Weihnachtsgeschenk des Hausfreundes edler Familien und ihrer Jugend [Reprint 2021 ed.] 9783112442609, 9783112442593


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Weihnachtsgeschenk des Hausfreundes edler Familien und ihrer Jugend [Reprint 2021 ed.]
 9783112442609, 9783112442593

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Weihnachtsgeschenk de-

Hausfreundes edler Familien und ihrer Jugend.

Boa

v. Gottlieb Prömmel, Dorfieher einer Erriehungeanflatt in Wmhrbeck.

Leipiig, hei v. I. Göschen, i8i4«

Seinen frühern, entlassenen,

so wie feinen jetzigen

heranreifenden Zöglingen widmet diese

Blätter

jur Erinnerung

ihr Lehrer und G.

P.

Freund

An die Leser.

Euch, jung« Leser, sofern Ihr noch eine«

unverdorbenen Geschmack und ein kindlich Gemüth in Euch bewahrtet. Euch nimmt

mein Buch zuerst in Anspruch.

Seid Ihr

nicht schon durch abenteuerliche Gegenstände verwöhnt, so darf ich hoffen, daß die

Lcsun'g dieses Düchelcheus einige Eurer

Feierstunden, — von deren Anwendung

Euer künftiges Wohl und Weh oft eben so sehr als von dem Fleiße in Euren Ar­

beitsstunden abhängt, — angenehm und nicht ohne Nutzen für Euch ausfüllen

werbe.

Aber vielleicht findet auch Ihr, altere und erfahrnere kcser, — wenn die

Erfahrung nicht schon eine Rinde um Euer Herj gezogen, — darin manches, was

Euch freundlich anspricht.

Wer ein offenes

Auge und Herr für die stillen, rührenden

Schönheiten der Natur hat,

findet gern

Jemand, der mit ihm sieht, mit ihm em

pfindet; wer die Freuden der Häuslichkeit kennt und schätzt, und sich gern noch sei»

ncr frühern Jahre erinnert, wo er Kind und kindlich froh war, hört eben so gern

auch andere davon erzählen, indem er da»

durch in seinem Herzen ost manche Saite berührt fühlt, die ihm wohl klingt, und

angenehme, verwandte Töne aus der Der» gangcichelc niiihervorruft.

Wenn ich so auch meinen ältern Lesern

einige ihrer Feierstunden ju verschönern hoffen darf, so werde ich mich dadurch doppelt für meine Arbeit belohnt halte».

Wando beck, im Januar, 1815.

G. Prömmel.

Inhalt

I. Spayiergange der Familie von Dahldorf.

Die Bekanntschaft.

S.

x

Der Weg nach Grundfeld.



22

Die Fürsteninsel.



47

Der Azerberg.



90

II. Tugend und Bescheidenheit.

HI. Das Gewissen.

Eine Fabel.

IV. Die Deutschen in Amerika. V.

Da- Blümchen.

—153

—157

—159 —179

VI. Die Fügung, eine Geschichte in Briefen. — X83

Vir. An meine- Julius zweitem Geburtstage. — 236 vni. Freude und Glaube.

—237

Spatziergänge der Familie von Dahldorf.

*'t. Z.

x

Erster Spaziergang. Die Bekanntschaft. Schon di« Ueberschrtst sagt meine» Lesern, daß hier soll spatzieren gegangen «erden, und «ob

kn Sie Sich gütigst gefallen lassen, mit uns

zu gehen, so bitt« ich St«, Sich mit mir dex kleinen Kamille in Gedanken anzuschließen, Heren

Nahmen der Titel nennt.

Es ist «ine liebe,

herzige Familie, und ich stehe dafür, daß (te über diese unsichtbar« Begleitung gar nicht bbs« werden wird.

Doch bevor meine Leser ihr« künftige Gefell' schäft und deren Wanderungen und Fahrten krn» nm, müssen St« Stch's wohl gefallen lassen^

erst mit mir allein einen kleinen Spatztergang zu machen.

Denn es wird nothwendig seyn

daß «tr zuerst nach dem Orte htnkommen, >en'

wo wir wieder ausgehen, und daß wir zuerst fine kleine Bekanntschaft mit der Familie machen, die wir begleiten wollen.

Die Reise wird kurz und schnell seyn, denn Mir reisen auf dem schnellsten Fahrzeug«, daeS giebt, auf den Flügeln der Gedanken.

Doch steht eS meinen Lesern frei, sich nach

Belieben irgend ein anderes Fuhrwerk zu wäh­ len , und ich habe nicht bas Geringste dawider, ob man sich zu diesem Behuf den Mailand kai­ serlichen Staat-wagen in Pari-, oder wenn man

lieber zu Pferde reist, den stolzen Duzephalude- Alexander- einbilbet, oder wenn maw da­

alle« nicht will, nach Art der platonisch'«« Men­

schen in den Hühnerhtfen auf seinen zwei gefun­

den Füßen einherschreitet. Der Weg ist kurz und führt un- dhNe alle

Umschweife gerade bi- zu einem alten Wart­ thurm , der vor Dahldorf steht.

Diese alte Ruine, ein Ueber-leibsel der rit­ terlichen Vorzeit, guckt mit seinen gothischen

Fenstern au« einer recht angenehmen Dyum­ grupps hervor, die erst späterhin di»' Natur

darum pflanzt«.

Da- Ganze sicht auf Anen»

Mäßige« Hügel, der hin und wieder mit Heb

nem Gesträuch bewachsen ist, und dieser Hügel liegt wiederum auf einer ander«,

nur ausge­

dehnter« Anhöhe, welche grüne Kornfelder -e-

decke«.

Hat uns

unser« Reife nicht zu sehr

ermüdet, so steigen wir hinauf, und sehen- uns dort oben

ein wenig um.

Die Bäume ver­

brechen Schatten und Kühlung, und der Stand-

punkt auf der alten Warte läßt uns »ine ange­ nehm« Aussicht auf die umliegende Gegend hof­ fen.

Die Treppe, weiche auf dl« Zinne des

Thurms führt, ist halb zerbrochen.

Die Hände,

««ich« sie bauten, rühren sich gewiß nicht «ehr,

und di« Füße, welche allmählich

die Sl«,in«

darin losgetreten haben, tragen ihre Besitzer gewiß nicht mehr so frisch und munter umher, wir uns die unsrigen.

Nur mit Mühe klim­

men wir zum schönen Ziele hinaus; aber beloh­

nend ist auch der Genuß, der uns dort erwar­ tet.

Welche herrliche Aussicht nach allen Sei­

te« hin! Qi ist Abend, schon tief steht die Sonne.

Unter einer feuerrothen Wolke scheint sie wie am Saune des Himmels

zu hängen.

Dort auf

«tarnt andern Hügel ficht bk Windmühle.

«in leiser Wind

Nur

bewegt langsam die Flügel.

Hinter derselben wagt ein weite«, unabsehbare« Karnseld, und zwischen durch schlängelt sich die

breite Landstraße, welche auch noch in der Ferne einzelne Daumgruppen bemerkbar machen, wo» mit sie beseht ist.

Aber ein ganz andere« Schauspiel öffnet sich

uns von der andern Sette.

Wir sehen in «in

Thal hinab, da« ring« von Hügeln umkränzt

ist.

Da« Thal selbst bildet «in große«, weite«

Amphitheater.

Die Schönheit de« römischen

Prachtgebäude« dieser Art «ar nicht« gegen da«,

WA« hier die Natur fchus.

Wir bemerke« von unsern Seite vier große Terrasse»,

die wie vier ungeheure Treppen zu

dem Thal« hinablaufen.

Unten liegt da« stille,

schöne Städtchen Dahldorf.

Die Familie diese« Nahmen« bewohnte vor Alter« ein andere« Schloß, da« auf einem Berg«

unweit diese« Städtchen« lag.

Aber bk fried­

lichen Besitzer, deren sich da« Schloß in dem

letzten Jahrhundert erfreut hatte, fanden mehr Genuß in dem stillen Dahldorf, da« zu ihren

Besitzungen gehörte, als aas der stolze« Höhe, von welcher da« noch stolzere Schloß herunter

sah.

Sie vernachlässigten dieses, zogen nach

dem grltebtrrn Dahldorf, das ihren Nahm«, trug, und wo sie an der Stelle eines alten Wohngebäudes des Wohnsitzes ihres ersten Ahn­ herrn , ein neues, prächtiges Schloß aufführtrn. Dtr alte ritterliche Wohnsitz verfiel; dle alles

zerstörende Zeit und die Unvorsichtigkeit eines alten Kaplans, durch den eine'Feuersbrunst dar­

in aufkam, beschleunigten den Verfall.

Zehr

fiehr man nur noch die Ruine dieser Barg; aber auch noch in ihren Trümmern fiehf man ihre ehemalig« Pracht und Größe.

Die hohen

Mauer«, di« dort in einem fernen matten Lichte

jenseits des Thaies erscheine«, find die Uc-crblctbsel des alten Schlosses, wie man rS nennt, da« zu seiner Zett so neu und schön

war, als da« schöne Dahldorf da unten lm Grund« nur immer seyn kann. Anfang« sah man in diesem Thale nur bloß

da« Schloß und die Häuser oder Hütten der

Landleute, die zum Schlosse gehörten.

Aber

es fanden bald mehrere dle Lag« so reihend, wie

unsere Familie von Dahldorf, und in kurzer Zeit

sah

man hier eine Menge schöner Landhäuser

sich erheben.

Die reichen Besitzer

dersrlbm

zogen wiederum andere nach sich, di« von den «rstern Arbeit und Unterhalt empfingen.

Zmmer

mehr Häuser und Häuserchen wuchsen gleichsam aue dem grün« Boden hervor, und, was vor­ mal- nnr ein Dorf gewesr» war, wurde in dem

letzten Viertel unsers Jahrhunderts, durch be­ sondere Gnade des Landesfürsten zum Städt­

chen geadelt. Aber da« neue Städtchen behielt dm Rah­ men de« alten Dorfs.

Pi« fetzigen Dahldorfer

gaben an Bescheidenheit den ehemaligrn nichts

nach,

und schämten sich des vorig« niedrig«

Ranges ihrer Vorfahren nlcht, wie manch« thu», die

der Fürst

Nahmen

adelt,

und

die mit dem alt«

ihre« ersten Ahnherrn auch die alt«

Tugend und bas alte Verdienst ableg«. Nun seht

Thal hinab,

im Geist, lieb« Leser, in das auf das schöne Dahldorf nieder.

Wie freundlich da« Weiß der Häuser gegm da­

frische Wirfengrün absticht, wie dir rothen Dächer so freundlich zwischen d« dunkeln Bäumen her-

vvrsehen! Hier obm ist noch alles Acht;. aber sch»» schetnl es da unten zu dämmern; nut die

Thurmspitzr vergolden

noch

len der finkenden Sonne»

steigen empor.

die letzten Strah­

Leichte Rauchwolken

Der fleißig« Arbeiter hat sein

Tagewerk vollbracht, und bte Gattin oder die Tochter bereiten ihm jetzt das Abendessen.

Aber Hirt ihr's rauschen? Dort oben glänzt unter einem Laubdach von Bäumen ein Dach

hervor, nutz stürzt sich ins Thai» läuft in eint«

gen Krümmungen durch die Wiesen, dann dicht

neben bem Städtchen vorbei, treibt hinter dem» selben die Schloßmühle, und verschwindet dann endlich

wieder

zwsschen

zwei

der

Anhihen,

welche das Thal umschließen.

Einen wunderbaren Kontrast mit dem Rau­

schen des Wasserfalls macht der Gesang unzäh­ liger Nachtigallen, der von der «ntgegengeietz-

ten Seite aui den dunkeln Gebüschen des Schloß-

gartens heraustint.

Alles athmet Freude! Dort

treibt der Hirt pfeifend die.Heerde von der

Weide zurück; hier steht eine Dirne hoch auf­ geschürzt an der Drück«, und spült das gewa­ schen« Leinen.

Dort bei der Mühle badet fich

IO plätschernd im Wasser die munter* Jugend, hier ist sie zum Spiel unter einer alten Linde vor

dem Kirchhofthor versammelt. Doch mir gehen

den Fußsteig hinad, der

die hohen Terrassen durchbricht.

Ein dunkler

Ltnbengang führt uns quer über die Wiesen zu einer aschgrauen Drücke, welche sich über den Fluß wtlbt.

schwarz«,

Wir gehen hinüber, öffnen da­

eiserne Gitterthor

mit

vergoldeten

Spitzen, und befinden un- auf einmahl tn dem Schloßgarten der Famtlle von Dahldorf.

Dor uns erhebt sich mit feinen Säulen und hohen, Hellen Sptegelfenftrrn da- schöne Schloß.

Aber noch trennt un# von

dem Orte

«nserer

Bestimmung «in «eite-, geräumige- Decke«, in dessen Wasserfläche wir hie ganze schöne Mass«

noch einmahl verkehrt erblicken. Nicht wett vom Rande M Decken- dem Dalkon de- Schlosse- gegenüber sieht man den

alten, bärtigen Neptun sich auf seinen Dreizack

stützen, und um ihn ein ganze- Herr von Tri­ tonen und Wassernymphen

sich

lagern.

Wir

gehen um dir todte, stetuern« Gesellschaft her­

um,

und finden bald eine recht lebendige vor

der Thür im Schloßhofe um den eben abge» räumten Thretisch versammelt. Meine Leser erlauben mir wohl, daß ich als

«in alter Bekannter der Familie hier die Hon­ neurs mache, und Ihnen sämmtliche Mitglie, der der Reihe nach vorstell«.

Da- Alter kommt zuerst, sagt ein altes

deutsche« Sprichwort.

Ich fange daher mit

der Großmutter an, die oben am Tische siht, und «in kleine«, muthwillige« Bübchen auf dem

Schooße wiegt. —

Diese gut«, herzig« Dam« g«hirt zu d«n seltenen Erscheinungen in btt Welt, in welchen die Natur von Zeit zu Zeit ihr Meisterstück

zu wiederholen pflegt.

Schon zählt fi« mehr

al« «in halbe« Jahrhundert und noch find« sich bei ihr keine Spur von den Fehlern und Schwächen, womit sonst ein Alter, wie da­

ihrige, begleitet zu seyn pflegt.

Noch nimmt

sie an jedem Spahiergange der Familie Antheil, und läuft oft noch sogar sch«zend mit ihren

Enkeln um die Wette.

Dabei ist ihre Sprache

noch so munter und lebhaft und da« Gesicht noch so frisch, daß Fremde, die sie nicht kein

nett, daö lustige Dtlkchen, das um ihren Schoost herum hüpft, eher für ihr« Kinder, »1< für

ihre Enkel jn halten pflegen. Wa< aber jedem, der mit ihr umgeht, vor­ züglich gefällt, ist ihr so gebildeter und so leben­

diger Geist, der über alles im Leben Zntereffe

zu verbreiten weiß, und ihr so edles und offne« Herz, da« in ihrem immer freundlichen und

liebreichen Gesichte wie in einem klaren Spiegel

sich darstcllt.

Der Glückliche wie der Unglück­

liche sicht stet- darin Theilnahme.

Sie freuet

sich mit dem einen und trauert mit dem andern. Aber nicht bloß scheinbar ist ihre Theilnahme

am fremden Wohl und Weh.

