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German Pages [176] Year 2009
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525533925 — ISBN E-Book: 9783647533926
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments In Verbindung mit der Stiftung »Bibel und Orient« der Universität Fribourg/Schweiz herausgegeben von Max Küchler (Fribourg), Peter Lampe, Gerd Theißen (Heidelberg) und Jürgen Zangenberg (Leiden)
Band 82
Vandenhoeck & Ruprecht
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Stefan Schreiber
Weihnachtspolitik Lukas 1–2 und das Goldene Zeitalter
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Inhalt
Vorwort ......................................................................................................... 9 Einführung................................................................................................... 11 1. Text und Methode ................................................................................. 15 1.1 1.2
Ein erster Blick: Der Plot der lukanischen Geburtsgeschichte ...................................................................... 15 Zeitgeschichte und Interpretation............................................... 21
2. Das Goldene Zeitalter ........................................................................... 25 2.1 Kulturtheorie .............................................................................. 25 2.2
Augustus und die Rhetorik des Goldenen Zeitalters.................. 28 2.2.1 Voraussetzung: Politische Stabilisierung unter Augustus ........................................................... 28 2.2.2 Die Säkularfeier im Jahr 17 v.Chr. ............................ 29 2.2.3 Dichtung unter Augustus ........................................... 30 2.2.4 Die mediale Präsenz des Goldenen Zeitalters............ 35 2.2.5 Die Verbreitung der Vorstellung ............................... 44
2.3
Das Goldene Zeitalter in der Zeit nach Augustus ...................... 46 2.3.1 Seneca ........................................................................ 46 2.3.2 Calpurnius Siculus ..................................................... 47 2.3.3 Lukan ......................................................................... 49 2.3.4 Carmina Einsidlensia ................................................. 50 2.3.5 Ausblick ..................................................................... 53 Exkurs: Frühjüdische Analogien................................................ 53 Die Form: Vom Goldenen Zeitalter künden .............................. 54 Die Topik: Grundelemente des Goldenen Zeitalters ................. 56
2.4 2.5
3. Der neue Weltherrscher in der lukanischen Geburtsgeschichte ................................................................................. 63 3.1 Jesu Weltherrschaft als Goldenes Zeitalter................................ 64
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Inhalt
3.2
Weltherrschaft – einmal anders.................................................. 68 3.2.1 Die Kontrastfigur: Jesus............................................. 69 3.2.2 Geschichtsmacht: Der Gott Israels ............................ 70 3.2.3 Das Herrschermodell ................................................. 72 3.2.4 Traditionsbindung ...................................................... 74 3.2.5 Die soziale Option...................................................... 75
3.3 3.4
Narrative Christologie................................................................ 77 Politische Kritik und Bewusstseinsbildung ............................... 78
3.5
Anfänge gestalten – der Anstoß für die lukanische Geburtsgeschichte ...................................................................... 81
4. Politik und Theologie bei Lukas ........................................................... 84 4.1
4.2
Zur Diskussion ........................................................................... 84 4.1.1 Lukasevangelium ....................................................... 84 4.1.2 Apostelgeschichte ...................................................... 88 Politische Opposition bei Lukas ................................................ 91
4.3
Neuanfang und Kontinuität ........................................................ 96
Nachwort ................................................................................................... 103 Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter aus der Zeit des frühen Prinzipats ............................................ 105 Horaz, Carmen saeculare.......................................................... 106 Horaz, Epode 16 ....................................................................... 110 Horaz, Carmina 4,5 und 4,15.................................................... 112 Vergil, Ekloge 4........................................................................ 116 Vergil, Aeneis 6,788–807......................................................... 120 Inschrift von Halikarnassos ...................................................... 122 Kalenderdossier aus Kleinasien/Inschrift von Priene............... 122 Velleius Paterculus, Historia Romana 2,89.126....................... 126 Seneca, Apokolokyntosis 4,1f .................................................. 128 Seneca, De clementia 2,1,3f ..................................................... 130 Calpurnius Siculus, Eklogen 1, 4 und 7 ................................... 132 Lukan, De bello civili 1,33–66 ................................................. 148 Carmen Einsidlense 2 ............................................................... 150 Sueton, Augustus 94f................................................................ 152
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Inhalt
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Bibliographie............................................................................................. 160 Abbildungsnachweis ................................................................................. 168 Stellenregister............................................................................................ 169
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Vorwort
Die vorliegende Untersuchung ging aus einer Vorlesung zum Lukasevangelium hervor, die ich im Wintersemester 2007/08 an der Universität Münster gehalten habe. Ich greife darin eine Spur auf, die Michael Wolter vor einigen Jahren gelegt hat, indem er die Hirten der »Weihnachtsgeschichte« mit der Hirtendichtung des Calpurnius Siculus in Verbindung brachte. Diese Linie ausziehend, stieß ich auf eine Reihe weiterer »politischer« Texte aus der frühen römischen Kaiserzeit, die nach meiner Wahrnehmung auffallende Übereinstimmungen mit Elementen der lukanischen Geburtsgeschichte aufweisen. Auf dem Hintergrund der politischen Rhetorik des »Goldenen Zeitalters«, die sich in diesen Texten der kaiserzeitlichen Literatur findet, ergeben sich geschichtliche Rezeptionsperspektiven für die Geburtsgeschichte des Lukas. Eine politische Interpretation legt sich nahe und wird in den folgenden Kapiteln entfaltet. Am Anfang dieses Buches danke ich meinen Münsteraner Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu seiner Entstehung beigetragen und mich bei der Arbeit unterstützt haben: Mit Literatur versorgten mich Frau Hanna Mehring und Frau Sandra Höltken, die, zusammen mit Frau Elfriede Brüning, auch das Register erstellten; alle drei haben sich zudem um die Gestaltung des Quellenanhangs verdient gemacht. Herr Dipl.-Theol. Thomas Schumacher bearbeitete die Abbildungen am Computer. Frau Dipl.-Theol. Eva Rünker übernahm die Rolle der kritischen Erstleserin. Ganz herzlichen Dank für alle Hilfe und Bereicherung und für die erfrischende Zusammenarbeit! Den Herausgebern danke ich herzlich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe NTOA und für einen namhaften Druckkostenzuschuss. Münster, im Mai 2009
Stefan Schreiber
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Einführung
Look for the promised land in all of the dreams we share How will we know when we are there? How will we know? Only a fool would say The Alan Parsons Project1 Von der Idee eines paradiesischen Lebens bis zu der eines Goldenen Zeitalters hat man sich für den Frieden stets eingesetzt in der Annahme, es handle sich um die Wiederherstellung einer ursprünglichen Lebenslage der Menschheit (in der sogar Frieden zwischen Mensch und Tier herrschte), die irgendwann durch einen Akt des Hasses und der Gewalt zerstört worden sei. Aber vergessen wir nicht, daß Heraklit gegenüber den Mythen vom Goldenen Zeitalter die Klarsicht hatte zu sagen, wenn alles fließt, dann sei Krieg »die Regel der Welt und der Vater aller Dinge«. [...] Die großen Friedenszeiten waren stets das Ergebnis einer militärischen Übermacht. Umberto Eco2
Die politische Stabilität in den westlichen Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Welt als ganze in etlichen sogenannten Krisengebieten gegenwärtig von Krieg und Bürgerkrieg erschüttert ist. Ein globaler Friede ist bis heute eine Vision geblieben. Und mancher überregionale Friede basiert auf dem Prinzip einer politischen Pragmatik, die Unruhen mit den Mitteln militärischer Überlegenheit schlicht zu unterdrücken bereit ist. Der heute häufiger zu hörende Begriff der Pax Americana sucht aus einer kritischen Perspektive heraus diesen politischen Sachverhalt zu beschreiben. Dabei bezieht der Begriff seine semantische Schärfe aus dem Anklang an die aus der römischen Geschichte bekannte Rhetorik der Pax Romana, die wir heute als ausgesprochen ambivalentes Phänomen wahrnehmen: Was aus der Sicht »Roms« als ein in Frieden geeintes Welt-Imperium erschien, konnte von manch befriedetem 1 »La Sagrada Familia«, aus dem Album Gaudi (1987); Musik & Text: Alan Parsons, Eric Woolfson; © Universal Music-Careers, Woolfsongs Ltd., Musik Edition Discoton GmbH (Universal Music Publishing Group). 2 U. ECO, Krebsgang 40f (© 2007 Carl Hanser Verlag, München).
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Einführung
Volksstamm nur als Unterdrückung aufgefasst werden. Das Label Pax Americana stellt trotz der grundlegenden Unterschiede eine Verbindung her zwischen der politischen Struktur und der Außenpolitik des römischen Prinzipats einerseits und der US-amerikanischen Regierung andererseits. Dies ist nun geschichtshermeneutisch insofern interessant, als offenbar vergleichbare Grundstrukturen staatlichen Handelns seitens der Machthabenden auch über eine weite historische Distanz hinweg beschreibbar sind. Das aber ermutigt auch zu einem erneuten Blick auf die Geschichte, wenn man an der reflektierten Wahrnehmung der eigenen politischen Gegenwart interessiert ist. Blickwechsel. Für den Großteil der Menschen ist Friede eine Sehnsucht, und selbst wo Gesellschaften längerfristig frei von militärischer Gewalt sind, bleibt Friede eine atmosphärische Wunschstimmung, wie in unserem Kulturkreis die anhaltende Beliebtheit des Weihnachtsfestes – auch dort, wo tiefer reichende christliche Wurzeln unterbrochen sind – belegt. Utopische Visionen lassen sich mit dem Wunsch nach Frieden verbinden, und die darin kanalisierte existentielle Sehnsucht nach einem glücklichen und umfassend heilen Leben kommt nirgends eindrücklicher zum Ausdruck als in vielfältigen Dichtungen und Liedern. Und wieder lassen sich auffallende Analogien bei den Dichtern im Rom der frühen Kaiserzeit erkennen. Sprechen wir also über allgemein-anthropologische Phänomene? In der kleinen Studie, die ich hier vorlege, interessiert mich spezifischer die Möglichkeit einer christlichen Haltung zum Thema Friede. Die genannten Linien, die unsere Gegenwart mit der Zeit der Pax Romana verbinden, führen zurück zu den Anfängen des Christentums. Ich möchte zeigen, dass die Schriften der ersten Christengenerationen die ihre Lebenswelt prägende Pax Romana keineswegs ignorierten – auch wenn sie sich nicht in thematischen Abhandlungen damit auseinandergesetzt haben –, sondern auf ihre Weise Stellung bezogen und sogar Handlungsperspektiven entworfen haben. Diese Form einer kulturellen Interaktion meine ich an der lukanischen Geburtsgeschichte beobachten zu können – unserer »Weihnachtsgeschichte«, deren idyllischer Anstrich einen ausgeprägten Realitätssinn für die Verhältnisse der zeitgenössischen Kultur zu verdecken droht. Den Umgang der Geburtsgeschichte mit der politischen Realität versuche ich aus dem Text und seiner narrativen Gestaltung zu vergegenwärtigen. Es handelt sich dabei um eine historische Rückschau, die ihren Wert zuerst in sich selbst trägt und von der wir keine unmittelbaren Lösungen für politische Probleme unserer Zeit erwarten dürfen. Wenn eine Perspektive für einen christlichen Denk- und Verhaltensansatz sichtbar wird, ist schon viel erreicht; daran kann eine Hermeneutik anknüpfen.
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Einführung
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Meine Untersuchung geht dazu in vier Schritten vor. Zunächst wird die lukanische Geburtsgeschichte in ihrer narrativen Struktur (Plot) und formgeschichtlichen Gestaltung näher in den Blick genommen, woran sich eine Klärung meiner methodologischen Grundlagen anschließt. In einem zweiten Schritt erarbeite ich die Konzeption des Goldenen Zeitalters und ihre politische Funktion in der frühen römischen Kaiserzeit. Drittens betrachte ich die Rezeptionsmöglichkeiten der lukanischen Geburtsgeschichte auf dem Hintergrund des Goldenen Zeitalters, wozu formale und inhaltliche Elemente in Beziehung zueinander gesetzt werden. Schließlich stelle ich einige Folgerungen zur Diskussion, die sich – über die Texteinheit Lukas 1–2 hinaus – auf das gesamte lukanische Doppelwerk beziehen und eine neue Bewertung des »politischen Lukas« bedeuten. Als Arbeitsinstrument gedacht ist ein ausführlicher Quellenanhang, der nahezu alle für die Konzeption des Goldenen Zeitalters einschlägigen Texte aus der frühen römischen Kaiserzeit in der Originalsprache und in deutscher Übersetzung zur Verfügung stellt.
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1. Text und Methode
1.1 Ein erster Blick: Der Plot der lukanischen Geburtsgeschichte Die Anfangserzählung des Lukasevangeliums, die dem Proömium (Lk 1,1– 4) folgt, ist ausgesprochen kunstvoll strukturiert, indem sich zwei Erzählstränge neben- und miteinander entwickeln. Dabei steuert Lukas das Geburtsthema zielsicher an: Das negative Merkmal, kinderlos zu sein, steht im Fokus der Einführung des jüdischen Ehepaars Zacharias und Elisabet in Lk 1,5–7, und verschärfend scheint die Kinderlosigkeit auch für die Zukunft festgeschrieben, ist doch Elisabet unfruchtbar, und beide Ehepartner sind »vorgerückten Alters«. Das Merkmal der Kinderlosigkeit wiederholt sich wenig später bei der Einführung einer zweiten Frau (1,26f), biographisch nahezu das Gegenteil der ersten, jung, verlobt und entsprechend den Erwartungen der Zeit Jungfrau (1,27.34). Auch wenn die Situation bei ihr weniger dramatisch erscheint, liegt auch bei ihr der Gedanke an ein Kind in der erzählten Welt gegenwärtig noch fern. In beiden Fällen kündet ein Engel als Bote aus der himmlischen Welt die Geburt eines Jungen an, und wunderbar erfüllt sich die Verheißung: Gott macht die alte, unfruchtbare Elisabet fruchtbar; Gottes Geist bewirkt die Zeugung bei der Jungfrau Maria. Die besonderen Umstände der Geburten des Johannes und des Jesus werden im Anschluss erzählt. Eine Begegnung der beiden schwangeren Frauen realisiert zuvor narrativ die Beziehung der beiden Kinder zueinander (1,39–56). Die Entsprechung von Johannes und Jesus tritt als wesentliches Kompositionsprinzip der Erzählung hervor.1 Das Verhältnis der beiden noch ungeborenen Jungen wird in 1,41–44 bestimmt: Als Maria Elisabet besucht, nimmt Elisabet eine freudige Bewegung ihres Kindes im Mutterleib wahr. Man könnte von einem ersten prophetischen Zeugnis des Johannes über Jesus und die mit ihm anbrechende Zeit des Heils und der Freude sprechen, das noch pränatal erfolgt (vgl. später 3,16f; 7,26f).2 Ein Bedeutungsgefälle zeichnet sich ab, 1 Von diesem Kompositionsprinzip aus werden die meisten Strukturanalysen vorgenommen; vgl. die Hinweise bei M. WOLTER, Lukasevangelium 71, der selbst freilich eine an Erzählphasen (Lk 1: 71f) bzw. topographischen Angaben (Lk 2: 119) orientierte alternative Gliederung entwirft. 2 M. WOLTER, Lukasevangelium 97 versteht die Textaussage des Strampelns auf die Erfüllung der Ankündigung von 1,15c und den »Ausdruck eschatischen Jubels« beschränkt, da Jesus »szenisch überhaupt nicht präsent« sei. Aber die Hinweise auf die Leibesfrucht in 1,42 und die
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Text und Methode
wenn Elisabet Maria und deren Kind preist und sie als »Mutter meines Herrn« bezeichnet. Damit ist keine Abwertung des Johannes verbunden, sondern eine vergleichende Hervorhebung Jesu im Sinne einer antiken Synkrisis, also eines Vergleichs zweier Persönlichkeiten; bekannt für dieses Verfahren sind Plutarchs Parallelbiographien.3 Das gemeinsame Ziel der Erzählungen über die beiden Jungen, deren Geburt Lukas charakterisiert, besteht in der Freude über das anbrechende neue Heil. Die Erzählung setzt nur den Jesus-Strang fort, indem sie zwei Episoden anschließt, die die beiden ersten Begegnungen Jesu mit dem Tempel schildern – als Säugling und als Zwölfjähriger. Orientiert man sich an Personen, Ort und Zeit der Handlung, kann der Plot in einem Schema zusammengefasst werden: Geburtsankündigung Johannes 1,5–25 Engelbotschaft 1,13–17 (Prophet Israels)
Geburtsankündigung Jesus 1,26–38 Engelbotschaft 1,30–33 (König Israels)
Geburt Johannes 1,57–80
Begegnung Maria/Elisabet = Jesus/ Johannes 1,39–56 Lied der Maria 1,46–55 (Zeitenwende pro Israel)
Lied des Zacharias 1,68–79 (Prophetie: neue Herrschaft – Prophet Israels)
Lied der Engel 2,14
Säugling Jesus im Tempel (Simeon/Hanna) 2,22–40
zwölfjähriger Jesus im Tempel 2,41–52
(Friede potentiell bei allen Menschen)
Lied des Simeon 2,29–32
Jesus selbst spricht
Geburt Jesus 2,1–21
(Licht für Israel und Völker)
In formgeschichtlicher Hinsicht liegen Geschichten über Geburt und Herkunft einer Person vor. Enge Entsprechungen bietet das aus alttestamentlichen Erzählungen bekannte Formschema von Geburtsankündigung und Geburt eines Sohnes trotz des Erschwernisses der Unfruchtbarkeit der MutMutter des Herrn in 1,43 schaffen die erzählerische Präsenz Jesu, und gerade die Verbindung zur Geistbegabung vom Mutterleib an, die in 1,15c Johannes verheißen wird, fügt sich stimmig zur frühen prophetischen Tätigkeit. 3 Dazu C.G. MÜLLER, Prophet (2001).
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Text und Methode
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ter. Es begegnet bei Isaak als Sohn von Abraham und Sara (Gen 17,15–22; 18,1–15; 21,1–8), Simson als Sohn von Manoach und seiner Frau (Ri 13,2– 24) und Samuel als Sohn von Elkana und Hanna (1 Sam 1–2).4 Die zentralen Motive finden sich in den lukanischen Geburtserzählungen wieder: kinderlose (unfruchtbare) Frau, Auftreten Gottes bzw. eines Beauftragten, Ankündigung der Geburt eines Sohnes (Schwangerschaft), Festlegung des Namens, Verheißung der großen Zukunft des Sohnes, Geburt und Namensgebung. Die Erzählelemente eines angesichts menschlicher Erfahrung berechtigten Einwandes, einer diesen überwindenden Erklärung und eines dazugehörigen Zeichens schaffen eine Verbindung zu einer weiteren bekannten Form: der Berufungserzählung.5 Die Funktion der literarischen Form einer Geburtsankündigung besteht darin, mit der von Gott selbst initiierten Geburt eines bedeutenden Kindes eine starke Zukunftsperspektive zu entwickeln: Gott unternimmt nun einen entscheidenden Schritt in der Geschichte mit seinem Volk. Wenn das Lukasevangelium, was in der Forschung diskutiert wird,6 zur antiken Literaturgattung der »Biographie« (quellensprachlich genauer: Ȗտȡȣ bzw. vita) gehört, dann besitzen in diesem Rahmen die Geburtsgeschichten programmatische Funktion, indem sie die spätere Bedeutung des jungen Helden in ihrer Grundlegung und ihrer vorherbestimmten Ausprägung zeigen. Nach Sueton beispielsweise lässt bereits die Geburt des Augustus seine »künftige Größe und fortwährendes Glück erkennen«.7 Proprium von Lk 1–2 ist die auffallend hohe Präsenz lyrischer Stücke. Engelsbotschaften und Hymnen bzw. Prophetien beinhalten große Voraussagen und Prophezeiungen über die Zukunft der beiden Jungen. Walter Radl hält als Merkmal der Erzählung den »Wechsel zwischen Prosa und lyrischen Abschnitten« und »die zentrale Stellung der Botschaften und Weissagungen« fest.8 Die Verteilung der lyrischen Stücke auf die einzelnen Abschnitte der Geburtsgeschichte und ihre inhaltliche Spitzenstellung erweisen sie als formales Strukturmerkmal. Die vom Geist Gottes geschenkte Inspiration und prophetische Begabung der Sänger/innen öffnet globale 4
Mit weiteren Beispielen W. RADL, Evangelium nach Lukas 43f; vgl. J. KREMER, Lukasevangelium 26f. 5 Beispiele sind Ex 3,7–12 (Mose), Ri 6,11–24 (Gideon), 1 Sam 9,17–10,7 (Saul), Jer 1,4–10 (Jeremia). 6 Vgl. W. RADL, Evangelium nach Lukas 17–19; R.A. BURRIDGE, Gospels 185–212; D. FRICKENSCHMIDT, Evangelium 478–500; M. EBNER, Von gefährlichen Viten (2008). Zur Diskussion um die Gattung und ihre Anwendung auf neutestamentliche Schriften B. MCGING/J. MOSSMAN (Hg.), Limits (2006). Die Eigenheit des Lukasevangeliums innerhalb der Gattung Biographie betont M. YTTERBRINK, Third Gospel (2004). 7 Suet. Aug. 94,1; Übersetzung: H. MARTINET. 8 W. RADL, Ursprung 32.42; DERS., Evangelium nach Lukas 39.41.
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Text und Methode
Sinndimensionen und Zusammenhänge. Interessant sind damit verbundene inhaltliche Doppelungen: Wiederholt ergeht die Vorhersage der Bedeutung Jesu, und immer wieder neu löst sie Staunen aus, obwohl die Inhalte doch längst bekannt sein müssten (vgl. 1,31–35 Engel – Maria; 2,10–14.17f Engel – Hirten, Hirten – Eltern Jesu; 2,29–32.33 Simeon – Eltern Jesu; weiter 2,48: Maria versteht immer noch nicht). Daher erscheint eine analytische Unterscheidung zwischen Prosastücken und lyrischen Stücken methodisch sinnvoll,9 indem aus den Liedern eine Deutung zu erwarten ist, die über das erzählte Geschehen hinausweist. Besondere Aufmerksamkeit haben dabei seit jeher die beiden »großen« Lieder der Geburtsgeschichte gefunden, das Lied der Maria (in der christlichen Tradition gemäß dem ersten Wort der lateinischen Übersetzung als Magnifikat bezeichnet: 1,46–55) und das Lied des Zacharias (Benediktus: 1,68–79). Im Erzählfluss, im Fortschritt der Handlungsstationen stellen sie Atempausen dar, die Raum zum Innehalten und Hören auf die tiefere Deutung des erzählten Geschehens gewähren. Sie greifen dabei weit über die erzählte Situation hinaus und eröffnen so neue Horizonte, um die Wirklichkeit wahrzunehmen. Nachdem die überraschende Geburt zweier Jungen angekündigt ist, treffen sich die beiden Mütter in spe, und das Magnifikat enthüllt auf psalmodierende Weise die mit den Kindern verbundene Heilserfahrung. Die persönliche Betroffenheit der Maria weitet sich dabei zu einem Lobpreis des heilwirkenden Gottes Israels. Die Struktur lässt sich in zwei Hauptteilen erfassen, denen eine persönliche Eröffnung des Liedes durch die Sprecherin vorausgeht:10 Eröffnung 1,46b.47 I. Gottes (heilschaffendes) Handeln an der Sprecherin des Liedes 1,48.49a endet in einer (überleitenden) allgemeinen Qualifizierung Gottes 1,49b.50 II. Gottes (Gerechtigkeit schaffendes) Handeln an bestimmten Menschengruppen 1,51–53 und seine barmherzige Bundestreue gegenüber ganz Israel 1,54f
Das Benediktus folgt auf die Erzählung der Geburt des ersten Jungen und der ungewöhnlichen Umstände seiner Namensgebung, doch so, dass durch eine Notiz über die Verbreitung der Kunde von dieser Geburt und der damit verbundenen Hoffnung auf eine große Zukunft des Kindes bereits ein Ab9 Vgl. R. DILLMANN/C. MORA PAZ, Lukasevangelium 23: Die »vier Hymnen besitzen gegenüber der Erzählung eine gewisse Unabhängigkeit«. Zum »Kontextabstand« der Hymnen vgl. N. LOHFINK, Lieder 392–398 (Zitat 393), der darin eine Parallele zu einigen alttestamentlichen Liedern erkennt (vgl. 387–391). 10 Zu dieser Gliederung vgl. M. WOLTER, Lukasevangelium 100f; eine Zweiteilung präferiert auch W. RADL, Evangelium nach Lukas 71f (mit 1,46b.47 und 1,54f als Rahmung).
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schluss erreicht war (1,65f). Damit liefert das Lied des Vaters Zacharias eine Deutung des Gesamtgeschehens, in das die Geburt des Johannes eingeordnet ist. Dieser Absicht entspricht auch der Aufbau des Liedes, der sich von einem allgemeinen, aus der Tradition Israels gespeisten Blick auf Gottes Heilswirken über die konkrete Aufgabe des neugeborenen Kindes bis zur glänzenden Zukunft, die durch eine metonymisch verschlüsselte Gestalt (»Aufgang«) heraufziehen wird, entwickelt.11 Plausibel erscheint mir daher eine in der Forschung eher unübliche Dreigliederung:12 I. Gottes heilschaffendes, bundesgemäßes Handeln 1,68–75 II. Die Aufgabe des Kindes 1,76–78a III. Vorausblick auf den »Aufgang« 1,78b.79
Probleme bereitet eine genauere Bestimmung der literarischen Form der Lieder. Dass es sich um poetische Texte handelt, dokumentiert nicht nur das Einsetzen mit einem Verbum des Lobpreises (1,46.68), sondern auch das an verschiedenen Stellen verwendete, aus den Psalmen vertraute Formelement des Parallelismus membrorum und der insgesamt feierliche, geprägte Stil. Der Sprechrhythmus ist durch syntaktische Sinnzeilen und das Gewicht der verwendeten Wörter vorgegeben; ein Metrum wie in der griechischen oder lateinischen Poesie liegt nicht vor. Bei der Analyse der sprachlichen Gestalt der Lieder fällt auf, dass sie als Kombination alttestamentlicher Sprachmuster, gleichsam als Netzwerk von Wendungen und Formulierungen der Septuaginta (LXX) erscheinen. Sie greifen dabei besonders auf die Psalmen zurück, aber auch auf die Propheten (bevorzugt Jesaja) und den Pentateuch. Eine ähnliche kompositorische Technik findet sich bereits in den Liedern Jon 2,3–10 und Jdt 16,1–21.13 Damit ist die Poesie Israels bzw. des Frühjudentums als kultureller Hintergrund für die Bestimmung der literarischen Form markiert. Als Vergleichstexte bieten sich die Psalmen und weitere Lieder, die auf erzählte Ereignisse antworten, an, neben den bereits genannten Liedern besonders das Loblied
11
R.J. DILLON, Benedictus 468f zeigt, dass die Kombination preisender und prophetischer Elemente in religiöser Sprache geläufig ist. 12 Der Vorschlag orientiert sich an den grammatischen Subjekten und der syntaktischen Grundstruktur, die jeden der drei Abschnitte prägt: finites Verb + Infinitiv + (mit ijȡ )ףsubstantivierter Infinitiv. Vgl. M. WOLTER, Lukasevangelium 111. Eine zweiteilige Gliederung bevorzugen z.B. W. RADL, Evangelium nach Lukas 88; R.J. DILLON, Benedictus 458.463. – Zur Forschungsdiskussion um die Struktur von Magnifikat und Benediktus vgl. U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 161–181, die selbst eine chiastische Gliederung vorschlägt. 13 M. WOLTER, Lukasevangelium 100.111 spricht von sprachlichen »Versatzstücken« aus alttestamentlichen Texten. Eine gewisse Analogie bildet die lateinische Cento-Dichtung, die freilich erst ab dem 2. Jh. n.Chr. bezeugt ist; dazu D. SCHINKEL, Magnifikat (1999).
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der Hanna in 1 Sam 2,1–10.14 Auch frühjüdische Loblieder zeigen eine zumindest ansatzweise vergleichbare formale und inhaltliche Gestaltung; zu nennen sind beispielsweise PsSal 2 und 5 sowie die Sabbatlieder, die sich u.a. in einigen Schriftrollen von Qumran gefunden haben.15 Sind schon bei den Psalmen Formüberschneidungen erkennbar, so lösen sich strenge Formschemata in der frühjüdischen Dichtung offenbar noch weiter auf. Beim derzeitigen Stand der Forschung sind genauere formkritische Einordnungen unmöglich, so dass man sich mit der üblichen Bestimmung der lukanischen Lieder als »Hymnen« oder »Loblieder«, die in alttestamentlichjüdischer Tradition stehen,16 zufrieden geben muss.17 Es wird sich zeigen, dass sich für die vorliegende Fragestellung mit dieser Bestimmung gut arbeiten lässt. Zu den Hymnen müssen trotz ihrer Kürze auch die als Gloria (Lk 2,14) und Nunc dimittis (2,29–32) bezeichneten Lieder gerechnet werden.18 Die jeweiligen Einführungen der beiden Lieder weisen auf diese Formbestimmung hin: Beide werden als Lobpreis Gottes gekennzeichnet (2,13: įԼȟȡփȟijȡȟijրȟȚıցȟ; 2,28: ıȝցȗșIJıȟijրȟȚıցȟ). Interessant ist nun, dass die vier hymnischen Lieder untereinander eine Art lexematischer Verkettung, eine inhaltliche Beziehung und Entwicklung erkennen lassen.19 Ihre partielle Eigenständigkeit gegenüber dem narrativen Kontext verstärkt diesen Eindruck einer eigenen »Liedebene«, die einen Sinnüberschuss mitteilt. So steht am Ende des Magnifikat der entscheidende Israel-Bezug des göttli14 Weitere Beispiele sind Ex 15,1–18.21; Dtn 32,1–43; Ri 5,1–31; 2 Sam 22,1–51. Die Verzahnung mit dem Kontext ist dabei freilich unterschiedlich stark. 15 0QShirShab; 4Q400–407; 11Q17. Zu den angeführten frühjüdischen Texten vgl. S. SCHREIBER, Gesalbter 96–98.100–105. 16 Innerhalb der Psalmensammlung bilden Hymnen/Lobpsalmen eine bedeutsame Form; vgl. E. ZENGER, Buch der Psalmen 360–362. Auch Elemente eines Dankpsalms eines einzelnen (nämlich als Reaktion auf individuell erfahrene Rettung aus einer Notlage) ließen sich finden. Traditionsgeschichtliche Folgerungen, wie sie z.B. U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 189–193 erwägt, lassen sich mit der Nähe zu den Psalmen kaum begründen; die Psalmensprache war als kulturelle Konstante im jüdischen (und judenchristlichen) Kontext sowohl früh im 1. Jh. als auch zur Zeit des Lukas präsent. 17 W. RADL, Evangelium nach Lukas 73 definiert »Hymnus«: »Ein dichterischer Text, der in feierlichem Stil jemandes Taten preist«. Zur formalen Gestaltung von Magnifikat und Benediktus vgl. U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 155–161, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Texte nur eine »lose poetische Struktur« besitzen, die freilich »der Auflösung der strengen formalen Kriterien in der zeitgenössischen jüdischen Poesie entspricht« (161). – Dass die Frage nach der literarischen Form der urchristlichen Poesie allgemein bislang keineswegs gelöst ist, zeigen die Überblicke bei G. KENNEL, Hymnen 1–65 und U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 181–188, sowie die grundlegende Kritik an einer Gattung »Hymnus« bei R. BRUCKER, »Christushymnen« (1997). – Umfangreiches formgeschichtliches Material zu antiken Hymnen bietet M. LATTKE, Hymnus (1991). 18 Vgl. N. LOHFINK, Lieder 392. 19 Eine lexikographische Analyse bietet N. LOHFINK, Lieder 399f.
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chen Heilshandelns; die tragenden Stichworte sind »Israel« und »sein (Gottes) Knecht« (1,54). Das Benediktus nimmt diese Stichworte auf (der »Gott Israels« und »sein Volk« 1,68; Rettung aus dem »Haus Davids, seines Knechtes« 1,69) und stößt zu den konkreten Gestalten der neuen Heilszeit vor, dem »Horn der Rettung« (1,69), dem Kind als »Prophet des Höchsten« (1,76f) und dem »Aufgang aus den Höhen«, der den Weg des »Friedens« weist (1,78f). Der Engelchor singt nach Jesu Geburt wieder von der »Herrlichkeit in den Höhen« und von »Frieden« (2,14). Und der in Jerusalem auf den Messias wartende Simeon20 preist schließlich angesichts des JesusKindes in einem neuen Anlauf »Frieden« und »Herrlichkeit« der anbrechenden Zeit, wobei die Rede vom »Knecht«, von »Rettung« und vom »Volk Israel« (2,29–32) an das Magnifikat zurückerinnert (1,48.47.54). Dieses Netzwerk einschlägiger Begriffe entfaltet Gottes Heilshandeln an Israel. Der Linie der göttlichen Rettungstaten folgend stellen die Hörenden freilich fest, dass sich das Heil für Israel allmählich und anfanghaft auf die »Völker« (2,31f) ausweitet. Der Messias Israels wendet sich allen Völkern zu. Was an der Handlung der Geburtsgeschichte noch nicht ablesbar ist, wissen bereits die inspirierten Hymnen.
1.2 Zeitgeschichte und Interpretation Meine hermeneutische Option für eine reflektierte Lektüre der lukanischen Geburtsgeschichte besteht darin, den Text aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Das bedeutet zunächst ganz allgemein, dass die Zeichenkraft des Textes, die seine Bedeutung ermöglicht, ein bekanntes Zeichensystem, die Vertrautheit mit einem kulturellen Weltwissen (Enzyklopädie) voraussetzt. Die impliziten Leser/innen, die im Text angelegt sind, sind als Teil der kulturellen Welt, die ihr Vorwissen ausmacht, zu betrachten, und sie sind näher bestimmt durch gruppenspezifische Sprechweisen und Erfahrungen mit Gesellschaft und Politik. Damit liegt der Fokus aber auf den Leser/innen – oder, im antiken Kontext, besser: Hörer/innen – des Textes, deren »Mitarbeit« beim Rezeptionsprozess erst die Bedeutung des Textes entstehen lässt. Umberto Eco hat dabei den Begriff des Modell-Lesers geprägt, womit die konstruktive Mitarbeit der Lesenden beim Text-Bedeutungsprozess einerseits, die Lenkung 20
Dass es sich um einen Greis handelt, der kurz vor dem Tod steht, sagt der Text nicht, wiewohl die Dauer des Wartens und die Möglichkeit des nahen Todes vorausgesetzt sind; die Erzählung betont vielmehr, dass hier eine Begegnung stattfindet, die den Höhepunkt des Lebens Simeons darstellt. Unbegründet ist die Vermutung von J. LAGRAND, Luke’s Portrait, der Text vermittle das Bild eines jungen Zeloten, der bekehrt werde.
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der Lesenden durch Elemente und Leerstellen des Textes andererseits angesprochen sind.21 Mit Eco formuliert: Ein Text – wie er an seiner sprachlichen Oberfläche (oder Manifestationsebene) erscheint – stellt eine Verkettung von Kunstgriffen in der Ausdrucksweise dar, die vom Empfänger aktualisiert werden müssen. (61)
Dabei wird besonders auch das wichtig, was der Text nicht auf der Ebene des Ausdrucks festhält; es ist »gerade dieses Nicht-Gesagte, das auf der Aktualisierungsebene des Inhalts aktualisiert werden muß« (62). Entscheidend sind dabei die Voraussetzungen der Hörenden, die keineswegs notwendig mit der Kompetenz des Autors übereinstimmen müssen. Umso wichtiger ist es zu sehen, wie die textuelle Mitarbeit der Hörenden angesichts der Möglichkeiten abweichender Interpretationen garantiert wird. In gewisser Weise schafft die Textentstehung so die Lesenden mit; noch einmal Eco: (E)inen Text hervorbringen, bedeutet, eine Strategie zu verfolgen, in der die vorhergesehenen Züge eines Anderen miteinbezogen werden (65f). [...] Um die eigene Textstrategie vorzubereiten und durchzuführen, muß der Autor sich an eine Reihe von Kompetenzen (der weiteste Ausdruck für »Wissen des Codes«) wenden, welche den Ausdrücken, derer er sich bedient, Inhalte zuweisen. Er muß dabei voraussetzen, daß die Gesamtheit von Kompetenzen, auf die er sich bezieht, dieselbe ist, auf die sich auch der Leser beziehen wird. Allerdings wird er einen Modell-Leser voraussetzen, der in der Lage ist, an der Aktualisierung des Textes so mitzuwirken, wie es sich der Autor gedacht hat, und sich in seiner Interpretation fortzubewegen, wie jener seine Züge bei der Hervorbringung des Werkes gesetzt hat. (67)
Die sprachlichen Formen des Textes eröffnen den Hörenden die Möglichkeit, sich selbst als Hörende des Textes zu konstituieren, leiten sie andererseits aber auch auf diesem Weg der Interpretation. Nimmt man dies ernst, wird die Analyse des Textes aus einer Leseprozess-Perspektive heraus geschehen. Was das Textverstehen ebenfalls leiten kann, ist das Bild des Autors, das sich die Hörenden aus dem Text erschließen – sofern ihnen der Autor nicht persönlich bekannt ist. Für das Lukasevangelium scheint mir diese Bekanntheit mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussetzbar, was v.a. in der direkten Widmung des Werkes an eine Person aus der Hörergemeinde zum Ausdruck kommt (Lk 1,3: Theophilus). Die Wahrnehmung der gesellschaftlich-politischen Situation darf damit zwischen Autor und Hörenden (besser: zwischen Text und Modell-Leser) als vergleichbar betrachtet werden.
21 U. ECO, Lector in Fabula (bes. 61–106). Zur Adaptation des Modells an die Erfordernisse der neutestamentlichen Exegese vgl. S. PELLEGRINI, Elija 49–122.
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Um mich dem Modell-Leser des lukanischen Textes virtuell annähern zu können, folge ich dem Paradigma einer sozialgeschichtlichen Exegese: der Verortung von Texten im Lebenskontext. Damit kommt methodologisch neben der »klassischen« exegetischen Perspektive auf die Textproduktion verstärkt die Textrezeption in den Blick; einfach gefragt: Mit welchen Augen lesen die impliziten Leser/innen den Text? Welche kulturelle Kompetenz bringen sie mit? Welches gesellschaftliche Alltagsmilieu prägt sie? Ich frage also nicht nach Bausteinen der Textproduktion, auch nicht nach der Autorintention, da der Autor für uns verborgen und nur gebrochen und fokussiert über den vorliegenden Text zugänglich ist (und auch hier nur als impliziter Autor, der vom realen Autor und seiner Wahrnehmung der Welt durchaus verschieden sein kann). Vielmehr frage ich nach zeitgeschichtlich naheliegenden Möglichkeiten der Rezeption.
Texte erwachen zum Leben, wenn sie in konkrete Situationen bestimmter, d.h. realer Hörer/innen hinein sprechen, die uns freilich nur noch gespiegelt im Text und über eine weite historische Distanz hinweg umrisshaft zugänglich sind. Eine Analyse der zeit-, religions- und sozialgeschichtlichen Verhältnisse eröffnet Möglichkeiten eines solchen Verstehens, indem sie Wissenselemente fassbar macht, die sich in der Gestalt des Textes wiederfinden lassen. Dabei ist gleich zu Beginn einer wissenschaftshermeneutischen Diastase entgegenzutreten, die den alttestamentlich-jüdischen bzw. hellenistischrömischen Hintergrund als Alternativen der Auslegung betrachtet.22 Die Hörer/innen der lukanischen Jesus-Vita lebten in einer Welt, deren Alltag selbstverständlich von Einflüssen beider Kulturkreise nachhaltig geprägt war. Jede Ausblendung der einen oder anderen Seite verengt unsere Perspektive auf den interpretationsleitenden Lebenskontext in unsachgemäßer Weise. Die konkrete Methode, mit der ich arbeite, ist daher der klassische Textvergleich, die Analyse zentraler Textelemente, über die eine Beziehung zwischen verschiedenen Texten unterschiedlicher Provenienz hergestellt werden kann. Diese Beziehung lässt sich dann interpretatorisch auswerten. Dabei ist es entscheidend, Motive zu finden, die so spezifisch sind, dass mit ihnen eine intertextuelle Bezugnahme (im weiten Sinne von interkulturell) begründet werden kann. Mit der Konzeption vom Goldenen Zeitalter möchte ich einen konkreten Ausschnitt des kulturellen Wissens beleuchten, das zum Verstehen der lukanischen Geburtsgeschichte beitragen kann. Zunächst sollen diese Konzeption und ihre Funktion als politisches Zeichensystem vorgestellt werden, 22
Als Beispiel für eine solche Programmatik sei nur P. STUHLMACHER, Geburt 10f erwähnt.
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bevor sich zeigen lässt, wie sie mit der Gestaltung der lukanischen Geburtsgeschichte in Beziehung zu setzen ist und so hintergründig die Rezeption leitet. In einem weiteren Schritt frage ich danach, welche Konsequenzen sich daraus für die Einschätzung der politischen Haltung, die aus dem lukanischen Doppelwerk sichtbar wird, ergeben.
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2. Das Goldene Zeitalter
2.1 Kulturtheorie Die Konzeption eines Goldenen Zeitalters verdankt sich antiken Theorien über Kulturentstehung und Epochen der Geschichte.1 Verschiedene Vorstellungen sind dabei zusammengeflossen. Hesiod (erg. 106–201) kennt fünf Menschengeschlechter (Zeitalter), wobei er eine stete moralische Deszendenz vom ersten, dem Goldenen Geschlecht, über das Silberne, das Eherne und – das Metallschema erweiternd – das Heroengeschlecht bis zum zeitgenössisch herrschenden Eisernen Geschlecht diagnostiziert. Leitend ist das anthropologische Interesse, die Zukunftssicherung durch menschliche Arbeit und die Respektierung ethischer und rechtlicher Normen zu plausibilisieren.2 Das Goldene Geschlecht ist durch die Abwesenheit von Krankheit, Beschwerden und Mühsal sowie durch eine Fülle an Früchten der Erde und durch Wohlstand gekennzeichnet. Eine weitere wichtige Einflusslinie bildet die Vorstellung einer paradiesischen Urzeit unter der Herrschaft des Kronos bzw. Saturn, die durch das Zeitalter des Zeus bzw. Juppiter abgelöst wird, in dem den Menschen selbst die Gestaltung ihrer Existenzbedingungen auferlegt wird: durch schwere Arbeit, aber auch durch die Fähigkeit zur Entwicklung von Kulturleistungen. Naturphilosophische Theorien denken den Lauf des Kosmos in Perioden, was z.B. in der stoischen Lehre von der Welterneuerung Ausdruck findet. In der Zeit nach Hesiod wird die Vorstellung immer wieder als Chiffre idealer soziopolitischer Verhältnisse benutzt. Platon greift bei seinen kosmologischen, anthropologischen und politischen Reflexionen darauf zurück: Die antithetischen Zeitalter des Kronos und des Zeus z.B. spielen bei der mythologischen Darstellung der periodisch wechselnden Weltumläufe (polit. 268d–274d) bzw. bei der Erörterung vorbildlicher Gesetze (leg. 713a–714a) eine Rolle; die Seelen der Menschen aus Hesiods Goldenem 1 Vgl. den Überblick bei H. HECKEL, Art. Zeitalter 706f. Dazu auch K. KUBUSCH, Aurea Saecula 3–90; D. KIENAST, Augustus 224; B. GATZ, Weltalter 7–86. 2 Vgl. G.W. MOST, Hesiod’s Myth (1998); B. GATZ, Weltalter 28–51. Die vier Zeitalter Hesiods greift Ov. met. 1,89–150 auf; auch die Gegenwart unter Augustus erreicht nicht die Höhe des Goldenen Zeitalters; vgl. K. KUBUSCH, Aurea Saecula 225–246. Noch Aelius Aristides bezieht sich in seiner Rom-Panegyrik aus dem 2. Jh. ausdrücklich auf Hesiods Kulturtheorie, kritisiert aber, dass Hesiod nicht Rom als Höhepunkt der Menschheitsentwicklung benannte (Aristeid. or. 26,106).
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Das Goldene Zeitalter
Zeitalter werden im Mythos zu İįտȞȡȟıȣ, Schutzgeistern für die Menschen späterer Generationen (Krat. 397e–398c); und Hesiods Metallschema konnte Platon auf die Rangfolge der Stände im idealen Staat übertragen (rep. 415a–c.468e.546e–547b). Das Idealbild einer naturnahen Zeit der Jäger und Ackerbauer, in der Gemeinschaft aller Güter herrschte und die somit von Konflikten um privates Eigentum frei war, verortet Platon in der mythischen Vorzeit.3 Im Peripatos, konkret bei Theophrast und Dikaiarchos, kann mit dem Zeitenschema der ideale Zustand im Rahmen von Theorien der Kulturentwicklung erfasst werden. Aratos gestaltet in der ersten Hälfte des 3. Jh. v.Chr. das Schema Hesiods um, indem er sich im Wesentlichen auf drei Zeitalter beschränkt und das Goldene Zeitalter in landwirtschaftlicher Prägung und rechtlicher Ordnung des Gemeinwesens beschreibt; zentrale Topoi werden der reiche Ertrag der Arbeit und das Fehlen von Krieg und Schifffahrt.4 Bereits in die Zeit des Augustus führt uns die Schilderung eines agrarisch ausgerichteten anfänglich-idealen Zeitalters in Vergils Georgica.5 Der Übergang vom voragrarischen Saturn-Zeitalter zum Juppiter-Zeitalter dient ihm als Ätiologie der Notwendigkeit menschlicher Arbeit und Kulturtechniken (georg. 1,121–146; als Theodizee-Argument im Kontext 1,118–159). Der »goldene Saturn« lebte vor dem Juppiter-Zeitalter als Bauer, was auf die Bedeutung der zu verrichtenden Landarbeit verweist (georg. 2,536–540).6 Im »normalen«, fast entspannten Landleben stellen sich reiche Erträge ein (2,459f.514–531). Wenn bei den Leuten auf dem Land die Spuren der sich zurückziehenden iustitia zu finden sind (2,473f), erscheint das einfache, reine Leben »wie in alten Zeiten« als durchaus gesellschaftskritische Wertvorstellung. Dass die sozialen Reformen des Augustus (s. unten 2.2.2) genau dieselbe Grundtendenz aufweisen, ist sicher kein Zufall. Vergil integ3 Leg. 679a–c. Im Kritias erfolgt die Lokalisierung dieser Idealzeit in einem urzeitlichen Athen (Kritias 110cd). – Gerade am Motiv der Gütergemeinschaft erkennt man, dass sich antike Autoren des utopischen Charakters dieses Idealbildes durchaus bewusst waren. So kann es z.B. mit eindeutig fabelhaften Orten und Völkern verbunden werden, aber auch mit Platons Entwurf eines idealen Staates. Dazu H.-J. KLAUCK, Gütergemeinschaft 70–72. 4 Die Zeitalter-Vorstellung wirkt in Deszendenz-Schilderungen nach, wie sie z.B. Sen. Phaedr. 525–563 bietet; vgl. Sen. epist. 90,5f. Wohl aus der Zeit Domitians stammt die (zu Unrecht Seneca zugeschriebene) Tragödie Octavia, die ebenfalls den steten Niedergang der Zeitalter kennt (377–436). 5 Dazu N. HOLZBERG, Vergil 101–109; K. GALINSKY, Augustan Culture 93–100; K. KUBUSCH, Aurea Saecula 91–118; P.A. JOHNSTON, Vergil’s Agricultural Golden Age; D. GALL, Literatur 50f. 6 Vgl. Verg. georg. 2,501f; auch Aen. 8,319–327: es herrscht Friede, aber unter harter menschlicher Arbeit. Zum agrarischen Goldenen Zeitalter vgl. auch Varro rust. 3,1,4f. Den Aspekt harter Arbeit und sozialer Ordnung – anstelle paradiesischer Zustände – hebt K. GALINSKY, Augustan Culture 93.97.247 stark hervor und schließt daraus eine Unbestimmtheit der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter.
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riert in den Georgica den Caesar als Heilbringer und Retter, der Frieden und Ordnung stiftet als Voraussetzung der ertragreichen bäuerlichen Arbeit, der Fruchtbarkeit der Natur.7 Vergils kulturkritische Perspektive wird insbesondere im Motiv des allen Menschen gemeinsamen Eigentums deutlich. In der mythischen Vorzeit sei Ackerland noch kein Privatbesitz gewesen, sondern gehörte allen gemeinsam (georg. 1,125–128: in medium quaerebant); die Erde trug freiwillig Frucht, die man ihr nicht abringen musste. Ein einfaches, naturverbundenes und konkurrenzfreies Leben erscheint als vergangenes Ideal und die Privatisierung des Eigentums als Kennzeichen gesellschaftlicher Degeneration; die Habsucht hielt als zerstörerische Motivation Einzug in das Gemeinwesen.8 Das mythische Zeitalter des Saturn, in dem das Ackerland noch nicht durch Grenzziehungen in Privateigentum überführt wurde und die Natur freiwillig ihre Erträge gab, bleibt als ideales Konstrukt Bestandteil der römischen Dichtung. Tibull und Ovid konnten damit kulturkritischen Wahrnehmungen Ausdruck verleihen.9 Auch Seneca kann einige Jahrzehnte später in einem Brief an Lucilius von der Vorzeit sprechen, in der unter den Menschen »Gemeinschaft« (consortium) in allen Gütern herrschte, d.h. alle besaßen alles, bevor die Habgier zum privaten Eigentum führte (Sen. epist. 90,3.38–40). Es waren »glückliche Zeiten«, in denen die Gaben der Natur allen zugänglich waren (36). Illustrierend zitiert Seneca dabei die einschlägige Passage aus Vergils Georgica (Verg. georg. 1,125–128 in Sen. epist. 90,37). Dieses goldene Zeitalter bringt Seneca mit der Herrschaft der Weisen in Verbindung (epist. 90,5), was ihn zu differenzierten Betrachtungen über die kulturgestaltende Funktion der Philosophie führt. Das seit Hesiod bearbeitete Thema einer mythischen Vorzeit, in der Mensch und Natur in glücklichem Einklang lebten, und des sich daraus ergebenden kulturtheoretischen Zweifels am Erfolg der Herrschaft des Menschen über die Natur wird von einigen Dichtern in augusteischer Zeit und danach in neuer Variation aufgegriffen.
7
Georg. 1,1–42 (Proömium mit optimistischer Grundstimmung); 1,500–504.512–514 (Oktavian wird implizit zur Überwindung der Kriege aufgefordert – trotz der damit einhergehenden Schwierigkeiten; zur Interpretation N. HOLZBERG, Vergil 52–54); vgl. 4,560–562. D. KIENAST, Augustus 293 charakterisiert die Georgica als »Gedicht zu Ehren des Oktavian als des restitutor Italiae« (kursiv im Original). 8 Dazu H.-J. KLAUCK, Gütergemeinschaft 72. Viel Material bei M. WACHT, Art. Gütergemeinschaft 4–12. 9 Tib. 1,3,34.42–45; Ov. am. 3,8,35–42; Ov. met. 1,136f (im Kontext am. 3,8,47–60 bzw. met. 1,128–151); vgl. Anklänge bei Iuv. 6,17f.
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2.2 Augustus und die Rhetorik des Goldenen Zeitalters 2.2.1 Voraussetzung: Politische Stabilisierung unter Augustus Eine neue Qualität erlangte die Vorstellung vom Goldenen Zeitalter mit dem Übergang zur Zeit des Augustus (27 v. bis 14 n.Chr.) und der Einrichtung des Prinzipats. Entscheidend ist dabei die Korrelation mit den gesellschaftlich-politischen Zeitverhältnissen. Nach einem Jahrhundert politischer Instabilität durch Machtkämpfe und Bürgerkriege, nach sittlicher Orientierungslosigkeit in der Gesellschaft und teilweise existentieller Bedrohung wie z.B. durch die Hungersnot 22 v.Chr. herrschte in Rom, aber auch in Italien und in den Provinzen in breiten Bevölkerungsschichten der Wunsch nach Frieden und Restauration und die Hoffnung auf einen politischen »Retter«, mit anderen Worten: eine Erlösungssehnsucht.10 Und tatsächlich brachte die Herrschaft des Oktavian, dem 27 v.Chr. vom Senat der Ehrenname »Augustus« verliehen wurde, eine merkliche Stabilisierung der inneren und äußeren Verhältnisse.11 Auf diesem Hintergrund lässt sich die Anwendung und Verbreitung der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter erst wirklich erklären: Augustus verkörpert die Wiederkehr der aurea aetas in der Gegenwart.12 Die mit ihm anbrechende neue Zeit spiegelt die göttliche Legitimation seiner Herrschaft. Die politische Propaganda des Augustus konnte die Überzeugung vom Anbruch einer neuen Zeit und damit auch die Vorstellung des Goldenen Zeitalters nur wirksam aufgreifen und nutzen, weil konkrete Erfahrungen innerhalb der politischen Verhältnisse im Hintergrund standen. Die Person Oktavians selbst zeigt, wie ein persönliches Sendungsbewusstsein und die Wahrnehmung der politischen Veränderung in Korrespondenz zueinander stehen konnten – und wie dieses Sendungsbewusstsein auch werbewirksam eingesetzt werden konnte. Zwei Beispiele: (1) Sueton erwähnt in seiner Augustus-Vita die Erscheinung von zwölf Geiern bei einem Augurium während des ersten Konsulats des jungen Oktavian (43 v.Chr.) und bringt dies »intertextuell« mit einem vergleichbaren Ereignis aus den Anfängen Roms, nämlich einer Erscheinung zur Zeit des Romulus, in Verbindung (Suet. Aug. 95). Die damit eingespielte Interpretation liegt auf der Hand: Die Götter selbst sprechen dem Anbruch der neuen
10 11
Dazu D. KIENAST, Augustus 214–218.222. Zur politischen Konsolidierung der Jahre 22–17 v.Chr. vgl. D. KIENAST, Augustus 109–
118. 12
Damit muss die Zeitalter-Vorstellung zyklischen Charakter annehmen; Verg. ecl. 4,6 besingt die Wiedererrichtung der Herrschaft des Saturn, der bereits eine paradiesische Urzeit regierte; vgl. Aen. 6,791–805.
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Zeit unter Oktavian eine Bedeutung zu, die nur mit dem Initialereignis der Stadtgründung Roms zu vergleichen ist! (2) Das berühmte sidus Iulium, der Komet, der im Juli des Jahres 44 v.Chr. bei den Spielen zu Ehren des kürzlich ermordeten Julius Caesar erschienen war und als Ausweis der Apotheose Caesars kommuniziert wurde, vermittelte für Oktavian noch eine weitere Symbolik: In einem Vergil-Kommentar aus dem 5. Jh. ist die Überlieferung bezeugt, der Haruspex Vulcatius habe das Erscheinen des sidus Iulium als Ankündigung des Endes des neunten und des Beginns des zehnten Zeitalters (saeculum), das endzeitlichen Charakter besitze, gedeutet – was genau in den von Augustus propagierten und von seinem Umfeld bereitwillig aufgegriffenen Anbruch einer neuen Zeit passt.13 Erwartungen und politische Realitäten bilden gleichermaßen die Voraussetzungen für die politische Propaganda und Rhetorik der augusteischen Ära. Der Begriff »Propaganda« soll dabei nicht prinzipiell abwertend verstanden werden, sondern als Zusammenfassung verschiedener Ausdrucksformen, mit denen die politische und intellektuelle Elite Roms ihre Deutung der politischen Verhältnisse öffentlich macht. Ein Element dieser Propaganda bildete die Vorstellung vom Anbruch einer neuen, heilvollen Zeit und der Wiederkehr des Goldenen Zeitalters.
