): „Therefore, the phenomena of nature, which strike on the senses and are understood by the mind, form not only a magnificent spectacle, but also a most coherent, entertaining, and instructive Discourse; and to effect this, they are conducted, adjusted, and ranged by the greatest wisdom.“

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wahrgenommenen Phänomene, deren Charakteristika Immaterialität und Dependenz von einem wahrnehmenden Geist sind, bilden nach Berkeley das phänomenale Äquivalent zu Wörtern. Auch in der göttlichen Sprache existieren Zeichen und Regeln. Die Zeichen sind die visuellen Eindrücke in ihren mannigfaltigen Kombinationen und die Regeln beziehen sich auf die Kombinationsweise, die analog einer Grammatik zu befolgen sind. Die Zeichen besitzen diverse Funktionen (z.B. Warn- oder Hinweischarakter) und aufgrund der Syntax existiert eine gewisse Voraussagbarkeit bezüglich des in-Erscheinung-tretens der Zeichen. Die Regeln der Syntax sind mit Naturgesetzen zu identifizieren und handlungsleitend.81 Die göttlichen Zeichen stehen in keiner notwendigen oder gar ontologischen Verbindung zu den Wörtern.82 Die Kontingenz der menschlichen Sprache (artificial) wird im Vergleich zur göttlichen (natural) verständlich. Es handelt sich um zwei Semiotiken mit unterschiedlichen Zeichen: Licht in der natürlichen und Geräusche bzw. Wörter in der künstlichen Sprache.83 Während die künstliche Sprache konventionell ist und einer zweiwertigen Wahrheitstheorie unterliegt, spricht Gott in einer universal gültigen, eindeutigen Sprache: Gottes Sprache garantiert folglich Wahrheit.84 Die Wörter der künstlichen Sprache verweisen auf die göttlichen Zeichen, die letztlich Bedeutung generieren. Die Relation zwischen den Zeichen der Sprache Gottes formt das menschliche Denken, indem es Strukturzusammenhänge der Realität erfasst.85 Die Semiotik bildet die Realität auf dieselbe Weise ab, wie sie erfahren wird: Zeichen und Realität fallen in der visuellen Sprache in eins. Die Relationen zwischen den einzelnen Ideen werden über die vorgelegte Zeichentheorie als real nachgewiesen. Daraus resultiert, dass Realität nicht Kommunikation über Zeichen ist, sondern an sich zeichen-

81

Naturgesetze sind keine Prozesse innerhalb einer materiellen Dingwelt, sondern die Regelmäßigkeiten der Sprache Gottes. Naturwissenschaftler untersuchen die Grammatik der Sprache Gottes. 82 NTV 143: „It is indeed arbitrary that, in general, letters of any language represent sounds at all: but when that is once agreed, it is not arbitrary what combination of letters shall represent this or that particular sound.“ 83 Der Terminus natural language ist insofern irreführend, da die göttliche Sprache im heutigen Sinne supranatural ist. Berkeley hat diesen Terminus meines Erachtens in Anknüpfung an die Tradition (man denke an Bonaventura, Opera omnia, in: Studio et cura PP. Collegii S. Bonaventurae, 10 Bde., Ad Claras Aquas, (Quaracchi), Florenz 1882–1902, 1 Sent. d. 1, dub. 3 [I, 42b]) gewählt, um die Unhintergehbarkeit der Präsenz Gottes zu verdeutlichen. F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 103 versteht die Differenz zwischen künstlicher und natürlicher Sprache analog der Unterscheidung von imaginierten versus Sinnesideen. 84 Vgl. weiterhin NTV 152, 85f. 85 Die Darstellungsfunktion der Zeichen ist unhintergehbar, da alles Denken zeichenvermittelt und somit auf etwas Bestimmtes bezogen ist.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

haft ist.86 Es gibt die unmittelbaren und deshalb infalliblen ideas; mit der Zuordnung von sprachlichen Zeichen tritt eine Vermittlungsebene ein: Irrtümer bzw. falsche Propositionen sind nur in der menschlichen Sprache, nicht aber auf der Ebene der Sinneseindrücke möglich, da eine ontologische Relation exkludiert wird. Die künstliche Sprache gibt dem unablässigen Ideenfluss eine Form, die zu falschen Propositionen führen kann.87 Auf der Ebene der göttlichen Sprache hingegen kommt allen Zeichen Wahrheit zu.88 Ein Kritikpunkt besteht in der fehlenden Erklärung Berkeleys, auf welche Weise die Bedeutung der visuellen Eindrücke das Denotat aller Sprachsymbole ist. Es fehlt der Nachweis, dass und inwieweit den göttlichen Zeichen die Klarheit für die Generierung von Bedeutung zugrunde liegt. Wenn man die Anforderung einer Referenzebene auf Berkeleys göttliche Sprache transportieren würde, hätte das ein Scheitern des Arguments zur Konsequenz. Die visuelle Sprache divergiert von anderen künstlichen Sprachen, indem Zeichen und Denotat auf derselben Ebene zu verorten sind. Darauf ist zu antworten, dass die göttliche Sprache mit der Referenzebene in eins zu setzen ist, insofern die schöpferische Ebene selbst keine Referenz präsupponiert:89 Über Gott hinaus lässt sich keine weitere Referenzebene denken. Den Zeichen ist mit Gottes Rede bereits ein Sinn eingeschrieben, denn Gott ist deren Ursprung und somit die Bedingung der Möglichkeit von Sinn. Nach dieser Interpretation sind die Aussagen der phänomenalen Sprache bzw. Gottes Zeichen an sich wahr. Hinsichtlich der Sprache Gottes besteht eine einwertige Wahrheitstheorie: Das von Gott Gesprochene ist wahr. Eine zweiwertige Wahrheitstheorie, die wahr und falsch inkludiert, wird erst mit der Hinzunahme der geschöpflichen Ebene bedeutsam, da die Irrtumsfähigkeit eines finiten Geistes bei inadäquatem Verständnis der göttlichen Zeichen zum 86 Mit der Theorie der visuellen Sprache wird Berkeleys Empirismus in ein neues Licht gerückt: Die Sensationen an sich stellen noch keine Erkenntnis dar; allerdings sind sie als Material für die Bildung von Begriffen unabdingbar. 87 Dennoch stellt Berkeley die Validität der menschlichen Sprache sowie die Konstanz der perzipierten Realität nicht in Frage. 88 Damit ist Berkeley vor dem Vorwurf geschützt, Gott sei ein Betrüger. Gott spricht in Wahrheiten zu den Menschen; was diese daraus machen, geschieht in Freiheit und Eigenverantwortung. 89 Eine schöne Auflösung des Referenzproblems findet sich bei W. E. Creery, „Berkeley’s argument for a Divine Visual Language“ (2. Kap., Anm. 79), 219 (Hervorhebung im Original), der sich auf den Sprechvorgang konzentriert: „Berkeley often uses the locution of the Author of Nature speaking to one through the visual sense. One has, therefore a rough equivalent to the grammatical subordinate clause type of construction, that is S says p or S says that p.“ J. P. Danaher, „Is Berkeley’s world a divine language?“, MoTh 18 (2002), 361–373 kritisiert, dass ohne die Bereitstellung einer Gebrauchsanweisung hinsichtlich der Bedeutung der perzipierten Zeichen unmöglich gewusst werden kann, ob die jeweilige, individuelle Konzeption auch dieselbe des Autors der göttlichen Sprache repräsentiert. Seine Lösung ist, die visuelle Welt als Dichtung zu verstehen.

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Ausdruck kommt. Die Möglichkeit des Irrtums verweist nicht nur auf die göttliche Freiheit, sondern impliziert vielmehr eine Aufforderung zu einem Verhalten in der Welt. Die Schöpfung ist gerade kein neutraler Raum und bedarf der Interpretation durch finite Geister.90 Deutlich wird dieser Sachverhalt, wenn man sich vor Augen führt, was Berkeley unter Zeichen versteht. In Anlehnung an den spätmittelalterlichen Zeichenbegriff findet in der visuellen Sprache eine Gleichsetzung von significatio und repraesentatio statt.91 Das Zeichen rekurriert immer schon auf einen Erkenntnisakt des finiten Geistes. Ein Zeichen der Sprache Gottes ist damit ein konstitutives Moment eines jeglichen Denkaktes.92 Der Zeichenbegriff ist zur Beschreibung der Vermittlungsstruktur Gott-Geschöpf besonders geeignet, insofern dieser immer für jemanden steht. Da nach Berkeley jeder visuelle Eindruck ein Zeichen der Sprache Gottes ist, ist der Umgang mit diesen Zeichen als Antwort zu werten. Augenscheinlich ist die Antwort des finiten Geistes nicht auf der Ebene zu verankern, die Gott als Mitteilungsform in Anspruch nimmt, denn dies übersteigt den Kompetenzbereich. Doch kommt dem finiten Geist eine Vielzahl an Antwortoptionen zu, die auf unterschiedlichen Ebenen fundiert sind. Das Denken und Handeln des Adressaten generiert eine Antwort auf die anredenden Zeichen, womit zugleich die Kontinuität der Kommunikation (bzw. die Kontinuität der Welt) erklärt wird. In jedem Wahrnehmungsakt kommuniziert Gott mit dem finiten Geist, d.h. Gott redet sinnstiftend zu den finiten Geistern und möchte eine optimale Relevanz beim Hörer erzielen.93 Die Zeichen der göttlichen Sprache verweisen nicht auf ein transzendentes Reich, sondern 90

In diesem Kontext kann angefragt werden, inwieweit die Irrtumsfähigkeit des Geschöpfes ein Faktum ist; m.a.W., ob diese als Ausdruck von Sünde zu verstehen ist oder vielmehr als Fähigkeit, Fehler in der persönlichen Entwicklung machen zu dürfen und insofern auch einen Lernprozess durchlaufen zu können. Ein grundsätzlicher Spielraum für Irrtumsfähigkeit ist jedenfalls vorauszusetzen, insofern der Mensch Freiheit besitzt, wie in Kap. 3.D.III gezeigt wird. 91 Man denke an die bekannte Zeichendefinition von Aquin: signum est per quod aliquis deveni in cognitionem alterius. (Summa Theologica, in: Deutsch-lateinische Ausgabe, üs. von den Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, 36 Bde., Graz/Wien/ Köln 1933ff, III, q. 60, 4). Ein signum ist danach etwas, wodurch man zur Kenntnis von etwas anderem gelangt. Dieser Zeichenbegriff betont bereits eine Vielfalt an Deutungsmöglichkeiten von Phänomenen. Berkeley entwickelt keine eigene Zeichentheorie, sondern schließt sich einer Zeichendefinition an, die als Mixtur seit Augustinus tradiert und variiert wird: Ein (visuelles) Zeichen bewirkt, dass etwas anderes erkannt wird. S.a. A.-U. Wilke, Philosophie und Stil (1. Kap., Anm. 4), 143–180. 92 Zu überlegen wäre, ob nach Berkeley ein Denken ohne Wörter möglich ist; fest steht jedenfalls, dass jedes Denken auf die Erfahrung, sprich die Zeichen der visuellen Sprache Gottes, referiert. 93 Gottes Sprache weist sowohl Merkmale der oralen als auch der literalen Kommunikation auf. Die Oralität bedeutet eine Flüchtigkeit der Zeichen, was zugleich ein kreatives Potential mit sich bringt. Vgl. S. Sauer, Oralität und Literalität. Ihre Bedeutung für Kommunikation und Bibelübersetzung, Bonn 1995.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

stehen in einem Verweisungszusammenhang und bezeugen zugleich Gottes Präsenz. Jede Erfahrung ist Erfahrung von etwas, wobei jedem Etwas dieselbe Referenz, nämlich Gottes Wort zugrunde liegt. Die Realität wird aufgrund der andauernden Perzeption durch Gott beständig in ihrem Sein erhalten (creatio continua). Meines Erachtens sieht Berkeley das Argument von der visuellen Sprache nicht als bloße Metapher;94 vielmehr handelt es sich um eine wirkliche Sprache, in der Gott die Menschen direkt anredet.95 Nach ausführlicher Behandlung des Konzepts der göttlichen Sprache, wenden wir uns nun der Bewertung des Arguments zu. Die Analyse der bestehenden Ordnung in der Natur führt Berkeley zu der Existenzaussage Gottes. Die Erfahrung von Regeln und Ordnung in der Welt beweist die Dependenz des Universums von einem mächtigen Geist. Die Ordnung ist allerdings arbiträr, da der göttliche Geist jederzeit in der Lage ist, diese zu ändern.96 Gott ist dem Menschen nach Berkeley in jedem Augenblick präsent und einsichtig. Ein rein logisches Nachvollziehen des Argumentationsgangs hilft allerdings nicht, Gott als Sprecher zu erkennen.97 Der Adressatenkreis umfasst neben Atheisten auch den Gläubigen, der den Gegenstand seines Glaubens verstehen kann, indem er sich und seine Perzeptionen aufmerksam beobachtet bzw. analysiert. Die entscheidende Implikation des Arguments zielt nicht auf eine optische oder psychologische Komponente, sondern erweist sein Engagement als Theologe. Der perfekten Harmonie der mannigfaltigen Sinnesideen kann nur ein allmächtiger Gott gerecht werden. Nur ein außerordentlich mächtiger Geist vermag, ein solch unermessliches 94

Diese Ansicht wird von C. M. Turbayne, The myth of metaphor, New Haven 1962 propagiert. 95 Die Naturgesetze stellen nur einen sehr kleinen Bereich dessen, was Gott dem Menschen mitteilt, dar. M. E., doch das ist Spekulation, die sich in den Texten nicht belegen lässt, würde Berkeley noch andere Grammatikformen, wie beispielsweise die mythologische oder künstlerische Redeweise akzeptieren. Dies ließe sich mit dem Sachverhalt begründen, dass Mythos und Kunst auch bestimmten erkennbaren Regeln folgen. 96 In dieser Hinsicht existiert eine starke Analogie zu wissenschaftstheoretischen Überlegungen. Nach Berkeley ist die Kontinuität der Naturgesetze allein der Güte Gottes zu verdanken. 97 Nach M. Atherton, „Berkeley Without God“ (2. Kap., Anm. 26), 236 hat Berkeleys Gottesbeweis bei Beanspruchung von Gültigkeit frei von theologischen Prämissen zu sein. Grundsätzliches Ziel ist ihrer Ansicht nach eher apologetisch als philosophisch: „It might be the case that there are two versions of Berkeleianism. In the one laid out in the New Theory and Alciphron, Berkeley’s account of the natural world is not theocentric and can be used as evidence in a proof for the existence of God. In the other, found in the Principles and Three Dialogues, Berkeley’s account of nature is unavoidably theocentric, and God’s existence is proved by other means. It is not, on the face of it, likely that in the course of his life Berkeley leapt back and forth between two incompatible positions [...].“ Vgl. dazu die Antwort von Ch. J. McCracken, „Godless Immaterialism. On Atherton’s Berkeley“, in: R. G. Muehlmann (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 249–260.

B. Der Gottesbeweis

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System aus visuellen und taktilen Sinneseindrücken zu dirigieren. Die Zeichen fungieren als Wegweiser zu einem Ziel, Gott ihrem Autor, und sind nicht selbst anzubeten.98 Die Sprache Gottes ist ein Kommunikationsgeschehen zwischen Geistern, womit zum vierten und letzten Argument übergeleitet ist. IV. Dialogargument: Gott als Gesprächspartner Ein weiteres Argument, das Gott als verständlichen Gesprächspartner zu demonstrieren sucht, findet sich im IV. Dialog von A. Danach ist das stärkste Argument für die Existenzannahme anderer Personen ihre Sprachkompetenz.99 So meint Alciphron lakonisch: „Do you pretend you can have the same assurance of the being of a God that you can have of mine, whom you actually see stand before you and talk to you?“ (A IV, 5, 147) Der Dialogpartner Euphranor stellt das Problem des Fremdpsychischen tatsächlich auf dieselbe Ebene wie die Erkenntnis Gottes. So wie man ein anderes vernunftbegabtes Wesen nur aufgrund dessen Handeln und Verhalten als solches erkennen kann, verhält es sich auch in Hinblick auf Gott. Nach Berkeley ist Gottes Handeln immer zeichenvermittelt und somit sprachlich verfasst: EUPHRANOR. By the person Alciphron is meant an individual thinking thing, and not the hair, skin, or visible surface, or any part of the outward form, colour, or shape, of Alciphron. ALCIPHRON. This I grant. EUPHRANOR. And, in granting this, you grant that, in a strict sense, I do not see Alciphron, i.e. that individual thinking thing, but only such visible signs and tokens as suggest and infer the being of that invisible thinking principle or soul. Even so, in the self-same manner, it seems to me that, though I cannot with eyes of flesh behold the invisible God, yet I do in the strictest sense behold and perceive by all my senses such signs and tokens, such effects and operations, as suggest, indicate, and demonstrate an invisible God, as certainly, and with the same evidence, at least, as any other signs perceived by sense do suggest to me the existence of your soul, spirit, or thinking principle; which I am convinced of only by a few signs or

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Realität als zeichenhaftes Geschehen ist auf einer Metaebene als Kritik an Idolatrie zu lesen: Analog der Funktion eines Ortsschildes, das nur die Richtung bezeugt, sind auch die Zeichen selbst Marker und nicht um ihrer selbst willen zu verehren. Dieser Hintergrund wurde bereits in der Materialismuskritik angedeutet. 99 Berkeley sieht darin einen neuartigen Beweis für die Existenz Gottes, der Analogien zu Descartes aufweist. Auf dieselbe Weise wie Descartes die Existenz anderer Geistwesen aufgrund der Sprachfähigkeit deduziert, folgert Berkeley die Existenz eines göttlichen Geistes. S. Bonk, „George Berkeleys Gottesbeweis“ (2. Kap., Anm. 26), 282: „Der Schluss auf die Existenz Gottes sei zwar nicht zwingend, aber sehr natürlich, verhalte sich die Sache doch ganz analog zu unserer Erkenntnis anderer Personen.“ S.a. M. Hooker, „Berkeley’s Argument on Design“, in: C. M. Turbayne (Hg.), Berkeley. Critical and Interpretative Essays, Minneapolis 1982, 261–271, der den Ansatz verfolgt, die beste Erklärung (inference to the best explanation) sei der Schluss auf eine nicht-beobachtbare Entität.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

effects, and the motions of one small organized body: whereas I do at all times and in all places perceive sensible signs which evince the being of God. (A IV, 5, 147)

Der Dialogausschnitt verdeutlicht, dass Gott analog zu finiten Geistern nur indirekt erkannt werden kann. Von den unmittelbaren, visuellen Zeichen ist auf deren Ursache zu folgern. Die jeweiligen Zeichen sind als Effekte und Operationen eines sprachbegabten Wesens zu interpretieren. Die Argumentation beginnt bei der Perzeption visueller Ideen, von denen auf einen Sprecher geschlossen wird.100 Dennoch ist die Anerkenntnis der Sprachkompetenz zugleich ein starkes Fundament für die Zuschreibung von Geist. Berkeley sieht in der Akzeptanz der Sprachkompetenz die Lösung des fremdpsychischen Problems. Finite Geister sind von bloßen Ideenansammlungen aufgrund der gemeinsamen Kommunikation zu differenzieren, da diese für die Existenz und Wirklichkeit von Menschen ein unhintergehbares Fundament darstellt.101 I have found that nothing so much convinces me of the existence of another person as his speaking to me. It is my hearing you talk that, in strict and philosophical truth, is to me the best argument for your being. And this is a peculiar argument, inapplicable to your purpose; for you will not, I suppose, pretend that God speaks to man in the same clear and sensible manner as one man doth to another? (A IV, 6, 148)

Auffällig ist in diesem Argument die Bezeichnung Gottes als Person, der eine ausgezeichnete Fähigkeit, nämlich das Sprachvermögen zukommt. Damit wird erneut ein wichtiges Anliegen von Berkeleys Theologie deutlich: Nichts und Niemand steht dem finiten Geist näher als Gott und Gott ist kein fremdes Wesen, das sich via mysteriöser Symbole mitteilt, sondern spricht deutlich und verständlich. Diesen Aspekt erachtet Berkeley als besonders überzeugend für einen Existenzerweis des christlichen Gottes.102 Das Sprachvermögen impliziert die Anerkennung der Existenz des sprechenden Wesens. Im Dialog mit einem finiten Geist ist dessen Körper, mittels dessen sich das Sprechen vollzieht, die einzige Weise der Wahrnehmung des Anderen.103 Gott als körperloses Wesen ist per definitionem nicht perzipierbar, doch die Sprachakte, 100 E. G. King, „Language, Berkeley and God“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. I, London/New York 1991, 39–49, 40: „Just as we cause the manifestations of our intelligence which are the using of the language, so too God causes the manifestations of his intelligence which are the producing of the whole world which is the source of our sense experiments.“ 101 Dass dieses Argument eine gefährliche Schlagseite zum Solipsismus aufweist, ist augenscheinlich. D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 136 bringt die Wahl zwischen Skylla und Charybdis auf den Punkt: „Berkeley forces his reader to choose between God and solipsism.“ 102 Vgl. auch P §§ 144–50. D. Groothius, „Do Theistic Proofs Prove the Wrong God?“, CScR 29:9 (1999), 247–259, 253: „For theism, God is personal all the way down. Proofs for an impersonal deity […] would contradict it.“ 103 Vgl. P § 145: „From what hath been said, it is plain that we cannot know the existence of other spirits, otherwise than by their operations, or the ideas by them excited in us.“

B. Der Gottesbeweis

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sofern sie wirksam sind (effectus), erweisen seine Präsenz. Eine neue Sprachdimension wird sichtbar, wenn man Gott als Gesprächspartner erkennt: Man spricht dann genau genommen nicht mehr über Gott, sondern nur noch mit ihm.104 Daraus resultiert eine Umkehrung der Betrachtungsweise im Vergleich mit früheren Formulierungen der Gotteslehre: Gott wird nicht mehr mithilfe eines spekulativen Vorgehens wie ein unfassbarer Gegenstand erkannt, sondern gibt sich in seiner Anrede, die sich an jeden finiten Geist als Individuum persönlich richtet, zu erkennen. Die Anrede Gottes erfolgt jeweils in einer konkreten, einmaligen, kommunikativen Situation und entfaltet darin einen Teil ihres unerschöpflichen Wirkungspotentials. Gott als Sprecher ist kein absolutes Subjekt, sondern in seinen Effekten präsent. Inwieweit die Effekte Gottes verstanden werden, steht noch zur Disposition aus. Dem Aufbau des Arguments zufolge ist Gott besser zu erkennen als andere finite Geister, insofern Gott die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Interaktion aufrechterhält.105 Das Argument in Kurzform: 1. Visuelle Eindrücke fungieren als Zeichen einer Sprache eines mächtigen Geistes 2. Sprachkompetenz als größtmögliches Indiz personaler Geisthaftigkeit Also ist Gott ein personaler Geist, der sich via Zeichen mitteilt.

Das bereits analysierte Argument von der visuellen Sprache Gottes steht in unauflöslicher Verbindung mit diesem hier, insofern die erste Prämisse auf visuelle Eindrücke als Zeichen einer Sprache darauf rekurriert. Bedeutsam ist die zweite Prämisse, die das Problem des Fremdpsychischen in Augenschein nimmt und die Zuschreibung von Geist mit der Sprachkompetenz verknüpft. Daraus wird dann auf ein geistbegabtes, sprechendes Wesen gefolgert, dem Personenstatus zukommt. Dieser Schluss ist korrekt, da Gott und Mensch der Entität mind zugehörig sind und für diese Entität analoge Erkenntniskriterien gelten. Mit der analogen Behandlung von finiten und infiniten Geistern besitzt Berkeley ein gutes Argument gegenüber Atheisten. Diese Einsicht findet bereits in frühen Schriften Niederschlag: It seems to be a general pretence of the unthinking herd, that they cannot see GOD. Could we but see him, say they, as we see a man, we should believe that he is, and believing obey his commands. But alas we need only open our eyes to see the sovereign Lord of all things with a more full and clear view, than we do any one of our fellow-creatures. (P § 148)

Zunächst einmal sucht Berkeley die Auflösung eines Vorurteils, das auf der Annahme beruht, man könne Gott nicht erkennen. Gott ist nicht ausschließlich transzendent, wie manche Deisten behaupten und was eine rein negative Theologie mit sich bringen würde, sondern kann erfahren werden. Eine Verneinung der Erkennbarkeit Gottes als eines kommunizierenden Wesens impli104 Gottes Person ist damit nicht nur im Gebet, sondern in jedem Moment als Adressat zu verstehen. 105 Vgl. auch I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 321.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

ziert zugleich die Nichterkennbarkeit finiter Geister; bzw. steigert Berkeley das Argument dahingehend, dass Gott deutlicher erfahren werden kann als die Existenz Anderer. Der Zusammenhang mit dem Argument von der visuellen Sprache, die Gottes faktische Anrede bezeugt und somit nicht als übernatürliche Vision zu verstehen ist, wird offenkundig. Gottes Anrede setzt sich aus Zeichen zusammen, wodurch eine Berufung auf mystische Stimmen, die mit einer ausschließlich subjektiven Auslegung zu interpretieren sind, verhindert wird.106 Ein weiteres Indiz für Gott sieht Berkeley in der Quantität der Zeichen: EUPHRANOR. But if it shall appear plainly that God speaks to men by the intervention and use of arbitrary, outward, sensible signs, having no resemblance or necessary connexion with the things they stand for and suggest; if it shall appear that, by innumerable combinations of these signs, an endless variety of things is discovered and made known to us; and that we are thereby instructed or informed in their different natures; that we are taught and admonished what to shun, and what to pursue; and are directed how to regulate our motions, and how to act with respect to things distant from us, as well in time as place: will this content you? (A IV, 7, 147)

In Relation zu den visuellen Sinnesideen sind die Eindrücke, die wir mittels Handlungen anderer finiter Geister besitzen, spärlich. Die Zeichen sind infinit kombinierbar, was eine Erweiterung des individuellen Interpretationshorizonts ermöglicht. Die Ausarbeitung der pragmatischen Dimension hat dennoch die Möglichkeit des Verstehens erwiesen. Sprache kommt so nicht als ein einheitliches System in den Blick, sondern als integraler Bestandteil von Lebensvollzügen, das sich in einem praktischen Verständnis der Zeichen äußert. Anzudenken ist an dieser Stelle, wie ein Dialog zwischen finitem Geist und Gott aussehen kann. Offensichtlich ist kein finiter Geist mit der Fähigkeit ausgestattet visuelle Eindrücke zu generieren, woraus zu folgern ist, dass eine Antwort auf einer anderen Ebene zu lokalisieren ist. Die Person Gottes tritt in Erscheinung, wenn sie sich via visuelle Zeichen dem finiten Geist mitteilt und einen Sprechakt107 vollzieht. Aufgrund von Gottes Omnipräsenz ist jegliches Verhalten bzw. jede Äußerung als Antwort auf Gottes Anrede zu werten. Sobald eine Äußerung108 im dialogischen Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf getätigt wird, ist sie ein Sprechakt, d.h. sie besitzt von sich aus eine Wirkung.109 Die Antwortoptionen setzen divergierende Fähigkeiten voraus, 106

Erinnert sei an das von Alciphron genannte Kriterium für einen Gottesbeweis, das eine Berufung auf holy instincts exkludiert (A IV, 7, 149). 107 Sprechakt ist gegenüber der Bedeutung, die Austin diesem mit seiner großartigen Sprachanalyse verliehen hat, abzugrenzen und verweist hier auf Berkeleys Sprachgebrauch, demzufolge Gottes Wort mit der Realisierung desselben in eins zu setzen ist. 108 Äußerung ist im weitest möglichen Sinne zu verstehen, d.h. sie inkludiert nicht nur Sprechen, sondern jegliche Handlung bis hin zu mentalen Vollzügen. 109 Man denke an das Kausalitätsargument.

B. Der Gottesbeweis

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die als Charakteristika für Sprachkompetenz gelten, nämlich Zeichen frei und kreativ kombinieren zu können. Bis hierher hat die Interpretation den pragmatischen Umgang mit den Zeichen Gottes betont, bei dem es sich jedoch weniger um eine intendierte Antwort, als vielmehr um ein abgerichtete Reaktion im Sinne eines Reiz-Reaktion-Mechanismus handelt, demgegenüber eine bewusste Antwort anders zu bestimmen ist. Wenn man das Dialogmodell ernsthaft zu rekonstruieren sucht, dann ist davon auszugehen, dass der christliche Gott als Ansprechender im Vorhinein ein Recht auf Antwort gewährt. Indem Gott den finiten Geist anredet, adressiert er die entsprechenden visuellen Zeichen an eine Person, was eine potentielle Antwort zur Konsequenz hat. Eine wesentliche Einsicht der Sprachphilosophie hinsichtlich funktionierender Kommunikation besteht in der Abwehr von Privatsprache.110 Demnach ist einer Äußerung genau dann Sinn zuzuschreiben, wenn sie eine Bestätigung durch eine Antwort erfahren kann. Ohne diese Antwortoption wäre ein sinnvoller Dialog letztlich nicht möglich. Dies bedeutet noch keine Egalität der Dialogpartner, denn es besteht bereits mit der Eröffnung des Gesprächsraums durch Gott ein Dependenzverhältnis.111 Mit Berkeley ist die Erwartungshaltung Gottes auf eine Antwort des Hörers im Sinne eines handelnden Sprechers anzuführen: Jede Reaktion auf ein visuelles Zeichen ist als Antwort auf die Anrede zu werten. Gottes Anrede entbehrt bereits strukturell jeglichen deskriptiven Charakters, da sie einen Aufruf zur Kommunikation im Sinne einer Auseinandersetzung mit den Zeichen bedeutet. Als wesentliche Komponente für einen Dialog ist die gegenseitige Anerkennung der Partner anzuführen. Gottes Anrede gestaltet sich auf eine Weise, dass der finite Geist antworten kann und analog zur gegenseitigen Anrede finiter Geister indisponibel ist. Wenden wir uns nun den divergierenden Verständnisoptionen der Sprache Gottes zu. Insgesamt lassen sich drei verschiedene Ebenen der Dechiffrierung der visuellen Zeichen diagnostizieren. In erster Linie betont Berkeley die pragmatische Funktion, die in der Orientierung in der Welt besteht und für das Überleben notwendig ist. Diese erste Ebene ist die notwendige Voraussetzung für nachfolgend beschriebene Formen. Zweitens bedeutet die Erforschung der Natur, also das Betreiben von Wissenschaft, eine intensivere Auseinandersetzung mit der Zeichenstruktur und bringt deren Grammatik zum Vorschein. Daraus resultiert eine Vertiefung des Wissens, das sowohl im Alltag als auch in der Theologie Anwendung finden kann. Die Wissenschaften sind von einer 110

Vgl. L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (1. Kap., Anm. 1), § 243 ff. Aus diesem Grund wurde der Vorwurf bei manchen Interpreten laut, es handle sich nicht um einen Dialog, sondern um einen despotischen Monolog, dessen Anrede man sich nicht entziehen kann. Darauf ist zu antworten, dass der Begriff Monolog eigentlich einen Widerspruch impliziert, denn die Situation eines Sprechers bedarf immer schon eines Zuhörers und jeder Diskurs besitzt einen Adressaten, dem ein Interpretationsspielraum eignet. 111

116

2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

dritten Lesart zu untermauern, die als religiöse betitelt werden kann, insofern sie auf die christliche Rede von Gott zu beziehen ist. Letztlich besteht das Ziel der Interpretation der Realität darin, Gott als umfassendes Integral zu erkennen und einen entsprechenden Dialog zu führen. Berkeleys Argument vermeidet ein bloßes Postulat der Existenz Gottes; vielmehr stellt Gottes Anrede eine Aufforderung zu einer Antwort dar. Der Autor des Buches der Natur ist damit als eine Person charakterisiert, die für sämtliche Menschen Bedeutung hat, denn jeder Mensch befindet sich qua Geschöpf in diesem unauflösbaren Kommunikationsverhältnis mit seinem Schöpfer: Gott ist nicht als das unerreichbar Absolute zu verstehen; das gedanklich Erreichbare muss mit dem Gott der Bibel identifizierbar sein und deshalb personal gedacht werden. Gott eröffnet einen niemals endenden Dialog, indem er Realität als dialogischen Raum zur Verfügung stellt, der unhintergehbar ist. Gottes Semiotik bestimmt das Kontinuum der Erfahrung von Realität. V. Die Verknüpfung der Argumente Mit Recht ist die Frage zu stellen, aus welchem Grunde Berkeley vier unterschiedliche Argumente für den Existenzerweis Gottes anführt. Auffällig ist eine Affinität der Struktur im Aufbau, insofern Gegebenheiten der Sinneswahrnehmung bzw. damit einhergehende Probleme geschildert werden und die in Berkeleys Augen beste Erklärung jeweils den Vorzug bekommt. Die Schwerpunktsetzung divergiert bei den Argumenten. Es erfolgt nun eine Veranschaulichung der inhaltlichen Verstrebungen hinsichtlich des bereits Dargestellten. Das Kontinuitätsargument bezeugt die Annahme einer extramentalen und beständigen Außenwelt, da es sinnvoll ist, den Dingen eine von der Perzeption eines finiten Geistes independente Existenz zuzusprechen. In Berkeleys Immaterialismus kann allein etwas Geistiges den Fortbestand garantieren. Dieses Argument evoziert sofort die nächste Frage, was eigentlich die Ursache des Bestehenden sei. Ein rein mechanisches Verursachen vermag nur beschränkt, die komplexe Wohlgeordnetheit und Schönheit alles Seienden zu erklären. Erneut fungiert die Annahme eines geistigen Prinzips als einzig sinnvolle Erklärung der Strukturzusammenhänge. Das Kausalitätsargument wird erst unter Einbezug des Arguments von der visuellen Sprache vollständig verständlich, insofern die Naturgesetze und Regelmäßigkeiten als Grammatik einer Sprache die nicht-kausale Verbindung der Zeichen explizieren. Diese Verlinkung verdeutlicht P § 25, in dem Berkeley auf die visuell nicht wahrnehmbare Kraft von Ideen hinweist.112 Eine Verortung der Kausalitätsauffassung erfordert eine Differenzierung in zwei Ebenen, die im Argument zusammenfallen, nämlich Bedeutungs- und Wirkungsebene. Die zeichenhafte 112

S.a. D II: 214f.

B. Der Gottesbeweis

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Realität verhindert eine Separation, denn das Zeichen ist bereits als Wirkung und umgekehrt ist jede Wirkung als Zeichen aufzufassen, was offenkundig im Wesen Gottes begründet ist. Eine weitere Similarität zwischen den beiden letztgenannten Argumenten besteht in der Folgerung von der Sprachkompetenz auf ein geistiges Wesen, das im vierten Argument seine Entfaltung findet. Gott als permanenter Gesprächspartner bewirkt aufgrund seiner Sprechakte die Ereignisse in der Realität und hält damit sämtliche Bedingungen für jegliche Interaktion aufrecht. Gottes Wort ist zugleich seine Handlung und sein Sprachfluss reißt nicht ab. Als formales Bindeglied lässt sich neben dem Erweis der unmittelbaren Präsenz Gottes, eine analoge Methodik anführen: Berkeley verzichtet auf apriorische Argumentationsformen und negiert vehement die These, man könne eine Idee von Gott haben, von der sich dann dessen Existenz deduzieren lasse.113 Wenn überhaupt ein Wissen von Gott generierbar ist, dann nicht mittels rein theoretischer Reflexion oder Spekulation. Infolge steht Berkeleys Beweis einerseits im Gegensatz zur Tradition, knüpft aber andererseits an diese an. Einen Anknüpfungspunkt bildet die indirekte Erkenntnis Gottes, die letztlich als Grund zur Demonstration seiner Existenz zu sehen ist.114 Ein Unterschied zur Tradition zeigt sich im Ausgangspunkt, der im Perzeptionsakt liegt und den Sensationen einen nicht zu unterschätzenden Wert zuschreibt.115 Die Sensationen fungieren als Wegweiser zu Gott und dürfen in dieser Funktion nicht überschätzt bzw. überbewertet werden. Diese Vorgehensweise bringt den Bischof Berkeley zum Vorschein, der einen Gottesbeweis für die sog. ordinary people formulieren wollte; d.h. einen Beweis, der von jedermann ad hoc nachvollziehbar ist. Seine Orientierung an alltäglichen Phänomenen verdient dabei besondere Würdigung. Die in jedem Moment erfahrbare Präsenz Gottes lässt auf eine Vertrautheit mit dem Dialogpartner schließen, 113

Dass der ontologische Beweis keine Alternative bildet, ist deutlich geworden. Der Grund für die Ablehnung des kosmologischen Beweises ist die damit einhergehende Gottesferne: Ein Gott, der als erstes Glied einer Kausalkette steht, ist unerreichbar. Diese Distanz verurteilt das klassische kosmologische, ontologische und Design-Argument zum Scheitern. 114 Wenn Gott sich zu erkennen gibt, geschieht das in einem Medium und es bedarf der Reflexion, dieses Ereignis zu klären. Dieser Zusammenhang wird im Kapitel Gotteserkenntnis (4) vertieft. 115 Vgl. W. B. Piper, „Berkeley’s Demonstration of God“ (2. Kap., Anm. 9), 280: „I must not pass on without pointing out the great gain, at least for a Protestant, which he has made by asserting the passivity of ideas. For St. Thomas Aquinas, who commenced like Berkeley with sense experience, God was next door to infinity; that is to say, the argument from the impossibility of going to infinity was a necessary part of Thomas’ Aristotelian machinery. Berkeley’s God, on the other hand, is immediate to every Christian soul, for He is the immediate cause of every sensation.“ S.a. E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 49: „There is in Berkeley’s proof for the divine existence a fusion of the kind of approach to theistic argument we find in the Five Ways of St. Thomas Aquinas with the very different one we find in the De Libero Arbitrio of St. Augustine.“

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

die jeweils einer individuellen Explikation bedarf. Gott ist nach Berkeley unauflöslich mit dem Perzeptionsvorgang verbunden, weshalb sein Gottesbeweis für den ordinary man leichter zugänglich ist als ein begriffstechnisch komplizierter apriorischer Beweis.116 Berkeley verfolgt das Ziel, den Gottesbegriff des Common Sense, also das, was im praktischen Alltag gelebt wird, zu rehabilitieren. Eine Quelle zur Vermittlung dieser Kenntnis von Gott ist seine Relation zur Welt. Die Erkenntnis von Zusammenhängen in der Welt besitzt folglich immer schon theologische Qualität. Inwieweit die Argumente den christlichen Gott zu bezeugen vermögen, steht noch zur Beurteilung aus. Zahlreiche Interpreten sind der Meinung, Berkeley beweise höchstens ein lenkendes Prinzip, jedoch nicht den christlichen Gott.117 Die Kritik lautet, die Argumente bezeugten lediglich die Faktizität von etwas Verursachendem, wodurch ein Freiraum für eine Pluralität diverser anderer Kräfte entsteht. Dieser Einwand ist bei Betrachtung der logischen Folgerungsebene berechtigt, da aus den Prämissen des jeweiligen Arguments die Existenz des christlichen Gottes nicht notwendig deduziert werden kann.118 Der Gottesbeweis verfolgt nicht die Aufdeckung von etwas Unbekanntem. Vielmehr werden in syllogistischer Form plausible Gründe für eine rationale Existenzannahme des christlichen Gottes angeführt. Die Argumente richten sich gegen den Gott spekulativer Metaphysiker, also den Erweis einer höheren Intelligenz, die analog zu einem Supercomputer alles mechanisch lenkt.119 Der christliche Gott ist demgegenüber kein abstraktes Wesen oder eine allgemeine metaphysische Kategorie, sondern eine personale Gottheit mit 116

D. M. Jesseph, „Berkeley, God, and Explanation“ (2. Kap., Anm. 14), 190: „Berkeley’s strategy is, in effect, to retain a traditional notion of God as constantly creating the world and immediately present in it while inverting the usual Platonic epistemology by making the senses (rather then intellect) the source of our grasp of God’s existence and God’s relation to the world.“ Nach S. Bonk, „George Berkeleys Gottesbeweis“ (2. Kap., Anm. 26), 282 verhalten wir uns bei dem Schluss auf Gott nicht irgendwie ungewöhnlich metaphysisch, sondern ganz alltäglich-vernünftig. Hingegen meint A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 14), 89 Berkeley gebe keine adäquate Erklärung, wie man vom empirischen Wissen zum supranaturalen gelangen kann. 117 Laut J. L. Mackie, Das Wunder des Theismus (1. Kap., Anm. 24), 114f ist ein Schluss auf eine Vielzahl von Geistern möglich; J. F. Thomson, „G. J. Warnock’s Berkeley“, in: D.M. Armstrong (Hg.), Locke and Berkeley. A Collection of Critical Essays, New York 1968, 426– 435, 429, Anm. 1 schließt sich dem an: „Given that every one of my ideas of sense that is not caused by me is caused by some powerful spirit, it does not follow, as Berkeley wished to say, that some one powerful spirit causes all those ideas of sense. The way is thus left open for a kind of animism (one spirit for each physical object) and for views intermediate between this and theism.“ Auch R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 250 pflichtet dem bei und unterstellt Berkeley wenig philosophisches Interesse hinsichtlich der Beweisführung. S.a. A. C Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 200ff. 118 E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 144–177 ist gegenteiliger Ansicht. 119 Vgl. auch A IV, 14, 160.

C. Die Eigenschaften Gottes

119

bestimmten Attributen.120 Das Argument für die Existenz eines allgegenwärtig erfahrbaren Geistes, der die Dinge evoziert und in ihrem Sein bewahrt, sieht Berkeley zu Recht als etwas Außerordentliches an.121 Die konsistente Konvergenzargumentation reflektiert das Anliegen, ein besseres Verständnis von Gottes Wesen zu erlangen. In Berkeleys Augen bezeugen die Argumente ein aktives, mächtiges Wesen, das jegliches Geschehen in der Welt und der Menschen begleitet. Die Relationen zur Welt sind durch die dialogische Beziehung mit Gott vermittelt. Jede Bezugnahme auf innerweltliche Gegenstände ist als Entdeckung dieser impliziten Dialogstruktur zu werten. Der christliche Gott wird als bekannt vorausgesetzt,122 insofern seine Attribute zum einen durch das schriftliche Zeugnis von seiner Offenbarung bezeugt werden und zum anderen sprachphilosophische Überlegungen die richtige Verwendung des Begriffes Gott widerspiegeln.123 Die akkumulative Beweisführung ermöglicht einen universalen Erklärungsrahmen für sämtliche Phänomene. Berkeleys Argument ist deswegen so spannend, weil es nicht nur eine Erklärung anstrebt, weshalb überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts, sondern darüber hinaus eine Erklärungsmöglichkeit liefert, weshalb dem Bestehenden Sinn zugeschrieben werden kann. Genau genommen ist jeder einzelne Geist in jedem Moment ein Zeuge von Gottes Präsenz.124

C. Die Eigenschaften Gottes C. Die Eigenschaften Gottes

Eingangs wurde der Interpretationsansatz vorgestellt, mithilfe der Argumente eine Explikation von Gottes Wesen anhand der Implikate des Gottesbegriffs zu erreichen. Das Entfalten von Gottes Wesen erweist sich an den offenkundigen, da mitgeteilten Attributen. Diese göttlichen Eigenschaften sind nicht im Sinne von Akzidenzien aufzufassen. Die vier Argumente demonstrieren mehrere Eigenschaften zugleich, insofern Eigenschaften im Allgemeinen Facetten einer Person reflektieren. Diese können nicht singulär, sondern nur in ihrem Zusammenspiel erfahren werden und sind von daher als Konglomerat 120 W. B. Piper, „Berkeley’s Demonstration of God“ (2. Kap., Anm. 9), 287 ist deshalb der Ansicht, allein der christliche Glaube vermöge Berkeleys Argumentation verständlich zu machen. 121 Vgl. D II: 212. 122 K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 286 schlägt die best-explanation-Methode vor. 123 Die Argumentation impliziert neben der wissenschaftstheoretischen auch eine psychologische Komponente, was die Kommunikationsweise Gottes zum Ausdruck bringt. 124 T. E. Jessop, „Berkeley as Religious Apologist“, in: W. E. Steinkraus (Hg.), New Studies in Berkeley’s Philosophy, New York/Chicago/San Francisco u.a. 1966, 98–109, 106f spricht von einer Theophanie; vgl. auch den Kommentar von P. J. Olscamp, „George Berkeley’s Unique Arguments about God“ (2. Kap., Anm. 26), 31.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

zu denken. Die Identifikation einer Eigenschaft mit der Person selbst kommt einem Kurzschluss gleich, denn damit werden andere Merkmale überblendet. Vor der Entfaltung der Attribute erfolgt eine erste Annäherung an Berkeleys Geistbegriff zur sinnvollen Verortung seiner Eigenschaften. Im Kontext des Gottesbeweises in P, wird Geist (spirit) folgend definiert: A spirit is one simple, undivided, active being: as it perceives ideas, it is called the understanding, and as it produces or otherwise operates about them, it is called the will. (P § 27)

Die grundsätzlichen Bestimmungen von Geist sind Einfachheit, Unteilbarkeit und Aktivität. Jede Behandlung eines Attributs unterliegt dieser Prämisse. Die Einheit Gottes ist als ein weiteres wichtiges Argument gegenüber Deisten, die lediglich die Existenz eines höheren Prinzips zugestehen, anzusehen. Attribute wie Allmacht oder Allgegenwart erweisen Gott als einen und mehr noch als einzigen, wodurch jegliche Form eines Manichäismus exkludiert wird. Auf die primär genannte Einfachheit folgt eine begriffliche Differenzierung in zwei Vollzugsmodi, namentlich Verstand (understanding) und Wille (will). Der Perzeptionsvorgang, also die Persistenz der Dinge in ihrem Sein, wird als Verstandestätigkeit tituliert und die Erzeugung bzw. der Umgang mit den Ideen obliegt dem Willen.125 Obige Passage spiegelt Berkeleys analytische Sorgfalt wider: Der Erweis der zwei Vermögen Wille und Verstand erfolgt auf sprachlicher Ebene und besitzt ontologische Konsequenzen. Damit wird eine Parallele von Kausalitäts- und Kontinuitätsargument offenkundig: Die Geistnatur ist anhand der evozierten Effekte, namentlich Perzeption und Volition deduzierbar. Der Ertrag der Argumente besteht in der Demonstration einer einzigen Ursache, die mit den beobachtbaren Effekten Gottes zu identifizieren und als Ausdruck seiner Willenstätigkeit zu interpretieren ist.126 G.S. The propertys of all things are in God i.e. there is in the Deity Understanding as well as Will. He is no Blind agent & in truth a blind Agent is a Contradiction. (PC 812)

Die Vollzugsmodi Wille und Verstand sind als Argument gegen jede Form von blind agency zu verstehen:127 Allein ein vernunftbegabtes, fürsorgliches Wesen kümmert sich entsprechend um seine Schöpfung und Geschöpfe. Ein 125 Diese beiden Vollzugsmodi werden analog in D II: 215 konstatiert: „[B]ut I say, the things by me perceived are known by the understanding, and produced by the will, of an infinite spirit.“ Man kann davon ausgehen, dass Berkeley mit der mittelalterlichen Debatte um die Wesensmerkmale Wille und Verstand und deren Priorität vertraut war. Die Textbelege bezeugen keine eindeutige Hierarchisierung, sondern vielmehr einen integrierenden Charakter. Da Berkeley einen so starken Rationalitätsanspruch an die Theologie stellt, ist jedoch davon auszugehen, dass er sich angesichts der Gretchenfrage wohl eher der thomasischen Schule zuordnen würde. 126 Vgl. PC 838. 127 In diesem Punkt lehnt sich die Argumentation an K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 207ff, bes. 218 an, der das Zusammenspiel von Wille und Verstand im zeitgenössischen Umfeld Berkeleys analysiert und das Vorgehen plausibel rechtfertigt.

C. Die Eigenschaften Gottes

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abstraktes Prinzip, dem zwar ausreichend Intelligenz zugesprochen werden könnte, das aber eines Willens entbehrt und blind handelt, was bedeuten würde, ein Effekt entstünde ohne vorausgehende Volition, ist für Berkeley eine unzureichende und daher zu vermeidende Erklärung.128 Der christliche Gott ist in Berkeleys Verständnis enger mit der Sinneswelt verknüpft als ein abstraktes Prinzip, wie es sich bei Anselm oder Descartes findet. From the effects I see produced, I conclude there are actions; and because actions, volitions; and because there are volitions, there must be a will. Again, the things I perceive must have an existence, they or their archetypes, out of my mind: but being ideas, neither they nor their archetypes can exist otherwise than in an understanding: there is therefore an understanding. (D III: 240)

Berkeley besteht entschieden auf der Faktizität der Attribute und des Wirkens Gottes. Gott ist keine Option neben anderen, sondern ist präsentisch tätig und erfahrbar. Auch wird erneut der Zusammenhang der Argumente offensichtlich.129 Kontinutitäts- und Kausalitätsargument demonstrieren Gott als Schöpfer und Erhalter der Welt, wobei die Frage nach der Ursache und Erhaltung eine Zusammenführung in die zwei Vermögen Gottes erfährt. Zu prüfen bleibt, ob die beiden Vollzugsmodi für das Argument von der visuellen Sprache Relevanz besitzen und welche konkreten Eigenschaften Gottes unteilbarer Geist erweist. I. Gott als der Erhalter der Welt Das Kontinuitätsargument zielt darauf, Gott als Erhalter der Welt zu demonstrieren. Berkeleys Anliegen ist nicht das Schließen einer Erklärungslücke, die in vielen philosophischen Systemen hinsichtlich des Problems der Objektpermanenz besteht. Vielmehr soll das Argument eine plausible Erklärung liefern, wie etwas in einer immaterialistisch strukturierten, zeichenhaften Realität fortdauernden Bestand und Sinn besitzen kann. Im Kontinuitätsargument wird der erhaltende Geist charakterisiert als: [I]t necessarily follows, there is an omnipresent eternal Mind, which knows and comprehends all things, and exhibits them to our view in such a manner, and according to such rules as he himself hath ordained, and are by us termed the Laws of Nature. (D III: 231)

Nicht nur die Realität besteht weiter, sondern Gottes Wesen umfasst diese sogar aufgrund seines allgegenwärtigen, ewigen Bestehens. Dinge existieren independent vom Dasein finiter Geister, da es einen anderen Geist gibt, dessen Perzeption andauert. Anhand dieses kontinuierlichen Fortbestands identi128 S.a. R. G. Muehlmann, „Berkeley’s Problem of Sighted Agency“, in: ders. (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 149–170, 156. 129 M. R. Ayers, „Divine Ideas and Berkeley’s Proof of God’s Existence“ (2. Kap., Anm. 27) sieht das again als Signal für Separation an.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

fiziert Berkeley einen allgegenwärtigen, ewigen Geist, der alle Dinge kennt, sie vollständig erfasst und finite Geister ihrer ansichtig werden lässt. Ein Wissen um den andauernden Fortbestand der sinnlichen Dinge ist zugleich ein Wissen um Gottes Existenz, wobei dessen Kenntnis nicht an eine argumentative Figur gebunden ist. Gottes Omnipräsenz impliziert dessen Nähe zu und Sorge um die Schöpfung. Gott als ein personales Wesen hat die Welt nicht geschaffen, um sie sich selbst zu überlassen; vielmehr ist die Schöpfung Ausdruck seiner unaufhörlichen Erhaltertätigkeit. Diese erfolgt nicht im Opaken, sondern ist für jedermann via Naturgesetze rational einsehbar. Das Zusammenfügen der Eigenschaften aus dem Kontinuitätsargument mit Naturgesetzen, die vorrangig im Argument der göttlichen Sprache zu verorten sind, verdeutlicht das synthetisierende Denken Berkeleys. Schöpfung und Erhaltung sind nicht separiert zu denken, was eine grundlegende Differenz des Theismus zum Deismus markiert. Gott ist nicht nur Ursache von allem, sondern auch Bewahrer, und diese komplexe Tätigkeit lässt sein unermessliches Verstandesvermögen erahnen. For aught I can see, it is no disparagement to the perfection of God to say that all things necessarily depend on Him as their conservator as well as creator, and that all nature would shrink to nothing, if not upheld and preserved in being by the same force that first created it. (BJC vom 25. November 1729, S. 281)

In dem Brief an Johnson wird der Zusammenhang von Erhalter- und Schöpfertätigkeit deutlich:130 Ersterer kommt eine zweifache Bedeutung zu: Mit dem faktischen Erhalt geht auch die Zuschreibung von Sinn einher. Das Wirken Gottes in der Schöpfung ist – analog der Handlung eines vernünftigen Wesens – sinnvoll. Das fortdauernde Schöpferwirken erhält die Realität bzw. stärker formuliert: Ohne Gott, den Erhalter, würde sie in ein Nichts zurückfallen. Für die Erhaltertätigkeit ist ein weiteres Attribut zentral, nämlich Gottes Vorsehung, die in den Schriften Berkeleys auffallend häufig angesprochen wird.131 Diese bewirkt regelmäßige Abläufe in der Natur, wodurch die Erfahrung von Kontinuität überhaupt ermöglicht wird. Gott benötigt zur Ausübung seiner erhaltenden Tätigkeit ein komplexes Wissen, um die Konsequenzen 130 Der enge Nexus von creatio ex nihilo und creatio continua ist in der Theologie unbestritten; die Option einer getrennten Analyse findet sich bei W. L. Craig, „Creation and conservation once more“, RelSt 34 (1998), 177–188, 183: „In creation God does not act on a subject, but constitutes the subject by His action; in contrast, in conservation God acts on an existent subject to perpetuate its existence.“ 131 Als repräsentativ für die Bedeutung, die Berkeley diesem Attribut beimisst, sind jeweils die Zweitüberschrift von TVV (or Visual Language shewing the immediate Presence and Providence of a Deity), und D (The design of which is plainly to demonstrate the reality and perfection of human knowledge, the incorporeal nature of the soul, and the immediate providence of a Deity: in opposition to Sceptics and Atheists. Also to open a method for rendering the Sciences more easy, useful, and compendious) anzuführen.

C. Die Eigenschaften Gottes

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seines Handelns abschätzen zu können. Sorge und Vorsehung sind als Ausdruck seiner göttlichen Vernunft anzusehen. Zwischen der Vernunft finiter Geister und der providentia Gottes besteht eine Parallelität, die sich an der Konformität des Willens zeigt, die an späterer Stelle noch ausführliche Behandlung erfährt: When a man is conscious that his will is inwardly conformed to the divine will, producing order and harmony in the universe, and conducting the whole by the justest methods to the best end: this gives a beautiful idea. (A III, 11, 129)

Neben einer grundsätzlichen Analogie wird zugleich eine qualitative Differenz zwischen Gott und finiten Geistern offenbar. Während Gott bei Berkeley die gesamte physische Welt wahrnimmt, perzipiert der finite Geist lediglich einen kleinen Ausschnitt des unendlichen Ideenkosmos.132 II. Gott als einzige Wirkmacht Das Kausalitätsargument entfaltet primär Gottes Allmacht (omnipotence). Dass es sich nicht nur um eine theologische Spitzfindigkeit handelt, sondern die gesamte Wirklichkeit miteinzubeziehen ist, sei in einer ausführlichen Darstellung und Diskussion dieser umstrittenen Auffassung Berkeleys verdeutlicht. Vorliegende Interpretation verfolgt den Ansatz, Kausalität als eine Handlungsform Gottes zu sehen: Gott ist keine zusätzliche Entität, sondern bildet das umfassende Integral, in dem sämtliche Dinge ihr Sein besitzen. In diesem Rahmen wird weiterhin die Frage nach der Freiheit des Menschen virulent: Insofern jede visuelle Sinnesidee als Zeichen Gottes zu werten ist, steht der Wirkbereich finiter Geister auf dem Prüfstand. Aufgrund des Handelns Gottes, so die These, lässt sich eine Willens- bzw. Handlungsfreiheit finiter Geister überhaupt erst sinnvoll begründen.133 Vor der Behandlung dieses Problems ist ein Blick auf Gottes Omnipotenz zu werfen. Wenn die von Gott geschaffene Wirklichkeit als zeichenhafter Horizont aufgefasst wird, existieren keine mechanischen Raster bzw. Verhaltensabläufe. Nachstehende Textauszüge vermitteln einen ersten Eindruck der Verbindung von Allmacht und Willenstätigkeit Gottes: S The Spirit the Active thing that wch is Soul & God is the Will alone The Ideas are effects impotent things. (PC 712) [N]othing being more evident, than that an omnipotent spirit can indifferently produce every thing by a mere fiat or act of his will. (P § 152) 132

S. Bonk, Immaterialismus (1. Kap., Anm. 5), 149 bezeichnet diesen Unterschied der Wahrnehmung Gottes zu den Perzeptionen finiter Geister mit dem Begriff der Seinsmächtigkeit, wodurch die Allmacht Gottes zum Ausdruck kommt: Alles Seiende steht in seinem Sein in Abhängigkeit zu dieser Allmacht. Mittels der Dependenz wird zugleich die Kontingenz alles Seienden expliziert. 133 S.a. den Exkurs zur Freiheit finiter Geister (3.D.III).

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

G. Every sensation of mine wch happens in Consequence of the general, known Laws of nature & is from without i.e. independent of my Will demonstrates the Being of a God. i.e. of an unextended incorporeal Spirit wch is omniscient, omnipotent etc. (PC 838)

Ein bloßes fiat, das mit einer Volition Gottes zu identifizieren ist, akzentuiert die Omnipotenz Gottes.134 Gottes Allmacht bezieht sich primär auf die Allmacht des Wortes, wodurch erneut der Zeichencharakter der Schöpfung in den Vordergrund tritt. Gottes machtvolles Wirken ist kein anonymes, sondern kontextuell, d.h. jede Volition steht in einem relationalen Geflecht zu bereits getätigten Äußerungen. Dennoch sind diese Verbindungen aus Gottes Perspektive kontingent.135 Die permanente Anrede ist nicht im Sinne einer bloßen Möglichkeit (potentia) zu verstehen, sondern als aktuale Macht, in der er alles wirkt, was als Abgrenzung gegenüber einer okkasionalistischen Position zu interpretieren ist. Auch in der Variante des Arguments in A zeigt sich die Verwobenheit von Gottes Existenz mit seinen Attributen. Die Folgerung auf Gott impliziert die Folgerung auf eine bestimmte Weise seiner Existenz, nämlich Weisheit.136 EUPHRANOR. Doth it not follow, then, that from natural motions, independent of man's will, may be inferred both power and wisdom incomparably greater than that of the human soul? (A IV, 5, 146)

Das Kausalargument wird von Euphranor als Ausgangspunkt genommen, um davon die unvergleichliche Macht und Weisheit Gottes abzuleiten. Die Komplexität der Realität fungiert als Ausdruck von Gottes Eigenschaften. Dass es sich dabei nicht um eine eigenständige Denkleistung Berkeleys handelt, die jeglicher historischer Anknüpfung entbehrt, belegt ein Blick auf die Begriffsgeschichte von Kausalität: Sie illustriert bis ins 18. Jahrhundert die Dominanz eines theologischen Interpretationsrahmens. Dabei ist auf Aristoteles’ Lehre der vier causae (materialis, formalis, efficiens und finalis) zu verweisen,137 die von Thomas von Aquin rezipiert und modifiziert wurde. Besonderes Gewicht kommt der causa finalis zu, die als letzte Ursache gewissermaßen mit Gott zu identifizieren ist. Die traditionelle Verbindung von Kausalität und 134 E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 134 interpretiert Gottes Omnipotenz dahingehend, dass Gott zur Ausübung seiner Schöpfertätigkeit lediglich wahrnehmen muss. „God’s will is the immediate cause of all things, and because His will is omnipotent God has no need to use instrumental causes to produce any created effect […].“ 135 Gottes Allmacht sind entgegen der Ansicht von J. L. Mackie, „Evil and Omnipotence“, Mind 64 (1955), 200–212 keine logischen Grenzen gesetzt. 136 Gottes kausale Aktivität sieht A. C Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 52 zu Recht als Erklärungshorizont sämtlicher Phänomene. 137 Das causae-Schema ist sowohl in Aristoteles, Metaphysik, üs. und eingel. von Th. A. Szlezák, Berlin 2003, 1013a24–1014a25 als auch in Organon, üs., mit einer Einl. und erklärt von E. Rolfes, Hamburg 1974, Analytica Posterior II, 11bes. 94a20–24 beheimatet.

C. Die Eigenschaften Gottes

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Gottes Handeln ist nicht zu übersehen. Die Abgrenzung zur Scholastik wird ebenfalls deutlich, insofern Berkeley nicht die Absicht verfolgt, das Thema Kausalität an sich zu bearbeiten, denn er sah keinen rationalen Grund, den causae secundae eine eigenständige Wirksamkeit zuzuschreiben.138 Das sich entwickelnde moderne Kausalitätsverständnis orientiert sich primär an der Wirkursache (causa efficiens), was sich aus der zunehmenden Dominanz der Naturwissenschaften erklären lässt. Danach wird Kausalität als Relation zwischen singulären Ereignissen bestimmt und ist – nach dem Vorbild der mechanischen Gesetze – an Naturgesetzen festzumachen.139 Dieses moderne Verständnis lässt sich in Berkeleys System leicht integrieren, dementsprechend es auf einer rein deskriptiven bzw. phänomenologischen Ebene zu verorten ist; d.h. die arbiträre Verbindung zwischen den Sinnesideen wird nach wiederkehrenden Mustern untersucht. Kausalität bezeichnet die Beziehung zwischen einer Ursache und deren Wirkung, wobei sich die Ereigniskausalität von der Agenskausalität differenzieren lässt. Während Ereigniskausalität eine Homogenität der Relata Ursache und Wirkung aufweist und die Ereignisketten von unbestimmter Länge sind, beruht der Begriff der Agenskausalität auf der Intention handelnder Subjekte. Das handelnde Subjekt ist selbst Urheber der nachfolgenden Wirkung.140 Die unterschiedlichen Relata sind bei der Agenskausalität Subjekt und Ereignis. Während die Ereigniskausalität sich lediglich auf die Syntax der Sprache Gottes bezieht, die als die Grammatik herausgearbeitet wurde, konzentriert sich die Agenskausalität auf die tatsächliche Aussage: Der eigentliche Anfangspunkt eines Ereignisses gründet in Gottes Volition.141 Nur aktiven Geistern kommt verursachende Macht zu, denn Ideen werden als vollkommen passiv charakterisiert. Jegliche Form von Kausalität ist daher als mental und Ausdruck einer Willensbewegung zu bestimmen, wohingegen andere Arten als inkonsistent zu verwerfen sind. Wie bereits ausführlich dargestellt wurde, besteht das Sein des finiten Geistes im permanenten Perzeptionsvorgang von Ideen. Sämtlichen Ideen liegt eine Ursache zugrunde, von der sie abhängen, 138

S.a. W. B. Piper, „Berkeley’s Demonstration of God“ (2. Kap., Anm. 9), 286. Newtons Kausalitätskonzept ist so zu verstehen, doch bedarf es eines metaphysischen Überbaus, nämlich der Prämissen eines absoluten Raums und einer absoluten Zeit. Dieses Problem löst Newton, indem er Gott die Leerstelle des Raumes einnehmen lässt. 140 Vgl. dazu R. M. Chisholm, „The Agent as Cause“, in: Brand/Walton (Hg.), Action Theory, Dordrecht 1976, 199–211. Auch Kausalbehauptungen im Bereich von Ereignissen, die keine Handlungen sind, werden so interpretiert, als seien die ursächlichen Ereignisse Handlungen bzw. Handlungsresultate, die sich der Zwecksetzung des bewirkten Ereignisses verdanken. 141 Dabei kann mentale Verursachung – etwa im Sinne von Intention – als Bestandteil der Auffassung des Common Sense von Wirklichkeit angeführt werden, insofern dieses Phänomen entgegen mancher philosophischer Debatten, die diese Intuition als Epiphänomen abhandeln, unbestreitbar zu sein scheint. 139

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bzw. durch die sie hervorgebracht und verändert werden. Hinsichtlich der Agenskausalität steht zur Prüfung aus, was das Handeln Gottes bedeutet und in welchem Umfang dem finiten Geist Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.142 Das Problem menschlicher Handlungsfreiheit ergibt sich aus der großen Nähe zwischen Gott und Mensch bzw. Gottes permanentem sprachlichen Ausdruck. Die Betonung der Deskriptivität von Naturgesetzen, die lediglich vorläufige Geltung beanspruchen kann und eine Durchlässigkeit mit sich bringt, ermöglicht den Durchbruch von etwas Neuem, ohne dass das erklärende Fundament seinen Geltungsanspruch verlöre.143 In D geht Berkeley einen Schritt weiter, indem er Gott als einzige Ursache behauptet und die Bibel als entsprechenden Beleg dazu anführt. In them [Holy Scriptures] God is represented as the sole and immediate Author of all those effects, which some heathens and philosophers are wont to ascribe to Nature, matter, fate, or the like unthinking principle. (D III: 236)

Die Schrift ist als Zeugnis des Handelns Gottes zu lesen. Inwieweit Gott der einzige Akteur ist und welcher Handlungsfreiraum dem Menschen zukommt, bleibt weiterhin fraglich. Wenden wir uns zunächst der theologischen Explikation der Berkeleyschen Kausalitätsauffassung zu. Ein wichtiges Anliegen Berkeleys besteht in der Klärung des Verhältnisses von der Wirksamkeit und Wirklichkeit des Handelns Gottes zu dem Handeln finiter Geister. Dass Berkeley ein Vertreter der Handlungsfreiheit ist, zeigt folgender Auszug: Lastly, I have no where said that God is the only agent who produces all the motions in bodies. It is true, I have denied there are any other agents beside spirits: but this is very consistent with allowing to thinking rational beings, in the production of motions, the use of limited powers, ultimately indeed derived from God, but immediately under the direction of their own wills, which is sufficient to entitle them to all the guilt of their actions. (D III: 237)

Noch einmal wird mentale Verursachung als die einzige Option betont, da sie allein rationale Zusammenhänge zu garantieren vermag. Gott ist jedoch nicht der einzige Akteur und finite Geister können nicht nur handeln, sondern sind auch für die Konsequenzen verantwortlich. Damit spricht Berkeley physischen Kausalitätsrelationen jegliche Existenzberechtigung ab. Im Naturgeschehen lässt sich nur ein regelmäßiges Nacheinander (post hoc) feststellen,

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Eine Handlung kann als eine besondere Form von Kausalität gewertet werden, da sie einen souveränen Eingriff in die Realität bedeutet und konkrete Wirkungen herbeiführt. Ein wesentliches Kennzeichen für eine Handlung ist eine relative Freiheit in der Wahl der Ziele und Mittel. Die Freiheit ist zugleich durch bestimmte dem Handelnden unverfügbare Faktoren (Mittel) eingegrenzt. 143 Man denke an die Auferstehung Christi als Symbol für Neuanfang bzw. an Wunder, in denen Berkeley eine Aufhebung von Naturgesetzen erkennt, was an späterer Stelle verhandelt wird.

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nicht aber die Kausalverknüpfung als solche (propter hoc).144 Auf der immateriellen Ebene der Ideen vermag allein ein Wille diese zu produzieren. Dieser Wille wird spezifiziert als: S The Will is purus actus or rather pure Spirit not imaginable, not sensible, not intelligible, in no wise the object of ye Understanding, no wise perceivable. (PC 828)

Nach Berkeley ist Gottes Wille für eine geordnete Abfolge von Ideen verantwortlich. Dieser Wille ist nicht direkt perzipierbar. Bezeichnend für das Schema von Ursache und Wirkung ist eine weitere Notiz, welche die Volition als notwendige Bedingung für die Wirkung verdeutlicht: S What means Cause as distinguish'd from Occasion? nothing but a Being wch wills wn the Effect follows the volition. Those things that happen from without we are not the Cause of therefore there is some other Cause of them i.e. there is a being that wills these perceptions in us. (PC 499) S 499a)

it should be said nothing but a Will, a being wch wills being unintelligible. (PC

Gottes Wille ist die Ursache der Sensationen und ist in der geordneten Abfolge von Ideen erfahrbar: Wenn Feuer und Papier perzipiert werden, dann liegt diesen beiden Ideen eine derartige Struktur zugrunde, dass dem die Perzeption eines Häufchens Asche folgt.145 Aus dem Dargestellten lassen sich zwei un144

Berkeleys Forschung besitzt bis heute Aktualität, da in der Freiheits-/Determinismusdebatte kein Neurologe hinreichend zu erklären vermag, wie die Übertragung von materiellen Reizen zum bewussten Erleben funktioniert. Die Schwierigkeiten im Hinblick auf einen materiell vorgestellten Geist wären nur mit der Zuschreibung des Attributs denkend zu überwinden. Allerdings wäre dann die Konsequenz, jegliche Materie sei denkend. Vgl. dazu T. Stoneham, Berkeley’s World (1. Kap., Anm. 7), 123. Der überzeugte Materialist J. L. Mackie, Das Wunder des Theismus (1. Kap., Anm. 24), 118f sieht in dem Argument Berkeleys zumindest einen ernstzunehmenden Einwand: „Das [...] Argument, das sich auf die Unerklärbarkeit stützt, wie materielle Dinge auf den Geist einwirken können, um Ideen hervorzubringen, verweist meines Erachtens zu Recht auf eine ernste Schwierigkeit für jede materialistische Theorie. Doch handelt es sich dabei nur um eine Schwierigkeit: sie beweist nicht die Unhaltbarkeit dieser Theorie.“ G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 124 sieht die Frage nach Ursachen als Glaubensangelegenheit an: „We are, in fact, perfectly free to admit the possibility that physical objects can produce causal effects (e.g. ideas) in spiritual substances; that kind of causal connection is as intelligible as – i.e., no less unintelligible than – any other.“ Doch K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 10 sieht das mit Recht anders: „Naturwissenschaftliche Theorien bleiben uns darum letztlich immer die Erklärung schuldig, wie ein materieller Gegenstand im Geist eine Empfindung oder eine Idee verursachen könnte.“ 145 P § 65: „[T]he connexion of ideas does not imply the relation of cause and effect, but only of a mark or sign with the thing signified. The fire which I see is not the cause of the pain I suffer upon my approaching it, but the mark that forewarns me of it. In like manner, the noise that I hear is not the effect of this or that motion or collision of the ambient bodies, but the sign thereof.“

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entbehrliche Voraussetzungen zur Beschreibung eines Kausalverhältnisses ableiten: Die Volition Gottes und das daraus notwendig folgende Ereignis, die Wirkung. Bei dem Versuch, Gottes Wesen zu erfassen, ist vorrangig dessen permanente Aktivität, die im Willen ihren Ausdruck findet, zu betonen. Die Willensäußerung Gottes ist die Bedingung der Möglichkeit der Erkenntnis seines Wesens. Das eigentliche Motiv im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit den Freidenkern ist nun klar erkennbar: Es besteht nicht im Erweis der Existenz Gottes, da diese nach Berkeley eine unplausible Variante der Gottesverleugnung darstellt; vielmehr richten sich die Argumente vor allem gegen jene, die Gottes permanentes Wirken, d.h. seine Omnipotenz und Omnipräsenz bezweifeln. Die Deisten werden als Negativfolie für die Blindheit gegenüber diesem Sachverhalt angeführt: Further, it seems to me that the power and wisdom of God are as worthily set forth by supposing Him to act immediately as an omnipresent, infinitely active spirit, as by supposing Him to act by the mediation of subordinate causes, in preserving and governing the natural world. A clock may indeed go independent of its maker or artificer, inasmuch as the gravitation of its pendulum proceeds from another cause, and that the artificer is not the adequate cause of the clock; so that the analogy would not be just to suppose a clock is in respect of its artist what the world is in respect of its creator. (BJC, 25. November 1729, S. 280f.)

Die Allmacht und Weisheit Gottes findet im unmittelbaren Wirken Gottes ihren Ausdruck. Jeglicher Rückgriff auf Zweitursachen impliziert eine Einschränkung von Gottes Macht. Anhand des Arguments von der visuellen Sprache Gottes hat sich eine Regelmäßigkeit in der Abfolge von Ideen gezeigt. Das geregelte Erscheinungsbild verschiedener Sinnesideen wird von keiner Notwendigkeit bestimmt. Dennoch gibt es für das Auftreten jeder Idee einen Grund.146 Berkeley differenziert eine Ursache von Zeichen; als Beispiele von Zeichen gibt er Wirkungen an, von denen auf eine Ursache gefolgert wird. Somit existiert eine Differenz zwischen etwas, das Vorhersage- aber keinen Erklärungswert besitzt. Die Ordnung und Schönheit der Natur, die eine Anordnung der Effekte Gottes ist, veranschaulicht die Intelligenz der Ursache. And yet this consistent uniform working, which so evidently displays the goodness and wisdom of that governing spirit whose will constitutes the Laws of Nature, is so far from leading our thoughts to him, that it rather sends them a wandering after second causes. (P § 32)

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Vor einem existentiellen Hintergrund besitzen physikalische Erklärungen eine wichtige, aber nur vorläufige Stellung. In der Diskussion wird dieser Zusammenhang mit teleological requirement bezeichnet, was bedeutet, dass jedem Ereignis eine letzte Ursache zugrunde liegt. Vgl. stellvertretend L. Carlin, „Leibniz and Berkeley on Teleological Intelligibility“, History of Philosophy Quarterly 23:2 (2006), 151–169, 157: „Hence, for purposes of intelligible explanations of phenomena, we need final causes. Thus, sensationalist phenomenalism places signifcant teleological demands on Berkeley’s system when it comes to intelligiblity requirements.“

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Das Kausalargument erweist die Allmacht Gottes, insofern die Ideenverbindungen kontingent sind, da Gott frei und allmächtig ist.147 Trotz der Handlungsfreiheit des Menschen, die in der Bewertung, Anordnung und sprachlichen Definition der Ideen besteht, ist nach Berkeley Gottes Wirken notwendig. Gott wirkt omnipräsent bei jedem Ereignis mit und die beobachtbare Welt ist als das unmittelbare Ergebnis von Gottes Willen anzusehen. Es bleibt die Frage, wie das Handeln Gottes im Medium Kausalität aufzufassen ist und ob daneben noch spezielle Handlungsweisen bestehen. Nach Berkeley besteht Gottes Handeln in zwei Weisen, die traditionellerweise mit den Begriffen Vorsehung (providence) und Wunder (miracles) beschrieben werden. Gottes Vorsehung bewirkt regelmäßige Abläufe in der Natur, die dem Menschen Orientierungshilfe geben.148 Gottes Absicht ist die entscheidende und somit notwendige Bedingung für den Ereigniseintritt. Bei Berkeley findet sich ein nichtdeterministischer Naturzusammenhang: Absichten fungieren als notwendige Bedingung für ein Ereignis.149 Zuerst dienen die geregelten Abläufe dem Wohle des Menschen und im nächsten Schritt soll dieser die Regeln der Sprache dechiffrieren. Es handelt sich nicht um eine einfache Kausalitätsbeziehung; vielmehr bleibt die Ursache vom Verursachten nicht unberührt, denn indem dieses auf jenes zurückwirkt, wird die Ursache kraft des Vorgangs der Verursachung selbst verändert.150 Am Ende ist noch ein letzter schwerwiegender Vorwurf gegenüber Berkeleys Kausalauffassung auszuräumen. Dieser Vorwurf besteht in der Unterstellung eines Okkasionalismus, der sich unter anderem auf P § 150 stützt.151 147

S.a. PC 699: „S There is a difference betwixt Power & Volition. There may be volition without Power. But there can be no Power without Volition. Power implyeth volition & at the same time a Connotation of the Effects following the Volition.“ 148 Vgl. A VI, 30, 279. 149 Wunder sind als bewusster Eingriff Gottes in die Natur zu verstehen, deren Ordnung dadurch nicht gestört wird. Die dadurch verursachte Diskontinuität der visuellen Sprache bezeugt zum einen den Sonderstatus eines Ereignisses und zum anderen wird damit das normale, kontinuierliche Wirken Gottes offenkundig. Auf beide Weisen teilt sich Gott nach Berkeley den finiten Geistern mit. Somit ist eine Differenzierung von allgemeinem und speziellem Handeln Gottes bei Berkeley nicht vorhanden. 150 Dies erinnert ansatzweise an A. N. Whitehead, Prozess und Realität. Entwurf einer Kosmologie, Frankfurt a.M. 2. Aufl. 1984, wobei Berkeley natürlich kein ausgeprägtes Geschichtsbewusstsein besitzt. Aber ein starker dynamischer bzw. prozessualer Charakter in seinem System, der uns später noch begegnen wird, kann nicht geleugnet werden. 151 K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 2 ist der Ansicht, Berkeleys Handlungstheorie bringe einen Dualismus analog zu Descartes hervor, der lediglich in occasionalistischer Manier gelöst werden kann. Diese Auffassung vertritt auch N. Jolley, „Berkeley and Malebranche on Causality and Volition“ (2. Kap., Anm. 47), 235. Eine weitere Gemeinsamkeit von Berkeley und Malebranche sieht letzterer in dem Motiv der Abwendung der Idolatrie. Berkeley selbst in P § 150: „But you will say, hath Nature no share in the production of natural things, and must they be all ascribed to the immediate and sole operation of GOD? […] But it is more unaccountable, that it should be received among Christians profess-

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Dass Berkeleys System aus einer bestimmten Perspektive eine okkasionalistische Tendenz aufweist, ist deutlich, insofern jede visuelle Idee ein Kommunikationsmedium Gottes ist. Dennoch sucht Berkeley mit aller Kraft sich gegen Malebranche abzugrenzen: PHILONOUS. How therefore can you suppose, that an all-perfect Spirit, on whose will all things have an absolute and immediate dependence, should need an instrument in his operations, or not needing it make use of it? (D II: 219)

Diese Abgrenzung wird nicht nur behauptet, sondern auch mittels Argumenten, besonders dem Kausalargument, gestützt. Zunächst einmal ist die Kausalitätslehre als Konsequenz der Bemühung der Überwindung einer dualistischen Perzeptionslehre zu sehen, die eine infallible Perzeption zu garantieren sucht und mit der Schrift in Konformität zu bringen ist. Mit der Betonung von Gottes Infinität sowie seiner Allmacht gehen bestimmte Konsequenzen einher, wie beispielsweise der Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten finiter Geister. Dennoch wurde die Mitteilung Gottes als ein freiwilliges Geschehen erkannt, das keiner Instrumente bedarf, da Wort und Wirkung in eins zu denken sind.152 III. Gott als permanenter Gesprächspartner Die enge Verbindung zwischen den beiden Argumenten von der Sprache Gottes und Gott als Sprecher ermöglicht eine gemeinsame Behandlung. In diesen vielschichtigen Argumenten liegt der Fokus auf der Bestimmung der Relation Gottes zu seinen Geschöpfen. Diese Beziehung wird als ein niemals endender Dialog beschrieben, innerhalb dessen Gott seine Eigenschaften offenbart. Die permanente Anrede illustriert Gottes Wohlwollen und Sorge um seine Geschöpfe; darin werden die Vernünftigkeit, das Mitteilungsbedürfnis und die Präsenz Gottes bezeugt. Die Argumentation hat diese Kopräsenz als kommunikative erwiesen, woraus gefolgert werden kann, dass Gott von seinem Wesen her nicht in Distanz zu seinen Gesprächspartnern existiert; Gottes Gegenwart ist vielmehr das alles umschließende Integral. Der Dialog A bringt die Rolle und Intention des Sprechers zum Ausdruck: But this visual Language proves, not a Creator merely, but a provident Governor, actually and intimately present, and attentive to all our interests and motions, who watches over our conduct, and takes care of our minutest actions and designs throughout the whole course of our lives, informing, admonishing, and directing incessantly, in a most evident and sensible manner. This is truly wonderful. (A IV, 14, 160)

ing belief in the Holy Scriptures, which constantly ascribe those effects to the immediate hand of God, that heathen philosophers are wont to impute to Nature.“ 152 Auch der Blick in die Heilige Schrift verdeutlicht die Adäquatheit einer intentionalen Sprache hinsichtlich Gottes Handeln gegenüber einem mechanischen Schema von Ursache und Wirkung.