Ihre liebevollen

Gesinnungen reden nicht bloß im Gesicht, son­

dern sprechen sich gern, wo e« möglich ist, auch in Thaten au«.

Nie geht der Glückliche, der

sich ihr vertraut, ohne Aufmunterung und Bei­ stand in der Erhaltung feine« Glück«; der Un­

glückliche nie ohne Rath, der Hülfsbedürftige nie ohne Hülfe von ihr hinweg.

Auch kennt

sie jedermanns Umstände und Schicksale in Dahl­ dorf, giebt in jeder Lage immer den besten Rath,

weiß immer noch einen Ausweg, ein Mittel,

iS Wo alle- schon schweigt, und behält MMh tfnb Hoffnung, wo alles schon verzweifelt.

Des­

halb ist sie auch angebelet im ganzen Dahldorf, und jedermann frägt ünd verehrt st« wie ein

Orakel.

Aber sie- liebt auch

di« Dahldorfer,

und diese guten Menschen verkennen da< nicht, und räumen ihr st viel Gewalt über ihre Her­ zen ein, daß sie sie wie eine Mutter ihre Kin­ der leitet-

Man pflegt sie daher oft wohl im

Scherz die Mutter von Dahldorf zu nennen. Da« Bübchen, welch« ihr auf bihi Schooße

sitzt, ist ihr jüngster Enkel, ein Kind von fünf

Jahren.

Cs läßt sich daher noch nicht viel

mehr von ihm sagen, als daß er eia riecht niedlicheS Lärvchen «rügt, auf welchem dir -Dlickd

der Großmutter »ft- mit Wohlgefallen -ruhen:

Doch zeigt die jungrPflanz« schon «inigeSchbßltngt, chie wohl ahnden laffen. Wo da» Bäume chen hinaus will.

Der klein« Edgar, st hSißt

er, ist voll von Possierlichkeiten.

Ader all«,

was er thut, fleht ihm wohlan, und «r Weiß «S, st jung er ist, schon mit «lner Akt von

Grazie zu thun»

Aber der kleine Schelm Weiß

auch schon, daß er dieß weiß, und schon »egt

sich btr Dämon der Eitrlkeit In seinem Köpf« chen.

Er zieht für all« Vorübergehenden seinen

Huth, auch für diejenigen, die er nicht kennt,

weil «< ihm bet seinem Gruße mehr um sich, als um andere zu thun ist. «Er verschenkt seine Höflichkeiten, uite mancher gutmüthig« Derschwen«

der sein Geld.

Zeder erhält «in freundliche»

„Guten Tag!" und «ine alleriirbst« Verbeu­ gung, die, weil sie nicht befohlen und auch

nicht erlernt ist, auch- da» schönste Kompliment des schulgerechten TanzmetsterS bei weitem über,

trifft. Dies» zu groß« Freigebigkeit mit seinen Höf­ lichkeiten ist ein kleiner Auswuchs seiner Eitel,

kett, den die sorgsam« Erziehung, di« er erhält, schon wirb zu beschneiden wissen.

Seine natür«

licht Grazie, verbunden mit einer ihm eben, fall- angebornen Munterkeit und Gutmüthig« leit, wird ihn einmahl zu etnem lieben «yd

angenehmen Gesellschafter mache«.

In andern

Umgebungen und unter einer vernachlässigten,

»der verkehrten Leitung, würde vielleicht nur einer der bunte« Schmetterlinge au- ihm wer­

de«, welche in großen Städten und Residenzen,

--------------

IS

in alle» Schausplclrn, Redouten und Bällen zu ganzen Heeren herumflattern. Wer die sanft« freundliche Dame du ist-

neben der Großmutter, werben mein« Leser Hof» fentllch schon, errathe» haben.

E< ist di« Grä,

ßn von Dahldorf, dl« Defitzertn des schönen Schlosse- und di« Mutter unserer künftigen kleinen Reisegesellschaft.

Zhr Gesicht scheint

ganz der Abdruck der schönen Gegend zu seyn,

«eich« sie umgtebr.

Wenn angenehme Gefühle

die Serie bewegen, so find ihre Züge mild uud sanft, wie die Karbe« des Thäte-, «en«

es vom Abenbltchte befchtrnm wird; aber Ernst und Erhabenheit blickt au« dem dunkle» Auge,

wie von der Höhe, zu der «nm hier ehrsurchts» voll hinauf fieht, w«nn ein großer Entschluß di«

Seele, ergreift, oder die Nachempfindung: «tote großen That sie begeistert. Sie verbindet mli einem sehr edlen Gemüth

«inen eben so au-gebildeten Verstand, mit einem Herzen voll Wohlwollen für die Menschheit,

«inen so reichen Schah von Kenntnissen, daß man sie eben so sehr ließen, al- bewun­ dern muß..

Unter den Künsten Tonkunst und

liebt sie besonders die

die Mahleret, urtb verdient in

beiden «ine Meisterin genannt zu werden.

Die

Zimmer ihrer Kinder hat sie mit ihren eigenen

und für diese Oerter immer sehr paffenden Ge­

Auch kennen die Kinder

mählden geschmückt.

kerne größere Belohnung de- Fleiße-, und keine größere Aufmunterung an ihren Geburtstagen, al» «ine Zeichnung 'oder ein Gemählde von der Mutter, worauf sie oft selbst in irgend eitler guten Handlung begriffen vorgrstellt sind.

Lin schöner Genuß ist

e» für den fühlen«

den Menschen, dl» Gräfin

am Flügel 'spielen

und fingen zu hören.

Man hört nicht nur

ihre melodische Stimme und Pie Tin« des An«

ftrumtnis, man sieht und

liest noch deutli«

cher inihrem Gesichte jede Empfindung, «eiche

die Musik ausdrückt.

'Ihr verdankt sie auch

außer vem Umgangs« mit ihren Kindern

bi«

schönsten Stunden de« Tage».

"

Aber am liebenswürdigsten erscheint ' sie in

diesem Umgang«.

Sie «riß jede» ihrer Kin­

der nach seinen Fähigkeiten und Neigungen zu behandeln und zu ergehen.

Mit btto riNeN ver-

vttlim sie sich in« Gebiet der Geschichte, oder öffnet ihm die Schätze der Naturwissenschaft, mit dem andern baut sie Häuserchen und Städte, und freuet sich eben so aufrichtig mit, wenn der Dau glücklich vollendet ist, und ein kleine«

Karlsruhe oder Manheim sich auf dem Tisch erhebt. Nichts übertrifft ihre Lieb« für ihre Kin­ der.

Dies« Liebe ist ihr fast zur Leidenschaft

geworden, und kein Opfer ist ihr zu schwer,

wenn sie es einem ihrer Lieblinge bringt.

Um

diese zur Erlernung der lateinischen Sprache aufzumuntern, kannte sie kein besseres Mittel, als selbst Latein mit ihnen zu lernen.

Ueber»

Haupt weiß sie ihr« Kinder fast allein durch

die Kraft des Beispiels zu erziehen.

Sie geht

ihnen i« allem voran, und was sie von ihnen

verlangt, leistet sie zuerst. Das rothbäckigte Männchen, das neben ihr steht, ist der siebenjährige Zäsar.

Er ha» sein

Lesebuch, ein Geschenk vom letzten Geburtstage,

neben der Mutter Strickkirbchen niedergelegt,

und läßt sich jetzt von ihr über die Geschtchr» chen examintren, di« er darin gelesen hat. Denn

Pr. A.

3

--------------



als Zäfar kaum 5 Jahr alt «ar, wußte er schon ziemlich zu lesen, und jetzt liest er mit vieler Fertigkeit, und akeentuirt so richtig, pflegt

dir Großmutter zu sagen, wie ein Lektor auf

der Universität. Geschichtchcn auö der Geschichte sind seine LieblingSsache, und wenn sein Lehrer ihm au-

derselben etwa- erzählt, so hätte der heilige Pabst, wenn er sich einmahl von seinem erha­ benen Sitze herabließ und der lieben Christen­ heit predigte, keine aufmerksamern Zuhörer haben

können.

Bisweilen fällt der kleine Geschichtsforscher selber über seinen lieben Decker her, und dann

kann er halbe Tage lang darüber liegen, und

man hat Mühe ihn wieder davon wegzubrtngrn.

Mit einem recht bunten Quodlibet von

Geschichten kommt er dann zur Mutter und erzählt. Mannlchfaltig genug ist sein Gemählde,

aber was Ordnung und Zritfolge betrifft, so bekümmert sich der kleine Erzähler wenig dar­ um, und eS begegnet ihm nicht selten, daß er

seinen NahmenSvetter Zäsar mit dem Kaiser von Marokko für gleichzeitig annimmt, weil

«r In einer Viertelstunde von beiden etwas gelesen hatte.

Zch gehe weitet und sttlle Meinen Lesern jetzt das dritte und letzte Paar vor.

Der schwarze Herr da, an der Seite der

Großmutter, ist Herr Hilmar, der Lehrer im

gräflichen Haus«, und der neben ihm steht und

ein Buch in der Hand hätt, ist Fedor, sein ältester Zögling, der ihn um di« Erklärung einer Stelle in Phädrus Fabeln bittet.

Denn Fedor

ist ein gewaltiger Lateiner, und weiß Schellers Vokabularium mit allen seinen Derivativen so

gut auswendig, al- der kleine Edgar

D Epferd ,

sein A

Dir lateinische Sprach« ist sein Stecken­ den ganzen Tag herum»

tummelt, und unter alle« römischen Helden steht er seinen geliebten Fabeldichter Phädrus für den

ersten an, und kann recht stolz darauf «erden, wenn lhn nach einer gelungenen lateinischen Ueber»

sehung Herr Hilmar seinen zweiten Phädrus nennt.

Auch läßt er es sich von der Groß­

mutter nicht abdisputlren, daß dieser Nahme mit dem (einigen dir größte Ähnlichkeit habe.

--------------

J£>

und daß man mit Bequemlichkeit diesen von dem erstem ableitcn könne.

Fedor's Lehrer ist nicht der letzte in dieser trefflichen Familie, ob ich ihn gleich, seine-De» schridenheit nachahmend, hier zuletzt verstelle.

Herr Hilmar scheint kalt und verschlossen, und ist bloß höflich, wenn er in eine Gesellschaft tritt, die er nicht kennt.

Aber findet er Per­

sonen, die er schätzen kann, so tritt an die Stelle der anschelnendeu Kälte eln sanfter Emst, und anstatt der Höflichkeit zeigt er deutsche

Gradhett und Vertrauen.

Er ist viel in der

Welt und unter Menschen gewesen, und hat

viel Unangenehme- und Trauriges unter ihnrn

erfahren.

Dlese Erfahrungen sind nicht ohne

Einfluß auf seine Stimmung geblieben, und

scheinen eine gewisse Rinde um sein Herz ge­ zogen zu haben.

Wenn ihn ein Fremder da­

her unter Fremden sieht , so hält er ihn keiner

warben Gefühle fähig.

Aber in diesem Her­

zen wohnt ein« Gluth von Empfindungen, die sich augenblicklich offenbart, wo man ihm mit

Vertrauen zuvorkimmt, oder wenn ein großer,

edler Gedanke den innern Sinn belebt.

Unter

Freunden zerreißt er gern alle Ketten der Kon» ventenz, und ist nichts lieber als Mensch im reinsten und edelsten Sinne des Worts.

Aber

immer hat er sich in seiner Gewalt, und weiß,

wenn r< seyn muß, den Ausbruch seiner hef­

tigsten Empfindungen zu unterdrücken.

Aber

die hellsehendr Großmutter will ihm doch dabei

immer rinen kleinen Kampf anmerken, und pflegt ihn dann wohl im Scherz den glühen­

den Hekla zu nennen, der. sein Feuer unterm

Eise verbirgt. Da- ist die Familie, in deren Gesellschaft

ich meine Leser ftahicren zu führen versprochen

habe.

Ob die Familie auch noch einen Vater hat,

fragen meine Leser vielleicht?

Za wohl, und

«inen recht braven Vater, der sie alle recht herz« lich lieb hat;

aber «in nothwendiges Berufs­

geschäft hält ihn schon seit Monathen von sei­

nen Lieblingen imb den Penaten entfernt. Doch «erden meine Leser vielleicht späterhin auch noch

seine Bekanntschaft machen; für jetzt müssen sie sich mit dieser Spahiergesellschaft begnügen-

Zweiter Spatziergang.

Der Weg nach Trundfeld.

E- war ein schöner Tag im Junimonath, als

die Gräfin von Dahldorf ihrer kleinen Familie

einen Spatziergang für den Nachmittag vor­ schlug.

Man kam zusammen, sich darüber zu

besprechen.

Das kleine versammelte Parlament

hörte mir Freuden den Vorschlag an, und das

Oberhaus, wozu die Großmutter und Herr Hil­ mar gehörten, stimmten so ganz überein mit

den Wünschen der übrigen Mitglieder, daß die Bill sogleich ohne alle Debatten durchging.

Das MittagSessen wurde nun etwas früher bestellt, als gewöhnlich.

nichts.

Die Kleinen aßen fast

Die Freude schien sie schon gefälliger

zu haben.

Mit dem Geiste, der voraus ging,

schienen auch die jungen D^agen entstehn zu seyn. Wie jubelte man, als das Zeichen zum Auf­

bruch geschah.

Die Großmutter wollte die

Geduld der Kleinen nicht länger prüfen, und rückte den Stuhl. Alles erhob sich, und die Gräfin ging, nur noch einige Geschäfte im Hauswesen zu besorgen. Endlich war auch fit fertig, und kehrte zu der schon längst fertigen und mit Ungeduld harrenden Gesellschaft zurück. Meine gütigen Leser verzeihen ihr gewiß gern diese kleine Ungeduld, wenn sie hören, daß der heutige Spahiergang gar kein alltäglicher «ar. Der Fürst deS schönen glücklichen Ländchens, wo unsere Familie wohnte, besaß nicht weit von dem Wohnsitze der letzter» in einer sehr reihen­ den Gegend ein Schloß, wo er fast die ganze angenehme Hälfte des ZahreS zuzubrlngen pflegte. Bet dem Schlosse breitete sich ein beträcht» llchrr Landsce aus, und auf demselben lag eine Insel, welche der Fürst vorzüglich liebte, und welche unsere Spatztergänger heute zu ihrem Ziel gewählt hatten. Denn der Fürst war heute, waS sehr selten geschah, abwesend; man konnte sich desto ungestörter seinem Genusse im Beschauen dieser schönen Gegend überlassen.

Zum gemeinschaftlichen Genuss« aber wollte mau vorher den Pastor in Grundscld rinladrn, der mit seiner einzigen Tochter, einer jüngrrn Freun»

bin der Gräfin, und seinen friedlichen Dorfbr»

wohnern am Ufer de« See's wohnte. Munter und leicht, «eil man nicht-» al«

fich selbst zu tragen hatte, zog die kleine Kara­ wane über den Schloßhof.

Edgar ergriff die

Hand der Großmutter, die ihm von den schö­ nen, rothen Erdbeeren erzählte, welche auf der

Insel wüchsen.

Fedor, der den heutigen Spaziergang zu» gleich zu einer Zagdparthie machen wollt«, hatte

seine SchmetterltngSktappe dazu mttgebracht. Da aber fehl noch keine Schmetterling« zu fangen waren, so überließ er sie gern seinem jünger« Bruder Zäsar, der sie einstweilen al«

Reitpferd benutzt«, und neben der Mutter her»

gaüopirte, di« mit Hilmar und Fedor «in Kapi­ tel au« der Naturgeschichte abhandelte.