2.2.2 Die Säkularfeier im Jahr 17 v.Chr. Dass Augustus diese Vorstellung auf seine Herrschaft bezogen wissen wollte, bringt die Inszenierung der Säkularfeier im Jahr 17 v.Chr. zum Ausdruck. Den direkten politischen Hintergrund bildete die aktuelle Gesetzgebung des Princeps, die nicht nur Prozesswesen und Senat novellierte, sondern vor allem die Sittlichkeit des gesellschaftlichen Lebens betraf; besonders die Ehegesetze stehen für eine neue moralische Ernsthaftigkeit. Außenpolitisch trat die öffentlichkeitswirksame Lösung der Partherfrage im Jahr 20 v.Chr. hinzu. Das alles bot Anlass genug, um den Anbruch eines neuen saeculum in einem symbolpolitischen Akt zu feiern und so ins Bewusstsein breiter Bevölkerungsschichten in Rom zu bringen. Die Erinnerung daran hielten u.a. Denare des Münzmeisters M. Sanguinius fest, die
13 Serv. ecl. 9,47; zum sidus Iulium Suet. Caes. 88. Plinius berichtet, dass Oktavian das sidus im nichtöffentlichen Raum auf sich selbst bezogen habe: sibi illum (cometen) natum seque in illo nasci (Plin. nat. hist. 2,9,93f). Vergil selbst bejubelte an der von Servius kommentierten Stelle das astrum Caesaris als Bringer großer Fruchtbarkeit der Natur (Verg. ecl. 9,47–50). – Zu dieser Episode vgl. D. KIENAST, Augustus 216.224; K. GALINSKY, Augustan Culture 106. Zum etruskischen Hintergrund der Zeitalter-Vorstellung vgl. J.F. HALL, Saeculum Novum.
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auf der Vorderseite den Kopf des Augustus mit der Legende AVGVST(us) DIVI F(ilius) LVDOS SAE(culares) umgaben.14 Die thematischen Zusammenhänge der Säkularfeier sind in den »offiziellen« Festgesang eingeflossen, den der Dichter Horaz im Auftrag des Augustus abfasste15 und der von 27 Jungen und 27 Mädchen vorgetragen wurde. Allein die Menge der Kinder dient bereits als deutlicher Hinweis auf den Versuch des Augustus zur Erneuerung römischer Familienmoral. In seinem Carmen Saeculare preist Horaz die Größe Roms, dessen Anfänge von den Göttern in Äneas und Romulus gestiftet wurden, und bittet um die fortwährende Gunst der Götter. In Andeutungen spricht er von einer »anderen Periode« (alterum lustrum), einer beginnenden »besseren Zeit« (melius aevum), in der Rom und Latium glücklich (felix) sein werden (Z. 66–68). Deutlich sind die Hinweise auf das aktuelle politische Geschehen unter Augustus: Mutterschaft (Z. 13–16) und Ehegesetze (Z. 17–20) sind ebenso integriert wie die militärische Überlegenheit (Z. 51–56), die Frieden und Wohlstand ermöglicht (so die Fruchtbarkeit der Natur Z. 29–32 und das Motiv des Füllhorns Z. 60). Tragender gesellschaftlicher Grund ist das Wiedererwachen der alten Tugenden (Z. 57–60: mores und decus Z. 45.48).16 Die Leitlinien des neuen, mit Augustus beginnenden saeculum sind damit artikuliert und durch die Gesamtkonzeption der Säkularfeier wirkungsvoll inszeniert.
2.2.3 Dichtung unter Augustus Die Hoffnung auf ein neues saeculum bildete an den Anfängen der Regierung des Augustus offenbar ein Gesprächsthema. Der zeitgenössischen Dichtung, in erster Linie Horaz und Vergil, ist es zu verdanken, dass wir uns über Vorstellungsmuster und Zusammenhänge einer Konzeption des Goldenen Zeitalters ein Bild machen können.17
14 Zu den Hintergründen der Säkularfeier vgl. P. ZANKER, Augustus 172–177; K. GALINSKY, Augustan Culture 100–106; D. KIENAST, Augustus 116–118.223–225; M. BEARD/J. NORTH/S. PRICE, Religions 201–206; W. ECK, Augustus 61f. 15 Vgl. D. GALL, Literatur 85. Zum Zusammenhang des Säkularliedes mit dem Ritual der Feier H. CANCIK, carmen (1996). 16 Zur Motivik des Carmen Saeculare vgl. K. KUBUSCH, Aurea Saecula 152–154. K. GALINSKY, Augustan Culture 105 betont, dass Horaz nicht an einen automatischen Segen der aurea aetas denkt, sondern den Wohlstand in moralischer und militärischer Anstrengung gründet. So richtig es m.E. ist, dass eine Zukunftsperspektive eine pragmatische Dimension, eine Motivation zum Verhalten, enthält, impliziert der aurea aetas-Gedanke doch, dass auf dem Hintergrund einer göttlich-kosmischen Vorgabe erst jetzt, d.h. mit Augustus, die Voraussetzungen geschaffen werden, unter denen ein neu orientiertes Handeln der Menschen möglich ist. 17 Zu Vorstellungen vom Goldenen Zeitalter bei Horaz und Vergil vgl. K. KUBUSCH, Aurea Saecula 91–154; D. KIENAST, Augustus 281–297; K. GALINSKY, Augustan Culture 246–261.
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In den 30er Jahren des 1. Jh. v.Chr. erblickte Horaz das Goldene Zeitalter (tempus aureum), das von Juppiter durch das Eiserne Zeitalter abgelöst worden war, nur in weiter Ferne: Als letzter Ort seiner Verwirklichung gelten ihm die fiktiven Inseln eines »frommen Geschlechts« (pia gens; Hor. epod. 16,63–65), und es sind selige Gefilde (arva beata), reiche Inseln (divites insulas; 16,41f), auf denen noch Friede unter den Tieren, ländliche Fruchtbarkeit und die Fülle der Natur, deren Überfluss schwere landwirtschaftliche Arbeit unnötig macht, zu finden sind (16,43–56.61f). Entsprechend empfiehlt der Dichter seinen Zeitgenossen die Auswanderung auf diese Inseln aus der von Bürgerkrieg und Selbstzerstörung gekennzeichneten Stadt Rom (16,15–40.65f). In scharfem Kontrast zu den paradiesischen Inseln zeichnet Horaz die verheerenden Folgen des Bürgerkriegs, den eine heillose Generation (impia aetas; 16,9) – so die sprachliche Opposition zur pia gens der Inseln – zu verantworten hat (16,1–14). Eine politische Generalkritik an Oktavian bedeutet dies aber nicht, denn in den ebenfalls in die 30er Jahre zu datierenden Satiren findet Oktavian ehrenvolle Erwähnung (serm. 2,1,11; 2,5,62–64). Dann ist wohl eher der Aufruf zu politisch verantwortlichem Handeln das Ziel des Horaz. Im Carmen Saeculare und in einer kurz darauf publizierten Ode (carm. 4,15, um 13 v.Chr.) kann Horaz die Zeit des Augustus (tua, Caesar, aetas; carm. 4,15,4) als Zeit des Friedens, der rechten Ordnung und des Wohlergehens kennzeichnen. Es ist durchaus möglich, dass Horaz in dem hohen Lob auf den Princeps, das gerade die Oden 5 und 15 im vierten Buch singen, mit aller Vorsicht auch eine subtile Reserviertheit gegenüber dem gelobten Princeps durchscheinen lässt. Die Anspielung auf die Trunkenheit am Ende der fünften Ode könnte die Frage nach dem Wert eines Lobes aus dem Munde Betrunkener aufwerfen (carm. 4,5,37–40), und am Ende des Lobes auf den Caesar in carm. 4,15 stehen merkwürdig überzogene Formulierungen mit auffällig antiquiertem Klang, die ebenfalls eine hintergründige Distanz zu den gepriesenen gesellschaftlichen Verhältnissen spiegeln können (4,15,25–32).18 Gleichwohl bleiben die Elemente des Goldenen Zeitalters unter Augustus in der Darstellung der Lieder bestimmend. Bereits Vergil kündigte im Jahr 40 v.Chr. mit seiner vierten Ekloge die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters an,19 wobei er als erster die Gattung der bukolischen Dichtung mit dieser Konzeption verband. Die im Goldenen 18
Distanzierungen des Dichters diskutiert G. FINK, Einführung 331–344. Zu Einzelheiten der Darstellung B. MERFELD, Panegyrik 27–48; ferner B. GATZ, Weltalter 87–103. – Die zeitliche Ansetzung von ecl. 4 ist durch den im Gedicht namentlich genannten Konsul Asinius Pollio, dessen Konsulat in das Jahr 40 v.Chr. fiel, gegeben; im Kontext ereignete sich der Friede von Brundisium, der das Ende der Bürgerkriege bringen sollte und von Pollio mitbewirkt wurde; vgl. D. KIENAST, Augustus 290f; N. HOLZBERG, Vergil 48; W. ECK, Augustus 24. 19
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Zeitalter herrschenden paradiesischen Zustände (Verg. ecl. 4,37–45) lassen landwirtschaftliche Arbeit verzichtbar werden: »Automatisch« entfalten sich das Wachstum der Früchte der Erde und das Gedeihen der Tiere. Den Anbruch dieses neuen Zeitalters verbindet Vergil mit der Geburt eines Jungen. Es liegt nahe, diesen als künftigen Herrscher, der eine umfassende Heilszeit für die ganze Welt verbürgt, zu interpretieren. Entsprechend der von Gerhard Binder 1983 begründeten These ist es durchaus denkbar, dass Vergil bereits hier den Jungen mit Oktavian identifiziert wissen wollte, der aus der dichterischen Perspektive vom Jahr 63 v.Chr. her, dem Geburtsjahr Oktavians, betrachtet wird.20 Das Goldene Zeitalter, das Vergil als erster in zyklischer Wiederkehr denkt, ist zugleich das »letzte Zeitalter« (ultima aetas; 4,4), wofür sich der Dichter auf einen Spruch der Sibylle von Cumae beruft.21 Bezugsgröße der Frühzeit, an der sich der Gedanke der Wiederkehr festmacht, ist das Zeitalter des Saturn (ecl. 4,6: iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna). Sowohl das Motiv der Geburt als auch die utopischen Züge des besungenen Zeitalters durchziehen das Gedicht mit der Semantik einer Zukunftshoffnung. Dabei ragt die Zukunft zweifellos heilvoll in die Gegenwart hinein, die dadurch bereits an den Verheißungen der Heilszeit partizipiert. Das dichterische Spiel mit den Tempora (Präsens in 4,1–10, Futur in 11–45, ab 46 Perfekt, Präsens und Imperative) setzt die zeitliche Durchdringung von realisierter Gegenwartserfahrung und ersehnter Zukunft sprachlich um; das Verhältnis lässt sich nicht auflösen und vermittelt den Charakter eines Neuanfangs.22 Oktavian konnte das Goldene Zeitalter durchaus als Frucht seiner Politik verstehen und verbreiten, und später identifizierte Vergil selbst den Princeps explizit als aus göttlichem Geschlecht hervorgegangenen Restitutor goldener Zeiten.23 20 G. BINDER, Lied der Parzen; ihm folgen B. MERFELD, Panegyrik 23 und N. HOLZBERG, Vergil 48. D. KIENAST, Augustus 291f vermutet dagegen, Vergil dachte bei dem Jungen vielleicht an das Kind, das aus der neu geschlossenen Verbindung zwischen Antonius und Oktavia hervorgehen sollte (dann aber ein Mädchen wurde). Nach K. GALINSKY, Augustan Culture 92 ist das Kind als Symbol oder Personifikation des Goldenen Zeitalters, nicht als menschlicher Herrscher zu verstehen; ähnlich schon E. NORDEN, Geburt 10–46; M. von ALBRECHT, Kommentar 131 (Repräsentant einer neuen Epoche, die von der römischen Jugend als hoffnungsvoller neuer Generation getragen wird). Bis heute ist keine einheitliche Lösung der Frage erkennbar, vgl. D. GALL, Literatur 47f und die Übersicht über Deutungsansätze bei M. von ALBRECHT (s.o.), 128–136. 21 Dazu K. KUBUSCH, Aurea Saecula 91f; B. GATZ, Weltalter 90f.102f.135. 22 In der Forschung wird angesichts dieses Textbefunds die Heilswirklichkeit zeitlich unterschiedlich verortet. So betont G. BINDER, Lied der Parzen, bes. 112, die Gegenwart als Goldene Zeit, indem er die futurischen Aussagen als vaticinia ex eventu versteht; K. GALINSKY, Augustan Culture 92f sieht die Zukunftsperspektive bewusst offen gehalten, womit der Dichter seine moralische Einstellung integriere. 23 Verg. Aen. 6,792f: Augustus Caesar, divi genus, aurea condet saecula. Dazu D. KIENAST, Augustus 224. Vergil folgt dabei einem teleologischen Geschichtskonzept: Dem vorkulturellen
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Im Unterschied zu den genannten paradiesischen Zuständen des Goldenen Zeitalters entfaltet Vergil in den Georgica dessen agrarischen Charakter (vgl. 2.1). Die Vorstellung eines uranfänglichen, im Grunde vor-agrarischen Goldenen Zeitalters weicht bemerkenswerter Weise gerade im Motiv der Gütergemeinschaft, das nach einigen Autoren zur mythischen Vorzeit gehört, vom Goldenen Zeitalter der politischen Gegenwart, der Zeit des Augustus, ab. Das betrifft nicht nur Vergil, sondern auch andere noch zu besprechende Autoren der frühen römischen Kaiserzeit: Das Goldene Zeitalter als Deutung der politischen Gegenwart verzichtet auf das Ideal der Gütergemeinschaft. Offenbar lässt sich solche Gütergemeinschaft nicht mit der gesellschaftlichen Realität in Einklang bringen. Welcher Angehörige der wohlhabenden römischen Aristokratie sollte daran auch Interesse haben? Die Perspektivität der Texte wird einmal mehr sichtbar. Freilich zeigt die agrarische Form des Goldenen Zeitalters zumindest den gleichen Richtungssinn wie die stärker paradiesischplerophore Gestaltungsvariante: Im Fokus stehen das Wohlergehen der Menschen und die Fruchtbarkeit der Natur.24
Die Vielfalt der Perspektiven und die Differenziertheit der politischen Einschätzungen zeigen, dass man den Dichtungen von Horaz und Vergil nicht gerecht wird, wenn man sie als bezahlte Hofpropaganda oder Ideologieinstrumente versteht. Sicher kommt das Carmen Saeculare in die Nähe eines Auftragswerks, und auch sonst werden Anregungen des Augustus von den Dichtern aufgegriffen worden sein (z.B. in der Aeneis). Durch beneficia, die Vergil und Horaz vom Princeps bzw. von Seiten des Maecenas zuteil wurden, standen die Dichter dem Princeps gegenüber in der Pflicht – schuldeten ihm nach römischen Kategorien officium.25 Man könnte wohl von einer gezielten Förderung literarischer Produktionen sprechen. Unabhängigkeit und Freiheit der Kunst sind keine Leitprinzipien für das Verhältnis des Caesar zu prominenten Dichtern.26 Die Gegenseitigkeit, die sich vielleicht mit dem römischen Patron-Klient-Verhältnis im Sinne eines dynamischen sozialen Prozesses zutreffend beschreiben lässt,27 beinhaltet neben aller Verpflichtung auch Raum für dichterische Individualität. Die Überzeugungen, Hoffnungen und Ideale der Dichter finden Schnittmengen mit den politischen Zielen des Augustus, ohne dass eine eigenständige PerspekSaturn-Zeitalter schließt sich in Latium ein Goldenes Zeitalter an (Aen. 8,314–325), das wiederum von einem Zeitalter des Kriegs und der Habgier abgelöst wird (326f); die Erneuerung des Goldenen Zeitalters bringt die universale Herrschaft des Augustus (6,791–805). Vgl. G. B INDER, Aeneas 76–111.281f; K. KUBUSCH, Aurea Saecula 119–125. Zum positiven Augustus-Bild Vergils N. HOLZBERG, Vergil 60f. 24 Ein ausgewogenes Urteil zum Verhältnis beider Varianten entwickelt K. KUBUSCH, Aurea Saecula 107–114. 25 D. KIENAST, Augustus 281. 26 Eine »Meinungsfreiheit« erfährt im römischen Prinzipat ihre Grenze an der maiestas principis – eine Grenze, deren Konkretion im einzelnen sehr subjektiv ausfallen kann; vgl. in Bezug auf die Zeit Trajans und Hadrians S. FEIN, Beziehungen 82. 27 Vgl. K. GALINSKY, Augustan Culture 245.
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tive auf die Zeitverhältnisse und die gesellschaftlichen Implikationen des Regierungsprogramms verloren ginge. Inhaltliche und formale Ambivalenzen in und zwischen den Werken belegen dies deutlich. Die Vielzahl der Einflussfaktoren auf die augusteische Dichtung wurde wiederholt beobachtet: (E)asy distinctions such as ›Is this poetry or propaganda?‹ and ›Are the poets sincere or are they puppets?‹ take us nowhere. The matter is complicated by the genuine friendships within the circle of writers and principes uiri, by the delicacy with which Maecenas treats his poets, by the recognition that Augustus had restored peace, order and idealism to a society which had lost them, by the significance of the form a poem takes and of the time when it was written. There can have been few ages in which poets were so intimately and affectionately connected with the holders of political power, few regimes with a richer iconography, few poets so profoundly moved by a political ideal and so equipped to sing its praises with subtlety, humour, learning and rapture.28
Eine heutige Einschätzung der »political correctness« eines Horaz und Vergil muss also gegenüber einseitigen Zuweisungen wie Hofpropaganda einerseits oder Regierungskritik andererseits mehrere Faktoren berücksichtigen, die sowohl die persönliche und gesellschaftliche Situation als auch die vorgegebenen Sprachmuster der dichterischen Tradition umfassen. Charakteristisch für die Dichtung unter Augustus sind die Vielfalt an Traditionen und Bedeutungen, die in den Werken vernetzt sind, die Experimentierfreude der Dichter bei der Neuformulierung von Kulturgut und die Transzendierung traditionell römischer Erfahrungen bzw. Erinnerungen auf allgemein menschliche Belange hin, was einen universalistischen Zug in sich trägt.29 Zur Verbreitung des Gedankenguts vom Goldenen Zeitalter auch in breiteren römischen Bevölkerungskreisen haben die Dichter jedenfalls wesentlich beigetragen – sowohl zu ihrer Zeit als auch im Hinblick auf die folgenden Generationen, denn bereits zu Lebzeiten des Augustus avancierten Horaz und Vergil zu Schulautoren.30 28 So die Zusammenfassung der Editoren in T. WOODMAN/D. WEST (Hg.), Poetry 195 (kursiv im Original). Zu differenzierenden Einschätzungen auch K. GALINSKY, Augustan Culture 244– 246; D. KIENAST, Augustus 277–280; D. GALL, Literatur 20–23; aus der reichen Literatur seien noch erwähnt P. WHITE, Promised Verse; A. POWELL (Hg.), Roman Poetry. 29 Dieser wird auch in den Universalgeschichten, die zur Zeit des Augustus produziert wurden (Diodor; Nikolaos von Damaskus), sichtbar. Eine grundlegende Charakterisierung der Dichtung unter Augustus bietet K. GALINSKY, Augustan Culture 225–244; vgl. ebd. 280–287 zu Livius, der ebenfalls augusteisches Gedankengut der Zeit aufgreift, ohne auf kritische Töne zu verzichten. 30 Sueton (gramm. 16) weiß von Q. Caecilius Epirota, einem Freigelassenen des Atticus, dass er als erster Vergil und andere poetae novi (wozu sicher Horaz zählt) im Schulbetrieb verwendete, und Gellius (1,21,2 u.ö.) kennt Hygin, Freigelassener des Augustus und von hoher Gelehrsamkeit, als Verfasser von zwei Vergil-Kommentaren. Zu diesen und weiteren Belegen vgl. D. K IENAST, Augustus 276. Bereits bei Valerius Probus (2. Hälfte 1. Jh.) liegt eine kommentierte HorazAusgabe vor; vgl. D. GALL, Literatur 68, zur Verbreitung von Literatur in der augusteischen Zeit ebd. 23f.42 (Aeneis).
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2.2.4 Die mediale Präsenz des Goldenen Zeitalters Augustus sorgte für die mediale Präsenz der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter, die ihm ein willkommenes Interpretament für die Errungenschaften seiner Regierung lieferte, in der römischen Öffentlichkeit. Seit der Säkularfeier 17 v.Chr., die die aurea aetas eingeläutet hatte, wurden in Rom Bauinschriften in großer Zahl angebracht; die aufwendige Vergoldung der dazu verwendeten Bronzebuchstaben – die antike Literatur kennt den Terminus aureae litterae31 – macht die Gegenwart des Goldenen Zeitalters unter Augustus sinnfällig.32 Werbetechnisch geschickt verstand Augustus die medialen Möglichkeiten römischer Epigraphik zu nutzen. Der Erfolg dieser Strategie öffentlicher Präsenz lässt sich an der Wirkung ablesen: Über Jahrhunderte dienten die augusteischen Inschriften als Vorbilder ähnlich situierter Inschriften im ganzen Reich, und selbst in privaten Inschriften wurden die goldenen Buchstaben imitiert, um so neben der Loyalität mit dem Herrscherhaus die gewünschte Partizipation an der Goldzeit auszudrücken.33 Bildprogramme in der Kunst greifen die Elemente des neuen Zeitalters auf, wie vielfältige Beziehungen zur Dichtung zeigen,34 und setzen sie in eigenen Gestaltungen um. Zwei prominente Beispiele stellen die AugustusStatue von Prima Porta und das sogenannte Tellusrelief an der Ara Pacis Augustae in Rom dar. (1) Die Panzerstatue des Augustus aus der Villa der Livia bei Prima Porta entfaltet nach dem Parthersieg 20 v.Chr. in einem umfassenden Bildprogramm gleichsam eine »heilsgeschichtliche« Darstellung des Goldenen Zeitalters. Im Zentrum des Bildes auf dem Brustpanzer (Abb. 1)35 übergibt
31
Tac. ann. 3,57,2; 59,2; Suet. Nero 10,2; CIL XI 6551. Dazu G. ALFÖLDY, Augustus 293–299; epigraphische Monumente aus Gold verstärken den Eindruck des »glänzenden« Rom, vgl. ebd. 307–310. Die mit Augustus einsetzende Datierung nach der jährlich erneuerten tribunicia potestas des Princeps signalisiert, dass die Regierungszeit als eigenes saeculum Bedeutung gewinnt (vgl. ebd. 318). Zur Signifikanz der Bauinschriften auch D. KIENAST, Augustus 263; allgemein W. ECK, Augustus 105f. 33 Vgl. G. ALFÖLDY, Augustus 316.320f. 34 Motivliche Verbindungen beschreibt K. GALINSKY, Augustan Culture 154f.157–161.261. Vgl. P. ZANKER, Augustus 193–195. Allgemein zur medialen Präsenz der Kaiser in der Lebenswelt K. CHRIST, Kaiserzeit 33–35. 35 Abbildung des Brustpanzers bei P. ZANKER, Augustus 194 Abb. 148b (Zoom auf die Erdgöttin ebd. 180 Abb. 137). Zur Ikonographie ebd. 192–196. Vgl. K. GALINSKY, Augustan Culture 155–164; er versteht als Kontext der Statue die Partherfrage und die Säkularfeier mit ihrer Betonung spezifisch römischer Werte – ein Goldenes Zeitalter sei nicht symbolisiert (161). Zwischen den Bedeutungsfeldern besteht jedoch eine so enge motivlich-deutende Beziehung, dass ein Zusammenhang kaum zu übersehen ist. 32
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der Partherkönig Feldzeichen und Legionsadler an den römischen Feldherrn.
Abb. 1: Augustus-Statue aus Prima Porta – Brustpanzer
Links und rechts von dieser Szene demonstrieren Allegorien weiterer unterworfener Völker, dass nun pax herrscht. Die römische Weltherrschaft ist gefestigt, denn die ganze Welt ist vom zentralen Geschehen betroffen: Unten lagert die Erdgöttin mit dem Füllhorn (!), links erkennt man Apollo auf einem Greif, rechts Diana auf einer Hindin, oben links den Sonnengott Sol36 mit seinem Wagen, oben rechts Aurora, die Morgenröte, mit der fackeltragenden Luna,37 dazwischen breitet Caelus das Himmelszelt aus. 36 Sol konnte mit Apollo identifiziert werden (K. GALINSKY, Augustan Culture 103), der wiederum teilweise mit Augustus ikonographisch gleichgestaltet wurde (D. KIENAST, Augustus 258). 37 So die Deutung von P. ZANKER, Augustus 195. K. GALINSKY, Augustan Culture 159 denkt an Venus, die mit dem Morgenstern identifiziert wird.
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Dieses symbolische Universum zeigt den kosmischen Charakter und die ewige Dauer der römischen Herrschaft, die von den Göttern garantiert wird. Auf den Schulterklappen des Brustpanzers schweben zwei Sphingen – Zeichen der langen Erwartung und Ankündigung der Weltzeit, die nun begonnen hat. Und Caesar Augustus selbst trägt dieses Szenario auf dem Brustpanzer (Abb. 2)!38 Er ist Träger und Garant des neuen Zeitalters, der Sachwalter des Willens der Götter.
Abb. 2: Augustus-Statue aus Prima Porta
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Abbildung der ganzen Statue des Princeps: P. ZANKER, Augustus 193 Abb. 148a.
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(2) Die auf dem Marsfeld errichtete und im Jahr 9 v.Chr. eingeweihte Ara Pacis Augustae symbolisiert die Verbindung zwischen der augusteischen Friedenszeit und der im römischen Pantheon dafür zuständigen Göttin Pax, die den Frieden schützt und garantiert. Die Bezeichnung der Adressatin des Altars als Pax Augusta artikuliert die enge Verbindung der Göttin mit Augustus, der so als erwählter politischer Garant des Friedens erscheint. Das Gesamtwerk des Altars bindet den Frieden an die militärische Überlegenheit Roms, wie das Figureninventar der siegreichen Roma und des Kriegsgottes Mars nachdrücklich einschärft.39 In diesem Zusammenhang ist die Ikonographie des sogenannten Tellusreliefs aussagekräftig, die eine Symbolwelt enthält, die das Thema der Fruchtbarkeit, des Friedens und der Fülle des neuen Zeitalters entfaltet (Abb. 3).40 Motivkreise des Goldenen Zeitalters finden sich darin wieder.
Abb. 3: Relief, Ara Pacis Augustae, Rom
39 Vgl. Aug. res gestae 13: parta victoriis pax. Den Zusammenhang Friede – Krieg im Bildprogramm des Altars betont K. GALINSKY, Augustan Culture 106–111.141f. 40 Abbildung des Tellusreliefs bei P. ZANKER, Augustus 179 Abb. 136 (im Zoom 175 Abb. 135); zur Ikonographie ebd. 177–180; besonders auch D. CASTRIOTA, Ara Pacis (1995), 124–144; ferner K. GALINSKY, Augustan Culture 148f. Zum Bildprogramm der aurea aetas insgesamt P. ZANKER, Augustus 171–196.
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Den Mittelpunkt des Reliefs bildet die Gestalt einer Göttin, sitzend auf einem Felsen, mit klassisch stilisiertem Gewand, konzipiert als mütterliche Figur mit zwei Säuglingen, die auf ihrem Schoß spielen bzw. nach der Brust verlangen. Links und rechts davon sind Allegorien des Meer- und Landwinds sichtbar, darunter Rind und Schaf als Chiffren für das Glück bäuerlichen Lebens. Die Muttergöttin trägt auf ihrem Schoß Früchte und im Haar einen Kranz aus Ähren und Mohn, hinter ihr wachsen Ähren, Mohn und andere Pflanzen. Sie weckt Assoziationen an Venus (Gewand), Ceres (Schleier, Ähren), Tellus (Felsensitz, Umgebung)41 und symbolisiert Fruchtbarkeit und Gedeihen und damit die Pax Augusta. Das Bildmotiv der Frauengestalt fand über Rom hinaus Verbreitung, wie z.B. das etwas vereinfachte Figureninventar eines Reliefs aus Karthago zeigt.42
Abb. 4: Gemme der Livia
Das Motiv des Füllhorns, das uns bereits literarisch begegnet war (Hor. carm. saec. 60), wird in der späten Republik und dann in der Kaiserzeit prominent. Man kann zumindest mutmaßen, dass es bei den Betrachtern 41
D. CASTRIOTA, Ara Pacis 141–143 denkt an Venus als Aeneadum Genetrix, sieht aber auch Anspielungen auf Kybele. – Die Saturnia Tellus nennt Verg. georg. 2,173 im Kontext des Lobpreises auf die Fruchtbarkeit der italischen Erde im Zeitalter Saturns. 42 Dazu K. GALINSKY, Augustan Culture 150; P. ZANKER, Augustus 308–311 mit weiteren Beispielen.
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Assoziationen an eine Zeit der Fülle und Fruchtbarkeit weckte und so als Chiffre für das Goldene Zeitalter, das mit der Regierung des Princeps verbunden war, dienen konnte. Verschiedene künstlerische Darstellungen präsentieren die enge Verbindung des Füllhorns mit Oktavian, der symbolisch durch sein Sternzeichen, den Steinbock, repräsentiert oder direkt abgebildet sein kann; eine Gemme zeigt Livia, die beschaulich ein Ensemble betrachtet, das sie in der Hand hält: ein Füllhorn, über dem auf einer kleinen Weltkugel eine Büste des Augustus ruht (Abb. 4).43 Zur Verbreitung tragen verschiedene Münzprägungen bei, die das Füllhorn-Motiv umsetzen. Interessant ist z.B. die Ikonographie einer Denar-Serie aus Spanien (ca. 17–15 v.Chr.), die Füllhorn, Steinbock, Globus und Steuerruder mit dem Schriftzug AVGVSTVS verbindet (Abb. 5).44 Ein Aureus der Zeit Domitians demonstriert, dass die Symbolik des Cornucopia weiter verwendet und in ihrer politischen Bedeutung verstanden wurde (Abb. 6).45
Abb. 5: Denar, Spanien (ca. 17–15 v.Chr.)
43
Abbildung bei K. GALINSKY, Augustan Culture 118 Abb. 56. Abbildung: K. GALINSKY, Augustan Culture 116 Abb. 53. Zur augusteischen Motivik des Cornucopia vgl. ebd. 115–118; auch P. ZANKER, Augustus 233.312 (mit Abb. 182.247); speziell im Blick auf Münzprägungen und ihre Vorgeschichte A. ALFÖLDI, Weltherrscher (mit Abbildungen); er verweist z.B. auch auf Darstellungen des (ägyptischen) Doppelfüllhorns, das mit der Königsbinde geschmückt ist (ebd. 371); Verbindungen zur hellenistischen Königsideologie zieht D. CASTRIOTA, Ara Pacis 126–132. 45 Abbildung: A. ALFÖLDI, Weltherrscher 385 Abb. 12. 44
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Abb. 6: Aureus aus der Zeit Domitians
Karl Galinsky hebt hervor, dass das Symbol des Füllhorns keineswegs eindeutig auf die aurea aetas-Konzeption referiert.46 Überhaupt kann er keine spezielle Ikonographie des Goldenen Zeitalters erkennen und betont dagegen die gesellschaftliche Realität, wie sie in der Bevölkerung präsent war, als Rezeptionshintergrund der künstlerischen Darstellungen; es werde keine Utopie des Wohlstands generiert, sondern die Notwendigkeit ausdauernder Arbeit suggeriert.47 Gegenüber einer Steuerung der Kunst durch zentrale staatliche Autoritäten sieht Galinsky eine autonome Entwicklung in der Kunst als Produkt »of the participatory creativity of many«.48 Nun lässt sich jedoch eine auffallende Korrespondenz der Bildprogramme mit den literarischen Beschreibungen der aurea aetas feststellen, worauf besonders Paul Zanker hingewiesen hat – und was auch Galinsky selbst wiederholt erwähnt.49 Diese Korrespondenz deutet – im Zusammenhang mit weiteren symbolpolitischen Repräsentationen wie der Säkularfeier oder Münzprägungen – auf eine sowohl von der politischen Führung gezielt geförderte als auch seitens der Dichter und Künstler bereitwillig und mit durchaus eigenen Akzentuierungen aufgegriffene Vorstellung, die weitgehende Verbreitung und Bekanntheit erfuhr. Vielleicht spiegelt sie etwas vom Lebensgefühl einer Epoche, das darin Ausdruck finden konnte. Dabei bildete eine bestimmte Erfahrung der gesellschaftlichen Realität die Voraussetzung für eine potentielle Rezeption der Vorstellung – sie sprach Menschen an, und daher wurden einzelne Motive auch in der privaten Kunst übernommen.50 Man wird für die Zeit des Augustus weder eine 46
K. GALINSKY, Augustan Culture 111–118. Ebd. 118–120. 48 Ebd. 121. 49 P. ZANKER, Augustus 171–196; K. GALINSKY, Augustan Culture 154f.157–161.261; vgl. H. HECKEL, Art. Zeitalter 708; zu Vergils vierter Ekloge und Münzemissionen A. ALFÖLDI, Weltherrscher. 50 Vgl. K. GALINSKY, Augustan Culture 150. 47
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zentralistische Steuerung jeder künstlerischen Äußerung noch eine politische Unabhängigkeit der Kunst behaupten dürfen; die Verbindungen zwischen Künstlern und Politikern verlaufen wesentlich subtiler über vielfältige Interaktionen und gesellschaftliche Steuerungsmechanismen, die eigene, gruppenspezifische Dynamiken in Bewegung setzen (vgl. 2.2.3). Die Begabung des Augustus für politische Propaganda darf dabei nicht unterschätzt werden.51
Doch kehren wir noch einmal zur Ara Pacis zurück. Interessant für das Bedeutungsspektrum der Ara Pacis ist ihre Einbindung in ein größeres architektonisches Ensemble. Offenbar bildete sie einen Bestandteil des Liniennetzes einer riesigen Sonnenuhr (solarium Augusti) auf dem Campus Martius, als deren Zeiger ein gewaltiger ägyptischer Obelisk mit einer Weltkugel an der Spitze diente (Abb. 7)52 – Zeichen der Weltherrschaft des Augustus.
Abb. 7: Rekonstruktion des Solarium Augusti auf dem Campus Martius: Seitenansicht mit Mausoleum des Augustus, Obelisk und Ara Pacis (oben), Draufsicht mit Gitternetzlinien (unten)
51
Dazu D. KIENAST, Augustus 261–307. Abbildung: E. BUCHNER, Solarium Augusti 353 Abb. 13 und 14; auch in K. GALINSKY, Augustan Culture 147 Abb. 64. 52
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Edmund Buchner hat gezeigt, dass die Linie des Äquinoktiums durch die Mitte der Ara Pacis verlief; an den Herbstäquinoktien, an denen zugleich das Sternzeichen der Waage einsetzte, lag der Geburtstag des Augustus.53 Ebenfalls von zwei Punkten aus mit der Ara Pacis verbunden war die Linie der Wintersonnwende; an diesem Tag, mit dem das Sternzeichen des Steinbocks (capricornus) begann, wird der Tag der Empfängnis des Augustus verortet. Diese architektonischen Beziehungen präsentieren gleichsam »das Horoskop des neuen Herrschers«,54 das die neue Weltzeit des Friedens göttlich verbürgt. Der mit Empfängnis und Geburt des Augustus verbundene Lauf der Sonne symbolisiert den Beginn einer neuen Heilszeit. Die Vorstellung einer neuen, heilvollen Zeitepoche erlangt astrologischen Ausdruck und erweist sich als wesentliches Element augusteischer Herrschaftsideologie. Diese Vorstellung steht auch mit der Kalenderreform in Verbindung, die in der römischen Provinz Asia unter dem Prokonsul Paullus Fabius Maximus 9 v.Chr. durchgeführt wurde. Der in den griechischen Städten Kleinasiens gebräuchliche lunisolare Kalender sollte auf das System des römischen Solarkalenders umgestellt werden – und das Jahr mit dem Geburtstag des Augustus beginnen. Damit ist die Überzeugung vom Anbruch der neuen Zeit in der alltäglichen Wahrnehmung der Bevölkerung fest verankert. Das entsprechende zweisprachige (griechische und lateinische) Edikt des Prokonsuls wurde, zusammen mit einem ebenfalls zweisprachigen Anhang und zwei Dekreten des Provinziallandtags, wohl in allen größeren Städten Kleinasiens veröffentlicht, wie die Funde von Fragmenten in verschiedenen Städten belegen (Apameia, Maionia, Eumeneia, Dorylaion und neuerdings Metropolis); das bekannteste ist die Inschrift von Priene.55 Die genannten Dokumente bilden eine Art »Kalenderdossier«, wobei das Dekret des Prokonsuls dem Provinziallandtag die Aufgabe stellte, die politischen Leistungen des Princeps darzustellen. Dies geschah im ersten Dekret des Landtags so, dass die religiöse Legitimation des Princeps betont wurde. Von der göttlichen Vorsehung eingesetzt, besaß er alle Fähigkeiten, um der vom Bürgerkrieg gespaltenen Menschheit Frieden, Rettung und Wohlergehen zu bringen. Eine Zeitenwende hatte begonnen.
53 E. BUCHNER, Solarium Augusti, bes. 338.346f; DERS., Sonnenuhr (1982); vgl. G.W. BOWERSOCK, Pontificate (1990), der den Zusammenhang mit der von Augustus 12 v.Chr. übernommenen Funktion des pontifex maximus betont; D. KIENAST, Augustus 239–241; K. GALINSKY, Augustan Culture 146; W. ECK, Augustus 114f. 54 E. BUCHNER, Solarium Augusti 347. 55 Zur Kalenderreform D. KIENAST, Augustus 248. Die maßgebliche 7H[WHGLWLRQ PLW .RPPHQWDU bietet nach wie vor U. LAFFI, Iscrizioni (1967); die Inschrift von Priene findet sich ebd. 20–23 (früher OGIS 458); zu den Neufunden aus Metropolis B. DREYER/H. ENGELMANN, Augustus (2006), mit griechischer Synopse der Inschriften und Übersetzung. – Zur Neuordnung des römischen Festkalenders unter Augustus vgl. J. RÜPKE, Kalender 396-417.
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Der Neufund einer Stele in Metropolis,56 an der Straße zwischen Ephesus und Smyrna gelegen, erweitert zum einen unser textgeschichtliches Wissen: Auf der Stele finden sich das Edikt des Prokonsuls und besonders das erste Dekret des Landtags in einer so gut erhaltenen Variante, dass sich textliche Lücken schließen lassen (der Text ist im Anhang aufgeführt). Zum anderen ist die Beobachtung interessant, dass die Presbyteroi von Metropolis die Stele im Hof ihres eigenen Vereinshauses aufstellen ließen (der Sockel steht noch am ursprünglichen Ort); offenbar fand die Ideologie des augusteischen Prinzipats durchaus die Zustimmung einer breiteren Öffentlichkeit – zumindest soweit sie mit der politischen Führung in Zusammenhang stand.
Laut dem Kalenderedikt kommt der Geburtstag des Caesar Augustus »mit Recht dem Beginn aller Dinge gleich [...]« (Inschrift von Priene, Zeile 5); es bestimmt ihn nunmehr in Kleinasien als Neujahrstag, als symbolischen Beginn eines neuen Jahres (21f). Mit dem Geburtstag des Princeps nahmen »I×UGLH Welt die guten Nachrichten (ıįȟȗıȝտȧȟ>VLF@), die von ihm ausgehen, ihren Anfang« (40f); sie beinhalten das damit eingetretene allgemeine Wohlergehen. Man kann hier durchaus eine Verbindung zu Vergils vierter Ekloge ziehen, in der Vergil das Goldene Zeitalter mit der Geburt eines Jungen verbindet, der als neuer Herrscher fungieren wird: »[...] die Geburt des Jungen [...], der ein Ende der eisernen Zeit und den Anfang der goldenen bringt für die Welt [...]« (ecl. 4,8–10).57 Das Motiv des göttlich gesetzten Anbruchs des neuen Zeitalters schlägt sich dann auch in den wunderbaren Umständen der Zeugung und Geburt des Augustus nieder, die Sueton in seiner Augustus-Vita überliefert (Suet. Aug. 94,1–6); er deutet die göttliche Zeugung durch Apollo (in Gestalt einer Schlange) an, während sich die Mutter des späteren Princeps spät nachts im Apollo-Tempel aufhält (94,4).
2.2.5 Die Verbreitung der Vorstellung Alle genannten Artikulationen von Vorstellungen des Goldenen Zeitalters tragen zu dessen Verbreitung und öffentlichen Wirksamkeit als Interpretament der politischen Gegenwart bei. Die rhetorischen Möglichkeiten dieser Konzeption machen sie zum idealen Medium der Herrscherlegitimation, indem sie die durchaus nachvollziehbare Sehnsucht nach besseren Lebensverhältnissen politisch anwenden. Die Konzeption trägt zur politischen Pragmatik des Augustus, die ja tatsächlich eine Stabilisierung der politischgesellschaftlichen Verhältnisse erreichte, mythologisch grundierte Bilder
56 Beschreibung des Fundes und Erörterung der Hintergründe bei B. DREYER/H. ENGELMANN, Augustus 175–182. 57 Vgl. ecl. 4,48f.60. Die Verse aus dem Jahr 40 v.Chr. (Frieden von Brundisium) lassen sich auf Augustus beziehen, was der Dichter selbst durch Aen. 6,792 nahe legt.
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der Deutung bei – eine Art »Staatsmythos« entsteht.58 Die Rede vom aureum saeculum wird zum politischen Schlagwort.59 Dass man über die Tragweite dieser Konzeption verschiedener Meinung sein konnte, zeigen Verse bei Ovid im zweiten Buch der Ars amatoria. Frustriert darüber, dass die Geliebte nicht mehr durch den Wert von Dichtung und Kultur, sondern nur durch schnöden Mammon zu begeistern ist, schreibt der Dichter: Wahrhaft golden sind jetzt die Zeiten; für Gold sogar kauft man oberste Ämter sich ein, Liebe gewinnt man durch Gold. Aurea sunt vere nunc saecula. plurimus auro venit honos. auro conciliatur amor.60
Dass der Dichter freilich auch die kulturellen Möglichkeiten seiner Gegenwart durchaus zu schätzen wusste, wird im dritten Buch der Ars deutlich: Einst herrschte rohe Schlichtheit, doch jetzt ist Rom golden, besitzt jetzt riesige Schätze, die ihm gab die bezwungene Welt. Simplicitas rudis ante fuit. nunc aurea Roma est, et domiti magnas possidet orbis opes. (Ov. ars 3,113f)
Und er fügt das Bekenntnis hinzu: Möge das Altertum andere erfreuen, ich preise mich glücklich, jetzt erst zu leben; es passt zu meiner Art diese Zeit. Prisca iuvent alios. ego me nunc denique natum gratulor. haec aetas moribus apta meis. (Ov. ars 3,121f)
Eine bekannte und gebräuchliche technische Verwendung der politischen Semantik des aureum saeculum belegt schließlich – und damit ist die Zeit des Augustus bereits verlassen – via negativa ein Spottgedicht auf Tiberius, das offenbar in der Bevölkerung tradiert wurde:
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Zum Begriff vgl. P. ZANKER, Augustus 171. Vgl. A. KURFESS, Art. Aetas aurea 148. – Andere Dichter der augusteischen Zeit greifen die Vorstellung des Goldenen Zeitalters nicht auf – Tibull und Properz als Vertreter der lateinischen erotischen Elegie bleiben eindeutig distanziert und stellen gerade keine Verbindung zwischen ländlicher Glückseligkeit und der Regierung des Augustus her: Tib. 1,3; 1,10; 2,3; Prop. 2,32; 3,13 (vgl. K. KUBUSCH, Aurea Saecula 155–184; K. GALINSKY, Augustan Culture 269–279; D. KIENAST, Augustus 275f.280f). Ovid kann die Gegenwart mit Merkmalen des Eisernen Geschlechts wie Krieg, Untreue und Habgier zeichnen und (in unterschiedlicher Deutlichkeit) Widerspruch und Kritik äußern: Ov. am. 3,8; ars 2,273–280; fast. 1,189–198.213–226; met. 1,89–112 (vgl. K. KUBUSCH, Aurea Saecula 185–246; D. KIENAST, Augustus 299–307; geringer schätzt K. GALINSKY, Augustan Culture 261–269 das kritische Potential bei Ovid ein). 60 Ov. ars 2,277f im Kontext 2,273–280; Übersetzung hier und im Folgenden N. HOLZBERG. Vgl. Ov. am. 3,8; auch Anth. Pal. 5,30f (Antipatros von Thessaloniki). 59
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Die goldenen Jahrhunderte des Saturn hast du verdorben, Caesar: Denn solange du existierst, werden immer eisern sie sein. Aurea mutasti Saturni saecula, Caesar: incolumi nam te ferrea semper erunt.61
2.3 Das Goldene Zeitalter in der Zeit nach Augustus Mit dem zuletzt zitierten Text sind wir bereits bei der Rezeption der aurea aetas-Konzeption unter den Kaisern nach Augustus angekommen. Besonders zur Zeit Neros (54–68) wird diese Konzeption wieder aufgegriffen.62 Die damit vermittelte Parallelisierung Neros mit Augustus spiegelt die »augusteische« Programmatik der Regierung Neros und kann als Ausdruck der mit Nero verbundenen Hoffnung auf einen politischen Neubeginn verstanden werden.63 Anders als Vergil gehen Dichter der neronischen Zeit von der bereits erfolgten Realisierung der Goldenen Zeit aus, was der politischen Zeitwahrnehmung, v.a. der erfolgten Etablierung des Prinzipats und dem Ende der Bürgerkriege, entspricht.64
2.3.1 Seneca Seneca weist am Anfang seiner kurz nach dem Tod des Claudius 54 veröffentlichten Satire Apokolokyntosis, einer Abrechnung mit dem verstorbenen Kaiser, auf den nun eintretenden Beginn eines Zeitalters höchsten Glücks hin (initium saeculi felicissimi; Sen. apocol. 1,1). Er charakterisiert damit den Herrschaftsantritt Neros, wie die sogenannten laudes Neronis bezeugen – ein episches Textstück innerhalb des Erzählwerkes, das gegen Ende Nero ausdrücklich nennt (apocol. 4,1,1–32). Geprägte Topoi des Goldenen Zeitalters, wie sie z.B. von Vergil her bekannt sind, werden darin
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Suet. Tib. 59; Übersetzung H. MARTINET. Auch die Säkularspiele unter Claudius im Jahr 47, die das achthundertjährige Bestehen Roms feierten, können entsprechende Motive umgesetzt haben; die Quellen geben darüber freilich keine Auskunft. Vgl. Tac. ann. 11,11,1; Suet. Claud. 21,2. – Wahrscheinlicher ist dies für die Neronia des Jahres 65 n.Chr.; Tac. ann. 16,2,2 deutet auf den Einfluss der aurea aetasKenzeption; vgl. C. Schubert, Studien 417. 63 Dazu B. SCHRÖDER, Carmina 77; ferner C. SCHUBERT, Studien 25. 64 Vgl. B. MERFELD, Panegyrik 16f; C. SCHUBERT, Studien 57f.64; ferner C. REITZ, Literatur 114.120. 62
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aufgegriffen und verarbeitet.65 Während die Parzen den kaiserlichen Lebensfaden spinnen, ereignet sich ein Prodigium: Der weiße Wollfaden verwandelt sich unter den Händen der spinnenden Lachesis zum Goldfaden, goldene Zeiten (aurea saecula; 4,1,9) künden sich an.66 Mühelos und überfließend vollzieht sich das Spinnen des Lebensfadens Neros, das in das Lob des Kaisers mündet, dessen Lebenszeit, Schönheit und künstlerische Begabung alles Irdische übersteigen. Die Person Neros tritt ganz in den Vordergrund, doch werden auch felicia saecula für die erschöpften Menschen (lassis) ausdrücklich erwähnt, für die der Kaiser »das Schweigen des Rechts bricht« (legum silentia rumpet; 23f). Die von Nero erwartete Rechtlichkeit steht dem Vorwurf der iniuria an seinen Vorgänger Claudius (z.B. 7,4) gegenüber. Den ganzen Erdkreis umfasst das gleichsam astrale Strahlen des kaiserlichen Antlitzes (4,1,31f). Die protreptische Funktion, die der Form der Satire eigen ist, betrifft hier den jungen Kaiser selbst: Seneca mahnt ihn indirekt, einen anderen Herrschaftsstil als sein Vorgänger – nämlich orientiert am Ideal des Augustus – zu praktizieren.67 Eine paränetisch intendierte Anspielung auf die Zeitalter-Vorstellung bringt Seneca in der Schrift De clementia, um der politischen Haltung der Milde des Kaisers globale Bedeutung zu verleihen. Die Milde entspricht der Rückkehr jenes alten Zeitalters (antiquum illud saeculum), in dem die Menschen in allgemeiner Unschuld (publica innocentia) lebten; das Wiedererstehen (resurgere) der alten Tugenden wird zum Kennzeichen eines zum Guten gewendeten neuen Zeitalters (felici ac puro saeculo; Sen. clem. 2,1,3f).
2.3.2 Calpurnius Siculus Der Dichter Calpurnius Siculus, der sich als Bukoliker bewusst in der Nachfolge von Theokrit und Vergil versteht,68 verfasste in den ersten Jahren der Regierung Neros ein Gedichtbüchlein mit sieben Eklogen. Drei panegyrische Gedichte (ecl. 1; 4; 7) fassen in der Anordnung der Sammlung zwei Paare bukolischer Gedichte im eigentlichen Sinne ein. Die erste Ekloge stammt in der textimmanenten Welt aus der Zeit des Regierungsantritts des 65 Vgl. G. BINDER, Einführung 90.122–124; zum Vergleich speziell mit Vergil B. MERFELD, Panegyrik 58–70, die teilweise parodistische Absichten in der Gestaltung Senecas erkennt. Zum Ganzen der laudes Neronis C. SCHUBERT, Studien 15–33. 66 Dazu C. SCHUBERT, Studien 23–25. 67 Dazu G. BINDER, Einführung 121; C. REITZ, Literatur 45. B. MERFELD, Panegyrik 16 spricht von der paränetischen Funktion der laudes Neronis (neben einer komischen und einer satirischen Funktion der Parodie); ausgeführt ebd. 54–58. 68 Vgl. Calp. ecl. 4,62–72. Die Panegyrik fällt freilich bei Calpurnius gegenüber Vergil deutlich massiver aus; vgl. B. SCHRÖDER, Carmina 16–19; zum Vergleich von Calp. ecl. 4 mit Verg. ecl. 4 ebd. 25–29; W. FRIEDRICH, Nachahmung 153–155.
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jungen Nero, ist also am Ende des Jahres 54 oder Anfang 55 positioniert.69 Aus der erwartungsvollen Atmosphäre dieser Zeit lässt sich die überschwängliche Prophezeiung einer »goldenen Zeit« (aurea aetas; ecl. 1,42) erklären, die sich mit dem »Jüngling« aus kaiserlichem Geschlecht verbindet: [...] Es folgen glückliche Zeiten dem Jüngling, der durch die julischen Ahnen der Mutter den Sieg hat errungen. [...] iuvenemque beata sequuntur saecula, maternis causam qui vicit Iulis.70
Die Motive des inneren und äußeren Friedens, der neu errichteten Gerechtigkeit und der Fülle der Natur, die mit der Weltherrschaft des Kaisers verbunden sind, hat das Lied mit seinem Vorbild Vergil gemeinsam.71 Dass darin eine Überbietung des großen kaiserlichen Vorbildes Augustus angezielt ist, korreliert mit den tatsächlichen politischen Verhältnissen der Regierungsübernahme Neros, die ohne blutige Bürgerkriege geschah und die innere und äußere Sicherheit, v.a. an den Grenzen des Reiches, nicht gefährdete.72 Die Motive kehren wieder in der langen vierten Ekloge, die ihren textimmanenten zeitlichen Ansatz nur wenig später als die erste findet.73 In ihr ist die Verwirklichung der segensreichen Goldzeit keine Zukunftshoffnung mehr, sondern bereits erfahrbare Gegenwart geworden.74 In ecl. 7 (entstanden im Jahr 57 oder kurz danach) insinuiert Calpurnius durch die auffällig häufigen Nennungen von »Gold« und »Glanz« bei der Beschreibung der von Nero initiierten Spiele im Amphitheater, dass er diese als symbolische Realisierung des Goldenen Zeitalters betrachtet wissen will.75 Der Lobpreis ist freilich nicht uneigennützig: Wenn hinter der verbergenden Maske des Hirten Korydon, der in den Gedichten auftritt, Calpurnius selbst in einzelnen Zügen sichtbar wird, dann sind seine panegyrischen Dichtungen von dem Bestreben motiviert, durch einen (tatsächlichen oder imaginären) Mä69 Die opinio communis setzt die erste Ekloge meist noch im Jahr 54, die vierte kurz danach, die siebte im Jahr 57 oder kurz darauf an. Eine späte Datierung (57–59) schlägt neuerdings C. SCHUBERT, Studien 47–53 vor. 70 Calp. ecl. 1,44f. Übersetzung D. KORZENIEWSKI. 71 Dazu B. MERFELD, Panegyrik 72–84. 72 Vgl. C. SCHUBERT, Studien 59–63. 73 Zur vierten Ekloge vgl. B. SCHRÖDER, Carmina (1991); zu den »politischen« Eklogen 1, 4 und 7 B. MERFELD, Panegyrik 71–101; C. SCHUBERT, Studien 54–83; zu allen sieben Eklogen W. FRIEDRICH, Nachahmung (1976). 74 Dass Calpurnius dabei sein Vorbild Vergil weiterentwickelt, arbeitet B. SCHRÖDER, Carmina 19–21 heraus. Vgl. B. MERFELD, Panegyrik 71.87–93; ferner C. SCHUBERT, Studien 64. 75 Gold: 7,41.47.53.72; Glanz: 7,36.48.53. Dazu B. SCHRÖDER, Carmina 21; C. SCHUBERT, Studien 81.
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zen, der die Gedichte dem Kaiser zu Gehör bringen konnte, bei Hof zu reüssieren und eine materiell gesicherte Existenz zu erlangen.76
2.3.3 Lukan Grundzüge der aurea aetas-Konzeption spiegeln sich auch in Lukans Bürgerkriegsepos. Die ersten drei Bücher De bello civili wurden kurz vor dem Bruch des Dichters mit dem Kaiser in der zweiten Hälfte des Jahres 62 veröffentlicht. Zu Beginn des ersten Buches steht ein Nero-Enkomium, doch ist in der Forschung umstritten, ob Lukan das Lob ernsthaft oder ironisch verstanden wissen wollte.77 Da das Epos eine ausgesprochen regimekritische Tendenz zeigt, lässt sich das Enkomium wohl als Selbstrechtfertigung des Dichters am kaiserlichen Hof verstehen.78 Um dieses Ziel zu erreichen, muss es als ernsthafte Panegyrik gelesen werden können. Das Grauen des Bürgerkriegs, den Caesar bei Pharsalos schließlich zu seinen Gunsten entschied und beendete, bildet die Negativfolie für den Lobpreis Neros (Lucan. 1,33–45), auf der dessen Herrschaft – aeterna regna (1,34f) als Siegespreis für die Entbehrungen und Opfer des Bürgerkriegs – umso heller erstrahlt. Auffällig ist jedoch, dass Lukan den Blick sogleich auf die himmlische Herrschaft Neros lenkt, wobei die Apotheose des Kaisers selbstverständlich vorausgesetzt wird. Diese himmlische Herrschaft des Gottes Nero trägt nun Züge der aurea aetas, im Gegenüber zum Bürgerkrieg in erster Linie die Gewährung umfassenden Friedens (1,60–62) im Rahmen absoluter Weltherrschaft (regnum mundi; 1,52). Lukan verbindet dabei die Konzeption des Goldenen Zeitalters mit der stoisch inspirierten »kosmopolitischen Idee des allumfassenden Weltregiments einer gütigen Gottheit«.79 Den Überschwang, den Calpurnius zu Beginn der neronischen Regierung ausdrücken konnte, hat Lukan nach Jahren politischer Realität geschickt vermieden und auf eine ideale Zukunft hin projiziert. Das Enkomium endet mit einem Ausflug in die Dichtungs- und Inspirationstheorie. Dem Dichter, der sich selbst vielsagend als vates bezeichnet, gilt Nero bereits in der Gegenwart als sein persönlich-inspirierendes numen,
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Vgl. Calp. ecl. 1,94; 4,158f; dazu D. KORZENIEWSKI, Einleitung 1f; B. SCHRÖDER, Carmina 22–25.29–38; B. MERFELD, Panegyrik 85–87. 77 Auch sonst werden die Hintergründe und das Nerobild Lukans stark diskutiert; vgl. C. SCHUBERT, Studien 109–112, zur inhaltlichen Gestaltung des Enkomiums ebd. 109–123. Zum Hintergrund auch C. REITZ, Literatur 82–87. 78 Dazu B. MERFELD, Panegyrik 17; C. SCHUBERT, Studien 112. 79 C. SCHUBERT, Studien 120.