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Gott der Schöpfer ist für den finiten Geist in jedem Augenblick präsent. Seine Präsenz wird als intim charakterisiert, da er jedes Lebensmoment eines finiten Geistes umfassend begleitet. Gott wird von Berkeley als mitteilungsfreudige Person charakterisiert, die am Leben seiner Geschöpfe partizipiert. Diese Partizipation findet ihren persönlichen Ausdruck in Ermahnung und Leitung, wodurch Gottes Vorsehung offenkundig und von allen finiten Geistern aufgrund seiner Selbstmitteilung erkennbar wird. Weil Gott via visuelle Eindrücke kommuniziert, ist von diesen Erfahrungen auf seine Existenz zu folgern. Beide Argumente erschließen Gottes Wesen auf eine einfache Weise, da seine Eigenschaften weder theoretisch erkannt noch logisch deduziert, sondern individuell und präsentisch kommuniziert werden. Im Kontext der Vorsehung erweist das Argument noch weitere Attribute: But I think it plain, this optic language hath a necessary connexion with knowledge, wisdom, and goodness. It is equivalent to a constant creation, betokening an immediate act of power and providence. (A IV, 14, 159)

Die Komplexität der visuellen Sprache belegt die Eigenschaften Wissen, Weisheit und Güte, die letztlich in der Allmacht und Vorsehung Gottes kulminieren und den Vollzugsmodus des Verstandes Gottes erweisen. Eine andere plausible Erklärung ist für Berkeley ausgeschlossen. Gottes permanenter Selbstvollzug, den er mittels visueller Ideen kommuniziert, ist die Bedingung der Möglichkeit der Erfahrbarkeit von Wirklichkeit: Realität ist ein Zeichenkosmos, dem ein göttlicher Sinn inhärent ist. Der Sprechakt Gottes lässt sich als Ordnung des (semantischen) Chaos, dem Tohuvabohu aus Gen 1,2, verstehen: Die Erde war wüst und leer und erst Gottes Wort bringt eine Ordnung in dieses Chaos.153 Eine Facette des Terms Tohuvabohu beschreibt die amorphe Situation der Welt, die erst durch das gesprochene Wort Gottes beseitigt wird, wodurch zugleich Strukturen in die Welt eingeschrieben werden. Gottes Weisheit vermag diese unermessliche Komplexität zu überblicken und sein Willensentschluss führt die Realisierung einer semantischen Ordnung herbei. Dieses kosmische Sinngeflecht beschreibt Daniel treffend als discursive substance of the world154 sowie semantic matrix of reality.155 Gott allein ist fähig sämtliche Dinge mittels seines Wortes ins Sein zu rufen und darin zu erhalten. 153

Hinsichtlich der Bedeutung von Tohuvabohu vgl. W. H. Schmidt, Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift. Zur Überlieferungsgeschichte von Genesis 1,1–2,4a und 2,4b– 3,24, Neukirchen 3. Aufl. 1973, 70f und 164. 154 St. H. Daniel, „Berkeley’s pantheistic discourse“, International Journal for Philosophy 29 (2001), 179–194, 184. 155 Ebd., 180. Daniels Interpretation rekurriert auf Theologen des späten 17. bzw. frühen 18. Jahrhunderts: „God is not a subject or self but rather the discursive domain in terms of which we are initially able to speak about minds, ideas, and their relations. In that view, God is the semantic matrix of reality, the place, or space in which all things (including minds and ideas) have identities and are originally differentiated.“ Allerdings nimmt seine Interpretation

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

Gottes fortdauerndes Wirken, das von Vorsehung, Allwissen, Allgegenwart und Weisheit gekennzeichnet ist, manifestiert sich in dieser universalen Sprache. Insofern Gottes Wort adressiert ist, findet der repräsentationslogische Sprachbegriff eine Aufhebung in einem dialogischen. Aus dem dialogischen Modell resultieren Veränderungen hinsichtlich des Realitätsverständnisses. Realität ist nicht im Sinne einer Abbildung von Gottes Willen zu verstehen, was erneut ein repräsentationslogisches Modell mit sich bringen würde,156 sondern ist ein dynamisches Geschehen, das sich im Dialog Gottes mit den Menschen erst konstituiert. Damit wird die Radikalität der Dependenz der Schöpfung von ihrem Schöpfer vor Augen geführt. Die Kontinuität der Wahrnehmung drückt neben der Vorsehung zugleich die Erhaltertätigkeit Gottes aus. Anhand der Geordnetheit der Natur lassen sich Providentia und Weisheit besonders deutlich ablesen: God seems to choose the convincing our reason of his attributes by the works of Nature, which discover so much harmony and contrivance in their make, and are such plain indications of wisdom and beneficence in their Author, rather than to astonish us into a belief of his being by anomalous and surprising events. (P § 23)

Die Ordnung besteht aufgrund der individuellen Fürsorge Gottes für seine Geschöpfe und ist zum einen als Erweis seiner Weisheit und zum anderen als Demonstration seiner Güte anzusehen.157 Weiterhin möchte Berkeley zeigen, dass die Einsicht in Gottes Sein in der Regel nicht mithilfe anomaler Ereignisse zu vollziehen ist, sondern als kommunikatives Geschehen von jedem finiten Geist verstanden werden kann.158 Die Regelmäßigkeit und Komplexität bewusst die Konsequenz in Kauf, alles laufe auf einen Pantheismus hinaus. Sicherlich weist Berkeleys Gotteslehre eine Schlagseite zur Immanenz Gottes auf, doch erklärt sich dies hinsichtlich der Gefahr, Gott als eine unerreichbare, abstrakte Macht misszuverstehen. M. Hooker, „Berkeley’s Argument on Design“ (2. Kap., Anm. 99), 266: „According to Terrell, it is the fact of signification within the world of sense that grounds the significance of the world of sense as a sign of God. That is, because ideas of sense are signs of another, epistemologically speaking, the world of sense is a sign of God, ontologically speaking.“ Dieses Problem findet im weiteren Verlauf mehrfach Wiederaufnahme. 156 Fälschlicherweise betonen diese Interpretation J. Foster, „Berkeley on the Physical World“, in: ders./H. Robinson (Hg.), Essays on Berkeley. A Tercentennial Celebration, Oxford 1988, 83–108 sowie K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 2. 157 P § 30: „[T]he admirable connexion whereof sufficiently testifies the wisdom and benevolence of its Author.“ 158 Ch. Schwöbel, „‚Seit ein Gespräch wir sind... ‘. Der Mensch als Sprachgeschöpf“, in: M. Bauks/K. Liess/P. Riede (Hgg.), Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst? (Psalm 8,5). Aspekte einer theologischen Anthropologie. FS für Bernd Janowski zum 65. Geburtstag, Neukirchen-Vluyn 2008, 473–485, 483 charakterisiert das Dasein des Menschen als kommunikativ: „Lebendigkeit ist nicht eine Eigenschaft der Lebewesen, sondern die von Gott schöpferisch verliehene Lebenskommunikation, die das Leben in seinen kommunikativen Beziehungen, die alles Geschaffene, Natur-, Sozial- und Innenwelt umfassen, setzt und alle Beziehungen auf die Grundbeziehung zum Schöpfer bezieht.“

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seiner Sprache vermag ausreichend als Zeugnis dafür dienen. Jegliche Auseinandersetzung mit der Realität impliziert folglich eine Beschäftigung mit Gott, deren Sinn niemals ausgeschöpft werden kann. Die Einsicht in die strukturellen Zusammenhänge der Natur offenbart die Weisheit ihres Autors, der dazu auffordert, sich mit dem Sinn der Perzeptionen zu beschäftigen. Die Selbstmitteilung Gottes beruht einzig auf dessen Willensentschluss, denn jeglichem Sprechakt geht die Bildung einer Volition voraus. Des Weiteren zeugt das Sprachvermögen für eine Vernunftbegabtheit; insofern weisen auch die beiden Sprachargumente die Explikation von Gottes Wille und Verstand auf.159 But if we attentively consider the constant regularity, order, and concatenation of natural things, the surprising magnificence, beauty, and perfection of the larger, and the exquisite contrivance of the smaller parts of the creation, together with the exact harmony and correspondence of the whole, but above all, the never enough admired laws of pain and pleasure, and the instincts or natural inclinations, appetites, and passions of animals; I say if we consider all these things, and at the same time attend to the meaning and import of the attributes, one, eternal, infinitely wise, good, and perfect, we shall clearly perceive that they belong to the aforesaid spirit, who works all in all, and by whom all things consist. (P § 146)160

Die Komplexität und Harmonie der Schöpfungsordnung erweisen ihren Schöpfer als Einen, der als ewig, unendlich weise, gütig und perfekt zu explizieren ist. Damit wird die Dimension aus Apg 17,28 verständlich, die besonderen Wert auf Gottes außerordentliches präsentisches Wirken legt. Der eine, infinite Geist bildet das beständige Fundament einer zeichenhaften Realität. This gives us a foresight, which enables us to regulate our actions for the benefit of life. And without this we should be eternally at loss: we could not know how to act any thing that might procure us the least pleasure, or remove the least pain of sense. That food nourishes, sleep refreshes, and fire warms us; that to sow in the seed-time is the way to reap in the harvest, and, in general, that to obtain such or such ends, such or such means are conducive, all this we know, not by discovering any necessary connexion between our ideas, but only by the observation of the settled laws of Nature, without which we should be all in uncertainty and confusion, and a grown man no more know how to manage himself in the affairs of life, than an infant just born. (P § 31)

Das Argument von der visuellen Sprache erweist Gottes Allmacht: Dem bloßen Wort wohnt eine unüberbietbare Wortgewalt inne. Zugleich ist der Schöpfung ein Sinn eingeschrieben, der sinnvolle Kommunikation ermöglicht; von der einfachen Orientierungsebene in der Welt über komplexe chemische Formeln bis hin zur Transzendenz. Eine Konsequenz daraus ist, Gott als Grundlage für intersubjektive Kommunikation zu erfassen.

159 Den Zusammenhang zu diesem theologischen Topos erkennt auch K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 218. 160 Vgl. weiterhin P § 72.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

He alone it is who upholding all things by the Word of his Power, maintains that intercourse between spirits, whereby they are able to perceive the existence of each other. And yet this pure and clear light which enlightens every one, is it self invisible. (P § 147)

Gottes Wort reißt nicht ab, sondern wird kontinuierlich weiter gesprochen. Seine Anrede impliziert verschiedenartige Ebenen, so dass jedes Individuum, dem eigenen Erkenntnisvermögen entsprechend, den Dialog aufnehmen und vertiefen kann. Die Wahrnehmung der Realität orientiert sich an einem zugrunde liegenden Muster: Realität ist kein Chaos von mannigfaltigen Sensationen, die der finite Geist erst selbständig ordnen müsste, was diesen vollkommen überfordern würde, sondern bestimmte Strukturen sind eingeschrieben und ermöglichen eine grobe Orientierung.161 Das Faktum der Anrede Gottes, ist der wesentliche Grund dafür, dass überhaupt Erkenntnis möglich ist. Erst wenn man diese Aussage ernst nimmt, eröffnet sich der weite Horizont von Berkeleys Theologie.162

D. Ergebnissicherung D. Ergebnissicherung

Bei dem Rekonstruktionsversuch von Sinn und Zweck der Argumente zur Existenz Gottes ist deutlich geworden, dass Gott nicht als besprochene Person, sondern als ansprechende Person, als permanenter Dialogpartner begegnet. Gott ist demnach nicht mit einem Gesprächsgegenstand zu identifizieren, was bereits die qualifizierte Dialogform verhindert. Vielmehr kann Berkeley von Gott aufgrund des bestehenden Dialogverhältnisses sprechen. Darin spiegelt sich das Argumentationsziel, die starke Präsenz Gottes zu erweisen. When I say the being of a God, I do not mean an obscure general cause of things, whereof we have no conception, but God, in the strict and proper sense of the word. A being whose spirituality, omnipresence, providence, omniscience, infinite power and goodness, are as conspicuous as the existence of sensible things, of which (notwithstanding the fallacious pretences and affected scruples of scepticks) there is no more reason to doubt, than of our own being. (D III: 257)

161 In diesem Punkt weicht Berkeley deutlich von Kant ab, da letzterer dem Subjekt die Leistung der Synthesis vollständig zuschreibt. Vgl. KrV, insbesondere B 130. 162 S.a. P § 148: „Hence it is plain, we do not see a man, if by man is meant that which lives, moves, perceives, and thinks as we do: but only such a certain collection of ideas, as directs us to think there is a distinct principle of thought and motion like to our selves, accompanying and represented by it. And after the same manner we see GOD; all the difference is, that whereas some one finite and narrow assemblage of ideas denotes a particular human mind, whithersoever we direct our view, we do at all times and in all places perceive manifest tokens of the divinity: every thing we see, hear, feel, or any wise perceive by sense, being a sign or effect of the Power of GOD; as is our perception of those very motions, which are produced by men.“

D. Ergebnissicherung

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Den Begriff Gott gilt es, in seinem eigentlichen Sinn zu explizieren. Dieser Begriff ist nicht verworren oder undeutlich, sondern umfasst die Prädikate Geistigkeit, Omnipräsenz, Vorsehung, Allwissenheit, Allmacht und Güte. Die dargestellten Prädikate sind dem Gottesbegriff wesentlich zugehörig. Ohne diese Attribute wäre Gott weder denkbar, noch eine sinnvolle Verwendung dieses Begriffes möglich. Daraus ergibt sich, dass mit der Leugnung einer Eigenschaft zugleich eine Leugnung Gottes einhergeht, insofern dem Konzept Gott die durchdeklinierten Attribute notwendig inhärieren. Man kann nun kritisch anfragen, was Berkeley mit seinem Unternehmen bezwecken möchte. Berkeley paart Gottesattribute aus der Bibel mit philosophischen; viele Attribute entstammen den Psalmen und entsprechen dort klassischen Eigenschaften Gottes. So formuliert Berkeley in psalmistischer Tradition einige Prädikationen. Die Sprache der Schrift ist unüberhörbar und bildet neben der philosophischen Darstellung eine weitere Säule für eine inhaltlich gefüllte Rede von Gott.163 Es ist deutlich geworden, dass Berkeley die stete Wirksamkeit Gottes nicht allein um der Verehrung Gottes willen, sondern um des Menschen willen lehrt. EUPHRANOR. Further, is there not in natural productions and effects a visible unity of counsel and design? […] The same in China and here, the same two thousand years ago and at this day? […] Is there not also a connexion or relation between animals and vegetables, between both and the elements, between the elements and heavenly bodies; so that, from their mutual respects, influences, subordinations, and uses, they may be collected to be parts of one whole, conspiring to one and the same end, and fulfilling the same design? […] Will it not then follow that this vastly great or infinite power and wisdom must be supposed in one and the same Agent, Spirit, or Mind […]. (A IV, 5, 146f)

Die Verlässlichkeit Gottes gegenüber seinen Geschöpfen unterliegt keiner Willkür, sondern ist seit Jahrtausenden erfahrbar – ein weiterer Beleg für seine Güte. Gottes Wille und Verstand sind nicht nur für die Ordnung und Regeln des Universums ausschlaggebend, sondern offenbaren seinen Personstatus. Aus den Attributen erkennt man den Willen Gottes, ihnen kommt somit eine handlungsleitende Funktion zu.164 Zugleich ist Gott der Ermöglichungsgrund von Erkenntnis, da er die Schöpfung in einem geordneten Sosein bereitstellt und in ihrem Dasein bewahrt. Sein Wille, der sich im Sprachakt bekundet, sowie sein Verstand, der einsehbare Sinnzusammenhänge geschaffen hat, bezeugen dies. Damit ist deutlich geworden, dass nach Berkeley Gottes Person dem Menschen näher steht als alles andere, seien es nun Ideen oder Mitmenschen. Die Auffassung von Gott als einer Person, zu der man ein intimes Verhältnis qua Menschsein besitzt, verhindert eine Konstruktion von 163

Das Verhältnis von Theologie und Philosophie wird im Kapitel zur Gotteserkenntnis behandelt. 164 Dieser wichtige Punkt findet im letzten Kapitel (insbesondere im Unterkapitel 4.C) Klärung.

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2. Kapitel: Die Existenz des christlichen Gottes

Gott als einem Gegensubjekt, das als etwas vollkommen Losgelöstes bzw. Absolutes, dem Menschen gegenübersteht. Vielmehr findet aufgrund der kommunikativen Präsenz Gottes die Relation zwischen Mensch und Gott, die sich als Dialog beschreiben lässt, Betonung. Die Interpretation hat nicht nur den engen Zusammenhang von Existenzerweis und Prädikaten Gottes präsentiert, sondern auch seine Vollzugsmodi in Form von Wille und Verstand. Der Vorteil der vorliegenden Interpretation bezüglich der Funktion des Gottesbeweises gegenüber anderen Kommentatoren besteht in der synthetischen Lesart der verschiedenen Schriften, die auf eine konsistente Gesamtinterpretation von Berkeleys Theologie abzielt. Die göttlichen Attribute bilden das Fundament der Ontologie und Epistemologie. Auf dieser Grundlage kann erst die Explikation der Zusammenhänge in der Welt geschehen. Die Verlässlichkeit Gottes ist gewissermaßen die Bedingung für eine mögliche Synthesis der Sensationen. Berkeleys Fokussierung auf den Geist und dessen Eigenschaften ist anhand des Gottesbeweises offensichtlich geworden. Für jegliche Erkenntnis ist ein geistiger Akt notwendig, da Realität nicht etwas an sich offenbart, sondern ein kommunikatives Geschehen ist. Die Einsicht in die Existenz des christlichen Gottes ist nicht allein auf theoretischer Ebene zu verankern, sondern besitzt immer schon eine pragmatische Komponente. Aus den Ausführungen lassen sich einige Hinweise auf Berkeleys Theologie sichern, die im weiteren Verlauf verstärkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken werden: Dem Menschen kommt eine entscheidende Rolle für die Dechiffrierung der Realität zu. Daher ist die Vermutung naheliegend, dass Gott den Menschen mit einer adäquaten Erkenntnisfähigkeit ausgestattet hat. Zugleich ist anzufragen, aus welchen Gründen die Natur sich nicht vollständig dechiffrieren lässt. Bis hierher deutet sich Realität im Sinne einer Sprache als Konstitutionsakt von Gott und Mensch an: Mensch und Gott sind so aufeinander bezogen, dass das Handeln Gottes und das Handeln des finiten Geistes notwendige Bedingung für den Eintritt partikularer Ereignisse für den jeweiligen Geist sind. Daher ergibt sich die Dringlichkeit, das Wesen finiter Geister genauer zu untersuchen, um dann im nächsten Schritt die Frage nach der Erkennbarkeit Gottes zu stellen.

Kapitel 3

Der finite Geist A. Hinführung A. Hinführung

Dieses Kapitel sei von der Leitfrage bestimmt, welche Momente den Prozess der Selbsterkenntnis dominieren, insofern die Offenlegung mentaler Strukturen auch für die Gotteserkenntnis von Relevanz ist. Zur Erinnerung: Berkeleys Ontologie umfasst zwei Entitäten, Ideen und Geister. Letztere werden differenziert in eine Pluralität finiter Geister, die Menschen, und einen infiniten Geist, Gott. Die anschließenden Kapitel widmen sich der Erörterung des finiten Geistes; Gott als Geist erfährt weitestgehend Ausklammerung und wird im entsprechenden Kapitel zur Gotteserkenntnis konzentriert verhandelt. Grundsätzlich baut Berkeley seine immaterialistische Ontologie auf der Behauptung auf, der unmittelbare Perzeptionsvorgang garantiere ein sicheres Wissen der Ideen. In der Einleitung wurde bereits darauf aufmerksam gemacht, dass Ideen nicht die einzigen Erkenntnisgegenstände sind.1 Die enge Verbindung zwischen Ideen und Geist wird ebenso wie deren unterschiedliche Natur expliziert. Die Kenntnis vom eigenen Geist ist folglich zwar irgendwie an Erfahrung geknüpft, doch handelt es sich dabei nicht um Perzeptionen.2 Es steht zur Erörterung aus, wie sicheres Wissen vom Selbst generierbar ist. Vorliegende Interpretation verfolgt die These, nach Berkeley sei jegliche Erkenntnis rational nachzuvollziehen. Das lässt sich auf verschiedenen Ebenen demonstrieren: Ideen besitzen ihr Sein aufgrund ihrer unmittelbaren Relation zum Geist und können infolge gewusst werden. Das Kapitel zur Ontologie und Epistemologie hat den Erkenntnisvorgang im Rahmen des ep-Prinzips verdeutlicht und kam zu dem Resultat, jegliche Erkenntnis sei eine Erkenntnis von Ideen. Mit der Zuwendung zum Geist kann diese Erkenntnisrelation keine Anwendung finden, weshalb es umso spannender ist, wie Berkeley den Vorgang der Selbsterkenntnis vor dem Hintergrund der Welterkenntnis zu erklären vermag. Dabei ist eine grundsätzliche Erkenntnisordnung anzumerken: Der Realität kommt beim Erkennen eine Vorrangstellung zu, da finite Geister 1 D II: 209: „PHILONOUS. Beside spirits, all that we know or conceive are our own ideas.“ 2 Hinsichtlich der Stellung der kognitiven Fähigkeiten vgl. G. Hatfield, „The Cognitive Faculties“, in: D. Garber/M. Ayers (Hgg.), The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, Bd. 2, Cambridge 1998, 953–1002.

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3. Kapitel: Der finite Geist

sich primär mit extramentalen Eindrücken auseinandersetzen, bevor die Reflexion auf das eigene Selbst einsetzt. Da eine erneute Konfrontation mit der Realität unumgänglich ist, ist ein andauerndes Verharren in der Selbstreflexion auszuschließen. Die Rückkehr zum Selbst impliziert den Einbezug der bereits generierten Erkenntnisse, was die dadurch entstandene reziproke Verwiesenheit von Selbst- und Welterkenntnis veranschaulicht. Zugespitzt bedeutet dies die Implikation eines selbstreflexiven Moments in jeder reflektierten Erfahrung bzw. die Kontinuität der Selbsterfahrung erweist sich als Bedingung der Möglichkeit der Mitkonstitution von Ideenbündeln. Das hier gewählte methodische Vorgehen gründet auf folgenden Forschungshypothesen: Während Berkeleys Hauptthesen in sämtlichen Schriften keine auffälligen Veränderungen aufweisen, lässt sich bezüglich seiner Geistphilosophie eine Entwicklung diagnostizieren.3 Mein Anliegen ist nicht eine Rekonstruktion der gedanklichen Entwicklung Berkeleys,4 sondern der Versuch einer konsistenten Interpretation seiner Geistphilosophie unter Heranziehung der entsprechenden Texte soweit sie für den Prozess der Selbst- bzw. Gotteserkenntnis von Relevanz sind. Obwohl der Geistbegriff eine zentrale Rolle in Berkeleys System einnimmt, existiert keine Definition desselben. Insgesamt gibt es mit Ausnahme von PC verhältnismäßig wenige Textpassagen, die sich mit dem finiten Geist explizit auseinander setzen.5 Daraus ergibt sich die Schwierigkeit der Rekonstruktion anhand früher Notizen und weniger Stellen in späteren Werken, weshalb dieses Kapitel am spekulativsten ist. Das liegt unter anderem daran, dass der zweite Teil der Principles, der sich eindringlich mit dem Geistbegriff beschäftigen sollte, verloren gegangen ist. Berkeley empfand keine Notwendigkeit, den entsprechenden Inhalt ein zweites Mal zu formulieren.6 In PC werden diverse Geisttheorien angedacht, wo3 T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9) hat die historischen Bezüge bestimmter Themen von Berkeleys Geistlehre schön herausgearbeitet; sie bezieht sein Anliegen auf Locke, Browne, Collins, Malebranche, Stillingfleet, Clarke, Dodwell, King und Norris. 4 B. Belfrage, „Berkeley’s Four Concepts of the Soul 1707–1709“, in: Daniel, St. H. (Hg.), Reexamining Berkeley’s Philosophy, Toronto/Buffalo/New York 2007, 172–187 belegt in den frühen Aufzeichnungen vier verschiedene Konzepte. 5 Von insgesamt 888 Einträgen finden sich im ersten Tagebuch lediglich 15 Notizen, die mit einem S für Spirit gekennzeichnet sind; hingegen bezeugt das zweite Tagebuch 121 solcher Einträge. 6 Vgl. PC 508: „Mo. The 2 great Principles of Morality. the Being of a God & the Freedom of Man: these to be handled in the beginning of the Second Book.“ In seinem Brief vom 25. November 1729 an Samuel Johnson berichtet Berkeley über den Verlust des diesbezüglichen Manuskripts auf seiner Italienreise: „As to the second part of my treatise concerning the principles of human knowledge, the fact is that I had made a considerable progress in it, but the manuscript was lost about fourteen years ago during my travels in Italy; and I never had leisure since to do so disagreeable a thing as writing twice on the same subject.“ In Bd. II: 282. Viele Interpreten geben sich mit dieser Aussage Berkeleys nicht zufrieden, so unter-

A. Hinführung

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bei Berkeleys Präferenzen noch nicht eindeutig ablesbar sind. Aufgrund der wenigen Texte zum finiten Geist selbst erfolgt dennoch ein Rekurs auf diskrete Notizen zur Stützung meiner Interpretation. Die Entwicklung seiner eigenen Position beginnt Berkeley meines Erachtens in den Principles (1710), die dann ihre Vertiefung in den Dialogues findet, welche bekanntlich als einfachere Version ersterer intendiert war. Die Einführung des Begriffs notion – dem im Sinne eines terminus technicus besondere Relevanz hinsichtlich der Erkenntnis immaterieller Substanzen zukommt – erfolgt sehr spät mit der Revision von D (1734); entgegen der Meinung anderer Interpreten sehe ich darin einen entscheidenden Schritt zur Vollendung des Vorgangs der Geisterkenntnis.7 Wenden wir uns nach diesen hinführenden Bemerkungen der Terminologie zu, d.h. der Frage, weshalb Berkeley den unkonventionellen Begriff Geist gebraucht. Wenn Berkeley sich dem Common-Sense verpflichtet sehen würde, wäre der Begriff Person angebracht. Letzterer wird in PC gebraucht, während er in den späteren Schriften keine weitere Anwendung findet. Die Begriffe mind, spirit und soul sind bei Berkeley Synonyme. Ein Argument für den Term Geist ist die angemessenere Beschreibung der geistigen Sprache hinsichtlich eines immaterialistischen Denksystems. Doch von erheblicher Bedeutung ist der Sachverhalt, dass sowohl Gott als auch Menschen die Bezeichnung Geist erfahren, wodurch eine wesensmäßige Ähnlichkeit zum Ausdruck gebracht wird. Diese Ähnlichkeitsrelation findet in der Rede von der imago dei ihren Niederschlag und wird daher als erstes (3.B) verhandelt: Der Mensch ist das Ebenbild Gottes. Der finite Geist funktioniert als Bild (image), mittels dessen sowohl Kenntnis anderer finiter Geister als auch Gottes erlangt werden kann, wobei unter ontologischer Betrachtung die Vorrangstellung des Gottesverhältnisses zu betonen ist.8 Die Kenntnis der eigenen mentalen Wirkstellt R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 240–246 Berkeley, den zweiten Teil der Prinzipien nicht geschrieben zu haben, da eine Explikation der sog. doctrine of notions die Anerkennung von Universalien als Konsequenz mit sich bringen würde. 7 In der hier zitierten Ausgabe D (1734) finden sich überarbeitete zentrale Passagen aus P, wie bspw. §§ 27, 89, 140 und 142. T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), bes. Kap. VII, ist hingegen der Ansicht, Berkeleys Geistlehre funktioniere auch ohne notions. J. Wild, George Berkeley: A Study of his Life and Philosophy, New York 1962, 170ff wiederum meint, die Schriften repräsentierten stark divergierende Positionen, die inkommensurabel seien. 8 Das Problem des Fremdpsychischen, das nach D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 135f Berkeley als erster zur Sprache bringt, wird weitestgehend ausgeklammert. M. E. ist die Erkenntnis anderer finiter Geister nur aufgrund der Gottebenbildlichkeit zu leisten, d.h. Gott ist notwendig als Schöpfer zu begreifen, bevor finite Geister als solche erkannt werde können. Dass Gottes Geist dem eigenen Selbst näher steht als andere Geister kritisieren F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 87, D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 136 und ebenso K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 282: „The existence of others is known only by argument.“ Während der

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3. Kapitel: Der finite Geist

lichkeit dient dabei als Fundament. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass bei Berkeley der Ausgangspunkt der Untersuchung gerade nicht das Absolute, sondern das konkret Existierende respektive Erfahrbare ist. Der finite Geist erfährt und weiß sich als Geschöpf des sich mitteilenden Gottes. Sämtliche Erkenntnismöglichkeiten sowie deren Limitierungen sind mithilfe der Relation Gott-Geschöpf aufzuzeigen: Das dechiffrierende Selbst ist für Berkeley der entscheidende Schritt hin zum Gottesbewusstsein. Berkeley erkennt meines Erachtens die Notwendigkeit, die Selbstidentität finiter Geister in Gott als deren festes Fundament zu begründen, wodurch gleichzeitig die Möglichkeit zur Veränderung gewahrt bleibt. Mit dieser Identitätskonzeption gelingt es ihm, die Spannung logischer Selbstidentität und wahrnehmbarer Veränderungen im Selbst aufrecht zu erhalten, ohne einen dieser Pole auszusparen. Dem finiten Geist ist nach Berkeley zum einen die Möglichkeit gegeben, den beschränkten Handlungsrahmen einzusehen. Zum anderen vermag er, die Unverfügbarkeit der eigenen Existenz zu erkennen. Letzteres spiegelt ein Moment elementarer Selbsterfahrung wider, für die es keiner komplexen Argumente bedarf. Vielmehr ist diese Erkenntnis nach Berkeley ein evidenter Sachverhalt, der sich mittels vorurteilsloser Introspektion erschließen lässt.9 Die faktische Bezogenheit auf Gott, die sich in der permanenten Anrede Gottes offenbart, ist etwas, wodurch Gott selbst den Menschen dauerhaft in einer Beziehung hält. An diese Verwiesenheit knüpft Gott in seinem Handeln an, indem er mit jeder Anrede diese Anlage stets auffrischt. Im zweiten Kapitel (3.C) werden die zentralen Bestimmungen des Geistes in Abgrenzung zu den Ideen erörtert. Die Aussage, beim Geist handle es sich um eine aktive Substanz, hat zu zahlreichen Missverständnissen geführt. Die geistige Aktivität ist mittels direkter Selbstbeobachtung erfahrbar:10 Die Introspektion lässt einen nicht endenden Ideenstrom im Geist wahrnehmen.11 Jeder finite Geist erlebt sich in steter Aktivität, wobei die Relation zu den Ideen als hierarchische zu bestimmen ist. Der Geist vermag auf unterschiedliche Weise mit Ideen zu operieren, denen aus dieser Perspektive eine Art Objekt-Charakter zukommt.12 Vor diesem Hintergrund ist die nächste wichtige eigene Geist unmittelbar erfahren werden kann, so ist die Existenz Anderer nur mittels Rückschluss erlebbar. Diese Sichtweise wird in entsprechenden Science-Fiction-Filmen mittels der Ununterscheidbarkeit von Androiden und Menschen ausgedrückt (z.B. Ghost in the shell). 9 Auf den elementaren Charakter der von ihm beschriebenen Welt- und Selbsterfahrung insistiert Berkeley mehrfach, um zu verdeutlichen, dass es sich dabei nicht um philosophische oder naturwissenschaftliche Spezialkenntnisse handelt. 10 Vgl. PC 870: „S I must not give the Soul or Mind the Scholastique Name pure act, but rather pure Spirit or active Being.“ 11 In der Philosophie des Geistes wird dieses Phänomen mit stream of consciousness beschrieben. 12 Berkeley hat natürlich bewusst auf eine Subjekt-Objekt-Sprache verzichtet. Diese Terminologie besitzt nur hinweisenden Charakter und wird im Folgenden nicht weiter benutzt.

A. Hinführung

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These Berkeleys zu verstehen: Vom Geist selbst kann man weder eine Idee besitzen noch erlangen, woraus eine bereichsspezifische Erfahrung zu deduzieren ist. Der Geist ist mitsamt seiner Aktivitäten eine Einheit und ist deswegen nicht dinghaft, d.h. wie Ideen oder Ideenbündel zu ergreifen. Weiterhin verhindert die Dependenzrelation der passiven Ideen zum aktiven Geist ein mentales Repräsentationsverhältnis.13 Die Attribution einer mentalen Substanz illustriert die Bedeutung der Geistkonzeption für das Verständnis von Berkeleys Immaterialismus.14 Damit sind zwei Grunddimensionen des Geistbegriffs umrissen. In ontologischer Hinsicht kommt dem Geist eine ordnende Funktion alles Seienden zu und in epistemologischer Hinsicht beschreibt er die Möglichkeiten und Grenzen der Erkenntnisfähigkeit. Sowohl auf ontologischer als auch auf epistemologischer Ebene sind Erklärungsdefizite auszuräumen. Hinsichtlich der Ontologie ist zu erörtern, wie Berkeley an einem Geistbegriff festhalten kann ohne auf eine Bündeltheorie, wonach der Geist mit dem bloßen Ideenfluss identifiziert wird, zurückzugreifen und trotzdem mit der Abstraktions- und Substanzkritik konsistent bleibt. Im Hinblick auf die Epistemologie stellt sich die Frage, wie vom Selbst Wissen generiert werden kann. Berkeleys phänomenologische Herangehensweise verhindert einen ausschließlich gegenständlichen Zugriff auf den Geist und diagnostiziert drei Seinsweisen des Geistes, namentlich Denken, Wille und Verstand (3.D). Diese drei Seinsweisen ermöglichen die Spezifizierung und Analyse unterschiedlicher mentaler Aktivitäten. Zugleich garantiert das Zusammenspiel dieser drei Seinsweisen die Stabilität des dynamischen Geistes. Der Vorbeugung von Missverständnissen wegen ist anzumerken, dass der finite Geist nicht die Summe dieser Seinsweisen ist, sondern sich auf je unterschiedliche Weise zu erkennen gibt. Die konkrete Ausprägung der Seinsweisen lässt die Individualität finiter Geister anklingen, weshalb diese Konzeption Berkeley als Vertreter einer individualistischen Geistlehre ins Licht rückt.15 Es wird die These vertreten, dass Selbstbewusstsein aufgrund der relationalen Struktur des Geistes immer schon gegeben ist bzw. das perzipierende Ich in jedem Moment erfahrbar ist.16 13 In diesem Kontext ist auf Berkeleys Abwehr mechanischer Auffassungen hinzuweisen, wie sie partiell von Deisten vertreten werden, und wonach der Geist und seine Operationen in physikalischen Termini ausreichend explizierbar sind. Gerade dieser Punkt erweist hohe Anschlussfähigkeit an die aktuelle Neuro-Debatte. 14 Seine Geistlehre ist nicht im Sinne eines Arguments für seinen Immaterialismus zu bewerten, sondern ergibt sich als organische Folge. 15 Diese These findet sich auch bei S. Bonk, We see God. George Berkeley’s Philosophical Theology, Frankfurt a.M./Berlin/Bern u.a. 1997, 98. Eine moderne Konzeption des Personbegriffs würdigt auch T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9). 16 Vgl. dazu auch die Ansicht Lockes, wonach Bewusstsein (consciousness) ein Selbst ausmacht (Essay II, 27).

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3. Kapitel: Der finite Geist

Das Kapitel Aktivität und Passivität (3.E) geht der Frage nach, wie die aktive Substanz finiter Geister beim Vorgang der sinnlichen Rezeption von Qualitäten zu bestimmen ist. Insofern Berkeley in einigen Passagen diese Momente als passiv charakterisiert, scheint sich eine Inkonsistenz zu ergeben, deren Lösung in der Annahme einer latenten Passivität bei diesem Vorgang liegt. Aus theologischer Perspektive wird die Inkonsistenz als Scheinproblem entlarvt, da der finite gegenüber dem infiniten Geist als vollständiger Aktivität bereits limitiert, d.h. nur begrenzt aktiv ist. Die Frage nach der Identität immaterieller Substanzen findet im Anschluss Klärung (3.F). Hier erfahren zwei Identitätsmodelle (dargestellt anhand Leibniz und Erikson) Synthetisierung. Die Identität des Geistes erweist sich als dynamisches Relationengeflecht, insofern dieser permanent in actu ist, was Berkeleys Vorbehalt gegenüber dem Terminus Person bzw. einer expliziten Definition desselben verdeutlicht.17 Identität ist weder an einer körperlichen Erscheinung noch an einem diachronischen Entwicklungsprinzip festzumachen. Der einzige tragfähige Anker für die Stabilität finiter Geister, die sich in permanenter Aktivität befinden, ist Gott. Die bis hierhin erzielten Ergebnisse ermöglichen die Konkretisierung von Selbsterkenntnis, die Berkeley als besondere Form von Wissen ansieht und die als triadische interpretiert wird: Ein unhinterfragbares intuitives Gefühl (intuitive knowledge), die Reflexion auf die eigenen mentalen Operationen (reflexion) und der oben erwähnte schwierige Vorgang, der mit dem Terminus notion geschildert wird (3.G). Diese drei Formen sind nicht vollständig voneinander zu separieren, sondern dienen dem Ausweis unterschiedlicher Akzentuierung. Da jedes Bewusstsein bereits eine schwache Form von Selbstbewusstsein bedeutet, erfolgt an dieser Stelle die Analyse ausdrücklicher Bezugsweisen.18 Dabei wird sich die Einheit des Geistes zeigen, die sich in den drei Bezugnahmen manifestiert. Methodisch ist weiterhin die künstliche Trennung im Sinne der bereits angewendeten distinctio formalis von Geist und Ideen sowie eine Untersuchung der einzelnen Organe des Geistes, mittels derer er sich selbst vollzieht, anzumerken. Die Stärke von Berkeleys Geistphilosophie liegt gerade in der dynamischen Vernetzung der Relata, die sich in einem permanenten Austausch befinden. Erst im reziproken Wechselspiel der unterschiedlichen Relationen wird das, was man als Geist bezeichnet, konstituiert. Eine separate Behandlung der Seinsweisen des Geistes kann daher immer nur vorläufig sein bzw. als Hilfestellung für eine Systematisierung der Prozesse dienen. Eine Aufhebung der künstlichen Trennung am Ende der Un17 PC 713: „S The Concrete of of the Will & understanding I must call Mind not person, lest offence be given, there being but one acknowleged to be God. Mem: Carefully to omit Defining of Person, or making much mention of it.“ 18 Man kann dafür Kant heranziehen, der betont: „Das Ich denke, muss all meine Vorstellungen begleiten können.“ (KrV, B 131f).

B. Imago Dei

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tersuchung ist bereits aus systemimmanenten Gründen erforderlich, da das primäre Charakteristikum des Geistes dessen Einheit ist. Der Ausklang der Untersuchung des Geistes wird von einer Erörterung zur Unsterblichkeit der Seele eingeleitet, welche auf zentrale Prämissen der Geistlehre sowie Berkeleys Zeittheorie rekurriert (3.H). Besonders letztere illuminiert auf eindrückliche Weise die Verbindung von Rationaltheologie und Phänomenologie anhand der Frage nach der Totenauferstehung. Als zentrales Resultat ist Gott als Garant der Existenz und Identität finiter Geister anzuführen.

B. Imago dei B. Imago Dei

Bischof Berkeley war mit der Lehre von der Gottebenbildlichkeit vertraut, was sich aus seinem anglikanischen Hintergrund erklärt, der den Kirchenvätern maßgebende Bedeutung zuschreibt.19 So wie die gesamte Realität nicht vollständig von ihrem Schöpfer zu trennen ist, verhält es sich auch mit dem Menschen, dem als imago dei eine Sonderstellung in der Schöpfung zukommt. Die Tatsache, dass Berkeley sowohl den Menschen als auch Gott mit demselben Nomen spirit bzw. mind bezeichnet, verdeutlicht deren Verwandtschaftsbeziehung. Der finite Geist besitzt als imago dei eine Ähnlichkeitsrelation zu Gott und ist nicht als isolierte, partikulare Substanz aufzufassen. Im dynamischen Beziehungsgeflecht mit Gott dem Schöpfer und der Realität als Kommunikationsmedium kann die Aktivität des Geistes, die dessen Sein maßgeblich ausmacht, entfaltet und in ihrer Bedeutung erkannt werden. Der Zusammenhang von Welt- und Gotteserkenntnis wurde im Argument von der visuellen Sprache Gottes expliziert: Ein beziehungsloses, geistiges Sein ist nicht sinnvoll vorstellbar. Die wesentliche Aufgabe des Geistes ist nach Berkeley die Auseinandersetzung mit Gott, die nicht in der Kontemplation, sondern in der Konfrontation mit der Realität besteht. Da die Ideen von einem Geist, dem christlichen Gott, für Geister geschaffen sind, beinhalten diese weiterhin die Möglichkeit, als Spiegel für Einsichten in die eigene Geistrealität zu fungieren. Der Geist ist aktiv in seiner Zuwendung auf die Realität (die Ideen) und eine entsprechende Analyse dieser Relation verhilft zur Generierung positiver Aussagen über dessen Wesen. Bereits der Sachverhalt, dass Gott den Menschen als sein Ebenbild anredet, impliziert die Möglichkeit, das 19

Umso erstaunlicher ist der Sachverhalt, dass die Mehrheit der Berkeley-Experten diese theologische Doktrin in ihren Untersuchungen vollständig vernachlässigt. Zur imago-deiDoktrin vgl. P. Schwanz, Imago Dei als christologisch-anthropologisches Problem in der Geschichte in der Alten Kirche von Paulus bis Clemens von Alexandrien, Halle (Saale) 1970; ein guter Überblick über die historische Entwicklung findet sich in W. Pannenberg, Systematische Theologie, Bd. I, Göttingen 1988, 232–266.

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3. Kapitel: Der finite Geist

Gesprochene zu verstehen.20 Wenn man nun, wie in den Argumenten zur Existenz Gottes geschehen, die Annahme zugrunde legt, Gott vermittle aufgrund seiner Güte den finiten Geistern Erkenntnis über die Strukturen alles Seienden, so lässt sich daraus folgern, dass in der Anrede Gottes nicht nur sein Wesen, sondern auch ein Funke des Wesens finiter Geister (als Adressat) vermittelt wird. Diese Interpretation, die einen so engen Nexus zwischen Gottes- und Selbsterkenntnis sieht, findet eine weitere Bestätigung darin, dass Berkeley im Alciphron das Problem der Identität zusammen mit der Trinität verhandelt. To me it seems evident that if none but those who had nicely examined, and could themselves explain, the principle of individuation in man, or untie the knots and answer the objections which may be raised even about human personal identity, would require of us to explain the divine mysteries, we should not be often called upon for a clear and distinct idea of Person in relation to the Trinity, nor would the difficulties on that head be often objected to our faith. (A VII, 8, 298)

Die Schwierigkeiten bezüglich des Verständnisses von Individualität bzw. personaler Identität, sind strukturell vergleichbar mit denjenigen, die hinsichtlich der Trinität bestehen.21 Berkeley ist sogar der Ansicht, personale Identität bzw. Personsein lasse sich ausschließlich mit Rückgriff darauf erklären; gewendet bedeutet dies: Die Erkenntnis der wesenhaften Ähnlichkeit zu Gott ist die notwendige Bedingung für ein Verständnis des eigenen menschlichen Seins.22 Die Möglichkeit der Selbsterkenntnis ist nur aufgrund der Abbildrelation zu Gott gegeben. Damit ist ein erstes Indiz dafür vorhanden, dass personale Identität im Kontext der Frage nach der Relation von Substanz und Person zu verhandeln ist. Berkeley ist ein Rezipient der abendländischen Tradition, wonach der Begriff der Gottebenbildlichkeit vornehmlich auf einem ontologischen Verständnis beruht.23 Wenn man die Spur der imago-dei-Doktrin 20

T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 67 (Hervorhebung im Original): „[F]inite spirits are significantly upgraded in Berkeley’s view, possessing a capacity akin to God’s.“ 21 Vgl. PC 14, 24, 192, 285 u.a. I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (1. Kap., Anm. 188), 69f vermutet, Berkeley lasse den Begriff Person aufgrund des trinitarischen Dogmas fallen. Damit wird der Lesart Vorschub geleistet, dass Berkeley sich der Schwierigkeiten, die mit der Verbindung von Person (im Sinne von Individuum) und Substanz einhergehen und zu intensiven Streitfragen der Alten Kirche geführt haben, durchaus bewusst war. A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 28 hingegen begründet diesen terminologischen Wechsel mit der Abkehr Berkeleys vom Panpsychismus. 22 Berkeley ist hinsichtlich des Personenbegriffs vielleicht in die Tradition Boethius zu verorten, wonach Personen nicht relationslos, sondern adäquat dem trinitarischen Sprachgebrauch (una substantia tres personae) zu verstehen sind. Vgl. die Monographie von C. Schlapkohl, Persona est naturae rationalis individua substantia. Boethius und die Debatte über den Personenbegriff, Marburg 1999. 23 Vgl. dazu die Arbeit von E. Craig, The Mind of God and the Works of Man, Oxford 2. Aufl. 1987, bes. das erste Kapitel, in dem sich eine hervorragende Darstellung unterschiedli-

B. Imago Dei

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verfolgt, so stößt man unweigerlich auf Augustins psychologische Trinitätslehre.24 Dass Berkeley den finiten Geist als Abbild Gottes erkennt, wird in D betont: I have therefore, though not an inactive idea, yet in my self some sort of an active thinking image of the Deity. (D III: 231)

Im finiten Geist ist ein aktives, denkendes Bild bzw. Abbild von Gott. Da der christliche Gott trinitarisch strukturiert ist und die Idee eines triadischen Bewusstseins in der Tradition bekannt ist, liegt eine Überprüfung nahe, ob Berkeley eine Intention in Augustinscher Manier verfolgt. Diese Überlegung findet in der Bearbeitung der Bezugsweisen des Geistes ihre Untersuchung: Wenn der finite Geist die Möglichkeit besitzt, Wissen von sich zu generieren bzw. sich selbst zu erkennen, dann impliziert das zumindest eine Ahnung von Gottes Wesen, da hinsichtlich des Erkenntnisgegenstandes (mind) und der Erkenntnisweise Strukturparallelen zu verzeichnen sind.25 In den Predigten werden ebenfalls Hinweise auf die Gottebenbildlichkeit gegeben: The mind which is pure and spiritual, which is made in the image of God, and which we have in common with angels. (S VI: 88)

Der Geist wird als rein bezeichnet und weist dahingehend eine Gemeinsamkeit mit Engeln auf. Mit dem Verweis auf Engel wird die Frage nach der Sünde virulent, die eine andere Predigt im Hinblick auf die Selbsterkenntnis verhandelt und in der eine Verzerrung und Entstellung des Bildes durch die Sünde Betonung erfährt: „When we see the image of God blurred and defaced by sin in our poor brother […].“ (S II: 17) Andere finite Geister, unsere Mitmenschen, reflektieren diesen Defekt ebenso wie das eigene Abbild. Interessanterweise ist nach Berkeley die Korrumption des Menschen nicht allein von Christen einsehbar: The depraved condition of humane nature was no secret to the wise men among the heathen, it being evident by the light of reason in all times and places, that the understanding of man was obscure, his will perverse, and his passions irregular; in a word that our nature was debased and corrupted having lost that rectitude and perfection which it must be supposed to have had coming new made out of the hands of its creator. (S VI: 85)

cher Positionen der Lehre von der Gottebenbildlichkeit im 17. und 18. Jahrhundert findet. Craig beleuchtet unter anderem den Zusammenhang dieser Doktrin mit der Generierung von Wissen, die häufig als Annäherung an ein Ideal gedacht worden ist (29). 24 Vgl. A. Augustinus, De Trinitate, in: Corpus Christianorum. Series Latina, hg. von W.J. Mountain/F. Glorie, Bd. L und LA,1968, bes. die Bücher IX – XI. Eine Nähe zu Augustin sehen auch J. S. Spiegel, „The Christian Psychology of George Berkeley“, JPsC 17 (1998), 335–346, 340 und H. M. Bracken, „Berkeley and Mental Acts“, Theoria 26 (1960), 140–146, bes. 146. 25 S.a. A. C Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9).

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3. Kapitel: Der finite Geist

Laut Berkeley vermögen auch die Weisen unter den Heiden den Defekt der menschlichen Natur mittels Vernunftlicht (reason) zu erkennen: Der Verstand (understanding) ist verdunkelt, der Wille pervertiert und die Leidenschaften treten in einer ungeregelten Weise in Erscheinung. Zugleich wird die ursprüngliche Bildrelation als perfekt beschrieben, woraus abzuleiten ist, dass der Mensch erst nach seiner Erschaffung korrumpiert wurde.26 Die Verzerrung der Gottebenbildlichkeit verhindert eine unreflektierte Erkenntnisrelation: Gott ist nicht mittels Reflexion auf das eigene Selbst erkennbar, wodurch eine Realisation des eigenen Selbst im Sinne eines erit sicut Deus vollständig zu exkludieren ist.27 Dennoch ist zumindest eine Spur von Gottes Wesen in jedem finiten Geist vorhanden. Letztlich ist dieser sogar beim Vorgang der Selbsterkenntnis auf Gottes Güte angewiesen: And we may not hope the good and gracious God will do as much for man whom he hath made after his own image as we see him do every year to the meanest vegetable on the field. (S VIII: 107)

Die Kontingenz der eigenen Geschöpflichkeit verhindert jegliche Erkenntnis aus einer isolierten Perspektive: Allein die Güte Gottes, die sich in der Gottebenbildlichkeit spurenhaft widerspiegelt und anhand der geregelten Abläufe in der Natur evident wird, verhilft dem finiten Geist zu Erkenntnissen. Mit der Akzeptanz der Gottebenbildlichkeit eröffnet sich für den Vorgang der Welterkenntnis eine neue Dimension, insofern dem finiten Geist eine Mediatorenrolle in der Schöpfung zukommt: Die Realität ist dem finiten Geist nicht allein zur Erkenntnis gegeben, denn Erkenntnis impliziert immer schon ein Stiften von Relationen zwischen Ideen, sondern zur Mitkonstitution und Gestaltung von Realität. Damit wurde die herausragende Stellung der Doktrin von der imago dei in ihren Grundzügen angedeutet: Sie fungiert als Anker für den Vorgang der Selbsterkenntnis und expliziert den finiten Geist in seiner Bedeutung für Gott und die Schöpfung. Zugleich ist die Gottebenbildlichkeit von der Sünde korrumpiert, wodurch die Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich jeglichen Gegenstandsbereichs beschränkt sind.

26 Zur Verdunkelung der Erkenntnis durch Sünde vgl. weiterhin S VI: 89: „[W]hat is called in scripture the carnal man: in whom the image of God is blurred and defaced and the divine life extinguished, he being alive unto sin and dead unto righteousness.“ S.a. S V: 66f, S V: 84 und S VII: 95ff. 27 E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 49 scheint hier anderer Meinung zu sein: „[T]he soul can only be an image of God inasmuch as it comes to know itself as an active spirit, and, in the light of this experimental active knowing of itself as a conscious subject, it can reach some sort of understanding of what the essence of other spirits, and of God is.“

C. Die Substanz des Geistes

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C. Die Substanz des Geistes C. Die Substanz des Geistes

Mit der Frage nach der Substanz des Geistes wird das klassische Leib-SeeleProblem in einer neuen Variante aufgenommen und verhandelt. Berkeley bezeichnet den Geist mehrfach als Substanz, was zu großen Interpretationsschwierigkeiten bis hin zur vollständigen Negation der Existenzbehauptung von Substanz geführt hat.28 Da Berkeley den Begriff der Substanz verwendet, verpflichtet sich eine redliche Lesart einer Integration desselben. Die Frage ist, was Berkeley unter immaterieller Substanz versteht und ob Humes Argument, es handle sich dabei um etwas Uneinsichtiges, zutrifft. Der klassische Einwand lautet, Berkeleys Argumente gegen eine materielle Substanz treffen ebenso auf eine immaterielle zu, weshalb diese auf Kohärenz zu prüfen sind.29 Die größte Problematik besteht in einer fehlenden Definition des Substanzbegriffs seitens Berkeleys. Folgende Passage bietet Anlass für zahlreiche Spekulationen, die im weiteren Verlauf beleuchtet werden: [T]o which I shall here add that a spirit has been shown to be the only substance or support, wherein the unthinking beings or ideas can exist: but that this substance which supports or perceives ideas should it self be an idea or like an idea, is evidently absurd. (P § 135, Hervorhebung C.N.)

Geister sind danach die einzigen Substanzen passiver Entitäten; zugleich wird die ontologische Differenz zwischen Ideen und Geist vehement betont. Obige Passage suggeriert eine räumliche Vorstellung vom Geist bzw. zumindest ein Bild, wonach Ideen ihre Existenz im Geist besitzen. Wenden wir uns nun den grundsätzlichen Optionen einer Interpretation des Substanzbegriffes zu. Einerseits kann es sich dabei um das klassische Substanz-Akzidenz-Schema handeln, wonach Akzidenzien der Substanz inhärieren. Andererseits kann man unter Substanz eine Erklärungsmöglichkeit für die Bewahrung von Identität verstehen, d.h. der Substanz kommt die Funktion zu, eine transtemporale Beständigkeit zu erhalten. Die erste, sog. Inhärenz-Variante wird nachfolgend

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Bestritten wird die Existenz einer mentalen Substanz u.a. von R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), der darin eine Motivation Berkeleys durch das religiöse Dogma erkennt, während seine tatsächliche Ansicht verborgen bleibt. Doch handelt es sich hierbei um einen schwachen Punkt, insofern kirchliche Autoritäten als Lückenbüßer fungieren; Muehlmann bezeichnet Berkeley sogar als mastery of the arts of deflection and camouflage, 188. 29 So J. Wild, George Berkeley (2. Kap., Anm. 7), 172: „This is the underlying dilemma of Berkeley’s early writings, which so unsuccessfully but persistently attempt to combine both empirical and transcendental self into a logical monstrosity, known indirectly only by the effects, and yet also intuitively by notions. Berkeley, in other words, does not see that in singling out a portion of the world, the individual me, and reifiying it into a self-existent substance, he is doing exactly the same sort of thing for which he so effectivly criticizes the materialists.“ (Hervorhebungen im Original).

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3. Kapitel: Der finite Geist

behandelt, während das Konzept der dynamischen Identität im Verlauf der weiteren Kapitel entwickelt wird. Wenn man Berkeleys Geist mit einer immateriellen Substanz identifiziert, stellt sich zugleich die Frage nach deren Verhältnis zu Ideen. Allaire und Cummins entwickelten das Argument von der Inhärenz (inherence account), wonach Ideen als Qualitäten dem Geist inhärent sind.30 Sowohl finite als auch infinite Geister wären demnach Substanzen, denen die unmittelbar perzipierten Ideen inhärent sind. Diese Interpretation ist im Anschluss an Aristoteles Unterscheidung von Substanz und Akzidens zu verstehen.31 Qualitäten benötigen für ihre Existenz nach dem aristotelischen Modell etwas zugrunde Liegendes. Zugunsten dieser Substanzontologie spricht ihr explizierender Gehalt für das Phänomen von Identität, d.h. wie etwas trotz wechselnder Eigenschaften identisch bleiben kann. Einschlägig für die These von der Inhärenz ist folgende Stelle: It is acknowledged on the received principles, that […] all sensible qualities, have need of a support, as not being able to subsist by themselves. […] So that in denying the things perceived by sense, an existence independent of a substance, or support wherein they may exist we detract nothing from the received opinion of their reality, and are guilty of no innovation in that respect. All the difference is, that according to us the unthinking beings perceived by sense, have no existence distinct from being perceived, and cannot therefore exist in any other

30 So meinen E. B. Allaire, „Berkeley’s Idealism“, Theoria 29 (1963), 229–244, P. D. Cummins, „Hylas’ Parity Argument“, in: C. M. Turbayne (Hg.), Berkeley. Critical and Interpretative Essays, Minneapolis 1982, 283–294 und A. Hausmann, „Adhering to Inherence. A New Look at the Old Steps in Berkeley’s March to Idealism“, CJP 14:3 (1984), 421–443. Allerdings distanziert sich erster in E. B. Allaire, „Berkeley’s Idealism. Yet Another Visit“, in: R. G. Muehlmann (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 23–38 davon. Während Allaire und Hausmann Berkeley die Notwendigkeit einer mentalen Substanz zur Sicherung seines Idealismus unterstellen, ist sie nach R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 185 für den historischen Berkeley zur Absicherung des Realismus des ordinary man erforderlich. Weitere Kritik findet sich seitens G. S. Pappas, „Ideas, Minds and Berkeley“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 293–319 sowie C. M. Turbayne, „Lending a Hand to Philonous. The Berkeley, Plato, Aristotle Connection“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 320– 335. 31 Vgl. Aristoteles, Metaphysik (2. Kap., Anm. 137) IV (ī) 1–3 und V (ǻ) 7. Weiterführende Untersuchungen sind zu finden bei D. Wiggins, Sameness and Substance, Oxford 1980, Ch. Rapp, Identität, Persistenz und Substanzialität, Freiburg/München 1995 und Aristoteles zur Einführung, Hamburg 2. Aufl. 2004. Dass dieses Substanz-Akzidenz-Schema nicht statisch zu denken ist, was in vorliegender Arbeit jedoch Vernachlässigung findet, zeigt Th. Buchheim, „Genesis und substantielles Sein. Die Analytik des Werdens im Buch Z der Metaphysik (Z 7–9)“, in: Ch. Rapp (Hg.), Aristoteles. Metaphysik. Die Substanzbücher (Z, H, Θ), Tübingen 1996, 105–133.

C. Die Substanz des Geistes

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substance, than those unextended, indivisible substances, or spirits, which act, and think, and perceive them […]. (P § 91)32

Aufgrund der These, Ideen könnten nicht in sich subsistieren, wird etwas, respektive eine Substanz, benötigt, die deren Existenz gewährleistet. Die nicht vorhandene Subsistenz wird mittels einer Inhärenzbeziehung erklärt. Das Argument von der Inhärenz versteht die Perzeption einer sinnlichen Qualität so, dass die Idee dem wahrnehmenden Geist bereits inhärent sei. Dadurch ergibt sich ein Vorteil für die Inhärenz-Interpretation, insofern die andauernde Existenz von Ideen bzw. das Problem der Objektpermanenz independent zu einem Wahrnehmungsakt Erklärung findet.33 Traditionell ist mit dem Inhärenzargument die These von der Prädikation verbunden, d.h. eine Eigenschaft kann der Substanz, der sie inhäriert, zugeschrieben werden. Um Berkeley vor diesem Fehler zu bewahren, variieren Vertreter das Argument, wodurch die Kritik möglich wird, bei Inhärenz handle es sich um etwas, das nicht explizierbar sei. Während in P durchaus einige unterstützende Textbelege für das Inhärenzargument zu finden sind, erfolgt in den späteren Dialogues eine explizite Ablehnung. That there is no substance wherein ideas can exist beside spirit, is to me evident. And that the objects immediately perceived are ideas, is on all hands agreed. And that sensible qualities are objects immediately perceived, no one can deny. It is therefore evident there can be no substratum of those qualities but spirit, in which they exist, not by way of mode or property, but as a thing perceived in that which perceives it. I deny therefore that there is any unthinking substratum of the objects of sense, and in that acceptation that there is any material substance. (D III: 237, Hervorhebungen C.N.)

Die sprachlichen Schwierigkeiten, die mit dem Substanzbegriff einhergehen, werden deutlich: Es gibt eine geistige Substanz und es gibt Qualitäten; letztere inhärieren jedoch weder in Form von Modi noch in Form von Eigenschaften.34 Damit wird zugleich eine, dem Materialismus analoge Argumentation abgelehnt. Der immaterielle Substanzbegriff ist bei Berkeley nicht statisch, sondern von einer starken Dynamik geprägt, wonach Substanz als etwas Denkendes vorzustellen ist. Genau genommen bildet Materie das Negativ zu 32 R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 180ff sieht darin ebenfalls keine Bestätigung der Inhärenzthese und interpretiert diesen Paragraphen hinsichtlich der Dependenz von Sensationen zu einem Geist. 33 Kritisch anzufragen ist, ob perzipieren mit inhärieren gleichzusetzen ist. Eine Identifikation hätte eine gänzlich neue Interpretation der gesamten Philosophie Berkeleys zur Folge. 34 Ch. J. McCracken, „Berkeley’s Notion of Spirit“, in: M. Atherton (Hg.), The Empiricists. Critical Essays on Locke, Berkeley and Hume, Lanham/Boulder/New York u.a. 1999, 145–152, 146 beschreibt diese Sichtweise (Hervorhebung im Original): „Berkeley’s early ontology, then, countenanced only one kind of thing: minds – things having active and passive powers […] while the ideas minds perceive he took to be but modifications or manners of the existence of minds. It is thus not surprising that in many early entires he used thoughts and ideas as synonyms (e.g. 164, 228, 280, 299).“

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3. Kapitel: Der finite Geist

Geist, denn bei ersterem handelt es sich im Allgemeinen um etwas Nichtdenkendes, d.h. Unbewegliches, wohingegen der Geist etwas Denkendes meint: A thinking, active thing is given which we experience as the principle of motion in ourselves. This we call soul, mind, and spirit. Extended thing also is given, inert, impenetrable, moveable, totally different from the former and constituting a new genus. Anaxagoras, wisest of men, was the first to grasp the great difference between thinking things and extended things, and he asserted that the mind has nothing in common with bodies, as is established from the first book of Aristotle's De Anima. Of the moderns Descartes has put the same point most forcibly. What was left clear by him others have rendered involved and difficult by their obscure terms. (DM 30)

Die Substanz des Geistes wird als das Prinzip von Bewegung, d.h. reiner Aktivität erfahren. Besonders die wahrnehmbare Tätigkeit des Denkens zeichnet die mentale gegenüber einer abstrakten materiellen Substanz aus. Eine passive Substanz vermag die aktiven Ideen nicht in sich zu beherbergen – dies stellt eine Inkonsistenz dar, wie die Argumente gegen den Materiebegriff gezeigt haben.35 Hylas formuliert hinsichtlich dieser Konzeption folgenden Einwand: 35

In der Sekundärliteratur wird die Frage, inwieweit die Argumente gegen einen materiellen Substanzbegriff auch auf Berkeleys immateriellen zutreffen als Parity Argument verhandelt. Vgl. D III: 232: „HYLAS. You admit nevertheless that there is spiritual substance, although you have no idea of it; while you deny there can be such a thing as material substance, because you have no notion or idea of it. Is this fair dealing? To act consistently, you must either admit matter or reject spirit.“ Auch P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“, in: Daniel, St. H. (Hg.), Reexamining Berkeley’s Philosophy, Toronto/Buffalo/London 2007, 121–152, 129 macht auf die analoge Argumentation hinsichtlich des Substanzbegriffs aufmerksam und betont, dass Berkeley dem Begriff Substanz nicht mehr Bedeutung zuschreibt, wenn dieser auf den Geist angewendet wird. C. M. Turbayne, „Berkeley’s Two Concepts of Mind“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 219–229, 223 akzentuiert die metaphorische Sprechweise und begründet dies damit, dass dem Begriff Substanz keine Idee entspricht. R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 188 vertritt die Ansicht, religiöse Gründe hätten Berkeley zur Verwendung motiviert und K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 278 stellt das Parity Argument in den Kontext von notion. M. Atherton, „The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 336– 346, 339f skizziert die Interpretationsschwierigkeiten hinsichtlich der Introspektion: „The first is that people are not clear about exactly what it is that Berkeley claims to be conscious of and that he identifies as spiritual substance. They find themselves agreeing with Hume, that when they look within themselves, they find various ideas, but not anything else on which ideas depend. What is it, then, that Berkeley found, that Hume missed?“ A. A. Luce, „Berkeley’s Existence in the Mind“, in: Ch. B. Martin/D. M. Armstrong (Hgg.), Locke and Berkeley. A Collection of Critical Essays, New York 1968, 284–295, 294 betont in diesem Zusammenhang die Entwicklung von Berkeleys Denken: „[Berkeley] had toyed with subjectivism, and had learned to distinguish in the mind from of the mind. When he was making the opening entries in the Commonplace Book, he did, I think, entertain the view that existence in the mind is mental existence; but the later entries tell a different story, and before he finished the Commonplace Book and months before the Principles went to press, his monism had

C. Die Substanz des Geistes

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HYLAS. Notwithstanding all you have said, to me it seems, that according to your own way of thinking, and in consequence of your own principles, it should follow that you are only a system of floating ideas, without any substance to support them. Words are not to be used without a meaning. And as there is no more meaning in spiritual substance than in material substance, the one is to be exploded as well as the other. (D III: 233)

Hylas stellt die Behauptung auf, der Geist sei mit dem bloßen Ideenfluss zu identifizieren, d.h. der Geist bestehe aus nichts anderem als seiner Wahrnehmungstätigkeit. Die Konsequenz dieser sog. bundle-theory wäre, dass der finite Geist kein andauerndes Sein bzw. keine ausgeprägte Identitätsstruktur besäße.36 Und so konstatiert Hylas der immateriellen Substanz analog dem Argument zur materiellen Substanz eine Bedeutungsleere und folglich Sinnlosigkeit. Philonous entkräftet diesen Einwand mit der Behauptung, man kenne und erfahre sein Ich als etwas Aktives, d.h. es existiert etwas, das über den bloßen Perzeptionsakt hinausgeht.37 I know what I mean, when I affirm that there is a spiritual substance or support of ideas, that is, that a spirit knows and perceives ideas. But I do not know what is meant, when it is said, that an unperceiving substance hath inherent in it and supports either ideas or the archetypes of ideas. There is therefore upon the whole no parity of case between spirit and matter. (D III: 234)

Philonous lehnt die Annahme einer Inhärenz von Ideen im Geist explizit ab. Die Stelle erinnert an die Passage bei Locke, in der er die Unkenntnis von materieller Substanz in Form einer obskuren Idee einräumt38 und ist eine kryptische Formulierung Berkeleys für die Schilderung der Relation von Geist und Ideen. Ein weiterer einschlägiger Paragraph verhandelt die Relation von Geist und Ideen:

given place to dualism, and the way of mode was replaced by the way of idea.“ (Hervorhebungen im Original). 36 Vgl. D. Hume, A Treatise on Human Nature (1. Kap., Anm. 141), I, 4, 6: „I never can catch myself at any time without a perception, and never can observe any thing but the perception.“ (Hervorhebung im Original). Bei Humes sog. bundle theory überwiegt die erkenntnistheoretische Fragestellung gegenüber der ontologischen. Einen neueren Ansatz in diese Richtung unternimmt D. Parfit, Reasons and Persons, Oxford 3. Aufl. 1987. 37 Ebd., I, 4, 2 betont die Unvereinbarkeit der Vorstellung vom Geist als eines bloßen Ideenbündels und einem Idealismus: „That what we call a mind, is nothing but a heap or collection of different perceptions, united together by certain relations […].“ (Hervorhebung im Original). R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 173 ist der Ansicht, die bundle theory des Geistes laufe bei Berkeley hintergründig mit: „[M]ental substances do play an ontological role, but that the role they play, while related to one of the traditional roles his adversaries assign to substances, constitutes a revolutionary departure from their analyses. The second fact sharpening our puzzle is that […] the notebook congeries analysis hovers inconsistently, in the background.“ Eine Antwort darauf bietet die Monographie von T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9). 38 Vgl. das Kapitel zu Lockes Materie-Verständnis (1.C.I).

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3. Kapitel: Der finite Geist

But besides all that endless variety of ideas or objects of knowledge, there is likewise something which knows or perceives them, and exercises divers operations, as willing, imagining, remembering about them. This perceiving, active being is what I call mind, spirit, soul or my self. (P § 2)

Der Geist wird charakterisiert als ein wahrnehmendes, aktives Seiendes, das mit den unzähligen Ideen umgeht. Besondere Betonung erfährt dessen übergeordnete Stellung, die der operationale Umgang mit Ideen reflektiert. Auch wenn die These von der Inhärenz auf den ersten Blick etwas für sich hat, treten bei genauer Betrachtung Inkonsistenzen auf. Der Geist wird als eine Art Container vorgestellt, der zur Aufbewahrung von Ideen dient – eine Vorstellung, der Berkeley sicherlich widersprechen würde.39 Das Wesen des Geistes (sowie überhaupt das gesamte System) zeichnet sich durch Aktivität aus.40 Eine bloße Lagerung von Ideen stünde dazu in konträrem Widerspruch. Eine weitere Schwierigkeit dieses Modells bestünde in der Bewahrung der Differenz von Sinnesideen und Imaginationen, da sämtliche Ideen im Geist inhärieren. Weiterhin wäre anzufragen, ob im Geist etwas gleichzeitig schwarz und weiß sein kann, wenn diese sinnlichen Eigenschaften sich im Geist befinden.41 Die Inhärenzthese ist zu stark an räumlichen respektive materialistischen Substanzvorstellungen orientiert. Wenn Berkeley die Ansicht vertreten hätte, der Geist sei eine Substanz, in der die perzipierten Qualitäten inhärieren, dann stellt sich tatsächlich die Frage, welche Vorzüge seiner Theorie im Vergleich zu materialistischen Erklärungen zukommen. Die Existenz einer Idee im Geist lässt sich meines Erachtens mit dem Perzeptionsvorgang identifizieren, womit eine Explikation des ep-Prinzips auf der Geistebene erfolgt.42 Pappas betont zu Recht, dass Berkeley erst sein Prinzip entwickelt hat und darauf aufbauend den Materialismus widerlegt; 39 Vgl. PC 270: „I wonder how men cannot see a truth so obvious, as that extension cannot exist without a thinking substance.“ Vom Geist wird im Alltag teilweise tatsächlich so gesprochen, als handle es sich um einen Container, in dem sich etwas befinde; diese Sprechweise ist natürlich legitim, doch sollte hinterfragt werden, welche Gründe für eine räumliche Vorstellung angenommen werden. Dem liegt zumeist die Vorstellung zugrunde, alles sei in bestimmten Raum-Zeit-Koordinaten zu verorten. Berkeleys Geistkonzeption versucht derart Newtonsche Konstruktionen zu überwinden. Zu Berkeleys Raumverständnis vgl. A. Kulenkampff, George Berkeley (1. Kap., Anm. 4), D. G. Collingridge, „Berkeley on Space, Sight and Touch“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. I, London/New York 1991, 299–302, C. M. Turbayne, „Berkeley and Russell on Space“, in: ebd., 140–153 und G. Thrane, „Berkeley’s Proper Object of Vision“, in: ebd., 278–298. 40 So auch St. H. Daniel, „Berkeley, Súarez, and the 'Esse-Existere' Distinction“, American Catholic Philosophical Quarterly 74:4 (2000), 621–36. 41 Diese Anfrage disutiert N. L. Oaklander, „The Inherence Interpretation of Berkeley. A Critique“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 262–270. 42 Diese Interpretation übernehme ich in Anschluss an G. S. Pappas, „Ideas, Minds and Berkeley“ (2. Kap., Anm. 30).