Bet Tische nämlich war die Rede von Lustern gewesen, und Zäsar, der sie kannte

und liebte, hatte dies« nicht für Thier« halten

«ollen, «eil sie, wie er sagte, nicht Fleisch

und Blut hätten, wie die Pferde und Hunde und Schaafe, von deren Eigenschaften allein er den Begriff Thier zusammen gesetzt zu haben schien. Ztsar wurde eine« bessern beiehrt, und in der kleinen Republik dann festgesetzt, künftig den Naturhtstorikern zu Gefallen, alle« mit dem Nahmen Thier zu beehren, wa« Empfindung zeigte, und fich willkührltch bewegen könnte. Damit schien nun die Sache ad Acta ge­ legt ; aber der grübelnde gebot brachte sie jetzt auf dem Spahiergange wieder zur Sprache. E« war ihm eingesallen, daß e« den Austern an willkührlicher Bewegung mangelte, weil sie an Felsen, Pflanzen und Daumwurzeln fest» säßen, und nur durch fremden Einfluß den alten Platz verändern könnten. Auch erinnert» er sich einmahl von Austernsäen gehört zu haben, und dieß stimmte ihn völlig so um, baß er Zäsar« Sache wieder aufnahm, und behaup» ti’te, daß die Austern zwar Thiere, aber doch weit minder Thiere seyn müßten, al« der Hund und das Schaaf. Herr Hilmar freute sich über gebot’« Nach« denken, und suchte seine Urtheile zu berichtigen.

,,Was das Austernsäen betrifft," sagte er, ,,so hat eS damit eine ganz andere Dewandniß, als mit dem Säen unsers Roggens

und Walzens.

Da nicht j-dcS Wasser ihnen

zuträglich ist,

so nimmt man häufig junge

Austern von den Stellen weg, die ihnen der

Zufall angewiesen hat, und bringt sie an einen Ort, wo sie besser gedeihen und schmackhafter werden.

An den holländischen Küsten z. D.

kommen sie nicht gut fort, weil sie in dem

lehmigen Doden deS Meeres durch die Ebbe und Fluth leicht verschlämmt werden.

Ge­

wöhnlich streut man sie daher an Orten ins Meer, wo das Wasser reiner, und durch eine

stärkere Bewegung, wie an der Mündung eines

Flusses, immer frisch erhalten wird.

nennt man Austern säen,

Dieß

und weil die

Austern sich mit der klebrigen Schale sogleich f-sthängen, und wie die Fische im Frühling

laichen, so pflegt man auf diese Art sogenannte

Austerbänte anzulegen."

Fedor war hierdurch nur erst zur Hälfte belehrt,

und sah Herrn Hilmar mit einem

Blick« an, der ihn um weiter« Erklärung bat.

Dieser fuhr daher fort: „Diese-Säen brr Austern berechtigt un-also

nicht, ihnen den Rang unter den Thieren strei»

tig zu machen.

Was die wtllkührliche Dewe»

gung betrifft, so kann man ihnen diese nicht

ganz absprechen.

Wo die Auster einmahl stht,

da bleibt sie zwar Zeitlebens, aber doch kann

sie wlllkährlich ihre Schalen zuweilen öffnen, um Luft zu schöpfen und frische- Wasser ein« zunehmen.

Indeß da dieß die einzige will-

kührliche Bewegung ist, deren die Austern fähig

sind, so scheint sie höchst unvollkommen, und die Auster daher allerdings, wie Fedor meint,

minder Thier zu seyn, als ZäfarS Hund oder Schaaf.

Auch ich bin dieser Meinung und

glaube, daß eck unendliche Grade und Abstn»

fungen in der Thicrheit giebt.

Ein Insekt

ist weniger Thier, als ein Hund; eine Auster

weniger als ein Insekt; die Mcernesscl, die in Gestalt einer Blume im Meere aufrecht steht,

und der Polyp, der Augen treibt, und sproßt und wächst, wie eine Pflanze, sind es noch weniger, als die Auster;

und es ist nicht

unwahrscheinlich, daß es bei den unendlichen Schattirungen in der Natur noch andere Thiere giebt, die »och weniger Thier sind, al« ein

Polyp, und die den Uebergang des Thterreichs zum Pflanzenreich so allmählig machen, daß

er dem »nenschltchen Auge endlich ganz unfrei merkbar wird.

Vergebens ist eS überhaupt, den Unterschied zwischen Thier, Pflanze und Mineral, und die

Grenzlinien zwischen den sogenannten drei Rei­ chen der Natur und ihren Klaffen genau be­

stimmen zu wollen.

ES giebt Wesen, von

welchen man nicht bestimmt sagen kann, zu welchem Reiche, oder zu welcher ihrer Klaffen

sie gehören.

Sie scheinen alS Schattirungen

zwischen zweien, wir der Polyp zwischen dem Thier und der Pflanze mitten inne zu stehen.

Aber wir finden auch die Eintheilung der Ding« in Reiche und Klassen nicht in der Natur,

sondern diese ist bloß ein Werk unsers Der» standeS, ein Fachwerk,

das der menschliche

Geist erfand, um sich das Studium der Natur

leichter zu machen. Er suchte Aehnlichkeiten auf unter den Dingen und legte sie in Gedanken

zusammen in ein Fach, waS ihm einerlei Merk»

mahle zu enthalten schien. nährt,

fortpflanzr,

WaS wächst, sich

willkührlich bewegt und

empfindet, war ihm ein Thier;

waS wächst,

sich nährt und fortpflanzt, aber sich nicht will» kührllch

bewegt und nicht empfindet,

eine

Pflanze; und was kein« dieser Eigenschaften

hat, und höchstens nur durch Anhäufung ande»

rer Theile von außen zu wachsen scheint, war ihm ein Mineral.

So entstanden die sogenann­

ten Reiche der Natur, und auf ähnliche Weise

die Unterabtheilungen derselben in Klaffen und

Arten und Unterarten.

Nur unser Verstand

und unsere Art zu sehen, schloß dir Natur in

diese Grenzen, um sich eine deutllchcre Ueber­ sicht der so mannichfaltigen Dinge in derselben

zu verschaffen. So theilt man die Stern» in Sternbilder,

um sie leichter zu übersehen, und sich am Him­ mel zu orlenttrrn.

So ist bl« Seele des Men­

schen nur ein« «tnzig« unthetlbarr Kraft; aber als sie sich selbst zum Gegenstände ihrer Be­

trachtungen machte, bemerkte sie bald eine große

Verschiedenheit 4n ihren Aeußerungen, und gab

jeder derselben auch rtnen verschiedenen Nahmen. So entstanden die Benennungen, Einbildung«-, Gedächtniß -, Erinnerung« > und Urtheilskraft, Witz, Scharfsinn k., obgleich diese Nahmen,

eben so wenig wie in der Natur, etwa« Abge­

sonderte« andeuten, sondern nur bloß der schwa­ chen Einsicht de« Menschen zu Hülfe komme»

sollen." Unter diesen Gesprächen hatte unsere pht-

losophirende und reitende und erzäh­ lende Gesellschaft den Schloßhvf und den Gar­

ten passirt, und trat jetzt an den Ort, wo der

Fluß de« Städtchen« zwischen zwei Anhöhen

au« dem Thaie verschwindet. Ein glatter, schma­ ler Fußsteig führte unser« Spahiergänger unter

einem schattigen Laubengang von Bäumen, wo­ mit da« Ufer de« Flüßchen« beseht ist, die

Schlucht hindurch.

Da breitete sich vor ihren

Augen eine Helle, freundliche Wiese au«.

In einem abgezäunten Bezirk lag wieder, täuend der Stier, und die jungen Schönen kehrten mit der Mittag-milch in den blank ge­

scheuerten Eimern nach dem Städtchen zurück. Die fleißige Dirne sammelte Honig, und der

in tausend Farben schimmernde Schmetterling flatterte von Blume ju Blume. Da griff Fedor hastig nach feiner Klappe, und wie ein zweiter Nimrod kam er bald mit

dieser, bald mit jener Deute zur Gesellschaft zurück. wehe.

Aber er that nie einem dieser Thiere

Er fing sie nur, um sie näher zu be­

trachten, und

sich an ihren manntchfaltigen

Farben zu erfreuen.

Fröhlich überließ er dann

seine Deute dem Bruder Edgar, der sich eine Lust darau- machte, dem kleinen Gefangenen

die süße Freiheit wieder zu schenken. Fedor kennt alle Schmetterlinge feiner Ge­

gend, aber nie tödret er «inen derselben, eine

Sammlung damit zu schmücken.

Er liebt diese

Todtengruft nicht, womit andere ihre Zimmer zieren.

Seine Schmetterlinge sicht er nicht

ai< Mumien hinter dem Glase; es ist chm un­

endlich süßer, diese fröhlichen Wesen in der freien, wetten Natur herumflattern zu sehen. Wenn er auch da- Anschaun seiner Lieblinge den

Winter über entbehrt, so findet er doch die alten

Bekannten mit jedem Frühlinge frisch und leben, big wieder.

33

-------------

Aber das ist nicht die einzig« Freude, bk dem immer suchenden iinb forschenden Feder der

Frühling zurückführt.

Die ganze Natur breitet

sich a«S, und zeigt ihm auf allen Wegen und Feldern und Wiesen, in allen Thälern und auf allen Bergen, in Flüssen und in Seen, Blue

mm und Pflanzen, die seine Neugtrrde reizen. Fedor ist ein leidmschastlicher Botaniker, und sein Lieblingsstudium, die lateinische Sprache,

kommt ihm hier sehr zu Hülse, die Menge

schwere Nahmen zu behalten, wodurch andere sich von dem Studium der Pflanzenkunde so

leicht abschrecken lassen.

Seine Freude, wenn sein spähendes Auge ein neues Blümchen oder «ine noch unbekannt

gebliebene Pflanz« mweckt, ist dem Entzücken deä sinnigen Rousseau gleich, als er einst auf

einer botanischen Wanderung das längstgesuchte Sinngrün (Vinca minor) entdeckt«.

Keines

Mordes schuldig, mit der reinsten Freud«, trägt

er dann seine Deut« nach Hause.

Zed« Pflanze

däucht ihm eine Steg-trophäe, die er ohne

schmerzhafte Wunden zu schlagen, auf dem ttb chen Feld« der Natur erobert; oder sie scheint

«hm

ihm eine neue Freundin, eine Verwandte seiner frühern Bekannten, die er gastfreundlich auf­

nimmt, ihre Züge,

ihre Phyflonomte, ihre

Kennzeichen ßudtrt, und ihr dann in seinem

Herbarium einen Platz neben ihrer Familie

anweist. Aber damit diese neuen Ankömmlinge ihr

Ansehen so wenig als möglich verändern, so pstegt er sie vorher zwischen zwei großen Lösche

blättern zu pressen und auszntrocknen, indem

er ihnm immer einen Grad von Wärme zukom­ men läßt, der ihm mit der Menge ihrer wäßrichten Theile in Verhältniß zu stehen scheint. Hält er fie dann sür troeken genug, so pflegt

er die Gefangenen wieder Hervor zu holen, und jeden betfetten auf eine gefällige und angenehme

Art auf einem besonder» Dogen weißen Papiers

auSzubreiten, und ihn dann wieder auf immer in dieser Attitüde, wie die Gitter einst den Prometheus an einen Felsen schmiedeten, nnr

mit leichtern Banden, mit einem Zwirnfaden, oder mit kleinen Papierstreifen, die er mit

Gummi bestreicht, an der weißen Fläche zu

befestigen. Pr. 8.

3

Zuwetten auch giebt der kleine Botaniker seinen Fund der reichen Natur wieder zurück-

Aber dann sucht er das Andenken daran sich durch eine Zeichnung, die, er selbst, ober die

Mutter ihm macht, oder durch einen Abdruck

zu bewahren. Dieß letztere weiß er selbst auf eine recht leichte Art zu bewerkstelligen.

Er überstreicht

einen starken Dogen Papier dünn und gleich­ mäßig mit einer schwarzen Farbe, die er aus

Kienruß und Baumöhi mischt, legt dann die Pflanze, oder das Baumblatt, waS er abdrücken

will, mit der untern Seite (weil sich hier die Adem und Fäserchen mehr zu erheben pflegen) auf die überstrichene Fläche, drückt es mit den Fingern, und um sich die Hand nicht zu be­

schmutzen, vermittelst eines dazwischen gelegten

Papiers fest darauf, nimmt das nun auf der

untern Seite geschwärzte Daumblatt wieder hervor, und preßt eS auf ähnliche Weise, indem

er mit dem Finger nach allen Seiten hin dar­

auf reibt, noch einmahl ziemlich stark auf ein untergelegtes, seines, weißes Stück Postpapier.

Dann hebt er behutsam das geschwärzte Daum«

blatt wieder auf, und auf dem feinen Papier zeigt sich der feinste und genaueste Abdruck des­

selben mit allen Wendungen und Verschlingun­ gen auch der kleinsten Aederchen, welche es

enthielt-

Auf diese Weist hat Fedor Abdrücke vor­ züglich von Blättern und kleinen Zweigen aller

um ihn wachsender Daumarten aufzuweisen, und weil ihm diese Druckerei Vergnügen macht, so konnte es nicht fehlen, daß er bald so viel

Abdrücke erhielt, daß er damit, wie dteGrundschen Erben mit den Hamburgischen ZritungS-

blättern das halbe Europa, da« halbe Dahl­

dorf versorgt«.

Sein eigenes Zimmer und der

Platz vor demselben bis zur Treppe ist ganz

austapezirt mit diesen PflanzenportraitS, und man kann ihm keine grtßerr Freude mache«, als wenn man sie, wie «S viele Fremde thun,

für Zeichnungen hält, die mit schwarzer Kreide

gemacht wären. Wir haben unsere Spahiergänger ein wenig allein gehen lassen.

Wir wollm sie jetzt wie­

der etnholen, und auf ihrem weitern Wege verfolgen.

Sie hatten die Wiese immer dem Flüßchen

entlang in mancher Krümmung durchwandert.

fich allmäh-

Jetzt fing der grüne Teppich an, lig wieder zu erheben, und

Laubwerk zu bekleiden.

Begleiter,

verlor sich

sich

mit schönem

Der Dach, ihr treuer

link» unter Erlengebü»

scheu, und «in schmaler Pfad führte die Wan»

derer immer höher und höher. Die Großmutter nahm Hilmar» Arm, und

Edgar bot der Mutter den feinigen, nicht, sie zu

führen,

sondern sich

von

ihr

führen

zu

lassen.

Jetzt bestiegen sie die letzte Anhöh, und nach wenigen Schritten befand sich

die kleine

Karawane auf dem Gipfel eine« Berge», der nach vorn hin einen freien, und

selbst dem,

welcher diese Gegenden schon kirnt, immer noch

überrasche»den Anblick gewährt. Selbst Edgar konnte fich nicht emhalttn,

erst einen langen Blick in die wett«, feett, liebe Natur zu thun, bevor er der Einladung eine» schattigen Daum» Gehör gab, der ihm unter

seinen herabhängenden Zweigen und auf eintm bequemen Rasensitze Kühlung

und Ruh« bot.

