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Andrea Ziefle Familienpolitik als Determinante weiblicher Lebensverläufe?
Andrea Ziefle
Familienpolitik als Determinante weiblicher Lebensverläufe? Die Auswirkungen des Erziehungsurlaubs auf Familien- und Erwerbsbiographien in Deutschland
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Publikation wurde im Rahmen des Projekts „Human Capital Effects of the Welfare State“ duch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert. Zugl.: Dissertation an der Freien Universität Berlin
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Katrin Emmerich / Marianne Schultheis VS Verlag für Sozialwissenschaften ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-16938-5
Für meine Mutter
Inhaltsverzeichnis 1
Einleitung ...................................................................................................... 9
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Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen ....... 19 2.1 Familiengründung, Erwerbsbeteiligung und Familienpolitik .......................... 20 2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik .................. 34 2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität............................................. 53
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Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik ........... 65 3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit .... 66 3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik .......................... 80 3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich ...................................... 105
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Untersuchungsdesign und Analysestrategie .............................................. 119 4.1 Die Reformen des Erziehungsurlaubs als natürliches Experiment ................ 120 4.2 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP)......................................................... 122 4.3 Analysestrategie ............................................................................................ 125
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Die Reformen des Erziehungsurlaubs und das Fertilitätsverhalten von Frauen ....................................................................................................... 131 5.1 Methoden ...................................................................................................... 131 5.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse ............................................................ 134 5.3 Ergebnisse der multivariaten Analyse ........................................................... 140 5.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 161
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Der Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub und die Dauer kindbedingter Erwerbsunterbrechungen .......................................................................... 164 6.1 Methoden ...................................................................................................... 165 6.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse ............................................................ 170 6.3 Ergebnisse der multivariaten Analyse ........................................................... 187 6.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 201
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Inhaltsverzeichnis
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Die Reformen des Erziehungsurlaubs und die Kontinuität von Erwerbsbeteiligung und Erwerbseinkommen ........................................... 203 7.1 Methoden ...................................................................................................... 204 7.2 Erwerbsbeteiligung nach kindbedingten Erwerbsunterbrechungen .............. 206 7.3 Einkommensentwicklung nach Wiedereinstieg in den Beruf ........................ 234 7.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 264
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Die Reformen des Erziehungsurlaubs und Karriereverläufe von Müttern 267 8.1 Methoden ...................................................................................................... 268 8.2 Berufsverläufe nach Mutterschaft ................................................................. 270 8.3 Lohnentwicklung .......................................................................................... 293 8.4 Zusammenfassung ........................................................................................ 321
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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ............................................. 324
Literaturverzeichnis .......................................................................................... 334
1 Einleitung
Die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zählt nach wie vor zu den Schlüsselfragen der Sozialstrukturanalyse. Die asymmetrische Verteilung von Ressourcen sowie der ungleiche Zugang zu Einkommenschancen und Erwerbspositionen prägen die Geschlechterordnung und die Geschlechterungleichheit jeder modernen Gesellschaft. Dabei nähern sich die Bildungs- und Erwerbsverläufe von Männern und Frauen in den letzten Jahrzehnten unübersehbar an und die sich eröffnenden Karrierechancen werden von Frauen verstärkt wahrgenommen. Beginnend mit der Bildungsexpansion in den 60er Jahren haben Frauen zunehmend höhere Bildungsabschlüsse erreicht. Während in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine berufliche Ausbildung überwiegend Männern vorbehalten war, eröffnen sich für die nach dem Krieg geborenen Kohorten junger Frauen zunehmend Chancen auf einen beruflichen Bildungsabschluss und damit auf eine qualifizierte berufliche Laufbahn. Gleichzeitig verlassen Frauen das Bildungssystem vermehrt mit der allgemeinen Hochschulreife, die auch für Frauen immer öfter zu einem Universitätsstudium führt. In den jüngsten Geburtskohorten übersteigt der Frauenanteil der Abschlussjahrgänge zum ersten Mal für alle höheren Bildungsabschlüssen den der Männer. So erzielen Frauen heute häufiger einen Realschulabschluss, die allgemeine Hochschulreife und stellen auch die Mehrheit der Universitätsabsolventen. Mit steigenden Bildungschancen haben sich in den letzten Jahrzehnten immer bessere Berufsperspektiven für Frauen eröffnet. Ihre Erwerbsbeteiligung ist zudem stetig angestiegen und lag im Jahr 2000 bei über 70 Prozent der Frauen im Alter zwischen 25 und 54 Jahren (vgl. Tabelle 1.1). Dabei verringert sich die Differenz in der Erwerbsbeteiligung von Männern und Frauen zunehmend. Allein in den letzten 20 Jahren hat sich der Abstand um die Hälfte auf 16 Prozentpunkte reduziert (OECD 2002). Auffällig ist dabei, dass die Angleichung im Arbeitsmarktverhalten vor allem für Frauen vor der Geburt des ersten Kindes beziehungsweise für dauerhaft kinderlose Frauen zutrifft. Unter ihnen hat die Erwerbsquote mittlerweile über 77 Prozent erreicht und sich damit bis auf eine verbleibende Differenz von sieben Prozentpunkten der männlichen Erwerbsquote angenähert. Allerdings erweist sich die Familiengründung nach wie vor als deutlicher Einschnitt in die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen. Die Erwerbsbeteiligung
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von Frauen ist nach der Geburt des ersten Kindes und in noch deutlicherem Maße nach dem zweiten Kind stark rückläufig, während gleichzeitig das Arbeitsmarktverhalten der Väter von diesen familiären Ereignissen unbeeinflusst bleibt. Während die Erwerbsbeteiligung der Mütter mit einem Kind auf etwa 70 Prozent und mit zwei und mehr Kindern sogar auf etwa 56 Prozent absinkt, vergrößert sich gleichzeitig die Schere zwischen den Geschlechtern. Hat sich die Erwerbsbeteiligung kinderloser Frauen bis auf sieben Prozentpunkte denen der Männer angeglichen, verdreifacht sich diese Differenz nach der Geburt des ersten Kindes und ist nach dem zweiten Kind mit über 35 Prozentpunkten sogar fünfmal so groß. Im Ländervergleich zeigt sich zudem, dass die Geburt von Kindern offensichtlich in Deutschland ein besonders starkes Erwerbshindernis darstellt. Die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen sinkt mit 7 Prozentpunkten nach der ersten und mit über 20 Prozentpunkten besonders nach der zweiten Geburt in Deutschland deutlich stärker als in den meisten anderen Industriestaaten ab. Gleichzeitig ist auch der Unterschied zwischen der Erwerbsbeteiligung von Frauen und Männern nach einer Geburt in Deutschland mit Ausnahme von Ländern wie Italien und Spanien, die traditionell eine geringe Frauenerwerbsquote aufweisen, am stärksten ausgeprägt. Unübersehbar stellt die Gründung einer Familie damit eine Zäsur in der individuellen Lebens- und Karriereplanung von Frauen dar. Ungeachtet der HomoTabelle 1.1: Weibliche Erwerbsbeteiligung und die Geschlechterdifferenz in der Erwerbsbeteiligung im Jahr 2000, nach der Zahl der Kinder im Haushalt insgesamt
Deutschland Niederlande Großbritannien Kanada USA Norwegen Schweden Finnland Frankreich Italien Spanien
keine Kinder
ein Kind
zwei und mehr Kinder
EQ
G
EQ
G
EQ
G
EQ
G
71,1 70,9 73,1 74,0 74,1 81,5 81,7 77,6 69,6 50,7 50,6
16,3 21,4 14,4 11,8 14,8 7,1 4,1 7,0 17,7 33,9 34,8
77,3 75,3 79,9 76,5 78,6 82,9 81,9 79,2 73,5 52,8 54,6
7,2 15,6 5,4 6,0 7,2 5,9 -0,4 0,1 9,6 26,2 26,0
70,4 69,9 72,9 74,9 75,6 83,3 80,6 78,5 74,1 52,1 47,6
21,2 24,3 17,1 14,9 17,4 9,8 11,8 18,7 40,9 44,7
56,3 63,3 62,3 68,2 64,7 78,0 81,8 73,5 58,8 42,4 43,3
35,6 30,8 28,2 23,6 29,0 9,4 19,7 32,9 49,9 48,6
Anmerkung: Personen im Alter zwischen 25-54 Jahren; EQ: Erwerbsquote; G: Geschlechterdifferenz; Quelle: OECD (2002), Seite: 77
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genisierung von Bildungs- und Karrierewegen von Männern und Frauen zeigt sich die Geburt eines Kindes als kritisches biographisches Ereignis, das den Erwerbsverlauf von Frauen auf stärkere Weise beeinflusst als dies für Männer zutrifft. Unterschiedliche Karriere- und Lebensläufe bilden sich dabei nicht nur zwischen den Geschlechtern sondern auch zwischen Frauen heraus. Kinderlose Frauen verfolgen ähnlich wie Männer eine Berufslaufbahn, die von den Zeitanforderungen und der Koordination einer Familie unbeeinflusst bleibt. Mütter sehen sich nach der Geburt eines Kindes dagegen in einem Zielkonflikt zwischen den Zeitanforderungen ihrer bisherigen Erwerbstätigkeit einerseits und den Anforderungen der unbezahlten Haus- und Betreuungsarbeit andererseits. Damit entstehen durch die Entscheidung für ein Kind nicht nur direkte Kosten in Form der zusätzlich anfallenden Lebenshaltungskosten des Kindes, sondern gleichzeitig auch indirekte Kosten, die sich aus der Zeitinvestition mindestens eines Elternteils in die Kindererziehung und -betreuung ergeben. Durch letztere entstehen potenziell bedeutsame Opportunitätskosten, da die zur Kindererziehung und -betreuung verwendete Zeit nicht gleichzeitig in das Erwerbsleben investiert werden kann. Diese Opportunitätskosten ergeben sich dabei in erster Linie direkt aus dem entgangenen Erwerbseinkommen, das während einer Erwerbsunterbrechung zugunsten der zeitintensiven Kinderbetreuungsarbeit für ein Elternteil zumindest zeitweise entfällt. Neben diesem unmittelbaren Einkommensverlust wirken sich vorübergehende Erwerbsunterbrechungen jedoch auch auf alle lohnabhängigen Sozialleistungen wie etwa Alterssicherung oder Arbeitslosenversicherung aus, in welchen Leistungsansprüche reduziert werden oder sogar ganz entfallen. Darüber hinaus entstehen durch eine familienbedingte Unterbrechung oder Reduzierung der Berufstätigkeit möglicherweise auch langfristig Kosten, weil sich familienbedingte Erwerbsunterbrechungen als dauerhaftes Karrierehemmnis erweisen und somit das Erwerbseinkommen nachhaltig und auch noch lange nach der eigentlichen Unterbrechungsphase reduziert (Mincer und Polachek 1974; Mincer und Ofek 1982; Waldfogel 1997a). Nach der zeitweiligen Ausgliederung aus dem Arbeitsmarkt besteht beispielsweise das Risiko, dass der Wiedereintritt nicht reibungslos verläuft, so dass vorhandenes berufliches Wissen in der neuen Position nicht weiterverwendet werden kann und dauerhafte Karrierenachteile entstehen (Dex 1987; Fitzenberger und Kunze 2005; Trappe und Rosenfeld 2004; Waldfogel 1997b; Budig und England 2001). Zudem ist die Suche nach einem den Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatz vor allem in konjunkturschwachen Zeiten schwierig und birgt die Gefahr einer zumindest zeitweiligen Arbeitslosigkeit. Und auch nach der Kleinkindphase, wenn eine vollständige Erwerbsunterbrechung eines Elternteils nicht mehr erforderlich ist, ermöglichen die Betreuungszeiten der
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Kindergarten und Grundschulen oft keine Rückkehr in Vollzeitbeschäftigung. Der Wechsel auf eine Teilzeittätigkeit geht andererseits oft mit Betriebs- und Berufswechseln sowie einer Dequalifizierung einher (Bardasi und Gornick 2007; Ermisch und Wright 1992; Houston und Marks 2003; Wolf 2002; Ermisch und Wright 1993). Zudem sind Teilzeitarbeitsplätze oft in typischen Frauensektoren angesiedelt, in denen Karrierechancen gering sind, da Aufstiegs- und Qualifizierungsmöglichkeiten von vorneherein beschränkt sind (Lundberg und Rose 2000; Voicu und Buddelmeyer 2003). Auch unabhängig von Erwerbsunterbrechung und -reduzierung schränken Kinder schließlich die Mobilität, sowie karrierefördernde über die reine Arbeitszeit hinausgehende Aktivitäten ein. Gerade die mit der Kinderbetreuung und -erziehung verbunden ökonomischen Opportunitätskosten sind es, die zu einer geschlechterungleichen Verteilung von Arbeitsmarktchancen beitragen, und die gleichzeitig dazu führen, dass sich die Erziehung und Betreuung von Kindern als klassisches Kollektivgutproblem herauskristallisiert (Schmid 2004). Während die Gesellschaft als Ganzes von Kindern profitiert, sind die Kosten der „Produktion“ dieses zeit- und zuwendungsintensiven „Gutes“ einseitig zu Lasten der Eltern verteilt. Während dabei alle direkten Lebenshaltungskosten eines Kindes noch als Belastung des gesamten familiären Lebensstandards gesehen werden können, erweisen sich die Opportunitätskosten der Kinderbetreuung und -erziehung als überproportional einseitige Last von Müttern, die weiterhin den Hauptanteil der Betreuungs- und Erziehungsarbeit leisten. Nach wie vor entspricht die anwachsende Erwerbsintegration der Frauen keiner gleichzeitigen Familienintegration der Männer. Obwohl die verstärkte Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen vor der Familiengründung zu einer relativ gleichberechtigten Aufteilung beruflicher und innerfamiliärer Aufgaben innerhalb von Partnerschaften geführt hat, etablieren sich nach der Geburt des ersten Kindes traditionelle familiale Rollenmuster typischerweise neu (OECD 2001). Zahlreiche Studien zur Zeitallokation in Paarhaushalten weisen nach wie vor ein deutliches Übergewicht der unbezahlten Familien- und Erziehungsarbeit zu Ungunsten der Mütter nach (OECD 2001; Dienel 2002; Bäcker et al. 2000; Bundesministerium für Familie 2006a). Auffällig ist dabei, dass diese ungleiche Verteilung nicht nur besteht, wenn die Erwerbsbeteiligung der Partner voneinander abweicht, die Frau also entweder gar nicht oder nur Teilzeit erwerbstätig ist, sondern auch dann, wenn beide Partner vollzeitbeschäftigt sind, ist der Umfang der Familienarbeit der Mütter mehr als doppelt so hoch wie unter den Vätern. Dieser ungleichen Rollenverteilung entspricht auch die Beobachtung, dass es die Mütter sind, die nach der Geburt eines Kindes in der erdrückenden Überzahl ihre Erwerbslaufbahn zugunsten der Kindererziehung unterbrechen (Notz 1998; Krug 1998). Väter, die auch nur für eine kurze Zeit die Betreuung ihrer Kinder zu
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Lasten ihrer Erwerbstätigkeit übernehmen, sind eine statistisch kaum noch zu erfassende Ausnahme. Gleiches trifft auch auf die Reduzierung des Arbeitsumfangs zu. Während die Wahrscheinlichkeit der Teilzeiterwerbstätigkeit für Frauen mit jedem weiteren Kind ansteigt, ist die Arbeitszeit der Väter von der Familiengründung unbeeinflusst (OECD 2002, 2007). Insgesamt erweisen sich Kinder für Frauen als ein strukturelles Hindernis im gleichen Zugang zu bezahlter Arbeit und Einkommen, während sie für Väter gleichzeitig keinen Nachteil für den Arbeitsmarktstatus oder die Arbeitsmarktmobilität darstellen. Da außerdem sowohl eine kindbedingte Erwerbsunterbrechung als auch eine familienbedingte Reduzierung der Arbeitszeit in hohem Maße geschlechtsspezifisch zurechenbar sind, bildet damit die zukünftige oder tatsächliche Familiengründung eine mögliche Grundlage der Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Da sich das Erwerbspotential von Frauen im Zuge der Bildungsexpansion nachhaltig erhöht hat, sollte die Bedeutung familienbezogener Opportunitätskosten für die individuelle Lebensplanung von Frauen sowie für die gesellschaftliche Ungleichheit von Lebensläufen und Erwerbschancen zwischen den Geschlechtern zugenommen haben (Waldfogel 1998a). Indem die Familiengründung ökonomische Unterschiede zwischen den Geschlechtern vergrößert, nimmt die gesellschaftliche Organisation von Kinderbetreuung und -erziehung eine Schlüsselstellung für die Produktion und Reproduktion geschlechtsspezifischer Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft ein (Schmid 2004, 2006). Als ein besonderes Problem erweist sich dabei, dass sich einmal etablierte Rollenmuster in der Haus- und Erwerbsarbeit innerhalb von Familien als in hohem Maße änderungsresistent erweisen und einmal getroffenen Entscheidungen nicht mehr leicht reversibel sind. Erwerbsunterbrechungen und Arbeitszeitreduzierung genauso wie die einseitige Spezialisierung auf die Familienarbeit sind häufig mit unabsehbaren langfristigen Folgen für die Lebens- und Erwerbsperspektiven von Frauen verbunden. Die sich daraus ergebenden Opportunitätskosten sind umso schwerwiegender, je höher einerseits das Bildungs- und Qualifikationsniveau der Frauen ist und je instabiler andererseits Familienverbände und Ehen werden. Dabei wirken sich die Nachteile, die sich aus der Spezialisierung der Frauen auf die Familienarbeit ergeben, im Scheidungsfall zu Lasten der Frau aus, so dass auch die ökonomischen Risiken einer Scheidung zwischen den Partnern ungleich verteilt sind. Empirische Studien zeigen, dass eine Scheidung für Frauen höhere Einkommensverluste als für Männer mit sich bringt und der Lebensstandard von Müttern nach einer Scheidung um durchschnittlich die Hälfte niedriger liegt als der Lebensstandard von Vätern. Auch die Gefahr, in Armut zu fallen, steigt für Frauen und insbesondere für Alleinerziehende nach einer Scheidung erheblich an (Burkhauser und Duncan 1989; Burkhauser et al. 1991; Chris-
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topher 2002; Notz 1998). Eine weitere direkte langfristige Folge der ungleichen Übernahme der unbezahlten Haus- und Kinderarbeit durch Frauen zeigt sich in ihrer deutlich lückenhaften Alterssicherung. Geringere Versicherungsjahre sowie eine niedrigere Entgeltposition resultieren in besonders niedrigen Rentenansprüchen von Frauen, die durchschnittlich 60 Prozentpunkte unter denen von Männern liegen und damit auch die Ursache der überproportional hohen Altersarmut unter Frauen darstellen (Allmendinger et al. 1991; Landenberger 1991). Insgesamt führen die gestiegene Bildungs- und Erwerbschancen zu geänderten Lebenskonzepten von Frauen, lassen die Familiengründung als eine biographische Option unter anderen abfallen und kollidieren mit der klassischen Familienrolle früherer Frauengenerationen. Der Wunsch nach individueller Existenzabsicherung und eine geringere Bereitschaft, durch die Geburt eines Kindes in finanzielle Abhängigkeit von einem Partner zu gelangen, resultieren unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen verstärkt in der Entscheidung gegen Kinder. Frauen sind immer seltener bereit, die für sie in den letzen Jahrzehnten gestiegenen Opportunitätskosten einer Entscheidung für Kinder alleine zu tragen. Das Absinken der Geburtenrate ist dabei die Antwort der Frauen auf die strukturelle Unvereinbarkeit von Familie und Erwerbskarriere. Und obwohl die Geburtenwahrscheinlichkeit in den letzten Jahrzehnten auch in allen anderen westlichen Industrieländern beständig gesunken ist, zeigt sich der Geburtenrückgang kaum irgendwo so stark wie in Deutschland. So nimmt Deutschland mit einer Geburtenrate von 1,34 Kindern pro Frau im Vergleich mit anderen westlichen Industrieländern einen der hintersten Plätze ein (Eurostat 2004; OECD 2007). Dieser Geburtenrückgang spiegelt einerseits den Anstieg dauerhaft kinderlos bleibender Frauen wieder, der in Deutschland vor allem unter hochgebildeten Frauen besonders ausgeprägt ist (Livi Bacci 1999). Andererseits sind auch Mehrkindfamilien in Deutschland stärker als in anderen Ländern rückläufig (Eurostat 2001; Birg 2001). Gleichzeitig werden individuelle Lebens- und Familienentscheidungen wie die Entscheidung für ein Kind und die daraus resultierende Zeitkoordination zwischen der Erwerbstätigkeit und der Familie vor dem Hintergrund wohlfahrtsstaatlicher Rahmenbedingungen getroffen (Schmid 2002, 2004). Institutionelle Regelungen im Arbeitsmarkt, in den Steuer- und Sozialversicherungssystemen, sowie die wohlfahrtsstaatliche Bereitstellung sozialer Dienstleistungen strukturieren das Entscheidungsumfeld von Frauen und Familien und beeinflussen die jeweiligen Opportunitätskosten von individuellen Handlungsalternativen. Idealerweise tragen geeignete familienpolitische Rahmenbedingungen dazu bei, den Zielkonflikt zwischen Familie und Karriere für Frauen zu entschärfen, allerdings können sie diesen auch verstärken, wenn institutionelle Rahmenbedingungen den von Frauen bevorzugten Modellen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
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entgegenstehen. Somit treffen in der Praxis individuelle Vorstellungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf ein System von familienpolitischen Regelungen und Anreizen, in dem verschiedene Lebensentwürfe unterschiedlichen Realisierungsmöglichkeiten unterliegen. Entsprechend treffen Paare in Deutschland auf eine Familienpolitik, die einer langen traditionell konservativen Linie folgt. Als transferorientiertes Sozialsystem konzentrieren sich die familienpolitischen Leistungen des bundesdeutschen Sozialstaats hauptsächlich auf Geldleistungen, welche die Einkommenssicherung von Familien gewährleisten sollen, während die öffentliche Bereitstellung von Familiendienstleistungen demgegenüber eine nur untergeordnete Rolle spielt. Kern der deutschen Familienpolitik ist dabei der Familienlastenausgleich als dessen Hauptkomponente das steuerliche Ehegattensplitting sowie das Kindergeld die direkten ökonomischen Kosten einer Familiengründung gesellschaftlich umverteilen und abmildern sollen. Auf der anderen Seite wird die Betreuung und Erziehung von Kleinkindern als Privatangelegenheit der Eltern angesehen, was sich in einer nur zögerlichen und mangelhaften Förderung der öffentlichen Kinderbetreuungsinfrastruktur niederschlägt. Struktur sowie Umfang öffentlicher Kinderbetreuungsangebote korrespondieren in keiner Weise mit dem steigenden Betreuungsbedarf und der zunehmenden Erwerbsorientierung von Müttern (Schiersmann 1991; De Henau et al. 2006; Bundesminister für Jugend 1984; Wrohlich 2005, 2006). Dabei wird die bestehenden Versorgungslücken vor allem im mangelnden Platzangebot für Kleinkinder sowie der fehlenden Ganztagsbetreuung von Kindergarten- und Schulkindern deutlich. Starke regionale Schwankungen der Betreuungsangebote zwischen Bundesländern, beziehungsweise städtischen und ländlichen Regionen ebenso wie unflexible Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen machen die Koordination von Erwerbstätigkeit und Familienarbeit zu einer Herausforderung für erwerbstätige Mütter. Anfang der 80er Jahre sah sich die Bundesrepublik mit einem anhaltend dramatischen Rückgang der Geburtenraten, einer beginnenden Konjunkturflaute mit einhergehender Massenarbeitslosigkeit und einer zeitgleich weiter ansteigenden Erwerbsbeteiligung von Mütter, insbesondere auch von Müttern kleiner Kinder konfrontiert. Angesichts der ungenügenden öffentlichen Kinderbetreuungsangebote verschärfen diese Entwicklungen für viele Frauen den Zielkonflikt zwischen der Sicherstellung einer angemessenen Kinderbetreuung einerseits und den steigenden Anforderungen der Erwerbstätigkeit andererseits. An-statt dem steigenden Betreuungsbedarf jedoch mit dem Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung zu begegnen, wie es zur selben Zeit in anderen europäischen Ländern geschah, entschied sich die deutsche Familienpolitik für die Ausweitung der befristeten Erwerbsfreistellung eines Elternteils zur Kinderbetreuung im Rahmen einer großzügigen Erziehungsurlaubsregelung.
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Mit Inkrafttreten des Bundeserziehungsgeldgesetzes im Jahr 1986 wurde durch die damalige CDU/FDP-Regierung mit der Implementierung des Bundeserziehungsgeldgesetzes ein weiter rechtlicher Rahmen für kindbedingte Erwerbsunterbrechungen geschaffen, der die restriktiveren Bestimmungen des früheren Mutterschaftsurlaubs ablöste. Entsprechend der traditionellen Ausrichtung der deutschen Familienpolitik bestand der Grundgedanke des Bundeserziehungsgeldgesetzes darin, die familiale Betreuung und Erziehung des Kleinkindes mittels der Gewährung eines staatlichen Erziehungsgeldes, der Anrechnung von Erziehungsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie durch die Einführung eines gesetzlichen Erziehungsurlaubs zu fördern. Durch die Reform sollte grundsätzlich die Wahlfreiheit zwischen Familie und der Erwerbsarbeit erhöht werden und die familiale Erziehungsleistung mittels des Erziehungsgeldes honoriert werden. Dabei sollte das mit der Einführung des Erziehungsurlaubs verbundene spezifische Kündigungsverbot während der Zeit der Kinderbetreuung, es Eltern ermöglichen, nach der Beendigung der Erziehungsphase nachteilsfrei in ihren Beruf und zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren zu können. Als Nebeneffekte dieser Neuregelung wurden die Entschärfung von Schwangerschaftskonfliktsituationen, eine Entlastung des Arbeitsmarktes sowie positive Auswirkungen auf die Geburtenraten erwartet (Bundesminister für Jugend 1989; Schiersmann 1991). In den folgenden Jahren wurden diese Instrumente zudem beständig weiter entwickelt und dabei insbesondere der gesetzliche Anspruch auf Erziehungsurlaub sukzessive auf seine heutige Dauer (in Form der Elternzeit) von drei Jahren je Kind ausgedehnt.1 Vor diesem Hintergrund verfolgt diese Arbeit das Ziel einer umfassenden empirischen Evaluierung der Einführung und Ausweitung des gesetzlichen Anspruchs auf Erziehungsurlaub und der sich daraus für weibliche Erwerbsverläufe ergebenden Konsequenzen. Im Kern der Dissertation steht die Frage, ob und inwiefern diese familienpolitische Intervention, die in Form der Wiederbeschäftigungsgarantie einen institutionellen Schutzraum der Familiengründung und Kinderbetreuung schafft, ihrem Anspruch gerecht wird, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig zu verbessern. In diesem Fall würde die familienpolitische Intervention sowohl kurz- als auch langfristig dazu beitragen, ökono1 Das familienpolitische Modell der Bundesrepublik wurde erst durch die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2007 wieder nachhaltig verändert. Mit dem Elterngeld wurde erstmals eine familienpolitische Leistung eingeführt, bei der die Lohnersatzfunktion während der Erziehungsphase im Vordergrund steht (Bundesministerium für Familie 2008a). Mit dem Elterngeld wird Eltern im Rahmen der Elternzeit für insgesamt maximal 14 Monate 67 Prozent ihres vorherigen Erwerbseinkommens ersetzt. Gleichzeitig werden erstmals starke finanzielle Anreize für eine Männerbeteiligung an der Erziehungsarbeit, sowie durch die Begrenzung der Transferzahlung auf ein Jahr Anreize zur Verkürzung der Erwerbsunterbrechung von Müttern gesetzt. Die Auswirkungen dieser weit reichenden Reform können allerdings im Rahmen dieser Arbeit noch nicht empirisch ermittelt werden.
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mische Ungleichheit zwischen Männern und Frauen abzumildern, während stärker nachteilige Effekte zu erwarten wären, falls der Erziehungsurlaub statt zur Unterstützung weiblicher Erwerbsverläufe eher zur Verfestigung der traditionellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beigetragen hat. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden dazu die Auswirkungen der sukzessiven Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs auf die Fertilitätsneigung, die Dauer von kindbedingten Erwerbsunterbrechungen auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern sowie auf die längerfristigen beruflichen Karrieren und Einkommensverläufe von Müttern betrachtet. Basierend auf im wesentlichen mikroökonomischen Überlegungen wäre zu erwarten, dass die Einführung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs zu einer Steigerung der Fertilitätsrate beitragen sollte, da die individuellen Opportunitätskosten für ein Kind mittels der Beschäftigungsgarantie im aktuellen Arbeitsvertrag abgesenkt werden. Außerdem kann erwartet werden, dass gleichzeitig die Dauer einer kindbedingten Erwerbsunterbrechung im Zuge der Ausweitung des Erziehungsurlaubs ansteigt, da mit der zeitlichen Ausweitung des Kündigungsschutzes die Opportunitätskosten längerer Unterbrechungen sinken. Durch die Beschäftigungsgarantie im Anschluss an die Erwerbsunterbrechung sollte zudem natürlich vor allem die Erwerbsbeteiligung nach der Erziehungsphase ansteigen, da die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung im früheren Beschäftigungsverhältnis die Notwendigkeit einer Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt verringert. In diesem Fall sollte der gesetzliche Erziehungsurlaub auch dazu beitragen, dass berufliche Karrieren von Müttern insgesamt positiver verlaufen, da durch die Weiterbeschäftigung beim bisherigen Arbeitgeber vorhandenes berufs- und arbeitgeberspezifisches Humankapital über die Kindererziehungsphase erhalten wird, so dass die kurz- wie längerfristigen Kosten einer Erwerbsunterbrechung abgesenkt werden sollten. Die tatsächlichen Auswirkungen institutioneller Rahmenbedingungen wie beispielsweise die des Erziehungsurlaubs explizit empirisch zu überprüfen, und diesen Effekt zweifelsfrei von anderen Kontextfaktoren zu isolieren, erweist sich als eine methodische Herausforderung. In vielen traditionellen Studien wird das Erwerbsverhalten von Frauen nur zu einem einzelnen Zeitpunkt oder für eine Kohorte von Frauen untersucht. Dabei kann die empirische Wirkung institutioneller Faktoren nicht erfasst werden, da die politischen Rahmenbedingungen in der Regel weitgehend fixiert sind. In international vergleichenden Studien hingegen können vorhandene institutionelle Unterscheide zwischen verschiedenen Wohlfahrtsregimen dazu genutzt werden, um die Bedeutung arbeitsmarkt-, sozial- oder familienpolitischer Differenzen für die Erwerbsverläufe von Frauen herauszuarbeiten (Mandel und Semyonov 2006, 2005; Stier et al. 2001; Ruhm 1998). Da sich verschiedene Länder zumeist allerdings in Bezug auf eine Vielfalt institutioneller Merkmale unterscheiden, sind solche Studien in der Regel nur in
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der Lage, die Wirkungen von ganzen Maßnahmenbündeln verschiedener Institutionen, d.h. von Wohlfahrtsregimen zu identifizieren. Diese können eventuell deutlich von der Wirkung isolierter institutioneller Veränderungen abweichen, etwa wenn sich unterschiedliche Institutionen in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken oder abschwächen. Die Einführung und der anschließende Ausbau des gesetzlichen Erziehungsurlaubs in der Bundesrepublik seit Mitte der 1980er Jahre bietet demgegenüber eine dritte Möglichkeit, die spezifische Wirkung dieser familienpolitischen Regelung empirisch zu ermitteln. Da es sich bei der Einführung des Erziehungsurlaubs um die wichtigste familienpolitische Maßnahme in der Bundesrepublik in den letzten 20 Jahren handelt, stellen die sukzessiven Reformphasen aus methodologischer Sicht ein so genanntes natürliches Experiment dar, bei dem sich im Rahmen eines ansonsten weitgehend stabilen gesellschafts-, arbeitsmarkt-, sozial- und familienpolitischen Gefüges lediglich die institutionellen Regelungen zum Erziehungsurlaub wesentlich im Zeitverlauf verändert haben. Unter dieser Bedingung bietet sich im Rahmen der Dissertation die Gelegenheit, die Wirkung des Erziehungsurlaubs durch die Veränderungen des Fertilitäts- und Erwerbsverhaltens von Frauen im Zuge der verschiedenen Reformen des Erziehungsurlaubs zu isolieren und im Rahmen statistischer Analysen quantitativ zu erfassen. Die Umsetzung dieses Forschungsdesigns ist jedoch nur möglich, da mit den Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP) hinreichend detaillierte Mikrodaten zum Erwerbsverhalten von Frauen zur Verfügung stehen, die den gesamten Zeitraum seit 1984 abdecken, und somit eine Analyse der Veränderungen im Erwerbsverhalten von Frauen im Zuge der Einführung bzw. Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs ermöglichen. Der lange Beobachtungszeitraum des Sozioökonomischen Panels ermöglicht es zudem, die langfristigen Karrierefolgen der Familiengründung sowie deren Veränderung im Zuge der verschiedenen Reformschritte zu betrachten, während mit Hilfe der detaillierten Haushaltsund Biographiedaten des Sozioökonomischen Panels wichtige Einflussfaktoren wie etwa Qualifikationen und berufliche Biographien von Frauen, Familienstrukturen sowie Partnerbiographien auf der individuellen Ebene in der statistischen Analyse kontrolliert werden können. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit versucht, durch Einsatz verschiedener Regressionsverfahren eine methodisch valide Evaluierung der Reformen des gesetzlichen Erziehungsurlaubs zu erreichen und durch differenzierte Wirkungsanalysen etwa für unterschiedliche Bildungsgruppen eine umfassende Einschätzung der Auswirkungen des gesetzlichen Erziehungsurlaubs auf die Arbeitsmarktposition von Müttern zu gewinnen.
2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
Familienpolitische Maßnahmen können Erwerbs- und Lebensverläufe von Frauen beeinflussen, indem sie die ökonomischen Folgekosten der Familiengründung abmildern. Die Betreuung und Erziehung kleiner Kinder ist eine zeitintensive und verantwortungsvolle Tätigkeit, die erhebliche Anforderungen an die Betreuungsperson, d.h. in aller Regel die Mutter, stellt. Parallel zur Betreuung kleiner Kinder ist es Müttern daher oft nicht möglich ihre Erwerbstätigkeit im bisherigen Umfang aufrecht zu erhalten. Mit der teilweisen oder vollständigen Reduzierung der Erwerbstätigkeit von Müttern sind für Familien zunächst finanzielle Einbußen verbunden, während gleichzeitig der Einkommensbedarf durch die Geburt eines Kindes steigt. Zudem verstärkt die Erwerbsunterbrechung mittelfristig die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter, da Mütter nach einer längeren Erwerbsunterbrechung oft kaum noch an ihre frühere Erwerbskarriere anknüpfen können, und somit ihre längerfristigen Arbeitsmarktperspektiven durch eine Erziehungsphase beeinträchtigt sind. Diese ökonomischen Lasten der Familiengründung können familienpolitisch kompensiert werden, indem Transferzahlungen wie das Kinder- oder Erziehungsgeld die unmittelbaren finanziellen Kosten ausgleichen oder Regelungen wie der gesetzliche Erziehungsurlaub versuchen, Müttern eine nachteilsfreie Erwerbsunterbrechung zu ermöglichen. In der vorliegenden Analyse sollen dabei insbesondere die Folgen der Einführung und Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs in der Bundesrepublik für die Lebens- und Erwerbsverläufe von Frauen betrachtet werden, d.h. es wird die Frage gestellt, inwieweit sich die dadurch veränderten familienpolitischen Rahmenbedingungen in einem veränderten Verhalten von Frauen und ihrer Arbeitgeber niedergeschlagen haben, das wiederum in veränderten Mustern weiblicher Erwerbs- und Karriereverläufe seinen Ausdruck findet. Im folgenden Kapitel werden dazu die theoretischen Erwartungen der Studie in Bezug auf Veränderungen der Erwerbsbeteiligung, der Karriereverläufe sowie des fertilen Verhaltens von Frauen nach Einführung eines Erziehungsurlaubs entwickelt. Da hier der verhaltensändernde Einfluss veränderter Rahmenbedingungen im Vordergrund des Interesses steht, werden im Folgenden vorwie-
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
gend ökonomische Theorien des Arbeitsmarkt- und Fertilitätsverhaltens zur Hypothesenbildung herangezogen, die Frauen und ihre Arbeitgeber als handelnde Akteure beschreiben, die auf eine Veränderung von Opportunitäten und Restriktionen mit entsprechend verändertem Verhalten reagieren. Gleichzeitig ist damit jedoch nicht die Annahme verbunden, dass Frauen und ihre Arbeitgeber ausschließlich als vollkommen rationale Akteure handeln. Gerade bei Fragen der Familiengründung oder der angemessenen Betreuung der eigenen Kinder spielen Faktoren wie Werte, gesellschaftliche Normvorstellungen, Sozialisation und die eigene Biographie eine wichtige Rolle, und die empirischen Analysen werden versuchen, für diese Effekte so weit wie möglich zu kontrollieren. Wichtig bleibt jedoch, dass aus dem ökonomischen Verhaltensmodell auch bei Fortwirken dieser Prozesse Vorhersagen über die erwarteten Verhaltensänderungen nach einer Veränderung der familienpolitischen Rahmenbedingungen abgeleitet werden können.
2.1 Familiengründung, Erwerbsbeteiligung und Familienpolitik Die neoklassische Theorie des Arbeitsangebots ist das wichtigste theoretische Modell, mit welchem vorausgesagt werden kann, ob ein Arbeitnehmer Arbeitszeit auf dem Arbeitsmarkt anbietet (vgl. hierzu im Folgenden Kaufman und Hotchkiss 2006; Borjas 2005; Franz 1991; Esser 2000; Blau et al. 2006). Nach dieser Theorie vergleicht der Arbeitnehmer den Lohn, den er auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte mit dem subjektiven Wert der alternativ verbrachten Zeit. Übersteigt der Marktlohn den implizit durch den Wert der Freizeit definierten Anspruchslohn, wird die Entscheidung für die Berufstätigkeit ausfallen, unterschreitet der auf dem Arbeitsmarkt erzielbare Lohn jedoch den Wert, den die Freizeit hat, wird der Arbeitnehmer sich dagegen entscheiden, seine Arbeitskraft im Arbeitsmarkt anzubieten. Der subjektive Nutzen von Arbeit bzw. Freizeit hängt dabei von einer Reihe individueller Merkmale des potentiellen Arbeitnehmers ab. Der Wert der Arbeitszeit, dass heißt der erzielbare Stundenlohn wird von einer Reihe von Merkmalen wie der Bildung, der Berufserfahrung, dem Beruf oder der Branche beeinflusst, wobei in den mikroökonomischen Theorien dem individuell verfügbaren Humankapital einer Person die wichtigste Rolle zukommt. Durch jede Stunde, die im Arbeitsmarkt verbracht wird, vermehrt sich also das Einkommen eines Arbeitnehmers, gleichzeitig verringert sich allerdings auch die Zeit, die für die Freizeit übrigbleibt, so dass der Wert dieser alternativ verwendeten Zeit ebenfalls zur Erklärung der Erwerbsentscheidung berücksichtigt werden muss.
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Im neoklassischen Modell beinhaltet Freizeit verschiedene Verwendungsmöglichkeiten und zwar einerseits natürlich die Freizeit im eigentlichen Sinne, aber ebenso auch die Zeit, die für Hausarbeit jeglicher Art und zur Kinderbetreuung benötigt wird (Blau et al. 2006). Der Wert, welcher der Nichterwerbstätigkeit beigemessen wird, ist von den individuellen Präferenzen, dem Bedarf an zu Hause verbrachter Zeit sowie dem Einkommen, das auch ohne eigene Erwerbsbeteiligung zur Verfügung steht, bestimmt. Menschen können eine individuell besondere Präferenz für die Zeit im Arbeitsmarkt oder für die Zeitverwendung außerhalb des Arbeitsmarktes haben. Aus soziologischer Sicht ist zudem bedeutsam, dass Präferenzen nicht in einem sozialen Vakuum entstehen, sondern durch Einstellungen, Normen, Werte und die soziale Akzeptanz des sozialen Umfeldes, also z.B. die Familie, dem Freundeskreis oder der Gesellschaft beeinflusst werden (Esser 2000). Empirisch sind diese Präferenzen oder Karriere- bzw. Familienorientierungen nur schwer zu messen. In Bezug auf den Zusammenhang von Familiengründung und Erwerbsbeteiligung lässt sich jedoch vermuten, dass für Haushalte in welchen kleine Kinder leben, die Zeit, die zu Hause für die Kinderbetreuung bzw. die Hausarbeit verwendet wird, besonders wertvoll und nur schwer durch Marktgüter zu ersetzen ist. Können Kinder von ihren Eltern nicht zu Hause betreut werden, muss die Betreuung außer Haus durch eine gleichwertige professionelle Betreuung gewährleistet sein. Die Beteiligung im Arbeitsmarkt hängt dann also davon ab, wie leicht und zu welchem Preis die Zeit zuhause durch Marktgüter ersetzt werden kann. Dies hängt, wenn Kleinkinder zu betreuen sind, offenkundig entscheidend von der Verfügbarkeit, der Qualität und den Kosten professioneller Kinderbetreuung ab (Blau et al. 2006). Ein letzter Faktor, der den Wert der nicht im Arbeitsmarkt verbrachten Zeit determiniert, ist die Höhe anderer Einkommensquellen, die unabhängig von der eigenen Erwerbsbeteiligung verfügbar sind. Solche Einkommensquellen können Vermögen, wohlfahrtsstaatliche Transferleistungen und vor allem das Einkommen eines Lebens- oder Ehepartners sein (Juhn und Murphy 1997; McRae 1993; Dex et al. 1998; Angrist und Evans 1998; Lundberg 1988). Je höher das anderweitig zur Verfügung stehende Einkommen ist, desto unabhängiger ist die individuelle Wohlfahrt von der eigenen Erwerbsarbeit und desto geringer ist der Bedarf an daraus erzielbarem Erwerbseinkommen. Zusammengenommen bestimmen diese drei Faktoren – Präferenzen, der Bedarf an der Zeit zu Hause und andere Einkommensquellen – die Höhe des individuellen Anspruchslohns. Der Anspruchslohn bezeichnet den Lohnsatz, zu dem eine Person exakt indifferent zwischen der Verwendung der nächsten Zeiteinheit zur Erwerbstätigkeit oder einem alternativen Einsatz ist. In der neoklassischen Theorie werden rationale Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft immer dann auf
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dem Markt anbieten, wenn der im Markt erzielbare Lohn über dem Anspruchslohn liegt bzw. die Opportunitätskosten der Freizeit, d.h. der durch Nichterwerbstätigkeit entgangene Lohn, höher als der individuelle Anspruchslohn sind. Gleichzeitig lässt sich eine Reihe von Faktoren benennen, welche die Höhe des individuellen Anspruchslohns bestimmen. Auf der Ebene der individuellen Arbeitnehmer ist beispielsweise zu erwarten, dass gut ausgebildeten Personen, die im Arbeitsmarkt einen hohen Lohn erzielen können, größere Kosten entstehen, wenn sie ihre Zeit zu Hause verbringen (Becker 1993; Kaufman und Hotchkiss 2006; Borjas 2005). Ebenso lassen eine größere Berufserfahrung, längere Betriebszugehörigkeit, Beförderungen oder Humankapitalerwerb durch berufliche Weiterbildung den individuell erzielbaren Lohnsatz ansteigen (Goldin 2006). Darüber hinaus kann sich der im Markt erzielbare Lohn über die Zeit ändern, wenn sich die Marktbedingungen auf der Makroebene verändern. In Zeiten, in denen eine große Nachfrage nach Arbeitskräften besteht, werden die Löhne in der Regel ansteigen (Smith und Ward 1985; Moen et al. 1990). Diese Veränderungen des Anspruchslohns haben selbstverständlich entsprechende Auswirkungen auf den relativen Nutzen der Freizeit. Mit steigenden Löhnen steigen die Opportunitätskosten der Nichterwerbstätigkeit, da der bei alternativer Zeitverwendung entgangene Arbeitslohn gestiegen ist. Ein hoher Marktlohn führt zudem zu einem hohen Anreiz für Arbeitnehmer, die jetzt teuer gewordenen Freizeit durch Marktgüter wie beispielsweise Haushaltshilfen, Restaurantbesuche oder professionelle Kinderbetreuung zu substituieren, die durch das höhere Einkommen erreichbar geworden sind (substitution effect, Blau et al. 2006). Für Frauen ist daneben zu erwarten, dass sich im Zuge der Unterbrechung ihrer Erwerbskarriere zur Kinderbetreuung sowohl der auf dem Arbeitsmarkt erzielbare Marktlohn als auch der Wert der Hausarbeit verändert. Auch sinkt der erzielbare Marktlohn allgemein mit der Dauer von Nichterwerbstätigkeit, da vorhandenes Humankapital über die Zeit erodiert und die fehlende Berufserfahrung bzw. die fehlende fachliche Weiterqualifizierung sich negativ auf den Lohn auswirkt (Mincer und Ofek 1982; Mincer und Polachek 1974; Mandel und Semyonov 2006; Even 1987). Dieser Zusammenhang trifft insbesondere für hoch qualifizierte Frauen zu, die vor der Erwerbsunterbrechung entsprechendes berufliches Wissen angesammelt haben, aber in der Regel in Berufen und Branchen arbeiten, in denen dieses Wissen auch vergleichsweise schnell veraltet (Klerman und Leibowitz 1994; Hynes und Clarkberg 2005; Gustafsson et al. 1996; Dex et al. 1998; Lauer und Weber 2003; Macran et al. 1996; Klein und Lauterbach 1994). Andererseits verändert sich auch der Wert der „Hausarbeit“ über die Zeit, so dass der Anspruchslohn von Frauen sinkt und die Bereitschaft zunimmt, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren (Even 1987). Der Bedarf an Betreuungszeit kann
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etwa abnehmen, wenn kleine Kinder größer werden und in die Schule gehen (Gustafsson et al. 2001; Klein und Braun 1995). Oder es wird eventuell der Lebensunterhalt aus anderen Einkommensquellen nicht mehr gedeckt, entweder weil der Partner arbeitslos wird (added worker effect) oder das Partnereinkommen durch Scheidung ganz wegfällt (Schoen et al. 2002; Saurel-Cubizolles et al. 1999; Pettit und Hook 2005). Umgekehrt kann sich der Wert der Nichterwerbszeit durch die Geburt von weiteren Kindern oder einen Karrieresprung des Partners natürlich auch erhöhen (income effect, Goldin 2006; Blau et al. 2006), wodurch die Wahrscheinlichkeit sinkt, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Zusammenfassend beschreibt das neoklassische Modell die Entscheidung für oder gegen eine Erwerbstätigkeit also als rationale Abwägung des relativen Wertes der eigenen Erwerbstätigkeit und des Wertes anderweitig verbrachter Zeit. Immer wenn die Lohnrate sinkt oder der Wert der Nichterwerbszeit steigt, sollte sich die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt eintreten. Wenn dagegen die individuelle Lohnrate steigt oder der Anspruchslohn sinkt, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsbeteiligung im Arbeitsmarkt. Mithilfe der einfachen neoklassischen Theorie kann nicht zuletzt die im Verlauf des letzten Jahrhunderts nachhaltig gestiegene Erwerbsbeteiligung von Frauen erklärt werden. Durch steigende Investitionen in Bildung und damit steigendem Humankapital von Frauen erhöht sich der auf dem Arbeitsmarkt von Frauen erzielbare Lohnsatz, wodurch die Opportunitätskosten der Hausarbeit steigen, und sich dementsprechend auch die Erwerbsneigung von Frauen erhöhen sollte (Goldin 2006; Doorewaard et al. 2004). Durch die Beteiligung am Erwerbsleben steigt der erzielbare Marktlohn weiter, da die zunehmende Berufserfahrung von Frauen sowie die steigende Bereitschaft sowohl der Arbeitgeber als auch der Frauen selbst, in ihre Karriere zu investieren, zu einer verstärkten Akkumulation von Humankapital führen (Eckstein und Wolpin 1989). Daneben wurde die wachsende Erwerbsbeteiligung von Frauen durch eine starke Nachfrage von Arbeitskräften in typischen Frauenberufen innerhalb des Dienstleistungssektors und einem allgemeinen Anstieg der Lohnrate aufgrund des technologischen Wandels gestützt (Smith und Ward 1985; McRae 1993). Steigende Opportunitätskosten der Hausarbeit mit gleichzeitiger Entwertung oder Ersetzbarkeit häuslicher Arbeit durch Marktgüter wie vorgefertigtes Essen, Haushaltsgeräte, professionelle Kinderbetreuung oder Haushaltshilfen führen zu einer erhöhten Erwerbsorientierung von Frauen. Das Resultat ist eine gestiegenen Erwerbsbeteiligung der Frauen im letzten Jahrhundert von 20% im Jahre 1900 auf über 60 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter in der Bundesrepublik im Jahr 2000 (Müller et al. 1983; vgl. auch Kapitel 3.1 unten). Obwohl die Erwerbsbeteiligung von Frauen und ihre gesellschaftliche Akzeptanz zugenommen haben, werden die Erwerbskarrieren von Frauen jedoch
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immer noch vergleichsweise stark durch Familiengründung und die Erziehungsverantwortung für Kinder geprägt (Jacobsen et al. 1999; Waite et al. 1985; Goldin 2006; Koenigsberg et al. 1994). Wie unten ausführlicher dargestellt, unterbricht gerade in Deutschland der überwiegende Teil von Müttern die eigene Erwerbskarriere nach der Geburt eines Kindes ganz oder zeitweise, um dadurch die Kleinkindbetreuung sicherzustellen. Den Anspruch den Kleinkinder an die Zeit zumindest eines Elternteils stellen und der erhöhte Bedarf an Hausarbeit wie Kinderbetreuung erhöht den Anspruchslohn der Betreuungsperson, so dass sich mit der Geburt von Kindern die Präferenzen zwischen der Erwerbstätigkeit und der Nichterwerbszeit entsprechend verändern (Glass und Riley 1998; Whittington et al. 2000; Eckstein und Wolpin 1989). Unmittelbar nach der Geburt eines Kindes ist das Bedürfnis und die Notwendigkeit, sich ausschließlich um das Kind zu kümmern besonders hoch. Ebenso steigt der Wert der Nichterwerbstätigkeit mit der Zahl der Kinder, da es mit steigender Kinderzahl zunehmend schwieriger wird, diese Zeit durch professionelle Hausarbeits- und Kinderbetreuungshilfen zu ersetzen (Gustafsson et al. 1996).