C. Die Substanz des Geistes

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Vertreter des Inhärenz-Arguments vertauschen diese Reihenfolge, wodurch Berkeleys Denken eine andere Konnotation erfährt. Sicher nimmt das Aufweisen von Inkonsistenzen im Materie-Begriff eine zentrale Stellung ein, doch das ep-Prinzip bildet das Fundament für das Gesamtsystem. Somit sind die beiden Argumentationsstränge auf verschiedenen Ebenen zu lokalisieren. Der Perzeptionsvorgang bleibt zentral und das ep-Prinzip findet auch auf der Ebene der geistigen Substanz Anwendung. Gegen die Inhärenz-Interpretation spricht weiterhin folgende Textstelle, die bereits im Zusammenhang mit Berkeleys Materialismuskritik zitiert worden ist: From what has been said, it follows, there is not any other substance than spirit, or that which perceives. But for the fuller proof of this point, let it be considered, the sensible qualities are colour, figure, motion, smell, taste, and such like, that is, the ideas perceived by sense. Now for an idea to exist in an unperceiving thing, is a manifest contradiction; for to have an idea is all one as to perceive: that therefore wherein colour, figure, and the like qualities exist, must perceive them; hence it is clear there can be no unthinking substance or substratum of those ideas. (P § 7)43

Berkeley begründet das Sein von Ideen mit dem Perzeptionsvorgang. Jeder Interpretationsversuch, der diese wesentliche Prämisse verkennt, ist als verfehlt zu bewerten. Erneut rückt die Frage nach der Relation von Geist und Ideen in den Fokus, also wie sich dieses Verhältnis mit Verzicht auf die Inhärenz-Interpretation konsistent beschreiben ließe. Ein moderner Ansatz, der die Verbindung von Ideen und Geist treffend mit dem Begriff der Intentionalität bezeichnet, wird von Oaklander vorgebracht.44 Der Geist ist auf Ideen gerichtet – und zwar mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Wenn man einen Apfel isst, werden nicht alle Qualitäten dieses Ideenbündels gleich stark per43 Erneut sei folgende Passage in Erinnerung zu rufen D III: 262: „PHILONOUS. I do not pretend to be a setter-up of new notions. […] that the things immediately perceived, are ideas which exist only in the mind. Which two notions put together, do in effect constitute the substance of what I advance.“ P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“ (2. Kap., Anm. 35), 125 Interpretation lautet: „My suggestion is that given the perceiver dependence of sensible qualities, Berkeley translates the traditional principle that qualities cannot exist without a substance in which to exist in a principle regarding perception. Sensible qualities are dubbed ideas in part because for them to be is to be perceived.“ (H. i. O.) 44 Vgl. N. L. Oaklander, „The Inherence Interpretation of Berkeley. A Critique“ (3. Kap., Anm. 41), 268f: „The distinction that Berkeley is making is a familiar one. In the sentence The apple is green, we are predicating a quality of the apple. Traditionally, the relation between the apple and its qualities has been referred to as inherence or exemplifcation. In the sentence, John is thinking of Mary, the connection between John and Mary is not between a thing and its quality, but rather, between a mind or thought and what that thought is about. This relation has been referred to as the intentional relation or intentionality. Now, when Berkeley says that minds support ideas or qualities, or that sensible qualities must exist in a mind, he means that a mind must intend or be conscious of a sensible quality. The connection between the mind and the qualities it perceives is not that of inherence but intentionality.“

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3. Kapitel: Der finite Geist

zipiert; vielmehr rücken bestimmte Sinnesideen in den Vordergrund. Das Sein der Ideen, d.h. die gesamte Realität, wird durch den Perzeptionsakt finiter Geister mitkonstituiert. Dieser Akt ist nicht arbiträr, sondern immer schon gerichtet, insofern Intentionalität gewöhnlich eine Absicht oder Zielsetzung bezeichnet.45 Ein intentionales Bewusstsein verweist auf eine durchgängige Reziprozität der Bewusstseinsakte, die auf einen Gegenstand gerichtet sind, und Sinnesideen, auf welche der Fokus gerichtet ist. Bewusstsein ist demnach immer Bewusstsein von etwas – es gibt kein leeres Bewusstsein – analog dem ep-Prinzip.46 Zur Vermeidung einer missverständlichen Interpretation erfolgt eine weitere Präzisierung des Verhältnisses zwischen Geistern und Ideen. Wenn von der Existenz der Ideen im Geist die Rede ist, wird damit keine intramentale Existenz ausgedrückt, in dem Sinne, dass diese Ideen von finiten Geistern geschaffen werden; vielmehr beinhaltet der Existenzbegriff etwas Extramentales, das vom Geist perzipiert wird bzw. perzipierbar ist. Wenn die Formulierung von Dingen im Geist verwendet wird, so ist darunter zu verstehen, dass sich diese in Form von Ideen im Geist (in the mind) befinden: [T]hose qualities are in the mind only as they are perceived by it, that is, not by way of mode or attribute, but only by way of idea. (P § 49)47

Die Erklärungshypothese von der Intentionalität des Geistes vermag sowohl der Flexibilität des Geistes, die in dessen Aktivität begründet ist, als auch Berkeleys Zeittheorie Rechnung zu tragen.48 Die Flexibiliät des Geistes meint ein unterschiedliches Fokussieren und Umstrukturieren. Es wurde anhand des ep-Prinzips demonstriert, dass Berkeley zwar am Substanzbegriff festhält, die Theorie von der Inhärenz mit seiner gesamten Argumentation jedoch unvereinbar ist. Zu verwerfen ist eine ContainerVorstellung des Geistes, die analog zu Materiekonzeptionen funktioniert und folglich genau die Probleme mitbringt, die Berkeley mit seinem Immaterialismus zu überwinden sucht. Letztlich erwies sich das Konzept der Intentionalität für die Beschreibung des Verhältnisses von Geist und Ideen als fruchtbare Alternative, insofern die ontologische Differenz sowie die Aktivität des 45

Vgl. dazu: NTV 109, 59, 147, 153f, 157–9, P § 12 sowie die Ausarbeitungen im Kontext der Umbuchung auf 103ff. 46 Auffällig ist die Nähe zu Husserls Intentionalitätsprinzip, das als grundlegende Struktur von Bewusstsein herausgearbeitet ist. Vgl. E. Husserl, Logische Untersuchungen. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, Bd. II, Tübingen 1980. S. Bonk, We see God. George Berkeley’s Philosophical Theology, Frankfurt a.M./Berlin/Bern u.a. 1997, 98 sieht in Berkeley in dieser Hinsicht ebenfalls einen Vorreiter Husserls. 47 A. A. Luce, „Berkeley’s Existence in the Mind“ (3. Kap., Anm. 35), 286 betont ebenfalls den relationalen Charakter: „The in is equivalent of in relation to […] in the mind as an abbreviation for in direct cognitive relation to the mind.“ (Hervorhebung im Original). 48 Die Zeitvorstellung wird im Kontext der Unsterblichkeit der Seele verhandelt (3.H). Vorab ist auf die Schwierigkeit hinsichtlich der Begründung derselben hinzuweisen, die mit der Ablehnung des Substanz-Akzidenz-Modells einhergeht.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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Geistes Bewahrung findet. Die überzeugende Argumentation Berkeleys wird nachfolgend gezeigt, indem eine schwache Lesart des Substanzbegriffs verteidigt wird, wodurch die Identität des finiten Geistes erhalten bleibt. Im nächsten Kapitel wird der Versuch unternommen, anhand der wenigen Textpassagen im Anschluss an die Lehre von der imago dei einen triadischen Geist bei Berkeley zu rekonstruieren.

D. Die Seinsweisen des Geistes D. Die Seinsweisen des Geistes

Die Ausführungen zum Substanzbegriff haben den Transfer materialistischer Vorstellungen auf Berkeleys Geistlehre exkludiert. So sei kritisch angefragt, ob die immaterielle Substanz ebenfalls nur ein Postulat ist, oder ob es gewichtige Gründe für ihre Existenz gibt. Deren Existenz ist laut Berkeley anhand der Erkennbarkeit des eigenen Geistes demonstrierbar. Wenn Berkeley eine plausible Theorie der Selbsterkenntnis aufzeigen kann, ist obiger Vorwurf gegenstandslos. Nachfolgend wird ein spekulativer Interpretationsversuch unternommen, der die Substanz des Geistes als ein triadisch organisiertes Gefüge erkennt. Inspiriert von der imago-dei-Doktrin wird der Versuch unternommen, eine triadische Struktur in Berkeleys Bestimmung des Geistes zu belegen. Als entscheidender Auslöser dafür ist die Beschäftigung mit der Frage zu nennen, was Berkeley unter Substanz versteht. Er formuliert keine Definition, doch finden sich viele Andeutungen, die auf etwas Aktives und Relationales schließen lassen. Dass Berkeleys immaterielle Substanz als relational zu interpretieren ist, steht meines Erachtens außer Frage; spannend ist jedoch, wie sich diese Relationen ausbuchstabieren lassen. Die Unsicherheiten, die in den spärlichen Textpassagen besteht, werden redlich offen gelegt. Die grundsätzlichen Bestimmungen des Geistes sind nach Berkeley Einfachheit und Unteilbarkeit, wodurch eine nicht-hintergehbare Grenze manifest wird. Berkeley schreibt dem Geist Charakterisierungen zu, die nicht absolut, sondern im Sinne von Spiegelungen unterschiedlicher Facetten zu verstehen sind und benennt drei Erscheinungsarten des Geistes: Denken, Wille und Verstand, die unter phänomenologischen Gesichtspunkten voneinander kaum zu separieren sind. Aus diesem Grund werden die Erscheinungsarten folgend als Seinsweisen bezeichnet.49 Mit der Differenzierung in drei Seinsweisen wird der Fokus auf die jeweilige Aktivität bzw. Äußerung des Geistes gelegt. Von Bedeutung ist, dass der Geist nicht die Summe dieser Vermögen ist, denn dies würde der Bestimmung der Einfachheit und Unteilbarkeit widersprechen. Denken, Wille und Verstand sind auch keine Modi oder Eigenschaften, denen 49 Ch. J. McCracken, „Berkeley’s Notion of Spirit“ (3. Kap., Anm. 34), 152 hat die berechtigte Frage gestellt, wie es möglich ist, dass der Geist eine Einheit darstellt und zugleich verschiedene Vermögen bzw. in meiner Interpretation Seinsweisen beherbergen kann.

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3. Kapitel: Der finite Geist

eine eigenständige Kraft zukommt. Und es handelt sich dabei selbstredend nicht um abstrakte Ideen;50 vielmehr zeigen sie den Geist auf jeweils unterschiedliche Arten. Die drei Seinsweisen sind gleichzeitig präsent, da der Geist eine unteilbare Einheit ist. A spirit is one simple, undivided, active being: as it perceives ideas, it is called the understanding, and as it produces or otherwise operates about them, it is called the will. (P § 27)51

Es gibt demnach einen einheitlichen, aktiven Geist, der sich auf verschiedene Arten präsentiert und daher sowohl Verstand als auch Wille genannt wird; primär betont Berkeley jedoch die Singularität und Unteilbarkeit des Geistes. Damit ist eine erste Approximation hinsichtlich seiner Bezugnahme auf den Geist möglich: Letzterer ist nicht als ein Objekt des Verstandes aufzufassen; allein die phänomenologische Herangehensweise erweist dessen unterschiedliche Erscheinungsweisen, namentlich Wille und Verstand.52 Eine erste Schwierigkeit für eine triadische Interpretation ist vernehmbar: in obigem Auszug werden nur Wille und Verstand verhandelt – sowie in den meisten anderen Passagen auch.53 Die Texte beschreiben das Wesen des Geistes vornehmlich als denkend: „S To say the mind exists' without thinking is a Contradiction, nonsense, nothing.“ (PC 652) Laut diesem Eintrag ist der Denkvorgang dem Geist notwendig zuzuschreiben, wie auch bereits zitierte Passagen bezeugen. Berkeley steht meines Erachtens in dieser Hinsicht noch unter dem Einfluss der Tradition, besonders Descartes, wie weiter unten ausgeführt wird.54 Das Denken wird daher als eine weitere Seinsweise des Geistes aufgefasst. Auch die Aktivität des Geistes, die besonders im ep-Prinzip ihren Niederschlag findet, wird oben als eine Bestimmung angeführt. Mittels der Trias denken, wollen und verstehen wird die Aktivität des Geistes entfaltet. Daher zur Erinnerung folgende Notiz: E Existence is percipi or percipere . the horse is in the stable, the Books are in the study as before. or velle i:e. agree […]. (PC 429 und 429a) 50

PC 867: „S. The Will & Volition are words not used by the Vulgar, the Learned are banter’d by their meaning abstract Ideas.“ 51 PC 871: „S I must not say the Will & Understanding are all one but that they are both Abstract Ideas i.e. none at all. they not being even ratione different from the Spirit, Qua faculties, or Active.“ Die enge Verbindung von Wille und Verstand demonstriert weiterhin PC 848: „S. I must not Mention the Understanding as a faculty or part of the Mind, I must include Understanding & Will etc in the word Spirit by wch I mean all that is active. I must not say that the Understanding differs not from the particular Ideas, or the Will from particular Volitions.“ 52 Einen ähnlichen Ansatz unternimmt R. A. Mall, Der operative Begriff des Geistes. Locke, Berkeley, Hume, Freiburg/München 1984. 53 Wille und Verstand werden häufig als die beiden Vermögen interpretiert, während der Denkvorgang Vernachlässigung erfährt. 54 S.a. W. Doney, „Is Berkeley’s a Cartesian Mind?“, in: C. M. Turbayne (Hg.), Berkeley. Critical and Interpretative Essays, Minneapolis 1982, 273–282.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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Der mit dem Willen unauflösbar verknüpfte Perzeptionsvorgang macht das Wesen des Geistes aus. Berkeley identifiziert den Willen mit dem Handlungsbegriff, d.h. die Seinsweise Wille spiegelt die Aktivität und starke Dynamik der Geistlehre vorzüglich wider: Die Seinsweisen Denken, Wille und Verstand sind keine statischen Größen, sondern befinden sich in permanentem Austausch. Das Zusammenspiel dieser drei Vermögen lässt sich im Sinne reziproker Prozesse auffassen: Der Geist ist Verstand, beim Vorgang der Perzeption von Ideen; der Geist ist Wille, wenn er selbst Ideen evoziert oder mit den Ideen umgeht und das Denken ist ein permanent mitlaufender Prozess. Do but leave out the power of willing, thinking, and perceiving ideas, and there remains nothing else wherein the idea can be like a spirit. For by the word spirit we mean only that which thinks, wills, and perceives; this, and this alone, constitutes the signification of that term. If therefore it is impossible that any degree of those powers should be represented in an idea, it is evident there can be no idea of a spirit. (P § 138)55

Die Trias willing, thinking und perceiving wird genannt, wobei die Frage der Zuordnung zu den Seinsweisen offen steht.56 Als vorläufige Hypothese ist zu notieren, dass das Perzipieren erst in Kombination von wollen und denken möglich wird. Eine Vorbemerkung ist noch anzufügen: Eine Zergliederung des Geistes ist nur unter systematischen Gesichtspunkten sinnvoll. Im Alltag werden zwar Denken, Wille und Verstand erfahren, aber wie deren Zusammenwirken funktioniert und was der jeweilige Gehalt für den Geist bedeutet, ist für Berkeley in letzter Konsequenz irrelevant. Vielleicht hat er auch aus diesem Grunde seine Geisttheorie nicht näher erläutert. Erst im Zusammenspiel der drei Seinsweisen, so die These, konstituiert sich das Sein des Geistes bzw. eine mentale Substanz. Die Akte des Willens sind die Volitionen, die Gegenstände des Verstandes bilden die Ideen und das Denken begleitet jegliche geistige Operation. Die mentale Substanz zeichnet sich durch die Aktivität des Denkens und bewusste Operationen des Willens und Verstandes aus.57 Damit erscheint die mentale Substanz sehr fragil, was jedoch auf ein ausgeprägtes Denkmuster zurückzuführen ist, wonach nur Materiellem Bestand

55 S.a. PC 708: „S The will & the Understanding may very well be thought two distinct beings.“ 56 Problematisch wäre eine exklusive Zuordnung von perceiving zu Verstand, insofern die epistemologischen Ausführungen dem Wahrnehmungsvorgang gerade keine epistemische Funktion zugeschrieben hat. Der Versuch einer Harmonisierung, der einen fließenden Übergang der unterschiedlichen Seinsweisen diagnostiziert, wird weiter unten vorgenommen. P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“ (2. Kap., Anm. 35), 140 ist der Ansicht, das Wollen habe dieselbe Extension wie das Perzipieren; der Zusammenhang dieser beiden Aktivitäten wird von Berkeley jedoch nicht präzisiert. 57 Vgl. auch PC 841: „S It seems to me that Will & understanding Volitions & ideas cannot be severed, that either cannot be possibly without the other.“

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3. Kapitel: Der finite Geist

zukommt.58 Es schließen sich nun die Untersuchungen zu den Geistvermögen Denken, Wille und Verstand an, die in der vorliegenden Interpretation die Substanz des Geistes bilden und eine innere Stabilität erweisen. I. Denken Das Denken als eine Seinsweise des Geistes ist als eine phänomenologische Approximation zu verstehen: Der Geist besitzt keine Idee von sich, sondern erfährt sich in unterschiedlichen Situationen; ein Charakteristikum ist u.a. dessen denkende Tätigkeit. Im Zusammenhang von Verstand und Wille darf der Denkvorgang nicht fehlen. Meines Erachtens versteht Berkeley den Geist als Dreiklang aus diesen drei Vermögen. Denken ist nicht auf logische bzw. theoretische Vorgänge restringiert, sondern impliziert alle welt- und selbstbezüglichen Sinnleistungen des finiten Geistes überhaupt. Das Denken bedeutet einen Umgang mit Ideen und ist daher sprachlich verfasst.59 Die Annahme, bei Gedanken handle es sich um etwas Objektives oder Statisches führt auf einen Holzweg. Gedanken sind analog der Erkenntnis von Dingen zu behandeln, wie sie nach Berkeley stattfindet, was die synonyme Bezeichnung collection of ideas verdeutlicht. Man kann einen diskreten Gedanken analysieren, doch während dieses Vorgangs verändert sich der zu untersuchende Gegenstand aufgrund der fortschreitenden Denktätigkeit.60 Ein Gedanke ist daher immer schon als Explikat eines mentalen Aktes selbst zu fassen und eine Differenzierung des Geistes von seinen Gedanken ist aufgrund ihrer symbiotischen Relation zu exkludieren. Ein Gedanke ist kein passives Objekt, sondern eine fragmentarische Ausdrucksform der Geistesaktivität. Der Geist erfährt sich dann, wenn er denkend tätig ist; die Gedanken reflektieren zugleich sein Wesen. Absorbiert vom Denken ist Introspektion nicht vorstellbar – die Dynamik in Berkeleys System findet sich auch auf dieser Ebene. + Thoughts do most properly signify or are mostly taken for the interior operations of the mind, wherein the mind is active, those yt obey not the acts of Volition, & in wch the mind is passive are more properly call'd sensations or perceptions, But yt is all a case. (PC 286)

Das Denken verdeutlicht sowohl die mentale Aktivität als auch eine inseparable Verbindung zwischen Denkakt und Denkgegenstand: Der aktive Geist 58 Der Begriff Substanz führt zu der falschen Annahme, beim Geist handle es sich um etwas Festes. Dass diese Lesart der Intention Berkeleys nicht gerecht wird, ist im Materiekapitel deutlich geworden. 59 Nach diesem Verständnis gibt es kein Denken ohne Sprache. Sprache ist keine zufällige Hülle, sondern wesentliches Organ. 60 Vgl. auch M. Atherton, „The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind“ (2. Kap., Anm. 35), 343.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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ist vom Denkvorgang nicht zu separieren. Berkeley folgt seinen Vorgängern Descartes und Locke, wonach Gedanken nicht independent von einem Bewusstsein persistieren können, weshalb das Denken das Wesen des Geistes ausgezeichnet expliziert:61 [W]hoever shall go about to divide in his thoughts, or abstract the existence of a spirit from its cogitation, will, I believe, find it no easy task. (P § 98)

Damit ist ein weiterer Beleg dafür gefunden, eine Seinsweise des Geistes mit dem Denkvorgang zu identifizieren. Dabei ist erneut darauf hinzuweisen, dass es sich nur um eine Seinsweise und nicht um das eigentliche Wesen des Geistes handelt. Die cogitatio, also die gedankliche Bewegung des finiten Geistes ist im Denkvorgang von dessen Existenz nicht abzulösen. Sobald der Geist versucht, sich selbst zu denken, vollzieht er sich gleichzeitig mit. Dies zieht die These von einem sicheren Zugang zum Geist nach sich, wie noch zu zeigen ist.62 Abschließend ist auf eine Grenze des Denkens hinzuweisen, das nicht in selbigem besteht, sondern im Dialog mit Gott zu konstatieren ist. Dieser Dialog ist die Bedingung der Möglichkeit jeglichen Denkaktes, insofern die Zeichen der visuellen Sprache als notwendiger Input zu werten sind, und zugleich limitieren Gottes Äußerungen das Denken. Diese Beschränkung ist nicht negativ zu interpretieren, als dem Denkvorgang ein konstitutives Element im Umgang mit den Zeichen zuzuschreiben ist, wie weiter unten ausgeführt wird. Der Geist besteht nicht ausschließlich aus dem Denkvorgang – erst die Vermögen Wille und Verstand vervollständigen seine Einheit und Individualität.

61

T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 44 verortet Berkeleys Ansicht, der Geist vollziehe permanent eine Denkbewegung, in die Tradition von Descartes, Malebranche und Locke. 62 Berkeley expliziert damit die Implikationen der Cartesianischen Annahme, Denken bestehe allein im Bewusstsein vom Denken. S. a. M. Atherton, „The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind“ (2. Kap., Anm. 35), 344: „Berkeley shares with his predecessors the attempt to explain the qualitative nature of the way things look to us by referring such qualities to something ideational, dependent upon mental acts of awareness. Berkeley’s views can be seen, moreover, as an attempt to render explicit the implications of the claim that thinking consists solely in the consciousness of thinking. So it is Berkeley, who is committed to a special access to the mind, who is more nearly consistent with this position than is, for example, Locke, who says we have as good reason for believing in material substance as we do in immaterial substance.“ I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 292 ist derselben Ansicht: „Strictly the person is the mind or spirit, and this Berkeley must say, does not exist if it is not thinking.“

160

3. Kapitel: Der finite Geist

II. Wille Das Wesen des Geistes wurde in PC 429 als percipere, velle oder agere bestimmt. Damit ist der Geist als ein tätiges Wesen charakterisiert, dessen Aktivität in der Seinsweise Wille einen adäquaten Ausdruck findet. Der Terminus Wille besitzt bei Berkeley eine große Extension, denn er umfasst meines Erachtens nicht nur den Vorgang der Bildung einer Volition, sondern das grundlegende Vermögen, sich auf etwas, d.h. eine Idee oder ein Ideenbündel zu konzentrieren. Konzentration bedeutet gemeinhin eine Aktivität: Während des Konzentrationsvorgangs verändern sich Ideen bzw. der Blick auf diese, indem beispielsweise eine Umordnung erfolgt. I find I can excite ideas in my mind at pleasure, and vary and shift the scene as oft as I think fit. It is no more than willing, and straightway this or that idea arises in my fancy: and by the same power it is obliterated, and makes way for another. This making and unmaking of ideas doth very properly denominate the mind active. Thus much is certain, and grounded on experience: but when we talk of unthinking agents, or of exciting ideas exclusive of volition, we only amuse our selves with words. (P § 28)

Mittels Introspektion verdeutlicht Berkeley die Fähigkeit, verschiedene imaginäre Ideen zu evozieren: Die Kulisse dieser imaginierten Ideen ist beliebig variierbar und die Bedingung dafür ist lediglich die persönliche Willenstätigkeit. Der Wille besitzt expressiven Charakter und vermag dadurch die Individualität finiter Geister zu transportieren.63 Der Geist wird erneut als aktiv charakterisiert; basierend auf Erfahrung werden Handlungen vom Denken und das Evozieren bestimmter Ideen von Volitionen begleitet. Das enge Zusammenspiel von Wille und Denken findet Absicherung und lässt sich folgend explizieren: Der Wille an sich kann nicht agieren, denn es gibt keinen Willen an sich; vielmehr handelt es sich um eine Seinsweise des Geistes. Insofern wird der Wille durch den Geist bewegt bzw. stellt eine wahrnehmbare Tätigkeit desselben dar. Ausdruck der Willensbildung sind die Volitionen des Geistes, die in Berkeleys System als Kausalursache fungieren.64 Eine Volition ist jedoch nicht mit einer Idee zu identifizieren, denn Volitionen sind von Ideen nicht abbildbar, insofern diese aktive Prozesse bezeichnen, die sich nicht von etwas Passivem repräsentieren lassen. S To ask have we an idea of ye Will or volition is nonsense. an idea can resemble nothing but an idea. (PC 657) S I have no Idea of a Volition or act of the mind neither has any other Intelligence for that were a contradiction. (PC 663)

63

Während bei dem Vorgang der unmittelbaren Perzeption der Wille auch passiv ist, wie weiter unten noch gezeigt wird, verdeutlichen Imaginationsvorgänge dessen Aktivität und kreatives Potential. S.a. K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 152f. 64 Vgl. G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 132.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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Das Evozieren einer Volition gründet in der Aktivität des Willens; die Volition selbst ist als konzentrierte Aktivität zu verstehen, in der eine Realisierung ihres Inhalts vorbereitet wird. Volitionen sind Operationen des Willens, denen limitierte Wirksamkeit zukommt.65 Als Ausdruck einer konzentrierten, intentionalen Geistestätigkeit, sind sie mit passiven Ideen nicht identifizierbar. Damit wird der Nexus zu Berkeleys umstrittener Kausalitätslehre deutlich, den Pitcher auf den Punkt bringt: „[O]nly here, we experience real causality, real agency!“66 Berkeley charakterisiert das Phänomen Wille: S The grand Cause of perplexity & darkness in treating of the Will, is that we Imagine it to be an object of thought (to speak wth the vulgar), we think we may perceive, contemplate & view it like any of our Ideas whereas in truth 'tis no idea. Nor is there any Idea of it. tis toto coelo different from the Understanding i.e. from all our Ideas. If you say the will or rather a Volition is something I answer there is an Homonymy in the word thing wn apply'd to Ideas & volitions & understanding & will. all ideas are passive, volitions active...† (PC 643)67

Zum einen findet die Verwobenheit von Wille und Verstand Benennung, zum anderen wird die starke Aktivität des Willens sowie dessen Charakterisierung als unhintergehbare Seinsweise verdeutlicht: Der Wille ist keine Idee und lässt sich auch nicht gegenständlich behandeln. Indem man das Bewusstsein auf den eigenen Geist und dessen konkrete Aktivität richtet, ist der Wille bzw. die Bildung einer Volition beobachtbar. Obwohl der Wille nicht gegenständlich zu erfassen ist, vermittelt diese Seinsweise eine Ahnung vom Wesen des Geistes. S The Will is purus actus or rather pure Spirit not imaginable, not sensible, not intelligible, in no wise the object of ye Understanding, no wise perceivable. (PC 828)

65

Gegen R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 262, der meint, eine Volition ziehe noch keine Handlung nach sich, ist anzuführen, dass Volitionen im Gegensatz zum Wunsch realisiert werden, wenn es die Umstände erlauben. K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 112, Anm. 12 (Hervorhebungen im Original): „As I understand the notion of a phenomenological fact, volitional activity can count as such a fact even if volitions are not objects of observation. The important point is that both Hume and Berkeley take it to be apparent that we will, and they agree we are aware that certain events follow our voilitions straightaway.“ 66 G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 133. In Berkeleys immaterialistischem Weltbild sehen einige Interpreten bezüglich der Willensfreiheit bzw. der Realisierung von Volitionen erhebliche Schwierigkeiten. Bei genauer Lesart erweisen sich die Schwierigkeiten jedoch als zentrale Systemstellen, anhand derer sich die Konsistenz von Berkeleys Werk besonders schön demonstrieren lässt. Vgl. auch Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (1. Kap., Anm. 23), 313: „In dieser Richtung des Willens auf sein Objekt ist uns der eigentliche Ursprung aller echten Kausalität enträtselt.“ 67 S.a. PC 286: „+ Thoughts do most properly signify or are mostly taken for the interior operations of the mind, wherein the mind is active, those yt obey not the acts of Volition, & in wch the mind is passive are more properly call’d sensations or perceptions, But yt is all a case.“

162

3. Kapitel: Der finite Geist

S If by Idea you mean object of the Understanding. Then certainly the Will is no Idea, or we have no idea annext to the word Will. (PC 665)

Der Wille ist nicht objektivisch in Augenschein zu nehmen, da er lediglich präsentisch erfahrbar ist; er kann weder vorgestellt, noch gefühlt oder eingesehen werden. Auch die Vorstellung, es handle sich um einen Container für Volitionen, ist fehlgeleitet. Somit ist der Wille kein Substrat, dem Volitionen inhärieren. Eine Differenzierung des Willens von singulären Volitionen ist nicht möglich, weshalb Berkeley den Willen phänomenologisch beschreibt.68 Der Wille wird als etwas Einheitliches erlebt, und ein menschliches Wesen ohne Willen ist für Berkeley nicht vorstellbar. Der Wille ist infolge als Ausdruck der Individualität bzw. Persönlichkeit eines finiten Geistes zu werten.69 Dieser Sachverhalt findet im Zusammenhang mit dem Denkvorgang weitere Fundierung: Das Wollen impliziert immer schon eine Denkbewegung, wobei dies umgekehrt nicht notwendig der Fall ist. Der Wille, als eine Ausdrucksform der Persönlichkeit ist nach Berkeley, analog dem Denken, als ein kreativer Akt, als frei anzusehen.70 S Folly to enquire wt determines the Will. Uneasiness etc are Ideas, therefore unactive, therefore can do nothing therefore cannot determine the Will. (PC 653) E.S. Some Ideas or other I must have so long as I exist or Will. But no one Idea or sort of Ideas is essential. (PC 842)

Ideen vermögen keine vollständige Determinierung des Willens. Dieser Sachverhalt erfährt Begründung in der charakteristischen Passivität von Ideen. Für 68

Ähnlich B. Belfrage, „Berkeley’s Four Concepts of the Soul 1707–1709“ (3. Kap., Anm. 4), 176: „Just as mind, soul, and understanding mean a set of particular ideas or perceptions, the will is a set of particular volitions. This does not mean that the will refers to a real essence: it is merely a Word or a nominal unity; it does not make one Will (Nr. 714).“ (Hervorhebung im Original). 69 Aus diesem Grund wird von manchen Interpreten der Wille als Sitz der Personalität identifiziert. Vgl. beispielsweise A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 178 oder Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (1. Kap., Anm. 23), 313 (Hervorhebung im Original): „Der Wille ist ihm das eigentliche Urphänomen, das uns vom Dasein des individuellen Geistes zwingend überzeugt.“ Doch dabei handelt es sich um eine einseitige Lesart, da andere Wesenseigenschaften finiter Geister, die ebenfalls deren Individualität mitbestimmen, verkannt werden. I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 320 (Hervorhebung im Original): „Berkeley would argue, the word cause can get a meaning only within the context of descriptions of mental activity, and this because it is only here that we are aware of agency.“ S. Bonk, We see God (2. Kap., Anm. 46), 83–101 differenziert zwischen einem reinen und einem empirischen Ich, wobei er letzteres mit dem Willen identifiziert. Das reine Ich, das die Funktion eines Einheitspunktes des Bewusstseins einnimmt, ist s.E. grundsätzlich nicht erfahrbar. 70 Vgl. dazu D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (1. Kap., Anm. 89), 125. Insofern der Wille keine Entität ist, vermag der Bezug der kreatürlichen Freiheit auf die Bildung von Volitionen eine präzisere Einholung des Freiheitsbegriffs zu leisten.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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den Empiristen Berkeley liegt besonderes Gewicht auf dem Umgang mit den Sinnesideen, insofern ein rein theoretisches Erkennen für ihn eine Absurdität darstellt. Aus diesem Grunde ist das Denken auch nur eine Seinsweise neben anderen. Der Wille ist als der expressive Charakter des Akteurs Mensch aufzufassen, mittels dessen er sich der Realität individuell zuwendet, sie strukturiert und mitkonstituiert. In diesem Sinne ist noch einmal an die Interpretation des Willens als Konzentration zu erinnern, worunter Selektion und Strukturierung von Ideen zu subsumieren sind. Bei der Entdeckung von Sinnzusammenhängen handelt es sich um einen willentlichen Akt, womit die These Bekräftigung findet, Ideenrelationen bestünden nicht an sich, sondern resultierten aus dem Zusammenspiel von Willenstätigkeit (Volitionen), Verstand und Denken. III. Exkurs: Freiheit finiter Geister Dieses Kapitel dient der Verdeutlichung der Seinsweise Wille und thematisiert den in der Sekundärliteratur strittigen Punkt der Handlungsfreiheit. Im Kapitel zur Existenz Gottes hat sich gezeigt, dass Berkeley Verfechter einer Agenskausalität im Sinne einer anthropologischen Konstante ist: Nur Geister können etwas verursachen. Zu prüfen bleibt, ob neben Gott auch der Mensch etwas verursachen kann oder ob Berkeley einem Determinismus verhaftet ist.71 Freiheit ist für den Menschen, der sich als Geschöpf Gottes in einer Dependenzrelation weiß, unbedingte Voraussetzung für das Erleben von Selbstbewusstsein. Die entscheidende Frage ist, wie Handlungsfreiheit in Berkeleys System integriert werden kann. S We see no variety or difference betwixt the Volitions, only between their effects. Tis One Will one Act distinguish'd by the effects. This will, this Act is the Spirit, operative, Principle, Soul etc. (PC 788) [I]t is evident to me […] that I am a free agent. Nor will it avail to say, the will is governed by the judgment, or determined by the object, while, in every sudden common cause, I cannot

71

R. Sporbert, Der Gottesbegriff Lockes und Berkeleys (1. Kap., Anm. 55), 65f repräsentiert paradigmatisch diese Kritik: „Sonach hängt letzten Endes doch auch die Bewegung des eigenen Körpers nicht von uns selbst, sondern von Gott ab und es bleibt für die psychische Kausalität, soweit sie uns empirisch unmittelbar gegeben wird, nur das Verhältnis zwischen unserem Willen und unseren Phantasievorstellungen. Man wird nicht leugnen können, dass diese von uns beeinflusst werden. Aber trotz des Einflusses vermögen wir auch hier keine innere Verbindung aufzufinden, wir wissen weder a priori etwas davon, noch zeigt uns die Erfahrung mehr als eine regelmäßige Aufeinanderfolge von Willen und Idee. Wie jener es anfängt, diese zu produzieren oder aufzuheben, bleibt unserer Wahrnehmung verschlossen, die Erkennbarkeit von Kräften, sowohl in uns wie außer uns, ist unmöglich. […] Sein strenger Glaube an Gott lässt ihn diesen Standpunkt korrigieren: er erweitert die göttliche Kausalität auf Kosten der menschlichen, immer an der empirisch scheinbar zweifellosen Tatsache einer inneren, seelischen Gesetzlichkeit festhaltend.“

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3. Kapitel: Der finite Geist

discern nor abstract the decree of the judgment from the command of the will […]. (A VII, 18, 314)

Jeder kann sich demnach als freier Akteur erfahren. Wenn finiten Geistern Handlungsfreiheit zuzuschreiben ist, dann bezieht sich diese auf Ideen. Während Bettcher der Meinung ist, der finite Geist vermöge es, Ideen zu produzieren und zu zerstören, – wobei sie zu der Konklusion kommt, es handle sich für Berkeley um ein Mysterium, wie dies geschehe72 – vertrete ich die Ansicht, dass die Freiheit des finiten Geistes im Umgang bzw. in der Selektion von Ideen besteht; eine Verursachung von Sinnesideen (auszuschließen sind selbstredend Imaginationen) übersteigt dessen Macht. Ergo kommt die Realisation von Sinnesideen allein Gott zu.73 Das mag auf den ersten Blick ein sehr enger Handlungsspielraum sein, doch schauen wir uns die Konkretion dieser Annahme an. Eine Ideenabfolge, der eine wahrnehmbare Regelmäßigkeit zuzuschreiben ist (im Sinne eines kausalen Verhältnisses), ist von finiten Geistern erfahrungsgemäß nicht manipulierbar. Beispielsweise gelingt das Entfachen eines Feuers nur dann, wenn Brennmaterial und Zünder vorhanden sind und die Rahmenbedingungen konstant bleiben (z.B. der atmosphärische Druck). Doch die Funktion und Qualität der Ideensukzession obliegt der Entscheidungsmacht finiter Geister, die etwa bestimmen, ob das Feuer positiv oder negativ zu werten ist. Auch kann die Perzeptionsdauer von Ideen mitbestimmt werden, indem man sich etwa von dem Sinneseindruck abwendet. Ein Ideenbündel bzw. charakteristische Qualitäten zu manipulieren, übersteigt den Kompetenzbereich. Lastly, I have no where said that God is the only agent who produces all the motions in bodies. It is true, I have denied there are any other agents beside spirits: but this is very consistent with allowing to thinking rational beings, in the production of motions, the use of limited powers, ultimately indeed derived from God, but immediately under the direction of their own wills, which is sufficient to entitle them to all the guilt of their actions. (D III: 237)

Philonous betont den Handlungsspielraum finiter Geister und weist zugleich auf dessen Grenzen hin: Der Wille ist frei, doch die Freiheit ist limitiert. Die Prämisse, Gott sei die einzige Ursache sämtlicher Sensationen, darf nicht aufgeweicht werden. Dennoch kommt dem Menschen die Macht zu, mit den perzipierten Sensationen umzugehen und sie in eingeschränktem Maße zu verändern. Am Beispiel der Entfachung eines Feuers ist eine differenzierte Antwort auf die Frage der Akteurskausalität zu geben, da zwei Ebenen zu beachten sind: Der Mensch kann das Feuer entfachen, indem er die von Gott zur Ver72 73

189.

T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 395f. S.a. P § 146. Vgl. auch R. McKim, „Berkeley on Human Agency“ (2. Kap., Anm. 47),

D. Die Seinsweisen des Geistes

165

fügung gestellten Mittel zur Hilfe nimmt; deshalb wird er bei diesem Vorgang in der Alltagssprache als Verursacher des Feuers bezeichnet. Doch funktioniert der Prozess der Entfachung nur, wenn der finite Geist die entsprechende Volition gebildet hat und Gott die hinreichenden Rahmenbedingungen erhält (Naturgesetze müssen z.B. weiterhin Gültigkeit besitzen). Obwohl die Dinge vollständig von Gottes Willen abhängen, kommt dem finiten Geist im Umgang mit diesen beschränkte Handlungsfreiheit und Kreativität zu.74 For it is evident that in affecting other persons, the will of man hath no other object, than barely the motion of the limbs of his body; but that such a motion should be attended by, or excite any idea in the mind of another, depends wholly on the will of the CREATOR. He alone it is who upholding all things by the Word of his Power, maintains that intercourse between spirits, whereby they are able to perceive the existence of each other. (P § 147)

Der finite Geist ist an einen Körper gebunden, der eine physische Grenze hinsichtlich des Umgangs mit Ideen darstellt; nur unter bestimmten Bedingungen bzw. innerhalb bestimmter Grenzen vermag er seinen Willen zu realisieren.75 Die Bildung einer Volition ist eine notwendige Voraussetzung für eine daraus resultierende Handlung. Dass sich die angestrebten Ereignisse einstellen, ist letztlich Gott zuzuschreiben: Gott stellt sowohl die Umstände als auch die Kraft zur Verfügung, damit die gewünschten Effekte bewirkt werden.76 Freiheit ist nach Berkeley folglich nur als bedingte denkbar.77 Allerdings ist Got74

Ein weiteres Argument für das Unvermögen der Produktion von Ideen durch finite Geister findet sich in dem Sachverhalt, dass Lebenszeit durch die Perzeption von Ideen definiert wird; eine Verlängerung der eigenen Lebenszeit übersteigt eindeutig den Kompetenzbereich. 75 Dramatischer ist die Frage nach der Urheberschaft bei körperlichen Bewegungen, ob man etwa selbst seinen Arm zu heben vermag. Vgl. P § 25: „Besides corporeal things there is the other class, viz. thinking things, and that there is in them the power of moving bodies we have learned by personal experience, since our mind at will can stir and stay the movements of our limbs, whatever be the ultimate explanation of the fact. This is certain that bodies are moved at the will of the mind, and accordingly the mind can be called, correctly enough, a principle of motion, a particular and subordinate principle indeed, and one which itself depends on the first and universal principle.“ S. a. P § 95. 76 Vgl. D III: 237: „[T]he use of limited powers, ultimately indeed derived from God, but immediately under the direction of their own wills“ sowie PC 107: „+ Strange impotence of men. Man without God. Wretcheder than a stone or tree, he having onely the power to be miserable by his unperformed wills, these having no power at all.“ Damit wird die bereits angedeutete Nähe zur okkasionalistischen Position Malebranches deutlich, die mit fortschreitender Reife Berkeleys Überwindung findet. 77 Darin stimmt Berkeley grundsätzlich mit neueren kompatibilistischen Freiheitstheorien überein. Vgl. auch die Widerlegung einer absoluten Freiheit in P. Bieri, Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens, Frankfurt a.M. 2006. Freiheit ist nach Bieri immer schon an Bedingungen geknüpft bzw. nur wenn es Einschränkungen gibt, ist es sinnvoll, von Freiheit zu sprechen. Allgemein ist für die Begründung von Handlungstheorien anzumerken, dass jegliche Theorie bestimmter Mechanismen bedarf, die den Rahmen be-

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3. Kapitel: Der finite Geist

tes Rolle nicht so zu denken, dass er in jedem Moment einspringt; dies wird schon durch die theologische Doktrin von der creatio conservata verhindert.78 Berkeleys Handlungstheorie wird von einigen Interpreten als große Schwachstelle gesehen. Ein Vorwurf lautet, diese Theorie hebe die Differenz zwischen Imagination und Realität auf.79 Allerdings ist der Vorwurf nicht haltbar, da eine derartige Interpretation eine Gleichsetzung von Volition und Aktion vornimmt. Diese Gleichsetzung gilt natürlich für Gottes Willen, der aufgrund seiner Allmacht unbeschränkt ist: „[T]han that an omnipotent spirit can indifferently produce every thing by a mere fiat or act of his will.“ (P § 152) Hinsichtlich finiter Geister bestehen die bereits ausgeführten Limitierungen für die Realisierung von Volitionen.80 Insofern eine große Nähe zwischen Selbst- und Gotteserkenntnis vertreten wird, erfolgt an dieser Stelle eine weitere Konkretisierung der Schöpfer-Geschöpf-Relation mithilfe von Freedmann, der die Ansicht vertritt, Berkeley verstehe die Wirklichkeit aus der Möglichkeit: „Die Sinnesideen verhalten sich zu Gott, wie die Phantasieideen zum Menschen; sie sind Schöpfungen des göttlichen Willens. Ihr wirkliches Dasein besteht in ihrem Wahrgenommenwerden vom menschlichen Geiste; ihr potentielles Dasein in der Gesetzmäßigkeit des göttlichen Willens.“81

Gott als Bewahrer der Welt realisiert die Umsetzung des menschlichen Willens. Das bedeutet nicht, dass dem finiten Geist keine Handlungsfreiheit zukommt, sondern vielmehr, dass Gott die Bedingung der Möglichkeit für das Handeln bereitet. Der finite Geist ist aufgrund der korrekten Erfassung der Handlungssituation, d.h. der Dechiffrierung der natürlichen Sprache in der Lage, realisierbare Ziele auszuwählen und zu verfolgen.82 Auch wenn Gott die Aufgabe zugeschrieben wird, die Existenz aller Dinge, die nicht aktual vom Menschen perzipiert werden, zu garantieren, handelt es sich nicht um ein deus ex machina-Verständnis.83 Abschließen möchte ich diesen Exkurs mit schreiben; nur mithilfe von Grenzen lässt sich eine Veränderung in der Welt durch den Willen überhaupt erfassen. 78 Gott hat die Welt geschaffen und somit die Möglichkeit zur Ausübung der Willensfreiheit; er ist der Bewahrer der Welt und der Naturgesetze, die eine physische Grenze für die Durchsetzung des menschlichen Willens bilden. 79 So etwa R. Imlay, „Berkeley and Action“, in: R. G. Muehlmann (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 171–183. 80 In PC 674 wird der enge Zusammenhang, der zwischen einer Perzeption und der Bildung einer Volition besteht, deutlich: „S.E. Distinct from or without perception there is no volition; therefore neither is their existence without perception.“ 81 L. A. Freedmann, Substanz und Kausalität bei Berkeley, Strassburg 1902, 25. 82 Freiheit zeigt sich auch in der Anerkennung Gottes; d.h. in der Weise der Interpretation von Welt. 83 Davidson meint dazu lakonisch: „All we ever do is move our wills: the rest is up to God.“ Quelle unbekannt, zitiert nach C. C. W. Taylor, „Action and Inaction in Berkeley“, in:

D. Die Seinsweisen des Geistes

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Flemings Würdigung, der Berkeleys Ansatz als einzige Freiheitstheorie, die dem Common Sense entspricht, erkennt: „[Berkeley’s] account is perfectly compatible with folk explanations of actions. In fact, it might be the only philosophical theory that is.“84 IV. Verstand Wenden wir uns nun der dritten Seinsweise des Geistes, dem Verstand zu. Berkeley beschreibt den Verstand unter einer bestimmten Perspektive als eine Art Handlung, wodurch erneut die Verwobenheit der unterschiedlichen Seinsweisen expliziert wird: S

Understanding is in some sort an Action. (PC 821)

*

The Understanding taken for a faculty is not really distinct from ye Will. (PC 614a)

Die unzähligen Textpassagen zur Parallelisierung von Wille und Verstand betonen die Gemeinsamkeiten der beiden Seinsweisen; daher können die Differenzen nicht wesentlich, sondern nur marginal sein. Terminologisch wird zwischen Verstand und Vernunft bei Berkeley nicht differenziert. Er benutzt sowohl den Terminus reason als auch understanding, doch werden diese nahezu synonym gebraucht, was eine exakte Bestimmung dieses Erkenntnisorgans in seinen Funktionen schwierig gestaltet.85 Der Seinsweise Verstand wird spätestens im Alciphron die Aufgabe der Gotteserkenntnis zugeschrieben, die einen engen Nexus zur Selbsterkenntnis aufweist und deren aktive Erkenntnisleistung zur Bestimmung aussteht. Für die Erörterung der Verstandesaktivität ist es um der Verständlichkeit willen sinnvoll, von Vernunft zu sprechen. Verstand ist der umfassendere Begriff, während der Vernunft ein spezifischer Erkenntnisbereich zuzuordnen ist.86 Diese terminologische Trennung erfährt weitere Bestätigung: J. Foster/H. Robinson (Hgg.), Essays on Berkeley. A Tercentennial Celebration, Oxford 2. Aufl. 1988, 211–225, 211. I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (2. Kap., Anm. 21), 317: „[W]e can choose where to look, but that when we look we cannot choose what we shall see.“ 84 P. Fleming, „Berkeley’s Immaterialist Account on Action“, JHP 44:3 (2006), 415–429, 429. 85 Hinsichtlich der Entwicklung des Rationalitätsverständnisses vertritt J. Wild, George Berkeley (2. Kap., Anm. 7), 157 die These, der junge Berkeley betone die Vernunft stärker als der späte: „Berkeley’s early treatises are all, in fact, dominated by the same spirit of confidence in reason which guided the speculations of the free-thinkers themselves. […] At no point does this early rationalism stand in a more striking contrast to Berkeley’s maturer thought than in his treatment of the problem of immorality.“ 86 Understanding ist gegenüber reason der allgemeinere Begriff, so W. Metz, „Vernunft; Verstand. V. 17. und 18. Jh. 2. Britische Philosophie“, in: J. Ritter/K. Gründer (Hgg.), HWP, Bd. 11, Darmstadt 2001, Sp. 813–816, Sp. 815 (Hervorhebungen im Original): „Der V[erstand] ist das Vermögen zu urteilen und zu schließen (infer). Die V[ernunft] ist zum einen das diskursive Vermögen des Schließens und Beweisens (demonstrate); Vernunftbe-

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3. Kapitel: Der finite Geist

The understanding, for instance, cannot alter its idea, but must necessarily see it such as it presents itself. The appetites by a natural necessity are carried towards their respective objects. Reason cannot infer indifferently any thing from any thing, but is limited by the nature and connexion of things, and the eternal rules of reasoning. (A VII, 17, 311)

Berkeley benutzt sowohl den Begriff understanding als auch reason. Letzterer bezieht sich auf den theoretischen Erkenntnisbereich, der limitiert ist. Vernunft wird als das Organ, und die anthropologische Konstante, bezeichnet, das nach bestimmten Regeln zu schlussfolgern vermag.87 Daher schlage ich eine terminologische Trennung von Verstand und Vernunft anhand unterschiedlicher Erkenntnisbereiche vor: Während sich die Vernunft vornehmlich der Gotteserkenntnis widmet, stellt der Verstand die umfassende Erkenntnisleistung dar. Vor der Behandlung des Verstandes wenden wir uns einer ersten Skizze des Gegenstandsbereiches der Vernunft zu. Auf der Ebene der Selbsterkenntnis weist Berkeley auf die Gefahr hin, die mit der superbia einhergeht, d.h. der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, insbesondere der Vernunft. Die Freidenker stehen als Paradigma für Sünde; jedoch nicht allein auf der äußerlichen Ebene des Lebenswandels, d.h. dass sie trinken, spielen und huren,88 sondern aufgrund der Selbstüberschätzung, die sich der natürlichen (bzw. kreatürlichen) Gottesbeziehung widersetzt. Diese Hybris manifestiert sich in der Verabsolutierung des eigenen Selbst respektive des eigenen Erkenntnisvermögens. Auf epistemologischer Ebene impliziert dies eine Verstellung des Zugangs zu tiefen Erkenntnissen: Theologisch gesprochen erfährt die Relation zu Gott dem Schöpfer eine Verneinung. Diese Negation besitzt ihre Klimax in der Selbst-Inthronisation des Hochmütigen, der den Platz Gottes einnehmen möchte: „[W]hile a minute philosopher, not six foot high, attempts to dethrone the monarch of the universe.“ (A IV, 1, 141) Dies ist der eigentliche Grund Berkeleys, die Vernunft zu limitieren.89 Die Grenzen der Vernunft sind empirisch erfahrbar; d.h. sie sind in den bestehenden Relationen und in den sog. ewigen Regeln des Schlussfolgerns zu

weise haben auch in der Offenbarungstheologie eine berechtigte Funktion. Zum anderen gibt es Vernunftüberlegungen und -erkenntnisse (mediation und ratiocinium), die über das Folgern und Schließen hinaus nichtsinnliche Wahrheiten ursprünglich enthüllen.“ 87 Vgl. A I, 14. 88 Vgl. A II, 13. 89 Vgl. die Bezungnahme Berkeleys auf die Korrespondenz von Locke und Limborch in PC 743: „S Locke to Limborch etc Talk of Judicium Intellectus preceding the Volition I think Judicium includes Volition I can by no means distinguish these Judicium, Intellectus, indifferentia, Uneasiness so many things accompanying or preceding every Volition as e.g. the motion of my hand.“ In dieser Notiz wendet sich Berkeley von Lockes Überzeugung explizit ab, einer Volition müsse ein Verstandesurteil vorausgehen. Dies ist bereits ein erster Schritt der Beschränkung der Verstandesleistung.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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lokalisieren.90 Für Berkeley ist von Relevanz, dass im Gegensatz zu sprachlichen Verbindungen, die erlernten Relationen einen objektiven Grund – d.h. sie sind intersubjektiv nachvollziehbar – in den Naturgesetzen besitzen. Die Ideenverbindungen werden von finiten Geistern nicht geschaffen, sondern innerhalb eines Regelrahmens mitkonstituiert: Die ausübende Vernunft bedeutet danach einen Zeichengebrauch, der an ein vorgegebenes Zeichensystem gebunden ist. Sie ist zu charakterisieren als ein relationales Organ, das sich auf Gottes Äußerungen bezieht und selbst Äußerungen adressiert, was die Ausrichtung auf die Erkenntnis Gottes als Gesprächspartner und einer adäquaten Dialogführung verdeutlicht.91 Alles deutet darauf hin, dass der Vernunft eine entscheidende Rolle für die Gotteserkenntnis zukommt, was im entsprechenden Kapitel erörtert wird. Gehen wir zurück zu dem umfassenderen Verstandesbegriff, dessen Limitierung passivische Formulierungen demonstrieren: Ideen werden vom Verstand perzipiert bzw. dechiffriert: „[B]ut I say, the things by me perceived are known by the understanding, and produced by the will, of an infinite spirit.“ (D II: 215)92 Ideen wirken auf den Verstand ein, sie affizieren ihn. Diese Erklärung formuliert Berkeley aufgrund der introspektivisch erfahrbaren Beobachtung, dass man sich selbst nicht als Ursache der perzipierten Sinnesideen erlebt. Die Fähigkeit der passiven Aufnahme bzw. Rezeption der Ideen gilt als Verstandesleistung. Der Verstand ist also kein rein theoretisches Erkenntnisorgan, das ausschließlich auf der sprachlichen Ebene operiert; vielmehr wird der Empirie bzw. den Affekten ein unabdingbarer Platz eingeräumt. Natürlich bleibt der Verstand nicht beim bloßen Rezeptionsvorgang stehen. Auf der mentalen Ebene besteht die Fähigkeit des Verstandes in der Erkenntnis von Zusammenhängen bzw. Regeln zwischen den perzipierten Zeichen. Der Verstand als relevantes Organ zur Dechiffrierung der göttlichen Sprache ist weder infallibel noch vollkommen autark, da Gott darauf einwirken kann. Erst wenn ein Sachverhalt, beispielsweise ein Ideenbündel, verstanden wurde, ist es auch begrifflich explizierbar. Das bedeutet, auf das Verstehen der perzipierten Ideen erfolgt die Festlegung bzw. Expression in Sprachzeichen. Ein bloßer Perzeptionsvorgang, den es im Grunde nur in der Theorie gibt, vermag kein Wissen zu generieren.93 Bestätigung finden diese Überlegungen auch hinsichtlich der Abgrenzung von Sinneserkenntnis und pure intellect: 90 Diese göttlichen Gesetze umfassen den Satz vom Widerspruch sowie den Satz vom ausgeschlossenen Dritten. 91 Mit der Zuschreibung von Vernunft als kommunikativer Rede wird zugleich ein biblisches Paradigma aufgenommen: Die Anrede Gottes, seine Offenbarung, ist verständlich. 92 Vgl. weiterhin NTV 17, 45, 130; P §§ 4, 27. 93 PC 587: „S The Understanding seemeth not to differ from its perceptions or Ideas. Qu: wt must one think of the Will & passions.“

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3. Kapitel: Der finite Geist

PHILONOUS. Since I cannot frame abstract ideas at all, it is plain, I cannot frame them by the help of pure intellect, whatsoever faculty you understand by those words. Besides, not to inquire into the nature of pure intellect and its spiritual objects, as virtue, reason, God, or the like; thus much seems manifest, that sensible things are only to be perceived by sense, or represented by the imagination.

Im Kontext der Verhandlung der Ideen wird auch die Rolle des Verstandes eruiert. Philonous betont dabei eine Unterscheidung zweier Bereiche: Während Sensationen von den Sinnen perzipiert werden, kommt dem reinen Verstandesvermögen (pure intellect) die Untersuchung von geistigen Gegenständen (spiritual objects) zu. Als Beispiele für letztere werden Tugend, Verstand und Gott angeführt. Dass diese geistigen Objekte einem, von der Erfahrung losgelösten Bereich zugehören, ist aufgrund der bisherigen Ausführungen auszuschließen. In P wird der Verstand als Vermögen charakterisiert, das hinsichtlich beobachtbarer Phänomene Deduktionen leistet, womit eine Rückbindung an die Sensationen gegeben ist.94 Ein vernünftiges Denken zeichnet sich dadurch aus, dass es weder Paradoxa oder Kontradiktionen impliziert noch konträr zum Common Sense steht.95 Generell ist das Vermögen der Wissensgenerierung dem Verstand zuzuschreiben. Dass sich der Verstand (hier reason) nicht immer durchsetzt, verdeutlicht Berkeley: It is a very extraordinary instance of the force of prejudice, and much to be lamented, that the mind of man retains so great a fondness against all the evidence of reason [… w]hen reason forsakes us, we endeavour to support our opinion on the bare possibility of the thing, and though we indulge our selves in the full scope of an imagination not regulated by reason […]. (P § 75)

Die Beschränktheit des Verstandes, die sich in falschen Deduktionen ausdrückt, wird an vielen Stellen verhandelt.96 Der Verstand rezipiert in einer passiven Haltung sinnliche Ideen und erschließt diese dann aktiv. Demnach lassen sich zwei Operationsweisen differenzieren: Während die sinnliche Welt mittels Rezeption erfahren wird, d.h. der Verstand vornehmlich passiv ist, erschließt er die geistigen Gehalte aktiv.97 Der Zugang zu letzteren erfolgt mittels Denktätigkeit, wobei diese nicht auf einen ausschließlich informati94 Vgl. das Beispiel, ob die Erde sich bewegt in P § 58. Auf diesem Verfahren fußt sämtliches Wissen von der Natur (knowledge of nature) P § 59. Berkeley unternimmt anhand dieser Methode seine wissenschaftstheoretischen Überlegungen (Distanzwahrnehmung, Aufhebung der Differenzierung von Qualitäten u.a.). S.a. D I: 174f sowie 189. 95 Vgl. D I: 172 sowie D I: 194: „[T]hus much seems manifest, that sensible things are only to be perceived by sense, or represented by the imagination. Figures therefore and extension being originally perceived by sense, do not belong to pure intellect.“ 96 „Sense is fallacious, reason defective.“ (Preface zu D: 167) 97 Sowie M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 172: „Die Erkenntnis von Geistigem muss den Weg über sinnlich Wahrnehmbares nehmen – daraus erhält die phänomenale Welt ihren Sinn.“ Doch darf man nicht in die cartesianische Falle tappen, wie es Fau ergeht: Es handelt sich eben nicht um zwei Erkenntnisbereiche.

D. Die Seinsweisen des Geistes

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onsverarbeitenden Prozess zu reduzieren ist. Berkeley sieht den Verstand nicht als eine Art noumenalen Logos, sondern als aktive Partizipation am Seienden.98 Es darf nicht der falsche Eindruck entstehen, dem Verstand würde nur Misstrauen entgegen gebracht werden; vielmehr setzt Berkeley in dieses Organ auch Vertrauen, da jegliche wissenschaftliche Arbeit, also auch die theologische, eines Vernunftmoments bedarf: Sämtliche Inhalte müssen Konsistenz aufweisen, um rational nachvollziehbar zu sein. Die starke Verwobenheit der Seinsweisen wird anhand des Perzeptionsvorgangs deutlich. Zunächst rezipiert und strukturiert der Verstand die perzipierten Ideen, der Wille konzentriert sich beim Denken wiederum auf eine Auswahl und im Denkprozess erfolgt die Auseinandersetzung mit diesen.99 Indem man dem Verstand vornehmlich Passivität und dem Willen Aktivität zuschreibt, ist zwar ein Zugang zu Berkeleys Geistverständnis gewonnen, doch letzterer besitzt nur vorläufige Legitimität. Eingangs wurde bereits auf die künstliche Trennung der unterschiedlichen Seinsweisen des Geistes hingewiesen, die dem Verständnis systematischer Zusammenhänge und Strukturen dient. Ein derartiges Artefakt, also eine künstliche Separation, wird Berkeleys holistischer Philosophie nicht gerecht, weshalb im nächsten Methodenschritt die Aufhebung derselben erfolgt. Berkeleys phänomenologische Beschreibung des eigenen Geistes unterstellt diesem im Alltag ein Bewusstsein von sich selbst, da dieser den Kern jeglicher Aktivität reflektiert. Daraus ist kein vollständiges Selbstbewusstsein für jeden Moment abzuleiten.100 Vielmehr betont Berkeleys Ansicht die Inadäquatheit eines Vergleichs von Ideen-Perzeption und Selbstwahrnehmung. Zwischen extramentalen Perzeptionen und intramentalen Operationen besteht eine qualitative Differenz. Aus diesem Grund wird an der These festgehalten, der Geist als immaterielle Substanz sei anhand von Effekten erkennbar.101 Damit sind wir bei der Frage nach dem Verhältnis von Aktivität und Passivität angelangt.

98

Diese Explikation des Verstandes bedeutet eine Demarkation gegenüber neuplatonischen Stufenmodellen, insofern Kommunikation immer schon als Ausdruck einer inneren Logizität zu verstehen ist. 99 Vgl. D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (1. Kap., Anm. 89), 199. Zugleich wird die Aktivität des Verstandes auf der Zeichenebene luzide: Wenn jemand lediglich eine ostensive Definition eines Ideenbündels gibt, ist fraglich, inwieweit ein Verständnis von den Ideenrelationen vorhanden ist. Hingegen wird man jemandem, der eine sprachliche Definition eines Ideenbündels gibt, ein besseres Verständnis zuschreiben. 100 Das würde Humes Kritik an vergleichbaren Theorien Auftrieb geben. 101 Ein Vorwurf, der u.a. von I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 271 erhoben wird, diagnostiziert eine Dependenz der Existenz eines Geistes von dessen Aktivität, die in perceiving, thinking and willing bestehe. Tipton löst dieses Problem m.E. richtig, indem Gott, der beobachtende Geist, finite Geister vor deren Auflösung bewahrt.

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3. Kapitel: Der finite Geist

E. Aktivität und Passivität E. Aktivität und Passivität

Die bisherigen Ausführungen haben vornehmlich die Aktivität des Geistes verdeutlicht: Der Geist denkt, will, versteht bzw. perzipiert und dechiffriert permanent Ideen. In Demarkation gegenüber Ideen, die vollkommen passiv sind, wird der Geist an zahlreichen Stellen als aktiv charakterisiert. Dennoch kommt dem finiten Geist keine unbegrenzte Aktivität zu; bei manchen mentalen Prozessen, wie beispielsweise der Rezeption, existiert ein passives Moment. Folgende Inkonsistenz scheint sich zu ergeben: Obwohl der Geist im Gegensatz zu den Ideen als etwas rein Aktives charakterisiert wurde, lässt sich eine Passivität diagnostizieren.102 Dieser Widerspruch in Berkeleys Geistlehre ist nachfolgend zu lösen. Im Zentrum stehen die Fragen, ob der Geist auch einen inaktiven Teil besitzt und inwieweit sich dieser in die Geistlehre integrieren lässt. Meines Erachtens handelt es sich bei der skizzierten Inkonsistenz um ein Scheinproblem für dessen Lösung die jeweilige Perspektive Relevanz besitzt; d.h. ob es verschiedene Handlungsebenen des Geistes gibt und falls ja, welchen Aspekten jeweils der Vorrang zukommt. Eine Lösungsoption ist, dem Geist hinsichtlich seiner internen Organisation verschiedene Grade von Aktivität zuzuschreiben, so dass der schwächste Aktivitätsgrad als nahezu passivisch bestimmt werden kann. Sofern der menschliche Geist als Geschöpf in einer Dependenzbeziehung zu Gott dem Schöpfer steht, ist bereits aus systematischen Gründen Passivität vonnöten. Wie das Kapitel zur Gotteslehre noch zeigen wird, ist allein Gott vollkommen aktiv. Der finite Geist hingegen ist in dieser Hinsicht defizitär – was bereits 102 In der Sekundärliteratur wird dieses Problem von A. D. Fritz, „Berkeley’s Self – Its origin in Malebranche“ (2. Kap., Anm. 47) betont und erfährt Fokussierung bei S. A. Grave, „The Mind and its Ideas: Some Problems in the Interpretation of Berkeley“, in: Ch. B. Martin/D. M. Armstrong (Hgg.), Locke and Berkeley. A Collection of Critical Essays, New York 1968, 296–313. Die Frage für letzteren ist, wie das sog. distinction principle, die These, der Geist sei von den Ideen verschieden, mit dem identity principle, wonach Ideen allein im Geist existieren können, in Einklang gebracht werden kann. Grave beobachtet bei Berkeley zwei konträre Anliegen: one to oblige men to see that if there were no minds there would be nothing at all; the other, to meet the demands of common sense. G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 191ff erkennt dieses Problem ebenfalls und stellt das distinction principle in den Kontext von act und object, während er das identity principle mithilfe einer adverbialen Analyse zu lösen sucht; demnach würde die Farbe rot nicht an sich wahrgenommen werden, sondern man würde rötlich perzipieren (to perceive redly). Er unterstellt Berkeley einen Wechsel zwischen beiden Prinzipien hin und her, wobei er dennoch der Überzeugung ist, Berkeley means to have just one point of view about our awareness of ideas. G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 199, Grave, I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (2. Kap., Anm. 21) und M. Atherton, „The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind“ (2. Kap., Anm. 35) schreiben dem identity principle den Primat zu. K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 292 bewertet die Textbelege für Berkeleys Akzeptanz des Identitätsprinzip als surprisingly meagre. Dem schließt sich R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (Anm. 9), 227 an.

E. Aktivität und Passivität

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die Bezeichnung finit verdeutlicht – und aus diesem Grunde ist er, im Vergleich zu Gott, nur limitiert aktiv.103 Wenden wir uns als erstes der Relation Geist - Ideen respektive der grundsätzlichen Verschiedenheit der beiden Relata (distinction principle) zu. Bei einer schematischen Demarkation gegenüber Ideen steht die Aktivität des Geistes im Vordergrund. Ideen sind vollkommen passiv und dependent von dem aktiven Geist, der mit diesen umgeht.104 Wenn man hingegen eine Differenzierung der divergierenden Bezugnahmen des Geistes unternimmt, ist ein reines Aktivitätsschema nicht aufrechtzuerhalten. Für problematisch wird folgende Textstelle befunden: PHILONOUS. In plucking this flower, I am active, because I do it by the motion of my hand, which was consequent upon my volition; so likewise in applying it to my nose. But is either of these smelling? (D I: 196)105

Der Geist ist nach Philonous bei der Bildung einer Volition, der bewussten Wahrnehmung eines Geruchs, aktiv. Mit der Konzentration auf eine distinkte Sensation, hier den Geruch, rücken andere Sinnesideen des Ideenbündels Blume in den Hintergrund (bzw. jene befinden sich nicht im Bewusstsein des perzipierenden Geistes). Eine vollständige Bestimmung der Geruchsqualität steht dem Geist nicht zur Disposition. In diesem Moment der Rezeption ist der Geist folglich auch passiv.106 Das steht in konträrem Widerspruch zu Berkeleys Aussagen bezüglich der Konstitutionsleistung von Realität finiter Geister: Das Sein der passiven Sinnesideen wird aufgrund des Perzeptionsaktes, der bisher als Tätigkeit des aktiven Geistes verstanden wurde, bewusst.107 Richten wir den Blick noch einmal auf das Verhältnis des Geistes zu den Ideen: „S Things are two-fold active or inactive, The Existence of Active things is to act, of inactive to be perceiv'd.“ (PC 673) Der aktive Geist geht 103

Dieser zentrale Punkt findet sich sowohl bei I. Hedenius, Sensationalism and Theology in Berkeley’s Philosophy (1. Kap., Anm. 109), 139 als auch bei D. Jacquette, „Berkeley’s Continuity Argument for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 35), 10: „Berkeley’s contention that perception is passive may be interpreted as meaning that human perception unaccompanied by an efficacious act of creative or continously creative and sustaining will is always passive but that divine perception is not.“ 104 So auch R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 222: „These mediate perceptions are, furthermore, ones in which the creative, or imaginative, or active power of our minds play a significant role. We literally make the furniture of the world […].“ 105 D I: 196: „PHILONOUS. […] Whatever more there is, as that I perceive such a particular smell or any smell at all, this is independent of my will, and therein I am altogether passive.“ Sowie BJC, 24. März 1730, 293: „That the soul of man is passive as well as active I make no doubt.“ 106 Die Passivität wird dem Geist auch bei der Perzeption von Licht und Farbe zugeschrieben (D I: 197). 107 Locke erkennt in der Wahrnehmung von Objekten ebenfalls einen bewussten Akt, vgl. Essay II 1,4 und 6,2.

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3. Kapitel: Der finite Geist

mit den passiven Ideen um; diese Aussage besitzt hinsichtlich der Relation von Geist und Ideen Validität.108 Bei einer intensiven Betrachtung intramentaler Strukturen erweist sich deren Komplexität: Der Geist ist aktiv und passiv zugleich. Die Passivität des Geistes, die als Rezeptivität von Ideen aufzufassen ist, bildet einen notwendigen Gegenpol im aktiven Geist. Das Bild des Mechanismus einer Batterie vermag zur Klärung des Verhältnisses von Aktivität und Passivität beitragen. Für die Erzeugung von Energie wird zwischen den zwei Polen einer Batterie eine Spannung aufgebaut. Nur aufgrund der beiden Pole kann Energie fließen und somit Aktivität (Strom) entstehen. Analog dazu funktioniert der finite Geist. Dieser benötigt, um überhaupt aktiv sein zu können, Ideen, die er rezipieren, d.h. nahezu passivisch aufnehmen kann. Von dieser partiell passiven Grundhaltung ist die Aktivität nicht zu separieren; letztere tritt in Erscheinung, sobald der Geist mit den unmittelbar perzipierten Ideen umgeht. Anhand des Blumenbeispiels lässt sich dieser Vorgang leicht verdeutlichen: Die Erscheinung einer Blume unterliegt nicht dem Willen finiter Geister – sie wird von Gott evoziert. Die Konzentration des Willens auf den Duft der Blume und somit die Bewertung dieser Qualität unterliegt dem persönlichen Gestaltungsfreiraum. Das Ideenmaterial wird passivisch rezipiert, doch bleibt dieser Sinneseindruck nicht neutral, sondern erfährt sofort einen Akt geistiger Umformung. Insofern jegliche Rezeption eine Einordnung in einen bestimmten Sinnkontext impliziert und somit einen mentalen Akt darstellt, ist der finite Geist streng genommen niemals passiv. Bei der Perzeption eines Ideenbündels konzentriert sich der Wille auf distinkte Qualitäten. Ingfolge ist auch der Rezeptionsvorgang nicht ausschließlich passiv, sondern weist ein aktives Element auf. Die Tatsache, dass der Geist beim Wahrnehmungsakt Realität mitkonstituiert, verdeutlicht das Zusammenspiel von Aktivität und Passivität. Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Geist aktiv bzw. passiv ist, antwortet Berkeley: „PHILONOUS. The mind therefore is to be accounted active in its perceptions, so far forth as volition is included in them.“ (D I: 196) Das Bilden einer Volition, d.h. der gewollte und freiheitliche Umgang mit der Realität als Ausdruck reiner Aktivität, fungiert als Trennlinie. Erneut ist zu betonen, dass jeder Rezeptionsvorgang Aktivität inkludiert, denn bereits die Systematisierung und Bewertung von Ideen erfolgt auf individuell unterschiedliche Weise und bezeugt die Freiheit und das kreative Potential des Geistes.109 108

Man könnte vermuten, der Geist sei limitiert aktiv bei dem Vorgang der Perzeption und vollkommen aktiv im Hinblick auf die Imagination. Doch mit dieser einfachen Unterteilung ergeben sich weitere Probleme. 109 So G. Migely, „Berkeley’s Actively Passive Mind“, in: Daniel, St. H. (Hg.), Reexamining Berkeley’s Philosophy, Toronto/Buffalo/New York 2007, 153–171, 156: „We may not always have a choice about which ideas we relate together, but we are the cause of that relation of ideas. In this sense, mediate perception is certainly not passive, precisely, because it involves mental operations.“ E. Stadelmann, Philosophie aus der Besinnung des Denkens auf

E. Aktivität und Passivität

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S There is somewhat active in most perceptions i.e such as ensue upon our Volitions, such as we can prevent & stop v.g I turn my eyes towards the Sun I open them all this is active. (PC 672a) S.E. Distinct from or without perception there is no volition; therefore neither is their existence without perception. (PC 674)

Etwas ist nach Berkeley bei den meisten Perzeptionen aktiv, insofern als ein aktiver Geist bewusst perzipiert; d.h. eine Willenstätigkeit begleitet den Vorgang. Daneben existiert eine latente Passivität im Geist.110 Aufgrund des kreativen Umgangs mit den Ideen erfährt der Geist sich selbst als aktiv, frei und lebendig. Dem Vorwurf der Inkonsistenz wäre nach Berkeleys eigener Definition zuzustimmen, falls aktiv und passiv als absolute Bestimmungen zu verstehen wären.111 Doch die Interpretation der inhärenten Spannung, analog zu einer Batterie, vermag Kohärenz zu gewährleisten. Der Geist ist als komplexe Einheit zu betrachten: Es geht nicht darum, diesen ausschließlich als passiv oder aktiv zu charakterisieren. Vielmehr ist mit der Aktivität ein Charakteristikum als erfahrbare Grundtendenz im Verhältnis zu den Ideen gemeint. Daneben besteht eine Passivität, die als Rezeption des Ideenmaterials zu werten ist. Zur Prävention von Missverständnissen ist erneut auf die Nichtidentität zwischen der Passivität des Geistes und der Passivität von Ideen hinzuweisen: Die Passivität der Ideen spiegelt eine Wesenseigenschaft wider; hinsichtlich des Geistes stellt die Aktivität das phänomenale Charakteristikum dar.112

sich selbst (1. Kap., Anm. 5), 145 erkennt die Ideen als ein Moor des Geistes und die nachträgliche Aufhebung der Unterscheidung von Ideen und Ich als besondere Leistung Berkeleys. 110 Zu erinnern ist an das Beispiel der vorbeifahrenden Kutsche, die zwar nicht direkt perzipiert wird, aber unterschiedlich stark und lebendig imaginiert werden kann. 111 Vgl. M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 158, S. A. Grave, „The Mind and its Ideas“ (3. Kap., Anm. 102), 297f und A. C. Lloyd, „The Self in Berkeley’s Philosophy“, in: J. Foster/H. Robinson (Hgg.), Essays on Berkeley. A Tercentennial Celebration, Oxford 1985, 187–209, 191ff. 112 G. Migely, „Berkeley’s Actively Passive Mind“ (3. Kap., Anm. 109), 166. Auch C. M. Turbayne, „Lending a Hand to Philonous“ (3. Kap., Anm. 30), 324 hat die Vereinbarkeit der beiden Prinzipien überzeugend dargelegt und löst die Spannung mit der Zuordnung von Passivität zum Verstand und Aktivität zum Willen (Hervorhebungen im Original): „Thus the Understanding (i.e. the thing standing under, as its synonyms indicate) is the passive capacity of supporting ideas, or of being a substance or subject in the sense of substratum, while the Will is an active power of making or creating ideas, or of being a substance in the sense of esse or ousia.“ Ch. J. McCracken, „Berkeley’s Notion of Spirit“ (3. Kap., Anm. 34) erkennt eine Inkonsistenz hinsichtlich der Einheit des Geistes aufgrund der Passivität und Aktivität desselben und unternimmt eine Zuordnung von Aktivität zum Willen und Passivität zur Wahrnehmung. Vgl. weiterhin M. Atherton, „The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind“ (2. Kap., Anm. 35) und R. M. Adams, „Berkeley’s Notion of Spiritual Substance“, in: W. E.

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3. Kapitel: Der finite Geist

Psychische Phänomene sind nach Berkeley sowohl unter einem aktiven als auch einem passiven Aspekt zu betrachten, da die klassische Subjekt-ObjektUnterscheidung aufgehoben ist. Ein mentaler Vorgang, wie etwa eine Perzeption, ist nicht als bloßes Sinnenobjekt, sondern zugleich als Ausdruck mentaler Tätigkeit zu werten. Es ist daran zu erinnern, dass auch das ep-Prinzip in zwei Varianten formuliert wurde: passivisch und aktivisch. Dieses Prinzip, das als Pfeiler von Berkeleys Denken gilt, verdeutlicht den essentiellen Zusammenhang von Aktivität und Passivität. Beide sind in ihrer Bezogenheit aufeinander nur artifiziell separierbar, denn der Nexus ist wesensmäßig. Weiterhin illustriert das Prinzip das Charakteristikum der Aktivität des Geistes bei jedem Perzeptionsakt: Nach Berkeley gibt es kein leeres Bewusstsein, denn der Geist befindet sich immer in actu. Die Aktivität lässt sich entweder anhand der verschiedenen Seinsweisen oder mithilfe des Spannungsmodells beschreiben. Beide Arten der Introspektion verdeutlichen die Komplexität der Einheit des Geistes. Die Analyse mentaler Akte hat gezeigt, dass die Rezeption von Ideen notwendig eine latente Passivität des Geistes impliziert, die eine sofortige Reaktion evoziert. So kommt es zu einem reziproken Prozess von latenter Passivität und vornehmlicher Aktivität beim Umgang mit Sinnesideen.113 Abschließend ist anzumerken, dass mit dieser Geisttheorie ein grundsätzliches Verhältnis zutage tritt, nämlich die Relation zu Gott: So wie die Welt nicht in sich subsistieren kann, benötigt auch der finite Geist seine Nahrung und diese besteht in den extramentalen Ideen. Die Möglichkeit sich auf etwas zu beziehen und mit etwas umzugehen ist die Chiffre dafür, sein Leben von Gott geschenkt zu bekommen. Diese fundamentale Einsicht wird uns im weiteren Verlauf der Arbeit noch mehrfach begegnen.

Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 424– 444, 428. 113 Dass bereits die Betrachtung eines sinnlich wahrnehmbaren Dings auch eine Aktivität des Betrachters impliziert, wird ebenfalls von B. Belfrage, „Berkeley’s Four Concepts of the Soul 1707–1709“ (3. Kap., Anm. 4), 186, Anm. 18 betont (Hervorhebung im Original): „But already when we regard something as one thing – as when a certain colour, taste, smell, figure, and consistence having been observed to go together, are accounted one distinct thing, signified by the name apple – then, I argue, this complex unity is created by us, according to NTV. It is the result of a combining together of ideas, which is done by the mind in such sort as experience shows it to be most convenient: without which our ideas had never been collected into such sundry distinct combinations as they now are.“

F. Dynamische Identität

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F. Dynamische Identität F. Dynamische Identität

Die vornehmliche Aktivität des Geistes legt die Vermutung nahe, die Selbstidentität hebe sich auf. Eine solche Interpretation würde jedoch im Gegensatz zur Alltagsintuition stehen und eine Diskrepanz zum realen Erleben aufweisen, weshalb wir nun eine Interpretationsmöglichkeit in Augenschein nehmen, nach welcher Substanz gerade in ihrer Dynamik Identität gewährleistet. In diesem Zusammenhang besitzt das Verhältnis von der Substanz des Geistes und den dazugehörigen Operationen Relevanz: Hier ist zu untersuchen, ob der Geist rein funktionalistisch zu verstehen ist, da sein Wesen operativ besteht114 oder ob er etwas ist, dem diese Funktionen zugehören.115 Wenn der Geist nur aus seinen Funktionen besteht, wird dessen Identität dadurch fragil; besteht er aus etwas anderem, so steht zum einen die Ergründung seines Wesens und zum anderen dessen Erkenntnismöglichkeit zur Untersuchung aus. Die Betrachtung hat bereits gezeigt, dass Identität für Berkeley in erster Linie ein begriffliches Hilfsmittel ist, das im Common Sense seinen Ausdruck findet; als ontologisches Prinzip ist es zu abstrakt und daher zu verwerfen.116 Die perspektivische Partikularität eines finiten Geistes impliziert die Uneindeutigkeit eines jeden Gegenstandes, insofern alles immer in Relation zum Wahrnehmenden besteht. Dennoch ist dem finiten Geist in seiner Individualität Identität zuzusprechen: Im Bewusstsein von sich selbst als denkender Geist kann man seine Identität trotz verschiedener Gedanken erleben.117 Damit kristallisiert sich das Problem zur Erklärung einer diachronen Identität heraus. Allgemein lassen sich zwei Identitätskonzeptionen, eine philosophisch-analytische und eine psychologische, ausmachen, die anhand klassischer Vertreter nachfolgend skizziert werden. Mein Anliegen ist nicht, die beiden Ansätze en detail zu erörtern; vielmehr geht es darum, zwei grundsätzliche Strömungen in der Identitätsphilosophie auszumachen, wobei die beiden 114 A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 164ff sowie S. A. Grave, „The Mind and its Ideas“ (3. Kap., Anm. 102), 244 (the mind is its thinking) sind der Ansicht, der Geist sei keine Substanz, sondern bloßer Operator. Vorliegende Interpretation versucht die Dynamik dieser Ansätze aufzunehmen und mit der Substanzthese Berkeleys zu harmonisieren. 115 So R. G. Muehlmann, „Berkeley’s Ontology and the Epistemology of Idealism“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 271–292, 281. 116 Grundsätzlich lässt sich Identität in numerische und qualitative Identität aufteilen, wobei Berkeley lediglich die Annahme letzterer akzeptiert. So auch L. Stubenberg, „Divine Ideas. The Cure-All for Berkeley’s Immaterialism?“, The Southern Journal of Philosophy 28:2 (1990), 221–249, 232. 117 In diesem Sinne kann Berkeley als Vorläufer von Kant gesehen werden, insofern Bewusstseinseinheit andere Formalia aufweist als Dingeinheit. Treffend ausgearbeitet hat dies E. Stadelmann, Philosophie aus der Besinnung des Denkens auf sich selbst (1. Kap., Anm. 5).