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das seine römische Dichtung/Romana carmina erst ermöglicht (1,63–66).80 Das Lob des Kaisers müsste dem Dichter also eigentlich sicher sein.
2.3.4 Carmina Einsidlensia Ein panegyrischer Geist durchweht auch zwei andere bukolische Gedichte aus der Zeit Neros, die Hermann Hagen 1869 in dem auf das 10. Jh. zu datierenden Codex 266 des Klosters Einsiedeln fand:81 die sogenannten Carmina Einsidlensia. Anhalt für die Datierung geben Anspielungen auf Neros Troja-Epos, dessen Veröffentlichung kurz nach dem Brand Roms 64 n.Chr. erfolgte und von Cassius Dio auf das Jahr 65 datiert wird82; im ersten Einsiedler Lied wird es in einer gewagten Synkrisis weit über Homers Ilias und Vergils Aeneis gestellt.83 Liegt somit eine Entstehung in der Spätzeit der neronischen Regierung nahe, bleibt die genaue Datierung kurz vor oder nach dem Brand Roms umstritten.84 Die geringe zeitliche Differenz der Alternativen (63/64 bzw. 65) darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass dazwischen das einschneidende Ereignis des Brands Roms liegt, der das Image von Neros Herrschaft stark belastete. Doch brachten auch bereits die Jahre vor diesem Ereignis eine gegenüber den Anfängen der Regierung Neros deutlich verschlechterte politische Atmosphäre in Rom. Das zweite Gedicht muss nicht demselben Autor zugeschrieben werden wie das erste und könnte auch einige Jahre früher verfasst worden sein.85 Sicher ist dies nicht; die handschriftliche Überlieferung deutet eine engere Gemeinsamkeit an. Das Gedicht setzt mit den Worten quid tacitus ein und gibt damit gleich zu Beginn ein intertextuelles Signal, das auf Calpurnius’ vierte Ekloge als Prätext verweist, die mit denselben Worten beginnt.86 Doch während bei Calpurnius der Hirte Korydon seine Schweigsamkeit sogleich mit der Sorge begründet, mit seinem Gesang den goldenen Zeiten 80
Vgl. B. MERFELD, Panegyrik 104; C. SCHUBERT, Studien 120–122. Erstveröffentlichung H. HAGEN, Anthologie (1869). Dazu jetzt v.a. B. MERFELD, Panegyrik (1999). 82 Cass. 62,29,1; vgl. Tac. ann. 15,39,3. 83 Carm. Einsid. 1,38–41 und 1,45–49. 84 Eine Entscheidung fällt schwer: Ist Neros Troja-Epos bereits vorgetragen, oder spricht das Gedicht orakelhaft von der zu erwartenden öffentlichen Wirkung des Werkes? Ist der vorausgesetzte Dichterwettstreit mit dem Sieg Neros Reaktion auf den Vortrag (vgl. die »Neronia« des Jahres 65: Suet. Nero 12,3; Cass. 61,21,2) oder panegyrische Vorwegnahme? Für die frühere Ansetzung votieren z.B. G. SCHEDA, Nero (1967); B. MERFELD, Panegyrik 129–131.135; für die Datierung kurz nach dem Brand Roms (m.E. mit guten Gründen) C. SCHUBERT, Studien 153f; D. KORZENIEWSKI, Einleitung 4; C. MANDOLFO, datazione (1986). 85 Vgl. C. SCHUBERT, Studien 136.158.167; seine frühe Datierung (61/62) ist freilich stark von seiner Gesamtinterpretation (s.u.) abhängig. Extrem C. REITZ, Literatur 120: um 55. 86 Zur Diskussion um diesen Bezug vgl. B. SCHRÖDER, Carmina 69–71. 81
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möglicherweise nicht gerecht zu werden (Calp. ecl. 4,5–8.12–15.58), bleibt der Hirte Mystes des zweiten Einsiedler Gedichts seinem Gesprächspartner die Begründung schuldig. Die Stimmung ist von Anfang an getrübt; Mystes, in dem vielleicht der Dichter selbst eine Stimme findet, kann keine ungetrübte Freude empfinden – es quälen ihn Sorgen (curae) und bedrückende Angst (gravis anxietas; 2,1–3), Überdruss (oder Überfluss, satias) mischt sich in seine Wahrnehmung der Wirklichkeit (2,9). Schließlich gibt er dem Drängen seines Gesprächspartners nach (2,11) – und singt ein Lied auf das Goldene Zeitalter (2,15–38). Auffälligerweise beginnt dieses mit der Schilderung eines ländlichen Opferfestes, das einmal jährlich begangen wurde und, wie einige Textelemente vermuten lassen, dem Gott Dionysos geweiht war (2,15–20).87 Dann erst besingt es die »goldene Herrschaft« (aurea regna) und die Wiederkehr der Tage des Saturn und der Jungfrau Asträa (2,22f) – anders als bei Calpurnius, der den Anbruch der goldenen Zeit unter Neros Herrschaft als gegenwärtig noch im Vollzug befindlich beschrieb, wird sie hier als bereits erfüllt betrachtet. Der intertextuelle Bezug zu Vergils regna Saturnia und der Wiederkunft der virgo ist deutlich (Verg. ecl. 4,6). Das zweite Einsiedler Lied greift, wie zu erwarten, die Ideale des ungestörten, sicheren Friedens, sittlicher Ordnung und durch leichte Arbeit erworbener bzw. frei geschenkter Fülle der Natur auf und verbindet, ebenfalls erwartungsgemäß, diese Glücksfülle mit der Herrschaft des Kaisers. Dies geschieht freilich erst in der letzten Zeile des Gedichts mittels einer kosmischen Weitung der Friedensherrschaft (2,38).88 Erst hier kommt der Kaiser, der doch als Garant des Goldenen Zeitalters fungiert, in den Blick, und er wird auch nicht direkt genannt, sondern indirekt über seinen zeitgenössisch geläufigen engsten Bezug zu Apollo.89 Was aber besonders auffällt: Die ganze Zeile 2,38 besteht aus einem wörtlichen Zitat von Verg. ecl. 4,10: casta, fave, Lucina, tuus iam regnat Apollo/keusche Lucina, erweise dich huldreich, schon herrscht dein Apollo (Übersetzung D. Korzeniewski). Dem intertextuellen Signal vom Beginn entspricht eine weitere intertextuelle Einspielung am 87 Auf Dionysos deuten das Bocksopfer, das Tympanon und die Maenaliden als Gefolge, im weiteren Kontext auch der Wein, der Mystes’ Besorgnis stärker hervortreten lässt, in 2,2 und das in 2,37 erwähnte Tiger- und Löwengespann, das auf den im Mythos über das Meer kommenden Dionysos hinweist; vgl. B. MERFELD, Panegyrik 152f.159; R. MERKELBACH, Hirten 32–34. Einen Fremdkörper stellt das Dionysos-Fest im Kontext des Goldenen Zeitalters freilich nicht dar: Bei Verg. georg. 2,385–396 ist der dionysische Kult mit der Goldenen Urzeit verbunden (angesichts der Fülle der Natur wird Dionysos geopfert); in 2,532–540 wird diese Epoche mit der Zeit des goldenen Saturn identifiziert. Vgl. D. CASTRIOTA, Ara Pacis 136–138. 88 Zur Diskussion um den Abschluss in 2,38 bzw. ein verlorenes Textstück vgl. B. MERFELD, Panegyrik 139–142. 89 Zum zeitgenössisch üblichen Vergleich (nicht Identifikation!) Neros mit Apollo vgl. die Zusammenfassung bei C. SCHUBERT, Studien 422f.
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Ende des Gedichts. Die curae des Mystes kennt man freilich immer noch nicht. Die Interpretation des Gedichts ist umstritten: Liegt darin ernsthafte Nero-Panegyrik vor, oder handelt es sich um eine Parodie, durch die politische Kritik laut wird? Dietmar Korzeniewski geht von den Sorgen des Mystes aus, die kritisches Licht auf die angeblichen Segnungen der Nero-Zeit werfen, und vermutet, dass der Teil des Gedichts (aus verständlichen Gründen) verloren gegangen ist, der die Kritik an Nero formulierte; die Topoi des Goldenen Zeitalters sind dann in parodistischer Weise verwendet.90 Christoph Schubert erkennt hingegen einen panegyrischen Kunstgriff: Mystes werde als schwieriger, mürrischer Charakter aufgebaut, von dem kein Lobpreis auf die Goldzeit zu erwarten ist, um dieses Lob dann umso wirkungsvoller zur Geltung zu bringen; sein grundsätzlich ängstliches Wesen lasse Mystes das tiefe Glück der Gegenwart zur Sorge werden. Als Eingeweihter enthülle Mystes die Präsenz der aurea aetas.91 Beate Merfeld sieht das Überraschungsmoment des Gedichtschlusses darin, dass die das DionysosFest feiernde bäuerliche Gemeinde erkennen soll, dass Apollo in der Person Neros der Gott dieses Goldenen Zeitalters ist (und eben nicht Dionysos) – die Unkenntnis darüber, die Verehrung des falschen Gottes und damit die Gefährdung des Goldenen Zeitalters sei die Sorge des Mystes.92 Eine neue Deutung kann besonders von den intertextuellen Bezügen auf Texte des Calpurnius bzw. des Vergil und von der damit stimulierten Lesererwartung ausgehen. Signalisiert der Eingang des Gedichts, dass bukolische Nero-Panegyrik zu erwarten ist, stören sowohl die beharrlich angesprochenen Sorgen des Mystes als auch die Schilderung des DionysosFestes die Erwartung. Dann endlich kommt der Lobpreis des Goldenen Zeitalters, doch Nero als dessen Garant bleibt bis zum Ende ungenannt, und die schließlich erfolgende chiffrierte Anspielung verweist zugleich intertextuell auf Vergils vierte Ekloge, die auf Augustus gedeutet wurde – nicht auf Nero, auch wenn sich dieser gerne nach dem großen Vorbild stilisierten ließ. Der Duktus des ganzen Dialogs zwischen den beiden Hirten Mystes und Glyceranus ist darauf angelegt, ein tieferes Verstehen der erlebten 90
D. KORZENIEWSKI, Panegyrische Tendenz; DERS., Einleitung 4f. C. SCHUBERT, Studien 159–167. Im literarischen Spiel mit den Vorgängern (161) überbiete der Autor besonders Vergil, indem er Nero als wahren Augustus (162) und Erfüllung der vergilischen Prophezeiung zeichne. An politische Funktionalisierung der bukolischen Form denkt C. REITZ, Literatur 120. 92 B. MERFELD, Panegyrik 146–160. Dabei gehe es nicht um ein historisches Szenarium, sondern um literarische Auseinandersetzung, bei der der Dichter gegenüber den zitierten Vorgängern Calpurnius und Vergil etwas dichterisch Neues bringen will: Er geht über Calpurnius hinaus, indem selbst die von diesem aufgegriffene »heile Welt« von Vergils Georgica (verstanden als politisches Lehrstück) ihre Bedeutung verloren hat vor dem Hintergrund der Segnungen der durch Nero garantierten Goldenen Zeit. 91
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politisch-sozialen Wirklichkeit herauszufordern: Glyceranus will den Gegenstand der Sorgen aus Mystes herauslocken, Mystes jedoch äußert nur Andeutungen, die Glyceranus nicht versteht, Glyceranus gibt seine Versuche nicht auf, Mystes weigert sich lange und besingt dann das Goldene Zeitalter. Was ist eigentlich die Quintessenz des Gedichts, dürfte sich der Leser (oder Hörer) am Ende fragen – und steht mitten in der eigenen Auseinandersetzung mit der Materie. Den literarisch Kundigen führt das Gedicht von Nero zurück zu Augustus und damit unwillkürlich zum Vergleich der beiden »Goldenen Zeitalter«, mehr noch: zum Vergleich der großen augusteischen Verheißung mit den tatsächlichen Verhältnissen unter Nero. Als Ergebnis liegt die Einschätzung nahe, dass sich die politische Rhetorik vom Goldenen Zeitalter zumindest für die Spätzeit der neronischen Regierung als realitätsfern, als verlogen erweist. Wen solche politische Kritik interessieren könnte, lässt sich nur mutmaßen. Die Anspielung auf das Dionysos-Fest kann man in Verbindung mit dem Namen des ländlichen Skeptikers »Mystes« als Hinweis auf einen Sitz im Leben im Kontext von Dionysos-Mysterien lesen.93 Wenn es überhaupt ein Goldenes Zeitalter, eine politische Heilszeit gibt, dann liegt diese in der Zugehörigkeit zu den dionysischen Mysterien; die »alte« Form des (augusteischen) Prinzipats wird zum Hintergrund, an dem sich Neros Herrschaft messen lassen muss. Den Vergleich kann sie nicht bestehen.
2.3.5 Ausblick Die Konzeption des Goldenen Zeitalters bleibt Bestandteil der Herrscherpanegyrik bis in die Spätantike.94 Im 2. Jh. z.B. bietet Aelius Aristides in seiner Romrede (Aristeid. or. 26) einen panegyrischen Lobpreis auf die Größe Roms, der die Motive der aurea aetas verarbeitet.
Exkurs: Frühjüdische Analogien Als Analogien sollen abschließend kurz einige alttestamentlich-frühjüdische Texte erwähnt werden, die Topoi benutzen, die an die Konzeption vom Goldenen Zeitalter erinnern, jedoch bezogen auf Verheißungen der 93 Der Name »Mystes« deutet auf einen (in Mysterien) Initiierten hin, der in tiefere Sphären blickt, die Nichteingeweihten verborgen sind. B. MERFELD, Panegyrik 148 deutet »Mystes« als Selbsteinschätzung des Dichters als Diener eines Gottes, der die Heilszeit stiftet. 94 Vgl. B. GATZ, Weltalter 137–143; ferner R. GÜNTHER/R. MÜLLER, Zeitalter 156–170. Vespasian nutzt besonders die Ideologie der Pax Romana, die durch den Imperator garantiert wird; vgl. S. SCHREIBER, Friede trotz Pax Romana (2004).
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Königsherrschaft Gottes als zukünftiger Heilszeit. Beispiele sind Jes 33,17– 24 (Rettung vor Feinden, Ruhe für Zion, Gesetze, Wohlergehen für Blinde und Lahme, Heilung von Krankheit, Sündenvergebung), Jes 65,17–25 (Neuwerdung, Freude, lange Lebenszeit, Freiheit und Wohlstand, Tierfrieden, Sicherheit vor Verbrechen), Sib 3,367–380 (Friede, Fülle der Natur, Gerechtigkeit, Wohlstand, Eintracht, Sicherheit), 3,616–623 (üppige Fruchtbarkeit der Natur), 652–656 (Ende der Kriege), 767–795 (Einbezug der Heiden ins Heil, Tempel/Israelzentrik, Friede, Gerechtigkeit, Wohlstand, Freude, Tierfriede [vgl. Jes 11,6–8]). Im Vergleich wird sichtbar, wie bestimmte Sprach- und Denkmuster geeignet sind, auf existentielle menschliche Erfahrungen mit gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten und damit verbundenen Sehnsüchten und Hoffnungen zu antworten. Analoge Entwicklungen der Artikulationsformen und direkte kulturelle Berührungen müssen sich dabei nicht ausschließen.
2.4 Die Form: Vom Goldenen Zeitalter künden Interessant ist die literarische Form, in der die Ankündigung oder Feststellung des Goldenen Zeitalters erfolgt. Der Großteil der einschlägigen Belege besteht aus Liedern, lyrischen Gedichten mit zum Teil hymnischem Charakter. Dies trifft auf Carmina und Epoden des Horaz ebenso zu wie auf die vierte Ekloge und die Aeneis Vergils, spiegelt sich in den laudes Neronis aus Senecas Apokolokyntosis und findet sich wieder in den Eklogen des Calpurnius Siculus und in den Carmina Einsidlensia.95 Das Goldene Zeitalter wird besungen, Lieder erscheinen als die charakteristische Form seiner Ankündigung. Die freudig-feierliche Atmosphäre, die die Liedform transportiert, ist dabei wichtiger als eine differenzierte Formbestimmung innerhalb des lyrischen Genres. Wenn mit dem Goldenen Zeitalter unweigerlich Jubel und Lobpreis verbunden sind, wird seine umfassende Heilsbedeutung intuitiv vermittelt. Mehr noch: Hinter Vergils vierter Ekloge scheint die Auffassung vom Dichter als vates zu stehen, der als Priester des Apollo-Kults besondere seherische Begabung besitzt.96 Der Hinweis auf ein carmen Cumaeum – ein sibyllinisches Orakel97 – und auf die Herrschaft des Apollo in 4,4.10 stützt 95
Hor. epod. 16; carm. 4,5; 4,15; carm. saec.; Verg. ecl. 4; Aen 6,789–805; Sen. apocol. 4,1; Calp. ecl. 1; 4; carm. Einsid. 2. 96 Das in Verg. ecl. 4,1.3 verwendete Verb canere steht bei Vergil häufig synonym zu vaticinari. Vgl. B. MERFELD, Panegyrik 30f. Zur vergilischen vates-Vorstellung allgemein N. HOLZBERG, Vergil 35–39. 97 Zur Diskussion um das carmen Cumaeum als Sibyllinum vgl. B. MERFELD, Panegyrik 32 Anm. 1.
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dieses Bild. Wenn die Parzen als eigentliche Sängerinnen des Liedes auf den das Goldene Zeitalter bringenden puer identifiziert werden, erscheint ihr Lied und damit der Beginn der neuen Zeit als unabänderlicher Wille der Götter (stabile fatorum numen; 4,46f). – Die prophetische Funktion der Sibylle prägt das sechste Buch der Aeneis: Sie führt Aeneas durch die Unterwelt und unterstützt den Schatten des Anchises bei der Prophezeiung der großen Zukunft Roms im Goldenen Zeitalter unter Augustus; ihre Ergriffenheit durch den Orakelgott Apollo bringt der Dichter durch eine Schilderung ihrer Raserei zum Ausdruck (Aen. 6,77–82.98–101).98 In Senecas Apokolokyntosis wird der Gott Apollo selbst als Sänger der laudes Neronis identifiziert (apocol. 4,1,21; 4,2). Bei Calpurnius ist die lyrische Form innerhalb eines Hirtengedichts noch einmal eigens reflektiert. In der ersten Ekloge finden zwei Hirten in die Rinde einer heiligen Buche eingeritzt ein divinum carmen, das, wie der Dichter mehrfach betont, in Versen (versus) geschrieben ist und das mit Faun als Verfasser »ein Gott selbst kündet« (deus ipse canit).99 Die göttliche Herkunft verbürgt den Wahrheitsgehalt der panegyrischen Prophezeiung.100 Das göttliche Lied, die Dichtung verheißt den Hirten ein Goldenes Zeitalter, und am Ende wollen sie selbst, angesichts des Verheißenen freudig erregt, carmina singen, die die neue Zeit unter der göttlich geschenkten Herrschaft des Kaisers preisen (1,92f). Ihr Lied verdankt sich göttlicher Ergriffenheit (velut ipso numine plenum; 1,89) und setzt damit die Linie der göttlichen Kundgabe fort. In der vierten Ekloge will sich der Hirte Korydon an carmina, die nicht wie Hirtengesang klingen (non quae nemorale resultent), sondern aurea saecula, ja den göttlichen Kaiser selbst besingen, versuchen (4,5–8); im zweiten Teil des Liedes singt dann der junge Hirte zusammen mit seinem Gefährten strophenweise alternierend das Loblied des Goldenen Zeitalters (4,82–146).101 Die Form des carmen wird dabei zum Medium göttlich inspirierter Kunde. Die Verkündigung enthält und verbürgt göttliche Wahrheit. Das erste Einsiedler Gedicht bringt diesen Zusammenhang zum Ausdruck, wenn das von zwei Hirtenknaben vorgetragene carmen mit der Inspiration der delphischen Pythia in Analogie gesetzt wird: 98
Zur Verbindung von Wahnsinn und göttlicher Inspiration vgl. D. CASTRIOTA, Ara Pacis
134f. 99
Calp. ecl. 1,20–32. Vgl. C. SCHUBERT, Studien 55. 101 Die Form des Wechselgesangs entspricht bukolischer Tradition, doch rückt hier an die Stelle des üblichen Sängerwettstreits das Prinzip der Eintracht der Sänger – im Einklang mit dem besungenen Thema, der Zeit des Friedens und der Harmonie; vgl. B. SCHRÖDER, Carmina 139, der ebd. 139–145 literarkritische Aspekte der überlieferten Strophenverteilung diskutiert. – Lieder zählen zum Motivinventar der Darstellung bei Verg. ecl. 4,46 (Parzen); 53–59 (Dichter selbst); Hor. carm. saec. 8 (Jungen und Mädchen). 100
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Rast doch in Sprüchen die Jungfrau und singt mit erzwungener Stimme. Carminibus virgo furit et canit ore coacto.102
Die Verbindung von göttlicher Prophezeiung und lyrischer Form wird grundlegend auch darin deutlich, dass Orakel gerne in Versform an den Fragesteller ausgegeben werden. So wird z.B. von Dichtern am pythischen Orakel in Delphi erzählt, die ergangene Prosa-Sprüche eigens in Verse setzten – eine Praxis, die spätestens für das 1. Jh. v.Chr. belegt ist.103 Die Versform ist Trägerin von Autorität und Feierlichkeit und bietet eine ritualisierte Sprache, die Lernbarkeit und damit Kommunikabilität und Tradierbarkeit sichert. Schon Friedrich Nietzsche konnte feststellen: »So wie die Formel ausgesprochen wird, buchstäblich und rhythmisch genau, so bindet sie die Zukunft: die Formel aber ist die Erfindung Apollos, welcher als Gott der Rhythmen auch die Göttinnen des Schicksals binden kann.«104 Überhaupt war der Antike die Vorstellung geläufig, dass sich in Dichtern göttliche Kraft, göttliche Inspiration manifestieren konnte.105 Eine mythische Darstellung dieses Sachverhalts umrankt den vorzeitlichen Dichter Aristeas, von dem Herodot (4,14f) erzählt: Dreimal ist Aristeas nach seinem Tod wunderbar wieder erschienen, wobei er bei seiner zweiten Erscheinung sieben Jahre nach seinem Tod ein Epos verfasste. In seinem NeroEnkomium greift der Dichter Lukan die Überzeugung von der göttlichen Inspiration der Dichter auf – und wandelt sie für seine Zeitgeschichte charakteristisch ab, denn nun wird der vergöttlichte Kaiser Nero zum numen des Dichters Lukan, der römische Dichtungen (Romana carmina) schaffen will.106
2.5 Die Topik: Grundelemente des Goldenen Zeitalters Aus den bisher angesprochenen lyrischen Texten lässt sich die Topik aufgreifen, die mit der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter verbunden ist. 102 Carm. Einsid. 1,25. Übersetzung D. KORZENIEWSKI. Den Charakter des Zwingenden, der aus der Begegnung mit einem Gott resultiert, zeigt W. SCHMID, Panegyrik 85 als Vergleichsmoment zwischen dem pythischen Orakel und dem Lied des Hirten; vgl. B. MERFELD, Panegyrik 121f. 103 Vgl. Plut. mor. 407b; Strab. 9,3,5. Dazu V. ROSENBERGER, Orakel 172–175. Allgemein zu Propheten in Rom J. RÜPKE, Religion 221f. 104 F. NIETZSCHE, Die fröhliche Wissenschaft 88f (Nr. 84). Aufgenommen bei V. ROSENBERGER, Orakel 173f. 105 Dazu H.-J. KLAUCK, Umwelt II 24. 106 Lucan. 1,63–66. Dazu B. MERFELD, Panegyrik 104. – Vgl. auch carm. Einsid. 1,17f zur göttlichen Inspiration der Dichtung (wobei in 1,20 mit dem Bezug auf einen deus wieder auf Nero fokussiert ist).
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Daneben stehen auch einige Prosatexte als Quellen zur Verfügung: aus augusteischer Zeit die kleinasiatischen Inschriften von Halikarnassos und Priene;107 über Augustus und Tiberius berichtet mit entsprechender Topik ein Abschnitt im zweibändigen Geschichtswerk des Velleius Paterculus, das zur Zeit des Tiberius entstand;108 aus der ersten Hälfte des 2. Jh. liegt die Augustus-Vita des Sueton vor;109 und aus der Mitte des 2. Jh. und damit eher als späterer Vergleichstext die in panegyrischer Tradition stehende Romrede des Aelius Aristides.110 Ein phänomenologischer Textvergleich kann die zentralen Topoi erarbeiten, bedeutet aber nicht, dass es sich beim Goldenen Zeitalter um eine starre Konzeption handelte, die unverändert aufgerufen wurde.111 Gerade die zeitgenössische Dichtung zeigt spezifische sprachliche und inhaltliche Akzentsetzungen. Dabei existieren aber Grundelemente, feste Topoi, die bei aller Variabilität in einer Vielzahl von Texten regelmäßig wiederkehren, und dazu eine Terminologie, mit der auf diesen Vorstellungskomplex referiert werden konnte. Die Varianz zwischen den Syntagmen aurea aetas und saeculum aureum ist eher sprachlicher Natur und impliziert keine unterschiedlichen Konzeptionen.112 Bestimmte Topoi stellen also das semantische Gründgerüst einer Vorstellung bereit, die – pragmatisch betrachtet – in der konkreten politischen Situation des frühen römischen Prinzipats aussagekräftig war und so für die politische Rhetorik Bedeutung und Bekanntheit erlangte.
107 Inschrift von Halikarnassos: CAGI IV/1, Nr. 894; V. EHRENBERG/A.H.M. JONES, Documents Nr. 84a; Übersetzung: H. FREIS, Inschriften 17; UUC II 107; H.-J. KLAUCK, Umwelt II 50. Eine genaue Datierung der Inschrift ist nicht möglich. – Inschrift von Priene s. oben Anm. 55. 108 Vell. hist. 2,89.126. Es handelt sich um eine kurzgefasste Universalgeschichte, sozusagen im Taschenbuchumfang, wobei die Widmung an M. Vinicius anlässlich seines Konsulats im Jahr 30 n.Chr. die Datierung begründet. Die Überblicke über die Regierung der beiden Herrscher (2,89.126) heben die restaurative Tendenz ihrer Herrschaft hervor. Zum Hintergrund G. KRAPINGER, Art. Velleius [4] Paterculus. Text und Übersetzung: M. GIEBEL (1989); mit Kommentar: M. ELEFANTE (1997); A.J. WOODMAN (2 Bde.). Zur Bedeutung des Werks v.a. U. SCHMITZER, Velleius Paterculus, bes. 226–231 zur Darstellung des Augustus und 287–306 zu Tiberius; ferner D. FLACH, Geschichtsschreibung 168f; K. CHRIST, Velleius und Tiberius; A. MEHL, Geschichtsschreibung 114–116. 109 Suet. Aug. 94f. 110 Aristeid. or. 26. Text und Übersetzung R. KLEIN. 111 Generell zur Vorsicht gegenüber einer Klassifizierung einzelner Motive als feste Topoi mahnt C. SCHUBERT, Studien 425–428; nach seinem Ergebnis ist die Nero-Panegyrik nirgends rein topisch, gerade aber im Bereich der Goldzeit-Motivik lassen sich verstärkt einschlägige Topoi greifen (427). 112 Die von B. GATZ, Weltalter 204–206 versuchte Unterscheidung zwischen den (römischen, politisch-historischen) aurea saecula und der (griechischen, anthropologisch-genealogischen) aurea aetas lässt sich an den Texten nicht halten; darauf weist B. SCHRÖDER, Carmina 77f hin.
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Einige Verse aus der in dieser Hinsicht fast idealtypischen ersten Ekloge des Calpurnius – wie erwähnt aus der Zeit des Regierungsantritts des jungen Nero (54/55) – sollen die Analyse der Topik leiten. (1) Friede [...] freuet euch! Alles Vieh darf ohne die Sorge des Wächters äsend sich ringsum zerstreuen; und nicht mehr soll ängstlich der Hirte nachts mit hölzernem Gatter die Hürden verschließen; kein Räuber wird es mehr wagen, nach Schafen in ihren Ställen zu lauern, nicht wird heimlich die Halfter er lösen und Rinder entführen. Goldene Zeit (aurea aetas) mit gefahrlosem Frieden wird wiedergeboren. Jeglicher Krieg wird dann in den Kerker des Tartarus stürzen, wird in Finsternis hüllen sein Haupt und das Tageslicht scheuen. Strahlend erscheint dann die Göttin des Friedens (pax), nicht strahlt nur ihr Antlitz, so wie öfters zuvor, als sie, frei von Kriegeserklärung, Zwietracht mit heimlichem Schwert unter Bürgern verbreitete, während draußen die Feinde besiegt, aber drinnen die Waffen noch tobten.113
Umfassender Friede ist das Merkmal des Goldenen Zeitalters, und zwar als Sicherheit vor Krieg und Bürgerkrieg, aber auch als gefahrloses Landleben, bei dem niemand um seinen Besitz fürchten muss.114 Es handelt sich um eine Zeit des Glücks, des Heils, der Freude.115 (2) Gerechtigkeit Huldreich kehrt endlich zur Erde zurück, ohne Zeichen der Trauer, Themis, die Göttin. [...] Nicht mehr den Schein und den Schatten des Amtes erhandelt der Konsul, nicht mehr empfängt er leere Bündel der Ruten noch schweigend machtloses Amt im Gericht; die Gesetze kehren dann wieder, wieder gilt Recht, und ein besserer Gott gibt dem Forum Gesittung, alte Gestalt dann zurück und behebt den früheren Schaden.116
113
Calp. ecl. 1,37–42.52–57. Ausgabe und Übersetzung: D. KORZENIEWSKI (Hg.), Hirtengedichte 12–17. 114 Inschrift von Priene 36f; Inschrift von Halikarnassos 9; Verg. ecl. 4,17; Vell. hist. 2,89,3f.6; 2,126,2f; Hor. carm. 4,5,17–19.25–28.38; 4,15,6–9.17–24; carm. saec. 53–57; Calp. ecl. 4,8.85.127–136.146; Lucan. 1,60–62; carm. Einsid. 2,25–36; später Aristeid. or. 26,69–71. 115 Inschrift von Priene 4f.9f.13f; Inschrift von Halikarnassos 5.11f; Verg. ecl. 4,12.52; Vell. hist. 2,89,2; 2,126,3f; Suet. Aug. 94,1; 95; Hor. carm. 4,5,5–8.29–31; carm. saec. 28.67f.74; Calp. ecl. 1,42–45.71f; 4,86.122–126; Sen. apocol. 4,1,24; später Aristeid. or. 26,97.99.101. 116 Calp. ecl. 1,43f.69–73.
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Gerechtigkeit und Rechtsordnung sind verwirklicht (vgl. Themis als Göttin der Gerechtigkeit und der Rechtsordnung), wodurch die Eintracht der Gesellschaft gewährleistet ist.117 (3) Weltherrschaft [...] es folgen glückliche Zeiten dem Jüngling, der durch die julischen Ahnen der Mutter den Sieg hat errungen. Alle Völker sollen sich freuen, die unten im Süden wohnen und oben im Norden, gen Osten und Westen sich dehnen oder die unter der Mitte des Himmels vor Hitze erglühen. Seht ihr, wie hell in der zwanzigsten Nacht schon der Himmel erstrahlet und ein Komet in sanftem Licht uns leuchtend sich zeiget? Sicher wird selber der Gott die Last der römischen Masse Ohne ein Beben mit kraftvollen Schultern so übernehmen, dass nicht ein Dröhnen erschallt, wenn die Weltmacht wird übertragen. Rom wird nicht früher dies göttliche Haus des verdienstvollen Wirkens ledig erachten, bis abends die Sonne im Osten sich neiget.118
Tragend ist der Gedanke der Weltherrschaft; er kann als größte Ausdehnung des römischen Imperiums, Geltung für alle Völker und zum Teil ewige Dauer formuliert sein.119 Die neue Weltherrschaft wird von den Göttern garantiert und ist an die Person des (jungen) römischen Kaisers gebunden. Diese Bindung an den Kaiser stellt die Voraussetzung für die Realisierung der aurea aetas dar. Weil der Imperator in der Vollmacht und nach dem Willen der Götter agiert, besitzt er höchste Legitimation – und erscheint selbst als Gott. Calpurnius drückt den entscheidenden Zusammenhang von Weltherrschaft und Vergöttlichung des Kaisers so aus:
117 Inschrift von Halikarnassos 9f; Vell. hist. 2,89,3–5 (Augustus); 2,126,2–4 (Tiberius) (bei Velleius tritt der Gedanke der Gerechtigkeit als Basis gesellschaftlicher Ordnung stark hervor); Hor. carm. 4,5,21–24; Calp. ecl. 4,117–121; carm. Einsid. 2,23f (die »Jungfrau Asträa« entspricht der Göttin Themis). Später betont Aristeid. or. 26,29f.36–39.59f.64–66.85.89–91.102f.107 die Gleichheit der römischen Bürger, soziale Harmonie und Freiheit, Rechtsordnung und höchste Gerechtigkeit. 118 Calp. ecl. 1,44f.74–78.84–88. 119 Inschrift von Priene 7–10.40–42; Inschrift von Halikarnassos 6–12; Verg. ecl. 4,9f.14.17.50–52; Aen. 6,794–805; Vell. hist. 2,89,6 (»Erdkreis«); 2,126,3; Suet. Aug. 94,5 (Vorhersage über Augustus: »Herr der Welt«); Hor. carm. saec. 9f.53–56; carm. 4,15,14–16; Calp. ecl. 4,8.84.107.144f (»orbem [...] rege!«); Lucan. 1,52; später Aristeid. or. 26,6–13 (ʍֻIJįԭȡԼȜȡȤȞջȟș ZLUG YRQ 5RP UHJLHUW ). 61.85.102–104. Die lange Dauer der Herrschaft betonen Hor. carm. 1,2,45f; Sen. apocol. 4,1,19–21; Calp. ecl. 4,144f. Das Motiv der Roma aeterna wurde in der Frühzeit des Prinzipats zunehmend aufgegriffen, z.B. für Tiberius bei Vell. hist. 2,103,4 (und CIL XI 4170); dazu U. SCHMITZER, Velleius Paterculus 297.
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Kaiser, ob du nun Juppiter bist mit verwandeltem Aussehn oder ein anderer Gott unter täuschendem Bild eines Menschen, unerkannt: Gott bist du sicher; ich bitte dich, lenke den Erdkreis, lenke auf ewig, ich bitt’ dich, die Völker [...]120
Daher kann der Kaiser in diesem Zusammenhang auch als IJȧijսȢ/Retter bezeichnet werden.121 Wichtig ist dabei die Kundgabe des göttlichen Willens durch Prophezeiungen, Voraussagen und Vorzeichen. Sueton weiß von einer Häufung von Vorzeichen, Orakeln und Träumen in Verbindung mit der Geburt des Augustus.122 Die lyrische Form bietet sich, wie wir gesehen haben, in besonderer Weise für die Kundgabe des Götterwillens an; das divinum carmen, das Calpurnius innerhalb seiner ersten Ekloge durch Hirten auffinden und vortragen lässt, beginnt entsprechend: Der ich die Berge und Wälder beschütze, den Äther gezeugt hat, Faunus, ich künde den Völkern die Zukunft [...] (Calp. ecl. 1,33f).
(4) Dabei eignet der Konzeption vom Goldenen Zeitalter ein ausgesprochen konservativer Zug. Denn sie gründet nicht nur in der Wiederkehr einer imaginären früheren Idylle, sondern betreibt auch eine Rückbindung der sittlichen und rechtlichen Ordnung an die alten römischen Werte. Calpurnius nennt Numa als altrömisches Exemplum einer Herrschaft nach den Prinzipien von Frieden und Recht und spricht von der früheren, alten Sitte und Gestalt des Forums (moremque fori vultumque priorem; ecl. 1,72), Carmen Einsidlense 2 von der Wiederkehr der »alten Sitten« (antiquos mores; 24); besonders deutlich äußerte sich bereits Horaz in seinem Enkomium auf die Größe Roms und vor allem auf die Leistungen des Augustus anlässlich der Säkularfeier 17 v.Chr.: Schon wagen es Treue und Friede und Ehre und Scham, Die uralte, und die missachtete Tugend zurückzukehren,
120 Calp. ecl. 4,142–145 (Übersetzung D. KORZENIEWSKI). Weitere Belege: Inschrift von Priene 4.22.41; Verg. ecl. 4,15.48f.62f; Aen. 6,792; Suet. Aug. 94,6; Hor. carm. 4,5,32–40; Calp. ecl. 4,7f.84–86.92–94.100.112.132.141 (betont Göttlichkeit des Kaisers); ecl. 7,6.76–78.83f. Vgl. ferner Vell. hist. 2,126,1. – Nur angedeutet bei Aristeid. or. 26,32 (Gebet zum Herrscher); allgemein garantieren die Götter Sicherheit und Bestand Roms (104f). 121 Inschrift von Priene 36; Inschrift von Halikarnassos 6. 122 Suet. Aug. 94,4–6.8–12; 95; vgl. Inschrift von Priene 16 (göttlicher Wille).33 (Vorsehung); Hor. carm. saec. 25–28 (Verheißung der Parzen); ferner Verg. Aen. 6,791 (Verheißung); ecl. 4,47 (göttlicher Wille). Bei Calp. ecl. 1,20–32 finden Hirten ein divinum carmen. – Auch bei der Kaisererhebung Vespasians spielen Prophezeiungen seiner Kaiserwürde eine große Rolle zur politischen Legitimation; vgl. Jos. bell. 3,400f; 4,622f (Weltherrschaft); ferner die jüdische Weissagung bell. 6,312f.
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Und es erscheint mit ihrem reichen Horn die Herrliche Fülle.123 iam fides et pax et honos pudorque priscus et neglecta redire virtus audet adparetque beata pleno copia cornu.
Für Velleius Paterculus kehrt die heilvolle Vergangenheit erst mit Tiberius wirklich wieder, für dessen Herrschaft gilt: revocata in forum fides.124 Der in Vergils vierter Ekloge gepriesene puer wird den Erdkreis gemäß den altrömischen Wertvorstellungen, den väterlichen Tugenden (patriis virtutibus; Verg. ecl. 4,17), lenken, und was virtus bedeutet, lernt er von den Vorbildern der Heroen und der Vorväter (4,26f); die daran orientierte neue Zeit bringt die Tilgung alter Frevel (4,13f). Die mores maiorum, die alten sittlichen Werte besitzen für die Identitätskonstruktion der römischen Gesellschaft große Bedeutung und wurden von Augustus gezielt gefördert.125 (5) Mit dem zuletzt genannten Bild vom »Füllhorn« klingt noch ein weiterer Topos an, der für die Darstellung des Goldenen Zeitalters zentral ist; hören wir aus Vergils berühmter 4. Ekloge:126 Jetzt ist die letzte Zeit (aetas) nach dem Lied der Sibylle gekommen, und es beginnet von neuem der Zeiten geordnete Folge (saeclorum [...] ordo). Doch dir streut, o Knabe, zuerst freiwillig (nullo [...] cultu) die Erde huldigend Gaben, des Efeus Gerank und die duftenden Wurzeln, mischt in die lachende Pracht des Akanthus indische Rosen. Selber kommen nach Hause mit schwerem Euter die Ziegen, nicht mehr fürchten den Löwen der Rinder weidende Herden.
123 Hor. carm. saec. 57–60 (Übersetzung G. FINK); vgl. 17–19; auch carm. 4,15,9–14.25–32 (12: veteres revocavit artis). Vgl. zur Rückkehr der alten Ordnung Vell. hist. 2,89,3f; Hor. carm. 4,5,20; Sen. clem. 2,1,4 (pietas, integritas, fides, modestia). Später Aristeid. or. 26,106. 124 Vell. hist. 2,126,2. Dabei ist eine Distanzierung gegenüber Augustus impliziert; vgl. E.S. RAMAGE, Velleius; U. SCHMITZER, Velleius Paterculus 300f. 125 Zum Programm der mores maiorum vgl. P. ZANKER, Augustus 161–170.172; D. CASTRIOTA, Ara Pacis 144–169. 126 Verg. ecl. 4,4f.18–22.28–30.40–45 (Übersetzung H. LIETZMANN, Weltheiland 27f; leicht zugänglich in: UUC II 108f). Vgl. Inschrift von Priene 8; Hor. epod. 16,43–56.61f; carm. 4,5,17– 20; 4,15,5; carm. saec. 29–32; Calp. ecl. 4,102–126; carm. Einsid. 2,25–38. Das Selbstfärben der Wolle auch bei Sen. apocol. 4,1: sponte sua, nullo labore. – Angedeutet bei Aristeid. or. 26,11– 13.100. – Bezogen auf einen Zustand in der Vergangenheit Ov. met. 1,109–112. Mit kritischem Unterton gegenüber Neros Verhalten stellt Sen. epist. 115,13 fest, dass ein Zustand materiellen Überflusses saeculum aureum genannt wird.
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Das Goldene Zeitalter
Bald bedecket das Feld mit weichem Golde die Ähre, rings im wilden Gestrüpp erglüht die dunkelnde Traube, Honig tauen die Blätter der alten, knorrigen Eiche. Nicht mehr verwundet den Boden der Karst, den Weinstock die Hippe, und es nimmt von den Stieren das Joch der kräftige Landmann. Nicht mehr lernet die Wolle, die Farben künstlich zu täuschen, nein, auf der Wiese verwandelt dem Widder in lieblichen Purpur bald sich das Vlies, bald schmückt ihn des Safrans prächtige Farbe, rötliche Wolle bekleidet von selbst (sponte sua) die weidenden Lämmer.
Ein Naturparadies, beschrieben als »Tierfriede« und Fruchtbarkeit, die schwere landwirtschaftliche Arbeit überflüssig macht, zählt zu den gepriesenen Vorzügen des Goldenen Zeitalters. Die Mitwirkung des Menschen kann dabei verschieden bestimmt werden: Während sich in dem zitierten Vergil-Text die Fülle der Naturerträge automatisch einstellt,127 setzt Calpurnius später landwirtschaftliche Tätigkeiten, denen freilich außerordentlich reicher Ertrag beschert ist, weiter voraus.128 Das zweite Einsiedler Gedicht stellt beide Varianten nebeneinander (carm. Einsid. 2,25–30.35–37). Als Folge militärischer Siege kann Horaz schreiben: »Die goldene Fülle (aurea copia) schüttet ihre Früchte aus vollem Horn über Italien aus« (Hor. epod. 1,12,29). Dass sich mit der Regierung des Princeps die Lebensverhältnisse der Bevölkerung umfassend zum Guten wenden, ist ein wesentliches Element der politischen Rhetorik.129 Die Göttlichkeit des Princeps ist dabei vorausgesetzt, denn die Epiphanie eines Gottes kann in antikem Denken wunderhafte Veränderungen der Natur wie Windberuhigung, Wohlgeruch und das üppige, freiwillige Schenken der Natur auslösen.130 127 Zum sogenannten įijցȞįijȡȣ0RWLY vgl. schon Hes. erg. 117f; bei Verg. ecl. 4,18f.28– 30.40–45. In Sen. apocol. 4,1,8f verwandelt sich die von den Parzen gesponnene Wolle (der Lebensfaden Neros und seiner ganzen Epoche) »automatisch« in einen Goldfaden. 128 Calp. ecl. 4,113.117–121; das schließt nicht aus, dass die neue Fruchtbarkeit auf »übernatürliche« Weise geschenkt wird. Das üppige Gedeihen der Natur in 4,109–111 (Blüten, Bäume) betrifft nicht den Bereich der menschlichen Arbeit. Bei der Beschreibung der Feldfrüchte in 4,112–116 begegnet das Motiv des automatischen Gedeihens nicht. Dazu B. SCHRÖDER, Carmina 173f.177f, der eine Ähnlichkeit zu Verg. georg. 2,516–518 festhält. Vgl. B. M ARTIN, Calpurnius 31–33; B. MERFELD, Panegyric 91f. – Vell. hist. 2,89,4 erwähnt nur die Restitution der Landwirtschaft. 129 Daher wird Augustus auch als »Wohltäter« gepriesen; vgl. Inschrift von Priene 18.35.39f; in Bezug auf Vespasian Jos. bell. 7,71. Zum Motiv des Herrschers als »Mehrer der Feldfrüchte« vgl. Verg. georg. 1,27 (auctorem frugum); ecl. 9,47–49 (Wirkung des sidus Iulium); Hor. carm. 4,15,4f. Umgekehrt gerät bei Abwesenheit des segenspendenden Gottes der Kosmos aus den Fugen, so bzgl. Tiberius bei Vell. hist. 2,100,1; zum Motiv vgl. U. SCHMITZER, Velleius Paterculus 296f. – Eher realistisch spricht Vell. hist. 2,126,3f vom niedrigen Getreidepreis und der Freigebigkeit (munificentia) des Princeps. 130 Dazu F. PFISTER, Art. Epiphanie 319; B. MERFELD, Panegyrik 89f. Die genannten Motive finden sich z.B. in Calp. ecl. 4,97–100.108–111.
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3. Der neue Weltherrscher in der lukanischen Geburtsgeschichte
Lukas selbst gibt in Lk 2,1 ein unverhülltes Rezeptionssignal, indem er die Geburt Jesu in die Regierungszeit des Augustus einordnet und dabei auf dessen Befehlsgewalt über »den ganzen Erdkreis«/ʍֻIJįȟ ijռȟ ȡԼȜȡȤȞջȟșȟ hinweist. Die Weltherrschaft von Rom als Zentrum aus stellt das politische Leitbild für Augustus und seine Nachfolger auf dem Kaiserthron dar.
Abb. 8: Gemma Augustea (ca. 10 n.Chr.)
Dieses Leitbild fand eine plastische Umsetzung auf der sogenannten Gemma Augustea, einem Kameo aus der Spätzeit des Augustus (ca. 10 n.Chr.;
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Der neue Weltherrscher in der lukanischen Geburtsgeschichte
Abb. 8).1 Im Mittelpunkt thront Augustus mit Roma an seiner Seite, mit der corona civica gekrönt von Oecumene, die seit Alexander die Weltherrschaft personifiziert, rechts sitzt Italia mit dem Füllhorn; der linke obere und der gesamte untere Teil jedoch sind mit Kriegsmotivik gefüllt: Die pax Augusta bedeutet die Unterwerfung der »Barbaren«. Die Weltherrschaft des Augustus, die von der politischen Propaganda und von zeitgenössischen Kulturschaffenden als Wiederkehr des Goldenen Zeitalters gefeiert wurde, wird mit Lk 2,1 als potentielles Rezeptionsmilieu für die Geburtsgeschichte der lukanischen Jesus-Vita interessant. Die politische Sprache des frühen römischen Prinzipats bietet eine Folie, die politische Obertöne des Textes hörbar macht.
3.1 Jesu Weltherrschaft als Goldenes Zeitalter Dabei gilt es zunächst wahrzunehmen, welch auffällige Entsprechungen die lukanische Erzählung von den Anfängen der Weltherrschaft Jesu zur Topik des Goldenen Zeitalters zeigt. (1) Abgesehen von der Episode um den zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lk 2,41–52) finden sich in allen Einzelszenen der Geburtsgeschichte lyrische Passagen (s. das Schema unter 1.1). Die literarische Form des Liedes vermittelt auf »übernatürliche«, d.h. göttlich inspirierte Weise die Deutung des Geschehens als Sinndimension hinter der erzählten Handlung und schafft eine Atmosphäre der Freude und des Jubels.2 Gerade die lyrischen Stücke bei Lukas zeigen, dass eine neue Herrschaft für Israel und die Welt beginnt (Lk 1,32f.69), die eine bisher ungekannte Heilsqualität auszeichnet: Friede erscheint als ihr wesentliches Charakteristikum (1,79;3 2,14.29) – signifikant endet das Lied des Zacharias in 1,79 mit dem Begriff ıԼȢսȟș –, bei vielen wird Freude herrschen (1,14; 2,10), die Lebensprinzipien der neuen Herrschaft sind Heiligkeit und Gerechtigkeit (1,75). Diese Herrschaft be-
1 Abbildung: K. GALINSKY, Augustan Culture 120 Abb. 57. Zur Ikonographie ebd. 120f. – Das Leitbild der römischen Herrschaft über den gesamten orbis terrarum hat sich auch außerhalb der aurea aetas-Konzeption niedergeschlagen; Belege bietet H. BALZ, Art. ȡԼȜȡȤȞջȟș 1231; z.B. Jos. bell. 1,633 (der Kaiser als ʍȢȡIJijչijșȣ [Vorsteher, Patron] des Erdkreises); POxy 1021,5–7 (vgl. OGIS 666,3f) (Nero als ԐȗįȚրȣ İįտȞȧȟ [guter Schutzgeist] des Erdkreises); OGIS 668,5 (Nero als Retter und Wohltäter des Erdkreises). 2 Z.B. Lk 1,14.44.47.58; 2,10; ıȝȡȗıהȟ 1,64.68; 2,28; įԼȟıהȟ, İȡȠչȘıțȟ 2,10; ԐȟȚȡȞȡȝȡ ȗıהIJȚįț 2,38. 3 Dass der Friede freilich erst im Kleinen begonnen hat und erst noch umfassend aufzurichten ist, könnte in der Vorausschau auf den Weg des Friedens in 1,79 angedeutet sein.
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deutet Befreiung und Rettung für Israel und die Völker4 (1,47.68f; 2,11.30.38); konkret werden Rettung vor Feinden (1,71.74) und Sündenvergebung (1,77) genannt. (2) Gott selbst garantiert und legitimiert die neue Herrschaft. Er bindet sie untrennbar an den erwählten Herrscher, der in besonderer göttlicher Nähe steht; Lukas drückt dies im Motiv der Gottessohnschaft aus: Jesus ist »Sohn des Höchsten« (1,32), »Sohn (eines) Gottes« (1,35). Dieser göttliche Wille wird auf vielfältige Weise prophezeit und angekündigt.5 Und er wirkt sich – bei Jesus wie bei Augustus – in einer wunderbaren göttlichen Zeugung aus, die der Geburt vorangeht.6 Ebenso ereignet sich in der Jugend beider eine Episode, die ihre spätere Bedeutung anklingen lässt: Jesus zeigte seine besondere intellektuell-religiöse Begabung im Alter von zwölf Jahren (erst mit dreizehn Jahren ist er als jüdischer Junge zur strengen Tora-Observanz verpflichtet) beim Lehrgespräch im Tempel (Lk 2,41–52), Augustus fiel beim Anlegen der toga virilis (mit 16 Jahren) die purpurgesäumte Tunika zu Füßen, was als Zeichen für seine spätere Herrschaft über den Senat verstanden wurde (Suet. Aug. 94,10); die geistige Frühreife tritt bei Augustus (wie bei Jesus) im Alter von zwölf Jahren hervor, als er seine erste öffentliche Rede, die Leichenrede für seine verstorbene Großmutter, hielt (Aug. 8,1).7 (3) Hirten als Empfänger der Botschaft vom neuen Zeitalter hat die lukanische Erzählung mit bukolischen Liedern aus der Zeit Neros gemeinsam.8 Über den offenbarungstheologischen Gehalt hinaus scheint es, als ob Lukas das in augusteischer Zeit verbreitete idyllische Bild vom Goldenen Zeitalter, das sich in nostalgischer Einfachheit und ursprünglicher Frömmigkeit zeigt,9 kurz aufleuchten lässt.
4 Sind die ersten Lieder noch ganz auf Israels Heil konzentriert, weitet sich mit 2,14 bzw. 2,29–32 die Perspektive und erhält einen universalen Zug: die Integration der Heidenvölker ins Heil. 5 Engel als Bote Lk 1,11.26; 2,9.13; der heilige Geist als Offenbarungsinstanz 1,41.67; 2,26; prophetische Rede 1,67; 2,36; das Kind als IJșȞıהȡȟ 2,12.34. 6 Religionsgeschichtlich mögen ägyptische Vorstellungen im Hintergrund stehen. Eine Herkunft aus dem Mythos von der Geburt des Horuskindes schlägt neuerdings (m.E. zu optimistisch) T. SCHNEIDER, Geburt (2004), bes. 258f vor. 7 Zum Vergleich mit entfernteren Parallelen in der biographischen Literatur der Antike N. KRÜCKEMEIER, Jesus (2004). 8 Calp. ecl. 1; 4; carm. Einsid. 2. Erhellend ist dazu der Beitrag von M. WOLTER, Hirten (2000). 9 Hirtenidyllen wurden in augusteischer Zeit zum Hauptthema privater Wandmalereien und -reliefs; vgl. P. ZANKER, Augustus 284–290. Rezeptionsgeschichtlich interessant sind Darstellungen, die an christliche Krippenszenerien erinnern (bes. ebd. Abb. 224c.226).
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(4) Auch einzelne politisch aufgeladene Begriffe entsprechen sich. Den Anspruch auf den ganzen Erdkreis (ȡԼȜȡȤȞջȟș) erhebt die Konzeption vom Goldenen Zeitalter für den römischen Caesar – und Lk 2,1 stellt die Geburt Jesu in diesen »ökumenischen« Horizont. Wenn seit Beginn der Kaiserzeit für den Herrschaftsantritt bzw. den Geburtstag des neuen Princeps der Begriff ıįȗȗջȝțį/Frohbotschaften als politischer Terminus technicus verwendet wurde,10 dann fällt die lukanische Wortwahl auf, denn der Engel Gabriel verkündet sowohl die Geburt des Johannes als auch die Geburt Jesu mittels des Verbs ıįȗȗıȝտȘȡȞįț als Frohbotschaft (Lk 1,19; 2,10). Als IJȧijսȢ (Lk 2,11) konnten auch Augustus und Vespasian bezeichnet werden,11 als ȜփȢțȡȣ wurde der Princeps ohnehin angesprochen.12 Das himmlische Heer (IJijȢįijțչ), das den Hirten nach der Ankündigung der Geburt des Retters, Messias und Herrn (2,11) erschien, um Gott zu loben (2,13), erinnert an die Praxis römischer Triumphzüge, bei denen das versammelte Heer den Triumphator am frühen Morgen zu Beginn des Zuges bejubelte und ihm huldigte.13 Die Ԑȟįijȡȝռ ԚȠ ՝ȦȡȤȣ (»Aufgang aus den Höhen«) in Lk 1,78 deutet ein astrales Phänomen an. Lexikographisch bezeugt ist sowohl die Verwendung von Ԑȟįijȡȝս mit Bezug auf die Sonne als auch auf Sterne,14 doch muss die in hellenistischen (und frühjüdischen) Texten dominierende Bedeutung »Osten«, die in Mt 2,2.9 zumindest möglich ist (»Stern beim Aufgehen/im Osten«), hier ausscheiden; von einem Stern ist bei Matthäus jedenfalls eindeutig die Rede. Nicht auszuschließen ist die Bedeutung »Aufgang« (der Sonne) im Sinne der Morgendämmerung. Der messianische Kontext
10 Vgl. Inschrift von Priene 40f in Bezug auf Augustus; Jos. bell. 4,618.655f in Bezug auf Vespasian (als Ankündigung des ersehnten Endes des Bürgerkriegs). Zur politischen Füllung des Begriffs Evangelium jetzt M. EBNER, »Evangelium« (2008). 11 Für Vespasian vgl. Jos. bell. 7,71 (»Wohltäter und Retter«). Die Begriffsverwendung fällt umso mehr auf, als IJȧijսȢ nicht als frühjüdischer Messiastitel belegt ist und bei den Synoptikern nur in Lk 1–2 begegnet. R.E. BROWN, Birth 424 erkennt darin »the format of an imperial proclamation«. 12 Anders fokussiert C.K. ROWE, Christology 45–49 den Kyrios-Titel völlig auf den LXXGebrauch für JHWH, der auch Lk 1–2 präge, so dass mit der Verwendung für Jesus in Lk 1,43 »a kind of unity of identity between YHWH and the human Jesus« deutlich werde (45; vgl. 217f). Die Vielfalt des hellenistisch-römischen Titelgebrauchs auszublenden, bedeutet jedoch eine einseitige Reduzierung des potentiellen Rezeptionskontexts. Wenn z.B. der Statthalter Festus in Apg 25,26 von seinem Kyrios spricht, wird niemand an einen anderen als den römischen Kaiser (Nero) gedacht haben. 13 Anschaulich beschrieben im Kontext des Triumphzugs, den Vespasian und Titus nach der Eroberung Jerusalems in Rom vor versammeltem Heer (IJijȢįijțȧijțȜցȟ) vollzogen, bei Jos. bell. 7,123–128. 14 Eine Übersicht über mögliche Denotationen des Lexems bietet S. GATHERCOLE, Heavenly Ԑȟįijȡȝս 483–486.