Erwerbsbeteiligung und Familienpolitik Wohlfahrtsstaatliche Institutionen greifen auf vielerlei Weise regulierend in diese Entscheidungsprozesse von Individuen und Haushalten ein. Wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen können den Wert der Lohn- bzw. Hausarbeit verändern und so direkt entscheidungsrelevant sein. Da nur der Marktlohn, nicht aber die in der Nichterwerbszeit hergestellten Güter besteuert werden, beeinflusst das staatliche Abgabensystem den Wert der Marktarbeit grundsätzlich negativ zugunsten der Hausarbeit (OECD 2005; Gutiérrez-Domènech 2005). Sind zudem unterschiedliche staatliche Transferleistungen von der Höhe des Markteinkommens abhängig oder verfallen gar ganz, sobald ein Arbeitnehmer eine bestimmte Einkommensgrenze überschreitet, werden Anreize gesetzt, diese Einkommensgrenzen nicht zu überschreiten, sondern stattdessen diese Zeit in Freizeit oder Hausarbeit zu investieren. Allgemein erhöhen wohlfahrtsstaatliche Transferleistungen das Einkommen, das auch ohne Erwerbsarbeit erzielt wird, und senken somit den Anreiz, eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Natürlich kann staatliche Politik auch Anreize zur verstärkten Erwerbsbeteiligung setzen, beispielsweise über Maßnahmen, die Humankapital von Arbeitnehmern erhalten oder erweitern, oder durch staatliche Substitution der im häuslichen Bereich geleisteten Arbeit, die ansonsten nur schwer durch Ankauf der selben Güter auf dem freien Markt zu ersetzen wäre. In diese letztgenannten Bereiche fallen alle Maßnahmen zur Aus-
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und Weiterbildung, aber auch öffentliche Kinderbetreuung oder Schulen (OECD 2005; Mandel und Semyonov 2006; Pettit und Hook 2005). In Bezug auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern sind es dabei vor allem eine mangelnde Kinderbetreuung für Kleinkinder unter drei Jahren und Faktoren wie eine begrenzte Ganztagsbetreuung, unflexible Öffnungszeiten und hohe Betreuungskosten, die dazu beitragen, den Anspruchslohn von Müttern zu erhöhen und dadurch deren Erwerbsneigung reduzieren (Pettit und Hook 2005; Ondrich et al. 1996; Pylkkänen und Smith 2003; Gutiérrez-Domènech 2005). Erreichen die Kinder dagegen die Altersstufe, in der die Betreuungslücke durch Kindergarten und Schule geschlossen wird, kann die permanente Betreuung des Kindes durch die Mutter zunehmend ersetzt werden und die Rückkehrbereitschaft der Mütter in den Arbeitsmarkt steigt wieder an (Gustafsson 2001). Allerdings führt in Deutschland das progressive Steuersystem in Verbindung mit dem Ehegattensplitting, in dem Familien und nicht Individuen die zu besteuernde Einheit darstellen, zu einer steuerlichen Begünstigung der traditionellen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern, bei welcher im Entscheidungsprozess verheirateter Frauen das Nichterwerbseinkommen erhöht und dadurch ihre Erwerbsneigung entsprechend verringert ist (Blau et al. 2006; OECD 2005). Allgemeine familienpolitische Transferleistungen wie das Kindergeld verändern die Tendenz weiter zu Ungunsten der Erwerbstätigkeit von jungen Müttern (OECD 2005). Im Vergleich zu reinen Transferleistungen ist die Wirkung eines gesetzlichen Erziehungsurlaubs weniger eindeutig. Ein gesetzlicher Erziehungsurlaub besteht zunächst im Kern aus einem Bestandsschutz des aktuellen Arbeitsverhältnisses, das aufgrund der Betreuung von Kleinkindern eine Zeit lang ruht und nicht seitens des Arbeitgebers gekündigt werden kann. Ergänzend kann eine Transferleistung wie z.B. das Erziehungsgeld in der Bundesrepublik ausgezahlt werden, um den Einkommensausfall während des Erziehungsurlaubs teilweise zu kompensieren. Durch die Kombination beider Elemente werden sowohl die unmittelbaren finanziellen (durch das Erziehungsgeld) wie auch die längerfristigen karrierebedingten Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung (durch den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses) verringert. Aus der Sicht der ökonomischen Arbeitsangebotstheorie stellt sich der Erziehungsurlaub damit im Wesentlichen als Anreiz zur zeitweiligen Unterbrechung der Erwerbsbeteiligung dar, der sich vor allem in den Mustern weiblicher Erwerbsverläufe niederschlagen sollte, solange Frauen weiterhin den wesentlichen Teil der Erziehungsverantwortung wahrnehmen (OECD 2005; Saurel-Cubizolles et al. 1999). Für die weitere Analyse lassen sich aus der neoklassischen Theorie die folgenden Hypothesen ableiten:
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1.
Indem durch den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses die Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung verringert werden, stellt der Erziehungsurlaub einen Anreiz zur Erwerbsunterbrechung von Müttern dar. Gleichzeitig wird durch die zeitlich befristete Arbeitsplatzgarantie sichergestellt, dass der Erziehungsurlaub einen Anreiz zu einer nur befristeten Erwerbsunterbrechung setzt, durch die die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass Frauen nach Ablauf der Anspruchsdauer des Erziehungsurlaubs wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren (Saurel-Cubizolles et al. 1999). Durch die Einführung eines Erziehungsurlaubs sollte also die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Mütter ihre Erwerbskarriere für die Zeit des gesetzlichen Erziehungsurlaubs unterbrechen, während gleichzeitig durch den Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses die Kontinuität der Erwerbsbeteiligung im Lebensverlauf insgesamt zunimmt. Insbesondere in Bezug auf eine verstärkte Rückkehr nach Ende der gesetzlichen Anspruchsdauer werden durch die Einführung des Erziehungsurlaubs allerdings nur marginal wirksame Verhaltensanreize gesetzt. Ob der Fortbestand des bisherigen Arbeitsverhältnisses wirklich zu einer vergleichsweise früheren Rückkehr in den Arbeitsmarkt führt, hängt auch von weiteren Umständen wie z.B. der Verfügbarkeit adäquater Kinderbetreuung ab. Wenn diese wie in der Bundesrepublik nur in unzureichender Weise sichergestellt ist, dann werden Mütter die Rückkehroption auf den bisherigen Arbeitsplatz nicht wahrnehmen können, da im Anschluss an die gesetzliche Anspruchsdauer die häusliche Kinderbetreuung nicht in ausreichender oder hinreichend zuverlässiger Weise ersetzbar ist. In diesem Fall würde der Erziehungsurlaub nicht dazu führen, dass sehr lange Unterbrechungsphasen verkürzt werden. Die Gewährung des Erziehungsgelds als ergänzende Transferleistung während des Erziehungsurlaubs erhöht den Anspruchslohn von Müttern und verringert dadurch ihre Erwerbsneigung weiter. Die Einführung des Erziehungsgelds verstärkt damit die Neigung von Müttern zu einer befristeten Erwerbsunterbrechung zur Kinderbetreuung und –erziehung. Dies gilt besonders für gering qualifizierte Frauen, für die das Erziehungsgeld einen größeren Teil des erzielbaren Marktlohns ersetzt. Bildungsspezifische Effekte sind aber auch zu erwarten, wenn die Einführung des Erziehungsurlaubs die Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung für gut ausgebildete Frauen weniger effektiv absenkt, da für eine normale Karriereentwicklung nicht allein der Bestandsschutz des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses sondern auch die weiteren Beförderungsaussichten ausschlaggebend sind.
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Die Einführung eines gesetzlichen Erziehungsurlaubs kann das Unterbrechungs- und Erwerbsverhalten von Frauen insgesamt homogenisieren, wenn die Regelungen des Erziehungsurlaubs auch Auswirkungen auf das Verhalten von Müttern haben, die vor der Geburt eines Kindes nicht erwerbstätig waren und deshalb eigentlich von einem Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses nicht profitieren. Es ist jedoch möglich, dass mit der gesetzlichen Regelung Normsetzungseffekte erzielt werden, indem die gesetzliche Anspruchsdauer den gesellschaftlich erwünschten Zeitpunkt des Wiedereinstiegs von Müttern in den Arbeitsmarkt signalisiert. Ebenso ist denkbar, dass aufgrund der in Deutschland üblichen Auszahlung des Erziehungsgelds an alle Mütter unabhängig von ihrem Erwerbsstatus vor der Geburt, das Auslaufen der Erziehungsgeldzahlung auch für zuvor nicht erwerbstätige Mütter einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit darstellt, um den höheren Lebensstandard der Familie aufrecht zu erhalten.
Stand der empirischen Forschung Zahlreiche Studien haben das Arbeitsmarktverhalten von Frauen nach einer Geburt untersucht. Obwohl sich der Effekt von Kindern auf die Erwerbstätigkeit von Müttern in jüngeren Kohorten abgeschwächt hat, ist die Geburt von Kindern in westlichen Industriegesellschaften immer noch der Hauptgrund für Frauen, ihre Karriere zumindest eine Zeit lang zu unterbrechen (Jacobsen et al. 1999; Koenigsberg et al. 1994; Goldin 2006; Waite et al. 1985; Joshi und Hinde 1993; Bender et al. 2003). Im Gegensatz zur Nachkriegsgeneration verlassen junge Frauen dabei immer seltener bereits nach der Heirat den Arbeitsmarkt, sondern bleiben zunehmend bis unmittelbar vor einer Geburt erwerbstätig. Gustafsson et al. (2001) ermitteln, dass nur 15 Prozent der Mütter in Deutschland vor der ersten Geburt nicht erwerbstätig sind. Unmittelbar nach einer Geburt steigt diese Zahl sprunghaft an, so dass sechs Monate nach der Geburt 90 Prozent der Mütter nicht erwerbstätig sind. Dabei unterbrechen Frauen in Deutschland ihre Karriere im Ländervergleich besonders lang, so dass auch wenn das Kind bereits vier Jahre alt ist, erst die Hälfte der Frauen wieder in den Arbeitsmarkt zurückgekehrt ist. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von Weber (2004), in der die Rückkehrwahrscheinlichkeit zunächst im dritten Monat nach der Geburt, d.h. nach Ende der Mutterschutzfrist kurzfristig ansteigt. In den darauf folgenden zwei Jahren sinkt die Übergangsrate in den Arbeitsmarkt von Müttern und steigt erst wieder im dritten Lebensjahr des Kindes an. In seinen Ergebnissen für die USA findet Even (1987) dagegen einen steilen Abfall der Rückkehrwahrscheinlichkeit von Müttern in den ersten eineinhalb Jahren
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nach einer Geburt. Die Rückkehrquote fällt dabei von 25 Prozent im dritten Monat nach einer Geburt auf nur noch 5 Prozent ab. Diese niedrige Rückkehrwahrscheinlichkeit auf den Arbeitsmarkt unter amerikanischen Müttern bleibt bis zu einem Alter des Kindes von vier ein halb Jahren weitgehend konstant und steigt erst danach wieder an. Für Deutschland zeigt eine Studie von Klein und Braun (1995) ebenfalls einen negativen Effekt der Unterbrechungsdauer in Höhe von 12,6 Prozent pro Unterbrechungsjahr auf die Wiedereintrittsrate der Mütter auf den Arbeitsmarkt. Gleichzeitig ergibt sich ein positiver Effekt für das Alter des jüngsten Kindes auf die Rückkehrwahrscheinlichkeit der Frauen. Dabei steigt die Beschäftigungsquote der Mütter mit dem Alter des jüngsten Kindes an, was die Autoren mit dem sinkenden Betreuungsaufwand erklären, der mit einem Rückgang der Opportunitätskosten einer Erwerbstätigkeit verbunden ist. Dabei zeigt sich in dieser Studie, dass die Wiedereintrittsrate der Frauen in den Beruf um fast 30 Prozent ansteigt, sobald das jüngste Kind das Kindergartenalter erreicht hat. Daneben zeigen Klein und Braun ebenfalls, dass verheiratete Frauen eine um 50 Prozent geringere Rückkehrquote in den Beruf aufweisen als Frauen ohne Partner. Dieser Effekt wird auch von zahlreichen anderen Studien bestätigt, die sowohl einen negativen Einfluss der Ehe als auch der Erwerbstätigkeit bzw. des Erwerbseinkommen des Partners auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern feststellen (siehe dazu Weber 2004; Eckstein und Wolpin 1989; McRae 1993; Lauer und Weber 2003; Moen et al. 1990). Auch nach den Ergebnissen von Drobni, Blossfeld und Rohwer (1999) hängt die Rückkehrbereitschaft von Müttern in Deutschland stark von der Schulpflichtigkeit der Kinder ab. Nach ihren Analysen verdreifacht sich die Übergangsrate von Müttern in eine Vollzeiterwerbstätigkeit nachdem das jüngste Kind schulpflichtig geworden ist, und auch für die Übergangsrate in eine Teilzeiterwerbstätigkeit finden die Autoren eine Verdoppelung. Drobni (2000) zeigt zusätzlich, dass insbesondere verheiratete Mütter erst nach der Schulpflichtigkeit der Kinder wieder erwerbstätig werden. Dabei haben der Einfluss des Ehepartners und dessen beruflicher Position auf das Rückkehrverhalten von Frauen über die Kohorten allerdings abgenommen. So findet eine britische Kohortenstudie beispielsweise, dass der Effekt des Berufsstatus des Ehemanns auf die Rückkehrwahrscheinlichkeit von Müttern über die Kohorten stark zurückgegangen ist und der Einfluss des Familienstandes für die jüngere Kohorte sogar ganz verschwunden ist (Joshi und Hinde 1993). Demgegenüber gewinnen in jüngeren Kohorten die sozialstrukturellen Merkmale von Frauen für das Unterbrechungsverhalten an Bedeutung (Joshi und Hinde 1993). So zeigen Klein et al. (Klein und Lauterbach 1994; Klein und Braun 1995) in zwei Studien für Deutschland, dass die Wahrscheinlichkeit einer
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Erwerbsunterbrechung von Müttern mit jedem weiteren Bildungsjahr um sieben Prozentpunkte absinkt. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch von zahlreichen Studien, die einen positiven Einfluss vom Bildungsniveau, Berufsstatus sowie dem Erwerbseinkommen von Frauen auf das Unterbrechungsverhalten nach der Geburt von Kindern finden (Eckstein und Wolpin 1989; Moen et al. 1990; Hynes und Clarkberg 2005; Desai und Waite 1991; Angrist und Evans 1998; Weber 2004; Klerman und Leibowitz 1994). Dabei unterbrechen hochqualifizierte Frauen nach einer Geburt einerseits seltener ihren Karriere und kehren andererseits häufiger und schneller in den Arbeitsmarkt zurück (Lauterbach et al. 1994). Neben diesen sozial- und familienstrukturellen Einflussfaktoren auf das Unterbrechungsverhalten der Frauen weisen eine Vielzahl unterschiedlicher Studien Einflüsse wohlfahrtsstaatlicher Rahmenbedingungen auf das Arbeitsmarktverhalten von Müttern nach. So zeigen Gustafsson et al. (1996) in einer vergleichenden Studie für Großbritannien, Schweden und Deutschland, dass sich dass Arbeitsmarktverhalten von Frauen vor der Geburt von Kindern in den verschiedenen Ländern kaum unterscheidet. So divergiert die Arbeitsmarktbeteiligung vor der Geburt des ersten Kindes zwischen den drei Ländern kaum. Frauen in Großbritannien und Deutschland sind sogar leicht häufiger vollzeiterwerbstätig als Frauen in Schweden. Bereits mit der Geburt des ersten Kindes und vor allem ab einem zweiten Kind bilden sich die Länderunterschiede in der Arbeitsmarktbeteiligung aber immer stärker heraus. Dabei zeigt sich dass vor allem die Frauen in Deutschland ihre Erwerbstätigkeit nach der Geburt von Kindern unabhängig von ihrem Bildungsstand besonders lange unterbrechen und auch besonders häufig auf Teilzeitarbeitsplätze zurückkehren. Auch Gornick et al. (1998) weisen in ihren Ergebnissen darauf hin, dass die unterschiedliche Ausgestaltung wohlfahrtsstattlicher, familienpolitischer Institutionen die Erwerbsmuster von Müttern positiv oder negativ beeinflussen kann. In ihrer Analyse zeigt sich, dass die Geburt von Kindern das Erwerbsverhalten von Frauen in den Ländern am stärksten nachteilig beeinflusst, in welchen die Politik wenig darauf ausgerichtet ist, erwerbstätige Mütter zu unterstützen. So wird der stärkste Rückgang in der Erwerbsbeteiligung von Frauen nach der Geburt eines Kindes in Großbritannien, den USA, Österreich, Kanada, den Niederlanden, Norwegen und Deutschland gefunden. Der Erwerbsrückgang im Vergleich zur Erwerbsbeteiligung vor der Geburt liegt für Mütter mit Kleinkindern dabei zwischen 45 und 22 Prozentpunkten und bei Kindergartenkindern zwischen 31 und 15 Prozentpunkten. Ebenso finden Stier et al. (2001) in einem Vergleich von zwölf westlichen Ländern, dass das Wohlfahrtsstaatsregime eines Landes sowie eine Familienpolitik, die die Erwerbstätigkeit von Frauen unterstützt, einen großen Teil der Ländervariationen in den Erwerbsmustern von Frauen erklärt. Auch während der
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Kleinkindphase ist die Erwerbskontinuität der Mütter vor allem auch in Vollzeitbeschäftigung in Ländern, die erwerbstätige Mütter mit ihrer Arbeitsmarkt-, Steuer- und ihrer Familienpolitik unterstützen, am höchsten. Deutschland, das in dieser Studie als ein Land mit konservativem Wohlfahrtsstaat mit einer durchschnittlichen Unterstützung für erwerbstätige Mütter klassifiziert wird, gehört bei Müttern von Kleinkindern mit einem Unterbrechungsquote von 60 Prozent zu den Ländern mit den höchsten Unterbrechungsquoten. Der negative Einfluss der Betreuung kleiner Kinder auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist damit im internationalen Vergleich in Deutschland besonders stark ausgeprägt (vgl. auch Pettit und Hook 2005). Eine Studie der OECD (2005) betont das Steuersystem, staatliche Kinderbetreuungsangebote, das Kindergeld sowie einen Rechtsanspruch auf bezahlten Erziehungsurlaub als familienpolitische Rahmenbedingungen, die die Erwerbsverläufe von Frauen wesentlich beeinflussen. Die Analysen ergeben dabei, dass die Frauenerwerbsquote in Ländern mit einer gemeinsamen Besteuerung von Ehepaaren, die zu einer hohen Steuerlast des Nebenverdieners führt, besonders niedrig ist. Ebenso führen hohe Kindergeldleistungen zu einer geringeren Erwerbsbeteiligung von Frauen. Öffentliche Kinderbetreuungsangebote sowie ein bezahlter Erziehungsurlaub haben hingegen einen positiven Einfluss auf die Beschäftigungsquoten von Müttern und führen vor allem auch zu höherer Vollzeitbeschäftigung (siehe dazu auch Gustafsson 1992; Caliendo et al. 2007). Vor allem amerikanische Studien zeigen explizit einen negativen Einfluss der Höhe der Kinderbetreuungskosten auf die Erwerbsbeteiligung von Müttern auf (Blau und Robins 1998; Michalopoulos und Robins 2002; Barrow 1999; Connelly 1992; Powell 1997; Anderson und Levine 2000; Blau und Robins 1989; Kimmel 1998; Mason und Kuhlthau 1992; Ribar 1991). So zeigen beispielsweise die Ergebnisse von Michalopoulos und Robins (2000) für die USA ein Absinken der Erwerbsbeteiligung von Müttern wenn die Kosten der Kinderbetreuung ansteigen. Dabei verringert ein Preisanstieg von einem Dollar pro Betreuungsstunde in einem Kindergarten die Vollzeitbeschäftigung von Müttern um fast 6 Prozent und führt zu einer Verringerung der Beschäftigungsquote von insgesamt 3,2 Prozent. Vor allem für geringqualifizierte Frauen stellen hohe Betreuungskosten eine Beschäftigungshürde dar (Baum 2002a). Gleichzeitig zeigt sich, dass Steuerbegünstigungen für Kinderbetreuungskosten sowie staatliche Ausgaben für öffentliche Kindergartenplätze die Arbeitsmarktbeteiligung von Müttern positiv beeinflussen können (Klerman und Leibowitz 1990; Michalopoulos und Robins 2000; Han und Waldfogel 2001). Eine Studie von Pettit (2005) ermittelt, dass mit dem Ausbau der öffentlich finanzierten Kinderbetreuungsplätze für Kleinkinder zwischen 0 und 2 Jahren die Erwerbsbeteiligung verheirateter Mütter zunimmt und sich mit jedem zusätzli-
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chen Prozentpunkt in der Betreuungsquote um 1,5 Prozent erhöht. Eine frühe Studie von Stolzenberg und Waite (1984) zeigt jedoch, dass die Betreuungskosten lediglich für Mütter von Kleinkindern unter zwei Jahren einen negativen Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung haben, während dieser Effekt für Mütter älterer Kinder bedeutungslos wird. Einen noch größeren Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung als die Betreuungskosten ermitteln die Autoren jedoch für die Betreuungsquote. So zeigen Stolzenberg und Waite (1984) in ihrer Studie, dass das Betreuungsangebot für Kinder unter zwei Jahre einen besonders starken Einfluss auf die Erwerbsquoten der Mütter hat und dieser auch für ältere Kinder bedeutsam bleibt, wenngleich sich dieser Effekt mit zunehmendem Alter der Kinder abschwächt. Auch Gustafsson und Stafford (1991) zeigen in einer Studie für Schweden, dass ein qualitativ hochwertiges öffentliches Kinderbetreuungssystem die Erwerbsbeteiligung der Mütter mit kleinen Kindern positiv beeinflusst und zwar auch dann, wenn das Einkommen des Ehepartners hoch ist. Gustafsson und Stafford zeigen ebenfalls, dass Kosten der Kinderbetreuung nur dann, wenn überhaupt ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen vorhanden ist, an Erklärungskraft für die Erwerbsbeteiligung von Müttern gewinnen. So argumentieren auch Kreyenfeld und Hank (2000), dass aufgrund der relativ niedrigen Kosten der öffentlichen Betreuungsplätze in Deutschland und dem gleichzeitig fehlenden privaten Markt für Kinderbetreuung weniger die Kosten als vielmehr die Verfügbarkeit von Plätzen eine Rolle für das Arbeitsmarktverhalten von Frauen spielt. Dementsprechend kommt auch eine Studie von Wrohlich (2006) zu dem Ergebnis, dass die monetären Kinderbetreuungskosten im Vergleich zu anderen Ländern in Deutschland nur eine geringe Rolle spielen. So verringert ein Anstieg der Betreuungskosten um einen Prozentpunkt den durchschnittlichen Arbeitsumfang der Mütter um weniger als 0,1 Prozent. In einer Simulation unterschiedlicher politischer Reformen zur Kinderbetreuung zeigt Wrohlich, dass eine Preisreduktion des bestehenden Betreuungsangebots nur einen geringen Effekt auch die Erwerbsbeteiligung der Mütter hätte und auch die Nachfrage nach Betreuungsplätzen nur um 1,3 Prozent steigen würde. Hingegen könnte eine Reform, die sich auf den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen vor allem auch für Kinder unter drei Jahren konzentriert, die Erwerbsbeteiligung von Müttern mit Kindern unter drei Jahren um 3 Prozentpunkte steigern und die Nachfrage nach Betreuungsplätzen um 2,3 Prozentpunkte. Als eine weitere politische Maßnahme, die die Erwerbsbeteiligung von Müttern unterstützt, untersuchen viele Studien den Einfluss eines gesetzlichen Erziehungsurlaubsanspruchs. So zeigen beispielsweise Ergebnisse zur Einführung eines landesweit einheitlichen Erziehungsurlaubs in den USA im Jahr 1993,
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dass sich mit der Einführung sowohl der Anteil der Frauen erhöht hat, die bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der die Möglichkeit eines Erziehungsurlaubs anbietet.1 Neben der Verbesserung des Zugangs zu Erziehungsurlaubsleistungen hat sich gleichzeitig auch der Anteil von Frauen erhöht, die den Erziehungsurlaub tatsächlich in Anspruch nehmen (Han und Waldfogel 2003; Waldfogel 1999). Waldfogel (1999) führt diese verstärkte Inanspruchnahme einerseits auf die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Frauen zurück, die zuvor keinen Zugang zu Erziehungsregelungen hatten, andererseits aber auch auf eine verstärkte Akzeptanz und positivere Einstellung gegenüber Erziehungsurlaubsregelungen von Seiten der betroffenen Frauen und Arbeitgeber. Dabei zeigt sich in den USA zudem ein positiver Effekt des Erziehungsurlaubs auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen. Pettit und Hook (2005) ermitteln in ihrer Studie, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsbeteiligung für Frauen mit Kleinkindern mit jeder zusätzlichen Woche Erziehungsurlaubsanspruch um 2,2 Prozentpunkte erhöht. Auch eine Studie von Ruhm (1998) für neun europäische Länder zeigt, dass ein Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub die Erwerbsbeteiligung von Frauen um ungefähr 4 Prozentpunkte erhöht. Diese Wirkung ergibt sich sowohl daraus, dass Frauen mit einem Erziehungsurlaubsanspruch den Arbeitsmarkt tendenziell erst kurz vor der Geburt verlassen, und auch daraus, dass Mütter nach einer Unterbrechung schneller und häufiger wieder in den Beruf zurückkehren (Joesch 1997; Berger und Waldfogel 2004; Hofferth und Curtin 2006; Rønsen 1999; Glass und Riley 1998). Dieses Ergebnis wird in einer vergleichenden Länderstudie für die USA, Großbritannien und Japan bestätigt, die zeigt, dass ein Anspruch auf Erziehungsurlaub die Rückkehrwahrscheinlichkeit auf den Arbeitsmarkt für Frauen in allen drei Ländern deutlich erhöht. Dabei steigert sich die Rückkehrquote für Frauen in Großbritannien um 16 Prozent, für die USA um 23 Prozent und für Japan mit 73 Prozent am stärksten (Waldfogel et al. 1999). In allen drei Ländern zeigt sich der positive Einfluss des Anspruchs auf Erziehungsurlaub auf die Rückkehrbereitschaft dabei insbesondere für Frauen mit geringen und mittleren Qualifikationen. Allerdings weisen die Ergebnisse dieser Studien auch darauf hin, dass sich der positive Einfluss des Erziehungsurlaubs auf die Frauenerwerbsquote vor allem bei einer kurzen Anspruchsdauer zeigt, während sich die Effekte bei längerer Anspruchsdauer ins Negative verkehren (Gutiérrez-Domènech 2005; Ruhm 1 Seit 1993 existiert in den USA mit Inkrafttreten des FMLA (Family and Medical Leave Act) ein Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub auf der Bundesebene. Dieser Anspruch ist allerdings nur auf ungefähr 50-60 Prozent der erwerbstätigen Frauen beschränkt, die bei größeren Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten beschäftigt sind. Außerdem ist der Erziehungsurlaub nach dem FMLA generell unbezahlt und auch lediglich auf einen sehr kurzen Zeitraum von 12 Wochen beschränkt.
2.1 Familiengründung, Erwerbsbeteiligung und Familienpolitik
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1998). Die Schätzwerte für den Schwellenwert der Anspruchsdauer, ab welchem der Erziehungsurlaubsanspruch einen negativen Einfluss auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen hat, schwanken allerdings stark (OECD 2005; Pettit und Hook 2005). Eine Studie von Pylkkänen und Smith (2003) kommt dabei zu der Einschätzung, dass vor allem ein großzügiger Erziehungsurlaubsanspruch mit einer hohen Lohnkompensation negative Anreize für eine Rückkehr auf den Arbeitsmarkt setzt und somit die Erwerbsunterbrechung verlängert. In verschiedenen Studien zeigt sich auch, dass Frauen in ihrem Rückkehrverhalten sehr stark auf die gesetzliche Höchstdauer des Anspruchs auf Erziehungsurlaub reagieren, so dass vor allem eine sehr lange Anspruchsdauer des gesetzlichen Erziehungsurlaubs die Erwerbsunterbrechungen von Frauen verlängert (Saurel-Cubizolles et al. 1999; Joesch 1997; Han und Waldfogel 2003). Dies bestätigt eindrücklich eine Studie der Erwerbsverläufe von Frauen in Österreich, wo der Erziehungsurlaub im Jahr 1990 zunächst von einem auf zwei Jahre verlängert, und ab 1996 wieder um ein halbes Jahr auf 18 Monate verkürzt wurde. Lalive und Zweimüller (2005) ermitteln, dass jeder zusätzliche Monat des gesetzlichen Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub die durchschnittliche Unterbrechungsdauer der Frauen um einen halben Monat verlängert. Zusätzlich zeigt sich, dass Frauen, die während der Geltung des zweijährigen Erziehungsurlaubsanspruchs ihr Kind bekommen haben, auch drei Jahre nach der Geburt noch immer eine um 10 Prozentpunkte geringere Erwerbsquote aufweisen als die Frauen der Vergleichsgruppe, die lediglich einen Rechtsanspruch auf ein Jahr Erziehungsurlaub hatten. Interessanterweise, zeigt sich ein entsprechend starker Einfluss der späteren Gesetzesänderung, welche die Anspruchshöchstdauer auf 18 Monate verkürzte. In diesem Fall zeigte sich, dass die Erwerbsquoten drei Jahre nach einer Geburt für die Frauen mit einem Rechtsanspruch auf einen achtzehnmonatigen Erziehungsurlaub nur noch 5 Prozentpunkte unter der Erwerbsquote von Frauen mit einem lediglich einjährigen Erziehungsurlaub liegen. Nach den Ergebnissen dieser Studie reagierten Frauen also in gleicher Weise auf die Verlängerung wie die Verkürzung des Erziehungsurlaubs in Österreich. In einer weiteren Studie zeigen Berger und Waldfogel (2004) selbst für die USA, wo der gesetzliche Erziehungsurlaubsanspruch nur 12 Wochen beträgt, dass Frauen ihr Unterbrechungsverhalten dieser Höchstdauer anpassen und die Rückkehrquote auf den Arbeitsmarkt erst zum Ende der Anspruchshöchstdauer ansteigt. Unter Frauen mit Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub ist die Rückkehrrate in den Beruf in den ersten sechs Wochen nach der Geburt um 20,5 Prozent geringer als für Frauen ohne Anspruch auf Erziehungsurlaub, und zwischen der 7. und 12. Woche nach der Geburt ist die Wiedereinstiegsbereitschaft sogar um 56,1 Prozent reduziert. Erst nach Ablauf der Anspruchshöchstdauer steigt die Rückkehrquote von Müttern, die einen Anspruch auf Erziehungsurlaub hatten,
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
sprunghaft an und liegt um 68,8 Prozent über der Rückkehrrate in der Vergleichsgruppe. Ondrich et al. (1996; 1998) bestätigen diesen Zusammenhang auch für deutsche Frauen. Dabei zeigt sich dass die Ausweitung der Erziehungsurlaubsdauer in Deutschland die Karriereunterbrechungen der Mütter verlängert hat, da Mütter ihren Rechtsanspruch in der Regel ausschöpfen und sich die Rückkehrtendenz in den Arbeitsmarkt erst gegen Ende der Anspruchshöchstdauer wieder verstärkt.
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik Die zentrale Arbeitsmarkttheorie, die sich mit dem Zusammenspiel von individuellen Merkmalen von Arbeitnehmern, ihrer Produktivität und den sich daraus ergebenden Karriereaussichten befasst, ist die ökonomische Humankapitaltheorie (vgl. dazu im Folgenden Becker 1993; Mincer 1958, 1962; Blau et al. 2006; Borjas 2005; Kaufman und Hotchkiss 2006). Dabei wird davon ausgegangen, dass Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Präferenzen sowie unterschiedlicher Qualifikation auf den Arbeitsmarkt kommen, wo sie entsprechend ihrer daraus resultierenden individuellen Produktivität unterschiedlich entlohnt werden. Produktivitätsrelevante Präferenzen von Arbeitnehmern zeigen sich insbesondere in einer unterschiedlich starken Bereitschaft der einzelnen Arbeitnehmern, bestimmte Arbeitsbedingungen wie beispielsweise längere und unflexible Arbeitszeiten oder schwere körperliche Arbeit im Ausgleich für eine höhere Entlohnung hinzunehmen. Aus der Sicht der Humankapitaltheorie ist jedoch bedeutsamer, dass Arbeitnehmer unterschiedliche Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt bringen und damit auch unterschiedlich produktiv sind. Produktivitätsrelevante Qualifikationen, das so genannte Humankapital der Arbeitnehmer, sind dabei einerseits die formale Schulbildung und die berufliche Ausbildung, aber andererseits auch Erfahrungswissen und beruflicher Weiterbildung. Zusammen bestimmen die Präferenzen und die Erstausbildung die berufliche Eingangsplatzierung der Individuen auf dem Arbeitsmarkt und führen dadurch sowohl zu unterschiedlichen Erwerbslöhnen als auch zu einer unterschiedlichen Segregation von Individuen in verschiedene Berufe und Branchen. Ausgehend von dieser Eingangsplatzierung im Arbeitsmarkt spielt jegliche Aneignung weiteren beruflichen Wissens in Form von Weiterbildung oder erworbenem Erfahrungswissen eine entscheidende Rolle im weiteren Verlauf der individuellen Berufskarriere. Dabei geht die Humankapitaltheorie davon aus, dass Individuen auch nach der Schulausbildung weiterhin Ressourcen insbesondere Zeit und Geld in sich selbst investieren, um ihr Wissen, ihre berufsrelevanten Fähigkeiten und damit ihre zukünftige Produktivität und ihr erzielbares Einkommen zu
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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steigern. Die erzielten Löhne stellen damit im Umkehrschluss ein indirektes Maß für den Wert der individuellen Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt dar, und sollten aufgrund des zusätzlichen Erwerbs von Humankapital kontinuierlich in Übereinstimmung mit der wachsenden Produktivität der Arbeitnehmer steigen (Mincer 1958, 1962; Becker 1993). Die optimale Produktivität eines Arbeitnehmers hängt im Humankapitalmodell dabei sowohl von einem Arbeitsplatz ab, der genau den Fähigkeiten des Arbeitnehmers entspricht, als auch von anhaltender Weiterqualifizierung. Um eine optimale Passung zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Arbeitsplatz zu erzielen, ist nicht nur Suchzeit, sondern eventuell auch ein monetärer Aufwand für die entsprechende Arbeitsplatzsuche und gegebenenfalls eine hohe geographische Mobilität seitens des Arbeitnehmers erforderlich. Ist ein Arbeitsplatz gefunden, der den eigenen Fähigkeiten in optimaler Weise entspricht, so resultiert dies für den Arbeitnehmer in einem Lohngewinn gegenüber weniger geeigneten Arbeitsplätzen, wobei der potenzielle Lohngewinn gleichzeitig dem ökonomischen Anreiz zur Arbeitssuche darstellt. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer potenziell ihre Produktivität durch den Erwerb formaler Qualifikationen oder den Erwerb von Erfahrungswissen steigern können. In Bezug auf die berufliche Weiterqualifikation unterscheidet das Humankapital-Modell idealtypisch zwischen allgemeiner und spezifischer Weiterbildung (Mincer 1962; Becker 1993). Allgemeines Humankapital zeichnet sich dadurch aus, dass es typischerweise unabhängig vom Arbeitsplatz beispielsweise im Rahmen einer formalen Aus- oder Weiterbildung gebildet wird und anschließend die Produktivität des Individuums im Arbeitsmarkt insgesamt erhöht und somit komplett zwischen Arbeitgebern und Betrieben transferierbar ist. Bei einer Investition in allgemeines Humankapital entstehen allerdings auch Kosten, die sich aus den direkten Kosten in Form von Ausbildungskosten und indirekten Kosten zusammensetzten, indem beispielsweise die Produktivität oder der Erwerbsumfang des Arbeitnehmers während der Weiterbildung verringert sind, so dass sich sein Erwerbseinkommen während der Ausbildungszeit entsprechend reduziert. Gemäß der Humankapitaltheorie trägt der Arbeitnehmer die Kosten des Erwerbs von allgemeinem Humankapital normalerweise alleine, da sich durch den allgemeinen Charakter der Ausbildung seine Produktivität und damit auch sein erzielbares Einkommen in allen Firmen erhöht, und sich dadurch für den Arbeitgeber die Gefahr einer Abwanderung des so weitergebildeten Arbeitnehmers vergrößert. Aus dieser Überlegung heraus ist es für Arbeitgeber rational, nur in spezifisches Humankapital ihres Arbeitnehmers zu investieren, das seine Produktivität im Idealfall nur bei diesem speziellen Betrieb erhöht. Bei spezifischem Humankapital kann es sich einerseits um firmenspezifisches Wissen handeln, das für die
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
Produktionsprozesse dieser Firma von Bedeutung ist und beispielsweise in formalen Weiterbildungsprogrammen vermittelt wird. Andererseits wird spezifisches Humankapital auch in informeller Weise direkt am Arbeitsplatz erworben, etwa weil mit zunehmender Berufserfahrung, beziehungsweise Firmenzugehörigkeit die Tätigkeit routinierter ausgeführt werden kann oder weil Kollegen und Vorgesetzte den Arbeitnehmer systematisch in die Betriebsabläufe einweisen (Mincer 1958). Im Unterschied zum Fall des allgemeinen Humankapitals ist dagegen nach der Humankapitaltheorie zu erwarten, dass die mit einer Weiterqualifikation des Arbeitnehmers verbundenen Kosten hauptsächlich vom Arbeitgeber getragen werden. Durch den Erwerb von Humankapital erweitert der Arbeitnehmer seine beruflichen Fähigkeiten und sein Erfahrungswissen und steigert damit seine Verdienstaussichten und seine Verhandlungsmacht innerhalb der Firma. Im Falle des Erwerbs spezifischen Humankapitals gilt aber sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer, dass sich die Investition in das firmenspezifische Humankapital nur auszahlt, solange der so weitergebildete Arbeitnehmer in der Firma beschäftigt bleibt. Da das spezifische Wissen die Produktivität im Extremfall nur in einem Unternehmen steigert, besitzt der Arbeitnehmer ein großes Interesse daran, so lange wie möglich bei seinem aktuellen Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben (Becker 1993; Mincer 1958, 1962). Genauso zahlen sich auch für den Arbeitgeber die Investitionskosten in die spezifische Weiterbildung des Arbeitnehmers nur so lange aus, wie dieser bei der Firma beschäftigt bleibt. Daraus ergibt sich, dass der Arbeitgeber zum einen ein hohes Interesse darin hat, nur in Arbeitnehmer zu investieren, von welchen er annimmt, dass sie durch das spezifische Training auch langfristig an die Firma gebunden werden können. Zum anderen wird der Arbeitgeber auch von vorneherein auf Positionen, die ein hohes Maß an spezifischen Wissen erfordern, nur solche Arbeitnehmer einstellen, bei welchen er sich sicher ist, dass sie dauerhaft an die Firma gebunden werden können. Spezifisches Humankapital erzeugt somit eine starke beidseitige Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und resultiert in einer Monopolmacht, die diese beiden Parteien gegenseitig übereinander haben (Blau et al. 2006). Aus den Annahmen der Humankapitaltheorie ergeben sich für Frauen jedoch teilweise andere Implikationen als für männliche Arbeitnehmer, so dass die Humankapitaltheorie zum Teil die Geschlechterunterschiede in der Entlohnung erklären kann. Zum einen wird das Arbeitsmarktverhalten der Frauen ungleich stärker durch die familiären Rahmenbedingungen determiniert. Damit sind weibliche Erwerbsbiographien insgesamt in weit größerem Ausmaß von externen Faktoren wie der Erwerbstätigkeit des Partners, der Familienstruktur und insbesondere der Zahl und dem Alter von Kindern beeinflusst als dies bei männlichen
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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Arbeitnehmern der Fall ist. Faktoren wie ein anhaltend traditionelles Rollenverständnis in Paarbeziehungen, die Schwierigkeit, die Berufskarrieren beider Partner mit dem selben Nachdruck zu verfolgen und schließlich mangelnder Zugang zu verlässlicher, qualitativ hochwertiger, kostengünstiger Kinderbetreuung führen in ihrer Konsequenz zu einem stärker diskontinuierlichen Erwerbsleben und einer insgesamt geringeren Lebensarbeitszeit von Frauen (Mertens et al. 1995; Lundberg und Rose 2000; Dex 1987). Nach wie vor gilt, dass es fast ausschließlich Frauen sind, die ihre Erwerbskarriere zur Betreuung und Erziehung von Kleinkindern unterbrechen (Shapiro und Mott 1994). Gleichzeitig sind diese familienbedingten Erwerbsunterbrechungen häufig von vergleichsweise langer Dauer und treten innerhalb der Berufslaufbahn mehrmals auf, wodurch sie die Bindung der Frauen an den Arbeitsmarkt insgesamt wie auch an spezifische Arbeitgeber und Firmen abschwächt (Fitzenberger und Wunderlich 2000). Dehnen sich diese Unterbrechungen besonders lang aus oder bekommt eine Frau mehrere Kinder, führt dies nicht selten zu einem kompletten Rückzug aus dem Erwerbsleben. Außerdem veranlassen familiäre Verantwortlichkeiten Frauen häufiger zur Aufnahme von Tätigkeiten, die ihren Qualifikationen nicht auf optimale Weise entsprechen, dafür eventuell aber leichter mit der Berufstätigkeit des Mannes und der Betreuung von Kindern vereinbar sind. So hängt die Berufstätigkeit der Frauen insgesamt in stärkerem Maße von der Erwerbstätigkeit des Partners ab, weil Frauen beispielsweise häufig gemeinsam mit ihrem Partner mobil sind, da sie den Arbeitgeber und den Wohnort wechseln, sobald der Partner den bisherigen Wohnort aus beruflichen Gründen verlässt (Felmlee 1984; Mincer und Polachek 1974). Andere Studien zeigen auch, dass Frauen häufiger als Männer eine Erwerbstätigkeit aus familiären Verpflichtungen kündigen (Keith und McWilliams 1995). Diese verschiedenen Formen von familienbedingter Mobilität haben gemeinsam, dass sie tendenziell mit häufigeren Arbeitgeberwechseln von Frauen einhergehen, die vor allem bei geringqualifizierten Frauen mit Kindern in eine Abwärtsdynamik münden (Felmlee 1982; Hakim 1996; Dex 1987; Royalty 1998). Dabei zeigt sich auch, dass vor allem Frauen mit traditionellen Rollenvorstellungen nach der Geburt von Kindern häufig den Beruf wechseln (Dex 1987). Hinzu kommt, dass Frauen nach der Geburt besonders oft in so genannte mütterfreundliche Tätigkeiten wechseln, um der zusätzlichen zeitintensiven Betreuung von Kleinkindern gerecht zu werden (Ermisch und Wright 1993). Solche Berufe oder Arbeitsplätze zeichnen sich einerseits durch flexiblere Arbeitsabläufe und Arbeitszeiten, aber beispielsweise auch durch die Nähe zum Wohnort oder dem Kindergarten und somit kürzeren Pendelzeiten, weniger Schichtarbeit oder außergewöhnliche Arbeitszeiten aus, die sich insgesamt leichter mit der
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
gleichzeitigen Kinderbetreuung koordinieren lassen. Ebenso können feste Laufbahnkarrieren und eventuell geringere Belastung, Leistung- und Erfolgsdruck und geringere Qualifikationsanforderung die zeitweise systematische Aus- und Wiedereingliederung der Frauen nach Familienphasen erleichtern (Wolf und Rosenfeld 1978). Dementsprechend finden sich Frauen oft schon vor der Geburt von Kindern in geschlechtersegregierten Berufsfeldern und Branchen wieder, weil Arbeitgeber wie Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sich zum Beispiel im öffentlichen Dienst oder im Dienstleistungsbereich die Kinderbetreuung und der zeitweise Ausstieg aus dem Erwerbsleben leichter bewältigen lassen (Beblo et al. 2006; Wolf und Rosenfeld 1978; Gronau 1988; Becker 1985). Die berufliche Segregation zwischen den Geschlechtern verstärkt sich nach der Familiengründung noch zusätzlich, wenn Frauen nach einer Geburt verstärkt in entsprechende Berufe zurückkehren beziehungsweise wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen, da sie den zeitlichen und sonstigen beruflichen Anforderungen in ihren bisherigen Berufsfeldern nicht mehr entsprechen können (Ermisch und Wright 1993; Stier 1996; Wolf und Rosenfeld 1978). Hinzu kommt, dass sich diese stärker frauentypischen Berufe auch durch besonders begrenzte Karriereund Aufstiegsmöglichkeiten, kurze Karriereleitern, geringe Weiterqualifikationsmöglichkeiten und in der Konsequenz auch durch besonders geringe Löhne auszeichnen (Peterson 1989; Beblo et al. 2006; Elliott und Parcel 1996; Macpherson und Hirsch 1995; Glass 2004; Achatz et al. 2005; Kilbourne et al. 1994; Fitzenberger und Wunderlich 2000; Doeringer und Piore 1971). Zudem finden sich vor allem Frauen mit kleinen Kindern besonders oft in Teilzeitbeschäftigung wieder, die es Frauen ermöglicht, trotz der Doppelbelastung den Kontakt zum Erwerbsleben nicht ganz zu verlieren (Bardasi und Gornick 2007; Powell 1998). Allerdings zeigt sich auch hier, dass diese Tätigkeiten kaum berufliches Entwicklungspotential bieten, die Weiterqualifikationsmöglichkeiten sowie die Aufstiegschancen und die Löhne gering sind (Bardasi und Gornick 2007; Ermisch und Wright 1992; Houston und Marks 2003; Wolf 2002; Ermisch und Wright 1993). Einmal in einer Teilzeitbeschäftigung erwerbstätig, schaffen es Frauen häufig auch dann, wenn die Kinder älter und der Betreuungsaufwand geringer geworden ist, nicht mehr, aus der Rolle der Nebenverdienerin heraus ihre Karriere weiterzuentwickeln, sondern bleiben häufig weiterhin im Teilzeitsektor beschäftigt (Lundberg und Rose 2000; Voicu und Buddelmeyer 2003). In Bezug auf den Erwerb und den Erhalt von Humankapital hat dieses kürzere, diskontinuierlichere und stärker von familiären Rahmenbedingungen abhängige Erwerbsleben von Frauen besondere Bedeutung. Während in den Unterbrechungsphasen einerseits kein neues Humankapital gebildet und andererseits bereits vorhandenes Wissen mit der Dauer der Unterbrechungszeit an Wert ver-
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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liert, unterscheidet sich der Humankapitalerwerb von Frauen sowohl vor als auch nach einer möglichen Familienphase von dem Modell einer durchgängigen Erwerbskarriere (Shapiro und Mott 1994; Lundberg und Rose 2000; Royalty 1996; Becker 1985). Die geringere Berufserfahrung und die niedrige Betriebszugehörigkeitsdauer von Frauen geht gemäß der Humankapitaltheorie mit einer geringeren Akkumulation von allgemeinem wie spezifischen Wissen einher (Trappe und Rosenfeld 2001). Ebenso werden Frauen weniger in eine kostenintensive berufliche Aus- und Weiterbildung investieren, wenn davon auszugehen ist, dass sich diese im weiteren Erwerbsverlauf nicht auszahlt (Cox 1984; Royalty 1996). Dies ist besonders dann der Fall, wenn Frauen aufgrund einer starken Familienorientierung oder aufgrund mangelnder verfügbarer Kinderbetreuungsplätze lange kindbedingte Unterbrechungen beziehungsweise eine kurze Erwerbstätigkeitsphase vorhersehen (Powell 2002; Jones und Long 1979; Gronau 1988; Weiss und Gronau 1981). Und auch nach eventuellen Familienphasen lohnt sich die Investition in eine allgemeine berufliche Weiterqualifikation für Frauen um so weniger, je kürzer diese sich in der verbleibenden Erwerbszeit auszahlen kann und je häufiger Frauen auf weniger anspruchsvolle, aber mütterfreundliche Arbeitsplätze oder Teilzeitstellen gewechselt haben (Ermisch und Wright 1992; Houston und Marks 2003). Die schwächere Bindung von Frauen sowohl an den Arbeitsmarkt insgesamt wie auch an einen spezifischen Arbeitgeber führt zudem zusätzlich zu einer geringeren Tendenz, spezifisches Humankapital zu erwerben (Mertens et al. 1995; Royalty 1998). Genau wie im Falle der allgemeinen beruflichen Weiterqualifikation hängt der ökonomische Nutzen von der anhaltenden Erwerbstätigkeit ab. Dadurch, dass die Einsatzmöglichkeiten und der potenzielle Nutzen dieses Humankapitals stark an einen speziellen Arbeitgeber und einen bestimmten Arbeitsplatz gekoppelt ist, führt ein Arbeitgeberwechsel zur Entwertung dieses Wissens (Felmlee 1982). Dementsprechend verringern die tendenziell diskontinuierlicheren Erwerbsverläufe von Frauen den Wert von speziellem arbeitsplatzbezogenem Wissen, da entsprechendes Humankapital bei häufigeren Arbeitgeberwechseln schneller entwertet wird als dies bei einer ununterbrochenen Berufslaufbahn geschieht (Hakim 1996). Gleichzeitig werden Frauen, die von einer lange unterbrochenen beruflichen Laufbahn ausgehen, von vorneherein Berufe oder Positionen vermeiden, die ein hohes Maß an firmenspezifischem Training erfordern (Fitzenberger und Kunze 2005; Keith und McWilliams 1995). Im Gegenzug dazu sind in Berufen und auf beruflichen Positionen die Weiterqualifikation und Aufstiegsmöglichkeiten bieten, die Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung besonders hoch (Royalty 1998). Entsprechend dieser Überlegungen ist zum Beispiel davon auszugehen, dass wiederholter Arbeitgeberwechsel und geringere Anreize zum Erwerb firmenspe-
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
zifischen Humankapitals den beruflichen Aufstieg und Beförderungen in firmeninternen Arbeitsmärkten erschweren (Felmlee 1982; Fitzenberger und Wunderlich 2000). Arbeitgeber werden versuchen, Produktivitätsrisiken zu minimieren und dementsprechend auf Positionen, die ein hohes Maß an spezifischer Weiterbildung erfordern, nur Arbeitnehmer einstellen oder befördern, bei welchen die Wahrscheinlichkeit einer Abwanderung gering ist und die Investitionen in spezifisches Humankapital eng an die Firma gebunden werden können (Jones und Long 1979). In dem Maß in dem Arbeitgeber davon ausgehen dass Frauen in diesem Sinne besonders riskante Arbeitnehmer sind, weil davon auszugehen ist dass sie irgendwann Kinder bekommen und die Firma verlassen zumindest aber für lange Zeit ihre Karriere unterbrechen, werden sie weniger in die Weiterqualifikation von Frauen investieren (Royalty 1996). Neben der Humankapitaltheorie lassen sich Geschlechterunterschiede in der Erwerbsbeteiligung und Entlohnung allerdings auch noch aus alternativen theoretischen Perspektiven begründen. Werden Frauen nicht aufgrund von Qualifikations- oder Produktivitätsunterschieden sondern allein aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit seltener eingestellt, seltener für Weiterbildungsprogramme oder Beförderungen berücksichtigt und insgesamt geringer entlohnt spricht die Arbeitsmarkttheorie von statistischer Diskriminierung (vgl. im Folgenden Akerlof 1970; Spence 1973; Olsen und Sexton 1996; Petersen et al. 2007; Becker 1971). Prozesse der statistischen Diskriminierung im Arbeitsmarkt treten im Wesentlichen deshalb auf, weil Arbeitgeber Personalentscheidungen mit unvollständiger Information über die zukünftige Produktivität und Firmenbindung eines potentiellen Arbeitnehmers treffen, wobei Fehler in Personalentscheidungen bei hohen Einstellungs- oder Ausbildungskosten für eine Firma besonders nachteilig sind (Akerlof 1970). Je mehr Arbeitgeber nun davon überzeugt sind, dass weibliche Arbeitnehmer insgesamt weniger produktiv oder berufsorientiert sind als Männer, desto eher werden Frauen nicht aufgrund ihrer individuellen Eigenschaften bewertet, sondern allein aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Eine systematische statistische Diskriminierung wird bestärkt, wenn sich Frauen im Durchschnitt tatsächlich gemäß den nachteiligen Erwartungen verhalten, etwa wenn Frauen in der Regel tatsächlich weniger karriereorientiert oder aufgrund der familiären Doppelbelastung weniger produktiv am Arbeitsplatz sind, besonders oft ihre Karriere zur Kinderbetreuung unterbrechen und häufiger ihrem Partner zuliebe Arbeitgeber und Wohnort wechseln. Dabei wird ein Arbeitgeber Frauen umso eher aufgrund des statistischen Gruppendurchschnitts und weniger aufgrund individueller Merkmale beurteilen, je kostenintensiver oder schwieriger es ist, zwischen karriere- beziehungsweise familienorientierten Frauen zu unterscheiden (Meng 2004). Leicht beobachtbare Merkmale wie die Anzahl von Kinder
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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oder das bisherige Unterbrechungsverhalten einer Frau können in diesem Sinne dann als positives oder negatives Signal für die Erwerbsorientierung herangezogen werden (Peterson 1989; Phipps et al. 2001; Albrecht et al. 1999; Stafford und Sundström 1996; Hersch und Stratton 1997; Budig und England 2001; Hinz und Gartner 2005; Waldfogel 1997a; Simonsen und Skipper 2007). Statistische Diskriminierung kann Frauen auf dem Arbeitsmarkt bereits im Einstellungsverfahren, bei der Auswahl für Weiterqualifikationsprogramme des Arbeitgebers oder auch bei der Berücksichtigung für Beförderungen begegnen. Ein diskriminierender Arbeitgeber wird Frauen entweder überhaupt nicht einstellen, oder vorzugsweise nur auf Berufspositionen beschäftigen, für die firmenspezifisches Wissen und das Risiko einer häufigeren Arbeitnehmerfluktuation von geringerer Bedeutung ist. Wird Frauen zudem der Zugang zu Weiterqualifikationsprogrammen des Arbeitgebers versperrt, verhindert Diskriminierung direkt die Akkumulierung firmenspezifischen Humankapitals und verringert damit die Produktivität und Entlohnung von weiblichen Arbeitnehmern (Gronau 1988; Evertsson 2004; Melero 2004; Olsen und Sexton 1996). Schließlich ist Frauen der Karriereweg in höhere Positionen versperrt, wenn sie entweder von vorneherein nur auf Arbeitsplätzen oder in Firmen arbeiten, in denen es keine oder nur geringe Aufstiegsmöglichkeiten gibt und die Karriereleitern kurz sind, oder wenn Arbeitgeber Frauen weniger oft als Männer für eine Beförderung vorsehen (Petersen und Saporta 2004). Besonders weitreichende Folgen hätte die statistische Diskriminierung zudem, wenn das diskriminierende Verhalten von Arbeitgebern das Arbeitsmarktverhalten von Frauen insgesamt negativ beeinflusst, und Frauen entmutigt würden, in ihr Humankapital zu investieren (Neumark und McLennan 1995). So würden gleichzeitig ökonomische Anreize für Frauen gesetzt, ihre Prioritäten außerhalb des Erwerbslebens zu setzen, so dass traditionelle Geschlechterrollen verstärkt würden und, indem Frauen sich gemäß den Erwartungen diskriminierender Arbeitnehmer verhalten, diskriminierendes Verhalten der Arbeitgeber weiter begründet und verstärkt würde. Die Konsequenzen dieser arbeitsmarkttheoretischen Überlegungen zur Entwicklung von Produktivität und Entlohnung im Karriereverlauf von Frauen werden in Abbildung 2.1 zusammenfassend dargestellt. Dabei wird der Erwerbsverlauf nach der Geburt eines Kindes anhand der Entwicklung des Stundenlohns (im Sinne eines allgemeinen Maßes der Arbeitsplatzqualität) für unterschiedliche Szenarien beschrieben. Wenn wir annehmen, dass eine Frau zu einem bestimmten Zeitpunkt T+0 (im Alter von 25 Jahren in der Abbildung) ein Kind bekommt, dann wäre vorstellbar, dass sie ihre Karriere ohne weitere Erwerbsunterbrechung direkt nach der Geburt (bzw. den gesetzlichen Mutterschutzfristen) fortsetzt. In diesem Fall ergäbe sich der Lohnverlauf OAD, der die Lohnentwicklung einer
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
durchgängig erwerbstätigen Frau beschreibt und letztlich genauso für eine kin-
Stundenlohn
Abbildung 2.1: Idealtypische Karriereverläufe nach Mutterschaft und Erwerbsunterbrechung Geburt T+0
weiterer Karriereverlauf T+10
Erwerbsunterbrechung T+5
D A
E F
O B
G H
C
20
25
30
35
40
45 Alter
Quelle: in Anlehnung an Mincer und Ofek (1982) und Mertens et al. (1995)
derlose Frau zu erwarten wäre. Gemäß den Annahmen der Humankapitaltheorie wird in dem Maße, wie im Karriereverlauf die individuelle Produktivität durch Akkumulation beruflichen Wissens und zunehmender Erfahrung ansteigt, auch der im Arbeitsmarkt erzielbare Lohn ansteigen. Mit zunehmendem Alter schwächt sich allerdings der Neuerwerb von Humankapital ab, so dass sich auch der Verlauf der Lohnkurve in späteren Erwerbsphasen entsprechend abflacht. Dieses traditionelle männliche Verlaufsmuster bildet den Vergleichsmaßstab für die folgenden Szenarien, in welchen auf die Geburt zum Zeitpunkt T+0 eine Erwerbsunterbrechung bis zu einem späteren Zeitpunkt T+5 und der anschließende Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt folgt. Im einfachsten Fall würde sich dabei der Lohnverlauf OBE ergeben, wenn mit Ausnahme der im Beispiel fünf jährigen Unterbrechungsphase kein weiterer Karrierenachteil für Mütter entsteht. In diesem Fall findet keine dauerhafte Entwertung des vor der Geburt erworbenen allgemeinen sowie firmenspezifischen Humankapitals von Frauen statt, so dass Mütter nach einer kindbedingten Erwerbsunterbrechung wieder nachteilsfrei an ihren vorherigen Karrierepfad anknüpfen können. Der zum Zeitpunkt des Wiedereinstiegs T+5 erzielte Lohn B entspräche dann exakt dem Lohn O, der vor der Erwerbsunterbrechung erzielt wurde. Desweiteren ist hier angenommen, dass die Geburt eines Kindes sowie
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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eine darauf folgende Erwerbsunterbrechung auch keinen längerfristigen Karrierenachteil darstellen, also der Karriereverlauf ab Punkt B exakt so verläuft, als hätte im Zeitpunkt T+0 überhaupt keine Unterbrechung stattgefunden. Der Lohnverlauf OBE ist also gegenüber OAD allein deshalb verschoben, weil Mütter während einer Erwerbsunterbrechung kein zusätzliches Humankapital erwerben, und sich deshalb ihre Karriereentwicklung im Vergleich zu Frauen in ununterbrochener Beschäftigung verzögert. Im weiteren Karriereverlauf nähert sich die Lohnkurve OBE langfristig allerdings wieder an den Idealverlauf OAD an, da sich der Humankapitalerwerb im weiteren Lebensverlauf annahmegemäß generell abschwächt. Alternativ dazu wird in den folgenden Szenarien der Fall betrachtet, dass während der fünfjährigen Erwerbsunterbrechung nach der Geburt eines Kindes nicht nur kein neues Humankapital gebildet wird sondern bereits vorhandenes Wissen veraltet, so dass die Produktivität von Müttern durch eine Erwerbsunterbrechung abnimmt, etwa weil die Unterbrechung die Wahrscheinlichkeit eines Arbeitgeberwechsels erhöht, so dass firmenspezifisches Wissen verloren geht. Der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erfolgt dementsprechend nicht mehr zum Lohn B, sondern zu einem niedrigeren Lohnsatz C. In diesem Fall können in Abhängigkeit von der weiteren Karriereentwicklung drei Szenarien unterschieden werden.2 Wenn die Geburt eines Kindes und die anschließende Erwerbsunterbrechung weiterhin kein Karrierehemmnis darstellen, ergibt sich der Lohnverlauf OCG. In diesem Fall ist der Lohnverlauf gegenüber OAD und OBE erneut verschoben, da sich im Moment des Wiedereinstiegs höhere Kosten in Form eines Lohnverlustes im Vergleich zur Beschäftigung vor der Geburt des Kindes ergeben. Im weiteren Karriereverlauf gelingt es den Müttern im Verlauf OCG aber in gleichem Maße neues Humankapital zu erwerben wie durchgängig erwerbstätigen Frauen, so dass ihre Lohnentwicklung entsprechend positiv verläuft. Können Müttern nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung dagegen nicht wieder an ihren alten Karrierepfad anknüpfen, verläuft ihr Lohnprofil tendenziell wie in Kurve OCH abgebildet. Dieses vergleichsweise flache Karriereprofil ergibt sich, wenn Mütter nach einer Erwerbsunterbrechung in geringerem Umfang neues Humankapital bilden, beispielsweise weil sie entweder aufgrund der familiären Doppelbelastung am Arbeitsplatz weniger engagiert sein können oder weil der Arbeitgeber die Mutterschaft oder die Erwerbsunterbrechung als Signal einer geringeren Karriereorientierung ansieht, und Frauen deshalb nach einer kindbedingten Karriereunterbrechung weniger oft zur Weiterqua2 Die unterschiedlichen Szenarien der Karriereentwicklung sind natürlich auch im Anschluss an den Lohnverlauf OB denkbar. Zur Vereinfachung der Darstellung wird die Veränderung der Karriereentwicklung nach Mutterschaft hier allerdings nur für die Lohnentwicklung OC idealtypisch illustriert.