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3. Kapitel: Der finite Geist

dargestellten Vertreter jeweils einer zugespitzten Interpretation unterzogen werden, zugunsten einer Profilierung der damit auftretenden Probleme. Mit beiden Konzeptionen setzt sich Berkeley in seinen Schriften auseinander und entwickelt eine Synthese. Die erste Konzeption kann als analytische Identität bezeichnet werden und geht auf den Ununterscheidbarkeitssatz (principium identitatis indiscernibilium) von Leibniz zurück.118 Demnach ist ein Gegenstand A mit einem Gegenstand B identisch, wenn kein Unterschied zwischen A und B zu finden ist. Damit wird die Ununterscheidbarkeit von Gegenständen in ihren inneren Bestimmungen expliziert. Identität wird folglich als Prädikat gebraucht, mithilfe dessen ein raumzeitlicher Gegenstand einzeln bezeichnet und von anderen differenziert werden kann. Umgekehrt ist mithilfe dieses Prädikats die Identifizierung eines Gegenstandes trotz unterschiedlicher Perspektiven gewährleistet. Diese harte Identitätskonzeption, die einen grundlegenden Satz der Logik darstellt, impliziert jedoch das Defizit, Veränderungen nicht fassen zu können bzw. entsprechende Phänomene sprengen den Erklärungshorizont.119 Interessanterweise wird das Leibniz-Prinzip häufig dahingehend interpretiert, dass für die Identität eines Gegenstandes nur die essentiellen Qualitäten (im Gegensatz zu den akzidentellen) konstitutiv sind. Es wird eine hinter den Eigenschaften liegende, unveränderliche Substanz zur Bewahrung von Identität postuliert. Diese Argumentation hat Berkeley bereits verhandelt und als philosophische abstrakte Idee verworfen, da sie weder erfahrbar noch demonstrierbar ist.120 Da der finite Geist immer in einer konkreten Situation Realität perzipiert, steht er immer schon in einem Verhältnis zu sich und dem Ding, auf das er sich bezieht. Die zweite Konzeption zur Erklärung von Identität ist eine genuin psychologische, die der Frage nachgeht, wie eine Person trotz unterschiedlicher Rollen und Veränderungen in der Zeit kontinuierlich mit sich identisch bleiben kann. In der Sozialpsychologie existiert der Ansatz, Identität als komplexe Eigenschaft zu verhandeln, die man in einem bestimmten Lebensabschnitt erwerben kann. Als Vertreter wird paradigmatisch der Entwicklungspsychologe Erik H. Erikson skizziert, wobei hier ebenfalls keine ausführliche Darstellung angestrebt wird. Seine Konzeption wird ausschließlich zu dem Zweck angeführt, den Gegenpol zur logisch-philosophischen Identität zu pointieren. 118

Vgl. dazu K. Lorenz, „Die Begründung des principium identitatis indiscernibilium“, in: Studia Leibnitiana. Supplementa, Erkenntnislehre. Logik. Sprachphilosophische Editionsberichte, Bd. 3, Wiesbaden, 1969, 149–159, der diesen Satz rekonstruiert und die entsprechenden Kontroversen dazu beleuchtet. 119 In der Interpretation dieses Prinzips existieren gravierende Unterschiede, die an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden können. 120 Vgl. dazu die Widerlegung des Materiebegriffs (1.3.3.2). S.a. D. Berman, „Berkeley’s Quad. The Question of Numerical Identity“, in: IdS 16 (1986), 41–45.

F. Dynamische Identität

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Identität ist nach Erikson die Unverwechselbarkeit des Individuums, die sich aus der organischen Einmaligkeit und den individuellen Lebensumständen einer Person ergibt.121 Anhand eines Universalität beanspruchenden Stufenmodells, das stark an Freuds Psychoanalyse orientiert ist, hat Erikson für die Zeit der Adoleszenz die Problematik der Identitätsfindung beschrieben. Selbständig bildet der Mensch in dieser Stufe seine Identität aus, wobei er um Integration verschiedener Aspekte der bisherigen Selbsterfahrung bemüht ist. Der erfolgreiche Abschluss der Identitätsfindung ist das stabile Fundament des Individuums für dessen weitere Lebenserfahrungen. „[I]ch habe darzustellen versucht, dass die in der Kindheit gesammelten Ich-Werte in die IchIdentität münden. Das Gefühl der Ich-Identität ist also das angesammelte Vertrauen darauf, dass der Einheitlichkeit und Kontinuität, die man in den Augen anderer hat, eine Fähigkeit entspricht, eine innere Einheitlichkeit und Kontinuität (also das Ich im Sinne der Psychologie) aufrechtzuerhalten. Dieses Selbstgefühl [...] wächst sich schließlich zu der Überzeugung aus, dass man auf eine erreichbare Zukunft zuschreitet, dass man sich zu einer bestimmten Persönlichkeit innerhalb einer nunmehr verstandenen sozialen Wirklichkeit entwickelt.“122

Das System enthält wichtige Themen, mit denen ein Mensch im Laufe seines Lebens konfrontiert wird. Nach Erikson geht das Produkt jeder Krisenbewältigung in die nachfolgende Stufe ein. Die Entwicklungsrichtung ist durch eine normative Abfolge der acht Entwicklungskrisen mehr oder weniger vorgegeben.123 Diese Identitätskonzeption ist unter rein empirischen Aspekten durchaus interessant, doch bringt eine invariante und Universalität beanspruchende Stufentheorie Probleme mit sich.124 Von Relevanz ist die Behauptung, Identität erlange man erst mit Abschluss der Adoleszenz.125 Laut Erikson erfolgt eine bewusste Verschmelzung der durchlaufenen Stufen, wodurch Identität bewusst gestaltet wird. Pointiert formuliert ist einem Menschen Identität erst nach Durchlauf des Adoleszenzstadiums zuzuschreiben, was ein Bewusstsein um die Bereiche (bzw. Rollen), mit denen er sich identifiziert, bedeutet. Identität ist folglich eine Qualität und nur gegeben, wenn man ein Bewusstsein 121 Im Allgemeinen ist der Begriff des Individuums gegenüber dem Universalen zu definieren. 122 E. H. Erikson, Identität und Lebenszyklus, Frankfurt a.M. 1973, 107 sowie 123ff. 123 Das Ziel stellt eine autonome und sozial-integrierte Identität der Persönlichkeit dar, die Verantwortung für andere übernimmt und sich letztlich als ein zeitgebundenes Element in einem sozialen und historischen Universum versteht. 124 Selbsterklärend sind beispielsweise heterogene Lebensbedingungen in unterschiedlichen Kulturen. D. Henrich, „Identität – Begriffe, Probleme, Grenzen“, in: O. Marquard/K. Stierle (Hgg.), Identität, München 1979, 133–186, 136 betont, der sozialpsychologische Identitätsbegriff enthalte einige philosophische Probleme, die allerdings eine unkontrollierte Bedeutungsverschiebung in der Behandlung erfahren, da Assoziationen vor den ausgearbeiteten Gedanken gestellt würden. 125 Vgl. E. H. Erikson, „Identifikation und Identität“, in: L. v. Friedeburg (Hg.), Jugend in der modernen Gesellschaft, Köln/Berlin 1965.

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3. Kapitel: Der finite Geist

über sie erlangt hat.126 Diese aus der Psychologie entliehene Konzeption verdeutlicht den zeitlich gebundenen Entwicklungsprozess eines Menschen. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Aspekten Identität konstatiert wird, ist gewissermaßen arbiträr. Erikson hat zwar einen plausiblen Zeitpunkt herausgegriffen, doch die Verkürzung des Erklärungshorizonts ist augenscheinlich. Diese zweite Konzeption war Berkeley natürlich nicht bekannt, doch dienen die empirischen Grundlagen in abgeschwächter Form einer Konkretisierung der Überzeugungen des Common Sense; d.h. man geht im Alltag von der Annahme aus, jeder Mensch entwickle im zeitlichen Kontinuum ein zunehmend ausgeprägtes Ich-Bewusstsein. Die Schwäche dieses Konzepts liegt in der ausschließlichen Empirie, die eines tieferliegenden Fundaments entbehrt. Die Stärke ist dabei nicht von der Hand zu weisen, insofern man sich nach Abschluss der Persönlichkeitsentwicklung seiner Identität bewusst ist. Die Frage, ob die Identität einer Person mit deren Bewusstsein identifiziert werden kann, wird explizit in A verhandelt. Alciphron formuliert ein Gedankenexperiment und verteidigt die These, dass ein Mensch, der nach einem Unglücksfall sein Bewusstsein verloren hat, nicht mehr dieselbe Person sei. Dabei räumt er ein, derselben Person sei es möglich, Ideen auszutauschen bzw. neue zu generieren. Euphranor widerlegt diese Konzeption anhand einer Kontradiktion. Das Bewusstsein einer Person wird in drei Zeitspannen eingeteilt, wobei im Zeitabschnitt A eine gewisse Anzahl von Ideen erworben wird. Während des zweiten Abschnitts B werden so viele neue Ideen dazu gewonnen, dass das Bewusstsein nun zur einen Hälfte aus alten und zur anderen Hälfte aus neuen Ideen besteht. Im dritten Zeitabschnitt C verliert sie den Rest der in Abschnitt A erworbenen Ideen und anstelle dieser werden neue gewonnen. Nun zeigt sich, dass Person A identisch mit B ist, da diesen eine Überschneidung der Ideenmenge zukommt. Analoges gilt für Person B und C. Daraus ist die Identität der Person A mit Person C zu deduzieren, obwohl keine gemeinsame Ideenmenge vorliegt. Die Identität einer Person kann dementsprechend nicht ausschließlich anhand von Bewusstseinsinhalten erklärt werden. Der Geist ist nicht mit dem Ideenstrom zu identifizieren; dieser ist zwar ein markantes Charakteristikum, doch dies allein vermag keine diachronische Identität des Geistes zu garantieren. In obigem Gedankenexperiment werden paradigmatisch die Probleme der zwei konträren Konzeptionen deutlich. Alciphron argumentiert rein analytisch, doch weist sein Argument eine Kontra-

126 Dagegen wird häufig das empirische Argument angeführt, dass dasjenige, wodurch ein charakteristisches Verhältnis von Welt und Selbst gestiftet wird, bereits bei Kleinkindern erkennbar ist.

F. Dynamische Identität

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diktion auf. Euphranor, Berkeleys Gewährsmann, sucht, die analytische mit der psychologischen Identitätskonzeption zu vereinbaren.127 Berkeley argumentiert nicht spekulativ; sein phänomenologisches Vorgehen hat die Seinsweisen wahrnehmen, denken und wollen diagnostiziert. Darüber hinaus existiert eine Metaebene, von der aus diese Operationen betrachtet werden können: PHILONOUS. How often must I repeat, that I know or am conscious of my own being; and that I my self am not my ideas, but somewhat else, a thinking active principle that perceives, knows, wills, and operates about ideas. (D III: 233)

Der Geist ist sich seines Wesens offensichtlich bewusst und weiß, dass dieses nicht mit den perzipierten Ideen zu identifizieren ist.128 Wenn der Geist ausschließlich mit seinen Operationen gleichzusetzen wäre, würde es sich bei jedem neuen Akt um etwas völlig anderes handeln. Die Frage nach der Identität ließe sich dann nicht mehr stellen. Doch Berkeley kennt ein Selbst zur Gewährleistung von Identität. Unter Substanz wird im Allgemeinen etwas Stabiles, konträr zum Veränderlichen verstanden. Diese Stabilität ermöglicht überhaupt erst Veränderungen. Daraus resultiert nicht notwendig ein Substanz-Akzidenz-Schema; vielmehr bietet bei Berkeley die Substanz als das, zu dem man eine untrügliche Selbstgewissheit hat, die Basis für die Seinsweisen des Geistes. Der Substanzbegriff ist gerade nicht statisch aufzufassen, insofern der Geist sich permanent selbst vollzieht, indem er auf individuelle Weise mit den perzipierten Ideen umgeht.129 S Substance of a Spirit is that it acts, causes, wills, operates, or if you please (to avoid the quibble yt may be made on ye word it) to act, cause, will, operate its' substance is not knowable not being an Idea. (PC 829)

Substanz wird hier anhand unterschiedlicher Geistestätigkeiten, die im Agieren, Verursachen, Wollen und Operieren bestehen, beschrieben. Ein weiteres Argument, das gegen die Bündeltheorie spricht, ist, dass eine bloße Ansammlung von Denkoperationen nicht das Vermögen besitzt, sich selbst zu beobachten. Dazu bedarf es einer Metaebene, die nach Berkeley ebenfalls im Geist zu lokalisieren ist. Erst wenn eine höhere Ebene im System existiert, können die darin ablaufenden Operationen reflektiert, gewollt und somit auch ausgeführt werden.130 Substanz ist demnach der Geist in seinen Seinsweisen; 127 Dass Berkeley die psychologische Ansicht vom Geist als einem System fließender Ideen verworfen hat, wurde bereits bezeugt. J. Dancy, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 142 ist jedoch der Ansicht, man könne niemals sein Selbst ergreifen. 128 Vgl. W. H. Beardsley, „Berkeley on Spirit and its Unity“, History of Philosophy Quarterly 18:3 (2001), 259–277. 129 R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 175 hingegen: „[M]ental substances cannot be individuators.“ 130 So auch bei N. Luhmann, Einführung in die Systemtheorie, Heidelberg 2. Aufl. 2004, 66ff

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3. Kapitel: Der finite Geist

zugleich kommt diesem ein reflexives Vermögen zu, d.h. er vermag sich selbst bei seinen operativen Tätigkeiten zu beobachten.131 Als letztes ist das bereits bekannte Argument der Ohnmacht passiver Ideen anzuführen. Hence there can be no idea formed of a soul or spirit: for all ideas whatever, being passive and inert, vide Sect. 25, they cannot represent unto us, by way of image or likeness, that which acts. A little attention will make it plain to any one, that to have an idea which shall be like that active principle of motion and change of ideas, is absolutely impossible. Such is the nature of spirit or that which acts, that it cannot be of it self perceived, but only by the effects which it produceth. (P § 27)

Erneut wird betont, dass Substanz an sich nicht perzipiert werden kann, sondern lediglich deren Wirkungen, die sich in den drei Seinsweisen bzw. deren relationalem Gefüge äußern. Ein zu berücksichtigender Einwand lautet, dass mit dieser Geistkonzeption eine Differenzierung zwischen geistiger Substanz und deren Tätigkeiten bzw. Volitionen nicht zu leisten sei. Genau genommen fallen beide, so die Kritik, zusammen.132 Man kann diesen Einwand als Problem sehen oder als Schlüssel zu einer außerordentlich gelungenen Geistkonzeption. Gerade die Dynamik des Geistes bewahrt dessen Substanz, im Sinne von Identität auf einer höheren, selbstreflexiven Metaebene. Aus demselben Grunde ist eine Differenzierung möglich, wie auch Migely bemerkt: „The mind may be inseparable from ideas and volitions, but it still remains distinct from them […] The mind is not a sponge. Instead, when the mind perceives immediate sensory ideas, the mind is at the same time operating upon those ideas.“133

Die Metapher, bei Substanz handle es sich um einen Schwamm, der alle Ideen passivisch in sich aufsauge, ist zu verwerfen, denn der Geist ist beim Rezeptionsvorgang auch aktiv. Wichtig ist weiterhin, dass Substanz nicht atomistisch ist, da in Berkeleys System alles relational strukturiert ist.134 Finite Geister 131

P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“ (2. Kap., Anm. 35), 127: „On this construal to be a substance is to be a non-causal support or ground for the existence of a dependent entity. […] The perceiver, as non-causal ground for the existence of an ontologically subordinate sensible, fills the role of substance.“ 132 Vgl. dazu R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 178. Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (1. Kap., Anm. 23), 289 betont ebenfalls die Relationalität: „Der Inhalt des Bewusstseins erschöpft sich ihm nicht in den einzelnen Daten der Empfindung und Vorstellung, sondern er entsteht erst in ihrer wechselseitigen Verknüpfung: das Bewusstsein ist seiner Natur nach kein ruhender und geschlossener Bestand, sondern ein ständig sich erneuernder Prozess.“ 133 G. Migely, „Berkeley’s Actively Passive Mind“ (3. Kap., Anm. 109), 165. P. D. Cummins, „Perceiving and Berkeley’s Theory of Substance“ (2. Kap., Anm. 35), 131 löst das Substanzproblem mit der kurzen Fomel: „Supporting is perceiving. Substance is that which perceives.“ 134 Unstrittig ist, dass man nach Berkeley von der mentalen Substanz kein Wissen wie von den Ideen erlangen kann. Denn wenn es sich um eine Schicht handelt, in der die Ideen existieren sollen, befindet sich diese auf einer anderen Ebene. Falls man dennoch den Fehler bege-

F. Dynamische Identität

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sind ein Beziehungsgeflecht, das zugleich ein Verhältnis zur Welt und zu Gott impliziert, wodurch transtemporale Identität gewährleistet wird. Die Voraussetzung von Identität innerhalb der Gottesbeziehung beinhaltet zugleich die Identität Gottes, wie im Kapitel zur Gotteslehre noch zu zeigen ist. Der Grund menschlicher Identität ist unverfügbar; sie ist allein in der kommunikativen Beziehung zu Gott konstituiert. Somit lässt sich Identität als Gabe Gottes verstehen, die den finiten Geist entlastet, nicht permanent auf sich selbst bedacht sein zu müssen, da Gott diese Aufgabe übernimmt. Zur Verdeutlichung der starken Verwobenheit der Relata dient folgende Identitätsdefinition von Muck, die für die weitergehende Interpretation hilfreich ist: „Der Ausdruck I[dentität] bezeichnet eine gedankliche Beziehung, welche die durch das diskursive Denken ermöglichte Vervielfältigung der Vergegenwärtigung eines Gegenstandes aufhebt. A ist identisch mit B besagt dann: Trotz der Verschiedenheit der Bezeichnung durch A und B ist das damit Bezeichnete nicht Verschiedenes, weshalb die Vervielfältigung und die Unterschiedenheit der Glieder der I[dentitäts]-Beziehung allein im Denken gründet. In weiterer philosophischer Analyse wird die I[dentität] in Abhebung von Differenz aufgefasst und als Möglichkeitsbedingung des Unterschiedenen und Vielfältigen gesehen.“135

In dieser Definition wird Identität als reflexive Beziehung bestimmt, die der Mensch gedanklich herstellt.136 Jede Identitätszuschreibung erfordert einen finiten Geist, der diese Zuschreibung leistet. Zugespitzt formuliert bedeutet dies, dass sich das Identitätsproblem im Alltag nicht stellt, da es ein artifizielles, philosophisches ist. Berkeley würde dem zustimmen und betonen, dass mit Identitätszuschreibungen ein pragmatischer Nutzen einhergeht. Jeglicher Versuch, Identität zu definieren, führt zu Schwierigkeiten. Eine Problematik äußert sich in der Arbitrarität der Merkmale, die zur Herstellung von Identitätsrelationen herangezogen werden: Eigenschaften einer Person sind aufgrund starker Varianzen zu deren Identifikation ungeeignet.137 Dieser Aspekt findet in der dargestellten harten Identitätskonzeption der Philosophen zu wenig Berücksichtigung, da sich dahinter häufig ein rigides Weltbild mit eihen würde, den Geist auf derselben Ebene wie die Ideen zu verorten, würde eine Hierarchie innerhalb der Ideen aufgemacht werden, womit das Problem eines infiniten Regresses entstünde. 135 O. Muck, „Identität“, in: J. Ritter/K. Gründer (Hgg.), HWP, Bd. 4, Darmstadt 1976, Sp. 144 (Hervorhebung im Original). 136 S.a. W. Pannenberg, „Person und Subjekt“, in: O. Marquard/K. Stierle (Hgg.), Identität, München 1979, 407–422, 407: „Wenn Identität im Unterschied zur Kategorie der Einheit ein Reflexionsbegriff ist, und zwar in dem Sinne, dass darin die Einheit ausdrücklich zum Thema der Reflexion wird, dann muss sich die Frage stellen, ob Identität ohne ein solche Reflexion vollziehendes Subjekt denkbar ist. Aber andererseits stellt sich auch die Frage nach der Identität des Subjekts selber. Diese Frage ist mit der Doppelheit, in der wir uns in unserm Selbstbewusstsein wissen, immer schon gegeben, mit der Einheit des Selbstbewusstseins aber auch immer schon beantwortet.“ 137 Das klassische Beispiel hierfür ist die Entwicklung eines Babys bzw. Kindes hin zum Erwachsenen.

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3. Kapitel: Der finite Geist

nem objektiven Seinsbegriff verbirgt. Dieser Seinsbegriff wäre auch bei ontologischer Übertragung in einen Immaterialismus für Berkeley zu eng gefasst.138 Identität ist für Berkeley ein abstraktes Wort, dessen Inhalt kaum zu greifen ist. Die alltägliche Bedeutung kennt jeder Mensch, doch philosophische Antworten bergen die Gefahr reiner Gedankenkonstrukte, die zu weit von der empirischen Welt entfernt sind. Aus den bisherigen Erörterungen ist deutlich geworden, dass es sich bei Identität (analog zu Existenz) um eine Eigenschaft handelt, die als positive Bestimmung finiter Geister angeführt werden kann. Berkeley leugnet das Konzept der numerischen Identität nicht, aber diagnostiziert diesem eine gewisse Unsinnigkeit, was er mit der Tatsache begründet, dass man zwar die Ununterscheidbarkeit zweier Gegenstände behaupten, diese jedoch vom Standpunkt eines finiten Geistes aus niemals sicher wissen kann. Abschließend ist festzuhalten, dass Berkeleys aktiver Geist nicht Unveränderlichkeit impliziert, wie es in einer analytischen Identitätslehre der Fall ist, denn der Fokus liegt auf dessen Aktivität. Auch ist der Geist nicht mit dem permanenten Ideenfluss zu identifizieren, wie in psychologisch-phänomenologischen Theorien angenommen wird. Berkeley synthetisiert beide Ansätze und erkennt die Gottesbeziehung als Garant für Identität. Unter theologischen Gesichtspunkten ist jeder Geist in seiner Individualität eine imago dei, wodurch die Existenz von etwas Kontinuierlichem gewahrt bleibt.139 Identität ist nach dieser Ausführung in der selbstreflexiven Dynamik des Geistes begründet. Berkeley versteht Substanz als dynamisches Relationengeflecht und versucht damit den Anforderungen der Phänomene von Prozessen, die besonders im Common Sense Berücksichtigung finden, gerecht zu werden.140 Damit wird ein Minimum an Identität gewahrt, das für die Zuschreibung einer individuellen Partikularität relevant ist, insofern letztere sowohl der Bürge für die Konkretheit in der Welt als auch von freiheitlichem Handeln ist.141 Die Anstrengung um den Begriff einer immateriellen Substanz expliziert genau diesen Aspekt: Substanz bürgt einerseits für die Konkretion finiter Geister und garantiert dadurch deren Individualität; zugleich ist sie ewig im Hinblick 138 U.a. schreibt F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 86 Berkeley eine harte Identitätskonzeption zu: „In Berkeley identity is identity and there is no change in spiritual substance.“ Und: „Identity is absolute; a spirit is what it is.“ 139 M. A. Hight, „Berkeley and Bodily Resurrection“, JHP 45:3 (2007), 443–458, 453: „Berkeley simply assumes in his metaphysics that the numerical identity of the mind or soul […] is preserved over time, including after death.“ 140 J. Wild, George Berkeley (2. Kap., Anm. 7), 170f: „The self is now seen as dependent. […] The self, as well as the world, is an abstraction. […] Nothing can be accepted as a solid basis. Everything is dependent upon something else. Everything is both true and false. Everything is appearance, and yet absolutely real.“ (Hervorhebung im Original). 141 Vgl. dazu Ch. Schwöbel/C. Gunton (Hgg.), Persons, Divine and Human. King’s College Essays in Theological Anthropology, Edinburgh 1992.

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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auf die Seele. Abzulehnen ist jegliche Substanzkonzeption, die universal bzw. allgemein zu denken wäre, was eine Aufhebung des konkreten Personseins mit sich bringen würde.142

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

Den bisherigen Erörterungen zur Geistlehre kommt hinführender Charakter für das nun anstehende Kapitel zu. In den Blick rücken die divergierenden Bezugnahmen auf den eigenen Geist, insofern jegliche geistige Aktivität einen selbstreferentiellen Charakter impliziert. Auf die Erörterung zum Wesen des Geistes folgt nun die Frage, wie sich der Vollzug der Selbsterkenntnis nach Berkeley gestaltet. Dabei werden wir zunächst die Selbstbezugnahmen als eine besondere Wissensform analysieren und vor diesem Hintergrund eine Annäherung an den Terminus notion wagen. Anschließend wird anhand von Textexegesen die Interpretationshypothese belegt, dass Selbsterkenntnis triadisch strukturiert ist. Vereinfacht ist unter Selbsterkenntnis die Anwendung des Erkenntnisprozesses auf den eigenen Geist zu verstehen. Wie im Kapitel zur Ontologie deutlich wurde, existiert bei Berkeley kein Subjekt dem eine objektive Realität gegenübersteht, sondern Realität wird erst aufgrund der Perzeption Gottes respektive des finiten Geistes in ihrem Sein erhalten. Auch zeigt das dynamische Zusammenspiel der drei Seinsweisen Denken, Wille und Verstand, dass der Geist sich selbst nicht verobjektivieren lässt: Der eigene Geist ist kein Gegenstand des Verstandes, da letzterer in erstem integriert ist. Insofern ist obige simplifizierte Beschreibung von Selbsterkenntnis, im Sinne einer Subjekt-Objekt-Relation, in Anwendung auf Berkeleys Geistlehre inadäquat. Weiterhin erschwert der Sachverhalt, beim Geist handle es sich um etwas vornehmlich Aktives, das aus dynamischen Relationen besteht und sich in verschiedenen Seinsweisen zeigt, den Erkenntnisvorgang. Per Ausschlussverfahren ist festzustellen, dass Geister nach Berkeley weder empirisch noch abstrahierend, d.h. aus reiner Verstandestätigkeit erkannt werden können. Die aktuale Frage ist nun, auf welche Weise sich der Geist als etwas Aktives und Immaterielles nach Berkeley auf sich selbst beziehen kann. Berkeley sieht in der Erkenntnis des eigenen Geistes eine besondere Form von Wissen. Für die Erfassung der Besonderheit dieses Wissens, sind die Differenzen der Erkenntnisbereiche Welt und Selbst zu bedenken. Während Rea142 C. Gunton, The One, the Three and the Many, Cambridge 1992, 199: „The aim of Berkeley’s polemic against atheism and scepticism was in part to establish the concreteness of the particular.“ Allerdings diagnostiziert Gunton eine Schwachstelle in Berkeleys Schöpfungslehre, insofern diese keine Vermittlung zwischen Einheit und Differenz der Gegenstände zu leisten vermag.

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3. Kapitel: Der finite Geist

lität mittels empirischer Beobachtung erkannt wird, – die mentalen Aktivitäten bei diesem Prozess zunächst einmal außer Acht gelassen – besitzt der finite Geist ein Wissen via Introspektion um seine mentalen Zustände. Erinnern wir uns an die jeweils unterschiedliche Zuordnung von sinnlichen und imaginativen Ideen: Die Erkenntnis der Welt verlief über die Perzeption von Sinnesideen, die ontologisch dependent hinsichtlich des perzipierenden Geistes sind. Die Aktivität des finiten Geistes wurde vornehmlich in der Bildung von Volitionen und den weniger lebhaften imaginativen Ideen gesehen. Doch weder Perzeptionen noch Volitionen besitzen Relevanz für den Vorgang der Selbsterkenntnis. Berkeley betont mehrfach, der aktive Geist lasse sich nicht in einer Idee repräsentieren. Dass der eigene Geist erkannt werden kann, ist für ihn unstrittig. [W]ith regard to which [spirits], perhaps human knowledge is not so deficient as is vulgarly imagined. The great reason that is assigned for our being thought ignorant of the nature of spirits, is, our not having an idea of it. But surely it ought not to be looked on as a defect in a human understanding, that it does not perceive the idea of spirit, if it is manifestly impossible there should be any such idea. And this, if I mistake not, has been demonstrated in Sect. 27: to which I shall here add that a spirit has been shown to be the only substance or support, wherein the unthinking beings or ideas can exist: but that this substance which supports or perceives ideas should it self be an idea or like an idea, is evidently absurd. (P § 135)143

Berkeley konstatiert zunächst die Existenz irreführender, jedoch Allgemeingültigkeit beanspruchender Annahmen hinsichtlich der Kenntnis vom eigenen Geist. Als falsch wird die Ansicht entlarvt, es gäbe lediglich ein defizitäres Wissen vom Geist. Ein weiterer Fehlschluss besteht in der Behandlung des Geistes analog zu sinnlichen Gegenständen, was dessen Wesen nicht gerecht wird, da sich der Geist nicht mithilfe von Ideen perzipieren lässt. Die Argumentation gründet zum einen in der Dependenzrelation von Geist und Ideen und zum anderen der Unangemessenheit eines Repräsentationsverhältnisses beider Entitäten. Eine Passage aus dem Kontext der Substanz-Frage, untermauert diesen Sachverhalt: „[N]o idea can be like a spirit. We have therefore no idea of any spirit.“ (D III: 232) Wenn der Geist nicht perzipiert werden kann, es zugleich aber möglich sein soll, eine Kenntnis zu generieren, stellt sich das Problem der Bezugsweise. Philonous weist auf eine besondere Form der Bezugnahme hin, die der Begriff notion verdeutlichen soll. Bevor wir uns den divergierenden Bezugsweisen des Geistes zuwenden, gilt es, zwei dafür bedeutsame Termini zu klären: knowledge und notion. Zunächst erfolgt eine knappe Erläuterung des Berkeleyschen Wissensbegriffs. Das englische Wort knowledge wird kontextuell unterschiedlich benutzt. Berkeley unternimmt einen bewussten Rekurs auf den Wissensbegriff mit dem 143 Vgl. auch die Zweitüberschrift der Dialogues, wonach die Demonstration der Unsterblichkeit der Seele angepriesen wird, was eine Kenntnis des zu beweisenden Gegenstandes impliziert.

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

187

Ziel der Abwehr des Skeptizismus. Grundsätzlich ist nach Berkeley jegliche Einsicht Gott zu verdanken: Wissen kann es immer nur in Relation zu Gott geben, da dieser die Möglichkeit für Erkenntnisse bereithält.144 Als Kind seiner Zeit existiert für Berkeley noch keine terminologische Differenzierung von propositionalem Wissen und Gewissheit. Man kann ihm insofern eine unsaubere Sprache vorwerfen oder aber den geschichtlichen Kontext berücksichtigen. Nach Berkeley handelt es sich um einen Fehler, eine neue Weise der Wahrnehmung mentaler Ereignisse zu postulieren.145 Das Bewusstsein ist das einzige Organ, mittels dessen Wissen generierbar ist. Wissen von der Welt kann aufgrund der Perzeption von Sinnesideen generiert werden. Eine Bestätigung unterschiedlicher Bezugsweisen auf Welt und Geist bei Berkeley bezeugt P § 86: „From the principles we have laid down, it follows, human knowledge may naturally be reduced to two heads, that of ideas, and that of spirits.“ Für den Bereich der Selbsterkenntnis spielt eine weitere Form von Wissen, das mit dem schwierigen Terminus notion umschrieben wird, die entscheidende Rolle. Dieses Wissen um den eigenen Geist ist auch für die Gotteserkenntnis bedeutsam.146 Folgendes Zitat vermittelt einen ersten Eindruck, was für eine Art Wissen sich hinter notion verbirgt: „In vorphilosophischen Auffassungen wird W[issen] auch als eine besondere Zugangsweise zu bzw. Vertrautheit mit einem Sachverhalt verstanden.“147 Neben der unmittel-

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J. Dancy, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 79ff verbindet das Wissen des Menschen mit dem Wissen Gottes anhand der Lehre der Gottebenbildlichkeit. Da Gott ideationales Wissen besitzt und der Mensch sein Ebenbild ist, vermag letzterer auch wahres Wissen zu erlangen. E. Craig, The Mind of God and the Works of Man (3. Kap., Anm. 23), 29ff weist darauf hin, dass sich das Wissen Gottes vom Wissen des Menschen nur quantitativ jedoch nicht qualitativ unterscheidet. 145 S.a. P § 136. 146 I. T. Ramsey, „Berkeley and the Possibility of an Empirical Metaphysics“, in: W. E. Steinkraus (Hg.), New Studies in Berkeley’s Philosophy, New York/Chicago/San Francisco u.a. 1966, 13–30, bes. 15–19 bezieht die Verwendung von notion vorwiegend auf den Bereich der Selbsterkenntnis. 147 J. Hardy/S. Meier-Oeser, „Wissen I. A. Terminologie“, in: J. Ritter/K. Gründer (Hgg.), HWP, Bd. 12, Darmstadt 2004, Sp. 855–856, Sp. 855. Die Autoren weisen darauf hin, dass bis ins 18. Jh. noch keine terminologische Differenzierung zwischen Wissenschaftstheorie und Erkenntnistheorie existiert. Der engl. Ausdruck knowledge bezieht sich sowohl auf Wissen als auch auf Wissenschaft. Vgl. weiterhin K. P. Winkler, „Berkeley and the doctrine of signs“, in: ders. (Hg.), The Cambridge Companion to Berkeley, Cambridge/New York/Melbourne u.a. 2005, 125–165, 149: „In early modern philosophical English, the word notion sometimes simply served as a substitute for idea, but at other times notions and ideas were distinguished. The difference, roughly put, is that notions were regarded as objects more of intellect than of sense, and as objects whose conception requires active intellectual effort, as opposed to passive reception. Berkeley’s second-edition use of notion recalls that contrast. In the second edition he says not only that we have notions rather than ideas of the mind itself, but that we have notions rather than ideas of its acts or operations. He is willing to speak of

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3. Kapitel: Der finite Geist

baren, empirischen Erkenntnis wird also eine Kenntnis im Sinne einer eigentümlichen Vertrautheit mit dem zu betrachtenden Gegenstand postuliert. Voraussetzung für die Kenntnis vom eigenen Geist als einem aktiven Prinzip bildet ein Bewusstsein, das sich anhand verschiedener Seinsweisen zeigt. Nur wenn die eigenen Aktivitäten bewusst sind, ist die Option der Reflexion auf diese bzw. deren relationales Gefüge gegeben. Berkeley benutzt für diesen konkreten Prozess den Terminus notion.148 Anschließend wird die Interpretation verfolgt, dass notion zum einen bereichsspezifisch verwendet wird und zum anderen, dass es sich um eine Art erste Vorstellung von dem Erkenntnisgegenstand bzw. -bereich handelt, die sich in einem weiteren Schritt begrifflich realisieren lässt. Nach einer ersten Skizzierung dieses umstrittenen Terminus wenden wir uns nun der eigentlichen Frage, dem Prozess der Selbsterkenntnis bei Berkeley zu. Dass es sich bei dem Vorgang der Selbsterkenntnis um keine zweistellige Relation handeln kann, ist aus den bisherigen Ausführungen hervorgegangen. Die Erörterung nimmt ihren Ausgang bei nachstehendem, äußerst kontrovers diskutierten Paragraphen, der drei unterschiedliche Bezugnahmen (bzw. Wissensformen) auf den eigenen Geist bezeugt: Ein unmittelbares Wissen (intuitive knowledge), das nicht hinterfragbar ist, die Reflexion auf die eigenen intellektuellen Operationen (reflexion) und der Vorgang, der mit dem Terminus notion umschrieben wird: We comprehend our own existence by inward feeling or reflexion, and that of other spirits by reason. We may be said to have some knowledge or notion of our own minds, of spirits and active beings, whereof in a strict sense we have not ideas. In like manner we know and have a notion of relations between things or ideas, which relations are distinct from the ideas or things related, inasmuch as the latter may be perceived by us without our perceiving the former. To me it seems that ideas, spirits and relations are all in their respective kinds, the object of human knowledge and subject of discourse: and that the term idea would be improperly extended to signify every thing we know or have any notion of. (P § 89, Hervorhebungen C.N.)

Die Kontroverse besteht in der Lesart der beiden oder (or) als Adjunktion oder Disjunktion. Die Interpretation verfolgt die Annahme, Berkeley grenze das inward feeling vom Vorgang der reflexion ab, weshalb das erste or disjunktiv zu lesen ist, während der Terminus notion mit knowledge nahezu identifiziert wird. Daraus ergibt sich oben genannte dreifache Weise der Bezugnahme auf den eigenen Geist. Innerliches Gefühl, Reflexion und notion stelwords for the mind and its actions as meaning, signifying or denoting their objects, but they do so without the intervention of ideas.“ 148 Analog zu dem Begriff idea besitzt notion eine Historie, die Berkeley jedoch entweder ignoriert oder sich darin nicht explizit verortet. Vgl. dazu die Einleitung von A. Broadie, Notion and Object. Aspects of Late Medieval Epistemology, Oxford 1989, wonach sich die Begriffsgeschichte von notion bis zu Thomas von Aquin, William Ockham und Pierre d’Ailly zurückverfolgen lässt.

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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len drei Bewusstseinsformen dar, mittels derer ein Verständnis von der eigenen Existenz zu erreichen ist. Dementsprechend ist Selbstbewusstsein insgesamt triadisch strukturiert.149 Jede Bewusstseinsebene ist als Selbst(er)kenntnis im weiten Sinne zu werten, da eine vollständige Kenntnis vom eigenen Geist nach Berkeley per se exkludiert wird. Jede Bezugnahme erweist lediglich eine Facette dieser komplexen Entität. Dies ist seiner Ansicht nach aufgrund der beobachtbaren Aktivität des Geistes, wodurch eine statische Verobjektivierung desselben verhindert wird, offenkundig.150 Die Trennung der drei verschiedenen Erkenntnisebenen wird unter systematischen Aspekten im Sinne der distinctio formalis vorgenommen. Beim mentalen Selbstvollzug sind die Ebenen so stark miteinander verwoben, dass eine eindeutige Differenzierung nahezu unmöglich ist; analog zu den Operationen des Geistes ist beim intentionalen Gerichtetsein auf das eigene Selbst das Wissen um die eigene Existenz oder die selbstreflexive Relation von einer ersten Vorstellung nach Berkeley nicht hinterfragbar. Die Kenntnis vom eigenen Selbst hebt sich aus dem Grunde deutlich von anderen Erkenntnissen – wie beispielsweise der Mathematik – ab, da der zu untersuchende Gegenstand weder exakt definiert werden kann, noch eine universal gültige Methode zur Verfügung steht. In diesem Kontext wird die Individualität des Selbsterkenntnisprozesses offenkundig: Die Erkenntnis einer allgemeinen, spirituellen Substanz ist auszuschließen, denn jegliche Form der Selbsterkenntnis besitzt entsprechend dem partikularen Erkenntnisgegenstand eine eigene Note, die sich in unterschiedlicher Akzentuierung und Gestaltungsweise der Bezugnahme widerspiegelt. Selbsterkenntnis ist kein linearer Prozess, sondern verläuft auf drei Ebenen: Intuitives Gefühl, Reflexion und Notion bilden ein Beziehungsgefüge und sollen nachfolgend beleuchtet werden. Die unterste und tiefste Schicht bildet das intuitive Gefühl; d.h. das eigene Selbst wird erahnt, ohne dass damit ein deskriptiver Erkenntnisgewinn bezüglich mentaler Qualitäten o.ä. einhergeht. Es handelt sich um ein präreflexives Bewusstsein, das sprachlich per definitionem nicht erfassbar ist.151 Diese Ebene ist von zentraler Bedeutung, da sie Gewissheit beinhaltet und nach Berkeley unmittelbares Wissen (immediate knowledge) garantiert: Das untrügliche, 149 Auch R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 206ff erkennt in der Systematisierung diverser Themen bei Berkeley, wie etwa der Ontologie, des Realismus oder der Sprache, eine triadische Struktur. 150 Bereits A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 164 hat darauf hingewiesen, dass Bewusstsein und Selbstbewusstsein tend to merge and become synonymous. 151 Zu erinnern ist an Berkeleys Misstrauen gegenüber dem abuse of words, der besonders hinsichtlich der Erkenntnis von Seele und Geist von Bedeutung ist. Diese für Berkeley zentrale philosophische Leitlinie bezeugt die Vorsicht gegenüber rein deskriptiven Wissensformen. T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 70 hingegen ist der Ansicht, Berkeley vertrete keine prälinguistische Reflexionstheorie.

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3. Kapitel: Der finite Geist

tiefe Gefühl von der eigenen Existenz, hinter das man nicht zurückgehen kann. Via Diskursivität ist diese Ebene nicht erreichbar, da das Gefühl eine Gewissheit von der eigenen Existenz bezeugt.152 Diese unmittelbare Kenntnis impliziert ein Bewusstsein um das eigene Sein als etwas Lebendiges. Es handelt sich um ein jeden geistigen Akt begleitendes, und insofern mitgesetztes Gefühl.153 Die beschriebene Erkenntnisebene entspricht meines Erachtens dem, was Berkeley mit dem schwierigen Term Substanz bezeichnet.154 Doch sind der Substanz keine Qualitäten zu supponieren, als sich der Geist als Einheit erfährt und noch nicht in Distanz zu sich getreten ist. Das präreflexive Bewusstsein um den eigenen Geist entbehrt auf dieser untersten, gefühlten Ebene jeglicher Spaltung.155 Berkeley bringt diesen Sachverhalt knapp zum Ausdruck: „I know what I mean by the terms I and myself; and I know this immediately, or intuitively.“ (D III: 231) Diese schwierige, an Wittgenstein erinnernde Aussage, entfaltet das Gewicht eines intuitiven Wissens um das eigene Sein gegenüber jedem sprachlichen Argument. Für Berkeley steht der Erweis nicht-empirischer Erkenntnisse hinsichtlich des mentalen Bereichs im Mittelpunkt, was sich anhand der doctrine of notions noch zeigen wird. Gegenständliches Wissen ist fallibel, doch im Hinblick auf das inward feeling existiert kein Gegenstand, kein Objekt, auf das Bezug genommen werden könnte; infolge ist diese Kenntnis implizit, unmittelbar und präreflexiv.156 Das bedeutet, 152

H. M. Bracken, Berkeley, New York 1974, S. Bonk, We see God (2. Kap., Anm. 46), 95, Ch. J. McCracken, „Berkeley’s Notion of Spirit“ (3. Kap., Anm. 34), 145f und T. Stoneham, Berkeley’s World (1. Kap., Anm. 7), 210f erkennen im intuitiven Wissen vom Selbst eine große Nähe zu Descartes. Diese Sichtweise lässt sich damit erklären, dass Berkeley sowohl ein direktes, nicht-perzeptuelles Wissen vom Selbst kennt als auch ein unmittelbarintuitives. 153 Das sog. intuitive knowledge ist nicht mit der Vorstellung angeborener Ideen zu verwechseln, die Berkeley stark kritisiert. Vgl. die Ausführungen zum Ideenbegriff in Kapitel 1.B.I. 154 S. Bonk, Immaterialismus (1. Kap., Anm. 5), 121 sieht in dem unmittelbaren Wissen von der eigenen Existenz das entscheidende Argument gegenüber der Annahme materieller Substanzen. 155 Bei Sartre ist das präreflexive Bewusstsein die Ursache seiner selbst; es begründet und erfasst sich selbst. Vgl. J.-P. Sartre, Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie, Bd. 3, Reinbek bei Hamburg 1991, 17ff sowie „Die Transzendenz des Ego. Skizze einer phänomenologischen Beschreibung“, in: ders., Die Transzendenz des Ego. Philosophische Essays 1931–1939, Reinbek bei Hamburg 1994, 39–96. Das Bewusstsein wird präreflexives cogito oder Sein des percipere genannt: Als Ursprung seiner Erkennbarkeit ist Bewusstsein nicht jenseits der Phänomenalität, sondern deren Ursprung. Die Gemeinsamkeit als auch Differenz zu Berkeley ist augenscheinlich. 156 Folgende Passage aus P § 3 steht konträr zu meiner Interpretation, da intuitive knowledge hier auf den empirischen Bereich bezogen ist: „And it seems no less evident that the various sensations or ideas imprinted on the sense, however blended or combined together (that is, whatever objects they compose) cannot exist otherwise than in a mind perceiving

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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dass im Geist das Wissen um sich selbst immer schon vorhanden ist. Auf dieser intuitiven Ebene kann der Geist keiner Täuschung unterliegen, denn es existiert keine kognitive Distanz, weshalb diese Form der Selbstkenntnis einzigartig und inkomparabel ist.157 Das inward feeling ist a priori und besteht in der Gewissheit von der eigenen Existenz, welche in einem nächsten Schritt zu reflektieren ist. Dieses Gefühl ist etwas sehr intimes, denn es ist nicht vermittelbar und bei allen Geistern auf individuelle Weise vorhanden.158 Daraus ergibt sich, dass die Kenntnis des eigenen Geistes nicht die Bedeutung von Geist im Allgemeinen impliziert. Diese erste bzw. unterste Ebene ist eine wichtige Prämisse für die Formierung eines bewussten Bewusstseins um den eigenen Geist und dessen Operationen, d.h. für ein infallibles Wissen um die Relation von Geist und Ideen. Das intuitive knowledge bedarf nach Berkeley keines Beweises, da in dieser ursprünglichen Erfassung die Differenz zwischen Wahrgenommenem und Wahrnehmungsakt noch nicht gesetzt ist. Die zweite Ebene richtet sich auf die mentalen Operationen und weist dadurch einen Inhalt auf: Man erkennt die Aktivität des eigenen Geistes. Diese ist anhand des Umgangs mit Ideen wahrnehmbar, den Berkeley als reflexion bezeichnet.159 Whereas the being of my self, that is, my own soul, mind or thinking principle, I evidently know by reflexion. […] I say lastly, that I have a notion of spirit, though I have not, strictly them. I think an intuitive knowledge may be obtained of this, by any one that shall attend to what is meant by the term exist when applied to sensible things.“ Der Widerspruch ist deutlich und kann nur gelöst werden, indem man Berkeley terminologische Unsauberkeit unterstellt. 157 F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 24: „For Berkeley, the immediacy of self-knowledge, the intimate grasp of the I is the king-pin for his whole metaphysical system – which he comes to see as the interpersonal dialogue among I’s.“ 158 Der Mensch ist sich aufgrund des intuitiven Selbstgefühls derart durchsichtig, dass diese Form von Bewusstheit übergangen wird: Er übersieht sein Bewusstsein gewissermaßen beim bewussten Gerichtetsein auf sich selbst. An diesem Punkt zeigt sich, wie schwer sich Berkeleys Denken systematisieren lässt: Jedem Versuch ist größte Vorsicht geboten, die Dynamik des Geistes nicht in ein statisches Konzept zu pressen. 159 Wie bereits angesprochen, werden in der Sekundärliteratur das inward feeling sowie reflexion weitestgehend synonym betrachtet, wobei ein Dissens feststellbar ist. Neben R. A. Mall, Der operative Begriff des Geistes. Locke, Berkeley, Hume, Freiburg/München 1984, 158 betont auch Ernst Cassirer, Das Erkenntnisproblem (1. Kap., Anm. 23), 312, Anm. 1 das nicht-reflexive Verfahren Berkeleys: „Auch die Reflexion bedeutet bei Berkeley kein diskursives Verfahren, sondern lediglich den intuitiven Akt, in dem das Ich sich selbst und seine Wesenheit erfasst; sie kann daher dem inneren Selbstgefühl (inward feeling) unmittelbar gleichgesetzt werden.“ (Hervorhebung im Original). M. E. ist eine derartige Interpretation inadäquat, da Berkeley die Möglichkeit eines reflexiven Verhältnisses anerkannte. T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 47 vertritt die dazu konträre Position, beim inward feeling handle es sich um einen Reflexionsakt, der jeglichen Denkvorgang begleite. Damit wird das innere Gefühl der rationalen Erkenntnis gleichgesetzt, wodurch unterschiedliche Aspekte Nivellierung erfahren.

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3. Kapitel: Der finite Geist

speaking, an idea of it. I do not perceive it as an idea or by means of an idea, but know it by reflexion. (D III: 233)

Auf der Reflexionsebene tritt der Geist in eine artifizielle Distanz zu sich bzw. seinen Operationen. Der Geist erfasst die Seinsweise Denken, wodurch ein Inhalt gegeben ist, den es gegenüber Ideen zu demarkieren gilt.160 Aufgrund der Möglichkeit, zu sich selbst ein reflexives Verhältnis einzunehmen, steht man vor der Aufgabe, auch mit nicht-unmittelbaren Erfahrungen umzugehen. Hinsichtlich der Betrachtung des Selbst lässt sich zwar eine gewisse Analogie zur Perzeption von Ideen feststellen, doch sind die Seinsweisen Wille, Verstand und Denken nicht via Ideen zu fassen; beim Reflexionsvorgang auf das Selbst bzw. die Vermögen, sind letztere immer schon in den Beobachtungsvorgang involviert, was ein Bewusstsein um das Wie des Geistes impliziert. Zugleich stellen die drei Seinsweisen die ausführenden Organe des auf sich selbst gerichteten Perzeptionsaktes dar. Das unmittelbare Gefühl wird auf dieser Ebene entfaltet. Das bedeutet, dass der Geist einen Zugang zu sich als Subjekt hat und somit paradoxerweise gleichzeitig zum Objekt wird.161 Der Terminus reflexion bedeutet ein auslegendes Bewusstsein um die gefühlten mentalen Aktivitäten.162 Nach Berkeley kann mittels Introspektion jeder finite Geist eine unaufhörliche Sukzession von Ideen perzipieren. Während dieses Perzeptionsvorgangs erfährt sich der finite Geist als aktiver Beobachter. Diese Selbsterfahrung inkludiert einen Reflexionsakt, denn man muss sich auf sich selbst beziehen, um die eigene Aktivität beschreiben zu können. Der Prozess der Selbstreflexion ist aufgrund des Problems des Fremdpsychischen von keiner anderen Person überprüfbar. Es handelt sich also um einen persönlichen, individuell geprägten Vorgang, bei dem eine Distanz zwischen dem Selbst und den eigenen Gedanken existiert, welche die Möglichkeit einer (Selbst-) Täuschung beinhaltet. In diesem Sinne könnte man den Vorwurf anbringen, die zweite Form des Selbstbezugs garantiere keine Gewissheit, da kein Korrektiv zur Demaskierung falscher Propositionen existiert. Dieser Vorwurf ist mithilfe des intuitiven Gefühls auszuräumen, insofern der finite Geist sich nicht vollständig, sondern lediglich die Wirkungen (effects) seiner Operationen perzipiert. Die Differenz zwischen intuitiver Erkenntnis und Reflexionsvorgang besteht darin, dass man ein intuitives, gefühltes Wissen um die Faktizität der eigenen Existenz besitzt, während das reflexive Wissen eine bewusste Gerichtetheit auf den Geist erfordert. Es wurde festgestellt, dass der 160 Dass eine Abgrenzung gegenüber dem Ideenreich möglich ist, vermag der bereichsspezifische Geistzugang, der sowohl mittels intuitive knowledge als auch notion besteht, zu leisten. 161 D III: 232: „For you neither perceive matter objectively, as you do an inactive being or idea, nor know it, as you do your self by a reflex act.“ 162 A. C. Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 166: „[P]erhaps [...] ‘reflexion’ is simply an awareness of what is discovered by inference from the felt facts of mental activity.“

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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Mensch einen vernünftigen Geist besitzt und ihm damit ein reflexives Vermögen nicht nur auf das eigene Selbst, sondern auf die gesamte Realität zukommt. Dadurch partizipieren finite Geister am Sein der Dinge, indem sie auf diese reflektieren. Die reflexiven Akte sind als Expression des wesensmäßigen mentalen Seins zu werten. Die dritte Ebene, die mit dem Terminus notion umschrieben wird, ist die wichtigste für Berkeley, denn diese bildet analog zur Selbsterkenntnis einen Schlüssel für die Gotteserkenntnis. Der Begriff weist eine Entwicklung auf, weshalb sämtliche Interpretationen als spekulativ zu bewerten sind. Sicher lässt sich nur beobachten, dass Berkeley im Laufe seines geistigen Reifeprozesses den Terminus notion von idea differenziert, indem er den Termini jeweils unterschiedliche Erkenntnisbereiche zuschreibt: Notions sind nicht mittels sinnlicher Perzeptionen erfassbar, sondern werden entweder (im Falle der Selbsterkenntnis) durch eine erste Vorstellung vermittelt oder (im Falle der Gotteserkenntnis) mittels eines Reflexionsaktes auf die imago dei.163 Ebenso wenig wie eine Idee etwas Materielles repräsentiert, sondern bereits die Perzeption ist, kann notion nicht als Abbild des eigenen Geistes aufgefasst werden. Notion impliziert immer schon den Geist selbst. Nachfolgend wird ein Rekonstruktionsversuch unternommen, der mit bisher Gesagtem in Kohärenz zu bringen ist. Grundsätzlich gibt es eine Spannung, ob der Terminus notion ein diskursives oder intuitives Wissen beinhaltet. Es wird die Interpretation vertreten, dass es sich bei notion um etwas davon Divergierendes, nämlich eine erste Vorstellung handelt, die den Weg zum Wissen (knowledge) vom eigenen Geist und Gott bereitet.164 We may be said to have some knowledge or notion of our own minds, of spirits and active beings, whereof in a strict sense we have not ideas. In like manner we know and have a notion of relations between things or ideas, which relations are distinct from the ideas or things related, inasmuch as the latter may be perceived by us without our perceiving the former. To me it seems that ideas, spirits and relations are all in their respective kinds, the object of hu-

163 Ebd., 50. Vgl. weiter die Ansicht von I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (2. Kap., Anm. 21), 65: „It is certainly reasonable to conjecture that he was unhappy about describing the self which is primarily that which knows and only secondarily an object of knowledge in the same terms as other objects, which are always and essentially objects of knowledge for mind.“ R. Sporbert, Der Gottesbegriff Lockes und Berkeleys (1. Kap., Anm. 55), 33 sieht die Differenz im Kontext der zu explizierenden Gotteslehre. J. McDonough, „Berkeley, Human Agency and Divine Concurrentism“,JHP 46:4 (2008), 567–590, 578 erkennt in notion analog zu sinnlichen Perzeptionen einen Erfahrungsbegriff, der jedoch dadurch Abgrenzung erfährt, dass er aktive Wesen zu repräsentieren vermag, wodurch ein semantischer Skeptizismus vermieden wird. 164 Als weitere Stütze für diese Interpretation ist anzuführen, dass Berkeley in seiner Argumentation gegen einen Materialismus u.a. das Argument fehlender notions anführt. S.a. D. E. Flage, „Berkeley’s Notions“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 404–423, 412 der eine Inadäquatheit diagnostiziert.

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3. Kapitel: Der finite Geist

man knowledge and subject of discourse: and that the term idea would be improperly extended to signify every thing we know or have any notion of. (P § 89)

Notion bezieht Berkeley im Gegensatz zu Ideen explizit auf Geister bzw. deren Aktivität, woraus deren bereichsspezifische Verwendung abgeleitet werden kann.165 Die Frage nach der Ausdehnung auf den Bereich der Relationen wird vorerst ausgeblendet. Das Konzept der Ideen hilft für den Prozess der Selbsterkenntnis nicht weiter, sondern dient als Gegenbegriff. Der Geist ist so komplex, dass er sich selbst nicht fassen kann – aus diesem Grund wählt Berkeley den Begriff notion.166 Wie Malebranche ist Berkeley der Ansicht,167 der Geist lasse sich nicht mithilfe einer Idee repräsentieren, sondern vermag sich selbst nur in seiner jeweiligen Seinsweise zu erfahren. Damit erlebt der Geist nur Fragmente seiner selbst. Das Konzept der notion hingegen ermöglicht dem Geist eine Vorstellung als Einheit. Auch wenn der Geist nicht objektivierbar ist, gelingt die Generierung von Erkenntnissen. Der Selbstbezug funktioniert nach Berkeley somit unabhängig von Ideen.168 It is also to be remarked, that all relations including an act of the mind, we cannot so properly be said to have an idea, but rather a notion of the relations or habitudes between things. But if in the modern way the word idea is extended to spirits, and relations and acts; this is after all an affair of verbal concern. (P § 142)

Die bereits ausgearbeitete aktive Partizipation des Geistes bei der Bildung von Relationen wird offenkundig. Der Terminus idea ist auf den sinnlichen und imaginativen Bereich festgelegt, während notion im Sinne einer ersten Vorstellung den geistigen Bereich aufzuschließen vermag. Die Einführung dieses neuen Begriffes soll nach Berkeley eine bedeutsame Einsicht leisten: Der Geist erkennt sich selbst auf eine andere, exklusive Weise als die Realität. Mit welchem Terminus dieser Vorgang bezeichnet wird, ist letztlich irrelevant.169

165 Für die Abgrenzung von notion und idea vgl. weiterhin P §§ 27, 140, 142; D III: 231ff und A VII, 5. 166 Diese wichtige Einsicht Berkeleys schlägt sich erst in der revidierten 2. Aufl. von P sowie der 3. Aufl. von D (1734) nieder. Vgl. etwa P §§ 27, 89, 138–140 und 142. Vielleicht kann man sogar den griechischen Terminus noesis als inspirierende Wurzel annehmen, da dieser immer schon im Gegensatz zu den Sinnen verstanden und explizit dem geistigen Erkennen zugeordnet wurde. Vgl. dazu H. J. Krämer, „Noesis Noeseos“, in: J. Ritter/K. Gründer (Hgg.), HWP, Bd. 6, Darmstadt 1984, Sp. 871–873. 167 Die Nähe zu Malebranche in dieser Hinsicht betont A. D. Fritz, „Berkeley’s Self – Its origin in Malebranche“ (2. Kap., Anm. 47), 558. 168 K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 11 weist darauf hin, dass der Besitz einer Idee keine notwendige Bedingung ist, Gedanken oder propositionale Einstellungen zu haben. 169 Damit wird Berkeleys Ablehnung gegenüber dogmatischem Vorgehen deutlich: Zentral ist die Vermittlung einer Einsicht; dafür sind Wörter vonnöten. Doch wäre es inadäquat in einem Streit um Wörter zu verharren. Vgl. dazu M. W. Beal, „Berkeley’s Linguistic Crite-

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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Unter dem Konzept notion ist die besondere Kenntnis vom eigenen Geist zu subsumieren. Auch wenn die Ausführungen Berkeleys sehr kryptisch sind, handelt es sich nicht um einen mystischen Erkenntnisakt; vielmehr wird mittels notion die spezifische Faktizität der Selbsterfahrung ausgedrückt. Eine notion besitzt keinen repräsentativen Gehalt, insofern ist diese Kenntnis als Ahnung, im Sinne einer ersten Vorstellung, zu verstehen, die sich begrifflich nicht adäquat realisieren lässt. Die Aufgabe der notions besteht in der Wissensvermittlung vom eigenen Selbst und dessen Aktivitäten.170 Though it must be owned at the same time, that we have some notion of soul, spirit, and the operations of the mind, such as willing, loving, hating, in as much as we know or understand the meaning of those words. (P § 27)

Eine notion vom eigenen Geist und dessen Aktivitäten zu besitzen, impliziert ein Verständnis um die Bedeutung von Geist sowie dessen mentale Operationen wie beispielsweise wollen, lieben und hassen, die sich nicht in einer Idee repräsentieren lassen. Damit erfährt die Extension von notion Erweiterung:

rion“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 375–387, 375. 170 Bezüglich der sog. doctrine of notions existieren zahlreiche Interpretationen. Laut Ramsey steht notion in engem Zusammenhang mit Aktivität als einem Wesensmerkmal des Geistes; dessen Begriffsbildung sieht I. T. Ramsey, „Berkeley and the Possibility of an Empirical Metaphysics“ (3. Kap., Anm. 146), 17 als operations of the mind: „The heart of Berkeley’s doctrine of notions is the notion each of us has of his own activity.“ Vgl. diesbezüglich die Interpretationen von I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (2. Kap., Anm. 21), E. J. Furlong, „Berkeley on Relations, Spirits and Notions“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 368–374, H. M. Bracken, „Berkeley and Mental Acts“ (3. Kap., Anm. 24), R. G. Muehlmann, Berkeley’s Ontology (1. Kap., Anm. 9), 239, W. B. Piper, „Berkeley’s Demonstration of God“ (2. Kap., Anm. 9), 283, K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 281 sowie D. Park, Complementary Notions. A Critical Study of Berkeley’s Theory of Concepts, The Hague 1972, wonach notion das Konzept von Geist und dessen Vollzügen [acts] verkörpert. Eine andere konsistente Ansicht wird von D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (1. Kap., Anm. 89) vertreten, der notions mit mentalen Akten identifiziert und anhand dieses Ansatzes eine gute Theorie hinsichtlich der Vermittlung von Sprache und Kognition bietet. Danach haben finite Geister positive notions von Perzeption und Verursachung, jedoch relative notions von sich selbst bzw. den mentalen Akten (vgl. Kap. 4). Nach A. D. Woozley, „Berkeley’s Doctrine of Notions and Theory of Meaning“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 393–403, 398 lassen sich notions als instrumental use of terms verstehen: „That is, having a notion of spirit does not explain being able to use spirit significantly, it is being able to use spirit significantly […].“ (Hervorhebung im Original). M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 164 hingegen ist der Ansicht, Kenntnis vom Geist haben heiße, sich der eingeborenen Strukturen bewusst zu sein und sie aktivieren; notions lassen sich daher am besten als eingeborene Ideen oder angeborene Grammatik interpretieren. F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 26 übersetzt den Terminus notion sogar mit mysterium.

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3. Kapitel: Der finite Geist

Nicht allein die Bezugnahme auf den eigenen Geist, sondern auch sämtliche intramentalen Prozesse werden integriert.171 Wenn Berkeley sagt, man besitze eine notion vom Geist, dann ist das nicht mit einer sprachlichen Erklärung zu identifizieren, die vom Verstand geleistet wird.172 Vielmehr ist mit den Begriffen Geist, Seele oder Substanz etwas real Existierendes bezeichnet. Mit einer notion vom eigenen Geist ist zugleich die Fähigkeit gegeben, darüber zu sprechen und zu reflektieren. Damit ist neben der Faktizität der Selbsterfahrung, die vom intuitive knowledge geleistet wird, die Relation zur deskriptiven Kenntnis erschlossen. Ein weiterer Auszug bestätigt diese Auffassung: In a large sense indeed, we may be said to have an idea, or rather a notion of spirit, that is, we understand the meaning of the word, otherwise we could not affirm or deny any thing of it. (P § 140)

Es handelt sich nicht um ein rein deskriptives Verständnis von Bedeutung. Vielmehr bezeugt dies eine einzigartige Kenntnis, die qua Menschsein gegeben ist. Der Besitz von notions ist als anthropologische Konstante aufzufassen, die individuell geformt ist, wodurch ein weiteres Indiz für Berkeleys individuelle Geistlehre gefunden ist. Die Partikularität eines Geistes exkludiert jegliche universale notion, insofern die Referenz immer individuell erfolgt.173 Ein Sachverhalt wurde bislang vernachlässigt. Dieser betrifft die Erkenntnis des Geistes als relationales Wesen, das selbst die Stiftung von Relationen beherrscht. Nach Berkeley garantiert der Vorgang der notion sogar diese Erkenntnis.174 Such is the nature of spirit or that which acts, that it cannot be of it self perceived, but only by the effects which it produceth. If any man shall doubt of the truth of what is here delivered, let him but reflect and try if he can frame the idea of any power or active being; and whether he hath ideas of two principal powers, marked by the names will and understanding, distinct from each other as well as from a third idea of substance or being in general, with a relative notion of its supporting or being the subject of the aforesaid powers, which is signified by the name soul or spirit. (P § 27)

171 Notion umfasst weiterhin Gedanken, Volitionen, Perzeptionen (P § 138), Erinnerungen, (A VII, 5) und Begehren (PC 854). 172 Dies erinnert an den späten Wittgenstein, der das Wissen um die Bedeutung eines Wortes mit der Verwendung desselben gleichsetzt. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass eine sprachanalytische Interpretation von notion Berkeley nicht gerecht wird. 173 Allein aus diesem Grund ist auch der materielle Substanzvorwurf verfehlt, da dieser eine allgemeine Selbstkenntnis mit einer spezifischen verwechselt. Dieses Argument findet sich bei A. C. Lloyd, „The Self in Berkeley’s Philosophy“ (3. Kap., Anm. 111), 206. 174 D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (1. Kap., Anm. 89), 419 erkennt ebenfalls den relationalen Charakter des Geistes und akzentuiert das Relationen-stiftende Moment: „[R]elations among ideas can be reduced to actions of mind, and that one can have relative notions of these actions in accordance with the describing model of relative notions.“

G. Die triadische Struktur von Selbsterkenntnis

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Mit notions wird demnach die Konzentration auf Relationen beschrieben; d.h. der Terminus ist nicht nur auf Geister anzuwenden, sondern auch auf deren relationalen Charakter, der sich im sinnstiftenden Umgang mit der Realität widerspiegelt.175 Von den Relationen können keine Ideen gebildet werden, da jegliche Relation bereits einen mentalen Akt impliziert. Damit findet die These von der Partizipation finiter Geister bei der Konstitution von Relationen weitere Bestätigung. Die Dominanz dynamischer Relationen in Berkeleys Philosophie, die geistige Aktivität zur Voraussetzung haben, lässt auf einen relationalen Charakter von notion schließen.176 Die Verbindung zwischen einer notion und deren Objekt ist nicht arbiträr: Jegliche gegebene notion ist auf sich selbst gerichtet und hat nur sich selbst zum Objekt bzw. Inhalt.177 Insofern sind die gestifteten Relationen nicht mit notions zu identifizieren: Ein notionales Bewusstsein von Relationen setzt voraus, dass wenigstens einige Relationen von dieser Beziehung zu differenzieren sind.178 Die spärlichen Textpassagen haben drei unterschiedliche Weisen des Selbstbezugs bezeugt, deren Zusammenspiel ein triadisches Bewusstsein konstituiert. Erst im Gefüge der drei Bezugsweisen wird die stabile Selbsterkenntnis möglich. Das untrügliche, intuitive Gefühl ist der Grundstein für eine sprachliche Reflexion; zugleich wird mittels notion der Geist in seinen operativen Tätigkeiten als singulär erfasst. Die Ausführungen zur Geistlehre lassen vermuten, dass nach Berkeley der finite Geist nur adäquat erkannt werden kann, wenn die Dependenz zu Gott bewusst ist: Der Mensch besitzt ein triadisches Bewusstsein, da er Ebenbild des dreieinigen Gottes ist. Dieser Punkt besitzt für die Gotteserkenntnis Relevanz, weil der Zugriff auf den eigenen Geist Voraussetzung für eine Kenntnis von Gottes Geist ist.

175 F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 88: „[I]n Berkeley relation should be seen as a metaphysical term – the relation of spirits to God, to one another and to ideas. When we reflect on our activity, or contemplate, we gain a notion, an understanding of the relationship of pure active spirits with other spirits and with God.“ So wie der Geist, können auch dessen Relationen nicht an sich, sondern nur in Form der distinctio formalis betrachtet werden. 176 Vgl. erneut P §§ 89 und 142. D. E. Flage, Berkeley’s Doctrine of Notions (1. Kap., Anm. 89), 137 dazu: „Although not all notions are of a single kind, an examination of Berkeley’s discussions of one’s notions of minds, actions of minds and relations among ideas will show that these notions are relative notions.“ Sowie K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 281, Anm. 6, der die Inspirationsquelle Berkeleys hinsichtlich dieses Aspekts in Lockes Essay II, 25,8 sieht. 177 A. C. Lloyd, „The Self in Berkeley’s Philosophy“ (3. Kap., Anm. 111) betont die Unnötigkeit einer partikularen Referenz von notions. 178 Vgl. dazu A. D. Fritz, „Berkeley’s Self – Its origin in Malebranche“ (2. Kap., Anm. 47), 563.

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3. Kapitel: Der finite Geist

H. Die Unsterblichkeit der Seele H. Die Unsterblichkeit der Seele

Dieses Kapitel könnte auch die Überschrift Die Unsterblichkeit des Geistes tragen. Die Gewichtigkeit der Unsterblichkeit der Seele für Berkeley bezeugen sowohl das Vorwort von P als auch die Zweitüberschrift von D: beide Male wird ein Beweis der Unsterblichkeit der Seele angekündigt und in beiden Fällen wird der Leser enttäuscht, da keine explizite Beweisführung erfolgt. Die Argumente sind vielmehr implizit in Berkeleys Denken enthalten und aus dem Gesamtduktus herauszuschälen.179 Vor der Darstellung der Argumente erfolgt ein kurzer Blick auf die Terminologie von Seele. Seele ist ein Begriff, der auf eine lange christliche Tradition zurückblickt, die dem Bischof Berkeley zweifelsohne vertraut ist. Danach ist Seele vorwiegend als immaterielle, unsterbliche Substanz zu verstehen, die das Lebensprinzip des Menschen ausmacht. Die bisherigen Ausführungen zum Geist gelten selbstredend für die Seele, da Berkeley soul, mind, self und spirit – wie eingangs erwähnt – synonym verwendet.180 Bei Berkeley lässt sich ein spezifisch christlicher Sprachgebrauch von Seele erkennen. Beispielsweise spricht 179

T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 16–25 betont die Unmöglichkeit, die Unsterblichkeit der Seele rational darzulegen. 180 Vgl. insbesondere PC 712, 788, 814, 870 und P §§ 27, 49. Vgl. auch A IV, 145: „EUPHRANOR. Tell me, Alciphron, is not the soul that which makes the principal distinction between a real person and a shadow, a living man and a carcass?“ Diese Synonymität geht wahrscheinlich auf Descartes’ Trennung des Geistes vom Lebensprinzip zurück. Nach Descartes ist der menschliche Geist nicht mehr das oberste Seelenvermögen, wie es die Tradition verstanden hat, sondern mit der gesamten Seele zu identifizieren, deren Wesen in Denkakten besteht. Vgl. R. Descartes, Prima Philosophia (2. Kap., Anm. 142), 355f. Auch N. Malebranche, De la recherche de la vérité, Introduction et texte établi par Geneviéve Rodis-Lewis, Paris 1965, III, 1, 1 ist dieser Ansicht. Dass Berkeley diese Tradition geläufig war, bezeugt die Korrespondenz mit Johnson, vgl. u.a. JBC III, 288: „As to the esse of spirits, I know Descartes held the soul always thinks, but I thought Mr. Locke had sufficiently confuted this notion, which he seems to have entertained only to serve an hypothesis. The Schoolmen, it is true, call the soul Actus and God Actus purus; but I confess I never could well understand their meaning perhaps because I never had opportunity to be much versed in their writings.“ M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 162 unternimmt eine Trennung von Geist und Seele und ordnet letzterer einen eigenen Gegenstandsbereich zu: „Die Seele hat, dies ist Berkeleys Hauptaussage, ihre eigenen Objekte, die direkte Zeichen des göttlichen Willens sind und die für sie handlungsweisend fungieren. Die Prinzipien des Handelns und damit die Anhaltspunkte für das Zeichenentschlüsseln, liegen im Menschen selbst, sind jedoch nicht von ihm autonom hervorgebrachte Begriffe, sondern gehorchen einer von Gott eingepflanzten Grammatik und bilden die Schaltstelle zwischen Mensch und Gott.“ E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 105: „The mind and will are not faculties of the soul, nor ideas possessed by the soul: they are the soul itself, for the soul is essentially active and not an inert substance underlying active accidental faculties.“

H. Die Unsterblichkeit der Seele

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er nie von der Unsterblichkeit des Geistes, sondern ausschließlich von der Unsterblichkeit der Seele (immortality of the soul). Die Existenzannahme einer unsterblichen Seele ist aus zwei Gründen bedeutsam. Sie besitzt sowohl für die adäquate Deskription und Erklärung innerer Erlebnisse und deren Verknüpfungen als auch hinsichtlich der Totenauferstehung höchste Relevanz.181 Bevor die Ausführungen zur Seele folgen, noch einige Bemerkungen zu deren klassischen Antonym, dem Körper. Die Ausführungen zur Ontologie Berkeley hatten gezeigt, dass es keine physischen Körper im Sinne von absoluten Existenzen gibt. Dennoch besitzt nach Berkeley jeder finite Geist einen physischen Körper. Dieser ist analog zu Dingen als eine Ansammlung von Ideen zu verstehen.182 Von manchen Interpreten wurde der Vorwurf formuliert, Berkeley befände sich aufgrund der Divergenz von Geist und Körper ebenfalls im cartesianischen Dilemma. Doch dieser Angriff verfehlt sein Ziel, da der Körper nicht aus etwas Materiellem besteht, sondern aus Ideen. Letztere sind in dem Maße vom Geist dependent, dass ihnen ohne diesen keine Existenz zukäme.183 „We are chained to a body, that is to say, our perceptions are connected with corporeal motions.“ (D III: 240) Eine derartige Körperauffassung ermöglicht sowohl eine Differenz zwischen Körper und Geist als auch deren Überbrückung. Daher steht nicht die Erkenntnis einer körperlichen Substanz im Vordergrund, sondern deren Entwicklung bzw. deren Werden. Beim Ideenbündel Körper handelt es sich nicht um etwas Hermetisches, vielmehr erfährt dieser permanent Veränderungen und konstituiert sich aufgrund seiner Selbstwahrnehmung stets neu.184 Berkeleys zentrale Einsicht ist, die Manifestation personaler Identität eines finiten Geistes nicht mit dessen sinn-

181 Daran ist auch ein Nexus zur Beschreibung des Heilsgeschehens bzw. der Erwartung des vollendenden Handelns Gottes, das sich in der Auferstehung der Toten erweisen wird, ablesbar. 182 So S. Bonk, „George Berkeleys Gottesbeweis“ (2. Kap., Anm. 26), 276: „Wir wissen uns als Ursache von Ereignissen und machen dann diesen Doppelfehler: Wir identifizieren uns mit unserem Körper und interpretieren dann aufgrund gewisser Ähnlichkeiten dieses Körpers mit den übrigen körperlichen Elementen der Natur in diese Macht, etwas verursachen zu können, hinein.“ 183 Hinsichtlich des Verhältnisses von Geistern und Ideen lassen sich höchstens zwei Wirklichkeitsbereiche erkennen: der Bereich der vergänglichen Dinge (collections of ideas) und der Bereich der unsterblichen Geister. 184 M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 93: „Körper sind damit offene Systeme.“ Vielleicht wählt A. D. Ritchie, George Berkely. A Reappraisal, Manchester 1967, 8 daher die amüsante Beschreibung bodiless cyclops. I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 315 erkennt diesbezüglich eine tendenzielle Gefahr und ist der Ansicht, das unkörperliche Bewusstsein gründe in dem Glauben, dass körperliche Gegenstände unfähig sind, Bewusstsein zu besitzen und Handlungen in etwas unkörperlichem residieren müssen (295).