Aber bte Natur fordert« bald ihre Recht«.

Neue Stifte sammelnd setzte er sich nieder,

während die Gesellschaft noch sah und bewun» bette, und ließ das schlanke Rettpferdchrn neben

sich knhrn, bad ihm die Großmutter vorher unttn im Haselnußbusche geschnitten hatte.

Aber jetzt führe ich mein« Leser zu der übrigen Gesellschaft an die Spitze diese« erha­ benen Wunderplätzchen«.

Tief und steil mit

Felsen untermischt läuft der Berg hier hinunter. Da« Auge schaut hinab, und verliert sich in

die Menge der Gegenstände, weiche sich ihm auf einmahl darbieten.

Unten schimmert di« «eite, ruhige Fläche eine« au-gebreiteten Landser'«.

Link« zwischen

dunklem Gesträuch und bemoosten Steinen glänzt

der heimathliche Fluß wieder hervor, scheint noch einen freundlichen Blick de« Wiedersehen« unsern Dahldorsern zuwerfen zu «ollen, und

tauscht dann schäumend über einig« FelsrUmasscn hinweg in die größere Fiath, die ihn auf immer verschlingt.

Links umschließen den See felsige Anhöhen, die durch tiefe Kluften durchbrochen sind, und

Luschige Hügel.

Dann senkt sich allmählig der

Boden zu einer schönern Ebene.

Man sieht

waldige Buchten, graSreiche Wiesen mit wei­

denden Viehheerden, Fischcrhütten unter ein»

zelnen beschattenden Bäumen, und weiter vom Ufer zurück, wogende Kornfelder, mahlerisch

untermischt mit Dörfern und waldigen Hügeln. Auf der entgegenstehenden Seit« verdeckt

die Ufer zur Hilft« eine meist mit Bäumen bekleidete Znsel, die fast in der Mitte wte ein

hervor gezauberter Feenwald aus der zurückspie,

gelnden Fluth hervorstetgt.

Man nennt sie di«

Fürstentnsel, weil der Fürst sie vorzüglich zu seinen Spahiergängen wählt, die trefflichsten

Anlagen hier gemacht, und sie mit allem ge,

schmückt hat, was dl« schöne Kunst einer ohne­

hin schon schönen Natur geben kann. Zur Rechten erblickt man auf einem ebenen aber etwas erhabenen User nach hinten zu, an

einen hohen waldbewachsenrn Bergrücken ge, lehnt, den fürstlichen Wohnsitz, ein lange«, nicht hohes Gebäude, im edelsten Styl aufgeführt.

Sein« welßen Wände und glänzenden Kuppeln

-eben thun schönt» Kontrast mit bem man» nichfalttgtn Grün, von dem es umgeben ist.

Hier in, der ruhigen schönen Natur legt derFürst gern seine Würde mit dem Stern und

der Krone nieder, und tritt gern eine Zeitlang in die Stille des Privatlebens ein.

Den größ­

ten Theil des bunten Schwarms, der ihn ermü­

det, pflegt er in der Residenz zurück zu lassen, und sich hier ungestört der Zärtlichkeit seiner Familie und den feinern, höher« Genüssen der

Freundschaft hinzugeben, von der drückenden Last der öffentlichen Geschäfte sich zu erhole», sich an den sanfte» Freuden der Natur zu

erquicken, gern zu vergessen, daß er Fürst ist, und sich menschlich unter Menschen zu freuen. Aber noch sieht man zur Rechten durch Gebüsch von dem Schlosse getrennt und halb

hinter Bäumen versteckt die Meierei und dse fürstlichen Wirthschaslsgebäuht/ Daran schließt sich ein freundliches Dörfchen, das mit feinest

weißen Schornsteinen und der vergoldeten Thurm­ spitze aus seinen dickbelauhten Daumgruppen hcrvorsteht.

Dies ist Gruiidseld, das erste Ziel, das sich

unsere Wanderer gesteckt hatte».

Hier wollte

die Familie einen al»«» Freund ihre« Hauses, die Gräfin «ine jüngere Jugendgespielin, und

Hilmar In diesen beiden «inen künftigen Vater Und «ine Verlobt« begrüßen.

Der Pastor von Grundfeld ist ein ehrwür« biger Greis

mit

weißem Haar.

schon

kahler Scheittl und

Scho» beinahe sunfjig Zahr«

ist er Lehrer und Führer der

ihm anvenrau«

len kleinen Heerde, und noch immer betritt er

den Lehrstuhl,

und spricht

mit jugendlichem

Feuer vor der versammelten Gemeinde.

Schon

manches Band unter zwei Glücklichen hat sein

Segrnsspruch geheiligt, und manchem, den er bet der Tauf« empfangen und im Leben beglet»

tet har, ist er auch zum Grab« gefolgt. wer tteu

seinem Beruf und

Im«

den Bewohnern'

seines Dtrfchens, di« «k wl« seine Kinder liebt,

und dl« ihn als Barer verehren, -leicht er dem Ulmbaum, der vor feiner Thür steht, und, ein uralter Zeuge bet d«n Spielen d«r Dorfjugend,

und siegend über das Alter, den Kindern noch den Schatten bietet,

vater geliehen.

den er schon dem Groß­

Durch seinen stets «kisen Rath

und durch seine unaussprechliche Herzensgüte

ist er dem Dörfchen gleichsam «Ine andere Vor»

sehung gemorden.

Auch bte bescheidenste Ar­

muth kann sich seinem Auge nicht verbergen,

seiner helfenden Hand nicht entziehen,

und

wie manche- Unglück mag er schon verhütet, wie manch« unredlich« That verhindert haben, indem er so geschtckt jedem Bedürfnisse zuvor

zu kommen weiß.

Nie braucht er das Anse­

hen, worin er bei allen Dorfbewohnern steht,

als zur Beförderung ihres eignen Wohls, und oftmahls sah man schon zwei Menschen, die sich

feindselig einander verfolgten. Von feinem gast­ freien Tische als Freund« wieder hinweg gehen. —

Dies ist das Bild unsers neuen , ehrwür­ digen Freundes in Gruudfeid.

Mein« Leser

kbnnm sich vorstellen, wie geliebt and geehrt

ein solcher Mann in der Familie Dahldorf seyn muß, wo jedes Mitglied «in offnes Auge für

da- Schöne und ein empfängliches Herz für alle-Gute zeigt.

Auch war der Greis früher

der Lehrer der Gräfin gewesen, tbelche « mit seiner eigenen etwas jüngrrn Tochter zugleich

eine Zeitlang unterrichtet hatt«.

Im Hause deS Greise« selbst herrscht Liebe

und stille Eintracht.

Nur ein Sinn herrscht

«nter allen, di« unter einem Dache wohnen. -=■ Spät erst hatte sich dem Greise au« Ach> tung und Dankbarkeit ein treues Mädchen ver­

banden , und früh riß ihm das Derhängniß die treue Gefährtin wieder von der Srire; aber

die Zeit Hat die Wunden geheilt, die ihm ihr Tod'schlug, und in dem aufblühenden Kinde

sah er die Selige gleichsam wieder auferstchen und den Hinterlassenen trösten.

Und dieser süße

Trost war ihm grbiieben.

Die Natur hatte die Tochter mit den schön­ sten Geisteogaben geschmückt, und der weise

Gärtner bebauete sorgsättig Boden.

den fruchtbaren

Emma, ist jetzt Jungfrau geworden,

und hat seine frohesten Erwartungen nicht ge­

täuscht.

Sir ist dem Greise das einjtge theure

Kleinod, für das er taufend Leben mit Freuden Hingaben würde-

Und sie sucht diese Liebe durch

die sorgfältigste Pflege des VaterS,

durch

die innigste Anhänglichkeit, durch das unbe­

schränkteste Vertrauen, das sie ihm zeigt, zu verdienen.

Mit welcher Aufmerksamkeit lauscht

sie auf seine Winke, «eiche Seligkeit leuchtet

aus ihren Augen, wenn sie glücklich seinem Wunsche begegnet, oder noch glücklicher dem» selben zuvorkommt l

Wie sorgfältig thut sie

alle-, wa- sie für ihn thut, welcher Auf« opfeningen ist sie fähig, wenn sie ihm eine

Freude bereiten kann, und «le geschickt «nd bescheiden weiß sie den dankbaren Blicken der

Vaters durch eine neu« Aufmerksamkeit für ihn

auSzuweichen! Auch ist Emma geliebt von allen, «elche

sie kennen.

Ehrfurchtsvoll und schüchtern grüßt

sie jeder Jüngling im Dorfe, und di« Greise

grüßen sie freundlich, und die Mütter zeige«

sie ihren Töchtern, wenn sie vorüber ist, als ein ^Muster der Nachahmung.

Dor allen liebt

und schützt sie daS Dahldprfer HauS, und be« sonders scheint Hilmar di« Stunden, die er in

ihrer Gesellschaft zubringen darf, zu feinen schönsten und glücklichsten zu zählen.

Denn

Emma zeichnet «in edle- Gemüth auS, das der

zartesten, sanftesten Empfindungen fähig ist, und aus dem sich jefrer Gegenstand, der es berührt,

reiner und schöner gleichsam znrückspiegeit.

Ihren Geist hat sie durch eine au-gewählte

Lektüre gebildet, und mit Kenntnissen aus atkn Feldern des Wissens bereichen.

St« ist kein«

Gelehrt«, aber sie har von allem, wie dl«

Biene den Honig gesammelt, und ihr Wissen gleicht einer Biuwenlese, wo man von «llem Schönen und Nützlichen das Schönste und Nützlichste geschmackvoll vereinigt findet.

Dies

alles wird noch In feinem Reize erhöht durch

den Schleier der Bescheidenheit, womit fie ein böses Wort, nie eine Anspielung, rin Blick, der Mtßmulh verrathen

IOI

hätte, wenn der Daker dem Unschuldigen zürnte.

Selbst dir übelste Behandlung, die ihm von dem kranken, von Hypochondrie geplagten Vater widerfuhr, ertrug er in ruhiger Ergebung, und selbst im traulichen Kreise seiner Freunde ent«

schlüpfte dem guten Sohn« nie ein« Klag« oder ein Seufzer über di« Last, welche er trug."

„Uns entzückte die» schöne Muster der Duldsamkeit, und meine'Gesellschafterin fühlte

sich davon so begeistert, daß sie sich in ihren

Lobeserhebungen, womit sie diese Tugend pries, gar nicht erschipfen zu können schien.

Fast'

hätte sie sich, wie im Stücke, einen ähnlichen unglücklichen Vater gewünscht, bloß ihm ihr«!

Duldsamkeit zeigen zu können, von der sie f»

schön, wie «in Professor der Moral predigte.'«' ,, Die schöne Lobrednerin aber täuscht« ge­ waltig sich selbst.

Nur in ihrer Einbildung--'

kraft trug sie da- Gemählde der Tugend, bereu

Vorstellung sie so gerührt hatte, daS Köpfchen war voll, wie bei so vielen unserer jungen

Schönen, aber das Herz war leer geblieben. Es pflegen darig die Gefühle nur wie Geister­ erscheinungen aufzusteigen, die keine bleibende

Man irrt sich hier, wie

Spur zurücklassen.

bet den Feenmärchen oder den Träumen, wenn man

solche Gesiebte

wirkliche

für

Gestalten

nimmt, und beim Erwachen suchet, wa« man

im Schlafe gesehen hat. —“ „Auch

meine Gesellschafterin

ihrer Begeisterung durch

mochte au«

da» Rütteln de« zu-

Wir fite»

rssckfahkenden Wagen« erwacht seyn. gen

vor ihrem Hause au«,

Zimmer.

und traten in«

Wir fandm niemand al« ihren bltd»

sinnigen Bruder, den ein unglücklicher Fall auf

den Kopf de« Verstände« beraubt

hatte.

Er

vor einer Rüthelzeichnung,

welch« meine

junge Wirthin noch nicht ganz

vollendet und

faß

offen auf dem ArbeittUsche zurückgeiaffen hatt«.

Der Bruder,

welcher durch dl« Nachlässigkeit

seine« Diener« sich einen Augenblick allein über»

lassen grwesen war, hatt« mit dem neben der Zeichnung au«

gefundenen Rithel einige Figürchen

seiner Fabrik darunter

gesetzt.

Welche

Probe war dieser Anblick für unsere duldsame

Freundin! —

Da« berüchtigte Medusenhaupt

hat nicht mehr Schrecken rinjagen kinnen, al«



hier

da«

im

Augenblick vorher noch

so

freundliche, jetzt aber ganz verwandelte Gesicht der Schwester dem Bruder that.

Wle etneDUü«

sLule stand er da, und schlen sich vergeblich zu be­ sinnen , warum die Schwester auf seine gelungene Mahlerei, wie er glauben mochte, so

bös« seyn könnte. Endlich mochte er glauben, den Grund seines Fehlers und zugleich das Mittel

seiner Verbesserung gefunden zu haben.

Hastig

ergriff er rin auf dem Tisch« liegendes Zeug,

das er für sein Schnupftuch halten mochte,

um seine Männerchen von dem Papier und

von dieser Welt wieder damit zu vertilgen. Er war zu schnell; wir hatten nicht Zett, ihm

Einhalt zu thun.

Aber wie flammte jetzt das

Gesicht der beleidigten Dulderin!

Mit den

Männerchen des Bruders war di« ganze Zeich­

nung zugleich verwischt, und das vermeinte

Schnupftuch war ein eben vollendeter, schön

brodtrter Kragen, womit sie am folgenden Tage bei einem glänzenden Dejeuner erschelnen wollte.

Das im Augenblicke vorher so viel Milde tier­

sprechende, jetzt blitzende Auge schien Dannstrahlcn auf den armen Bruder zu werfen. Der

schöne Mund, der kurz vorher so herrlich« Worte

über die Duldsamkeit gesprochen hatte, sprudelte jetzt nur Vorwürfe und Scheltwort«, und die

nledlichen Händchen ballten sich fast krampfhaft zusammen, den unberufenen Mahler zu lohnen."

So wenig vermochte die Selbstgetäufcht«

ein« Tugend auszuüben, von deren Vorstellung sie sich kurz vorher noch so durchdrungen gefühlt hatte.

Es ist wahrscheinlich, daß die- Gefühl

wirklich, ihr Wille aufrichtig gewesen ist, als

sie aus dem Schauspielhaufe zurückkam;

aber

die Kraft zur That, welche ihre Aeußerungen

zu versprechen schienen, war nur eingebildet, und sie verwechselte die Bewunderung der Tu­ gend, mir dem Besitz derselben, so wt« man

lclcht den scheinbaren Obstduft des Rosen» stöckchcnS mit dem wirklichen von Früchten verwechseln kann, die er nicht trägt.

Wunsch,

Neigung, Begeisterung für eine Sache ist noch

immer nicht der D e s i tz derselben.

Man kann

sich von der Dicht - oder Tonkunst wunderbar

gerührt fühlen, aber man wird dadurch noch kein Dichter oder Tonkünstier.

Die Fähigkeit,

die Kraft muß da seyn, und vorher geübt wer­

den.

Ein Beispiel von Heldenmuth und Auf-

Opferung kann unser ganze« Wesen aufrütteln und beleben, aber tf macht un« nicht sogleich

zum Helden, bevor nicht die moralische Kraft

vorher gestärkt und geübt ist."

Die« die versprochene Episode.