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
lifikation oder Beförderung vorsieht. Die Karriereentwicklung wird sich beispielsweise aber auch verlangsamen, wenn Frauen nach einer Unterbrechungsphase auf weniger vorteilhafte Karrierepfade wechseln, etwa weil sie zur besseren Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Beruf auf mütterfreundlichere Arbeitsplätze wechseln, die insgesamt geringere Weiterqualifikations- oder Aufstiegsmöglichkeiten bieten, und so letztlich mit einem langsameren Lohnwachstum einhergehen. Im letzten Fall wäre schließlich denkbar, dass es nach der Erwerbsunterbrechung zu einem sprunghaft beschleunigten Humankapitalanstieg kommt, so dass der vorteilhaftere Lohnverlauf OCF beobachtet würde. Dieser Effekt wird in der Arbeitsmarkttheorie als earnings rebound-Effekt beschrieben. Dabei wird erwartet, dass nach der Rückkehr auf den Arbeitsmarkt die Lohnkurve schneller ansteigt als gewöhnlich, da entweder Humankapital, das während der Unterbrechungszeit ungenutzt geblieben ist, nach der Unterbrechung vergleichsweise schnell wieder aktiviert werden kann, oder da Arbeitnehmerinnen sich insgesamt stärker beruflich engagieren, um die durch die Unterbrechungszeit entstandenen Lohnverluste wieder wettzumachen.
Stand der empirischen Forschung Viele empirische Studien haben sich mit den Auswirkungen von Geburten und einer anschließenden Erwerbsunterbrechung auf die Karriereentwicklung von Frauen befasst, und trotz unterschiedlicher methodischer Ansätze und in verschiedenen Ländern eine negative Karrierewirkung der Mutterschaft für Frauen ermittelt. Dabei verschärft sich insgesamt die Kluft in der Karriereentwicklung von Männern und Frauen mit der Geburt eines Kindes (Trappe und Rosenfeld 2001; Waldfogel 1998a). Während sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen vor der Familienphase inzwischen weitgehend der von Männern angeglichen hat, fällt diese im weiteren Lebensverlauf der Frauen deutlich ab. So zeigt eine Studie von Trappe und Rosenfeld (2001), dass sich der Erwerbsstatus von Frauen in Deutschland vor der Geburt eines Kindes nicht von dem von Männern unterscheidet. Männer und Frauen verbringen ähnlich viel Zeit in Aus- und Weiterbildung, in Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung und in Erwerbsunterbrechungen. Mit der Geburt des ersten Kindes fällt das Erwerbsverhalten von Männern und Frauen dagegen auseinander. Trappe und Rosenfeld (2001) zeigen, dass Mütter mit mehr als einem Kind nur noch halb soviel Zeit auf dem Arbeitsmarkt verbringen und vier bis fünf mal länger ihre Karriere unterbrechen wie Väter. Eine weitere Studie von Blossfeld (1997) zeigt, dass die Geburt eines Kindes die
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Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsunterbrechung für Frauen um 40 Prozent erhöht. Gleichzeitig beeinflusst die Geburt von Kindern das Erwerbseinkommen, und zwar sowohl von Männern als auch von Frauen. Während sich das Einkommen von Vätern leicht erhöht, verringert sich das Einkommen der Mütter zum selben Zeitpunkt, und zwar um den zweifachen Betrag des Einkommensanstiegs der Väter (Trappe und Rosenfeld 2001). Dabei zeigt sich, dass diese Einkommensverluste nur wenig damit zusammen hängen, dass Frauen nach einer Geburt auf statusniedrigere und damit schlechter bezahlte Arbeitsplätze wechseln. Wenngleich verschiedene amerikanische und britische Studien eine starke Abwärtsmobilität von Müttern nach einer familienbedingten Erwerbsunterbrechung ermitteln (Jacobs 1997; Perry 1988; Dex 1987), findet sich dieser Effekt in Studien für Deutschland in der Regel nicht. So zeigt beispielsweise Dex (1987) mit britischen Daten eine verstärkte berufliche Abwärtsmobilität von Müttern nach kindbedingten Erwerbsunterbrechungen. Nach dieser Studie erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Statusabstiegs mit der Dauer der Unterbrechung, bei Wechsel in Teilzeitstellen, sowie unter geringqualifizierten Frauen. Im Gegensatz dazu zeigen deutsche Studien, dass die berufliche Mobilität in Deutschland generell eher gering ist. Dementsprechend zeigt sich auch nach einer Karriereunterbrechung aufgrund der Geburt eines Kindes zwar eine verstärkte berufliche Mobilität der Mütter bei der Rückkehr in das Erwerbsleben, diese ist aber kaum mit einem Statusverlust, etwa aufgrund eines verstärkten Wechsels auf mütterfreundliche Arbeitsplätze verbunden (Fitzenberger und Kunze 2005; Trappe und Rosenfeld 2004). In weit größerem Ausmaß ist der Einkommensverlust von Müttern in der Bundesrepublik dagegen auf einen verstärkten Wechsel auf Teilzeitarbeitsplätze zurückzuführen (Trappe und Rosenfeld 2001; Blossfeld 1995). Darüber hinaus beeinflusst das Unterbrechungsverhalten von Frauen auch ihre weitere Lohnentwicklung. So finden Mincer et al. (Mincer und Polachek 1974; Mincer und Ofek 1982) bereits in frühen Studien einen negativen Einfluss von Erwerbsunterbrechungen für Frauen, da während der Erwerbsunterbrechung Humankapital entwertet wird, und Frauen deshalb umso höhere Lohnverluste hinnehmen müssen, je länger die Unterbrechung angedauert hat. Dabei kommen Mincer et al. (1974; 1982) allerdings auch zu dem Ergebnis, dass sich das entwertete Humankapital nach einer Unterbrechung zumindest teilweise wiederherstellen lässt, so dass der kurzfristige Effekt einer Erwerbsunterbrechung weit größer als die langfristige Wirkung ist (siehe auch Spivey 2005; Stafford und Sundström 1996; Anderson et al. 2003; Corcoran et al. 1983). Im Einklang mit der Humankapitaltheorie steht ebenfalls, dass die Humankapitalentwertung wäh-
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rend einer Unterbrechung und damit die Opportunitätskosten der familienbedingten Erwerbsunterbrechung für hochqualifizierte Frauen besonders hoch sind. Dieser negative Zusammenhang zwischen der Geburt von Kindern, der Länge der anschließenden Karriereunterbrechung und der Lohnentwicklung von Frauen hat sich über die Zeit kaum verändert (Joshi et al. 1999; Avellar und Smock 2003). So finden auch neuere Studien wie beispielsweise die amerikanische Studie von Waldfogel (1997a) selbst unter Kontrolle der geringeren Berufserfahrung von Müttern einen Lohnverlust von durchschnittlich 5 Prozent für das erste Kind, und 13 Prozent für das zweite bzw. jedes weitere Kind. Im Gegensatz zu den Ergebnissen von Mincer et al. (1974; 1982) zeigt sich allerdings, dass der Lohnverlust kumulativ ist und sich daher im weiteren Karriereverlauf erhöht. Während Mütter mit einem Kind nach den Ergebnissen von Waldfogel (1997a) nach ein bis zwei Jahren unter der Kontrolle von Kovariaten einen Lohnverlust von ungefähr 2 Prozent hinzunehmen hatten, ist dieser fünf bis neun Jahre nach der Geburt auf über 6 Prozent angestiegen. Bei einem weiteren Kind ist die Lohnlücke in diesem Zeitraum sogar bereits auf 11 Prozent angestiegen. Hinzu kommt, dass diese Lohnverluste auch unter der Kontrolle ungemessener individueller Unterschiede wie etwa der individuellen Karriereorientierung und Motivation von Frauen mit beziehungsweise ohne Kind bestehen bleiben (siehe auch Avellar und Smock 2003; Millimet 2000). Und auch der verstärkte Wechsel auf Teilzeitarbeitsplätze nach einer Geburt erklärt nur ungefähr zehn Prozent der gefundenen Lohnlücke. Eine weitere amerikanische Studie von Budig und England (2001) bestätigt diese Ergebnisse und ermittelt für jüngere Geburtskohorten eine sieben prozentige Lohnreduktion für jedes Kind. Unter Kontrolle von Unterschieden im Humankapital wie etwa die geringere Berufserfahrung und vermehrte Teilzeittätigkeit von Müttern reduziert sich der Lohnverlust auf 4,7 Prozent. Jedoch bleibt auch unter Kontrolle weiterer Arbeitsplatz- und Berufsmerkmalen eine unerklärte Lohnlücke von 3,7 Prozent pro Kind bestehen (siehe auch Corcoran et al. 1983). Da die Studie ebenso wie auch Waldfogel (1997a) Fixed-EffectsRegressionsmodelle verwendet, können die verbleibenden Lohnverluste zudem nicht auf unbeobachtete Einstellungs- oder Verhaltensunterschiede zwischen Mütter und Frauen ohne Kind zurückgeführt werden. Und während die Analysen von Budig und England (2001) einen stärkeren Verlust für Frauen in Vollzeittätigkeiten zeigen, ergibt sich ebenfalls im Gegensatz zu den frühen Analysen Mincers et al. (1974; 1982) kein Hinweis auf eine verstärkte Humankapitalentwertung höher qualifizierter Frauen (siehe auch Taniguchi 1999; Anderson et al. 2003). Ellwood et al. (2004) finden in ihrer Studie allerdings stärkere Lohnverluste nach einer Geburt für hochqualifizierte Frauen. Während sich die Lohnverläufe für geringer qualifizierte Frauen nach einer Ge-
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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burt kaum verändern, und der Lohnverlust von Müttern über die Zeit konstant bei etwa 7 Prozent liegt, hat sich der Lohn hochqualifizierter Frauen in den ersten vier Jahren nach einer Geburt um 8 Prozent verringert, fünf bis neun Jahre danach allerdings schon um 17 Prozent und liegt zehn Jahre nach einer Geburt um 21 Prozent niedriger als bei vergleichbaren Frauen ohne Kinder. Dabei zeigt die Studie auch, dass der Zeitpunkt der Geburt vor allem für hochgebildete Frauen entscheidend ist, die durch eine Verzögerung der Familiengründung Karrierenachteile minimieren können. Nach den Ergebnissen von Ellwood et al. (2004) reduziert sich der Lohnverlust für hochqualifizierte Frauen bei einem Geburtsalter über 28 Jahren um durchschnittlich ungefähr 7 Prozentpunkte (siehe dazu auch Taniguchi 1999; Light und Ureta 1995; Millimet 2000). Ähnlich wie in den Studien von Waldfogel (1997b) sowie Budig und England (2001) finden Ellwood et al. (2004) keinen Hinweis darauf, dass Frauen mit Kind verstärkt in schlechter bezahlte, aber mütterfreundliche Jobs wechseln. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass die Lohnverluste bei den Frauen besonders gering sind, die ihre Erwerbskarriere nur sehr kurz unterbrechen und nach der Erwerbsunterbrechung zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren können. Doch auch in einem Modell, das für Arbeitsplatz- und Berufsmerkmale kontrolliert, bleibt ein unerklärter Lohnverlust in Höhe von 4-14 Prozent über einen Zeitraum von ein bis zehn Jahre nach einer Geburt sichtbar. Auch für die Bundesrepublik ist ein Einfluss von familienbedingten Erwerbsunterbrechungen auf den Lohnverlauf von Frauen feststellbar, allerdings hängt der Effekt stark von der Dauer der Erwerbsunterbrechung ab. In einer Studie von Ziefle (2004) zeigen sich relativ geringe Lohnverluste bei Frauen, die nach der Geburt eines Kindes sofort wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren: Mütter mittleren Qualifikationsniveaus verlieren in diesem Fall pro Kind etwa 1,6 Prozent ihres Lohns gegenüber vergleichbaren kinderlosen Frauen, dabei liegt der entsprechende Lohnverlust unter hochqualifizierten Frauen mit 1,9 Prozent Lohnverlust pro Kind nur leicht höher. Bei einer zusätzlichen zweijährigen Erwerbsunterbrechung nach der Geburt eines Kindes beträgt der Lohnnachteil von Müttern unmittelbar bei Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt für Frauen mittleren Qualifikationsniveaus allerdings bereits 10 Prozent und für hochqualifizierte Frauen immerhin 7 Prozent im Vergleich zu kinderlosen Frauen mit vergleichbaren Berufskarrieren vor der Geburt. Diese Lohneinbußen können im weiteren Karriereverlauf allerdings zumindest teilweise wieder ausgeglichen werden (siehe auch Kunze und Ejrnaes 2004). Insgesamt erzielen Mütter jedoch auch im weiteren Lebensverlauf dass Lohnniveau einer kinderlosen Frau nicht mehr, sondern bleiben auch im deutschen Arbeitsmarkt dauerhaft hinter deren Karriereentwicklung zurück.
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
Familienpolitik und Karriereverläufe nach Mutterschaft Wenn sich die Karrierenachteile von Müttern aus der Notwendigkeit von Arbeitsplatzwechseln nach der Geburt eines Kindes ergeben, besteht die Möglichkeit, dass die Einführung eines gesetzlichen Erziehungsurlaubsanspruchs, der Frauen das Recht auf eine bestimmte Unterbrechungszeit einräumt, innerhalb derer die Rückkehr auf den Arbeitsplatz sichergestellt ist, die Karriereverläufe von Müttern beeinflusst. Einerseits kann eine solche gesetzlich festgelegte Erziehungszeit einen positiven Einfluss auf die Karriereverläufe von Frauen haben, indem sie zwar kindbedingte Unterbrechungszeiten ermöglicht, gleichzeitig aber deren Höchstdauer festlegt und so kontinuierlichere Erwerbsverläufe von Müttern bewirkt, da Frauen, die ansonsten mit der Geburt eines Kindes den Arbeitsmarkt verlassen hätten, durch einen Anspruch auf Erziehungsurlaub häufiger erwerbstätig bleiben (Ruhm 1998). Die Rückkehrgarantie auf den bisherigen Arbeitsplatz ermöglicht Frauen zudem, einen Arbeitsplatz zu behalten, der ihren Qualifikationen entspricht, und verhindert den Verlust firmenspezifischen Humankapitals, der bei einem Arbeitgeberwechsel entstehen würde. Diese positiven Effekte können sich allerdings auch in negative Karrierewirkungen verkehren, wenn Frauen durch den gesetzlichen Erziehungsurlaub dazu verleitet werden, besonders lange nicht erwerbstätig zu bleiben (Klerman und Leibowitz 1997). Dieser Effekt wäre insbesondere dann zu erwarten, wenn Erziehungszeiten durch großzügige Lohnersatzleistungen begleitet werden, welche die finanziellen Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung minimieren. Dadurch würde einerseits besonders lange kein neues Humankapital gebildet werden und andererseits mit anwachsender Dauer der Erwerbsunterbrechung auch die Gefahr einer Humankapitalentwertung steigen. Zusätzlich kann besonders ein langer gesetzlicher Erziehungsurlaubsanspruch statistische Diskriminierung seitens der Arbeitgeber verstärken (Mandel und Semyonov 2005, 2006). Vor allem amerikanische Studien haben sich bisher mit den empirischen Wirkungen eines gesetzlichen Anspruchs auf Erziehungsurlaub befasst. Im Gegensatz etwa zu den Regelungen in der Bundesrepublik gibt es in den USA allerdings keinen universellen Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub, sondern lediglich einen Erziehungsurlaubsanspruch für bestimmte Gruppen von Frauen. Zwar existiert seit 1993 mit Inkrafttreten des FMLA (Family and Medical Leave Act) erstmals ein Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub auf der Bundesebene, allerdings ist dieser Rechtsanspruch nur auf ungefähr 50-60 Prozent der erwerbstätigen Frauen beschränkt, die bei größeren Betreiben mit mehr als 50 Beschäftigten beschäftigt sind. Außerdem ist der Erziehungsurlaub nach dem FMLA generell unbezahlt und auch lediglich auf einen sehr kurzen Zeitraum von 12 Wochen
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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beschränkt. Für die empirische Sozialforschung hat der konditionale Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub allerdings den Vorteil, dass durch den Vergleich der Erwerbsverläufe von Frauen, die bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der einen Anspruch auf Erziehungsurlaub anbieten muss, mit den Erwerbsverläufen von Frauen, deren Arbeitgeber keinen Erziehungsurlaub ermöglicht, eine Wirkungsanalyse des Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub durchführbar ist. Dementsprechend findet bereits eine sehr frühe amerikanische Studie von Dalto (1989), die auf Querschnittsdaten aus dem Jahr 1977 basiert, positive Effekte des Anspruchs auf Erziehungsurlaub auf die weitere Karriereentwicklung von Frauen. So zeigen seine Ergebnisse, dass die Anspruchsberechtigung die Bindung an einen Arbeitgeber erhöht, und Frauen, die einen Anspruch auf Erziehungsurlaub hatten, durchschnittlich eine um drei Jahre längere Betriebszugehörigkeitsdauer aufweisen. Gleichzeitig verkürzt sich durch den Anspruch auf Erziehungsurlaub die Unterbrechungsdauer von Müttern um zwei Drittel und ihr Einkommensverlauf ist insgesamt deutlich positiver. Auch neuere Studien wie beispielsweise von Hashimoto et al. (2004) zeigen positive Effekte des Erziehungsurlaubs. So ist die Erwerbsbeteiligung von Müttern im Jahr nach der Geburt in Firmen, die einen Erziehungsurlaub anbieten um 10 Prozentpunkte höher. Ebenso ist die Bindung von Müttern an den Arbeitgeber stärker, so dass ihre Betriebszugehörigkeitsdauer um 40 Prozent höher liegt als bei Arbeitgebern ohne Erziehungsurlaub. Zusätzlich ermitteln Hashimoto et al. einen positiven Lohneffekt des Anspruchs auf Erziehungsurlab in einer Höhe von 5-10 Prozent in den ersten drei Jahren nach einer Geburt. Allerdings zeigt sich in dieser Studie auch, dass sich die positiven Effekte des Erziehungsurlaubsanspruchs nur in den ersten Jahren nach der Geburt zeigen. Im weiteren Karriereverlauf nahmen die Effekte des Erziehungsurlaubs ab und sind teilweise auch nicht mehr signifikant nachweisbar. In mehreren Analysen bekräftigt Waldfogel (1997b, 1998b; 1999), dass ein Anspruch auf Erziehungsurlaub nach einer Geburt die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr von Müttern zu ihrem früheren Arbeitgeber erhöht. So zeigt Waldfogel (1999) beispielsweise, dass sich die Rückkehrwahrscheinlichkeit von Frauen durch einem Anspruch auf Erziehungsurlaub in Großbritannien um 16 Prozentpunkte erhöht und in den USA sogar um 23 Prozentpunkte höher liegt als unter vergleichbaren Frauen ohne Anspruch auf Erziehungsurlaub. In weiteren Analysen bestätigt sich zudem, dass ein Anspruch auf Erziehungsurlaub positive Lohneffekte für amerikanische und britische Frauen hat (Waldfogel 1997b, 1998b). Dieser positive Lohneffekt ergibt sich allerdings nur dann, wenn die Frauen nach ihrer Unterbrechung auch tatsächlich wieder zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren können. In diesem Fall erhöht sich der Lohn amerikanischer Frauen um 4,5 Prozent und für britische Mütter um 7 Prozent. Dabei
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gleicht dieser positive Lohneffekt den negativen Effekt der Geburt eines Kindes in den beiden Ländern jeweils fast aus, so dass nach Waldfogels Ergebnissen bei einer Rückkehr zum früheren Arbeitgeber eine negative Karrierewirkung von Kindern weitgehend vermieden werden kann. Ergebnisse einer weiteren amerikanischen Studie von Baum (2002b) schränken diese Schlussfolgerung über die positive Wirkung der Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber allerdings teilweise wieder ein. Zwar zeigt sich auch in dieser Studie, dass die Rückkehr zum früheren Arbeitgeber einen positiven Lohneffekt, hat und dass der negative Lohneffekt einer einjährigen kindbedingten Erwerbsunterbrechung von 3 Prozent nach der Kontrolle des Arbeitgeberwechsels um ein Drittel auf nur noch 2 Prozent reduziert werden kann. Allerdings gilt dieser positive Arbeitgebereffekt nur im ersten Jahr nach einer Erwerbsunterbrechung, während die Daten im zweiten und dritten Jahr keinen signifikanten Effekt der Rückkehr zur selben Firma für die Löhne der Mütter mehr zeigen. Im Unterschied zu den vorangegangenen Studien weisen Ergebnisse von Ruhm (1998) sowie Ruhm und Teague (1997) zudem darauf hin, dass sich bei langen Anspruchsphasen die positiven Wirkungen des Erziehungsurlaubs auch in ihr Gegenteil verkehren können und sogar zu Lohneinbußen für Frauen führen können. Auf Basis von Aggregatdaten aus neun europäischen Ländern findet Ruhm (1998), dass eine kurze Dauer des Erziehungsurlaubs von zwei bis drei Monaten fast keine Auswirkung auf die Löhne von Frauen hat. Nach Einführung gesetzlicher Rechtsansprüche auf Erziehungsurlaub von neun bis zehn Monaten Dauer ermittelt Ruhm (1998) allerdings Lohnverluste in Höhe von 3-4 Prozent, so dass bei längerer Anspruchsdauer der durch den Erziehungsurlaub bewirkte Humankapitalerhalt die negativen Auswirkungen der zunehmenden Humankapitalentwertung offenbar nicht ausgleichen kann. Zur Auswirkung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs auf den Karriereverlauf von Frauen in Deutschland gibt es bislang dagegen kaum empirische Studien. Beblo und Wolf (2003) zeigen in ihrer Analyse der Auswirkung von Erwerbsunterbrechungen beispielsweise, dass verschiedene Arten von Erwerbsunterbrechungen unterschiedliche Auswirkungen auf den Lohnverlauf von Frauen haben. So verringert eine einjährige Arbeitslosigkeitsphase ebenso wie ein Jahr im Erziehungsurlaub den Lohn von Frauen um durchschnittlich fünf Prozent, jegliche sonstige Erwerbsunterbrechung führt nach ihren Ergebnissen sogar zu Lohnverlusten von 7-10 Prozent pro Jahr der Unterbrechung. Im Gegensatz zu einer Arbeitslosigkeitsphase jedoch, die nach fünf Jahren keinen nachweisbaren Einfluss auf den Lohnverlauf mehr hat, ist die Lohnwirkung sowohl des Erziehungsurlaubs als auch jeder sonstigen Unterbrechung dauerhaft negativ.
2.2 Erwerbsverläufe, Humankapitalentwicklung und Familienpolitik
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In einer weiteren deutschen Studie untersuchen Ondrich et al. (2003) die möglichen Auswirkungen der Ausweitung des Erziehungsurlaubs in den 1980er und 1990er Jahren auf die Lohnentwicklung von Frauen. Dabei unterscheiden sie kindbedingte Erwerbsunterbrechungen in zwei Zeitfenstern, einmal zwischen 1984 und 1989, als der Erziehungsurlaub zwischen sechs und 12 Monaten betrug, und zum zweiten zwischen 1989 und 1994, als der Anspruch auf 15 bis 36 Monate verlängert worden war. In der Analyse zeigt sich, dass die Ausweitung des Erziehungsurlaubsanspruchs zu einer Verlängerung der Erwerbsunterbrechung nach einer Geburt geführt hat. Unabhängig von der Gesamtdauer des gesetzlichen Anspruchs verringert jeder Monat im Erziehungsurlaub den späteren Lohnzuwachs der Frauen um 1,5 Prozent, ohne dass sich dabei ein Effekt der Ausweitung des Anspruchs auf Erziehungsurlaub feststellen ließe. Ausgehend von den oben dargestellten theoretischen Überlegungen und aufbauend auf den hier vorgestellten empirischen Studien lassen sich schließlich verschiedene Hypothesen für den Einfluss der Einführung eines Rechtsanspruchs auf Erziehungszeit auf den Erwerbsverlauf von Müttern ableiten. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit sich durch die Einführung bzw. die Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub der Zusammenhang zwischen einer Mutterschaft und dem Karriereverlauf von Frauen abschwächt, wenn es durch den Erziehungsurlaub gelingt, die negativen Konsequenzen einer kindbedingten Erwerbsunterbrechung abzumildern: 1.
2.
Der Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub, und insbesondere der darin enthaltene Bestandsschutz des bisherigen Beschäftigungsverhältnisses, sollte eine positive Auswirkung auf die Karriereentwicklung von Frauen haben. Durch die Rückkehroption auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz beim bisherigen Arbeitgeber wird ein Arbeitgeberwechsel vermieden, wodurch berufs- und firmenspezifisches Humankapital von Müttern erhalten wird, das nach der Erwerbsunterbrechung wieder aktiviert werden kann. Ebenso wird gleichzeitig die Gefahr einer beruflichen Abwärtsmobilität aufgrund des Wechsels in mütterfreundliche Arbeitsfelder verringert. Allerdings kann auch ein Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub nicht verhindern, dass während der Unterbrechungsphase kein neues Humankapital gebildet wird und vorhandenes Wissen im Laufe der Unterbrechung zunehmend veraltet, so dass die negative Karrierewirkung von Erwerbsunterbrechungen mit ihrer Dauer zunimmt. Durch einen gesetzlichen Anspruch auf Erziehungsurlaub werden Karriereverläufe von Frauen dementsprechend sogar negativ beeinflusst, wenn der Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub zu einer Verlängerung der faktischen Unterbrechungsdauer von Müttern führt.
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3.
Ebenso sind keine positiven Wirkungen der Einführung beziehungsweise der Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs zu erwarten, wenn Frauen nach dem Erziehungsurlaub aus Mangel an adäquaten Kinderbetreuungsangeboten, die auch mit einer Vollzeittätigkeit vereinbar sind, auf Teilzeit- oder sonstige mütterfreundliche Arbeitsplätze wechseln. In diesem Fall ist die im Erziehungsurlaub angelegte Rückkehroption zum bisherigen Arbeitsplatz allein offensichtlich nicht ausreichend, um eine negative Wirkung der Familiengründung auf den Erwerbsverlauf von Müttern zu verhindern. Weniger eindeutig ist die Wirkung eines Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub dagegen für eine potenzielle statistische Diskriminierung von Arbeitgebern gegenüber Frauen und Müttern. Einerseits schafft eine gesetzlich festgelegte Familienphase eine gesellschaftliche Norm für kindbedingte Unterbrechungszeiten und erschwert dem Arbeitgeber die Unterscheidung in karriere- beziehungsweise familienorientierte Mütter. Vor allem dann, wenn die gesetzliche Regelung dazu führt, dass Frauen in der Regel mit Ablauf der gesetzlichen Frist auf den Arbeitsmarkt zurückkehren, würden die Erziehungsurlaubsregeln die Zuschreibung der Dauer einer kindbedingten Unterbrechungsphase auf die individuelle Familienorientierung von Müttern abschwächen. Andererseits kann ein diskriminierender Arbeitgeber die Dauer der gesetzlich geregelten Erziehungsurlaubszeit weiterhin als Signal der relativen Karriereorientierung von Frauen insgesamt verstehen. In diesem Fall wäre ein diskriminierendes Verhalten von Seiten des von Arbeitgebers umso eher zu erwarten, je großzügiger die gesetzliche Anspruchsdauer ist. Schließlich ist außerdem zu erwarten, dass sowohl die positiven als auch die negativen Karriereeffekte eines Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub mit dem Qualifikationsniveau der Frauen ansteigen. Einerseits wirkt sich ein Humankapitalverlust in hochqualifizierten Berufen besonders negativ aus, so dass erwartet werden kann, dass die Arbeitsplatzgarantie für gut ausgebildete Frauen besonders positive Auswirkungen hat. Andererseits haben längere Unterbrechungszeiten gerade in hochqualifizierten Berufsfeldern besonders negative Karrierewirkungen, so dass eine Verlängerung der Unterbrechungsdauer für die Karriereverläufe von hochqualifizierten Müttern besonders schädlich wäre. Verstärkt sich durch den gesetzlichen Erziehungsurlaub zusätzlich die Signalwirkung von Unterbrechungen und damit diskriminierendes Verhalten von Arbeitgebern, würde sich das ebenfalls für Frauen in hochqualifizierten Berufsfeldern, in denen eine starke Familienorientierung als karrierehinderlich gilt, verstärkt negativ auswirken.
4.
5.
2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität
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2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität Nach der ökonomischen Fertilitätstheorie folgt die Entscheidung für ein Kind ähnlichen Mustern wie die Entscheidung für jedes andere Konsumgut (vgl. im Folgenden Becker 1960, 1991; Hotz et al. 1997). Vor jeder Fertilitätsentscheidung stehen Paare demnach vor einer Kosten-Nutzenabwägung. Anders als bei anderen Marktgütern besteht die Besonderheit von eigenen Kindern jedoch darin, dass Paare sie unter Einsatz von Marktgütern, Dienstleistungen und dem Einsatz der eigenen Zeit quasi selbst erzeugen. Dabei unterscheiden sich Paare und Individuen darin, wie hoch für sie der jeweilige „Nutzen“ eines Kindes ist und wie schwer die anfallenden Kosten, vor allem die Opportunitätskosten der Verwendung der eigenen Zeit für die Familie und zur Kinderbetreuung, für sie ins Gewicht fallen. Der Nutzen eines Kindes hat sich dabei in allen westlichen Industrienationen im Verlauf des letzten Jahrhunderts von rein materiellem Nutzen in Form der einsetzbaren Arbeitskraft des Kindes im Familienunternehmen oder einer späteren Altersabsicherung stark auf immaterielle Werte in Form von Freude am Aufwachsen und der Erziehung eines eigenen Kindes verlagert (Kaufmann et al. 1997; Bundesministerium für Familie 2006a; Strohmeier et al. 2006). Die Präferenzen von Paaren für ein Kind lassen sich allerdings nur indirekt quantifizieren und messen, so dass sich die ökonomische Theorie der Familie vielmehr auf die Bedeutung quantitativ und objektiv messbarer Faktoren konzentriert, die zu direkten und indirekten Kosten der Familiengründung führen. Diese Kosten setzen sich dabei aus zwei wesentlichen Komponenten zusammen (Becker 1991): Direkte Kosten eines Kindes entstehen Eltern überwiegend in Form von Lebenshaltungs-, Bildungs- und außerfamiliärer Betreuungskosten und zwar so lange, bis das Kind das Erwachsenenalter erreicht hat. Die zweite, vorwiegend indirekte Kostenkomponente eines eigenen Kindes resultiert aus der eigenen Zeit der Eltern, die für Kinderbetreuung und –erziehung aufgebracht wird, und die deshalb gleichzeitig nicht für die Erwerbsarbeit verfügbar ist. Dabei geht die Theorie davon aus, dass die Opportunitätskosten der entsprechenden familienbedingten Zeitallokation vorrangig zu Lasten von Frauen und ihrer Erwerbsbeteiligung gehen, da Männer aus kulturellen oder ökonomischen Gründen nur wenig ihrer eigenen Zeit in die mit Kindern verbundene Arbeit investieren. Diese indirekten Kosten einer Familiengründung bestehen einerseits in einem unmittelbaren Einkommensverlust für Frauen, der durch eine Erwerbsunterbrechung oder eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit zugunsten der Betreuung von Kindern entsteht, und in möglichen langfristigen Karrierenachteilen andererseits, die nach dem Wiedereinstieg in den Beruf sichtbar werden. Da
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nach der Humankapitaltheorie der im Markt erzielbare Lohn eng mit dem Erwerb und dem Erhalt des individuellen Erwerbspotentials, also der formalen Bildung, aber auch berufs- oder firmenspezifischem Wissen der Arbeitnehmer zusammenhängt, entstehen Karrierenachteile aufgrund von Familienphasen im wesentlichen durch zwei Mechanismen (Becker 1985, 1993). Erstens wird während der Dauer einer Erwerbsunterbrechung kein neues Humankapital gebildet und zweitens wird bereits vorhandenes Wissen entwertet oder veraltet, so dass nach der Rückkehr aus einer Familienphase mit kurz- und langfristigen Lohnverlusten zu rechnen ist. Die klare traditionelle Geschlechterrollenverteilung, die gemäß den theoretischen Annahmen der ökonomischen Theorie der Familie vorausgesetzt wird, führt dazu, dass das Erwerbspotential von Frauen in Bezug auf die Fertilitätsentscheidung ausschließlich unter dem Blickwinkel der Opportunitätskosten einer Erwerbsunterbrechung und damit als Fertilitätshemmnis betrachtet wird. Bildungsstand, Einkommenspotential und Erwerbsposition des Mannes werden hingegen als Faktoren betrachtet, die den Kinderwunsch „bezahlbar“ machen und damit positiv beeinflussen (Hotz et al. 1997; Happel et al. 1984). Dabei beeinflusst das Einkommen des Mannes ausschließlich die direkten Kinderkosten und wirkt dabei als so genannter Einkommenseffekt, der zu einer steigenden Nachfrage nach eigenen Kindern führt. Währenddessen entfällt bei geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung das Erwerbseinkommen der Frau nach der Geburt von Kindern zugunsten des für die Hausarbeit und Kinderbetreuung anfallenden Zeitbedarfs. Dadurch ergeben sich mit steigendem Bildungsniveau und Erwerbspotential von Frauen höhere Opportunitätskosten von eigenen Kindern, die mit einem Rückgang der Geburtenneigung verbunden sind. Dementsprechend ermitteln zahlreiche empirische Studien einen negativen Einfluss von Bildung, Erwerbstätigkeit und Erwerbspotential von Frauen auf die Wahrscheinlichkeit der Geburt eines Kindes (Blossfeld und Rohwer 1995; Blossfeld und Huinink 1991; Wirth und Dümmler 2005; Joshi 2002; Budig 2003; Felmlee 1993). Dabei ergeben sich bei detaillierter Analyse zwei unterschiedliche Einflussrichtungen der Humankapitalressourcen von Frauen. So zeigt sich, dass diese zum einen eine aufschiebende Wirkung auf den Zeitpunkt der ersten Geburt innerhalb des Lebenslaufs haben können und zum anderen auch das Niveau der dauerhaften Kinderlosigkeit beeinflussen (Happel et al. 1984; Cigno 1991). Das steigende Bildungsniveau von Frauen geht gleichzeitig mit immer längeren Ausbildungszeiten und einem dadurch verursachten späteren Eintritt in das Erwachsenenleben und in die finanzielle Selbständigkeit junger Frauen einher (Blossfeld und Jaenichen 1990; Hoem 1986; Rindfuss et al. 1988; Blossfeld und Huinink 1991; Blossfeld und Rohwer 1995; Klein und Lauterbach 1994). Dabei
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erweisen sich Schul- und Ausbildungszeiten als biographische Phasen, die mit einer gleichzeitigen Elternschaft strukturell unvereinbar sind. Zeitliche und finanzielle Einschränkungen während der Ausbildung und die länger anhaltende Abhängigkeit vom Elternhaus werden in mehreren Studien als Ursache für die verzögerte Familiengründung von jungen Frauen genannt (Blossfeld und Jaenichen 1990; Hoem 1986; Rindfuss et al. 1988; Blossfeld und Huinink 1991; Blossfeld und Rohwer 1995; Klein und Lauterbach 1994). Dabei zeigt sich, dass die Geburtenrate unter Frauen, die sich in Ausbildung befinden, sehr gering ist und erst nach Abschluss der Ausbildungszeit sprunghaft ansteigt. Vor allem für Frauen, die sehr lange im Bildungssystem waren, wird dabei auch ein so genannter Nachholeffekt deutlich, der sich in einer erhöhten Fertilitätsneigung nach Beendigung der Ausbildung niederschlägt (Blossfeld und Huinink 1991). Abgesehen von der durch die längere Ausbildungsdauer verzögerten Familiengründung zeigt sich zudem, dass höhere Bildung auch über die Ausbildungszeit hinaus eine weiter aufschiebende Funktion für die Erstgeburt hat, so dass hochqualifizierte Frauen häufig dauerhaft kinderlos bleiben. So ermitteln eine Reihe von Studien in unterschiedlichen westlichen Industierländern ein mit steigendem Bildungsniveau höheres Erstgeburtalter von Frauen (Gustafsson und Wetzels 2000; Blossfeld und Rohwer 1995; Rindfuss et al. 1996; Joshi 2002; Kreyenfeld 2001). Ähnliche Effekte des Bildungsniveaus finden sich auch für die dauerhafte Kinderlosigkeit von Frauen (Konitzka und Kreyenfeld 2007). So zeigt unter anderem eine Studie für Westdeutschland, dass der Anteil kinderloser Frauen mit dem Bildungsgrad ansteigt, und dass Frauen mit einem Fachhochschul- oder Universitätsabschluss mit einem Anteil von etwa 40 Prozent unter allen Bildungsgruppen am häufigsten kinderlos bleiben (Wirth und Dümmler 2005). Weitergehende Analysen weisen nach, dass für diese geringe Geburtenneigung hochgebildeter Frauen vor allem ihr höheres Arbeitsmarktpotential, der Zugang zu vorteilhaften Arbeitsmarktpositionen und Karrierepfaden, sowie die insgesamt stärkere Karriereorientierung von Frauen mit einem hohen Bildungsabschluss verantwortlich sind (Rindfuss et al. 1996; Blossfeld und Huinink 1991). Neben dem gestiegenen Bildungsniveau von Frauen, ist auch die damit einhergehende verstärkte Arbeitsmarktpräsenz von Frauen in den Mittelpunkt zahlreicher Fertilitätsstudien gerückt. Dabei weisen Studien, die den Einfluss der Frauenerwerbstätigkeit auf Fertilitätsentscheidungen untersuchen, sowohl für die USA als auch in verschiedenen europäischen Ländern einhellig einen negativen Zusammenhang nach (Budig 2003; Felmlee 1993; Hoem und Hoem 1989; Cramer 1980; Bloemen und Kalwij 2001; Schröder 2006). So ermittelt Budig (2003) für die USA beispielsweise für erwerbstätige Frauen eine um 16 Prozent geringere Geburtenwahrscheinlichkeit als für nichterwerbstätige Frauen. Dieser Effekt
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
unterscheidet sich dabei zwischen vollzeit- und teilzeiterwerbstätigen Frauen nur geringfügig. Studien für Deutschland zeigen zudem, dass der Effekt der Erwerbstätigkeit auf die Geburtenneigung in der Bundesrepublik noch weit ausgeprägter ist. So ermittelt Schröder (2006) für Erstgeburten beispielsweise eine um 36 Prozent geringere Fertilitätsrate unter vollzeiterwerbstätigen, beziehungsweise um 40 Prozent geringere Fertilitätsrate unter teilzeiterwerbstätigen Frauen zu ansonsten vergleichbaren, aber nicht erwerbstätige Frauen. Eine weitere deutsche Studie, die den Übergang zur zweiten Geburt untersucht, zeigt, dass Hausfrauen eine um 77 Prozent und Frauen, die sich im Erziehungsurlaub befinden, eine um 49 Prozent höhere Fertilitätsneigung aufweisen als Vollzeit erwerbstätige Frauen (Dornseiff und Sackmann 2003). Empirisch erweisen sich Arbeitsplatz- und Karrieremerkmale wie etwa die berufliche Stellung, die Berufserfahrung und die Entlohnung als entscheidende Determinanten für die geringere Fertilitätsneigung von erwerbstätigen Frauen. Sowohl in Studien für die Bundesrepublik als auch für die USA zeigt sich, dass die Geburtenneigung unter Frauen in statusniedrigeren beruflichen Positionen deutlich höher ist, als unter Frauen in statushohen Positionen (Felmlee 1993; Kohlmann und Kopp 1997). Vergleichbare Ergebnisse zeigen sich auch in Bezug auf das Erwerbseinkommen von Frauen, da höhere Stundenlöhne die Geburtenneigung signifikant verringern (z.B. Di Tommaso 1999). Zusätzlich zeigt sich, dass bessere Karriereaussichten und ein vorteilhafteres Einkommensprofil eine aufschiebende Wirkung auf Fertilitätsentscheidungen haben, so dass Frauen in entsprechenden Positionen später Kinder bekommen als Frauen mit niedrigerem Einkommen und weniger vorteilhaften Karriereaussichten (Felmlee 1993; Blackburn et al. 1993; Blossfeld und Huinink 1991; Caucutt et al. 2002). Damit bestätigen die verfügbaren empirischen Studien insgesamt im Wesentlichen die Annahme der neoklassischen Fertilitätstheorie wonach erwerbstätige Frauen versuchen, den Zeitpunkt einer Geburt so zu wählen, dass die absehbaren negativen Karrierefolgen so gering wie möglich gehalten werden können (Becker 1991; Happel et al. 1984). Dies führt insbesondere unter hochqualifizierten Frauen, die in anspruchsvollen Berufen tätig sind dazu, dass die Familiengründung erst stattfindet, wenn diese Frauen mehrere Karrierestufen erklommen und eine stabile Position erreicht haben, so dass Nachteile durch eine Geburt und eine anschließende Unterbrechungszeit so gering wie möglich ausfallen (Gustafsson 2001; Rindfuss et al. 1996). Diese Strategie setzt allerdings voraus, dass Kinder und Beruf überhaupt vereinbar sind. Ist dagegen absehbar, dass nach der Geburt eines Kindes entweder die Rückkehr auf die bisherige Arbeitsmarktposition oder generell der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nicht möglich ist, dann sind die Opportunitätskosten der Familiengründung für Frauen am geringsten, wenn sie sich entweder ganz auf die Familie konzentrieren und von vorneherein
2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität
57
wenig in ihr Erwerbspotential investieren, oder wenn sie sich andererseits ganz gegen eigene Kinder entscheiden und dauerhaft kinderlos bleiben.