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3. Kapitel: Der finite Geist

lichem Erscheinungsbild zu identifizieren, sondern mit dessen operierendem Geist (bzw. seiner Seele).185 Für die Demonstration der Unsterblichkeit der Seele sind zwei Argumente relevant. Das erste ist ein genuin theologisches und rekurriert auf die Lehre von der imago dei. Die Konstitution eines finiten Geistes ist danach nur in seiner Relation zu Gott ergründbar.186 Komplexer ist das zweite, philosophische Argument, das Berkeley selbst entwickelt hat und das auf zwei maßgeblichen Prämissen beruht, die aufeinander bezogen sind: Erstens ist die Seele als aktives Prinzip zu verstehen, das einen niemals endenden Ideenfluss perzipiert, und zweitens ist Zeit immer subjektiv. Dieses interessante Argument, das mit Rückgriff auf Berkeleys Zeittheorie funktioniert, wird nun dargestellt.187 Die vornehmliche Aktivität des Geistes haben die bisherigen Untersuchungen ausreichend erwiesen. Die Seele wird explizit als unteilbar, unkörperlich, nicht ausgedehnt und daher unzerstörbar bestimmt – mit Ausnahme des letzten Attributs werden die anderen ebenso auf den finiten Geist angewendet. We have shewn that the soul is indivisible, incorporeal, unextended, and it is consequently incorruptible. Nothing can be plainer, than that the motions, changes, decays, and dissolutions which we hourly see befall natural bodies (and which is what we mean by the course of Nature) cannot possibly affect an active, simple, uncompounded substance: such a being therefore is indissoluble by the force of Nature, that is to say, the soul of man is naturally immortal. (P § 141, Hervorhebungen C.N.) 185 Ebd., 296: „For if persons are at least partly corporeal, and being corporeal is not just being a presentation in sensory awareness, the possibility will at least remain open that minds are not things to be sharply distinguished from bodies, but that as persons we are bodies endowed with certain powers and attributes that we categorize as mental.“ (Hervorhebung im Original). 186 Berkeley verhandelt die Frage nach der natürlichen Unsterblichkeit der Seele im Kontext der Gottebenbildlichkeit (D III: 231). Dieser Zusammenhang findet sich auch bei einem aktuellen Theologen wie W. Pannenberg, „Person und Subjekt“ (3, Kap., Anm. 136), 408f: „Die Verbindung der Unsterblichkeitsidee mit dem individuellen Menschen hat einige wichtige Elemente beigetragen zur Ausbildung des modernen Gedankens von der Selbständigkeit des Individuums als Subjekt. Maßgebliche Bedeutung für die Entstehung dieses Gedankens kommt der Geschichte der Erkenntnistheorie zu. Hier zuerst, im Reiche seines Denkens, erfasste sich der Mensch als schöpferisches Prinzip. Dazu musste die antike Deutung des Erkennens als einer passiven Rezeption von Eindrücken, die die Seele nur empfängt, überwunden werden. Und hier haben theologische Motive eine wichtige Rolle gespielt. Einen Schritt auf dem Wege zum Gedanken einer schöpferischen Subjektivität des Menschen bildete Augustins Kritik an der platonischen Anamnesislehre.“ Berkeleys Seelenlehre weist eine Verwandtschaft zu Calvin auf, insofern dieser die Seele zur Unsterblichkeit bestimmt sieht und als eigentlichen Ort der Gottebenbildlichkeit erfasst. Vgl. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio Christianae Religione, Neukirchen-Vluyn 2. Aufl. 1963 I, 15, 3. 187 Den engen Zusammenhang von Unsterblichkeit und Zeit erkennen weiterhin D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 61ff sowie der innovative Ansatz von M. A. Hight, „Berkeley and Bodily Resurrection“ (3. Kap., Anm. 139).

H. Die Unsterblichkeit der Seele

201

Die Attribute unteilbar, unkörperlich und unausgedehnt sind richtungsweisend für die Demonstration der Unsterblichkeit. Die Unzerstörbarkeit der Seele begründet Berkeley mit der Seinsdifferenz zu den Ideen. Im Kontrast zu Veränderungen der Natur, die Ideen relativen Bestand gewährt, ist die Seele nicht destruierbar. Damit nimmt Berkeley ein vertrautes theologisches Motiv auf: Der unsterblichen Seele wird die vanitas der Welt gegenübergestellt. Die Seele, als immaterielle Substanz, ist derartigen Schwankungen, die das Sein in Frage stellen, nicht ausgesetzt, denn sie gilt als das Lebensprinzip. Immaterielle Substanzen sind nicht vom natürlichen Verfall bedroht, ihnen kommt aufgrund der zugrundliegenden Konstitution fortdauernde Persistenz zu. Die Seele ist eine immaterielle Einheit, besteht nicht aus Teilen und ist infolge nicht zerstörbar; sie ist also unsterblich. Berkeley ist allerdings kein Platoniker, der eine absolute Unzerstörbarkeit der Seele promulgieren würde; er limitiert den Status der Unzerstörbarkeit, indem er sie als naturally immortal bezeichnet.188 Diese natürliche Unsterblichkeit ist so zu interpretieren, dass natürliche Gewalten wie etwa Naturgesetze oder der finite Geist selbst die Seele nicht zu destruieren vermögen:189 It must not be supposed, that they who assert the natural immortality of the soul are of opinion, that it is absolutely incapable of annihilation even by the infinite power of the CREATOR who first gave it being: but only that it is not liable to be broken or dissolved by the ordinary Laws of Nature or motion. (P § 141)

Gott, dem allmächtigen Schöpfer, bleibt die Vernichtung der Seele vorbehalten. Mit Ausnahme dieser Limitierung hat die Seele als unsterblich zu gelten. Damit ist die Erörterung bei der zweiten Prämisse des Arguments angekommen: der Zeittheorie. Berkeleys Zeittheorie erscheint auf den ersten Blick sehr extravagant, insofern sie ausschließlich subjektiv ist; d.h. der finite Geist perzipiert den permanenten Ideenstrom in variablem Tempo.190 Zeit ist das Produkt der Sukzession von Ideen bzw. wird Zeit vom Perzipierenden aufgrund

188

Dass Platons Seelenlehre ein wichtiger Hintergrund für Berkeleys Philosophie ist, findet Bestätigung in dem Brief an Percival, vom 27. Dezember 1709, 28. 189 Letzte Variante ist zu exkludieren, insofern finiter Geist und unsterbliche Seele zu identifizieren sind. Das hat entsprechende Konsequenzen für den Freitod, der folglich unmöglich wird. S.a. S VIII: 108: „But there are other, and those direct, proofs of a life to come discoverable by reason, inasmuch as the spiritual nature is not capable of being consumed by fire or dissolved by water or broken by any accident.“ 190 Zu Berkeleys Zeittheorie vgl. K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 211–219, T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 88–101 und I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 269–296. Auf 275 betont er den systematischen Zusammenhang vom Sein des Geistes mit der Zeittheorie: „The fact is if Berkeley is right I cannot make any sense of the notion of my stopping thinking, or of time as ceasing to pass when this happens.“ (Hervorhebung im Original).

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3. Kapitel: Der finite Geist

des Perzeptionsvorgangs konstituiert. Das Empfinden von Zeit entsteht gewissermaßen als Nebenprodukt.191 Time therefore being nothing, abstracted from the succession of ideas in our minds, it follows that the duration of any finite spirit must be estimated by the number of ideas or actions succeeding each other in that same spirit or mind. (P § 98)

Berkeley verwehrt sich also der These, man könne Zeit von der Sukzession der Ideen abstrahieren und zu einer objektiven bzw. allgemeinen Zeitdimension gelangen. Eine derartige Theorie steht zum einen konträr zur Widerlegung abstrakter Ideen und zum anderen zu den eigenen Fähigkeiten.192 Die Existenzdauer (duration) eines Geistes bemisst sich an den jeweils perzipierten Ideen. Die Lebensdauer ist folglich nicht in Zahlen, sondern nur anhand erlebter Erfahrungen adäquat vorstellbar. T No broken Intervals of Death or Annihilation. Those Intervals are nothing. Each Person's time being measured to him by his own Ideas. (PC 590)

Die eigene Zeit entspricht ausschließlich der Sukzession persönlich erfahrener Ideen, während über die Zeit anderer finiter Geister keine Aussage möglich ist. Zeit besitzt folglich keine extramentale Realität. Nun stellt sich allerdings die Frage, welcher Status der Seele zukommt, wenn diese nicht perzipiert. Als Beispiel wird der Schlafzustand angeführt: S Certainly the mind always & constantly thinks & we know this too In Sleep & trances the mind exists not there is no time no succession of Ideas. (PC 651)193

Für Berkeley scheint die Konsequenz, dem Geist komme während des Schlafes keine Existenz zu, kein Problem darzustellen. Das wirft jedoch Fragen hinsichtlich der Ernsthaftigkeit dieser Position auf. Berkeley restringiert den Aussagerahmen auf den persönlichen Erfahrungshorizont, d.h. ein Bewusstsein von Ideen ist die Bedingung der Möglichkeit für die Erfahrung von Zeit. Ein abstrakter Zeitbegriff, der independent zu jeglicher Bewusstseinsoperation bestünde, wäre inkonsistent, da ein leeres Bewusstsein nicht perzipierbar ist.194 Jegliche Konstatierung andersartiger Zustände überschreitet den Bereich des Vorstellbaren, weshalb die Frage nach einer unterbrochenen Exis191 Diese Gedanken lassen eine Kenntnis von Augustinus’ Zeittheorie im XI. Buch der Confessiones vermuten, dessen Zeittheorie als psychologische bezeichnet wird, was für Berkeley ebenfalls adäquat wäre. 192 L. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen (1. Kap., Anm. 1), §§ 89 und 90 diagnostiziert auch eine Irreführung philosophischen Denkens anhand der Zeit. 193 Vgl. weiterhin PC 647. 194 So stellt sich die Frage, ob Bewusstseinsakte lediglich das Denken umfassen; so meinen K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5) und G. Migely, „Berkeley’s Actively Passive Mind“ (3. Kap., Anm. 109), 161: „If the soul is not thinking about anything, it is not thinking, it is not active, and therefore does not exist.“ Dem ist zuzustimmen, wenn das Denken als Oberbegriff sämtlicher Bewusstseinstätigkeiten verstanden wird.

H. Die Unsterblichkeit der Seele

203

tenz (wie Schlaf) überflüssig ist. Von der Existenz finiter Geister kann man immer nur in Relation zu den jeweils eigenen Perzeptionen sprechen.195 Johnson parallelisiert die Problematik mit der Frage nach dem Zustand der Seele zwischen Tod und Auferstehung in einem Brief an Berkeley und verschärft damit das Problem: Has a child no soul till it actually perceives? And is there not such a thing as sleeping without dreaming, or being in a deliquium without a thought? If there be, and yet at the same time the esse of a spirit be nothing else but its actual thinking, the soul must be dead during those intervals; and if ceasing or intermitting to think be the ceasing to be, or death of the soul, it is many times and easily put to death. According to this tenet, it seems to me the soul may sleep on to the resurrection, or rather may wake up in the resurrection state, the next moment after death. Nay I don't see upon what we can build any natural argument for the soul's immortality. (BJC, 5. Februar 1730, 284)

Johnson fokussiert Berkeleys Zeittheorie auf den Moment nach dem Augenblick des Todes, d.h. von der Beendigung des Ideenflusses bis zu dem Moment der Auferstehung. Wenn das Sein der Seele durch permanentes Denken gekennzeichnet ist, dann wäre für dieses Intervall der Tod der Seele anzunehmen, womit das Argument von der Unsterblichkeit der Seele widerlegt wäre. Berkeley gibt auf Johnsons Anfrage leider keine explizite Antwort, doch könnte eine Verteidigung dergestalt laufen: Mit dem Eintritt des Todes reißt der Ideenfluss und folglich auch das Zeitempfinden ab. Die Auferstehung impliziert einen neuartigen Ideenfluss bzw. das, was Gott den Auferstandenen perzipieren lässt. Somit folgt die Auferstehung unmittelbar auf den Tod – zumindest aus der Perspektive des finiten Geistes.196 Den engen Nexus von individueller Zeit und Unsterblichkeit, die in der Auferstehung ihren theologischen Ort besitzt, erläutert Berkeley in einem Brief an Johnson: One of my earliest inquiries was about time, which led me into several paradoxes that I did not think fit or necessary to publish, particularly into the notion that the resurrection follows the next moment to death. We are confounded and perplexed about time. (1) Supposing a succession in God. (2) Conceiving that we have an abstract idea of time. (3) Supposing that the time in one mind is to be measured by the succession of ideas in another. (4) Not considering the true use and end of words, which as often terminate in the will as in the understand-

195 Die Annahme, finite Geister würden im Schlafzustand nichts perzipieren, ist nach Berkeley sinnlos, was an einem Beispiel illustriert werden kann. Wenn man einen Schlafenden perzipiert, kann man lediglich selbstreferenzielle Bewusstseinsaussagen tätigen. Die Frage, ob man selbst ohne aktives Bewusstsein zu existieren vermag, ist aufgrund der Uneinnehmbarkeit dieses Standpunktes sinnlos. Berkeleys Zeittheorie ist auch konsistent mit seiner immaterialistischen Realitätsauffassung, die den perzipierten Ideen eine eigene, absolute Zeit verweigert. Den Ideen kommt Existenz lediglich aufgrund der Perzeption durch einen Geist nach dessen persönlichen Wahrnehmungsstrukturen zu. Und eine dieser Strukturen ist Zeit. Eine Weltzeit, in der irgendwelche Dinge existieren, kann es folglich nicht geben. 196 Auch M. A. Hight, „Berkeley and Bodily Resurrection“ (3. Kap., Anm. 139), 456 erkennt dies als eine mögliche Interpretation an.

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3. Kapitel: Der finite Geist

ing, being employed rather to excite influence, and direct action than to produce clear and distinct ideas. (BJC, 24. März 1730. S. 293, Hervorhebung C.N.)197

Berkeley verficht die unmittelbare Auferstehung nach dem Tod und verwirft damit die Option des Seelenschlafes.198 Theologisch ist weiterhin interessant, dass er die Bedeutung des Todes in der Transformation der Seele in eine eschatologische Existenzweise sieht:199 I see no difficulty in conceiving a change of state, such as is vulgarly called death, as well without as with material substance. It is sufficient for that purpose that we allow sensible bodies, i.e., such as are immediately perceived by sight and touch; the existence of which I am so far from questioning (as philosophers are used to do) that I establish it, I think, upon evident principles. Now, it seems very easy to conceive the soul to exist in a separate state (i.e. divested from those limits and laws of motion and perception with which she is embarrassed here), and to exercise herself on new ideas, without the intervention of these tangible things we call bodies. It is even very possible to apprehend how the soul may have ideas of color without an eye, or of sounds without an ear [...]. (BJC, 25. November 1729, S. 282, Hervorhebung C.N.)

Der Tod wird in der Antwort an Johnson als ein transformierendes Moment beschrieben. Die Seele existiert in einer gesonderten (separate) Verfassung und wird mit neuen Ideen konfrontiert. Berkeley vermutet, diese neuen Ideen seien von der sinnlichen Perzeptionsweise des irdischen Geistes zu distanzieren und spekuliert darüber, ob die Seele sinnliche Qualitäten ohne Einbezug der Sinne erfassen könne. Eine konkrete Vorstellung davon übersteigt das Vermögen finiter Geister.

197 In S VIII: 107 bezeichnet Berkeley die Auferstehung als natürlich, insofern diese dem Weltlauf (course of nature) entspricht. 198 Der Seelenschlaf oder Ganztod wird analog zu obigem Argument widerlegt, da ein Seelenzustand nach Eintritt des Todes nicht erfahrbar ist, was die Lösung zahlreicher theologischer Probleme sowie das Ende von Spekulationen bedeutet. Man denke an die traditionelle katholische Lehre vom Zwischenzustand, der für die Interimsphase zwischen Tod und allgemeiner Totenauferstehung postuliert wird und in seinem Läuterungsgeschehen auch als Purgatorium bekannt ist. Vgl. dazu K. Rahner, „Über den ‚Zwischenzustand‘“, in: ders., Schriften zur Theologie XII, Einsiedeln 1975, J. Moltmann, Das Kommen Gottes, Darmstadt 1995, 115–149 und Ch. Herrmann, Unsterblichkeit der Seele. Studien zu den anthropologischen Implikationen der Eschatologie, Göttingen 1997. M. A. Hight, „Berkeley and Bodily Resurrection“ (3. Kap., Anm. 139), 456: „Berkeley is suggesting that we can account for bodily death by invoking different kinds of perceptual experiences while the mind continues to exist, as he says, in a separate state. One might think – and Berkeley seems to leave room for this speculation – that he is suggesting that we might not have bodies at all in the afterlife. That strikes me as exactly right. For all we know, the sensory ideas with which we associate our mortal bodies might not apply in any straightforward way to our future state. Although this is true for all Berkeley knows, we may rest comfortably supposing that we will have our bodies in some recognizable sense because of God’s promise to resurrect our bodies.“ 199 Vgl. S XI: 222.

H. Die Unsterblichkeit der Seele

205

Die unsterbliche Seele, die im Kontrast zur vergänglichen Zeit steht, bewahrt im Verlauf der Zeit ihre individuelle und diachronische Identität. Denn wenn der finite Geist im Tod vollständig zugrunde ginge, dann kann der auferstandene Geist nicht derselbe sein. Vielmehr ist die Bewahrung des finiten Geistes in seiner individuellen seelischen Ganzheit durch Gott gewährleistet. Als konkretes Individuum ist die Seele von Gott für Gottes Wirklichkeit geschaffen und bestimmt. Und aufgrund der Seele vermögen finite Geister überhaupt Erfahrungen zu machen und diese zu dechiffrieren. Zugleich besitzt jeder Kenntnis von der Zeit.200 Ein Zeitbegriff, der jeglichen sinnlichen Gehalts entleert ist und sich wie ein Luftgebilde über die Welt des Konkreten erhebt, wird exkludiert. Berkeleys Argumentation ist erneut als phänomengetreu zu charakterisieren, da er das konkret Partikulare in Augenschein nimmt. Zeit an sich ist nicht perzipierbar, sondern nur in der Sukzession von Ereignissen erfahrbar. Damit wird Zeit nicht mehr als objektive Koordinate akzeptiert, da sie nicht mit mechanischen Abläufen identifiziert wird;201 andererseits ist sie konkret und fassbar, da sie sich in jedem Moment konstituiert. Der Gegenwart kommt eine hegemoniale Stellung zu, denn das Merkmal sämtlicher Erfahrungen ist deren Präsenz, was Berkeleys Philosophie als außerordentlich lebensbejahend erweist. Die Charakterisierung von Zeit als etwas Schwindendem, Unfassbarem erkennt in dem unmittelbar Gegebenen den Verweischarakter auf etwas Größeres, Jenseitiges, Zeitloses – das Reich Gottes. Die geistigen Tätigkeiten sind unauflöslich an Zeit gebunden, doch zugleich verweisen die visuellen Eindrücke auf etwas Zeitloses.202 Die Argumentation Berkeleys ist im Duktus seiner Rationaltheologie zu verstehen – auch wenn Berkeley mit Locke darin übereinstimmt, dass die Mehrheit der Menschen nicht aufgrund philosophischer Argumente an die

200

Vgl. P § 97: „Time, place, and motion, taken in particular or concrete, are what every body knows; but having passed through the hands of a metaphysician, they become too abstract and fine, to be apprehended by men of ordinary sense. Bid your servant meet you at such a time, in such a place, and he shall never stay to deliberate on the meaning of those words: in conceiving that particular time and place, or the motion by which he is to get thither, he finds not the least difficulty. But if time be taken, exclusive of all those particular actions and ideas that diversify the day, merely for the continuation of existence, or duration in abstract, then it will perhaps gravel even a philosopher to comprehend it.“ 201 Berkeleys Zeittheorie ist auch im Kontext seiner Ablehnung des Newtonschen Weltbildes zu lesen. 202 Eine Tendenz zum Solipsismus ist besonders in der Zeitauffassung erkennbar; doch sicherlich stellt diese philosophische Position keine Option für Berkeley dar. J. Wild, George Berkeley (2. Kap., Anm. 7), 171f ist der Ansicht, Berkeley referiere vereinzelt auf das Selbst, als handle es sich um einen Gegenstand, der die objektive Welt in sich trage und erkennt darin eine große Nähe zum Solipsismus. J. Dancy, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 146: „He is inmeshed in a solipsism of the most extreme form.“ Ähnlich F. v. Kutschera, Jenseits des Materialismus (1. Kap., Anm. 5), 98.

206

3. Kapitel: Der finite Geist

Existenz der Seele glaubt.203 Der Zusammenhang zwischen Tod und Auferstehung übersteigt nicht unsere Vorstellungskräfte; lediglich der Inhalt der Perzeptionen nach dem Tod ist uns unbekannt.204 Die Motivation, einen Beweis für die Unsterblichkeit der Seele zu erbringen, ist nach Berkeley ein angeborenes Verlangen205 und der Glaube an das ewige Leben stellt eine notwendige Bedingung für eine gute Lebensführung dar.206 Nach Berkeley kommt dem Seelenheil des Einzelnen bzw. dem Gottesverhältnis höchste Priorität zu, was eine sekundäre Bewertung der Relation zu den Mitmenschen mit sich bringt.207 Grundsätzlich diagnostiziert Berkeley ein natürliches Streben auf die Ewigkeit hin,208 das bei den Freidenkern jedoch eine Pervertierung erfahren hat, insofern diese ihre eigene Vernichtung (annihilation) präferieren.209 In dem bereits zitierten Paragraphen 141 wird die Destruierbarkeit der Seele (perishing and corruptible) als Instrument von den verdorbensten Menschen gegen die Religion entlarvt. Man kann mit guten Gründen annehmen, Berkeley habe damit die Freidenker im Sinn. Ein Christ würde den direkten Weg zu Gott nehmen: „Whoever beheld a Xtian would straightway take him for a pilgrim on earth walking in ye direct path to Heaven.“ (S I: 11) Das Erman203

Vgl. S IV. M. A. Hight, „Berkeley and Bodily Resurrection“ (3. Kap., Anm. 139), 457 erkennt darin eine unorthodoxe Position Berkeleys, was er sogleich als verfehlt revidiert: „The promised bodily resurrection is anything but natural. God’s fulfilling his promise in this way is supposed to be miraculous and supernatural. Hence, to the extent that Berkeley makes the promised resurrection a natural and reasonable event, it is to that degree no longer an article of faith. Although I recognize the force of this concern, I think it is misguided. Berkeley was trying to preserve the core features of Christianity and to demonstrate that they are, in fact, true.“ 205 Vgl. S XI: 222 sowie S V: 69: „What so nearly concerns as our own soul? what so valuable as the kingdom of heaven?“ und S VIII: 108: „[N]atural appetite of immortality, which is so generally and so deeply rooted in mankind […].“ 206 Vgl. P § 93: „That impious and profane persons should readily fall in with those systems which favour their inclinations, by deriding immaterial substance, and supposing the soul to be divisible and subject to corruption as the body […].“ 207 Berkeleys Vernachlässigung des Problems des Fremdpsychischen erfährt damit keine Entschuldigung, sondern einen systematischen Rekonstruktionsversuch. 208 Das bezeugt ein eindringlicher Vergleich aus dem Essay in the Guardian XI: 222: „But there is not any property or circumstance of my being that I contemplate with more joy than my Immortality. I can easily overlook any present momentary sorrow, when I reflect that it is in my power to be happy a thousand years hence. If it were not for this thought, I had rather be an oyster than a man, the most stupid and senseless of animals than a reasonable mind tortured with an extreme innate desire of that perfection which it despairs to obtain.“ 209 S XI: 223: „And I have often wondered that men could be found so dull and phlegmatick as to prefer the thought of annihilation before them; or so ill-natured as to endeavour to persuade mankind to the disbelief of what is so pleasing and profitable even in the prospect […].“ 204

I. Ergebnissicherung

207

geln adäquater Bestrebungen respektive Realisationen führt Berkeley gemäß dem eschatischen Vorbehalt auf die Unkenntnis hinsichtlich himmlischer Freuden zurück.210 Would the Almighty inspire us with new faculties & give us a tast of those cœlestial joys, there could be no longer living in this world we could have no relish for the things of it but must languish & pine away with an incessant longing after the next. (S I: 13)

Allein Gottes Befähigung des Menschen zu derartigen Einsichten vermag eine Wegweisung zum himmlischen Ziel zu leisten. Dennoch besitzt jeder finite Geist aufgrund seiner inneren Struktur, d.h. qua Seele (und imago dei) sein Telos, das in Gott besteht.211

I. Ergebnissicherung I. Ergebnissicherung

Die Untersuchung hat die Unbrauchbarkeit eines Subjekt-Begriffs bei Berkeley demonstriert, da der Geist sich immer schon in der Welt respektive im Umgang mit Ideen befindet. Mit der Konzentration auf das Selbst konnte die dogmatische Theorie über ein ontologisch zu differenzierendes Sein in zwei Bereiche widerlegt werden. Die Tatsache, dass Berkeley den Geist nicht als Gegenstand des Verstandes einordnet, qualifiziert seine Geisttheorie als etwas Neues in der Ideengeschichte; sie bezeugt ihn als modernen Denker und seine Anschlussfähigkeit für aktuelle Diskurse.212 Die Substanz finiter Geister wurde als dynamische rekonstruiert, die sich in den drei Seinsweisen Denken, Wille und Verstand manifestiert. Damit fungiert die individuelle Substanz des Geistes als immaterieller Einheitspunkt, von dem aus die Bezugnahme auf die umgebende Realität erfolgt. Dessen triadische Struktur rekurriert auf die Doktrin von der imago dei, was Berkeleys Anliegen widerspiegelt, sämtliche mentalen Aktivitäten finiter Geister letztlich in Gott zu verankern: Eine Existenz aus eigener Kraft ist unmöglich, insofern das eine Verabsolutierung des eigenen endlichen Seins implizieren würde. Zugleich verhilft die Rückbindung an Gott zu einer inneren Stabilität immaterieller Substanzen, die anders nur schwer begründet werden könnte. Weiterhin distanziert sich Berkeley von Anschauungen seiner Zeit, die den Geist als ein rein theoretisch operierendes Erkenntnisorgan auffassen.

210 Vgl. die theologischen Ausführungen von J. S. Spiegel, „The Christian Psychology of George Berkeley“ (3. Kap., Anm. 25). 211 Dieser zentrale Punkt erfährt im Kapitel 4 Behandlung. 212 T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 129 würdigt die Geisttheorie: „Berkeley can be identified as an important transitional figure between the older notion of subject and the modern notion of subject. […] a new story can be told which invites Berkeley into the mythological pantheon of Descartes, Hume and Kant.“

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3. Kapitel: Der finite Geist

Es ist an die Kontroverse zu erinnern, ob der Geist mit Substanz zu identifizieren ist, oder seine eigenen Operationen darstellt. Die Ausführungen haben ergeben, dass beide Aussagen konsistent in Berkeleys System eingegliedert werden können. Doch sowohl die Inhärenz- als auch die Bündeltheorie werden zurückgewiesen. Berkeley konzentriert sich nicht auf die Entwicklung einer Anthropologie, sondern hat den partikularen Geist in seinem Sein im Blick: Die einzige Kraft ist die schöpferische Kraft des Geistes. Die darin zugrundeliegende Dynamik stellt klar, dass das eigene Selbst nicht isolierbar ist, da es sich immer schon in Relation zur Welt und zu Gott befindet.213 In der mentalen Aktivität, die das Wesen des Geistes bestimmt, ist die Erkenntnis des Selbst zu lokalisieren. Das bedeutet, Selbsterkenntnis findet im Umgang mit dem eigenen Selbst, den Ideen und natürlich mit Gott statt. Die unauflösliche Bewegung, wodurch alles miteinander in Beziehung gebracht wird, stellt die einzig adäquate Beschreibung des Verhältnisses des Geistes zur Realität dar. Berkeley reinterpretiert gewissermaßen traditionelle Geisttheorien. Mithilfe des Reflexionsvermögens erfasst der Geist seine konstitutiven Aktivitäten. Jeder finite Geist vermag die Existenz seiner Seele sowie deren Beschaffenheit einzusehen, indem er sich selbst als einen bewussten Akteur perzipiert. Unter Selbsterkenntnis ist nicht das Wissen von einer Art Ansichsein des Geistes zu verstehen; vielmehr handelt es sich jeweils um ausschnittartige, vorläufige Erkenntnisse, die eine Momentaufnahme des Geistes sind, denn der Geist befindet sich immer in actu. Damit wird zugleich die Unzulänglichkeit einer kognitiv respektive sprachlich adäquat einholbaren Erkenntnis des Geistes qua Geist ausgedrückt. Mittels Introspektion werden nicht nur die drei Seinsweisen des Geistes erkannt, sondern auch die mentale Substanz. Der Geist ist insofern keine Addition diverser Operationen, sondern deren Gesamtgefüge.214 Die Tatsache, das Selbst nicht gegenständlich erfassen zu können, nötigt dazu, sich der von Gott offerierten Hilfsmittel zu bedienen. Die Rezeption von Ideen stellt einen ersten Schritt im Umgang mit der Realität dar, wobei der finite Geist zur Progression aufgefordert ist, d.h. Ideen zu decodieren und zu ordnen, um Gottes Schöpfung zu verstehen – diese Aufgabe erinnert an den Herrschaftsauftrag (Gen 1,28).215 Die Existenz finiter Geister ist weder abstrakte Idee noch bloße Setzung, sondern Ausdruck der erfahrbaren andauernden Aktivität des Denkens, Willens und Verstandes. Aufgrund dieser expres213 Relationalität und Individualität bedingen sich danach gegenseitig. Vorab ist auf das zu klärende Verhältnis von Autonomie und Theonomie hinzuweisen. 214 R. M. Adams, „Berkeley’s Notion of Spiritual Substance“ (3. Kap., Anm. 112), 439 bezeichnet den Geist daher als fundamental unity of reality. 215 A VII, 11, 304: „It is not, therefore, by mere contemplation of particular things, and much less of their abstract general ideas, that the mind makes her progress, but by an apposite choice and skilful management of signs.“

I. Ergebnissicherung

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siven Tätigkeit ist der Geist als etwas Konkretes zu identifizieren, das in einem fortdauernden Prozess lokalisierbar ist, an dessen Gestaltung er selbst maßgeblich partizipiert. Dem menschlichen Dasein kommt eine teleologische Komponente zu, da es sich in seinem Erkenntnisvermögen auf etwas hin entwickelt: die Dechiffrierung von Realität und die Erkenntnis von Sinnstrukturen. So wird deutlich, dass der Selbstbezug nicht den Weltbezug ablösen oder gar mit diesem konkurrieren kann. Das fundamentale Selbstverhältnis rivalisiert nicht mit dem Gottesverhältnis. Berkeleys Geisttheorie ist im Anschluss an die Welt als visuelle Sprache Gottes zu verstehen. Als imago ist der finite Geist der Adressat der Zeichenordnung. Als vernünftiges und über einen Willen verfügendes Wesen kann der finite Geist als imago die Zeichen auf das Bezeichnete beziehen, d.h. er ist durch Sprachkompetenz ausgezeichnet. Der Sprache kommt eine fundamentale Objektivierungsfunktion zu, da sie das Instrument zur Ordnung der Realität ist und eine Bezugnahme auf dieselbe ermöglicht. Auf dieser sprachlichen Ebene bringt der Geist die Bezeichnungen erst hervor, was die sprachliche Verfasstheit alles Verstandenen impliziert.216 Das Abbild weist eine doppelte Relation auf: ein Gewordensein aus und eine Hinwendung zu seinem Ursprung. Damit kommt ein aktives, strebendes und deutendes Moment hinzu: Der finite Geist als Bild steht innerhalb der immateriellen Realität und ist zugleich ihr Interpret. Übertragen in die zeichentheoretische Terminologie ist mit der personalen Auffassung des Geistes dessen semiotische Kompetenz der Dechiffrierung umschrieben. Dem finiten Geist dienen die kommunizierten Zeichen – zu denen auch der eigene Körper gehört – zur Generierung eines umfassenden Verständnisses. Die inneren Erlebnisse sind von den damit verknüpften physischen Erlebnissen nicht zu separieren. Berkeleys Einsicht in die kommunikative Verfasstheit des Geistes und die handlungswirksame Bedeutung des Sprachlichen führt über unzureichende Sprach- und Handlungsbegriffe hinaus. Während ein Wissenschaftler bei dem wahrgenommenen und zu untersuchenden Gegenstand stehen bleibt, ist es nach Berkeley die Bestimmung finiter Geister zu tieferen Einsichten vorzudringen. Weder das verursachende Prinzip, noch der gesamte Sinnzusammenhang der Ideen lässt sich mit den wissenschaftlichen Methoden vollständig erschließen. Berkeleys Geistlehre generiert ein Fundament zur Klärung des Gottesverständnisses: Im Kontext der internen Struktur finiter Geister klingt simultan die Dependenz zu Gott an: Ein finiter Geist irrt in der Ansicht, sich selbstständig begründen und autark agieren zu können: Jegliche Divinisierung des Geistes ist auszuschließen. Dies gilt besonders hinsichtlich des Versuches, sich der Anrede Gottes zu entziehen. Aufgrund der Wesensverwandtheit mit Gott kann ein finiter Geist sein individuell geprägtes Leben nicht als etwas verstehen, was allein auf ihn selbst zurückzuführen ist. Berkeley verbindet die 216

Der Zusammenhang mit Gen 1,19f ist offenkundig.

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3. Kapitel: Der finite Geist

elementare Selbsterfahrung, sein eigenes Sein nicht der eigenen Selbsttätigkeit zu verdanken, mit dem Gedanken der stetigen Allwirksamkeit Gottes. Erst dann wird offenkundig, dass nicht die vermeintlich eigengesetzliche Realität der unausweichliche Bestimmungsgrund ist, sondern Gottes Wirksamkeit. Die Selbstkonstitution des Menschen als individueller Geist ist im Dialog mit Gott zu begreifen: Nur in Interaktion mit Gott lässt sich Identität gewinnen, sonst wäre letztere auf ein Produkt der Selbstreflexion reduziert. Diese Geistlehre gewährt eine zureichende Begründung transtemporaler Identität. Zur Prüfung steht nun, inwieweit Gemeinsamkeiten zwischen Selbst- und Gotteserkenntnis bestehen, d.h. ob die Zuwendung auf das eigene Selbst zugleich ein Wissen von Gott vermittelt, oder ob es sich um etwas vollkommen anderes handelt. Insofern Gott ebenfalls der Entität Geist angehört, kann er analog zu anderen Geistern nicht unmittelbar erkannt werden. So stellt sich nun die Frage, welche Möglichkeiten Berkeley für die Gotteserkenntnis anerkennt.

Kapitel 4

Gotteserkenntnis A. Berkeleys theologische Philosophie A. Berkeleys theologische Philosophie

Dieses letzte Kapitel ist der Erkenntnis des einen, infiniten Geistes gewidmet, den Berkeley mit Gott gleichsetzt, und unternimmt eine Zusammenführung der bisherigen Ausführungen. Die Auseinandersetzung mit unserem vorkantianischen Denker, der zwischen Philosophie und Theologie keine Differenzierung vornimmt, steht nun vor der Schwierigkeit, das Verhältnis der beiden Disziplinen zu bestimmen. Dass Berkeleys gesamtes System ohne Einbezug der Theologie nicht verstanden werden kann, ist bereits demonstriert worden. Es gilt nun, die Relationen von Philosophie und Theologie, Vernunft und Glaube sowie entsprechende Zuordnungen zu untersuchen. Die Frage nach der Gotteserkenntnis besitzt für Berkeley eine besondere Relevanz, da Gott nicht einfach ein Erkenntnisgegenstand neben anderen ist, sondern letztlich die notwendige Bedingung jeglicher Erkenntnis bildet.1 In Berkeleys Ontologie sind Ideen als passiv und Geister als aktiv charakterisiert worden. Aufgrund der reinen Aktivität Gottes kann keine Idee Gott ähneln oder diesen repräsentieren (D III: 231), denn die infinite Aktivität bedeutet eine vollkommene Selbstpräsenz. Gott bzw. seine Essenz ist daher nicht wie ein Objekt zu betrachten und jegliche potentielle Erkenntnis ist ausschließlich durch Gott selbst gegeben. Infolge ist Gott aufgrund seiner Selbstmitteilung erkennbar. Der finite Geist kann diese Bezogenheit als Geschöpf Gottes nicht hintergehen, d.h. Gott ermöglicht letztendlich die Rede von sich. Nach Berkeley besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern auch eine Notwendigkeit, Aussagen von Gott zu machen.2 Aussagen zum Wesen Gottes sind dabei nicht nur für ein exklusives Publikum von Theologen relevant, vielmehr geben sie generell Aufschluss über Sinnstrukturen der Realität, welche auch für andere Wissenschaften von Relevanz sind. Letztlich strebt Berkeley die Vermeidung eines theologischen Skeptizismus3 an, was positiv ge1

S.a. Erich Cassirer, Berkeleys System (1. Kap., Anm. 88), 50. Berkeley folgt dem Auftrag der Mission, d.h. der Verkündung von Gottes Wort, was u.a. sein Engagement im Bermuda-Projekt bezeugt. 3 Den Begriff übernehme ich von A. C. Grayling, „Berkeley’s argument for immaterialism“, in: K. P. Winkler (Hg.), The Cambridge Companion to Berkeley, Cambridge/New York/Melbourne u.a. 2005, 166–189; dieser bedeutet eine Übertragung des Problems des 2

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

wendet die Möglichkeit einer individuellen Erkenntnis Gottes und den Nachvollzug zentraler theologischer Lehrsätze bedeutet. Somit fokussiert Berkeley den Erweis von Zugängen zu Gott, die auch Nichtchristen und Ungläubigen Gewissheit ermöglichen.4 Diese Gewissheit ist weder als subjektive Einbildung noch als rein logische Verstandesleistung zu verstehen, denn Gott ist erfahrbar und erkennbar, d.h. in seiner Erfahrbarkeit erkennbar. Das bedeutet, dass die Erfahrung von Gottes Existenz sich nicht auf eine gedankliche Rekonstruktion beschränken lässt.5 Ausgehend von Gottes Erfahrbarkeit umfasst die Gotteserkenntnis nach Berkeley sowohl die Verstandes- als auch Gefühlsebene. Umgekehrt scheidet ein „blinder Glaube“ aus, der von anderen finiten Geistern nicht rational nachvollziehbar ist. Die Ablehnung einer apophatischen Theologie ist im Hinblick auf Berkeleys Bemühen, Gottes Wesen zu explizieren, nicht verwunderlich. Im Alciphron weisen die Freidenker auf die Lehre spekulativer Theologen hin, wonach die Attribute Weisheit, Güte u.ä. in Anwendung auf Gott einen anderen sprachlichen Sinn besitzen.6 Damit wird die Frage aufgeworfen, wie man aus der Negation von Attributen den christlichen Gott identifizieren kann. Derartige Absurditäten stehen im Widerspruch zu Berkeleys Prinzipien einer erfahrungsnahen und rationalen Theologie: Aus bedeutungslosen, unbekannten Attributen ist der christliche Gott nicht zu erkennen. Die Negation der göttlichen Attribute führt nach Berkeley in letzter Konsequenz zur Negation von Gottes Dasein.7 epistemischen Skeptizismus auf den Bereich der Theologie, was Grayling mit der Position eines Atheismus identifiziert. Wenn dies gelingt, so ist auch der Vorwurf von A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 9), 92 beseitigt, wonach Berkeley lediglich einen theological idealism begründe. 4 Eine prädiskursive oder intuitiv und emotional fundierte Gottesgewissheit ist zu explizieren und via Benennung von Erkenntnisgründen intellektuell darzustellen. S. a. PC 776, P § 149, A IV, 5, 147, S I: 11f, S II: 21 und S VIII, 112. 5 Berkeley ist ganz im Sinne der Reformatoren zu verstehen, die gegenüber der scholastischen Theologie den Vorwurf erheben, sich in Abstraktion sowie Spitzfindigkeiten zu versteigen, was ein Zerrbild des zentralen Themas der Gotteserkenntnis mit sich bringt. Man denke an den Sentenzenkommentar des Petrus Lombardus. 6 Berkeley setzt sich an dieser Stelle mit der apophatischen Theologie des Dionysios Areopagita (Thomas und Suarez werden in A IV, 20 verworfen) auseinander, den er als Ursprung der Tradition, die sich in der Scholastik und bei den Kirchenvätern fortsetzt, ausmacht. Nach einer knappen Darstellung der Intention des Dionysios wird diese Methode in A IV, 19, 167 verworfen: „Upon the whole, although this method of growing in expression and dwindling in notion, of clearing up doubts by nonsense, and avoiding difficulties by running into affected contradictions, may perhaps proceed from a well-meant zeal, yet it appears not to be according to knowledge; and, instead of reconciling atheists to the truth, hath, I doubt, a tendency to confirm them in their own persuasion. It should seem, therefore, very weak and rash in a Christian to adopt this harsh language of an apocryphal writer preferably to that of the Holy Scriptures.“ Vgl. dazu D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 140ff. 7 Der Vorwurf wird in konzentrierter Form von Lysicles in A IV, 17, 164 vorgebracht: „For how are things reconciled with the divine attributes when these attributes themselves are

A. Berkeleys theologische Philosophie

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You cannot argue from unknown attributes, or, which is the same thing, from attributes in an unknown sense. You cannot prove that God is to be loved for his goodness, or feared for his justice, or respected for his knowledge: all which consequences, we own, would follow from those attributes admitted in an intelligible sense but we deny that those or any other consequences can be drawn from attributes admitted in no particular sense, or in a sense which none of us understand. Since, therefore, nothing can be inferred from such an account of God, about conscience, or worship, or religion, you may even make the best of it. (A IV, 18, 165)

Obige Passage negiert bedeutungslose (unknown) Attribute als Ausgangspunkt für eine gültige Argumentation. Daraus resultiert, dass die Bekanntheit von göttlichen Attributen eine notwendige Bedingung für die Erkenntnis Gottes ist. Weiterhin lässt sich die Verständlichkeit der Gott zugeeigneten Eigenschaften folgern: Erst die Eigenschaften einer Substanz vermitteln eine Kenntnis derselben. Auch impliziert der Begriff der Erkenntnis kein defizitäres Wissen; es lassen sich vielmehr positive Aussagen zu Gottes Wesen ohne Rückgriff auf akademische Distinktion generieren. Es steht nun die Auswertung der bisherigen Analyse an: im Hinblick auf positive Aussagen über Gott sowie deren Grenzen. Gott wurde als strukturgebende Instanz identifiziert, die a priori sämtliche Erkenntnismöglichkeiten finiter Geister organisiert.8 Insofern ist das gesamte Denken Berkeleys theologischen Ursprungs, da es Gott als existent und als Grund alles Seienden voraussetzt. Diese Prämisse bedarf einer rational einsichtigen Begründung, denn der Gottesbegriff wird von Berkeley nicht analytisch erschlossen; vielmehr erfolgt eine Annäherung aus unterschiedlichen Perspektiven. Wenn nun Gott die Möglichkeitsbedingung alles Seienden und Erkennbaren ist und im Gegensatz zu Ideen nicht sinnlich perzipiert werden kann, – denn Gott ist als Schöpfer von der Schöpfung zu differenzieren – stellt sich die Frage, in welchem Medium und auf welche Weise Gott sich zu erkennen gibt, bzw. wie Gott erfahrbar ist und sich wahrnehmbar macht. Vorausgesetzt, dass Gott selbst die Erkenntnis seiner Person durch die Erfahrbarkeit derselben verbürgt, lassen sich aus den bisherigen Ausführungen zwei Wege zur Erkenntnis Gottes diagnostizieren (4.B): Der eine führt über die Welt (4.B.I), der andere über das Selbst (4.B.II). Diese beiden Wege sind selbstredend nicht vollständig voneinander zu separieren, sondern durchweben sich reziprok (4.B.III). Nachfolgend wird ein Überblick über die beiden Wege der Gotteserkenntnis gegeben, die bereits in den Kapiteln zur Existenz des christlichen Gottes (2) sowie der Geistlehre (3) erwähnt bzw. vorbereitet wurden. Auf die Erörterung dieser beiden Zugangsweisen folgt in 4.C die Bestimmung des Verhältnisses von Glaube (faith) und Vernunft (reason). Im in every intelligible sense denied, and, consequently, the very notion of God taken away, and nothing left but the name without any meaning annexed to it?“ 8 C. Gunton, Enlightenment & Alienation. An Essay towards a Trinitarian Theology, Grand Rapids, Michigan 1985, 50 bemerkt: „According to him [Berkeley, C.N.], we know the world because God gives it to us to be known.“

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Hinblick auf Berkeleys Lebensdaten erfolgt vorwiegend eine Zuordnung desselben zur natürlichen, was zwar korrekt ist, jedoch den Sachverhalt nicht ausreichend erfasst.9 Bereits seine Auseinandersetzung mit den Freidenkern verhindert eine einseitige Zuordnung zur natürlichen Theologie. Bei genauer Betrachtung der Texte wird sich das Herz des Menschen als primäres Organ für die Gotteserkenntnis erweisen. Bisher wurde Gott als umfassendes Integral alles Seienden und notwendige Bedingung jeglicher Erkenntnis vorgestellt, weshalb der Selbstmitteilung Gottes, wie sie beispielsweise im Argument von der visuellen Sprache dargestellt wird, eine theologische Form zugeordnet wird: Offenbarung (4.D). Entsprechend werden die bis dato dargestellten Relationen zwischen Gott, finitem Geist und Realität hier anhand des Topos der Selbsterschließung Gottes durchdekliniert. Ein wesentliches Resultat besteht in der Explikation eines dialogischen Offenbarungsbegriffs, der nicht nur Gottes Selbstmitteilung, sondern auch eines aufmerksamen Rezipienten bedarf. Anschließend erfolgt die Ausarbeitung der Verhältnisbestimmung von Ideen und Gottes Geist (4.E). Da Berkeley in diesem Kontext permanent auf die Darstellung in Genesis 1 rekurriert, wird die platonisch anmutende Theorie von den sog. divine ideas abgelehnt. Die Hinzunahme schöpfungstheologischer Einsichten unterstützt die Annahme, den Begriff der Schöpfung als dialogischen, im Sinne eines immaterialistischen Realismus, zu interpretieren: Die In-eins-Setzung von Gottes Wort mit Gottes Tat macht eine Vermittlung durch Ideen überflüssig. Dennoch stellt sich mit Nachdruck die Frage nach einem Vermittlungsgeschehen. Gott als permanenter Dialogpartner ist kein abstraktes Etwas, sondern eine erfahrbare, sich mitteilende Person. Ein vollkommenes „Abstraktum“ vermag kaum ein derartiges Kommunikationsgeschehen zu leisten. Berkeley selbst betont in den Predigten mehrfach die rational nicht einholbare Bedeutung des Inkarnationsgeschehens und weist auf die Rolle von Jesus Christus als Mediator hin (4.F). Aus diesem Grund wird im letzten Kapitel Berkeleys trinitarisches Gottesbild genauer beleuchtet (4.G). Berkeley hat zwar keine ausgefeilte Trinitätslehre entwickelt, doch weisen zahlreiche Passagen – nicht nur in den Predigten – auf einen selbstverständlichen Umgang mit dem trinitarischen Gott hin, was bei einer Untersuchung zur Erkenntnis von Gottes Wesen keinesfalls unbedacht bleiben darf. Die ununterscheidbare Unterscheidung Gottes als relationales Wesen in Vater, Sohn und Heiliger Geist ermöglicht erst eine personale Zuwendung auf unterschiedliche Weisen. Die Integration des trinitarischen Gottes vervollständigt Berkeleys Sicht auf Gott als vertrauten und permanent präsenten Gesprächspartner: Gott ist kein beziehungsloser, neutraler Gott, sondern Gott ist der, in dem wir leben, weben und sind. 9

Vgl. etwa die Arbeit von E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27).

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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Es sei daher – auch im Hinblick auf die Methodik – erwähnt, dass in diesem letzten Kapitel die Predigten selektiv und exemplarisch verstärkt hinzugezogen werden, was sich aus dem zu verhandelnden Gegenstand ergibt.10

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

I. Der Weg über die Welt Eine Möglichkeit, Wissen von Gott zu erlangen, liegt in der Erkenntnis der Welt. Diese Form der Gotteserkenntnis meint die Dechiffrierung der visuellen Sprache und ist a posteriori. Für Berkeley verlaufen die Erkenntniswege zu Gott und Welt nicht in entgegengesetzte Richtungen, wie in manch anderen theologischen Konzeptionen. Der Weg zu Gott führt durch die Erkenntnis der Realität, denn sie ist Gottes Selbstmitteilung. Berkeleys dynamisches Realitätsverständnis postuliert im Realitätsbegriff eine unverzichtbare, göttliche Ordnungsfunktion.11 Das gründet darin, dass sämtliche Phänomene als Produkt des Dialogs zwischen Gott und finitem Geist aufzufassen sind.12 Die Erfahrung der Wirklichkeit und Wirksamkeit Gottes ist nach Berkeley stets eine Wahrnehmung von Zeichen, die auf Gott verweisen: Gott offenbart sich im Medium Welt via Zeichen. Die Methode für die Gotteserkenntnis über die Welt ist in der Wahrnehmung der permanenten Offenbarung begründet, die durch eine Decodierung der visuellen Zeichensprache erreicht wird. Die von Gott verursachten Ideen sind als permanente Anrede in einem Kommunikationsprozess aufzufassen, woraus zu deduzieren ist, dass jegliches Sprechen

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Zur anglikanischen Predigtpraxis vgl. J. Downey, The Eighteenth Century Pulpit. A Study of the Sermons of Butler, Berkeley, Secker, Sterne, Whitefield and Wesley, Oxford 1969, bes. 58–88; dieser erkennt in den Predigten einen klaren Stil, der sowohl die Vernunft als auch das Herz anspricht (87) und bezeichnet Berkeley als intellectual and spiritual genius that he could be, at one and the same time, cherub and seraph (68). O. C. Jr. Edwards, A History of Preaching, Nashville 2004, 419 charakterisiert Berkeleys Predigten: „[T]hey represent yet another way in which preaching has been connected to the very center of eighteenthcentury intellectual and artistic life.“ 11 Vgl. die Identifizierung von Gott mit dem Evolutionsprozess wie sie etwa von dem Physiker Erich Jantsch oder auch in der Prozessphilosophie A. N. Whiteheads vertreten wird. S.a. J. Eccles, Die Psyche des Menschen. Die Gifford Lectures 1978–1979, München 1985, 215: „Naturwissenschaftliche Erkenntnisse führen zu einer natürlichen Theologie, die große religiöse Möglichkeiten bietet. Das Universum wird in seinem einzigartigen Plan nicht nur beim anfänglichen Urknall, sondern auch bei der Kette der Zufälle, die zu unserer Existenz hier und jetzt geführt hat […] als noch wunderbarer als bisher erkannt.“ 12 Wie bereits herausgearbeitet, steht diese Auffassung konträr zu mechanischen Weltbildern.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

über diese Ideen eine Art indirekte Rede von Gott impliziert.13 Damit ist der Nexus zu den Naturwissenschaften hergestellt, denn aus einem ausgeprägten Verständnis der Naturzusammenhänge resultiert eine entsprechende Theologie. Ein Anliegen Berkeleys besteht in der Vermittlung der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse christlicher Forscher wie Kepler, Galilei oder Newton mit der Theologie.14 Sein theologischer Ansatz synthetisiert die Kerngedanken des Christentums mit Resultaten der Naturwissenschaften. Welt- und Gotteserkenntnis bilden einen unauflöslichen Verweisungszusammenhang, wobei Gott der Einheit gebende Bezugspunkt ist und die größtmögliche Einheit darstellt.15 Diese supponierte Einheit ist die Bedingung der Möglichkeit jeglicher Erkenntnis. Der Vorgang der Welterkenntnis wird traditionell mit dem Lesen im Buch der Natur beschrieben.16 Eine Option zur Interpretation dieser Metapher besteht darin, die Natur als offen liegendes Buch zu betrachten, das ohne Mediation zu verstehen ist; doch greift diese Simplifizierung zu kurz. Letztlich erfordert jeder Lesevorgang seitens des Rezipienten die Fähigkeit des Lesenkönnens, d.h. die Interpretation und das Verständnis der Zeichen, was eine grundlegende Rahmenbedingung für Kommunikation bildet. Da der Prozess der aktiven Rezeption nicht kontemplativ erfolgt, sondern sich in Handlungen niederschlägt, wie zu zeigen ist, ist das Lesen im Buch der Natur eine Interaktion des finiten Geistes mit den visuellen Zeichen respektive ihrem Autor. Jeglicher Lesevorgang impliziert danach ein dialogisches Verhältnis zwischen dem Autor des Buches und dem Leser. Der finite Geist ist dabei in jeder Situation zum Lesen, Interpretieren und Verstehen von Sinnzusammenhängen aufgefordert. Realität fungiert dementsprechend als Interaktionsraum zwischen Gottes Anrede und menschlicher Decodierung.17 Damit integriert Berkeley die permanente Orientierungsleistung des Menschen in der Welt in eine semiotische Theologie. Die These von der Gotteserkenntnis als einem dialogischen Geschehen bedeutet, jeglichen Umgang mit Ideen als Antwort auf Gottes Anrede aufzufassen, woraus eine permanente Interaktion zwischen Gott und Mensch abzuleiten ist. Eine umfassende und kohärente Deutung ist nur möglich, wenn das Dialoggeschehen als ein freiheitliches und kontingentes verstanden wird. Vor der Beschäftigung mit Antwortoptionen konzentrieren 13

Gott als Grund von Sprache verdeutlicht die Limitierung menschlicher Rede: Diese kann Gott niemals adäquat repräsentieren, da sie selbst ein Derivat von Gottes Evokation ist. 14 D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 138 erkennt in Newtons Principia ein angemessenes Verständnis der Grammatik der Natur. 15 Vgl. W. Pannenberg, Systematische Theologie (3. Kap., Anm. 19), 15. Wie Descartes und Leibniz begreift Berkeley Gott nicht nur als Urheber der Welt, sondern auch der menschlichen Erkenntnisfähigkeit. 16 Die Welt als Sprachmodell findet sich schon bei A. Augustinus: De genesi ad litteram, in: Patrologiae cursus completus. Series Latina, hg. von Migne, Bd. 34, Paris 1887, 219ff. 17 Hinsichtlich Berkeleys dynamischer Realitätsauffassung vgl. Kap. 2.B.III.

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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wir uns auf die Erfassung Gottes als Dialogpartner, wie er in den Existenzargumenten beschrieben wird. Gott tritt in Erscheinung, wenn er sich in einem sprachlichen Akt dem finiten Geist mitteilt. Zweifellos betrifft eine derartige „Verschiebung“ des Gottesverhältnisses auch die Beziehung zwischen alltäglichen Verhaltensweisen und der Auffassung von der göttlichen Andersheit: Eine Verinnerlichung dieser Theologie mit Fokus auf die intime Gottesnähe besitzt eine entsprechende Wirkung auf Alltagssituationen, sofern jeder Perzeptionsakt ein Gesprächsangebot Gottes bedeutet.18 Der Dialogverlauf selbst stellt sich als ein komplexer dynamischer Prozess dar. Der Akt der Selbstoffenbarung Gottes ist stets in einer konkreten Situation verankert, die sich versprachlichen lässt. Damit referiert Berkeley auf eine zentrale Prämisse jeglicher Zeichentheorie: Die Lokalisierung eines Zeichens in einem Kontext ermöglicht ein Verständnis von dessen Sinn. Erst die Berücksichtigung der Gesprächssituation erhellt den Prozess der Bezugnahme auf Realität. Letztlich ist jede Anrede durch Gott ein singuläres Ereignis in einer konkreten Situation, das aufgrund seiner Zeichenhaftigkeit in einen Sinnzusammenhang integriert werden kann. Für finite Geister steht der Inhalt zur Prüfung, den Gott über das visuelle Zeichen jenseits pragmatischer oder naturwissenschaftlicher Kontexte zu vermitteln trachtet; denn der Sinn der Welt ist letztlich die Erkenntnis von Gottes Person. Gott als Subjekt seiner Offenbarung bestimmt sich selbst zum Gegenstand der Kommunikation mit finiten Geistern. Dabei ist anzumerken, dass das Sein finiter Geister in der Welt immer schon ein Sein im Gespräch mit Gott ist, ohne dessen Transzendenz als solche zu erreichen. Die Gefahr einer derart empirischen Theologie besteht im Pantheismus, woraus die Negation von Gottes Transzendenz resultieren würde.19 Berkeley vermeidet diese Option, indem er Gott nicht mit der Natur identifiziert, sondern Realität als zeichenhaftes Kommunikationsmedium aufgefasst wird. Der Realität ist damit sowohl ein immanenter als auch ein transzendenter Sinn inhärent.20 Der immanente Sinn vermag Orientierung in der Welt zu geben, während zugleich die Zeichen auf Gott als transzendenten Gesprächspartner verweisen, der Sinn und Einheit von Welt bewahrt. Gottes permanente Anrede, die anhand der Konfrontation mit Sinnesideen zu reflektieren ist, fordert zu einer Auseinandersetzung auf, die nicht hintergehbar ist. 18

Die ausgezeichnete Erfahrung Gottes als Dialogpartner sowie seine Konstitution als Handelnder vermag die relativ verschiedenartigen Auffassungen seines Wesens zu erklären. 19 Berkeley verwirft wie Locke die spinozistische Gleichsetzung von Gott, Natur und Substanz. Vgl. R. Sporbert, Der Gottesbegriff Lockes und Berkeleys (1. Kap., Anm. 55), 83. Den Pantheismusvorwurf im Anschluss an Spinoza erhebt St. H. Daniel, „Berkeley’s pantheistic discourse“ (2. Kap., Anm. 154). 20 So auch M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 175: „Das auf einen transzendenten Sinn gerichtete Lesen des Weltbuches wird also immer den Sprachschöpfer zu erkennen suchen, während ein nur nach immanenten Zusammenhängen suchendes Lesen das Sprachsystem als solches untersucht, um die Regeln zu erklären.“

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Diese Situation der Ansprache evoziert nach Berkeley unausweichlich den Gottesgedanken.21 Der Weg über die Welt hat verdeutlicht, dass das Wissen von Gott immer vermittelt ist; Berkeley untersucht genau diesen Vermittlungsprozess. Seine Analyse setzt daher bei den unmittelbaren Sinneseindrücken an, da dieser Bereich Gewissheit impliziert. Zu prüfen ist nun, inwieweit die vorausgehend ausgearbeiteten Resultate auch auf das Selbst zutreffen. II. Der Weg über das Selbst Der zweite Weg der Erkenntnis Gottes läuft über das Selbst. Berkeleys Geistlehre skizziert diesen Weg, der aufgrund der großen epistemologischen Nähe des Erkenntnisgegenstandes leicht einsichtig ist: Insofern dem finiten Geist qua Geist die Möglichkeit gegeben ist, Wissen von seinem Selbst zu generieren, impliziert das zumindest eine Ahnung von Gottes Wesen, da hinsichtlich Erkenntnisgegenstand und -weise Strukturparallelen zu verzeichnen sind, die nachfolgend erörtert werden. Der infinite Geist, den es zu erkennen gilt, gehört zum intimsten Bereich jedes finiten Geistes. Dies ergibt sich bereits aus der permanenten Dialogsituation von Gott und Mensch. Die Wiederholung relevanter Einsichten aus dem Kapitel zur Selbsterkenntnis unterstützt die Entfaltung dieses zweiten Weges der Gotteserkenntnis, der im Unterschied zum ersten Weg eine apriorische Struktur aufweist. Die wesensmäßige Ähnlichkeit von Gott und Mensch wird von Berkeley durch ihre identische Bezeichnung als Geist (mind) ausgedrückt, die in der theologischen Rede von der imago dei eine Fundierung findet. Sämtliche Erkenntnismöglichkeiten sowie deren Grenzen sind innerhalb der Relation GottGeschöpf zu rekonstruieren. Die Textexegese hat eine triadische Struktur im finiten Geist (Denken, Wille und Verstand) aufgezeigt – als Ausdruck der Wesensverwandtschaft zum infiniten, trinitarischen Geist Gottes. Der Befund erwies die Stabilität immaterieller Substanzen im dynamischen Zusammenspiel der drei Seinsweisen, wodurch zugleich die Paradoxie von trinitarischer Einheit angedeutet wird. Das aktive, denkende (Ab-)Bild von Gott im finiten Geist erfüllt zwei Funktionen: Zum einen eröffnet es einen Weg für Gottes Mitteilung und zum anderen gewährleistet es eine gewisse Durchsichtigkeit für das eigene Selbst. Hinsichtlich der ersten Funktion teilt sich Gott also nicht nur mithilfe visueller Zeichen in einer externen Welt mit, sondern auch mittels eines internen Abbildes, das jeder finite Geist in sich vorfinden kann. Dieses denkende Bild fungiert nicht wie ein Spiegel, mit dessen Hilfe man ein klares Bild von Gott erlangen kann, was bereits die Korrumption durch die 21 Der Gedanke einer unausweichlichen Auseinandersetzung findet bei E. Herms, Phänomene des Glaubens. Beiträge zur Fundamentaltheologie, Tübingen 2006, 320–341, bes. 337 eine schöne Entfaltung.

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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Sünde verhindert.22 Vielmehr verdeutlicht die Charakterisierung des Bildes als aktiv seinen prozessualen Charakter: Es handelt sich nicht um ein einmalig eingepflanztes, statisches Wissen, das seitdem invariabel existiert, sondern um eine lebendige Quelle der Gotteserkenntnis. Das Problem der Bestimmung von Aktivität und Passivität im finiten Geist findet bei Einbezug des Gottesverhältnisses vollständige Auflösung, denn die Relation Gott – Mensch gibt den Maßstab vor: Unter qualitativer Betrachtung erfährt die Aktivität finiter Geister eine Limitierung, während allein dem infiniten Geist vollständige, unbegrenzte Aktivität zukommt. Der finite Geist als Geschöpf Gottes bleibt im Hinblick auf seine Bezogenheit auf Gott passiv. Hinsichtlich der Zuwendung auf den eigenen finiten Geist konnten drei mögliche Bezugsweisen (intuition, reflexion und notion) festgestellt werden, wobei der geistige Vorgang der notion auch für die Gotteserkenntnis Relevanz besitzt, sofern er auf den geistigen Erkenntnisbereich Anwendung findet. Er wurde definiert als eine Art erste Vorstellung des Erkenntnisgegenstandes, die sich in einem weiteren Schritt begrifflich realisieren lässt.23 Von größter Relevanz ist der Sachverhalt, dass jeder finite Geist eine notion von sich und von Gott besitzt. Nach dieser Wiederholung ist folgendes festzuhalten: Für den Weg über das Selbst sind zwei Annahmen virulent, deren Nexus zur Konkretisierung aussteht: Zum einen findet sich im Geist ein Bild des trinitarischen Schöpfers, zum anderen werden mittels einer bereichsspezifischen Zugangsweise (notion) positive Aussagen vom Geist möglich.24 Wie bereits mehrfach angeklungen, ist Gott nicht von einer Idee zu repräsentieren, weshalb Berkeley den umfassenderen Term notion in Anspruch nimmt, dessen Analyse im Hinblick auf die Gotteserkenntnis nun erfolgt. [T]hat nothing is natural to man but what may be found in all men, in all nations and ages of the world; that, to obtain a genuine view of human nature, we must extirpate all the effects of education and instruction, and regard only the senses, appetites, and passions, which are to be found originally in all mankind; that, therefore, the notion of a God can have no foundation in nature, as not being originally in the mind, nor the same in all men? (A, I, 14, 58, Hervorhebung C.N.)

Es existiert eine Kenntnis von Gott, die allen Menschen gemeinsam ist und anhand einer Untersuchung der Sinne, Bestrebungen und Leidenschaften offen gelegt werden kann. Obwohl die notion von Gott als seine Selbstmitteilung zu verstehen ist, ist diese nicht in der Natur aufzufinden. Damit bekundet Berkeley, dass neben der Dialogaufnahme durch das Sprachmedium Welt ein 22 M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 141–149 hingegen interpretiert sowohl die Welt als auch den eigenen Geist als Spiegel zur Dechiffrierung der Sprache Gottes. 23 Vgl. die entsprechenden Ausführungen in 3.G. 24 S.a. D III: 233.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

weiterer Zugang zu Gott besteht. Von größter Bedeutung ist folgende Passage, die bereits im Kontext der Selbsterkenntnis verhandelt wurde: I do not therefore say my soul is an idea, or like an idea. However, taking the word idea in a large sense, my soul may be said to furnish me with an idea, that is, an image, or likeness of God, though indeed extremely inadequate. For all the notion I have of God, is obtained by reflecting on my own soul heightening its powers, and removing its imperfections. I have therefore, though not an inactive idea, yet in my self some sort of an active thinking image of the Deity. And though I perceive Him not by sense, yet I have a notion of Him, or know Him by reflexion and reasoning. (D III: 231f, Hervorhebung C.N.)

Die darin versammelten Punkte sind hinsichtlich des notionalen Vorgangs relevant. Wie bereits in Berkeleys Geistlehre demonstriert wurde, referiert notion gegenüber den Ideen nur auf etwas Aktives wie den Geist und dessen Aktivitäten.25 Sowohl für den Vorgang der Selbst- als auch der Gotteserkenntnis ist die notionale Hinwendung des finiten Geistes zum aktiven Bild von größter Relevanz.26 Eine entscheidende Auffälligkeit bezüglich des Gegenstandsbereichs ist die Verwendung von notion im Kontext der Gottebenbildlichkeit: Das aktive Bild in der eigenen Seele, auf das notional Bezug genommen wird, verweist auf Gott. Zugleich wird der prozessuale Charakter des Bildes im Sinne einer vermittelten Wahrnehmung hervorgehoben, wie im selben Abschnitt expliziert wird: „Farther, from my own being, and from the dependency I find in my self and my ideas, I do by an act of reason, necessarily infer the existence of a God, and of all created things in the mind of God.“ (D II: 232) Das eigene Selbst fungiert als Ausgangspunkt, um auf Gottes Existenz zu schließen. Wenn Berkeley solch ein schlussfolgerndes Verfahren (infer) postuliert, so ist zunächst einmal davon auszugehen, dass er etwas im Selbst gefunden hat, das derartige Folgerungen gewährleistet. – Das Defizit einer eingehenden Beleuchtung derartiger Schlussverfahren seitens Berkeleys ist uns bereits im Kontext des Gottesbeweises begegnet und wird uns auch weiterhin begleiten. Als entscheidende Einsicht ist die Anzeige eines Konnexes von der Gottebenbildlichkeit im Kontext eines notionalen Zugriffs auf geistige Substanzen zu werten. Damit findet die Verwandtheit des Erkennt25 J. W. Davis, „Berkeley’s Doctrine of Notion“, in: W. E. Creery (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 357–367, 362 folgert daraus, dass notion neben Geist und Ideen ein tertium quid in Berkeleys System darstellt. A. D. Woozley, „Berkeley’s Doctrine of Notions and Theory of Meaning“ (3. Kap., Anm. 170) argumentiert mit einer vergleichbaren Intention und beschreibt die Entwicklung einer entstehenden Bedeutungstheorie, die auch für den Kontext der theologischen Sprache von Relevanz ist. I. C. Tipton, „Berkeley’s View of Spirit“ (2. Kap., Anm. 21), 60 verortet diese Stelle im Zusammenhang der Substanzerkenntnis. 26 S.a. P §§ 89, 140 und 142. Die Formulierung notion of spirit inkludiert Gott als Erkenntnisgegenstand. E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 48f hingegen schließt bei Berkeley jegliches apriori-Wissen von Gott aus und leitet aus obiger Passage eine natürliche Gotteserkenntnis ab.

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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nisgegenstandes sowie dessen Bedingung zur Möglichkeit von Erkenntnis Unterstreichung. Nach dieser Analyse ist das Gottesbewusstsein im reflexiven Selbstbewusstsein zu lokalisieren: Von Gott besitzt man eine präreflexive notion, die ihren Ausdruck im (Ab-)Bild findet.27 Nachdem nun ein Zusammenhang von der Struktur des Selbst als imago dei und der notionalen Zuwendung darauf festgestellt werden konnte, ist nun ihre strukturelle Verbindung zu klären. Eine notion vermittelt ein permanentes Grundgefühl, das aufgrund seiner vorreflexiven Gewissheit zugleich einen rationalen Zugang zu Gott ermöglicht.28 In diesem Grundgefühl manifestiert sich die Verwiesenheit des finiten Geistes auf Gott: die Gewissheit von Gottes Existenz ist letztlich nicht allein durch Erfahrung zu gewinnen, sondern auf einer tieferen Ebene im Selbst zu lokalisieren.29 Diese qua Geschöpf gegebene Gewissheit, die Berkeley mit dem Begriff notion zu vermitteln sucht, ist notwendig, da Gott keine unbekannte Wesenheit ist, sondern der Schöpfer eines jeden finiten Geistes: „G I am certain there is a God, tho I do not perceive him have no intuition of him. this not difficult if we rightly understand wt is meant by certainty.“ (PC 813) Diese frühe Notiz betont den apriorischen Ausgangspunkt einer Gottesgewissheit, die Berkeley präsupponiert. Die Suche nach Gott fällt allein aufgrund der imago dei positiv aus, da sich eine Spur des zu Erkennenden im Grunde des Selbst befindet. Es ist anzumerken, dass die reflektierende Bewegung auf das eigene Selbst keinen Überstieg zu Gott bedeutet, insofern jede Erfahrung, also auch die religiöse, mit dem Verlust des dialogischen Charakters fragmentarisch wird.30 Die Aporie des Denkens be27

Dass der Vorgang der Selbsterkenntnis keine autarke Leistung ist, wurde bereits ausgeführt; inwieweit es sich dabei bereits um ein Erschließungsgeschehen handelt, wird weiter unten verhandelt. 28 Es darf nicht der falsche Eindruck von einem irrationalen Gefühl entstehen. Auch wenn Vernunft und Gefühl gern als Polaritäten verhandelt werden, so impliziert die Referenz auf Gefühl nicht notwendig die Exklusion von Verstand. Eine vergleichbare Konzeption hinsichtlich des engen Zusammenhangs von Gottes- und Selbsterkenntnis vertritt Calvin. Die bedeutende Forscherin C. Axt-Piscalar, „Gottes- und Selbsterkenntnis gehören zusammen“, KuD 54 (2008), 290–315 beschreibt Calvins Kenntnis von Gott mit folgenden Worten, was sich auch auf Berkeley applizieren lässt: „Calvin spricht mehrfach von Empfindung, Ahnung, wenn er den religiösen Keim im Menschen beschreibt. Ich verstehe dies so, dass er damit nicht auf ein reflektiertes Wissen abhebt, sondern auf ein das Leben des Menschen und seine Selbstwahrnehmung begleitendes, noch weitgehend unbestimmtes Moment, aber ein solches, das der Mensch in seinem Selbstvollzug durchaus gewahrt und das ihn auf seine faktische Gottbezogenheit verweist.“ 29 Vgl. R. H. Hurlbutt, „Berkeley’s Theology“, in: S. C. Pepper/K. Aschenbrenner/B. Mates (Hgg.), George Berkeley. Lectures delivered before the Philosophical Union of the University of California, Berkeley/Los Angeles/London 1957, 106–121, 117. 30 Eine Entartung ist beispielsweise charakterisierbar als ein fortlaufendes Selbstgespräch, das einen Versuch der Ablösung von Gottes Anrede im Sinne eines autarken Selbstbegründungsversuches intendiert.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

steht in dessen narzisstischem Selbstbezug, sofern lediglich das vermeintlich eigene, aber möglicherweise trügerische Spiegelbild betrachtet wird.31 Um die Reflexion vor dieser Aporie zu schützen, fungiert die dialogische Wirklichkeit als Korrektiv. Die Selbstzuordnung zum Atheismus, d.h. die Negation jeglicher Relation zu Gott, kann zweifelsohne konstatiert werden. Jedoch handelt es sich dabei um eine Verkennung der Wirklichkeit, da jeder Selbstvollzug als imago dei die Verwiesenheit auf Gott unveräußerlich impliziert. Der notionale Vorgang bezeugt neben einem individuellen Zugriff auf das eigene Selbst, begleitet von dem eigenen präreflexiven Gefühl, zugleich das Fundament einer ausgesprochen persönlichen Gottesbeziehung. It is the privilege of a thinking being to withdraw from the objects that sollicit his senses, and turn his thoughts inward on himself. For my part I often mitigate the pain arising from the little misfortunes and disappointments that chequer human life by this introversion of my faculties, wherein I regard my own soul as the image of her Creator, and receive great consolation from beholding those perfections which testifie her divine original, and lead me into some knowledge of her everlasting archetype. (S XI: 222)

Diese Predigtstelle expliziert erneut in der Zuwendung auf die eigene Seele, als dem Bild ihres Schöpfers, eine Möglichkeit zur Kenntnis von dessen Sein, hier seiner Vollkommenheit. Der Trostcharakter hinsichtlich der eigenen Unzulänglichkeit steht im Vordergrund, doch zugleich wird die Generierung einer Kenntnis von Gott geklärt. Gott könnte theoretisch vollständig erkannt werden, wenn das Abbild keine Makel aufweisen würde.32 Daraus ist eine grundsätzliche Befähigung finiter Geister für die Entdeckung wesensmäßiger Ähnlichkeiten zu Gott zu deduzieren, insofern Gott die dafür notwendigen Strukturen geschaffen hat.33 Die Interpretation der Verwobenheit von Selbstund Gotteserkenntnis anhand der Doktrin von der imago dei bietet eine plausible Theorie für den notionalen Vorgang – ohne selbigen zu überfrachten. Wenn man Berkeleys Theologie ernst nimmt, dann ist der Vorgang der Selbsterkenntnis ohne Bezugnahme auf Gott nicht denkbar. Die Erkenntnis 31 Der Narzissmus stellt eine große Gefahr dar, vom rechten Weg abzukommen, S III: 33: „We must by all means mortify and subdue that base principle of Self-love whose views are always turned inwards which is so far from prompting us to good offices towards our neighbour, will not allow us to have good wishes to any but our selves. […] So long therefore as that continues the governing principle of our lives and actions, we cannot hope to be any great proficients in the necessary, the essential duty of Charity. Hence we must learn to wean ourselves from self-interest, or rather learn wherein our true interest consists.“ 32 Gotteserkenntnis kann durch Sünde, Vorurteil oder Sturheit verdunkelt sein, so S III: 27: „These things, I say, with the sublimity of its Doctrines and the simplicity of it’s rites, can leave no doubt of it’s coming from God a mind not sullied with sin not blinded with prejudice not harden’d with obstinacy.“ S.a. 3.B. 33 A V, 28, 207: „Man alone of all animals hath understanding to know his God. What availeth this knowledge unless it be to ennoble man, and raise him to an imitation and participation of the Divinity?“

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

223

des eigenen Selbst bedeutet die Erkenntnis von etwas Aktivem, Dynamischen, wodurch zugleich die Vergegenständlichung des Geistes negiert wurde. Analog dazu ist auch Gott kein Gegenstand, dem man sich gedanklich nähert, sondern ein vollkommen aktives Wesen; er ist daher nicht zu erschließen, sondern erschließt sich selbst. Erst in der Gottesbeziehung erkennt der finite Geist sich selbst als ein Selbst. III. Der Nexus der beiden Wege Es wurden nun die beiden Wege der Gotteserkenntnis dargestellt. Zum einen der externe Weg über die Realität, also der Vorgang des in-die-Welt-Schauens und zum anderen der interne Weg, der über das eigene Selbst führt. Beide Erkenntnisarten beinhalten interaktive Strukturen, d.h. es handelt sich um einen Umgang, der immer schon beide Gesprächspartner (Gott und Mensch) umfasst. Damit wird die limitierte Erkenntnisleistung finiter Geister deutlich zum Ausdruck gebracht. Gottes Selbstmitteilung ist die notwendige Bedingung, ihn als permanenten Gesprächspartner zu erfahren. Die Erkenntnis Gottes ist durch Erfahrungen in der Welt und den Vorgang der Selbsterkenntnis gesichert. Eine Begegnung mit Gott jenseits der Welt im Sinne eines geistigen Überstiegs ist auszuschließen; Begegnung findet immer in der Welt statt: Gott ist die umfassende Wirklichkeit des finiten Geistes. Die Rede von Gott entspricht damit nicht der Perspektive Gottes, sondern dem jeweiligen, individuellen Verstehenshorizont. Vor diesem Hintergrund ist die Methode der analogen Rede von Gott anzusprechen, die Berkeley als legitimes Instrument anerkennt.34 Allgemein wird die Lehre von der Analogie im Kontext der Frage nach einer angemessenen Rede von Gott verhandelt und ist eine Methode zur Generierung positiver Aussagen. Zwei Pole stehen zur Überwindung: Einerseits ein Agnostizismus35, der in seiner extremen Ausprägung vollkommene Abstraktheit göttlicher Wesensaussagen bzw. fehlender Immanenz bedeutet, und andererseits 34 Eine ausführliche Darstellung von Berkeleys Analogieauffassung und den entsprechenden historischen Bezügen findet sich bei T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 55–70. Sie ist der Ansicht, Berkeley vertrete in D dieselbe Lehre zur Erkenntnis Gottes wie in A und stehe unter starkem Einfluss von Browne. Konträrer Ansicht sind J. P. Hochschild, „George Berkeley and a Theory of Analogy“, DR 122 (2004), 157–168, J. O’Higgins, „Browne and King, Collins and Berkeley: Agnosticism or Anthropomorphism?“, The Journal of Theological Studies 27 (1976), 88–112, R. H. Hurlbutt, „Berkeley’s Theology“ (Anm. 605) und W. W. S. March, „Analogy, Aquinas and Bishop Berkeley“, Theol. 44 (1942), 321–329, wobei letzterer in Berkeleys Analogiekritik eine landmark in the history of anglican apologetics (327) sieht. 35 Für eine Begriffsbestimmung vgl. G. Löhr, „Agnostizismus, I. Religionsgeschichtlich“, in: H. D. Betz/D. S. Browning/B. Janowski et al. (Hgg.), RGG, Tübingen 4. Aufl. 1998, Sp. 186, wonach aufgrund der unterschiedlichen Begründungsmuster Agnostizismus auch für die erkenntnistheoretische Unmöglichkeit transzendenten Wissens verwendet wird.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

ein Anthropozentrismus, der in extremo gänzlich auf die Empirie referiert und dabei die vorauszusetzende Transzendenz Gottes aufgibt. Damit einhergehende Schwierigkeiten werden anhand der Demarkation von analoger Rede gegenüber Uni- und Äquivokation offenkundig: Gottes Transzendenz wäre etwa bei einem univoken Verständnis der zugeschriebenen Prädikate aufgehoben, insofern dem entsprechenden Prädikat für Gott und finitem Geist dieselbe Bedeutung zukommt, wodurch die Asymmetrie der Relation Schöpfer – Geschöpf nivelliert wäre. Eine äquivoke Auffassung der Prädikate ist ebenfalls ungeeignet, da diese zwar dieselbe Wortgestalt impliziert, jedoch auf einen anderen Sinn referiert und somit eine inhaltliche Rede über Gott unmöglich macht. Wenden wir uns nun der Methode der analogen Rede zu, die als via media zwischen den zuletzt genannten Sprechweisen zu lokalisieren ist und als sprachliches Werkzeug zur Beschreibung von Gottes Wesen fungiert. Berkeley befasst sich mit der analogen Rede im Alciphron und identifiziert deren Ursprung bei den Griechen in der Mathematik. Analogie ist von Mathematikern zur Kennzeichnung proportionaler Ähnlichkeit angewendet worden (z.B. 2:6 und 3:9), was leicht einsichtig und exakt benennbar ist. Nach Berkeley wurde dieser originär mathematische Analogiebegriff in der Scholastik radikal aufgeweicht und für eine nahezu beliebige Anwendung auf jegliche Ähnlichkeit von Relationen geöffnet.36 Dennoch schreibt Berkeley dieser Methode einen gewissen Wert zu und betont die scholastische Differenz von proportionaler (proper) und metaphorischer (metaphorical) Analogie. Wenden wir uns zuerst der metaphorischen Analogie zu. Of the first kind there are frequent instances in Holy Scripture, attributing human parts and passions to God. When He is represented as having a finger, an eye, or an ear; when he is said to repent, to be angry, or grieved; every one sees the analogy is merely metaphorical. Because those parts and passions, taken in the proper signification, must in every degree necessarily, and from the formal nature of the thing, include imperfection. (A IV, 21, 169f)

Die Verwendung der metaphorischen Rede lokalisiert Berkeley vorwiegend in biblischen Beschreibungen (Gottes Finger, Auge oder Zorn) und beurteilt diese als inadäquat, da mit solchen Zuschreibungen Gottes Wesen als unvollkommen erscheint, d.h. von Mängeln gekennzeichnet ist. In seiner Analyse der Zuschreibungen menschlicher Eigenschaften an Gottes Wesen zeigt Berkeley, dass auch solche Charakteristika finiter Geister auf Gott transferiert werden, die deren Imperfektion bekunden. Da eindeutige Regeln für die Zuschreibung fehlen, bleibt die Frage nach dem Gewinn dieser Methode. Zudem rekurriert eine bildliche Sprechweise, wie sie etwa in der Schrift zu finden ist, vornehmlich auf die Ideenwelt, die jedoch den geistigen Bereich nicht ange36

A IV, 29, 169: „And, although proportion strictly signifies the habitude or relation of one quantity to another, yet, in a looser and translated sense, it hath been applied to signify every other habitude; and consequently, the term analogy comes to signify all similitude of relations or habitudes whatsoever.“

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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messen zu reflektieren vermag.37 In der metaphorischen Rede sieht Berkeley letztlich die Gefahr der Aufhebung von Gottes Transzendenz, weshalb diese als unzulängliche Methode verworfen wird. Hinsichtlich der proportionalen Analogie untersucht Berkeley die von Gott kommunizierten Attribute. Während beispielsweise die Leidenschaften finiter Geister unvollkommen sind, sind die göttlichen Attribute vollkommen. Knowledge, therefore, in the proper formal meaning of the word, may be attributed to God proportionably, that is, preserving a proportion to the infinite nature of God. We may say, therefore, that as God is infinitely above man, so is the knowledge of God infinitely above the knowledge of man, and this is what Cajetan calls analogia proprie facta. And after this same analogy we must understand all those attributes to belong to the Deity which in themselves simply, and as such, denote perfection. (A IV, 170)38

Die Methode proportionaler Analogie wird am Beispiel des Verhältnisses von göttlichem zu menschlichem Wissen angewendet. Gott als infiniter Geist und Mensch als finiter Geist werden mittels des Prädikats Wissen (knowledge) in eine Relation gesetzt und miteinander verglichen. Während dem finiten Geist aufgrund dessen Begrenzung auch nur ein limitiertes Wissen zukommt, übersteigt Gottes Wissen aufgrund von dessen Unendlichkeit sämtliche Grenzen. Die gemeinsame ontologische Entität Geist ermöglicht dabei einen Vergleich, was zur Formulierung positiver Wesensaussagen führt: Die Analogata stehen dabei in einer direkten Relation zueinander. Eine Differenz existiert in der Relation Schöpfer – Geschöpf, wodurch die divergierende geistige Weite proportional zum Ausdruck gebracht wird; d.h. Gott als infiniter Geist besitzt infinites Wissen, während dem Menschen qua finitem Geist nur finites Wissen zukommt.39 Da sich diesem Vorgehen entsprechend weitere Attribute Gottes in Relation zum finiten Geist darstellen ließen, könnte der Eindruck entstehen, nach Berkeley sei Gottes Wesen von der Vernunft zu erschließen – man denke auch an obige Passage, wonach die Seele ihre Kräfte steigern kann.