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legt jedoch den Bezug auf einen Stern nahe:15 So mag einerseits eine Anspielung auf Num 24,17 LXX (ԐȟįijıȝıהԔIJijȢȡȟԚȠȀįȜȧȖ) vorliegen, andererseits aber im Kontext der Konzeption vom Goldenen Zeitalter auf das Motiv des Sterns als hellenistisches Herrschersymbol, das an den Anfängen des römischen Prinzipats als sogenanntes sidus Iulium zuerst in Bezug auf Cäsar, dann auch auf Augustus legitimierend angewendet und auf Münzen, Gemmen und Statuen abgebildet wurde: gleichsam als Symbol des neu aufstrahlenden Goldenen Zeitalters. Vergil z.B. verband das astrum Caesaris mit der Fruchtbarkeit der Erde (ecl. 9,47–49), und Calpurnius belegt, dass der Komet des Jahres 54 als Zeichen einer neuen Zeit, die mit dem jungen Kaiser Nero im Anbruch begriffen war, verstanden werden konnte.16 Die »himmlische« Herkunft und Legitimation des »Aufgangs« von Lk 1,78 ist deutlich.17
Die angeführten Topoi aus dem gesellschaftlich-politischen Alltag werden die Hörer/innen des Lukas sofort wieder erkannt und als kulturelle Inferenzen oder »Rezeptionsfolie« in ihre Lektüre eingespielt haben. Sie werden so aufmerksam für die weltgeschichtliche Bedeutung des Geschehens um die Geburt Jesu, in der sich eine neue Herrschaft ankündigt, die eine neue Qualität persönlichen und sozialen Lebens verheißt. Sie nehmen aber auch den ungeheuren Anspruch wahr, den die Erzählung für den gerade geborenen Judenjungen Jesus erhebt: den Anspruch auf die göttlich legitimierte Herrschaft über die ganze Welt! In gewisser Weise fügt sich Lukas mit seiner Anwendung der Konzeption vom Goldenen Zeitalter durchaus in die literarische Landschaft seiner Zeit. Seine »Poesie« ist eine experimentelle Form, die Topoi aus der – jüdischen und römischen – Überlieferung souverän aufgreift und charakteristisch variiert mit der Absicht, seinen Leser/innen eine Weltdeutung, eine Deutung ihrer gruppenspezifischen Lebensweise zu vermitteln.18 Dass Lukas seine Erzählung über die Herkunft Jesu mit deutenden Liedern gestaltet, 15 Zum messianischen Klang der Ԑȟįijȡȝս vgl. Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12; und Num 24,17; Jes 9,1; 60,1–3; dazu H. SCHÜRMANN, Lukasevangelium 91f; U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 121–127. 16 Calp. ecl. 1,77–79. Den Kometen erwähnen auch Suet. Claud. 46; Plin. nat. hist. 2,92; Dio Cass. 60,35,1. – Eine allgemeinere Parallele liegt in der (unspezifischen) Licht-Metaphorik vor, vgl. Suet. Aug. 94,4.6; Hor. carm. 4,5,5–8; später Aristeid. or. 26,103 mit Lk 1,78f; 2,9.32. Zum Stern als hellenistischem Herrschersymbol M. KÜCHLER, Stern. Die Motivik blieb auch nach Augustus präsent, vgl. die literarischen Belege Sen. dial. 11,13,1; Calp. ecl. 1,77–79 (Nero); Curt. 10,9,3f (Claudius bzw. eher Vespasian). – Zum weiteren Hintergrund des semantischen Feldes M. WOLTER, Lukasevangelium 116f, der dafür plädiert, gegenüber möglichen Referenzen den Wortsinn (Licht; Sonne) nicht zu übersehen. 17 Ohne dass man dies im lokalen Sinne auf einen himmlischen, präexistenten Messias deuten müsste; so aber wieder S. GATHERCOLE, Heavenly Ԑȟįijȡȝս 18 Damit ist jedoch kein traditionsgeschichtliches Urteil gefällt. Zur Diskussion darüber, inwieweit Lukas auf geprägte Lieder zurückgreift, vgl. W. RADL, Ursprung; DERS. Evangelium nach Lukas 73–77.88–91.125; F. BOVON, Lukas 81–83.97–99.138f; M. WOLTER, Lukasevangelium 99.110f.138.
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lag keineswegs zwingend nahe und offenbart einen bewussten Gestaltungswillen. Durch die Lieder erhält die Erzählung ein Strukturelement, das mittels seiner Form die Verkündigung des Goldenen Zeitalters aufnimmt. Gegenüber der Rhetorik der augusteischen und neronischen Dichtung darf man Lukas dabei nicht durch einen ausgeprägteren Realitätssinn abheben. Die römisch-imperiale Kultur konnte sehr unterschiedlich wahrgenommen werden entsprechend der jeweiligen sozialen und politischen Beteiligung des Wahrnehmenden. Bei der Konzeption der aurea aetas handelt es sich, wie wir gesehen haben (s. oben 2.2.3), keineswegs um eine reine Ideologie, die keine sachliche Verbindung zur politischen Realität aufweist. An ihrer Verwirklichung partizipieren verschiedene Bevölkerungsteile freilich in sehr unterschiedlicher Weise.
3.2 Weltherrschaft – einmal anders Man wird sich an dieser Stelle über den gesellschaftlichen Ort, an dem Lukas schreibt und seine Rezipienten lesen bzw. hören, verständigen müssen. Meine These lautet: Die lukanische Wahrnehmung der politischen Verhältnisse unter römischer Herrschaft geschieht aus der Perspektive einer sozial marginalisierten Minderheit. Das lässt sich am Text plausibel belegen. Wenn die Apostelgeschichte mit der Anwesenheit des Paulus in Rom endet (Apg 28,16–31), hat sie, so darf man berechtigt vermuten, die Hörer/innen an den kulturellen Standort der lukanischen Gemeinden herangebracht.19 Damit ist als Lebensumfeld der Gemeinden das römische Imperium, die römische Kultur und Gesellschaft in hellenistisch geprägten Großstädten markiert. Hinweise auf solche Großstadtkulturen finden sich in der Apostelgeschichte häufiger,20 und die lukanischen Christen werden sich darin weithin als Fremdkörper wahrgenommen haben – wie sie umgekehrt von Außenstehenden ebenso wahrgenommen worden sein dürften. Die Folgen, die im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte am Prisma einer geschichtlichen Darstellung gebrochen aufgenommen sind, werden in der Erfahrung gesellschaftlicher Ausgrenzung und Anfeindung und vorausliegendem Argwohn und Misstrauen der jungen Bewegung gegenüber be-
19
Die schwer zu entscheidende Frage nach einer Lokalisierung der lukanischen Gemeinde in Rom und der Abfassung des Doppelwerks in der Hauptstadt des römischen Imperiums tritt dabei hinter die Suche nach dem allgemeinen kulturellen Ort zurück. 20 Z.B. die Begebenheiten in Ephesus Apg 19,23–40. Vgl. hellenistische Denkweisen in Apg 14,15–17 (Lystra: Götterverehrung) und 17,22–31 (Athen: Areopagrede).
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standen haben.21 Dass im Zuge entsprechender Verdächtigungen auch Spannungen und Konflikte mit den römischen Behörden aufgetreten sind, die sich in manchen Fällen bis zu Verhaftungen und Verhören (unter Einschluss physischer und psychischer Verletzungen) zuspitzten, verwundert dann nicht.22 Die dadurch entstehende existentielle Verunsicherung bedarf einer intellektuellen Bearbeitung, auch wenn für das 1. Jh. noch nicht von planmäßigen Christenverfolgungen ausgegangen werden darf. Der – narratologisch ausgedrückt – point of view des Lukas vermittelt seinen Leser/innen eine Deutung ihres gesellschaftlichen Ortes unter dem Leitgedanken ihrer spezifischen Beziehung zu Gott, dem Gott Israels und Jesu. Diese Deutung impliziert eine kritische Perspektive auf die römische Herrschaft, die Lukas – Jahrzehnte nach Augustus – durch gezielte Variation eines bekannten römischen Herrschaftskonzepts, konkret der Topik vom Goldenen Zeitalter, narrativ präsentiert.23 Wenn Jesus, der jüdische Dorfjunge, als neuer Weltherrscher exponiert wird, stellt er unübersehbar – auch ohne dass dies ausdrücklich gesagt wird – einen narrativ entworfenen und politisch relevanten Kontrast zum römischen Kaiser dar.
3.2.1 Die Kontrastfigur: Jesus Der neue Herrscher, der in dörflicher Armut geboren wird (Lk 2,7) und dessen »Zeichen«/IJșȞıהȡȟ an Stelle von Insignien der Macht in seinen Windeln und in einem Futtertrog besteht (2,12) – Zeichen des hilflosen, angewiesenen24 und armen Kindes – steht mit 2,1 pointiert Augustus gegenüber, dem römischen Imperator, dessen Herrschaft faktisch die ganze bekannte Welt umfasst, so dass er seine Untertanen zählen lassen kann. Doch
21 Vgl. Lk 6,22 die Seligpreisung der Anhänger/innen Jesu, die von den Menschen gehasst, ausgestoßen und geschmäht werden; Apg 14,2.5.19; 16,16–22. 22 Nicht ohne Anlass wird die Aufforderung zum furchtlosen Bekenntnis vor den Menschen, Synagogen, Anführern und Machthabern in Lk 12,4–12 ergehen. Vgl. Apg 16,22; 17,9. 23 Ein seltenes Beispiel für eine vorsichtige (!) Herrschaftskritik aus den Reihen der römischen Oberschicht selbst könnte das Nero-Enkomium im Rahmen der Bürgerkriegsdarstellung bei Lukan liefern (Lucan. 1,33–66): Lukan verwendet panegyrische Topoi in einer Weise, die den Verdacht einer gewissen Doppeldeutigkeit (und damit der Kritik an Nero) nährt; so preist er z. B. nur den himmlischen Nero (nach dessen Apotheose) und beschreibt dann eine Friedenszeit auf Erden (also nach Neros Weggang) (1,45–62); die Bürgerkriege erscheinen als hoher Preis für Neros Herrschaft (1,33–45). Die Topik des Goldenen Zeitalters wendet Lukan gerade nicht auf den irdischen Nero an. Eine gute Analyse der doppeldeutigen Elemente bietet B. MERFELD, Panegyrik 105–111. 24 In Weish 7,4 demonstrieren Windeln die ganz und gar menschliche Abkunft von Königen im Kontext von Kritik an der hellenistischen Herrscherideologie (Weish 7,1–6). Einen solchen Hintergrund diskutiert J. KÜGLER, Windeln Jesu.
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der in der Erzählung aufgebaute Kontrast25 zeigt Jesus als eigentlichen König, der von Gott selbst die Weltherrschaft erhält, während Augustus und sein Statthalter nur noch als Werkzeuge im Heilsplan des Gottes Israels erscheinen – eine narrative Umkehrung der realpolitischen Verhältnisse. Den Beginn der neuen Weltherrschaft setzt Gott am Rande der Macht, unter kleinen Leuten: Ins narrative Zentrum treten nun zwei jüdische Familien vom Land, die Dörfer Nazaret und Betlehem, später Hirten als Interessenten und zwei bislang unbekannte alte Leute als Propheten. Erst allmählich weitet sich die Perspektive über Israel hinaus.26 Wenig wäre auf der Handlungsebene zu sehen, würden nicht inspirierte Lieder davon künden.27
3.2.2 Geschichtsmacht: Der Gott Israels Eine Doppelung der Hauptakteure – zwei Mütter und zwei Söhne – lässt ein komplexes Beziehungsgefüge entstehen, das Gottes Plan der Heilsgeschichte inszeniert: Verschiedene Personen und Handlungen greifen planvoll ineinander. In Johannes findet die Heilsherrschaft einen prophetischen Vorbereiter (1,15–17; 1,76). Vielleicht ist es Zufall, dass die beiden Mütter fast als Gegenteil der üppigfruchtbaren Göttin Tellus erscheinen: alt und unfruchtbar bzw. noch Jungfrau. Der Kontrast lässt den wunderbaren Anfang Gottes umso deutlicher an ihnen sichtbar werden.28
Lukas deutet dabei die Ereignisse um die Geburt Jesu vom Gottesbild Israels her. Gott übt Erbarmen mit Israel (1,49f.54.72.78), sein Handeln steht im Einklang mit seinem Heilswillen, den er Israel bereits früher in den Verheißungen an die Väter (1,55), in seinem Bund mit den Vätern (1,72f) 25 Diesen Kontrast sehen z.B. auch F.W. DANKER, Jesus 54; J. KREMER, Lukasevangelium 36f und P.-G. MÜLLER, Lukasevangelium 39, letzterer fügt aber den zur »zeitgenössischen jüdisch-zelotischen Erwartung eines militärisch-kriegerisch-politischen Messias aus David« hinzu; vgl. auch H. MERKLEIN, Jesusgeschichte 51. Die angesichts der Jesusgeschichte notwendige Modifikation der verbreiteten Messiaserwartung verfolgt Lukas jedoch wesentlich subtiler im gesamten Doppelwerk (vgl. nur Lk 24,13–35 und Apg 1,6–8) – in der Geburtsgeschichte spielt er die Messiaserwartung erst einmal durch Bezüge auf David und Betlehem sowie den Christus-Titel ein. – Gegen die genannte Kontrastierung ausdrücklich M. WOLTER, Lukasevangelium 126. 26 Mit den Liedern in Lk 2,14 und 2,29–32. Vgl. das Plot-Schema unter 1.1. Dabei sind ʍչȟijıȣȡԽȝįȡտ nicht nur auf die Stämme Israels, sondern auf die gesamte Menschheit zu beziehen; zur Diskussion W. RADL, Evangelium nach Lukas 129; M. WOLTER, Lukasevangelium 140. 27 Vgl. auch die fünfmonatige Verborgenheit der Schwangerschaft (die für Elisabet die Befreiung vom sozialen Makel der Unfruchtbarkeit bedeutet) seitens Elisabet in Lk 1,24 und die Stummheit des Zacharias in 1,20 – das Gegenteil der politischen Propaganda Roms. Zu Lk 1,24 jetzt R. STRELAN, Elizabeth (2005). 28 Vgl. noch die wunderbare temporäre Verstummung des Zacharias in Lk 1,20.64.
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und in Vorhersagen der Propheten (1,70) kundgetan hat. Das Lied der Maria (1,46–55) ist von einer grundlegenden Theozentrik geprägt: Nach der Redeeröffnung in 1,46f und mit Ausnahme von 1,48b ist stets Gott grammatisches und sachliches Subjekt. Auch das Benediktus denkt explizit (im ersten Teil 1,68–75) und implizit (im zweiten Teil 1,76–79) theozentrisch. Der Akzent auf Gottes Handeln wird noch deutlicher, wenn man in traditionsgeschichtlicher Hinsicht wahrnimmt, wie stark die gesamte lukanische Geburtsgeschichte von Einspielungen alttestamentlicher Bezüge geprägt ist; drei Beispiele: (1) Das Formschema Geburtsankündigung und Geburt eines Sohnes trotz Unfruchtbarkeit der Mutter ist vorgebildet und verwirklicht in den Erzählungen über die Herkunft Isaaks, Simsons und Samuels (vgl. oben 1.1).29 Das Danklied der Hanna nach der glücklichen Geburt Samuels in 1 Sam 2,1–10 erinnert formal und inhaltlich an das Lied der Maria in Lk 1,46–55.30 Die außergewöhnlich inszenierte Geburt deutet jeweils einen entscheidenden Schritt Gottes in der Geschichte mit seinem Volk Israel an. (2) Der Lobpreis des Redens Gottes »zu unseren Vätern«, zu Abraham und seinen Nachkommen, »in Ewigkeit«, mit dem das Lied der Maria schließt (Lk 1,55), bezieht sich auf die für Israel konstitutive Erinnerung an die Bundeszusage Gottes an Abraham, wie sie in Gen 17,7 eine prominente Formulierung gefunden hat. Das Ende des Micha-Buches greift diese Zusage als abschließenden Ausdruck der großen Hoffnung Israels auf (Mich 7,20). Das Lied des Zacharias beruft sich explizit auf den »heiligen Bund« mit dem Stammvater Abraham als Ausweis göttlichen Erbarmens (Lk 1,72f). Damit sind die Ereignisse um die Geburt Jesu als Bestandteil des barmherzigen Bundeshandelns Gottes an Israel gekennzeichnet. Die Bundeszusage gilt seit dem Anbruch der neuen Heilszeit in Jesus nun (auch) der lukanischen Gemeinde, die sich so an ihre Wurzeln rückbindet und als Teil des Heilsvolkes Israel begreift (dazu auch 4.3). (3) Die Tradition über Elia, der zu Beginn der Endzeit wiederkehrt, um Gottes Eingreifen vorzubereiten, wird in Lk 1,17 und 1,76 auf Johannes angewendet (vgl. Mal 3,1.23f; Sir 48,10; zum Vorangehen und Wegbereiten auch Jes 40,3; Ex 23,20). Lukas setzt so ein Signal für den sich nun geschichtlich vollziehenden Anbruch der Endzeit. 29 Eine direkte Aufnahme des Motivs vom Verzicht auf Wein und starkes Getränk liegt in Lk 1,15 vor: Ri 13,7; 1 Sam 1,15 (1 Reg 1,11 LXX); Num 6,3; Lev 10,9 (Enthaltsamkeit im Bewusstsein der Nähe Gottes, z.B. bei Priestern oder Personen, die sich besonders Gott weihen). Die Namensfestlegung durch Gott in Lk 1,13.31 erinnert an Gen 16,11 (Ismael); 17,19 (Isaak); Jes 7,14 (Immanuel); 1 Kön 13,2 (Joschija). 30 M. WOLTER, Lukasevangelium 99f stellt den alttestamentlichen Hintergrund des Magnifikat heraus und erklärt diesen als literarisches Stilmittel, das Maria in der Tradition Israels verankert.
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Diese und andere31 Bezüge zeigen, dass Gott mit der Geburt Jesu den Plan erfüllt, nach dem er die Heilsgeschichte mit seinem Volk von alters her vollzieht, und die erwartete Endzeit aufrichtet.32 Damit fällt aus dem Rückblick auf die Vergangenheit, auf die Geschichte Gottes mit Israel, in der sich immer wieder Gottes Heilswille als wirksam erwies, bezeichnendes Licht auf die endzeitliche Qualität der Gegenwart, zu deren konkreter Wahrnehmung Lukas anleiten will.
3.2.3 Das Herrschermodell In engem Zusammenhang damit steht, dass Lukas den neuen Herrscher ausdrücklich an die Königsdynastie Davids in Israel rückbindet (1,32.69); der Vater Josef stammt aus dem Haus Davids (1,27), und die Geburt findet in Betlehem, der »Stadt Davids«, statt (2,4.11). Die Natan-Prophezeiung über den ewigen Bestand der David-Dynastie aus 2 Sam 7,12–16, auf die Lukas in Lk 1,32f anspielt, unterstreicht die königlich-messianische Bedeutung Jesu. Die Prophetie ist im angekündigten Jesus-Kind erfüllt – und überboten, denn Jesus wird in Ewigkeit König sein, was zuvor nur der ganzen Dynastie möglich sein sollte (vgl. zum ewigen Bestand 1,48.50). Dass Lukas dies so sagen kann, spiegelt seine nachösterliche Perspektive, die Jesu Erweckung und himmlische Erhöhung voraussetzt. Damit referiert Lukas auf ein frühjüdisches Messias-Modell, das den erwarteten Heilsherrscher nach dem großen Vorbild Davids, des Königs Israels, projektieren konnte,33 wie der zweimalige Gebrauch des Titels ȥȢțIJijցȣ (2,11.26) zur Charakterisierung des Jesus-Kindes zeigt. ,Q/NZHUGHQ GLH7LWHOIJȧijսȢ, ȥȢțIJijցȣ und ȜփȢțȡȣ parallel gesetzt. Angesichts der geprägten Sprache ist dem Fehlen der Artikel kein grammatikalischer Sinn zu 31 Die Anrede »der Herr ist mit dir« aus Lk 1,28 begegnet auch in Ri 6,12. Der Lobpreis des Heilshandelns Gottes in Lk 1,68–75 erinnert an Verheißungen wie Jes 29,19–24 und enthält Anspielungen auf das Exodus-Geschehen (Ex 2,24; 3,16; 4,31; 6,6; 13,19); zum Abrahambund vgl. Gen 17; 26,3. Das »Licht zur Offenbarung für die Völker« in Lk 2,32 findet Parallelen beim Gottesknecht (Jes 42,6; 49,6.9) und in der Lichtmetaphorik von Jes 60,1–5.19f. – Zur LXXNachahmung in Lk 1–2 vgl. F. ÓFEARGHAIL, Imitation; zu alttestamentlichen Bezügen in Magnifikat und Benediktus F.W. DANKER, Jesus 42–45;47–51; U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat 7– 33; T. HIEKE, Psalm 6–23; M. WOLTER, Lukasevangelium 101–105.112–118. 32 R. DILLMANN/C. MORA PAZ, Lukasevangelium 23 sehen die »feierliche Eröffnung der Endzeit sowie die Vollendung des Kosmos« als zentralen Gedanken. Den politisch-revolutionären Charakter des Benediktus nimmt auch T. KAUT, Befreier 245 wahr, wenn er die Herkunft des Liedes aus priesterlichen, zelotischen Kreisen vermutet. 33 Zur davidischen Linie frühjüdischer Messiaserwartung S. SCHREIBER, Gesalbter 543.552f. Vgl. die messianische Deutung von 2 Sam 7,12–16 in PsSal 17,21; 4Q174 3,10–13; TestJud 22,3; dazu S. SCHREIBER, Gesalbter 167f.224–226.253f. Zur Aufnahme des Modells eines davidischen Messias in Lk 1–2 vgl. G. STANTON, Messianism 87–90.
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entnehmen. Gegenüber einer Verwendung als (dann nicht mehr eigentlich bedeutungstragender) Eigenname scheint für Lukas die titulare Referenz klar gegeben; an anderen Stellen spricht er z.B. betont von Ս ȥȢțIJijցȣ (Lk 3,15; 22,67; 23,35.39; Apg 9,22).34 Ob für zeitgenössische Hörer darin ein formaler Anklang an die ebenfalls dreigliedrige augusteische Nomenklatur Imperator Caesar Augustus hörbar war, die für Jesus signifikant neu formuliert wird?35 Der in 1,78 verheißene »Aufgang aus der Höhe« trägt ebenfalls messianische Konnotation, indem er an Num 24,17 anklingt.36 Das »Horn der Rettung« (ȜջȢįȣ IJȧijșȢտįȣ; Lk 1,69) aus Davids Haus erinnert an das »Horn« als Metonym für den machtvollen davidischen König in Ps 89,25 und 132,17. Die spezifische Art und Weise, auf die Jesus als der Christus verstanden werden kann, muss Lukas im Evangelium und in der Apostelgeschichte entfalten. Eine angesichts der Biographie Jesu notwendige Modifikation des klassischen Bildes deutet er vielleicht im Wort des greisen Simeon an Jesu Mutter bereits an, wenn vom »Fall und Aufstehen vieler in Israel«, vom »Zeichen, dem widersprochen wird«, vom Schwert durch die Seele der Maria und vom (gerichtlichen) Offenbarwerden der Gedanken vieler die Rede ist (Lk 2,34f). Eine erste »(nach-)österliche« Modifikation nimmt der Auferstandene selbst in der narrativen Darstellung der Emmaus-Erzählung Lk 24,13– 35 vor: Die von den Schülern ins Gespräch gebrachte Propheten-Kategorie (24,19f), die immerhin imstande war, auf der Basis der deuteronomistischen Tradition vom gewaltsamen Prophetenschicksal (vgl. Lk 13,33f und Neh 9,2637) den Tod Jesu zu deuten, wird von Jesus selbst durch das Christus-Modell überboten. Eine neue Bedeutungsebene besteht darin, dass der Messias Jesus leiden und in die Herrlichkeit gelangen musste (24,26); sein Geschick wird als Erfüllung der Schrift verstanden (24,27). Er wird nun als Erweckter erkennbar (24,31). Der Christus-Titel integriert in dieser Lesart Erweckung und Erhöhung Jesu und damit seine endzeitliche »himmlische« Machtstellung.
Dazu W. RADL, Evangelium nach Lukas 116. Die Doppelung der Titel (Christus, Kyrios) gerade an der Stelle, an der Lukas zum ersten Mal von »Christus« spricht, ist wiederholt als Auffälligkeit vermerkt worden; z.B. J.A. F ITZMYER, Gospel 197; G. STANTON, Messianism 89. Zur Titulatur des Augustus vgl. G. ALFÖLDY, Augustus 316f. – C.K. ROWE, Christology 52–55 minimiert die titulare Referenz von »Christus« in Lk 2,11 und sieht die Bedeutung durch den Kyrios-Titel bestimmt (vgl. auch 203f); spezifisch lukanisch werde so im Titel Kyrios die Verbindung von Gott und Christus hergestellt. Der deutlich politische Kontext (davidische Herrschaft) lässt die umgekehrte Lesart wahrscheinlich werden: Der Titel »Christus« liefert das Modell (Repräsentanz, unmittelbare Vollmacht), mit dem die Nähe des Kyrios zum Gott Israels gedacht werden soll. 36 Num 24,17 wird messianisch gedeutet in CD 7,18–21; 4Q175 9–13; TestLev 18,3; TestJud 24,1–5; Sib 5,158; dazu S. SCHREIBER, Gesalbter 220–222.226–230.249–252.265f. Weitere Parallelen sind Jes 9,1; 60,1–3; Jer 23,5 LXX; Sach 3,8; 6,12 LXX. – Zum königlich-messianischen Motivkreis gehört auch die göttliche Zeugung in Lk 1,35, vgl. Ps 2,7. 37 Auch 1 Kön 19,10; Jub 1,12; Jos. ant. 9,265–267; 10,38f. 34 35
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Eine andere Herrscherkonzeption als die des römischen Prinzipats garantiert bei Lukas die Weltherrschaft. Und im Unterschied zum aktuell regierenden Kaiser Domitian, dessen »Dynastie« sich gerade einmal in der zweiten Generation befindet (nach seinem Vater Vespasian und seinem Bruder Titus), kann der Messias Jesus auf eine dynastische Linie zurückblicken, die weit in die ruhmvolle Vergangenheit Israels reicht. Das Messias-Modell beschreibt und garantiert die einzigartige Verbindung Jesu zu Gott – und steht so quer zu allen Tendenzen der Vergöttlichung der römischen Kaiser.38
3.2.4 Traditionsbindung Auch das gesellschaftlich wichtige Traditionsargument – man denke an die seit Augustus stark betonten mores maiorum – nutzt Lukas auf seine Weise. Er lässt seine Erzählung in einer jüdischen Priesterfamilie par excellence beginnen – in 1,5 hebt er die priesterliche Abstammung von Zacharias und Elisabet heraus – und markiert damit assoziativ die Tradition Israels als kulturellen Hintergrund. Identitätsmerkmale Israels prägen die gesamte Erzählung, allen voran die Tora-Treue der beiden Protagonistenfamilien39 und die wiederholte Lokalisierung der Ereignisse im Tempel (1,9; 2,27.37.46) bzw. in Jerusalem (2,22.25). Die beiden neugeborenen Jungen erhalten selbstverständlich das Identitätsmerkmal der Beschneidung (1,59; 2,21), Identitätsfiguren Israels werden aufgeboten mit Jakob (1,33), Abraham (1,55.73), den Vätern (1,55) und den Propheten (1,70; 2,36), Israel wird als Adressat der Heilsbotschaft exponiert.40 Die Tradition, auf die sich Lukas damit beruft, steht hinsichtlich des Alters den römischen mores maiorum nicht nach und bildet deswegen eine solide Basis für das kollektive Selbstbewusstsein der Christus-Gemeinde.
38
In Bezug auf Augustus vgl. K. GALINSKY, Augustan Culture 288–331. Lk 1,6; 2,22–24.27.39 (Auslösung der Erstgeburt und Reinigung der Mutter); 2,25 (Simeon); 2,41 (Wallfahrt nach Jerusalem zum Passa). 40 Lk 1,16f.54.68.80; 2,10.32.34.38. Vgl. den Engel als jüdischer Kultur entsprechendes Medium übernatürlicher Mitteilung in 1,11.26; 2,9.13. – Auch Elisabets Lobpreis Marias in 1,42 vermittelt durch den Bezug auf Ri 5,24 und Jdt 13,18 als Prätexte und im Vergleich mit syrBar 54,10 eine national-heilsgeschichtliche Stimmung. B.E. WILSON, Pugnacious Precursors (2006) betont den Gegensatz zwischen den mit Gewalt tötenden Frauengestalten Jael und Judit in den Prätexten und Maria, die das Hören auf Gottes Wort und Frieden verkörpert. 39
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3.2.5 Die soziale Option Im Gegensatz zur Konzeption vom Goldenen Zeitalter spricht Lukas nirgends von der Überfülle der Natur. Damit straft er nicht nur indirekt die imperiale Ideologie angesichts der tatsächlichen Verhältnisse Lügen, sondern erreicht auch eine Konzentration auf die soziale Wirklichkeit. Vermutlich lag genau hier das Problemfeld, mit dem sich die lukanische Gemeinde in ihrem Verhältnis zur hellenistischen bzw. römischen Gesellschaft konfrontiert sah. Daher beschreibt Lukas gerade keine Hirtenidylle, die den politischen Sinngehalt des Goldenen Zeitalters unter römischer Kaiserherrschaft ins Bild bringt und eine die bestehenden politischen Verhältnisse stabilisierende Funktion erfüllt. Die neue Herrschaft verheißt und bewirkt vielmehr die Umkehrung, besser: die Aufhebung der gegenwärtigen Machtund Besitzverhältnisse: Gott, der Herr, »hat Hochmütige [...] zerstreut, Mächtige vom Thron gestürzt und Niedrige erhöht, Hungernde mit Gütern gefüllt und Reiche leer weggeschickt« (1,51–53; vgl. 1,48.79).41 Mit dieser Zuspitzung42 wird deutlich, dass Gott auf der Seite der Benachteiligten, der Randständigen und Deklassierten steht. Es geht Lukas – modern gesprochen – nicht um einen imaginären Wohlstand für alle, sondern primär um »soziale Gerechtigkeit«.43 Seine Adressat/innen, die die sozialen Bedingungen wohl häufig als für sie ungünstig und somit ungerecht erfuhren, sollen wissen, dass dem Willen Gottes eine andere Sozialform entspricht und dass Gott seinen Willen durchsetzen wird – und sie sollen sich von dieser Hoff-
41 Mit der (angesichts zukünftiger Ereignisse auffälligen) Wahl des Aorists ist der bereits erfolgte Anfang der neuen Zeit grammatisch erfasst, der die vollständige Verwirklichung zur festen Hoffnung werden lässt. – Vielleicht deutet auch das von Simeon verheißene Fallen und Aufstehen in Israel (Lk 2,34), das metaphorisch Heil bzw. Unheil aussagt, in der gleichen Sinnrichtung wie 1,51–53 auf eine Statusumkehr in Israel, für die Jesu Auftreten paradigmatisch steht. Dazu M. WOLTER, Lukasevangelium 141f. 42 Ziel ist in der Tat nicht eine neue personelle Verteilung der Herrschaftsmacht auf die bislang Unterdrückten, sondern eine Überwindung solcher Strukturen. So zu Recht U. M ITTMANNRICHERT, Magnifikat 210, die dem Text aber seine Spitze wieder nimmt, indem sie statt konkreter politischer Brisanz, statt »historische(r) Wahrheit« den »zeichenhaften Charakter« (209) hervorhebt (209f; vgl. 205). 43 Vgl. die Differenzierung der Heilsempfänger: »die ihn fürchten« Lk 1,50; »die sitzen in Finsternis und im Schatten des Todes« 1,79; von Feinden Bedrängte 1,71.74; »Menschen des Wohlgefallens« 2,14. – Von da aus ist vielleicht auch das »Entlassen« (Ԑʍȡȝփıțȟ) des Simeon in Lk 2,29 hintergründig zu verstehen: In 2 Makk 4,47; 12,25; 4 Makk 8,2; Jos. bell. 2,4 bezeichnet das Verb die Freilassung von Gefangenen (vgl. Mk 15,6–15 parr; Joh 18,39; 19,10.12; Apg 3,13; 5,40; 16,35f; 26,32; 28,18), bei App. civ. 5,1,7; Plat. Mx. 245a; Jos. ant. 12,11.46 (vgl. M. WOLTER, Lukasevangelium 139) Sklavenfreilassungen; Lukas nimmt diese Semantik in Lk 6,37 (Feldrede) auf (vgl. im Kontext der Ehescheidungsdebatte das Entlassen in Mt 5,31; Lk 16,18; Mt 19,3–9; Mk 10,2.4.11f); Simeon hat dann erkannt, dass seine Befreiung in Jesus bereits Wirklichkeit geworden ist.
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nung und Überzeugung zu eigenem »gerechten« sozialen Verhalten im Binnenraum der Gemeinde motivieren lassen. Dieses Ethos sozialer Gerechtigkeit in den Gemeinden entwirft Lukas in seinem zweiten Buch in Form eines Idealbildes der ersten Jerusalemer Gemeinde, in der nach Apg 2,44f; 4,32.34f Gütergemeinschaft gepflegt wurde. Mutatis mutandis kehrt darin das in Lk 1–2 ausgelassene Motiv des »Überflusses der Natur« wieder, freilich auf die soziale Wirklichkeit ausgerichtet und unter Rückgriff auf die Vorstellung von der Gemeinschaft aller Güter im uranfänglichen Saturnischen/Goldenen Zeitalter (vgl. oben 2.1). Der »Überfluss« wird heruntergebrochen auf die Verteilung der lebensnotwendigen Güter und damit auf die Möglichkeiten der kleinen, aber geisterfüllten jungen Christus-Gemeinschaft in Jerusalem. Einerseits demonstriert Lukas so die konkrete Verwirklichung eines gesellschaftlichen Ideals seiner Zeit in der Praxis der Jerusalemer Gemeinde – eines Ideals, das gerade auch im antiken Diskurs zur Freundschaft eine prominente Rolle besaß.44 Andererseits zeigt Lukas, wie sich der Charakter des Neuanfangs in speziell sozialer Ausrichtung auch in der Zeit nach Jesus fortsetzt; damit erweist er die besondere heilsgeschichtliche Qualität der urchristlichen Gemeinschaft. Dies wird noch einmal ganz deutlich in der Aussage Apg 4,34 (»denn auch nicht ein Bedürftiger war unter ihnen«), die Anklänge an das Ideal des Zusammenlebens des Volkes Israel in Dtn 15,4 enthält. Dass es sich dabei um ein Ideal des Anfangs handelt, blendet auch Lukas nicht aus. Doch in pragmatischer Hinsicht begründet das Vorbild der ersten Gemeinde den bleibenden Anspruch sozialen Ausgleichs für die nachfolgenden Gemeinden.45 So kann die lukanische Gemeinde in ihrem eigenen Selbstverständnis eine Aufwertung ihres sozialen Status erfahren: Wir leben bereits im wirklichen neuen Zeitalter! Die Gestalt des gesellschaftlich völlig unbedeutenden jüdischen Mädchens Maria steht symptomatisch für diese Überzeugung: An ihr demonstriert Gott seine neue soziale Wertordnung (Lk 1,48–55).46 44 Man denke nur an das vielfach überlieferte Sprichwort ȜȡțȟոijոĴտȝȧȟ (»Freunden ist Besitz gemeinsam«): Plat. rep. 424a.449c; leg. 739c; Aristot. eth.Nic. 1159b 31–33; 1168b 6–8; pol. 1263a 30; Eur. Andr. 375f; Or. 735; Phoen. 243; Lukian. Merc.Cond. 20; Plut. mor. 65a.143a.767e; Phil. Abr. 235. Cicero überträgt dieses »Sprichwort der Griechen« ins Lateinische: amicorum esse communia omnia (Cic. off. 1,16,51). Weitere Sprichwörter sind: Ȟտį ȦȤȥս und ԼIJցijșȣĴțȝցijșȣ (Aristot. eth.Nic. 1168b 6–8). Weiteres bei H.-J. KLAUCK, Gütergemeinschaft 72– 74; G. THEISSEN, Liebeskommunismus 696–700, der die Ableitung des lukanischen Gütergemeinschafts-Motivs vom antiken Freundschaftsideal als Forschungskonsens beschreibt (692). 45 Das Ideal begründet soziale Wertvorstellungen, aus denen erst konkretes Einzelverhalten abzuleiten und in situationsbezogener Gestalt zu entwickeln ist. Vgl. H.-J. KLAUCK, Gütergemeinschaft 94. Anders spricht H. CONZELMANN, Apostelgeschichte 37 von der »Einmaligkeit der idealen Urzeit«. 46 Zur sozialgeschichtlichen Deutung im Kontext weiblicher Lebenswelten vgl. C. J ANSSEN, Elisabet (1998). – Einen interessanten Aspekt der Wirkungsgeschichte des Textes sehe ich darin,
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3.3 Narrative Christologie Mit der in der lukanischen Geburtsgeschichte erzählten politischen Bedeutung Jesu sind Züge einer narrativen Christologie verbunden. Dabei werden besonders zwei Interessenkreise berührt: das Verhältnis Jesu zu Gott und die Bedeutung Jesu für die Menschen. Dass über ein ungeborenes Kind, einen Säugling und abschließend ein Kind vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter erzählt wird, lässt den Wirkradius der Hauptperson erst allmählich anwachsen und gibt Raum für eine grundsätzliche Deutung seiner Person, die von einer anderen Instanz (nämlich Gott, der seinen Geschichtsplan umsetzt) kundgetan wird. Das Verhältnis Jesu zu Gott wird als das des endzeitlichen Repräsentanten Gottes gezeichnet, der auf der Basis der Tradition Israels und darin besonders als königlich-davidische Gestalt profiliert wird. Der Titel »Christus« bestärkt diesen Erzählstrang.47 Das Verhältnis von Titelchristologie und narrativer Christologie verstehe ich so, dass Titel einen Baustein einer narrativen Christologie darstellen. Auf der anderen Seite erscheint Jesus als Kontrastfigur zum römischen Kaiser, was neben den Anspielungen auf das Goldene Zeitalter auch in den Titeln »Retter« und »Kyrios« sichtbar wird. Gerade der Kyrios-Titel weist darauf hin, dass das Verhältnis Jesu zu Gott von Lukas im Spannungsfeld von jüdischer Tradition und römischer Kaiserideologie entworfen wird. Eine Apotheose Jesu findet auch am Ende nicht statt, wohl aber eine »Himmelfahrt« (Lk 24,50–53), die Jesus in den Bereich des himmlischen Hofstaates hebt. Die bleibende Bedeutung Jesu für die Menschen besteht in der mit seiner Geburt begonnenen neuen Heilszeit, die für die Verwirklichung von Frieden und sozialer Gerechtigkeit steht (und die er auch als »himmlischer« Herrscher weiter garantiert). Sie lässt damit einen Kontrast zur realen politischen und sozialen Wirklichkeit lebendig werden. Eine systematische Durchdringung dieser Interessenkreise intendiert die narrative Christologie nicht. In ihrer Offenheit führt sie aber zu einer existentiellen Durchdringung und Aneignung des Erzählten und der darin vermittelten Erinnerung an Jesus.
dass eine Frau wie Hildegard von Bingen den doppelpoligen Topos von Niedrigkeit und Erhöhung durch Gott für ihr eigenes Selbstverständnis in einer Zeit, in der Frauen eine sehr eingeschränkte gesellschaftliche Stellung zukam, fruchtbar machen konnte; dazu E. GÖSSMANN, Deutung 139f. 47 Das stellt m.E. den Ansatz von A. DENAUX, Stranger (2005) in Frage, der auf dem Hintergrund des bekannten hellenistischen Motivs vom Besuch der Götter auf Erden in menschlicher Gestalt die Vorstellung von Abstieg und Aufstieg (Katabasis/Anabasis) zugrundelegt und »the ›high‹ or ›divine‹ status« (272) Jesu behauptet: »Luke somehow suggests in a discrete way Jesus’ divine origin« (274).
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3.4 Politische Kritik und Bewusstseinsbildung Durch die vielfältigen Bezugnahmen auf die Topoi des Goldenen Zeitalters und durch die in Lk 2,1 direkt hergestellte Verbindung zur Weltherrschaft des Augustus, des Prototyps römischer Kaiserherrschaft, liegen für die Gemeinde die politischen Bezüge der lukanischen Geburtsgeschichte offen. Dass dabei eine kritische Perspektive entworfen wird, soll noch einmal an zwei Beobachtungen rekapituliert werden – einer inhaltlichen und einer formgeschichtlichen. Auffällig ist in der Darstellung des Lukas die konkrete Beziehung, die zwischen der Kaiserherrschaft und der Geburt Jesu hergestellt wird: Der Befehl zur ԐʍȡȗȢįĴս, zur Eintragung in Steuerlisten (Census), geht vom Princeps in Rom aus (2,2), und wie wichtig Lukas diese erzählerische Einzelheit an dieser Stelle gewesen sein dürfte, geht daraus hervor, dass er neben dem Substantiv das Verb ԐʍȡȗȢչĴȧ drei Mal in dem kurzen Abschnitt 2,1–5 verwendet. Die Eintragung in Listen bildete die Voraussetzung für die Steuereinziehung in den von Rom unterworfenen Provinzen, wobei die direkte Steuer als personenbezogene Abgabe, als Kopfsteuer, bzw. als Grundsteuer organisiert war.48 Aus der Perspektive politischsozialer Randgruppen oder Unterdrückter betrachtet, ist die Besteuerung ein Instrument politischer Unterdrückung, das den Betroffenen ihr Abhängigkeitsverhältnis zu den politisch Mächtigen bewusst werden lässt. Die Steuer bewirkt eine unmittelbare Wahrnehmung der römischen Herrschaft, und daraus erklärt sich eine symbolische Bedeutung der Steuer.49 Genau diese Wahrnehmung ließ die direkte römische Verwaltung und Besteuerung, die in Judäa im Jahr 6 n.Chr. begann, zum Konfliktfall werden: Die radikaltheokratisch begründete Aufkündigung der Steuerzahlung durch Judas Galilaios wurde als öffentliche Äußerung des Widerstands rezipiert und führte zur gewaltsamen Erhebung, die freilich von der römischen Besatzung blutig niedergeschlagen wurde.50 Die lukanische Gemeinde dürfte die massive Erwähnung der Steuerschätzung in Lk 2,1–5 als Hinweis auf die direkte Einwirkung des römischen Imperators auf die konkreten Lebensverhältnisse der Bevölkerung, die die Gemeinde wohl selbst wiederholt als einschränkend und bedrohlich erfahren musste, und so auf die negative Seite der römischen Herrschaft gelesen haben. Eine Wahrnehmung des Textes aus der Perspektive Marginalisierter oder Unterdrückter, für die die Steuerzahlung tatsächlich zur 48
Dazu S. SCHREIBER, Caesar oder Gott 67; M. WOLTER, Lukasevangelium 120. Vgl. schon Tertullian apol. 13,6, der die Steuern als notae captivitatis/Zeichen der Unterdrückung charakterisiert. Zur Bedeutung der Steuer S. SCHREIBER, Caesar oder Gott 73f. 50 Jos. bell. 2,118.433; 7,253–259; ant. 18,4–9.23–25. Als »the most visible sign of Israel’s subjection to foreign powers« beschreibt W.E. PILGRIM, Neighbors 82 (vgl. 135) die Steuer. 49
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existentiellen Belastung wurde, deutet sich an. Zugleich wird aber sichtbar, wie selbst die ungerechten politischen Verhältnisse von Gott für den Plan seiner Heilsgeschichte genutzt werden – sie führen Maria und Josef nach Betlehem, wo der alternative Herrscher aus der davidischen Traditionslinie geboren wird. Auch die Form der Gesamterzählung des Lukasevangeliums führt auf die Spur politischer Kritik. Wenn sich das Lukasevangelium als Vita einer gegenwärtig bedeutenden Herrschergestalt zu erkennen gibt und wenn es sich bei dem porträtierten Herrscher um einen anderen als den römischen Imperator handelt, kommt darin unweigerlich das geistige Potential des politischen Widerstands zum Ausdruck. Ein sprechendes Beispiel für die Wirkung von Viten über politisch aktive Personen stellen die in zeitlicher Nachbarschaft zum Lukasevangelium verfassten Viten über die oppositionellen Senatoren Paetus Thrasea und Helvidius Priscus, die unter Nero bzw. Vespasian tätig waren, dar, die Kaiser Domitian als Angriff von Seiten des Senatorenstandes auf seine Alleinherrschaft las. Entsprechend scharf fiel die Reaktion aus: Die Autoren Arulenus Rusticus und Herennius Senecio bezahlten dafür mit dem Leben.51 Damit stellt sich die Frage nach den politischen Folgen, die subversive Literatur für die Verfasser bzw. die Trägergruppen nach sich ziehen konnte. Und weiter gefragt: Welche zeitgeschichtliche politische Tragweite besitzt ein literarischer Entwurf, der ein Gegenbild zum römischen Prinzipat skizziert, und wie ist die konkrete Bedeutung und Umsetzung solcher Kritik auf der sozialen Handlungsebene zu denken? Vielleicht kann an dieser Stelle die Unterscheidung von direkter und indirekter Betroffenheit des Imperium Romanum weiterhelfen. Wie bereits deutlich wurde, ist eine direkte Konfrontation des Textes, seines Verfassers und seiner Leser/innen, mit dem römischen Kaiserhof äußerst unwahrscheinlich. Das gilt selbst für den Fall, dass die lukanische Gemeinde ihren Lebensmittelpunkt in Rom hatte.52 Lukas und seine Leserschaft befinden sich im Rahmen der römischen Gesellschaftspyramide deutlich unterhalb des Senatorenstandes, sie sind weder Angehörige der römischen Aristokratie, noch Personen des kaiserlichen Hofes, noch Mitglieder der Dichterkreise am Kaiserhof. Das geht aus dem bereits erörterten Wissen um die soziale Stellung als Außenseitergruppe ebenso hervor wie aus der Widmung an Theophilus, der ebenfalls nicht in höfischen Kreisen bekannt war. Damit wird es auch äußerst unwahrscheinlich, dass das lukanische Werk in den obersten Kreisen überhaupt zur Kenntnis genommen wurde.
51 52
Tac. Agr. 2,1. Dazu H. SONNABEND, Geschichte 139–141. Vgl. zu dieser Frage nur die Überlegungen bei M. WOLTER, Lukasevangelium 10.
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Wohl aber stoßen wir auf eine Form von indirekter Konfrontation, die im Binnenraum der Gemeinde stattfindet und das Werk so zu einem Stück subversiver Untergrundliteratur macht. Die Lektüre beeinflusst die Sichtweise, die Wahrnehmung der römischen Herrschaft seitens der Rezipierenden und lässt ein Gegenbild entstehen. Gerade die poetische Form der Lieder fördert die aktive Beteiligung der Hörer/innen bei diesem Prozess des Verstehens und Aneignens. Der erzählte Anspruch Jesu auf Weltherrschaft, der bereits an den Umständen seiner Geburt unmissverständlich deutlich wird, stellt unweigerlich den politischen Anspruch des regierenden Kaisers in Frage. Wenn Jesus der einzige legitime Weltherrscher ist, fehlt dem römischen Kaiser die göttliche Legitimation. Die römische Herrschaft erscheint als faktisch zwar nicht zu leugnendes, aus der Perspektive Gottes freilich illegitimes politisches System der Unterdrückung. Was sich durch die Lektüre der lukanischen Geburtsgeschichte verändert, ist nicht – mit den Mitteln gewaltsamer Revolution – die politische Landschaft an sich, sondern – mit den Mitteln der Bewusstseinsbildung – die Einschätzung und Akzeptanz, das Bild der aktuellen römischen Herrschaft. Was sich verändert, ist die innere Haltung, mit der die Gemeinde die römische Führungselite und die römischen Behörden wahrnimmt, und diese Veränderung gibt ihr Raum für die aktive Umsetzung der eigenen sozialen Lebensprinzipien – zumindest im Binnenraum der Gemeinde. Eine Erzählung wie die Geburtsgeschichte besitzt unwillkürlich auch eine emotionale Wirkung auf die Hörer/innen. Die beim Hören freigesetzten Emotionen verändern das Selbstwertgefühl und das Selbstverständnis der Hörergemeinde und machen die Auswirkungen von Frieden und Gerechtigkeit ansatzweise bereits in der Gefühlswelt erlebbar.53 Damit ist die Ebene persönlicher Erfahrung berührt, was wiederum zu Umsetzungen im praktischen innergemeindlichen Handeln drängt. Antizipative Bilder des Friedens kompensieren politische Aggressionen und Phantasien von Gewalt. Solches Erleben birgt eine starke handlungsleitende Motivation, um eine konkrete Gestaltung des indirekten Protests gegen »feindliche« politisch-soziale Verhältnisse im Sozialfeld der Gemeinde wirklich werden zu lassen. Auf diese Weise kann die politische Kritik der Geburtsgeschichte sukzessive in der Hörergemeinde zur Wirkung gelangen.
53 K. BERGER, Hermeneutik 183–190 betont (im Rahmen der Frage nach der Applikation biblischer Texte) die Idyllik der lukanischen Weihnachtsgeschichte und deren emotionale Bedeutung; die Idylle bewirke z.B. eine »Antizipation von Geborgenheit« (188). Das geschichtliche Rezeptionsumfeld der politischen Wirklichkeit und Rhetorik des frühen römischen Prinzipats lässt freilich die erzählte Welt des Lukas darüber hinaus als sehr konkretes Kontrastbild, das die politische Realität unmittelbar in Frage stellt, erscheinen.
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3.5 Anfänge gestalten – der Anstoß für die lukanische Geburtsgeschichte Werfen wir am Ende dieser Überlegungen einen imaginären Blick über die Schulter des Verfassers des Lukasevangeliums. Methodisch angemessen formuliert, soll eine redaktionsgeschichtliche Hypothese vorgestellt werden, die die Textproduktion des Lukas mit seiner literarischen Vorlage im Markusevangelium in Verbindung bringt. Die methodischen Grenzen dieses Versuchs bestehen zum einen in der Konzentration auf den Verfasser des Textes, mit der die Rezeption aus dem Blick gerät, zum anderen in der Tatsache, dass wir nur Texte kennen, aber keine Verfasser. Faktisch handelt es sich also um einen intertextuellen Ansatz, der die Anfänge zweier Textkorpora – Markusevangelium und Lukasevangelium – miteinander vergleicht. Die Beschreibungssprache, die ich für diese Textbeziehung verwende, benutzt die Chiffrierung als Arbeitsweise des Autors »Lukas«. Das Markusevangelium setzt gleich zu Beginn mit Signalworten aus der politischen Rhetorik seiner Zeit ein. Es charakterisiert in einem überschriftartigen Metatext die Inhalte seiner Darstellung mittels des Terminus ıįȗȗջȝțȡȟ, gute, frohe Botschaft (Mk 1,1); im unmittelbaren Entstehungsumfeld des Buches wurde dieser Begriff verwendet, um dem Regierungsantritt des römischen Kaisers Vespasian heilbringende Bedeutung zuzuschreiben.54 Hier im Markusevangelium ist es jedoch Jesus Christus, der als Bote und Inhalt des Evangeliums erscheint. Sein im Verlauf des Buches erzähltes Leben und Wirken erhält so eine politische Dimension, die durch die Bestimmung als ȤԽրȣ Țıȡף, als Sohn eines Gottes, noch verstärkt wird. Das Syntagma weckt lebhafte Assoziationen an den römischen Kaisertitel divi filius, Sohn eines vergöttlichten Vorgängers.55 Nach dieser Überschrift greift das Markusevangelium freilich mit einem als solches ausgewiesenen Zitat aus dem Jesaja-Buch sogleich auf die prophetische Tradition Israels zurück.56 Lukas als (fast) zeitgenössischer Leser des Markusevangeliums wird die politische Kritik, die die Überschrift Mk 1,1 als Metatext für das ganze Buch rezeptionsleitend vorgibt, durchaus verstanden haben. In der Zeit nach Vespasian gestaltet Lukas diesen in politischer Hinsicht kritischen 54 Auch in Bezug auf Jesus folgt alsbald die Ankündigung einer neuen Herrschaft: Mk 1,14f. Von den »Evangelien« des Regierungsantritts Vespasians spricht Jos. bell. 4,618.656. Vgl. zum Begriffsgebrauch (in Bezug auf Augustus) auch die Inschrift von Priene 40f. 55 Dazu G. THEISSEN, Evangelienschreibung 396–398; M. EBNER, Markusevangelium 175f. – Trotz textkritischer Hinweise auf eine Auslassung des Syntagmas ȤԽȡףȚıȡ ףin Mk 1,1 scheint mir die Ursprünglichkeit wahrscheinlich; zur Begründung J. GNILKA, Evangelium nach Markus 43; H.-J. KLAUCK, Vorspiel im Himmel 45f; P. DSCHULNIGG, Markusevangelium 58. 56 Das Zitat in Mk 1,2f kombiniert faktisch Passagen aus Ex 23,20, Mal 3,1 und Jes 40,3.