Der Zusammenhang von Familienpolitik und Fertilitätsneigung In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, dass institutionelle Rahmenbedingungen ein entscheidender Einflussfaktor für Fertilitätsentscheidungen sein können. So finden neuere Studien von Brewster und Rindfuss (2000), von Ermisch (1989) sowie von Hoem und Hoem (1989), dass Erwerbstätigkeit, höhere Bildung und fortgeschrittene Karrierepositionen von Frauen nicht notwendigerweise einen negativen Einfluss auf Fertilitätsentscheidungen haben müssen. Stattdessen deuten diese Studien darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Fertilitätsverhalten und ökonomischem Potenzial von Frauen von der Persistenz traditioneller Geschlechterrollen einerseits und der Förderung der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und weiblicher Erwerbstätigkeit andererseits abhängen. Dabei können familienpolitische Rahmenbedingungen die Opportunitätskosten, die für Frauen mit der Geburt von Kindern verbunden sind, entscheidend verringern. Eine Familienpolitik, die beispielsweise die Vereinbarkeit von Kind und Beruf durch ein gut ausgebautes Ganztagsbetreuungsangebot schon für Kinder im Kleinkindalter unterstützt, verringert dabei auf direkte Weise Einkommensverluste, die sich für Frauen aus einer langen Erwerbsunterbrechungsphase zur Kinderbetreuung oder in Form daraus resultierender dauerhafte Karrierenachteile ergeben. Unter diesen Bedingungen spielt der Erwerbsstatus von Frauen ebenso wie der von Männern eine Rolle für das gemeinsame Haushaltseinkommen, kompensiert anfallende Kinderkosten und gleicht eine unsichere Arbeitsmarktposition des Partners aus (Oppenheimer 1994). So zeigt eine Studie für Schweden, wo Gleichstellungspolitik und Frauenerwerbstätigkeit traditionell stark etabliert sind, und Mutterschaft und weibliche Erwerbsbeteiligung keine Gegensätze sind, eine vergleichsweise höhere Geburtenwahrscheinlichkeit unter Frauen, die erwerbstätig sind und über ein hohes Einkommen verfügen. Um die Opportunitätskosten der Familiengründung auch für hochqualifizierte Frauen zu senken, setzt die schwedische Familienpolitik beispielsweise mit lohnbezogenen Transferleistungen während des Erziehungsurlaubs gezielt Anreize für die Erwerbstätigkeit von Frauen vor der Familiengründung. Außerdem ermöglicht eine umfassende Betreuungsinfrastruktur Frauen die rasche Rückkehr in die Erwerbstätigkeit. Wie stark die familienfreundlichen und karriereunterstützenden Rahmenbedingungen die Geburtenrate prägen, zeigt sich in einem Vergleich des fertilen Verhaltens von Frauen die in Schweden geboren und aufgewachsen sind mit Migrantinnen, die in Schweden leben,
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
aber im Ausland geboren und aufgewachsen sind (Andersson und Scott 2005). Dabei zeigt sich, dass sich das Geburtsverhalten in Schweden zwischen Frauen unterschiedlicher nationaler, kultureller oder ethnischer Herkunft nicht unterscheidet, sondern für alle Gruppen die Geburtenwahrscheinlichkeit mit der Erwerbstätigkeit und dem Einkommen in gleicher Weise steigt. Die Ergebnisse von Andersson und Scott (2005) ergeben sowohl für Schwedinnen als auch für Migrantinnen in gleicher Weise eine geringere Erstgeburtwahrscheinlichkeit unter Frauen, die nicht erwerbstätig sind. Darüber hinaus zeigt sich bei Frauen unabhängig von ihrer nationalen Herkunft ein positiver Effekt des Erwerbseinkommens der Frauen auf die Geburtenneigung. Die Autoren führen diese Effekte auf den starken Einfluss der politischen Rahmenbedingungen in Schweden zurück, wo durch ein breites öffentliches Kinderbetreuungsangebot sowie eine Erziehungsurlaubsfreistellung mit einer großzügigen Lohnersatzleistung der Konflikt zwischen Kind und Beruf entschärft wird. Vor allem letzteres setzt offenbar starke Anreize dafür, vor der Geburt eines Kindes erwerbstätig zu sein. Politische Rahmenbedingungen, die das Fertilitätsverhalten beeinflussen können, lassen sich generell zwei Gruppen zuordnen (Sleebos 2003; Gauthier und Hatzius 1997; Castles 2003). Dabei handelt es sich zum einen um Maßnahmen, die sich auf den Erhalt des Lebensstandards von Familien konzentrieren. Unter diese Kategorie fallen alle familien- und steuerpolitischen Transferzahlungen zugunsten von Familien und Kindern, wie beispielsweise Kindergeld, Erziehungsgeld, Kinderfreibeträge und zu einem gewissen Teil das steuerliche Ehegattensplitting. Als direkte oder indirekte Geldleistungen verringern solche Maßnahmen direkt die für Eltern anfallenden ökonomischen Kosten einer Familiengründung. Dementsprechend ist aus theoretischer Perspektive ein eindeutig positiver Einfluss dieser Regelungen auf die Geburtenrate zu erwarten. Im Gegensatz zu den direkten und indirekten Transferzahlungen an Familien konzentriert sich der zweite Typus politischer Maßnehmen dagegen auf die Senkung der ökonomischen Opportunitätskosten, die vor allem für Frauen im Zielkonflikt zwischen Familien- und Erwerbsarbeit entstehen, um dadurch Fertilitätsentscheidungen indirekt positiv zu beeinflussen. Ein gut ausgebautes öffentliches Kinderbetreuungssystem, das den flexiblen Zeitanforderungen erwerbstätiger Eltern entgegenkommt, die Kosten der außerfamiliären Betreuung subventioniert und gleichzeitig die Betreuungsqualität sichert, erleichtert es Frauen, ihre Rolle in Familie und Arbeitsmarkt zu kombinieren. Dadurch kann auch die Dauer kindbedingter Erwerbsunterbrechungen vergleichsweise gering gehalten und entsprechende Karrierenachteile minimiert werden. Darüber hinaus kann ein gesetzlicher Erziehungsurlaub die zeitweise Erwerbsunterbrechung von Müttern regulieren. Eine damit verbundene Rückkehroption auf den früheren Arbeitsplatz erleichtert Frauen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und verringert lang-
2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität
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fristige Karrierenachteile. Dabei ist zu erwarten, dass genau wie im Falle der öffentlichen Kinderbetreuung die Opportunitätskosten der Familiengründung gesenkt werden und damit die Geburtenneigung ansteigt. Der Einfluss, den solche politischen Maßnahmen auf Fertilitätsentscheidungen haben, ist Gegenstand verschiedener nationaler und ländervergleichender Untersuchungen. Studien, die sich auf die Wirkung familienpolitischer Transferzahlungen konzentrieren, finden in der Mehrzahl einen schwachen, aber positiven Effekt von monetären Anreizen auf die Geburtenrate (Georgellis und Wall 1992; Whittington et al. 1990; Whittington 1992). Dabei unterscheidet sich die Wirkung direkter Transferzahlungen wie etwa das Kindergeld nicht wesentlich von der Wirkung indirekter Subventionen in Form von Steuerfreibeträgen. So ermitteln mehrere Studien für Kanada und die USA einen leichten positiven Einfluss der Höhe von Steuerfreibeträgen für Familien mit Kindern auf die Fertilitätsrate (Georgellis und Wall 1992; Whittington et al. 1990; Whittington 1992). Whittington (1992) ermittelt in Bezug auf steuerliche Freibeträge beispielsweise für die USA eine Elastizität der Fertilitätsrate von 0,84, so dass bei einer Erhöhung des Freibetrags um 30$ je Familie die durchschnittliche Geburtenwahrscheinlichkeit um etwa acht Prozent ansteigen sollte. Dabei erweist sich dieser Effekt als unabhängig vom Bruttoeinkommen der Familien, so dass Familien mit höherem Haushaltseinkommen, die aufgrund des progressiven Steuersystems in größerem Maße von einer solchen Freibetragserhöhung profitieren würden, keine höhere Geburtenwahrscheinlichkeit aufweisen als Familien mit niedrigeren Steuerentlastungen. Für europäische Länder, in denen direkte Transferzahlungen wie beispielsweise Kindergeldleistungen stark verbreitet sind, weisen insbesondere Studien für Frankreich und Großbritannien positive Effekte nach. So findet eine französische Studie von Blanchet und Ekert-Jaffe (1994) einen Effekt familienbezogener Transferleistungen auf die Familiengröße, wobei sich die höheren Familiengeldleistungen in Frankreich im Vergleich zum Leistungsniveau in Großbritannien mit einem Effekt von zusätzlich 0,2 bis 0,3 Kindern pro Frau in der zusammengefassten Geburtenziffer niederschlagen. Cigno und Ermisch (1989) finden ebenfalls einen positiven Effekt von Kindergeldleistungen auf die Fertilitätsrate in Großbritannien, eine weitere Studie von Ermisch (1988) zeigt jedoch, dass höhere Transferleistungen sowohl in Form steuerlicher Kinderfreibeträge als auch über direkte Kindergeldleistungen zwar einen Einfluss auf eine frühere Erstgeburt haben, jedoch nicht notwendigerweise auch die endgültige Kinderzahl erhöhen. In einer Mikrosimulation zeigt Ermisch dabei, dass eine Erhöhung von solchen familienpolitischen Transferleistungen die Wahrscheinlichkeit von Drittund Viertgeburten sowie frühere Mutterschaften positiv beeinflusst. Dennoch
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
würde auch eine Verdoppelung dieser Familienleistungen die Familiengröße insgesamt nur sehr leicht erhöhen. Eine groß angelegte, international vergleichende Analyse auf der Basis von Aggregatdaten für 22 OECD-Länder bestätigt diese Effekte (Gauthier und Hatzius 1997). Auch in dieser Studie findet sich ein positiver, wenngleich wiederum nur schwacher Effekt von familienpolitischen Transferzahlungen auf die Fertilitätsrate. So würde nach den Ergebnissen von Gauthier und Hatzius (1997) ein Anstieg der Leistungen um 25 Prozent kurzfristig zu einer Erhöhung der Fertilitätsrate um 0,6 Prozent und langfristig um 0,4 Prozent führen. Im Endeffekt wäre damit nach einer entsprechenden Erhöhung der familienpolitischen Transferleistungen im Durchschnitt eine Zunahme der Geburtenziffern um zusätzlich ungefähr 0,07 Kinder pro Frau zu erwarten. Studien, die sich auf den Einfluss von Kinderbetreuungsmöglichkeiten auf das Geburtenverhalten konzentrieren, zeigen dagegen einen weniger eindeutigen, stark von länderspezifischen Kontextfaktoren abhängigen Effekt. Eine vergleichende Studie mit Aggregatdaten aus 21 OECD-Ländern, die den Einfluss kultureller Werte, ökonomischer Strukturen und der Sozialpolitik auf die Fertilitätsrate untersucht, zeigt, dass staatliche Ausgaben für öffentliche Kinderbetreuung die einzige politische Maßnahme darstellen, durch welche die Fertilitätsrate positiv beeinflusst werden kann (Castles 2003). Dieser Zusammenhang ist dabei besonders stark für die öffentliche Förderung der Betreuung von Kindern unter drei Jahren ausgeprägt. Dahingegen zeigen die Dauer sowie die Lohnersatzraten von Mutterschafts- und Erziehungsurlaub, Sozialausgaben für Familien wie das Kindergeld und Steuerfreibeträge sowie eine Arbeitsmarktpolitik, die flexible Arbeitszeiten und Teilzeitarbeit fördert, in der Studie von Castles keinerlei Einfluss auf die Fertilitätsraten der untersuchten Länder. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch verschiedene amerikanische Studien. Während eine frühe Studie von Lehrer und Kawasaki (1985) nachweist, dass die Verfügbarkeit von Verwandten, die die Kinderbetreuung übernehmen können, die Geburtenneigung erhöht, weisen Blau und Robins (1999) dies auch für außerfamiliäre Kinderbetreuungseinrichtungen nach. Blau und Robins zeigen in ihrer Analyse, dass die Geburtenwahrscheinlichkeit bei höheren Kosten der Kinderbetreuung sinkt. In ihrer Studie führt jeder zusätzliche Dollar, um den die wöchentlichen Kinderbetreuungskosten erhöht sind, unter nicht erwerbstätigen Frauen zu einem Rückgang der Geburtenwahrscheinlichkeit um 2 Prozent, während sich bei erwerbstätigen Frauen kein signifikanter Effekt feststellen ließ. Für erwerbstätige Mütter führen höhere Kosten der Kinderbetreuung jedoch zu häufigeren Erwerbsunterbrechungen, da Mütter in diesem Fall ihre Kinder verstärkt selbst betreuen, außerdem stehen höhere Betreuungskosten auch dem Erwerbseintritt nicht erwerbstätiger Mütter entgegen. Blau und Robins zeigen zudem,
2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität
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dass steuerliche Subventionen von Betreuungskosten ebenfalls dazu führen, dass erwerbstätige Mütter ihre Erwerbstätigkeit aufrechterhalten können, ohne jedoch die Fertilitätsneigung weiter zu beeinflussen. In Studien für die skandinavischen Länder finden sich hingegen in der Regel keine oder nur sehr geringe Effekte der Kinderbetreuungsangebote auf die Geburtenrate. Für Schweden zeigt eine Studie von Walker (1995) beispielsweise nur einen schwachen positiven Effekt des Angebots an öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Fertilitätsrate. Eine Studie von Kravdal (1996) für Norwegen ermittelt ebenfalls nur einen schwachen Einfluss, so dass eine Erhöhung des Betreuungsangebots um 20 Prozent lediglich zu einem Anstieg der zusammengefassten Geburtenziffer um 0,05 Kinder je Frau führen würde. Von anderen Autoren wird dieser schwache Einfluss allerdings auf den ohnehin hohen Versorgungsgrad und die geringen Unterschiede in Angebot, Qualität und Kosten der öffentlichen Betreuungsinfrastruktur in den skandinavischen Ländern zurückgeführt, wodurch es methodisch schwierig erscheint, den Effekt der Betreuungsinfrastruktur zuverlässig zu isolieren (Neyer et al. 2006; Neyer 2006; Andersson et al. 2005). Studien für Deutschland, wo das öffentliche Betreuungsangebot vor allem bezüglich Ganztagsbetreuung und der Betreuung von Kleinkindern nur lückenhaft ist, können ebenfalls keinen eindeutig positiven und statistisch signifikanten Einfluss der Versorgung mit Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Geburtenneigung nachweisen (Hank und Kreyenfeld 2003; Hank et al. 2004). Allein für Ostdeutschland, wo die Betreuungsinfrastruktur auch nach der Wiedervereinigung weiterhin deutlich besser ausgebaut ist, konnten Hank et al. (2004) einen positiven Effekt der Betreuungsquote auf den Übergang zum ersten Kind ermitteln, während der Effekt für Westdeutschland nicht mehr signifikant ist. Dabei scheint dieses Ergebnis zu bestätigen, dass Frauen vor allem in Westdeutschland die öffentliche Kinderbetreuungsangebote nicht als ausreichend zuverlässig ansehen, um das Vereinbarkeitsproblem zwischen Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit zu lösen. Stattdessen zeigt sich, dass Frauen familiäre Betreuungsarrangements als verlässlichere Lösungen erscheinen. In den Analysen von Hank und Kreyenfeld (2003) sowie von Hank et al. (2004) zeigt sich beispielsweise, dass die Wohnortnähe der Großeltern einen positiven Einfluss auf den Übergang zum ersten Kind in Westdeutschland hat, wohingegen dies für ostdeutsche Frauen keine Rolle bei der Entscheidung für ein Kind spielt. Darüber hinaus betrachten mehrere Studien schließlich den Effekt von Mutterschafts- und Elternschaftsfreistellungen auf die Fertilitätsentscheidungen von Frauen. Dabei unterscheiden sich einzelne Länder deutlich in der Ausgestaltung dieser Regelungen, vor allem bezüglich der Dauer der Freistellung und hinsichtlich der Höhe des Einkommensersatzes während der Erziehungsphase. In den
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
empirischen Analysen zeigt sich dabei erneut, dass die Wirkungsweise der Freistellungsregelungen stark von länderspezifischen Kontextfaktoren wie der Arbeitsmarktlage oder dem öffentlichen Kinderbetreuungsangebot abhängig ist. Während beispielsweise eine Studie von Gauthier und Hatzius (1997) auf der Basis von Aggregatdaten für 22 OECD-Länder weder einen Effekt der Dauer der Mutterschafts- bzw. Elternschaftsfreistellung, noch der Höhe der Lohnersatzrate von Mutterschafts- bzw. Elterngeld auf die Fertilitätsrate findet, zeigen einzelne Länderanalysen auf Basis von Individualdaten deutlich positivere Effekte auf die Geburtenneigung. So zeigt Averett und Whittingtons (2001) Studie für die USA, wo nur etwa die Hälfte der Frauen in Betrieben arbeiten, die einen Mutterschaftsurlaub anbieten, zwar keine systematische höhere Wahrscheinlichkeit von Erstgeburten bei Frauen, die eine solche Freistellung in Anspruch nehmen können, bei Geburten höherer Parität zeigt sich allerdings ein sehr stark positiver Einfluss der Freistellungsregelungen. Dabei erhöht sich für Frauen, die bereits ein Kind und Zugang zu Mutterschaftsurlaub haben, die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Geburt um beinahe 50 Prozent. Averett und Whittington (2001) schätzen, dass eine Ausweitung der Freistellungsregelungen auf alle erwerbstätigen Frauen zu einem Anstieg der Geburtenrate um 0,4 Prozentpunkte auf insgesamt knapp 6 Prozent führen würden. In ähnlicher Weise zeigen Studien für die skandinavischen Länder, dass die Einführung eines Elterngeldes mit sehr großzügig bemessenen Lohnersatzleistungen während des Elternurlaubs die Wahrscheinlichkeit einer zweiten oder weiteren Geburt erhöht hat (Neyer et al. 2006; Oláh 1998). Weiterführende Analysen zeigen darüber hinaus jedoch, dass dieser Anstieg in den Geburtenraten nicht allein auf die Einführung des Elterngeldes, sondern auch auf Faktoren wie der Arbeitsmarktlage, der Förderung der weiblichen Erwerbstätigkeit, der allgemeinen Gleichstellungspolitik und nicht zuletzt auf das Angebot an öffentlicher Kinderbetreuung in diesen Ländern zurückzuführen ist. So zeigt die Analyse von Vikat (2004), dass sich anders als in den übrigen skandinavischen Ländern in Finnland kein geburtensteigernder Einfluss des Elterngeldes feststellen lässt. Das Kinderbetreuungsgeld, dessen stufenweise Einführung in Finnland mit einer Arbeitsmarktkrise und steigender Arbeitslosigkeit Anfang der 1990er Jahre zusammenfiel, hatte keinen positiven Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer zweiten Geburt und nur einen schwach positiven Effekt auf die Wahrscheinlichkeit eines dritten Kindes. Als fertilitätsentscheidend erweist sich in diesem Zeitraum vielmehr die Erwerbssituation der Frauen. Arbeitslos gewordene Frauen weisen eine erhöhte Fertilitätsneigung auf und nutzen mit dem Kinderbetreuungsgeld die Möglichkeit, die Zeit der schlechten Arbeitsmarktlage zu überbrücken.
2.3 Erwerbspotenzial, Familienpolitik und Fertilität
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Außerdem zeigt sich beispielsweise, dass einfache gleichstellungsbezogene Maßnahmen wie die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs eine positive Wirkung auf die Geburtenneigung haben. In Schweden zeigt sich, dass die Tendenz zu einem weitern Kind in Familien höher ist wenn die Väter zumindest einen Teil der Elternzeit beim ersten Kind in Anspruch genommen haben (Oláh 2003; Duvander und Andersson 2006). Weiterführende Studien aus Schweden und Österreich zeigen zudem, dass die Ausgestaltung der Erziehungsurlaubsregelungen das Geburtenverhalten beeinflussen können, ohne dass sich dabei notwendigerweise auch eine positive Wirkung auf die Gesamtfertilität ergeben muss (Hoem 1993; Hoem et al. 2001). In beiden Ländern wurde eine so genannte „Geschwindigkeitsprämie“ eingeführt, bei der Eltern, die ihr zweites oder weiteres Kind innerhalb einer kurzen Zeitspanne von zwei Jahren in Österreich beziehungsweise zweieinhalb Jahren in Schweden bekommen, bei der Berechnung des Elterngelds begünstigt werden. In beiden Ländern lässt sich eine Verringerung des Geburtenabstandes nach der Gesetzesänderung nachweisen. Dabei zeigt sich jedoch, dass die Auswirkung auf die Gesamtfertilitätsrate in beiden Ländern gänzlich unterschiedlich ist. Während sich in Schweden insgesamt ein Anstieg der Geburtenrate zeigt, hatte die Gesetzesänderung in Österreich lediglich einen Einfluss auf den Geburtenabstand, ohne dabei jedoch die Geburtenrate insgesamt positiv zu beeinflussen. Eine Studie von Büttner und Lutz (1990) für die ehemalige DDR illustriert ebenfalls, wie groß der Einfluss eines bezahlten Erziehungsurlaubs sein kann. Ebenso wie in Westdeutschland kam es in der DDR Anfang der 70er Jahre zu einem dramatischen Geburtenrückgang, bei dem sich die Fertilitätsrate innerhalb von nur zehn Jahren von 2,44 auf 1,54 Kinder je Frau verringerte. Mit dem erklärten bevölkerungspolitischen Ziel, die Geburtenrate zu steigern, reagierte die DDR-Regierung 1976 mit der Ausweitung der Mutterschutzfrist von 18 auf 26 Wochen und der Ergänzung des bereits bestehenden Erziehungsurlaubs um eine großzügige Lohnersatzleistung für die ersten 12 Monate nach der Geburt des zweiten oder weiteren Kindes. Nach den Analysen von Büttner und Lutz (1990) kam es durch die Einführung zu einem deutlichen Anstieg der Zweit- und Drittgeburten, während die Häufigkeit von Erstgeburten, für die die veränderten Regelungen keine Rolle spielten, unverändert blieb. Für Zweitgeburten zeigt sich als direkte Reaktion auf die Reform eine Verdoppelung und für Drittgeburten sogar eine Verdreifachung der Geburtenrate der jeweiligen Parität. Insgesamt stieg die zusammengefasste Geburtenziffer unmittelbar nach Einführung dieses politischen Maßnahmenpaketes um 20 Prozent, und auch fünf Jahre nach der Einführung war noch ein positiver Effekt von immerhin 15 Prozent feststellbar. Zusammenfassend zeigen diese Ergebnisse damit, dass institutionelle Rahmenbedingungen durchaus Fertilitätsentscheidungen beeinflussen können, aber
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2 Familienpolitik, Familiengründung und Erwerbsverläufe von Frauen
es zeigt sich auch, dass der Einfluss politischer Maßnahmen auf das Geburtenverhalten nicht notwendigerweise auch zu einer Erhöhung der Gesamtfertilität führen muss. Hinzu kommt, dass isolierte familienpolitische Maßnahmen sich offenbar als tendenziell wenig wirksam erweisen, so dass oft nur das Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen oder dass Zusammenspiel von politischer Intervention und positiver Arbeitsmarktentwicklung zu einem wirklichen Anstieg der Geburtenrate führt. Für die folgenden Analysen der Wirkungen der Einführung und der Ausweitung der Erziehungsurlaubsregelungen in der Bundesrepublik lassen sich demnach die folgenden Hypothesen aufstellen: 1.
2.
Die Einführung eines gesetzlichen Erziehungsurlaubsanspruchs trägt dazu bei, die Opportunitätskosten der Familiengründung zu senken und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit der Entscheidung für ein Kind. Dies trifft vor allem für erwerbstätige Frauen zu, für die der Erziehungsurlaub mögliche negative Karrierefolgen einer Erwerbsunterbrechung durch die Rückkehroption auf den bisherigen Arbeitsplatz minimiert und dadurch ihr Erwerbspotential erhält. Ebenso ist zu erwarten, dass die Einführung des Erziehungsurlaubs die Fertilitätsneigung gut ausgebildeter Frauen erhöht, für die der Bestandsschutz des aktuellen Arbeitsverhältnisses besonders dazu beiträgt, hohe Opportunitätskosten der Familiengründung abzumildern. Da in der Bundesrepublik parallel zum Erziehungsurlaub das Erziehungsgeld als Transferleistung gewährt wird, die nicht am bisherigen Erwerbseinkommen der Mutter, sondern am aktuellen Haushaltseinkommen während des Erziehungsurlaubs orientiert ist, ist zudem zu erwarten, dass der Erziehungsurlaub insbesondere für gering und mittel qualifizierte Frauen die Anreize zu einer Familiengründung erhöht hat, da die Erziehungsgeldleistung einen vergleichsweise größeren Teil des von diesen Frauen im Markt erzielbaren Lohns ersetzt.
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Nach der ökonomischen Theorie ist zu erwarten, dass familienpolitische Rahmenbedingungen in vielfältiger Weise die Fertilitäts- und Arbeitsmarktentscheidungen von Frauen und ihren Partnern, aber auch von Arbeitgebern prägen. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung und sukzessive Ausweitung des Erziehungsurlaubs in der Bundesrepublik seit Mitte der 1980er Jahre als eine institutionelle Weichenstellung zu verstehen, mit der die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gesellschaftspolitisch geregelt wurde. Die Notwendigkeit einer gesellschaftspolitischen Regelung ergab sich nicht zuletzt aus den dramatischen Veränderungen der gesellschaftlichen Rolle von Frauen, die sich in der Nachkriegszeit, vor allem aber seit Beginn der 1970er Jahre zunehmend aus ihrer vorwiegend familiär definierten Rolle lösten, verstärkt in die eigene berufliche Ausbildung investierten und dementsprechend ebenfalls verstärkt in den Arbeitsmarkt drängten. Angesichts dieser Veränderungen stellte sich die Frage, ob und wie dieser soziale Wandel gesellschaftspolitisch so unterstützt werden konnte, dass Frauen eine Vereinbarkeit ihrer Familien- und Berufsrolle ermöglicht wird. In der Bundesrepublik hat sich dabei die Einführung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs 1986 im Rückblick als die wesentliche familienpolitische Reform der vergangenen 25 Jahre erwiesen. Mit der Einführung des Erziehungsurlaubs wurde letztlich die familienpolitische Debatte der 1970er und frühen 1980er Jahre gegen den Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung und im Sinne einer Förderung der familiären Betreuung von Kleinkindern entschieden, bei der die wesentliche politische Aufgabe in der Gestaltung relativ großzügiger Beurlaubungsregelungen zur Kindererziehung und -betreuung sowie durch begleitende Transferzahlungen bestand, die den Einkommensausfall während der Erziehungszeiten teilweise ausgleichen sollten. Mit dieser familienpolitischen Grundentscheidung wurde die auch im internationalen Vergleich auffällig konservative Ausrichtung der bundesdeutschen Familienpolitik zementiert, an der erst durch die Reformen der aktuellen Bundesregierung wieder deutlichere Korrekturen vorgenommen werden. Zum besseren Verständnis der anschließenden empirischen Analyse des Zusammenhangs von Erziehungsurlaub, Fertilitäts- und Arbeitsmarktverhalten
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
westdeutscher Frauen werden die sozialstrukturellen und familienpolitischen Entwicklungen der Nachkriegszeit ausführlicher dargestellt. Dazu werden zunächst anhand von Daten der amtlichen Statistik einige wesentliche Indikatoren beschrieben, welche die steigende Erwerbsbeteiligung und stärkere ökonomische Rolle von Frauen in der Bundesrepublik beschreiben. Dabei wird dieser sozialstrukturelle Überblick um eine Darstellung der Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik seit der Nachkriegszeit ergänzt, um sowohl die Entwicklungen, die zur Einführung des Erziehungsurlaubs geführt haben, als auch die Rolle des Erziehungsurlaubs innerhalb der bundesdeutschen Familienpolitik zu verdeutlichen. Anschließend wird das bundesdeutsche Modell der Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit alternativen Politikansätzen aus ausgewählten europäischen Ländern verglichen.
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit Familienstrukturen und individuelle Lebensentwürfe von Frauen haben in Deutschland in den letzten 50 Jahren nachhaltige Veränderungen erfahren (vgl. Müller et al. 1983; Lauterbach 1994; Federkeil 1997). Deutlich wird dies in den Veränderungen der Eheschließungs- und Scheidungsraten, aber auch der Geburtenrate oder der zunehmenden Bedeutung alleinerziehender Elternschaften, die jeweils für eine deutlich nachlassende Bindung an traditionelle Familienformen und eine ebenfalls insgesamt nachlassende Bedeutung der familialen Rolle von Frauen sprechen. In Abbildung 3.1 ist dazu die Entwicklung der jährlichen Eheschließungsund Geburtenraten in der Bundesrepublik seit der Nachkriegszeit dargestellt. Dabei zeigt sich, dass sowohl die Ehe- als auch die Geburtenraten seit Anfang der 50er Jahre deutlich und weitgehend parallel zueinander zurückgegangen sind. Und auch wenn die Eheschließungsrate seit den späten 1970er Jahren weiter konstant gesunken ist, so ist in beiden Fällen doch deutlich, dass sich vor allem in den 1960er und bis Mitte der 1970er Jahre in der Bundesrepublik ein schneller und tiefgreifender Wandel der Familienstrukturen vollzogen hat. Während die jährliche Geburtenrate unter den 15- bis 45-jährigen Frauen im Zuge des Wirtschaftswunders von ihrem Stand von ungefähr 7 Prozent Anfang der 1950er Jahre bis Mitte der 1960er Jahren noch auf über 8,5 Prozent anstieg, kam es durch den „Pillenknick“ Ende der 1960er Jahre zu einem umso rapideren Ende des Babybooms. Innerhalb von nur fünf Jahren fällt die Geburtenrate um gut 40 Prozent von 8 Prozent im Jahr 1968 auf etwa 5 Prozent im Jahr 1973, und
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 67
0.09
0.018
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0.07
0.014
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0.012
0.05
0.010 Geburtenrate Eheschliessungsrate
0.04
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Eheschliessungsrate (in % der weiblichen Bevölkerung)
Geburtenrate (in % der Frauen im Alter von 15-45 Jahren)
Abbildung 3.1: Geburtenraten und Eheschließungsraten in der Bundesrepublik, 1952-2006
1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv/Genesis-Online, eigene Berechnungen.
0.005
Scheidungsrate Anteil Alleinerziehende
0.20
0.004
0.16
0.003
0.12
0.002
0.08
0.001
0.04 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv/Genesis-Online, eigene Berechnungen.
Anteil Alleinerziehende (in % der Haushalte mit Kindern)
Scheidungsrate (in % der weiblichen Bevölkerung)
Abbildung 3.2: Scheidungsraten und Anteil Alleinerziehender in der Bundesrepublik, 1952-2006
68
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
bis zum Ende der 1970er Jahre erreicht die Geburtenrate westdeutscher Frauen mit etwa 4,4 Prozent ihren historischen Tiefpunkt. Abgesehen von einer leichten Erholung Ende der 1980er Jahre blieb die Geburtenrate dauerhaft auf diesem niedrigen Niveau und hat sich auch im Zuge der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr nachhaltig verändert. Parallel zum Rückgang der Geburtenraten hat sich auch die Häufigkeit von Eheschließungen deutlich verringert. Dabei lag auch die Heiratswahrscheinlichkeit Anfang der 1960er Jahre mit über 1,8 Prozent auf einem historischen Maximum. Ähnlich wie für die Geburtenrate erfolgte dann aber auch im Falle der Eheschließungsrate bis Mitte der 1970er Jahre ein starker Abfall um etwa ein Drittel auf 1,2 Prozent. Im Vergleich zur Entwicklung der Geburtenrate ist auffällig, dass der Rückgang der Heiratsneigung jedoch schon Mitte der 1960er Jahre, also einige Jahre vor dem „Pillenknick“ eingesetzt hatte, und insgesamt auch langsamer verlief. Anders als im Falle der Geburtenrate ist nach einem erneut leichten Anstieg bis zum Ende der 1980er Jahre allerdings wieder eine weiter sinkende Heiratsneigung zu beobachten, wobei die jährliche Heiratswahrscheinlichkeit von etwa 1,2 Prozent in den späten 1980er Jahren erneut um mehr als 20 Prozent auf inzwischen etwa 0,9 Prozent zurückgegangen ist. Insgesamt hat sich damit die Heiratsneigung westdeutscher Frauen ebenso wie die Geburtenrate seit den 1960er Jahren praktisch halbiert. Mit den sinkenden Eheschließungs- und Geburtenraten gehen gleichzeitig ein konstanter Anstieg der Scheidungsrate und ein zunehmendes Risiko alleinerziehender Elternschaft einher. Wie Abbildung 3.2 zeigt, haben sich nicht nur Geburten- und Eheschließungsraten im Lauf der Zeit halbiert, sondern auch die Scheidungsrate hat sich seit Mitte der 1950er Jahre von 0,2 auf 0,5 Prozent im Jahr 2004 mehr als verdoppelt. Stärker noch als im Falle von Geburten- und Eheschließungsraten handelt es sich hierbei um einen linearen Trend, von dem nur zwei kurzfristige Abweichungen erkennbar sind. Ende der 1970er Jahre führte die tiefgreifende Reform des Scheidungsrechts 1977 zu einem zwischenzeitlichen Aufschub, da erst nach Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts wieder verstärkt Scheidungen vollzogen wurden. Und auch nach der deutschen Wiedervereinigung ist ein leichtes Absinken des Scheidungsrisikos zu beobachten, wobei sich der Trend ab 1993 wieder umgekehrt hat. Bei steigenden Scheidungsraten und gleichzeitig sinkenden Eheschließungsraten ist zudem wenig überraschend, dass in den letzten Jahrzehnten auch die Zahl der Alleinerziehenden beständig zugenommen hat. Der Anteil von alleinerziehenden Eltern, in der überwiegenden Zahl Mütter, an allen Haushalten mit Kindern hat sich in den letzten 30 Jahren fast verdreifacht und ist weitgehend linear von etwa 7 Prozent im Jahr 1972 auf mittlerweile über 20 Prozent angestiegen.
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 69 Weibliche Bildungsbeteiligung Parallel zu den sinkenden Geburtenziffern und der geringeren Zuverlässigkeit von Paarbeziehungen hat die ökonomische Rolle von Frauen deutlich an Bedeutung gewonnen. Ein deutlicher Hinweis darauf ist die Tatsache, dass Frauen überproportional von der Bildungsexpansion profitiert haben, und dementsprechend ihr ökonomisches Potenzial sowohl gegenüber früheren Frauengenerationen als auch im Vergleich zu Männern im Verlauf der Nachkriegszeit deutlich erhöhen konnten. Die dramatischen Veränderungen, die durch die Bildungsexpansion ausgelöst wurden, spiegeln sich nachhaltig in der in Abbildung 3.3 wiedergegebenen Bildungsverteilung unter westdeutschen Frauen aus unterschiedlichen Geburtskohorten wieder. Abbildung 3.3 zeigt eindeutig, dass über die letzten 35-40 Jahre hinweg Frauen aus jüngeren Geburtskohorten jeweils zunehmend höhere Bildungsabschlüsse erreicht haben. Während für Frauen die vor dem Krieg geboren sind der häufigste Bildungsabschluss noch der Hauptschulabschluss ohne eine anschließende Berufsausbildung war, hat dieser bereits in den Geburtskohorten aus den 1950er Jahren weitgehend an Bedeutung verloren. In den jüngsten Geburtskohorten spielt dieser nicht arbeitsmarktvorbereitende Abschluss mit nur noch einem Anteil von 7 Prozent der Frauen kaum mehr eine Rolle. Hinter dem Bedeutungsrückgang des alleinigen Hauptschulabschlusses steht zunächst der zunehmende Zugang von Frauen zu beruflicher Bildung. In der Geburtskohorte 1935 ist der Anteil der Frauen, die einen Hauptschulabschluss ohne Berufsausbildung erzielen, und derer, die einen Hauptschulabschluss mit anschließender Berufsausbildung erreichen, mit etwa 35 Prozent schon ungefähr gleich groß. Während sich der Anteil der Frauen mit einem Hauptschulabschluss ohne Lehre für 1940/44 geborene Frauen mit 22 Prozent innerhalb von 20 Geburtsjahrgängen ungefähr halbiert hatte, ist der Hauptschulabschluss mit einer anschließenden Berufsausbildung bereits in dieser Generation mit ungefähr 42 Prozent zum dominanten Bildungsabschluss geworden. Über die nächsten vier Kohorten bis zu den Jahrgängen 1955/59 wird dieser Bildungsabschluss von Frauen tatsächlich am häufigsten erreicht, verliert aber dann in den jüngeren Geburtskohorten zugunsten eines Realschulabschlusses mit anschließender Ausbildung an Bedeutung. Die Kombination von Realschulabschluss und beruflicher Ausbildung gewann für Frauen ab der Geburtskohorte 1935/39, d.h. seit der unmittelbaren Nachkriegszeit, immer mehr an Bedeutung und ist für die Geburtskohorte 1960/64 mit über 30 Prozent der am häufigsten erzielte Bildungsabschluss. Und auch für die jüngeren Geburtskohorten bleibt ein Realschulabschluss mit anschließender Berufsausbildung weiterhin die häufigste Bildungsform.
70
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Anteil (in %)
Abbildung 3.3: Bildungsbeteiligung westdeutscher Frauen, Geburtskohorten 1920/24-1970/74 1.00
0.80
0.60
0.40
0.20
0.00 1920 1925 1930 1935 1940 1945 1950 1955 1960 1965 1970 ohne Abschluss
Hauptschulabschluss
Hauptschule und Lehre
Realschulabschluss
Realschule und Lehre
Abitur
Abitur und Lehre
Fachhochschulabschluss
Universitätsabschluss
Anmerkung: westdeutsche Frauen im Alter von mindestens 30 Jahren zum Befragungszeitpunkt. Die Analyse bezieht sich auf Fünfjahreskohorten der Geburtsjahrgänge 1920/24-1970/74. Quelle: Sozio-ökonomisches Panel 1984-2004, eigene Berechnungen.
Parallel zur Bedeutungszunahme beruflicher Ausbildungsgänge erreichen Frauen auch zunehmend höhere Ausbildungsabschlüsse, die bis in die Nachkriegsgenerationen zunächst nur einer kleinen Minderheit von Frauen vorbehalten waren. So verdreifacht sich beispielsweise der Anteil der Frauen, die das Abitur und eine anschließende Lehre abschließen, zwischen den Geburtskohorten 1945/49 und 1955/59 von ursprünglich etwa 2 bis 3 auf über 9 Prozent, und nahm anschließend weiter an Bedeutung zu. Ebenso lag der Anteil der Frauen mit Universitätsabschluss mit durchschnittlich etwa 4 Prozent in den Vorkriegskohorten noch sehr niedrig. In der Geburtskohorte der 1945/49 geborenen Frauen erhöhte sich dieser Anteil erstmals deutlich auf über 9 Prozent, die Fachhochschulabsolventinnen mit eingerechnet erreichten in dieser Generation erstmals mehr als ein Zehntel der Frauen einen tertiären Bildungsabschluss. Danach steigt der Anteil der Universitätsabsolventinnen allerdings über weitere vier Geburtskohorten nur relativ langsam an und erfährt erst in der jüngsten Kohorte der 1970/74 geborenen Frauen einen weiteren Schub, als sich der Anteil der Universitätsabsolventinnen auf über 18 Prozent der Frauen dieser Geburtsjahrgänge erhöht. Der Eindruck einer insgesamt stark gestiegenen Bildungsbeteiligung von Frauen bleibt zudem auch erhalten, wenn die Bildungszuwächse zwischen den
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 71 Geschlechtern verglichen werden. Abbildung 3.4 zeigt, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung in den Bildungswegen von Männern aller hier betrachteten Geburtskohorten eine bedeutende Rolle gespielt hat. Entsprechend der zentralen Rolle beruflicher Ausbildungsabschlüsse im deutschen Arbeitsmarkt verließen in allen Geburtsjahrgängen in dem Zeitraum von 1920/24 und 1970/74 zwischen zwei Drittel und drei Viertel aller Männer das Bildungssystem mit einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung. Wie bereits oben dargestellt, erreichten Frauen aus den Vorkriegskohorten deutlich seltener einen beruflichen Ausbildungsabschluss, so dass nur etwa 40 Prozent eines Geburtsjahrgangs das Bildungssystem mit einer Berufsausbildung verließen. Erst in der unmittelbaren Nachkriegszeit steigt der Anteil der Frauen, die eine berufliche Ausbildung absolvieren, bis zur Geburtskohorte 1940/44 sprunghaft um 20 Prozentpunkte an, und erreicht auch anschließend bereits fast den Vergleichswert der männlichen Geburtskohorten. In der Geburtskohorte 1955/59 übersteigt der Anteil der Frauen mit einer beruflichen Ausbildung dann erstmals den der Männer und auch in den darauf folgenden Kohorten bleibt der Anteil beruflich ausgebildeter Frauen konstant um ein bis sieben Prozentpunkte über dem entsprechenden Anteil unter ihren männlichen Altersgenossen. Erst in der jüngsten Kohorte dreht sich dieses Verhältnis wieder um. Mit dem Bedeutungsanstieg der beruflichen Ausbildung steigt gleichzeitig auch der Anteil von Frauen, die das Schulsystem mit der allgemeinen Hochschulreife abschließen, im Zeitverlauf stark an. Abbildung 3.4 zeigt, dass der Abiturientinnenanteil in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend parallel zum Abiturientenanteil ansteigt. Während der Anteil der Abiturientinnen im Geburtsjahrgang bis zur Kohorte 1935/39 konstant bei nur etwa neun Prozent eines Jahrgangs gelegen hatte, steigt der Anteil danach linear auf beinahe 40 Prozent in der jüngsten Geburtskohorte an. Abbildung 3.4 zeigt aber auch, dass der Anteil der Abiturienten den der Abiturientinnen lange Zeit um durchschnittlich etwa 10 Prozentpunkte übertraf. Erst unter den ab 1960 geborenen Frauen nimmt der Abstand zwischen den Geschlechtern dann aber auch hier deutlich ab, so dass Männer danach durchschnittlich nur noch um ein bis drei Prozentpunkte häufiger das Abitur erzielen als Frauen. Die steigende Zahl von Frauen, die das Schulsystem mit der allgemeinen Hochschulreife verlassen, führt schließlich dazu, dass Frauen diese auch verstärkt in einen Studienabschluss umsetzen. Wie Abbildung 3.5 zeigt, hat insbesondere die Neigung zu einer klassischen Universitätsausbildung für Frauen unterschiedlicher Geburtskohorten und im Vergleich zu Männern stark zugenommen. Der Anteil von Frauen, die einen Fachhochschulabschluss erreichen, ist nach wie vor gering, und hat sich im Kohortenvergleich auch lediglich von
72
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Anteil (in %)
Abbildung 3.4: Zugang zu höherer und beruflicher Bildung, Geburtskohorten 1920/24-1970/74 0.80
0.60
0.40
0.20
0.00 1920
1930
1940
1950
Frauen: Abitur Beruflicher Abschluss
1960
1970 Kohorte
Männer: Abitur Beruflicher Abschluss
Anmerkung: westdeutsche Befragte im Alter von mindestens 30 Jahren zum Befragungszeitpunkt. Die Analyse bezieht sich auf Fünfjahreskohorten der Geburtsjahrgänge 1920/24-1970/74. Quelle: Sozio-ökonomisches Panel 1984-2004, eigene Berechnungen.
Anteil (in %)
Abbildung 3.5: Zugang zu tertiären Bildungsgängen, Geburtskohorten 1920/241970/74 0.20
0.15
0.10
0.05
0.00 1920
1930
1940
Frauen: Universitätsabschluss Fachhochschulabschluss
1950
1960
1970 Kohorte
Männer: Universitätsabschluss Fachhochschulabschluss
Anmerkung: westdeutsche Befragte im Alter von mindestens 30 Jahren zum Befragungszeitpunkt. Die Analyse bezieht sich auf Fünfjahreskohorten der Geburtsjahrgänge 1920/24-1970/74. Quelle: Sozio-ökonomisches Panel 1984-2004, eigene Berechnungen.
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 73 etwa zwei auf fünf Prozent eines Jahrgangs erhöht. Zudem haben sich die Geschlechterunterschiede im Abschluss eines Fachhochschulstudiums kaum verändert, so dass Männer nach wie vor doppelt so häufig einen Fachhochschulabschluss erwerben wie Frauen. Im Gegensatz dazu hat die zunehmende Neigung von Frauen ein Studium aufzunehmen dazu geführt, dass die Geschlechterunterschiede in Bezug auf den Abschluss eines Universitätsstudiums über die Zeit deutlich zurückgegangen sind. Während der Akademikerinnenanteil in den ältesten Geburtskohorten noch unter fünf Prozent blieb, stieg er zwischen den Kohorten 1935/39 und 1950/54 auf über 12 Prozent an, um dann in der jüngsten Geburtskohorte mit über 18 Prozent erstmals den Anteil von Universitätsabsolventen unter Männern um etwa zwei Prozentpunkte zu übertreffen.
Muster der weiblichen Erwerbsbeteiligung Im Einklang mit der gestiegenen Bildungsbeteiligung von Frauen hat sich über die Zeit auch das Erwerbsverhalten von Frauen in Deutschland nachhaltig verändert. Wie die in Abbildung 3.6 dargestellte Entwicklung der Erwerbsquote zeigt, ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen über die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in jeder Geburtskohorte weiter angestiegen. Dieser stetige Anstieg der weiblichen Erwerbsbeteiligung hat dazu geführt, dass die Erwerbsquoten in den nach 1960 geborenen Geburtskohorten durchgängig um über 25 Prozentpunkte höher liegen als für Frauen, die in den 1920er und frühen 1930er Jahren geboren wurden. In den Geburtsjahrgängen 1961-65 waren im Alter von 40 Jahren beispielsweise drei von vier Frauen erwerbstätig, wohingegen nur weniger als die Hälfte der Frauen, die zwischen 1921 und 1925 geboren sind, im selben Alter erwerbstätig waren. Die Betrachtung der altersspezifischen Erwerbsquoten über den Lebenslauf zeigt zudem im Kohortenvergleich, in welchem starken Umfang die berufliche Rolle von Frauen neben die familiäre Rolle tritt. In allen Kohorten, für die hier empirische Daten vorliegen, ist die Erwerbsbeteiligung junger Frauen vergleichsweise ähnlich hoch; die Erwerbsquote unter 20-24 jährigen Frauen beträgt beispielsweise durchgängig 60 Prozent und mehr. In den älteren Geburtskohorten tritt die eigene Erwerbstätigkeit jedoch deutlich hinter die familiären Belange zurück, so dass die Erwerbsquoten bis zum Alter von 30 Jahren auf etwa 40 Prozent zurückgehen und im weiteren Lebensverlauf auch auf diesem relativ niedrigen Niveau bleiben. Beginnend mit den zwischen 1941 und 1945 geborenen Frauen ändert sich dieses althergebrachte Muster und Frauen drängen nun nach der Familienphase
74
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.6: Frauenerwerbsquoten in der Bundesrepublik nach Geburtskohorte und Alter 0.80
1961-65
1956-60
1966-70
1951-55
1976-80 1971-75
0.60 1936-40
1946-50 1941-45
1921-25 1931-35
0.40
1926-30
0.20
0.00 15-19
20-24
25-29
30-34
35-39
40-44
45-49
50-54
55-59
60-64 Alter
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv/Genesis-Online, eigene Berechnungen.
Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.7: Weibliche Erwerbsbeteiligung nach Präsenz von Kindern im Haushalt, 1972-2002 70
ohne Kinder mit Kindern mit Kindern unter 6 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren
60
50
40
30 1970
1980
1990
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv, eigene Berechnungen.
2000
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 75 verstärkt wieder auf den Arbeitsmarkt zurück. Dadurch bildet sich für die Nachkriegsgenerationen ein charakteristisches M-förmiges Muster der Frauenerwerbstätigkeit heraus, bei dem die weiblichen Erwerbsquoten im Alter zwischen 25 und 35, d.h. in der zentralen Familiengründungsphase, einen deutlichen Rückgang erfahren und erst anschließend wieder ansteigen. Im Kohortenvergleich ist darüber hinaus bemerkenswert, dass sich auch dieses Muster im Zeitverlauf aufzulösen beginnt. Während beispielsweise für Frauen der Geburtsjahrgänge 1941/45 der Einschnitt in den Erwerbsquoten mit einem Rückgang von etwa 17 Prozentpunkten noch besonders stark ausfällt, lässt sich in den jüngeren Kohorten nur ein deutlich schwächer ausgeprägter Rückgang der Erwerbsquoten in der Altersgruppe der 25-29 jährigen Frauen feststellen. Aber auch in den jüngsten Geburtskohorten steigt die Erwerbsbeteiligung von Frauen nach der eigentlichen Familiengründungsphase ungefähr ab einem Alter von 35-40 Jahren wie auch in den älteren Frauenkohorten wieder deutlich an und die weiblichen Erwerbsquoten steigt dabei deutlich um etwa 10-15 Prozentpunkte an. Im Kohortenvergleich hat sich an diesem Muster vergleichsweise wenig verändert, allerdings hat sich der Zeitpunkt, zu dem Frauen wieder auf den Arbeitsmarkt zurückdrängen, über die Kohorten biographisch deutlich nach vorne verschoben, so dass familienbedingte Erwerbsunterbrechungen unter Frauen jüngerer Geburtskohorten tendenziell kürzer ausfallen. Dieser für die Bundesrepublik charakteristisch starke Zusammenhang zwischen Familienzyklus und Erwerbsbeteiligung von Frauen zeigt sich auch in Abbildung 3.7, in der die Erwerbsquoten von Frauen differenziert nach der Haushaltskonstellation abgebildet sind. Die zugrunde liegenden Daten sind ab 1990 leider nicht mehr separat für die westdeutschen Bundesländer verfügbar, so dass die Wiedervereinigung zu einem deutlichen Trendbruch in der Abbildung führt. Abgesehen davon zeigt sich jedoch bereits in den Daten vor 1990, dass die Arbeitsmarktbeteiligung westdeutscher Frauen stark von im Haushalt lebenden Kindern beeinflusst wird. Über den gesamten Zeitraum liegt die Erwerbsquote von Frauen mit Kindern um 10-15 Prozentpunkte unter der Erwerbsquote von Frauen, die keine Kinder haben oder deren Kinder bereits nicht mehr im elterlichen Haushalt leben. Darüber hinaus zeigt sich für Frauen mit Kindern zudem ein deutlicher Einfluss des Alters des jüngsten Kindes. Hierbei ist die Erwerbsquote von Müttern noch nicht schulpflichtiger Kinder um jeweils 6-7 Prozentpunkte niedriger als die Erwerbsquote aller Mütter bzw. aller Mütter mit Kindern bis 15 Jahren, so dass die Erwerbsquoten von Müttern kleiner Kinder entsprechend geringer ausfallen als für Frauen älterer Kinder. Diese Zusammenhänge sind im Zeitverlauf insgesamt zudem erstaunlich stabil geblieben, so dass abgesehen vom Bruch zum
76
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.8: Erwerbsbeteiligung nach Präsenz von Kindern im Haushalt, verheiratete Frauen, 1972-2002 70
ohne Kinder mit Kindern mit Kindern unter 6 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren
60
50
40
30 1970
1980
1990
2000
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv, eigene Berechnungen.
Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.9: Erwerbsbeteiligung nach Präsenz von Kindern im Haushalt, alleinerziehende Frauen, 1972-2002 70
60
50
40 ohne Kinder mit Kindern mit Kindern unter 6 Jahren mit Kindern unter 15 Jahren
30 1970
1980
1990
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv, eigene Berechnungen.
2000
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 77 Zeitpunkt der Wiedervereinigung nur geringfügige Beschäftigungszunahmen sichtbar sind. Erst seit Mitte der 1990er Jahre scheint es hier zu einem deutlicheren Anstieg der Erwerbsquoten von Müttern gekommen zu sein, während frühere Zunahmen der Erwerbsquoten stärker auf den allgemeinen Rückgang der Geburtenhäufigkeiten zurückführbar sein dürften. Werden die Frauenerwerbsquoten zudem getrennt für verheiratete sowie alleinstehende Frauen mit Kindern betrachtet, so zeigt sich, dass die Erwerbsquoten verheirateter Mütter insgesamt deutlich unter den Erwerbsquoten alleinstehender Frauen liegen. Wie Abbildungen 3.8 und 3.9 zeigen, beträgt die Erwerbsquote bis zur Wiedervereinigung verheirateter Mütter konstant etwa 40 Prozent, während sie unter alleinerziehenden Frauen auf ungefähr 55 Prozent ansteigt. Die Erwerbsquote verheirateter Mütter liegt zudem deutlich unter der Erwerbsquote verheirateter Frauen, die keine Kinder haben oder deren Kinder nicht mehr im elterlichen Haushalt leben, so dass die Präsenz von Kindern in ausgeprägter Weise einer Erwerbstätigkeit entgegensteht. Unter alleinstehenden Frauen ist dieser Zusammenhang dagegen nur schwach ausgeprägt, da sich kaum eine Differenz in den Erwerbsquoten alleinstehender und alleinerziehender Frauen feststellen lässt. Dagegen zeigt sich sowohl für verheiratete wie auch für alleinerziehende Mütter, dass die Erwerbsbeteiligung mit dem Alter der Kinder im Haushalt ansteigt. Interessant ist dabei, dass sich die Entwicklung der Erwerbsquoten über die Zeit deutlich zwischen verheirateten und alleinerziehenden Müttern unterscheidet. Während sich die Erwerbsbeteiligung der verheirateten Mütter vor der Wiedervereinigung kaum verändert hat und die Erwerbsquoten abgesehen vom Trendbruch durch die Wiedervereinigung erst ab Mitte der 1990er Jahre leicht um etwa fünf Prozentpunkte angestiegen sind, zeigen sich für alleinerziehenden Frauen weit deutlichere Veränderungen über die Zeit. Auffällig ist dabei, dass die Erwerbsquoten alleinerziehender Mütter über die Zeit stark zurückgehen, und insbesondere unter alleinerziehende Mütter von nicht schulpflichtigen Kindern von Anfang der 1970er Jahre bis Ende der 1980er Jahre um ganze 20 Prozentpunkte absinken. Abgesehen vom Trendbruch der Wiedervereinigung scheint aber auch die Erwerbsbeteiligung allein erziehender Müttern seit etwa Mitte der 1990er Jahre wieder anzusteigen. Ein weiteres interessantes Ergebnis zeigt die Betrachtung der Entwicklung der Erwerbsquoten getrennt nach Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung. Neben der generell zunehmenden Bedeutung der Teilzeitbeschäftigung für Frauen (vgl. Blossfeld und Hakim 1997), zeigt Abbildung 3.10, dass es in der Bundesrepublik parallel zur Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung von Frauen über die Zeit zu einem faktischen Rückgang der Vollzeitbeschäftigung von Müttern gekommen
78
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Vollzeit-Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.10: Vollzeit-Erwerbsbeteiligung nach Familienstand und Präsenz von Kindern im Haushalt, 1972-2002 0.60
0.50
0.40
verheiratet, mit Kindern unter 6 Jahren verheiratet, mit Kindern unter 15 Jahren alleinerziehend, mit Kindern unter 6 Jahren alleinerziehend, mit Kindern unter 15 Jahren
0.30
0.20
0.10 1970
1980
1990
2000
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv, eigene Berechnungen.
Teilzeit-Erwerbsquote (in Prozent)
Abbildung 3.11: Teilzeit-Erwerbsbeteiligung nach Familienstand und Präsenz von Kindern im Haushalt, 1972-2002 0.25
0.20
0.15
0.10
verheiratet, mit Kindern unter 6 Jahren verheiratet, mit Kindern unter 15 Jahren alleinerziehend, mit Kindern unter 6 Jahren alleinerziehend, mit Kindern unter 15 Jahren
0.05
0.00 1970
1980
1990
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv, eigene Berechnungen.
2000
3.1 Gesellschaftliche Modernisierung und Muster der Frauenerwerbstätigkeit 79 ist. Sowohl unter alleinerziehenden als auch unter verheirateten Müttern sinkt die Vollzeiterwerbsquote von 1970 bis 2000 kontinuierlich um 8 bis 15 Prozentpunkte, wobei der entsprechende Rückgang unter alleinerziehenden Müttern sogar noch etwas höher als unter verheirateten Frauen ausfällt. Zwar ist die Vollzeiterwerbsquote unter allein erziehenden Müttern mit über 40 Prozent auch nach der Jahrtausendwende mehr als doppelt so hoch wie unter verheirateten Müttern, Anfang der 1970er Jahre lagen die entsprechenden Quoten jedoch noch bei fast 60 bzw. 30 Prozent. Für verheiratete wie alleinerziehende Mütter zeigt sich allerdings auch, dass der Zusammenhang zwischen Vollzeiterwerbstätigkeit und dem Alter der Kinder im Haushalt über die vergangenen dreißig Jahre weitgehend unverändert Bestand hatte. Sowohl für verheiratete wie auch für alleinerziehende Mütter sind die Vollzeiterwerbsquoten von Frauen mit älteren Kindern etwas höher als für Frauen, die kleine Kinder im Haushalt betreuen. Entsprechend steigt die Teilzeitbeschäftigung von Frauen im gleichen Zeitraum stark an. Wie Abbildung 3.11 zeigt, nimmt die Bedeutung der Teilzeitarbeit dabei bei allen Müttern weitgehend unabhängig von deren Familienstand und dem Alter der Kinder im Haushalt zu. Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte steigt die Teilzeitquote für alle hier betrachteten Gruppen im Durchschnitt um etwa 10 Prozentpunkte von einem Niveau von durchschnittlich 7 Prozent Anfang der 1970er Jahre auf 17 Prozent dreißig Jahre später. In Verbindung mit den Ergebnissen zur rückläufigen Vollzeitbeschäftigung von Müttern kommt es also nur deshalb zu einem leichten Anstieg der Erwerbsquoten von Müttern in der Bundesrepublik, weil der Zuwachs der Teilzeitbeschäftigung den gleichzeitigen Rückgang der Vollzeitbeschäftigung ausgleicht. Damit zeigt sich aber auch, dass der Zuwachs der Erwerbsbeteiligung von Müttern nicht einfach auf eine Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung von Müttern zurückgeht, sondern dass zu einem gewissen Teil Teilzeitbeschäftigung auch für Vollzeittätigkeiten substituiert wird. Schließlich steigt mit der zunehmenden Erwerbsorientierung von Frauen gleichzeitig auch der Anteil der Frauen die von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Während in der Bundesrepublik Ende der 1960er Jahre für Männer wie für Frauen Vollbeschäftigung herrschte, zeigt Abbildung 3.12, dass in den Folgejahren sowohl die Arbeitslosigkeitsrate der Männer als auch der Frauen beständig angestiegen ist. Die weibliche Arbeitslosenquote hat sich dabei von 0,5 Prozent im Jahr 1965 auf 12,7 Prozent im Jahr 2000 erhöht, wobei der Anstieg nicht linear sondern für Männer wie Frauen entsprechend der konjunkturzyklischen Schwankungen erfolgte. Auffällig ist allerdings, dass seit der ersten Ölkrise Anfang 1970er Jahren die weibliche Arbeitslosenquote beständig zwischen 1 und 3 Prozentpunkte über der männlichen Arbeitslosenquote lag. Erst im jüngsten Kon-
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Arbeitslosenquote (in Prozent)
Abbildung 3.12: Arbeitslosenquote nach Geschlecht, 1965-2006 15
10
5
Frauen Männer
0 1965
1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
Anmerkung: bis 1989: alte Bundesrepublik, ab 1990: Gesamtdeutschland. Quelle: Statistisches Bundesamt, Statis-Archiv/Genesis-Online, eigene Berechnungen.
junkturzyklus hat sich dieses Verhältnis zum ersten Mal wieder umgekehrt, so dass seit 2000 die weiblichen Arbeitslosenquoten wieder leicht unter der Arbeitslosenquote der Männer liegen.
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik Da die Familiengründung ein zentrales Ereignis in den Lebens- und Erwerbsverläufen von Frauen darstellt, kann Familienpolitik diese prägen, indem sie rechtliche und materielle Rahmenbedingungen der Lebenssituation von Familien reguliert. In der Bundesrepublik stand in der familienpolitischen Neuausrichtung in der Nachkriegszeit dabei zunächst der Abbau der Benachteiligung kinderreicher Familien im Vordergrund. Obwohl sich in den 1950er Jahren dank wirtschaftlichem Aufschwung die Lebensverhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung rapide verbesserten, waren gleichzeitig 20 Prozent der Bevölkerung von Sozialleistungen abhängig. Dementsprechend konzentrierte sich das unter der Regierung Adenauer neu gegründete Ministerium für Familienfragen vornehmlich auf die Neugestaltung von Transferleistungen für Familien (Althammer 2000; Lampert und Althammer 2007; Federkeil 1997; Frerich und Frey 1993b). Dabei wurde 1955 mit der Einführung des Kindergelds in Ergänzung zu den bereits bestehenden Steuerfreibeträgen für Kinder der so genannte duale Fami-
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
81
lienlastenausgleich eingeführt. Seither wird die deutsche Familienpolitik durch den Grundsatz bestimmt, dass der Ausgleich von Familienlasten und Familienleistungen hauptsächlich durch Geldleistungen erfolgt (Lampert 1996; Netzler 2000). Das Ausmaß der entsprechenden Einkommensumverteilung zugunsten von Familien mit Kindern wurde in den Folgejahrzehnten zudem deutlich ausgeweitet. Kam das Kindergeld beispielsweise zunächst nur kinderreichen Familien mit mehr als drei Kindern zugute, so wurde es Anfang der 1960er Jahre auch auf das zweite Kind und im Jahr 1975 auf das erste Kind ausgeweitet. Gleichzeitig wurde Anfang der 1960er Jahre mit einer starken Anhebung der Steuerfreibeträge für Kinder der Familienlastenausgleich insgesamt aufgewertet. In der Folge wurden das Kindergeld sowie die Steuerfreibeträge abhängig von der politischen Ausrichtung der jeweils amtierenden Regierung angehoben, ausgeweitet, von Einkommensgrenzen abhängig gemacht oder, im Falle des Steuerfreibetrags, von der sozial-liberalen Koalition zwischen 1975 bis 1983 sogar ganz abgeschafft, da in Verbindung mit einem progressiven Steuertarif hohe Einkommen überproportional stark entlastet werden und damit der Grundsatz der Bedarfsgerechtigkeit der familienpolitischen Transferleistungen verletzt ist (Kurz 1998). 1996 wurde zudem durch das Bundesverfassungsgericht eine stufenweise Anhebung des Kinderfreibetrags auf das Niveau des Existenzminimums erzwungen (Lampert 1996). Infolgedessen stiegen die Steuerfreibeträge seit ihrer Wiedereinführung 1983 von 432 DM pro Kind auf 3024 DM im Jahr 2000 an, wobei seit 1996 ein Optionsmodell eingeführt wurde, bei dem Eltern zwischen der Auszahlung des Kindergelds und der steuerlichen Berücksichtigung des Kinderfreibetrags wählen können. Im Gegensatz zu den steuerlichen Kinderfreibeträgen, die sich seit dem Bundesverfassungsgerichtsbeschluss am Existenzminimum orientieren, ist das Kindergeld zwar über die Jahre beständig angestiegen, anders als viele andere Sozialleistungen ist es aber nicht systematisch an die tatsächliche Einkommensentwicklung angepasst. Seit der Einführung des Kindergelds auch für das erste Kind 1975 haben sich die Transferleistungen aber von 50 DM für das erste Kind, 70 DM für das zweite Kind und 120 DM für jedes weitere Kind auf jeweils 301 DM für die ersten drei Kinder und 350 DM ab dem vierten Kind im Jahr 2002 erhöht (Wingen 1997; Dienel 2002). Seit 1958 werden diese direkten Transferleistungen zugunsten von Familien zudem von einem Ehegattensplitting begleitet, das ebenfalls aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts eingeführt wurde, um die Benachteiligung von Ehegatten gegenüber unverheirateten Paaren zu vermeiden. Zuvor wurde das Einkommen von Ehegatten addiert und gemeinsam besteuert, so dass für das gemeinsame Einkommen dann eine höhere Progressionsstufe galt als für das identische, aber getrennt besteuerte Einkommen unverheirateter Paare. Wenn-
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gleich auch die Einführung einer strikt individuellen Besteuerung zur Beseitigung von Ungleichheit im Steuersystem ausgereicht hätte, entschied sich der Gesetzgeber, die Ehe bewusst als Wirtschafts- und Steuereinheit zu behandeln und dies mit dem Ehegattensplitting zu untermauern (Althammer 2000; Lampert 1996). Dabei wird mit dem Splittingverfahren das Gesamteinkommen beider Ehepartner halbiert und dann nach der jeweiligen Steuerstufe besteuert, wodurch die Entlastung umso höher ausfällt, je größer der Einkommensunterschied zwischen den Ehegatten ist. Das System des bundesdeutschen Ehegattensplittings wirkt dementsprechend am stärksten Steuer senkend, wenn einer der Partner überhaupt kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt (Smith et al. 2003a; Sainsbury 1999b; Dingeldey 2001). Auch wenn diese steuerliche Förderung der Ehe bei ihrer Einführung überwiegend Familien zugute kam, da in der Mehrzahl der Ehen zu diesem Zeitpunkt auch Kinder vorhanden waren, hat sich diese Entlastung zunehmend zu einer Bevorzugung von Ehepaaren, und insbesondere von kinderlosen, traditionellen Alleinverdienerehen entwickelt. Sowohl unverheiratet zusammenlebende Eltern, als auch Ehepartner in Doppelverdienerhaushalten, Familien mit niedrigem Einkommen sowie Alleinerziehende profitieren entweder gar nicht oder nur unzureichend von dieser steuerpolitischen Maßnahme (Bäcker et al. 2000; Wingen 1997). Dennoch wird das Ehegattensplitting mit der Begründung, dass auch heute die Mehrzahl der Kinder in Ehen großgezogen wird bis heute als familienpolitisches Instrument legitimiert. Faktisch sind die Entlastungseffekte durch das Ehegattensplitting zudem auch deutlich größer als die Entlastungseffekte durch die Kinderfreibeträge. Zwischen 1960 und 1985 lagen die jährlichen Kosten des Ehegattensplittings sogar noch über den Ausgaben für Kindergeld und Kinderfreibeträgen zusammen. Und auch im Jahr 2001 betrug die Gesamtlast des Ehegattensplittings für den Bundeshaushalt ungefähr 45 Mrd. DM, das sind 22 Prozent der insgesamt für die Familienförderung ausgegebenen Summe (Dienel 2002). Gleichzeitig setzt das Ehegattensplitting ökonomische Anreize für das Leben in einer Ehe, wodurch die Ehe als dominante Form der Paarbeziehung vor allem bei Paaren mit Kindern gefördert und gleichzeitig die geringfügige oder Nichterwerbstätigkeit der Ehefrau finanziell belohnt wird (Dingeldey 2000; Gustafsson und Bruyn-Hundt 1991; Arrufat und Zabalza 1986; Smith et al. 2003b). Den in den 1950er Jahren entwickelten Grundpfeilern der bundesdeutschen Familienpolitik ist anzusehen, dass sich sowohl die Gesellschaft als auch die Politik in dieser Zeit am Ideal einer intakten Kleinfamilie orientierte, deren Basis eine Versorgerehe darstellte. Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Ehepartner waren nach einem strikten Rollenmodell vorgegeben, wobei der Ehemann als Ernährer die ökonomische Basis der Familie bildete, dessen Einkommen allein für alle Ausgaben der Familie ausreichen musste. Somit waren auch alle staatli-
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chen Familienleistungen wie Steuerfreibeträge, Ehegattensplitting, Kindergeld aber auch Sozialversicherungsleistungen wie die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen in der gesetzlichen Krankenkasse ganz auf Alleinverdienerehen zugeschnitten (Federkeil 1997; Bundesministerium für Familie 2006a). Der Ehefrau kam in diesem Modell hingegen lediglich die Rolle der „Hausfrau und Mutter“ zu, der alle unentgeltlichen Sorge-, Erziehungs-, und Pflegearbeiten im Haushalt oblagen. Erwerbstätige Frauen oder gar erwerbstätige Mütter kamen in diesem Konzept der Kleinfamilie nicht vor. Obwohl im Grundgesetz bereits seit 1949 die rechtliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern festgeschrieben ist, konnte der Ehemann noch bis zum Inkrafttreten des Ersten Gleichberechtigungsgesetzes 1958 ein Arbeitsverhältnis der Ehefrau kündigen (BGB §1356 (1)) (Scheiwe 1993). Beginnend mit der Bildungsexpansion sowie dem wirtschaftlichen Aufschwung der 1950er und 1960er Jahre begann die zunehmende Partizipation der Frauen am Erwerbsleben, die Expansion des Dienstleistungssektors bei gleichzeitigem Rückgang von Arbeitsplätzen in traditionell männlichen Sektoren und steigender Arbeitslosigkeit machten die Erwerbstätigkeit von Frauen teilweise auch notwendig und ließen die Aufrechterhaltung des klassischen Modells der Alleinernährerehe individuell wie gesellschaftspolitisch schwieriger werden. Mit der umfassenden Reform des Familienrechts unter der sozialliberalen Regierung 1977 wurde deshalb ein modernes Rollenbild der Frau verkündet, das ein Anrecht auf persönliche und berufliche Entfaltung umfasste. Männer und Frauen waren in der Ehe gleichberechtigt, die Hausarbeit war nicht mehr per Gesetz alleinige Aufgabe der Frau sondern sollte durch Einigung zwischen den Ehegatten geregelt werden, und beiden Ehepartnern wurde das Recht auf eine Erwerbstätigkeit zugesprochen (Lampert und Althammer 2007; Scheiwe 1993; Strohmeier et al. 2006).
Mutterschaftsurlaub, Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub Vor diesem Hintergrund und angesichts der steigenden Erwerbsbeteiligung vor allem von verheirateten Frauen und Müttern mit kleinen Kindern begann sich die Familienpolitik in den 1970er Jahren verstärkt mit der Situation erwerbstätiger Mütter zu beschäftigen. Ins Zentrum rückte dabei die Ausweitung des Mutterschutzgesetzes zur Ausgestaltung einer befristeten beruflichen Freistellung von Müttern. Dieser Gedanke hat in der deutschen Familienpolitik bereits eine lange Tradition (vgl. den Überblick in Tabelle 3.1). Aufbauend auf der katholischen Soziallehre wurde erstmals 1878 ein Beschäftigungsverbot für Mütter innerhalb der ersten drei Wochen nach einer Geburt erlassen. Dieses Beschäftigungsverbot
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galt zunächst jedoch ohne Ausgleichszahlungen und schloss ausschließlich gewerbliche Arbeitnehmerinnen ein. Ein so genanntes Wochengeld, das von den Krankenkassen gezahlt wurde und 50 Prozent des Arbeitslohns betrug, wurde erst einige Jahre später eingeführt. Nachdem 1908 das Beschäftigungsverbot auf zwei Wochen vor und sechs Wochen nach der Geburt ausgeweitet wurde und so erstmals auch für schwangere Frauen galt, wurde 1927 die beschäftigungsfreie Zeit vor der Geburt auf sechs Wochen ausgeweitet, die jetzt allerdings wahlweise in Anspruch genommen werden konnten. Das Beschäftigungsverbot nach der Geburt galt jedoch weiterhin verpflichtend und wurde um einen Kündigungsschutz in diesem Zeitraum erweitert, der eine Kündigung wegen einer Schwangerschaft oder Geburt verhindern sollte. Allerdings wurde das Wochengeld nur an Frauen ausgezahlt, die in den letzten zwei Jahren vor der Geburt mindestens zehn Monate gesetzlich krankenversichert waren, so dass viele Frauen auf die Freistellung vor der Geburt verzichteten (Frerich und Frey 1993a; Neyer 1997). Das Mutterschutzgesetz von 1942 erweiterte den anspruchsberechtigten Personenkreis, verbesserte die wirtschaftliche Absicherung während der Schutzfrist und weitete den Kündigungsschutz nun auf die gesamte Dauer der Schwangerschaft aus. Die Lohnfortzahlung während der Mutterschutzfristen wurden für den gesamten Zeitraum nun entweder von der Krankenkasse oder, im Fall einer nicht versicherten Frau, vom Arbeitgeber gezahlt. Das Beschäftigungsverbot wurde zudem auf sechs Wochen vor und sechs Wochen nach einer Geburt ausgeweitet. Hinzu kam eine Verlängerung auf acht beziehungsweise zwölf Wochen bei stillenden Müttern oder bei Frühgeburten. Bis auf einige geringe Veränderungen gelten diese Mutterschutzbestimmungen auch heute noch. Verstärkt wurden 1952 zusätzlich noch die Kündigungsschutzregelungen, danach darf Müttern seither bis einschließlich vier Monate nach der Geburt auch aus „wichtigem Grund“ nicht mehr gekündigt werden. Die Fristen des Beschäftigungsverbots wurden dann 1968 letztmals auf sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt festgesetzt, bei Früh- und Mehrlingsgeburten erhöht sich die Zeit auf zwölf Wochen. Die Sonderregeln für Frühgeburten wurden 1997 und 2002 nach einer Anpassung an europäisches Recht um die Zeit verlängert, die vor der Geburt nicht beansprucht werden konnte. Auch in Bezug auf die Lohnfortzahlung während der Mutterschutzfrist gelten die 1968 letztmals geänderten Regelungen. Während des Mutterschutzes haben alle freiwillig oder pflichtversicherten Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse Anspruch auf Mutterschaftsgeld sowie auf eine kostenlose Weiterversicherung in Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Das Mutterschaftsgeld wird bis maximal 25 DM pro Tag von der gesetzlichen Krankenkasse getragen, die Differenz zum Nettolohn hat der Arbeitgeber zu tragen, wodurch
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Tabelle 3.1: Die Entwicklung der Mutterschutzgesetzgebung in Deutschland Jahr
Schutzfrist
Lohnfortzahlung
1878
3Wochen nach Geburt, nur gewerbliche Arbeitnehmerinnen
keine
1883
1908 1927
1942
1952 1968
Wochengeld:50% des Lohns, nur für Frauen, die in den letzten zwei Jahren mind. 10 Monate gesetzlich krankenversichert waren 2 Wochen vor, 6 Wochen nach der Geburt Beschäftigungsverbot vor der Geburt aufgehoben; optional Freistellung 6 Wochen vor der Geburt; Kündigungsschutz während der Freistellung Kündigungsschutz auf gesamte Schwangerschaft ausgeweitet; Beschäftigungsverbot ausgeweitet, 6 Wochen vor, 6 Wochen nach Geburt; Sonderregelungen für stillende Mütter (8 Wochen) und Frühgeburten (12 Wochen) Ausweitung des Kündigungsschutzes auf 4 Monate nach Geburt Beschäftigungsverbot ausgeweitet, 6 Wochen vor, 8 Wochen nach Geburt; Sonderregelungen für stillende Mütter und Frühgeburten (12 Wochen)
Lohnfortzahlung für nicht krankenversicherte Mütter vom Arbeitgeber zu tragen
Neuregelung des Mutterschaftsgeldes, Verpflichtung des Arbeitgebers, nur anteilige Lohnfortzahlung (bis DM 25/Tag) durch Krankenkassen
Quelle: Frerich und Frey (1993b, a); Neyer (1997)
vor allem im Falle von hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen Arbeitgebern zum Teil hohe Zusatzkosten entstehen. Für Kleinbetriebe wurde zudem ein Umlageverfahren eingeführt, um diese Kosten gleichmäßig zwischen den Arbeitgebern zu verteilen. Dabei ist nicht zu übersehen, dass das Mutterschutzgesetz insgesamt nicht als eine Maßnahme zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzusehen ist, sondern dass es sich im Wesentlichen um eine Maßnahme des vorbeugenden Gesundheitsschutzes für Mutter und Kind handelt, da beispielsweise die geschaffenen Rechtsansprüche auch nicht auf Väter übertragbar sind. Neben dem Beschäftigungsverbot innerhalb der Schutzfrist regelt der Mutterschutz außerdem Schutzvorschriften am Arbeitsplatz. So darf die schwangere Arbeitnehmerin beispielsweise nur eingeschränkte Arbeit im Stehen verrichten, keine Nachtarbeit
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oder Arbeit mit gesundheitsgefährdenden Stoffen und Chemikalien verrichten und muss gegebenenfalls an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden oder von ihrer Arbeit freigestellt werden (Frerich und Frey 1993b; Lampert und Althammer 2007). Dennoch kann das Mutterschutzgesetz als eine wichtige Grundlage familienpolitischer Innovationen gelten, als die seit den 1970er Jahren zunehmende Frauenerwerbstätigkeit und gleichzeitig sinkende Geburtenraten die Politik veranlassten, über eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachzudenken. Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre sah sich die Bundesrepublik mit einem anhaltend dramatischen Rückgang der Geburtenraten, einer beginnenden Konjunkturflaute mit einhergehender Massenarbeitslosigkeit, sowie auf der anderen Seite einer ansteigenden Erwerbsbeteiligung von Müttern vor allem auch kleiner Kinder konfrontiert. Bei einer gleichzeitig ungenügenden Zahl öffentlicher Kinderbetreuungsangebote verschärften diese Entwicklungen für viele Frauen den Zielkonflikt zwischen der Kinderbetreuung einerseits und den Zeitanforderungen des Erwerbslebens andererseits. Angesichts der Belastung für Frauen durch die Doppelfunktion in Beruf und Familie nennt bereits der dritte Familienbericht (Sachverständigenkommission der Bundesregierung 1979) aus dem Jahr 1979 zwei wesentliche gesellschaftspolitische Maßnahmenbündel, die zur Entlastung beitragen könnten. Das erste Maßnahmenpaket konzentriert sich dabei auf eine Erleichterung des Übergangs von Erwerbsarbeit zu Familienaufgaben wie beispielsweise die Sicherung des Arbeitsplatzes für einen längeren Zeitraum nach der Geburt, ein die berufliche Freistellung begleitendes Erziehungsgeld, eine eigenständige soziale Sicherung der Frau, sowie Fort-, Weiter- und Wiedereingliederungsmaßnahmen nach einer Familienpause. Das zweite Maßnahmenpaket konzentriert sich dagegen auf die Erleichterung der Doppelfunktion selbst etwa durch die Förderung von Teilzeitarbeit und gleitenden Arbeitszeiten, die Anpassung der Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen an die tatsächlichen Arbeitszeiten sowie die Förderung von Tagesmüttermodellen. Im Rahmen der familienpolitischen Diskussion wurde auch die Gefahr, dass Frauen in Zeiten eines schwachen Arbeitsmarktes wieder auf ihre Rolle als Hausfrau und Mutter verwiesen werden könnten, kritisch debattiert. So spricht ein Bericht des Bundesministers für Jugend (1984) davon, dass die chancengleiche Integration von Frauen in das Erwerbsleben und die Beteiligung und Mitverantwortung der Männer an den Familien- und Haushaltsaufgaben als Norm für die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens nicht mehr in Frage stehen, auch wenn die Realität von diesem Leitbild chancengleicher Lebensgestaltung weit entfernt ist. Außerdem sei zu befürchten, so der Bericht weiter, „dass die Arbeitslosigkeit dazu verleitet, einfach darauf zu verweisen, Familien sollten eben
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nur ein Mitglied zur Erwerbstätigkeit schicken, das andere – zumeist natürlich die Frau – könne sich unbelastet der Familientätigkeit widmen und damit seine alle Probleme gelöst. Familientätigkeit wird so plötzlich wieder ein von Politikern hochgelobter Tätigkeitsbereich, allerdings kaum aus einem besonderen Interesse für die Familie, sonder eher aus arbeitsmarktpolitischen Überlegungen“ (Bundesminister für Jugend 1984: 21). Und auch die Probleme der Wiedereingliederung von Frauen nach einer Erwerbsunterbrechung waren bekannt. Bei einer Befragung unter betroffenen Frauen wurden als Probleme vor allem fehlende Arbeitsplätze, fehlende Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten sowie unzureichende Kinderbetreuung genannt (Bundesminister für Jugend 1984). Vor dem Hintergrund dieser familienpolitischen Debatten kam es unter der sozial-liberalen Koalition 1979 mit der Einführung des Mutterschaftsurlaubs zunächst zu einer wesentlichen Verbesserung und Ausweitung des ursprünglichen Mutterschutzes (Meisel 1979; vgl. den Überblick in Tabelle 3.2 unten). Diese als Vorläufer der heutigen Elternzeit eingeführte Freistellungsmöglichkeit ging erstmals über eine rein gesundheitspolitisch motivierte Schutzfrist hinaus, sondern sollte erwerbstätige Mütter zeitlich befristet von ihrer Doppelbelastung befreien, indem ihnen die Möglichkeit gegeben wurde, sich eine gewisse Zeit ausschließlich der Pflege ihres Kindes widmen zu können, ohne dafür gleichzeitig ihren Arbeitsplatz aufgeben zu müssen. Durch das Mutterschaftsurlaubsgesetz konnten sich Mütter im Anschluss an den Mutterschutz bei gleichzeitiger Weitergewährung des Mutterschaftsgeldes und fortbestehender Absicherung in den sozialen Sicherungssystemen für bis zu vier Monate von ihrem bestehenden Arbeitsverhältnis freistellen lassen (Scheiwe 1993). Während der Zeit der Freistellung wurde das Nettogehalt durch ein Mutterschaftsgeld in Höhe von bis zu maximal 750 DM monatlich aus Bundesmitteln ersetzt. Ab 1984 wurde die Höhe des Mutterschaftsgelds während des Mutterschaftsurlaubs allerdings auf maximal 510 DM monatlich reduziert. Im Zuge der Einführung des Mutterschaftsurlaubs wurde zudem der Kündigungsschutz bei Mutterschaft auf bis zu zwei Monate nach Ende des Mutterschaftsurlaubs ausgeweitet. Die Neuregelung galt jedoch wie auch schon die ursprüngliche Mutterschutzgesetzgebung nur für leibliche Mütter, während Väter und Adoptiveltern weiterhin von entsprechenden Rechtsansprüchen ausgeschlossen waren. Nach Angaben der Bundesregierung (1981, 1986) hatten zwischen 1981 und 1985 etwa 51-55 Prozent aller Mütter aufgrund eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses Anspruch auf Mutterschaftsurlaub (vgl. auch Tabelle 3.3 unten), und zwischen 90 bis 93 Prozent dieser Mütter haben den Mutterschaftsurlaub auch tatsächlich in Anspruch genommen. Dabei wurde die maximale Dauer des Mutterschaftsurlaubs in 96 Prozent aller Fälle komplett ausgeschöpft. Allerdings ist nur eine Minderheit von Müttern nach Ablauf der Freistellung
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durch den Mutterschaftsurlaub wieder in den Beruf zurückgekehrt. Im Jahr 1981 sind 33 Prozent der Mütter nach Ende des Mutterschaftsurlaubs wieder in ihren Beruf zurückgekehrt, bis zum Jahr 1984 ist die Rückkehrquote nach Ende des Mutterschaftsurlaubs auf immerhin 44 Prozent angestiegen. Rund die Hälfte der Mütter kehrt dabei nach der Erziehungsphase auf einen Teilzeitarbeitsplatz zurück. Angesichts der weiterhin niedrigen Geburtenraten, der weiter ansteigenden Arbeitslosigkeit, aber auch im Einklang mit einem eher traditionell ausgerichteten Familienbild und der weit verbreiteten Ansicht, dass Kleinkinder am besten durch die eigene Mutter betreut werden sollten, entschied sich die neu gewählte konservativ-liberale Regierung unter Helmut Kohl trotz kontroverser Debatten dafür, die angesichts einer unzureichenden Zahl von Kinderbetreuungseinrichtungen weiterhin bestehenden Vereinbarkeitsproblematik durch einen forcierten Ausbau der Freistellungsmöglichkeiten abzumildern. Mit der 1986 erfolgten Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes verfolgte die Bundesregierung nach eigener Aussage einerseits das Ziel, Eltern mehr Wahlfreiheit zwischen Familien- und Erwerbsarbeit zu verschaffen, sowie gleichzeitig die bestmögliche Betreuung von Kleinkindern sicher zu stellen (Bundesminister für Jugend 1989; Schiersmann 1991). In diesem größeren Rahmen sollten das neu eingeführte Erziehungsgeld sowie die Anrechnung von Erziehungsjahren in der Rentenversicherung auch Maßnahmen darstellen, durch welche die Familienarbeit als mit der Erwerbstätigkeit gleichwertige Aufgabe gesellschaftspolitisch anerkannt wurde.1 Mit diesem Argument wurde beispielsweise die Leistungsgewährung im Erziehungs-
1 Um die Erziehungsleistungen von Familien gesellschaftspolitisch stärker anzuerkennen, wurde gleichzeitig mit der Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes die Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung geregelt. Dabei wurden rückwirkend für Frauen der Geburtsjahrgänge ab 1921 bei Kinderbetreuung Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung gutgeschrieben. Diese Anrechnungszeiten wurden aus dem Bundeshaushalt finanziert und beliefen sich anfangs auf ein Jahr pro Kind, das mit 75 Prozent des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten angerechnet wurde. Nach dem Rentenreformgesetz erhöhte sich die angerechnete Beitragszeit für Geburten ab 1992 auf drei Jahre. Mit dem Rentenreformgesetz von 1999 wurden die Beitragssätze zudem auf 100 Prozent des Durchschnittsentgelts aller Versicherten erhöht, und eigene Rentenanwartschaften, die gleichzeitig durch sozialversicherungspflichtige Erwerbsarbeit erworben wurden, wurden erstmals kumulativ mit den Erziehungszeiten angerechnet (Dienel 2002; Pettinger 1999; Landenberger 1991; Bäcker et al. 2000; Scheiwe 1999). Allerdings lag diese Anerkennung der Erziehungszeiten in der Rentensicherung 1999 mit 40,49 DM je Kind und Jahr sehr niedrig und hat nur wenig zu einer Verbesserung der eigenen Rentenansprüche von Frauen geführt (Allmendinger et al. 1991; Hank 2004; Pfaff 1997; Landenberger 1991; Bäcker et al. 2000; Scheiwe 1999). Kritisch wird außerdem betrachtet, dass diese Leistungen eine Belastung des Rentenversicherungssystems mit systemfremden Leistungen darstellt, indem ihm ein Teil des Familienlastenausgleichs übertragen wird (Landenberger 1991).
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
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Tabelle 3.2: Entwicklung der gesetzlichen Ansprüche auf Erziehungsurlaub / Elternzeit Jahr
Gesetz
1979 (Juni) Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Berufliche Freistellung
Transferzahlung während der Freistellung
Mutterschaftsurlaub 4 Monate im Anschluss an Mutterschutz (6. Lebensmonat des Kindes); Kündigungsschutz bis zu zwei Monate nach Ende des Mutterschutzes ausgeweitet
Mutterschaftsgeld Lohnersatz bis maximal 750 DM monatlich
1984
Lohnersatz auf maximal 510 DM monatlich begrenzt Erziehungsgeld Erziehungsurlaub 1986 Bundeserim Anschluss an den Mutterim Anschluss an den Mutterziehungsschutz bis zum 10. Lebensmonat schutz bis zum 10. Lebensmonat geldgesetz des Kindes Leistungshöhe 600 des Kindes; Rechtsanspruch für (BErzGG) Väter; Teilzeitbeschäftigung bis DM; ab dem 7. Lebensmonat zu 19 Stunden möglich einkommensabhängig 1988 Anspruchsdauer bis 12. Monat Anspruchsdauer bis 12. Monat 1989 (Juni) Anspruchsdauer bis 15. Monat Anspruchsdauer bis 15. Monat 1990 (Juni) Anspruchsdauer bis 18. Monat Anspruchsdauer bis 18. Monat 1992 Anspruchsdauer bis 36. Monat Anspruchsdauer bis 24. Monat 1995 Erziehungsgeldleistung ab dem ersten Monat einkommensabhängig; entfällt oberhalb der Einkommensgrenze ganz Anhebung der Einkommensgren2001 Elternzeit zen ab dem 7. Monat Anspruchsdauer bis zum 36. Lebensmonat, maximal 12 Mona- Budgetregel te alternativ auch zwischen 3.-8. Lebensjahr; Teilzeitbeschäftigung bis zu 30 Stunden möglich; gleichzeitige Inanspruchnahme beider Eltern möglich; Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit 2004 Absenkung der Einkommensgrenzen für die ersten sechs Lebensmonate Elterngeld 2007 BundeselLohnersatzleistung in Höhe von terngeld- und 67% des Nettolohns; AnspruchsElternzeitgedauer 12 Monate bzw. 14 Monate setz (BEEG) bei Inanspruchnahme durch beide Partner Quelle: Bundesregierung (1985); Bundesminister für Jugend (1989); Meisel und Sowka (1995); Bundesministerium für Familie (2001b); Winterfeld (1986); Wiegand (1986); Frerich und Frey (1993b), Bundesministerium für Familie (2005, 2008a)
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geldgesetz an zuvor nicht erwerbstätige Elternteile begründet. Zusätzlich sollten die spezifischen finanziellen Belastungen junger Familien und die steigenden Belastungen eines Alleinverdiener-Elternteils teilweise ausgeglichen werden. Echte Wahlfreiheit sah die Bundesregierung nur dann gegeben, wenn sich Eltern „zwischen tatsächlich gleichwertigen Möglichkeiten entscheiden“ können (Bundesminister für Jugend 1989: 24). Wahlfreiheit im Sinne der Bundesregierung wurde dabei allerdings maßgeblich als Wahl der Familientätigkeit und nicht als Wahl für eine gleichzeitige Vereinbarkeit von Familien- und Berufsaufgaben verstanden. Das Erziehungsgeld wurde deshalb als Transferleistung zur Unterhaltssicherung in der Erziehungsphase aufgefasst und dementsprechend nur gewährt, wenn einer der Elternteile nicht erwerbstätig war. Dabei wurde betont, dass der neu eingeführte Erziehungsurlaub sowohl von Mutter als auch vom Vater in Anspruch genommen werden kann, so dass dem ehelichen „Partnerschaftsprinzip“ Rechnung getragen und die Entscheidungsfreiheit der Eltern gewährleistet werden sollte. Neben der durch den Erziehungsurlaub geschaffenen Rückkehroption auf den früheren Arbeitsplatz wurde Eltern während des Erziehungsurlaubs zudem die Möglichkeit einer geringfügigen Erwerbsarbeit eingeräumt, um ihnen die Entscheidung für den zeitweiligen Verzicht auf die eigene Erwerbstätigkeit weiter zu erleichtern. Diese Teilzeitarbeit von „geringer Dauer“ wurde ermöglicht, da sie „zur Ausgeglichenheit des Elternteils beitragen und damit dem Wohle des Kindes dienen“, „die spätere Rückkehr in das Arbeits- und Berufsleben“ erleichtern, und damit insgesamt die Entscheidung für die Familienarbeit erleichtern sollte (Bundesminister für Jugend 1989: 23). Es war das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass eine feste Bezugsperson die sich Ausschließlich um die Betreuung des Kleinkindes kümmert die Entwicklung des Kindes auf die bestmögliche Weise fördert. Dass Eltern ihre Kinder selbst erziehen wurde dabei sowohl als „humaner“ als auch als „ökonomisch vernünftiger“ angesehen (Bundesminister für Jugend 1989: 23). Gegen die Fremdbetreuung in einer Kinderbetreuungseinrichtung wurden sowohl die hohen Kosten für die Allgemeinheit als auch mögliche psychische und physische Folgeschäden beim Kind angeführt. Zudem weist die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf zur Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes darauf hin, dass Entlastungseffekte auf dem Arbeitsmarkt durch Einstellung von Ersatzkräften der Unternehmen als möglicher positiver Nebeneffekt der Neuregelungen erwartet werden.2 Ebenso wurde ein positiver Einfluss auf die Geburtenentwick2 Berechnungen der Bundesregierung gingen dabei davon aus, dass der Arbeitsmarkt einerseits kurzfristig durch die vorübergehende Ausgliederung der vor Antritt des Erziehungsurlaubs erwerbstätigen Frauen entlastet würde. Diese Zahl belief sich 1987 auf 300.000 Frauen. Von den kurzfristig freiwerdenden Arbeitsplätzen nehmen nach einer Befragung unter betroffenen Betrieben etwa die
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
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lung insgesamt, sowie auf die Entscheidung für ein Kind in einer Schwangerenkonfliktsituation nicht ausgeschlossen und ausdrücklich begrüßt (Bundesminister für Jugend 1989; Notz 1998; Pettinger 1999; Bundesregierung 1985). Bei seiner Einführung 1986 löste das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) dementsprechend alle bisherigen Bestimmungen des Mutterschaftsurlaubs ab (vgl. zum Folgenden Winterfeld 1986; Wiegand 1986; Bundesminister für Jugend 1989; Bundesregierung 1985). Nach dem BErzGG haben alle Personen, die ihren dauerhaften Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, und mit einem nach dem 31.12.1985 geborenen Kind, für das sie das Sorgerecht haben, in einem Haushalt leben und das Kind selbst betreuen und erziehen, Anspruch auf Erziehungsgeld. Im Unterschied zum Mutterschaftsgeld kommt die Transferzahlung nun damit auch Müttern zugute, die vor der Geburt nicht erwerbstätig oder selbständig waren. Der Anspruch auf Erziehungsgeld schließt zudem neben leiblichen Kindern erstmals auch Adoptiv- oder Stiefkinder mit ein. Im Fall eines nicht ehelich geborenen Kindes hat allerdings nur die Mutter, nicht aber der Vater einen Leistungsanspruch. Von dieser Ausnahme abgesehen kann das Erziehungsgeld sowohl von der Mutter als auch dem Vater beansprucht werden, wobei zu Beginn des Gesetzes ein einmaliger, ab 1992 ein dreimaliger Wechsel zwischen den Anspruchsberechtigten möglich war. War die Mutter vor der Geburt erwerbstätig und hat somit Anspruch auf Leistungen des Mutterschutzgesetzes, wird das Mutterschaftsgeld auf das Erziehungsgeld angerechnet. Entscheidende Voraussetzung für den Anspruch auf Erziehungsgeld ist dass während des Leistungsbezugs keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, die über einen Umfang von maximal 19 Wochenstunden hinausgeht. Das Bundeserziehungsgeld wurde zunächst vom Zeitpunkt der Geburt bis zum 10. Lebensmonat des Kindes ausgezahlt. In der Folgezeit wurde die Bezugsdauer des Erziehungsgeldes bis 1992 schrittweise auf 24 Monate erhöht, die unverändert bis zur Neuregelung des Erziehungsgeldes durch Einführung des
Hälfte der Betreibe Neueinstellungen vor (Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung 1991), wobei etwa die Hälfte dieser Ersatzkräfte auch nach der Rückkehr der Erziehungsurlauberin im Betrieb verbleiben konnten (Schiersmann 1998; Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung 1985). Zu einer langfristigen Entlastung des Arbeitsmarktes kommt es, wenn, wie ein Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen errechnete, nur die Hälfte der Frauen aus dem Erziehungsurlaub zurückkehren. Im Jahr 1987 hätte dieser Effekt 150.000 freien Arbeitsplätze entsprochen, um die der Arbeitsmarkt entlastet wurde (Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen 1989). Zudem vermindert sich durch den Erziehungsurlaub die registrierte Arbeitslosigkeit, wenn ein Teil der arbeitslos gemeldeten Frauen in den Erziehungsurlaub wechselt und damit aus der Arbeitslosenstatistik ausscheiden. 1987 rechnete die Bundesregierung mit einer Zahl von 50.000 Frauen im Erziehungsurlaub, die zuvor arbeitslos gemeldet waren (Landenberger 1991; Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung 1985).