37 Berkeleys Ablehnung metaphorischer Sprechweise wird besonders deutlich in P § 144: „But nothing seems more to have contributed towards engaging men in controversies and mistakes, with regard to the nature and operations of the mind, than the being used to speak of those things, in terms borrowed from sensible ideas.“ 38 Vgl. dazu J. P. Hochschild, „George Berkeley and a Theory of Analogy“ (4. Kap., Anm. 34), der Berkeleys Analogiedefinition als eine Paraphrase von Cajetans De nominum analogia aufklärt und in Alciphron eine unzureichende Erklärung hinsichtlich der Generierung positiver Aussagen mittels Analogie erkennt. 39 So betont F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 147f: „Thus God is not called wise because He causes wisdom because He is wise in terms of wisdom itself.“ Darin ist zugleich Gott als Sinngeber von Sprache, hier Weisheit, ersichtlich.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

We may, therefore, consistently with what hath been premised, affirm that all sorts of perfection which we can conceive in a finite spirit are in God, but without any of that alloy which is found in the creatures. (A IV, 21, 170)40

Es scheint, als ermöglichten bestimmte Eigenschaften im finiten Geist, die auf eine Vollkommenheit (perfection) verweisen, eine Folgerung auf deren Perfektion in Gott.41 Beispielsweise handelt es sich beim Wissen um eine Anlage, die eine Vollkommenheit im Geschöpf zwar andeutet, aufgrund von dessen Limitierung jedoch keine vollständige Ausbildung erfährt; demgegenüber ist für einen infiniten Geist auch ein infinites Wissen anzunehmen. Damit wird die Frage nach Gottes Verfügbarkeit virulent: This doctrine, therefore, of analogical perfections in God, or our knowing God by analogy, seems very much misunderstood and misapplied by those who would infer from thence that we cannot frame any direct or proper notion, though never so inadequate, of knowledge or wisdom, as they are in the Deity; or understand any more of them than one born blind can of light and colours. (A IV, 21, 170)

Da hier erneut die Möglichkeit der Generierung positiver Propositionen über Gott betont wird, steht zur Prüfung, ob der Bischof eine Induktion vom Wesen des Menschen auf Gottes Wesen als ernsthafte Option annimmt. Folgende Passage legt dies nahe: In short, the belief that there is an unknown subject of attributes absolutely unknown is a very innocent doctrine; […] if this could once make its way and obtain in the world, there would be an end of all natural or rational religion, which is the basis both of the Jewish and the Christian: for he who comes to God, or enters himself in the church of God, must first believe that there is a God in some intelligible sense; and not only that there is something in general, without any proper notion, though never so inadequate, of any of its qualities or attributes. (A IV, 17, 164f., Hervorhebung C.N.)

Die Annahme Gottes im Sinne eines vollkommen unbekannten Subjekts wird als naiv (innocent) gewertet und mögliche, daraus resultierende Konsequenzen werden dramatisch dargelegt: Das Ende jeder natürlichen oder rationalen Religion, sprich das Ende des Christentums. Positiv gewendet bedeutet dies, dass der christliche Gott spezifische Charakteristika aufweist, die vom Menschen auch zu erkennen sind. Berkeley strebt offenkundig einen positiven Gottesbegriff an, was konsistent mit der Intention des Gottesbeweises ist. Nimmt man dieses Programm eines positiven Gottesbegriffes ernst, stellt sich 40

A IV, 22, 171: „God is a thinking intelligent being, in the same sense with other spirits, though not in the same imperfect manner or degree.“ 41 Ähnlich die Interpretation von T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), P. J. Olscamp, „George Berkeley’s Unique Arguments about God“ (2. Kap., Anm. 26), 34ff und F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 146: „Names of perfections applied to God denote only the perfections themselves which are properly in God, and not the manner peculiar to the creature. This seems to be in complete accord with Berkeley’s view of spirit as simple, indivisible, and always active.“

B. Zwei Wege zur Erkenntnis Gottes

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die Frage nach der damit einhergehenden Erkenntnisrelation. Zentral ist dafür die Demonstration des geistigen, immateriellen Charakters der Welt, der sich im Prozess der Selbsterkenntnis bekundet. Der Geist weiß sich als etwas Denkendes und Aktives und macht zugleich die Erfahrung, nicht Ursache seiner selbst zu sein. Auf der weiteren Suche nach dem Grund seiner selbst, vermag er – wenn es Gottes Willen entspricht – ein Bild seines Schöpfers in sich selbst zu erkennen. Dieses Bild verdeutlicht die eigene immaterielle Existenz sowie deren Unverfügbarkeit. Selbstverständlich weist jegliche Bild-AbbildRelation sowohl Gleichartigkeit als auch Verschiedenheit auf.42 Eine Analogie besteht hinsichtlich der Bildrelation (Ur-)Bild – Abbild. Jegliche Bildrelation beinhaltet neben einer Entsprechung auch eine Verschiedenheit bzw. ein hierarchisches Verhältnis. Die hierarchische Relation zeichnet sich durch die unmögliche Konvertierbarkeit von Bild und Abbild aus. Dadurch erfährt die Zuordnung der jeweiligen Eigenschaft eindeutige Bestimmung, womit zugleich gewährleistet ist, dass der finite Geist nicht mit Gott identifizierbar ist: Gott ist der Schöpfer und der Mensch ist Geschöpf. Diese Differenz verbietet eine Gleichsetzung von finitem mit infinitem Geist. Da die Bild-AbbildRelation weiterhin die Möglichkeit eröffnet, im Geschöpf Strukturähnlichkeiten zu dessen Schöpfer zu entdecken, ist die Methode der Analogie plausibel und vertretbar: Eigenschaften wie Wissen, Weisheit, Güte etc., die der finite Geist besitzt und die er aufgrund Gottes Selbstmitteilung diesem zuschreiben kann, kommen analog dem infiniten Geist in unbegrenztem Maße zu. Umgekehrt gilt, wenn Gott beispielsweise immer die (symbolisch vollkommene) 1 ist, kommt dem finiten Geist lediglich ein Bruchteil der jeweiligen Eigenschaft zu. Das Geschöpf vermag über seinen Schöpfer Aussagen zu treffen, weil es diesem ähnlich ist. Diese Ähnlichkeitsrelation ist die Grundlage für analoge Aussagen proportionaler Provenienz. Kommen wir nun zu einer abschließenden Bewertung der Methode der proportionalen Analogie. Während die Mehrzahl der Interpreten diese Methode als adäquates Instrument der Gotteserkenntnis erkennt, bin ich der Ansicht, dass diese Position nur unter Einbezug von Gottes Selbstmitteilung haltbar ist, wie in den nachfolgenden Kapiteln anhand unterschiedlicher Topoi herausge-

42 Würde ein Abbild gegenüber dem Urbild permanent Kontinuität aufweisen, wäre es angemessen von Identität zu sprechen. Würde das Abbild hingegen nur Diskontinuität aufweisen, könnte man kaum noch von Ähnlichkeit reden. Bei der Abbildrelation steht die Diskontinuität eindeutig im Vordergrund. Natürlich existiert eine Kontinuität des Geschöpfes gegenüber dem Schöpfer, doch diese wird maßgeblich von Diskontinuität geprägt. Weiterhin ist an die Dynamik des Abbildes zu erinnern wodurch der Einwand von J. Splett, Gotteserfahrung im Denken, München 5. Aufl. 2005, 109 gegenstandslos wird: „Wenn Gott gestalt- und bildlos ist, kann es kein Abbild seiner geben – und demzufolge auch keinen objektiven Maßstab für die Ähnlichkeit solcher Bilder.“ (Hervorhebung im Original).

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

arbeitet wird.43 Denn bereits auf erkenntnistheoretischer Ebene liegt es nicht in der Macht finiter Geister, Gott aus eigener Kraft zu erkennen: Es bedarf für jede Erkenntnis, also auch für einen Analogieschluss, immer schon eines Erschließungsgeschehens seitens des unverfügbaren Gottes. Gott spricht den finiten Geist mittels visueller Zeichen an und dieser kann dann die perzipierten Ideen in die artifizielle Sprache übersetzen. Innerhalb dieses künstlichen Sprachrahmens besitzt die Analogie den Status eines gültigen, aber falliblen Werkzeugs. Wie ausführlich dargestellt wurde, handelt es sich bei der Zuwendung Gottes zum finiten Geist um ein Geschehen, das in jedem Moment erfahrbar ist und in seiner Art und Weise genau beschrieben werden kann. Damit versucht Berkeley zu zeigen, dass ein Reden von bzw. über Gott nicht primär in philosophischer Reflexion und Sprache geschehen kann, sondern von einer existenziellen Betroffenheit des Einzelnen im Akt des Angesprochenseins, der unmittelbar erlebt wird, gekennzeichnet ist. Berkeleys Anliegen besteht in der Demonstration von Gottes Nähe und Erfahrbarkeit.44 In diesem Kontext ist auch die Analogie einzuordnen: Weder ein abstrakter, leerer Begriff noch eine willkürliche, geschöpfliche Erfahrung wird Gottes Wesen gerecht. Die analoge Rede von Gott ist im Sinne eines Glaubensvollzugs zu verstehen, der sprachlich explizierbar ist: eine Offenheit für die Transzendenz des immanent Gegebenen.45 Die Analogie als Methode wird bei Berkeley weder negiert noch erfährt sie neuartige Änderungen, vielmehr gilt es, sie gemäßigt und reflektiert anzuwenden. Als zentrales Ergebnis dieses Kapitels ist festzuhalten: Sowohl Selbst- als auch Welterkenntnis rekurrieren auf Gottes Selbstmitteilung, denn beide Erschließungsweisen sind indirekt und implizieren eine Aufforderung zur Auseinandersetzung. Daraus lässt sich die Existenz eines Bereiches folgern, der die menschliche Rationalität anspricht und von dieser auch dekodiert werden kann. Gottes Selbstmitteilung impliziert demnach etwas, das in der raumzeit43 S. Bonk, Abschied von der Anima mundi (1. Kap., Anm. 5), 277 kritisiert: „Gerade am Ende beruft er sich auf eine Analogie von Mensch und Gott, Mikrokosmos und Makrokosmos, welche ebenso alt-ehrwürdig wie interessant erscheint (womöglich sogar richtig ist), aber wohl nicht so ohne weiteres evident genannt werden kann.“ (Hervorhebung im Original) 44 Ähnlich F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 148: „[I]t is fundamental to Berkeley that the finite spirit can have some understanding of the nature of God, though it is impossible to grasp the complete actuality of God.“ 45 Dass die analoge Rede kein Relikt der Scholastik ist, sondern bis heute Aktualität besitzt, bezeugt neben E. Jüngel, Gott als Geheimnis der Welt (1. Kap., Anm. 1), 347–408 auch G. Hindrichs, Das Absolute und das Subjekt (2. Kap., Anm. 13), 317ff, der die doppelte Struktur, die analoger Rede inhärent ist, trefflich beschreibt. Wenn man eine Verortung Berkeleys zwischen der Skylla Agnostizismus und der Charybdis Anthropomorphismus vornehmen müsste, wäre Berkeley letzterer näher anzusiedeln. Dies nimmt er im Hinblick auf seine Gegner, die Sekte der Freidenker, durchaus in Kauf.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

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lichen Realität in intersubjektiven Formeln rational erfassbar ist. Es erfolgt nun eine Bestimmung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason) C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

Eine grundsätzliche Frage jeder Theologie betrifft die Verhältnisbestimmung zwischen Vernunft (reason) und Glauben (faith). Bei Berkeley ist diese Zuordnung von besonderem Interesse, da die bisherigen Ausführungen einen starken Rationalitätsanspruch bekunden, der die Frage nach der Stellung des Glaubens aufwirft. Berkeley spricht an vielen Stellen von knowledge of God, weshalb zu klären ist, was sich dahinter verbirgt und wie man dieses Wissen erwerben kann.46 Da Berkeley keine Erklärung gibt, erfolgt eine heuristische Annäherung anhand der verschiedenen Textgattungen. Sofern die Frage nach dem traditionellen Topos der Relation von Glaube und Vernunft in den philosophischen Abhandlungen Berkeleys nur wenig Raum findet, bzw. beim Lesen dieser Schriften leicht der Eindruck zu gewinnen ist, Berkeley räume der Vernunft einen höheren Stellenwert als dem Glauben ein, werden die Predigten als exemplarische Ergänzung hinzugenommen.47 Die vorliegende Untersuchung widmet sich zuerst dem Vernunftverständnis, das vornehmlich in den philosophischen Schriften ausgearbeitet ist. Hingegen kontrastieren die Predigten, die sich an gläubige Christen wenden, dieses stark vernunftgeprägte Bild: Hier steht die Liebe zu Gott im Vordergrund. Die Differenzen sind im Hinblick auf die unterschiedlichen Intentionen bzw. divergierenden Adressatenkreise der Texte bzw. Predigten erklärbar.48 Berkeley wird nachfolgend als 46

Vgl. D III: 230, DM 34 sowie die Predigten VI, VII und IX. Zu diesem Thema existieren die Artikel von L. Terrien, „Empiricism and Theological Method in the Works of Joseph Butler and George Berkeley“, SED 52 (1982), 170–192, R. Jakapi, „Emotive Meaning and Christian Mysteries in Berkeley’s Alciphron“,British Journal for the History of Philosophy 10:3 (2002), 401–411 und „Faith, Truth, Revelation and Meaning in Berkeley’s Defense of the Christian Religion (in Alciphron)“, MSM 80 (2002), 23–33; beide argumentieren für die Vereinbarkeit von Glauben und Vernunft. Terrien betont Berkeleys Nähe zu Joseph Butler und folgert: „[B]oth Butler and Berkeley consider faith primarily a kind of knowing […]. There is no gap between philosophy and theology in either man’s system.“ S.a. S. Breuninger, „Rationality and Revolution. Rereading Berkeley’s Sermons on Passive Obedience“, New Hibernia Review 12:2 (2008), 63–86, der die Predigten im Kontext von Passive Obedience untersucht. 47 M. Fau, Berkeleys Theorie der visuellen Sprache Gottes (1. Kap., Anm. 5), 141ff rekurriert ebenfalls auf Predigten, unterlegt jedoch das Argument von der visuellen Sprache mit einer platonischen Folie. 48 Die Differenzierung in Adressatenkreise wird von der plausiblen Vermutung gestützt, die philosophischen Abhandlungen seien an ein entsprechendes Publikum gerichtet. Berkeley beruft sich zwar permanent auf den Common Sense und möchte von jedermann verstanden werden (P § 34: „I am willing to be understood by everyone.“), doch sicherlich vertritt er

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Vertreter der Annahme der Vereinbarkeit von Vernunft und Glauben interpretiert, was eine synthetische und kohärente Lesart seiner Texte ermöglicht. Wenden wir uns zunächst den früheren philosophischen Schriften (D und P) zu. Schon in quantitativer Hinsicht wird der Begriff faith in P (§ 95) und D (III: 252) seltener; er wird jeweils nur einmal in Verbindung mit den Glaubensartikeln (articles of faith) gebraucht, während reason an zahlreichen Stellen verwendet wird. Daher wird zunächst das Vernunft-Verständnis mit Fokus auf die Gotteserkenntnis beleuchtet. If we follow the light of reason, we shall, from the constant uniform method of our sensations, collect the goodness and wisdom of the spirit who excites them in our minds. But this is all that I can see reasonably concluded from thence. (P § 72)

Es gibt ein Verstandeslicht (light of reason), dem man folgen kann und mithilfe dessen sich die Güte und Weisheit Gottes erkennen lässt. Wie in den voranstehenden Kapiteln deutlich wurde, bedeutet das Nachgehen der Spuren des Verstandes ein vernünftiges Schlussfolgern.49 Erstaunlich ist Berkeleys Annahme, mit dieser Methode die Erkenntnis göttlicher Attribute generieren zu können. Eine erste Interpretationshypothese ist dahingehend zu formulieren, dass es sich dabei um ein geschöpfliches Vermögen im Sinne einer anthropologischen Konstante handelt, wie zahlreiche Textstellen belegen. Für diesen Erkenntnisvorgang werden zwei Komponenten genannt: das Vernunftvermögen an sich (reason), das sich durch kohärentes Folgern auszeichnet, und der Common Sense: „For, although I may be willing to follow, so far as common sense and the light of nature lead […].“ (A VI, 2, 221) In der IV. Predigt erfolgt eine ähnliche Charakterisierung: By whom we are to understand all those nations that had no other guides to direct them in the conduct of life and pursuit of happiness besides reason and common sense, which are otherwise called the light of nature. (S IV: 41)50

Das Vernunftlicht vermag nach Berkeleys Ausführung zentrale theologische Inhalte apriorischer Natur einzusehen wie beispielsweise die Korrumpiertheit nicht die naive Annahme, jeder Mensch würde eine derart komplexe Schrift wie die Principles studieren und auch adäquat verstehen. In diesem Kontext ist auf P § 154 zu verweisen, der von little and unreflecting souls handelt, was ein Indiz für unterschiedliche Erkenntnisvermögen der Menschen ist. 49 Vgl. besonders das Kapitel zum Verstand (3.D.IV). 50 Die Predigt setzt folgend fort: „It must indeed be owned that the Gentiles might by a due use of their reason, by thought and study, observing the beauty and order of the world, and the excellency and profitableness of vertue, have obtained some sense of a Providence and of Religion; agreeably to which the apostle saith that the invisible things of God from the creation of the world are clearly seen, being understood by the things which are made, even his eternal power and Godhead. But how few were they who made this use of their reason, or lived according to it!“ Demnach ist eine natürliche Einsicht durchaus möglich, doch diese ist limitiert und nur sehr wenigen vorbehalten. S.a. A VI, 18, 253.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

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des Menschen, die Existenz eines allgütigen Gottes etc.51 Sogar Heiden, denen die Offenbarung durch Christus noch nicht zugänglich ist, können mittels dieses light of nature bestimmte Inhalte erkennen.52 Davon ausgenommen ist die vernünftige Einsicht des größten Mysteriums Jesus Christus bzw. dessen Sendung und Inkarnation. Für diese Erkenntnis bedarf es Gottes Offenbarung, die nicht im Widerspruch zur Vernunft steht. In P § 133 findet eine Modifizierung der vorliegenden Fragestellung statt, insofern dort eine Gegenüberstellung von Vernunft und Religion vorgenommen wird. Berkeley verhandelt diese Passage im Kontext der Abwehr des Skeptizismus, d.h. vernunftgemäße Einsichten in Naturzusammenhänge sind ausschließlich in Relation zur Religion zu verstehen: [I]f lastly, both sceptics and atheists are for ever silenced upon supposing only spirits and ideas, and this scheme of things is perfectly agreeable both to reason and religion: methinks we may expect it should be admitted and firmly embraced, though it were proposed only as an hypothesis, and the existence of matter had been allowed possible, which yet I think we have evidently demonstrated that it is not. (P § 133)

Nach Berkeley ist die zugrunde liegende Ontologie maßgeblich für die Verhältnisbestimmung von Religion und Vernunft. Entsprechend sind auch Naturwissenschaft und Religion keine sich diametral gegenüberstehenden Systeme, sondern zwei Beschreibungsweisen einer Realität, deren Einheit sich in Gott gründet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine Differenz zwischen religiösen (bzw. christlichen) und naturwissenschaftlichen Aussagen bestünde, wie Berkeley nachdrücklich in der apologetischen Schrift Alciphron zu verstehen gibt. Darin wird Euphranor im Rahmen der Ablehnung abstrakter Ideen mit einem Argument konfrontiert, das die Unmöglichkeit des christlichen Glaubens demonstrieren soll. Selbiges gründet auf der Hypothese, dass jeglicher Zustimmung zu einer Aussage, independent zu deren Objektbereich, eine konkrete Idee zugrunde liegt. Falls dies nicht zutrifft, kann die Aussage weder Gegenstand eines rationalen Diskurses noch einer Glaubensüberzeugung sein.53 Die Problematik wird anhand des religiösen Begriffes Gnade (grace) und dem physikalischen Begriff Kraft (force) exemplarisch verhandelt. Beide Begriffe repräsentieren pars pro toto ihre jeweilige Wissenschaft. Aus der Unzuordbarkeit einer Idee zum Terminus Gnade folgert Alciphron die Unmöglichkeit von Glauben. Euphranor erwidert darauf, zahlreichen an51

Beachtenswert ist die Abwendung Berkeleys von der Auffassung eines Sklavenstandes von Getauften, die er als irrational betitelt, da die christliche Taufe frei macht und somit mit dem Sklavenstatus nicht konsistent zu vereinen ist (S IX: 121f). 52 In S V: 61 betont Berkeley, die Inkarnation stehe nicht im Widerspruch zu natural reason. S IX: 115: „It must be owned, the wise Men of old, who followed the Light of Nature, saw even by that Light, that the Soul of Man was debased, and borne downwards, contrary to its natural Bent, by carnal and terrene Objects […].“ 53 A VII, 6, 295.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

deren Wörtern komme auch dann Bedeutung zu, wenn diesen keine distinkte Idee entspricht und als Exempla führt er die Begriffe myself, will, memory, love, hate, number und force an. Der physikalische Kraftbegriff rückt ins Zentrum der Konversation: „EUPHRANOR. [W]e shall find it as difficult to form an idea of force as of grace?“ (A VII, 6, 295). Der Kraftbegriff erlaubt die Parallelisierung eines Problems, das sowohl in religiösen als auch naturwissenschaftlichen Wirklichkeitsbeschreibungen existiert und auf die präsupponierten Annahmen abzielt. Eine Zustimmung zu Alciphrons Beurteilung des christlichen Glaubens impliziert entsprechende Konsequenzen für physikalische Aussagen.54 Zur Vermeidung derart fataler Konsequenzen betont Euphranor positive Kongruenzen von Naturwissenschaft und Glauben: Science and faith agree in this, that they both imply an assent of the mind: and, as the nature of the first is most clear and evident, it should be first considered in order to cast a light on the other. (A VII, 11, 303)

Die analoge Behandlung von Religion und Naturwissenschaft tritt zutage, da beide eine Zustimmung des Geistes qua Verstandesvermögen bedeuten. Diese Zustimmungs- bzw. Legitimationsbedürftigkeit bezieht sich insbesondere auf gehaltsvermehrende Schlüsse, die in beiden Bereichen zu entscheidenden Erkenntnissen führen, solange jene dem Prinzip des zu vermeidenden Widerspruchs folgen.55 Hinsichtlich einer derart positivistischen Theologie steht die Rolle des Glaubens zur Erörterung aus, die im weiteren Dialogverlauf anhand des Begriffs Gnade erläutert wird: What is the clear and distinct idea marked by the word Grace? I presume a man may know the bare meaning of a term, without going into the depth of all those learned inquiries. This surely is an easy matter, provided there is an idea annexed to such term. And if there is not, it can be neither the subject of a rational dispute, nor the object of real faith. […] Grace taken in the vulgar sense, either for beauty, or favour, I can easily understand. But when it denotes an active, vital, ruling principle, influencing and operating on the mind of man, distinct from every natural power or motive, I profess myself altogether unable to understand it, or frame any distinct idea of it; and therefore I cannot assent to any proposition concerning it, nor,

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K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 48: „[P]hysical force – is not a property of spirit, and the word expressing it is not relational but substantive. Euphranor’s account of the meaningfulness of force shows that even a word whose linguistic role gives every indication that it stands for an idea acquires its meaning in another way. When we think about force there is no distinct object before the mind that represents force […].“ Interessanterweise erwähnt Berkeley in P § 124 im Rahmen der Untersuchungen zu möglichen Fehlschlüssen in der Geometrie die Lehre von der Transsubstantiation. 55 R. Jakapi, „Faith, Truth, Revelation and Meaning“ (4. Kap., Anm. 46), 31 (Hervorhebung im Original): „At the same time, one may notice that, in the cases under observation, the object of assent (certain scientific or religious notion or tenet, doctrine) remains obscure, or is not distinctly apprehended […].“ Die Gegenüberstellung von Kraft und Gnade interpretiert M. W. Beal, „Berkeley’s Linguistic Criterion“ (3. Kap., Anm. 169), 384 im Rahmen einer Bedeutungstheorie, die der Term notion begründet.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

233

consequently have any faith about it: and it is a self-evident truth, that God obligeth no man to impossibilities. (A VII, 4, 290)

Zunächst einmal fordert Alciphron die Bewährung theologischer Begriffe wie Gnade an einem allgemeinen Sprachverständnis sowie der rationalen Einholbarkeit der dahinterliegenden Konzepte. Aus kontradiktorischen Konzepten respektive irrationalen Prämissen resultiert die Unmöglichkeit von Glauben. Positiv gewendet folgt daraus die Forderung nach kohärenten Glaubensinhalten.56 Analog zum physikalischen Kraftbegriff, dem ebenfalls keine distinkte Idee zugrunde liegt und der lediglich anhand seiner Effekte zu erschließen ist, wird Gottes Gnade erklärt: And that grace may, for aught you know, be an object of our faith, and influence our life and actions, as a principle destructive of evil habits and productive of good ones, although we cannot attain a distinct idea of it, separate or abstracted from God the author, from man the subject, and from virtue and piety its effects? (A VII, 7, 296)

Entgegen der Meinung der Freidenker ist Gnade ein Glaubensgegenstand, der aufgrund entsprechender Wirkungen beobachtbar ist: Gottes Gnade äußert sich im gewichtigen und ersichtlichen Einfluss auf die Lebenspraxis.57 Von der Gnade selbst besitzt der finite Geist zwar keine Idee, doch kann er sie aufgrund wahrnehmbarer Effekte wie beispielsweise guter Taten ableiten. Wie die Ableitung en detail funktioniert, wird nicht erklärt und ist als Schwäche zu markieren;58 akzentuiert wird lediglich die analoge Schwierigkeit bzw. das analoge Prozedere bei physikalischen Problemen: For aught I see, that philosopher cannot be free from bias and prejudice, or be said to weigh things in an equal balance, who shall maintain the doctrine of force and reject that of grace, who shall admit the abstract idea of a triangle, and at the same time ridicule the Holy Trinity. But, however partial or prejudiced other minute philosophers might be, you have laid it down for a maxim, that the same logic which obtains in other matters must be admitted in religion. (A VII, 8, 296)

Berkeley fordert eine äquivalente Behandlung von religiösen und naturwissenschaftlichen Themen, was bedeutet, dass beiden Wissenschaften vorur56 Dies spiegelt sich beispielsweise in Berkeleys Methode, Begriffe konsistent zu verwenden, sowie in seinem Streben nach Systemkohärenz wider. Vgl. auch W. Pannenberg, Systematische Theologie (3. Kap., Anm. 19), 12, der Kohärenz als notwendiges Implikat eines jeglichen Wahrheitsanspruches formuliert. 57 J. P. Danaher, „Is Berkeley’s world a divine language?“ (2. Kap., Anm. 89), 371 argumentiert zu Recht dafür, Glauben als Haltung (attitude) und nicht als Konzept zu verstehen: „If religious faith is a concept, it is certainly best communicated through conceptual language such as we find in Scripture. But if religious faith is more an attitude rather than a concept, perhaps it is best communicated through a non-conceptual language like the visual world.“ 58 R. Jakapi, „Faith, Truth, Revelation and Meaning“ (4. Kap., Anm. 46), 28 erkennt Gnade als für den Verstand unbegreiflich und folglich mysteriös an; die Passagen zur Stützung dieser Position sind jedoch nicht hilfreich (so etwa A VI, 11, 20).

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

teilsfrei dieselbe Logik bzw. derselbe Bewertungsmaßstab zugrunde zu legen ist. Aus diesem Grund kann Berkeley als rationaler Theologe gelten. Mit seiner Forderung eröffnet sich eine entsprechende Perspektive auf Glaubensinhalte: Indem man die Bedeutung theologischer Begriffe anhand ihrer Effekte erschließt, wird die Theologie zu einer lebensnahen Wissenschaft.59 Der Glaube (bzw. die Theologie), als dessen zentrales Rationalitätskriterium Kohärenz herausgearbeitet wurde, besitzt dann einen unüberbietbaren Stellenwert für die Lebenspraxis. Ein rein theoretischer Glaube, der sich ausschließlich auf spekulative Vernunfteinsichten gründet und folglich in der Realität nicht wahrnehmbar ist, ist analog zu einer rein theoretischen Naturwissenschaft zu verwerfen:60 Who doth not see that such an ideal abstracted faith is never thought of by the bulk of Christians, husbandmen, for instance, artisans, or servants? […] Every one whose understanding is not perverted by science falsely so called may see the saving faith of Christians is quite of another kind, a vital operative principle, productive of charity and obedience. (A VII, 9, 300)

Hier verweist Berkeley auf die Gesamtheit der Glaubenspraxis der Christen. Polemisiert wird gegen eine Pervertierung des Verstandes aufgrund von Naturwissenschaften, denen fälschlicherweise das Prädikat der Rationalität zugeschrieben wird.61 Erneut zeigt sich Berkeleys tiefe Überzeugung, die dem Glauben denselben Status hinsichtlich der Beschreibung von Realität zuschreibt wie den anderen Wissenschaften. Wenn Freidenker sich als aufrichtige Naturwissenschaftler deklarieren und zugleich den Theologen illegitime Begriffskonzepte unterstellen, so disqualifiziert Berkeley derartige Urteile: Die vermeintlichen Naturwissenschaften stützen sich auf implizite metaphysische Annahmen, die keineswegs als fundamentum inconcussum Geltung beanspruchen können. Berkeleys despektierliche Haltung gegenüber Philosophen wird von dieser Warte aus luzide. Give me leave to say that nothing dark, nothing incomprehensible, or mysterious, or unaccountable, is the ground or motive, the principle or foundation, the proof or reason of our faith, although it may be the object of it. For it must be owned that, if by clear and sure principles we are rationally led to believe a point less clear, we do not therefore reject such point because it is mysterious to conceive, or difficult to account for; nor would it be right so to do. (A VI, 30, 279) 59

S VII: 97: „I answer that in like manner as the soul of man is invisible even so the Spirit of Christ is not visible to eyes of flesh and blood, they are nevertheless both of them plainly to be seen in their effects. From the speech and motion of a man we evidently infer the soul or spirit within him, and are in no danger of confounding a dead carcase with a living man. And after the same manner the workings of the Spirit of Christ do sufficiently declare and manifest themselves in their outward effects […].“ 60 S V: 81: „Truths of faith--Do not exercise thy self in great matters or in things too high for thee.“ 61 Kennzeichen falscher Wissenschaften ist selbstredend Irrationalität, die sich in Inkonsistenzen widerspiegelt.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

235

Die Gegenstände des Glaubens werden nicht von einem dunklen, mysteriösen Vorhang verdeckt; vielmehr hat sich der Glaube vor der Vernunft auch dann zu verantworten, wenn seine Inhalte ihr Fassungsvermögen übersteigen. Damit findet das Gebot zur rationalen Auseinandersetzung mit der Realität auch in Glaubensfragen eine eindringliche Formulierung. Der erfolgten Verhältnisbestimmung von Glauben und Vernunft anhand der philosophischen Schriften schließt sich nun eine exemplarische Kontrastierung mithilfe der Predigten an. Berkeley sucht dieser Gattung gerecht zu werden, indem er eine bewegende, bilderreiche Sprache wählt, die der Schrift entspricht und das bereits eingeführte philosophische Vokabular vermeidet. Die Predigten verdeutlichen in verstärktem Maße die Ablehnung einer rein theoretischen bzw. spekulativen Gotteserkenntnis, wobei der Rückgriff auf die christliche Tradition offenkundig ist. Während in den philosophischen Abhandlungen die Gesetzmäßigkeiten des Verstandes verhandelt werden, wird in den Predigten ein anderer Erkenntnisweg beschritten: das Wissen von Gott wird durch eine Emotion ermöglicht, die Liebe zu ihm. Diese Schwerpunktverschiebung lässt sich mit einem, zu den anderen Schriften divergierenden Adressatenkreis erklären: Bereits bekennende Christen, denen theologische Grundkenntnisse zu unterstellen sind, werden angesprochen. Zur Bestätigung dieser Interpretation eine aufschlussreiches Stelle aus der IX. Predigt, die zur Jahresfeier der missionarischen Bewegung Society for the Propagation of the Gospel gehalten wurde: [B]y the Knowledge of God, is not meant a barren Speculation, either of Philosophers or Scholastic Divines, nor any notional Tenets fitted to produce Disputes and Dissensions among Men; but, on the contrary, an holy practical Knowledge, which is the Source, the Root, or Principle of Peace and Union, of Faith, Hope, Charity, and universal Obedience. A Man may frame the most accurate Notions, and in one Sense attain the exactest Knowledge of God and Christ that human Faculties can reach, and yet, notwithstanding all this, be far from knowing them in that saving Sense. For St. John tells us, that whosoever sinneth, hath not seen Christ, nor known Him (1 John iii. 6). And again, He that loveth not knoweth not God (1 John iv. 8). To know God as we ought, we must love him; and love him so as withal to love our Brethren, his Creatures and his Children. I say, that Knowledge of God and Christ, which is Life eternal implies universal Charity, with all the Duties ingrafted thereon, or ensuing from thence, that is to say, the Love of God and Man. And our Lord expresly saith, He that hath My commandments, and keepeth them, he it is that loveth Me (John xiv. 21). (S IX: 116, Hervorhebungen C.N.)

In der Predigt wird die Frage verhandelt, wie ein Ungläubiger den wahren Gott erkennen kann. Die spekulativen Methoden der Philosophie werden als erstes verworfen. Auch wenn dadurch ein sehr präziser Gottesbegriff erlangt werden kann, der in seiner sprachlichen Genauigkeit unüberbietbar ist, so bleibt diese rational gewonnene Einsicht blind gegenüber der eigentlichen Bedeutung Gottes, die in der Rettung der Menschen besteht. Wissen von Gott

236

4. Kapitel: Gotteserkenntnis

ist stets mit einer emotionalen Komponente, nämlich der Liebe zu ihm, verbunden. Berkeley, der selbst Hebräisch unterrichtet hat und dadurch mit der biblischen Anthropologie vertraut gewesen sein dürfte,62 rekurriert hierbei auf den biblischen Sprachgebrauch. Danach ist das Herz des Menschen das zentrale Erkenntnisorgan, da die gewonnenen Einsichten als holistisch zu charakterisieren sind.63 Das Wissen von Gott wird als heilig und praktisch (holy practical knowledge) gekennzeichnet, was die Nähe zur Lebenswirklichkeit illustriert. Damit ist der Kernpunkt der Berkeleyschen Theologie erfasst: Sämtliche gewonnenen Einsichten sind in die Lebenspraxis zu integrieren, denn ein Wissen, das keine orientierenden Qualitäten aufweist, ist sinnlos. Nur die innere, emotional vermittelte Einsicht in der Liebe zu Gott führt zu einem anderen Lebenswandel, dessen Grund und Ziel im Heil Gottes besteht.64 Gott wird damit indirekt als der einheitgebende Punkt definiert, der die sinnvolle Orientierung in der Welt ermöglicht. Indem das Orientierungswissen in der Realität mit der Gotteserkenntnis zusammenfällt, kann es als höchste Wissensform Geltung beanspruchen.65 In nachstehender Passage erfolgt die Identifizierung des Wissens von Gott mit der Liebe zu ihm: [T]he true christian Zeal arises from Knowlege; from the love of God and a benevolence towards men. Knowlege does naturally produce in us a zeal towards that which is excellent, and a detestation and abhorrence of whatsoever is known to be evil. We may act therefore with cheerfulness and security so long as our zeal is the effect of our Knowlege. Knowlege is the lamp of the soul that guides it's faculties to proper objects and regulates their respective operations. But to be zealously affected without knowlege is running headlong in the dark it is no less hazardous than it is unreasonable. (S II: 21)

Jeglicher christliche Eifer gründet in einer Kenntnis von Gott, d.h. über Gottes Wesen und Willen, welche die notwendige Orientierung für das Handeln in 62 Den gewichtigen Einfluss der hebräischen Sprache mitsamt der tradierten Weltvorstellung auf Berkeley hat meines Wissens noch kein Interpret verfolgt – A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 96 verweist immerhin auf hebräische und lateinische Sprachuntersuchungen im Hinblick auf den Begriff existieren; viele Aspekte seines Denkens, wie etwa die Zeittheorie, erscheinen unter Einbezug dieses Horizonts nicht mehr so exzentrisch. Hierbei wäre interessant, der Frage nachzugehen, inwieweit die Theorie vom Hebräischen als Ursprache eine Inspiration für das Argument von der visuellen Sprache ist. 63 Die Einsicht des Herzens führt den Menschen zur Weisheit, man denke an die biblische Wendung, mit dem Herzen hören zu können, 1. Kön. 3,9; Spr. 18,15; bzw. zu sehen Mt. 5,8 und Eph. 1,18. Vgl. weiterhin H. W. Wolf, Anthropologie des Alten Testaments, München 2. Aufl. 1973, 77. 64 S.a. S III: 38f: „Let it not be an idle dream in your Fancies... into your hearts & influence your actions.“ Sowie S I: 11: „[T]he Apostle himself, who was caught up into the 3d heaven could give us no other than this empty tho emphatical description of it. ‘tis wt eye hath not seen nor ear heard neither hath it enter’d into the heart of man to conceive.“ 65 Die Anerkennung von Wissensgraden verdeutlicht diese Sichtweise, A III, 10, 196: „I always thought that some order was necessary to attain any useful degree of knowledge“; s.a. D III: 228.

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

237

der Welt gibt und zu adäquaten Zielsetzungen der Handlungen zu führen vermag. Jeglicher Eifer, der sich nicht auf dieses besondere Wissen gründet, wird als unvernünftig charakterisiert. Positiv beinhaltet dies die Vereinbarkeit von der Kenntnis Gottes und der Vernunft. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang von Gotteskenntnis und Lebensführung, die voneinander nicht zu separieren sind, in folgenden Predigtauszügen:66 From all which it is evident, that this saving Knowledge of God is inseparable from the Knowledge and Practice of his Will […]. (S IX: 116) But surely they would do well to consider that an humble, though confused or indistinct, Faith, in the Bond of Charity, and productive of good Works, is much more Evangelical than any accurate disputing and conceited Knowledge. (S IX: 127)

Auch wenn der Glaube teilweise sprachlich unklar oder sogar verworren erscheinen mag, so erweist seine Wirkung, die sich beispielsweise in Taten der Nächstenliebe niederschlägt, dessen Wahrhaftigkeit. Gottesliebe und Nächstenliebe, die Berkeley auf das Wissen von Gott zurückführt, sind untrennbar miteinander verbunden. Auch die achte Predigtnotiz, die dem Doppelgebot der Liebe gewidmet ist, belegt dies:67 Love various: 1. of sensible objects. 2. of inferiors & dependents. 3. of friendship between equals. 4. Love of gratitude & respect to Benefactors and Superiors. 5. love of vertue & excellence, i.e. objects of the understanding. Two last the love of God. Image of God strongly to be impressed for imitation. ever mindful of His benefits, numerous, great, constant. We shew love to superiors & benefactors by consulting their honour i.e. by performing their will, & endeavouring that others should perform it. This is the love of God, that we keep His commandments, I John 5.3. Will of God known I. by considering his Attributes. 2. by conscience & instinct. 3. by the preaching of Xt & apostles. their sound went into all the earth, and their words unto the end of the world. (S V: 71, Hervorhebungen C.N.)

Hierin differenziert Berkeley zwischen sechs verschiedenen Formen der Liebe. Die Aufzählung ist als Klimax zu sehen, da Berkeley als erstes sinnliche Objekte nennt, gefolgt von Untergebenen, Freunden, Höhergestellten, Vernunftgegenständen und als letztes die Liebe zu Gott. Dabei rekurriert Berkeley erneut auf die Gottebenbildlichkeit, die als Prägung (to be impressed) zur Nachahmung (imitation) beschrieben wird.68 Folglich erfährt die hier vertre66

Diese Interpretation verfolgt auch T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 17: „[Berkeley] expects real consequences in restoring men of speculation to practice.“ S.a. A. Myerscough, „Berkeley and the proofs for the Existence of God“ (2. Kap., Anm. 9), 64. 67 Auch in der III. Predigt zu Joh 13,35 zum Thema Nächstenliebe (On Charity) wird die Liebe in ihren verschiedenen Formen verhandelt. S.a. S III: 32f. 68 Der Bezug zur imitatio Jesu Christi und deren Bedeutung für die eigene Lebensführung ist nicht zu übersehen; s.a. S IV: 46: „[O]ur blessed Lord condescended to take upon Him Humane nature, that he might become a living example of all those vertues which we are required to practise. His whole life was spent in acts of charity, meekness, patience, and every

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

tene Position Stützung, dass die Handlungen finiter Geister nur aufgrund der von Gott geschaffenen Strukturen möglich sind (bzw. von diesen Strukturen gelenkt werden); zugleich ist der finite Geist aufgrund der Gottebenbildlichkeit zu etwas bestimmt.69 Virulent wird nun die Frage, ob der finite Geist dann doch aus eigener Kraft ein Wissen von Gott erlangen kann, indem er sich beispielsweise dazu entscheidet, Gott von ganzem Herzen zu lieben. Berkeley beantwortet diese Frage in anderen Predigten: There is nothing so deceitful as the heart of man. We are zealously affected we contend earnestly for the faith, we seem to have nothing more at heart than the interests of Religion. But are we sure that wealth or honors or preferment, or the desire of being head of a party hath no influence upon us. (S II: 21) [B]ut deceiveth his own heart that man's religion is vain. (S V: 77)

Erstaunlicherweise betont Berkeley eine Irrtumsfähigkeit des Herzens: Das Herz kann sich sogar besonders heftig täuschen. Begeht Berkeley damit einen systematischen Fehler, indem er die Glaubensgewissheit, die ihren Ort traditionell im Herzen hat, aufgibt? Diese Frage ist negativ zu beantworten, denn die Selbsttäuschung des finiten Geistes besteht in der falschen, vom Verstand evozierten Ansicht, über das eigene Herz selbständig verfügen zu können. Analog des Lasters der Hochmut im Kontext der Erkenntnisfähigkeit unterliegt der finite Geist der Gefahr, sein Herz an falsche Dinge zu hängen.70 Allein Gott, der Schöpfer, besitzt die Macht, das Herz des Menschen zur Einsicht zu führen.

good work. He has not only told us our duty, but also shewed us how to perform it, having made himself a perfect pattern of Holiness for our Imitation.“ S III: 34: „[Y]et a man who considers things with any fairness or impartiality will be easily convinced that his chief interest consists in obeying Almighty God. in conforming his life and actions to the will and command of his Creator who first gave him being and still continues to preserve it […].“ Sowie S II: 19, S III: 28, S V: 64, S V: 84 und S VI: 92. 69 Sicherlich verfolgt Berkeley keine Teleologie im strengen Sinne, insofern diese mit seiner Zeittheorie konkurrieren würde; doch klingen partiell teleologische Strukturen an, was an anderer Stelle Vertiefung verdient. S.a. P § 148, indem der Begriff glimmering zur Wissensvermittlung für analogous prænotion of things which are placed beyond the certain discovery and comprehension of our present state verwendet wird. 70 Das erinnert an Luther, Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 12. Aufl. 1998 560, 9–24: „Worauf Du nu (sage ich) Dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich Dein Gott.“ Die Gesamtstruktur von Berkeleys Theologie macht deutlich, dass man sein Herz sinnvoll nur an Gott den Schöpfer hängen kann, insofern man zu diesem in einem unauflöslichen Verhältnis steht (s.a. Dtn. 4,32). Vgl. dazu den Brief an Benson vom 8. März 1751, 304, in dem Berkeley den Tod seines Sohnes betrauert: „Not content to be fond of him, I was vain of him. I had set my heart too much upon him--more perhaps than I ought to have done upon anything in this world.“

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

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May the great and good God open our eyes, to perceive and know his will, and inspire our hearts with zeal to perform it here on earth, that, through the assistance of his grace, we may fit and prepare our selves to be admitted, into the Society of those blessed Spirits, whose constant happiness and employment it is, to perform the divine will in Heaven. (S X: 138)

Gott wird gebeten, die Augen des Gläubigen zu öffnen, damit sein Wille perzipiert (perceive) und erkannt (know) werden kann. Daran schließt sich die Bitte an, das Herz zu erwecken (inspire), damit die Glaubenseinsichten in Handlungen umgesetzt werden können.71 Das Herz kann demnach nicht eigenmächtig vom Verstand bewegt werden, sondern untersteht dem allmächtigen Willen und der Gnade Gottes. Wenn die Realisierung des gewonnenen Wissens, die vom Herzen ausgeht, als eine Gabe Gottes anzusehen ist, die der Mensch nicht eigenmächtig erzwingen kann, so bleibt zu fragen, wie das mit der Freiheit des Menschen in Einklang zu bringen ist. Berkeley appelliert mehrfach an die persönliche Entscheidung, Gottes Wort Gehör zu schenken: [W]hether it will sink into your hearts and influence your practice or else pass only for an idle entertainment of your ears, is now at your own determination. (S II: 24) If we wou'd behave our selves as becomes the Disciples of Christ we must open and enlarge our hearts towards the whole mass of mankind. (S III: 32)

Interessanterweise wird hier das aufmerksame Rezipieren von Gottes Wort betont. Aus der darin zugrundeliegenden Offenheit, sprich des Hörens mit dem Herzen, resultieren schließlich adäquate Handlungen. So findet die Ausgangshypothese Bestätigung, dass Handlungen, die dem Willen Gottes entsprechen, letztlich emotional begründet sind, insofern das Herz im Allgemeinen der Sitz der Liebe ist. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich für die Erkenntnis Gottes via Herz eine zweifache Bewegung: Der Mensch muss selbst aktiv werden und sein Herz öffnen und zugleich ist Gottes Mitwirken für das Gelingen dieses Aktes notwendig.72 Berkeley verweist auf Gottes Macht, das Herz verdunkeln oder auch erweichen bzw. erhellen zu können.73 The infinite pangs and sorrows that He underwent in the work of our redemption should, one would think, soften the most obdurate heart, and dispose us to suitable returns of love and duty. (S IV: 50)

71

Dass der inspirierende Akt ebenfalls nicht konträr zur Vernunft steht, bezeugt A VI, 9, 237: „EUPHRANOR. I would infer that inspiration should seem nothing impossible or absurd, but rather agreeable to the light of reason and the notions of mankind.“ S.a. S I: 14. 72 St. R. L. Clark, „Berkeley on Religion“, in: K. P. Winkler (Hg.), Cambridge Companion to Berkeley, Cambridge/New York/Melbourne u.a. 2005, 369–404, 380 erkennt: „Religious knowledge requires a movement of the heart, and must transcend what can be clearly understood.“ – ohne dies allerdings genauer auszuführen. 73 Dieses bekannte alttestamentliche Motiv nimmt Berkeley auch in S IX: 125f auf und verweist auf die Passage Jesaja 10,5–12, die Gottes Einwirkung auf das Herz des König von Assur beschreibt.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Believers may be termed believers, Xt calling them so, Math: 18 6. 3. Strictly speaking, it is not faith but the application of Xts righteousness that justifieth, and this may if God please, be applied otherwise than by faith, v. g. by His sanctifying Spirit. (S V: 68)

Nicht der Glaube rechtfertigt, sondern die Rechtschaffenheit Christi; das bedeutet die gewollte Ausrichtung auf Christus. Diese Ausrichtung ist ihrerseits jedoch unverfügbar, d.h. sie obliegt nicht dem menschlichen Willen, sondern bedarf seiner Annahme. Die Glaubensbewegung kann und soll man zwar anstreben, aber man kann sie nicht aus eigener Kraft erlangen.74 Der finite Geist erfährt im Glauben die Dependenz zu seinem Schöpfer. Die Gotteserkenntnis, die den Weg über die Liebe bzw. das Herz nimmt, ist daher als ein gemeinschaftliches Geschehen anzusehen, denn es handelt sich weder um ein alleiniges Wirken Gottes noch um einen alleinigen Kraftakt des Menschen. Dass es sich dabei nicht um ein singuläres Geschehen handelt, ist offensichtlich. Der Eintritt in die reziproke Liebesbeziehung hat bedeutsame Wirkung auf das weitere Leben. Beispielsweise findet sich in den Predigten mehrfach eine Verhältnissetzung von der Reinheit des Geistes und der Liebe Gottes:75 „The faith of a true Christian must be a lively faith that sanctifies the heart and shews it self in the fruits of the Spirit.“ (S VI: 47) Die starke Betonung der Effekte des Glaubens erinnert an das erörterte Gnadenargument. Doch weist Berkeley auf die Gefahr der Verabsolutierung äußerer Zeichen hin, bei der das Handeln der Gläubigen zu einer Art Werkgerechtigkeit mutiert. Rituelle, äußere Zeichen wie Gottesdienst, Sakramente u.a. besitzen zwar eine Funktion hinsichtlich einer geregelten Glaubenspraxis, doch sind sie nicht mit dem Glauben selbst zu verwechseln.76 Erst wenn die innere Einstellung, also der Glaube und die Liebe zu Gott, vorhanden ist, wird sich diese in einem wahrhaften Verhalten niederschlagen: You see by what marks and tokens the flock of Christ are known, and these marks do declare what obligations you have entered into by professing your selves members of his church. Let us not flatter our selves, as too many are apt to do, that an outward respect to rites and ceremonies, to sacraments, to hearing and reading the Scripture and frequenting the public worship of God will alone be able to avail us, without the practice of an inward and sincere piety, without cutting off the right hand and plucking out the right eye, that is without mortifying every lust and cultivating every vertue. (S VI: 90)

74

Vgl. auch S V: 72. S V: 55 sowie S V: 58f, 64, 84 und 71. In letztgenannter Predigtnotiz bildet Matt. 22,37–38 die Textgrundlage. 76 Im weiteren Verlauf der Predigt spricht Berkeley darüber, dass der Gottesdienst nie im Widerspruch zum light of nature steht. S IV: 42. In S V: 68f und 75f wird der Zeichencharakter der Sakramente Taufe und Abendmahl verhandelt. Die zeichenhafte Theologie verdeutlicht auch der Sachverhalt, dass Berkeley üble Nachrede (slander) als für die Verdammung der Seele gefährlicher einschätzt als Mord oder Raub (so S V: 77). 75

C. Das Verhältnis von Glaube (faith) und Vernunft (reason)

241

Eine herzlose Praxis äußerlicher Handlungen, wie das Befolgen von Ritualen, die Beschäftigung mit der Schrift oder der Gottesdienstbesuch, steht in Korrelation zu einem Akt der Selbsttäuschung, denn innere und äußere Haltung erfahren dabei eine künstliche Trennung.77 Man kann dem Anspruch guter Werke also nur gerecht werden, wenn man Gottes Wort verinnerlicht hat, sprich in die Liebesbeziehung zu Gott eingetreten ist. Mit der Liebesfähigkeit des Herzens sucht Berkeley etwas symbolisch zum Ausdruck zu bringen, das nicht konträr zum Verstand steht, und sich dadurch auszeichnet, dass man nur entsprechend der gewonnenen Einsicht handeln kann. Im Herzen ist eine Form des Erfassens von Wirklichkeit verborgen, die diese nicht mit Begriffen verschleiert, sondern unvermittelt stattfindet. Aus diesem Grund lokalisiert Berkeley die Religion explizit im Herzen: „[Religion] makes her residence in the heart“ (S II: 16) sowie „Religion not in the head or mouth but in the heart.“ (S V: 84). Hinsichtlich des Herzens lässt sich gegenüber dem Verstand ein tiefergreifendes Verständnis der Strukturzusammenhänge und Beziehungsrelationen konstatieren. Als zentrale Einsicht dieses Argumentationsgangs ist festzuhalten: Eine rationale Glaubensüberzeugung und ein liebendes Herz gehören zusammen, denn Herz und Verstand koexistieren im Menschen. Im Herzen ist letztlich der movens zur Umsetzung der gewonnenen Einsichten zu verorten.78 Um bestehende Unstimmigkeiten zu beseitigen, folgt nun eine Synthese der ratiolastigen Lesart im Alciphron mit dem zuletzt Dargestellten, der emotionalen Erkenntnis. Auch im Alciphron sind die in den Predigten explizierten Grundlagen für die Gotteserkenntnis fragmentarisch erkennbar. Die verschiedenen Passagen bezeugen Kongruenzen hinsichtlich unterschiedlicher Methoden zur Erkenntnis Gottes. In A betont Berkeley sogar die Dringlichkeit des Glaubens: CRITO. What then? Knowledge, I grant, in a strict sense, cannot be had without evidence or demonstration: but probable arguments are a sufficient ground of faith. Who ever supposed that scientifical proofs are necessary to make a Christian? Faith alone is required; and provided that, in the main and upon the whole, men are persuaded this saving faith may consist with some degrees of obscurity, scruple, and error. For although the light of truth be unchangeable, and the same in its eternal source, the Father of Lights […]. (A VI, 31, 280, Hervorhebung C.N.)79

77 S.a. S II: 22: „Whereas Faith without good works serves only to aggravate our sins and expose us to a severer punishment.“ 78 Jeder Rekonstruktionsversuch einer Berkeleyschen Ethik erfordert die Integration dieser praktischen Komponente. 79 S IX: 127f: „Doubtless, the making Religion a notional Thing, hath been of infinite Disservice. And whereas its holy Mysteries are rather to be received with Humility of Faith, than defined and measured by the Accuracy of human Reason […].“

242

4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Plausible Argumente werden von Crito als ausreichende Grundlage für den Glauben angeführt, doch können diese keinesfalls Absolutheit beanspruchen. Vielmehr gesteht Berkeley verschiedene Grade an Verwirrung in Glaubensangelegenheiten zu, wobei sämtliche Glaubensinhalte letztlich immer der ewigen Wahrheit unterstehen. Dennoch ist für ein christliches Dasein in letzter Konsequenz allein der Glaube relevant.80 Die rationale Darstellung desselben ist zwar möglich und sinnvoll, doch keine Notwendigkeit. As for those who consider faith and reason as two distinct provinces, and would have us think good sense has nothing to do where it is most concerned, I am resolved never to argue with such men, but leave them in quiet possession of their prejudices. (A VII, 3, 288)

Glaube und Vernunft zu differenzieren bzw. diesen spezifische Erkenntnisbereiche zuzuweisen wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Berkeley identifiziert eine derartige Einstellung sogar als Vorurteil. Eine artifizielle Spaltung wäre für die Theologie folglich inadäquat, da sich dasselbe Wissen nur in unterschiedlicher Form präsentiert. Im Glauben findet sich eine organische Verbindung zwischen dem Wissen von Gott und der Lebensführung, die für respektive von der Vernunft formuliert wird. Erst der Zusammenklang dieser beiden Erfassungsweisen von Realität ermöglicht eine entsprechende Erkenntnis der eingeschriebenen Sinnstrukturen. Im weiteren Dialogverlauf werden noch drastischere Konsequenzen artikuliert: I answered, that some good men conceived an opposition between reason and religion, faith and knowledge, nature and grace; and that, consequently, the way to promote religion was to quench the light of nature and discourage all rational inquiry. (A VII, 27, 325)

Wenn die Begriffe Vernunft und Religion, Glaube und Wissen oder Natur und Gnade in Opposition zueinander stünden, würde daraus die Auslöschung der Möglichkeit jeglicher rationalen religiösen Unternehmung resultieren. Die enge Verknüpfung von Glaube und Vernunft erstaunt nicht, wenn man sich Berkeleys Wirklichkeitsverständnis in Erinnerung ruft. Im Glauben erkennt der finite Geist, nicht Grund seiner selbst, sondern ontologisch und epistemisch dependent von Gott zu sein.81 Insofern lässt sich der Glaube als die umfassende Lebensform verstehen, mittels der sich der Mensch dieser Situation bewusst wird.82 Im Glauben manifestiert sich folglich eine andere Form

80 S III: 31: „If any man among you seem to be religious and bridleth not his tongue, but deceiveth his own heart, this man’s Religion is vain.“ 81 K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 307 urteilt: „Letztlich bedeutet Berkeley der Glaube mehr als das Wissen, und die naturwissenschaftliche Erkenntnis gilt ihm als Erkenntnis zweiten Ranges (P § 109, DM §§ 34f und 72).“ 82 Damit erweist sich die vieldiskutierte Frage der Bestimmung von Glaube und Vernunft als neuzeitliche Eintragung.

D. Allgemeine und spezielle Offenbarung

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von Wissen, die einen engen Konnex mit der Lebensführung aufweist.83 Erst im Glaubensvollzug wird der finite Geist zu dem, wozu er als imago Dei berufen ist: sich entsprechend der Erwartung seines Schöpfers zu verhalten. Der Glaube bezieht sich nach Berkeleys Wirklichkeitsverständnis nicht auf eine abgesonderte Welt; vielmehr impliziert jede rationale Auseinandersetzung einen Glaubensvollzug, insofern dies nichts anderes bedeutet, als sich der Anrede Gottes gegenüber handelnd zu verantworten. Glaube ist folglich nicht auf intramentale Erfahrungen limitiert. Der Mensch ist qua Mensch ein animale rationale, dessen Rationalität in der imago dei mitangesprochen ist, wenn Gott sich ihm zuwendet. Berkeley setzt phänomenologisch bei der Realität an, um sie dann in ihrer Tiefendimension zu verstehen. Das Gespräch mit Gott fundiert diese Dimension und die Sphäre dieser Wirklichkeit ist kein spekulatives Wissen, sondern der präsentische Lebensvollzug. Blinder Glaube ohne rational einsichtige Inhalte ist folglich absurd. Dieses Kapitel hat die anthropologischen Voraussetzungen für die Gotteserkenntnis sowie die damit einhergehende Dependenzrelation zwischen Schöpfer und Geschöpf vertieft. Folgend wird der Interaktion zwischen Gott und finitem Geist ein theologischer Topos, die Offenbarung, zugeordnet.

D. Allgemeine und spezielle Offenbarung D. Allgemeine und spezielle Offenbarung

In diesem Kapitel wird bereits ausgearbeiteten Erkenntnisstrukturen eine theologische Form zugewiesen: die Offenbarung.84 Offenbarung ist ein sehr weitreichender Begriff, dessen Extension im Sinne eines terminus technicus historisch erst nach Berkeley festgelegt worden ist.85 Daher steht zur Analyse, auf welche Weise Berkeley von Offenbarung spricht bzw. welche Annahmen diese umfasst. Methodisch ist erneut darauf hinzuweisen, dass Offenbarung nachfolgend nicht als neue Kategorie eingeführt wird, sondern strukturelle Parallelen in den Schriften eine Identifizierung mit dieser theologischen Kategorie nahelegen. Zuerst wird daher eine allgemeine Kriteriologie für ein Offenbarungsgeschehen gezeigt, die dann im nächsten Schritt auf Berkeley An-

83 Auch in A VII, 10, 301 steht die Wirkung des Glaubens im Vordergrund: „Faith, I say, is not an indolent perception, but an operative persuasion of mind, which ever worketh some suitable action, disposition, or emotion in those who have it […].“ 84 Das erfordert das Anliegen, diese Arbeit auch für Philosophen verständlich darzulegen. Der Term Offenbarung wird mit den erzielten Resultaten gefüllt. 85 Vgl. M. Schmaus/A. Grillmeier/L. Scheffczyk (Hg.) Handbuch der Dogmengeschichte. Die Offenbarung. Von der Reformation bis zur Gegenwart, Bd. 1, Heft 1b, Freiburg/Basel/ Wien 1977, bes. die Vorüberlegungen von Hans Waldenfels, 1–4 weisen auf die Gefahr einer unkritischen Verwendung desselben hin.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

wendung findet.86 Dabei wird eine allgemeine Offenbarung Gottes (visuelle Sprache) von der speziellen Offenbarung (der Schrift) differenziert. Dem Begriff der Offenbarung inhäriert die Aufdeckung oder das Verständnis von bzw. ein Zugang zu etwas Verborgenem. Von größter Relevanz ist, dass der Vorgang der Gotteserkenntnis ohne ein Offenbarungsgeschehen nicht konsistent zu denken ist, da das zu Erkennende sich dem Erkennenden zeigen muss. Nachfolgend dargestelltes fünfgliedriges Schema dient als Muster zur Herausarbeitung der Strukturen des Offenbarungsgeschehens sowie der entsprechenden theologischen Implikationen:87 Es gibt einen Autor der Offenbarung (1.), der in einer bestimmten Situation (2.) den Gehalt (3.) des Geschehens einem Empfänger (4.) mitteilt. Offenbarung ist jedoch kein wirkungsloses Geschehen, sondern bringt ein Resultat (5.) mit sich. Das bedeutet, Autor, Situation, Gehalt, Empfänger und Resultat sind die Grundpfeiler für die Identifizierung eines Erschließungsgeschehens. Dieser Grundstruktur liegt ein dialogischer Offenbarungsbegriff zugrunde, da der Mensch den Gehalt nicht nur passivisch rezipiert; vielmehr besitzt eine Offenbarung eine Wirkung, die sich in einem Resultat, das als Antwort zu verstehen ist, niederschlagen kann. Erinnern wir uns zunächst an Berkeleys Gegnerschaft. Sein Anliegen besteht in einer Widerlegung deistischer Weltanschauungen, was als erstes Indiz für eine Offenbarungstheologie zu werten ist: Gott ist nicht allein qua Vernunftargumenten aus der Natur zu erkennen – auch wenn die Gotteserkenntnis nicht im Widerspruch zur Vernunft steht. Eine weitere Untermauerung bietet die Hinzunahme von Berkeleys Realitätsauffassung: Realität ist ein Zeichenkosmos mittels dessen sich der Schöpfer selbst, der Autor, seinen Geschöpfen, den Empfängern, mitteilt. Das bedeutet, Realität beinhaltet den Gehalt des Geschehens, wobei der Dechiffrierungsprozess der Zeichen niemals endet. Der Rezipient decodiert die Zeichen immer in konkreten, singulären Situatio86 Hinsichtlich des Verständnis von Offenbarung existieren zahlreiche Debatten: Nachfolgend wird das von Ch. Schwöbel, „Offenbarung und Erfahrung – Glaube und Lebenserfahrung. Systematisch-theologische Überlegungen zu ihrer Verhältnisbestimmung“, in: W. Härle/R. Preul (Hgg.), Lebenserfahrung, Marburg 1990, 68–122 entwickelte Modell angewendet, da darin die Grundstrukturen klar herausgearbeitet sind und es im Vergleich zu anderen am plausibelsten ist. 87 Ebd. 72ff. S. a. 102: „Der Offenbarungsbegriff als Grundbegriff einer Theorie des Handelns Gottes expliziert das, was der Erfahrung, die als Basisbegriff einer Theorie menschlichen Handelns expliziert werden kann, als Bedingung ihrer Möglichkeit passiv gegeben ist: das Erschlossensein der Wirklichkeit für die wahrheitsfähige Deutung und Gestaltung durch menschliche Erfahrungssubjekte. Theologisch wird das der Erfahrung als Grund ihrer Möglichkeit vorgegebene Erschlossensein der Wirklichkeit als das freie und unverfügbare Erschließungshandeln Gottes interpretiert.“ E. Herms, Offenbarung und Glaube. Zur Bildung des christlichen Lebens, Tübingen 1992, 176ff hingegen diagnostiziert sechs relevante Punkte für das Erschließungsgeschehen: Inhalt, Urheber, Empfänger, Anlass, leibhafte Affektion und Wirkung auf Personsein des Empfängers.

D. Allgemeine und spezielle Offenbarung

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nen. Damit sind die ersten vier Säulen (Autor, Empfänger, Situation und Gehalt) in Berkeleys Realitätsverständnis identifiziert. Ausstehend ist die Frage nach dem Resultat, das nachfolgend als Antwort im weitesten Sinne zu werten ist, d.h. wenn man Berkeleys Realitätsauffassung – Realität verstanden als Ort der Gottesbegegnung im Sinne eines andauernden Gesprächs – akzeptiert, erfordert dies einen dialogischen Offenbarungsbegriff, der das Verhältnis zwischen Schöpfer und Geschöpf reflektiert. Dahinter steht die grundsätzliche Frage, wie der finite Geist die göttliche Offenbarung als solche verstehen kann. Im dialogischen Modell wird dieser Punkt noch verschärft, insofern dieses eine Antwortoption des Menschen impliziert.88 Die bisherigen Ausführungen legen die Annahme einer Asymmetrie zwischen Gott und finitem Geist in dem Dialoggeschehen nahe, was sich beispielsweise darin äußert, dass Berkeley Gott als governor, Creator u.ä. betitelt und Gott im Gegensatz zu finiten Geistern Allmacht zuschreibt.89 Zugleich existiert das Bestreben, Gottes Omnipräsenz und Sorge für seine Geschöpfe zu akzentuieren: Gott spricht nicht für sich im Sinne eines tyrannischen Despoten, sondern um der Menschen willen.90 Mit der Annahme, Realität als kommunikative Situation zu erfassen und somit dem finiten Geist Antwortoptionen einzuräumen, erfährt die Verwandtschaft der Dialogpartner Akzentuierung. Der Rezipient wird in seiner relationalen Verfassung, d.h. in der bestehenden Relation zu Gott, zu sich selbst und zur Welt angesprochen.91 Diese Relationen sind in letzter Konsequenz nicht auszublenden, sie werden in jedem Lebensmoment erfahren. Als relationales Wesen ist der finite Geist hinsichtlich der Rezeption von Inhalten auch passiv konstituiert; die passive Verfasstheit tritt in der Bezogenheit zu Gott in den Vordergrund, der nicht nur Schöpfer, sondern auch Vollender der menschlichen Existenz ist.92 Anhand der Verhältnisbestimmung von Glauben und Vernunft wurde die passive Dependenz gegenüber Gottes Omnipotenz in ihren Grundstrukturen exemplarisch herausgearbeitet. Der finite Geist vermag nicht, autark zum Glauben zu kommen, sondern es bedarf der Zustimmung und Zuwendung Gottes; analog dazu kann der finite Geist 88

Als weiterer Vertreter eines dialogischen Offenbarungsmodells ist neben Ch. Schwöbel, „Gott im Gespräch“, NZSTh 48:4 (2007), 516–533 H. Waldenfels, Einführung in die Theologie der Offenbarung, Darmstadt 1996 zu nennen. 89 Bereits die innere Logik der Relation Schöpfer-Geschöpf verhindert eine vollständige Ebenbürtigkeit, doch vermag Gott aufgrund seiner Allmacht entsprechende Asymmetrien einzuholen. 90 Zur Frage, ob es sich um einen despotischen Monolog handelt, der jeglicher Freiheit entbehrt, vgl. 2. Kap., Anm. 111. 91 S.a. J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion (Anm. 546), I, 10, 12. 92 Ch. Schwöbel, „Offenbarung und Erfahrung“ (4. Kap., Anm. 86), 106 betont: „[J]ede auch nur partielle Selbständigkeit des Menschen gegenüber Gott wird damit disqualifiziert.“ In diesem Zusammenhang ist auf P § 63 zu verweisen, wonach Gott den Verstand anhand seiner Werke überzeugt.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Gottes Offenbarung nicht selbständig generieren, allenfalls passiv empfangen, was sich auch anhand Berkeleys Auffassung zeigen lässt, sich der visuellen Sprache Gottes, sprich der Welt, nicht entziehen zu können. Damit ist zugleich der Aufruf zur aktiven Auseinandersetzung mit der Realität gegeben. Der Offenbarungsinhalt ist weder statisch noch immutabel. Vielmehr gestaltet der Rezipient aufgrund seines individuellen Verhältnisses zu Gott dessen persönliche Mitteilung mit. Diese Mitgestaltung besteht in der Bewertung der erfahrenen Inhalte, aus denen sich dann die entsprechende Wirkung des Geschehens erkennen lässt.93 Dieses Kommunikationsmodell räumt den Vorwurf endgültig aus, Berkeley vertrete eine natürliche Theologie bzw. einen Pantheismus.94 Vertreter einer natürlichen Theologie sind der Ansicht, ein Wissen von Gott wäre mittels Vernunft zu erlangen. Die Offenbarung hingegen vollzieht sich in der permanenten Anrede Gottes mittels Zeichen, die zur Decodierung ausstehen. Der klassische Offenbarungscharakter bleibt gewahrt, denn die Realität kann niemals vollständig dechiffriert werden.95 Eine Identifizierung mit mysteriösen Vorgängen ist aufgrund bereits geleisteter Exegesen zu exkludieren.96 Gottes Zeugnis ist als Prozess der Zeichengebung klar. 93 Mit diesem dialogischen Offenbarungsbegriff wird auch die von Gott gesetzte Voraussetzung für menschliche Kommunikation im Allgemeinen erfasst. Zum einen ist die Fähigkeit zur Kommunikation entscheidend, Gottes Anrede zu vernehmen und zu antworten. Zum anderen wird Offenbarung als Grundkategorie für jeglichen Vollzug menschlicher Kommunikation sichtbar: Gott als Integral der Phänomene der Wirklichkeit, die allesamt Zeichen seiner Sprache sind, ist der Grund für mögliche und sinnvolle Kommunikation zwischen finiten Geistern. Letztlich ist Gott sogar als Initiator jeglicher Kommunikation anzusehen, insofern jedes Gespräch zwischen finiten Geistern inhaltlich auf die zeichenhafte Realität referiert, was im Gottesbeweis eindringlich illustriert wurde. 94 M. A. Hight, „How Immaterialism Can Save Your Soul“ (1. Kap., Anm. 168) differenziert bei Berkeley eine natürliche Theologie, die sich dadurch auszeichnet, dass sie Vernunfteinsichten entspringt, von einer offenbarten Theologie. Letztere umfasst seiner Ansicht sog. christliche Mysterien, wie Inkarnation, Trinität, Gnade und Auferstehung, d.h. Topoi die ausschließlich auf der Grundlage von Offenbarung gewusst werden können. Diese Differenzierung ist m.E. unzureichend, insofern Berkeley auch das Gnadengeschehen anhand von Zeichen vernünftig zu erschließen sucht bzw. von Berkeleys Realitätsauffassung herkommend, entspricht alles Seiende einem Zeichen der Sprache Gottes und ist folglich als Offenbarungsgeschehen zu werten. 95 Wie im Argument von der visuellen Sprache ausgearbeitet wurde, ist die Tiefe der Zeichen sowie deren unterschiedliche Kombinationsmöglichkeit unerschöpflich. Ein vollständiges Wissen kommt allein Gott zu. 96 H. Davies, Worship and Theology in England. From Watts and Wesley to Maurice. 1690–1850, Princeton 1961, bes. 52–75 belegt, dass zu Berkeleys Lebzeiten eine starke Ablehnung gegenüber Mysterien und Obskuritäten bestand. In der Rede von Mysterien erkennt D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 149 drei Komponenten: 1) emotive Äußerungen, 2) pragmatische Rechtfertigung anhand der Effekte und 3) die Parallelisierung offenkundiger Obskuritäten mit Denkern wie Locke und Newton. Aufgrund dieser Konzep-

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These plain points, I say, are the pillars of our faith, and not those obscure ones by you supposed, which are in truth the unsound, uncertain principles of infidelity, to a rash, prejudiced, and assuming spirit. To raise an argument or answer an objection from hidden powers of Nature or Magic is groping in the dark; but, by the evident light of sense, men might be sufficiently certified of sensible effects and matters of fact, such as the miracles and resurrection of Christ […]. (A VI, 30, 279)

Die wahrhaften Säulen des Glaubens sind weder obskur noch ungewisse Prinzipien oder verborgene natürliche oder magische Kräfte. Auch wenn der finite Geist hinsichtlich seines Erkenntnisvermögens und Wissens limitiert ist, so steht das bereits Offenbarte respektive Erkannte nicht im Widerspruch zur Vernunft.97 Da Gottes Rede die alles umfassende Einheit bildet, ist eine Differenzierung zwischen Gegenständen des Glaubens und anderen Gegenständen nicht vorzunehmen: Offenbarung als Erschließungsgeschehen integriert sämtliche Einsichten.98 Gottes intime Anrede sowie die Betonung unterschiedlicher Perzeptionsweisen der Realität erweisen Offenbarung als ein partikulares Geschehen, das den vielfältigen Lebenswirklichkeiten eine adäquate Beurteilung widerfahren lässt. Zugleich ist Gott fons et origo veritatis, was die Annahme eines universalen Wahrheitsanspruchs voraussetzt.99 Die Mitteilung dieser Wahrheit durch Gott, ihren Urheber, an seine Geschöpfe ist als allgemeine Offenbarung aufzufassen. Philosophische Argumente vermögen ohne Offenbarung kein Wissen über Gott zu generieren, wodurch implizit die Gefahr eines verzerrten Offenbarungsverständnisses angesprochen wird: Offenbarung ist nicht im Sinne eines tion folgert er: „Hence one must either accept religious mysteries or reject them along with cherished philosophical, mathematical, and scientific mysteries.“ Am interessantesten ist der Ansatz, im Alciphron werde eine emotive Bedeutungstheorie entwickelt, wonach Äußerungen über Mysterien (Trinität, Gnade, Ursünde etc.) zwar nicht-informativ aber dennoch bedeutungsvoll sind, insofern daraus bestimmte emotionale Wirkungen resultieren, die sich in entsprechenden Handlungen niederschlagen. Eine überzeugende Kritik dieser Interpretation, der ich mich anschließe, bietet R. Jakapi, „Emotive Meaning “ (4. Kap., Anm. 46). Er kommt auf 410 zu dem Ergebnis: „Berman does not take seriously Berkeley’s claim that the ‘doctrines relating to heavenly mysteries’ are ‘revelations of God’ […]. Berkeley regarded propositions concerning God’s revelation as true propositions, not as merely emotive utterances, ‘neither true or false’.“ S.a. B. Belfrage, „Berkeley’s Emotive Theory of Meaning“, History of European Ideas 7 (1986), 643–699. 97 S.a. A IV, 14, 159. K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 288 beurteilt hinsichtlich der Wunder: „Aber Gott greift nach Berkeley nur selten zu diesem Mittel, weil zu häufige Wunder ihre Wirkung verfehlen würden und Gott lieber an unseren Verstand appelliert und uns durch die Großartigkeit seiner Werke von seiner Existenz überzeugt. [P §§57 62f] Mit diesen Thesen ermöglicht Berkeley eine Offenbarungstheologie, ohne die Naturwissenschaften ad absurdum zu führen.“ 98 Dieser Aspekt ist besonders hinsichtlich der Rezeption durch die Philosophie von Bedeutung: Vermeintliche Inkonsistenzen in Berkeley sind nur unter Einbezug der Theologie zu lösen. 99 Vgl. auch Argument zur visuellen Sprache (Kap. 2.B.III).