Gehen wir

nun unserer Gesellschaft wieder nach.

Wir finden sie an einem schon bekannten Plätzchen wieder, da, wo der Dach, welcher

die Dahldorser Wiesen bewässert, von der Hthe herab tauschend und schäumend In« Thal fällt.

Dem Falle gegenüber führt eine Drücke über

den Bach, kunstlo« von unbeschälten Birkenstäm­ men erbaut.

Da« Geländer ist ein Fiechtwerk

vcn gelben Tannenwurzeln.

Zu Pfeilern dienen

ein Paar Feisenstücke, und drüber hin wölben

zwei belaubte Weidenstämme ein schattige« Dach.

Unsere Gesellschaft verkeilte mit Vergnügen aus dieser Drücke.

Die Kleinen bogen sich über

da- Geländer hin, und nickten sich einander zu

in der zurückspiegelnden Fluth.

Auch Hilmar

schaute hinab, dem Blicke der Freundin zu be­ gegnen.

Auch die Gräfin und die Großmutter

ergehten sich an diesem einfachen Spiel und an

den blinkenden Augen ihrer kleinen Lieblinge, und

kd6

-------------

•n ihren wallenden Locken, die in bk Fluth getaucht und von derselben bewegt zu «erden schkuen.

„ ES ist schön, Mutter," bemerkte Fedor, „auf dem immer fließenden und «rchseindea

Spiegel stet« doch dasselbe Dildniß zu sehen! “ „Dieser Spiegel," erwiederte sie, „zeigt

uns da« Bild und Verhalten de« Weifen im Leben.

Sv ruhig und still wie hier der Dach,

geht für ihn die Zeit und ihre Geschichte vor­

über.

Immer ist er sich gleich und derselbe,

und bleibet fest auf de« Leben« immer veränder­

ter Woge.

Wie sich auch sein Schicksal gestal­

tet, seinen Sinn ändert t< nicht.

Da« Unglück

schlägt ihn nicht nieder, bk Freude macht ihn

nicht selbstvergessen und wild.

Er mäßigt den

hraufenden Strom der Leidenschaft, daß er stiller und tbtntt fließe, wie da« Bächlein hier zwi­

schen den engen Ufeni dahingleitet." „Dort aber, wo der Dach sich schäumend

zwischen Felsen ergießt, gleicht er noch der wil­ den ungezügelten Begierde des Knaben, welcher,

wie er, kein ander Gesetz kennen will, al« die beschränkenden Umstände.

Aber die Zeit mildert

--------------

10?

bk Leidenschaft, und ruhiger, ebener und «einer

fließt dann da« Leben zwischen den Schranken des Gesetze«, wie da« Bächlein zwischen den

umschließenden Usern fließt, und dle Felder be-

feuchtet, aber sie nicht überschwemmt."

Den kleinen Edgar, welcher hiervon wohl noch so wenig, al« manche meiner jungen Leser von der Heraldik, verstehen mochte, hatte un»

terdrffen «in ganz andere« Schauspiel angrzogrn. Eine Menge kleiner, niedlicher Fische schwam» men über dem kiesigen Grunde de« klaren Was» ser« lustig daher.

Edgar sah mit Entzücken

ihr muntere« Spiel, und stand und kert« alle

Taschen von den alten Restchen der Kuchen,

womit die Großmutter sie manchmahl gefüllt hatte, und warf die Krumen hinab zum schwtm»

menden Völkchen, und frohlockte vor Freuden und rief dir Großmutter und alle zu Zeugen,

wenn e« plätschernd herbeieilte, und die hinge»

worsenen süßen Bissen erhaschte. Aber jetzt war der Vorrath in Edgar« und Zäsar« Taschen erschöpft.

Selbst der Groß­

mutter Körbchen war schon durchsucht und ge­ leert.

Da zerbröckelte Edgar Stückchen trecke-

ner Erde, und warf sie hinein, und lachte und jubelte, wenn das leichtgläubige Völkchen jedes­

mahl auf den vermeinten Fund zuströmte, und sich dann wieder nach vergeblicher Eil langsam nach allen Seiten zurückzog.

Da rezitirte Emma eine Strophe aus dem schönen Fischerliede von Göthe : Was lockst du meine Brut

Mit Mcnschenwitz und Menschcnlift Hinauf in TodeSgluth?

Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist. So wohlig auf dem Grund, Du stiegst herunter, wie du bist,

Und würdest erst gesund! —

Diese Verse enthalten zwar eigentlich nur

einen Dorwurs für den Fischer, der durch die

Angel das leicht betrügliche Waffervolk zu täu­ schen sucht.

Aberdermenschlich fühlende Edgar

f?nd auch für sein Spielwert schon Tadel und

Vorwurf genug darin.

Beschämt ließ er das

Steinchen wieder der Hand entfallen, das er eben aufgehoben hatte, die Fische damit zu

------- - -----

locken.

log

„Nein," sagte er zum BruderZäsar,

„man muß diese Thierchen nicht täuschen!"

Die Gräfin Hirte diese Aeußerung des Zart­ gefühls, aber sie that, als ob sie es nicht ge­ hört hätte, wandte sich, und wischte sich vom Gesicht «ine Thräne, welche die Mutterfreude

ihr entlockt hatte.

Emma hätte den Kleinen für solche Gesin­ nungen gern an ihr Herz drücken und ihm sagen

mögen, wie entzückt sie davon wäre.

Aber

das Beispiel der Gräfin hielt sie zurück.

Sie

nahm eine Rose aus dem Strauß, womit die

Gräfin sie beschenkt hatte, und gab sie dein Kleinen zum Ersatz für das Opfer, das er so

freiwillig gebracht hatte.

„Da," sagte sie, „du kannst sie zerpflük, ken und ln den Dach werfen; gar lieblich ist's, wenn die kleinen runden Blätter wie Schiff­ chen dem Ufer entlang schwimmen!"

Edgar bot dankbar der Freundin den Mund zum Kuss« dar, und diese fand in seiner Dankbar«

leit die gesuchte Gelegenheit, und drückte «inen herzlichen, liebevollen Kuß auf die rothen Lip­

pen des Lieblings.

Auch Hilmar hätte jetzt gern Gelegenheit gefunden, seinen Tribut mit einem Kusse zu bezahlen; aber er sand sie nicht, und loben

wollte er auch nicht; denn ein offenbares Lob

unmittelbar nach einer guten Handlung hält er für unzweckmäßig in der Erziehung.

Der gut«

Mensch, pflegt er zu sagen, der einer gute« That fähig ist, findet in der Thal selbst schon

Genuß und Belohnung, und verlangt er mehr, so ist eS höchstens die stille Billigung und An­

erkennung seine- Verdienstes von andern.

Er­

wartet er mehr noch, alt dies, ein Lob, «in«

Belohnung, oder irgend ein« Auszeichnung, so ist seine Handlung nicht, «aS sie scheint, und

verdient nicht, waS sie fodert. — Aber Hilmar pflegte Handlungen dteser Art bet seinen Zöglingen doch nie zu v-rgessrn.

Er

erinnert« bet vvrkommenden Gelegenheiten daran,

und dann bienten sie ihm al- eilt schöne« und

wirksame« Mittel zur Ermunterung, zum Fort­ schreiten im Guten.

Aber die Ros« «ar jetzt auch zerpflückt, und die Kleinen richteten scholl begierig den Blick auf die Höhe, die «inen neuen schinen Anblick

If l

zu versprechen schien.

Man verließ das Plön»

chrn über dem Wasser, und stieg auf einer

Treppe, di» aus hervorragenden starken Baum» wurzeln besteht, zum Theil auch aus Kelsen

gehauen ist, an einem sichern Geländer von glatten, beschälten Fichtenstämmen den steilen Bergrücken hinauf.

Die Kleinen kletterten,

wie die Gemsen, so leicht der übrigen Karavane

voran, und waren schon oben, als di« Gros;»

mutter, welcher das Steigen doch ein wenig zu ungewohnt geworden «ar, sich noch mit Hilmar, ihrem Führer, auf der untersten Ter» rasse befand.

Jetzt hatte man da- Thal und das Städt­ chen tief unter sich, und stand ausruhend am Geländer, womit der Kranz der Anhbhe ein»

gefaßt ist.

Mit Vergnügen weilte das Auge

bald auf den bekannten Gegenständen, dir man

verlassen hatte, auf den Häusern und Gärt,«»

und den Menschen, die da unten herum «an» delten, bald auf dem Spiegel des Dachs, der vbm ruhig in seinem Bette forrfließt, bis wo

er sich plötzlich in da« Thal hinunter stürzt.

bald

auf den Wiesen und hohen wallenden

Kornfeldern, dte oben die Ebene bedeckten.

Aber der Zug ging langsam weiter, und nach einem zurückgelegten, kaum eine Viert-l-

stunde langen Wege befand sich unsere Gesell­

schaft am Ziel, auf der Spitze einer mäßigen Anhöhe, welche di« obere Ebene und die ganze

weite Gegend umher beherrscht.

Fedor zählt«

fünfzehn Dörfer mit ihren emporragenden Thür­ men, und Hilmar freut« sich mit Emma, als

sie fern aus tiefem Grunde auch die vergoldete Thurmfpitze von Grundfeld hervorglänzen sahen.

Wohin das Auge hier schaut, trifft «S auf angenehme Gegenstände der Natur und der menschlichen Kunst.

Unter dem Beobachter

sprudeln am untern Rande einer jähen Berg­ wand drei Quellen hervor, so hell wie Krystall, und irren tn verschiedenen Wegen auf glänzen­

den Kieseln, bald zwischen niederm Gesträuch, bald zwischen langen Haknen und Wiesenblumen

tiefer und immer tiefer hinab, und sammeln sich

unten wieder in einem geräumigen Decken, in dessen zurückspiegelnder Fläche sich der blaue Himmel, und di« Sonne und die umliegend«

Land-

Landschaft abmahlen.

Aber von dem See nur

läuft dann eln Bächlein weiter hinab, wie ein Stlberstretsen, der bald glänzend hervottrttt,

bald wieder hinter beschattenbem Grün ver­ schwindet, bis er bei dem Hcrabsturze in den

Dahldorfer Grund uoch einmahl freundlich zur Quelle zurücksieht, und bann das Mutterland auf immer verläßt.

„Grüß Dahldorf!" riefFedor dem Dach« zu, „Und Grundfeld!" rief Emma, und -ad Edgar noch eine Rose, die er zerpflückt« und hinab in di« enteilenden Wellen warf.

Aber zur Seite zieht sich am Fuße des Berge« die belebte Landstraße hin.

Fast bestän­

dig sieht man hier Wanderer, Reuter, Karossen,

oder da« kunstlose Gespann de« Landmann«, der vom Einkauf an« der Stadt zurück, oder zum

Besuch auf der Nachbarschaft zu einem lt«ben Verwandten eilt.

Ring« aber begrenzen Dörfer und ferne, blaue Wälder die Aussicht, und tief aus der wei­ testen Ferne her schimmern die auigethürmten, stolzen Massen der fürstlichen Residenzstadt.

Die Fläche selbst, welche da« Auge überschaut,

Tt. 3.

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wechselt unter den mannigfaltigsten Bildern. Die ganze Landschaft umher scheint ein großer, schöner, von der Natur geschaffener Garten zu

seyn.

Man sieht befruchtende Wasser und Thä­

ler und schattige Hügel, Felder und weidend«

Heerdrn und freundliche Dörfer, und überall in

schönem Verein die Spuren der menschlichen Hand und der noch weit wirksamern Natur. . Unsere Gesellschaft stand, und sah in stiller

Begeisterung die Wunder umher.

Hilmar un­

terbrach dies Schweigen.

„ Wie herrlich ist Gottes Schöpfungrief et au«, „und wie wunderbar der ewige Kreis­

lauf in dieser großen Maschine!

Zch spreche

nicht von den Sonnen, di« in ewigen Bahnen sich kreisen, von dem Lauf der Planeten, von

der genau abgemessenen Richtung unsers Welt­ körpers gegen die große Tags-Königin dort, welche ihm Licht und Wärme giebt, und seine

Zahrs- und Tagszeitrn bestimmt; nur bei den Wundern, die wir mit unbewaffnetem Auge

sehen, und ohne gelehrte Systeme begreift», darf mn» stehen bleiben, um den weisen Schöpfer

zu erkennen."

„Welche Ordnung und Harmonie sehen wir tn der vor uns auSgebreiteten Natur!

Alles

lebt und wirkt eind giebt wechselseitig «nb

empfängt.

Die Gewässer verdünsten, und

zerstreuen kühlend ihre Theilchen in der heißer»

Luft.

Z» Bergen und Wolken sammeln sie sich

wieder, und gießen sich dann in einem befruch­ tenden Regen herab auf das durstige Erdreich,

oder entrinnen zum Bewässern der Gegend als Quellen den Bergen, und die Quellen vereini­ gen sich dann tn Bächen, di« Bäche wachsen

zu Flüssen und Strömen, und die Ströme fal­ len ins Meer.

Dann beginnt der Kreislauf

von nruem, und nichts stört das alte, ewige

Gesetz. „ Eben so nährt das Feld dort die Heerde, der befeuchtete Boden befruchtet den Daum,

und beide dienen wieder dem Menschen zum

Wohlgeschmack und zur Nahrung, bis alle end­ lich wieder zur Mutter Erde zurückkehren, und

nach tausend Zähren rollen vielleicht Theilchen von dem Geyer, der dort sich niedersenkt, i«r

dem Blute eines Weltbezwingers, oder, o wun­

derbarer und doch möglicher Fall!

es blühen

1X6 Theilchen von unserer dann längst schon begra-

denen Freundin vielleicht im Rosenstock einer

Dlumenliebhaberin wieder auf."

„O, Sie find «in Schwärmer!" fiel hier Emma dem Redner ins Work.

„Aber lernen könnten die Menschen doch au« seiner Schwärmerei,“ bemerkte die Gräfin,

„baß keiner empfangen sollte im Leben, der

undienstbar nicht wieder giebt, und keiner geizig nur behalten, wenn er empfängt.

Zn der

Natur bieten fich alle Kräfte harmonisch die

Hand.

Auch die Welt und die menschlich«

Gesellschaft kann nur durch wechselseitigen Dienst glücklich bestehen."

7,Za, ja, auch ich, „fügte Emma Hinzu, „will mir aus der schönen Predigt «ine goldene

Regel sür weine Wirthschaft mit nach Hause

nehmen.

In der großen Haushaltung der

Natur kommt nichts um.

Die gefallenen Blät­

ter und verwesten Kräuter machen fruchtbar,

die Raubthiere sind unsterblich, und die Mäd­ chen gar müssen wenigstens als Blumen im

Garten wieder hervorsprießen." „Der Prediger ist auch zugleich ein guter

Otfonom/: meinte die Großmutter, „und wird der künftigen Hausfrau brav

auf die Finger

sehen! “ Di« anfängliche Begeisterung Scher) und Lachen.

endigte mit

Nachdem Herr Hilmar

die Pegasusschwingen auf dem Parnaffuö, wo

er war, wieder hatte sinken lassen, und Herz und Auge befriedigt war, so schlug die Groß«

mutter vor, etwas tiefer zu einer kleinen Ter» rasse auf dem Abhang« des

Berges

hinabzu«

steigen, und dort auch dem jungen Magen M

kleinen Gefolges eine Erquickung zu gönnen.