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Bundeselterngeldes im Jahr 2007 Geltung hatten.3 Ergänzend zum Bundeserziehungsgeld gewähren einige Bundesländer, zuletzt Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Sachsen für weitere 6 bis 12 Monate im Anschluss an das Bundeserziehungsgeld ein zusätzliches Landeserziehungsgeld (Pettinger 1999). Das Bundeserziehungsgeld wurde dabei bei seiner Einführung bis zum 6. Monat in Höhe des Maximalbetrags von 600 DM monatlich gewährt, während es ab dem 7. Monat einkommensabhängig bemessen wurde. Die Höhe des Erziehungsgeldes wurde zwischen seiner Einführung im Jahr 1986 und der Einführung des Elterngelds im Jahr 2007 allerdings nicht verändert. Dabei entsprach die Erziehungsgeldleistung von maximal 600 DM bei ihrer Einführung zunächst etwa 26 Prozent eines durchschnittlichen weiblichen Angestelltenlohns (Schiersmann 1991). Durch Inflation und Preisentwicklung ist der Geldwert seit seiner Einführung faktisch jedoch laufend gesunken (Budde 1998), und entsprach im Jahr 2000 nur noch etwa 70% der ursprünglichen Leistungshöhe. Die Jahreseinkommensgrenze, ab welcher die Transferleistung vom 7. Bezugsmonat an gemindert wurde, betrug bei Einführung des Erziehungsgelds für Ehepaare 29.400 DM (Bundesminister für Jugend 1989). Seit 1995 gelten auch für die ersten sechs Monate Einkommensgrenzen, die allerdings großzügiger ausfallen und bei 100.000 DM für Ehepaare und bei 75.000 DM für Alleinerziehende liegen. Liegt das Einkommen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes über diesen Grenzen, entfällt für diesen Zeitraum allerdings das Erziehungsgeld ganz (Pettinger 1999; Meisel und Sowka 1995). Ähnlich wie im Falle der Leistungshöhe erfolgte bis zur Reform des Bundeserziehungsgeldgesetzes 2001 auch keine Anpassung der Einkommensgrenzen, wodurch sich der Personenkreis der anspruchsberechtigten Eltern immer weiter verkleinerte. Während 1986 noch 83,6 Prozent der Erziehungsgeldbezieherinnen auch nach dem siebten Bezugsmonat den Erziehungsgeldhöchstsatz erhielten, traf dies 1997 nur noch auf 48 Prozent der Leistungsbezieherinnen zu (Dienel 2002). In ähnlicher Weise haben nach Einführung der Einkommensabhängigkeit der Transferzahlung auch in den ersten sechs Monaten im Jahr 1997 zwar weiterhin 93 Prozent der Antragsteller Erziehungsgeld bezogen, unter ihnen haben aber nur rund 60 Prozent den Maximalbetrag erhalten (Pettinger 1999). Mit der Gesetzesänderung 2001 wurden die Bemessungsgrenzen ab dem siebten Lebensmonat auf 32.200 DM für Ehepaare mit einem Kind erhöht sich 3 Mit dem Elterngeld wurde 2007 erstmals eine familienpolitische Maßnahme eingeführt, bei der die Lohnersatzfunktion im Vordergrund stand (Bundesministerium für Familie 2008a). Mit dem Elterngeld werden Eltern im Rahmen der Elternzeit für insgesamt maximal 14 Monate 67 Prozent ihres vorherigen Erwerbseinkommens ersetzt. Zudem setzen die zwei zusätzlichen „Vätermonate“ erstmals starke finanzielle Anreize für eine Männerbeteiligung an der Betreuungsarbeit. Da die empirische Datenbasis dieser Arbeit nur die Jahre zwischen 1984 und 2004 umfasst, spielt die Neuregelung des Elterngelds für die vorliegende Analyse jedoch keine Rolle mehr.
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dabei und 26.400 DM für Alleinerziehende mit einem Kind angehoben (Bundesministerium für Familie 2001b). Für jedes weitere Kind erhöhen sich die Einkommensgrenzen zusätzlich um 4.880 DM, ab 2002 um 5.470 DM und ab 2003 um zusätzlich 6.140 DM. Gleichzeitig wurde die so genannte Budgetregelung eingeführt, nach der Eltern, die sich für eine Bezugsdauer des Erziehungsgelds von nur 12 statt 24 Monaten entschieden, einen erhöhten monatlichen Satz von maximal 900 DM erhalten konnten (Bundesministerium für Familie 2001b). In einem letzten Reformschritt wurden 2004 schließlich die Bemessungsgrenzen für die ersten sechs Bezugsmonate auf ein Jahreseinkommen von 30.000 Euro im Falle von verheirateten oder in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Eltern bzw. 23.000 Euro für Alleinerziehende abgesenkt. Bei Überschreitung dieser Einkommensgrenzen entfällt das Erziehungsgeld in den ersten sechs Monaten komplett. Außerdem werden seit 2004 Entgeltersatzleistungen wie beispielsweise Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Krankengeld für die Berechnung des Erziehungsgeldes als Einkommen angerechnet (Bundesministerium für Familie 2005). Die wichtigste Voraussetzung für den Bezug von Erziehungsgeld ist jedoch, dass sich der anspruchsberechtigte Elternteil während der Bezugsdauer des Erziehungsgelds vornehmlich um die Betreuung und Erziehung des Kindes kümmert und währenddessen keiner oder einer nur geringfügigen Erwerbstätigkeit nachgeht (vgl. zum Folgenden Winterfeld 1986; Wiegand 1986; Bundesminister für Jugend 1989; Bundesregierung 1985). Um die Entscheidung zur Eigenbetreuung von Kindern für erwerbstätige Eltern zu erleichtern, wurde zeitgleich mit dem Bundeserziehungsgeldgesetz auch der Erziehungsurlaub neu eingeführt. Der Erziehungsurlaub regelt eine zeitlich befristete berufliche Freistellung, während der das bestehende Arbeitsverhältnis ruht und dadurch die Rückkehr ins Erwerbsleben offen gehalten wird. Anspruch auf Erziehungsurlaub haben alle Personen, die einen Anspruch auf Erziehungsgeld haben, einschließlich aller Eltern, an die aufgrund Überschreitens der Einkommensgrenzen kein Erziehungsgeld ausgezahlt wird. Mit dieser Regel wurde es anders als noch beim Mutterschaftsurlaub erstmals auch Vätern ermöglicht, Erziehungszeit für ihr Kind in Anspruch zu nehmen. Der Erziehungsurlaub konnte zum Zeitpunkt seiner Einführung zehn Monate im Anschluss an die Geburt in Anspruch genommen werden und wahlweise von Vater oder Mutter beansprucht werden (vgl. im Folgenden Budde 1998; Notz 1998; Krug 1998; Pettinger 1999). Dabei war gleichzeitig eine wechselnde Anspruchsphase zwischen Vater und Mutter möglich. Kern des Erziehungsurlaubs war die Ausweitung des Mutterschaftsurlaubs zu einem Bestands- und Kündigungsschutz des aktuellen Arbeitsverhältnisses bis zum Ende des Erziehungsurlaubs. Der Kündigungsschutz des BErzGG beginnt sechs Wochen vor
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Beginn des Erziehungsurlaubs und endet mit Ablauf des Erziehungsurlaubs. Gegenüber den Mutterschutz- und Mutterschaftsurlaubsregelungen ist die Schutzfrist damit allerdings um zwei Monate verkürzt worden, da diese ursprünglich um zwei Monate über die eigentliche Anspruchsdauer hinausging und damit auch die ersten Monate der Erwerbstätigkeit nach der Rückkehr auf den Arbeitsplatz abgedeckt hatte. Mit Einführung des BErzGG kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nun unter Einhaltung der Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes, also in der Regel mit dreimonatiger Kündigungsfrist zum Ende des Erziehungsurlaubs kündigen. In begrenzten Ausnahmefällen zum Beispiel bei dem Konkurs eines Arbeitgebers kann von der zuständigen obersten Landesbehörde des jeweiligen Bundeslandes eine Kündigung auch während den Schutzfristen für zulässig erklärt werden, womit die Kündigungsschutzregel des Erziehungsurlaubs keinen absoluten Schutz darstellt. Zusätzlich zum Kündigungsschutz gilt eine Beschäftigungsgarantie, bei der eine Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nur unter arbeitsvertraglich gesondert geregelten Bedingungen möglich ist, und auch nur auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz erfolgen darf. Eine Umsetzung, die mit einer Schlechterstellung, insbesondere einem geringeren Entgelt verbunden wäre ist nicht zulässig. Für alle Frauen, die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen, gelten zudem weiterhin die Schutzfristen und die Mutterschaftsgeldregelungen des Mutterschutzgesetzes (vgl. im Folgenden Budde 1998; Notz 1998; Krug 1998; Pettinger 1999). Während des Beschäftigungsverbots entsteht kein Anspruch auf Erziehungsurlaub, dieser kann abzüglich der Mutterschutzfrist erst im Anschluss an den Mutterschutz in Anspruch genommen werden. Das Mutterschaftsgeld, das als Lohnfortzahlung von Krankenkasse und Arbeitgeber gezahlt wird, wird mit dem Erziehungsgeld verrechnet, so dass für die Zeit des Mutterschutzes meist kein zusätzliches Erziehungsgeld ausgezahlt wird. Gesetzlich Krankenversicherte sind während dem Erziehungsurlaub entweder beitragsfreie Mitglieder ihrer Krankenkasse oder werden über den Ehemann familienversichert. Nur privat Versicherte müssen während dem Erziehungsurlaub zusätzlich zu ihren eigenen Beiträgen auch den Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung entrichten (Pettinger 1999). Die Erziehungsurlaubszeiten werden in der Arbeitslosenversicherung wie Erwerbszeiten behandelt, so dass für einen späteren Bezug von Arbeitslosengeld die Beitragszeiten, die vor oder während dem Erziehungsurlaub angesammelt wurden, ausschlaggebend sind (Bothfeld 2005). Während des Erziehungsurlaubs konnte zu Beginn der Erziehungsurlaubsregelung zudem gleichzeitig einer Teilzeitarbeit von unter 19 Wochenstunden beim selben Arbeitgeber nachgegangen werden. Der Arbeitgeber musste dem Wunsch nach Teilzeitarbeit aber nicht stattgeben. Seit 1994 kann bei Zustimmung des bisherigen Arbeitgebers eine Teilzeiterwerbstätigkeit während des Erziehungsurlaubs
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
95
auch bei einem anderen Arbeitgeber erfolgen. Der bisherige Arbeitgeber kann dies bei entgegenstehenden betrieblichen Interessen allerdings verweigern (Scheiwe 1999). Nach der Einführung 1986 wurde das Bundeserziehungsgeldgesetz parallel zur Verlängerung der Bezugsdauer des Bundeserziehungsgeldes auch mehrfach hinsichtlich der Dauer des Erziehungsurlaubs verändert. Das Bundeserziehungsgeldgesetz von 1986 sollte nach dem Willen der damaligen Bundesregierung lediglich ein Einstieg in eine umfassendere familienpolitische Reform sein, bei der aufgrund der „Bedeutung der elterlichen Erziehung für die Entwicklung der Kinder“ die schrittweise Ausdehnung der Anspruchsdauer auf bis zu drei Jahren von vorneherein angestrebt wurde (Bundesminister für Jugend 1989). Durch eine Reihe anschließender Gesetzesnovellen wurde die Dauer des Erziehungsurlaubs 1988 auf 12 Monate, 1989 auf 15 Monate, und 1990 auf 18 Monate erweitert. Seit 1992 gilt schließlich unverändert ein Anspruch auf Erziehungsurlaub bis zum dritten Geburtstag des Kindes. Dieser Maximalanspruch gilt separat für jedes Kind, so dass im Falle einer weiteren Geburt während des Erziehungsurlaubs ein neuer Erziehungsurlaubsanspruch beginnt (Meisel und Sowka 1995). 2001 wurde das Bundeserziehungsgeldgesetz unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder grundlegenden Reformen unterzogen, wobei insbesondere der Erziehungsurlaub neu geregelt wurde (vgl. hierzu im Folgenden Bundesministerium für Familie 2001b; Dienel 2002). Nach der Gesetzesänderung konnten Eltern die neu benannte Elternzeit nun wahlweise ganz oder zeitweise gleichzeitig in Anspruch nehmen. Während der Elternzeit ist es seither auch möglich, gleichzeitig bis zu 30 Wochenstunden Teilzeit zu arbeiten. Nehmen beide Eltern zur selben Zeit Elternzeit, können sie also gleichzeitig bis zu 60 Stunden arbeiten, womit erstmalig die gemeinsame Betreuung und Erziehung der Kinder durch beide Eltern einen rechtlichen Rahmen bekam. Auf die Reduzierung der Arbeitszeit besteht nunmehr in allen Betrieben mit mehr als 15 Mitarbeitern ein Rechtsanspruch, sofern nicht dringende betriebliche Gründe dagegen sprechen und der Arbeitnehmer bereits mindestens sechs Monate im Betrieb beschäftigt ist. Durch den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit sollten zum einen Väter explizit dazu ermutigt werden, die Elternzeit tatsächlich in Anspruch zu nehmen, zum anderen sollte es dadurch Müttern erleichtert werden, den Kontakt zum bisherigen Arbeitsplatz aufrechtzuerhalten. Schließlich kann seit 2001 mit Zustimmung des Arbeitgebers ein Jahr der Elternzeit auch über den 3. Geburtstag des Kindes hinaus verschoben werden und erst zwischen dem 3. und 8. Geburtstag des Kindes beansprucht werden. Keinen Anspruch auf Erziehungsurlaub nach dem BErzGG haben Beamte, Richter und Soldaten, die Erziehungsurlaubsverordnung (ErzUrlv) räumt ihnen aber einen vergleichbaren Sonderurlaubsanspruch ein (vgl. im Folgenden
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Schiersmann 1991; Kurz 1998; Wendt und Maucher 2000; Battis 1997). Beamten und Richter haben seit 1969 mit dem Beamtenrahmengesetz sowie dem 6. Gesetz zur Änderung beamten- und besoldungsrechtlicher Vorschriften die Möglichkeit die Arbeitszeit zu reduzieren oder sich langfristig ohne Dienstbezüge beurlauben zu lassen. Der Anspruch war zunächst auf Frauen beschränkt, kann mittlerweile aber auch von Männern wahrgenommen werden. Der Zeitrahmen betrug anfangs 12 Jahre und ist seit 1984 auf 18, in Ausnahmefällen auf 20 Jahre ausgeweitet worden. Dabei bezieht sich die Anspruchsvoraussetzung nicht ausschließlich auf die Betreuung von Kleinkindern, sondern kann sowohl wegen einem im Haushalt lebenden Kind unter 18 Jahren als auch aufgrund einer pflegebedürftigen Person im Haushalt beansprucht werden. Dabei besteht ein Rückkehranspruch auf einen gleichwertigen, jedoch nicht unbedingt den früheren Arbeitsplatz. Außerdem besteht innerhalb dieser Fristen die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf bis zu die Hälfte der Regelarbeitszeit zu reduzieren.4 Wie Tabelle 3.3 zeigt, wurde mit der Einführung des BErzGG durch Einbeziehung nicht erwerbstätiger Mütter der Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich erweitert. Betrafen die Regelungen des Mutterschaftsurlaubs in den Jahren 1979 bis 1985 nur zwischen 51-55 Prozent der Mütter, so wurden ab 1986 für durchschnittlich etwa 95 Prozent der Geburten Leistungen nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz bezogen. Dabei ist der Anteil der Leistungsempfängerinnen an allen Geburten von anfangs 97 Prozent über die Zeit leicht auf 93,2 Prozent gesunken. Gleichzeitig unterschätzt die amtliche Statistik zum Erziehungsgeld noch den Anteil der Eltern, die zwar im Erziehungsurlaub sind, aber keinen Antrag auf Erziehungsgeld gestellt haben, weil ihr Einkommen über den Einkommensgrenzen liegt (Engelbrech und Reinberg 1998). Da die Einkommensgrenzen nie an die Preisentwicklung angepasst wurden, und ab 1995 auch für den Leistungsbezug in den ersten sechs Monaten nach der Geburt eingeführt wurden, dürfte der Anteil der untererfassten Eltern zudem über die Zeit angestiegen sein.
4 Außerdem wird der gesetzliche Erziehungsurlaub durch Sonderabsprachen in Branchentarifverträgen sowie Betriebsvereinbarungen großer Firmen teilweise zusätzlich ausgeweitet (vgl. im Folgenden Pettinger 1999; Schiersmann 1991). So besteht im öffentlichen Dienst mit Einverständnis des Arbeitgebers beispielsweise die Möglichkeit einer zusätzlichen Freistellung zur Kinderbetreuung oder Pflege von Familienangehörigen von bis zu fünf Jahren, die einmalig um weitere fünf Jahre verlängert werden kann. Darüber hinaus bestehen in sechs Branchen zusätzliche Branchentarifverträge, die eine über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Freistellung zur Kinderbetreuung zwischen 6 Monaten und 2 Jahren ermöglichen. Auch große Firmen haben oft zusätzliche Freistellungsregeln von 1 bis 4 Jahren, wobei die Bedingungen stark variieren und den Bedürfnissen der jeweiligen Firma angepasst sind. All diesen Sondervereinbarungen ist gemeinsam dass die Rückkehrbedingungen und die Beschäftigungsgarantie sehr viel vager gehalten ist als bei den Regelungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes.
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik Tabelle 3.3: Inanspruchnahme 1981-2004
von
Mutterschafts-
Erziehungsgeldempfänger1 Jahr
1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004
insgesamt
320.617 321.804 301.907 274.998 270.100 521.400 613.995 639.934 649.796 680.897 789.703 769.685 703.386 788.562 723.477 725.468 751.245 732.372 715.287 703.123 650.000670.000² 653.365 647.031 432.494³
Inanspruchnahme in % der Mütter
Männeranteil in %
und
97 Erziehungsgeld,
davon abhängig Beschäftigte insgesamt in %
im Erzieim Erziehungsurlaub hungsurlaub Männer Frauen mit Teilzeit
mit Teilzeit
55,3 55,6 52,6 50,9 51,4 83,3 97,0 95,6 96,5 95,2 96,5 96,7 90,4 103,8 95,9 92,5 93,9 94,8 94,3 93,2 90-92
1,4 1,1 1,1 1,2 1,0 1,0 1,0 1,3 1,5 1,7 2,3 2,5 2,7 2,7 2,6 2,1
100 100 100 100 100 k.A. 44,7 45,1 46,5 46,3 53,3 53,9 54,7 54,6 57,0 58,1 57,3 56,8 57,1 k.A. k.A.
k.A. 2,6 2,2 2,5 3,2 3,2 3,4 3,7 3,9 3,9 3,4 3,5 3,9 3,9 k.A. k.A.
k.A. 9,5 10,1 10,4 13,2 13,1 14,4 14,1 14,8 14,8 15,5 15,0 15,2 15,7 k.A. k.A.
92,4 93,1 61,3
2,2 2,6 2,8
55,8 56,0 49,9
k.A. 8,1 5,2
k.A. 36,3 36,9
Anmerkung: ab 1995 nur Erstanträge; 1 vor 1986: Mutterschutzgeldempfängerinnen; ² auf Grund der Novelle 2001 nur Schätzungen bezüglich des Erstantrags möglich; ³ Teilerfassung. Quelle: Bundesministerium für Familie (2001a); Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (2003); Statistisches Bundesamt (div. Jahrgänge-b)
Insgesamt ist mit der Einführung des Erziehungsurlaubs der Anteil von Frauen, die sich im Mutterschutz oder im Erziehungsurlaub befanden, an allen erwerbstätigen Frauen auf 6 Prozent angestiegen (Engelbrech und Reinberg 1998). Der Anteil der bis zur Geburt erwerbstätiger Mütter hat dabei im Lauf der Zeit ebenfalls zugenommen (vgl. Tabelle 3.3). Standen noch 1987 nur 45 Prozent der Empfängerinnen von Erziehungsgeld in einem Beschäftigungsverhält-
98
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
nis, so lag der Anteil zuvor erwerbstätiger Mütter im Jahr 2003 bereits bei 56 Prozent. Andererseits ist der Anteil der verheirateten Frauen mit Kleinkindern an allen Beschäftigten seit 1986 rückläufig (Engelbrech und Reinberg 1998), und auch der Anteil der der Erziehungsgeldempfängerinnen, die während dem Erziehungsurlaub gleichzeitig einer Teilzeitarbeit nachgehen, ist sehr gering (vgl. Tabelle 3.3). Die Möglichkeit der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung während dem Erziehungsurlaub wurde dabei beispielsweise 1997 während des ersten Jahres des Erziehungsurlaubs nur von 3,5 Prozent und auch im zweiten Jahr des Erziehungsurlaubs nur von 6,5 Prozent der Mütter genutzt (Pettinger 1999; vgl. auch Tabelle 3.3). In diesen Zahlen sind allerdings die Frauen untererfasst, die während des Erziehungsurlaubs einer lediglich geringfügigen Beschäftigung nachgehen, und deren Anteil nach einem Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (1989) Ende der 1980er Jahre bei ungefähr einem Viertel der Mütter lag. Allerdings liegt auch der Anteil der Frauen, die direkt nach dem Erziehungsurlaub wieder in ihren Beruf zurückkehren und somit effektiv die Arbeitsplatzgarantie der gesetzlichen Regelungen nutzen, nur bei ungefähr 50 Prozent. Zudem arbeiten fast doppelt so viele Berufsrückkehrerinnen in Teilzeit- wie in Vollzeittätigkeiten (Dienel 2002). Dabei zeigen Untersuchungen auch, dass der Wiedereintritt in den Beruf trotz der Regelungen des Erziehungsurlaubs mit Problemen behaftet ist. So macht ein Teil der Arbeitgeber von der Möglichkeit Gebrauch, das Arbeitsverhältnis zum Ende des Erziehungsurlaubs zu kündigen. Nach Befragungsdaten aus den Jahren 1997 bis 2000 waren davon etwa 8 Prozent der Frauen in Westdeutschland und 18 Prozent der Frauen in Ostdeutschland im Erziehungsurlaub betroffen (Beckmann und Kurtz 2001). Im Anschluss an den Erziehungsurlaub sind deshalb etwa sechs Prozent der Mütter mit Kindern im Kindergartenalter arbeitssuchend, so dass die Arbeitslosenquote dieser Gruppe mit insgesamt 12 Prozent über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Außerdem geben in Befragungen mehr als die Hälfte der nicht berufstätigen und nicht arbeitssuchenden Mütter mit Kindern im Kindergartenalter an, gerne berufstätig sein zu wollen (Engelbrech und Reinberg 1998). Ebenso zeigen die Daten aus Tabelle 3.3, dass der Anreiz für Männer, in den Erziehungsurlaub zu gehen, auch nach Einführung des BErzGG weiterhin sehr gering ist. Der Anteil der männlichen Empfänger des Erziehungsgelds lag 1987 bei nur 1,1 Prozent, und auch fast zwanzig Jahre später hat sich die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bei einem Männeranteil von unter 3 Prozent kaum verändert. Ebenso wird nur selten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Anspruch auf Erziehungsurlaub zwischen den Elternteilen aufzuteilen (Pettinger 1999). Faktisch ist der Erziehungsurlaub in der Bundesrepublik damit ein Mutterschaftsurlaub geblieben. In einer Studie im Auftrag des Bundesminis-
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
99
teriums zu Vätern im Erziehungsurlaub geben 75 Prozent der Väter an, aus finanziellen Gründen und aufgrund des Wegfalls des größeren Teils des Familieneinkommens den Erziehungsurlaub nicht in Anspruch zu nehmen (Vaskovics und Rost 1999). Als weitere Gründe werden Arbeitsplatz- und berufsbedingte Sorgen genannt, und ein großer Teil der Väter befürchtete Probleme bei der Rückkehr auf den Arbeitsplatz, Karrierenachteile sowie negative Reaktionen des Arbeitgebers und von Kollegen. Unter den Männern, die trotzdem Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, ist ein auffallend großer Anteil von über 70 Prozent zuvor arbeitslos gewesen (Schiersmann 1991). Gleichzeitig lag der Anteil der Väter, die während des Erziehungsurlaubs einer Teilzeittätigkeit nachgehen, mit etwa 15 Prozent deutlich höher als unter den Müttern.
Förderung der außerhäuslichen Betreuung von Kindern Neben der großzügigen Gewährung von Erwerbsfreistellungen für Eltern zeichnet sich die deutsche Familienpolitik allerdings seit Jahrzehnten durch eine nur zögerliche Förderung der außerhäuslichen Betreuung von Kindern aus (Frerich und Frey 1993b; OECD 1996; De Henau et al. 2006). Im Deutschland der Nachkriegszeit wurde die Betreuung und Erziehung von Kindern sowohl als Recht als auch als Pflicht der Familie angesehen, wobei der Staat nicht zuletzt aufgrund der historischen Erfahrung des Dritten Reichs nur eine untergeordnete Rolle zu spielen hat. Erst allmählich setzte sich mit sinkender Zahl von Geschwistern und Großfamilien die pädagogische Einsicht durch, dass der Kontakt von Kindern mit Gleichaltrigen die kindliche Entwicklung befördert. In Deutschland fällt die Verantwortung der Errichtung und Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen in den Zuständigkeitsbereich der Kommunen (vgl. im Folgenden Kreyenfeld et al. 2002; Dienel 2002). Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) bestimmt dabei lediglich das Betreuungsangebot und legt bundeseinheitliche Rahmenbedingungen fest. Die Ausführungsgesetzgebung liegt hingegen bei den Bundesländern, die Bau- und die Betriebskosten werden dabei unter Gewährung von Landeszuschüssen von den Kommunen finanziert und die Planungsaufgaben liegen bei den kommunalen Jugendämtern. Ein Teil der Betreuungseinrichtungen werden von den Kommunen selbst gebaut und unterhalten, den anderen Teil stellen freie Träger wie Kirchen und Wohlfahrtsverbänden mithilfe kommunaler Subventionen bereit. Dabei beträgt der Anteil der Betreuungsplätze, die von freien Trägern unterhalten werden, ungefähr 50 Prozent aller Kinderbetreuungsplätze (Kreyenfeld und Hank 2000). Kennzeichnend für das Angebot öffentlicher Kinderbetreuung in der Bundesrepublik ist die Bedeutung der Kindergärten, die die vorschulische Betreuung
100
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
von drei- bis sechsjährigen Kindern leisten. Wie Tabelle 3.4 zeigt, stand Mitte der 1960er Jahren nur für etwa jedes dritte Kind in dieser Altersgruppe ein Kindergartenplatz zur Verfügung. Wobei es sich bei diesen Betreuungsplätzen überwiegend nur um Halbtagsbetreuung handelte. Im Zuge der Bildungsexpansion wurden Kindergärten als Einrichtungen erkannt, die die Bildungsressourcen in Deutschland besser ausschöpfen sollten um die internationale Konkurrenzfähigkeit Deutschlands sicher zu stellen (vgl. im Folgenden Kuller 2004). Mit der gleichzeitigen gesteigerten Nachfrage nach Kinderbetreuungsangeboten Anfang der 1970er Jahre ausgelöst durch die immer weiter ansteigende Frauenerwerbsbeteiligung, einigte sich eine Bund-Länder-Kommission auf Initiative der damaligen Bundesregierung auf den Ausbau der öffentlichen Kindergartenplätze. Im Anschluss verdoppelte sich die Versorgungsquote mit Kindergartenplätzen von 32 Prozent im Jahr 1965 auf über 65 Prozent im Jahr 1975. Die Zahl der Kinderbetreuungseinrichtungen stieg dabei um über 50 Prozent an und die Gesamtzahl der Betreuungsplätze steigerte sich von rund 950 000 Plätze auf fast 1,5 Millionen, so dass 1975 für jedes zweite Kind ein Kindergartenplatz zur Verfügung stand (Kuller 2004). Der weitere Anstieg in den Versorgungsquoten auf beinahe 80 Prozent im Jahr 1980 geht jedoch auf die rapide sinkenden Geburtenzahlen zurück, die dazu führten, dass die Zahl der Kinder im Kindergartenalter zwischen 1975 um 1981 fast um eine Million absank, so dass sich die Angebotsrelation ohne gleichzeitigen weiteren Ausbau der Betreuungsplätze entsprechend deutlich verbesserte (Bundesminister für Jugend 1984). Obwohl der Ausbau der öffentlichen Kindergärten auch eine stärkere Förderung der außerhäuslichen Betreuung von Kindern signalisierte, blieb die öffentliche Betreuung von Kleinkindern unter drei Jahren eine Randerscheinung. Dabei wurde auf Initiative der damaligen SPD-FDP Regierung zwischen 1974 und 1979 das so genannte Tagesmütter-Modell erprobt, das einen Mittelweg zwischen Familien- und Fremdbetreuung von Kleinkindern darstellte (Arbeitsgruppe Tagesmütter 1977, 1980). Dabei betreute jeweils eine vom zuständigen Jugendamt oder einem freien Träger angestellte und bezahlte zuvor in einem Seminar geschulte Tagesmutter bis zu drei Kinder unter vier Jahren in ihrer eigenen Wohnung. Allerdings blieb das Projekt auf 250 Kinder die von insgesamt 167 Tagesmüttern betreut wurden recht begrenzt. Obwohl Begleitforschungen keinerlei Nachteile der so betreuten Kinder gegenüber in der eigenen Familie betreuten Kindern feststellen konnte wurde das Modellprojekt sowohl von den Oppositionsparteien als auch in der Öffentlichkeit stark kritisiert und schließlich nach dem Regierungswechsel 1983 von der neu gewählten CDU-FDP Regierung aus Sorge um kindliche Folgeschäden eingestellt (Arbeitsgruppe Tagesmütter 1980; Bundesministerium für Familie 2006a; Dienel 2002).
3.2 Die Entwicklung der Familienpolitik in der Bundesrepublik
101
Tabelle 3.4: Versorgungsquoten öffentlicher Kinderbetreuungsangebote, 19652002 Kinderkrippenplätze 0-2 Jahre Alte BunNeue Bundesländer desländer 1965 1970 1975 1980 1986 1990 1991 1994 1998 2002
0,6 0,6 1,3 1,5 1,6 1,8 2,2 2,8 2,7
54,2 41,3 36,3 37,0
Kindergartenplätze 3-6 Jahre Alte BunNeue Bundesländer desländer 31,8 38,5 65,5 78,0 79,0 79,9 85,2 87,0 88,1
114,3 116,8 132,0 105,1
Kinderhortplätze 6-12 Jahre Alte BunNeue Bundesländer desländer 2,1 1,8 2,1 3,9 4,4 5,0 5,1 6,1 7,3
50,1 59,7 68,3 68,5
Anmerkung: Versorgungsquote berechnet als Anteil der Plätze in der jeweiligen Platzkategorie pro 100 Kinder in der entsprechenden Altersgruppe. Quellen: Bertram et al. (1993); Bauereiß et al (1997); Statistisches Bundesamt: Fachserie 16, Reihe 6.3.1.
Dementsprechend hat sich seither die Versorgungslage für Kleinkinder unter drei Jahre in Westdeutschland kaum verändert, so dass Kleinkindbetreuung im Angebot der öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen kaum eine Rolle spielt. Während 1970 für 0,6 Prozent der Kinder unter drei Jahren ein Krippenplatz zur Verfügung stand, waren es 1986 1,6 Prozent und auch bis ins Jahr 2002 ist die Versorgungsquote nur auf 2,7 Prozent angestiegen (vgl. Tabelle 3.4 oben). Dabei zeigt sich, dass die öffentlich geförderte Betreuung von Kleinkindern in Westdeutschland nach wie vor eine Randerscheinung darstellt (Büchel und Spieß 2002), bei der das Betreuungsangebot in keiner Weise mit der steigenden Müttererwerbstätigkeit und Betreuungsnachfrage mit gewachsen ist (Wrohlich 2005, 2006). Tatsächlich räumt die Bundesregierung erst in ihrer Stellungnahme zum siebten Familienbericht 2006 ein, dass „von einer qualitativ hochwertigen frühzeitigen und individuellen Förderung durch passende Betreuungsangeboten … sowohl positive Effekte für die Entwicklung der Kinder als auch für die Lebensplanung von Eltern durch bessere Bedingungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ ausgehen (Bundesministerium für Familie 2006a: XXVI). Mit Wirkung zum 1. Januar 2005 wurde von der Bundesregierung deshalb im so genannten Tagesbetreuungsausbaugesetz der Ausbau eines bedarfsgerechten Angebots an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren beschlossen. Gleichzeitig wird
102
3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
auch der Ausbau von Betreuungsplätzen bei Tagesmüttern wieder als positiv und förderungswürdig angesehen. Im Vergleich dazu erfolgte der Ausbau der Kindergartenbetreuung wesentlich zügiger. Bereits in den 1990er Jahren wurde die Vollversorgung mit Kindergartenplätzen angestrebt, und seit 1999 besteht bundesweit ab dem vollendeten dritten Lebensjahr ein uneingeschränkter Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz (Dienel 2002). Allerdings bezieht sich dieser Rechtsanspruch nur auf eine Halbtagsbetreuung von vier Stunden am Tag, und war bislang noch nicht ausreichend, um eine Vollversorgung mit Kindergartenplätzen sicher zu stellen. Nachdem die Versorgungsquote mit Kindergartenplätzen 1990 in Westdeutschland bereits einen Stand von etwa 80 Prozent erreicht hatte, ist auch nach Einführung des bundesweiten Rechtsanspruchs bis ins Jahr 2002 nur eine Erhöhung der Versorgungsquote auf 88 Prozent zu beobachten gewesen, so dass die öffentlichen Kinderbetreuungsangebote immer noch keine Vollversorgung für Kinder zwischen 3 und 6 Jahren erreichen. Vergleichsweise problematisch ist die Betreuungssituation auch für Grundschulkinder, wobei in Westdeutschland nur für eine kleine Minderheit von etwa 5-7 Prozent der Kinder Hortplätze zur Verfügung stehen (vgl. Tabelle 3.5 und Tabelle 3.6). Gleichzeitig erschweren die weithin vorherrschende Form der Halbtagsschule, tageweise und irregulär schwankende Unterrichtszeiten, häufiger Stundenausfall und lange Ferien Eltern die Planbarkeit der Kinderbetreuung und schränken die Verfügbarkeit zumindest eines Elternteils für den Arbeitsmarkt deutlich ein (Bäcker et al. 2000; Schiersmann 1991; Scheiwe 1999). Konzepte zur Einführung von Ganztagschulen, Schulmittagessen oder schulischer Hausaufgabenbetreuung gewinnen erst langsam an Popularität und werden im Zuge der entsprechenden Initiative der rot-grünen Bundesregierung erst allmählich ausgebaut. Hinzu kommt, dass sich aufgrund der dezentralen Planungsverantwortung das öffentliche Kinderbetreuungsangebot in Deutschland durch starke regionale Unterschiede in der Angebotsstruktur wie im Angebotsumfang auszeichnet (Kreyenfeld et al. 2002; Spieß und Büchel 2003; Kreyenfeld und Hank 2000; vgl. Tabelle 3.5). Besonders deutlich sind die Unterschiede selbstverständlich zwischen West- und Ostdeutschland, wo auch nach der Wiedervereinigung ein Großteil der zu DDR-Zeiten flächendeckend geschaffenen Betreuungsinfrastruktur erhalten blieb. So sind die Versorgungsquoten öffentlicher Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahre sowie für Kinder im Grundschulalter in den neuen Bundesländern Deutschlands ungefähr zehnmal so hoch wie in den westlichen Bundesländern. Und obwohl nach der Wiedervereinigung auch in den neuen Bundesländern Betreuungsplätze abgebaut wurden, standen hier im Jahr 2002 für 37 Prozent der Kinder unter drei Jahren, für 105 Prozent der Kinder im
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Kindergartenalter und für 69 Prozent der Kinder im Grundschulalter ein Betreuungsplatz in einer öffentlichen Einrichtung zur Verfügung. Große Angebotsunterschiede finden sich auch zwischen einzelnen Bundesländern, und insbesondere zwischen Flächenländern und Stadtstaaten (Deutsches Jugendinstitut 2002; 2005; vgl. Tabelle 3.5). Dabei sind die Versorgungsquoten vor allem in der Kleinkindbetreuung für Kinder unter drei Jahren sowie bei Hortplätzen für Kinder im Schulalter in den Stadtstaaten deutlich höher als in den westlichen Flächenstaaten. Kinderkrippen sind in den alten Bundesländern geographisch beinahe ausschließlich auf drei Großstädte konzentriert. Hamburg, Bremen und Berlin stellten 2002 für 10 bis 36 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen öffentlich geförderten Betreuungsplatz zur Verfügung, in allen anderen westlichen Flächenländern betrug die Versorgungsquote nur 2,4 Prozent der Kinder, und in Bayern oder Nordrhein-Westfalen sogar nur für ungefähr 2 Prozent. Zudem ist der Zugang zu diesen wenigen Krippenplätzen meist stark selektiv geregelt, und wird für Notfälle wie Alleinerziehende oder Fälle in den ökonomische Gründe die beide Eltern zur Erwerbstätigkeit zwingen vorgehalten (Pettinger 1999; Bundesministerium für Familie 2006b). Ähnlich stark heben sich die Stadtstaaten in der Versorgungsquote für Hortplätze aus dem Angebot der übrigen westlichen Bundesländer hervor. Berlin kann 60 Prozent der Kinder im Schulalter mit Hortplätzen versorgen, in Bremen sind es 18 Prozent und in Hamburg 25 Prozent, während alle anderen westlichen Tabelle 3.5: Versorgungsquote öffentlicher Betreuungsangebote nach Bundesländern, Stand 2002 Kinderkrippe
Kindergarten
Kinderhort
Baden-Württemberg Bayern Berlin (gesamt) Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Schleswig-Holstein
2,3 2,1 35,8 10,0 13,1 3,7 2,3 2,1 2,7 4,8 2,6
103,7 87,5 90,0 96,8 73,8 94,0 83,0 84,6 105,7 101,2 82,1
4,8 7,1 59,2 18,3 24,9 9,9 4,5 6,4 4,7 6,5 5,5
westliche Flächenländer östliche Flächenländer Stadtstaaten
2,4 37,0 25,8
90,6 105,1 84,0
6,0 67,6 43,1
Anmerkung: Versorgungsquote berechnet als Anteil der Plätze in der jeweiligen Platzkategorie pro 100 Kinder in der entsprechenden Altersgruppe. Quelle: Deutsches Jugendinstitut (2002, 2005); Statistisches Bundesamt (div. Jahrgänge-a)
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Flächenländer im Durchschnitt nur auf eine Versorgungsquote von 6 Prozent kommen. Weniger eindeutig ist die Tendenz zwischen Stadtstaaten und Flächenländern bei den Kindergärten, da hier insbesondere Hamburg mit einer Versorgungsquote von nur 74 Prozent deutlich hinter anderen westlichen Bundesländern zurückbleibt, die im Durchschnitt eine Versorgungsquote von ungefähr 91 Prozent erreichen. Analog zur Variation zwischen Stadtstaaten und Flächenländern fallen auch die Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen aus, wobei auch in diesem Fall der Unterschied besonders bei Krippen- und Hortplätzen stark ausgeprägt ist. So beträgt die Versorgungsquoten mit Krippenplätzen in westdeutschen Kreisen mit einer Bevölkerungsdichte unter 500 Einwohnern pro Quadratmeter nur die Hälfte der entsprechenden Versorgungsquote von Kreisen mit mehr als 500 Einwohnern (Kreyenfeld und Hank 2000; Deutsches Jugendinstitut 2005). Neben dem oft ungenügenden Platzangebot lassen sich zudem die Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen oft nicht mit den Arbeitszeitanforderungen erwerbstätiger Eltern vereinbaren. Vor allem in den westlichen Flächenländern ist das Angebot an Ganztagsbetreuungsplätzen und Mittagsverpflegung gering. Wie die Daten aus Tabelle 3.6 zeigen, sehen in den westlichen Flächenländern über 75 Prozent aller Kindergartenplätze nur eine Halbtagsbetreuung der Kinder vor. Dabei sind Öffnungszeiten von 8 bis 12 Uhr beziehungsweise von 12 bis 16 Uhr die Regel und damit auf eine Weise standardisiert, die sogar eine Teilzeiterwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils erschweren (Bundesministerium für Familie 2006a). Auch in diesem Fall zeigt sich wieder, dass die Versorgung mit Ganztagsplätzen starke regionale Unterschiede aufweist und in den östlichen Flächenländern sowie den Stadtstaaten weit besser ausgebaut ist. Zum Teil ergeben sich diese regionalen Unterschiede auch aus der kommunalen Zuständigkeit für die Errichtung und Finanzierung von KinderbetreuungsTabelle 3.6: Verfügbares Platzangebot in öffentlichen Kinderbetreuungseinrichtungen zur Ganztagsbetreuung mit Mittagessen, Stand 2002 Kinderkrippe
Kindergarten
V
V
G
G
Kinderhort V
G
Westl. Flächenländer
1,74
72,4
21,4
23,6
5,0
83,0
Östliche Flächenländer
36,2
97,8
103,1
98,1
49,9
73,8
Stadtstaaten
23,5
91,2
36,8
75,9
38,4
89,0
Anmerkungen: V - Versorgungsquote (Anteil der Plätze in der jeweiligen Platzkategorie pro 100 Kinder in der entsprechenden Altersgruppe); G - Anteil an Ganztagsplätzen an allen Plätzen in der entsprechenden Platzkategorie. Quelle: Statistisches Bundesamt (div. Jahrgänge-a); Deutsches Jugendinstitut (2005); eigene Berechnungen
3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich
105
einrichtungen. Nach einer Erhebung in Nordrhein-Westfalen Anfang der 1990er Jahre entstehen bei der Neuschaffung eines städtischen Kindergartenplatzes etwa Kosten von 18.000 DM für einen Krippenplatz sogar mehr als das doppelte. Außerdem entstehen für einen halbtags Kindergartenplatz jährliche Betriebskosten von 4.500 DM für einen Ganztagsplatz 6.700 DM und für einen Krippenplatz werden jährliche Betriebsmittel von 16.000 DM benötigt (Sachverständigenkommission der Bundesregierung 1994). Ungefähr 90 Prozent dieser Kosten werden von den Gemeinden getragen, die Elternbeiträge fallen in Deutschland hingegen eher gering aus und decken nur ungefähr 10-20 Prozent der Unterhaltskosten. Die Höhe der Elternbeiträge wird dabei entweder vom Bundesland oder der Kommune festgelegt, sie ist aber in jedem Fall einkommensabhängig und nach Betreuungszeit gestaffelt. Nach einer Berechnung mit Daten des Sozioökonomischen Panels beliefen sich die Elternbeiträge in Westdeutschland für einen Ganztagsplatz in einer Kinderkrippe auf durchschnittlich 218 Euro im Monat für einen ganztägigen Kindergartenplatz waren es mit 103 Euro rund die Hälfte (Wrohlich 2005). Gleichzeitig ist anzumerken, dass die staatliche Regulierung der Betreuungseinrichtungen einerseits bei typischerweise geringen Elternbeiträgen für eine hohe Qualitätssicherung und Verlässlichkeit der Einrichtungen sorgt, andererseits auch das Entstehen eines privaten Betreuungsmarktes verhindert (Kreyenfeld und Hank 2000; OECD 1996). Hohe Auflagen an private Anbieter bezüglich der Räumlichkeiten und der Qualifikation der Betreuerinnen, die Abhängigkeit von einer Zulassung durch die zuständigen Jugendämter sowie die Verweigerung staatlicher Subventionen, wie sie beispielsweise freien Trägern gewährt werden, verhindern das Entstehen eines privaten Betreuungsmarktes in Deutschland weitgehend. Ohne staatliche Subventionen und bei gleichzeitig hohen Auflagen sind private Anbieter auf vergleichsweise hohe Elternbeiträge angewiesen, wodurch der private Markt für Betreuungseinrichtungen im Unterschied zu anderen Ländern auf eine Randerscheinung reduziert wird.
3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich Die Frage, wie den Anforderungen von Arbeitswelt und Familie gleichzeitig Genüge getan werden kann, stellt sich nicht allein in der Bundesrepublik. Wie in Deutschland so war auch in anderen Industriegesellschaften die komplette Trennung dieser beiden Sphären lange Zeit gesellschaftlich anerkannte und vor allem in Mittelschichtsfamilien gängige Lösung, womit das strukturelle Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf individualisiert und in den Bereich privater Handlungsspielräume verwiesen wurde (Scheiwe 1993). Traditionellerweise kam
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
dem Mann die Verantwortung für die Ernährung und finanzielle Absicherung der Familie durch Erwerbsarbeit zu, während Frauen die unbezahlte Versorgungsund Reproduktionsarbeit im Haus oblag. Die unterschiedlichen traditionellen Rollenmuster innerhalb der Familie verfestigten dabei die Trennung der Erwerbs- und der Hausarbeit zunehmend (Rosenfeld et al. 2004; Blossfeld et al. 2001), während das „Normalarbeitsverhältnis“ sich ganz an einer männlichen Erwerbskarriere orientierte, in welcher der Mann ohne Doppelbelastung und gleichzeitiger Koordination einer Familie uneingeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Der Arbeitstag strukturiert sich dementsprechend nach festen Kernarbeitszeiten, wobei je nach Bedarf des Unternehmens der zusätzliche flexible Einsatz in Schicht-, Nacht-, Feiertagsund Wochenendarbeit sowie Überstunden erwartet wird. Das dominante Muster der Erwerbskarriere besteht in der ununterbrochenen Vollzeiterwerbstätigkeit zwischen dem Ende der Berufsausbildung und dem Eintritt ins Rentenalter, wobei Beförderung und Entlohnung streng an Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit gekoppelt sind und längere Erwerbsunterbrechungen nicht vorgesehen sind. Dieses Erwerbsmuster setzt gleichzeitig eine nicht erwerbstätige Frau voraus, die die Familienarbeit zuhause koordiniert und so den uneingeschränkten Arbeitsmarkteinsatz des Mannes möglich macht. Diese streng geschlechtsspezifische Aufgabenteilung befindet sich mit der steigenden Bildungs- und Erwerbsbeteiligung von Frauen, sowie ihrer insgesamt wachsenden gesellschaftlichen Teilhabe seit den 1970er Jahren in allen westlichen Industriegesellschaften zunehmend in Auflösung. Gleichzeitig stellt sich damit die Frage aufs Neue, wie der Kinder- und Sorgearbeit einerseits und der Erwerbsarbeit andererseits gesellschaftspolitisch gerecht zu werden ist, wenn dabei nun auch noch das Ziel gleicher Lebenschancen von Männern und Frauen realisiert werden soll. Dabei ist offensichtlich, dass die institutionelle Veränderungen, die sich als Reaktion auf den Wandel der gesellschaftlichen Rolle von Frauen ergeben, nicht strukturell determiniert sind, sondern dass sich abhängig davon, ob der Zielkonflikt zwischen Erwerbstätigkeit und Familie aus arbeitsmarkt-, kinder-, familien- oder frauenpolitischer Perspektive betrachtet wird, Lösungsansätze und politische Maßnahmen voneinander unterscheiden werden. Interessanterweise zeigt der internationale Vergleich der familienpolitischen Profile unterschiedlicher Industriegesellschaften, dass entsprechend unterschiedliche Leitbilder zur Ausbildung unterschiedlicher familienpolitischer Institutionen geführt haben, mit der eine Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. In idealtypischer Form lassen sich dabei drei mögliche Modelle zur Koordination von Familien- und Arbeitsmarktzeiten unterscheiden (vgl. im Folgenden Lampert 1996; Dienel 2002; Schiersmann 1998; Scheiwe 1999; Gauthier 1996).
3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich
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Ein erstes Modell einer „sukzessiven Vereinbarkeit“ basiert auf einer strikten traditionellen Rollenverteilung, bei der allein die Mutter in zeitlich abwechselnden Phasen der Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung ihre Lebensplanung an die wechselseitigen Zeitanforderungen der Familie anpasst. Auf eine erste Berufsausbildungs- und Erwerbstätigkeitsphase folgt dabei nach der Familiengründung eine längere Phase, während der sich die Frau ganz auf die Kindererziehung und -betreuung ohne parallele Erwerbstätigkeit konzentriert. Diese intensive Familienphase dauert dabei so lange an, bis das jüngste Kind keine intensive Betreuung der Eltern mehr benötigt, und erst nach Abschluss dieser Phase kehrt die Mutter dann entweder in Teilzeit oder Vollzeit auf den Arbeitsmarkt zurück. Dieses Modell ist offenkundig ganz auf das Leitbild des männlichen Haupternährers zugeschnitten, der als Alleinverdiener für den Familienunterhalt aufkommt. Flankierende staatliche Maßnahmen konzentrieren sich auf familienpolitische Transferleistungen oder steuerliche Entlastungen, mit welchen zusätzlich anfallende Kosten sowie die Belastung durch das wegfallende Erwerbseinkommen der Frau abgemildert, und die finanziellen Lasten der Familiengründung zwischen Familien mit und ohne Kinder umverteilt werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf großzügigen Freistellungsregelungen, die den Frauen einen möglichst reibungslosen Aus- und Wiedereintritt in das Erwerbsleben ermöglicht, ergänzt um Maßnahmen, die den Qualifikationsverlust während der Familienphase durch Fort- und Weiterbildung- sowie betriebliche Wiedereingliederungsmaßnahmen aufzufangen versuchen. Gleichzeitig sichern rechtliche Regelungen im Scheidungs-, Renten- und Hinterbliebenenrecht Frauen gegenüber den Risiken finanziell ab, die durch die einseitige Konzentration auf die Familienarbeit entstehen. Die öffentliche Kinderbetreuung spielt in diesem Vereinbarkeitsmodell vor allem für Kinder im Kleinkindalter nur eine untergeordnete Rolle, und konzentriert sich weniger auf die Betreuungs- als vielmehr auf die Bildungsfunktion. Im Unterschied zu diesem traditionellen Modell sehen die beiden anderen Vereinbarkeitsmodelle explizit ein zeitliches Nebeneinander von Beruf und Familie für Männer und Frauen vor. Damit meint Vereinbarkeit in diesen Ansätzen also die tatsächliche Gleichzeitigkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung. Das Modell der „simultanen Vereinbarkeit“ basiert dabei auf dem Leitbild einer gleichzeitigen Vollzeiterwerbstätigkeit beider Elternteile. Die Mutter kehrt nach der Geburt sehr bald auf den Arbeitsmarkt zurück, wobei die durch die Erwerbstätigkeit beider Eltern entstehende Lücke in der Kinderbetreuung von einem verlässlichen öffentlichen Betreuungsangebot für Kinder aller Altersstufen abgedeckt wird, das an den Tagesablauf sowie die Flexibilitätsanforderungen erwerbstätiger Eltern angepasst ist. Die Chance einer gleichberechtigten Teilhabe der Frau und Mutter auf dem Arbeitsmarkt steht in diesem Vereinbarkeitsmodell
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
im Vordergrund und entlastet gleichzeitig den Mann von der Alleinverdienerund Ernährerrolle. Eine staatliche Familienpolitik würde sich in diesem Modell dementsprechend hauptsächlich auf die Bereitstellung, Subvention sowie Qualitätssicherung von familienunterstützenden Dienstleistungen und Einrichtungen zur Kinderbetreuung und -erziehung konzentrieren. Der Lohnausfall der Mutter in der kurzen Unterbrechungsphase nach der Geburt wird durch Lohnausgleichszahlungen auf Niveau des entgangenen Erwerbseinkommens ausgeglichen. Ein Familienlastenausgleich zur Stützung des Familieneinkommens während Erziehungsphasen spielt unter dem Leitbild der vollen Erwerbstätigkeit beider Elternteile eine geringe Rolle, so dass sich direkte familienpolitische Transferleistungen allenfalls auf die Absicherung von gering verdienenden Familien oder Mehrkindfamilien beschränken. Als weniger staatszentriertes Modell geht das Leitbild einer „eingeschränkten simultanen Vereinbarkeit“ schließlich von einer zeitweiligen Reduzierung der Arbeitszeit, nicht jedoch einer völligen Aufgabe der Erwerbstätigkeit eines oder beider Elternteile zum Zwecke der Kinderbetreuung aus. Im Idealfall sieht dieses Modell eine starke Väterbeteiligung an der Kindererziehung vor, in der Erwerbsarbeit und Familienarbeit von beiden Eltern gleichermaßen übernommen werden. Dabei ist die vollständige Erwerbsunterbrechung der Mutter nach der Geburt ebenfalls auf einen sehr kurzen Zeitraum beschränkt. Abgelöst wird sie von einer Reduzierung der Arbeitszeit eines oder beider Elternteile und einer ergänzenden öffentlichen Kinderbetreuung. Die Arbeitswelt wird dabei mit dem Zeitbedarf von Kindern und den Eventualitäten des Familienalltags konfrontiert und es ist das auf die typische männliche Erwerbsbiographie zugeschnittene Normalarbeitsverhältnis, das unter Veränderungs- und Anpassungsdruck gestellt wird. Neben einem guten, flexiblen, vielfältigen Betreuungsangebot würden sich staatliche Interventionen unter diesem Leitbild dementsprechend auf die Ausgestaltung flexibler Arbeitszeitregelungen sowie der Förderung und dem Ausbau von Teilzeitarbeitsplätzen, konzentrieren. Unter Einbeziehung der Betriebe müsste die vorübergehende Reduzierung des Erwerbsumfangs, Arbeitszeitregelungen, die neben dem Normalarbeitszeitverhältnis auch Gleitzeiten oder andere flexible Arbeitszeitformen umfassen, sowie die Abstimmung der Arbeitszeiten beider Elternteile aufeinander möglich gemacht werden. Auch in diesem Vereinbarkeitsmodell spielt die Absicherung der unbezahlten Familienarbeit durch familienpolitische Transferzahlungen und eine entsprechende Lastenverteilung zwischen Haushalten eine eher untergeordnete Rolle. Ungeachtet der unterschiedlichen Leitbilder, die diese verschiedenen Modelle der Vereinbarkeit von Familie und Beruf prägen, ist offenkundig, dass die
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daraus abgeleiteten öffentlichen Institutionen für individuelle Lebens- und Familienentscheidungen von Individuen und Paaren den Hintergrund, die Bedingungsfaktoren und Opportunitätsstrukturen darstellen, vor denen diese Entscheidungen getroffen werden. Während politische Rahmenbedingungen idealerweise die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Individuen gewähren und befördern sollte, setzen familienpolitische Profile direkt und indirekt die Kosten und unterschiedlicher Handlungsalternativen fest. Indem somit Standard- und Normalitätsmodelle für Familien und die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit durch institutionelle Vorgaben festgelegt werden und diese Normvorstellungen durch entsprechende familienpolitische Institutionen rechtlich privilegiert werden, werden gleichzeitig abweichende Entscheidungsmöglichkeiten der Individuen sanktioniert, indem sie mit zusätzlichen Kosten belegt werden. Familienpolitische Rahmenbedingungen sind „gewissermaßen in Institutionen geronnene gesellschaftliche Familienbilder“ (Strohmeier et al. 2006: 62), wobei sich unterschiedliche Länder je nach ihrer wohlfahrtsstaatlichen und familienpolitischen Ausrichtung in den Realisierungsmöglichkeiten der individuell gewünschten Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterscheiden. Um das familienpolitische Profil der Bundesrepublik durch den internationalen Vergleich zu bestimmen, werden im Folgenden kurz die Grundstrukturen der Familienpolitik in einigen zentralen europäischen Gesellschaften und den USA dargestellt.