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Zug, den die markinische Darstellung der Vita Jesu aufweist, auf seine Weise neu, indem er ihn mit der narrativen Darstellung der Herkunft Jesu verbindet. Mit der Geburtsgeschichte schließt er sich enger als Markus dem Genre der Vita an und arbeitet zugleich die Bedeutung Jesu programmatisch heraus. Dabei situiert er die politische Aussage nicht mehr im Metatext, sondern integriert sie in die Erzählung und verallgemeinert sie konzeptionell so, dass das römische Prinzipat in seinem Anspruch, der von ihm beherrschten Welt »Heil« zu bringen, einer grundsätzlichen Kritik unterzogen wird. Die eher indirekt-andeutende Weise dieser Kritik innerhalb der narrativen Präsentation behält Lukas mutatis mutandis bei. Das Ergebnis der politischen Reflexion prägt die lukanische Geburtsgeschichte, die durch die Form und wesentliche Topoi besonders der poetischen Stücke die römische Konzeption vom Goldenen Zeitalter reflektiert.57 Noch an einer weiteren Stelle lässt Lukas erkennen, dass er die politisch-kritischen Töne einer markinischen Erzählung wahrnahm und literarisch rezipierte. Das Streitgespräch über die Steuerfrage aus Mk 12,13–17, in dem bei einer am historischen Kontext orientierten Lesart politische Kritik aus der Perspektive der Binnengruppe der Jesus-Anhänger/innen zu hören ist,58 übernimmt Lukas nicht nur in seine JesusVita (Lk 20,20–26), sondern trägt über die markinische Fassung hinaus die politische Relevanz der thematisierten Steuerproblematik auch direkt ein: Den Jesus herausfordernden jüdischen Autoritäten (Lk 20,19) unterstellt er explizit die Absicht, Jesus zur Steuerverweigerung zu provozieren, um ihn der Regierungsgewalt des römischen Statthalters – und damit einer Freiheit oder Leben bedrohenden Verurteilung – übergeben zu können (20,20). Damit ist die politische Brisanz der Szene, die zunächst lediglich eine Tora-Diskussion (im weiteren »halachischen« Sinne) wiederzugeben scheint, klar ausgesprochen.59
Grundsätzlich ließe sich an dieser Stelle die traditionsgeschichtliche Perspektive anschließen. Gerade für das Magnifikat und das Benediktus ist die Frage nach der Herkunft der Lieder mit durchaus kontroversen Ergebnissen diskutiert worden.60 Dabei liegt der Diskussion ein hoher Grad an Hypothe57 Anders geht B. SHELLARD, Light (2002) davon aus, dass Lukas die anderen drei kanonischen Evangelien kannte; dann erscheint die lukanische Geburtsgeschichte als Umarbeitung der matthäischen, wobei u.a. die lukanische Sympathie für die Frauen und für die Armen, die Betonung von Umkehr und Vergebung sowie der Bezug zur gesamten Welt leitend seien (79–81); die Messiasdarstellung ähnele stark dem Johannesevangelium (170–172). Mich überzeugt die These nicht; die Textbezüge bleiben dafür zu wenig spezifisch. 58 Zum Nachweis S. SCHREIBER, Caesar oder Gott (2004). 59 Der Begriff ĴցȢȡȣ zur Bezeichnung der Steuer in Lk 20,22, der den markinischen Latinismus Ȝ׆ȟIJȡȣ ersetzt, lässt sich semantisch als Synonym verstehen. Er wird von Josephus (z.B. bell. 1,154; 2,118) für die Tributzahlung des unterworfenen jüdischen Volkes an die römische Besatzungsmacht verwendet. Der zeitgeschichtliche politische Hintergrund klingt deutlich an. 60 Vgl. nur die Arbeiten von W. RADL, Ursprung (1996) und U. MITTMANN-RICHERT, Magnifikat (1996) sowie die Übersichten in den Kommentaren.
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tik zu Grunde. Meine Interpretation bezieht sich auf die Ebene des lukanischen Textes, der allein eine sichere Basis für die Analyse bietet. Dass Lukas auf bereits existierende Hymnen zurückgriff, ist heute weitgehend konsensfähig. Wenn es gelingen sollte, solche Traditionen zu rekonstruieren und vielleicht sogar etwas über die dahinter stehenden Tradentenkreise zu erfahren, würde dies zeitlich noch näher an die Regierung des Nero bzw. des Augustus heranführen. Möglicherweise ließen sich bereits in diesen Traditionen kritiktragende Anspielungen auf die politische Rhetorik Roms finden. Die in der Geburtsgeschichte Lk 1–2 entwickelte Konzeption der Inauguration eines neuen Zeitalters mit der Geburt des messianischen Herrschers Jesus erweist sich freilich als die literarische und theologische Leistung des Lukas. Dieser Konzeption und der in ihr wahrnehmbaren politischen Kritik gilt das Interesse meiner Untersuchung.61
61 Nicht mehr in das Manuskript aufnehmen konnte ich N. NEUMANN, Lukas und Menippos (2008), der formale und inhaltliche Parallelen der lukanischen Geburtsgeschichte zu Texten, die der »Menippeischen Satire« zuzuordnen sind (Gattungsmerkmal ist die Mischung von Prosa- und Verspassagen), untersucht: Ähnlich wie bei Lukas besteht die Komposition der Verspassagen aus Zitaten bekannter Literatur, und es begegnet die Umkehrung von gängigen Wertvorstellungen im Rahmen eines philosophischen Systems von Tugend und Untugend.
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4. Politik und Theologie bei Lukas
Der Vergleich mit der Konzeption des Goldenen Zeitalters aus der politischen Rhetorik der frühen Kaiserzeit lässt sowohl die Komposition als auch die Pragmatik der lukanischen Geburtsgeschichte deutlicher hervortreten. Auf seinem zeitgeschichtlichen Hintergrund gelesen, enthält der Text eine politische Stellungnahme des Lukas. Als Bestandteil der literarischen Gattung einer Vita Jesu enthüllt die Geburtsgeschichte die Herkunft Jesu und antizipiert damit seine Bedeutung auf programmatische Weise. Daher nötigt die politische Richtungsanzeige, die Lukas in der Geburtsgeschichte vermittelt, zum Nachdenken über weitergehende Konsequenzen für eine politische Theologie des Lukas. Eine Neubewertung der politischen Haltung des Lukas scheint erforderlich zu werden. Zunächst sollen einige Schlaglichter aus der Forschungsdiskussion über die politischen Implikationen der lukanischen Erzählungen aufgegriffen werden, bevor ich eine zusammenfassende Charakterisierung der politischen Pragmatik des Lukas versuche und die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die lukanische Konzeption einer »Heilsgeschichte« reflektiere.
4.1 Zur Diskussion 4.1.1 Lukasevangelium Es kann heute als Konsens der Lukas-Forschung gelten, dass Lukas in apologetischer Absicht ein positives Bild des römischen Staates vertritt und die Christen als loyale Staatsbürger zeichnet. Laut François Bovon möchte Lukas »die Angst der Römer vor der christlichen Mission beschwichtigen. Lukas ist überzeugt davon, daß das Evangelium politisch ungefährlich ist, im Gegenteil: Die ethische Haltung der Christen kann für ihre heidnischen Mitbürger nur von Vorteil sein«.1 Und Walter Radl stellt bündig fest: 1
F. BOVON, Lukas I 23; er fährt fort: Lukas intendiere »die soziale Anerkennung der christlichen Kirche« und zeige »das Interesse der Behörden und der höheren Schichten« an der christlichen Botschaft. Zur Diskussion in der Forschung bis in die 1980er Jahre vgl. M.A. POWELL, What Are They Saying about Acts?, Kap. 4; aktuell den knappen Überblick bei M. MEISER, Lukas 176– 178.
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»günstig beurteilt er [sc. Lukas; S.S.] die Voraussetzungen für ein Auskommen der – grundsätzlich loyalen – Christen mit dem römischen Staat«.2 Walter E. Pilgrim fasst in einem Überblick zum Thema Church and State in Luke-Acts die Mehrheitsmeinung der gegenwärtigen Lukas-Interpretation so zusammen: Lukas »sought to demonstrate to his readers that Jesus and the movement founded by him posed no political threat to imperial rule and that Christianity and Rome could live together in relative peace and harmony«.3 Eine Variante dieser Position bestimmt nicht die römische Gesellschaft, sondern die lukanische Gemeinde als Hauptadressatin des Lukasevangeliums, der Lukas zeige, dass der römische Staat ihr nicht feindlich gegenübersteht, solange sie friedlich und im Einklang mit der gesetzlichen Ordnung lebt.4 Anklänge an Personen und Ereignisse der zeitgenössischen Politik häufen sich bekanntlich in der Darstellung der Geburt Jesu in Lk 2,1–21. Aber auch hier kann Radl lediglich eine untergründige Spannung im universalen Anspruch des Princeps bzw. des Messias feststellen; Augustus werde nur erwähnt, um Jesu Geburt in den zeit- und weltgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen.5 Walter Schmithals erkennt zwar eine implizite Polemik gegen die politische Theologie der kaiserlichen Friedenspolitik, spricht aber auch von »feine(r) Ironie«, dass nämlich der mächtige Kaiser »von Gott benutzt« werde, um »die Geburt des wahren Weltheilands zu veranstalten«.6 Der Kontrast zwischen Jesus als »Retter« und Augustus, auf den dieser Titel in römischen Inschriften in erster Linie bezogen ist, wird inzwischen häufiger bemerkt,7 ohne dass daraus weiterreichende Schlüsse für das Verständnis der Geburtsgeschichte gezogen würden. Vergleichsweise selten werden bei der Auslegung der Geburtsgeschichte Zweifel an der romfreundlichen Haltung des Lukas laut. Rainer Dillmann und César Mora Paz sehen in der Geburtsgeschichte allgemein einen Kon2 W. RADL, Evangelium nach Lukas 21. Vgl. P.-G. MÜLLER, Lukasevangelium 20: Lukas sei »für loyale Anerkennung zwischen Staat und Kirche«. 3 W.E. PILGRIM, Neighbors (1999), 126–128, Zitat 126. Vgl. E. PLÜMACHER, ActaForschung 51. 4 Vgl. W.E. PILGRIM, Neighbors 128f; Vertreter sind R. MADDOX, Purpose (1982); P.W. WALASKAY, »And So We Came to Rome« (1983); J. ROLOFF, Kirche (1993), 211. – Zur Differenzierung der Forschungspositionen M. WOLTER, Juden 278. 5 W. RADL, Evangelium nach Lukas 110, mit Verweis auf R. PESCH, Weihnachtsevangelium. Der Zensus besitze nur die narrative Funktion, »die Krippe als Liegestatt des Neugeborenen bzw. die Geburt Jesu in einem Stall zu erklären« (W. RADL, ebd. 111). Vgl. M. WOLTER, Lukasevangelium 119.121: Lk 2,1 bedeute eine Weitung des politisch-geographischen Horizonts und zeige die weltgeschichtliche Relevanz des Geschehens; ähnlich H. KLEIN, Lukasevangelium 126. 6 W. SCHMITHALS, Weihnachtsgeschichte 290f (Zitat 290). 7 Neben den oben (3.2.1, dort Anm. 25) genannten Autoren auch M. KARRER, Jesus, der Retter 174; A. DENAUX, Stranger 268. Konkrete politische Kontraste betonen A. MYRE, Christmas 27–29 und R.A. HORSLEY, Liberation 33 und passim.
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trast zur politischen Ordnung Roms: Der Retter stehe auf der Seite der Armen und Entrechteten.8 Einen anregenden Ansatz zur Berücksichtigung der aurea aetasKonzeption bei der Interpretation der lukanischen Geburtsgeschichte hat im Jahr 2000 Michael Wolter vorgelegt.9 Er versteht die Hirtenerzählung Lk 2,8–20 auf dem Hintergrund der römischen Bukolik, speziell der ersten Ekloge des Calpurnius, wo Hirten als erste Empfänger der Botschaft vom neuen Zeitalter auftreten, das mit der Geburt bzw. dem Herrschaftsantritt des Kaisers (bei Calpurnius: Nero) verbunden ist (s. oben 2.3.2). Obwohl Wolter sieht, dass in Lk 2 »die traditionellerweise auf den politischen Herrscher sich richtenden Erwartungen auf Jesus übertragen werden« (516), wendet er sich gegen eine politische Stoßrichtung in der lukanischen Intention. Er muss dazu freilich die gemeinsamen Motive auf eine literarische Aufnahme beschränken, deren Akzent er darin erkennt, dass »derjenige Herrscher, mit dem das goldene Zeitalter nun tatsächlich auch anbrechen wird, aus Israel kommt und auf dem Thron Davids sitzen wird« (517). Weiter gewinne durch Jesus Israels Geschichte welthistorische Bedeutung, »insofern es nämlich gerade der davidische Messiaskönig ist, der auch diejenigen Hoffnungen erfüllt, die sich unter den Völkern auf den universalen Friedensherrscher richten, der das Goldene Zeitalter heraufführt« (517).10 Aber treten nicht bereits in der Tatsache, dass im Kind in der Krippe ein »alternativer« Herrscher (ein anderer als der römische Imperator) die Friedenszeit aufrichtet, politisch subversive Züge hervor? Vom Gesamtbefund der lukanischen Geburtsgeschichte aus muss die Frage nach politischen Konsequenzen noch einmal neu diskutiert werden. Bereits wenige Jahre vor Wolter hatte Allen Brent versucht, die Vorstellung vom aureum saeculum für das Verständnis des lukanischen Doppelwerks fruchtbar zu machen.11 Charakteristisch für Brents Konstruktion ist die enge Verbindung der saeculum aureum-Vorstellung mit dem Herrscherkult, den Brent als integratives Element versteht (428). Aus diesem Komplex greift er Einzelmotive heraus und stellt sie lukanischen Texten (besonders der Geburtsgeschichte) gegenüber. Es fehlt dabei jedoch eine Erarbeitung der spezifischen Motivik des Goldenen Zeitalters als eigen8 R. DILLMANN/C. MORA PAZ, Lukasevangelium 23. F.W. DANKER, Jesus 44 verweist auf den revolutionären Charakter des neuen Zeitalters, das anti-römisch verstehbar sei, schränkt aber ein: Es sei nicht im Sinne eines Aufstandes misszuverstehen (52), und stärker als durch die römische Macht sei Gottes Plan durch die eigene Nation Israel gefährdet (45). 9 M. WOLTER, Hirten. Aufgenommen in DERS., Lukasevangelium 127f.130. 10 Die Hirten »repräsentieren [...] aber auch die Hoffnungen der gesamten Menschheit auf universalen Frieden« (M. WOLTER, Lukasevangelium 128). – Dagegen bleibt H. KLEIN, Lukasevangelium 129 allgemein, wenn er die Hirten als »Repräsentanten des niederen Volkes« deutet; einen Bezug zu Verg. ecl. 4 lehnt er in Anm. 10 ausdrücklich ab. 11 A. BRENT, Luke-Acts (1997).
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ständiger politischer Konzeption. Auch die Quellenbasis bleibt bei Brent zu eng begrenzt (im Wesentlichen Verg. ecl. 4 und die Inschrift von Priene). Bedenkenswert erscheint folgender Gedanke: Die Hörer/innen werden ermutigt »to see Christianity as the fulfilment of Judaism which paralleled Augustus’ fulfilment« der alten republikanischen Religion (413f) – sofern »fulfilment« nicht als »Ablösung« verstanden wird. Als schwierig aber erweist sich die pragmatische Folgerung: Ziel sei die Reintegration der Christen in die römische Gesellschaft (437f), das lukanische Mittel dazu »to assimilate Christian eschatology to that of Augustus’ saeculum aureum« (437). Dazu beschreibe Lukas »the Christian counterpart to the Imperial Cult, which could alone achieve the refashioned Christian saeculum aureum« (438) – für die Gemeinde werde mit dieser Überbietungsstrategie klar, dass sie das (positiv verstandene!) Ziel der römischen Gesellschaft auf ihre Weise sogar noch besser erreiche, wodurch gesellschaftliche Integration erzielt werde. Ist es aber wirklich vorstellbar, einen eigenen Herrscher eines eigenen neuen Zeitalters zu konzipieren, ohne dass dieser als politisches Gegenbild zur Propaganda des frühen römischen Prinzipats rezipiert werden musste? Klaus Berger gibt in seiner Hermeneutik des Neuen Testaments einige Hinweise auf bukolische Elemente, u.a. das Goldene Zeitalter, in der lukanischen Weihnachtsgeschichte; er hebt dabei das Moment des Idyllischen und damit einen emotionalen Textzugang hervor.12 Zu wenig sichtbar werden jedoch die konkreten politischen Bezüge im zeitgeschichtlichen Kontext. Weitere Texte des Lukasevangeliums können als politische Stellungnahme interpretiert werden. Exemplarisch verweise ich auf das zweifache prophetische Gerichtswort Jesu in Lk 13,1–5, das an die zeitgeschichtlichen Ereignisse der Tötung galiläischer Pilger in Jerusalem durch Pilatus und des Todes von Einwohnern Jerusalems beim Einsturz des Turmes von Schiloach anknüpft. Friedrich W. Horn liest diese Worte insofern politisch, als sich die genannten Ereignisse auf zelotischem Hintergrund verstehen lassen; die von Jesus geforderte Umkehr könne in aktueller politischer Ausrichtung als Abkehr vom zelotischen Widerstand gegen den römischen Prokurator Pilatus gedeutet werden.13 Ob Lukas seinem Jesus tatsächlich eine Sanktionierung der drastischen Maßnahmen des römischen Statthalters Pilatus zusprechen möchte, scheint mir fraglich. Ist nicht eher der Gedanke einer grundlegenden Umorientierung virulent, der die politische Macht von der Basileia Gottes her in Frage stellt? Eine kritische Position gegenüber der römischen Oberherrschaft lässt Lukas, wie bereits erwähnt, in der politisch aufgeladenen Perikope von der Steuerfrage in Lk 20,20–26 erkennen, die er nicht nur aus Mk 12,13–17 übernimmt, sondern durch die Eintragung des römischen Statthalters als Adressat der Anklage Jesu noch politisch zuspitzt (s. 12 13
K. BERGER, Hermeneutik 183–185. F.W. HORN, Die politische Umkehr (2002).
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3.5). Die Erzählung könnte eine Front der Christen zu den Behörden auf der Erzählebene sichtbar werden lassen.
4.1.2 Apostelgeschichte Mit der Frage nach der zeitgeschichtlichen politischen Brisanz der lukanischen Geburtsgeschichte auf dem Hintergrund der Rhetorik des Goldenen Zeitalters ist die Diskussion um die politische Pragmatik des Lukas berührt, die sich besonders auch an der Auslegung der Apostelgeschichte entzündet. Auch hier sollen nur einige Schlaglichter die Forschungslandschaft beleuchten. Eine fast schon als »klassisch« zu bezeichnende Auffassung spiegelt eine Passage aus der Einleitung von Udo Schnelle, der dabei zu Anfang auf eine Aussage von Hans Conzelmann referieren kann: Beispielhaft demonstriert Lukas auch an Paulus, »dass die christliche Verkündigung das Imperium nicht tangiert.«14 Nicht der römische Staat verfolgt Paulus, sondern die Juden (vgl. Apg 13,50; 17,5–7.13; 21,27ff). Sie gehen mit ungesetzlichen Maßnahmen gegen Paulus vor (vgl. Apg 23,12–15; 25,3) oder wenden sich an den Staat (vgl. Apg 18,12ff; 24,1ff; 25,5), werden aber dort stets abgewiesen. Der Staat muss aus lukanischer Sicht zwar gegen Frevel und Verbrechen vorgehen, es ist aber nicht seine Aufgabe, sich in religiöse Streitfragen einzumischen (vgl. Apg 18,12–17). Deshalb besteht sowohl für Gallio (Apg 18,15) als auch für Festus (Apg 25,18.25) kein Grund, Paulus anzuklagen. Nach römischem Recht war Paulus unschuldig und musste eigentlich freigelassen werden (vgl. Apg 25,25; 26,31f), und nur Korruption und Versagen der römischen Behörden (vgl. Apg 24,26f; 25,9) zwangen Paulus zur Appellation an den Kaiser.15
Bereits in seinem viel rezipierten Werk Die Mitte der Zeit aus dem Jahr 1954 hatte Hans Conzelmann den Aufweis der politischen Harmlosigkeit des Christentums als lukanische Intention vertreten.16 Nach Ernst Haenchen suche Lukas das Wohlwollen des römischen Staates für das Christentum zu gewinnen, indem er dessen jüdischen Charakter zeige und so die römische Toleranz den Juden gegenüber auch für das Christentum reklamiere.17 In neuerer Zeit erkennt auch Joseph Fitzmyer eine (untergeordnete) apologetische Absicht der Apg; für Lukas werde das Christentum »religio licita, a form of worship legitimate in the Roman Empire«; darum »Luke has a subordinate concern to depict Christianity as a logical outgrowth and con-
14 15 16 17
Das Zitat stammt aus H. CONZELMANN, Apostelgeschichte 12. U. SCHNELLE, Einleitung 318f. H. CONZELMANN, Mitte der Zeit 128–134. E. HAENCHEN, Apostelgeschichte 111–113.
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tinuation of Judaism [...]«.18 Klaus Haacker beschreibt zwar die Haltung des Lukas gegenüber dem Staat als »eine Mischung von Respekt und Kritik«,19 doch sei Lukas »um den Nachweis bemüht [...], dass Jesus und seine Bewegung nicht als grundsätzlich staatsfeindlich einzustufen sind« (81); in der Ablehnung eines Verfahrens gegen Paulus durch den Statthalter Gallio (Apg 18,14f) zeige sich »die ideale Haltung des Staates gegenüber der Kirche in den Augen des Lukas: eine Vorwegnahme des Gedankens der weltanschaulichen Neutralität und der Religionsfreiheit« (83). Ob der zuletzt genannte Gedanke die politische Gegenwartserfahrung des Lukas trifft oder nicht doch eher einen Anachronismus darstellt, sei wenigstens angefragt. In die gleiche Richtung zielt auch das Ergebnis von Martin Meiser, Lukas wolle »unter den Bedingungen eingeschränkter Meinungsfreiheit den Christen dazu verhelfen, die Harmlosigkeit des Christentums für das Imperium Romanum offensiv zu vertreten, ihre Unschuld zu erweisen und auf ihr Recht zu pochen«;20 wenn im Doppelwerk des Lukas neben einer positiven Darstellung römischer Autoritätsträger auch negative Beispiele dieses Personenkreises erscheinen, solle dies »den christlichen Lesern den Eintrag ihrer divergierenden Erfahrungen ermöglichen« (186). Andere Forscher beschränken die Reichweite der lukanischen Aussage zum römischen Imperium hingegen auf den innergemeindlichen Raum. So erkennt Gerhard Schneider in der Apostelgeschichte keine Apologie des Christentums vor den Augen Roms;21 der Weg des Paulus nach Rom (Apg 21–28) führe nicht zum kaiserlichen Gericht, sondern zu den römischen Juden: »Die Paulus-Apologie betrifft somit vornehmlich das innerkirchliche Problem der Verheißungstreue gegenüber Israel angesichts der Tatsache, daß das Judentum sich weitgehend der Botschaft der Christuszeugen versagte« (144). Auch das Verhältnis der Christen zum Staat sieht Schneider unter einem innerkirchlichen Aspekt; es gehe um den Ort der Christen in der Welt, um das Anliegen, »die Christen vor möglichen Fehlhaltungen zu bewahren. Sie sollten weder kompromißlose Gegner des Staates sein, noch resignierend konformistische Anpassung praktizieren« (144). Eine politische Kritik des Lukas kann dabei nicht in den Blick kommen. Auch nach Jacob Jervell intendiert die Apostelgeschichte den Aufweis, dass die Kirche 18 J.A. FITZMYER, Acts (1998), 58. Nicht sachgerecht ist die Annahme einer römischen Kategorie religio licita. Religio bezeichnete vor der Spätantike kein religiöses System (sondern einzelne Verpflichtungen), und eine offizielle Anerkennung einzelner (auch fremder) Kulte durch die römischen Behörden als in ihrer Durchführung »erlaubt« hat es nicht gegeben. Zur Kritik an der Kategorie religio licita vgl. auch W.E. PILGRIM, Neighbors 128; P. ESLER, Community 211–215. 19 K. HAACKER, Bild der Kirche 81–83 (Zitat 81, kursiv im Original). 20 M. MEISER, Lukas 190; anknüpfend an M. DIBELIUS, Paulus 180. 21 G. SCHNEIDER, Apostelgeschichte 143f.
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das Gottesvolk (Israel) sei, v.a. anhand der Gestalt des Paulus; Rom ist nicht der Adressat.22 Eine politische Absicht liegt dann nicht vor. Nach Michael Wolter ist der römische Staat »für Lukas kein Thema«,23 vielmehr benutze Lukas »die Vertreter der politischen Verwaltung, um sie als außerhalb des Konflikts zwischen Paulus und den ungläubigen Juden stehende neutrale Instanzen die inhaltliche Kontinuität der paulinischen Verkündigung zu den identitätsstiftenden Grundlagen des Judentums feststellen [...] zu lassen« (290). Nur selten wird eine kritische Haltung des Lukas zum römischen Imperium wahrgenommen. Richard Cassidy erhebt aus dem gesamten lukanischen Werk eine scharfe Kritik an den römischen Machthabern; Lukas zeichne Jesus in Distanz und Ablehnung gegenüber den Mächtigen und als Herausforderung für den sozialen Status quo.24 Auch Walter E. Pilgrim entnimmt seiner Durchsicht einschlägiger Texte ein kritisches Bild der römischen Herrscher und Behörden bei Lukas.25 Als Intention der Geburtsgeschichte betont er den Aufweis des Gegensatzes zwischen pax Romana und pax Christi als konkurrierenden Entwürfen einer Weltordnung;26 gerade auch die Hymnen in Lk 1–2 zeigten soziopolitische Implikationen (81–85.135f). Die revolutionäre Ansage einer neuen Ära des Friedens und der Gerechtigkeit stelle eine Herausforderung der römischen Herrschaft dar (85). Zwei neue Einzelstudien seien noch erwähnt, in denen mögliche Bezugnahmen der Apostelgeschichte auf die politische Welt ihrer Zeit untersucht werden. Carsten Burfeind erkennt in der ausführlich geschilderten Romreise des Paulus eine Universalisierung der christlichen Botschaft, wobei die Verkündigung des Paulus in Rom (vor dem Kaiser) als heilsgeschichtliches Ziel erscheine – Paulus muss (İı )הnach Rom.27 Die Apostelgeschichte verfolge also eine zentripetale Struktur auf Rom hin. Die Botschaft von Jesus als »Herr« und »Christus« und von der hereinbrechenden Königsherrschaft Gottes impliziere eine Infragestellung Roms und des Kaisers und damit eine politische Herausforderung. Leider bleibt in Burfeinds Beitrag offen, was das näherhin bedeutet und welche Konsequenzen sich ergeben, z.B. hinsichtlich potentieller Konflikte mit Rom.
22
J. JERVELL, Apostelgeschichte 87–89. M. WOLTER, Juden 289. 24 R.J. CASSIDY, Jesus, Politics, and Society (1978); DERS., Society and Politics (1987). 25 W.E. PILGRIM, Neighbors 135–143. 26 Auch H. KLEIN, Lukasevangelium 139 sieht den Frieden von Lk 2,14 »gegenüber der pax romana des Augustus klar abgegrenzt«, schränkt aber eine politische Brisanz sofort ein: Der Friede sei »weder national, noch politisch, noch sozial oder ökonomisch eingegrenzt«. Ganz ähnlich W.M. SWARTLEY, Politics 33, der aber auf der anderen Seite Lukas’ Betonung der sozialen Gerechtigkeit mit konkreten soziopolitischen Folgen im Begriff »Frieden« integriert sieht (34f). 27 So der Titel des Beitrags: C. BURFEIND, Paulus muß nach Rom. Zur politischen Dimension der Apostelgeschichte (2000). 23
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Hans-Josef Klauck hat die Szene um den Straftod des Agrippa in Apg 12,20–23 zeitgeschichtlich beleuchtet und gelangt zu folgender These: »Kritisiert wird auf der Erzählebene wegen blasphemischer Anmaßung König Herodes Agrippa I., tatsächlich aber dürfte diese Kritik innerhalb der Kommunikation zwischen dem (impliziten und realen) Autor und seinen Adressaten gleichzeitig auf Kaiser Nero zielen«.28 Auf diese Spur führt ihn die Erwähnung der »göttergleichen Stimme« des Königs, die innerhalb der Erzählung einen auf die kulturelle Umwelt weisenden Sinnüberschuss enthalte (255): Das Motiv der »herrlichen, göttergleichen Stimme Neros« ist in der zeitgenössischen antiken Literatur belegt.29 Erkennbar wird hintergründig eine politische Apologetik, »die man nicht ganz zu Unrecht bei Lukas zu verspüren meint« (266). Damit bricht Klauck eine einlinige Bestimmung der politischen Intention des Lukas auf und hält einen doppelten Fokus fest, »das Bemühen, die Christen in den Augen der römischen Behörden als harmlos und kooperationsbereit erscheinen zu lassen«, einerseits und »die Kritik am römischen Klientelkönig und am römischen Kaiser« andererseits (266). Grenzen der politischen Apologetik des Lukas werden sichtbar, (1) »wo staatliche Instanzen sich unberechtigter Übergriffe schuldig machen« (vgl. Apg 4,27), (2) beim »Verwischen des Abstands zwischen Gott und Mensch« (vgl. Apg 14,5–20; 10,25f) (266).
4.2 Politische Opposition bei Lukas Die Deutung der lukanischen Geburtsgeschichte auf dem Hintergrund der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter bedeutet eine Neuinterpretation der politischen Haltung des Lukas. Absichtsvoll beginnt seine Jesus-Vita mit einer Herkunftserzählung, deren Struktur und inhaltliche Gestaltung von Inferenzen aus der römischen aurea aetas-Konzeption geprägt sind und die damit ein politisches Potential birgt. Lukas entwirft eine politische Theologie in Erzählform, indem er ein Gegenmodell eines neuen Zeitalters und göttlich begründeter Weltherrschaft inszeniert, das auf Gottesbildern Israels basiert und Jesus von Nazaret als den messianischen Herrscher versteht. Die Topoi des Goldenen Zeitalters verwendet Lukas also keineswegs nur als literarische Bausteine für einen historisch-theologischen Entwurf, sondern spielt sie als Markierungen für die politische Relevanz seiner Erzählung ein. Damit setzt die Erzählung implizit eine ausgesprochen kritische Wahrnehmung der politischen Verhältnisse voraus und enthält grundlegende Kritik an einem politisch-gesellschaftlichen System, dessen Werte denen der eigenen Gruppe entgegenlaufen. Wenn z.B. Maria ausruft: »Er stürzt Mächtige 28
H.-J. KLAUCK, Des Kaisers schöne Stimme 252f. In Verbindung mit der Parallelisierung Neros mit Apollo und dem Vergleich des Herrschers mit der Sonne und ihren Strahlen: Sen. apocol. 4,1,23.28f; Lucan. 1,48f.63.66; carm. Einsid. 1; Tac. ann. 14,15,5; 15,30,1–3; 16,22,1; Suet. Nero 20,1.3; 21,1; 25,3; 33,2; 41,1; 45,2; u.a. Vgl. H.J. KLAUCK, Des Kaisers schöne Stimme 257–265. 29
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vom Thron« (Lk 1,52), ist der römische Princeps der erste Kandidat für die sich darin narrativ öffnende Leerstelle. Durch die Geburt Jesu erhält der Anspruch des Imperium Romanum und der ganzen kaiserzeitlich-römischen Gesellschaft den Charakter des Vorläufigen; die politische Realität wird relativiert und in einen größeren Sinnzusammenhang eingeordnet. Angesichts der Vordergründigkeit und Vergänglichkeit der römischen Herrschaft will Lukas auf die Präsenz einer echten Heilszeit, eines wirklichen »Goldenen Zeitalters« hinweisen, dessen Heil nicht sogleich an den Grenzlinien der gesellschaftlichen Hierarchien und Statusdefinitionen endet. Bereits die Geburt Jesu lässt – wie bei jedem bedeutenden römischen Kaiser – erkennen, dass mit ihm auch in politischer Hinsicht eine neue Zeit beginnt. Das damit verbundene alternative politische Modell wird zum Programm, zum Verstehensschlüssel für die politische Intention innerhalb des gesamten lukanischen Doppelwerks. Für die Rezipierenden lässt dieser Anfang keinen Zweifel daran, dass Jesu Auftreten nicht von der sozialen und politischen Wirklichkeit abzutrennen ist. An vielen Stellen des lukanischen Doppelwerks setzt die Erzählung diesen Grundsatz um. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Schilderung der Jerusalemer Urgemeinde in Apg 1–5. Mit ihrer Praxis der Gütergemeinschaft (Apg 2,44f; 4,32.34f) verwirklicht sie einen Aspekt der idealen Vorzeit (vgl. oben 3.2.5). Damit ist eine eindeutige Leseperspektive für das Werk vermittelt, auch wenn die Topoi des Goldenen Zeitalters selbst im Verlauf des Werkes kaum mehr eine Rolle spielen.30 Anhänger Jesu zu sein, muss also politische Folgen haben. Das bedeutet jedoch keinen aktiven organisierten Widerstand gegen die Behörden, keine gewaltsame politische Revolution – was unter den Bedingungen der lukanischen Gemeinden als Minoritäten innerhalb der hellenistisch-römischen Gesellschaft auch kaum denkbar wäre. Die narrative Form bringt eine gewisse Offenheit der Lektüre mit sich. Natürlich sind sowohl Augustus als auch Jesus längst Personen der Vergangenheit, aber im Unterschied zu Augustus, dessen julisch-claudische Herrscherfamilie bereits durch die flavische Dynastie abgelöst ist, gilt für Lukas die Begegnung mit Jesus auch in der Gegenwart noch als möglich, wie er z.B. in der EmmausErzählung paradigmatisch beschreibt (Lk 24,13–35); damit denkt er auch 30
Die Anklage-Rede des Tertullus, eines von der jüdischen Führung in Jerusalem engagierten römischen Anwaltes, in Apg 24,2f spielt mit panegyrischen Motiven und zeigt dabei auch Anklänge an Topoi des Goldenen Zeitalters, so an umfassenden Frieden und eine bereits eingetretene Besserung bzw. Reform der politisch-sozialen Verhältnisse. Diese Motive allein sind jedoch nicht spezifisch genug, um eine prägnante Anspielung auf die aurea aetas-Konzeption zu begründen. Sie verdanken sich allgemeiner panegyrischer Tradition. Bereits S. LÖSCH, Dankesrede (1931) hat die redetechnischen Formen untersucht und eine Anwendung »der Regeln der Lobrede auf eine neuere bessere Zeit zum Ruhme eines provinzialen Vertreters der kaiserlichen Regierung« festgestellt (319). Vgl. auch den Hinweis bei M. MEISER, Lukas 176.
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Jesu politische Bedeutung in größeren Dimensionen. Wie genau sich die Weltherrschaft Jesu zum römischen Imperium verhält, klärt Lukas nicht – aber in Apg 1,6–8 lenkt der erweckte Jesus den Blick der Schüler von der machtvollen Durchsetzung der Königsherrschaft für Israel auf die für die Gegenwart nach Jesus charakteristische und prägende Präsenz des Geistes, die eine umfassende Zeugenschaft der Schüler Jesu für die ganze Welt intendiert. Man muss dabei bedenken, dass der politische Anspruch, der mit Jesu Herrschaft im Kontext der Geburtsgeschichte verbunden ist, faktisch in der ganzen Vita nicht eingelöst wird. Im Gegenteil: Jesus selbst soll der römischen Obrigkeit und der Gewalt des Statthalters ausgeliefert werden (Lk 20,20); beim Symposion mit den Schülern nach dem letzten Mahl werden die soziopolitischen Strukturen innergemeindlich umgekehrt (22,24–26), und wer in den bevorstehenden Versuchungen mit Jesus ausgeharrt haben wird, wird eine Vorzugsstellung in Gottes Königsherrschaft erhalten – aber erst nach deren Vollendung (22,28–30); schließlich stirbt Jesus als politischer Verbrecher, als Königsprätendent am Kreuz, wie die Schuldtafel signalisiert (23,38). Die beiden Schüler auf dem Weg nach Emmaus sprechen gegenüber ihrem unerkannten Dialogpartner deutlich aus, dass ihre Hoffnung auf Jesus von Nazaret die Befreiung Israels implizierte (Lk 24,21) – und dies ist in der erzählten Situation jüdischer Menschen im Palästina des 1. Jh. sehr konkret politisch gedacht: als Befreiung Israels von der römischen Besatzung.31 Die Ermordung Jesu machte diese Hoffnung für die Emmaus-Schüler jäh zunichte, und sie reagieren mit Enttäuschung und Traurigkeit (24,17.20). Und selbst wenn der Dialogpartner daraufhin von der İցȠį, der himmlischen Herrlichkeit, in die der Christus durch sein Leiden und Sterben eingehen musste, spricht (24,26), bleibt der Königsanspruch auf der Ebene innerweltlicher Erfahrung ohne umfassende Erfüllung.32 Freilich: Die Nähe des erweckten Christus erfahren schließlich auch die Emmaus-Schüler – im existentiellen Verstehen der Schrift (24,27.32) und beim Brechen des Brotes (24,30f). Bereits beim Einzug Jesu in Jerusalem fiel auf, dass im Lob Gottes für die geschehenen Machttaten Frieden im Himmel und Herrlichkeit in den Höhen gepriesen werden; nur punktuell ist die Welt bereits davon betroffen.33 Zu Beginn der Apostelgeschichte wird das Uneingelöstsein des Königsanspruchs Jesu erneut aufgegriffen: Apg 1,6–8 hält fest, dass die endgültige 31 Vgl. J.A. FITZMYER, Gospel 1564; Textbelege bei R.E. BROWN, Birth 386–389. Genannt sei hier nur PsSal 17. 32 Zur damit verbundenen Modifikation der frühjüdischen Messiaserwartung vgl. G. STANTON, Messianism 92. 33 H. KLEIN, Lukasevangelium 139f hält fest, dass nach Lukas der göttliche Friede auf Erden noch nicht Fuß fassen kann.
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Vollendung der Königsherrschaft auch nach Jesu Erweckung weiterhin (und für eine unbestimmte Zeit) aussteht – aber die Gegenwart durch das Wirken des Geistes gefüllt ist, das die Gemeinde in ihrem alltäglichen Zusammenleben betrifft und einen universalen Zeugenauftrag einschließt. Denn mit der Geistsendung (Apg 1,5) ist nach frühjüdischer Überzeugung die Endzeit angebrochen (vgl. Joel 3,1–5, zitiert in Apg 2,17–21), und zu den endzeitlichen Ereignissen gehört die Sammlung der Heidenvölker, wobei Apg 1,8 mit dem Syntagma »Enden der Erde« auf Jes 49,6 LXX anspielt: der Gottesknecht als Zeuge für die Völker.34 Es liegen dabei durchaus intertextuelle Bezüge zwischen dem Anfang der Apostelgeschichte und der lukanischen Geburtsgeschichte vor, so neben den formal und inhaltlich aufeinander Bezug nehmenden Proömien die Synkrisis Johannes – Jesus und die Frage nach der Königsherrschaft. Die Apostelgeschichte vermittelt dann allerdings neue »Feineinstellungen«, z.B. den ausdrücklichen Verzicht auf Terminangaben.
Die literarische Gestaltung der Geburtsgeschichte erfordert und unterstützt die aktive Rezeption der Lesenden, auf deren kulturellem Wissen der Prozess der Bedeutungsgewinnung basiert. Auf diese Weise zielt die Erzählung in erster Linie auf eine innere Haltung, eine Einstellung, auf Bewusstmachung, sowohl beim einzelnen Gemeindeglied als auch bei der Gruppe als Kollektiv. Dies soll zu einer Relativierung der faktischen politischen Gegebenheiten und der damit verbundenen weltanschaulichen Implikate und Deutemuster von Gesellschaft führen. Damit wird die Bewältigung der Lebenssituation erleichtert, die durch die in der Erzählung aufgegriffenen Strukturen belastet ist. Eine innere Freiheit gegenüber der staatlichen Macht wird gestärkt. Ein eigenes, grundlegendes und umfassendes Deutemuster der soziopolitischen Wirklichkeit entsteht vor den Augen der Leser/innen, das jedoch nicht nur die Phantasie einer marginalisierten Minderheit bedienen möchte, sondern ein aktives Engagement für gewandelte Verhältnisse des Zusammenlebens freisetzt. Für Lukas ist dies im Binnenraum der Gemeinde möglich. Das Gegenmodell zu den römischen Machtstrukturen findet in der Gemeinde Christi den Ort, an dem es tatsächlich praktiziert wird. Damit stellt Lukas höchste Ansprüche an die Sozialgestalt einer christlichen Gemeinde. Das lukanische Doppelwerk als ganzes wird zu einer Entfaltung zentraler Aspekte, die diese Sozialgestalt beschreiben. Das Programm formuliert Lukas im Rückgriff auf die Vorlage in Mk 10,42–44 in der pointierten Aussage Lk 22,25f:
34 Jes 49,6 LXX wird dann in Apg 13,47 wörtlich zitiert – in der Funktion der Legitimierung der Heidenmission.
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Die Könige herrschen über ihre Völker, und ihre Machthaber werden Wohltäter genannt. Ihr aber nicht so! Sondern der Größte unter euch soll sein wie der Jüngste, und der Anführer wie der Diener.35
Die theoretische Frage, ob sich dieses Hierarchien der Macht, des Status und des Besitzes überwindende Sozialprogramm auch als Modell für die gesamte Gesellschaft umsetzen ließe, erörtert Lukas nicht. Ihm ist die Verwirklichung im Binnenraum der Gemeinde in der konkreten Praxis des Zusammenlebens wichtig. Eine Ausstrahlung nach außen besitzt nur in eingeschränkter Weise, nämlich für die unmittelbaren sozialen Kontakte einzelner Gemeindeglieder mit Personen ihrer Umwelt, Relevanz. Im Gegenteil dürfte den lukanischen Gemeinden daran gelegen sein, dass auf einer allgemeinen gesellschaftlichen »Oberfläche« die Unterschiede nicht zu scharf hervortreten, um Reibungsflächen und Diskriminierungen zu vermeiden. Vielleicht konnten sie von Außenstehenden weiterhin in die Kategorie »jüdischer Kultverein«, wie sie in zahlreichen hellenistischrömischen Großstädten vertraut war, eingeordnet werden. Eine gewisse Unauffälligkeit musste als geeigneter Schutz gegenüber Misstrauen und Anfeindungen gelten. Im Hintergrund der lukanischen Auseinandersetzung mit der römischen Herrschaft steht eine theologische Dimension, die, soweit wir das überblicken können, für weite Teile des Urchristentums grundlegend war. Die Überzeugung vom Beginn der Endzeit, von der heilsgeschichtlichen Wende,36 die mit Jesus von Nazaret geschehen ist und an Jesu Einsetzung in die himmlische Herrscherstellung bei Gott seit seiner Erweckung festgemacht werden konnte (vgl. Röm 1,4 und lukanisch Apg 1,9–11; 7,55f), war nur in universaler weltgeschichtlicher Perspektive denkbar. Und genau diese Perspektive war im zeitgeschichtlichen Kulturwissen bereits besetzt: von der Propaganda und der Faktizität der römischen Weltherrschaft. In der Neubesetzung dieser Position im Rahmen einer umfassenden Weltdeutung liegt der tiefere theologische Grund für die Unvermeidbarkeit eines politischen Gegenmodells, wenn Jesu bleibende universale Bedeutung formuliert werden sollte.37 35 Gegenüber der Vorlage Mk 10,42–44 setzt Lukas Begriffe ein, die noch direkter politischgesellschaftliche Strukturen der römischen Welt spiegeln: Könige (= Kaiser), Wohltäter (vgl. 2.5, Anm. 126), Jüngere, Diener. 36 Zu den religionsgeschichtlichen Hintergründen dieser Überzeugung vgl. S. SCHREIBER, Apokalyptische Variationen (2007). 37 Wenn Paulus in einer Rede vor »Israeliten und Gottesfürchtigen« (Apg 13,16) in der Synagoge von Antiochia in Pisidien Jesus als IJȧijսȢ für Israel aus dem Geschlecht Davids vorstellt (13,22f), macht der Rezeptionshorizont der hellenistisch-römischen Stadt die Frage unvermeidlich, in welchem Verhältnis Jesus dann zum Kaiser als »Retter« des Imperium steht – eine politische Kritik schwingt mit. Vgl. G. STANTON, Messianism 89.94, der im Herrscherkult, der in der römi-
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Zusammenfassend wird man also dem lukanischen Werk nur gerecht, wenn man es als ausgesprochen kritische Stellungnahme gegenüber den herrschenden politischen Verhältnissen seiner Zeit betrachtet, wofür die Geburtsgeschichte die Rezeptionsrichtung vorgibt.38 Die intendierten Leser/innen sind eine bestimmte christliche Gruppe, mit denen der Verfasser der Jesus-Vita in Kontakt steht – für ein römisches Lesepublikum war das Werk hingegen nicht gedacht.
4.3 Neuanfang und Kontinuität Lukas setzt seine Vita Jesu mit einer Historia über ausgewählte erste Christen fort. Dabei legt er unausgesprochen ein bestimmtes Geschichtsbild zugrunde. Ein antiker Geschichtsentwurf stellt aber immer auch eine politische Äußerung dar. So sollen Folgerungen aus meiner Interpretation der Geburtsgeschichte für das Geschichtsverständnis des Lukas bedacht werden. Betroffen ist die in der Forschung kontrovers diskutierte Frage nach einer Epochengliederung, die dem lukanischen Werk zu entnehmen ist. Den Ausgangspunkt der Diskussion bildet immer noch Hans Conzelmanns bahnbrechende Untersuchung Die Mitte der Zeit von 1954.39 Seine grundlegende These besagt, dass Lukas das Ausbleiben der Parusie Christi durch einen heilsgeschichtlichen Entwurf bewältigt habe; da die anfänglich vorherrschende Naherwartung nicht zu tradieren war, habe Lukas diese durch ein Bild der Heilsgeschichte ersetzt. Konkret unterscheidet Conzelmann dann drei heilsgeschichtliche Epochen, in denen sich Gottes Plan von der Schöpfung bis zur endzeitlichen Parusie Christi realisiert: 1. Die Zeit Israels als Zeit des Gesetzes und der Propheten, wofür als Hauptbeleg Lk 16,16 dient; 2. die Zeit Jesu als »Mitte der Zeit« (Lk 4,14–22,2), die als »satansfreie« Zeit bestimmt ist; 3. die Zeit der Kirche als Zeit des Geistes (Apg 2,1ff). Doch führte die Beobachtung des erzählerischen Aufwandes, mit dem Lukas »Jesus-Zeit« und »Zeit der Kirche« miteinander verzahnt, bald zum Modell einer Zweiteilung der Heilsgeschichte in die – wieder besonders schen Kolonie von Antiochia prominent war, einen »Subtext« für die Lektüre von Apg 13,16–23 erkennt. 38 Auch die Geburtsgeschichte des Matthäus zeigt politische Anklänge, die besonders im Motiv des wandernden Sterns, der das Jesus-Kind als neugeborenen Herrscher bezeichnet, präsent sind. Man wird dabei zeitgeschichtlich an das sidus Iulium denken, den Kometen, der bei den ludi Victoriae Caesaris im Juli 44 v.Chr. erschien und auf die Aufnahme des ermordeten Julius Caesar unter die Götter gedeutet wurde, den aber Oktavian zugleich propagandistisch als Zeichen der »Geburt« eines neuen Herrschers verstand. Zum sidus Iulium D. KIENAST, Augustus 216.224; zum weiteren Hintergrund des Sterns als eines Herrschersymbols M. KÜCHLER, Stern. 39 H. CONZELMANN, Mitte der Zeit (1954) 71993.
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von Lk 16,16 her gewonnenen – Epochen Gesetz/Propheten einerseits und Zeit Jesu und der Kirche andererseits. Exponenten dieser Position sind z.B. Gerhard Schneider und François Bovon. Schneider nimmt eine scharfe Trennung der beiden Epochen vor und arbeitet gleichzeitig heraus, dass das Konzept einer Heilsgeschichte bei Lukas nicht als Ersatz für die Naherwartung der Parusie fungiert, die bei Lukas noch als »Stetserwartung« existiert, sondern eine Kontinuität der Verkündigung (Propheten – Jesus – apostolische Zeugen – Paulus) und damit eine Standortbestimmung der Gemeinden zur Zeit des Lukas intendiere.40 Bovon betont stärker die Verbindung der Epochen, indem er sie mit dem Schema von Verheißung und Erfüllung identifiziert und auf Übergänge verweist.41 Ein neues Modell einer Epochengliederung hat kürzlich Michael Wolter vorgeschlagen. Er versteht das lukanische Doppelwerk in seiner Gesamtheit als Darstellung einer einzigen Epoche, deren Gegenstand die »Geschichte der Trennung von Christentum und Judentum« bildet.42 Diese Epoche beginnt mit der eschatologischen Heilsinitiative Gottes in Israel, repräsentiert durch die Protagonisten Zacharias und Maria in Lk 1, und endet mit der letzten Rede des Paulus, situiert vor dem jüdischen König Agrippa II., in Apg 26,1–27. Die Romreise und die Schlussszene in Rom (Apg 27–28) markieren bereits den Übergang in die folgende Epoche, die auf die Trennung vom Judentum zurückblickt. Entscheidend ist aber, dass diese Trennungsgeschichte nur einen Ausschnitt aus Israels Geschichte darstellt – eine Epoche dieser Geschichte (272). Die Zeit Israels dauert also weiter an – bis in die Gegenwart des Lukas, und umgreift in heilsgeschichtlicher Kontinuität die Geschichte von Christentum und Judentum (281). Bei diesem auf den ersten Blick faszinierenden Geschichtskonzept fällt freilich auf, dass Lukas es durch zwei gattungsverschiedene Werke (vita und historia) umsetzen würde; die Verbindung der beiden Gattungen deutet doch eher eine Sichtweise an, bei der das Leben einer prominenten Einzelperson über die eigene Lebenszeit hinaus als geschichtsbestimmend betrachtet wird. Dann stünde freilich der Kontinuitätsgedanke, auf den noch einzugehen sein wird, im Vordergrund: Was mit der Geburt Jesu begann, dauert bis in die (lukanische) Gegenwart hinein fort. Die von Wolter genannte Paulusrede als Markierung eines Epochenendes kann m.E. nicht auf klare Textsignale eines epochalen Einschnitts, einer vollzogenen Trennung rekurrieren, und tatsächlich geht ja die Verkündigung des Paulus vor Juden in Apg 28 weiter.
Durch die strukturellen und inhaltlichen Referenzen auf die Vorstellung des Goldenen Zeitalters entwirft die lukanische Geburtsgeschichte narrativ die 40
G. SCHNEIDER, Lukas II 337f. Vgl. auch P.-G. MÜLLER, Lukasevangelium 138. F. BOVON, Lukas I 26; III 98–100. Vgl. zuletzt H.J. SELLNER, Heil Gottes (2007), 213– 215.488. 42 M. WOLTER, Doppelwerk (2004), 263; vgl. DERS., Lukasevangelium 26–30. 41
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Inauguration eines neuen Zeitalters. Lassen sich darin Hinweise auf das lukanische Geschichtsverständnis finden? Werfen wir einen Blick zurück: Das Goldene Zeitalter diente der politischen Rhetorik des beginnenden Prinzipats zur Kennzeichnung eines umfassenden soziopolitischen Neuanfangs mit einem bestimmten Herrscher, womit eine qualitative Steigerung der Lebensbedingungen für die Bevölkerung verbunden war. Es bedeutete jedoch zugleich eine stete Rückbindung an die eigene Vergangenheit des römischen Volkes, an eine imaginäre ideale Urzeit, von deren Lebensqualität sich die republikanische Zeit freilich in einer Negativentwicklung entfernt hatte. Wenn gegenüber der begonnenen neuen Zeit die Vergangenheit auch qualitativ abfällt (z.B. durch die Leiden der Bürgerkriege), erfährt sie aber keine grundsätzliche Abwertung. Das umfassende Paradigma für das Verständnis der großartigen Errungenschaften der Gegenwart bleibt die große Geschichte Roms. Die literarischen Anleihen aus der aurea aetas-Konzeption in Lk 1–2 machen strukturell in erster Linie deutlich, dass mit der Geburt Jesu eine neue Zeit anbricht. Deren Beginn wird durch vielfältige narrative Signale besonders markiert (Prophezeiungen, Lieder, Geburtsmotiv, wunderbare Umstände etc.). Diese neue Zeit ist jedoch nur auf dem Boden einer heilvollen Vergangenheit, der Geschichte Israels, denkbar, indem sie die von alters her intendierte Heilszeit in einem neuen Idealzustand aufrichtet. Auch diesen Konnex markiert die Erzählung klar, z.B. durch die Aufnahme spezifisch jüdischer Orte, Zeiten und Identitätsmerkmale. Wie das Goldene Zeitalter die römische Geschichte nicht verlässt, sondern deren Höhepunkt darstellt, der auf eine uranfängliche Idealzeit zurückgreift, so bedeutet die Zeit Jesu nach Lk 1–2 einen Höhepunkt der langen Geschichte Gottes mit Israel. Die Bundeszusage an Abraham und die Väter wird in den Ereignissen um die Geburt Jesu aktualisiert (Lk 1,55.72f). Biblisch gedacht, handelt es sich um die eschatologische Zeit, die als Erfüllung alter prophetischer Verheißungen einen idealen Neueinsatz innerhalb der Geschichte Israels bewirkt. Gottes Endzeit in Israel besitzt eine besondere Qualität, und Lukas beschreibt sie in geprägter Metaphorik als göttliche, ewige Königsherrschaft für Israel, die bezeichnenderweise ihr Vorbild in der Herrschaft Davids findet (Lk 1,32f; 2,11). In dem Geschichtsüberblick, den in Apg 13,16–22 die Rede des Paulus im pisidischen Antiochien gibt und in dem sich in gut hellenistischer Historienmanier die lukanische Verfasserintention artikuliert, erscheint die Zeit Davids als Höhepunkt, auf den sofort (13,23) und in genealogischer Verbindung Jesus als IJȧijսȢ für Israel folgt. Lukas kann die Verbindung beider Zeiten mit dem Schema von Verheißung und Erfüllung klassifizieren (vgl. nur Lk 4,17–21), und die Gestalt des Johannes, des Priestersohnes und späteren Propheten der hereinbrechenden Endzeit, steht in Lk 1–2 für die Kontinuität beider »Zeiten«. So besteht ein
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zentrales theologisches Anliegen des Lukas eben darin, den Neuanfang untrennbar mit der voraufgehenden Zeit in Israel zu verbinden. Die neue Zeit bleibt »Zeit Israels«, freilich mit neuer Qualität – ähnlich wie das Goldene Zeitalter unter Augustus »Zeit Roms« bleibt, freilich mit idealer Qualität. Damit fällt von der Anfangserzählung des lukanischen Doppelwerks her bezeichnendes Licht auf die viel diskutierte Frage nach dem Verhältnis von Israel und Jesus-Gemeinde (»Kirche«).43 Es handelt sich im der Erzählung zugrunde liegenden Verständnis des Lukas trotz wachsender Divergenzen (die schon Simeon vorausdeutet: Lk 2,34) keinesfalls um einen Bruch, sondern um eine Neugestaltung, die von der besonderen Qualität der Zeit Jesu und der Gemeinden – als Endzeit – ausgeht. Diese endzeitliche Qualität umgreift nun auch die Integration der Heiden in das Heilsvolk. Und weil genau an dieser Stelle eben doch der Gedanke an einen Bruch mit Israels Identität angesichts faktischer Trennungserfahrungen zwischen lokalen Synagogen und Jesus-Gemeinden (vgl. Apg 13,46f; 18,5–7; 19,8f) nahe liegt, wendet Lukas hier innerhalb seiner Darstellung besondere Sorgfalt auf. Er zeigt, wie die beschneidungsfreie Heidenmission dem Willen Gottes entspricht. Die Erzählung lässt keinen Zweifel daran, dass die erste und damit programmatische Bekehrung eines Heiden, des gottesfürchtigen (!) römischen Hauptmanns Cornelius durch den Apostel Petrus, voll und ganz dem göttlichen Willen entspringt. Dafür stehen als narrative Requisiten eine Engelerscheinung, die wunderbare Zusammenführung zweier fremder Personen, eine prophetische Vision und nicht zuletzt die Gabe des Geistes zur Verfügung (Apg 10,1–48). Und damit die Konsequenzen dieses Geschehens nicht etwa übersehen werden können, werden die Essentials sogleich noch einmal in einer anderen Sprechsituation rekapituliert – Petrus berichtet (mittels einer Erzählung innerhalb der Erzählung) der Jerusalemer Gemeinde davon (11,1–18). Das Urteil der Gemeinde ist unmissverständlich: »So hat Gott auch den Heidenvölkern die Umkehr ins Leben gegeben« (11,18). Auf grundsätzliche Weise wird das Thema noch einmal angegangen: nach der ersten Missionsreise von Paulus und Barnabas, die die Heidenmission konsequent betrieben. Als Reaktion hatten einige in strenger jüdischer Tradition stehende Gemeindeglieder die Beschneidungsforderung für die zur Gemeinde gehörenden Heiden ins Gespräch gebracht (15,1.5). Der 43 Dazu zuletzt H.J. SELLNER, Heil Gottes 361–402. M. WOLTER, Juden (1998) geht vom christlich-jüdischen Trennungsprozess als einem zur Zeit des Lukas bereits zurückliegenden Faktum aus, betont aber die identitätsstiftende Kontinuität zum Judentum, die Lukas erzählimmanent demonstrieren möchte – durch die außerhalb des Konflikts stehenden römischen Behörden.