Doch an Folgen dachtm jetzt bet so fröh­ lichen Hoffnungen die leichtfüßigen

wenigsten.

Gäste am

Sie sprangen voran, und wie über­

raschend war für sie unten der Anblick.

Wie

aus der Erde gezaubert stand auf dem bezeich­ neten Platze rin runder Tisch mit weißem, fei­

nen Gedeck, und Müden,

ein Paar Bänken für di«

und einer großen Schaale voll duf­

tender Erdbeeren und einer Kann« daneben voll

Müch für die Durstigen.

Die Gräfin hatt«

alles vorher heimlich besorgen lassen.

Nun versammelte sich auch die übrige Gesell-

schäft um den vollbesetzten Tisch.

Der Ort,

wo da» ländliche Mahl Statt fand, ist rin

kleiner,

runder Vorplatz vor einer Grotte,

welche in den Berg gehöhlt ist.

Einige Felsen»

stücke, in den Fugen mit Moos und langem

Grase durchwachsen, bilden den Eingang und

drüber ist kunstlos in einen Stein der Nahme Acer

gegraben.

Helle, halb durchsichtige

Bäume beschatten das Plätzchen.

Etwas tiefer

zur Seite quillt au- weißem Sande eine der Quellen hervor, welche den Dach von Dahl«

darf bilden.

Vorwärts aber noch tiefer zeigt

sich die Landstraße, welche bald offen dahin

läuft, bald von dichten Bäumen verschlossen wird-

Man lobte und pries die schön« Gegend umher, und die Kleinen neben der Erdbeeren« schaale stimmten lustig in all« Lobeserhebungen

mit ein.

Ein ambrosischer Duft war um den

Tisch verbreitet, muntere« Gespräch würzte

das Mahl.

Statt des blendenden Schimmer­

vergoldeter Kronleuchter blinkt« der ganze Him­ mel freundlich auf sie hernieder; statt der be«

mahlten Fächer wehten leise Winde Kühlung

unb Wohlgerüche von bin buftenbtn Wiesen herauf, unb statt btt Tafelmusik erscholl ein tausendstimmige« Chor naher lustiger Waldbe»

wohner.

Aber jetzt waren ble süßen Früchte verzeh»

ret, unb bie kleine Gesellschaft sprang wieber

von ihren Sitzen, unb zerstreut» sich,

gebot

jagte nach ben Schmetterlingen, Zäsar holte Blusen vom See, unb Ebgar pflückte Feldblu­

men, bet Mutter ein Kränzchen zu flechten. Doch halb versammelten sich alle wieber

bei btt Grotte.

Ein enteilender Schmetterling

machte lm Flug« Feder auf die Inschrift in derselben aufmerksam.

„Da- ist Azer-, de- tteuen Azers Nahme/' rief er, „von dem dieser Berg den Nahmen

erhalten hat; die Großmutter hat es erzählt! “ Zäsar klimmte eben mit seiner Last unter dem Arme den Berg wieder herauf.

Kaum

hatte er von Großmutter und Erzählen gehört

als er sie auch schon bat, ihr Geschichtchen, zu wiederholen. Die Bitte wurde erhört; denn

die Großmutter erzählte eben so bt« Kleinen zu hören pflegten.

gern, al­

Alle setzten sich nun um di« Erzählerin Im

Kreise herum.

Die Gräfin strickte, die äuge»

fangene Arbeit sür den Gemahl zu beenden. Emma flocht Körbchen und Hilmar und Fedor wählten und reichten ihr dazu die Binsen.

Alle

aber hörten, und di« Großmutter begann:

„Dieser Berg, unser nächster und liebster Spahiergang, war von jeher immer der Lieb­

ling-aufenthalt unserer Familie.

Schon ich

habe al- Kind hier gespielt und Blumen ge­

sucht.

Meine Tochter und euren Vater führte

ich hierher, al< sie noch Kinder waren, und

noch jetzt, da sie Gatten und Vater und Mut­

ter sind, suchen sie gern die alten Plätzchen ihrer Kindheit wieder auf, und sehen mit stil­

lem Vergnügen, wie auch ihre Kinder wieder

die Freuden hier finden, die sie und ich einst hier fanden."

Edgar konnte kaum begreifen, daß die Groß­ mutter auch ein Kind und so klein al- er ge­

wesen wäre.

Er glaubte, die Ordnung der

Dinge bestehe von Ewigkeit her, so wir «r sie jetzt fand, und er konnte sich die Großmutter

kaum ander- denken, al- mit der Haube über

vem grauen Haar; so wie «in ehrlicher Mah­ ler in einem katholischen Lande, der in seinem Leben säst nicht« al« Mönche und die Palette gesehen hatte, die Zünger Christi auf seinem Gemählde mit Kapuzen bekleidete, und sie so unter das Kreuz stellte. „Euer Daker, “ damahls mein Neffe, „fuhr die Großmutter sott, wurde in meinem Hause in Dahldorf erzogen. Eines TageS, er war noch Kind und von Fedor's Alter und Ansehen, machte ich mit ihm und eurer jetzigen Mutter, die kaum den wartenden Armen ihrer Amme entlaufen war, einen Spahiergang nach diesem Berge. Wir saßen auf dem nehmlichen Platze, wo wir jetzt sitzen, und brockten weiße« Drodt in «ine Schaale frischer Milch, die uns laben sollte. Da schlich müde «in ältlicher Mann auf der Landstraße daher. Seine Kleidung hatte ein sehr dürftiges Ansehen, seine Miene ver­ rieth stillen Kummer. Ein schwarzes Händ­ chen trug er liebkosend auf dem Arm. Wir stiegen von dem Berg hinab. Es war «in Bettler; denn als er uns auf sich zukommen sah, sprach er «nS um ein Allmosen an. Zch

reichte ihm ein Paar Geldstücke, unb mein kleiner Neffe sprang zurück, unb holte vom Tische ein Stück Weißbrodt, das Hündchen da­ mit zu füttern. Der Alte bankte ihm mit gerührtem Blick." „„Dort, sagte er, unb zeigte auf eine Karosse zurück, die ihm eben begegnet war, dort hat man mich unfreundlich abgewiescn, weil ich noch ein Thier ernähren wollte, da ich selber um Unterhalt bettelte. Man mag Recht haben; aber ich kann dieß unschuldige Thicrchen nicht verstoßen, unb dem Hungertode Preis geben. Seine Mutter war eine alte treue Hündin. Ich verlor im Kriege Werb unb Kind unb Dermi« gen; von allem, was ich befaß unb liebte, blieb sie allein mir übrig. Sie theilte mein Unglück eben so fröhlich, als vorher mein Glück, unb blieb auch bei bet magersten Kost, die ich ihr reichte, meine treue Beschützerin auf meinem mühvollen Wege. Dankbar theilte ich mit ihr, was ich vor den Thüren der Leute empfing. Aber vor wenig Tagen starb sie mir unter« wegS. Ich begrub sie unter einem Baume an der Landstraße, unb ich schäme mich nicht,

tf zu sagen, ich ««inte wirklich Thränen auf ihr Grab. —

„Dieses muntere Thierchen ist eins ihrer Die Kinderchen waren noch jung, als

Sihnd.

die Mutter starb, und starben nicht lange dar« auf, als sie ihrer Nahrung, der Muttermilch,

beraubt wurden.

Zu spät konnte ich etwas

Milch in dem nächsten Dorfe auftreiben.

Zch

kam zurück, und fand die Kleinen todt an den kalten Brüsten der Mutter.

Dieß einzige habe

ich gerettet; aber ich läugnr es nicht, seine Un­

terhaltung in so zartem Alter wird mir sehr

schwer.

Seiner selbst willen würde ich gern

von ihm mich trennen, wenn ich rin Paar treue pflegende Hände fände, die sich seiner

«»nehmen wollten." “ „Mein Neffe sah den Alten, dann mich an, und las in Beider Augen,

wünschte. Arme:

was sein Herz

Er nahm das kleine Thier in seine

es war ein allerliebster, schwarzer Pu­

delhund.

Abschiedes,

Rührend war der letzte Blick des womit

der Alte

ihm

nachsah.

Meine Kinder aber trugen ihn liebkosend hier­ her, und gaben ihm Milch lind Drodt von

unserm Tische.

Da warb das kleine Thier so

munter und lebhaft, daß wir alle unsre herz-

ltche Freude daran hatten.

Diese Lebhafttgkelt

|elgte eS in der Folge beständig, und erhielt deßhalb —“

„ — Den Nahmen Azer, fiel hier Fedor eben so lebhaft ein; denn das ist lateinisch, und bedeutet den Lebhaften und Muntern. “

„Azer," fuhr die Großmutter fort, „war «in sehr gelehriges Thierchen, und lernte bald

tausend niedliche Kunststücke von seinem neuen Herrn und Lehrmeister.

Er ward größer und

immer geschickter, zeigte immer mehr Anhäng­ lichkeit an meinen Neffen, und war sein bestän­ diger und unzertrennlicher Begleiter.

Er lag

ruhig unter seinem Stuhl, wenn dieser Unter­ richt empfing, lag zu seinen Füßen bet Tische,

empfing tön seinen Händen Nahrung, und bet­ tete fich in dem Kämmerchen neben daS Bett,

wo sein Wohlthäter schlief. “ .»Mein Neffe liebt« auch daS treue Thier gar

sehr.

Gern theilte er mit ihm sein Frühstück

und, ost wider meinen Willen, jeden kostbaren Dissen, den er erhielt.

Kein Spahiergang

durft« gemacht werden, wo Azer nicht mit War. Mein Neffe war traurig, wenn er Azer nicht

hatte, und Azer konnte ohne meinen Neffen zu Hause nicht genug bewacht werden." „Einmahl mußten wir daS arme "Thier in

Verwahrsam bringen, als wir eine Reise machen Wollten, wo Wir ihn nlcht bequem mitnehmen

konnten.

Aber er entsprang seinem Kerker nach­

her, verfolgte die Spur drS Wagens, und am dritten Morgen bei meines Neffen Erwachen lag er vor seinem Bette." „Am meisten besuchten di« unzertrennliche»

Freunde diesen Berg und dirs« Gegend umher;

denn hier hatte mein Neffe seinen Azer auS der

Hand deS alten Pflegevaters empfangen, und hier an der sonnigen Anhöhe fand er immer sein«

schönsten Schmetterling«. “ „Mlt drm Altrr vermehrte sich ihre wech,

selsritige AnhLnglichkrit.

Da kam «ndlich die

Zeit, wo sir sich trrnnrn mußten.

Mein Neffe

verließ das HauS, wo er seine ersten Zahre ver­

lebt hatte, um in die Welt und ihre Verhältnisse

zu treten.

Seine neue Lage verstattete ihm

nicht wohl, seinen Liebling beständig bei sich

zu haben.

Wir riethen, ihn uns zurück zu

lassen."

„Er brachte der Pflicht baß schwere Opfer.

Mit Thränen nahm er Abschied von dem treuen Thiere, daß er seit zwölf Zähren gewohnt war, Immer um sich zu sehen, und empfahl es der Pflege und Sorge meiner Tochter.

reiste er ab,

Dana

und wir mußten vier Wochen

lang daß arm« Thier wie im Gefängnisse Hal»

ten, auß Furcht er möchte die Spuren seines Wohlthäters au-wittern und denselben wieder Nacheilen.

„Am Ende seiner Gefangenschaft lief er

Irrend in der ganzen Gegend umher.

Erst

durchsuchte er das HauS und den Hof;

dann

durchstreifte er die Felder, und an jedem Abend

kam er traurig zurück, und bewachte daß leere

Zimmer, wo fein Wohlthäter gewohnt hatte." „Am öftersten hielt er sich nachher an dem Lieblingßorte desselben auf.

Ganze Tage lang

sah man ihn hier am Eingang der Höhle lie» gen und die Landstraße überschauen, gleichsam alS ob er hier seinen Herrn zurück erwartete."

Di« Großmutter machte hier eine kleine

Paust, um den etwanigrn Fragen und Ein»

würfen

ihrer kleinen Zuhörer zu begegnen.

Aber diese schwiegen ebenfalls;

da« Bild der

treuen Liebe de- Hunde« hatte sie gerührt.

Die Großmutter fuhr daher fort: „Vier Zahre waren verflossen.

Da meldete

mir ein Dries die Zurückkunst meine« Neffen und die Verbindung, die bald daraus zwischen ihm und meiner Tochter vollzogen werden sollte.

Denn al« sie noch Kinder waren, hatte ich schon mit Vergnügen ihre große Anhänglichkeit

an einander bemerkt und sie im Herzen auch für einander bestimmt.

Unser aller Wünsche

stimmten auch in der Folge so glücklich mit ein»

ander überein, und ich sah jetzt bei der Zurück

tunst de« Neffen dem künftigen Sohne, und meine Tochter dem baldigen Gatten entgegen." „Wie freuten wir un«, aber wie bedauerten wir auch, die Nachricht, die un-,erfreute, dem

treuen, gramvollen Thiere nicht mittheilen zu können.

Meine Tochter nannte ihm täglich den

Nahmen seine« Wohlthäter«.

Er horchte wohl

aus, und sah umher, ließ aber traurig dann

den Kopf wieder sinken, als wollte er sagen:

Zch werde dieß Glück nicht mehr erleben! — “

„Der Tag der Ankunft kam.

Es war ein

schöner Sommerabend und wir gingen dem Kommenden entgegen.

Wir wollten Azcr mit«

nehmen; aber er war nicht zu finden.

Hier

auf dem Berge fanden wir ihn, wie er starr auf die Landstraße hin sah, und hier auf dem nehmlichen Platze standen auch wir nun, und

warfen spähend den Blick nach der Gegend hin, woher der Geliebte kommen sollte. "

„Da erhob sich eine dicke Staubwolke in

der Ferne, und wälzte sich immer näher und nähtr.

Ein Windstoß jagte sie nach der Seite,

und öffnete uns die Aussicht.

gen, der Wagen rollte. Berge hinab.

Die Rosse flo­

Wir eilten von dem

Azcr, der sein nahes Glück

jetzt ahnden mochte, sprang unS voran.

Die

Rosse wieherten, der Wagen hielt, und auS dem geöffneten Schlage sprang der Heißersehnte in die umfassenden Arme seiner Lieben."

„Auch Azrr sah und erkannte seinen Wohl­ thäter, seinen Freund.

Aber das treue abge­

härmte Thier vermocht« diese -roße, rrschüt-

ternde Freude nicht mehr zu ertragen.

Alter

und Gram hatten seine Kräfte verzehret.

Noch

einmal gelang eS ihm, zu seinem Wohlthäter

liebkosend aufzuspringen.

Dann aber sank

er

ermattet zu seinen Füßen nieder, leckte noch ein­ mahl die streichelnde Hand seines Herrn, und starb. — “

Die Kinder trockneten sich das nasse Gesicht.

Auch in der Gräfin Auge glänzte eine Thräne

des Andenkens und der Rührung. Nur nach einer langen Pause konnte die Großmutter fortfahren:

„Euer Vater,"

sagte sie, „begrub da­

treue Thier da, wo eS so sehnsuchtsvoll seiner

Wtederkunft geharrt hatte, an seinem LieblingSplatze, hier neben der Höhle.