Familienpolitik im liberalen Wohlfahrtsstaat: Großbritannien und die USA Anders als in allen anderen europäischen Ländern hat die Familienpolitik in Großbritannien einen geringen Stellenwert, und explizit familienpolitische Maßnahmen entwickelten sich nur zögerlich. Wohlfahrtsstaatliche Leistungen sind in Großbritannien tendenziell Minimalleistungen, so dass sich der Sozialstaat insgesamt lediglich auf eine Grundsicherung beschränkt und auf Maßnahmen zur Armutsbekämpfung konzentriert (Sainsbury 1996). Die Erwerbsbeteiligung von Frauen ist im EU-Vergleich sehr hoch, wobei es aber nach der Geburt von Kindern häufig zu einer Arbeitszeitreduzierung der Mütter kommt (O`Connor 1999). Außerdem liegt in Großbritannien die Nichterwerbsquote unter alleinerziehenden Müttern deutlich über dem europäischen Durchschnitt, was sich auch auf die im Vergleich hohe Armutsquote von Kindern auswirkt (OECD 2001; EspingAndersen 2002b). Verstärkte Maßnahmen zur Beschäftigungsförderung in den 1990er Jahren konzentrieren sich deshalb auf die Armutsbekämpfung unter Alleinerziehenden sowie gering verdienenden Familien, wobei mit dem Working Family Tax Credit stärkere Anreize zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
Niedriglohnsektor gesetzt und mit der Einführung des Child Tax Credit ein zusätzliches einkommensabhängiges Kindergeld geschaffen wurde. Großbritannien war zudem neben Irland bis Mitte der 1990er Jahre eines der wenigen EU-Länder ohne umfassenden gesetzlichen Anspruch auf Elternurlaub (OECD 1995). Ansprüche auf gesetzlichen Elternurlaub beschränkten sich lange Zeit auf Beschäftigte mit längerer Betriebszugehörigkeit, während weitergehende Ansprüche auf freiwilligen Vereinbarungen, einseitigen Arbeitgebermaßnahmen oder Tarifverträge beruhten. Nach Einführung eines umfassenden gesetzlichen Anspruchs auf Elternurlaub mit einer Anspruchsdauer von anfangs 12 Wochen wurde diese bis 2003 auf insgesamt 52 Wochen ausgeweitet. Dabei sind die ersten 6 Wochen des Elternurlaubs mit einer neunzigprozentigen Lohnkompensation verbunden, die daran anschließenden 20 Wochen werden mit einem niedrigen Pauschalbetrag kompensiert und bei der zweiten Hälfte der Anspruchsdauer handelt es sich um eine unbezahlte Elternzeit. Der Rückkehranspruch auf den Arbeitsplatz beinhaltet dabei seit 2003 das Recht auf Reduzierung der Arbeitszeit und die zusätzlich geschaffene Väterzeit von zwei Wochen wird von der überwiegenden Anzahl der Väter in Anspruch genommen. Auch die öffentliche Kinderbetreuung ist in Großbritannien unterentwickelt und der Versorgungsgrad ist einer der niedrigsten im europäischen Vergleich (Henderson und White 2004; Gornick et al. 1997). Lange Zeit wurde die Betreuung der Kinder im Vorschulalter von der Politik als Privatangelegenheit der Eltern angesehen und rückte wie andere familienpolitische Maßnahmen erst in jüngerer Zeit unter dem Aspekt der Armutsbekämpfung und der Förderung der Beschäftigung alleinerziehender Eltern in den Vordergrund. Das Programm der National Child Care Strategy formulierte 1998 das Ziel, bis 2002 eine Halbtagsbetreuung für alle vierjährigen und für zwei Drittel aller dreijährigen Kinder bereit zu stellen. Diese ungenügende und mit einer Erwerbstätigkeit nicht vereinbare Kinderbetreuungssituation verweist erwerbstätige Eltern auf informelle Betreuungsarrangements und auf private Betreuungseinrichtungen, die trotz staatlicher Subventionen mit hohen Kosten für die Eltern verbunden sind (Meyers et al. 1999). Die Betreuungssituation verbessert sich erst für Schulkinder, wobei die Schulpflicht in Großbritannien bereits mit fünf Jahren beginnt. Das Ganztagsschulsystem erleichtert die Erwerbstätigkeit und lässt die Erwerbsbeteiligung von Mütter mit schulpflichtigen Kindern deutlich ansteigen (EspingAndersen 2002a). Ähnlich wie in Großbritannien ist auch in den Vereinigten Staaten die Familienpolitik auf der Bundesebene nur schwach ausgeprägt und konzentriert sich auf einzelne Programme zur Armutsbekämpfung von Familien und Alleinerziehenden. Direkte staatliche Transferzahlungen wie Kinder- oder Erziehungsgeld existieren nicht, familienpolitische Ausgleichszahlungen werden statt dessen
3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich
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indirekt über das Steuersystem geleistet (Gornick und Meyers 2003). Dabei werden Familien im Wesentlichen durch jährliche Kinderfreibeträge und durch die Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten entlastet. Da einkommensschwache Familie hiervon weniger profitieren, wurde zudem mit dem Earned Income Tax Credit eine negative Einkommenssteuer eingeführt, bei der Familien, deren Einkommen zu gering ist, um die Steuerentlastung nutzen zu können, diese als positive Transferleistung ausgezahlt wird (Sainsbury 1996). Durch die Verknüpfung der Familienleistungen mit der Einkommenssteuer und somit mit dem Erwerbseinkommen von Familien ist der Anreiz zur Berufstätigkeit auch für Frauen und Alleinerziehende hoch. Trotz der hohen Frauenerwerbsquoten sind jedoch die Armutsquoten von Familien mit Kindern sowie unter Alleinerziehenden selbst bei Erwerbstätigkeit im Vergleich mit anderen Industrienationen beispiellos hoch (Gornick und Meyers 2003; Sainsbury 1999a; Esping-Andersen 2002a; Gornick 2004). Bis Anfang der 1990er Jahre gab es in den USA zudem kein landesweit einheitlich geltendes Gesetz, das einen Mutterschutz oder Erziehungsurlaub vorsah. Lediglich einzelne Bundesstaaten hatten gesetzlich festgelegte Mutterschutzregelungen. Zu Beginn der 1990er Jahren stand Frauen, die in größeren Betrieben beschäftigt waren, in 19 Bundesstaaten nach der Geburt eines Kindes ein unbezahlter Urlaub mit einer Arbeitsplatzgarantie zwischen 6 Wochen und vier Monaten zu. Darüber hinaus blieb ein Mutterschafts- oder Elternurlaub auf private Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie auf einzelnen Initiativen von Privatunternehmen beschränkt. Erst 1993 wurde mit dem Family and Medical Leave Act ein bundesweiter unbezahlter Elternurlaub von 12 Wochen eingeführt, der sich allerdings auf größere Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten beschränkte (OECD 1995, 2001). Neben den Elternzeiten ist auch die öffentliche Kinderbetreuung in den USA unterentwickelt (Meyers et al. 1999). Seit Beginn der 1980er Jahre delegierte die Bundesregierung durch den Abbau staatlicher Reglementierungen und Finanzierungshilfen die Organisation der Kinderbetreuung zunehmend in die Privatwirtschaft. Dementsprechend stellt neben verwandtschaftlich individuell organisierter Tagespflege die Betreuung in privaten Child Care Centers die dominierende Form der Kinderbetreuung in den USA dar. Während die nachfrageorientierte Flexibilität der Betreuungszeiten den Familienalltag erwerbstätiger Eltern bei dieser Form der privaten Kinderbetreuung eindeutig erleichtert, stellen die nicht subventionierten Marktpreise einer qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung vor allem für geringverdienende und alleinerziehende Eltern ein großes Problem und teilweise auch ein Erwerbshemmnis dar (Baum 2002a; Gustafsson und Stafford 1994; Gordon und Chase-Lansdale 2001).
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Muster der wohlfahrtsstaatlichen Förderung der Familie: Skandinavien und Frankreich In den skandinavischen Ländern liegt der Schwerpunkt der sozial- und familienpolitischen Maßnahmen dagegen traditionell auf der Gleichstellung der Geschlechter (Sainsbury 1996). Gleichheit der Lebensverhältnisse und die Arbeitsmarktbeteiligung der gesamten Bevölkerung einschließlich von Müttern ist das erklärte Ziel der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik. Wohlfahrtsstaatliche Leistungen sind an der Erwerbstätigkeit beider Partner ausgerichtet, indem sowohl das Steuersystem als auch die Sozialversicherungssysteme strikt individualisiert sind. Eine Privilegierung der Ehe als staatlich bevorzugte Lebensform findet nicht statt, was rechtlich sowohl durch die Gleichstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften und ein geteiltes Sorgerecht beider Elternteile untermauert wird. Die Erwerbsbeteiligung von Frauen, und vor allem auch von Müttern, ist in den skandinavischen Ländern im EU-Vergleich traditionell sehr hoch, was einerseits in umfassenden Familienzeitregelungen sowie einem gut ausgebauten außerhäuslichen Kinderbetreuungsnetz begründet liegt (Gornick 1999). Zweiverdienerhaushalte sind auch nach der Geburt von Kindern die Regel. Während allerdings in Dänemark die Vollzeiterwerbsquoten der Frauen sehr hoch sind und in mehr als der Hälfte aller Zweiverdienerhaushalte beide Partner Vollzeit arbeiten, ist in Schweden der Anteil teilzeitbeschäftigter Frauen sehr hoch. Dabei arbeiten Frauen vorrangig im öffentlichen Dienst und sind auch in Skandinavien in Führungspositionen unterrepräsentiert (Sainsbury 1999c). Um familienbezogene Erwerbsunterbrechungen zeitlich zu begrenzen, konzentrieren sich Elternzeitregelungen auf das erste Lebensjahr des Kindes, wobei die Freistellung von beiden Eltern gleichzeitig oder abwechselnd beansprucht werden kann (Pylkkänen und Smith 2003; Bruning und Plantenga 1999). Die finanziellen Transferleistungen während der Elternzeit sind im EU-Vergleich in den skandinavischen Ländern am höchsten, wobei zwischen 75 und 100 Prozent des vorherigen Lohns substituiert werden. Neben der Elternzeit versuchen die skandinavischen Länder, Väter verstärkt in die Kinderbetreuung zu integrieren. Dazu wurde in allen Ländern ein gesonderter Väterurlaub von zwei bis drei Wochen mit einer hohen Lohnersatzrate eingeführt. Norwegen und Schweden halten zusätzlich einen Monat der Elternzeit für Väter bereit, der entfällt und nicht auf die Mutter übertragen werden kann, wenn der Vater diese Zeit nicht in Anspruch nimmt (Leira 1999). Abgesehen von den expliziten Vaterschaftsurlaubszeiten ist die Väterbeteiligung an der Kinderbetreuung zwar höher als in anderen EU-Ländern, mit etwa 7-10 Prozent der Väter, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, aber insgesamt immer noch sehr gering (Leira 1999; OECD 1995).
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Neben der Gewährung umfassender beruflicher Freistellungsregelungen wird die Erwerbstätigkeit von Müttern durch ein gut ausgebautes und qualitativ hochwertiges staatliches Kindertagesstättennetz gestützt (Gustafsson und Stafford 1991). Die Ausgestaltung der Betreuungsangebote orientiert sich an den Arbeitszeitanforderungen der Eltern, die finanziellen Kosten der Kinderbetreuung sind für Eltern relativ gering und werden überwiegend vom Staat getragen. Für Kinder im Kleinkindalter kommt zudem ein breites, kommunal gefördertes Angebot der Familientagesbetreuung hinzu. Daneben erleichtern flexible Arbeitszeitregelungen und betriebliche Regelungen für den Krankheitsfall der Kinder die Koordination von außerhäuslicher Kundenbetreuung und Erwerbsarbeitszeiten der Eltern (Gornick et al. 1997). Außerhalb Skandinaviens kann Frankreich als Beispiel des Landes mit der längsten familienpolitischen Tradition in Europa dienen. Dabei konzentrierte sich das Interesse der familienpolitischen Förderung neben dem unmittelbaren Wohlbefinden der Familie vor allem auf bevölkerungspolitische Aspekte und auf das erklärte Ziel einer Geburtenförderung (Strohmeier et al. 2006). Bereits seit der Zwischenkriegszeit, verstärkt aber als die Geburtenrate in den 1970er Jahren unter das Reproduktionsniveau fiel, reagierte die Regierung mit familienpolitischen Maßnahmen, die die Geburt des dritten Kindes befördern sollten. Wohlfahrtsstaatliche Transferleistungen wie z.B. Kinder- oder Erziehungsgeld wurden dabei systematisch auf das dritte Kind ausgerichtet, etwa indem das Leistungsniveau für das dritte Kind deutlich ansteigt oder bestimmte Transfers ohnehin nur an Familien mit drei oder mehr Kindern ausgezahlt werden. Zudem ist auch das Steuersystem pronatalistisch ausgerichtet, da Frankreich als einziges europäisches Land ein System des steuerlichen Familiensplittings etabliert hat, in dem das Haushaltseinkommen über alle Haushaltsmitglieder aufgeteilt wird und der Splittingfaktor von der Kinderzahl abhängt und mit ihr ansteigt. Seit 1985 findet jedoch eine Abkehr von der rein Geburten fördernden Ausrichtung der Politik statt, und zunehmend gerät auch die Vereinbarkeitsproblematik in das Blickfeld der französischen Familienpolitik. Dabei ist die Erwerbsquote französischer Mütter eine der höchsten in der EU (Bussemaker und van Kersbergen 1999; Gornick 1999). Zweiverdienerhaushalte sind dabei in der Mehrheit, wobei Väter wie Mütter überwiegend Vollzeit erwerbstätig sind. Vor allem die Einführung der 35-Stundenwoche für alle Beschäftigte hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert (OECD 2002; Yeandle 2001). Trotz der Förderung der Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern steht die französische Arbeitsmarkt- und Familienpolitik einer Fremdbetreuung von Kindern unter drei Jahren jedoch ähnlich ambivalent wie in Deutschland gegenüber. Ausdruck findet diese Haltung in der Gewährung eines dreijährigen Erziehungsurlaubs, der erst in jüngster Zeit auf zwei Jahre verkürzt wurde. Ähnlich wie in Deutschland
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wurden zudem auch in Frankreich familienpolitische Maßnahmen in Zeiten stagnierenden Wirtschaftswachstums und hoher Arbeitslosigkeit mit arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen verknüpft. So setzte Frankreich beispielsweise 1994 mit einer Anpassung des Erziehungsgelds klare Anreize für eine Erwerbsunterbrechung von Müttern, indem der Maximalbetrag von ca. 500 Euro bis zum dritten Lebensjahr des Kindes nur bei einer vollständigen Aufgabe der Erwerbstätigkeit ausgezahlt wird (Bundesministerium für Familie 2006a). Seit dieser Reform hat sich die Beschäftigungsquote von Müttern deutlich verringert, und zwar vor allem unter den gering verdienenden Frauen. Zwar wurde um die Väterbeteiligung an der Kindererziehung zu fördern, 2002 eine reine nicht auf die Mutter übertragbare Väterzeit von zwei Wochen eingeführt, die auch von über der Hälfte der Väter in Anspruch genommen wird. Allerdings hat diese Väterbeteiligung an der Kindererziehung aber genau wie in den skandinavischen Ländern eher Symbolcharakter. Über diese sehr kurze Zeitspanne hinaus ist der Anteil der Väter, die regulären Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, auch in Frankreich unbedeutend gering. Ähnlich wie in den skandinavischen Ländern gibt es auch in Frankreich eine lange Tradition der öffentlich finanzierten und öffentlich bereitgestellten Kinderbetreuung (vgl. im Folgenden Henderson und White 2004; OECD 1996). Besonders gut ausgebaut sind die Betreuungsangebote für Kinder ab drei Jahren, die als Bestandteil des nationalen Schulsystems angesehen werden, und in welchen die Betreuung durch ausgebildete Grundschullehrerinnen ganztags erfolgt (Buchmann und Charles 1995). Jedes Kind hat einen Rechtsanspruch auf einen kostenlosen Platz in einer dieser écoles maternelles, die in Ausnahmefällen auch schon für Kinder ab zwei Jahren offen stehen. Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren sind dahingegen weit weniger gut ausgebaut und stehen nur für etwa 10 Prozent der Kinder zur Verfügung. Jedoch fördert der Staat seit Mitte der 80er Jahre mit teilweiser Kostenübernahme und steuerlichen Freibeträgen die Kinderbetreuung durch Tagesmütter. Seither ist die Betreuung durch Tagesmütter neben der Elternbetreuung zur häufigsten Betreuungsart für Kleinkinder in Frankreich geworden.
Das familienpolitische Profil der Bundesrepublik im internationalen Vergleich Im Vergleich der familienpolitischen Maßnahmen der verschiedenen Länder zeigt sich, dass Frauen und Familien ihrer Lebens-, Familien- und Karriereplanung unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen treffen und realisieren. Großbritannien und die USA verzichten gemäß ihrer liberalen Wohlfahrtsstaatstradition weitgehend auf Transferleistungen zugunsten der Familien, wodurch sich
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die Notwendigkeit der Erwerbstätigkeit beider Eltern zur Grundsicherung des Lebensunterhalts ergibt. Gleichzeitig erschwert das Fehlen eines subventionierten öffentlichen Kinderbetreuungsnetzes die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit, wobei durch die privatwirtschaftliche Organisation des Betreuungssektors der Zugang zu qualitativ hochwertigen Angeboten vor allem für gering verdienende und allein erziehende Mütter zu einem Problem wird. Auch in den skandinavischen Ländern gibt es keine Privilegierung einer Alleinverdienerehe, vielmehr setzen die individuelle Ausrichtung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen und eine insgesamt hohe Steuerlast die Erwerbstätigkeit beider Eltern voraus. Dabei unterstützt der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat die Erwerbstätigkeit beider Eltern mit einem gut ausgebauten öffentlichen Ganztagsbetreuungsangebot für Kinder aller Altersgruppen. Eine ähnlich starke Unterstützung der Erwerbstätigkeit von Müttern findet sich aber auch in Frankreich, das sich durch ein gutes Kindertagesstättenangebot für Kinder ab drei Jahren und ein Ganztagsschulsystem auszeichnet. Gleichzeitig steht die französische Politik der Fremdbetreuung von Kleinkindern relativ skeptisch gegenüber und begünstigt durch den starken Familienlastenausgleich, eine begrenzte Zahl von Krippenplätzen und einen großzügigen Anspruch auf Erziehungsurlaub die Elternbetreuung von Kleinkindern. Im Vergleich zu den in anderen Ländern verfolgten Ansätzen wird deutlich, dass die Ausgestaltung der deutschen Familienpolitik nachdrücklich die Phasenerwerbstätigkeit von Frauen und damit die traditionelle Rollenverteilung der Geschlechter fördert und begünstigt. Obwohl die deutsche Familienpolitik rhetorisch ausdrücklich den Aspekt der Wahlfreiheit der familiären Arbeitsteilung betont und explizit nicht in die Gestaltung und Verteilung der Familienausgaben eingreifen will, transportieren und zementieren die institutionellen Rahmenvorgaben eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, sowie geschlechtersegregierte Lebensläufe und Zeitstrukturen. Diese Grundorientierung war bereits im System des Familienlastenausgleichs angelegt, das in den 1950er Jahren durch die Einführung von Kindergeld und Ehegattensplitting etabliert wurde. Nachhaltig verstärkt wurde die konservative Ausrichtung der deutschen Familienpolitik aber durch die Einführung des Bundeserziehungsurlaubs 1986, mit dem die Debatte um die adäquate familienpolitische Reaktion auf das Problem der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einseitig in Form der Förderung der elterlichen, sprich mütterlichen Betreuung von Kleinkindern beantwortet wurde. Als vergleichsweise stark transferorientiertes System konzentrieren sich familienpolitische Leistungen in der Bundesrepublik hauptsächlich auf Geldleistungen zur Einkommenssicherung von Familien, während die Bereitstellung von Dienstleistungen nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Transferleistungen sind dabei darauf ausgerichtet, die finanziellen Belastungen des Haupternährers
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abzumildern, die sich durch Kinder ergeben. Dieser Zusammenhang ist offensichtlich bei einem direkten Transfer wie dem Kindergeld, aber auch Leistungen wie das Ehegattensplitting werden nach wie vor als indirekte Subvention von Familien mit Kindern begründet. Dass das Ehegattensplitting auch Paaren ohne Kinder oder Paaren mit erwachsenen Kindern, die nicht mehr im elterlichen Haushalt leben, zugute kommt, weist aber darauf hin, dass diese Form der Familienpolitik sowohl kostspielig als auch wenig zielgenau ist. Zum einen werden offenkundig weniger Familien als vielmehr die Ehe als Paarkonstellation steuerlich privilegiert. Gleichzeitig führt das Ehegattensplitting zu einer finanziellen Begünstigung einer ungleichen Einkommenskonstellation zwischen den Partnern, wodurch vor allem die traditionelle Rollenverteilung innerhalb der Ehe unterstützt wird. Und schließlich führt das Prinzip der steuerlichen Familienförderung dazu, dass einkommensstarke Familien vergleichsweise stark, wenn nicht sogar überproportional von öffentlicher Förderung profitieren. Die geringe Priorität, die sozialen Dienstleistungen im konservativen Wohlfahrtsstaatsmodell zukommt, ist in Deutschland vor allem bei der unzureichenden öffentlichen Kinderbetreuung sichtbar. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern wird Kinderbetreuung und -erziehung in der deutschen Familienpolitik als Privatsache der Eltern angesehen, in die der Staat nur in Notsituationen eingreift. Diesem Leitbild folgend liegen vor allem die westdeutschen Bundesländer in Bezug auf die Versorgungsquoten mit Kinderbetreuungsangeboten im europäischen Vergleich auf einem der hinteren Plätze. Dies betrifft vor allem die öffentlichen Betreuungsangebote für Kleinkinder sowie die ganztägige Betreuung von Kindern im Kindergarten- und Schulalter. Und obwohl sich die Versorgungslücke im Kindergartenbereich Ende der 1990er Jahre entschärft hat, handelt es sich weiterhin überwiegend um eine Halbtagsbetreuung, die angesichts wenig flexibler Öffnungszeiten oft selbst mit einer Teilzeitbeschäftigung schwer zu vereinbaren sind. Ebenso wird die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit auch für Frauen mit schulpflichtigen Kindern kaum erleichtert, solange das Modell der Halbtagsschule vorherrscht. Insgesamt korrespondiert das öffentliche Kinderbetreuungsangebot in Deutschland nach wie vor kaum mit der zunehmenden Erwerbsorientierung und Erwerbstätigkeit von Müttern; die fehlende Betreuungsinfrastruktur dürfte vielmehr ein unmittelbares Hemmnis der Beschäftigungschancen von Müttern darstellen. Diese Rahmenbedingungen sind jedoch das Ergebnis einer bewussten politischen Weichenstellung. Statt die zunehmende Erwerbsneigung von Müttern durch einen kostenaufwendigen Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung zu unterstützen, entschied sich die konservativ-liberale Regierung unter Helmut Kohl mit Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes 1986 für die haushaltspolitisch günstigere Alternative durch die Erwerbsfreistellung eines Elternteils
3.3 Vereinbarkeitspolitik im internationalen Vergleich
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im Rahmen des Erziehungsurlaubs die elterliche Betreuung von Kleinkindern zu fördern. Daneben wurde bei Einführung des Erziehungsurlaubs von vorneherein auch mit arbeitsmarktpolitischen Entlastungseffekten gerechnet, die sich aus einer Regulierung von Familien- und Erziehungszeiten und dem entsprechend absinkenden Arbeitsangebot von Frauen ergeben sollten. Es ist allerdings möglich, dass die politisch beabsichtigte Arbeitsmarktentlastung gleichzeitig mit systematischen Karrierenachteilen für Frauen in der Bundesrepublik verbunden ist. Die im europäischen Vergleich überproportional lange Freistellungsdauer sollte zum einen dazu führen, dass Frauen nach der Geburt eines Kindes in Deutschland besonders lange aus dem Arbeitsmarkt ausgegliedert sind. Sowohl die lange Dauer des Erziehungsurlaubs, wie auch der Umstand, dass die Unterbrechungsphase zeitlich in der Regel auf die für die weitere Karriereentwicklung wichtigen Phase zu Beginn der beruflichen Laufbahn fällt, lassen erhebliche Karrierenachteile für Mütter erwarten. Dies gilt umso mehr, falls die Rückkehr in den Beruf nicht nach einem dreijährigen Erziehungsurlaub erfolgt, sondern sich die Familienphase durch weitere Geburten deutlich verlängert. Lange Erziehungsphasen sind zudem gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit problematisch, da trotz Kündigungsschutz bis zum Ablauf des Erziehungsurlaubs Karriererisiken aufgrund von Firmenrestrukturierungen oder gar Firmenschließungen nicht auszuschließen sind. Die lückenhafte öffentliche Kinderbetreuung und die zu geringe Verbreitung flexibler Arbeitszeitmodelle tragen dann nur dazu bei, die Berufstätigkeit von Müttern auch nach dem Erziehungsurlaub zu erschweren. Hinzu kommt, dass der Erziehungsurlaub in der Bundesrepublik mit dem Erziehungsgeld kombiniert ist, das, anders als in den skandinavischen Ländern, nicht als Lohnersatzleistung, die sich am vorherigen Einkommen orientiert, sondern stärker als symbolische Anerkennung der Erziehungsleistung verstanden wird. Dementsprechend ist die faktische Leistungshöhe relativ niedrig und entspricht in keiner Weise dem Verdienstausfall, der durch die Erwerbsunterbrechung zur Kinderbetreuung entsteht. Da das Erziehungsgeld auch nicht am Leitbild der individuellen Unterhaltssicherung während der Erziehungsphase ausgerichtet ist, wird implizit das Bestehen einer Versorgerehe vorausgesetzt und damit die ökonomische Abhängigkeit vom Ehepartner erhalten. Die Koppelung der Geldleistung an die Nichterwerbstätigkeit setzt zudem neben dem Ehegattensplitting weitere finanzielle Anreize für eine ausschließliche Haus- und Sorgearbeit der Frau. Der Erziehungsurlaub trägt damit dazu bei, dass Frauen für eine lange Zeit aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden und dass die Karrierefolgen von Familiengründung und Kinderbetreuung ausschließlich von Frauen getragen werden. Die einseitige Inanspruchnahme trägt zudem zur Aufrechterhaltung der ge-
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3 Frauenerwerbstätigkeit und Familienpolitik in der Bundesrepublik
schlechtsspezifischen Segmentierung des Arbeitsmarkts bei, indem traditionelle Normvorstellungen über frauentypische Karrierewege auf Seiten von Arbeitgebern, kollektiven Akteuren und nicht zuletzt den Frauen selbst verstärkt werden (Blossfeld und Rohwer 1997; Robson et al. 1999; Rosenfeld et al. 2004). Angesichts des wirksamen Familienlastenausgleichs, der die Erwerbstätigkeit beider Elternteile nicht erforderlich macht, sowie einer unzureichenden Kinderbetreuungsinfrastruktur hat die Einführung des Erziehungsurlaubs zudem die politische Durchsetzung alternativer Leitbilder zur Vereinbarung von Familie und Beruf verstellt oder zumindest in ihrer Umsetzung deutlich erschwert. Institutionelle Alternativen zur elterlichen Kleinkindbetreuung wie der Ausbau der Kinderbetreuung oder die Weiterführung des Tagesmüttermodells wurden in Deutschland nach der Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes nicht weiter verfolgt. Erst in jüngster Zeit hat hier mit Einführung des Bundeselterngeldes und des beabsichtigten Ausbaus der Kinderkrippen ein politisches Umdenken begonnen. Obwohl die deutsche Familienpolitik also von Anfang an rhetorisch die Wahlfreiheit in der Vereinbarkeitsfrage für Eltern betont hat, besteht in Deutschland für Eltern kaum eine Wahl zwischen gleichwertigen Modellen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die familienpolitischen und steuerlichen Rahmenbedingungen setzen vielmehr starke Anreize für ein Drei-Phasenmodell der weiblichen Erwerbstätigkeit, bei dem die Berufstätigkeit von Frauen von einer langen, ausschließlich der Kinderbetreuung gewidmeten Phase unterbrochen wird, auf die anschließend eine weitere Phase der Erwerbstätigkeit, meist in Teilzeitbeschäftigung, folgt. Damit handelt es sich bei dem Erziehungsurlaub eben nicht um eine institutionell neutrale familienpolitische Leistung, vielmehr wird das bereits im System des Familienlastenausgleichs durch Ehegattensplitting und Kindergeld angelegte Normsystem der familiären Arbeitsteilung weiter verstärkt und zementiert. Die Entscheidung zur Einführung des Erziehungsurlaubs ist damit als eine entscheidende politische Weichenstellung zu betrachten, durch welche die bundesdeutsche Familienpolitik im Sinne eines konservativen Leitmodells komplettiert wurde. Die empirischen Folgewirkungen dieser Entscheidung für die Lebens- und Erwerbsverläufe westdeutscher Frauen sind Gegenstand der anschließenden Analysen.
4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
Die Frage nach möglichen Einflüssen institutioneller Rahmenbedingungen auf Muster der Frauenerwerbstätigkeit wird traditionell im Rahmen der vergleichenden Sozialforschung behandelt. Da sich deutliche Unterschiede in der Ausgestaltung, Ausrichtung und im Leistungsumfang der Familienpolitik zwischen Ländern feststellen lassen, kann der Vergleich der Geschlechterungleichheit im Arbeitsmarkt (vgl. Mandel und Semyonov 2006, 2005), der Lohnwirkungen von Erwerbsunterbrechungen (Stier et al. 2001) oder der Erwerbsmuster von Frauen (Drobni et al. 1999) in unterschiedlich ausgestalteten Arbeitsmärkten Hinweise auf die Wirksamkeit institutioneller Rahmenbedingungen der Arbeits-, Sozialoder Familienpolitik geben. Allerdings haben ländervergleichende Studien oft den Nachteil, dass die ursächliche Zuordnung der beobachteten Länderunterschiede zu bestimmten familienpolitischen Maßnahmen meist nicht eindeutig nachweisbar ist. Einerseits basieren ländervergleichende Studien oft auf dem Vergleich einiger weniger ausgewählter Länder, so dass eine regressionsanalytische Kontrolle möglicher außerpolitischer Störfaktoren beispielsweise von Länderunterschieden in der konjunkturellen Entwicklung oder unterschiedlichen kulturellen Einstellungen nicht möglich ist. Hinzu kommt, dass auch die Ausgestaltung der Familienpolitik selbst sich in der Regel zwischen Ländern in Bezug auf mehrere Merkmale unterscheidet, so dass selbst wenn ein familienpolitischer Einfluss vorzuliegen scheint, nicht notwendigerweise eindeutig sein muss, welches Einzelmerkmal bzw. das Zusammenwirken welcher Merkmale die beobachteten Unterschiede im Erwerbsverhalten von Frauen bewirken. Im Unterschied dazu bietet sich in der vorliegenden Studie durch die Analyse der Folgewirkungen der sukzessiven Ausweitung des Anspruchs auf Erziehungsurlaub in der Bundesrepublik seit den 1980er Jahren die Möglichkeit, die Auswirkungen einer spezifischen Veränderung des familienpolitischen Rahmens gezielt zu beobachten. Dies gilt auf besondere Weise, da die Einführung und Ausweitung des Erziehungsurlaubs ab 1986 die entscheidende Reform in einem ansonsten über lange Jahre weitgehend stabilen familienpolitischen Umfeld darstellt. Aus methodischer Sicht ergibt sich damit die Möglichkeit, die sukzessiven Reformschritte in der Einführung und Ausweitung des Rechtsanspruchs auf Erziehungsurlaub als natürliches Experiment zu betrachten, bei dem die han-
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4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
delnden Akteure sich ändernden Rahmenbedingungen ausgesetzt sind, die sich aber gleichzeitig ihrer individuellen Kontrolle entziehen. Im Folgenden werden die Vorteile und Probleme dieses Untersuchungsdesigns diskutiert. Anschließend wird die konkrete Analysestrategie der vorliegenden Arbeit dargestellt, die sich aus der Verwendung der Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) ergibt.
4.1 Die Reformen des Erziehungsurlaubs als natürliches Experiment Das randomisierte Experiment ist das stärkste Forschungsdesign, um valide Schlussfolgerungen über die kausale Wirkung eines Faktors X auf ein bestimmtes Ergebnis Y zu ermöglichen (vgl. Diekmann 2004; Rossi et al. 2004; Shadish et al. 2002). Randomisierte Experimente erlauben den Vergleich der Ergebnisse zweier Vergleichsgruppen, wobei die Experimentalgruppe der Wirkung des in Frage stehenden Faktors X ausgesetzt ist, während in der Kontrollgruppe experimentell sichergestellt ist, dass X nicht auftritt. Der Grundgedanke randomisierter Experimente besteht dabei darin, dass ein gefundener Gruppenunterschied im Ergebnis Y eindeutig auf die Wirkung von X zurückgeführt werden kann, da die randomisierte Manipulation des Auftretens von X für eine zuverlässige Ausschaltung weiterer Störgrößen sorgt, die die Ergebnisvariable zusätzlich beeinflussen. Das heißt also, dass durch die Randomisierung erreicht wird, dass sich die beiden Vergleichsgruppen im Durchschnitt in allen für das Ergebnis relevanten Merkmalen gleichen, so dass ohne die Intervention X in beiden Gruppen das gleiche Ergebnis Y zu erwarten wäre. Abgesehen von diesem methodischen Vorteil kommen experimentelle Forschungsdesigns zur Beantwortung vieler sozialwissenschaftlicher Untersuchungen nicht in Betracht, da die relevanten unabhängigen Variablen nicht durch eine einzelne Studie manipulierbar sind. Dies trifft beispielsweise auf Fragestellungen zu, die sich mit der Wirksamkeit nationaler arbeitsmarkt-, sozial- oder familienpolitischer Institutionen beschäftigen, die sich über lange historische Zeiträume herausgebildet haben (vgl. Esping-Andersen 1990). Um den Effekt bestimmter familienpolitischer Regelungen eindeutig zu ermitteln, müssten bei einem internationalen Vergleich also z.B. in Form eines Regressionsmodells auch diejenigen politischen oder strukturellen Kontextfaktoren statistisch kontrolliert werden, die erwartungsgemäß sowohl die abhängige Variable der Untersuchung beeinflussen sowie die national unterschiedliche Ausrichtung der Familienpolitik erklären können. Angesichts der Menge der möglichen Störfaktoren gelingt dies in einer ländervergleichenden Studie, in der meist nur eine kleine Zahl von Ländern betrachtet werden kann, kaum vollständig.
4.1 Die Reformen des Erziehungsurlaubs als natürliches Experiment
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Anders ist dies, wenn, wie in der vorliegenden Arbeit, nicht die Auswirkung bestehender Unterschiede in der Familienpolitik in verschiedenen Ländern, sondern die Auswirkung einer (spezifischen) Veränderung der Familienpolitik innerhalb eines einzigen Landes betrachtet werden kann. Dabei wird von einem so genannten reflexiven Forschungsdesign gesprochen (Rossi et al. 2004: 289), da die Wirkung der institutionellen Reform durch den zeitlichen Vergleich der abhängigen Variable vor und nach der politischen Intervention bestimmt werden kann. Dies geschieht indem vergangene Beobachtungen derselben Beobachtungseinheiten als Kontrollbeobachtungen herangezogen werden, wodurch eine weitgehende statistische Kontrolle möglicher Störgrößen erreicht werden kann (Rossi et al. 2004: 291). Wenn Informationen für eine größere Zahl von Zeitpunkten vor und nach der fraglichen Intervention vorliegen, so wird von einem unterbrochenen Zeitreihendesign (interrupted time-series design, ITS) gesprochen (vgl. Diekmann 2004; Rossi et al. 2004; Shadish et al. 2002). Dabei sollte eine unmittelbar eintretende Veränderung der Ergebnisvariablen zum Zeitpunkt der Intervention beobachtbar sein, falls die Intervention X tatsächlich Auswirkungen auf die abhängige Variable der Untersuchung hat. Sind Längsschnittdaten für eine Stichprobe von Beobachtungseinheiten über einen längeren Zeitraum verfügbar, innerhalb dessen eine Veränderung institutioneller Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Reform der Erziehungsurlaubsregelungen beobachtet wird, ermöglicht das ITS-Design auch in nicht-experimentellen Studien eine hohe Validität der kausalen Schlussfolgerungen. Dadurch, dass Längsschnittinformationen auf der Individualebene zur Verfügung stehen, ist sichergestellt, dass in der Analyse das Verhalten einer ausgewählten Personengruppe unter alternativen strukturellen Rahmenbedingungen beobachtet werden kann. In alternativen Ansätzen, die beispielsweise auf der Verwendung von Aggregatdaten oder wiederholten Querschnittsbefragungen basieren, kann dagegen nicht ausgeschlossen werden, dass allein die Verwendung unterschiedlicher Stichproben zu unterschiedlichen Ergebnisbeobachtungen vor und nach der Intervention führt. Wenn es sich bei der fraglichen Intervention X zusätzlich um eine Veränderung der strukturellen Rahmenbedingungen des Verhaltens von Akteuren handelt, beschreibt das ITS-Design ein so genanntes natürliches bzw. QuasiExperiment, in welchem die Intervention X zwar nicht durch den Forscher direkt manipuliert und randomisiert wird, aber in welchem die betroffenen Akteure dennoch keine Kontrolle über die Änderung der Rahmenbedingungen, d.h. der Wirkung des Faktors X haben. Im konkreten Fall der schrittweisen Ausweitung der Erziehungsurlaubsregelungen kann also davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse der empirischen Analysen nicht wesentlich durch einen so genannten Selektionsbias (seitens der Akteure oder der Programmadministratoren, vgl.
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4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
Rossi et al. 2004: 268ff.) verzerrt sind. Abgesehen von der allerdings rein biologisch begrenzten Möglichkeit, nach Bekannt werden einer geplanten Gesetzesänderung eine Geburt hinauszuzögern, um in den Vorteil großzügigerer Regelungen zu gelangen, oder einer familienpolitisch motivierten Abwanderung ins Ausland ist es unwahrscheinlich, dass die Analyseergebnisse verzerrt werden, weil sich nur Personen mit bestimmten, aber vom Forscher ungemessenen Eigenschaften der Wirkung der Intervention X aussetzen. Dadurch dass die vorliegende Arbeit auf die Längsschnittdaten des Sozioökonomischen Panels zurückgreift, um die Auswirkungen der Einführung und sukzessiven Ausweitung der Erziehungsurlaubsregelungen zu ermitteln, können diese beiden methodischen Vorteile genutzt werden, um die Validität ihrer Aussagen zu den Wirkungen familienpolitischer Rahmenbedingungen auf weibliche Familienbiographien und Erwerbsverläufe sicher zu stellen. Auch wenn Probleme wie selektive Panelausfälle (Attrition), Reifungseffekte, historische Trends oder alternative zeitgleiche Interventionen die Gültigkeit der Schlussfolgerungen dieser Studie weiterhin gefährden können. Im Folgenden wird zunächst kurz das Sozio-ökonomische Panel vorgestellt, das die Datenbasis der Studie bildet, bevor anschließend die Analysestrategie der Studie skizziert wird, mit der versucht werden soll, die genannten methodischen Probleme zu minimieren.
4.2 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) Für die empirischen Analysen der vorliegenden Arbeit werden die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) für den Zeitraum 1984-2004 (Wellen A-U) verwendet. Das SOEP stellt Daten einer jährlichen Wiederholungsbefragung einer repräsentativen Stichprobe in Deutschland lebender Haushalte zur Verfügung, die durch die SOEP-Projektgruppe am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Infratest Sozialforschung durchgeführt wird (vgl. im Folgenden Wagner et al. 1994; Göbel et al. 2008; Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2005). Das SOEP wurde ursprünglich im Jahr 1984 als eine Befragung einer repräsentativen Stichprobe der erwachsenen Wohnbevölkerung der damaligen Bundesrepublik begonnen und wird seither (mit einer Ausdehnung der Stichprobe auf die ehemalige DDR im Jahr 1990) kontinuierlich fortgeführt. Durch die Erhebung von Längsschnittdaten auf der Individualebene war beabsichtigt, Informationen zur Stabilität und zum Wandel der Lebenslagen von Individuen, Familien und Haushalten bereitstellen zu können, die aus traditionellen Querschnittsbefragungen nicht gewonnen werden können. Das Fragenprogramm des SOEP umfasst dabei im Wesentlichen acht inhaltliche Themenfelder, die in der jährlichen Erhebung regelmäßig erfasst werden. Dazu zählen Fragen
4.2 Das Sozio-ökonomische Panel (SOEP)
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zur Demographie und Haushaltsstruktur, zu Arbeitsmarkt und Beschäftigung, Einkommen, Steuern und soziale Sicherung, Wohnen, Gesundheit, Bildung und Qualifikationserwerb, Leistungen privater Haushalte, sowie zu Grundorientierungen, politischer Partizipation und sozialer Integration. Durch die regelmäßige Erhebung von Informationen aus diesen verschiedenen Lebensbereichen eignet sich das SOEP sehr gut für die Durchführung empirische Analysen über Prozesse der Familien- und Haushaltsbildung, zu Erwerbsverläufen und Karrieremustern, zu Stabilität und Wandel von Erwerbs-, Transfer-, Individual- oder Haushaltseinkommen. Bis heute ist die 1984 gezogene repräsentative Haushaltsstichprobe aus der wohnberechtigten Bevölkerung der Bundesrepublik der Grundlage des SOEP geblieben. Damals wurden in zwei Stichproben über 12.000 Personen (über 16.000 Personen einschließlich minderjähriger Kinder) aus etwa 6.000 Haushalten mit deutschem oder ausländischem Haushaltsvorstand befragt. Bei beiden Stichproben handelt es sich um repräsentative Bevölkerungsstichproben, die sich lediglich durch die Grundgesamtheit und die Auswahlwahrscheinlichkeit unterscheiden. Die „westdeutsche“ Stichprobe A besteht aus der Grundgesamtheit aller Haushalten mit nicht-türkischem, -griechischem, -spanischem oder nichtitalienischem Haushaltsvorstand, während Stichprobe B aus der Grundgesamtheit der Haushalte mit Haushaltsvorständen aus den klassischen Zuwanderungsländern Türkei, Griechenland, Spanien und Italien gezogen wurde. Um angemessene statistische Analysen der Migrantenstichprobe zu ermöglichen, wurde die Auswahlwahrscheinlichkeit der Stichprobe B um etwa das Vierfache erhöht. In der Erstbefragung erreichte das SOEP eine Ausschöpfungsquote von etwa 6070% der ursprünglich gezogenen Adressenstichproben. Ausgehend von dieser Stichprobe wurden die Mitglieder der ursprünglichen Stichprobe jährlich erneut befragt, und zwar sowohl dann, wenn der ursprüngliche Haushalt weiter bestand, als auch in Fällen, wenn einzelne Haushaltsmitglieder aus dem ursprünglichen Haushalt ausgezogen waren. Dieses „Stammpersonenkonzept“, d.h. die kontinuierliche Weiterverfolgung aller Personen aus den ursprünglichen Stammhaushalten sollte vor allem die Querschnittsrepresentativität des SOEP sichern. Zusätzlich zu diesem Kernbestand von SOEP-Personen und Haushalten wurden aber insbesondere im Hinblick auf Längsschnittanalysen auch alle jene Personen dauerhaft weiterverfolgt, die nach dem Start des SOEP neu mit der Befragung in Kontakt gekommen sind, also wenn beispielsweise Personen neu in einen bestehenden Stammhaushalt ziehen, oder Personen aus ursprünglichen Stammhaushalten neue Haushalte gründen, so dass die SOEP-Stichprobe schneeballartig zunehmend erweitert wird. Allerdings sinkt die vorhandene Stichprobe trotz aufwendiger Weiterverfolgungsregeln und -strategien ständig durch Panelausfälle, insbesondere wenn
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4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
Befragungspersonen (vorübergehend oder dauerhaft) ihre Beteiligung an der Befragung einstellen, durch den Tod von Befragungspersonen, oder einen Wegzug ins Ausland. In der neuesten für diese Arbeit verwendete Panelwelle (Welle U, 2004) sind noch etwa 50% der ursprünglich etwa 16.000 Personen der Anfangsstichproben A+B enthalten (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung 2005). Im Laufe der Zeit wurde diese ursprüngliche SOEP-Stichprobe durch mehrere Ergänzungsstichproben erweitert. Bei der ersten dieser Ergänzungsstichproben (Stichprobe C) handelte es sich um die 1990 begonnene Stichprobe der Wohnbevölkerung der ehemaligen DDR, in der in einer ersten Panelwelle noch vor der eigentlichen Wiedervereinigung im Oktober 1990 etwa 4.500 erwachsene Personen (über 6.000 Personen einschließlich minderjähriger Kinder) aus etwa 2.200 ostdeutschen Haushalten befragt wurden. Zwei weitere Ergänzungen wurden durch die Zuwandererstichproben D1/D2 aus den Jahren 1994/95 vorgenommen, mit welchen die Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch die starke Zuwanderung neuer Haushalte von Aussiedlern und Asylbewerbern seit Ende der achtziger Jahre berücksichtigt werden sollte. In diesen beiden Stichproben sind insgesamt etwa 500 Haushalte mit etwa 1.100 erwachsenen bzw. insgesamt 1.700 Haushaltsmitgliedern neu in das SOEP aufgenommen worden. Im Jahr 1998 beziehungsweise im Jahr 2000 wurden dann zwei neue „Auffrischungsstichproben“ E und F in das SOEP aufgenommen, die aus jeweils unabhängig gezogenen repräsentativen Haushaltsstichproben von weiteren 1.067 beziehungsweise 6.052 Privathaushalten mit fast 2.000 beziehungsweise 11.532 erwachsenen Haushaltsmitgliedern bestehen. In der vorläufig letzten Ergänzung des SOEP wird seit dem Jahr 2002 eine Stichprobe von ursprünglich knapp 2.900 Personen in 1.200 Haushalten von Hocheinkommensbeziehern verfolgt, denen monatlich mindestens ein Nettoeinkommen von € 4.500,- zur Verfügung steht. Zusammengenommen über alle Einzelstichproben stehen damit trotz unvermeidlicher Panelausfälle in den aktuellen Wellen des SOEP über 22.000 jährliche Interviews zur Verfügung. Mit diesen Stichproben stellt das SOEP umfangreiche Längsschnittinformationen zu Lebens- und Erwerbsverläufen in der Bundesrepublik zur Verfügung. Der Kern des Fragenprogramms besteht aus prospektiven Fragen beispielsweise zur aktuellen Erwerbs-, Einkommens- oder Haushaltssituation der Befragungspersonen, aus deren jährlicher Wiederholung bereits Längsschnittinformationen zu den Einkommens- oder Berufsverläufen der Befragten gebildet werden können. Durch die mögliche Verknüpfung von Haushalts- und Personenebene lässt sich zudem auch die Entwicklung der Haushaltsstrukturen nachvollziehen, auch können dadurch partner- oder haushaltsbezogene Informationen direkt als erklärende Variablen in die empirische Analyse einbezogen werden. Außerdem ist
4.3 Analysestrategie
125
durch die große Anzahl prospektiv abgefragter Informationen das Risiko einer aufgrund von Erinnerungsverzerrungen verringerten Datenqualität minimiert. Zusätzlich zu diesen prospektiven Fragen enthält der Fragebogen aber auch eine Reihe retrospektiver Elemente, die vergangene Ereignisse rückwirkend über kürzere oder mittlere Zeiträume hinweg erheben. Dazu gehören zum einen Retrospektivfragen nach dem Auftreten bestimmter Ereignisse (Geburt eines Kindes, Trennung/Scheidung, Arbeitgeberwechsel, Stellenwechsel, Umzug etc.) seit dem vorangegangenen Interview, oder auch Fragen zur Einkommenssituation im vergangenen Jahr. Zum anderen enthält das SOEP eine Reihe von Kalendarien, die insbesondere für den individuellen Erwerbsstatus, aber auch den Bezug verschiedener Einkommens- und Transferarten (1984-1994, ab 1995 nur noch Bezugsmonate ohne exakte Datierung) oder den Bezug von Sozialhilfe (seit 1995) monatsgenaue Verlaufsangaben enthalten. Die Kalendarieninformation wird innerhalb des jährlichen Wellenfragebogens normalerweise für das vergangene Jahr abgefragt; zum Teil werden diese Informationen aber auch über längere Zeiträume retrospektiv abgefragt, wenn Personen beispielsweise in einem Jahr nicht befragt werden konnten. Außerdem werden bei der ersten Befragungsteilnahme in einem gesonderten Biographiefragebogen mehrere Angaben z.B. zur bisherigen Erwerbskarriere, zur Heirats- sowie Familienbiographie retrospektiv erhoben.