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weitreichenden Bedeutung der Frage entspricht die Versammlung der führenden Christen in Jerusalem – Paulus, Barnabas, die Apostel und die Ältesten werden als Personeninventar aufgeboten (15,1–29). Der Herrenbruder Jakobus entwickelt die Lösung des Problems aus der jüdischen Tradition: Den Einbezug der sich zu Jesus bekennenden Heiden ins endzeitliche Heil belegt er mit einem Zitat aus Am 9,11f als Willen Gottes (Apg 15,16f), und die konkrete Praxis des Zusammenlebens regelt er durch die sogenannten Jakobusklauseln (15,20.29) wieder auf der Basis der Tora-Tradition – die angeführten sozioreligiösen Minimalforderungen an Heiden wurzeln in Lev 17f, wo die Möglichkeit von Kontakten Israels zu den Heidenvölkern geregelt werden sollte (bei den Rabbinen als noachitische Gebote bezeichnet). Und selbst die Suche nach den Gründen, weshalb sich so große Teile Israels der Jesus-Botschaft verweigern, führt Lukas in Apg 28,26f wiederum zur Tradition Israels, indem er die Begründung im Verstockungswort des Propheten Jesaja (Jes 6,9f LXX) findet und damit die Verstockung als in Gottes Willen aufgehoben versteht.44 Der Kreis schließt sich zum Anfang der lukanischen Darstellung, für die Gottes Heilswille für Israel die notwendige und letztlich unverlierbare Grundlage bildet, ohne die die neue Heilszeit nicht einmal denkbar wäre. Wenn die Herrschaft eines bestimmten Kaisers als Goldenes Zeitalter beschrieben wird, liegt der Wunsch nach möglichst weitreichender Dauer dieses Heilszustands auf der Hand. In einigen zeitgenössischen Liedern gelangt dieser Wunsch in unterschiedlichen Prolongierungen zum Ausdruck.45 Dieser Perspektive entspricht auch Lukas bei der Ankündigung der Geburt Jesu, indem der Engel gegenüber Maria die »ewige« Dauer der Herrschaft Jesu über das Haus Jakob verheißt; sie wird ıԼȣ ijȡւȣ įԼȟįȣ währen und damit ohne Ende bestehen (ȡȜ ԤIJijįț ijջȝȡȣ; 1,33). Damit ist die Hoffnung auf eine dynastische Dauer der davidischen Herrschaft, wie sie 2 Sam 7,12–16 konzipiert, in der einen Person Jesu überstiegen.46 Diese Bindung der Herrschaft an Jesus endet nun aber nicht, wie eigentlich zu erwarten, mit dessen Tod; vielmehr wechselt Jesus nach erfolgter Erweckung aus dem Tod den »Ort«, von dem aus er seine Herrschaft ausübt. Mit 44 Das Ende ist als Indikativ Futur und damit als Umschwung gegenüber den voraufgehenden Verstockungsaussagen zu lesen: »Und ich werde sie (Israel) heilen« (28,27); die Heilszusage Gottes bleibt bestehen. Dazu M. KARRER, »Und ich werde sie heilen« (2000); ihm schließt sich M. VAHRENHORST, Gift (bes. 165) an. 45 Während Hor. carm. 1,2,45f noch recht realistisch die lange Dauer der Herrschaft des Augustus erhofft, greift Sen. apocol. 4,1,19–21 über ein normales menschliches Maß der Lebensdauer Neros hinaus, und Calp. ecl. 1,87f; 4,144f erbittet eine »ewige«, ohne Ende bestehende Regierung dieses Kaisers. 46 Auch M. WOLTER, Lukasevangelium 91f hält fest, dass die ewige Dauer der Herrschaft Jesu »weit über die traditionelle jüdische Messiaserwartung hinausgeht« (91).
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der von Lukas bekanntermaßen gleich zwei Mal erzählten Himmelfahrt Jesu (Lk 24,50–53; Apg 1,4–14) bleibt Jesus als universaler himmlischer Herrscher präsent. Als solchen offenbart ihn die Vision des Stephanus kurz vor dessen Tod (Apg 7,55f). Damit stellt Lukas sicher, dass der Neubeginn mit Jesus noch nicht beendet ist, sondern andauert; die Kontinuitätslinie setzt sich bis in seine Gegenwart hinein fort. Immer wieder schlägt die Erzählung Markierungspfosten in den Ablauf der Ereignisse ein, die diese Kontinuität zum Ausdruck bringen. Neben der doppelten Himmelfahrt, die das Problem der irdischen Abwesenheit Jesu bearbeitet, wird besonders die Stadt Jerusalem (mit dem Tempel) als geographisches Zentrum wichtig, das als lokaler Identitätsfaktor gleich zwei Übergänge topographisch situiert: den Neubeginn mit den Ereignissen um die Geburt Jesu als Teil der Geschichte Israels in Lk 1–2 und die Fortsetzung der Jesus-Bewegung nach dem Tod Jesu in der gesamten Erzählstrecke von Lk 19,28 bis Apg 8,1a.47 Der Übergang zur Heidenmission wird langsam vorbereitet durch die Verkündigung des Philippus (und der Apostel) in Samarien und gegenüber einem gottesfürchtigen Eunuchen aus Äthiopien (Apg 8,5–40), dann durch die visionäre Berufung und »Umkehr« des Saulus (9,1–19a), der zum Hauptexponenten der Heidenmission werden sollte; schließlich wird die Bekehrung des ersten Heiden, des gottesfürchtigen römischen Hauptmanns Cornelius, durch Petrus unter Herausstellung der göttlichen Weisung dazu ausführlich erzählt und gleich anschließend noch einmal im innergemeindlichen Kontext in Jerusalem repetiert (10,1–11,18). Für die personale Kontinuität zu den Anfängen in Jesus stehen die lukanischen Zwölf Apostel und an diese anschließend die Zeugen, v.a. Paulus, wie Apg 1,21f reflektiert. Als letztes Beispiel seien Wundererzählungen genannt, die einen weiten Kontinuitätsbogen schlagen – so konstruiert die Erzählung eine imaginäre Linie von Totenerweckungen: im Rückgriff auf die das Grundmodell darstellenden Erweckungen durch die Propheten Elia und Elischa (1 Kön 17,17–24 bzw. 2 Kön 4,18–37), auf die die Erweckungen Jesu anspielen (Lk 7,11–17; 8,40–56), die wiederum von denen des Petrus und des Paulus aufgegriffen werden (Apg 9,36–43 bzw. 20,7–12).48 47 Anders sieht neuerdings K.M. SCHMIDT, Abkehr von der Rückkehr (2007) die in Israels Prophetie als Gerichtsbild vorgeprägte Zerstreuung Israels bei Lukas in neuer Form als Weg des Heils dargestellt; die Sammlung Israels und der Völker in der positiv konnotierten Diaspora ersetze das Bild der endzeitlichen Sammlung auf dem Zion. Problematisch an diesem Entwurf ist vor allem die Ersetzung: Die Verbindung mit Jerusalem sichert erzählimmanent die Möglichkeit und die Grundlage für eine endzeitliche Öffnung Israels für die Völker, die mit der JesusBewegung geschieht. Jerusalem bleibt als Ort der Kontinuität zentral. 48 Zur Beziehung dieser Texte S. SCHREIBER, Paulus als Wundertäter 108–122, und zur mittels der Wunderüberlieferung präsentierten Kontinuität der Heilsgeschichte bei Lukas ebd. 153– 157.
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Und wenn die Apostelgeschichte mit der Szene in Rom schließt (Apg 28,16–31), endet sie in mehrfacher Hinsicht offen: Die Frage nach der Zuwendung der Juden zur Jesus-Bewegung bleibt ambivalent, das Schicksal des Paulus wird nicht geklärt, die weitere Ausbreitung des Evangeliums (bis zu den lukanischen Gemeinden) nicht bestimmt. Klar ist nur, dass der eingeschlagene Weg innerhalb des skizzierten Kontinuitätsraums weitergeht und zur Gegenwart der Gemeinden führt. So löst Lukas die im Proömium seiner Vita (Lk 1,1–4) versprochene Funktion des Buches für den intendierten Leser Theophilus ein, »Zuverlässigkeit« in der Überlieferung zu vermitteln. Dass Lukas für die Darstellung der neuen Heilszeit literarische Formen wählt, die geschichtliche Stoffe bearbeiten, und dabei im ersten Buch die Person Jesu (vita), im zweiten die Geschichte der Konstituierung der Jesus-Gemeinden aus Juden und (dann auch) Heiden (historia) in den Mittelpunkt stellt, bedeutet zum einen, dass das göttliche Heil die Geschichte mit all ihren politischen, sozialen und kulturellen Dimensionen wesentlich betrifft (ohne darin aufzugehen), zum anderen, dass die Gemeinden in ihrer Geschichte das Leben und Wirken Jesu fortsetzen, also Teil der eschatologischen Heilszeit sind. Innerhalb der Geschichte Israels hat mit den beiden Geburten von Johannes und Jesus eine neue Epoche, die eschatologische Heilszeit, begonnen, deren Setzung die Vita Jesu erzählt und deren Konsequenzen und geschichtliche Gestalt in der (aus Gemeindeperspektive wahrgenommenen) Spannung des christlichen »Weges« (Apg 9,2 u.ö.) zum übrigen Judentum einerseits, zur hellenistisch-römischen Gesellschaft andererseits die Historia der ersten Christen entfaltet. Genau in dieser Spannung erfahren sich die lukanischen Gemeinden, und darin müssen sie ihre Identität, ihren Weg finden. Vom »Aufgang aus den Höhen« her dürfen sie hoffen und erwarten, dass dieser Weg bei aller sozialen Unsicherheit letztlich ein »Weg des Friedens« sein wird (Lk 1,78f).
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Nachwort
La Sagrada Familia the war is won the battle’s over La Sagrada Familia for the lion and the lamb La Sagrada Familia we thank the lord the danger’s over La Sagrada Familia behold the mighty hand La Sagrada Familia the night is gone the waiting’s over La Sagrada Familia there’s peace throughout the land Until the next time The Alan Parsons Project1 Es bleibt die Möglichkeit, auf einen Frieden in Form von Leopardenfellflecken hinzuwirken, indem man überall da, wo es geht, friedliche Situationen im riesigen Umkreis der Kriege schafft, die auch weiterhin einer dem anderen folgen. [...] Die Arbeit am Verringern lokaler Konflikte kann das Vertrauen schaffen, daß eines Tages auch die großen globalen Konflikte sich lösen lassen. Das mag eine fromme Illusion sein, aber manchmal ist es nötig, mit dem Beispiel zu lügen. Schlecht lügt, wer mit Worten lügt, aber gut lügt, wer dadurch, daß er etwas tut, die Leute auf den Gedanken bringt, daß auch andere so etwas tun könnten [...]. Umberto Eco2
Meine Studie hat ein eher ungewöhnliches Bild des »Evangelisten« Lukas gezeichnet. Die Interpretation der lukanischen Geburtsgeschichte auf dem Hintergrund der römischen aurea aetas-Ideologie hat sich aus dem Blick auf das Rezeptionsmilieu, die Alltagswelt der Hörer/innen, und den Weg einer potentiellen Rezeption des Textes ergeben. Die kulturgeschichtliche Grundlage bildet eine kulturelle Synthese, die den Text sowohl in einen alttestamentlich-frühjüdischen3 als auch einen hellenistisch-römischen 1
»La Sagrada Familia«, aus dem Album Gaudi (1987); Musik & Text: Alan Parsons, Eric Woolfson; © Universal Music-Careers, Woolfsongs Ltd., Musik Edition Discoton GmbH (Universal Music Publishing Group). 2 U. ECO, Krebsgang 43f (© 2007 Carl Hanser Verlag, München). 3 Diesen Hintergrund macht eine kanonisch orientierte Auslegung zum methodologischen Paradigma; vgl. zuletzt T. HIEKE, Psalm (2007). Dass sich die Geburtsgeschichte nur auf diesem Hintergrund verstehen lässt, ist offenkundig. Um die zeitgenössischen Rezeptionsmöglichkeiten
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Nachwort
Kulturkreis eingebunden versteht, wobei Wertigkeit und Intensität dieser Verbindungen der Lebenssituation der Trägergruppe des Textes entsprechend unterschiedlichen Charakter tragen. Dass die Hörergemeinde zum Ort eines in Ansätzen bereits verwirklichten neuen Zeitalters des Friedens und der Gerechtigkeit werden kann und soll, bleibt als Anregung, die den geschichtlichen Kontext zu transzendieren vermag. Folgt man Lukas, wird für Christen die Verwirklichung von Friedensstrukturen zum Ernstfall, zur Bewährungsprobe. Lange Zeit verordneten Kirchen und Theologen den Christen eher politische Zurückhaltung. Von Lukas kann man lernen – unter Wahrung der die je unterschiedlichen Möglichkeiten offener Rede berücksichtigenden hermeneutischen Distanz –, dass Christen in aller Deutlichkeit vor der Öffentlichkeit Stellung beziehen dürfen und sollen – mit einer klaren Option für Frieden und soziale Gerechtigkeit und gegen jede Form des Krieges. An die Stelle politischer »Neutralität« treten Formen aktiver Gestaltung von Friedensräumen. Auch und gerade angesichts der politischen Realität handelt es sich um eine Handlungsperspektive: Christliche Gemeinschaften als Orte konkreter, am »Leopardenfellflecken«-Prinzip orientierter Umsetzung von Frieden und Gerechtigkeit, sowohl in den Strukturen als auch im alltäglichen Zusammenleben. Es wäre bereits der erste Schritt, dies als wesentliche Aufgabe von christlicher Kirche erst einmal wahrzunehmen; an der Umsetzung entscheidet sich die politische Glaubwürdigkeit der Kirchen. Die Wirkung solcher Gestaltung von Friedensräumen auf weitere gesellschaftliche Kreise und Ebenen wird man nicht unterschätzen dürfen.
ausloten zu können, ist jedoch die Ergänzung dieses Ansatzes durch die Perspektive auf die konkrete Situation der Hörergemeinde, auf deren Erfahrungen mit den aktuellen soziopolitischen Verhältnissen weiterführend.
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Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter aus der Zeit des frühen Prinzipats
Der Anhang bietet die für die Konzeption des Goldenen Zeitalters einschlägigen antiken Quellen aus der frühen Kaiserzeit in der Originalsprache mit deutscher Übersetzung. Die Reihenfolge ist weitgehend chronologisch orientiert. Nähere Informationen zu den Entstehungszusammenhängen der Texte und ihren inhaltlichen Charakteristika finden sich im Kapitel »2. Das Goldene Zeitalter«. Detaillierte bibliographische Angaben der Fundorte von Texten und Übersetzungen sind dem Abschnitt »Quellen, Textausgaben und Übersetzungen« der Bibliographie zu entnehmen; hier wird nur mit dem Namen des jeweiligen Herausgebers darauf verwiesen.
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Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter
Horaz, Carmen saeculare Text und Übersetzung: G. FINK 262–267. Phoebe silvarumque potens Diana, Lucidum caeli decus, o colendi Semper et culti, date quae precamur Tempore sacro, 5
Quo Sibyllini monuere versus Virgines lectas puerosque castos Dis, quibus septem placuere colles, Dicere carmen.
Alme Sol, curru nitido diem qui 10 Promis et celas aliusque et idem Nasceris, possis nihil urbe Roma Visere maius. Rite maturos aperire partus Lenis, Ilithyia, tuere matres, 15 Sive tu Lucina probas vocari Seu Genitalis: Diva, producas subolem patrumque Prosperes decreta super iugandis Feminis prolisque novae feraci 20 Lege marita, Certus undenos deciens per annos Orbis ut cantus referatque ludos Ter die claro totiensque grata Nocte frequentis. 25 Vosque, veraces cecinisse Parcae, Quod semel dictum est stabilisque rerum Terminus servet, bona iam peractis Iungite fata: Fertilis frugum pecorisque Tellus 30 Spicea donet Cererem corona; Nutriant fetus et aquae salubres Et Iovis aurae. Condito mitis placidusque telo Supplices audi pueros, Apollo; 35 Siderum regina bicornis, audi, Luna, puellas.
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Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter
Phoebus und Diana, Herrin der Wälder, Leuchtende Zier des Himmels, o ihr Verehrenswerten Und auch stets Verehrten, gewährt, worum wir beten in Heiliger Stunde, 5
Wenn nach dem Gebot sibyllinischer Verse Auserwählte Mädchen und keusche Knaben Den Göttern, denen die sieben Hügel gefielen, ein Preislied anstimmen.
Gütiger Sonnengott, der du mit deinem strahlenden Wagen 10 Den Tag heraufführst und verhüllst und, ein anderer und doch derselbe, Neu erstehst, im Vergleich mit Rom mögest du nichts Größeres sehen! Die du zur rechten Zeit reife Leibesfrucht ans Licht bringst, Milde, Eileithyia, beschütze die Mütter, 15 Oder Lucina, wenn du lieber so genannt sein willst, oder Auch Genitalis! Göttliche, lass unseren Nachwuchs gedeihen, segne der Väter Beschlüsse zur Vermählung Von Frauen und zum Ehegesetz, das neuen Kinder20 Segen uns schenke, Damit der festgesetzte Umlauf von elf Jahrzehnten Lieder wiederbringe und Spiele, Zu denen dreimal am Tag und ebenso oft in holder Nacht Zahlreich das Volk strömt. 25 Und ihr Parzen, die ihr wahrhaftig verkündet habt, Was ein für alle Male bestimmt ist und was unerschütterlich der Dinge Ziel bewahrt, fügt zum schon Erreichten Glückliche Lose! Reich an Früchten des Felds und an Herden schenke 30 Tellus der Ceres einen Ährenkranz; Das Wachstum fördere erquickender Regen und Juppiters Anhauch. Birg den Pfeil im Köcher und erhöre mild und freundlich Die flehenden Knaben, Apollo! 35 Sternenkönigin mit der Mondsichel, erhöre, Luna, die Mädchen!
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Roma si vestrum est opus Iliaeque Litus Etruscum tenuere turmae, Iussa pars mutare Lares et urbem 40 Sospite cursu, Cui per ardentem sine fraude Troiam Castus Aeneas patriae superstes Liberum munivit iter, daturus Plura relictis: 45 Di, probos mores docili iuventae, Di, senectuti placidae quietem, Romulae genti date remque prolemque Et decus omne. Quaeque vos bobus veneratur albis 50 Clarus Anchisae Venerisque sanguis Impetret, bellante prior, iacentem Lenis in hostem: Iam mari terraque manus potentis Medus Albanasque timet securis, 55 Iam Scythae responsa petunt, superbi Nuper, et Indi; Iam Fides et Pax et Honos Pudorque Priscus et neglecta redire Virtus Audet adparetque beata pleno 60 Copia cornu. Augur et fulgente decorus arcu Phoebus acceptusque novem Camenis, Qui salutari levat arte fessos Corporis artus, 65 Si Palatinas videt aequos aras Remque Romanam Latiumque felix Alterum in lustrum meliusque semper Prorogat aevum; Quaeque Aventinum tenet Algidumque, 70 Quindecim Diana preces virorum Curat et votis puerorum amicas Adplicat auris. Haec Iovem sentire deosque cunctos Spem bonam certamque domum reporto 75 Doctus et Phoebi chorus et Dianae Dicere laudes.
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Wenn Rom euer Werk ist und wenn trojanische Scharen die Etruskerküste besetzten, Der Teil, dem geboten war, Haus und Stadt zu wechseln auf 40 Rettender Meerfahrt, Dem durchs brennende Troja ungefährdet Der fromme Äneas, der seine Heimat überlebte, Freie Bahn schuf, um ihm mehr zu geben, Als er zurückließ: 45 Götter, gebt der gelehrigen Jugend gute Sitten, Götter, gebt dem ruhigen Alter Frieden, Gebt dem Romulusvolk Besitz und Nachwuchs Und alles Schöne, Und weshalb euch mit weißen Stieren ehrt der 50 Ruhmreiche Spross des Anchises und der Venus, das Erlange er, dem kämpfenden Feind überlegen, doch milde gegen ihn, Liegt er am Boden. Schon fürchtet seinen zu Wasser und zu Land mächtigen Arm Der Meder und die Beile von Alba, 55 Schon holen die Skythen seine Bescheide ein, eben noch Trotzig, und Inder. Schon wagen es Treue und Friede und Ehre und Scham, Die uralte, und die missachtete Tugend zurückzukehren, Und es erscheint mit ihrem reichen Horn die 60 Herrliche Fülle. Der Seher, geschmückt mit dem funkelnden Bogen Phoebus, geliebt von den neun Camenen, Der mit segensreicher Kunst die matten Glieder des Leibs heilt – 65 Wenn der die Altäre auf dem Palatin huldvoll anblickt, Lässt er die römische Sache und das glückliche Latium Für ein weiteres Jahrfünft fortbestehen und für immer Bessere Zeiten. Sie aber, die den Aventin und den Algidus beherrscht, 70 Diana, achtet auf die Gebete der Fünfzehn Männer Und leiht gnädig ihr Ohr dem Flehen der Knaben. Dass Juppiter und die anderen Götter darauf merken, Dafür nehmen wir schöne und sichere Hoffnung mit nach Hause, 75 Wir, der Chor, der gelernt hat, des Phoebus und der Diana Loblied zu singen.
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Horaz, Epode 16 Text und Übersetzung: G. FINK 304–311.
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Altera iam teritur bellis civilibus aetas, Suis et ipsa Roma viribus ruit. Quam neque finitimi valuerunt perdere Marsi Minacis aut Etrusca Porsenae manus, Aemula nec virtus Capuae nec Spartacus acer Novisque rebus infidelis Allobrox, Nec fera caerulea domuit Germania pube Parentibusque abominatus Hannibal, Inpia perdemus devoti sanguinis aetas, Ferisque rursus occupabitur solum: Barbarus heu cineres insistet victor et urbem Eques sonante verberabit ungula; Quaeque carent ventis et solibus ossa Quirini, – Nefas videre – dissipabit insolens. Forte quid expediat communiter aut melior pars Malis carere quaeritis laboribus. Nulla sit hac potior sententia: Phocaeorum Velut profugit exsecrata civitas Agros atque lares patrios, habitandaque fana Apris reliquit et rapacibus lupis, Ire pedes quocumque ferent, quocumque per undas Notus vocabit aut protervus Africus. Sic placet, an melius quis habet suadere? Secunda Ratem occupare quid moramur alite? Sed iuremus in haec: simul imis saxa renarint Vadis levata, ne redire sit nefas; Neu conversa domum pigeat dare lintea, quando Padus Matina laverit cacumina, In mare seu celsus procurrerit Appenninus Novaque monstra iunxerit libidine Mirus amor, iuvet ut tigris subsidere cervis, Adulteretur et columba miluo, Credula nec ravos timeant armenta leones Ametque salsa levis hircus aequora. Haec et quae poterunt reditus abscindere dulcis Eamus omnis exsecrata civitas Aut pars indocili melior grege; mollis et exspes Inominata perpremat cubilia: Vos, quibus est virtus, muliebrem tollite luctum, Etrusca praeter et volate litora.
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Schon reibt sich in Bürgerkriegen eine zweite Generation auf, Und durch eigene Kraft geht Rom selbst zugrunde, Das weder die benachbarten Marser zu zerstören vermochten Noch des bedrohlichen Porsenna Etruskerschar, Auch nicht die eifersüchtige Macht Capuas und der wilde Spartacus Sowie durch einen Umsturz der treulose Allobroger. Nicht einmal das wilde Germanien mit seinen helläugigen Mannen bezwang es Und, verflucht von unseren Ahnen, Hannibal. Wir, ein ruchloses Geschlecht aus fluchbeladenem Blut, werden es vernichten, Und wilde Tiere werden die Stätte wieder in Besitz nehmen. Ein Barbar, o weh, wird als Sieger den Fuß auf die Brandstätte setzen und die Stadt Hoch zu Ross mit klapperndem Huf zerstampfen, Und sie, die Wind und Sonnenschein nicht kennen, des Romulus Gebeine Wird er – welch entsetzlicher Anblick – in seinem Übermut verstreuen! Vielleicht fragt ihr allesamt oder doch der bessere Teil, was dazu hilft, Der schlimmen Leiden ledig zu sein: Kein Vorschlag ist wohl besser als dieser: So wie der Phokäer Bürgerschaft einst floh, nachdem sie feierlich Ihre Felder und die Häuser ihrer Väter verflucht hatte, und ihre Tempel als Wohnung Ebern und reißenden Wölfen überließ, Davonzuziehen, wohin auch immer die Füße tragen und wohin uns über die Wogen Der Südwind ruft oder der ungestüme Africus. Ist’s recht so, oder hat jemand Besseres zu raten? Unter günstigem Zeichen das Schiff zu besteigen – was zögern wir? Doch folgendes wollen wir schwören: Sobald Felsen sich vom Meeresgrund Lösen und wieder auftauchen, sei es kein Frevel mehr zurückzukommen. Auch soll es uns nicht verdrießen, zur Heimat gewandt die Segel zu setzen, wenn Der Po die Gipfel des Matinus bespült Oder sich der hochragende Appennin ins Meer vorschiebt Und in beispielloser Lust widernatürliche Verbindungen stiftet Ein seltsamer Trieb, dass es Tigerinnen gefällt, von Hirschen besprungen zu werden, Und dass die Taube mit dem Habicht buhlt Und arglose Rinder nicht mehr die falben Löwen fürchten Und glatt der Bock die salzige Meerflut liebt. Das und was sonst die süße Heimkehr abschneiden kann, Wollen wir beschwören und fortziehen, die ganze Bürgerschaft Oder der Teil, der besser ist als der unbelehrbare Haufe. Schlaff und hoffnungslos Mag der auf fluchbeladenem Lager liegen bleiben. Ihr, die ihr Mut und Kraft habt, lasst das weibische Klagen Und segelt schnell an der Etruskerküste vorbei!
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Nos manet Oceanus circumvagus: arva beata Petamus, arva divites et insulas, Reddit ubi cererem tellus inarata quotannis Et inputata floret usque vinea, Germinat et numquam fallentis termes olivae, Suamque pulla ficus ornat arborem, Mella cava manant ex ilice, montibus altis Levis crepante lympha desilit pede. Illic iniussae veniunt ad mulctra capellae Refertque tenta grex amicus ubera Nec vespertinus circumgemit ursus ovile, Nec intumescit alta viperis humus. Pluraque felices mirabimur, ut neque largis Aquosus Eurus arva radat imbribus, Pinguia nec siccis urantur semina glaebis, Utrumque rege temperante caelitum. Nulla nocent pecori contagia, nullius astri Gregem aestuosa torret inpotentia. Non huc Argoo contendit remige pinus Neque inpudica Colchis intulit pedem, Non huc Sidonii torserunt cornua nautae Laboriosa nec cohors Ulixei. Iuppiter illa piae secrevit litora genti, Ut inquinavit aere tempus aureum: Aere, dehinc ferro duravit saecula, quorum Piis secunda vate me datur fuga.
Horaz, Carmina 4,5 und 4,15 Text und Übersetzung: G. FINK 230–233.258–261.
Carmen 4,5 Divis orte bonis, optime Romulae Custos gentis, abes iam nimium diu; Maturum reditum pollicitus patrum Sancto concilio, redi. 5
Lucem redde tuae, dux bone, patriae: Instar veris enim voltus ubi tuus Adfulsit populo, gratior it dies Et soles melius nitent.
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Uns erwartet der erdumströmende Ozean; zu glücklichen Fluren Lasst uns eilen, zu reichen Fluren und Inseln, Wo jedes Jahr die Erde ungepflügt der Ceres Gabe spendet Und unbeschnitten immerfort der Weinstock blüht, Des nie enttäuschenden Ölbaums abgebrochener Zweig ausschlägt Und violett die Feige ihren Baum schmückt, Honig aus der hohlen Eiche fließt, von hohen Bergen Mit plätscherndem Fuß das hurtige Bächlein herabspringt. Dort kommen ungerufen die Ziegen zu den Melkeimern, Und pralle Euter bringt die liebe Herde heim. Weder umschleicht ein Bär am Abend brummend den Schafstall, Noch schwillt der Boden hoch von Vipern an. Und über noch mehr werden wir Glücklichen staunen, wie weder mit viel Regen der feuchte Ostwind die Saaten plättet Noch der keimende Samen im trockenen Boden verdorrt, Weil der König der Himmlischen beides verwehrt. Keine Seuchen schaden dem Vieh, keines Gestirns Rasende Glut lässt die Herde verschmachten. Hierher fuhr nicht das Schiff mit Argonauten am Ruder, Und die schamlose Kolcherin setzte ihren Fuß nicht auf diesen Boden. Hierher wandten keine sidonischen Seeleute die Rahen, Auch nicht die leidgeprüfte Schar des Odysseus. Juppiter hat jene Gestade für ein frommes Volk entrückt, Als er die Goldene Zeit mit Erz verdarb. Mit Erz, danach mit Eisen verhärtete er die Zeiten; aus ihnen Wird den Frommen von mir als Seher glückliche Flucht gewährt.
Spross guter Götter, bester Beschützer des RomulusVolks, du bist schon allzu lange fort! Baldige Rückkehr versprachst du der Väter Ehrwürdiger Versammlung: Komm wieder! 5
Gib dem Vaterland, gütiger Fürst, das Licht zurück, Denn wenn frühlingsgleich dein Antlitz Dem Volk erstrahlt, geht der Tag beglückter dahin Und die Sonnen leuchten uns schöner.
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Ut mater iuvenem, quem Notus invido 10 Flatu Carpathii trans maris aequora Cunctantem spatio longius annuo Dulci distinet a domo, Votis ominibusque et precibus vocat Curvo nec faciem litore dimovet: 15 Sic desideriis icta fidelibus Quaerit patria Caesarem. Tutus bos etenim rura perambulat, Nutrit rura Ceres almaque Faustitas, Pacatum volitant per mare navitae, 20 Culpari metuit fides. Nullis polluitur casta domus stupris, Mos et lex maculosum edomuit nefas, Laudantur simili prole puerperae, Culpam poena premit comes. 25 Quis Parthum paveat, quis gelidum Scythen, Quis Germania quos horrida parturit Fetus, incolumi Caesare quis ferae Bellum curet Hiberiae? Condit quisque diem collibus in suis 30 Et vitem viduas ducit ad arbores; Hinc ad vina redit laetus et alteris Te mensis adhibet deum; Te multa prece, te prosequitur mero Defuso pateris et Laribus tuum 35 Miscet numen, uti Graecia Castoris Et magni memor Herculis. »Longas o utinam, dux bone, ferias Praestes Hesperiae!« dicimus integro Sicci mane die, dicimus uvidi, 40 Cum sol Oceano subest.
Carmen 4,15 Phoebus volentem proelia me loqui Victas et urbis increpuit lyra, Ne parva Tyrrhenum per aequor Vela darem: tua, Caesar, aetas
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Wie eine Mutter ihren jungen Sohn, den der Südwind mit neidischem 10 Wehen jenseits der Weiten des Meers von Karpathos In Hangen und Bangen länger als Jahresfrist Vom trauten Heim fernhält, Mit Gelübden, durch Vorzeichen und Gebete heim ruft Und vom Küstenbogen ihr Antlitz nicht abwendet, 15 So will, von aufrichtigem Sehnen durchdrungen, Das Vaterland seinen Caesar wiederhaben. Denn sicher geht der Stier über das Feld dahin, Ceres segnet die Flur und die beglückende Fruchtbarkeit. Übers befriedete Meer fliegen Seeleute dahin, 20 Und Treue scheut Beschuldigung. Von keinem Ehebruch wird das keusche Haus befleckt; Sitte und Gesetz haben schmachvollen Frevel bezwungen. Lob ernten Mütter, wenn ihr Nachwuchs dem Vater gleicht, Der Schuld folgt Strafe auf dem Fuße. 25 Wer sollte vor dem Parther erbeben, wer vor dem kalten Skythen, Wer vor der Brut, die das schaurige Germanien hervorbringt, Wer wird, da Caesar wohlauf ist, sich um des wilden Hispanien Krieg sorgen? Jeder bringt den Tag auf seinen Hügeln hin 30 Und führt den Rebstock verwitweten Bäumen zu. Von dort kehrt er froh zum Wein zurück und lädt Beim Nachtisch dich als Gott zu Gast. Dich ehrt er in vielen Gebeten, dich mit Wein, Aus Opferschalen gespendet, und stellt zu den Laren dein 35 Götterbild, wie Griechenland des Castor Und des großen Herkules gedenkt. »Lange Friedenstage, o gütiger Fürst, mögest du Dem Abendland schenken!« So beten wir früh, Wenn wir noch nüchtern sind und der Tag noch jung ist, so beten wir befeuchtet, 40 Wenn die Sonne im Weltmeer versinkt.
Phoebus hat mich, als ich Kämpfe besingen wollte Und eroberte Städte, mit Lautenklang, angeherrscht, Ich solle nicht zur Fahrt übers Tyrrhenermeer kleine Segel setzen. Deine Zeit, mein Kaiser,
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Fruges et agris rettulit uberes Et signa nostro restituit Iovi Derepta Parthorum superbis Postibus et vacuum duellis
Ianum Quirini clausit et ordinem 10 Rectum evaganti frena licentiae Iniecit emovitque culpas Et veteres revocavit artis, Per quas Latinum nomen et Italae Crevere vires famaque et imperi 15 Porrecta maiestas ad ortus Solis ab Hesperio cubili. Custode rerum Caesare non furor Civilis aut vis exiget otium, Non ira, quae procudit ensis 20 Et miseras inimicat urbis. Non qui profundum Danuvium bibunt Edicta rumpent Iulia, non Getae, Non Seres infidique Persae, Non Tanain prope flumen orti. 25 Nosque et profestis lucibus et sacris Inter iocosi munera Liberi Cum prole matronisque nostris, Rite deos prius adprecati, Virtute functos more patrum duces 30 Lydis remixto carmine tibiis Troiamque et Anchisen et almae Progeniem Veneris canemus.
Vergil, Ekloge 4 Text: M. VON ALBRECHT 36–41; Übersetzung: H. LIETZMANN, Kleine Schriften I, 27f1 Sicelides Musae, paulo maiora canamus. non omnis arbusta iuvant humilesque myricae; si canimus silvas, silvae sint consule dignae. 1 M. VON ALBRECHT bietet eine Prosa-Übersetzung. Wenn ich dennoch die ältere poetische Übersetzung von H. LIETZMANN abdrucke, bedeutet dies keine Entscheidung in der Debatte um die Präferenz eines der beiden Übersetzungstypen; vielmehr ist es im Zusammenhang meiner Untersuchung wichtig, den poetischen oder liedhaften Charakter des Textes wahrzunehmen.
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Gab wieder den Feldern reiche Frucht Und brachte die Feldzeichen unserem Juppiter zurück, Die man herabriss von der Parther stolzen Pforten. Des Krieges ledig,
Schloss sie den Janustempel des Quirinus und legte 10 Dem Übermut, der rechte Ordnung übertrat, Die Zügel an, tilgte die Schuld Und rief die alten Tugenden zurück, Durch die das Römervolk und Italiens Streitmacht groß wurden und des Reiches 15 Herrlichkeit ausstrahlte bis zum Aufgang Der Sonne von ihrer Ruhestatt im Westen aus. Solange der Kaiser die Welt behütet, wird weder Aufruhr Der Bürger noch Gewalttat den Frieden stören, Keine Wut, die Schwerter schmiedet 20 Und beklagenswerte Städte verfeindet. Nicht die, die aus der tiefen Donau trinken, Werden julische Gesetze brechen, nicht die Geten, Nicht die Serer und die tückischen Parther, Nicht die nah am Don Geborenen. 25 Wir aber werden an Arbeits- und Festtagen Bei den Gaben des heiteren Bacchus Mit unseren Kindern und Ehefrauen Zuerst gebührend zu den Göttern beten Und dann nach Väterbrauch die Feldherrn, die Tapferkeit bewiesen, 30 Im Lied, begleitet von lydischer Flöte, Und Troja und Anchises und der holden Venus Nachkommenschaft besingen.
Auf, ihr Sizilischen Musen, nun lasst uns Höheres singen! Nicht einem jeden genügt ja Gebüsch und niederes Knieholz – Sing ich von Wäldern, so seien die Wälder würdig des Konsuls.
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Ultima Cumaei venit iam carminis aetas; magnus ab integro saeclorum nascitur ordo. iam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna, iam nova progenies caelo demittitur alto. tu modo nascenti puero, quo ferrea primum desinet ac toto surget gens aurea mundo, casta fave Lucina: tuus iam regnat Apollo. teque adeo decus hoc aevi, te consule inibit, Pollio, et incipient magni procedere menses; te duce, si qua manent sceleris vestigia nostri, inrita perpetua solvent formidine terras. ille deum vitam accipiet divisque videbit permixtos heroas et ipse videbitur illis pacatumque reget patriis virtutibus orbem. At tibi prima, puer, nullo munuscula cultu errantis hederas passim cum baccare tellus mixtaque ridenti colocasia fundet acantho. ipsae lacte domum referent distenta capellae ubera, nec magnos metuent armenta leones; ipsa tibi blandos fundent cunabula flores. occidet et serpens, et fallax herba veneni occidet; Assyrium volgo nascetur amomum. at simul heroum laudes et facta parentis iam legere et quae sit poteris cognoscere virtus, molli paulatim flavescet campus arista, incultisque rubens pendebit sentibus uva, et durae quercus sudabunt roscida mella. pauca tamen suberunt priscae vestigia fraudis, quae temptare Thetin ratibus, quae cingere muris oppida, quae iubeant telluri infindere sulcos. alter erit tum Tiphys, et altera quae vehat Argo delectos heroas; erunt etiam altera bella atque iterum ad Troiam magnus mittetur Achilles. hinc ubi iam firmata virum te fecerit aetas, cedet et ipse mari vector, nec nautica pinus mutabit merces; omnis feret omnia tellus. non rastros patietur humus, non vinea falcem; robustus quoque iam tauris iuga solvet arator. nec varios discet mentiri lana colores, ipse sed in pratis aries iam suave rubenti murice, iam croceo mutabit vellera luto; sponte sua sandyx pascentis vestiet agnos. »Talia saecla« suis dixerunt »currite« fusis concordes stabili fatorum numine Parcae.
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Jetzt ist die letzte Zeit nach dem Lied der Sibylle gekommen, Und es beginnet von neuem der Zeiten geordnete Folge, Jetzt kehrt wieder die Jungfrau, es kommt das Reich des Saturnus, Jetzt steigt nieder ein neues Geschlecht aus himmlischen Höhen. Du nur blick’ auf des Knaben Geburt mit gnädigem Auge, Welcher ein Ende der eisernen bringt und den Anfang der goldnen Zeit für die Welt, Lucina: jetzt herrscht dein Bruder Apollo. Du, o Pollio, du wirst selbst noch als Konsul erschauen Diese glanzvolle Zeit und der großen Jahre Beginnen Du wirst jegliche Spur, die von unserm Frevel zurückblieb, Tilgen, und so vom beständigen Grauen die Länder erlösen. Er wird leben als Gott und die Helden der Vorzeit erblicken Wandelnd unter den Göttern; ihn werden sie staunend betrachten. Frieden bringt er der Welt, mit des Vaters Kraft sie regierend. Doch dir streut, o Knabe, zuerst freiwillig die Erde Huldigend Gaben, des Epheus Gerank und die duftenden Wurzeln, Mischt in die lachende Pracht des Akanthus indische Rosen. Selber kommen nach Hause mit schwerem Euter die Ziegen, Nicht mehr fürchten den Löwen der Rinder weidende Herden. Selbst der Wiege entsprießt ein Kranz von schmeichelnden Blumen. Schwinden wird auch die Schlange, der Gifte tückische Kräuter Schwinden; es spenden in Fülle die Wiesen Assyriens Balsam. Lesen wirst du zu jener Zeit vom Ruhme der Helden Und von den Taten des Vaters und seine Stärke begreifen. Bald bedecket das Feld mit weichem Golde die Ähre, Rings im wilden Gestrüpp erglüht die dunkelnde Traube, Honig tauen die Blätter der alten, knorrigen Eiche. Doch noch finden sich wenige Spuren des Frevels der Urzeit, Da man aufs Meer noch sich wagt mit dem Kiel, mit Mauern die Städte Gürtet, und immer noch zieht in die Erde Furchen die Pflugschar. Dann wird ein zweiter Tiphys erstehen, aufs Neue die Argo Fahren die Blüte der Helden, aufs neue tönen der Kriegsruf, Und ein zweiter Achill wird Trojas Mauern berennen. Doch hat der Lauf der reifenden Jahre zum Mann dich gefestigt, Weicht auch der Schiffer vom Meer, nicht tragen tannene Planken Waren zum Tausch, dann spendet allüberall alles die Erde. Nicht mehr verwundet den Boden der Karst, den Weinstock die Hippe, Und es nimmt von den Stieren das Joch der kräftige Landmann. Nicht mehr lernet die Wolle, die Farben künstlich zu täuschen, Nein, auf der Wiese verwandelt dem Widder in lieblichen Purpur Bald sich das Vlies, bald schmückt ihn des Safrans prächtige Farbe, Rötliche Wolle bekleidet von selbst die weidenden Lämmer. »Solche Zeiten spinnet, ihr Spindeln« singen die Parzen Eines Sinnes ihr Lied, fest steht der Wille des Schicksals.
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adgredere o magnos – aderit iam tempus – honores, cara deum suboles, magnum Iovis incrementum. 50 aspice convexo nutantem pondere mundum, terrasque tractusque maris caelumque profundum; aspice, venturo laetentur ut omnia saeclo. o mihi tum longae maneat pars ultima vitae, spiritus et quantum sat erit tua dicere facta. 55 non me carminibus vincat nec Thracius Orpheus nec Linus, huic mater quamvis atque huic pater adsit, Orphei Calliopea, Lino formosus Apollo. Pan etiam Arcadia mecum si iudice certet, Pan etiam Arcadia dicat se iudice victum. 60 Incipe, parve puer, risu cognoscere matrem – matri longa decem tulerunt fastidia menses – incipe, parve puer: qui non risere parenti, nec deus hunc mensa, dea nec dignata cubili est.
Vergil, Aeneis 6,788–807 Text und Übersetzung: G. FINK 290–293. 788 Huc geminas nunc flecte acies, hanc adspice gentem Romanosque tuos; hic Caesar et omnis Iuli 790 progenies, magnum caeli ventura sub axem. hic vir hic est, tibi quem promitti saepius audis, Augustus Caesar, Divi genus, aurea condet saecula qui rursus Latio regnata per arva Saturno quondam, super et Garamantas et Indos 795 proferet imperium – iacet extra sidera tellus, extra anni solisque vias, ubi caelifer Atlas axem umero torquet stellis ardentibus aptum –: huius in adventum iam nunc et Caspia regna responsis horrent divom et Maeotia tellus 800 et septemgemini trepida ostia Nili. Nec vero Alcides tantum telluris obivit, fixerit aeripedem cervam licet aut Erymanthi pacarit nemora et Lernam tremefecerit arcu; nec qui pampineis victor iuga flectit habenis 805 Liber agens celso Nysae de vertice tigris. et dubitamus adhuc virtutem extendere factis aut metus Ausonia prohibet consistere terra?
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Auf nun, Juppiters Spross, du liebes göttliches Kindlein, Schon kommt näher die Zeit, nimm an die erhabene Würde! 50 Sieh die gewaltige Last der Welt sich krümmen und beben, Länder und Meeresweiten zugleich und die Tiefen des Himmels, Sieh, wie alles sich freut der goldenen Zeit, die bevorsteht. O, mir sei es beschieden, nach langem Leben im Alter Einst mit Frische und Kraft von deinen Taten zu singen: 55 Weichen werd’ ich im Liede dann nicht vor Linus und Orpheus, Mag auch die Mutter den einen, den andern der Vater beraten, Orpheus Calliopea, der schöne Apollo den Linus. Pan vor Arkadiens Thron mag mit mir streiten im Wettkampf, Pan vor Arkadiens Thron wird besiegt sich erklären im Wettkampf. 60 Knäblein, auf, nun erkenne die Mutter und grüß sie mit Lächeln, Schufen ihr doch der Monate zehn langwierige Mühsal, Knäblein, auf und beginne: wem nicht die Eltern gelächelt, Dem bot nimmer ein Gott seinen Tisch, eine Göttin ihr Lager.
(788) Hierher nun wende die Blicke, hier, dieses Volk sieh an – und deine Römer! Hier sind Caesar und all die (790) Nachkommen des Iulus, die dereinst auffahren werden zum hohen Himmelsgewölbe. Dieser Mann, der ist es, der dir – du hörst es immer wieder – verheißen wird, Caesar Augustus, des Göttlichen Sohn. Goldene Zeiten wird er für Latium bringen, allüberall in den Landen, die einst Saturnus beherrschte. Er wird weit über Garamanten und Inder hinaus (795) seine Herrschaft ausdehnen. Ihre Länder liegen fernab von unseren Sternen, fernab von der Sonne Jahreslauf. Dort lässt der Himmelsträger Atlas das sternübersäte Gewölbe auf seinen Schultern kreisen. Vor des Augustus Kommen erbeben, denn Götter taten es kund, schon jetzt die kaspischen Reiche und das Skythenland, (800) und des Nils sieben Mündungsarme zittern und zagen.
Wahrlich, nicht einmal Herkules hat so viel Land durchmessen, wenn auch sein Pfeil die Hirschkuh mit den ehernen Hufen traf, wenn er auch in den Wäldern am Erymanthus für Ruhe sorgte und die Hydra mit seinem Bogen schreckte, und auch er nicht, der mit weinlaubumwundenen Zügeln als Sieger sein Gespann lenkt, (805) Bacchus, wenn er vom hohen Gipfel des Nysa die Tiger herabtreibt. Und da zögern wir noch, den Ruhm unserer Tapferkeit durch Taten zu verbreiten? Oder hindert uns etwa die Furcht, auf Italiens Erde den Fuß zu setzen?
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Inschrift von Halikarnassos Text: CAGI IV/1, Nr. 894; Übersetzung: H.-J. KLAUCK, Umwelt II 50 (vgl. UUC II 107). Weitgehend erhalten sind nur Z. 2–13 (wie unten wiedergegeben), Z. 14–39 sind fast völlig zerstört, von Z. 40–48 sind Satzbruchstücke, von Z. 49–55 nur Buchstabenreste lesbar.
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Kalenderdossier aus Kleinasien/Inschrift von Priene Text: Maßgeblich ist U. LAFFI 20–23. Die Neufunde von Metropolis, dokumentiert bei B. DREYER/H. ENGELMANN, Augustus 175–182, erlauben Ergänzungen, besonders im zweiten Teil. Da noch keine neue kritische Gesamtausgabe vorliegt, mache ich die über die Ausgabe von Laffi hinausgehenden Textteile durch Unterstreichung kenntlich; die Zeilenzählung richtet sich nach Laffi.2 Übersetzung: B. DREYER/H. ENGELMANN, Augustus 177f.181 (bis Z. 44); ergänzt nach UUC II 106f (mit eigenen Anpassungen). Für unseren Zusammenhang einschlägig sind Z. 1–52 (Edikt des Prokonsuls und erstes Dekret des Koinons der Provinz Asia). >ȇįףȝȝȡȣĮչȖțȡȣȃչȠțȞȡȣ@ԐȟȚփʍįijȡȣȝջȗıțǝ ʍįȢոijȟʍȢցij>ıȢ@ȡȟʍįȢıțȝ>սĴįȞıȟ@ Ȝįվijր>@ijȟȚıȟ>ı@ȞıȟպȣȜį>վԐʍ@ȡȢıהIJ>Țįț@ >ʍցijıȢ@ȡȟԭİıտȧȟԮըĴıȝțȞȧijջȢ>į@ԚIJijվȟԭijȡףȚıțȡijչijȡȤȁįտIJįȢȡȣȗıȟջ ȚȝțȡȣԭȞջȢįԯij׆țijȟʍչȟijȧȟԐȢȥ׆țՀIJșȟİțȜįտȧȣԒȟıՂȟįțՙʍ>ȡȝ@չȖȡțȞıȟ
2
Ältere Textausgabe: OGIS 458; vgl. R.K. SHERK, Roman Documents Nr. 65; T. WITULSKI, Adressaten 229–235 (mit deutscher Übersetzung). Übersetzung auch bei H.-J. KLAUCK, Umwelt II 50f (Z. 4–22.32–41).
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Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter
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[...] da die ewige und unsterbliche Natur des Alls das größte Gut aus überschäumender Freundlichkeit den Menschen schenkte, indem sie Caesar Augustus hervorbrachte, den Vater für ein glückseliges Leben bei uns und Vater seiner einheimischen Göttin Roma, den einheimischen Zeus und Retter des Menschengeschlechtes, dessen Wünsche in allem die Vorsehung nicht nur erfüllte, sondern übertraf; denn Land und Meer leben in Frieden, Städte glänzen in gesetzlicher Ordnung, in Eintracht und Überfluss; es ist ein förderlicher Höhepunkt für jedes Gut, für gute Hoffnungen auf die Zukunft, für guten Mut für die Gegenwart der Menschen, die mit Festen, Standbildern, Opfern und Liedern [...]
(1) Der Proconsul [Paullus Fabius Maximus] befiehlt: (2) Von den Vorfahren übernommen [...] (3) [...] die Gunst der Götter [...] (4) (so dass man zweifeln kann,) ob der Geburtstag des göttlichen Caesar uns mehr zur Freude oder zum Nutzen gereicht, (5) (der Tag,) von welchem wir mit Recht annehmen können, dass er dem Beginn aller
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Anhang: Quellentexte zum Goldenen Zeitalter
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So die Inschrift von Apameia; Priene: ԘȘį>ȟıտ@ijȡȤ; Metropolis:ԦȘțįȟıտijȡȤ Inschrift von Metropolis: ȇįʍտȡȤǼțȡIJțȢıտijȡȤ Der Begriff fehlt in der Inschrift von Metropolis. Hier endet die Inschrift von Metropolis.
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'LQJH gleichkommt, und wenn auch nicht nach dem Laufe der Natur, so doch hinsichtlich des Nutzens, wo es doch keine in Verfall geratene oder in unglücklichem Zustand befindliche Form gibt, welche er nicht wieder aufgerichtet hat, und er der ganzen Welt ein anderes Antlitz gegeben hat, (der Welt,) die am liebsten ihren Untergang gewünscht hätte, wenn nicht Caesar, das gemeinsame Glück aller, geboren wäre; darum könnte einer zu Recht annehmen, das sei für ihn (10) zum Beginn seines Lebens und seines Daseins geworden, was das Bedauern darüber, dass er geboren wurde, endgültig beendet hat; und da niemand einen anderen Tag als glücklicheren Startpunkt für das allgemeine wie das persönliche Wohl nehmen könnte als denjenigen, der für alle glückbringend ist; und da es sich so ziemlich trifft, dass der Eintritt in das Amt in den Städten der Provinz Asia zum selben Zeitpunkt stattfindet, (15) wobei diese Ordnung offensichtlich kraft göttlichen Willens schon vordem so festgelegt war, dass sie als Ausgangspunkt für eine Ehrung des Augustus diene; und da es schwierig ist, seinen überragenden Wohltaten angemessenen Dank abzustatten, wenn wir nicht auch in jedem einzelnen Fall einen Weg finden, sie zu vergelten, und da die Menschen den allen gemeinsamen Geburtstag mit größerer Freude begehen werden, wenn mit diesem Neubeginn auch für sie ein besonderer Grund zur Freude verbunden ist, (20) scheint es mir geboten, dass alle Städte das neue Jahr an ein und demselben Tag beginnen, am Geburtstag des göttlichen Caesar; und dass alle ihr Amt an diesem Tag, dem 9. Tag vor den Kalenden des Oktober7, antreten, damit der Tag noch mehr in Ehren stehe, auch von anderer Seite eine Art religiöse Würde erlange und (25) so der Allgemeinheit in besonderem Maß vertraut werde; und so wird dieser Tag nach meiner Ansicht der Provinz auch den größten Nutzen bereiten. Ferner soll der Landtag der Provinz Asia einen Beschluss fassen, der alle Fähigkeiten (Aretai) Caesars enthält, damit das, was wir uns zum Ruhme des Augustus ausgedacht haben, für alle Zeiten bestehen bleibe; ferner ordne ich an, dass dieser Beschluss auf eine Stele eingetragen und im Tempel aufgestellt werde; und (30) mein Diatagma will ich, in beiden Sprachen ausgefertigt, voranstellen. Die Griechen in Asia haben auf Antrag des Kaiserpriesters Apollonios Sohnes des Menophilos aus Aizanoi beschlossen: Da die Vorsehung, welche unser Leben ordnet, alle Mühe und allen Eifer aufgewandt, das für unser Leben vollendete Gute geschaffen und den Augustus, den sie zum Wohle der Menschen mit jeder (35) guten Fähigkeit erfüllt hat, für uns und unsere Nachkommen wie einen Gott an ihrer Stelle hervorgebracht hat, und uns den Mann geschenkt hat, der dem Krieg ein Ende setzen und den Frieden in schöner Ordnung gestalten sollte, und da Caesar, mit diesen Fähigkeiten geboren, die Erwartungen der Empfänger mit seinen Wohltaten übertroffen hat, wobei er nicht nur seine Vorgänger mit der Fülle seiner Leistungen überholt, sondern auch seinen Nachfolgern keinerlei Hoffnung gelassen hat, sich ihm vergleichen zu dürfen; (40) und da mit dem Geburtstag dieses Gottes für die Welt die guten Nachrichten, die von ihm ausgehen, ihren Anfang nahmen; und da ferner die Provinz Asia unter dem Prokonsul Lucius Volcacius Tullus, als Papias aus Dios Hieron Sekretär war, in Smyrna beschlossen hat, dass derjenige bekränzt werden soll, welcher die größten Ehren für den Gott herausgefunden hat, und da Paullus Fabius Maximus, der Prokonsul der Provinz, als Wohltäter durch jenes (sc. Caesars) Hand und Ratschluss entsendet, zusammen mit 7
Das ist der 23. September.
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Velleius Paterculus, Historia Romana 2,89.126 Text und Übersetzung: M. GIEBEL 196–199.264–267. 89 (1) Caesar autem reversus in Italiam atque urbem quo occursu, quo favore omnium hominum, aetatium, ordinum exceptus sit, quae magnificentia triumphorum eius, quae fuerit munerum, ne in operis quidem iusti materia, nedum huius tam recisi digne exprimi potest. (2) Nihil deinde optare a dis homines, nihil dii hominibus praestare possunt, nihil voto concipi, nihil felicitate consummari, quod non Augustus post reditum in urbem rei publicae populoque Romano terrarumque orbi repraesentaverit. (3) Finita vicesimo anno bella civilia, sepulta externa, revocata pax, sopitus ubique armorum furor, restituta vis legibus, iudiciis auctoritas, senatui maiestas, imperium magistratuum ad pristinum redactum modum; tantummodo octo praetoribus adlecti duo.
(4) Prisca illa et antiqua rei publicae forma revocata rediit cultus agris, sacris honos, securitas hominibus, certa cuique rerum suarum possessio; leges emendatae utiliter, latae salubriter; senatus sine asperitate nec sine severitate lectus. Principes viri triumphisque et amplissimis honoribus functi adhortatu principis ad ornandam urbem inlecti sunt. (5) Consulatus tantummodo usque ad undecimum, quem continuaret Caesar, cum saepe obnitens repugnasset, impetrari potuit: nam dictaturam quam pertinaciter ei deferebat populus, tam constanter repulit. (6) Bella sub imperatore gesta pacatusque victoriis terrarum orbis et tot extra Italiam domique opera omne aevi sui spatium impensurum in id solum opus scriptorem fatigant: nos memores professionis universam imaginem principatus eius oculis animisque subiecimus.