Er wollte seinem

Andenken hier ein kostbares Monument errichten. Doch das Monument ist verwüstlich, sagte er, und zu gemein; man errichtet eS auch den Sün­

dern , zumahl wenn sie gekrönt sind. — Er be­ sann sich daher eines Bessern, grub AzerS Nah­ men mit eigener Hand hier in den Felsen über seinem Grabe, und nannte darnach den Berg

und dle Höhle."

„Seitdem lebt AzerS Andenken auf allen Pr. F. 9

Lippen; denn rlrigS in der Gegend erzählt man fich die Geseichte des treuen HundeS, und weißt

dabei auf den Azcrbcrg, der sich als ein unverv

gängliches Denkmahl der Treue über Zeit und Oerter empor hebt. 1

.»Hierher fühlte ich nach einigen. Tagen die

jungen Verlobten, hier am Orte der Treue legte

ich am Tage vor ihrer priesterlichen Einsegnung die Hände eurer Acltern zusammen, hier sielen

sie mir beide dankbar um den Hals, und ver­

sprachen sich gegenseitige Treue, und was daS

Schicksal über sie verhängen würde, gemein­ schaftlich

in

Liebe mit einender zu tragen.

Darum lieben wir auch dieß Plätzchen so sehr, und kommen so oft hierher, und freuen «nS, daß wir uns einander alle so lieb haben. “

Mutter, Großmutter und Enkel hielten sich hier einander umarmt, und Hilmar und Emma

sahen In stillem Entzücken der schönen, liebevol­ len Gruppe zu.

„O eö sind schöne Thränen, sagte die Grä­ fin, die man vor Rührung und Freude weint,

und schön und unaussprechlich süß muß der Tod seyn, den man vor Freude stirbt."

„Die Geschichte erwähnt elneS menschlichen Beispiels dieser Art, sagte Hilmar, und die immer geschtchtslustigcn Kleinen baren ihn, zu erzählen." ,,Zhr habt schon, fing er an, von der Stadt Olympia in Elis und von den Spielen gehört, welche dorr alle Völker des alten Griechenlandcö alle vier Zahre feierlich versammelt hielten. Ihr wißt schon, welchen Werth man darauf setzte, an dieser Feier Theil nehmen, und wel­ cher Ruhm es war, als Sieger in diesen Wettspielen nach Hause zurückkehrcn zu können." „Glücklich lebte damahls auf der Insel RhoduS ein edler Grieche, glücklich durch die Liebe seiner Familie, deren Vater er war, und durch daö Lob und die Achtung seiner Mit­ bürger , womit im ganzen Griechenlands sein genannt wurde Denn er war alS Jüngling einst in Olympia gewesen und als Sieger daselbst gekrönt werden. Unter den Bildsäulen der Edlen, welche sich dort auSgezetct'net hatten, stand auch die scinige ausge­ stellt, und zu Hause im Prunksaal zeigte er an der marmornen Wand feinen beiden Söh­ nen noch die Krone von Oliv.nzweigen, und

den festlichen Schmuck,

worin er sich bi-iese

errungen hatte."

„Hieher führte Diagora- schon die Knna« ben, und erzählte ihnen von der Festlichkeit: in Olympia, von den Spielen und den Siegen tder Kämpfer, von dem gedrängten Haufen der 33u» schauer, von den Werken der Kunst, die maan

auf diesem Sammelplätze der Welt zur Schyau

stellte, von den neuen Gastfreundschaften uund Verträgen, die man hler schloß, und der sckhb-

nen Ueberraschung, womit sich entfernte Freunnd»

hier wieder sahen, oder Feinde, die ein unglüäck« liches Mißverständniß lange getrennt gehalteen,

sich hier wieder fanden, de- alten Grolls itm Herzen bei der allgemeinen Freude vergaßen, uund

sich wieder auSfihnten.

Hieher führte dder

Greis alljährlich die reifenden Jünglinge, uund erzählte ihnen von seinen Thaten, und dden

Thaten ihrer Vorfahren, und munterte sie zzur Nacheiferung

auf.

Wer in Olympia sicagt,

pflegte er oft zu sagen, steht auf der Dakihn drS RuhmS, und das Vaterland erwartet nmit Recht in ihm eine künftige Zierde und Stüütze

deS Staat- ! — “

„DK Jünglinge Hirten den Vater mit edler

Begeisterung, wenn er so sprach, und ihr Herz schwoll Im Dusen del feiner Erzählung, und

sehnsuchtsvoll erwarteten sie den Tag, wo auch sie einst zum Wettstreit den Weg nach Olympia

ziehen sollten." „Der Tag kam.

Noch einmahl führte sie

der Vater in den Saal, wo die Denkmähler sei« ne« Ruhms aufgestellt waren.

Der Greis sprach

ernst und feierlich. Der Jünglinge Aug« glühte, ihr Blick sprach ein edles Selbstvertrauen.

Schweigend umarmten sie den Vater, die ge­ rührte Mutter und die weinende Schwester. Dann verließen sie den Saal und das HauS. Der Vater ging mit ihnen; er wollte die alten

Plätze seiner Jugendfreudrn und des ersten RuhmS noch einmahl schauen, ehe er in den

finstern OrkuS Hinabstieg." „An der Thürschwclle standen die Jünglinge

noch einmahl still, und sahen in das Innere der

Wohnung zurück." „„Wenn wir in eure Arme znrückkchren,""

rief der jüngere der bleibenden Mutter und Schwester zu,"

v „llnb in euren Kreis, ehrwürdige Penalen,"“ saqte der ältere,“ ,, „Co haben die Götter über euch entschie­ den!"" setzte der Vater hinzu, und ging. Die Jünglinge folgten ihm, jeder mit vier wüthigen Rossen." ..Im Hafen stand ein Schiffschon für die Reisenden bereit. Mann und Roß stiegen ein. Die Zinker wurden gelichtet, ein günstiger Wind schwellte die Seegel, fröhlich wehte vom hohen Mast der Wimpel. Ruhig ausgebreitet lag die unabsehbare Flache. UebernD sah man Flaggen wehen. Von allen Inseln, die das ferne Auge sah, kamen Schiffe und Fahrzeuge voll Kämpfer oder Zuschauer, die zum nahen Feste eilten. Tausend Maste deckten den Archipelagus; wo­ hin das Auge sich wandte, trieb der Wind ein schwimmendes Hans dem heiligen Lande zu. ° „Glücklich und schnell war die Fahrt des Diagoras. In wenig Tagen begrüßte man das heilige Land, wo Juptters schönster Tempel stand, und sich schon viele der edelsten Söhne Griechenlands zur (Ehre des Gottes versam­ melt hatten. Voll gedrängt von Gaffern stan-

den da- Gestade und die weiten Ebenen an den Ufern des Alpheus. Alles drängte sich hinzu, die Fremdlinge zu sehen, und ihre Wagen und Rosse zu mustern. “ „Die ersten Tage verflogen unsern Reisen­ den unter Vorbereitungen und aufheiternden Genüssen. Man baute Altäre, schlachtete Opfer­ thiere zur Ehre der Götter, hörte die Gesänge der Dichter, besah die Werke der Kunst, suchte die alten Gastfreunde auf, verplauderte den schönen Abend in traullchem Gespräch, ober durchjauchzte die laue Sommernacht Mit fro­ hem Gesang bei freundschaftlichem Decher. “ „Da verkündete früh am Morgen auf dem Gipfel eines Hügels die hoch auflodernde Opfer­ flamme von Jupiters Altar den Anfang deS Fe­ stes. Alles lebte und regte sich. Auf jede Miene stand Freude und Erwartung geschrie­ ben. Es war ein Gewühl von Menschen und Rossi n und Wagen, die sich durch einander drängten." „Unter einem Hausen kampflustiger Züng, linge traten auch die Söhne des Dtagoras auf das Stadium. Die Richter saßen ernst und

schweigend innerhalb der Schranken. her sahen, alle Hörer lauschten.

Alle Se­ Da erscholl

das Zeichen, und der Wettlauf begann."

n9)iit Flügelschnelle flogen die Läufer, die

Sohlen berührten den Boden kaum. alten

Diagoras

Söhne.

De6

spähendes Auge suchte die

Der ältere stand unter den Läufern

ihm nach folgte der zweite.

zuerst am Ziel;

Der Herold rief, und auf allen Lippen tönte der Nahme DiagoraS."

„Am folgenden Tage begann der Wettstreit von neuem.

Langsam und ernst zogen auch

die Jünglinge von RhoduS durch die gedrängten

Reihen zum HyppodromuS.

Jeder stand auf

einem prächtigen Wagen in festlicher Kleidung.

Der eine hielt vier weiße, der andre vier schwarze Rosse am Zügel.

Sie stellten sich unter die

übrigen Streiter.

Der Vater warf ihnen noch

einen Blick des Vertrauens zu. Dann verließ er sie, und mischte sich unter die Tausende von Zu­ schauern, die sich rings um die Dahn auf hohen

Sitzen versammelt hatten." ..Jetzt war alles bereit.

Schon langst hat­

ten die Jünglinge von Rhodus das ersehnte Zei-

chen erwartet.

Der schöne Augenblick, worauf

man von Kindheit auf erwartungsvoll hingesehen hatte, war jetzt gekommen.

Wunderbare Ge­

fühle durchströmten die Brust der Zünglinge.

Da erscholl di« Trommete, die Schranken öffne­ ten sich, und dahin flogen die Rosse und Wagen

mit den lenkenden Zünglinge».

Zhnen folgte

das begierige Auge der Menge."

„Nicht lange blieben die Streiter in der

Dahn sich gleich.

Ein weißes Gespann sah

man bald den andern voran eilen. Gespann des rhodischcn ZünglingS.

Es war das

Zhm folg­

ten zunächst die schwarzen Rosse deS jünger»

Bruders."

„Schon hatten sie eiifmahl die nehmliche

Bahn durchflogen.

Sie peitschten die keuchen­

den Rosse; denn zum letztenmahl näherten sie

sich den zwei Säulen am Ziel."

„Weit allen voran glänzte das weiße und

schwarze Gespann.

Gewaltsam klopfte vor

Freude dem Greis das Herz im Dusen, als

er die Lieblinge sah, und bas jubelnde Volk Hörle,

zurief."

das ihnen von alle» Seiten Beifall

„Da aber verwickelte sich plötzlich das Geschirr im weißen Gespann. Diese Unordnung hielt den altern Bruder ein Paar Augenblicke lang zurück. Aber unseliger Augenblick! — Schon hörte er fremde Rosse hinter sich den Boden stampfen; ein fremder Jüngling soll i^.n den fast schon errungenen Preis rauben! “ „Jetzt hat das fremde Gespann ihn ereilt; aber plötzlich greift ihr Lenker mit starker Hand in die Zügel, und hemmt freiwillig den Lauf seiner Rosse. Im gefürchteten Nebenbuhler erkennt mit Freuden der ältere Bruder den jüngern. Beide stehen neben einander. Die Un­ ordnung im Gespann des ältern ist gehoben. Beide peitschen zuglerch ihre Rosse, beide fliegen neben einander dahin, die Wagen rollen dicht neben einander, ?ixe drängt sich an Axe, die Brüder können sich die Hände reichen, beide sind gleich, und beide kommen zugleich an daZiel. “ „0, das ist herrlich, herrlich!" riefen die Kleinen, und klatschten den rhodischen Brüdern Beifall zu. „Beide gefallen mir," sagte Fedor, „aber

der jüngere gefällt mir noch mehr. Wie edel dachte er, daß er die Rosse anhielt! Er hätte der erste seyn können, wenn er gewollt harte." ,,Aber der gute Bruder," setzte die Gräfin mit einem bedeutenden Blicke auf Zäsar hinzu, „der zwar seine Brüder sehr liebte, aber oft seiner Leidenschaft mehr, als dem innern Gebot dieser Liebe folgte, ,,der gute Bruder opferte hier den Ruhm seiner Bruderliebe. Der Bei­ fall seines DrudcrS galt ihm mehr noch, als das glänzendste Lob der Menge. Er konnte kein Glück genießen, was er mit seinem Bruder nicht theilte." Großmutter. Es ist schön von ihm; aber doch that er nichts, was er nicht zu thun schuldig war. Der ältere Bruder war ihm vor­ aus, und würde zuerst das Ziel erreicht haben, Wenn ein Zufall, der nicht seine Schuld war, ihn nicht zurück gehalten halte. Dieß voraus­ gesetzt, gebührte dem ältern der erste Preis, selbst wenn der jüngere ihm voran gefahren Ware. Hilmar. Unter dieser Voraussetzung haben Sie Recht; aber Sie setzen etwas als

gewiß voraus, was sehr ungewiß ist, ob das, was den ältern Bruder zurück hielt, von ihm verschuldet war, oder nicht. Manches scheint Zufall, und ist nur eine Folge vorhergegangener Handlungen. Urfad) und Wirkung, glaube ich, hängen wie in einer ewigen Kette zusammen. Jede Erscheinung, jede Begebenheit in der Welt ist eine Wirkung, jede Wirkung setzt eine Ursach voraus, die wieder die Wirkung einer andern vorhergegangenen Ursach ist, und mithin ist nichts Zusatt in der Welt, und wir können unS über das, was wir so nennen, nur in sofern beklagen, als die herbei führenden Ursachen ganz außerhalb unsers Wirkungskreises liegen. Hier­ auf kommt eS, däucht mir, auch bei unserm Wagenlenker an. Ist die geschehene Unord­ nung in seinem Gespann eine Folge seiner vorhergegangencn Nachlaßigkeit und Unaufmerk­ samkeit, so kann daS moralische Gesetz ihm den ersten Preis nicht gestatten, so wenig wie nach Ihrer Meinung seinem jünger» Bruder, wenn wir mit Ihnen annchmcn, daß dieser zwar früher and Ziel gekommen, jener aber an der

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Unordnung tm Geschirre wirtlich ohne Schuld gewesen sei.

Gräfin. Wirsehen, daß im Moralischen, über Schuld und Derdlenst, nur eine höhere, allwissende Mach» gan, genau und richtig tnt»

scheiden kann.

Der blide Mensch sieht nur die

Wirkung, und urtheilt nach dem Schein.

Er

durchschaut die lange, ihm so oft verborgene Kette von Ursach und Wirkung nicht.

Wer will

ob der ältere Bruder, der seine

entscheiden,

Rosse schirrte, oder der Riemer, der da- Geschirr

verfertigte, oder die Rosse selbst, die da« Geschirr trugen, einen Fehler begingen, und die Unord­

nung verursachten. Emma.

So >ist eS.