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Informationsprozesses zu begreifen, das ein bestimmtes intellektuelles Erkenntnisvermögen präsupponiert und woraus die Einrichtung einer esoterischen Lehre resultieren würde.100 Gottes Offenbarung ist folglich nicht mit einem distinkten Ding, Satz oder Ereignis zu identifizieren, sondern ein prozessuales Geschehen, das eine permanente Veränderung der Relationen implizieren kann. Theoretisch ist Gottes Offenbarung von jedermann zu erkennen (we need only open our eyes to see the sovereign Lord, P § 148); praktisch erfordert es einen aufmerksamen Rezipienten sowie dessen Bereitschaft, sich auf den offenbarten Inhalt einzulassen, was unbedingt die Aufgabe von Vorurteilen impliziert. Nicht allein aufgrund philosophischer Reflexion, sondern nur durch Gottes permanente Selbstmitteilung ist Wirklichkeit zu erfahren und zu erkennen. Daraus ergibt sich folgende Konsequenz für die Stellung des finiten Geistes: Berkeley erfasst die Gefahr der Verabsolutierung des finiten Geistes als eines vollkommen selbständigen Wesens.101 Nicht die Selbständigkeit an sich ist problematisch, sondern das Übersehen und aktive Loslösen von Gott. Der finite Geist ist kein Atom im ursprünglichen Wortsinn, das von allem losgelöst ist oder sich selbst zu steuern vermag, sondern eine dynamische Substanz, die in einem Beziehungs- und Sinngeflecht mit anderen Substanzen existiert.102 Die Rede von Offenbarung impliziert die Frage nach der Stellung der Vernunft. Traditionell wurde zwischen Vernunft und Offenbarung überwiegend kein Widerspruch gesehen; lediglich das Verhältnis der Zuordnung bzw. die Schwerpunktsetzung des Erkenntnisprimats weist Divergenzen auf.103 In Ber100 Das Christentum zeichnet sich gerade durch einen Universalanspruch aus, der das Evangelium als für alle Menschen verkündet erkennt. 101 Dieser Punkt ist analog zur Materialismuskritik zu verstehen, da nichts und niemand aus der Dependenzrelation zum Schöpfer heraustreten kann. 102 R. Schaeffler, Philosophische Einübung in die Gotteslehre, Freiburg/München 2004, 20 formuliert den Zusammenhang von Vernunft und Offenbarung treffend: „Die Eigenart des religiösen Aktes nämlich wird nur dort der Beobachtung und Analyse zugänglich, wo religiöse Erfahrungen bezeugt werden. Nur an solchen – verbalen oder auch non-verbalen – Zeugnissen religiöser Erfahrung kann die Struktur des religiösen Aktes abgelesen werden. Nun kann die Umgestaltung subjektiver Erlebnisse in Inhalte objektiv gültiger Erfahrung nicht ohne Kategorien des Verstandes, geleitet von Ideen der Vernunft, zustandegebracht werden. Insofern ist die Erkenntnis, die aus der religiösen Erfahrung hervorgeht, unabhängig von der Frage, ob sie ihrem Inhalt nach übernatürliche Quellen habe, ihrer Vollzugsart nach mit dem natürlichen Licht der Vernunft erworben.“ (Hervorhebung im Original) S.a. Ch. Schwöbel, „Offenbarung, II. Religionsphilosophisch; V. Christentum, 1. Fundamentaltheologisch und 2. Dogmatisch, b) Evangelisches Verständnis“, in: H. D. Betz/D. S. Browning/B. Janowski et al. (Hgg.), RGG, Bd. 6, Tübingen 4. Aufl. 2003, Sp. 463–467. 473–477. 479–481. 103 Für die zeitgeschichtliche Einordnung siehe St. C. Evans, Faith beyond Reason, Edinburgh 1998, 8ff: „Während John Anthony Collins (1675–1729) in seiner Identifizierung von Offenbarung und Vernunft für ein radikales Freidenkertum in allen Bevölkerungsschichten

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keleys Werk findet diese Tradition Fortführung und größtmögliche Klimax, insofern der gesamte Phänomenbereich von der Vernunft erfasst werden kann und zugleich ein göttliches Erschließungsgeschehens darstellt: „But where there is nothing of all this; where neither reason nor revelation induce us to believe the existence of a thing; where we have not even a relative notion of it […].“ (D II: 223)104 Erkenntnis von etwas ist genau genommen nur dann möglich, wenn Vernunft oder Offenbarung in den Prozess integriert sind. Zugleich wird die Aufgabe der Vernunft betont, die in der Dechiffrierung der Selbstmitteilung Gottes besteht. Die Vernunft lässt sich daher als kommunizierendes Organ ausweisen, wodurch eine Aufnahme der Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, die ebenfalls kommunikativ strukturiert ist, möglich wird. Somit ist jeder finite Geist zur Kenntnis von Gottes Offenbarung befähigt, was die Frage nach dem spezifisch christlichen Impetus virulent werden lässt. Erst dieser Einbezug befähigt zu einer Konkretisierung von Berkeleys Rationaltheologie. Wie bereits gezeigt wurde, ist die Vernunft kein eigenständiges Organ, sondern relational verfasst und dependent zu Gott: Nur das, was der Schöpfer seinem Ebenbild entsprechend zur Verfügung stellt, vermag der finite Geist auch zu erkennen. Die Welt als Selbstmitteilung Gottes kann der und die Aufhebung der übernatürlichen Religion eintrat, suchte Mathew Tindal (1657–1733) aus der Zustimmung kirchlicher Kreise zu den deistisch-rationalistischen Thesen Nutzen zu ziehen. In seinem Werk Christianity as Old as Creation, or the Gospel a Republication of the Religion of Nature (1730), das man als die Bibel der Deisten ansprechen kann, sieht er in der natürlichen und der geoffenbarten Religion nur zwei Seiten der einen rationalen Religion.“ J. Rohls, Philosophie und Theologie in Geschichte und Gegenwart, Tübingen 2002, 365ff beleuchtet zeitgenössische Auffassungen von Offenbarung; beispielsweise besteht nach Joseph Butler zwischen natürlicher und offenbarter Religion kein Gegensatz, insofern die Offenbarungsreligion die natürliche Religion voraussetzt. S.a. G. Wenz, Offenbarung. Studium Systematische Theologie, Göttingen 2005, 29ff und M. Schmaus/A. Grillmeier/L. Scheffczyk (Hg.) Handbuch der Dogmengeschichte (4. Kap., Anm. 85), 60. Auch Lockes Nähe zur deistischen Position hinsichtlich der Bewertung der Vernunft als Maßstab aller Dinge ist interessant (Essay IV, 18, 689–696). An dieser Stelle wird die Umbruchphase, in der sich Berkeley befindet, luzide, deren End- bzw. Wendepunkt Kant markiert. 104 S.a. D III: 243: „Why the rejecting a notion that hath no foundation either in sense or in reason, or in divine authority […].“ sowie A IV, 23, 172: „It seems we are led not only by revelation, but by common sense, observing and inferring from the analogy of visible things […].“ und D III: 243: „PHILONOUS. That every epidemical opinion arising from prejudice, or passion, or thoughtlessness, may be imputed to God, as the Author of it, I believe you will not affirm. Whatsoever opinion we father on him, it must be either because he has discovered it to us by supernatural revelation, or because it is so evident to our natural faculties, which were framed and given us by God, that it is impossible we should withhold our assent from it. But where is the revelation?“ A VII, 28, 325: „God is the Father of all lights, whether natural or revealed. Natural concupiscence is one thing, and the light of nature another. You cannot therefore argue from the former against the latter: neither can you from science, falsely so called, against real knowledge. Whatever, therefore, is said of the one in Holy Scripture is not to be interpreted of the other.“

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

finite Geist genau dann verstehen, wenn Gott sich in einer verständlichen Weise mitteilt. Da der Vernunft, wie weiter oben dargestellt, entsprechende Voraussetzungen obliegen, zeigt sich auch für die Erkenntnis alltäglicher Phänomene die Notwendigkeit eines Erschließungsgeschehens.105 Wenden wir uns nun der speziellen Offenbarung, d.h. der Bedeutung der Schrift zu.106 Offenbarung als hermeneutische Frage verweist zugleich auf das Schriftprinzip, das noch zur Klärung aussteht.107 Für die Heilige Schrift, als der Offenbarung Gottes im engen Sinne, gilt, dass diese vermittelt ist. De facto misst Berkeley der Schrift als Offenbarungsmedium einen gewichtigen Stellenwert zu, was besonders durch das Ende des bereits zitierten letzten Paragraphen aus P Bestätigung findet: For after all, what deserves the first place in our studies, is the consideration of GOD, and our duty; which to promote, as it was the main drift and design of my labours, so shall I esteem them altogether useless and ineffectual, if by what I have said I cannot inspire my readers with a pious sense of the presence of God: and having shewn the falseness or vanity of those barren speculations, which make the chief employment of learned men, the better dispose them to reverence and embrace the salutary truths of the GOSPEL, which to know and to practise is the highest perfection of human nature. (P § 156)

Die Betrachtung Gottes ist der eigentliche Sinn und die Aufgabe sämtlicher Studien; die Auseinandersetzung mit dem Evangelium bezeichnet Berkeley als das ursprüngliche und höchste Ziel des Menschen.108 Mit dieser Bemerkung endet die Abhandlung der Prinzipien über die menschliche Erkenntnis. Dass durch die Schrift eine inhaltlich gefüllte Rede von Gott möglich wird, garantiert für Berkeley die Klarheit der Schrift (claritas scripturae): „But of all these things we find, if not a full and adequate, yet a clear and positive

105 Die Relationalität deutet auch A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap. Anm. 16), 142 an: „Provided the things created before Adam are conceived as created in relation to mind, significant for mind, and preparatory for mind, and not as absolute existents, as matter is supposed to be, there is no substantial difference between Moses and Berkeley as to what happened in the beginning.“ (Hervorhebung im Original) S.a. P. A. Byrne, „Berkeley, Scientific Realism and Creation“, RelSt 20 (1984), 453–464 und R. Jakapi, „Emotive Meaning“ (4. Kap., Anm. 46). 106 Unter spezieller Offenbarung ist nachfolgend das besondere Erschließungsgeschehen des dreieinigen Gottes zu verstehen, wie es in der Schrift begegnet; dieses Geschehen wird in der reformatorischen Tradition auch als principium cognoscendi bezeichnet. 107 Dass Berkeley viele Bibelverse in seine Ausführungen integriert, ist offensichtlich; N. Jolley, „Berkeley and Malebranche on Causality and Volition“ (2. Kap., Anm. 47), 236 kritisiert jedoch die Methodik: „Berkeley even follows Malebranche to the extent of quoting scriptural passages as evidence of the immediate and sole operation of God.“ (Hervorhebung im Original). Dem ist zu entgegnen, dass Berkeley selbst keine künstliche Separation der Inhalte für die entsprechenden Gattungen vornimmt, wie es heutzutage Usus ist. 108 Dieser Punkt stützt meinen Interpretationsansatz, die unterschiedlichen Gattungen intertextuell zu lesen.

D. Allgemeine und spezielle Offenbarung

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account in the holy Scriptures.“ (S VI: 86)109 Die Bibel kann als verschriftlichtes Zeugnis der Rede Gottes (seiner visuellen Sprache) angesehen werden, was auch Berkeleys Intention verdeutlicht: Ein tiefes Verständnis der Schrift setzt sich in der dialogischen Erfahrung von Realität fort und umgekehrt.110 Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass der Schriftsinn nicht vollkommen autark erschlossen werden kann: You yourself own revelation possible: and, allowing this, I can very easily conceive it may be odd, and out of the road of nature. I can, without amazement, meet in Holy Scripture divers prophecies, whereof I do not see the completion, divers texts I do not understand, divers mysteries above my comprehension, and ways of God to me unaccountable. […] At least thus much is plain: the difficulty of some points or passages doth not hinder the clearness of others; and those parts of Scripture which we cannot interpret, we are not bound to know the sense of. What evil or what inconvenience, if we cannot comprehend what we are not obliged to comprehend, or if we cannot account for those things which it doth not belong to us to account for? (A VI, 20, 257)

Zunächst einmal wird die limitierte Perspektivität des Lesens betont, die einer holistischen Sicht entgegensteht: Bestimmte Passagen der Schrift sind für bestimmte Individuen in bestimmten Situationen nicht verständlich. Dieses erfahrbare Faktum rührt jedoch nicht an die Klarheit der Schrift, sondern betont den situativen Charakter des Erschließungsgeschehens. Auch Mysterien, die das eigene Fassungsvermögen übersteigen, sowie unerklärliche Wege zu Gott sind kein Gegenargument. Die philosophischen Bemühungen weisen darauf hin, dass ein enges Sola-Scriptura-Prinzip zu keiner angemessenen Theologie führt. Erst unter Hinzunahme von Erfahrung, Vernunft und Tradition lässt sich das Sola-Scriptura-Prinzip vertiefen.111 Der Horizont der Erfah109 A VI, 20, 256: „EUPHRANOR. And yet it must be allowed that, as some prophecies are clear, there are others very obscure: but, left to myself, I doubt I should never have inferred from thence that they were not divine. In my own way of thinking, I should have been apt to conclude that the prophecies we understand are a proof for inspiration; but that those we do not understand are no proof against it. Inasmuch as for the latter our ignorance or the reserve of the Holy Spirit may account; but for the other nothing, for aught that I see, can account but inspiration.“ Vgl. auch A VI, 7, 232 „EUPHRANOR. I never thought nor expected that the Holy Scripture should show itself divine by a circumstantial accuracy of narration, by exactness of method, by strictly observing the rules of rhetoric, grammar, and criticism, in harmonious periods, in elegant and choice expressions, or in technical definitions and partitions. These things would look too like a human composition. Methinks there is in that simple, unaffected, artless, unequal, bold, figurative style of the Holy Scripture, a character singularly great and majestic, and that looks more like divine inspiration than any other composition that I know.“ Anhand der Predigten wird die Bedeutung der Schrift als Quelle für die Gotteserkenntnis deutlich. In der VI. Predigt betont Berkeley zum einen das Klarheitsprinzip und weist zum anderen darauf hin, dass sich positive Aussagen generieren lassen. 110 S.a. Ch. Schwöbel, „God as Conversation“, in: J. Haers/P. De Mey (Hgg.), Theology and Conversation. Towards a Relational Theology, Leuven 2003, 43–67. 111 In der Geschichte der englischen Kirche war die Zuordnung dieser drei Säulen ein relevantes Thema: Während verschiedene Gruppen eine unterschiedliche Gewichtung vorneh-

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

rung und Vernunft wurde bereits eingehend erläutert, so steht allein aus, die Tradition zu belegen, die in der Predigt On religious Zeal erörtert wird.112 Nach Berkeley existiert eine Tradition, die so universal ist, dass sie sich nicht ausschließlich auf die Schriftweitergabe bezieht. Damit zielt er auf die Erkenntnis von Gottes heilsgeschichtlichem Handeln ab. In den Predigtnotizen (S V: 54f) bezeugt er eine Entwicklung der Offenbarung: Zuerst offenbarte sich Gott an Einzelne (Noah, Abraham, Hiob), im nächsten Schritt zeigte er sich dem jüdischen Volk und schließlich der ganzen Welt. Die Inkarnation bildet den zentralen Wendepunkt für alle Menschen, da Gott Fleisch geworden ist und sich somit sichtbar, d.h. physisch zu erkennen gibt.113 Zugleich ist jeder Christ immer schon an die Befähigung und Verpflichtung der tradierten Offenbarung rückgebunden. Erst aus dem Zusammenwirken von Erfahrung, Vernunft und Tradition resultiert ein adäquates Schriftverständnis.114 Meines Erachtens ist das Evangelium für Berkeley der Schlüssel zum Verständnis der Realität: Es handelt sich um eine Art Grammatikbuch, das zu studieren ist, um Gottes Anrede zu verstehen. Die Schrift bietet folglich einen exklusiven Zugang zu einem adäquaten Verständnis der Schöpfungsordnung. men, ist Berkeley als moderater Vertreter zu sehen, der um Ausgewogenheit bedacht war. Vgl. G. Ebeling, „"Sola Scriptura" und das Problem der Tradition“, in: ders. (Hg.), Wort Gottes und Tradition. Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen, Göttingen 1964, 91–143, R. Williams, On Christian Theology, Oxford 2000, 56ff und R. W. Jenson, Systematic Theology, Bd. 1 (The Triune God), Oxford 1997, 26ff. Einen guten Überblick bietet der Sammelband R. W. Jenson/C. E. Braaten (Hgg.): Reclaiming the Bible for the Church, Edinburgh 1996. 112 S II: 20: „[T]hat we exert our zeal in a firm resolution of observing and maintaining the positive institutions the Apostolical traditions and discipline preserved in the Church. As we are Christians we are members of a Society which entitles us to certain rights and privileges above the rest of mankind. [?] But then we must remember those advantages are conveyed unto us in a regular dispensation by the hands of a Hierarchy constituted by the Apostles, and from them continued down to us in a perpetual succession. [T]his if... not be demonstrated from Scripture, is nevertheless sufficiently evident from tradition, a tradition so ancient, so universal, so uninterrupted that the Canon of holy Scripture it self is not received on better grounds. And surely what comes thus recommended to us has an equal claim to our zeal, with the other positive institutions of Christianity, is to be treated with no more coldness and indifference than if it had been expressly contained in the written word of God.“ S.a. D III: 236, S VII: 94, S VII: 94 und S II: 25: „But whatever other things may be thought indifferent, yet it is plain submission to lawful authority is not so but a main part of our duty, as being most consonant to Reason and clearly revealed in H: Scripture.“ 113 Berkeley sieht die Juden als von Gott im Herzen geblendet, da sie unfähig sind, seine Offenbarung zu erkennen (S VII, 102f und S IX: 125f). Damit wird erneut Gottes allmächtiger Wille und seine Einwirkung in jegliches Geschehen expliziert. Der Zusammenhang von Offenbarung als Ausdruck von Gottes Willen wird in S X (On the will of God) systematisch dargestellt. 114 In diesem Kontext wäre es interessant, der Frage nachzugehen, ob Berkeleys CommonSense-Auffassung in obigem Ternar ihren Ursprung hat.

D. Allgemeine und spezielle Offenbarung

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Aus diesem Grunde ist das Studium und die Praxis der Schrift auch die höchste Perfektion der menschlichen Natur (P § 156).115 Die Integration der gewonnenen Einsichten in den alltäglichen Phänomenbereich unterstützt die Realisation von Berkeleys Anliegen, das im individuellen Füllen, Ausgestalten und Leben zentraler dogmatischer Lehrsätze besteht. Die perspektivische Gebundenheit ist selbstredend für den theologischen Erfahrungshorizont gültig, woraus sich die Selbstmitteilung Gottes als Ereignis in spezifischen Situationen deduzieren lässt.116 Angewendet auf die Argumente des Gottesbeweises bedeutet dies die Begründung des Gott-gewirkten Erschließungsgeschehens in seinen unterschiedlichen Facetten.117 Berkeley strebt in den Argumenten die Demonstration der präsentischen Begegnung mit Gott im Alltag an.118 Diese Begegnung geschieht im Dialog und gelingt nur als Gabe, die sich aufgrund von Gottes Willen ereignet.119 Damit ist der umfassende Charakter von Offenbarung dargestellt, der sich nicht nur auf Realität als göttliche Selbstmitteilung bezieht, sondern sich auch in der Anthropologie hinsichtlich der passiven Rezeption ausdrückt. Im Glauben begreift sich der finite Geist als von Gott dependentes Wesen und erkennt zugleich die reale Verbindung zu seinem Schöpfer. Erst die Integration von Gottes Offenbarung in den Prozess der Selbsterkenntnis ermöglicht eine annähernd adäquate Reflexion, die in der Anerkennung der passiven Konstitution gegenüber Gott besteht. Ein vom Glauben geleiteter finiter Geist unternimmt nach Berkeley einerseits die aktive Decodierung und Mitkonstitution von Realität und erfährt sich andererseits gegenüber seinem permanent präsenten Schöpfer als passiv. Damit wird die Unhintergehbarkeit von Gottes Offenbarung transparent: Finite Geister existieren und denken 115

S.a. J. Webster, Holy Scripture. A Dogmatic Sketch, Cambridge 2. Aufl. 2004, 13, der die Offenbarung der Schrift folgend definiert: Revelation is the self-presentation of the triune God. 116 Die Relationen zwischen den perzipierten Zeichen haben sich aufgrund der zugrunde liegenden Perspektivität finiter Geister als kontingent erwiesen. Berkeley verweist in P § 151 auf die Schrift (Jes. 45,15): „Verily (saith the prophet) thou art a God that hidest thy self“. 117 Weiterhin ist aus den bisherigen Erörterungen Offenbarung als ein polymorphes Geschehen ableitbar, das den Menschen auf unterschiedliche Weisen berührt: Das Sehen der visuellen Zeichen bewirkt letztlich ein Hören von/auf Gottes Wort. 118 Im Hinblick auf Berkeleys Zeittheorie wird deutlich, dass die Betonung nicht auf der Eschatologie liegt, sondern die Gegenwart von höchster Relevanz ist. Die präsentisch perzipierten Ideen sind Gottes Mitteilung und als solche auch ernst zu nehmen. Berkeley verbindet dies mit der alttestamentarischen Offenbarung S VIII: 111: „Notwithstanding all which it must be owned that throughout the old testament, the special and express promise relates to the present life, and only the general and obscure one to a future.“ Der aufmerksame Leser wird ein Problem hinsichtlich Berkeleys Zeittheorie empfinden: Während Zeit als eigenständige Kategorie negiert wurde, wird auf einmal von einem heilsgeschichtlichen Geschehen gesprochen. 119 Das ist letztlich die Wirkung von Gnade.

254

4. Kapitel: Gotteserkenntnis

ausschließlich diesseits der Offenbarung Gottes, in whom we live and move and have our being.

E. Im Geist Gottes E. Im Geist Gottes

Das Aufzeigen der Zugangsweisen zu Gott wirft die Frage nach den spezifischen Erkenntnisinhalten auf. Die Resultate der dialogischen Gotteslehre haben gezeigt, dass Berkeleys Gottesbegriff aufgrund seiner Selbstmitteilung nicht apriorisch zu erfassen ist, d.h. Gott wird nicht an und für sich gedacht, sondern Gott stellt sich für den finiten Geist dar. Gott ist aus seinen Werken zu erkennen, da Gottes Wort zugleich seine Wirkung ist. In diesem Zusammenhang ist das bereits angesprochene Problem der Verhältnisbestimmung von Gottes Geist und den Ideen zu diskutieren, das den Charakter der Schöpfung betrifft. Dieser Topos wird unter dem Stichwort divine ideas verhandelt und ist in der Forschung die am intensivsten geführte Debatte hinsichtlich Berkeleys Theologie. Unstrittig ist die Interpretation, den Ursprung sämtlicher Sensationen im Geist Gottes zu lokalisieren.120 Allerdings legen einige Interpreten eine platonische Lesart nahe, woraus zwei Arten von Ideen resultieren: die ewigen, göttlichen Ideen, die ihr Sein in Gottes Geist haben, und die Perzeptionen finiter Geister, die lediglich ein relatives Dasein besitzen, da diese der Zeit unterworfen sind. Deshalb ist die Existenzweise sinnlich wahrnehmbarer Ideen bzw. der gesamten Realität in der Gotteslehre zu analysieren. So stellt sich die Frage nach einer konsistenten Verbindung von Berkeleys Immaterialismus mit der christlichen Schöpfungslehre, da der Einwand erhoben 120

Als Vertreter sind zu nennen: M. A. Hight, „Defending Berkeley’s Divine Ideas“, Phil. 33 (2005), 97–128, F. Ablondi, „Berkeley, Archetypes, and Errors“, The Southern Journal of Philosophy 43 (2005), 493–504, K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 228, P. S. Wenz, „Berkeley’s Christian Neo-Platonism“, JHI 37 (1976), 537–546. S. Bonk, Immaterialismus (1. Kap., Anm. 5) 33 sieht die Ideen im finiten Geist als Bruchstücke der Ideen im göttlichen Geist. Gegen diese Theorie argumentieren L. Stubenberg, „Divine Ideas“ (3. Kap., Anm. 116), G. J. Warnock, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 124, G. Stack, Berkeley’s analysis of perception, The Hague 1970, 71 und I. C. Tipton, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 344ff. Nach D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 39 ist im Geist Gottes äquivalent zu I shall keep you in mind. Bei M. A. Hight, „Defending Berkeley’s Divine Ideas“ findet sich ein guter Überblick über die unterschiedlichen Ansätze. Im Kontext der göttlichen Ideen ist weiterhin die Frage anzusiedeln, ob Gott perzipiert, die von G. H. Thomas, „Berkeley’s God Does Not Perceive“, JHP 14 (1976), 163–168 und G. Pitcher, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 168ff negativ beantwortet wird. Konträrer Ansicht sind A. C. Grayling, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 110f, K. P. Winkler, Berkeley (Anm. 7), 205, G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (1. Kap., Anm. 7), 108f und T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 74ff. J. Dancy, Berkeley (1. Kap., Anm. 9), 52 ist der Ansicht that our ideas are identical with ideas in the mind of God. S.a. H. B. W. Joseph, „A Comparison of Kant’s Idealism with that of Berkeley“, PBA (1929), 213–234.

E. Im Geist Gottes

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werden kann, seine immaterielle Weltsicht sei weder mit den Aussagen der Schrift noch mit den Anschauungen des Common Sense konsistent zu vereinbaren. Hierbei entstehen freilich Einwände, welche die zugrundeliegende gestufte Ontologie betreffen:121 Gottes Erkennbarkeit wird verkompliziert und rückt zudem in eine Ferne, die mit Berkeleys Intention einer Gotteslehre nicht zu vereinbaren ist. Gott ist nach Berkeley kein Gegenüber, das unter bestimmten Umständen absent sein kann, sondern ein intimate mind;122 Gottes Präsenz umschließt das Dasein des finiten Geistes. Kontrovers ist die bereits zitierte Passage aus D: There is therefore some other mind wherein they [sensible things] exist, during the intervals between the times of my perceiving them: as likewise they did before my birth, and would do after my supposed annihilation. (D III: 230, Hervorhebung C.N.)

Die Interpretationen divergieren bezüglich des wherein. Die Präposition in kann zum einen räumlich verstanden werden, wobei diese Interpretation Berkeleys immaterialistischem Weltbild zuwider laufen würde.123 Eine andere Option besteht darin, das wherein auf einen Teil bzw. Aspekt Gottes zu beziehen. In zugespitzter Form lässt sich diese Variante folgendermaßen reformulieren: Die reale Welt existiert ausschließlich im Geist Gottes und der finite Geist nimmt Teile davon in Form von Ideen wahr. Die eklatante Inkonsistenz zur bisherigen realistischen Interpretation ist nicht zu übersehen. Vor dem christlichen Hintergrund erscheinen auch die Bemühungen um die Frage, was in Gottes Geist sei, kurios, weil damit eine Symmetrie unterstellt wird, die die Relation von Schöpfer und Geschöpf bereits aus logischen Gründen verhindert. Den Versuch in Gottes Verstand zu blicken, würde Berkeley vermutlich als größten Frevel, im Sinne der größtmöglichen superbia, bezeichnen.124 Mit der Einführung der sogenannten Archetypen (archetypes) bzw. göttlichen Ideen (divine ideas) hat Berkeley de facto für Verwirrung gesorgt. Diese werden in den Dialogues so dargestellt: [D]o I not acknowledge a twofold state of things, the one ectypal or natural, the other archetypal and eternal? The former was created in time; the latter existed from everlasting in the

121 Bezüglich ontologischen Zwischenstufen vgl. J. Splett, Gotteserfahrung im Denken (4. Kap., Anm. 42), 98. 122 So P §§ 149, 151; A IV, 14, 160. S III: 34: „[T]he spiritual nature of God tho most near and immediately operating on our souls and bodies, is yet invisible to our senses.“ 123 Dass die Rede von der Existenz der Dinge im Geist nicht im räumlichen Sinne verstanden werden kann, versteht sich von selbst (vgl. dazu D III: 249f). Man denke an Berkeleys Kritik am absoluten Raum; erörtert von D. G. Collingridge, „Berkeley on Space, Sight and Touch“, C. M. Turbayne, „Berkeley and Russell on Space“ (beide Anm. 399) und K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 273ff. 124 Die Vorsicht an dieser Stelle ist damit aufgeklärt. K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 218 spricht von cageyness.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

mind of God. Is not this agreeable to the common notions of divines? or is any more than this necessary in order to conceive the Creation? (D III: 254)125

Eine unbestreitbare Similarität zur platonischen Ideenlehre wird offenkundig, die im Ideenkapitel gerade als Negativfolie fungiert hat.126 Die Theorie von den göttlichen Ideen besagt, reale Dinge seien Erscheinungen, die allen Geistern – also auch dem Geist Gottes – präsent sind. Der Vorteil einer derartigen Repräsentationstheorie liegt in der Klärung einer intersubjektiven Wahrnehmung von Realität: Mehrere finite Geister könnten danach dasselbe Ding perzipieren, da dessen Urbild konstant im infiniten Geist Gottes existiert. Auch die kontinuierliche Existenz von Dingen fände aufgrund von deren Sein in Gott eine Lösung. Allerdings wirft die platonische Lesart ebenso viele Schwierigkeiten auf: Sie gründet auf einer Abstraktions- und Repräsentationstheorie,127 die Berkeley hinsichtlich Lockes Ideenlehre emphatisch kritisiert hat, womit der Anspruch auf sicheres Wissen hinfällig wäre.128 Gegen eine platonische Lesart ist Berkeleys Position in Abgrenzung zu Malebranche anzuführen.129 125

Vgl. weiterhin PC 823, P §§ 45, 87, 99 sowie D 206, 212, 240 und 248. Vgl. das Kapitel zum Ideenbegriff. 127 P. S. Wenz, „Berkeley’s Christian Neo-Platonism“ (4. Kap., Anm. 120) argumentiert, Berkeley spreche sich gegen abstrakte Ideen nur im Hinblick auf endliche Geister aus. Gott hingegen könne abstrakte Ideen wahrnehmen, da diese nicht widersprüchlich sind. 128 S.a. DM 34: „Modern thinkers consider motion and rest in bodies as two states of existence in either of which every body, without pressure from external force, would naturally remain passive; whence one might gather that the cause of the existence of bodies is also the cause of their motion and rest. For no other cause of the successive existence of the body in different parts of space should be sought, it would seem, than that cause whence is derived the successive existence of the same body in different parts of time. But to treat of the good and great God, creator and preserver of all things, and to show how all things depend on supreme and true being, although it is the most excellent part of human knowledge, is, however, rather the province of first philosophy or metaphysics and theology than of natural philosophy which to-day is almost entirely confined to experiments and mechanics. And so natural philosophy either presupposes the knowledge of God or borrows it from some superior science. Although it is most true that the investigation of nature everywhere supplies the higher sciences with notable arguments to illustrate and prove the wisdom, the goodness, and the power of God.“ Noch radikaler hat L. Stubenberg, „Divine Ideas“ (3. Kap., Anm. 116), 224 die Konsequenz formuliert: „Such an archetypal world in God’s mind would forever be hidden from our view, much like a mind independent material world.“ 129 N. Malebranche, De la recherche de la vérité (3. Kap., Anm. 180), VI, 2, 3 und 9 verortet sämtliche Ideen in Gott: Da der Mensch alle Dinge in Gott schaut, ist Gott auch die notwendige Bedingung für Erkenntnis. Aus diesem Grund interpretiert N. Jolley, „Berkeley, Malebranche, and Vision in God“ (2. Kap., Anm. 47) Berkeley als Okkasionalisten. Für weitere Affinitäten sowie Unterschiede vgl. A. A. Luce, Berkeley and Malebranche, Oxford 1934, A. D. Fritz, „Berkeley’s Self – Its origin in Malebranche“ (2. Kap., Anm. 47), 558, L. E. Loeb, From Descartes to Hume. Continental Metaphysics and the Development of Modern 126

E. Im Geist Gottes

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HYLAS. But what say you, are not you too of opinion that we see all things in God? If I mistake not, what you advance comes near it. PHILONOUS. Few men think, yet all will have opinions. Hence men's opinions are superficial and confused. It is nothing strange that tenets, which in themselves are ever so different, should nevertheless be confounded with each other by those who do not consider them attentively. I shall not therefore be surprised, if some men imagine that I run into the enthusiasm of Malbranche, though in truth I am very remote from it. He builds on the most abstract general ideas, which I intirely disclaim. He asserts an absolute external world, which I deny. He maintains that we are deceived by our senses, and know not the real natures or the true forms and figures of extended beings; of all which I hold the direct contrary. (D III: 214)

Während Hylas zunächst Malebranches Position vertritt, zeigt Philonous die Probleme bzw. impliziten Prämissen auf, die mit einer Theorie einhergehen, bei der alles Seiende in Gott lokalisiert wird: die Lehre von abstrakten Ideen, eine absolute Welt, Sinnestäuschungen sowie das Sein nichterkennbarer wahrer Naturen. In Anknüpfung an die Materialismuskritik ordnet Berkeley die Archetypenlehre anderen Konzepten zu, die er als absurd erachtet und verwirft.130 Neben dieser zentralen Stelle in den Dialogen erfährt die Argumentation in einer weiteren Passage Unterstützung: Mark it well; I do not say, I see things by perceiving that which represents them in the intelligible substance of God. This I do not understand; but I say, the things by me perceived are known by the understanding, and produced by the will, of an infinite spirit. (D II: 215)

Wie daraus hervorgeht, widerspricht es Berkeleys Vorstellung, Gott sei eine Substanz oder ein Geist, in welchem Ideen existieren. In diesem Sinne wäre Gott lediglich der Träger der Ideen, wobei er in nichts anderem subsistieren würde. Oder noch drastischer formuliert: Gottes Wesen bestünde nach dieser Interpretation aus der Summe der Ideen – ein Gedanke, der hinsichtlich Berkeleys Anliegen vollkommen unverständlich ist. Denn erinnern wir uns an die Substanzkritik, wonach keine independenten Träger hinsichtlich sinnlich wahrnehmbarer Qualitäten existieren. Im Hinblick auf Gottes Geist könnte eine Entität, die analog zur materiellen Substanz ein bloßes Gedankenkonstrukt und von Sensationen verdeckt wäre, nicht als Gott bezeichnet werden. Aus der Annahme passiver Ideen im Geist Gottes resultiert die Imperfektion seines Wesens, weshalb die Archetypenlehre zu verwerfen ist.131 Der christliPhilosophy, Ithaca 1981, Ch. J. McCracken, Malebranche and British Philosophy (1. Kap., Anm. 104), K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7). 132f und K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 2. Sicherlich war es Berkeleys Bestreben, eine okkasionalistische Position zu vermeiden, inwieweit dies gelungen ist, steht andernorts zur Klärung aus. 130 D III: 222f. 131 Bei Gott handelt es sich nicht um einen Container, der die Gegenstände der Welt aufbewahrt – eine Auffassung, die analog der Argumentation der Substanzen finiter Geister verworfen wurde. So P § 117 (Hervorhebung C.N.): „What is here laid down, seems to put an end to all those disputes and difficulties, which have sprung up amongst the learned concerning the nature of pure space. But the chief advantage arising from it, is, that we are freed from

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

che Gott hingegen offenbart sich als ein infinites Wesen, das sich permanent auf eine spezielle Weise den Menschen mitteilt und in seinem Sein unverfügbar ist. Mit der Verknüpfung von Wahrnehmungen mit Gottes Wissen und seiner Willenstätigkeit, tritt erneut die Dependenz alles Seienden zutage. PHILONOUS. I do not understand how our ideas, which are things altogether passive and inert, can be the essence, or any part (or like any part) of the essence or substance of God, who is an impassive, indivisible, purely active being. Many more difficulties and objections there are, which occur at first view against this hypothesis; but I shall only add that it is liable to all the absurdities of the common hypotheses, in making a created world exist otherwise than in the mind of a spirit. (D II: 213f.)

Nach Berkeley gilt Gott als Ursache und nicht als Substrat der Ideen: Gott ist weder passiv noch teilbar, d.h. keine materielle Substanz, sondern ein vollkommen aktives Wesen.132 Wenn Gott eine Idee im finiten Geist verursacht, dann handelt es sich dabei um ein reales Ding, denn Gott selbst benötigt keine divine ideas bzw. archetypes. Konträre Ansichten disqualifiziert Berkeley als Absurditäten, die allgemeinen Hypothesen entwachsen und letztlich argumentativ nicht zu stützen sind. Eine weitere Option besteht darin, Ideen als Modi oder Teile von Gottes Geist zu interpretieren; dagegen spricht folgender Paragraph: Fifthly, it may perhaps be objected, that if extension and figure exist only in the mind, it follows that the mind is extended and figured; since extension is a mode or attribute, which (to speak with the Schools) is predicated of the subject in which it exists. I answer, those qualities are in the mind only as they are perceived by it, that is, not by way of mode or attribute, but only by way of idea; and it no more follows, that the soul or mind is extended because extension exists in it alone, than it does that it is red or blue, because those colours are on all hands acknowledged to exist in it, and no where else. (P § 49)

Berkeley differenziert die Dependenz von Ideen und deren Modi: Qualitäten befinden sich genau dann in einem Geist, wenn sie von diesem in Form von that dangerous dilemma, to which several who have employed their thoughts on this subject, imagine themselves reduced, to wit, of thinking either that real space is God, or else that there is something beside God which is eternal, uncreated, infinite, indivisible, immutable. Both which may justly be thought pernicious and absurd notions. It is certain that not a few divines, as well as philosophers of great note, have, from the difficulty they found in conceiving either limits or annihilation of space, concluded it must be divine.“ Stubenberg differenziert zwischen der platonischen Ideenlehre und einer zweiten Variante, die eine Identität der göttlichen Ideen mit den wahrgenommenen Ideen durch finite Geister beinhaltet: „[T]he world we perceive is the world in God’s mind.“ L. Stubenberg, „Divine Ideas“ (3. Kap., Anm. 116), 226. Die zweite Variante, ist genau dann möglich, wenn eine Idee in zwei oder mehreren Geistern gleichzeitig existieren kann. Allerdings hat das Argument von der Perspektivität dies als unmöglich erwiesen, weshalb auch diese Interpretation fehlgeleitet ist. 132 S a. D III: 241: „But God, whom no external being can affect, who perceives nothing by sense as we do, whose will is absolute and independent, causing all things, and liable to be thwarted or resisted by nothing; it is evident, such a being as this can suffer nothing, nor be affected with any painful sensation, or indeed any sensation at all.“

E. Im Geist Gottes

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Ideen perzipiert werden. Doch bei Ideen handelt es sich nicht um Modi des Geistes. Positiv lässt sich aus obiger Passage die Dynamik der Relation Substanz-Ideen herauslesen. Auch das Wachsbeispiel steht der Archetypenlehre entgegen: PHILONOUS. Look you, Hylas, when I speak of objects as existing in the mind or imprinted on the senses; I would not be understood in the gross literal sense, as when bodies are said to exist in a place, or a seal to make an impression upon wax. My meaning is only that the mind comprehends or perceives them; and that it is affected from without, or by some being distinct from itself. (D III: 250)133

Philonous betont hier eine übertragene Sprechweise hinsichtlich der Existenz im Geist respektive eines Sinneseindrucks und strebt die Vermeidung einer buchstäblichen Auslegung an. Als Beispiel fungiert ein Wachsabdruck: Das Siegel, das eine Prägung im Wachs hinterlässt, darf nicht buchstäblich auf den Geist und die Sinneseindrücke transferiert werden. Wenn ein Geist sinnlich perzipiert, bedeutet das ein Begreifen oder Erfassen der entsprechenden Idee, aber eben keine räumliche Verwahrung. Letztlich wirft die Archetypenlehre ein Folgeproblem auf. Die Darstellung hat gezeigt, dass der Archetypenlehre nicht der Stellenwert zukommt, der ihr von einigen Interpreten zugeschrieben wird. Hinsichtlich der Diskussion um die divine ideas ist festzuhalten, dass Berkeley selbst diese Bezeichnung verwendet und einen derartigen Sprachgebrauch auch gestattet.134 Vertreter einer Archetypenlehre stehen jedoch in der Bringschuld, weshalb diese Theorie eine derartige Schlüsselposition in Berkeleys Gotteslehre einnehmen sollte. Demgegenüber werden die Relationalität und die Dynamik von Berkeleys gesamtem System betont, die nachfolgend in damit zusammenhängenden Problemen erwiesen werden. Im Zusammenhang mit der Lehre von den göttlichen Ideen wird eine weitere problematische These aufgestellt: Die These von der relativen Existenz der Dinge, die Berkeley auf den letzten Seiten von D aufgestellt hat. Hier stellt Hylas die Frage, ob nicht alle Dinge dem ewigen Wissen Gottes unterstehen: PHILONOUS. And are not you too of opinion, that God knew all things from eternity? HYLAS. I am. 133

C. M. Turbayne, „Berkeley’s Two Concepts of Mind“ (3. Kap., Anm. 35), 226 unterstellt Berkeley zwei Geisttheorien, eine traditionelle, die der „offiziellen“ christlichen Theologie gerecht wird, und eine verborgene (secret). A. A. Luce, „Berkeley’s Existence in the Mind“ (3. Kap., Anm. 35), 286 hingegen sieht die Formulierung in the mind als elastic term, sofern dieser Ausdruck keine direkte kognitive Relation bedeuten muss. 134 BJC, 24. März 1730, 292: „I have no objection against calling the ideas in the mind of God archetypes of ours. But I object against those archetypes by philosophers supposed to be real things, and to have an absolute rational existence distinct from their being perceived by any mind whatsoever, it being the opinion of all materialists that an ideal existence in the divine mind is one thing, and the real existence of material things another.“

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

PHILONOUS. Consequently they always had a being in the Divine Intellect. HYLAS. This I acknowledge. PHILONOUS. By your own confession therefore, nothing is new, or begins to be, in respect of the mind of God. So we are agreed in that point. HYLAS. What shall we make then of the Creation? PHILONOUS. May we not understand it to have been intirely in respect of finite spirits; so that things, with regard to us, may properly be said to begin their existence, or be created, when God decreed they should become perceptible to intelligent creatures, in that order and manner which he then established, and we now call the laws of Nature? You may call this a relative, or hypothetical existence if you please. […] For allowing it to be a thing possible and conceivable, that the corporeal world should have an absolute subsistence extrinsical to the mind of God, as well as to the minds of all created spirits: yet how could this set forth either the immensity or omniscience of the Deity, or the necessary and immediate dependence of all things on him? (D III: 253f)

Anhand dieses Gesprächsauszugs wird Berkeleys Auffassung von der Dependenz alles Seienden von Gott dem Schöpfer deutlich. Dinge können laut Philonous nur dann von finiten Geistern perzipiert werden, wenn Gott diese Verfügung anordnet.135 Diese Existenzweise wird dann als relativ oder hypothetisch bezeichnet. Die Aussage von der relativen Existenz lässt sich perspektivisch im Zusammenhang mit der Konstituierung von Realität deuten: Wenn ein Ding von Gott wahrgenommen wird, kommt diesem vollkommene Existenz zu; wenn es zusätzlich von einem finiten Geist perzipiert wird, besitzt es hingegen relative Existenz.136 Relativ beschreibt die Wahrnehmungsbezie135

Ch. J. McCracken, „What Does Berkeley’s God See in the Quad?“, AGPh 61 (1979), 280–292, 288 akzentuiert ebenfalls Gottes freiheitliche Entscheidung und kommt zu dem Ergebnis, die göttlichen Entscheidungen besäßen keine akzeptable Resonanz für eine Apologie des Christentums im Hinblick auf den Common Sense. Nach K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 228 perzipiert Gott jede Idee mit der Intention, diese zu verursachen. Folglich würde eine Idee nicht existieren, wenn Gott nicht die entsprechende Intention hätte. 136 Jeder relativen Existenzweise kommt reales Sein zu, da diese Ideen in-Relation-zu einem finiten Geist existieren; demgegenüber stünde eine absolute Existenz, im Sinne von losgelöst-von, die aufgrund der bisherigen Resultate zu verwerfen ist. Die Interpretation relativ als individuelle Lesart eines Gegenstandes zu deuten, ist aufgrund des dadurch entstehenden Repräsentationsverhältnisses zu verwerfen. Besonders gut dargestellt bei K. P. Winkler, Berkeley (1. Kap., Anm. 7), 220: „The most important point in these passages about creation – and the one hardest to grasp, because it runs counter to our natural assumptions – is that real existence is relative, hypothetical, and ectypal. Existence that sounds as if it is really first-class (to borrow an expression from Pitcher) – existence that is absoulte, nonhypothetical, and archetypal – turns out on Berkeley’s view to be insufficient for real existence. These passages indicate that if we hope to understand Berkeley, we have to turn the Platonic associations of the word real on their heads. Real existence is not the kind of existence that every eternal entity automatically enjoys. Real existence for Berkeley is something that is entirely relative to us.“ (Hervorhebung im Original). Und M. A. Hight, „Defending Berkeley’s Divine Ideas“ (4. Kap., Anm. 120), 108: „The object of perception is the same; the

E. Im Geist Gottes

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hung zu einem finiten Geist und keine quantitative Bestimmung, denn eine Idee ist nicht weniger im finiten als im infiniten Geist. Relative Existenz wird verständlich im Sinne eines intentional-gerichtet-sein-auf-etwas.137 Entsprechend der Dauer des Perzeptionsaktes durch einen finiten Geist kommt der perzipierten Idee relative Existenz zu, wie Philonous ausführt: PHILONOUS. The same that I should my self, to wit, that it doth exist out of his mind. But then to a Christian it cannot surely be shocking to say, the real tree existing without his mind is truly known and comprehended by (that is, exists in) the infinite mind of God. Probably he may not at first glance be aware of the direct and immediate proof there is of this, inasmuch as the very being of a tree, or any other sensible thing, implies a mind wherein it is. But the point it self he cannot deny. The question between the materialists and me is not, whether things have a real existence out of the mind of this or that person, but whether they have an absolute existence, distinct from being perceived by God, and exterior to all minds. This indeed some heathens and philosophers have affirmed, but whoever entertains notions of the Deity suitable to the Holy Scriptures, will be of another opinion. (D III: 235)

Philonous betont, dass es der christlichen Sichtweise entspricht, die Existenz eines Gegenstandes der Bewahrertätigkeit Gottes zuzuordnen. Der Streit bestehe allerdings hinsichtlich der Art der Abhängigkeit eines Gegenstandes von Gott: Während Materialisten die Existenzannahme absoluter Substanzen behaupten, widerspricht dies einer adäquaten Schriftexegese. Folglich wird mit der Formulierung der relativen Existenz das dynamische Interaktionsmodell hinsichtlich der Konstituierung von Wirklichkeit im Rahmen der ontologischen Dependenz zu Gott dem Schöpfer expliziert.138 Realität wird durch die Wahrnehmungsakte finiter Geister mitkonstituiert und ist als Resultat geistiger Interaktion zwischen Gott und finiten Geistern zu verstehen: Die repräsentationslogische Sprachauffassung wird von einem dialogischem Modell abgelöst, da Realität keine Repräsentation von Gottes Willen ist, sondern sich im Dialog Gottes mit seinen Geschöpfen konstituiert. Statische Interpretationen, wie beispielsweise die Lehre von den ewigen, immutablen Ideen, werden der vollkommenen Aktivität des christlichen Gottes nicht gerecht. Auf die Dar-

nature of the relation varies.“ (Hervorhebung im Original) K. Saporiti, Die Wirklichkeit der Dinge (1. Kap., Anm. 5), 195 erkennt zwei Arten des göttlichen Perzipierens oder Wissens: „Neben ihrer ewigen Existenz in Gott kommt ihnen im Fall ihrer realen Existenz als geschaffene, wahrnehmbare Dinge eine weitere Art der Existenz im Geist Gottes zu, der sie in irgendeinem Sinn perzipieren oder kennen muss, damit die Kontinuität ihrer Existenz gewahrt bleibt, auch wenn kein irdisches Wesen sie wahrnimmt: eine zu geschaffenen Wesen relative Existenz, wie Berkeley es nennt.“ S. a. F. T. Kingston: The Metaphysics of George Berkeley (1. Kap., Anm. 85), 161f. 137 Vgl. die Ausführungen zur Substanz des Geistes. 138 Der Dialog nimmt das Problem an späterer Stelle nochmals auf, D III: 255f: „The Creation therefore, according to them [the materialists, C.N.], was not the creation of things sensible, which have only a relative being, but of certain unknown natures, which have an absolute being, wherein Creation might terminate.“

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

stellung der Relationen von Gott, Welt und finitem Geist folgt nun eine Rekonstruktion von Berkeleys Schöpfungslehre.

F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie

Die bisherigen Textexegesen zur Darstellung von Berkeleys Schöpfungstheologie seien nun zusammengeführt. Eine grundsätzliche Frage betrifft die Genese von Berkeleys Immaterialismus, die auf ausschließlich philosophische oder gar erkenntnistheoretische Problemstellungen zurückgeführt werden kann. Angesichts zahlreicher theologischer Ankerpunkte einschließlich expliziter Verweise auf das Schöpfungsgeschehen139 ist jedoch die Annahme berechtigt, der Schöpfungsbericht aus Genesis stelle den Ausgangspunkt seiner Überlegungen dar. Berkeley verstand sich aufgrund seiner theologischen Ausbildung und Predigerpraxis primär als Theologe. Daher wird nachfolgend die Position vertreten, dass die Hinzunahme des alttestamentarischen Schöpfungsberichts, in dem die Frage nach der Wortschöpfung virulent wird, ein Schlüssel für ein adäquates Verständnis seines immaterialistischen Realismus ist, wie auch umgekehrt Berkeleys Immaterialismus eine interpretative Bereicherung für den Schöpfungsbericht darstellt. Denn falls man eine Erklärung dafür sucht, dass Gottes Wort allein genügt, um den gesamten Kosmos zu erschaffen, dann ist die von Berkeley ausgeführte Zeichensprache der Realität als äußerst treffend zu bewerten. Für eine konsistente Interpretation des Schöpfungsgeschehens ist es hilfreich, bereits gewonnene Einsichten bezüglich systematischer Zusammenhänge zu integrieren: Erstens kommt den göttlichen Ideen eine Art Vermittlungsfunktion hinsichtlich jeder Erkenntnis zu. Zweitens ist Gott die einzig wahre Ursache alles Seienden. Drittens ist die fortdauernde Anrede Gottes für die Erhaltung der Welt notwendig. Im Folgenden wird zuerst anhand entsprechender Aussagen Berkeleys Schöpfungsverständnis rekonstruiert, das dann in den Duktus der von mir vorgeschlagenen Gesamtinterpretation eingebettet wird; dieser zweite Schritt ist aufgrund der sporadischen Quellenlage als hypothetisch zu bewerten. Folgende Notiz bezeugt die Annahme, Berkeleys immaterialistisches epPrinzip korrespondiere mit der christlichen Schöpfungslehre: „M My Doctrine excellently corresponds wth the Creation I suppose no matter, no stars, sun &c to have existed before.“ (PC339) Dass eine Kohärenz des ep-Prinzips mit dem alttestamentarischen Schöpfungsbericht ein wichtiges Anliegen ist, wird auch in P deutlich: 139 PC 293, NTV 7, P §§ 46, 107–109, 146, 152; D II: 211f, D II: 250–256; A IV, 23, A VI, 6, 8, 21 und 23; A Word to the Wise, 237; weiterhin beginnen die Predigten S V:79, VI, VII, IX, XI mit einem Schöpfungslob.

F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie

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Some there are who think, that though the arguments for the real existence of bodies, which are drawn from reason, be allowed not to amount to demonstration, yet the Holy Scriptures are so clear in the point, as will sufficiently convince every good Christian, that bodies do really exist, and are something more than mere ideas; there being in Holy Writ innumerable facts related, which evidently suppose the reality of timber, and stone, mountains, and rivers, and cities, and human bodies. To which I answer, that no sort of writings whatever, sacred or profane, which use those and the like words in the vulgar acceptation, or so as to have a meaning in them, are in danger of having their truth called in question by our doctrine. That all those things do really exist, that there are bodies, even corporeal substances, when taken in the vulgar sense, has been shown to be agreeable to our principles: and the difference betwixt things and ideas, realities and chimeras, has been distinctly explained. And I do not think, that either what philosophers call matter, or the existence of objects without the mind, is any where mentioned in Scripture. (P § 82, Hervorhebungen C.N.)

Zur Absicherung seines ontologischen Immaterialismus verweist Berkeley hier sogar explizit auf die Schrift, insofern dort eine klare Beschreibung des Schöpfungsvorgangs vorliegt, was deren Bedeutung als Schlüssel für ein adäquates Schöpfungsverständnis bestätigt. Weiterhin reflektiert die Schrift die Dependenzrelationen Gott – Geschöpf, und das treffender, als materialistische oder deistische Ansichten es vermögen. Letztere Interpretation der Welt kann nach Berkeley keinen Bezug zur Schrift herstellen, da weder Materie noch absolut existierende Substanzen Erwähnung finden.140 Die gesamte Schöpfung – so wie sie in der Bibel dargestellt wird – weist nach Berkeley weiterhin eine Übereinstimmung mit dem ep-Prinzip auf und gleichzeitig wird die Annahme eines Realismus bewahrt. PHILONOUS. Moses mentions the sun, moon, and stars, earth and sea, plants and animals: that all these do really exist, and were in the beginning created by God, I make no question. (D III: 250)

So ist festzuhalten, dass die Schrift Autorität für die Erklärung der Entstehung der Welt besitzt und sämtliche Annahmen dazu konsistent sein müssen. Eine Überlegung hinsichtlich der Kohärenz ist zu erheben und bezieht sich auf die Frage der Schöpfungsabfolge: Wenn, wie in Genesis beschrieben, zuerst die Ideen geschaffen wurden und anschließend der Mensch, so ist die Frage nach der Dependenzrelation ungelöst. Ideen würden dann allein im Geist Gottes existieren.141 140

P § 46: „Again, it may to some perhaps seem very incredible, that things should be every moment creating, yet this very notion is commonly taught in the Schools. For the Schoolmen, though they acknowledge the existence of matter, and that the whole mundane fabrick is framed out of it, are nevertheless of opinion that it cannot subsist without the divine conservation, which by them is expounded to be a continual creation.“ 141 Diese Problemanzeige findet sich bei A. A. Luce, The Dialectic of Immaterialism (1. Kap., Anm. 16), 142: „While he viewed bodies only as powers in God, he could not consistently accept anything as created before man, and the very notion of creation was imperilled. If God created only human minds and modes of mind, the works of the first five Days creation would be null and void. Even omnipotence could not create Adam on Friday, and

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

They existed from all eternity in the Divine intellect, and then became perceptible (i.e. were created) in the same manner and order as is described in Genesis. For I take creation to belong to things only as they respect finite spirits, there being nothing new to God. Hence it follows that the act of creation consists in God's willing that those things should be perceptible to other spirits, which before were known only to Himself. Now both reason and scripture assure us there are other spirits (as angels of different orders, &c.) besides man, who, 'tis possible might have perceived this visible world according as it was succesively exhibited to their view before man's creation. Besides, for to agree with the Mosaic account of the creation it is sufficient if we suppose that a man, in case he was then created and existing at the time of the chaos, might have perceived all things formed out of it in the very order set down in Scripture, which is no ways repugnant to our principles. (Brief an Perceival, 6. September 1710, S. 37f, Hervorhebungen C.N.)

Berkeley betont erneut die Autorität des Schöpfungsberichts und erkennt die Existenz der Ideen seit Ewigkeit im göttlichen Geist. Doch im Vordergrund steht dabei nicht eine Archetypenlehre, sondern Gottes Attribute der Allwissenheit und Allmacht, wie weiter ausgeführt wird: Die Schöpfung vermag Gott nichts Neues mitzuteilen, denn sie besteht allein aufgrund seines Willens.142 Zugleich wird die Interaktion zwischen Schöpfer und Geschöpfen betont, denn die Schöpfung existiert nicht isoliert an sich. Vernunft und Schrift versichern die Existenz anderer Geister, als Beispiel werden Engel genannt, die Gottes Schöpfung vor der Schaffung des Menschen perzipieren. Mit der Erschaffung von Adam beginnt der Dialog über die visuelle Sprache, da nun ein finiter Geist die visuellen Zeichen perzipiert.143 Aus dem bisher Gesagten lässt sich Berkeleys Ansicht zur Schöpfungstheologie folgendermaßen zusammenfassen: Erstens existiert eine Dependenz alles Seienden respektive der Realität von einem infiniten, göttlichen Geist; zweitens ist die immaterielle Schöpfung real; und drittens besteht das Wesen der Schöpfung aus einem fortlaufenden Dialog zwischen Gott und finiten Geistern. Aus diesen Annahmen ergibt sich Berkeleys Ansicht nach eine kohärente Deutung des Schöpfungsberichts, die überdies noch Aufschluss über den Schöpfer gibt.144 Diese Sichtweise ist dahingehend stimmig, da Schöp-

Adam’s thoughts, dispositions, perceptions and feelings on the previous Thursday. Berkeley was in a cleft stick. He had to choose between Moses and his own first arguings, between real body and nebulous powers in God. That is why the Creation problem was a turning-point in the development of his thought about body.“ S.a. J. D. Mabbott, „The Place of God in Berkeley’s Philosophy“, in: Ch. B. Martin/D. M. Armstrong (Hgg.), Locke and Berkeley. A Collection of Critical Essays, New York 1968, 364–379. 142 Das theologische Problem von der Allwissenheit Gottes und der Freiheit des Menschen wird hier ausgespart; vgl. dazu F. Hermanni, Das Böse und die Theodizee. Eine philosophisch-theologische Grundlegung, Gütersloh 2002. 143 Bei Einbezug von Berkeleys Zeitauffassung wird die Frage nach einem zeitlichen Beginn der Schöpfung sinnlos, insofern Zeit erst durch die Perzeption von Ideen konstituiert wird (vgl. das Kapitel zur Unsterblichkeit der Seele). 144 Umgekehrt ist auch Berkeleys Interpretation mit dem Schöpfungsbericht konsistent.

F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie

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fung ein dialogischer Begriff ist, was bereits die Relation Schöpfer – Geschöpf reflektiert. Das Ziel der Schöpfung ist die Etablierung einer Gemeinschaft zwischen Gott und seiner Schöpfung, wobei die Antwort der Schöpfung stellvertretend der Mensch als Ebenbild Gottes übernimmt. Diese Gemeinschaft ist zu definieren als ein fortlaufender Dialog zwischen Gott und Mensch. Es ist Gottes Wille, die Schöpfung, sprich sein Wort, für andere Geister zugänglich zu machen. Nach Berkeley steht dieser Prozess nicht im Widerspruch zur Darstellung der Bibel, denn der Mensch kann mit Einsetzung in die Schöpfung auch die Ordnung alles Seienden perzipieren. Wenden wir uns nach dieser ersten Einbettung noch einmal Berkeley selbst zu, der in P eine Analogie beschreibt, um die beobachtbare Schöpfungsordnung zu verdeutlichen: In answer to this I observe, that as the notion of matter is here stated, the question is no longer concerning the existence of a thing distinct from spirit and idea, from perceiving and being perceived: but whether there are not certain ideas, of I know not what sort, in the mind of God, which are so many marks or notes that direct him how to produce sensations in our minds, in a constant and regular method: much after the same manner as a musician is directed by the notes of music to produce that harmonious train and composition of sound, which is called a tune […]. (P § 71)

Bezüglich Gottes Geist vermutet Berkeley gewisse Ideen, deren Charakter er nicht genauer definiert, die jedoch als Kennzeichen zur Evokation von Sensationen in finiten Geistern fungieren. Dabei wird eine Analogie zu einem Musiker gezogen, der via Noten zu dem Spiel einer harmonischen Melodie angeleitet wird. Dieser Vergleich hinkt, da Gott nicht nur der Spieler, sondern zugleich der Komponist jeglicher Musik ist, – weshalb das Evozieren selbst nicht im Vordergrund steht. Berkeley möchte damit den Leser auf die Wohlgeordnetheit alles Seienden aufmerksam machen: Die gesamte Komposition des Kosmos kommt einer Partitur gleich.145 Zugleich referiert der Vorgang des Notenlesens auf eine sprachliche Struktur, da jede Note als schriftliches Zeichen auf einen Ton verweist. Desgleichen ist das permanente Sprachspiel146 Gottes von höchster Relevanz für eine kontinuierliche und unfragmentarische Wahrnehmung der Realität. Entsprechend ist die Komposition Gottes 145 Dies erinnert an Augustins ausgedehnte Gegenwart (specious presence), vgl. A. Augustinus, Confessiones, in: Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 27, 1981 XI, 18,23: „Nam si et ibi futura sunt, nondum ibi ‘sunt’, sie et ibi praeterita sunt, iam non ibi ‘sunt’. Ubicumque ergo sunt, non ‘sunt’ nisi praesentia.“ Vgl. die Theorie von V. Zuckerkandl, Die Wirklichkeit der Musik. Der musikalische Begriff der Außenwelt, Zürich 1963, die den Zusammenhang von Musik als einem relationalen Sein und der gleichzeitigen Partikularität einzelner Töne schön erläutert. 146 Der Begriff Sprachspiel referiert hier nicht auf den Wittgensteinschen Term; in obigem Kontext, also die Sprache Gottes mit der Metapher einer Melodie zu beschreiben, was eine gewisse Leichtigkeit zum Ausdruck bringt, erscheint mir dieser Begriff im Hinblick auf dessen assoziativen Gehalt passend.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

nicht auf eine Vermittlung von divine ideas zu reduzieren, sondern als Gottes präsentische, direkte Rede – man denke an das mere fiat. Gott als einzige Ursache erschafft durch seinen bloßen Sprechakt Realität, denn Wort und Tat fallen bei Gott zusammen. Eine Auslotung obiger Musikanalogie bietet eine Klärung für Entstehen und Vergehen von Seiendem in der Schöpfung: Solange Gott spricht und sein Wort erklingt, sind die entsprechenden visuellen Zeichen auch zu vernehmen; doch mit Gottes Verstummen ist zugleich deren Dasein beendet. Wiederum wird damit Gottes Allmacht, Fürsorge und Nähe ins Zentrum gerückt: Alles Seiende ist dependent zu Gottes mere fiat.147 Damit sind die Überlegungen zu Berkeleys Schöpfungslehre am Ziel angekommen: Die Deutung der Schöpfung als ein immaterielles, zeichenhaftes, kommunikatives Geschehen, in dem alles Seiende einer Symphonie vergleichbar ist, ist nicht nur mit der Schrift zu vereinbaren, sondern vermag die Wortschöpfung eines allmächtigen und fürsorglichen Gottes besonders plausibel zu illustrieren. Der Kontext der Wortschöpfung verweist auf eine zentrale Lehre der christlichen Theologie, die Inkarnation Gottes, des Logos, in Jesus von Nazareth. Das Neue Testament erkennt in den Worten und Taten Jesu die Inkarnation des verbum Dei. In obigem Auszug reflektiert die Melodie die opera ad extra, die größte Relevanz besitzen, denn die Schöpfung ist kein Teil von Gottes Wesen, – womit sie lediglich intern wäre. Die Inkarnation verdeutlicht Gottes Wirken ad extra: Das verbum Dei wird in die Welt gesendet und wird Fleisch, d.h. visuell wahrnehmbar. Berkeleys Porträtierung der gesamten Wirklichkeit als dialogisches Geschehen findet folglich in der Inkarnation des Logos ihre höchste Bedeutung.148 Interessanterweise bezeichnet er genau dieses Geschehen als größtes Mysterium, das rational nicht einzuholen ist: 147 S.a. Ch. J. McCracken, „What Does Berkeley’s God See in the Quad?“ (4. Kap., Anm. 135), 285 und G. S. Pappas, Berkeley’s Thought (1. Kap., Anm. 7), 110: „The answer is that objects are created relative to finite perceivers. Relative to God, objects are not created. Rather, creation is an event which is defined relative to finite perceivers, a fact that Berkeley finds perfectly consistent with the Mosaic account in the Old Testament.“ (Hervorhebung im Original). E. A. Sillem, George Berkeley and the Proofs for the Existence of God (1. Kap., Anm. 27), 133: „Berkeley held that God created the material world before He created man, but he was forced to admit that God created perceiving spirits before He created the material world, for giving the world existence means making it to be perceived by some finite minds.“ Positiv betont J. C. Eaton, „Berkeley’s Immaterialism and the scientific promise of the Christian Doctrine of Creation“, HTR 80:4 (1987), 431–447, 447: „It is the feature which links Berkeley’s work to the very different philosophies of Locke and Hume. All three of these men developed empirical philosophies, but among them only Berkeley’s thought realized the implications of the Christian doctrine of creation for the study of nature.“ 148 Vgl. S IV (On the Mission of Christ), S V: 61 zu Joh 1,14. Besondere Beachtung verdient der Aufsatz von M. A. Hight, „The Son More Visible. Immaterialism and Incarnation“, MoTh 26:1 (2010), 120–148, wonach das Inkarnationsgeschehen bei Annahme eines Immaterialismus plausibler dargestellt werden kann als in einem Materialismus. Die Argumentation

F. Rekonstruktion der Schöpfungslehre und Christologie

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But above all other things the relation of Jesus Christ to his church, his union with it and conduct towards it, his coming down from heaven, taking our nature upon him, preaching to sinful men, submitting for their sakes to dye upon the cross, then rising again and ascending into glory. This above all other things seemeth to be without controversy the great mystery of godliness […]. (S VI: 87f)149 And without controversy great is the mystery of godliness: God was manifest in the flesh, justify'd in the spirit, seen of angels, preached unto the Gentiles, believed on in the world, received up into glory.--And it may well be said that the mystery of Godliness is great and wonderful throughout this whole dispensation of the Messiah, the author and finisher of our faith. (S VI: 88)150

Jesus Christus ist der Schnittpunkt zwischen Gottes Wort und der Antwort des Menschen und wird aus diesem Grund auch als Vermittler bezeichnet. So beschreibt Berkeley Jesu Aufgabe in S IV: 45: „[W]ho came down upon earth to be our Teacher, our Redeemer, our Mediator.“151 Als Mediator definiert Gottes Sohn die Schnittstelle für Kommunikation, da er befähigt ist, die Polysemie aufzuheben: „He takes away all ambiguity as to the sense by the clearness and plainness of his declaration.“ (S VIII: 105) Jesus Christus als verbum Dei ist meines Erachtens der Schlüssel für die Erklärung von Berkeleys großem Interesse an und der Reflexion von Sprache: Sprache wird als nicht hintergehbares Medium der Kommunikation begriffen, so dass sich jede Offenbarung nur von menschlichen Sprachhandlungen her erschließen

rekurriert zunächst auf Chalcedon und die Articles of Faith, worin Christus als eine Substanz und eine Person beschrieben wird. Hight sieht in einer materiellen Weltbeschreibung die Vermittlung zwischen dem materiellen, menschlichen Körper und der immateriellen, göttlichen Substanz als offenkundige Inkonsistenz. Insofern Berkeley Mensch und Gott derselben Entität zuordnet, besteht genau genommen keine metaphysische Grenze. Das Inkarnationsgeschehen dient nach Berkeley, so Hights Interpretation, einem offenkundigeren, da wahrnehmbaren Zugang (more accessible) zu Gott. Insgesamt verortet Hight eine derartige Inkarnationslehre in den allgemeinen Trend kenotischer Christologie. 149 In derselben Predigt (S VI: 86) wird auch die Erlösung durch Gottes Rat als deep and mysterious bezeichnet, doch als das größte Mysterium gilt Sendung, Tod und Auferstehung Jesu Christi. 150 Dass es mehrere Mysterien gibt, bezeugen D, Preface: 168f: „[T]here are grounds to think, these effects would not only have a gradual influence in repairing the too much defaced sense of virtue in the world; but also, by shewing, that such parts of revelation, as lie within the reach of human inquiry, are most agreeable to right reason, would dispose all prudent, unprejudiced persons, to a modest and wary treatment of those sacred mysteries, which are above the comprehension of our faculties.“ Und S V: 84: „Qu: whether Xt dead for all? what of Gentiles? what of Patriarchs? what of departed souls? of the H:Trinity. folly to explain mysteries. these handles for controversy. far gone and never the nearer. even certain yt men may have read & argued much of grace, election, justification, without any share therein.“ S.a. R. Jakapi, „Christian Mysteries and Berkeley’s Alleged Non-Cognitivism“, in: Daniel, St. H. (Hg.), Reexamining Berkeley’s Philosophy, Toronto/Buffalo/New York 2007, 188–198. 151 S.a. S II: 20, S VII: 95f, S VII: 98 und 104.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

lässt.152 Zugleich vermag der Mensch als sprachlich verfasstes Wesen die kommunizierten Zeichen zu interpretieren. In der siebten Predigt betont Berkeley die geistige und zeichenhafte Bedeutung alles Seienden und ruft zur Überwindung einer vordergründigen Körperlichkeit auf; letztere ist nicht negativ besetzt, doch kommt ihr nur Verweischarakter zu: „Sensible and corporeal objects are fitly used as figures of spiritual things.“ (S VII: 99) Im weiteren Predigtverlauf erweisen sich Christologie und Soteriologie als Kern der christlichen Offenbarung, die in der Verkündigung des Heils durch Christus, den Mediator des Heils, besteht. Damit ist die Untersuchung bei der Frage nach dem spezifisch christlichen Gott, der sich als trinitarischer offenbart, angekommen. Wenn sich Gott dem finiten Geist gegenüber permanent kommunikativ mitteilt, so ist zu überlegen, was das über Gottes Wesen aussagt, also ob Gott in sich selbst ebenfalls kommunikativ verfasst ist. Eine derartige Interpretation liegt nahe, insofern die Weise, auf die Gott sich den Menschen mitteilt, in seinem Wesen wurzelt.

G. Rekonstruktion der Trinitätslehre G. Rekonstruktion der Trinitätslehre

Die Rekonstruktion der Schöpfungslehre hat eine hervorgehobene Rolle der Inkarnation erwiesen, die gleichsam zu einem entscheidenden Wesenszug des christlichen Gottes führt: der Trinität. Vorweg ist anzumerken, dass Berkeley keine ausgefeilte Trinitätslehre entwickelt hat, sondern vielmehr einen selbstverständlichen Umgang mit dem trinitarischen Dogma pflegt.153 Nachfolgend werden Passagen aus verschiedenen Genera, in denen die Trinität explizit verhandelt wird, beleuchtet, bevor in einem weiteren Schritt eine Verortung in das gesamte System erfolgt. Die Leitfrage lautet hier, inwieweit Berkeleys System eine trinitarische Struktur zugrunde liegt bzw. wie sich die bis hierher ausgeführte Theologie trinitarisch reformulieren lässt. Wenden wir uns nun den frühen Notizbüchern zu, da sich darin erste Überlegungen hinsichtlich Gottes Trinität finden:

152

R. Jakapi, „Faith, Truth, Revelation and Meaning“ (4. Kap., Anm. 46), 28 diagnostiziert den Zusammenhang zwischen der Schrift als vermittelter und der visuellen Sprache Gottes als unvermittelter Ansprache. Dem ist entgegenzusetzen, dass auch die visuelle Sprache durch das Christusgeschehen vermittelt ist. 153 Das bezeugen die Predigten, die allesamt mit der Akklamation enden. S.a. On the Roman Controversy to Sir John James vom 7. Juni 1741, S V, 2: 56 und S VII: 98. Eine Ausnahme bilden die letzten Paragraphen der Schrift Siris (§§ 359ff), in denen Berkeley sich mit verschiedenen Triaden in Anlehnung an neuplatonische Theorien beschäftigt und zu demonstrieren sucht, dass bereits vorchristliche Religionen (Ägypter und Griechen) ein Wissen um die trinitarisch verfasste Gottheit besaßen.