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den anderen, durch die er der Provinz Wohltaten erwies, deren Größe sich nicht in Worten angemessen ausdrücken lässt, etwas bisher den Griechen Unbekanntes zur Ehre des Augustus ersonnen hat, (nämlich) dass von dessen Geburt an die Zeit des Lebens beginne; daher beschließen (50) die Griechen in der Asia zu gutem Gelingen und zum Heil: Der erste Monat des neuen Jahres beginnt in allen Städten am 9. Tag vor den Kalenden des Oktober, das ist der Geburtstag des Augustus.
89 (1) Als Caesar nach Italien und nach Rom zurückkehrte – wie die Menschen da zusammenliefen, mit welch allgemeiner Begeisterung von Jung und Alt, von Hoch und Niedrig er da empfangen wurde, wie prächtig seine Triumphe und seine Spiele waren – das könnte man nicht einmal in einem ausführlichen Geschichtswerk angemessen beschreiben, geschweige denn in diesem kurzen Abriss. (2) Dann aber gab es nichts, was Menschen von den Göttern erflehen noch die Götter den Menschen gewähren können, nichts, was sich durch Gelübde erreichen noch vom Glück erlangen lässt, was Augustus nicht nach seiner Rückkehr nach Rom dem Staat, dem römischen Volk und der Welt geschenkt hätte. (3) Nach zwanzig Jahren wurde der Bürgerkrieg beendet, die auswärtigen Kriege beigelegt, der Friede wiederhergestellt, die Raserei der Waffen allenthalben zur Ruhe gebracht. Die Gesetze erhielten ihre Kraft zurück, die Gerichte ihre Autorität, der Senat seine hohe Würde; die Amtsgewalt der Magistrate wurde auf ihr früheres Maß eingeschränkt. Es wurden lediglich zu den acht Prätoren noch zwei hinzugewählt. (4) Die althergebrachte Form des Staates wurde wiederhergestellt, die Äcker fanden wieder Pflege, die Heiligtümer wurden geehrt, die Menschen genossen Ruhe und Frieden und waren sicher im Besitz ihres Eigentums. Vorhandene Gesetze erhielten nützliche Verbesserungen, neue wurden zum allgemeinen Nutzen erlassen. Die Wahl in den Senat wurde zwar nicht nach rigorosen, aber doch nach strengen Grundsätzen vorgenommen. Führende Männer, die Triumphe und hohe Ehrenstellen aufzuweisen hatten, lud der Princeps durch seine Aufmunterung dazu ein, sich für die Verschönerung der Stadt einzusetzen. (5) Was das Konsulat anging, so konnte man von Caesar nur erreichen, dass er es elfmal hintereinander übernahm, wobei er des öfteren dagegen Widerspruch erhob. Die Diktatur aber, die ihm das Volk immer wieder übertragen wollte, lehnte er ebenso beharrlich ab. (6) Wollte man die Kriege unter seiner Führung beschreiben, die Befriedung des Erdkreises durch seine Siege und alles, was er innerhalb und außerhalb Italiens vollbracht hat, dann würde selbst ein Geschichtsschreiber, der seine ganze Lebenszeit nur auf dieses eine Werk verwenden wollte, dabei müde werden. Ich habe mich aber, meinem Vorsatz getreu, darauf beschränkt, meinen Lesern nur ein allgemeines Bild seines Prinzipats vor Augen zu stellen.
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126 (1) Horum XVI annorum opera quis cum universa oculis animisque omnium inhaereant, partibus eloquatur? Sacravit parentem suum Caesar non imperio, sed religione, non appellavit eum, sed fecit deum. (2) Revocata in forum fides, summota e foro seditio, ambitio campo, discordia curia, sepultaeque ac situ obsitae iustitia, aequitas, industria civitati redditae; accessit magistratibus auctoritas, senatui maiestas, iudiciis gravitas; compressa theatralis seditio, recte faciendi omnibus aut incussa voluntas aut imposita necessitas: (3) honorantur recta, prava puniuntur, suspicit potentem humilis, non timet, antecedit, non contemnit humiliorem potens. Quando annona moderatior, quando pax laetior? Diffusa in orientis occidentisque tractus et quidquid meridiano aut septentrione finitur, pax augusta per omnis terrarum orbis angulos a latrociniorum metu servat immunes. (4) Fortuita non civium tantummodo, sed urbium damna principis munificentia vindicat. Restitutae urbes Asiae, vindicatae ab iniuriis magistratuum provinciae: honor dignis paratissimus, poena in malos sera, sed aliqua: superatur aequitate gratia, ambitio virtute; (5) nam facere recte civis suos princeps optimus faciendo docet, cumque sit imperio maximus, exemplo maior est.
Seneca, Apokolokyntosis 4,1f Text und Übersetzung: G. BINDER 12–15. 4,1
Haec ait et turpi convolvens stamina fuso abrupit stolidae regalia tempora vitae. at Lachesis redimita comas, ornata capillos, Pieria crinem lauro frontemque coronans 5 candida de niveo subtemina vellere sumit felici moderanda manu, quae ducta colorem assumpsere novum. mirantur pensa sorores: mutatur vilis pretioso lana metallo, aurea formoso descendunt saecula filo. 10 nec modus est illis: felicia vellera ducunt et gaudent implere manus: sunt dulcia pensa. sponte sua festinat opus nulloque labore mollia contorto descendunt stamina fuso. vincunt Tithoni, vincunt et Nestoris annos.
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126 (1) Was in den letzten 16 Jahren geschaffen wurde, braucht wohl niemand einzeln aufzuzählen, hat sich doch alles den Augen wie den Herzen aller Zeitgenossen eingeprägt. Tiberius Caesar erhob seinen Vater zu den Göttern, nicht durch einen Machtspruch, sondern durch seine fromme Verehrung, er ernannte ihn nicht zum Gott, er machte ihn dazu. (2) Treu und Glauben wurden aufs Forum zurückberufen, verbannt vom Forum wurde der Aufruhr, vom Marsfeld das Bestechungsunwesen, aus der Kurie die Zwistigkeiten. Recht und Billigkeit und reger Fleiß, schon begraben und vergessen, wurden der Bürgerschaft wiedergeschenkt. Die Beamten gewannen mehr Autorität, der Senat mehr Würde und die Gerichte größere Geltung. Die Unruhen bei den Theateraufführungen wurden unterdrückt, allen wurde der Wille, das Rechte zu tun, eingeflößt oder der Zwang dazu auferlegt. (3) Gutes Handeln wird belohnt, böses bestraft. Der Niedere achtet den Vornehmen, aber fürchtet ihn nicht; der Vornehme hat den Vorrang vor dem Niedrigeren, aber verachtet ihn nicht. Wann war der Getreidepreis niedriger, die Lebensbedingungen im Frieden besser? Über alle Länder in Ost und West, bis an die Grenzen im Süden und Norden breitet sich der Augustus-Friede aus und bewahrt auch die entferntesten Erdenwinkel vor räuberischen Überfällen. (4) Verluste durch ein Unglück, die nicht nur einzelne Bürger, sondern ganze Städte erlitten haben, ersetzt die Freigebigkeit des Princeps. Asiens Städte wurden wieder aufgebaut, Provinzen vor Übergriffen der Beamten geschützt. Ehren sind sogleich bereit für die Würdigen, die Strafe für die Übeltäter kommt spät, aber sie kommt. Die Gleichheit gilt mehr als Einfluss, Verdienst mehr als Ehrgeiz, (5) denn der beste Princeps lehrt durch sein Handeln seine Bürger, recht zu handeln, und obwohl von seiner Machtstellung her der Größte, ist er doch durch sein Beispiel noch größer.
4,1
So sprach sie, und auf hässlicher Spindel aufrollend den Faden riss sie ab eines törichten Herrscherlebens Tage. Doch Lachesis im Schmuck ihres Haares, die Locken umwunden, Strähnen und Stirn umkränzt mit pierischem Lorbeer, 5 nimmt hellglänzende Fäden von schneeweiß schimmernder Wolle, um sie zu formen mit glücklicher Hand: Sie zeigen, gesponnen, alsbald eine neue Farbe. Es staunen die Schwestern über das Gespinst: verwandelt sich doch die billige Wolle in kostbares Metall, steigen goldene Zeiten herab vom herrlichen Garn. 10 Und sie kennen kein Maß: Sie spinnen Fäden des Glücks und füllen voll Freude die Hände – süß ist ihnen das Schaffen. Von selbst eilt das Werk dahin, und ohne jegliche Mühe gleiten die Fäden weich herab von der rollenden Spindel. Sie übertreffen des Tithonus, übertreffen auch Nestors Jahre.
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15 Phoebus adest cantuque iuvat gaudetque futuris et laetus nunc plectra movet, nunc pensa ministrat: detinet intentas cantu fallitque laborem. dumque nimis citharam fraternaque carmina laudant, plus solito nevere manus humanaque fata 20 laudatum transcendit opus. »ne demite, Parcae« Phoebus ait »vincat mortalis tempora vitae ille mihi similis vultu similisque decore nec cantu nec voce minor. felicia lassis saecula praestabit legumque silentia rumpet. 25 qualis discutiens fugientia Lucifer astra aut qualis surgit redeuntibus Hesperus astris, qualis, cum primum tenebris Aurora solutis induxit rubicunda diem, Sol aspicit orbem lucidus et primos a carcere concitat axes: 30 talis Caesar adest, talem iam Roma Neronem aspiciet. flagrat nitidus fulgore remisso vultus et adfuso cervix formosa capillo.«
4,2 Haec Apollo. at Lachesis, quae et ipsa homini formosissimo faveret, fecit illud plena manu et Neroni multos annos de suo donat. [...]
Seneca, De clementia 2,1,3f Text und Übersetzung: M. ROSENBACH 12–15. (3) O dignam uocem, quam audirent omnes gentes, quae Romanum imperium incolunt quaeque iuxta iacent dubiae libertatis quaeque se contra uiribus aut animis attollunt! O uocem in contione[m] omnium mortalium mittendam, in cuius uerba principes regesque iurarent! O uocem publica generis humani innocentia dignam! cui redderetur antiquum illud saeculum! (4) Nunc profecto consentire decebat ad aequum bonumque expulsa alieni cupidine, ex qua omne animi malum oritur, pietatem integritatemque cum fide ac modestia resurgere et uitia diuturno abusa regno dare tandem felici ac puro saeculo locum.
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15 Phoebus ist zur Stelle und hilft mit Gesang und freut sich der Zukunft, schlägt bald freudig die Saiten, bald reicht er den Schwestern die Wolle: Er hält sie am Werk mit seinem Gesang und täuscht sie hinweg über die Mühe. Während sie gar sehr das Leierspiel und das Lied des Bruders rühmen, haben ihre Hände mehr als die übliche Menge gesponnen, und menschliches Lebenslos 20 übersteigt das gepriesene Werk. »Nehmt nichts davon weg, ihr Parzen«, sprach Phoebus, »er soll eines irdischen Lebens Zeitmaß besiegen, er, mir ähnlich an Aussehen, ähnlich an Schönheit, in der Kunst des Gesangs und im Klang der Stimme mir ebenbürtig. Glückselige Zeiten wird er der erschöpften Menschheit schaffen und brechen das Schweigen des Rechts. 25 Gleich wie Lucifer, wenn er die fliehenden Sterne verscheucht, oder wie Hesperus emporsteigt beim Wiederkehren der Sterne, gleichwie Sol, sobald Aurora das Dunkel zerstreut und purpurrot den Tag heraufgeführt hat, den Erdkreis erblickt strahlend und das frische Gespann aus den Schranken hervorjagt: 30 Solch ein Kaiser erscheint, so wird Rom jetzt seinen Nero schauen. Es leuchtet strahlend in mildem Glanz sein Antlitz, und unter wallendem Haar sein bildschöner Nacken.« 4,2 So sang Apollo. Doch Lachesis, die auch ihrerseits dem herrlich gestalteten Mann gewogen war, tat es mit voller Hand und schenkt damit Nero noch viele Jahre dazu aus ihrem eigenen Vorrat. [...]
(3) Ja, ein Wort, wert, dass es alle Völker hören sollten, die in den Grenzen des Römischen Reiches wohnen, und alle, die in seiner Nähe in zweifelhafter Freiheit leben, und jene, die sich mit ihrer Kraft und Gesinnung gegen das Reich stellen! Ein Wort; das in einer Versammlung aller Menschen gesprochen werden müsste, darauf alle Kaiser und Könige den Eid leisten sollten! O Wort, würdig allgemeiner Unschuld des Menschengeschlechtes, dem jenes alte Zeitalter wiedergegeben werden sollte! (4) Nun gehörte es sich in der Tat, bei Gerechtem und Gutem einer Meinung zu sein – nachdem zuvor alle Begierde nach fremdem Eigentum beseitigt wurde, aus der alles Böse der Seele entsteht –, nämlich dass Pflichtgefühl und Redlichkeit mit Zuverlässigkeit und Mäßigung wiedererstehen und Fehlhaltungen, wenn sie ihre lange währende Herrschaft missbraucht haben, schließlich einem glücklichen und reinen Zeitalter Platz geben.
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Calpurnius Siculus, Eklogen 1, 4 und 7 Text und Übersetzung: D. KORZENIEWSKI 10–19.34–49.66–73.
Ekloge 1 [CORYDON, ORNYTUS]
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C. Nondum Solis equos declinis mitigat aestas, quamvis et madidis incumbant prela racemis et spument rauco ferventia musta susurro. cernis ut ecce pater quas tradidit, Ornyte, vaccae molle sub hirsuta latus explicuere genista? nos quoque vicinis cur non succedimus umbris? torrida cur solo defendimus ora galero? O. Hoc potius, frater Corydon, nemus, antra petamus ista patris Fauni, graciles ubi pinea denset silva comas rapidoque caput levat obvia soli, bullantes ubi fagus aquas radice sub ipsa protegit et ramis errantibus implicat umbras. C. Quo me cumque vocas, sequor, Ornyte; nam mea Leuce, dum negat amplexus nocturnaque gaudia nobis, pervia cornigeri fecit sacraria Fauni. prome igitur calamos et si qua recondita servas; nec tibi defuerit mea fistula, quam mihi nuper matura docilis compegit arundine Ladon. O. Et iam captatae pariter successimus umbrae. sed quaenam sacra descripta est pagina fago, quam modo nescio quis properanti falce notavit? aspicis ut virides etiam nunc littera rimas servet et arenti nondum se laxet hiatu? C. Ornyte, fer propius tua lumina: tu potes alto cortice descriptos citius percurrere versus; nam tibi longa satis pater internodia largus procerumque dedit mater non invida corpus. O. Non pastor, non haec triviali more viator, sed deus ipse canit: nihil armentale resultat, nec montana sacros distinguunt iubila versus. C. Mira refers; sed rumpe moras oculoque sequaci quam primum nobis divinum perlege carmen. O. »Qui iuga, qui silvas tueor, satus Aethere Faunus, haec populis ventura cano: iuvat arbore sacra laeta patefactis incidere carmina fatis.
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KORYDON, ORNYTUS
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K. Noch nicht besänftigt des Helios Rosse der scheidende Sommer, wo sich doch schon die pressenden Keltern auf saftige Trauben legen und gärender Most mit dumpfem Gelispel empor schäumt. Siehst du, Ornytus, dort unter struppigem Ginster die Kühe, die uns der Vater zu weiden vertraut hat, behaglich sich strecken? Warum gehen nicht wir auch dort in den Schatten der Bäume? Warum schützen wir unser gebräuntes Gesicht nur mit Hüten? O. Lasst uns doch, Bruder Korydon, lieber den Hain, diese Grotte unseres Faunus, besuchen, wo Kiefern ihr zartes Gezweige flechten, ihr Haupt der verzehrenden Sonne entgegen erheben, wo die Buche sprudelnden Quell bei den Wurzeln beschützet und ineinander mit schwankenden Zweigen die Schatten verwickelt. K. Gleich wohin du mich rufst, ich folge dir, Ornytus! Während mir meine Leuke Umarmung und nächtliche Freuden verweigert, schafft sie zum Hain des hörnertragenden Faunus mir Zugang. Hol denn die Syrinx hervor und singe von deinem Geheimnis, wenn du eins hütest; dich wird meine Flöte begleiten, die jüngst mir Ladon aus reifem Holze der Weiden verständig gefügt hat. O. Schon sind wir beide zugleich zu dem Schatten gelangt, den wir suchten. Doch welche Zeilen sind dort auf heiliger Buche geschrieben? Wer hat sie eben mit eilendem Messer gezeichnet? Denn siehst du, wie auch jetzt noch die Lettern das Grün der Kerben bewahren und sich noch nicht auseinander ziehend verdorren und klaffen? K. Ornytus, bring deine Augen näher heran; denn du kannst ja schneller die hoch auf die Rinde geschriebenen Versreihen lesen; dir hat doch hinreichend lange Glieder dein Vater mit Großmut und einen schlanken Körper die Mutter nicht geizend gegeben. O. Nicht hat ein Hirt, nicht ein Wanderer dies in gewöhnlicher Weise, sondern ein Gott hat selbst es verkündet. Nichts klingt wie bei Hirten, noch unterbricht in den Bergen übliches Jubeln die Verse. K. Wunderbar ist, was du sagst; doch lass uns nicht länger mehr warten lies uns sogleich mit eilendem Blick das göttliche Lied vor! O. »Der ich die Berge und Wälder beschütze, den Äther gezeugt hat, Faunus, ich künde den Völkern die Zukunft; in heiligen Baumstamm will ich, das Schicksal enthüllend, beglückende Sprüche euch ritzen.
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vos o praecipue nemorum gaudete coloni, vos populi gaudete mei: licet omne vagetur securo custode pecus nocturnaque pastor claudere fraxinea nolit praesaepia crate, non tamen insidias praedator ovilibus ullas afferet aut laxis abiget iumenta capistris. aurea secura cum pace renascitur aetas et redit ad terras tandem squalore situque alma Themis posito iuvenemque beata sequuntur saecula, maternis causam qui vicit Iulis. dum populos deus ipse reget, dabit impia vinctas post tergum Bellona manus spoliataque telis in sua vesanos torquebit viscera morsus et modo quae toto civilia distulit orbe, secum bella geret: nullos iam Roma Philippos deflebit, nullos ducet captiva triumphos; omnia Tartareo subigentur carcere bella inmergentque caput tenebris lucemque timebunt. candida Pax aderit, nec solum candida vultu, qualis saepe fuit, quae libera Marte professo, quae domito procul hoste, tamen grassantibus armis publica diffudit tacito discordia ferro: omne procul vitium simulatae cedere pacis iussit et insanos Clementia contudit enses. nulla catenati feralis pompa senatus carnificum lassabit opus, nec carcere pleno infelix raros numerabit curia patres. plena quies aderit, quae stricti nescia ferri altera Saturni referet Latialia regna, altera regna Numae, qui primus ovantia caede agmina, Romuleis et adhuc ardentia castris, pacis opus docuit iussitque silentibus armis inter sacra tubas, non inter bella, sonare. iam nec adumbrati faciem mercatus honoris nec vacuos tacitus fasces et inane tribunal accipiet consul; sed legibus omne reductis ius aderit moremque fori vultumque priorem reddet et afflictum melior deus auferet aevum. exsultet quaecumque Notum gens ima iacentem erectumve colit Boream, quaecumque vel ortu vel patet occasu mediove sub aethere fervit. cernitis ut puro nox iam vicesima caelo fulgeat et placida radiantem luce cometem proferat? ut liquidum niteat sine vulnere sidus?
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Ihr besonders, Bewohner der Wälder, ihr meine Leute, freuet euch! Alles Vieh darf ohne die Sorge des Wächters äsend sich ringsum zerstreuen; und nicht mehr soll ängstlich der Hirte nachts mit hölzernem Gatter die Hürden verschließen; kein Räuber wird es mehr wagen, nach Schafen in ihren Ställen zu lauern, nicht wird heimlich die Halfter er lösen und Rinder entführen. Goldene Zeit mit gefahrlosem Frieden wird wiedergeboren. Huldreich kehrt endlich zur Erde zurück, ohne Zeichen der Trauer, Themis, die Göttin; es folgen glückliche Zeiten dem Jüngling, der durch die julischen Ahnen der Mutter den Sieg hat errungen. Während der Gott hier die Völker regiert, lässt die arge Bellona rückwärts die Hände sich binden; beraubt ihrer einstigen Waffen, richtet sie gegen ihr eigenes Fleisch ihre wütenden Bisse; Bürgerkrieg, den auf dem ganzen Erdkreis sie eben noch säte, wird mit sich selber sie führen; kein zweites Philippi wird Rom mehr Tränen bereiten und auch kein Triumph, den es feiert in Ketten. Jeglicher Krieg wird dann in den Kerker des Tartarus stürzen, wird in Finsternis hüllen sein Haupt und das Tageslicht scheuen. Strahlend erscheint dann die Göttin des Friedens, nicht strahlt nur ihr Antlitz, so wie öfters zuvor, als sie, frei von Kriegeserklärung, Zwietracht mit heimlichem Schwert unter Bürgern verbreitete, während draußen die Feinde besiegt, aber drinnen die Waffen noch tobten. Jegliche Laster geheuchelten Friedens hat die Verzeihung fern hin verbannt und das sinnlose Wüten der Schwerter bezwungen. Nicht Senatoren in Ketten, zum Leichenbegängnis erschienen, werden die Hände der Henker ermüden, nicht Kerker mehr füllen, während die Kurie traurig den Rest des Senates muss zählen. Völlige Ruhe wird kommen; sie kennt kein drohendes Schwert mehr; sie wird Saturnus’ erneuerte Herrschaft nach Latium bringen, Numas erneuertes Reich, der als erster die mordfrohen Heere, die noch erglühten für kriegerisches Leben aus Romulus’ Zeiten, Taten des Friedens gelehrt und den Waffen zu schweigen, Trompeten nicht mehr im Krieg, nur bei heiligem Opfer zu tönen geboten. Nicht mehr den Schein und den Schatten des Amtes erhandelt der Konsul, nicht mehr empfängt er leere Bündel der Ruten noch schweigend machtloses Amt im Gericht; die Gesetze kehren dann wieder, wieder gilt Recht, und ein besserer Gott gibt dem Forum Gesittung, alte Gestalt dann zurück und behebt den früheren Schaden. Alle Völker sollen sich freuen, die unten im Süden wohnen und oben im Norden, gen Osten und Westen sich dehnen oder die unter der Mitte des Himmels vor Hitze erglühen. Seht ihr, wie hell in der zwanzigsten Nacht schon der Himmel erstrahlet und ein Komet in sanftem Licht uns leuchtend sich zeiget? Seht, wie der Stern so klar und ohne Wunde erglänzet!
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80 numquid utrumque polum, sicut solet, igne cruento spargit et ardenti scintillat sanguine lampas? at quondam non talis erat, cum Caesare rapto indixit miseris fatalia civibus arma. scilicet ipse deus Romanae pondera molis 85 fortibus excipiet sic inconcussa lacertis, ut neque translati sonitu fragor intonet orbis nec prius ex meritis defunctos Roma penates censeat, occasus nisi cum respexerit ortus.« C. Ornyte, iam dudum velut ipso numine plenum 90 me quatit et mixtus subit inter gaudia terror. sed bona facundi veneremur numina Fauni. O. Carmina, quae nobis deus obtulit ipse canenda, dicamus teretique sonum modulemur avena: forsitan Augustas feret haec Meliboeus ad aures.
Ekloge 4 [MELIBOEUS, CORYDON, AMYNTAS] M. Quid tacitus, Corydon, vultuque subinde minaci quidve sub hac platano, quam garrulus astrepit umor, insueta statione sedes? iuvat umida forsan ripa levatque diem vicini spiritus amnis? 5 C. Carmina iam dudum, non quae nemorale resultent, volvimus, o Meliboee; sed haec, quibus aurea possint saecula cantari, quibus et deus ipse canatur, qui populos urbesque regit pacemque togatam. M. Dulce quidem resonas, nec te diversus Apollo 10 despicit, o iuvenis, sed magnae numina Romae non ita cantari debent, ut ovile Menalcae. C. Quidquid id est, silvestre licet videatur acutis auribus et nostro tantum memorabile pago, nunc mea rusticitas, si non valet arte polita 15 carminis, at certe valeat pietate probari. rupe sub hac, eadem quam maxima pinus obumbrat, haec eadem nobis frater meditatur Amyntas, quem vicina meis natalibus admovet aetas. M. Iam puerum calamos et odorae vincula cerae 20 iungere non cohibes, levibus quem saepe cicutis ludere conantem vetuisti fronte paterna? dicentem, Corydon, te non semel ista notavi: »frange, puer, calamos et inanes desere Musas;
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80 Sprüht etwa so wie gewöhnlich die Fackel ein blutiges Feuer über die Pole des Himmels, stiebt Funken brennenden Blutes? Einst aber brannte sie anders, als sie bei Cäsars Entrückung Krieg den traurigen Bürgern verkündigte, schicksalverhängten. Sicher wird selber der Gott die Last der römischen Masse 85 ohne ein Beben mit kraftvollen Schultern so übernehmen, dass nicht ein Dröhnen erschallt, wenn die Weltmacht wird übertragen. Rom wird nicht früher dies göttliche Haus des verdienstvollen Wirkens ledig erachten, bis abends die Sonne im Osten sich neiget.« K. Ornytus, längst schon, wie von der Gottheit selber ergriffen, 90 schüttelt und, unter die Freude sich mischend, durchdringt mich ein Schrecken. Lasst uns das gütige Walten des wortreichen Faunus verehren! O. Selber hat uns der Gott diese Verse zu singen gegeben; diese wollen wir künden, auf runder Flöte sie spielen! Dies trägt vielleicht Meliböus hinauf zu den Ohren des Kaisers.
MELIBÖUS, KORYDON, AMYNTAS M. Warum, Korydon, sinnst du so still mit bedeutsamer Miene hier unter dieser Platane, die murmelndes Wasser umplätschert, sitzt an so ungewöhnlichem Ort? Oder freut dich des Ufers Kühle, und lindert der Atem des Flusses die Hitze des Tages? 5 K. Längst schon versuche ich Lieder, die nicht wie Hirtensang klingen, o Meliböus, sondern in denen ich goldene Zeiten preisen, in denen ich auch den Gott selbst wohl könnte besingen, der die Völker und Städte regiert und den Frieden der Römer. M. Herrlich klingt deine Stimme, und ungnädig sieht nicht Apollon 10 auf dich herab, junger Freund, doch die Götter der mächtigen Roma darfst du nicht so wie Menalkas’ Herden im Liede besingen. K. Was es auch sei, mag’s geschärftem Gehör auch ländlich erscheinen, würdig, nur hier in unserem Dorfe gesungen zu werden, sicherlich könnte mein bäurischer Stil, wenn auch nicht durch die Glätte 15 kunstvoller Dichtung, so doch durch die fromme Gesinnung gefallen. Unter dem Fels hier, den selbige Kiefer gewaltig beschattet, drängen zum Lied meinen Bruder Amyntas dieselben Gedanken, ihn, dessen Alter dem meinen in kleinem Abstand sich nähert. M. Hinderst du nicht mehr den Knaben, sich Halme zur Flöte zu fügen 20 fest mit duftendem Wachs, dem du oft mit der Stirn eines Vaters, wenn er in heiterem Spiel sich versuchte, hast dieses verboten? Nicht nur einmal hörte ich, Korydon, solches dich sagen: »Knabe, zerbrich deine Flöte, verlass die nutzlosen Musen!
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i, potius glandes rubicundaque collige corna, 25 duc ad mulctra greges et lac venale per urbem non tacitus porta. quid enim tibi fistula reddet, quo tutere famem? certe mea carmina nemo praeter ab his scopulis ventosa remurmurat echo.« C. Haec ego, confiteor, dixi, Meliboee, sed olim: 30 non eadem nobis sunt tempora, non deus idem. spes magis arridet: certe ne fraga rubosque colligerem viridique famem solarer hibisco, tu facis et tua nos alit indulgentia farre; tu nostras miseratus opes docilemque iuventam 35 hiberna prohibes ieiunia solvere fago. ecce nihil querulum per te, Meliboee, sonamus; per te secura saturi recubamus in umbra et fruimur silvis Amaryllidos, ultima nuper litora, terrarum, nisi tu, Meliboee, fuisses, 40 ultima visuri, trucibusque obnoxia Mauris pascua Geryonis, liquidis ubi cursibus ingens dicitur occiduas impellere Baetis harenas. scilicet extremo nunc vilis in orbe iacerem, a dolor! et pecudes inter conductus Hiberas 45 irrita septena modularer sibila canna; nec quisquam nostras inter dumeta Camenas respiceret; non ipse daret mihi forsitan aurem, ipse deus vacuam longeque sonantia vota scilicet extremo non exaudiret in orbe. 50 sed nisi forte tuas melior sonus advocat aures et nostris aliena magis tibi carmina rident, vis, hodierna tua subigatur pagina lima? nam tibi non tantum venturos dicere ventos agricolis qualemque ferat sol aureus ortum 55 attribuere dei, sed dulcia carmina saepe concinis, et modo te Baccheis Musa corymbis munerat et lauro modo pulcher obumbrat Apollo. quod si tu faveas trepido mihi, forsitan illos experiar calamos, here quos mihi doctus Iollas 60 donavit dixitque: »truces haec fistula tauros conciliat nostroque sonat dulcissima Fauno. Tityrus hanc habuit, cecinit qui primus in istis montibus Hyblaea modulabile carmen avena.« M. Magna petis, Corydon, si Tityrus esse laboras. 65 ille fuit vates sacer et qui posset avena praesonuisse chelyn, blandae cui saepe canenti adlusere ferae, cui substitit advena quercus. quem modo cantantem rutilo spargebat acantho Nais et implicitos comebat pectine crines.
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Geh und sammle dir eher die Eicheln und rötlichen Kirschen, 25 führe zum Melken die Herden und trage die Milch zum Verkaufe rufend quer durch die Stadt. Was wird dir die Flöte denn bringen, dass du vor Hunger dich schützt? Meine Lieder wird sicherlich niemand außer dem flüchtigen Echo von diesem Gestein wiederholen.« K. Das, Meliböus, ich leugne es nicht, hab’ ich früher geredet; 30 nicht sind für uns die Zeiten mehr gleich, nicht der Gott mehr derselbe. Reicher lacht uns die Hoffnung; ich muss nicht mehr Beeren von Sträuchern sammeln und quälenden Hunger mit grünendem Eibisch mir stillen; du hast dafür gesorgt; deine Güte ernährt uns mit Brotmehl; du hattest Mitleid mit unserer Armut und frühen Begabung, 35 wolltest nicht, dass wir von Früchten der Buche im Winter uns nährten. Dir, Meliböus, sei Dank; nicht tönt mehr mein Lied nun von Klagen. Sorglos durch dich und gesättigt, so dürfen wir ruhen im Schatten und Amaryllis’ Wälder genießen, obwohl wir beinahe äußerste Küsten, wärst du nicht, o Meliböus, gewesen, 40 hätten gesehen, das Ende der Erde, die Weiden Geryons, dort, wo die trotzigen Mauren uns drohn, wo gewaltig der Bätis, wie man berichtet, viel Sand in den Fluten nach Westen hin wälzet. Sicher läge ich jetzt erbärmlich am Ende der Erde – o welcher Schmerz! – und würde als Mietling iberische Herden 45 hüten, der Flöte vergeblich nur pfeifende Töne entlocken. Niemand würde wohl dort im Gestrüpp meine Musen beachten, noch auch könnte er selbst sein Ohr gewogen mir leihen; sicherlich würde mein Bitten dort in der Ferne verhallen, nicht würde dies der Gott selbst von den Grenzen der Erde vernehmen. 50 Wenn nicht etwa ein besserer Klang deine Ohren beansprucht und dich nicht andere mehr als unsere Lieder erfreuen, darf ich dies Blatt, das ich heute beschrieb, deiner Feile vertrauen? Denn dir gaben die Götter die Kenntnis, nicht nur, den Bauern kommende Winde zu künden und, welchen Morgen die Sonne 55 bringen wird, wenn sie golden sich neigt, sondern liebliche Lieder singst du auch oft; bald reicht dir die Muse den bakchischen Efeu, bald umkränzt dich der schöne Apollon mit Zweigen des Lorbeer. In meiner Angst sei du mir gewogen; dann will ich die Flöte doch wohl erproben, welche mir gestern der kluge Iollas 60 schenkte und sprach: »Diese Flöte besänftigt die Wildheit der Stiere, unserem Faunus erklinget ihr Ton so überaus lieblich; Tityrus hat sie besessen, der hier in den Bergen als erster zu der hybläischen Flöte ein kunstreiches Lied hat gesungen.« M. Großes erstrebst du, Korydon, wenn du ein Tityrus sein willst. 65 Er war ein göttlicher Sänger; der Ton seiner Flöte besiegte auch eine Leier; sang er, so spielten die Tiere der Wildnis schmeichelnd bei ihm; auch der Eichbaum kam und stand still in der Nähe. Wenn er zu singen begann, dann bestreute mit rotem Akanthus ihn die Najade und ordnete ihm sein verworrenes Haupthaar.
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70 C. Est, fateor, Meliboee, deus: sed nec mihi Phoebus forsitan abnuerit; tu tantum commodus audi: scimus enim, quam te non aspernetur Apollo. M. Incipe, nam faveo; sed prospice, ne tibi forte tinnula tam fragili respiret fistula buxo, 75 quam resonare solet, si quando laudat Alexin. hos potius, magis hos calamos sectare, canales et preme, qui dignas cecinerunt consule silvas. incipe, ne dubita. venit en et frater Amyntas: cantibus iste tuis alterno succinet ore. 80 ducite, nec mora sit, vicibusque reducite carmen; tuque prior, Corydon, tu proximus ibis, Amynta. C. Ab Iove principium, si quis canit aethera, sumat, si quis Atlantiaci pondus molitur Olympi: at mihi, qui nostras praesenti numine terras 85 perpetuamque regit iuvenili robore pacem, laetus et augusto felix arrideat ore. A. Me quoque facundo comitatus Apolline Caesar respiciat, montes neu dedignetur adire, quos et Phoebus amat, quos Iuppiter ipse tuetur: 90 in quibus Augustos visuraque saepe triumphos laurus fructificat vicinaque nascitur arbos. C. Ipse polos etiam qui temperat igne geluque, Iuppiter ipse parens, cui tu iam proximus, ecce, Caesar, abes, posito paulisper fulmine saepe 95 Cresia rura petit viridique reclinis in antro carmina Dictaeis audit Curetica silvis. 132 A. Numine Caesareo securior ipse Lycaeus Pan recolit silvas et amoena Faunus in umbra securus recubat placidoque in fonte lavatur 135 Nais et humanum non calcatura cruorem 136 per iuga siccato velox pede currit Oreas. 97 C. Aspicis, ut virides audito Caesare silvae conticeant? memini, quamvis urgente procella sic nemus immotis subito requiescere ramis, 100 et dixi: »deus hinc, certe deus expulit Euros.« nec mora, Pharsaliae solverunt sibila cannae. A. Aspicis, ut teneros subitus vigor excitet agnos? utque superfuso magis ubera lacte graventur et nuper tonsis exundent vellera fetis? 105 hoc ego iam, memini, semel hac in valle notavi et venisse Palen pecoris dixisse magistros. C. Scilicet omnis eum tellus, gens omnis adorat, diligiturque deis, quem sic taciturna verentur arbuta, cuius iners audito nomine tellus
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70 K. Ja, er ist wirklich ein Gott, Meliböus; doch mir auch wird Phöbus wohl seine Huld nicht versagen; sei du mir nur gnädig und höre! Wissen wir doch, wie sehr dich Apollon beachtet und ehret. M. Also beginne; ich höre dich gern; doch gib Obacht, dass nur nicht weichlich die Flöte so aus zartem Buxbaum dir seufze, 75 wie sie gewöhnlich ertönt beim Preise des schönen Alexis. Eher lass jene Flöte ertönen, blase viel lieber jene Halme, die Wälder, würdig des Konsuls, besangen! Ohne zu zögern fang an. Doch da kommt auch dein Bruder Amyntas; er soll im Wechsel mit dir ein strophisches Lied uns jetzt singen. 80 Singt also ohne Verzug und singet die wechselnden Strophen; Korydon, du nun beginne, dann folgst du, Amyntas, als nächster! K. Möge mit Zeus nur beginnen, wer immer den Äther besinget, wer den gewaltgen Olymp, von Atlas getragen, beweget; mir aber möge, der unsere Länder und ewigen Frieden 85 sichtbar als Gott und mit blühenden Kräften der Jugend regieret, froh und beglückend mit Lächeln auf heiligem Antlitz sich zeigen. A. Mich auch erblicke, von Phöbus, dem redegewandten, begleitet, gnädig der Kaiser, noch soll ihn verdrießen, ins Bergland zu gehen, das auch Apollon gefällt, welches Juppiter selber beschützet; 90 Hier wächst, oft des erhabenen Kaisers Triumphe zu sehen, fruchtreich der Lorbeer, und ganz in der Nähe gedeiht auch die Myrte. K. Juppiter selbst, der den Himmel mit Hitze und Kälte erfüllet, Vater der Götter und Menschen, dem du, o Kaiser, als nächster folgest, legt eine Zeitlang die Blitze beiseite, und oftmals 95 Sucht er Kretas Gefilde und hört in umwachsener Grotte ruhend kuretische Lieder in Wäldern des Diktegebirges. 132 A. Waltet die Gottheit des Kaisers, besucht der Lykäische Pan selbst sorgloser seine Wälder, in lieblichem Schatten ruht Faunus ohne die Sorgen, in ruhigem Quellwasser baden Najaden. 135 Nicht mehr auf menschliches Mordblut wird eine Bergnymphe treten, 136 wenn durch die Berge sie hurtig mit trockenem Fuße daherstürmt. 97 K. Siehst du, wie grünende Wälder, sobald sie den Namen des Kaisers hören, verstummen? Ich weiß noch, wie trotz gewaltiger Sturmbö plötzlich der Hain mit reglosen Zweigen in Stille verharrte. 100 »Sicher«, so sprach ich, »ein Gott hat von hier die Winde vertrieben.« Und sogleich war das Kreischen pharsalischer Flöten verflogen. A. Siehst du, wie plötzliche Kräfte die zarten Lämmer erregen und wie schwerer von reichlicher Milch die Euter sich spannen und die Felle der neulich geschorenen Schafe jetzt prangen? 105 Dieses bemerkt’ ich schon einmal, ich weiß es noch, hier in dem Tale, und es sei Pales erschienen, so sagten die Meister der Herde. K. Ihn betet an die gesamte Erde und sämtliche Völker, er wird von Göttern geliebt, ihn verehren mit Schweigen die Bäume; wenn nur das Land seinen Namen vernimmt, erwärmt sich die Erde,
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110 incaluit floremque dedit; cui silva vocato densat odore comas, stupefacta regerminat arbos. A. Illius ut primum senserunt numina terrae, coepit et uberior, sulcis fallentibus olim, luxuriare seges tandemque legumina plenis 115 vix resonant siliquis; nec praefocata malignum messis habet lolium nec inertibus albet avenis. C. (quinque versus a Corydone recitati exciderunt.) 117 A. Iam neque damnatos metuit iactare ligones fossor et invento, si fors dedit, utitur auro; nec timet, ut nuper, dum iugera versat arator, 120 ne sonet offenso contraria vomere massa, iamque palam presso magis et magis instat aratro. C. Ille dat, ut primas Cereri dare cultor aristas possit et intacto Bromium perfundere vino, ut nudus ruptas saliat calcator in uvas 125 utque bono plaudat paganica turba magistro, qui facit egregios ad pervia compita ludos. A. Ille meis pacem dat montibus: ecce per illum, seu cantare iuvat seu ter pede lenta ferire gramina, nullus obest: licet et cantare choreis 130 et cantus viridante licet mihi condere libro, turbida nec calamos iam surdant classica nostros. 137 C. Di, precor, hunc iuvenem, quem vos (neque fallor) ab ipso aethere misistis, post longa reducite vitae tempora vel potius mortale resolvite pensum 140 et date perpetuo caelestia fila metallo: sit deus et nolit pensare palatia caelo! A. Tu quoque mutata seu Iuppiter ipse figura, Caesar, ades seu quis superum sub imagine falsa mortalique lates (es enim deus): hunc, precor, orbem, 145 hos, precor, aeternus populos rege! sit tibi caeli vilis amor coeptamque, pater, ne desere pacem! M. Rustica credebam nemorales carmina vobis concessisse deas et obesis auribus apta; verum, quae paribus modo concinuistis avenis, 150 tam liquidum, tam dulce canunt, ut non ego malim quod Peligna solent examina lambere nectar. C. Olim quam tereti decurrent carmina versu […………………………....………………………] nunc, Meliboee, sonant, si quando in montibus istis dicar habere Larem, si quando nostra videre 155 pascua contingat! vellit nam saepius aurem invida Paupertas et dicit: »ovilia cura!« at tu, si qua tamen non aspernanda putabis,
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110 gibt ohne Pflege die Blumen; beim Ruf seines Namens erfüllen Wälder mit Düften ihr Laubhaar, der Baum sprosst staunend von neuem. A. Als sein göttliches Walten die Felder plötzlich verspürten, reicher begannen die Saaten zu prangen, nicht trog mehr die Furche; endlich wächst das Gemüse in prall sich füllenden Schoten, 115 ohne zu rascheln; nicht mehr erstickt das reife Getreide durch den vernichtenden Lolch, ist nicht bleich zwischen fruchtlosem Hafer. K. (Fünf Verse, die Strophe des Korydon, sind ausgefallen.) 117 A. Nicht mehr fürchtet beim Schwingen der Hacke der Bauer den Richtspruch, und das Gold, das er zufällig findet, darf er behalten. Nicht mehr, wie kürzlich, ängstigt den Pflüger, wenn er den Acker 120 umbricht, der Klang von Metall, das sein Pflug überraschend berührt hat. Ohne Arglist drückt er den Pflug recht tief in den Boden. K. Jener gewährt, dass der Bauer der Ceres die frühesten Ähren opfern und neuen Wein dem Gott Bromios reichlich kann spenden, dass ohne Kleidung der Kelterer springt auf zerplatzende Trauben 125 und die dörfliche Schar ihren tüchtigen Meister umjubelt, weil er so herrliche Spiele an volkreichem Dreiweg ihr bietet. A. Jener gewährt meinen Bergen den Frieden; denn siehe, dass keiner, wenn es zu singen uns freut oder zarte Gräser im Dreitakt tanzend zu treten, uns hindert, verdanken wir jenem; in Chören 130 läßt er uns singen, die Lieder auf grünende Rinde mich schreiben. Nicht übertönt die Trompete zu schrecklichem Krieg unsre Syrinx. 137 K. Götter, ich bitte euch, führt diesen Jüngling, den gleich aus dem Äther sicherlich ihr uns gesandt habt, nach langer Zeit seines Lebens wieder zurück, oder besser, löst sein vergängliches Schicksal, 140 gebt ihm den Faden himmlischen Lebens aus ewgem Metalle. Sei er ein Gott, doch vertausche er nicht den Palast mit dem Himmel! A. Kaiser, ob du nun Juppiter bist mit verwandeltem Aussehn oder ein anderer Gott unter täuschendem Bild eines Menschen, unerkannt: Gott bist du sicher; ich bitte dich, lenke den Erdkreis, 145 lenke auf ewig, ich bitt’ dich, die Völker; vergiss jedes Trachten nach dem Himmel; verlass nicht, o Vater, begonnenen Frieden! M. Ländliche Lieder nur, glaubte ich, hätten die Musen des Waldes euch zu singen gestattet, nur stumpfen Ohren erfreulich. Aber was eben zu gleichen Flöten gemeinsam ihr sanget, 150 das war so rein, so lieblich im Klange, dass ich nicht Nektar, den die pälignischen Bienen sich sammeln, lieber wollt’ kosten. K. Einst wird mein Lied in geglätteten Versen leichtfüßig eilen, [welches dir sicher ein wenig zu rau noch und ländlich mitunter] jetzt, Meliböus, erklingt, wenn ich einstmals ein eigenes Häuschen hier in den Bergen besitze, wenn eigene Weiden zu schauen 155 einst mir vergönnt ist; denn öfters zupft mich die neidische Armut mahnend am Ohr und sagt mir: »Versorge doch lieber die Schafe!« Aber wenn du meine Lieder nicht als verächtlich betrachtest,
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fer, Meliboee, deo mea carmina: nam tibi fas est sacra Palatini penetralia visere Phoebi. 160 tu mihi talis eris, qualis qui dulce sonantem Tityron e silvis dominam deduxit in urbem ostenditque deos et »spreto« dixit »ovili Tityre, rura prius, sed post cantabimus arma.« A. Respiciat nostros utinam fortuna labores 165 pulcrior et meritae faveat deus ipse iuventae! nos tamen interea tenerum mactabimus haedum et pariter subitae peragemus fercula cenae. M. Nunc ad flumen oves deducite: iam fremit aestas, iam sol contractas pedibus magis admovet umbras.
Ekloge 7 [LYCOTAS, CORYDON]
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L. Lentus ab urbe venis, Corydon; vicesima certe nox fuit, ut nostrae cupiunt te cernere silvae, ut tua maerentes exspectant iubila tauri. C. O piger, o duro non mollior axe, Lycota, qui veteres fagos nova quam spectacula mavis cernere, quae patula iuvenis deus edit harena. L. Mirabar, quae tanta foret tibi causa morandi, cur tua cessaret taciturnis fistula silvis et solus Stimicon caneret, pallente corymbo quem sine te maesti [et] tenero donavimus haedo. nam, dum lentus abes, lustravit ovilia Thyrsis, iussit et arguta iuvenes certare cicuta. C. Sit licet invictus Stimicon et praemia dives auferat, accepto nec solum gaudeat haedo, verum tota ferat quae lustrat ovilia Thyrsis: non tamen aequabit mea gaudia; nec mihi, si quis omnia Lucanae donet pecuaria silvae, grata magis fuerint quam quae spectavimus urbe. L. Dic age dic, Corydon, nec nostras invidus aures despice: non aliter certe mihi dulce loquere, quam cantare soles, quotiens ad sacra vocatur aut fecunda Pales aut pastoralis Apollo. C. Vidimus in caelum trabibus spectacula textis surgere, Tarpeium prope despectantia culmen, immensosque gradus et clivos lene iacentes. venimus ad sedes, ubi pulla sordida veste inter femineas spectabat turba cathedras.
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bringe sie dann, Meliböus, dem Gott; denn dir ist’s gestattet, Phöbus’ Palast, sein heiliges Haus, von innen zu sehen. 160 Jenem wirst du mir gleich sein, der wegen der lieblichen Stimme Tityrus einst aus den Wäldern nach Rom, in die Hauptstadt, geführt hat, ihm die Götter gezeigt und gesagt hat: »Vergiss nun die Schafe, Tityrus, erst lasst uns Ländliches, dann aber Waffen besingen!« A. Möge das Glück in schönerem Glanz unsre Mühen beachten, 165 möge der Gott unsrer Jugendleistung gewogen sich zeigen! Lasst unterdessen ein zartes Böckchen zum Opfer uns schlachten und gemeinsam den Tisch für ein Mahl aus dem Stegreif bereiten! M. Führt nun hinunter zum Fluss eure Schafe; schon wütet die Hitze, schon lässt die Sonne kürzere Schatten den Füßen sich nähern.
LYKOTAS, KORYDON
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L. Endlich, Korydon, kehrst aus der Stadt du zurück; sicher zwanzig Nächte vergingen; die Wälder ersehnen dich wiederzusehen, traurig warten die Stiere auf deine jubelnden Rufe. K. Oh, wie stumpfsinnig bist du, Lykotas, und hart wie ein Holzklotz! Siehst du denn lieber die alternden Buchen als neuart’ge Spiele, welche in weiter Arena ein göttlicher Jüngling uns bietet? L. Fragt’ ich mich doch nach dem Grund, der dich drängte, so lange zu säumen, warum das Spiel deiner Flöte aus schweigenden Wäldern entschwunden und allein nur Stimikon sang, den mit blassgrünem Efeu und einem zarten Böckchen wir, ohne dich traurig, beschenkten. Als du so lange nicht da warst, entsühnte dann Thyrsis die Ställe, ließ auch die Knaben im Spiel der klingenden Flöte sich messen. K. Soll doch Stimikon siegen und reichliche Pfänder erhalten, soll er sich freuen, nicht nur, dass ein Böckchen sein Siegpreis geworden, mag er auch alle die Schafe, die Thyrsis entsühnt hat, bekommen, trotzdem wird nie seine Freude die meine erreichen noch wird mir, wollte man sämtliche Herden lukanischer Wälder mir schenken, dies so willkommen erscheinen wie das, was ich sah in der Weltstadt. L. Sprich doch, Korydon, sprich und missgönn es nicht unseren Ohren! Sicher wird deine Erzählung mich genauso entzücken wie deine Lieder, sooft einen Gott zum Opfer wir rufen, Pales, die segnende, oder Apollon, den Schutzgott der Hirten. K. Wie mit sich kreuzenden Balken die Zuschauerränge zum Himmel ansteigen, sah ich – fast schaut man zum Fels der Tarpeia hinunter, zahllose Stufen und mählich hinauf sich erhebende Ränge. Dort, wo in dunkler Kleidung die ärmeren Leute sich setzten, zwischen den Sitzen der Frauen, fanden auch wir unsre Plätze.
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nam quaecumque patent sub aperto libera caelo, aut eques aut nivei loca densavere tribuni. qualiter haec patulum concedit vallis in orbem et sinuata latus resupinis undique silvis inter continuos curvatur concava montes, sic ibi planitiem curvae sinus ambit harenae et geminis medium se molibus alligat ovum. quid tibi nunc referam, quae vix suffecimus ipsi per partes spectare suas? sic undique fulgor percussit. stabam defixus et ore patenti cunctaque mirabar necdum bona singula noram, cum mihi tum senior, lateri qui forte sinistro iunctus erat, »quid te stupefactum, rustice,© dixit, »ad tantas miraris opes, qui nescius auri sordida tecta, casas, et sola mapalia nosti? en ego iam tremulus et vertice canus et ista factus in urbe senex stupeo tamen omnia certe.« Vilia sunt nobis quaecumque prioribus annis vidimus, et sordet quidquid spectavimus olim. balteus en gemmis, en illita porticus auro certatim radiant; nec non, ubi finis harenae proxima marmoreo praebet spectacula muro, sternitur adiunctis ebur admirabile truncis et coit in rotulum, tereti qui lubricus axe impositos subita vertigine falleret ungues excuteretque feras. auro quoque torta refulgent retia, quae totis in harenam dentibus exstant, dentibus aequatis; et erat (mihi crede, Lycota, si qua fides) nostro dens longior omnis aratro. ordine quid referam? vidi genus omne ferarum, hic niveos lepores et non sine cornibus apros, hic raram silvis etiam, quibus editur, alcen. vidimus et tauros, quibus aut cervice levata deformis scapulis torus eminet aut quibus hirtae iactantur per colla iubae, quibus aspera mento barba iacet tremulisque rigent palearia saetis. nec solum nobis silvestria cernere monstra contigit: aequoreos ego cum certantibus ursis spectavi vitulos et equorum nomine dictum, sed deforme pecus, quod in illo nascitur amne, qui sata riparum vernantibus irrigat undis. a! trepidi quotiens sola discedentis harenae vidimus in partes, ruptaque voragine terrae emersisse feras; et in isdem saepe cavernis aurea cum subito creverunt arbuta nimbo.
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Denn alle Ränge, die frei unter offenem Himmel sich dehnen, füllten, sich drängend, die Ritter und, weißgekleidet, Tribunen. Ähnlich wie hier dieses Tal in gewaltigem Kreise sich rundet, allseits den sanft sich neigenden Hang und die Wälder umgreifend, rings von den Bergen in ununterbrochenem Bogen umschlossen, so legt sich dort um die Fläche der runden Arena im Bogen zwiefach die Masse der Ränge, ein Ei in der Mitte umlaufend. Was soll ich jetzt noch berichten? Vermochte ich selber doch schwerlich alles einzeln für sich zu betrachten; so schreckte mich ringsum strahlender Glanz. Wie gebannt blieb ich stehen mit offenem Munde, alles bestaunte ich, ohne den Wert eines jeden zu kennen, als da auf einmal ein Greis, der neben mir zu meiner Linken zufällig saß, zu mir sprach: »Was wundert’s dich, Mann von dem Lande, dass so gewaltige Pracht dich erstaunet? Denn Gold hast du sicher niemals gesehen, nur ärmliche Häuser, nur Hütten und Ställe. Siehe, auch ich, der ich hier in der Stadt ein Greis bin geworden, zitternd und grauhaarig, staune durchaus noch über dies alles.« Wertlos erschien mir, was ich in früheren Jahren gesehen, ärmlich und schmutzig, was ich zuvor dort habe betrachtet. Jetzt Balustraden, besetzt mit Juwelen, jetzt goldne Arkaden, die um die Wette erstrahlen; und dort, wo am Rand der Arena einer Umfriedung aus Marmor am nächsten die Spiele sich bieten, zieht ein Geländer sich hin auf Pfosten mit Elfenbeintrommeln; diese, vielfach bewundert, auf rundlicher Achse beweglich, täuschen durch plötzliche Drehung die greifenden Tatzen der Tiere, dass sie herabfallen. Golden auch funkeln geflochtene Netze, die an ganzen Tierzähnen in die Arena gespannt sind, gleichgroßen Zähnen; von diesen war jeder – glaub mir, Lykotas, wenn du mir jemals vertraust – noch größer als unsere Pflugschar. Muss ich der Reihe nach alles berichten? Ich habe gesehen, was es an Tieren nur gibt, weiße Hasen und Eber mit Hörnern, Elche sogar, die in ihren Wäldern nur selten sich zeigen. Stiere auch hab’ ich gesehen; den einen, mit aufrechtem Halse, ragt ein entstellender Höcker zwischen den Schultern, die ändern schütteln borstige Mähnen am Nacken, noch andere haben struppigen Kinnbart, von zitternden Borsten starrt ihre Wamme. Nicht nur gewaltige Tiere des Waldes durften wir sehen, sondern auch Seehunde, wie sie mit Bären im Kampfe sich maßen, bot sich den Augen als Schauspiel, ferner das Tier, das zwar Pferd heißt, aber ein hässliches Vieh, das in jenem Flusse zur Welt kommt, welcher im Frühling die Saat an den Ufern mit Wellen bewässert. Oh! Wie oft sah ich ängstlich den Grund der Arena sich teilen und aus geöffnetem Schlund, als sei klaffend die Erde geborsten, wilde Tiere entsteigen; und aus selbigen Höhlen wuchsen bei plötzlichem Regen des öfteren goldene Bäume.
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L. O felix Corydon, quem non tremebunda senectus impedit! o felix, quod in haec tibi saecula primos 75 indulgente deo demittere contigit annos! nunc, tibi si propius venerandum cernere numen fors dedit et praesens vultumque habitumque notasti, dic age dic, Corydon, quae sit mihi forma deorum. C. O utinam nobis non rustica vestis inesset: 80 vidissem propius mea numina! sed mihi sordes pullaque paupertas et adunco fibula morsu obfuerunt. utcumque tamen conspeximus ipsum longius; ac, nisi me visus decepit, in uno et Martis vultus et Apollinis esse putatur.
Lukan, De bello civili 1,33–66 Text und Übersetzung: U. LUCK 74f
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Quod si non aliam venturo fata Neroni Invenere viam magnoque aeterna parantur Regna deis caelumque suo servire Tonanti Non nisi saevorum potuit post bella Gigantum, Iam nihil, o superi, querimur; scelera ista nefasque Hac mercede placent; diros Pharsalia campos Inpleat et Poeni saturentur sanguine manes; Ultima funesta concurrant proelia Munda; His, Caesar, Perusina fames Mutinaeque labores Accedant fatis et quas premit aspera classes Leucas et ardenti servilia bella sub Aetna: Multum Roma tamen debet civilibus armis, Quod tibi res acta est. Te, cum statione peracta Astra petes serus, praelati regia caeli Excipiet gaudente polo; seu sceptra tenere, Seu te flammigeros Phoebi conscendere currus Telluremque nihil mutato sole timentem Igne vago lustrare iuvet, tibi numine ab omni Cedetur, iurisque tui natura relinquet, Quis deus esse velis, ubi regnum ponere mundi. Sed neque in arctoo sedem tibi legeris orbe, Nec polus aversi calidus qua vergitur Austri, Unde tuam videas obliquo sidere Romam. Aetheris inmensi partem si presseris unam, Sentiet axis onus. librati pondera caeli Orbe tene medio; pars aetheris illa sereni Tota vacet, nullaeque obstent a Caesare nubes.