Lassen Sie daher

den Richterspruch darüber dort oben aussprechen, und uns hier unten indeß dem einen seine Un­

aufmerksamkeit, wenn Sie wollen, verzeihen, und den

Edelmuth

oder

des andern bewundern-

die

Und

Gerechtigkeit gestehen Sie,

wünschen Sie tm Herzen nicht selbst, daß den

ältern Bruder nur ein Zufall, eln reiner Zu­

fall, so will ich ihn nennen, abgehaltcn haben

mag? — Lassen Sir uns von dem Richterstuhl

steigen und uns in Gedanken wieder unter das griechische Volk mischen. Die beiden Brüder kamen also zugleich ans Ziel. Nun erzählen Sie, wie nahm man das Betragen der Sieger auf, was sagten die Rtchrer, die Zuschauer und der freudetrunkene Vater? „Der Herold, fuhr Hilmar nun sort^ rief laut ihren Nahmen und den Nahmen ihreVaterlandes auS, und jubclnd wiederholte sie das- versammelte Volk. Der alte Vater aber wußte sich vor Freude auf seinem Sitze nicht zu halten. Von allen Seiten rief man ihm das Lob seiner Söhne zu. Diese durchdrangen die Haufen der Zuschauer. Achtungsvoll wich man ihnen aus. Sie stürzten zu den Füßen des nltett Vaters, und dieser sank in ihre Arme." „Die folgenden Tage vergingen unter glei­ chen und ähnlichen Wettstreiten. Noch manche griechische Züngltnge hörten ihren Nahmen am Ziele der Kampfbahn " „Am Morgen des fünften Tages aber ge­ schahe die Krönung der Sieger im heiligen Haine. Alle Altäre rauchten, aus tausend Kehlen erschollen Loblieder auf die Götter. u

„Dann zogen festlich geschmückt die Sieger durch die langen Rethen der Zuschauer. Eine liebliche Musik begleitete den feierlichen Zug. Da erschienen auch die edlen Söhne des Diagvraö. Ihre Blicke begegneten bescheiden den Beifall sprechenden Blicken der Umstehenden. Sie fuhren auf prächtigen Wagen, die daVolk mit Blumen bekränzte; tn ihren Händen hielten sie grünende Palmzweige. “ „Jetzt standen die Sieger vor ihren Rich­ tern. Stille herrschte umher. Die Feier des TageS band alle Zungen. Jeder erwartete mit Ungeduld, welcher unter den Siegern als der erste würde vorgerufen werden. “ „Da erscholl von des ObecrichterS Munde der Nahme: Die rhodischen VrüdcrL Schweigend traten sie beide zugleich hervor, und empfingen bcee den ersten Preis, eine Krone von frischen Olivenzweigen. “ „ » Ihr habt sie beide verdient, sprach der Richter. Wir erkennen und begrüßen euch beide als die ersten Sieger tm heiligen Spiel. Keiner von euch kömmt in unfern Herren zuerst oder zuletzt. Ist ein Unterschied zwischen euch, so

J44 mögen s die großen Götter entscheiden; unmscr Herz weiß von keinem!"“

„Dreimal wiederholte da- Volk den AAuSruf: Die rhodischen Brüder!

und dreimarahl

tönte die Echo den Nahmen von den grüninen Eichenwänden zurück."

„Aber da traten die Bürger von Rhodus - in den Welten Kreis, die Sieggekrönte» im Trinum,

phr einzuholen.

An ihrer Spitze stand Diaago»

ras in stummer Entzückung; das Auge nehtzten

Freudcnlhränen. •* „Die Zünglinge sanken zu seinen Füßen nnte,

der, nahmen die Kronen, und setzten sie rauf de- Vaters greises Haupt." «„Dir allein gebührt der Ruhm, sprachhcn

sie; denn was wir sind, sind wir durch dich."'" „Das Volk jauchzte, und pries den Diaago, ras und seine Söhne.

Diese aber hoben dden

glücklichen, von Freude halb erschöpften GrrclS

auf ihre Schultern, und trugen ihn so im TLriumphe zu Jupiters Tempel.

Sie stiegen ldie

hohen Stufen zu der Halle hinan, wo die Bi»ld« säulen alter Sieger ausgestellt waren. DiagorraS

erblickte die seinige-

Das Volk jubelte wou

neuem, pries fein Glück, und bewarf ihn mit

Blumen.

Einige au« der Menge riefen ihm

zu: flehe zu den Gittern, Diagora«, baß sie zn dem Entzücken den Schmerz mischen, wenn bn

da« Glück willst ertragen!"" „»Stirb, Diagora«, schrieen andere, eine»

schönern Tod kannst du nicht sterben!"" „Wirklich vermochte der Greis so viel Glück

nicht zu ertragen. Die Freude hatte seine schwa­

chen Kräfte zu sehr erschüttert. Armen seiner Sihne.

Er starb in de»

Weinend setzten diese

den Entseelten an seiner Bildsäule nieder."

„Da blieb kein Auge trocken.

Alle «einten

die schönen Thränen de« Mitgefühl« und der

Rührung, segneten den Tod de« Greise«, und priesen die Tugend de« frommen Drüderpaar«."

„Auch ihm wurden zwei marmorne Bildsäu­

len in Olympia errichtet, und ihr Ruhm erscholl

durch ganz Griechenland."

„Aber traurig kehrten sie zur Heimath und zu der «einenden Mutter und Schwester zu­

rück ; denn sie hatten den Vater nicht mehr." „..Tröstet euch, sprach ein alter Gastfreund de« Vater«, tröstet euch; sein Verlust wäre ohner.

le

dieß bald erfolgt; besser und schöner starb er den Freudentod in eurer Umarmung! “ “

Auch die Herzen unsrer Kleinen waren bei dieser Erzählung nicht ungerührt geblieben.

Auf

Fedor's glühendem Gesicht glänzte eine Thräne

frommer Begeisterung. „Mutter, rief er, Mutter, wenn ich dich

und den Vater einst glücklich machen kann, — “

„DaS kannst du, rief eine überraschend«

aber sehr bekannte Stimme, und — der zurück erwartete Vater trat hinter dem dichten Schat­

ten elneS Daums hervor, Grotte stand.

der zur Seite der

Er war die Landstraße daher

gekommen, aber die Familie beim Erzählen und

Zuhiren zu sehr in Gedanken versunken, hatt« ihn von obenher nicht bemerkt.

Aber der Vater

hatte von unten die liebe Gesellschaft gesehen, war aus dem Wagen gestiegen, und, sie zu über­

raschen, von der andern Seite auf den Berg bis

zur Terrasse hinauf geklimmt.

Er wollte die

Begeisterten auf dem Parnaffus nicht stiren,

und wartet«, bi« Hilmar seine Erzählung ge­

endigt hatte.

Er sahe Fedor's Rührung, hört«

von seinen Lippen das Grlübd«, das er thun

wollte.

Ueber raschend trat er hervor, und nach

einer wechselseitigen Umarmung wandt« er sich

wieder an Fedor. „Ja du kannst,

und ihr alle

könnt

eure Aeltern unaussprechlich glücklich machen,

wenn ihr ernstlich wollt, und kein« Kraftan­ wendung scheut.

Zwar haben wir kein Olym­

pia mehr, wo Tapferkeit und Tugend öffeat»

llch gekrönt «erden.

Aber daS Verdienst wird

auch bet uns von den Bessern und Weisern

nicht verkannt.

Wenn es auch keine Oliven«

zweige schmücken, so giebt $6 andere Ehren­ zeichen ; Dahn

und wenn euch auch dies« auf der

des Glück« nicht werden, so ist die

Achtung der Mitwelt und bas eigene Bewußt« seyn de« Verdienstes des Herzens schönster und

süßester Lohn! “

„Aber auch für unsere dentfchrn Jünglinge finden noch Einrichtungen statt, die der olym« pischen Feier, wenn auch an Ruhm, doch

nicht an wahrem Werthe nachstehen dürfen.

Schon jetzt sehet ihr der gewöhnlichen, halb­ jährigen Prüfung entgegen, wo e,in jeder von

euch nach Verhältniß seine erworbenen Kennt«

niffe an den Tag legen soll.

Dieser folgt «inst

die größere Prüfung, wo ihr eines Amte-für

fähig erklärt werden, wo ihr zwar nicht eine Krone des Verdienstes, aber doch vor den Au»

gen der Mitwelt die schöne Weisung erhalten sollt, in den nützlichen Kreis eurer Mitbürger

zu treten, dem Vatrrlande zu werden, was ihm ende Väter vor euch waren, und ihm durch

eure Wirksamkeit, durch Desörderung seine» Wohls wieder zu geben,

was ihr von ihm

empfangen habt! .,Habt dieß 3*1 vor Augen, bereitet euch

darauf vor, lasser keine Zeit ungenützt vorbei

fließen, sehet immer auf die nahende Zukunft, die einst Gegenwart wird, rücket fort von Ziel

zu Ziel, bis ihr da- letzte, das schöne, große Ziel erreicht habt, wo ihr als Männer in die

Dahn des Lebens tretet, und in Thaten Herr»

ltch aufgehrn laßt, waS ihr in fleißiger Zu-

gendzeit gesäet habt! “

Der Vater schwieg, und all« hingen «ei» nend an seinem Halse.

leuchtete die Gruppe,

Der Abrndschein be­

und

gab den Freud»

un6 Rührung sprechenden Gesichtem «inen sch-«

nea Wiedrrfchein. Aber jetzt brachte di« Gräfin, die Gemü«

«her in eine leichtere Stimmung zu sehen, da­ für den Gemahl bestimmte Geschenk hervor.

Sie hatte die kleine Geldbörse wenig Augen­ blicke vorher geendigt.

Sie war von blasser

Auf etwa- dunklrrm Grunde in der

Farbe.

Mitt« trat schön und hell «in« ganze Reche

griechischer

Lyren hervor,

Dlumenkette durchflochtrn.

von einer langen ES «ar das Sinn»

bild der Harmonie, de« ruhigen, schönen Ein» klang- ihrer Herzen.

Dankbar empfing der Gemahl da- Ge­ schenk.

Er hatte überrascht;

aber er selbst

sollte durch den Anblick so einfacher aber schö­ ner Beweise der Liebe auch

überrascht

werden.

Sein Blick fiel auf den Tisch und auf die leere Schaale, die voll Erdbeeren gewesen war.

Er bedauerte zu spät gekommen zu seyn. Da steckten die Kleinen flüsternd die Köpf«

zusammen, sprangen zur Seite hinter ein Ge»

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büsch, und fernen sogleich mit einem Körbchen «oll duftender Erdbeeren zurück. Emma fielen die Schillerschen Verse bei:

,.Wa« kein Verstand der Verständigen steht, „Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth."

„Wir haben, Vater," sagte Fedor, „diese Früchte zur Labung für Dich verwahrt. Wir haben sie von unsern Tellern geschüttet, und nachher in dieß Körbchen gethan, das uns Emma geflochten. Und alle haben wir sie glück­ lich getäuscht, und keiner hat un< ertappt. Da lagen sie, bis du kamst, im kühlen Grase ver­ borgen ; denn wir ahndeten heute deine Zurück­ kunft, und wußten wohl, daß ein solches Ge­ richt dem Reisenden mundet, der, wie du, au< beS TageS Hitze zurück kömmt." „Und hättest du uns getäuscht," fuhr Zäsar fort, „so hatten wir schon im Herzen daS süße Gericht für unsern lieben Herrn Pfarrer in Grundfeld bestimmt. Aber nun magst du selber sie essen; wir wollen ihm schon andere pflücken, die eben so schön duften sollen, wie diese. “

15 t-

Dem Datrt gefiel das kindliche Opfer. Er schloß die Lieblinge in den Arm, und drückte ihnen einen herzlichen Kuß de» Danket auf bis rothen Lippen." Zch nehme das Geschenk an, sagte er, aber unser lieber Pfarrer soll heute auch nicht leer auSgehen. Zch habe ihm ein Paar Pfund ächten Virginiaknaster mitgebracht, und unsere junge Freundin wird Väterchen wohl bei der Rückkehr Gruß und Geschenk überbringen." Zn der fröhlichsten Stimmung, unter Scherz und sanfter Laune kehrten nun unsere Spatzier» gänger nach ihrem lieben Dahldorf zurück.

Der Abend war schön. Der Weg ging zwischen hohen blühenden Kornfeldern, die mit einzelnen Blumen untermischt, an beiden Selten ein Paar schön dekorirte Wände bil­ deten. Am Ende der Ebene warf die Gesellschaft noch einen dankbaren Blick auf den Azerberg zurück, der im Abendgolde schimmerte, und flieg dann in das dunklere Thai von Dahl, dvrf hinab.

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Von hier setzten Emma und ihr Mädchen, jene ihr Körbchen mit den Geschenken unter

dem Arm, ihren Weg weiter nach Gruadfeld

fort.

Hilmar bot ihr seinen Arm, und dieß

Anerbieten wurde nicht ausgeschlagen. —

Tugend und Bescheidenheit.

Hart an einer stark bereisten Landstraße ruhte

schlafend unter einem schattigen Baum ein ar» mer Greis.

Ein leiser Wind durchsächelte die

zitternden Locken seine- entblößten Haupt«, und wehrte ihm sanfte Kühlung zu.

Auf den

Knieen lag sein Huth, für den Schlafenden bittend und offen für die milde Hand de« Vor»

überretsrnden. Diele Karossen und stolze Reuter zogen da­

her ; kaum bemerkte man den Greis, und viele, die ihn bemerkten, warfen einen gleichgültigen Blick auf ihn herab, und zogen vorüber.

Aber da kam Alwin daher und seine Schwe­ ster Alwin».

Sie kamen beide au« dem väter­

lichen Garten, dessen Hintersrite unfem der

Laut straße lag. Der Anblick des schlafend«» Greises hatte fit näher herbei geführt. „Wie er so sanft schläft!" sagte ;um Druder Äiwtna und lächelte mild und freundlich, wir «in segnender Engel, auf den Schlafenden nieder.

Bruder. Und wie ruhig und schön ist fein Gesicht, und das weiße Haar, womit die Winde spielen! So, Schwester, har Beltsar auSgesehcn, von dem der Vater neulich erzählte, der alte unglücklich« Delisqr, der von seinem bösen Kaiser mit Undank belohnt wurde, und seiner Augen beraubt, an der leitenden Hand seines Sohnes als Bettler das Land durchzog, das er früher so tapfer beschützt und siegreich erweitert hatte. So hat Beltsar auügesehen und so möchte ich ihn zeichnen, und die Zeich­ nung als Warnungstafel vor der Undankbarkeit im Zimmer über meinem Arbeitstische aufhängen. Schwester. ES ist süß, Bruder, dank­ bar zu seyn und empfangenes Gute zu vergel­ ten; aber süßer und schöner ist eS noch, zu ge» den, wo man nichts empfangen hat, und auch

nichts zu empfangen hofft.

Laß uns dem Ar»

men geben. —

Drüber.

Za,

laß

un»

ihm

geben,

Schwester, damit wir das Sprichwort erfül­ len: Wen der Herr lieb hat, dem giebt er'S im Schlaf. Schwester.

Zch werf ihm das Silber»

stück in den offenen Hut, damit er beim Erwa» chcn sich freue, und zu dem Hekrn, dem Himm»

lifchen, dankbar empor sehe»

Bruder. Da ist das meinige; aber nun laß uns den Schlafenden aufweeken, damit kein Unwürdiger komme, und dem armen Alten den

Allmosen heimlich entwende. Schwester. „Laß ihn lieber ruhen, Bru­ der, damit er un- nicht sieht, wenn er erwacht, und nicht erfährt, daß wir ihm den Allmosen

gegeben; aber wenn Di» willst, so wollen wir »ns dort hiuterm Gebüsche verbergen, und den Greis und den kleinen Schatz so lange hüten,

bis er von selbst erwacht." Sic gingen und belauschten den bald erwa­ chenden Greis, und al- sie seine Frende in seinen

Gebehrden bemerkten,

und ihn dankbar seine

Hände gen Himmel heben sahen, da schlug auch ihr Herz im Dusen vor Freude. Aber sie schwtegen, und schlichen leise den dunkeln Tang zum

Garten hinab, damit sie da- suchende Auge de