G. Rekonstruktion der Trinitätslehre

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There may be Demonstrations used even in Divinity. I mean in reveal'd Theology, as contradistinguish'd from natural. for tho the Principles may be founded in Faith yet this hinders not but that legitimate Demonstrations might be built thereon. Provided still that we define the words we use & never go beyond our Ideas. Hence 'twere no very hard matter for those who hold Episcopacy or Monarchy to be establish'd jure Divino. to demonstrate their Doctrines if they are true. But to pretend to demonstrate or reason any thing about the Trinity is absurd here an implicit Faith becomes us. (PC 584)

Zunächst findet eine Demarkation einer natürlichen Theologie gegenüber der offenbarten Theologie statt, wobei letztere mit dem Glaubensbegriff in Verbindung gebracht wird. Hinsichtlich der Trinität bemerkt Berkeley, dass diese nicht demonstrierbar sei und von einem impliziten Glauben begleitet werde, der hier als den finiten Geist formend bestimmt wird.154 Der trinitarische Gott ist folglich nicht aus der Natur zu erkennen.155 In A erfolgt eine bewusste Konfrontation mit diesem Topos. Zunächst einmal betont der Kontrahent Alciphron die Unbegreiflichkeit der Trinität sowohl für den Verstand als auch den Glauben: „Fear not: by all the rules of right reason, it is absolutely impossible that any mystery, and least of all the Trinity, should really be the object of man's faith.“ (A VII, 8, 296). Diese Aussage weist Euphranor folgendermaßen zurück: Whence it seems to follow that a man may believe the doctrine of the Trinity, if he finds it revealed in Holy Scripture that the Father, the Son, and the Holy Ghost, are God, and that there is but one God? Although he doth not frame in his mind any abstract or distinct ideas of Trinity, substance, or personality; provided that this doctrine of a Creator, Redeemer, and Sanctifier makes proper impressions on his mind, producing therein love, hope, gratitude, and obedience, and thereby becomes a lively operative principle, influencing his life and actions, agreeably to that notion of saving faith which is required in a Christian. This, I say, whether right or wrong, seems to follow from your own principles and concessions. (A VII, 8, 297)

Es wird betont, dass Gottes Trinität nur dann gewusst werden kann, wenn diese sich offenbart. Als Referenz für die Erkenntnis der triadischen Struktur von Gottes Wesen als Vater, Sohn und heiliger Geist wird die Schrift genannt. Zugleich wird – analog zum Gnadenbegriff – die Wirkung dieser Offenbarung geschildert, deren Inhalt nicht in eine abstrakte oder distinkte Idee zu pressen ist, was die eigene Verstandesfähigkeit überfordern würde. Vielmehr erlebt der Rezipient Gott in dessen Tätigsein als drei Personen: Schöpfer (Creator), Erlöser (Redeemer) und Heiliger (Sanctifier). So ist Berkeleys Verweis, dass ein Verständnis der Trinität keine abstrakte Vorstellung von Substanz oder Personalität bedeutet, auch wenn Gottes Wesen Substanz und Personsein in sich vereint, dahingehend zu interpretieren, dass Gottes trinitarisches Wesen eine persönliche Begegnung verbürgt. 154

Damit ist die Ansicht widerlegt, der frühe Berkeley messe der Vernunft einen höheren Stellenwert bei. 155 Vermutlich ist das auch ein Grund, weshalb Berkeley in seinen philosophischen Schriften von Gott, aber nicht vom dreieinigen Gott spricht.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Diese Erkenntnis besitzt wiederum praktische Bedeutung, die sich auf den Lebensalltag, sprich die Handlungen auswirkt. Leitend sind die damit verbundenen Eindrücke Liebe, Hoffnung, Dankbarkeit und Gehorsam. Unter Hinzunahme der imago-dei-Doktrin bedeutet dies die konsekutive Restitution der ursprünglich angelegten, aber verzerrten Gottebenbildlichkeit.156 Die durch den trinitarischen Gott verursachten Eindrücke (impressions) sind nicht mit momentanen Assoziationen wie beispielsweise den Sinnesideen zu verwechseln, sondern stellen eine Prägung bzw. Formung des Geistes dar. Im Fortgang der Konversation wird auf die Identitätsproblematik finiter Geister referiert.157 Die drei göttlichen Personen wirken auf den finiten Geist ein, woraus sich folgern lässt, dass Gott nicht mit einem ewig ruhenden Absoluten zu identifizieren ist: Als trinitarischer teilt Gott sich dynamisch mit.158 Der trinitarische Gott impliziert Relationalität, Personalität und erfahrbare Mitteilungen. Allein in ihren relationalen Bezügen sind die drei trinitarischen Personen Vater, Sohn und Geist in ihrer einen Substanz zu denken:159 From all which it is evident, that this saving Knowledge of God is inseparable from the Knowledge and Practice of his Will; the explicit Declaration whereof, and of the Means to perform it, are contained in the Gospel, that Divine Instrument of Grace and Mercy to the Sons of Men. The Metaphysical Knowledge of God, considered in his absolute Nature or 156

S XI: 123: „[T]hat the Doctrines of the lapsed State of Man, his Reconciliation by Christ, and Regeneration by the Spirit, may reasonably be hoped to find an easy Admission, as bringing with them Light and Comfort, into a Mind not hardened by Impenitency, nor foreclosed by Pride, nor biased by Prejudice.“ Der korrumpierte Mensch wird durch Christus versöhnt und durch den Geist erneuert, wenn sein Geist nicht vollständig verstockt, vom Stolz verschlossen oder von Vorurteilen eingenommen ist. Vgl. auch S VI: 89: „As many as have repentance towards God and faith in Jesus Christ reap the benefit of his coming. They form a peculiar people who are styled the church. These are said to become new creatures, to be renewed in their minds, to be regenerate or born again having a new life unto righteousness; which inward regeneration is set forth and signified unto us by the outward rite of baptism or ablution by water.“ 157 S.a. D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 157: „Berkeley suggests, it is no less difficult to understand personal identity than how in the unity of God there can be three persons in one substance […].“ 158 T. M. Bettcher, Berkeley’s Philosophy of Spirit (1. Kap., Anm. 9), 145, Anm. 31 weist darauf hin, dass auch die Trinität in Handlungsausdrücken beschrieben wird. 159 D. Henrich, „Die Trinität Gottes und der Begriff der Person“, in: O. Marquard/K. Stierle (Hgg.), Identität, München 1979, 612–620, 615: „So wird durch den Gedanken der göttlichen Person eine innergöttliche Relation in Beziehung auf die göttliche Substanzialität ausgedrückt; und da die göttliche Person kraft des Symbols des Glaubens nur so verstanden werden kann, muss sie notwendigerweise in dieser doppelten kategorialen Perspektive gedacht werden, – als Relationalität und Substanzialität in Einem.“ S.a. W. Pannenberg, „Person und Subjekt“ (3, Kap., Anm. 136), 411 (Hervorhebung im Original): „Dass es die Eigenart der Person ist, in ihrem anderen bei sich selber zu sein, das besagen der Sache nach schon die Sätze der trinitarischen Relationenlehre. Die Relation zum anderen ist konstitutiv für die Identität und Besonderheit jeder der Personen.“

G. Rekonstruktion der Trinitätslehre

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Essence, is one Thing, and to know him as he stands related to us as Creator, Redeemer, and Sanctifier is another. The former Kind of Knowledge (whatever it amounts to) hath been, and may be, in Gentiles as well as Christians, but not the latter, which is Life eternal. From what has been said, it is a plain Consequence, that whoever is a sincere Christian cannot be indifferent about bringing over other Men to the Knowledge of God and Christ; but that every one of us, who hath any Claim to that Title, is indispensably obliged in Duty to God, and in Charity to his Neighbour […]. (S IX: 115f)

Erneut differenziert Berkeley zwei Arten von Wissen um Gott: ein metaphysisches, das Betrachtungen hinsichtlich seiner absoluten Wesenheit bzw. Essenz anstellt, und ein anderes, das innerhalb der Beziehungen des trinitarischen Gottes zum Geschöpf, d.h. als Schöpfer, Erlöser und Heiliger erfahren wird.160 Die erste Form der Gotteserkenntnis besitzt folglich keine oder nur geringe Relevanz, da sie der entscheidenden, ja lebensrettenden Einsicht ermangelt, die in der Umsetzung von Gottes Willen besteht, was zugleich eine heilsgeschichtliche Bedeutung besitzt. Das bedeutet: Jegliche erlösende Kenntnis von Gott impliziert ein Wissen um und Handeln nach seinem Willen, wobei das Evangelium als dessen explizite Verkündigung und Hilfsmittel zur Umsetzung zu verstehen ist. Dafür spricht auch eine Textpassage aus dem Kontext der Schrift-Debatte: Scriptures not understood at one time, or by one person, may be understood at another time, or by other persons. May we not perceive, by retrospect on what is past, a certain progress from darker to lighter, in the series of the divine economy towards man? And may not future events clear up such points as at present exercise the faith of believers? Now, I cannot help thinking (such is the force either of truth or prejudice) that in all this there is nothing strained or forced, or which is not reasonable or natural to suppose. (A VI, 20, 257f, Hervorhebung C.N.)

Berkeley redet an dieser Stelle von Gottes Heilsökonomie (divine economy), die mit der ökonomischen Trinität zu identifizieren ist und das Handeln des trinitarischen Gottes ad extra hinsichtlich der historia salutis bezeugt.161 Gottes Handlungen ereignen sich sukzessive und generieren damit einen fortschreitenden Erkenntnisprozess, was in einem engen Zusammenhang zu Gottes Selbstoffenbarung steht. Berkeleys Verweis auf zukünftige Ereignisse akzentuiert die Kontinuität von Gottes Offenbarung, was sich auch in der Intention des Arguments von der visuellen Sprache widerspiegelt. Es erfolgt nun eine Approximation an Berkeleys Verständnis der drei Personen Gottes; zentral für das Heilsgeschehen ist die Rolle Jesu Christi. Eine erste Vorbemerkung erfolgt nun im Hinblick auf die Integration des Inkarnationsgeschehens in die Perzeptionstheorie: „God rendered more visible not 160 Gottes Trinität begründet damit eine sprachliche Formgebung. A V, 9, 182: „[A]ll knowledge really such, whether natural or revealed, is derived from the same source of light and truth.“ S.a. A VI, 31, 280. 161 Vgl. die Ausführungen am Ende von Im Geist Gottes sowie K. Rahner, „Der dreifaltige Gott als transzendenter Urgrund der Heilsgeschichte“, My Sal 2 (1967), 317–397.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

more present, by incarnation.“ (S V: 79) Mit Verweis auf Phil. 2,6.7 wird damit offenkundig, dass das Inkarnationsgeschehen Gott nicht präsenter macht, denn die bereits bestehende intime Präsenz ist unüberbietbar; vielmehr ist die Inkarnation auch ein zeichenhaftes Geschehen, wie die gesamte Wirklichkeit, das uns Gott noch deutlicher sichtbar macht.162 [T]he grace of God manifested in Christ Jesus: such as by performing the conditions of the new covenant are intitled to its promises. To these Christ is a Redeemer and mediator. Their repentance is not vain: their sincere tho' imperfect endeavors are accepted, what was amiss being pardoned, and what was defective being supply'd through his merits and intercession. As many I say as have repentance towards God and faith in Jesus Christ reap the benefit of his coming. They are separated from the common mass of mankind and form a peculiar people which is called the church of Christ. These are said to be renewed, to become new creatures, to be regenerate or born again, having a new life unto righteousness [...]. (S VII: 96)

Gottes Gnade wird manifest in der Sendung seines Sohnes, der für die Realisierung des neuen Bundes163 als Erlöser und Mediator fungiert und Fürsprache bei Gott für mangelhafte Bemühungen einlegt.164 Zugleich wird damit der Prozess der Erneuerung und Regeneration angesprochen, der wiederholt auf die Restitution der Gottebenbildlichkeit abhebt (to become new creatures).165 Der trinitarische christliche Gott verbürgt die Existenz und Identität finiter Geister als imago dei. Die Inkarnation des verbum Dei offenbart die Ordnung der Dinge, d.h. die Relationen zwischen den Ideen sind aufgrund des Erschließungsgeschehens in ihren Sinnzusammenhängen erkennbar: Realität wird durch die Sendung des Sohnes lesbar,166 d.h. die Inkarnation ermöglicht ein Erschließen der Schöpfungsordnung.167

162

Vgl. auch das vorherige Kapitel. Der Bund Gottes mit dem Menschen bedeutet keine Freiheitsberaubung, sondern soll zur Gemeinschaft mit Gott befreien. Erst die göttliche Verheißung ermöglicht die Partizipation des Menschen an der Welt als einem unabgeschlossenen, sprachlich verfassten Prozess. 164 S VII: 95: „But above all other things the relation of Jesus Christ the everblessed Son of God to his Church, his union with it, and behavior towards it, his coming down upon earth taking our nature upon him preaching to the sons of men, submitting to die on the cross, rising again and ascending into glory. This I say of all other things seemeth to be without controversy the great mystery of Godliness […].“ S V, 1: 55: „Having open’d heaven & the sources of eternal life, Christ inflames us with the hope of immortality: assimilation Deity: perfect as our father in heaven is perfect“. Weitere Charakterisierungen sind the Sun of the Righteousness (S IV: 43) oder the blessed Son of God by whom he made the worlds, who is the brightness of His glory and the express image of his person (S VI: 51). S.a. S V, 14: 83, S VI: 89. Berkeley benennt vier Aspekte für das Rettungsgeschehen in S IV: 45: „[F]irstly, by his preaching; secondly by his example; thirdly, by his death & fourthly by his Intercession.“ 165 So auch in 2. Kor. 5,17. 166 S.a. S IV: 46 oder S V: 61f. 167 Das Zeugnis der Schrift beschreibt dieses Geschehen und ist der Schlüssel zur Dekodierung (s.a. Kapitel zur Offenbarung). 163

G. Rekonstruktion der Trinitätslehre

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Wenden wir uns nun dem Vater zu, der in zahlreichen Passagen die Bezeichnung (common) Father of lights trägt, wobei dieser Titel nicht im Kontext der anderen beiden Personen verwendet wird.168 In den Predigten besitzt die Bezeichnung common Father Priorität und wird überwiegend in Zusammenhang mit der Mission seines Sohnes benutzt: Our Common Father from whom every good and perfect gift cometh, from whom we derived all the blessings we either enjoy at present or expect hereafter. (S II: 25) [T]he common Father of us all. Herein this Paternal love of God to men is visible […]. (S III: 27)169

Gott, der Vater, ist derjenige, der nicht nur für seinen eigenen Sohn, sondern für alle seine Geschöpfe Verantwortung trägt. Diese Verantwortung wird anhand seiner väterlichen Liebe erkennbar. Liebe ist ein relationaler Begriff, und so ist an die bisherigen Resultate zu erinnern, wonach die Liebesbeziehung zu Gott zugleich ein Wissen von ihm mit sich bringt. Dieses Wissen gibt dem finiten Geist Orientierung in der Welt. Das Wissen von Gott, das von der Liebe geprägt ist, verhilft zugleich zur Kenntnis und Umsetzung seines Willens, was die praktische Ausrichtung der Berkeleyschen Theologie unterstreicht: In a system of spirits, subordinate to the will, and under the direction, of the Father of spirits, governing them by laws and conducting them by methods suitable to wise and good ends, there will be great beauty. (A 3, 11, 129) Let us endeavor to be perfect even as our father in Heaven is perfect. (S II: 19)

Die Realisierung von Gottes Willen spiegelt sich in der fortschreitenden Perfektion des finiten Geistes wider, was dem theologischen Topos der Heiligung entspricht. Damit findet die praxisnahe, dem ordinary man zugewandte Theologie, Ausformulierung: Die Realisierung des Willens des common Father ist das Lebensziel eines Menschen. Aus dem Befolgen der Gesetze resultiert eine großartige Schönheit,170 die im Erkennen der Schöpfungsordnung respektive der Sinnstrukturen der Welt kulminiert.171

168

A V, 9, 182; A VI, 31, 280; A VII, 28, 325; S II: 25. S II: 23: „[O]ne God and Father of

all.“ 169

S.a. S V, 3: 59; S X: 130, 132. A IV, 18, 164: „[A] thinking intelligent being: that is to say, whether that order, and beauty, and use, visible in natural effects, could be produced by any thing but a Mind or Intelligence, in the proper sense of the word, and whether there must not be true, real, and proper knowledge in the first Cause. We will, therefore, acknowledge that all those natural effects which are vulgarly ascribed to knowledge and wisdom proceed from a being in which there is, properly speaking, no knowledge or wisdom at all, but only something else, which in reality is the cause of those things which men, for want of knowing better, ascribe to what they call knowledge and wisdom and understanding.“ Vgl. J. O. Urmson, „Berkeley on Beauty“, 170

274

4. Kapitel: Gotteserkenntnis

Zum Schluss noch ein Blick auf die dritte Person, den Heiligen Geist. Zunächst lässt sich eine synonyme Verwendung (spirit) von finitem und Heiligem Geist feststellen – auch wenn selbstredend keine Univozität vorliegt; dies schließt die bei Berkeley unterschiedene Groß-/Kleinschreibung aus. Augenfällig ist die hervortretende Rede von spirit im Kontext von Verursachung: „The powerful cause therefore of my ideas, is in strict propriety of speech a spirit.“ (D III: 240).172 Diese übermächtige Ursache wird mit spirit identifiziert: „HYLAS. And have you not said that being is a spirit, and is not that spirit God?“ (D III: 240)173 Wenn Gott, wie das Kausalitätsargument gezeigt hat, die einzige Wirkursache ist und traditionell der Heilige Geist als personifizierte Wirkkraft Gottes verstanden wird,174 wäre es durchaus denkbar, die Evokation der Sinneseindrücke als Werk des Heiligen Geistes zu identifizieren: [T]he demonstration of the Spirit, not only without but against all worldly motives spread through the world, and subdue men of all ranks and conditions of life, would it not be very unreasonable to reject or suspect it, for the want of human means? And might not this with much better reason be thought an argument of its coming from God? (A VI, 27, 272)

in: J. Foster/H. Robinson (Hgg.), Essays on Berkeley. A Tercentennial Celebration, Oxford 1988, 227–232 zum Begriff des Schönen. 171 Das Schöpfungsgeschehen selbst ist ein Gnadenakt, s.a. S VI: 47. Weiterhin ist Genesis als ein einzigartiges Muster zur Präsentation von Gottes Handlung als einem gewollten und freiheitlichen Geschehen anzumerken. 172 S.a. BJC, 25. November 1729, 280: „Cause is taken in different senses. A proper active efficient cause I can conceive none but spirit; nor any action, strictly speaking, but where there is will.“ A V, 14, 160: „[D]oth set forth and testify the immediate operation of a spirit or thinking being; and not merely of a spirit, which every motion or gravitation may possibly infer, but of one wise, good, and provident Spirit, who directs and rules and governs the world.“ 173 S.a. D II: 217: „God or an Infinite Spirit is the supreme cause of all things.“ D II: 219: „The will of an omnipotent Spirit […].“ S V: 64: „[I]n 2nd new life of the spirit, purifying, sanctifying, ennobling our natures.“ 174 Eine Annäherung über den hebräischen Begriff  ʧʔ ˒ʸ (rûah) findet sich in M. Dreytza, Der theologische Gebrauch von Ruah im Alten Testament. Eine wort- und satzsemantische Studie, Gießen 1990 und H. Rosenau, „Geist, IV. Theologisch“, in: H. D. Betz/D. S. Browning/B. Janowski et al. (Hgg.), RGG, Bd. 3, Tübingen 4. Aufl. 2000, Sp. 561–562, Sp. 561 (Hervorhebung im Original): „Als G[eist] Gottes bzw. Jesu Christi ist G[eist] im Sinne der ursp[rünglichen] Wortbedeutung von Wind, Hauch oder Atem eine unverfügbare Schöpferund Lebenskraft, die als solche nicht dinghaft-substantiell, sondern als relationales Geschehen zu beschreiben ist, in dem sich Gott bzw. Christus als Grund des (neuen) Lebens vergegenwärtigt, wirksam mitteilt und an seinem Leben gegen alles Lebenswidrige (Sünde) auch über den Tod hinaus (Auferstehung) Anteil gibt. [...] Entgegen allem elitären vermeintlichen G[eist]-Besitz ist es dabei jedoch ein Kennzeichen oder Kriterium des G[eistes], dass er nicht (substantiell) auf sich selbst und seine Träger, sondern (relational) auf Gott in Jesus Christus als den Grund allen Lebens verweist und somit gemeinschaftsstiftend, fördernd und kreativ entwickelnd wirkt.“

G. Rekonstruktion der Trinitätslehre

275

Der Geist wird beschrieben als die gesamte Welt durchwebend; dabei unterwirft (subdue) er alle Menschen und sämtliche Lebensbedingungen, getrieben von einer Veranlassung, die nicht unbedingt einer weltlichen Motivation folgt. Diese Charakterisierung ist dahingehend interpretierbar, dass die Person des Heiligen Geistes das Erfassen der strukturellen Zusammenhänge in der Schöpfung ermöglicht. Gottes Selbstmitteilung manifestiert sich dann als Wirkung der trinitarischen Person des Heiligen Geistes, die in Anlehnung an den biblischen Sprachgebrauch das Werk des Vaters und des Sohnes vollendet. Indem Gott als Sprecher auftritt, ist bereits ein personales Merkmal gegeben und die Differenzierung in immanente und ökonomische Trinität ermöglicht eine Bestimmung des Wirkens ad extra. Der Heilige Geist wird damit im Blick auf seine erlösende Funktion erfasst, der den Glaubenden heiligt und verherrlicht. Letztlich beinhaltet dies die Wirkung von Gottes Wort im finiten Geist, d.h. die Umsetzung von Gottes Willen, welcher in der Decodierung des geistigen Gehalts der visuellen Zeichen besteht.175 Abschließend ist erneut auf die implizite trinitarische Theologie Berkeleys hinzuweisen: Die einzelnen Personen des einen Gottes werden in den Predigten zwar exemplarisch verhandelt, doch eine explizite Einbettung derselben in sein immaterialistisches System wird unterlassen.176 Doch liegt der Schluss nahe, dass letztlich der dreieinige Gott, der sich in seinen verschiedenen Relationen der Welt mitteilt, auch die Erkenntnis von Realität ermöglicht: Eine vollkommene Einheit, die Berkeley so vehement ablehnt, könnte ein derartiges Vermittlungsgeschehen vermutlich nicht leisten. Die Annahme eines trinitarischen Gottes, also die Einheit alles Seienden, die in sich selbst noch einmal strukturiert ist, ist höchst einleuchtend, da sie den intensiven Austausch mit der Welt plausibel zu erklären vermag. Die trinitarische Struktur ermöglicht, die Pluralität an Relationen, in denen Gott sich seinen Geschöpfen mitteilt, zu explizieren. 175 Es ist erstaunlich, wie die Lehre vom geistgewirkten Schriftverständnis zur Generierung eines adäquaten Realitätsverständnisses angewendet werden kann. A VI, 6, 227: „Surely the purest language, the most perfect style, the exactest method, and in a word all the excellencies of good writing, might be expected in a piece composed or dictated by the Spirit of God. But books wherein we find the reverse of all this, it were impious not to reject, but to attribute to the Divinity.“ S.a. On the Roman Controversy to Sir John James, Bart. Cloyne, vom 7. Juni 1741, 144f: „Accordingly we have the Spirit of God to guide us into all truth. If we are sanctified and enlightened by the Holy Ghost & by Christ, this will make up for our defects without the Pope’s assistance. And why our Church and her pious members may not hope for this help as well as others I see no reason. The Author of our faith tells us, He that will do the will of God, shall know of the doctrine, whether it be of God. I believe this extends to all Saving Truths. There is an indwelling of Christ and the Holy Spirit, there is an inward light.“ 176 C. Gunton, The Triune Creator. A Historical and Systematic Study, Michigan/Cambridge 1998, 136 sieht in dem fehlenden trinitarischen Überbau die größte Schwäche Berkeleys.

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4. Kapitel: Gotteserkenntnis

H. Ergebnissicherung H. Ergebnissicherung

In diesem letzten Kapitel konnten verschiedene Wege zur Erkenntnis Gottes aufgezeigt werden. Während der Weg über die Welt vorwiegend die Vernunft anspricht, kommt dem Weg über das Selbst eine emotionale Gewissheit zu. Das Vermögen der Gotteserkenntnis schöpft nicht in erster Linie aus der Vernunft, sondern einer emotional fundierten Gewissheit, die sich mittels der Evidenz rationaler Argumente versprachlichen lässt. Die Verhältnisbestimmung von Vernunft und Glaube hat die Limitierung ersterer und die Liebe zu Gott als entscheidende Erkenntnisrelation gezeigt. Die Einsicht, dass Gott die Welt durchdringt, und die Konsequenz, die daraus für das individuelle Leben erwächst, bedürfen des Hörens auf Gott mit dem Herzen. Zentral ist, dass jegliche Kenntnis Gottes nur durch ihn selbst ermöglicht wird: Nur wenn es Gottes Willen entspricht, dass ein finiter Geist ihn erkennt, kann sich dieser Prozess vollziehen. Damit findet auch die Methode der analogen Rede Begrenzung. Diese folgt zwar konkreten Regeln, indem sie auf die ontologische Relation von finitem und infinitem Geist rekurriert und rational einholbar ist, doch lässt sich Gott nur aufgrund bereits offenbarter Inhalte erkennen. Der Erkenntnisrelation von Gott und finitem Geist ist daher die entsprechende theologische Kategorie der Offenbarung zuzuweisen, die bei Berkeley nicht nur auf Schrift und Tradition rekurriert, sondern die Welt im Sinne von Gottes Selbstmitteilung integriert. Gottes Offenbarung zeichnet sich nach Berkeley durch ein perfektes Zusammenspiel von Vernunft und Erfahrung aus, da die Vernunft strukturell so verfasst ist, dass sie der Anrede Gottes, sprich den kommunizierten Zeichen, auch adäquat zu antworten vermag. Der finite Geist hat die Möglichkeit, Zeichen als Zeichen und durch ihre Vermittlung Gott zu erkennen: Gott ist letztlich in jedem Zeichen immanent, was bedeutet, dass das Telos jeder Zeichenerkenntnis letztlich die Erkenntnis in Ursprung und Sinn alles Seienden ist. In diesem Kontext wurde die Frage nach der Stellung des Glaubens virulent. Es hat sich die Vereinbarkeit von Glaube und Vernunft gezeigt; genau genommen expliziert die Vernunft die Inhalte der Glaubensüberzeugungen, weshalb letztere in ihrer Verbindung Kohärenz aufweisen müssen. Da erst im Glauben wahre Gottes- und Selbsterkenntnis stattfindet, ist Berkeley in dieser Hinsicht in die reformatorische Tradition einzuordnen. Umgekehrt resultiert aus dem Gottesgedanken Berkeleys Vernunftverständnis: Berkeley humanisiert die Vernunft, indem er den finiten Geist nicht als Erkenntnissubjekt, das jede Relation qua Dasein isoliert einzusehen hat, überlastet oder überfordert; vielmehr wird jeder Erkenntnisakt von Gott permanent begleitet. Diese Sichtweise besitzt entsprechende Konsequenzen für die Theologie, da die Geschöpflichkeit zur Nächstenliebe überleitet: Im Herzen findet die wahre Erkenntnis statt, ist Religion zu verorten und aus dem Herzen entspringen die Taten der Nächstenliebe, die als höchstes Gebot for-

H. Ergebnissicherung

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muliert wurden. Gottes Willen zu entsprechen respektive die Imitatio Jesu Christi meint nicht, ihm blind zu gehorchen, sondern den Schritt zur Dechiffrierung der Welt zu gehen. Aus diesem Grund untermauert Berkeley seine gesamte Theologie mit einer Perzeptionstheorie: Das Versehen der Sinnstrukturen der Wirklichkeit spiegelt sich nach Berkeley in der Lebenspraxis wider; spekulative Vernunftüberlegungen können niemals den Wert einer Handlung, die dem Herzen folgt, erreichen. Das bezeugen bereits die Verstandesaktivitäten, die nicht a se existieren, sondern immer in einen Erfahrungshorizont eingebettet sind. Das Orientierungswissen in der Welt, von dem sämtliche Handlungen bestimmt werden, ist daher die höchste Wissensform. Damit vermeidet Berkeley einerseits den Skeptizismus und warnt andererseits vor dem Hochmut, man könne eine Art perfektes Wissen generieren, das nur Gott zusteht. Der Vorwurf, Berkeleys Immaterialismus sei mit der christlichen Schöpfungslehre nicht zu vereinbaren, konnte dahingehend ausgeräumt werden, dass erst die Schöpfung durch Gottes Wort ein Verständnis von Welt und Selbst ermöglicht. Derartige Einsichten sind jedoch keine künstlichen Sinnzuschreibungen seitens des finiten Geistes, sondern ein fortschreitendes Begreifen des bereits eingeschriebenen Sinns. Damit ist die Interpretation der Welt wahrheitsfähig und Berkeleys empirische Methode steht auf einem festen Fundament.

Zusammenfassung Berkeleys Denken wird maßgeblich von dem Verhältnis Gottes zum Menschen bestimmt. Ausgehend von dieser theologischen Relation sind sämtliche ontologischen und epistemologischen Bestimmungen, insbesondere die Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen von Gott, Mensch und Welt zu definieren. Die ontologische Rückgebundenheit alles Seienden an Gott selbst, den letzten, unhintergehbaren Grund, ist ein Spezifikum bei Berkeley. Obwohl seine theologischen Grundannahmen in den philosophischen Abhandlungen oft nicht ausgeführt oder nur angedeutet werden, was viele Interpreten dazu verleitet hat, ihn ausschließlich als Philosophen zu verstehen, sind sie im Hinblick auf ein Gesamtverständnis seines Denkens keinesfalls zu vernachlässigen. Die Relation von Gott und Mensch wird entlang der vier Hauptkapitel in ihren Grundzügen nochmals rekapituliert. Beginnen wir mit Berkeleys Realitätsauffassung: [If] by Nature is meant only the visible series of effects, or sensations imprinted on our minds according to certain fixed and general laws: then it is plain, that Nature taken in this sense cannot produce any thing at all. But if by Nature is meant some being distinct from GOD, as well as from the Laws of Nature, and things perceived by sense, I must confess that word is to me an empty sound, without any intelligible meaning annexed to it. (P § 150)

Realität wird nicht als Natur, die einmal aufgestellten Regeln unterliegt, sondern als Schöpfung verstanden.1 Als umfassende Klammer für ein Verständnis von Schöpfung hat die vorliegende Arbeit die Relation von Gott und Mensch identifiziert, die den Leitlinien des ep-Prinzips entspricht: Ideen sind dependent zum Geist und Menschen als finite Geister sind dependent zu Gott, dem infiniten Geist. Berkeleys ep-Prinzip expliziert folglich die relationale Verbundenheit von Gott dem Schöpfer zu seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen. Ein rationales Verständnis der aufgezeigten Relationen ist für den Bi1

S.a. R. H. Fuller, Interpreting the Miracles, London 1963, 8f: „The Bible, however, know nothing of nature as a closed system of law. Indeed the very word nature is unbiblical. For the Bible the world is God’s creation. This is thought of quite naively. God puts plants in the grounds and make springs of water for the wild beasts to quench their thirst. He provides corn and wine to make man prosperous, and has appointed the sun and the moon to mark the seasons and to provide a time-table for man and beast. Everything that happens in the realm of what we call nature is the handiwork of God himself. But in these operations his hand is invisible. No one has seen God doing these things at any time.“ (Hervorhebung im Original)

Zusammenfassung

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schof von entscheidendem Interesse. Der zugrundeliegende Immaterialismus macht eine Vermittlung über ein zusätzliches Prinzip, wie beispielsweise Materie, hinfällig. Das Fascinosum an Berkeleys Denken ist, Realität als einen immateriellen Zeichenkosmos zu verstehen, der als Medium zur Selbstoffenbarung Gottes für den Menschen dient. Seine Theologie zeichnet sich dadurch aus, dass Gott als Schöpfer alles Seienden den Kulminationspunkt sämtlicher Bestimmungen bildet, da er in einem unauflöslichen, innigen, kommunikativen Verhältnis zu jedem Menschen steht. Die Gottesbeziehung besitzt damit eine Intimität, die kaum zu überschätzen ist. Wie anhand des Arguments der visuellen Sprache Gottes herausgearbeitet wurde, spricht Gott mittels visueller Ideen permanent zum Menschen, wobei jeder visuelle Eindruck ein Zeichen dieser visuellen Sprache ist. In diesem Dialog informiert Gott den Menschen über sich selbst, über ihn und seine Schöpfung. Realität als Ausdruck des allseits präsenten Gottes hat in letzter Konsequenz den Zweck, das Verhältnis des einzelnen Menschen zu seinem Schöpfer zu konstituieren und intensivieren, wobei die Deutungshoheit der perzipierten Zeichen beim Menschen liegt.2 Wenden wir uns nun dem Gottesbeweis zu, der vor dem Hintergrund zu verstehen ist, dass Berkeleys Schriften als praktische Anleitung für ein Verständnis der wahrnehmbaren Realität, d.h. der Klärung der Beziehung zu Gott, dem Schöpfer aufzufassen sind und nicht dem Genre einer gelehrten disputatio entsprechen. Somit verfolgt der Gottesbeweis, der eine Akkumulation vier unterschiedlicher Argumente (Kontinuitäts-, Kausalitätsargument, visuelle Sprache und Gott als Gesprächspartner) darstellt, keineswegs das Ziel der demonstratio der Existenz Gottes. Vielmehr erweisen die Argumente die von Gott als Person selbst kommunizierten, sprich offenbarten Attribute wie Fürsorge, Güte, Allgegenwart etc. Der Gottesbeweis reflektiert Berkeleys Auffassung, dass eine natürliche Gotteserkenntnis aus der Realität in begrenzter Weise möglich ist: Man kann erkennen, dass es ein höchstes, vernunftbegabtes Wesen gibt, das alles geschaffen und verursacht hat (Kausalitätsargument) und weiterhin erhält (Kontinuitätsargument); unter Hinzunahme des dritten (visuelle Sprache) und vierten (Gesprächspartner) Arguments wird 2 Der Mensch ist aufgefordert, nicht bei Erkenntnissen über die Welt stehen zu bleiben, sondern nach deren Schöpfer weiterzusuchen. Vgl. P § 109: „As in reading other books, a wise man will choose to fix his thoughts on the sense and apply it to use, rather than lay them out in grammatical remarks on the language; so in perusing the volume of Nature, it seems beneath the dignity of the mind to affect an exactness in reducing each particular phenomenon to general rules, or shewing how it follows from them. We should propose to our selves nobler views, such as to recreate and exalt the mind, with a prospect of the beauty, order, extent, and variety of natural things: hence, by proper inferences, to enlarge our notions of the grandeur, wisdom, and beneficence of the CREATOR: and lastly, to make the several parts of the Creation, so far as in us lies, subservient to the ends they were designed for, GOD’s glory, and the sustentation and comfort of our selves and fellow-creatures.“

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offenkundig, dass Gott dieses Wissen selbst mitteilt, weshalb auch natürliche Einsichten als seine Offenbarung zu werten sind. Auf erkenntnistheoretischer Ebene ist hierbei zu berücksichtigen, dass jegliches menschliches Wissen als partiell zu bewerten ist, sofern es immer nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit erfasst, was jedoch nicht mit defizitär gleichzusetzen ist. Vielmehr sind die gewonnenen Einsichten real, da sie aus dem Dialog mit Gott hervorgehen. Gott ist nicht nur der Schöpfer und Erhalter der Welt, sondern auch der, der alles wirkt. Diese grundlegenden Annahmen haben entscheidenden Einfluss auf das Verständnis vom eigenen Selbst, dem wir uns nun zuwenden. Die Lehre von der imago dei hat sich als wesentlicher Pfeiler für Berkeleys Anthropologie erwiesen, wodurch erneut die Dependenz des Geschöpfes von seinem Schöpfer vor dem Hintergrund des ep-Prinzips transparent wird. Die Haupttätigkeit des finiten Geistes besteht in der Strukturierung der Realität, die letztlich in der Erkenntnis Gottes und des eigenen Selbst münden soll. Während andere Modelle das Bewusstsein als Gegenstand, als Objekt des Geistes vorstellen, ergibt sich bei Berkeley eine Verschiebung des Erkenntnisprimats: Das Selbst erkennt sich, indem es zum einen um seine Erkenntnis und Mitkonstitution der Realität und zum anderen um Gott weiß, was zugleich die Akzeptanz einer passiven Grundkonstitution bedeutet, die gerade eine rationale Aktivität aus sich heraussetzt. Erst das Einnehmen einer adäquaten Relation zu Gott entspricht der wirklichen Natur des Menschen. CRITO. We worship God, we praise and pray to him, not because we think that he is proud of our worship, or fond of our praise or prayers, and affected with them as mankind are; or that all our service can contribute in the least degree to his happiness or good; but because it is good for us to be so disposed towards God; because it is just and right, and suitable to the nature of things, and becoming the relation we stand in to our supreme Lord and Governor. (A IV, 25, 173)

Für Berkeley ist die Ausrichtung auf Gott, die mit einem entsprechenden Realitätsverständnis einhergeht, die eigentliche Bestimmung des Menschen. In Hinblick auf die Dependenz-Relation ist festzuhalten, dass sich nach Berkeley die Vernunft als endlich und bedingt erfasst. Zwar vermag der Mensch mittels Vernunft sehr viel zu erschließen: Sie kann sogar Gott als denjenigen, der alle Wirklichkeit begründet, erkennen, weshalb auch Heiden ein höchstes Prinzip und eine letzte Ursache hinter allem Seienden einsehen können. Aus eigenem Vermögen vermag die Vernunft derartige Einsichten allerdings nicht zu leisten: Letztlich bedarf es Gottes Selbstmitteilung, um entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen. Die Welt als Zeichenkosmos verweist auf die Sprachkompetenz des Menschen, deren Rolle an dieser Stelle noch einmal in Erinnerung gerufen werden soll. Alles, was der Mensch versteht, verläuft immer in Form der Rede: In der Diskursivität ordnet die Vernunft nicht nur das Denken, sondern sie struktu-

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riert auch die Wirklichkeit.3 Somit fungiert Sprache als vorzügliches, unerlässliches Organ der Welt- und Selbsterschließung. Der Sprache kommt damit eine fundamentale Objektivierungsfunktion zu, insofern dadurch die Ordnung von Realität und entsprechende Bezugnahmen darauf ermöglicht werden. Diese Objektivierungsfunktion wird von Berkeley jedoch nicht im Sinne abbildtheoretischer Positionen erklärt, sondern mit dem Verweis auf Gottes visuelle Sprache im Sinne des nicht mehr überschreitbaren Referenzrahmens.4 Die Sprachkompetenz des finiten Geistes ist ein wichtiges Instrument für die Gotteserkenntnis, auch wenn jene allein unzureichend ist und immer auf die visuellen Zeichen, die auf einer höheren Ebene zu verorten sind, referiert, da Gott als die Bedingung der Möglichkeit alles Seienden die menschliche Sprache notwendig übersteigt. Der gelingende Dialog mit Gott hängt also weiterhin davon ab, dass es einen Schnittpunkt divergierender Interpretationsperspektiven gibt; dabei ist nach Berkeley Gott der Einzige, der ein mögliches Verständnis jeglichen Dialogs verbürgen kann. Berkeleys Theologie ist entsprechend als hermeneutischer Prozess aufzufassen, der ein Lesen und Verstehen von Welt und Selbst bedeutet, was eine Veränderung der Perspektive alles Seienden bewirkt: Der Mensch versteht etwas genau dann adäquat, wenn er sich ins richtige Verhältnis zu Gott und dem Perzipierten setzt. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich zwei Wege der Gotteserkenntnis, die sich gegenseitig bedingen: Erstens über die Welt, indem man die Zeichen der Sprache Gottes in ihrer Vielzahl der Kombinationsmöglichkeiten fortwährend zu ergründen sucht und dadurch Gottes Charakter (seine Attribute) erkennt. Und zweitens über das Selbst, das wiederum zwei Optionen impliziert: Zum einen trägt der finite Geist ein aktives, denkendes Bild von Gott in sich, was ihn als imago dei auszeichnet und als Spur zu deuten ist, die auf Gott verweist; zum anderen besitzt der finite Geist ein besonderes Vermögen der Hinwendung auf seinen eigenen und auf Gottes Geist, das mittels des Terminus notion zum Ausdruck gebracht wird. Grundsätzlich ist das Erkennen Gottes aus eigenen Kräften nur möglich, da Gott die entsprechenden Grundlagen dafür geschaffen hat. Zwar ist Gott nicht unmittelbar wahrnehmbar, doch gibt er sich durch verschiedene Medien zu erkennen. Berkeley ist indes nicht der Ansicht, der dreifaltige Gott lasse sich in vollständiger Entsprechung zum finiten Geist denken, denn die Sünde hat das im finiten Geist befindliche Bild korrumpiert. 3

Die dialogische Struktur der Berkeleyschen Schriften gewinnt metaphysische Struktur: Der Dialog ist keine bloße Textform, sondern Ausdruck der Geisttätigkeit. Zu untersuchen bleibt dann, welche Personen den Dialog bestimmen und ob dieser mehrere Ebenen beinhaltet. 4 S.a. Ch. Schwöbel, „God as Conversation“ (4. Kap., Anm. 110), 66: „How God does things with words becomes the way in which things are to be understood, and the question of truth no longer is to be raised in terms of the adaequatio rei et intellectus but in terms of the adaequatio verbi humani ad verbum divinum.“

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Aus der daraus resultierenden Unverfügbarkeit der Gotteserkenntnis wird die Frage nach dem Glauben virulent: Erst im Glauben, der sich rational explizieren lässt, erfasst sich der Mensch als dependent zu Gott und ist in der Lage, ein adäquates Gottesverhältnis einzunehmen. Aus dieser Relation, die Berkeley als Liebesbeziehung identifiziert, resultiert ein funktionierender Dialog, der sich dadurch auszeichnet, dass Perzeptionen nicht nur kognitiv verstanden, sondern kontextuell richtig gedeutet werden und korrekte Handlungen nach sich ziehen. Damit sind wir bei der entscheidenden Pointe der Gotteserkenntnis angekommen: Die Gotteserkenntnis besitzt eine handlungsleitende und -orientierende Funktion. Sämtliche Spekulationen über Gottes Wesen sind, so sie keinen Nutzen für den Alltag aufweisen, nur leeres, sinnloses Gerede. Der entscheidende Impetus für die Theologie besteht in der Aufforderung des Menschen zu einem praktischen Gottesverhältnis, das sich im entsprechenden Umgang mit der Schöpfung und anderen Geschöpfen (Nächstenliebe) niederschlägt.5 Auf diese Weise ist eine wichtige Einsicht hinsichtlich der Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie gewonnen: Berkeley strebt keine Konstruktion spitzfindiger Argumente an, sondern möchte demjenigen, der sich auf der Suche nach Sinnstrukturen befindet – sei es Naturwissenschaftler oder Theologe –, einen alltagstauglichen Leitfaden geben, mithilfe dessen sich das Verhältnis zu Gott, dem Integral alles Seienden, vertiefen lässt. Nachfolgende Passage aus einer Predigtnotiz illustriert Berkeleys präsentisches Gottesbild: All things are ready, God now calls but the Devil causeth delay. today for me, to-morrow for the Lord. He is too cunning to suggest a resolution against ever doing what you know should be done, but stealing he present he stealeth day after day, till &c. Be enrolled on earth in due time that you may be written in the book of life that is in heaven. (S V: 70)6

Gott ruft den Menschen jetzt, also im jetzigen Augenblick, wenngleich egozentrierte Bedürfnisse oder sonstige Ablenkungen ständige Verzögerungen hinsichtlich eines bewussten Erwiderns dieser Anrede bewirken können.7 Geradezu besorgniserregend ist für Berkeley der Verlust eines präsentischen 5

S IX: 115: „For how can a Christian shew himself worthy of his Calling, otherwise than by performing the Duties of it? And what Christian Duty is more essentially so than that of Charity? And what Object can be found upon Earth more deserving our Charity than the Souls of Men?“ 6 Im Englischen klingen hier Thess. 2,18 („Wherefore we would have come unto you, even I Paul, once and again; but Satan hindered us“) und Off. 21,27 („And there shall in no wise enter into it any thing that defileth, neither whatsoever worketh abomination, or maketh a lie: but they which are written in the Lamb’s book of life“) an. 7 Die Schwierigkeiten, die mit der Vorstellung vom Teufel einhergehen, werden hier außer Acht gelassen.

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Gottesbewussteins, der als schlimmste Konsequenz den Verlust des Seelenheils nach sich ziehen kann. Umgekehrt resultiert aus dem Bewusstsein von bzw. der Konzentration auf Gottes Nähe die adäquate Positionierung in der Gottesrelation. Versteht man die Zeichen Gottes, die seine Gegenwart zum Ausdruck bringen, als Aufforderung an den Gläubigen, zeigt sich nicht nur in Abgrenzung zum Deismus, dass Gott kein jenseitiges Abstraktum ist: Der kommunikative Prozess ermöglicht ein Leben in der permanenten Gegenwart Gottes. Zwar sind nach diesen Ausführungen noch viele Fragen offen, andere bleiben ungelöst – man denke an Theodizee, Prädestination, Eschatologie usw. Doch hat sich gezeigt, dass eine intensivere Beschäftigung mit Berkeleys Denken kreative Lösungen verschiedener Probleme aus Philosophie und Theologie eröffnet – man denke an Berkeleys theologische Kausalitätsauffassung, die einen Ausweg aus erkenntnistheoretischen Aporien darstellt oder an die Realismusdebatte. Hinsichtlich der Theologie erfährt die Frage nach deren Status im Kanon der Wissenschaften Zuspitzung – man denke etwa an Berkeleys Bestimmung der Vernunft oder das Aufweisen des vergleichbaren Status von Glaubens- und naturwissenschaftlichen Aussagen.8 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nach Berkeley die Theologie in der Lage ist, traditionelle Erkenntnisgräben zu schließen. So werden zentrale Grundeinsichten der Theologie bzw. der Erkenntnis Gottes auf die Frage nach der Erkenntnis von Realität (Ontologie und Epistemologie) übertragen: Ebenso wenig wie Gott sind auch die Sinnendinge vollkommen transzendent. Zugleich wird Berkeleys theologisches Denken von dynamischen Relationen geprägt, welche eindeutige Vorteile gegenüber Substanzmetaphysiken aufweisen, insofern sie beispielsweise die prozessuale Wirklichkeit besser erklären und keine Vermittlungsprobleme hervorrufen.9 Wir haben gesehen, dass eine Rezeption von Berkeley holistischem Denken in der Theologie ein großes Erklärungspotential und eine bemerkenswerte Tiefe mit sich bringt.

8

Man denke auch an spezifische Debatten wie beispielsweise das Verhältnis von allgemeiner und spezieller Offenbarung, das anhand unterschiedlicher Ansätze ausdifferenziert wird. Exemplarisch sei hier nur auf H. Deuser, Gottesinstinkt. Semiotische Religionstheorie und Pragmatismus, Tübingen 2004, der den zeichen- und handlungstheoretischen Ansatz von Peirce weiterverfolgt und I. U. Dalferth, Gedeutete Gegenwart. Zur Wahrnehmung Gottes in den Erfahrungen der Zeit, Tübingen 1997 sowie Religiöse Rede von Gott (Anm. 1), der die analytische Philosophie mit der Religionsphilosophie zu verbinden trachtet, verwiesen. 9 D. Berman, Idealism and the man (1. Kap., Anm. 8), 159 würdigt Berkeleys Theologie: „Berkeley’s theology, one must acknowledge, was a magnificient achievement, possibly the last great and creative theological synthesis.“

Literaturverzeichnis Die verwendeten Abkürzungen richten sich in der Regel nach S.M. Schwertner, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (Theologische Realenzyklopädie) Berlin/New York 21994, und bei KlassikerAusgaben nach den üblichen Standards. Für die Nachweise der Textausgaben von George Berkeley und John Locke vgl. das Siglenverzeichnis. Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 121998. Ablondi, Fred: Berkeley, Archetypes, and Errors, in: The Southern Journal of Philosophy 43 (2005), 493–504. Adams, Robert Merrihew: Berkeley’s Notion of Spiritual Substance, in: Creery, Walter E. (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 424–444. Allaire, Edwin B.: Berkely’s Idealism, in: Theoria 29 (1963), 229–244. –: Berkeley’s Idealism. Yet Another Visit, in: Muehlmann, Robert G. (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 23–38. Aquin, Thomas von: Summa Theologica, in: Deutsch-lateinische Ausgabe, übersetzt von den Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, 36 Bde., Graz/Wien/Köln 1933ff. (noch nicht vollständig erschienen). Aristoteles: Organon, üs., mit einer Einl. und erklärt von Eugen Rolfes, Hamburg 1974. –: Metaphysik, üs. und eingel. von Thomas A. Szlezák, Berlin 2003. Armogathe, Jean-Robert: Proofs of the Existence of God, in: Garber, Daniel/Ayers, Michael (Hgg.), The Cambridge History of Seventeenth-Century Philosophy, Bd. I, Cambridge 1998, 305–330. Atherton, Margaret: Berkeley’s Anti-Abstractionism, in: Sosa, Ernest (Hg.), Essays on the Philosophy of George Berkeley, Dordrecht/Boston/Lancaster u.a. 1987, 45–60. –: The Coherence of Berkeley’s Theory of Mind, in: Creery, Walter E. (Hg.), George Berkeley. Critical Assessments, Bd. III, London/New York 1991, 336–346. –: Berkeley Without God, in: Muehlmann, Robert G. (Hg.), Berkeley’s Metaphysics. Structural, Interpretative and Critical Essays, Pennsylvania 1995, 231–248. Augustinus: Contra Faustum, in: Patrologiae cursus completus. Series Latina, hg. von Migne, Bd. 42, Paris 1886. –: De genesi ad litteram, in: Patrologiae cursus completus. Series Latina, hg. von Migne, Bd. 34, Paris 1887. –: De Trinitate, in: Corpus Christianorum. Series Latina, hg. von W.J. Mountain/F. Glorie, Bd. L und LA,1968. –: Confessiones, in: Corpus Christianorum. Series Latina, Bd. 27,1981. Axt-Piscalar, Christine: Gottes- und Selbsterkenntnis gehören zusammen, in: KuD 54 (2008), 290–315. Ayers, Michael R.: Are Locke’s Ideas 'Images', Intentional Objects or Natural signs?, in: Locke Newsletter 17 (1986), 3–36.

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Register Personenregister Aquin, Thomas von 38 (Anm. 61), 52 (Anm. 100), 84, 99 (Anm. 54), 109 (Anm. 91), 117 (Anm. 115), 120 (Anm. 125), 124, 188 (Anm.148), 212 (Anm. 6) Anselm 84, 88, 121 Aristoteles 38 (Anm. 61), 47 (Anm. 87), 52 (Anm. 100), 76 (Anm. 166), 124, 148 Augustinus 72 (Anm.157), 109 (Anm. 91), 117 (Anm. 115), 145, 200 (Anm. 186), 202 (Anm. 191), 216 (Anm. 16), 265 (Anm. 145) Barth, Karl 1 (Anm. 1) Boethius 144 (Anm. 22) Bonaventura 108 (Anm. 83) Browne 138 (Anm. 3), 223 (Anm. 34) Buber, Martin 2 (Anm. 3) Calvin, Johannes 200 (Anm. 186), 221 (Anm. 28), 245 (Anm. 91) Cantor, Moritz 8 (Anm. 21) Carnap, Rudolf 37 (Anm. 59) Cassirer, Ernst 8 (Anm. 23), 16 (Anm. 10), 31 (Anm. 42), 63 (Anm. 127), 107 (Anm. 78), 161 (Anm. 66), 162 (Anm. 69), 182 (Anm. 132), 191 (Anm. 159) Collins, John Anthony 138 (Anm. 3), 248 (Anm 103) d’Ailly, Pierre 188 (Anm. 148) Demokrit 34 Descartes, René 24 (Anm. 27), 58, 59 (Anm. 117), 64, 67 (Anm. 142), 69 (Anm. 149), 83 (Anm. 13), 84, 100 (Anm. 57), 111 (Anm. 99), 121, 129

(Anm. 151), 150, 156, 159, 190 (Anm. 152), 198 (Anm. 180), 207 (Anm. 212), 216 (Anm. 215) Dionysios 212 (Anm. 6) Dretske, Fred 59 (Anm. 120), 62 (Anm. 126) Erikson, Erik H. 142, 178–180 Gadamer, Hans Georg 19 (Anm. 14) Heidegger, Martin 16 (Anm. 10) Henrich, Dieter 179 (Anm. 124), 270 (Anm. 159) Heraklit 32 (Anm. 44) Hobbes, Thomas 52 (Anm. 101), 64 (Anm. 132) Horkheimer, Max 75 (Anm. 161) Hume, David 57 (Anm. 113), 96 (Anm. 47), 147, 150 (Anm. 35), 151 (Anm. 36), 161 (Anm. 65), 171 (Anm. 100), 207 (Anm. 212), 266 (Anm. 147) Husserl, Edmund 154 (Anm. 46) Kant, Immanuel 11 (Anm. 27), 15 (Anm. 4), 16 (Anm. 8), 134 (Anm. 161), 142 (Anm. 18), 177 (Anm. 117), 207 (Anm. 212), 249 (Anm. 103) Kripke, Saul A. 31 (Anm. 41) Leibniz, Gottfried Wilhelm 79 (Anm. 3), 84, 103 (Anm. 70), 142, 178, 216 (Anm. 15) Locke, John 23–25, 27, 32 (Anm. 45), 34– 36, 39 (Anm. 64), 38–48, 58f, 60 (Anm. 121), 64f, 66 (Anm. 138), 67, 73, 103 (Anm. 70), 106 (Anm. 79), 138

300

Register

(Anm. 3), 141 (Anm. 16), 151, 159, 168 (Anm. 89), 173 (Anm. 107), 197 (Anm. 176), 198 (Anm. 180), 205, 217 (Anm. 19), 246 (Anm. 96), 249 (Anm. 103), 256, 266 (Anm. 147) Lombardus, Petrus 212 (Anm. 5) Luhmann, Niklas 181 (130) Malebranche, Nicolas 1, 50 (Anm. 99), 70, 96 (Anm. 47), 100 (Anm. 57), 129 (Anm. 151), 130, 138 (Anm. 3), 159 (Anm. 61), 165 (Anm. 76), 194, 198 (Anm. 180), 250 (Anm. 107), 256f Newton, Isaac 97 (Anm. 48), 125 (Anm. 139), 152 (Anm. 39), 205 (Anm. 201), 216, 261 (Anm. 14), 246 (Anm. 96) Nietzsche, Friedrich 13 (Anm. 28) Ockham, Wilhelm von 14, 18, 188 (Anm. 148) Pannenberg, Wolfhart 143 (Anm. 19), 183 (Anm. 136), 200 (Anm. 186), 216 (Anm. 15), 233 (Anm. 56), 279 (Anm. 159) Parfit, Derek 151 (Anm. 36) Platon/Platonismus 8, 23, 34, 40, 52 (Anm. 100), 66, 80, 118 (Anm. 116),

200 (Anm. 186), 201, 214, 229 (Anm. 47), 254, 256, 258 (Anm. 131), 260 (Anm. 136) Rahner, Karl 200 (Anm. 198), 271 (Anm. 161) Reid, Thomas 65 (Anm. 136) Russell, Bertrand 16 (Anm. 8), 33 (Anm. 48), 54 (Anm. 106), 72 (Anm. 156) Ryle, Gilbert 59 (Anm. 120) Sartre, Jean-Paul 190 (Anm. 155) Scotus, Duns 46 (Anm. 87), 47 (Anm. 88) Searle, John 1 (Anm. 1) Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper 80 Spaemann, Robert 99 (Anm. 54) Spinoza, Baruch de 52 (Anm. 101), 217 (Anm. 19) Suarez 212 (Anm. 6) Whitehead, Alfred N. 129 (Anm. 150), 215 (Anm. 11) Wittgenstein, Ludwig 1 (Anm. 1), 23 (Anm. 22), 42 (Anm. 74), 46 (Anm. 85, 86), 75 (Anm. 164), 82 (Anm. 10), 104 (Anm. 74), 115 (Anm. 110), 190, 196 (Anm. 172), 202 (Anm. 192), 266 (Anm. 146)

301

Sachen

Sachregister Abbild 61, 132, 144ff, 193, 209, 218–222, 227, 281 Abstraktion (s.a. abstrakte Ideen) 30, 38– 50, 60, 64f, 67, 70f, 97, 141, 256 Ähnlichkeit 27, 42, 60f, 66, 139, 143ff, 218, 222, 224–227 Aktivität 21f, 26f, 68f, 76, 91f, 95, 97, 103, 120, 125, 128, 140–143, 150–158, 160f, 167, 170–176, 182, 184–186, 188f, 191f, 194f, 197, 200, 207–209, 211, 216, 218–220, 256, 253, 258, 261, 277, 280f Arbitrarität 6, 41f, 71, 74, 105, 107 (Anm. 82), 110, 125, 180, 183 Archetypen 41, 61 (Anm. 124), 66 (Anm. 139), 94, 121, 151, 222, 255–259, 264 Atheismus 2 (Anm. 2), 12, 18, 51, 53, 73, 76 (Anm. 168), 79, 86, 212 (Anm. 3), 222 Auferstehung 126 (Anm. 143), 143, 199, 203–206, 246 (Anm. 94), 267 (Anm. 149), 274 (Anm. 174) Aufmerksamkeit 26, 43 (Anm. 76), 110, 214, 239, 248 Bewegung 27, 66 (Anm. 138), 74 (Anm. 161), 125, 150, 159, 162f, 165 (Anm. 75), 208, 221, 239f Bild (vgl. auch imago dei) – Bild 49 (Anm. 96), 56, 61f, 139, 145, 147, 209, 218f, 222, 227, 281 – Abbild 59 (Anm. 117), 61, 144f, 209, 218–222, 227 (Anm. 42) – Ebenbild 139, 143–146, 187 (Anm. 144), 197, 200 (Anm. 186), 218–222, 237f, 249, 265, 270, 272 – Urbild 47, 227 (Anm. 42), 256 Christ(en)/Christentum 5 (Anm. 14), 9f, 80–83, 116f, 129 (Anm. 151), 145, 198, 206, 216, 226, 229, 231, 234–236, 239–242, 248 (Anm. 100), 252, 254f, 260f, 266, 263, 269, 271, 282 (Anm. 5) Christus/Christologie 75, 126 (Anm. 143), 214, 231, 234 (Anm. 59), 237 (Anm. 68), 239f, 247, 262–268, 270–272, 275 (Anm. 175), 277

Common Sense 22, 33, 53, 57, 69, 72, 98, 125 (Anm. 141), 167, 170, 177, 184, 229f, 255 Dechiffrierung/Decodierung 100, 115, 129, 136, 140, 166, 169, 172, 205, 208f, 215f, 219 (Anm. 22), 244, 246, 249, 253, 275, 277 Determinismus 128 (Anm. 144), 163 Deismus/Deisten 79f, 83, 113, 120, 122, 128, 141 (Anm. 13), 244, 249 (Anm. 103), 263, 283 Dialog 2, 6f, 9, 66, 87, 89, 104, 106, 111– 116, 119, 130, 132, 134, 136, 169, 191 (Anm. 157), 210, 214–219, 221f, 244f, 246 (Anm. 93), 251, 253–255, 261, 264–266, 279–282 Ding 15–17, 20, 22 (Anm. 21), 24, 26, 28–38, 40–42, 45–47, 51–56, 58f, 62f, 68, 72, 88, 90f, 93, 94 (Anm. 43), 95f, 99 (Anm. 54), 102 (Anm. 68), 104, 116, 119–123, 127 (Anm. 144), 131, 154, 158, 165f, 176 (Anm. 113), 178, 193, 199, 203 (Anm. 195), 238, 248, 255f, 258–261, 272, 283 distinctio formalis 46 (Anm. 87), 142, 189, 197 (Anm. 175) Dreieck 47, 233 Dualismus 14f, 33, 64, 70f, 147 Dynamik 19, 149, 157f, 177–184, 191 (Anm. 159), 208, 227 (Anm. 42), 259 empirisch 16 (Anm. 10), 18, 31 (Anm. 41), 50, 53, 57, 74, 80 (Anm. 6), 88, 100, 118 (Anm. 116), 162 (Anm. 69), 163 (Anm. 71), 168, 179f, 184–188, 190 (Anm. 156), 217, 277 Empirismus 8 (Anm. 23), 23, 25, 108 (86) Engel 145, 264 Entfernung 34, 100, 102f, 170 (Anm. 94) Erinnerung 20, 25, 56–58, 61 (Anm. 124, 125), 103, 196 (Anm. 171) Eschaton 204, 207, 253 (Anm. 118) Existenz – von Dingen/Ideen 15–18, 20, 21, 26, 28–36, 43–46, 51, 53f, 58, 65, 72, 74, 90–93, 98, 116, 147–155, 166, 203

302 (Anm. 195), 228, 254–256, 259–261, 264, – finite(r) Geist(er) 21, 63, 76, 111–114, 140, 143, 155, 159, 171 (Anm. 101), 184, 189–192, 199, 202f, 207f, 227, 245, 264, 272 – Gottes 11, 73, 75f, 78–119, 122, 124, 131, 134, 136, 212, 220f, 231, 247 (Anm. 97), 279 Fiktion 12, 34, 45, 49, 74 Freiheit 50, 79, 82 (Anm. 12), 106, 108 (Anm. 88), 109f, 123, 126, 128 (Anm. 144), 129, 161–167, 174, 184, 216, 239, 260 (Anm. 135), 264 (Anm. 142), 272 (Anm. 163), 275 (Anm. 171) fremdpsychisch 111–113, 139 (Anm. 8), 192, 206 (Anm. 207) Gewissheit 17 (Anm. 10), 53, 58f, 62f, 75, 187, 189f, 191f, 212, 218, 221, 238, 276 Glaube – blinder 64f, 66 (Anm. 140), 71, 73, 212, 234, 243 – christlicher 9f, 13, 80–86, 110, 119 (Anm. 120), 163 (Anm. 71), 206, 211, 213, 228–243, 245, 247, 253, 269f, 275f, 282f Gnade 231–233, 239f, 242, 246 (Anm. 94), 247 (Anm. 96), 253 (Anm. 119), 269, 272, 274 (Anm. 171) Gottes Ebenbild (siehe imago dei) Grammatik 102, 107 (Anm. 81), 106f, 110 (Anm. 95), 115f, 125, 195 (Anm. 170), 198 (Anm. 180), 216 (Anm. 14), 252 Hebräisch 7, 236, 274 (Anm. 174) Heiden (pagan) 126, 130 (Anm. 151), 145f, 231, 261, 280 Heil/Heilsgeschichte 199 (Anm. 181), 206, 236, 252f, 268, 271, 283 Heilige Schrift 4, 10, 116, 119, 126, 130, 135, 224, 235, 241, 244, 250–253, 255, 261, 263–266, 268 (Anm. 152), 269, 271f, 275 (Anm. 175), 276, 278 (Anm. 1) Heiliger Geist 214, 251 (Anm. 109), 269– 271, 274f

Register Herz 214, 215 (Anm. 10), 236, 238–241, 242 (Anm. 80), 252 (Anm. 113), 276f Heterogenität 102f Idealismus 14–17, 23, 29, 43 (Anm. 76), 59 (Anm. 117), 148 (Anm. 30), 151 (Anm. 37) Ideen – abstrakte Ideen 38–50, 202, 257 – allgemein 10f, 18, 20, 23–29, 36, 38, 49f, 56, 58–60, 62, 68, 76, 79, 91f, 98, 103f, 107f, 120, 125–129, 137, 141– 143, 146–154, 164, 169, 172–176, 208f – einfache Ideen 34f, 41f, 65 – göttliche Ideen 215f, 254–262 – Sinnesideen 20f, 25–29, 31f, 33, 48, 51, 54, 58–60, 90, 93, 95f, 98, 101, 105, 110, 112, 114, 125, 128, 131, 152, 154, 157, 163f, 166, 169–171, 173, 176, 186f, 217, 228, 279 – Vorstellungsideen 25f, 28, 58, 127, 152, 157, 160, 164, 166, 186 Ideenbündel 28, 30, 32, 34, 37, 57f, 62, 90, 105, 138, 141, 153, 160, 164, 169, 173f, 199 Ideenfluss 108, 141, 151, 184, 200, 203 Identität – von Dingen 29f, 31 (Anm. 44), 32, 64, 102 (Anm. 68), 258 (Anm. 131) – finiter Geister 12, 140, 142–144, 147f, 151, 155, 172 (Anm. 102), 177–184, 199f, 205, 210, 227 (Anm. 42), 270, 272 Imago (siehe Bild) Imago dei 12, 139, 143–146, 155, 184, 193, 200, 207, 209, 218,221f, 243, 270, 272, 280f Imitatio 222 (Anm. 33), 237f, 277 Immaterialismus 5f, 7 (Anm. 18), 11, 16 (Anm. 9), 19, 23 (Anm. 22), 28, 51–53, 64, 75 (Anm. 163), 76, 88, 93, 100, 116, 141, 154, 184, 254, 262f, 266 (Anm. 148), 277, 279 Induktion 3 (Anm. 6), 57, 102, 226 Inhärenzargument 147–154, 208 Inkarnation 214, 231, 246 (Anm. 94), 252, 266–268, 271f Instrumentalismuskritik 63 (Anm. 128) Intention/Intentionalität 26, 125, 153f, 161, 189, 261

Sachen Intersubjektivität/intersubjektiv 31 (Anm. 44), 46, 53, 133, 169, 191 (Anm. 157), 229, 256, Introspektion 101, 140, 150 (Anm. 35), 158, 160, 176, 186, 192, 208 Kausalität 68, 95f, 99 (Anm. 55), 123– 126, 129, 161 (Anm. 66), 163f Kommunikation – finiter Geister 41, 49 (Anm. 96), 133, 171 (Anm. 98), 246 (Anm. 93) – Gott - finite Geister 99, 105, 107–109, 111–116, 119 (Anm. 123), 130, 132 (Anm. 158), 143, 214, 216f, 246, 267 Kontinuität – der Realität 87–89, 92f, 97, 109, 110 (Anm. 96), 116, 121f, 132, 261 (Anm. 136), 271, 279 – des Selbst 138, 179 Kontradiktion (siehe Widerspruch) Leib-Seele (siehe Dualismus) Liebe 229, 235–241, 270, 273, 276, 282 Logos 266f, 272, 281 (Anm. 4) Materialismus/Materialismuskritik 11, 14f, 23 (Anm. 22), 38, 44, 51, 53, 69 (Anm. 148), 74 (Anm. 160), 75 (Anm. 163), 76, 79, 90, 92 (Anm. 36), 111 (Anm. 98), 149, 152f, 193 (Anm. 164), 248 (Anm. 101), 257, 266 (Anm. 148) Materie 2, 15, 34 (Anm. 52), 50, 52f, 63 (Anm. 127), 64–74, 76, 93, 104, 127 (Anm. 144), 149, 263 Mathematik 4, 8, 189, 224 Metaphysik 3 (Anm. 7), 12, 13 (Anm. 28), 16 (Anm. 7, 10), 22 (Anm. 21), 43 (Anm. 76) 66, 75, 92 (Anm. 36), 118, 119 (Anm. 116), 125 (Anm. 139), 184 (Anm. 139), 191 (Anm. 157), 197 (Anm. 175), 267 (Anm. 148), 281 (Anm. 3), 283 Monismus 29 (Anm. 37), 150 (Anm. 35) Nächstenliebe 222 (Anm. 31), 234f, 237, 276f, 271, 282 Naturgesetze 79, 97, 107, 110 (Anm. 95), 116, 122, 125, 126, 165f, 169, 201 Naturwissenschaft 5 (Anm. 14), 37 (Anm. 59), 77, 107 (Anm. 81), 125, 127

303 (Anm. 144), 140 (Anm. 9), 215 (Anm. 11), 216f, 231–234, 242 (Anm. 81), 247 (Anm. 97), 282f Neuplatonismus 171 (Anm. 98), 268 (Anm. 153) Neurowissenschaften/Neuro-Debatte 127 (Anm. 145), 141 (Anm. 13) Nominalismus 40, 44 Notion 48 (Anm. 94), 73, 96 (Anm. 47), 118 (Anm. 116), 139 (Anm. 7), 142, 147 (Anm. 29), 185–198, 219–222, 232 (Anm. 55), 249, 281 Objektivität (objektiv) 16, 23, 34f, 36 (Anm. 57), 41, 65, 75 (Anm. 164), 79, 85, 158, 162, 169, 184f, 189, 194, 202, 205 (Anm. 202), 209, 227 (Anm. 42), 248 (Anm. 102), 281 Offenbarung 7, 12, 80, 85, 119, 168 (Anm. 86), 169 (Anm. 91), 214f, 217, 231, 243–254, 267–269, 271, 276, 279f, 283 (Anm. 8) Ockham’s razor 14, 18 Okkasionalismus 70f, 124, 129f, 165 (Anm. 76), 256 (Anm. 129), 257 (Anm. 129) Optik 5, 100 Paradoxon 55, 83, 170, 203 Pantheismus 68, 132 (Anm. 155), 217, 246 Passivität (passiv) 21f, 27, 68f, 76, 87, 89 (Anm. 29), 91, 93f, 98, 103, 117 (Anm. 115), 125, 141f, 147, 149 (Anm. 34), 150, 158, 160–162, 169–176, 182, 187 (Anm. 147), 219, 200 (Anm. 186), 244–246, 253, 280 Person – finiter Geist 111, 113, 139, 141 (Anm. 15), 142, 144, 159 (Anm. 62), 162 (Anm. 69), 178–180, 183, 185, 199, 209, 244 (Anm. 87) – Gottes 11f, 112–116, 118–120, 122, 131, 134f, 213–215, 217, 269–271, 273–275, 279 Phänomenalismus 80 (Anm. 5) Platonismus (siehe Platon) Praxis 9, 13, 78, 233f, 236, 253, 273, 277 Predigten 8f, 215, 229, 235

304 Rationalismus 167 (Anm. 85) Raum 40, 116, 176, 228, 56 (Anm. 109), 102 (Anm. 65, 68), 125 (Anm. 139), 152 (Anm. 39), 255 (Anm. 123) Realismus 12, 15f, 19, 22, 28f, 34f, 43 (Anm. 77), 53, 59 (Anm. 120), 61 (Anm. 124), 81, 148 (Anm. 30), 189 (Anm. 149), 214, 262f, 283 Relationen – des finiten Geist 124, 137, 141f, 156, 158, 169, 182, 184f, 188f, 196f – finiter Geist - Ideen/Realität 11, 15, 18– 22, 26, 29, 31, 36f, 51, 60, 62f, 77f, 105, 137, 140f, 143, 146, 151, 153, 163, 169, 173f, 177, 191, 194, 203, 259 – Gottes 214, 270, 275 – Gott - finiter Geist 12, 78, 130, 136, 139f, 143f, 163, 166, 168, 176, 187, 200, 206, 218f, 222, 224f, 227, 243, 249, 263, 265, 273, 276 – Gott - finiter Geist - Realität 10, 78, 81, 106, 119, 208, 214, 245, 248, 263, 265, 278–283 – Gott - Realität 83, 118, 272, 275 – Zeichen/Sprache 6, 41, 50, 99, 107f, 209 Repräsentation (vgl. auch Abbild) 3 (Anm. 6), 39f, 53, 58–63, 68, 132, 141, 186, 256, 260 (Anm. 136), 261 Rezeption 91, 142, 169f, 172–176, 182, 200 (Anm. 186), 208, 216, 245, 253 Schlaf 202–204 Scholastik 38 (Anm. 61), 52 (Anm. 100), 64 (Anm. 132), 85 (Anm. 13), 95, 125, 212 (Anm. 5), 224, 235 Schöpfung 12, 22, 27f, 52, 66, 79–81, 83, 91, 100, 109, 120, 122, 124, 132f, 135, 143, 146, 166, 185 (Anm. 142), 208, 213f, 252, 254, 262–266, 272f, 274 (Anm. 171), 275, 277 Seele 63 (Anm. 127), 66 (Anm. 138), 81 (Anm. 8), 185, 186 (Anm. 143), 189 (Anm. 151), 196, 198–208, 220, 222, 225, 240 (Anm. 76) Skeptizismus 16, 18, 30, 33 (Anm. 47), 51–55, 59 (Anm. 120), 60, 73, 75 (Anm. 163, 165), 79, 187, 193 (Anm. 163), 211, 231, 277

Register Sprache – Alltagssprache 1f, 26, 31, 46, 106 (Anm. 79), 165 – Sprache Gottes 3 (Anm. 5), 6f, 21, 87 (Anm. 25), 99–11, 113–116, 121f, 125, 128–133, 136, 143, 159, 166, 169, 209, 214f, 216 (Anm. 16), 217 (Anm. 20), 219 (Anm. 22), 228, 229 (Anm. 47), 236 (Anm. 62), 244, 246, 251, 264, 265 (Anm. 146), 268 (Anm. 152), 271, 279, 281 – Sprache – Ideen/Wirklichkeit 1, 23 (Anm. 22), 31f, 37 (Anm. 59), 38f, 41f, 44–46, 49, 76, 158 (Anm. 59), 195 (Anm. 170), 209, 216 (Anm. 13), 225 (Anm. 39), 228, 267f, 281 Substanz – immateriell 21, 28 (Anm. 37), 63f, 68, 92, 94f, 139–142, 144, 147–155, 157f, 171, 177, 181f, 184–186, 190, 196, 198, 201, 207f, 213, 218, 220, 248, 257, 259, 267 (Anm. 148), 269f – materiell 11 (Anm. 26), 18 (Anm. 12), 36f, 52, 64–69, 90, 147, 150–152, 158 (Anm. 58), 190 (Anm. 154), 196 (Anm. 173), 199, 257f, 261, 263, 267 (Anm. 148) Suggestion 56 (Anm. 108), 103f Sünde 109 (Anm. 90), 145f, 168, 219, 222 (Anm. 32), 247 (Anm. 96), 274 (Anm. 174), 281 Symbol 8 (Anm. 22), 106 (Anm. 78), 108, 112, 126 (Anm. 143) 227, 241, 270 (Anm. 159 Täuschung – der Sinne 24, 54f, 257 – des Selbst 191f, 238, 241 Taufe 231 (Anm. 51), 240 (Anm. 76) Theismus 66, 73, 76 (Anm. 168), 79f, 88, 92 (Anm. 35), 117 (Anm. 115), 118 (Anm. 117), 122 Triade/triadisch 142, 145, 155f, 185, 189, 197, 207, 218, 268 (Anm. 153), 269 Trinität 12, 144f, 214, 246 (Anm. 94), 247 (Anm. 96), 268–275 Umbuchung 103 Universalien 41 (Anm. 70), 139 (Anm. 6)

Sachen Ursache 18 (Anm. 12), 27, 59, 68–70, 74, 82, 87 (Anm. 24), 88 (Anm. 26), 91– 99, 105, 112, 116, 119–122, 124–130, 160, 164f, 190 (Anm. 155), 199 (Anm. 182), 227, 258, 260 (Anm. 135), 262, 266, 274, 280 Vernunft 7, 85, 111, 120, 123, 133, 146, 167–169, 171, 211, 213, 215 (Anm. 10), 221 (Anm. 29), 225, 229–231, 234f, 237, 239 (Anm. 71), 242, 244– 252, 264, 269 (Anm. 154), 276f, 279f, 283 Verstand – göttlicher 120, 122, 131, 133, 135f, 255 – menschlicher 24, 33 (Anm. 48), 37, 41, 49f, 55–58, 61 (Anm. 124), 76, 78, 80, 103, 120, 141, 146, 155–159, 161, 163, 167–171, 175 (Anm. 112), 185, 192, 196, 207–209, 212, 218, 221 (Anm. 28), 230, 232f, 238f, 241, 245 (Anm. 92), 247 (Anm. 97), 248 (Anm. 102), 269, 277 Wahrheit 23, 59, 62, 66, 74 (Anm. 161), 75 (Anm. 165), 84 (Anm. 19), 85, 107f, 168 (Anm. 86), 233 (Anm. 56), 242, 244 (Anm. 87), 247, 277 Weltbild – immateriell 11 (Anm. 26), 49, 93, 161 (Anm. 66), 255 – materiell 11 (Anm.26), 36, 75 (Anm. 163) – sonstige 16 (Anm. 10), 17 (Anm. 10), 52, 74 (Anm. 161), 77, 183f, 205 (Anm. 201), 215 (Anm. 12) Widerspruch/Kontradiktion 27, 37, 55, 60, 64, 91f, 115 (Anm. 111), 152, 169 (Anm. 90), 170, 172f, 180f, 191 (Anm. 156), 213, 232f

305 Wille – göttlicher 26, 70, 91, 93, 96 (Anm. 47), 97–99, 104, 120f, 123, 125, 127–129, 131–133, 135f, 165f, 198 (Anm. 180), 227, 236, 239, 252 (Anm. 113), 253, 258, 261, 264f, 271, 273, 275–277 – menschlicher 28, 95, 104 (Anm. 72), 120, 123, 125, 146, 155–167, 171, 174f, 176 (Anm. 112), 185, 192, 207– 209, 218, 240. Wissen – göttliches 91f, 98, 105, 131f, 135, 187 (Anm. 144), 225, 227, 246 (Anm. 95), 258f, 261 (Anm. 136), 264 – menschliches 9, 13, 15, 17, 27, 29, 42 (Anm. 75), 48, 53, 58, 60–62, 73, 75f, 78, 92, 115–118, 122, 137, 141f, 145, 170, 185–195, 208, 210, 215, 218, 220 (Anm. 26), 223 (Anm. 35), 225f, 229, 235–239, 242f, 246f, 268 (Anm. 153), 271, 273, 277, 280 Wissenschaftstheorie 2 (Anm. 5), 3, 8, 16, 57, 74, 81, 95, 110 (Anm. 96), 119 (Anm. 123), 170 (Anm. 94) Wunder 126 (Anm. 143), 129, 132, 247 (Anm. 97) Zeichen 6f, 8 (Anm. 22), 21, 39f, 46, 50, 60 (Anm. 122), 76, 86 (Anm. 22), 99– 117, 123f, 128, 131, 159, 169, 171 (Anm. 99), 198 (Anm. 180), 209, 215– 218, 228, 240, 244, 246, 253 (Anm. 116, 117), 262, 264–266, 268, 275f, 279–281, 283 Zeit 40, 56 (Anm. 109), 57 (Anm. 113), 125 (Anm. 139), 152 (Anm. 39), 154, 178–180, 200–205, 207, 228, 236 (Anm. 62), 238 (Anm. 69), 253 (Anm. 118), 254, 264 (Anm. 143)