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L. Korydon, oh, wie bist du doch glücklich; nicht zittriges Alter hindert dich Glücklichen; dir ist’s vergönnt durch die Gunst eines Gottes, 75 deine frühesten Jahre in dieses Jahrhundert zu senken! Jetzt nun, wenn dir aus der Nähe die heilige Gottheit zu schauen zufällig glückte und wenn du Gesicht und Gestalt dir gemerkt hast, sag mir, o Korydon, sag doch, wie schön die Götter denn aussehn! K. Hätte ich doch nur nicht solch bäurische Kleidung getragen! 80 Näher hätte ich dann meine Götter gesehn! Doch ich hatte dunkle und ärmliche Kleider, mit rundem Verschluss eine Spange; daher war’s mir verwehrt; aber dennoch hab’ ich von ferne jenen erblickt; und wenn mich da meine Augen nicht täuschten, hat er, so glaub’ ich, zugleich die Gestalt eines Mars und Apollon.
Doch wenn das Schicksal keinen anderen Weg fand, Nero an die Macht zu bringen, und eine ewige Herrschaft teuer bezahlt werden muss, (35) wenn sich der Himmel dem Donnerer, seinem Herrn, erst unterwerfen konnte, als der Krieg gegen die wilden Giganten beendet war – dann, ihr Himmlischen, wollen wir nicht länger klagen! Um solchen Lohn heißen wir dieses Verbrechen, diese Sünde gut. Auch wenn Pharsalia seine grausige Ebene mit Leichen füllt und die punischen Manen sich an Blut sättigen, (40) auch wenn bei Munda, dieser Stätte des Grauens, die letzte Schlacht geschlagen wird, auch wenn man, Caesar, zu all diesen vom Schicksal gewollten Schrecken die Hungersnot von Perusia, die Leiden von Mutina rechnet, die Flotte, die beim stürmischen Leukas vernichtet wurde, und die Sklavenkriege am Fuß des glühenden Ätna: dennoch verdankt Rom dem Bürgerkrieg viel; (45) denn was geschah, geschah um deinetwillen. Wenn deine Aufgabe erfüllt ist und du spät zu den Sternen aufsteigst, wird der Himmelspalast, den du uns dann vorziehst, dich zur Freude des Firmaments empfangen. Ob es dir gefällt, das Zepter zu halten oder Phoibos’ feuertragenden Wagen zu besteigen und die Erde, die von dieser neuen Sonne nichts zu befürchten hat, (50) durch dein schweifendes Licht zu erhellen – jede Gottheit macht dir Platz, und die Natur wird es deinem Gutdünken überlassen, welcher Gott du sein möchtest, wo du deine Weltherrschaft einzurichten gedenkst. Aber wähle deinen Thron nicht in der nördlichen Sphäre, auch dort nicht, wo der gegenüberliegende heiße Pol sich nach Süden senkt, (55) denn von dort aus könntest du mit deinem Licht nur schräg auf dein Rom strahlen. Wenn du nur auf einen Teil des unendlichen Äthers drückst, fühlt die Weltachse dein Gewicht. Bleib deshalb im Mittelpunkt der Sphäre, so dass der Himmel im Gleichgewicht verharrt; dieser Teil des Firmaments sei klar und heiter, und keine Wolken sollen Caesar uns verbergen!
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60 Tum genus humanum positis sibi consulat armis, Inque vicem gens omnis amet; pax missa per orbem Ferrea belligeri conpescat limina Iani. Sed mihi iam numen; nec, si te pectore vates Accipio, Cirrhaea velim secreta moventem 65 Sollicitare deum Bacchumque avertere Nysa: Tu satis ad vires Romana in carmina dandas.
Carmen Einsidlense 2 Text und Übersetzung: D. KORZENIEWSKI 80–85. GLYCERANUS, MYSTES G. Quid tacitus, Mystes? M. Curae mea gaudia turbant, cura dapes sequitur, magis inter pocula surgit et gravis anxietas laetis incumbere gaudet. G. Non satis accipio. M. Nec me iuvat omnia fari. 5 G. Forsitan imposuit pecori lupus? M. Haud timet hostes turba canum vigilans. G. Vigiles quoque somnus adumbrat. M. Altius est, Glycerane, aliquid quod non patet; erras. G. Atquin turbari sine ventis non solet aequor. M. Quod minime reris, satias mea gaudia vexat. 10 G. Deliciae somnusque solent adamare querellas. M Ergo si causas curarum scire laboras […………………………………………………] quae spargit ramos, tremula nos vestiet umbra. G. Venimus, et tenero corpus summittere prato herba iubet: tu dic, quae sit tibi causa tacendi. 15 M. Cernis ut attrito diffusus caespite pagus annua vota ferat sollemnisque imbuat aras? spirant templa mero. resonant cava tympana palmis, Maenalides teneras ducunt per sacra choreas, tibia laeta canit, pendet sacer hircus ab ulmo 20 et iam nudatis cervicibus exuit exta. nostri num dubio pugnant discrimine nati et negat huic aevo stolidum pecus aurea regna? Saturni rediere dies Astraeaque virgo, totaque in antiquos redierunt saecula mores.
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(60) Dann kann die Menschheit die Waffen niederlegen und an ihr Wohl denken; alle Völker dürfen sich gegenseitig lieben; der Frieden, der sich über die Welt verbreitet, soll das eiserne Tor des kriegerischen Janus schließen. Für mich aber bist du jetzt schon ein Gott, und wenn du mich zum Dichtertum begeisterst, dann brauche ich nicht den Gott anzurufen, der die delphischen Geheimnisse in sich trägt, noch Bakchos aus Nysa herzubitten: (66) du allein genügst, mir Kraft zu einer römischen Dichtung zu geben.
GLYKERANUS, MYSTES G. Warum so schweigsam, o Mystes? M. Sorge stört meine Freude, Sorge folgt auf das Essen, mehr noch entsteht sie beim Weine, und es freuet die Angst, sich lastend auf Frohe zu wälzen. G. Dies versteh’ ich nicht recht. M. Noch behagt es mir, alles zu sagen. 5 G. Hat gar ein Wolf dein Vieh überfallen? M. Nicht fürchtet der Hunde wachsame Meute die Feinde. G. Auch Wache umschattet der Schlummer. M. Etwas Tieferes ist es, nicht leicht zu erkennen; du irrst dich. G. Aber doch nicht ohne Sturm wird das Meer seine Wogen erregen. M. Was du am wenigsten glaubst, ein Überdruss quält meine Freude. 10 G. Üppiger Luxus und Schlaf lieben oft das mürrische Klagen. M. Wenn du so sehr dich bemühst, den Grund meiner Sorgen zu hören, [wollen wir lieber uns unter die hohe Platane dort setzen,] die sich astreich verzweigt; uns wird kleiden ihr zitternder Schatten. G. Nun sind wir hier, und die Glieder in zartem Grase zu strecken, lädt uns die Wiese; du aber sag uns den Grund deines Schweigens. 15 M. Siehst du, wie dort auf zertretenem Rasen zerstreut die Gemeinde jährliches Opfer begeht und die heiligen Altäre benetzet? Tempel duften nach Wein, die Hand lässt die Trommeln ertönen, Nymphen vom Mainalon führen beim Opfer zierlichen Reigen, froh erklinget die Flöte, geweiht hängt ein Bock an der Ulme, 20 und mit entblößtem Nacken zeigt er sein Inneres zum Opfer. Streiten noch jetzt unsre Söhne im Kampf mit fraglichem Ausgang? Törichtes Vieh auch bezeugt dieser Zeit eine goldene Herrschaft. Wiedergekehrt sind die Tage Saturns und die Jungfrau Asträa, unser Jahrhundert fand gänzlich zurück zu der alten Gesittung.
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25 condit securas tota spe messor aristas, languescit senio Bacchus, pecus errat in herba. nec gladio metimus nec clausis oppida muris bella tacenda parant, nullo iam noxia partu femina quaecumque est hostem parit, arva iuventus 30 nuda fodit tardoque puer domifactus aratro miratur patriis pendentem sedibus ensem. sed procul a nobis infelix gloria Sullae trinaque tempestas, moriens cum Roma supremas speravit [sortes] et Martia vendidit arma. 35 nunc tellus inculta novos parit ubere fetus, nunc ratibus tutis fera non irascitur unda, mordent frena tigres, subeunt iuga saeva leones. casta, fave, Lucina, tuus iam regnat Apollo!
Sueton, Augustus 94f Text und Übersetzung: H. MARTINET 294–305. 94,1 Et quoniam ad haec ventum est, non ab re fuerit subtexere, quae ei prius quam nasceretur et ipso natali die ac deinceps evenerint, quibus futura magnitudo eius et perpetua felicitas sperari animadvertique posset. 94,2 Velitris antiquitus tacta de caelo parte muri responsum est eius oppidi civem quandoque rerum potiturum; qua fiducia Veliterni et tunc statim et postea saepius paene ad exitium sui cum populo R. belligeraverant; sero tandem documentis apparuit ostentum illud Augusti potentiam portendisse.
94,3 Auctor est Iulius Marathus, ante paucos quam nasceretur menses prodigium Romae factum publice, quo denuntiabatur, regem p(opulo) R(omano) naturam parturire; senatum exterritum censuisse, ne quis illo anno genitus educaretur; eos qui gravidas uxores haberent, quod ad se quisque spem traheret, curasse ne senatus consultum ad aerarium deferretur.
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25 Sorglos birgt der Schnitter, den Hoffnung nicht trog, seine Ähren, mild wird der alternde Wein, und es streift auf den Wiesen die Herde. Niemand gebraucht bei der Ernte ein Schwert; keine Stadt mehr bereitet heimlichen Krieg bei verschlossenen Toren; kein Weib wird mehr ruchlos Feinde dem Staate gebären; die Jugend bestellt ihre Äcker 30 ohne die Waffen; der Sohn, gezähmt durch die langsame Pflugschar, wundert sich über das Schwert, das da hängt in dem Haus seines Vaters. Fern ist indes von uns jener glücklose Ruhm eines Sulla, dreifacher Sturm, als das sterbende Rom auf sein letztes Verhängnis wartete und seine Waffen in fremde Dienste verkaufte. 35 Jetzt trägt die Erde von selbst wieder neue Früchte in Fülle, jetzt sind sicher die Schiffe, nicht zürnet mehr rasend die Woge, Zügel dulden die Tiger, gewaltsames Joch tragen Löwen. Keusche Lucina, erweise dich huldreich, schon herrscht dein Apollon!
94,1 Da wir in unserer Darstellung an diesem Punkt angelangt sind, dürfte es nicht vom Zusammenhang wegführen, hier einzuflechten, was sich am Tag vor seiner Geburt, an seinem Geburtstag und am Tag danach ereignet hat, auf Grund dessen man seine künftige Größe und sein fortwährendes Glück erhoffen und erkennen konnte. 94,2 Als in Velitrae in alter Zeit in einen Teil der Stadtmauer der Blitz eingeschlagen hatte, hatte man die Antwort erhalten, einst werde sich ein Bürger dieser Stadt zum Herrn der Welt machen. Im Vertrauen auf diese Prophezeiung hatten die Bürger von Velitrae gleich damals und auch später recht häufig mit dem römischen Volk Krieg geführt, der fast bis zu ihrem Untergang gegangen war. Es musste erst viel Zeit ins Land gehen, da wurde ihnen aus den Vorgängen klar, dass jenes Zeichen von damals auf die Macht des Augustus hingewiesen hatte. 94,3 Aus der Feder des Iulius Marathus stammt folgende Nachricht: wenige Monate vor seiner Geburt habe sich mitten in Rom ein Wunderzeichen ereignet, durch das kundgetan wurde, die Natur drohe, dem römischen Volk einen König hervorzubringen. Das schreckte den Senat auf, und er beschloss, dass kein Junge, der in dem betreffenden Jahr auf die Welt komme, großgezogen werden dürfe. Diejenigen, deren Frauen schwanger waren, hätten dafür gesorgt, dass der Senatsbeschluss nicht in Kraft trete; denn jeder bezog ja die Hoffnung eines solchen Sohnes auf sich.
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94,4 In Asclepiadis Mendetis »Theologumenon« libris lego, Atiam, cum ad sollemne Apollinis sacrum media nocte venisset, posita in templo lectica, dum ceterae matronae dormirent, obdormisse; draconem repente irrepsisse ad eam pauloque post egressum; illam expergefactam quasi a concubitu mariti purificasse se; et statim in corpore eius extitisse maculam velut picti draconis nec potuisse umquam exigi, adeo ut mox publicis balineis perpetuo abstinuerit; Augustum natum mense decimo et ob hoc Apollinis filium existimatum. eadem Atia, prius quam pareret, somniavit intestina sua ferri ad sidera explicarique per omnem terrarum et caeli ambitum. somniavit et pater Octavius utero Atiae iubar solis exortum.
94,5 Quo natus est die, cum de Catilinae coniuratione ageretur in curia et Octavius ob uxoris puerperium serius affuisset, nota ac vulgata res est P. Nigidium comperta morae causa, ut horam quoque partus acceperit, affirmasse dominum terrarum orbi natum. Octavio postea, cum per secreta Thraciae exercitum duceret, in Liberi patris luco barbara caerimonia de filio consulenti, idem affirmatum est a sacerdotibus, quod infuso super altaria mero tantum flammae emicuisset, ut supergressa fastigium templi ad caelum usque ferretur, unique omnino Magno Alexandro apud easdem aras sacrificanti simile provenisset ostentum. (6) atque etiam sequenti statim nocte videre visus est filium mortali specie ampliorem, cum fulmine et sceptro exuviisque Iovis Optimi Maximi ac radiata corona, super laureatum currum, bis senis equis candore eximio trahentibus. infans adhuc, ut scriptum apud C. Drusum extat, repositus vespere in cunas a nutricula loco plano, postera luce non comparuit diuque quaesitus tandem in altissima turri repertus est iacens contra solis exortum.
94,7 Cum primum fari coepisset, in avito suburbano obstrepentis forte ranas silere iussit, atque ex eo negantur ibi ranae coaxare. ad quartum lapidem Campanae viae in nemore prandenti ex inproviso aquila panem ei e manu rapuit et, cum altissime evolasset, rursus ex inproviso leniter delapsa reddidit.
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94,4 In den »Untersuchungen über Gott und göttliche Dinge« des Asklepiades aus Mendes lese ich: Als Atia um Mitternacht zu einem feierlichen Gottesdienst des Apollo gekommen war und man ihre Sänfte im Tempel abgestellt hatte, sei sie, während die übrigen Frauen bereits schliefen, auch eingenickt. Plötzlich sei eine Schlange zu ihr gekrochen, wenig später habe diese sie wieder verlassen; aufgewacht habe sie sich gereinigt, wie wenn sie mit ihrem Mann zusammen gewesen wäre. Und im gleichen Moment habe sich auf ihrem Körper ein Mal gezeigt, so ungefähr vom Aussehen einer Schlange, die man aufgemalt hat, und das habe sich niemals mehr entfernen lassen, so dass sie seitdem nie mehr in öffentliche Bäder gegangen sei. Augustus sei im zehnten Monat danach geboren worden und deswegen für einen Sohn des Apollo gehalten worden. Bevor sie niederkam, träumte Atia, das, was sie in sich trug, werde zu den Sternen getragen und breite sich über Himmel und Erde in ihrer ganzen Ausdehnung aus. Und auch der Vater Octavius träumte, aus Atias Schoß komme das strahlende Licht der Sonne hervor. 94,5 An dem Tag, als er geboren wurde, verhandelte man im Senat über die Verschwörung des Catilina, und Octavius kam wegen der Niederkunft seiner Frau zu spät zur Sitzung; an diesem Tag ist es nun geschehen, es ist allen bekannt und jeder weiß es, dass P. Nigidius, als er den Grund für das Zuspätkommen herausbekommen und auch die Geburtsstunde in Erfahrung gebracht hatte, behauptet hat, es sei der Herr der Welt geboren. Als später Octavius durch die entlegenen Landstriche Thrakiens ein Heer führte und im Hain des Liber Pater die feierlichen Handlungen der Barbaren nach seinem Sohn befragte, wurde von den Priestern dasselbe behauptet, weil aus dem Wein, den man über die Altäre gegossen hatte, eine Flamme so hoch herausschoss, dass sie über den Giebel des Tempels bis zum Himmel hochgestiegen sei. Einzig und allein Alexander dem Großen sei genau an diesen Altären, als er ein Opfer darbrachte, ein ähnliches Wunderzeichen zuteil geworden. (6) Und auch in der unmittelbar darauf folgenden Nacht schien es ihm, als sehe er seinen Sohn in übermenschlicher Größe mit Blitz und Zepter, im Prunkgewand des Juppiter Optimus Maximus und mit einer Strahlenkrone, oben auf einem mit Lorbeer bekränzten Wagen, den zweimal sechs strahlendweiße Pferde zogen. Als er noch ein ganz kleines Kind war, hatte ihn – das kann man noch bei C. Drusus nachlesen – seine Amme abends an einem Ort im Parterre in seine Wiege gelegt; am nächsten Morgen aber war er nicht mehr da, da hat man lange nach ihm gesucht und ihn schließlich im höchsten Zimmer eines Turmes gefunden, wo er der aufgehenden Sonne zugewandt lag. 94,7 Als er zu sprechen anfing, befahl er auf dem Landgut seines Großvaters nahe der Stadt den Fröschen, die dort durch die Fügung des Schicksals Lärm machten, mit dem Gequake aufzuhören, und seitdem sollen dort die Frösche nicht mehr quaken, so heißt es. Als er beim vierten Meilenstein der Kampanischen Straße in einem Wald frühstückte, riss ihm ein Adler aus heiterem Himmel das Brot aus der Hand und glitt, nachdem er damit bis zum höchsten Punkt aufgestiegen war, sanft herab und gab es ihm wieder unversehens zurück.
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94,8 Q. Catulus post dedicatum Capitolium duabus continuis noctibus somniavit: prima, Iovem Optimum Maximum e praetextatis compluribus circum aram ludentibus unum secrevisse atque in eius sinum signum rei p. quod manu gestaret reposuisse; at insequenti, animadvertisse se in gremio Capitolini Iovis eundem puerum, quem cum detrahi iussisset, prohibitum monitu dei, tamquam is ad tutelam rei p. educaretur; ac die proximo obvium sibi Augustum, cum incognitum alias haberet, non sine admiratione contuitus simillimum dixit puero, de quo somniasset. quidam prius somnium Catuli aliter exponunt, quasi Iuppiter compluribus praetextatis tutorem a se poscentibus unum ex eis demonstrasset, ad quem omnia desideria sua referrent, eiusque osculum delibatum digitis ad os suum ret[t]ulisset.
94,9 M. Cicero C. Caesarem in Capitolium prosecutus somnium pristinae noctis familiaribus forte narrabat: puerum facie liberali demissum e caelo catena aurea ad fores Capitoli constitisse eique Iovem flagellum tradidisse; deinde repente Augusto viso, quem ignotum plerisque adhuc avunculus Caesar ad sacrificandum acciverat, affirmavit ipsum esse, cuius imago secundum quietem sibi obversata sit.
94,10 Sumenti virilem togam tunica lati clavi resuta ex utraque parte ad pedes decidit. fuerunt qui interpretarentur, non aliud significare, quam ut is ordo, cuius insigne id esset, quandoque ei subiceretur. 94,11 Apud Mundam Divus Iulius castris locum capiens cum silvam caederet, arborem palmae repertam conservari ut omen victoriae iussit; ex ea continuo enata suboles adeo in paucis diebus adolevit, ut non aequiperaret modo matricem, verum et obtegeret frequentafeturque columbarum nidis, quamvis id avium genus duram et asperam frondem maxime vitet. illo et praecipue ostento motum Caesarem ferunt, ne quem alium sibi succedere quam sororis nepotem vellet.
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94,8 Q. Catulus träumte in den der Einweihung des Kapitols folgenden zwei Nächten folgendes: Juppiter Optimus Maximus habe einen von mehreren Jungen, die um den Altar herum spielten, beiseite genommen und ihm das Siegel des römischen Staates, das er in der Hand trug, zurück in den Schoß gelegt; und in der darauf folgenden Nacht sah er denselben Jungen auf dem Schoß des Kapitolinischen Juppiter, und als er befohlen habe, ihn herunterzuziehen, wurde er durch die Warnung des Gottes daran gehindert, mit der Feststellung, der Junge werde zum Schutz des Staates erzogen. Und als ihm am nächsten Tag Augustus begegnet sei, habe er ihn, obwohl er ihn sonst noch nie kennengelernt hatte, ganz verwundert angeschaut und gesagt, er sehe dem Jungen wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, von dem er geträumt habe. Einige erzählen den ersten der beiden Träume des Catulus anders, nämlich in folgender Version: Juppiter habe, als mehrere Jungen von ihm einen Vormund verlangten, auf einen von ihnen gezeigt, dem sie alle ihre Wünsche vortragen sollten, und er habe seine Finger geküsst, diesen Kuss habe Juppiter erwidert, indem er den Kuss von seinen Fingern auf den Mund nahm. 94,9 Als M. Cicero einmal C. Caesar auf das Kapitol begleitete, erzählte er seinen Freunden so ganz nebenher von seinem Traum der vorausgegangenen Nacht: Ein Junge von edlem Aussehen sei an einer goldenen Kette vom Himmel herabgelassen worden, sei an der Tür des Kapitols stehen geblieben, und Juppiter habe ihm eine Geißel übergeben. Da erblickte er plötzlich den Augustus, den die meisten bis dahin noch nicht kennen gelernt hatten und den sein Onkel Caesar zum Opfer hatte hinzukommen lassen, und er versicherte, er sei der Junge, dessen Bild ihm während des Schlafes erschienen sei. 94,10 Als Augustus die Männertoga anlegte, fiel ihm die Tunika mit dem breiten Purpursaum zu Füßen, weil an beiden Seiten die Naht aufgegangen war. Es gab Leute, die das so auslegten, dies könne nichts anderes bedeuten, als dass der Stand, dessen Zeichen dieser Saum sei, sich ihm einmal unterwerfen werde. 94,11 Als der göttliche Iulius einmal bei Munda einen Wald abholzen ließ, um einen Lagerplatz zu haben, befahl er, eine Palme, die man gefunden hatte, als günstiges Zeichen für den Sieg stehen zu lassen. Sofort trieb sie einen Schössling hervor, der in wenigen Tagen so sehr wuchs, dass er nicht nur so groß war wie der Stamm, sondern den noch überdeckte und ganze Schwärme von Tauben darin ihre Nester bauten, wo doch gerade diese Vogelart sehr hartes Laub ganz besonders meidet. Besonders durch dieses Vorzeichen soll Caesar bewegt worden sein, keinen anderen als Nachfolger haben zu wollen als den Enkel seiner Schwester.
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94,12 In secessu Apolloniae Theogenis mathematici pergulam comite Agrippa ascenderat; cum Agrippae; qui prior consulebat, magna et paene incredibilia praedicerentur, reticere ipse genituram suam nec velle edere perseverabat, metu ac pudore ne minor inveniretur. qua tamen post multas adhortationes vix et cunctanter edita exilivit Theogenes adoravitque eum. tantam mox fiduciam fati Augustus habuit, ut thema suum vulgaverit nummumque argenteum nota sideris Capricorni, quo natus est, percusserit.
95 Post necem Caesaris reverso ab Apollonia et ingrediente eo urbem repente liquido ac puro sereno circulus ad speciem caelestis arcus orbem solis ambiit ac subinde Iuliae Caesaris filiae monimentum fulmine ictum est. primo autem consulatu et augurium capienti duodecim se vultures ut Romulo ostenderunt et immolanti omnium victimarum iocinera replicata intrinsecus ab ima fibra paruerunt, nemine peritorum aliter coiectante quam laeta per haec et magna portendi.
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94,12 Bei seinem Aufenthalt im fernen Apollonia war er in Begleitung Agrippas zum Observatorium des Astrologen Theogenes aufgestiegen. Als dem Agrippa, der ihn als erster befragte, Großes und fast Unglaubliches vorausgesagt wurde, schwieg er hartnäckig über seine Geburtsstunde und war nicht dazu zu bewegen, sie herauszurücken, aus Furcht oder Scham, dass sie als weniger bedeutend befunden werde. Als er sie dann doch nach vielem guten Zureden mit Mühe und zögerlich preisgab, sprang Theogenes auf und bezeigte ihm seine Verehrung. Für die Zukunft hatte Augustus so großes Vertrauen in sein Schicksal, dass er sein Sternbild allgemein bekannt machte und eine Silbermünze mit dem Sternbild des Steinbocks, unter dem er geboren wurde, prägen ließ. 95 Als er nach Caesars Ermordung von Apollonia zurückkehrte und Rom betrat, umgab plötzlich – am Himmel war kein Wölkchen zu sehen – ein Kreis, der so aussah wie ein Regenbogen, die Sonne, und dann schlug in das Grabmal von Caesars Tochter Iulia ein Blitz ein. In seinem ersten Konsulat zeigten sich ihm, als er den Flug der Vögel beobachtete, zwölf Geier, wie dem Romulus, und als er opferte, schien die Leber aller Opfertiere von der untersten Faser nach innen eingeschlagen; dies hat keiner derjenigen, die sich darauf verstanden, anders ausgelegt, als dass dadurch glücksträchtige und große Zeiten prophezeit würden.
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Die Zitation erfolgt mit Verfassername und Titelstichwort. Die Abkürzungen der biblischen Bücher richten sich nach den Loccumer Richtlinien, die der antiken Autoren nach DNP 1 (1996), XXXIX–XLVII (mit Ausnahme von Josephus: Jos. bell. bzw. Jos. ant.), die Abkürzungen der wissenschaftlichen Monographien, Sammelwerke und Zeitschriften nach S.M. SCHWERTNER, Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992.
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Abbildungsnachweis
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Musei Vaticani, Rom (Foto nach P. ZANKER, Augustus 194 Abb. 148b) Musei Vaticani, Rom (Foto nach P. ZANKER, Augustus 193 Abb. 148a) Museo dell’ Ara Pacis, Rom (Foto nach P. ZANKER, Augustus 179 Abb. 136) British Museum, London, Museum Registration Number 1814,0704.1546 (© The Trustees of the British Museum) (Foto nach K. GALINSKY, Augustan Culture 118 Abb. 56) Hirmer Archive, München, Nr. 2001.613 R (Foto nach K. GALINSKY, Augustan Culture 116 Abb. 53) Kunsthistorisches Museum, Wien (Foto nach A. ALFÖLDI, Weltherrscher 385 Abb. 12) Deutsches Archäologisches Institut, Rom (Foto nach E. BUCHNER, Solarium Augusti 353 Abb. 13 und 14) Kunsthistorisches Museum, Wien, ANSA IX A 79 (Foto nach K. GALINSKY, Augustan Culture 120 Abb. 57)
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Stellenregister
Altes Testament (und Septuaginta) Gen 16,11...................................71 17........................................72 17,7.....................................71 17,15–22.............................17 17,19...................................71 18,1–15...............................17 21,1–8.................................17 26,3.....................................72 Ex 2,24.....................................72 3,7–12.................................17 3,16.....................................72 4,31.....................................72 6,6.......................................72 13,19...................................72 15,1–18...............................20 15,21...................................20 23,20.............................71, 81 Lev 10,9.....................................71 17f ....................................100 Num 6,3.......................................71 24,17.............................67, 73 Dtn 15,4.....................................76 32,1–43...............................20 Ri 5,1–31.................................20 5,24.....................................74 6,11–24...............................17 6,12.....................................72 13,2–24...............................17 13,7.....................................71 1 Sam 1–2......................................17 1,15.....................................71 2,1–10...........................20, 71 9,17–10,7............................17
2 Sam 7,12–16 ...................... 72, 100 22,1–51 .............................. 20 1 Kön 1,11 LXX ........................... 71 13,2 .................................... 71 17,17–24 .......................... 101 19,10 .................................. 73
42,6.....................................72 49,6 (LXX)...................72, 94 49,9.....................................72 60,1–3...........................67, 73 60,1–5.................................72 60,19f .................................72 65,17–25.............................54
2 Kön 4,18–37 ............................ 101
Jer 1,4–10.................................17 23,5 (LXX)...................67, 73 33,15...................................67
Neh 9,26 .................................... 73
Joel 3,1–5...................................94
Jdt 13,18 .................................. 74 16,1–21 .............................. 19
Am 9,11f .................................100
2 Makk 4,47 .................................... 75 12,25 .................................. 75 Ps 2,7 ...................................... 73 89,25 .................................. 73 132,17 ................................ 73 Weish 7,1–6 .................................. 69 7,4 ...................................... 69 Sir 48,10 .................................. 71 Jes 6,9f LXX.......................... 100 7,14 .................................... 71 9,1 ................................ 67, 73 11,6–8 ........................ 54, 100 28,27 LXX ....................... 100 29,19–24 ............................ 72 33,17–24 ............................ 54 40,3 .............................. 71, 81
Jon 2,3–10.................................19 Mich 7,20.....................................71 Sach 3,8.................................67, 73 6,12.....................................67 6,12 LXX............................73 Mal 3,1.................................71, 81 3,23f ...................................71
Frühjüdische Literatur Qumran 0QShirShab ........................20 4Q400–407.........................20 4Q174 3,10–13...................72 4Q175 9–13........................73 11Q17 .................................20 CD 7,18–21 ........................73 Jub 1,12.....................................73
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Stellenregister
PsSal 2..........................................20 5..........................................20 17,21...................................72 Sib 3,367–380...........................54 3,616–623...........................54 3,652–656...........................54 3,767–795...........................54 5,158...................................73 4 Makk 8,2.......................................75 TestJud 22,3.....................................72 24,1–5.................................73 TestLev 18,3.....................................73 SyrBar 54,10...................................74 Phil. Abr. 235 .............................76 Jos. ant. 9,265–267....................73 ant. 10,38f ..........................73 ant. 12,11............................75 ant. 12,46............................75 ant. 18,4–9..........................78 ant. 18,23–25......................78 bell. 1,154...........................82 bell. 1,633...........................64 bell. 2,4...............................75 bell. 2,118.....................78, 82 bell. 2,433...........................78 bell. 3,400f .........................60 bell. 4,618.....................66, 81 bell. 4,622f .........................60 bell. 4,655f .........................66 bell. 4,656...........................81 bell. 6,312f .........................60 bell. 7,71.......................62, 66 bell. 7,123–128...................66 bell. 7,253–259...................78
Neues Testament Mt 2,2.......................................66
2,9 ...................................... 66 5,31 .................................... 75 19,3–9 ................................ 75 Mk 1,1 ...................................... 81 1,2f..................................... 81 1,14f................................... 81 10,2 .................................... 75 10,4 .................................... 75 10,11f................................. 75 10,42–44 ...................... 94, 95 12,13–17 ...................... 82, 87 15,6–15 .............................. 75 Lk 1 ......................................... 97 1–2 .................. 13, 17, 66, 72, 76, 83, 90, 98, 101 1,1–4 .......................... 15, 102 1,3 ...................................... 22 1,5 ...................................... 74 1,5–7 .................................. 15 1,5–25 ................................ 16 1,6 ...................................... 74 1,9 ...................................... 74 1,11 .............................. 65, 74 1,13 .................................... 71 1,13–17 .............................. 16 1,14 .................................... 64 1,15 .................................... 71 1,15c ............................ 15, 16 1,16f................................... 74 1,17 .................................... 71 1,19 .................................... 66 1,20 .................................... 70 1,24 .................................... 70 1,26 .............................. 65, 74 1,26f................................... 15 1,26–38 .............................. 16 1,27 .............................. 15, 72 1,28 .................................... 72 1,30–33 .............................. 16 1,31 .................................... 71 1,31–35 .............................. 18 1,32 .............................. 65, 72 1,32f....................... 64, 72, 98 1,33 ............................ 74, 100 1,34 .................................... 15 1,35 .............................. 65, 73 1,39–56 ........................ 15, 16 1,41 .................................... 65 1,41–44 .............................. 15
1,42...............................15, 74 1,43...............................16, 66 1,44.....................................64 1,46.....................................19 1,46b...................................18 1,46f ...................................71 1,46–55...................16, 18, 71 1,47...................18, 21, 64, 65 1,48...................18, 21, 72, 75 1,48b...................................71 1,48–55...............................76 1,49a ...................................18 1,49b...................................18 1,49f ...................................70 1,50.........................18, 72, 75 1,51–53.........................18, 75 1,52.....................................92 1,54.........................21, 70, 74 1,54f ...................................18 1,55...................70, 71, 74, 98 1,57–80...............................16 1,58.....................................64 1,59.....................................74 1,64...............................64, 70 1,65f ...................................19 1,67.....................................65 1,68...................19, 21, 64, 74 1,68f ...................................65 1,68–75...................19, 71, 72 1,68–79.........................16, 18 1,69...................21, 64, 72, 73 1,70...............................71, 74 1,71...............................65, 75 1,72.....................................70 1,72f .......................70, 71, 98 1,73.....................................74 1,74...............................65, 75 1,75.....................................64 1,76.....................................71 1,76f ...................................21 1,76–78a .............................19 1,76–79...............................71 1,77.....................................65 1,78...................66, 67, 70, 73 1,78b...................................19 1,78f .....................21, 67, 102 1,79.........................19, 64, 75 1,80.....................................74 2..........................................86 2,1.........63, 64, 66, 69, 78, 85 2,1–5...................................78 2,1–21...........................16, 85 2,2.......................................78
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Stellenregister 2,4.......................................72 2,7.......................................69 2,8–20.................................86 2,9...........................65, 67, 74 2,10.........................64, 66, 74 2,10–14...............................18 2,11.............65, 66, 72, 73, 98 2,12...............................65, 69 2,13...................20, 65, 66, 74 2,14..................16, 20, 21, 64, 65, 70, 75, 90 2,17f ...................................18 2,21.....................................74 2,22.....................................74 2,22–24...............................74 2,22–40...............................16 2,25.....................................74 2,26...............................65, 72 2,27.....................................74 2,28...............................20, 64 2,29...............................64, 75 2,29–32..................16, 18, 20, 21, 65, 70 2,30.....................................65 2,31f ...................................21 2,32...............................67, 74 2,33.....................................18 2,34...................65, 74, 75, 99 2,34f ...................................73 2,36...............................65, 74 2,37.....................................74 2,38.........................64, 65, 74 2,39.....................................74 2,41.....................................74 2,41–52...................16, 64, 65 2,46.....................................74 2,48.....................................18 3,15.....................................73 3,16f ...................................15 4,14–22,2............................96 4,17–21...............................98 6,22.....................................69 6,37.....................................75 7,11–17.............................101 7,26f ...................................15 8,40–56.............................101 12,4–12...............................69 13,1–5.................................87 13,33f .................................73 15,1.....................................99 15,5.....................................99 16,16.............................96, 97 16,18...................................75
19,28 ................................ 101 20,19 .................................. 82 20,20 ............................ 82, 93 20,20–26 ...................... 82, 87 20,22 .................................. 82 22,24–26 ............................ 93 22,25f................................. 94 22,28–30 ............................ 93 22,67 .................................. 73 23,35 .................................. 73 23,38 .................................. 93 23,39 .................................. 73 24,13–35 ................ 70, 73, 92 24,17 .................................. 93 24,19f................................. 73 24,20 .................................. 93 24,21 .................................. 93 24,26 ............................ 73, 93 24,27 ............................ 73, 93 24,30f................................. 93 24,31 .................................. 73 24,32 .................................. 93 24,50–53 .................... 77, 101 Joh 1,15–17 .............................. 70 1,76 .................................... 70 18,39 .................................. 75 19,10 .................................. 75 19,12 .................................. 75 Apg 1–5 ..................................... 92 1,21f................................. 101 1,4–14 .............................. 101 1,5 ...................................... 94 1,6–8 ............................ 70, 93 1,8 ...................................... 94 1,9–11 ................................ 95 2,1ff.................................... 96 2,17–21 .............................. 94 2,44f............................. 76, 92 3,13 .................................... 75 4,27 .................................... 91 4,32 .............................. 76, 92 4,34 .................................... 76 4,34f............................. 76, 92 5,40 .................................... 75 7,55f........................... 95, 101 8,1a .................................. 101 8,5–40 .............................. 101 9,1–19a ............................ 101 9,2 .................................... 102
9,22.....................................73 9,36–43.............................101 10,1–48...............................99 10,1–11,8..........................100 10,25f .................................91 11,1–18...............................99 11,18...................................99 12,20–23.............................91 13,16...................................95 13,16–22.............................98 13,16–23.............................96 13,22f .................................95 13,23...................................98 13,46f .................................99 13,47...................................94 13,50...................................88 14,2.....................................69 14,5.....................................69 14,5–20...............................91 14,15–17.............................68 14,19...................................69 15,1–29.............................100 15,16.................................100 15,20.................................100 15,29.................................100 16,16–22.............................69 16,35f .................................75 17,5–7.................................88 17,9.....................................69 17,13...................................88 17,22–31.............................68 18,5–7.................................99 18,12ff ................................88 18,12–17.............................88 18,14f .................................89 18,15...................................88 19,8f ...................................99 19,23–40.............................68 20,7–12.............................101 21–28..................................88 21,27ff ................................88 23,12–15.............................88 24,1ff ..................................88 24,2f ...................................92 24,26f .................................88 25,3.....................................88 25,5.....................................88 25,9.....................................88 25,18...................................88 25,25...................................88 25,26...................................66 26,1–27...............................97 26,31f .................................88
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Stellenregister
26,32...................................75 27–28..................................97 28,16–31.....................68, 102 28,18...................................75 28,26f ...............................100 Röm 1,4.......................................95
Griechisch-römische Literatur Anth. Pal. 5,30f ...................................45 App. civ. 5,1,7.............................75 Aristeid. or. 26 ............................53, 57 or. 26,6–13 .........................59 or. 26,11–13 .......................61 or. 26,29f ............................59 or. 26,32 .............................60 or. 26,59f ............................59 or. 26,61 .............................59 or. 26,64–66 .......................59 or. 26,69–71 .......................58 or. 26,85 .............................59 or. 26,89–91 .......................59 or. 26,97 .............................58 or. 26,99 .............................58 or. 26,100 ...........................61 or. 26,101 ...........................58 or. 26,102–104 ...................59 or. 26,103 ...........................67 or. 26,104f..........................60 or. 26,106 .....................25, 61 or. 26,107 ...........................59 or. 29,36–39 .......................59 Aristot. eth. Nic. 1159b 31–33........76 eth. Nic. 1168b 6–8............76 pol. 1263a 30......................76 Aug. res gestae 13 .......................38 Calp. ecl. 1 .........47, 48, 54, 65, 132 ecl. 1,20–32..................55, 60 ecl. 1,33f.............................60
ecl. 1,37–42 ....................... 58 ecl. 1,42.............................. 48 ecl. 1,42–45 ....................... 58 ecl. 1,43f ............................ 58 ecl. 1,44f ...................... 48, 59 ecl. 1,52–57 ....................... 58 ecl. 1,69–73 ....................... 58 ecl. 1,71f ............................ 58 ecl. 1,72.............................. 60 ecl. 1,74–78 ....................... 59 ecl. 1,77–79 ....................... 67 ecl. 1,84–88 ....................... 59 ecl. 1,87............................ 100 ecl. 1,89.............................. 55 ecl. 1,92f ............................ 55 ecl. 1,94.............................. 49 ecl. 4...................... 47, 48, 50, 54, 65, 136 ecl. 4,5–8...................... 51, 55 ecl. 4,7f .............................. 60 ecl. 4,8.......................... 58, 59 ecl. 4,12–15 ....................... 51 ecl. 4,58.............................. 51 ecl. 4,62–72 ....................... 47 ecl. 4,82–146 ..................... 55 ecl. 4,84–86 ....................... 60 ecl. 4,84.............................. 59 ecl. 4,85.............................. 58 ecl. 4,86.............................. 58 ecl. 4,92–94 ....................... 60 ecl. 4,97–100 ..................... 62 ecl. 4,100............................ 60 ecl. 4,102–126 ................... 61 ecl. 4,107............................ 59 ecl. 4,108–111 ................... 62 ecl. 4,112............................ 60 ecl. 4,112–116 ................... 62 ecl. 4,117–121 ............. 59, 62 ecl. 4,122–126 ................... 58 ecl. 4,127–136 ................... 58 ecl. 4,132............................ 60 ecl. 4,141............................ 60 ecl. 4,142–145 ................... 60 ecl. 4,144f .................. 59, 100 ecl. 4,146............................ 58 ecl. 4,158f .......................... 49 ecl. 7..................... 47, 48, 144 ecl. 7,6................................ 60 ecl. 7,36.............................. 48 ecl. 7,41.............................. 48 ecl. 7,47.............................. 48 ecl. 7,48.............................. 48 ecl. 7,53.............................. 48
ecl. 7,72 ..............................48 ecl. 7,76–78 ........................60 ecl. 7,83f.............................60 Carm. Einsid. 1..........................................91 1,17f ...................................56 1,20.....................................56 1,25.....................................56 1,38–41...............................50 1,45–49...............................50 2............................54, 65, 150 2,1–3...................................51 2,2.......................................51 2,9.......................................51 2,11.....................................51 2,15–20...............................51 2,15–38...............................51 2,22f ...................................51 2,23f ...................................59 2,24.....................................60 2,25–30...............................62 2,25–36...............................58 2,25–38...............................61 2,35–37...............................62 2,37.....................................51 2,38.....................................51 Cass. 60,35,1................................67 61,21,2................................50 62,29,1................................50 Cic. off. 1,16,51 .........................76 Curt. 10,9,3f ................................67 Eur. Andr. 375f ..........................76 Or. 735................................76 Phoen. 243..........................76 Gell. 1,21,2..................................34 Hdt. 4,14f ...................................56 Hes. erg. 106–201.......................25 erg. 117f .............................62
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Stellenregister Hor. carm. 1,2,45f ..............59, 100 carm. 4................................31 carm. 4,5...............31, 54, 112 carm. 4,5,5–8................58, 67 carm. 4,5,17–19..................58 carm. 4,5,17–20..................61 carm. 4,5,21–24..................59 carm. 4,5,25–28..................58 carm. 4,5,29–31..................58 carm. 4,5,32–40..................60 carm. 4,5,37–40..................31 carm. 4,5,38........................58 carm. 4,15.............31, 54, 114 carm. 4,15,4........................31 carm. 4,15,4f ......................62 carm. 4,15,5........................61 carm. 4,15,6–9....................58 carm. 4,15,9–14..................61 carm. 4,15,14–16................59 carm. 4,15,17–24................58 carm. 4,15,25–32..........31, 61 carm. saec...................54, 106 carm. saec. 8.......................55 carm. saec. 9f .....................59 carm. saec. 13–16...............30 carm. saec. 17–19...............61 carm. saec. 17–20...............30 carm. saec. 25–28...............60 carm. saec. 28.....................58 carm. saec. 29–32.........30, 61 carm. saec. 45.....................30 carm. saec. 48.....................30 carm. saec. 51–56...............30 carm. saec. 53–56...............59 carm. saec. 53–57...............58 carm. saec. 57–60.........30, 61 carm. saec. 60...............30, 39 carm. saec. 66–68...............30 carm. saec. 67f ...................58 carm. saec. 74.....................58 epod. 1,12,29......................62 epod. 16......................54, 110 epod. 16,1–14.....................31 epod. 16,9...........................31 epod. 16,15–40...................31 epod. 16,41f .......................31 epod. 16,43–56.............31, 61 epod. 16,61f .................31, 61 epod. 16,63–65...................31 epod. 16,65f .......................31 serm. 2,1,11........................31 serm. 2,5,62–64..................31
Iuv. 6,17f................................... 27 Lucan. 1,33–45 ........................ 49, 69 1,33–66 ...................... 69, 148 1,34f................................... 49 1,45–62 .............................. 69 1,48f................................... 91 1,52 .............................. 49, 59 1,60–62 ........................ 49, 58 1,63 .................................... 91 1,63–66 ........................ 50, 56 1,66 .................................... 91 Lukian. Merc. Cond. 20 .................. 76 Ov. am. 3,8 ............................... 45 am. 3,8,35–42 .................... 27 am. 3,8,47–60 .................... 27 ars 2,273–280 .................... 45 ars 2,277f ........................... 45 ars 3,113f ........................... 45 ars 3,121f ........................... 45 fast. 1,189–198 .................. 45 fast. 1,213–226 .................. 45 met. 1,89–112 .................... 45 met. 1,89–150 .................... 25 met. 1,128–151 .................. 27 met. 1,136f......................... 27 met. 1,109–112 .................. 61 met. 1,128–151 .................. 27 met. 1,136f......................... 27 Plat. Krat. 397e–398c ................ 26 Kritias 110cd ..................... 26 Mx. 245a............................ 75 leg. 679a–c......................... 26 leg. 713a–714a................... 25 leg. 739c............................. 76 polit. 268d–274d................ 25 rep. 415a–c......................... 26 rep. 424a ............................ 76 rep. 468e ............................ 26 rep. 546e–547b .................. 26 Plin. nat. hist. 2,9,93f ................. 29 nat. hist. 2,92 ..................... 67
Plut. mor. 65a..............................76 mor. 143a............................76 mor. 407b ...........................56 mor. 767e............................76 Prop. 2,32.....................................45 3,13.....................................45 Sen. apocol. 1,1 ..........................46 apocol. 4,1 ....................54, 61 apocol. 4,1f.......................128 apocol. 4,1,1–32 .................46 apocol. 4,1,8f......................61 apocol. 4,1,9 .......................47 apocol. 4,1,19–21 .......59, 100 apocol. 4,1,21 .....................55 apocol. 4,1,23 .....................91 apocol. 4,1,23f....................47 apocol. 4,1,24 .....................58 apocol. 4,1,28f....................91 apocol. 4,1,31f....................47 apocol. 4,2 ..........................55 apocol. 7,4 ..........................47 clem. 2,1,3f.................47, 130 clem. 2,1,4 ..........................61 dial. 11,13,1........................67 epist. 90,3 ...........................27 epist. 90,5 ...........................27 epist. 90,5f..........................26 epist. 90,36 .........................27 epist. 90,37 .........................27 epist. 90,38–40 ...................27 epist. 115,13 .......................61 Octavia 377–436 ................26 Phaedr. 525–563.................26 Serv. ecl. 9,47 ..............................29 Strab. 9,3,5....................................56 Suet. Aug. 8,1..............................65 Aug. 94f......................57, 152 Aug. 94,1......................17, 58 Aug. 94,1–6........................44 Aug. 94,4......................44, 67 Aug. 94,4–6........................60 Aug. 94,5............................59
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Stellenregister
Aug. 94,6......................60, 67 Aug. 94,8–12......................60 Aug. 94,10..........................65 Aug. 95...................28, 58, 60 Caes. 88..............................29 Claud. 21,2 .........................46 Claud. 46 ............................67 gramm. 16 ..........................34 Nero 10,2............................35 Nero 12,3............................50 Nero 20,1............................91 Nero 20,3............................91 Nero 21,1............................91 Nero 25,3............................91 Nero 33,2............................91 Nero 41,1............................91 Nero 45,2............................91 Tib. 59 ................................46 Tac. Agr. 2,1 ..............................79 ann. 3,57,2..........................35 ann. 11,11,1........................46 ann. 14,15,5........................91 ann. 15,30,1–3....................91 ann. 15,39,3........................50 ann. 16,2,2..........................46 ann. 16,22,1........................91 ann. 59,2.............................35 Tertullian apol. 13,6............................78 Tib. 1,3.......................................45 1,3,34..................................27 1,3,42–45............................27 1,10.....................................45 2,3.......................................45 Varro rust. 3,1,4f ..........................26 Vell. hist. 2,89.....................57, 126 hist. 2,89,2..........................58 hist. 2,89,3f ..................58, 61 hist. 2,89,3–5......................59 hist. 2,89,4..........................62 hist. 2,89,6....................58, 59 hist. 2,100,1........................62 hist. 2,103,4........................59
hist. 2,126 .................. 57, 128 hist. 2,126,1 ....................... 60 hist. 2,126,2 ....................... 61 hist. 2,126,2f ...................... 58 hist. 2,126,3 ....................... 59 hist. 2,126,3f ................ 58, 62 Verg. Aen. 6,77–82 ..................... 55 Aen. 6,98–101 ................... 55 Aen. 6,788–807 ............... 120 Aen. 6,789–805 ................. 54 Aen. 6,791.......................... 60 Aen. 6,791–805 ........... 28, 33 Aen. 6,792.................... 44, 60 Aen. 6,792f ........................ 32 Aen. 6,794–805 ................. 59 Aen. 8,314–325 ................. 33 Aen. 8,319–327 ................. 26 Aen. 8,326f ........................ 33 ecl. 4...................... 31, 47, 54, 86, 87, 116 ecl. 4,1................................ 54 ecl. 4,1–10.......................... 32 ecl. 4,3................................ 54 ecl. 4,4.......................... 32, 54 ecl. 4,4f .............................. 61 ecl. 4,6.................... 28, 32, 51 ecl. 4,8–10.......................... 44 ecl. 4,9f .............................. 59 ecl. 4,10........................ 51, 54 ecl. 4,11–45 ....................... 32 ecl. 4,12.............................. 58 ecl. 4,13f ............................ 61 ecl. 4,14.............................. 59 ecl. 4,15.............................. 60 ecl. 4,17.................. 58, 59, 61 ecl. 4,18f ............................ 62 ecl. 4,18–22 ....................... 61 ecl. 4,26f ............................ 61 ecl. 4,28–30 ................. 61, 62 ecl. 4,37–45 ....................... 32 ecl. 4,40–45 ................. 61, 62 ecl. 4,46........................ 32, 55 ecl. 4,46f ............................ 55 ecl. 4,47.............................. 60 ecl. 4,48.............................. 60 ecl. 4,48f ............................ 44 ecl. 4,50–52 ....................... 59 ecl. 4,52.............................. 58 ecl. 4,53–59 ....................... 55 ecl. 4,60.............................. 44
ecl. 4,62f.............................60 ecl. 9,47–49 ..................62, 67 ecl. 9,47–50 ........................29 georg. 1,27..........................62 georg. 1,1–42......................27 georg. 1,118–159................26 georg. 1,121–146................26 georg. 1,125–128................27 georg. 1,500–504................27 georg. 1,512–514................27 georg. 2,173........................39 georg. 2,385–396................51 georg. 2,459f ......................26 georg. 2,473f ......................26 georg. 2,501f ......................26 georg. 2,514–531................26 georg. 2,516–518................62 georg. 2,532–540................51 georg. 2,536–540................26 georg. 4,560–562................27 Inschrift von Halikarnassos 2–13..................................122 5..........................................58 9..........................................58 9f ........................................59 6..........................................60 6–12....................................59 11f ......................................58 Inschrift von Priene 1–52..................................122 4..........................................60 4f ........................................58 5..........................................44 7–10....................................59 8..........................................61 9f ........................................58 13f ......................................58 16........................................60 18........................................62 21f ......................................44 22........................................60 35........................................62 36........................................60 36f ......................................58 39f ......................................59 40f ......................................44 41........................................60 POxy 1021,5–7.............................64
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525533925 — ISBN E-Book: 9783647533926
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Band 76: Timo Glaser
Band 68: Nils Neumann
Paulus als Briefroman erzählt
Lukas und Menippos
Studien zum antiken Briefroman und seiner christlichen Rezeption in den Pastoralbriefen 2009. 376 Seiten mit 6 Tab., gebunden ISBN 978-3-525-53389-5
Hoheit und Niedrigkeit in Lk 1,1–2,40 und in der menippeischen Literatur 2008. 384 Seiten mit zahlreichen Tab. und Grafiken, gebunden ISBN 978-3-525-53965-1
Band 73: Petra von Gemünden
Affekt und Glaube
Band 67: Lorenzo Scornaienchi
Studien zur Historischen Psychologie des Frühjudentums und Urchristentums 2009. 389 Seiten mit 3 Abb. und 1 Graphik, gebunden ISBN 978-3-525-53385-7
Sarx und Soma bei Paulus Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität 2008. 388 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53966-8
Band 71: David Luckensmeyer
Band 66: Rainer Metzner
The Eschatology of First Thessalonians
Die Prominenten im Neuen Testament
2009. XI, 463 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53969-9
Ein prosopographischer Kommentar 2008. 695 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53967-5
Band 70: Gerd Theißen / Hans Ulrich Steymans / Siegfried Ostermann / Karl Matthias Schmidt / Andrea Moresino-Zipper (Hg.)
Jerusalem und die Länder Ikonographie - Topographie - Theologie Festschrift Max Küchler 2009. 277 Seiten mit zahlreichen Abb., gebunden ISBN 978-3-525-53390-1
Band 65: Dietrich-Alex Koch
Hellenistisches Christentum Schriftverständnis – Ekklesiologie – Geschichte Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Horn. 2008. 378 Seiten mit 43 Abb., Grafiken und Tab., gebunden. ISBN 978-3-525-54001-5
Band 64: Judith Hartenstein
Band 69: Thomas Schmeller (Hg.)
Charakterisierung im Dialog
Historiographie und Biographie im Neuen Testament und seiner Umwelt
Maria Magdalena, Petrus, Thomas und die Mutter Jesu im Johannesevangelium im Kontext anderer frühchristlicher Darstellungen 2007. 347 Seiten mit zahlreichen Tabellen, gebunden ISBN 978-3-525-53987-3
2009. VII, 208 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53968-2
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525533925 — ISBN E-Book: 9783647533926
Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments Band 63: Thomas Witulski
Band 58: Ute E. Eisen
Kaiserkult in Kleinasien
Die Poetik der Apostelgeschichte
Die Entwicklung der kultisch-religiösen Kaiserverehrung in der römischen Provinz Asia von Augustus bis Antoninus Pius 2007. 210 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53986-6
Eine narratologische Studie 2006. 294 Seiten mit 19 Tab. und 2 Schaubildern, gebunden ISBN 978-3-525-53961-3
Band 62: Taeseong Roh
Band 56: Christoph Riedo-Emmenegger
Der zweite Thessalonicherbrief als Erneuerung apokalyptischer Zeitdeutung
Prophetisch-messianische Provokateure der Pax Romana
2007. 140 Seiten mit 9 Abb und einer Tabelle, gebunden. ISBN 978-3-525-53963-7
Band 61: Benedict Viviano
Matthew and His World The Gospel of the Open Jewish Christians Studies in Biblical Theology 2007. 309 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53964-4
Band 60: Ilze Kezbere
Umstrittener Monotheismus Wahre und falsche Apotheose im lukanischen Doppelwerk 2006. 231 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53960-6
Band 59: Max Küchler / Karl Matthias Schmidt (Hg.)
Texte – Fakten – Artefakte Beiträge zur Bedeutung der Archäologie für die neutestamentliche Forschung 2006. XI, 242 Seiten mit 50 Abb., gebunden ISBN 978-3-525-53962-0
Jesus von Nazaret und andere Störenfriede im Konflikt mit dem Römischen Reich 2005. XXI, 381 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53959-0
Band 55: Siegfried Ostermann
Die Münzen der Hasmonäer Ein kritischer Bericht zur Systematik und Chronologie Mit einem Vorwort von Max Küchler. 2005. X, 89 Seiten mit 15 Abb. und 10 Tab., gebunden. ISBN 978-3-525-53956-9
Band 54: Hanna Roose
Eschatologische Mitherrschaft Entwicklungslinien einer urchristlichen Erwartung 2004. 376 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53955-2
Band 53: Ellen B. Aitken
Jesus’ Death in Early Christian Memory The Poetics of the Passion 2004. 202 Seiten, gebunden ISBN 978-3-525-53954-5
© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525533925 — ISBN E-Book: 9783647533926