4.3 Analysestrategie Die Verwendung des SOEP hat eine Reihe entscheidender Vorteile für die hier vorgelegten Analysen. Wie bereits oben dargestellt, ermöglichen es die aus den jährlichen Befragungen des SOEP gewonnenen Längsschnittinformationen, den für ein natürliches Experiment typischen Vorher-Nachher-Vergleich anhand einer einheitlichen Stichprobe durchführen zu können, so dass die Befragungspersonen als eigene Kontrollgruppe verwendet werden können. Da bei einem Vorher-Nachher-Vergleich auf der Basis von zwei oder mehreren unterschiedlichen Stichproben nicht davon ausgegangen werden kann, dass vollständig für relevante Unterschiede in der Zusammensetzung der Stichproben kontrolliert werden kann, sollte das hier verwendete Design die Gefahr stichprobenbedingter Ergebnisverzerrungen und entsprechender Fehlschlüsse deutlich verringern. Außerdem stellt das umfangreiche Fragenprogramm des SOEP sicher, dass relevante Merkmale der Befragten sowie zentrale Lebensereignisse wie Geburten, Eheschließungen, Scheidungen oder Berufswechsel zuverlässig erfasst werden und damit als zeitveränderliche Kontrollvariablen in die Analyse aufgenommen werden können. Dadurch sollte das Risiko, dass Kompositionseffekte zu Fehl-
126
4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
schlüssen auf die Wirkung familienpolitischer Reformen beitragen, zusätzlich minimiert werden. Auch können zeitveränderliche Kovariaten in weiterführenden Analysen dazu beitragen, die mit einer Gesetzesänderung verbundenen Verhaltensänderungen zu erfassen, die zu Veränderungen der Arbeitsmarktchancen von Frauen geführt haben. Darüber hinaus führt das lange historische Beobachtungsfenster von gut 20 Jahren, das mit dem SOEP mittlerweile zur Verfügung steht, dazu, dass in der vorliegenden Arbeit auch die langfristigen Folgewirkungen der familienpolitischen Reformen der späten 1980er und frühen 1990er Jahre für den Karriereverlauf von Frauen abschätzbar sind. Die folgenden Analysen verwenden dazu einen aus dem SOEP gewonnenen Datensatz zu den Familienbiographien und Erwerbsverläufen westdeutscher Frauen im erwerbsfähigen Alter von 16 bis 64 Jahren. Die empirischen Analysen beziehen sich dabei auf Frauen, die entweder in einem der alten Bundesländer leben oder, falls sie in den neuen Bundesländern wohnen, erst nach der Wende von Westdeutschland in die neuen Bundesländer umgezogen sind. Die Analysestichprobe wurde bewusst auf westdeutsche Frauen begrenzt, um in der Analyse nur Frauen zu berücksichtigen, die im gesellschaftspolitischen System der alten Bundesrepublik aufgewachsen sind und für die deshalb die verschiedenen Reformstufen der Erziehungsurlaubsgesetzgebung auch tatsächlich relevant waren. Für ostdeutsche Frauen hat hingegen die Wiedervereinigung nicht nur zu einer Veränderung der Familienpolitik, sondern zu einer nachhaltigen Transformation der gesamten Gesellschaftsstruktur und Lebensverläufe geführt. Dadurch scheint es unwahrscheinlich, dass in der unmittelbaren Nachwendezeit ein Effekt der 1992 erfolgten Ausweitung des Erziehungsurlaubs zweifelsfrei zu isolieren ist. Der Versuch, die Wirkung der 2001 unter der rot-grünen Bundesregierung erfolgte Einführung der Elternzeit auch für Frauen aus den neuen Bundesländern zu evaluieren, wäre aufgrund des Zeitfensters der hier verwendeten Datenquelle nur auf relativ kurzfristige Folgewirkungen, die bereits in den wenigen Jahren bis 2004 sichtbar würden beschränkt. Zudem zeigen die Analysen aus den folgenden Kapiteln auch, dass dieser letzte Reformschritt zumindest kurzfristig keinerlei Auswirkung auf das Fertilitäts- oder Arbeitsmarktverhalten westdeutscher Frauen hatte. Auch deshalb scheint eine gesonderte Analyse für Frauen aus den neuen Bundesländern wenig vielversprechend. Schließlich wurden Männer vollständig aus der Analysestichprobe ausgeschlossen, da der Anteil der Männer, die nach der Geburt ihrer Kinder wenigstens für eine gewisse Zeit Erziehungsurlaub beansprucht, eine statistisch kaum noch erfassbare Größe darstellt. Es ist deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit auszuschließen, dass das Erwerbsverhalten oder die Arbeitsmarktchancen von Männern durch die Regelungen des Erziehungsurlaubs insgesamt, oder gar durch die jeweils spezifischen Veränderungen einzelner Gesetzesänderungen nachhal-
4.3 Analysestrategie
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tig beeinflusst werden. Auch um in der statistischen Analyse einen möglicherweise verzerrenden Einfluss der Geschlechtersegregation im Arbeitsmarkt auszuschließen, wird mit der Verwendung einer ausschließlich weiblichen Stichprobe implizit die empirisch beobachtbare Karriereentwicklung kinderloser Frauen als relevante Vergleichsgröße für die Ermittlung der Karrierefolgen von Kindern unter sich verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen angesehen. Die hier verwendete Stichprobe umfasst unter den genannten Ausschlusskriterien 15.163 westdeutsche Frauen im Alter zwischen 16 und 64 Jahren, für die Angaben aus insgesamt 104.319 im Rahmen der SOEP-Studie durchgeführten Jahresinterviews vorliegen. Auf der Grundlage dieser Stichprobe wird im Folgenden untersucht, ob und inwiefern sich das Fertilitäts- und Arbeitsmarktverhalten von Frauen im Zuge der Ausweitung des Rechtsanspruchs auf den gesetzlichen Erziehungsurlaub verändert hat. Insgesamt können in dem hier vorliegenden Beobachtungszeitraum sieben Regelungsphasen unterschieden werden, in denen sukzessive großzügigere Regelungen insbesondere in Bezug auf die Länge des Erziehungsurlaubs eingeführt wurden. Die erste Phase bis einschließlich Dezember 1985 beschreibt dabei die Phase bis zur Einführung des Bundeserziehungsgeldgesetzes, in welcher nach dem Mutterschaftsurlaubsgesetz ein Anspruch auf Mutterschaftsurlaub von 4 Monaten nach Ablauf der Mutterschutzfristen festgeschrieben war. Im Anschluss daran wurde durch das Bundeserziehungsgeldgesetz ein Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub bis zum 10. Monat nach der Geburt geschaffen, der für Geburten in den Jahren 1986 und 1987 Geltung hatte. Daran anschließend wurde die Länge des Erziehungsurlaubs in vier Reformschritten bis auf drei Jahre erweitert, die für Geburten ab dem Jahr 1992 gewährt wurden. In der Zwischenzeit hatte der Rechtsanspruch auf Erziehungsurlaub von 1988 bis Mai 1989 (einschließlich der üblichen Mutterschutzfrist) 12 Monate, von Juni 1989 bis Mai 1990 15 Monate, und von Juni 1990 bis 1991 18 Monate betragen. Nach der Reform des Jahres 1992 erfolgte die letzte im Analysezeitraum relevante gesetzliche Veränderung durch die Einführung der Elternzeitregelungen im Jahr 2001, mit der vor allem die Inanspruchnahme des dreijährigen Erziehungsurlaubs flexibilisiert wurde. Die in den einzelnen Reformphasen jeweils geltende Rechtslage definiert dementsprechend unterschiedliche familienpolitische Rahmenbedingungen, die für Mütter in Abhängigkeit vom Geburtsjahrgang ihres Kindes jeweils relevant sind. Damit kommt dem Geburtszeitpunkt eines Kindes in der hier vorgelegten Studie eine entscheidende Bedeutung zu. Dadurch, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen sich in verschiedenen Reformphasen unterscheiden, definiert der Zeitpunkt der Geburt den quasi-experimentellen Stimulus, dessen Auswirkungen auf weibliche Erwerbsverläufe und Familienbiographien durch die empirische Analyse untersucht werden sollen. Für die folgende Analyse ist damit entschei-
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4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
dend, dass in der empirischen Datenbasis für die einzelnen Reformphasen eine jeweils ausreichend große Zahl von Geburten bzw. der auf die Geburt folgenden Erwerbsverläufe der Mütter beobachtet werden kann. Die im SOEP für die einzelnen Reformphasen zur Verfügung stehenden Fallzahlen sind in Tabelle 4.1 dargestellt. Danach zeigt sich, dass trotz der vergleichsweise kurz aufeinander folgenden Veränderung der Regelungen des Erziehungsurlaubs in den 1980er Jahren innerhalb jeder der etwa zweijährigen Reformphasen im SOEP meist immerhin etwa 300 Geburten beobachtet werden. Für die familienpolitisch stabilste Phase zwischen 1992 und 2000 stehen sogar Daten zu mehr als 1.500 Geburten zur Verfügung, damit erscheint eine quantitative Analyse des Fertilitätsverhaltens von Frauen bzw. der Dauer von Erwerbsunterbrechungen und des weiteren Karriereverlaufs nach einem Wiedereinstieg in den Beruf zumindest im Grundsatz möglich.1 Andererseits wird auch deutlich, dass besonders in den vergleichsweise kurzen Reformphasen jeweils auch nur wenige Geburten im SOEP beobachtet werden, so dass allein aufgrund der geringen Fallzahlen die Analyseergebnisse für diese Phasen unsicherer werden. Aus diesem Grund wird in den empirischen Analysen auch auf eine weitergehende Ausdifferenzierung verzichtet. Als einzige Ausnahme hiervon werden systematisch getrennte Analysen nach Bildungsniveau durchgeführt, um für diese wichtige Differenzierung wenigstens Tendenzaussagen treffen zu können. Tabelle 4.1: Fallzahlen der phasenspezifischen Analysen, SOEP 1984-2004 Reformphase der gesetzlichen Erziehungsurlaubsregelungen 1: 1984 - 1985 2: 1986 - 1987 3: 1988 - 5/1989 4: 6/1989 - 5/1990 5: 6/1990 - 1991 6: 1992 - 2000 7: 2001 - 2004 Insgesamt
1
Anspruchsdauer in Monaten (incl. Mutterschutz)
N Geburten
N Jahresbeobachtungen (nach Geburten)
6 10 12 15 18 36 36
317 321 249 162 273 1.583 587
2.727 2.610 1.958 1.044 1.930 7.852 1.172
3.492
19.293
Für die im Rahmen dieser Arbeit gewählte Analysestrategie sind schließlich die im Beobachtungszeitraum geborenen Kinder bzw. nur die auf diese Geburten folgenden Beobachtungen der späteren Erwerbsbeteiligung bzw. Arbeitsmarktposition bedeutsam. Da in den hier verwendeten statistischen Modellen der Effekt von Kindern auf den weiteren Erwerbsverlauf mit Hilfe eines Vorher-NachherVergleichs ermittelt wird, tragen Geburten, die bereits vor Befragungsbeginn lagen, nichts zur statistischen Analyse bei.
4.3 Analysestrategie
129
Durch die über den Geburtszeitpunkt erfolgte Zuordnung der Reformvariablen ist dabei sichergestellt, dass in Kombination mit den Längsschnittdaten des SOEP systematische Vorher-Nachher-Vergleiche von Erwerbsverläufen vor bzw. nach der Geburt eines Kindes ermöglicht werden, wobei gleichzeitig auf der individuellen Ebene für wichtige Determinanten des Arbeitsmarkterfolgs kontrolliert werden kann. Außerdem können durch die im SOEP bereitgestellten Längsschnittinformationen das Fertilitäts- und Erwerbsverhalten einer einzigen Stichprobe von Frauen unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen, d.h. vor und nach einer erfolgten Regeländerung verglichen werden. In den statistischen Analysen werden dazu neuere regressionsanalytische Methoden der Panelanalyse verwendet, welche berücksichtigen, dass einzelne Untersuchungseinheiten zu mehreren Zeitpunkten beobachtet werden. Dadurch wird es möglich, so genannte Random- (RE) oder Fixed-Effects (FE)-Regressionsmodelle zu schätzen (Allison 1994; Greene 2005; Wooldridge 2002a, b), die in der statistischen Analyse für den Einfluss unbeobachteter Heterogenität, also unbeobachteter, aber zeitkonstanter Personenmerkmale kontrollieren. Da die unterschiedlichen abhängigen Variablen dieser Studie den Einsatz mehrerer verschiedener Regressionsverfahren erfordern, werden diese ausführlich in den jeweiligen empirischen Kapiteln dargestellt. Abgesehen vom Einsatz statistischer Verfahren der Längsschnittanalyse versuchen die empirischen Analysen zusätzlich auch, durch Einschluss entsprechender Kovariaten in die Regressionsmodelle für mögliche konfundierende Störfaktoren zu kontrollieren, und dadurch den kausalen Effekt der veränderten familienpolitischen Rahmenbedingungen zu isolieren. Durch die Verwendung des Sozio-ökonomischen Panels kann hier auf eine besonders große Auswahl potenziell relevanter Kontrollvariablen zurückgegriffen werden. Der Fragenkatalog des SOEP umfasst eine große Anzahl sozio-ökonomischer und demographischer Informationen, so dass die Analysen dieser Studie auf vielfältige Angaben etwa zum Geburtsjahrgang, Bildungsabschluss, ethnischen Hintergrund, zur Religionszugehörigkeit, oder zur Familien- und Erwerbsbiographie der Befragten zurückgreifen können. Dabei werden insbesondere der Erwerbsstatus der Frauen, sowie verschiedene Maße der beruflichen Stellung, beispielsweise das Monatseinkommen, Arbeitszeit, Beschäftigung im öffentlichen Dienst, als Beamter oder in Selbständigkeit, Berufsprestige oder der Frauenanteil in der Berufsgruppe, sowie die Branche des aktuellen Arbeitgebers in die Analysen aufgenommen. Ebenso können berufsbiographische Merkmale wie die tatsächliche Berufserfahrung, die Dauer kindbedingter Erwerbsunterbrechungen, die Zahl von Arbeitslosigkeitsphasen, die Zahl von Arbeitgeberwechseln und die aktuelle Betriebszugehörigkeitsdauer erfasst werden.
130
4 Untersuchungsdesign und Analysestrategie
Da das Sozio-ökonomische Panel auf Haushaltsbefragung basiert, liegen entsprechende Angaben zudem auch systematisch für den aktuellen Ehe- oder Lebenspartner der Befragungspersonen vor. Dadurch wird es in der vorliegenden Studie möglich, neben den Wirkungen der individuellen Erwerbsbiographie und sonstiger sozio-demographischer Merkmale der Frauen in der verwendeten Stichprobe auch für den Einfluss der Haushaltssituation und der Erwerbsbiographie und weiterer sozio-demographischen Merkmale der Ehe- bzw. Lebenspartner zu kontrollieren. Dazu werden Kontrollvariablen beispielsweise zur aktuellen Haushaltssituation, zur Zahl der biologischen Kinder, dem Alter des jüngsten Kindes, sowie zur Berufsbiographie des aktuellen Partners gebildet. In diesem Zusammenhang werden zum Beispiel Bildung, Berufserfahrung, Erwerbsstatus, berufliche Stellung, Berufsprestige, oder das Monatseinkommen des Partners erfasst. Darüber hinaus handelt es sich beim Sozio-ökonomischen Panel um eine jährliche Wiederholungsbefragung, so dass jegliche Veränderung sowohl der Befragten- wie auch der Partnermerkmale gezielt registriert wird. Die vorliegenden Analysen greifen daher durchgängig auf potenziell zeitveränderliche Kovariaten zurück, in welchen Veränderungen beispielsweise der individuellen Erwerbsposition, der Familiensituation oder der Erwerbsposition des Partners systematisch wiedergegeben werden und ihr Einfluss dementsprechend auch in der statistischen Analyse berücksichtigt ist. Um darüber hinaus den Einfluss ökonomischer oder sonstiger makrostruktureller Rahmenbedingungen zumindest ansatzweise zu erfassen, werden außerdem das aktuelle Bundesland und die aktuelle weibliche Arbeitslosenquote als Kontrollvariablen aufgenommen. Darüber hinaus schließen die Modelle die Panelwelle als Kontrollvariable für sonstige ungemessene historische Entwicklungen der Frauenerwerbstätigkeit oder der Lohnverteilung ein, die unabhängig von der jeweiligen Reform des Erziehungsurlaubs stattgefunden haben. Die in den folgenden Analysen eingesetzten Regressionsmodelle greifen jeweils in Abhängigkeit von der entsprechenden Fragestellung unterschiedlich auf diesen Pool von Kontrollvariablen zurück und werden in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt.
5 Die Reformen des Erziehungsurlaubs und das Fertilitätsverhalten von Frauen
Im ersten Teil der empirischen Analyse soll untersucht werden, inwieweit die sukzessiven Reformen der Erziehungsurlaubsregelungen westdeutschen Frauen die Familiengründung erleichtert haben. Aus rein ökonomischer Betrachtung wäre ein entsprechender demographischer Nebeneffekt der Einführung und Ausweitung des Erziehungsurlaubs zu erwarten. In dem Ausmaß, in dem es gelingt, durch das gesetzliche Kündigungsverbot während des Erziehungsurlaubs die ökonomischen Folgen von Erziehungsphasen tatsächlich zu reduzieren, sinken die Opportunitätskosten der Familiengründung, so dass die individuelle Fertilitätsneigung ansteigen sollte. Im Fall der bundesdeutschen Erziehungsurlaubsregelungen gilt dies vielleicht in verstärktem Maße für Frauen und Haushalte mit mittlerem bis geringem Erwerbspotenzial, für die das Erziehungsgeld eine gewisse Lohnersatzfunktion hat bzw. zusätzlich zum Kindergeld ermöglicht, die gestiegenen Lebenshaltungskosten nach einer Familiengründung zu decken. Andererseits ist natürlich auch zu berücksichtigen, dass die Einführung des Erziehungsurlaubs nur mit einer begrenzten Verringerung der Opportunitätskosten einer Familiengründung verbunden ist. Zum einen erfolgte bereits eine vergleichsweise umfangreiche finanzielle Kompensation der direkten Lebenshaltungskosten durch den bereits bestehenden steuerlichen Familienlastenausgleich sowie durch die Kindergeldleistungen und zum anderen war mit der Einführung und Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs aber auch die politische Entscheidung gegen einen stärkeren Ausbau der Betreuungsangebote für Kleinkinder verbunden, so dass Familien für die vorschulische Kinderbetreuung im Wesentlichen weiterhin auf die bestehenden Angebote der halbtägigen Kindergartenbetreuung verwiesen blieben.
5.1 Methoden Zur Analyse des Fertilitätsverhaltens unter sich verändernden gesetzlichen Rahmenbedingungen wird im Folgenden eine Reihe logistischer Regressionsmodelle verwendet. Als abhängige Variable wird dabei jeweils die jährliche Fertilitätsra-
132
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
te, d.h. die Wahrscheinlichkeit einer Geburt zwischen zwei aufeinander folgenden Befragungswellen betrachtet. Die Analyse wird zudem auf die fertile Lebensphase beschränkt, so dass lediglich Beobachtungen von Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren in die Analyse eingehen. Aus diesen Beobachtungen wird ein Periodendatensatz erstellt, zu welchem etwa 5.800 Frauen mit insgesamt knapp 40.000 Jahresbeobachtungen mit gültigen, weiter unten ausführlicher dargestellten Kovariaten beitragen. Für jede Periode wird dabei durch eine binäre Indikatorvariable festgestellt, ob sich im abgelaufenen Jahr eine Geburt ereignet hat. Dieser Indikator stellt die abhängige Variable der Analyse dar, so dass die hier vorgestellten Analysen einer Ereignisanalyse in diskreter Zeit entsprechen (vgl. Allison 1982; Singer und Willett 2003). Dabei stellt das Lebensalter der Frauen die Zeitachse der Analyse dar. Neben dem Lebensalter werden in den Regressionsmodellen eine Reihe weiterer sozialstruktureller Determinanten der Geburtenneigung als Kontrollvariablen aufgenommen. Dazu zählen besonders der höchste erreichte schulische bzw. berufliche Bildungsabschluss, die Religionszugehörigkeit und Staatsangehörigkeit sowie die Zahl der eigenen Geschwister. Da die deskriptiven Analysen zeigen, dass die Fertilitätsneigung einen glockenförmigen Zusammenhang mit dem Lebensalter aufweist, enthalten die Regressionsmodelle einen linearen und einen quadratischen Term des Lebensalters, so dass in der multivariaten Analyse ein entsprechender Zusammenhang abgebildet werden kann. Da nach den deskriptiven Analysen der biographische Zeitpunkt der Familiengründungsphase außerdem vom höchsten erreichten Bildungsabschluss abhängt, werden durchgängig Interaktionsterme zwischen Bildungsabschluss und Lebensalter in die Modelle aufgenommen. Darüber hinaus wird in der statistischen Analyse erfasst, inwiefern die Fertilitätsrate von der Erwerbsbeteiligung und Arbeitsmarktposition von Frauen abhängig ist. Dazu werden in den Regressionsmodellen zeitveränderliche Kovariaten aufgenommen, die den aktuellen Erwerbsstatus, die kumulierte tatsächliche Berufserfahrung, die aktuelle berufliche Stellung, die Beschäftigung in frauenspezifischen Berufsfeldern (vgl. Hakim 1996) sowie das aktuelle Bruttoerwerbseinkommen abbilden. Außerdem wird in den Analysen für den Einfluss der Haushaltszusammensetzung auf die Fertilitätsrate kontrolliert, dabei werden die Präsenz eines Ehe- bzw. Lebenspartners, die Zahl der bereits vorhandenen Kinder, das Alter des jüngsten Kindes sowie die Altersdifferenz zum Ehe- bzw. Lebenspartner als zeitveränderliche Kovariaten berücksichtigt. Für den Fall, dass ein Ehe- bzw. Lebenspartner vorhanden ist, werden zusätzlich zentrale Merkmale wie Bildung, Erwerbsstatus, berufliche Stellung und Erwerbseinkommen des Partners erfasst, um so einen möglichen Zusammenhang zwischen der Fertilitätsrate und dem Erwerbspotenzial des Partners abbilden zu können. Schließlich
5.1 Methoden
133
wird noch für die weibliche Arbeitslosenquote im Bundesland als makrostruktureller Einflussfaktor kontrolliert. Die Auswirkungen der Einführung und Ausweitung des Erziehungsurlaubs werden dann im Rahmen einer Serie von Modellschätzungen näher betrachtet. Um den Bruttoeffekt der verschiedenen Reformstufen auf die Fertilitätsneigung zu erfassen, wird zunächst ein einfaches Regressionsmodell geschätzt, das neben der Unterscheidung der verschiedenen historischen Phasen, in welchen jeweils unterschiedliche Erziehungsurlaubsregelungen Geltung hatten, lediglich die zentralen sozialstrukturellen Kontrollvariablen enthält. Im Anschluss daran wird dieses Modell schrittweise um die weiteren oben beschriebenen Kontrollvariablen erweitert. Da Faktoren wie die Erwerbsneigung und Erwerbsposition von Frauen oder die Haushaltszusammensetzung möglicherweise selbst durch die gesetzlichen Reformen beeinflusst werden können, müssen sie in der Analyse als potenziell endogen betrachtet werden. Dementsprechend kommt diesen Kontrollvariablen im Rahmen der vorliegenden Analyse zum Teil auch die Funktion von Mediatorvariablen zu, deren Veränderung über die Zeit zum Teil auf mögliche Effekte der politischen Reformen hinweisen. Der schrittweise Einschluss der entsprechenden Variablenblöcke ermöglicht demzufolge sowohl die Abschätzung entsprechender Mediatoreffekte als natürlich auch der generellen Kontrolle der Effekte wichtiger Kovariaten. Die Hauptanalyse des Kapitels wird darüber hinaus noch in verschiedener Weise erweitert und differenziert. Zum einen wird die Analyse inhaltlich erweitert, indem die Reformeffekte differenziert nach Bildungsgruppen bzw. getrennt für vor der Geburt erwerbstätige und vor der Geburt nicht erwerbstätige Mütter betrachtet werden. Im Hinblick auf eine Erweiterung der statistischen Modellierung werden im Folgenden neben dem einfachen logistischen Regressionsmodell zusätzlich auch Schätzergebnisse von Random- (RE) bzw. Fixed-Effects (FE) Logit-Modellen vorgestellt (Greene 2005; Wooldridge 2002b, a), mit welchen über die zur Verfügung stehenden beobachteten Kovariaten hinaus versucht werden kann, für die Einflüsse sonstiger, d.h. ungemessener Personeneigenschaften zu kontrollieren. Die Ergebnisse der RE- bzw. FE-Schätzungen können damit als zusätzliche Sensitivitätsanalysen betrachtet werden, in welchen die interessierenden Reformeffekte unter alternativen statistischen Annahmen über den Zusammenhang zwischen der Fertilitätsrate und ungemessenen Personeneigenschaften ermittelt werden.
134
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
5.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse Bevor die Ergebnisse der multivariaten Analysen vorgestellt werden, werden im Folgenden einige deskriptive Ergebnisse zur Entwicklung der allgemeinen sowie der alters- und bildungsspezifischen Fertilitätsraten von westdeutschen Frauen seit Mitte der 1980er Jahre. Abbildung 5.1 stellt dazu zunächst die Entwicklung der allgemeinen Fertilitätsrate dar. Dabei zeigt sich, dass die hier betrachtete jährliche Geburtenwahrscheinlichkeit über den gesamten Zeitraum der letzten 20 Jahre hinweg weitgehend konstant geblieben ist. Im Durchschnitt wurde in jedem Befragungsjahr für jeweils etwa sechs Prozent der westdeutschen Frauen zwischen 18 und 40 Jahren eine Geburt beobachtet. Die Geburtenrate ist zwar im Laufe der 1980er Jahre leicht auf etwa sieben Prozent angestiegen, seit Mitte der 1990er Jahre sinkt die Geburtenneigung jedoch wieder und erreicht bis zum Ende des Beobachtungszeitraums der vorliegenden Studie im Jahr 2004 ihren Tiefstwert von nur noch etwa fünf Prozent. Vergleicht man diese Entwicklung mit der zeitlichen Entwicklung der Erziehungsurlaubsgesetzgebung, so zeigt sich, dass die Fertilitätsrate zunächst zeitgleich mit der Einführung des Erziehungsurlaubs leicht angestiegen ist und bis Anfang der 1990er Jahre, also parallel zur Ausweitung des gesetzlichen Erziehungsurlaubs auf eine Dauer von drei Jahren, ihren Höhepunkt erreicht. Anschließend sinkt die Geburtenwahrscheinlichkeit wieder und fällt bis 2004 praktisch auf den Stand vor der Einführung des Erziehungsurlaubs Mitte der 1980er Jahre zurück. Hinter diesen relativ geringen Veränderungen, die sich in der deskriptiven Betrachtung der Geburtenrate zeigen, stehen möglicherweise eine Vielzahl von gegenläufigen Entwicklungen, die erst bei einer differenzierteren Analyse der Daten sichtbar werden. Besonders wichtig kann dabei die altersdifferenzierte Betrachtung sein, mit der die Veränderung der Fertilitätsneigung mit zunehmendem Lebensalter angemessen abgebildet werden kann. In Abbildung 5.2 zeigt die entsprechende Analyse, dass die Fertilitätsrate für westdeutsche Frauen einen deutlich glockenförmigen Zusammenhang mit dem Lebensalter aufweist. Die maximale Fertilitätsneigung von etwa 10 Prozent wird dabei im Alter von 28 Jahren erreicht, wobei die Fertilitätsrate für Frauen zwischen Anfang 20 und Mitte 30 durchgängig über fünf Prozent liegt. Abbildung 5.2 zeigt außerdem, dass dieses Muster mit einer leichten zeitlichen Verschiebung auch dann zutrifft, wenn Erstgeburten getrennt betrachtet werden. Im Vergleich ist die Glockenkurve für die altersspezifische Neigung zu einer zweiten oder weiteren Geburt dagegen deutlich nach links verschoben. Insbesondere unter jüngeren Müttern ist demnach die Tendenz zu weiteren Kindern besonders ausgeprägt bzw. besteht die Neigung, eine weitere Geburt relativ schnell auf die Erstgeburt folgen zu lassen.
5.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse
135
Fertilitätsrate
Abbildung 5.1: Entwicklung der jährlichen Geburtenwahrscheinlichkeit, 19842004 0.12
0.10
0.08
0.06
0.04
0.02
0.00
Reformphas e 1 2
1984
3
4
5
6
7
1989
1994
1999
2004
Anmerkung: mittels gleitender Median-Glättung geglättete Rohdaten, gewichtete Analyse.
Fertilitätsrate
Abbildung 5.2: Jährliche Geburtenwahrscheinlichkeit nach Lebensalter und Parität 0.15
0.10
0.05
0.00 18
23
28
33
38 Alter
alle Geburten
Erstgeburt
Folgegeburt
Anmerkung: mittels gleitender Median-Glättung geglättete Rohdaten, gewichtete Analyse.
136
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
Abbildung 5.3 kombiniert die bisherigen Analysen, so dass die Entwicklung der altersspezifischen Geburtenwahrscheinlichkeiten für die einzelnen Reformstufen der Erziehungsurlaubsgesetzgebung betrachtet werden kann. Abbildung 5.3 stellt die Entwicklung der altersspezifischen Fertilitätsraten dabei getrennt für die Geburtenfolge dar, so dass ermittelt werden kann, inwieweit es im Zuge der Reformen des Erziehungsurlaubs zu einer Veränderung der allgemeinen Fertilitätsrate, zu einer Veränderung des Zeitpunkts der Familiengründung oder zu einer veränderten Neigung zur zweiten oder weiteren Folgegeburt gekommen ist. Wird zunächst die Entwicklung der Fertilitätsrate insgesamt betrachtet, dann sprechen die Daten tatsächlich für eine deutliche Erhöhung der Fertilitätsrate nach Einführung des Erziehungsurlaubs im Jahr 1986. Bei Einführung des Erziehungsurlaubs hat sich allein das Maximum der Geburtenwahrscheinlichkeit gegenüber den Vergleichsdaten vor Einführung des Erziehungsurlaubs um 3 Prozentpunkte auf einen historischen Höchstwert von etwa 12 Prozent gesteigert. Wie auch schon in Abbildung 5.1 oben zeigt sich diese erhöhte Fertilitätsrate allerdings vor allem in den ersten vier Reformphasen nach Einführung des Erziehungsurlaubs, während die Fertilitätsraten im Anschluss an die Reform von 1992 wieder deutlich rückläufig waren. Parallel dazu ist auch zu erkennen, dass sich der Scheitelpunkt der altersspezifischen Fertilitätsraten im Zuge der Reformen leicht verändert hat. In den ersten drei Phasen nach Einführung des Erziehungsurlaubs hat sich bis Ende der 1980er Jahre die maximale Geburtenneigung um 1-2 Jahre von 26 auf 24 Jahre nach vorne verlagert. Ab Anfang der 1990er Jahre setzt jedoch wieder eine gegenläufige Tendenz ein, wodurch die Geburtenwahrscheinlichkeit in den letzten drei Reformphasen bei etwa 28 Jahren ihr Maximum erreicht, und damit insgesamt 1-2 Jahre später als vor der Einführung des Erziehungsurlaubs liegt. Werden die Daten nun noch weiter nach der Geburtenfolge untergliedert, so ist die Erhöhung der Fertilitätsrate in den ersten Phasen der Einführung und Ausweitung des Erziehungsurlaubs sowohl für Erstgeburten wie auch im Fall der zweiten und weiteren Geburten feststellbar. Dabei bestätigt sich erneut, dass vor allem in den Reformphasen bis zum Ende der 1980er Jahre das Maximum der Geburtenrate für Erst- wie Folgegeburten jeweils um 3-4 Prozentpunkte über den Höchstwerten vor der Einführung des Erziehungsurlaubs lag. Ab Anfang der 1990er Jahre verringert sich die Fertilitätsrate sowohl für die Erst- als auch für die Folgegeburten wieder leicht, ohne dass sie jedoch unter die Rate vor Einführung des Erziehungsurlaubs zurück fallen. Daneben zeigt sich auch eine Veränderung des Zeitpunkts der Familiengründung im Lebenslauf westdeutscher Frauen. Während den ersten Reformphasen bis Ende der 1980er Jahre ist sowohl für die Erst- als auch für die Folgege-
5.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse
137
Abbildung 5.3: Jährliche Geburtenwahrscheinlichkeit nach Reformphase, Lebensalter und Parität
Fertilitätsrate
Erstgeburt 0.16 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 18
23
28
33
38
33
38
33
38
Folgegeburt 0.16 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 18
23
28
Total 0.16 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 18
23
28
Alter 1: 1979-85
2: 1986-87
3: 1988-5/89
5: 6/90-91
6: 1992-2000
7: 2001 ff.
4: 6/89-5/90
Anmerkung: mittels gleitender Median-Glättung geglättete Rohdaten, gewichtet Analyse
138
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
burten eine Tendenz zu früheren Geburten erkennbar, die das Maximum der Fertilitätsneigung um 1-2 Jahre gegenüber den Vergleichsdaten vor Einführung des Erziehungsurlaubs nach vorne verschiebt. Ab Beginn der 1990er Jahre verkehrt sich diese Tendenz jedoch in ihr Gegenteil, so dass am Ende des Beobachtungszeitraums insbesondere bei der Erstgeburt die maximale Fertilitätsneigung erst mit 31 Jahren, und d.h. etwa zwei Jahre später als noch vor der Einführung des Erziehungsurlaubs erreicht wird. Auch wenn sich damit empirische Hinweise ergeben, dass sich im Zuge der Reformen des Erziehungsurlaubs sowohl das Niveau wie auch das Muster der altersspezifischen Fertilitätsraten verändert haben könnten, wird allein aus Fallzahlgründen in den folgenden multivariaten Analysen nicht versucht werden, gleichzeitig beide Effekte der Erziehungsurlaubsreformen zu ermitteln. Da sich nach den hier vorgelegten Ergebnissen die biographischen Verschiebungen innerhalb des Familienzyklus in der Gesamtbetrachtung im Großen und Ganzen ausgleichen, werden sich die tiefer gehenden Analysen vor allem auf die Frage eines möglichen Niveaueffektes der Erziehungsurlaubsgesetzgebung konzentrieren. Zuvor zeigen allerdings weitere deskriptive Analysen, dass neben Lebensalter, Parität und gesetzlichen Rahmenbedingungen noch eine Vielzahl wichtiger Determinanten der Fertilitätsraten und ihrer Entwicklung denkbar sind. Wie Abbildung 5.4 zeigt, sind die Fertilitätsneigung und insbesondere der typische Zeitpunkt der Familiengründung z.B. stark durch den Ausbildungshintergrund geprägt. In der Tendenz bekommen Frauen ihre Kinder umso später, je länger ihre Ausbildung angedauert hat. Wie Abbildung 5.4 zeigt, wird die maximale Geburtenwahrscheinlichkeit von Frauen mit Haupt- oder Realschulabschluss, aber ohne weitere berufliche Ausbildung im Alter von 25 erreicht, während das Maximum für Frauen mit Haupt- oder Realschulabschluss und beruflicher Ausbildung bei 27 Jahren und bei Abiturientinnen und Universitätsabsolventinnen sogar erst mit über 30 Jahren erreicht wird. Erkennbar ist auch, dass die Fertilitätsneigung von hochqualifizierten Frauen nicht nur im Lebenszyklus nach hinten verschoben ist, sondern dass die durch die Glockenkurve abgedeckte Fläche kleiner als bei Frauen mit geringer und mittlerer Bildung ausfällt. Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen bekommen ihre Kinder also später im Lebenszyklus und bekommen insgesamt auch weniger Kinder als Frauen der beiden unteren Bildungsgruppen, da ihre im dritten Lebensjahrzehnt etwas erhöhte Fertilitätsrate die zuvor deutlich geringeren Fertilitätsraten nicht mehr ausgleicht. Interessant ist im Rahmen der vorliegenden Studie dabei auch, dass sich für die verschiedenen Bildungsgruppen zusätzlich deutliche Unterschiede in der Entwicklung der Fertilitätsraten seit Mitte der 1980er Jahre nachweisen lassen. In Abbildung 5.5, in der die Entwicklung der jährlichen Geburtenwahrschein-
5.2 Ergebnisse der deskriptiven Analyse
139
Fertilitätsrate
Abbildung 5.4: Jährliche Geburtenwahrscheinlichkeit nach Lebensalter und Bildungsabschluss 0.12 0.10 0.08 0.06 0.04 0.02 0.00 20
25
30
HS/RS ohne Lehre
HS/RS mit Lehre
35
40 Alter
Abitur
Studium
Anmerkung: mittels gleitender Median-Glättung geglättete Rohdaten, gewichtete Analyse.
Fertilitätsrate
Abbildung 5.5: Entwicklung der jährlichen Geburtenwahrscheinlichkeit, nach Bildungsabschluss 0.10
0.08
0.06
0.04
0.02 Reformphase
0.00
1
1984
2
3
4
1989 HS/RS ohne Lehre
5
6
7
1994 HS/RS mit Lehre
1999 Abitur
2004 Studium
Anmerkung: mittels gleitender Median-Glättung geglättete Rohdaten, gewichtete Analyse.
140
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
lichkeit getrennt für die einzelnen Bildungsgruppen dargestellt ist, fällt auf, dass sich insbesondere die Entwicklung der Fertilitätsneigung unter hochqualifizierten Frauen von den Entwicklungen in allen anderen Bildungsgruppen unterscheidet. Mit Ausnahme der Universitätsabsolventinnen sind die Geburtenraten über alle Bildungsgruppen hinweg ab Mitte der 1980er Jahre leicht angestiegen, um dann ab Mitte der 1990er Jahre wieder auf das Niveau Mitte der 1980er Jahre abzusinken. Unter Universitätsabsolventinnen ist die jährliche Geburtenwahrscheinlichkeit dagegen über den betrachteten Zeitraum von insgesamt zwanzig Jahren kontinuierlich von etwa neun Prozent Mitte der 1980er Jahre auf einen Tiefstwert von sieben Prozent im Jahr 2003 zurückgegangen.1
5.3 Ergebnisse der multivariaten Analyse Nach den Ergebnissen der deskriptiven Analyse scheint es insgesamt aber durchaus möglich, dass die Einführung des Erziehungsurlaubs einen positiven Einfluss auf die Fertilitätsrate gehabt hat. Zumindest für die ersten Jahre im Anschluss an die Einführung des Erziehungsurlaubs 1986 deuten die bisher durchgeführten Analysen auf eine leichte Erhöhung der Fertilitätsneigung westdeutscher Frauen hin. Um diesen möglichen positiven Einfluss stichhaltiger zu überprüfen, wird der Zusammenhang zwischen der Veränderung der Geburtenwahrscheinlichkeiten und der Einführung und sukzessiven Ausweitung des Erziehungsurlaubs mit Hilfe multivariater Regressionsanalysen genauer betrachtet. Im Folgenden werden dazu die Ergebnisse der Ereignisanalyse in diskreter Zeit vorgestellt. Die Darstellung erfolgt dabei in drei Schritten. Tabelle 5.1 enthält die Hauptergebnisse der statistischen Analyse, mit der der Einfluss der gesetzgeberischen Reformen auf die Fertilitätsneigung unter Kontrolle wichtiger alternativer Determinanten des Fertilitätsverhaltens ermittelt wird. Anschließend werden die Ergebnisse der Analyse einem Sensitivitätstest unterzogen, indem die Ergebnisse des einfachen logistischen Modells mit den Resultaten von RE- und FE-Schätzungen verglichen werden (vgl. Tabelle 5.2). Zum Abschluss der Analysen werden in Tabelle 5.3 noch getrennte Berechnungen für einzelne Bildungsgruppen vorgestellt, um mögliche Unterschiede in der Wirkung der Erziehungsurlaubsreformen zwischen den Bildungsgruppen zu erfassen.
1 In Abbildung 5.5 liegt die Fertilitätsrate der Universitätsabsolventinnen höher als für alle anderen Bildungsgruppen, da sich die Analyse auf einen kürzeren Zeitraum – zwischen Studienabschluss mit etwa 24-25 Jahren und 40 Jahren statt wie in den anderen Bildungsgruppen von 18-40 Jahren – bezieht. Abbildung 5.4 zeigt deutlicher, dass die durchschnittliche Kinderzahl von Akademikerinnen unter der durchschnittlichen Zahl von Kindern in anderen Bildungsgruppen liegt.
5.3 Ergebnisse der multivariaten Analyse
141
In Tabelle 5.1 wird der Effekt der Reformen des Erziehungsurlaubs in Modell 1 unter Kontrolle sozialstruktureller Merkmale wie Alter, Bildung, Nationalität, aber auch die Größe der Herkunftsfamilie und Religionszugehörigkeit ermittelt. Für die Kontrollvariablen ergeben sich dabei die erwarteten Effekte. Entsprechend der deskriptiven Analyse zeigt sich ein zunächst stark positiver Einfluss des Lebensalters auf die Geburtenwahrscheinlichkeit, der sich aber mit steigendem Alter aufgrund des negativen quadrierten Terms wieder abschwächt, so dass sich insgesamt ein umgekehrt U-förmiger Zusammenhang zwischen Alter und Fertilitätsneigung ergibt. Zusätzlich lassen die statistisch signifikanten Interaktionseffekte zwischen Alter und Bildungsniveau erkennen, dass sich die Form des Zusammenhangs insbesondere für die beiden hochqualifizierten Bildungsgruppen unterscheidet. Wie ebenfalls die deskriptiven Analysen bereits gezeigt haben, ist der Zeitpunkt der Familiengründung für Abiturientinnen und Hochschulabsolventinnen gegenüber den Frauen der anderen Bildungsgruppen zeitlich verzögert. Daneben zeigen die Ergebnisse auch, dass es einen starken Zusammenhang zwischen der Größe der eigenen Herkunftsfamilie und der Fertilitätsrate gibt. Insgesamt steigt die Fertilitätsrate mit steigender Geschwisterzahl deutlich an und liegt (nach Exponierung der Koeffizienten) für Frauen mit einem Geschwister um 22 Prozent, für Frauen mit zwei Geschwistern um 34 Prozent und für Frauen mit drei oder mehr Geschwistern sogar um 43 Prozent über der Fertilitätsneigung von Frauen ohne eigene Geschwister. Ein ähnlich starker Effekt scheint auch die Religionszugehörigkeit der Frauen zu haben. Während die Geburtenneigung von Frauen mit katholischer oder evangelischer Religionszugehörigkeit zwar nicht signifikant höher ist als von Frauen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, zeigen sich deutliche Effekte für alle anderen Glaubensrichtungen. Unter Frauen, die einer anderen christlichen Religionsgemeinschaft angehören, liegt die Fertilitätsrate um ein Drittel, und unter Frauen, die einer anderen Religion, darunter hauptsächlich islamischen Glaubensrichtungen, angehören, sogar um 60 Prozent über der Fertilitätsrate von Frauen, die keiner Glaubensrichtung angehören. Unter Kontrolle der Religionszugehörigkeit ist kein zusätzlicher Effekt einer nicht-deutsche Staatsangehörigkeit auf die Geburtenrate feststellbar. Im Gegensatz zu den deskriptiven Analysen, die einen positiven Zusammenhang zwischen der Einführung des Erziehungsurlaubs und der Fertilitätsrate Frauen nahegelegt hatten, bestätigt sich dieser Zusammenhang in der multivariaten Analyse allerdings nicht. Nach Kontrolle einiger zentraler sozialstruktureller Merkmale weisen bereits die Modellschätzungen für Modell 1 keine eindeutige Tendenz auf, die von einem Einfluss der familienpolitischen Reformen auf die
142
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
Tabelle 5.1: Determinanten der jährlichen Fertilitätsrate, logistische Regressionsmodelle Soziodemographische Faktoren Alter Alter quadriert Bildungsabschluss - HS/RS mit Lehre -
Abitur
-
Universität
Interaktionsterme Alter x Bildungsabschluss - Alter x HS/RS mit Lehre - Alter x Abitur -
Alter x Universität
-
Alter quadriert x HS/RS mit Lehre - Alter quadriert x Abitur - Alter quadriert x Universität ausländische Staatsangehörigkeit Religionszugehörigkeit - katholisch -
evangelisch
-
andere christliche Religionen andere Religionen
-
Zahl der Geschwister - eins -
zwei
-
drei und mehr
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
0,931** (0,072) -0,017** (0,001)
0,437** (0,067) -0,009** (0,001)
0,545** (0,070) -0,010** (0,001)
0,543** (0,071) -0,010** (0,001)
0,544** (0,071) -0,011** (0,001)
0,539** (0,071) -0,010** (0,001)
-1,420 -2,833* -1,390 -1,209 -1,200 -1,326 (1,416) (1,340) (1,360) (1,364) (1,364) (1,366) -14,890** -12,642** -12,588** -12,377** -12,377** -12,452** (3,010) (2,908) (2,901) (2,912) (2,911) (2,900) -15,373** -18,079** -17,040** -15,808** -15,808** -15,846** (4,590) (4,524) (4,585) (4,512) (4,509) (4,509) 0,100 (0,101) 0,882** (0,206) 0,822** (0,283) -0,002 (0,002) -0,012** (0,004) -0,010* (0,004) 0,115 (0,071)
0,189* (0,093) 0,771** (0,196) 1,034** (0,277) -0,003 (0,002) -0,011** (0,003) -0,014** (0,004) 0,133 (0,075)
0,103 (0,095) 0,759** (0,196) 0,967** (0,281) -0,002 (0,002) -0,011** (0,003) -0,013** (0,004) 0,130 (0,076)
0,095 (0,096) 0,751** (0,197) 0,893** (0,277) -0,002 (0,002) -0,011** (0,003) -0,012** (0,004) 0,183* (0,078)
0,095 (0,096) 0,751** (0,197) 0,894** (0,276) -0,002 (0,002) -0,011** (0,003) -0,012** (0,004) 0,184* (0,078)
0,103 (0,096) 0,756** (0,196) 0,898** (0,277) -0,002 (0,002) -0,011** (0,003) -0,012** (0,004) 0,187* (0,078)
0,119 (0,105) 0,121 (0,106) 0,289* (0,123) 0,478** (0,160)
0,236* (0,110) 0,206 (0,112) 0,392** (0,131) 0,568** (0,165)
0,222* (0,110) 0,180 (0,111) 0,377** (0,131) 0,505** (0,168)
0,233* (0,109) 0,195 (0,111) 0,397** (0,131) 0,536** (0,169)
0,233* (0,109) 0,196 (0,111) 0,396** (0,131) 0,538** (0,169)
0,230* (0,109) 0,194 (0,111) 0,399** (0,131) 0,528** (0,169)
0,199* (0,084) 0,295** (0,087) 0,358** (0,084)
0,109 (0,085) 0,202* (0,088) 0,277** (0,087)
0,117 (0,087) 0,200* (0,090) 0,269** (0,088)
0,100 (0,086) 0,190* (0,089) 0,282** (0,088)
0,101 (0,086) 0,192* (0,089) 0,282** (0,088)
0,099 (0,086) 0,191* (0,089) 0,280** (0,088)
5.3 Ergebnisse der multivariaten Analyse
143
Tabelle 5.1: (Fortsetzung) (1) Reformphasen des Erziehungsurlaubs 1986 - 1987 1988 - 05/1989 06/1989 - 05/1990 06/1990 - 1991 1992 - 2000 2001 - ff. Haushaltsstruktur Partner ein Kind zwei und mehr Kinder Alter jüngstes Kind Alter jüngstes Kind quadriert Altersdifferenz zum Partner (in Jahren) Erwerbsposition Erwerbsstatus - erwerbstätig -
arbeitslos
Erwerbseinkommen logarithmiert Beamtin Beschäftigung im öffentlichen Dienst Selbständig Berufserfahrung (in Jahren)
0,095 (0,105) 0,012 (0,100) -0,052 (0,125) 0,026 (0,120) -0,030 (0,083) -0,141 (0,096)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
0,093 (0,108) -0,018 (0,102) -0,106 (0,127) -0,007 (0,122) -0,015 (0,085) -0,058 (0,099)
0,083 (0,108) -0,002 (0,103) -0,065 (0,128) 0,052 (0,122) 0,004 (0,086) -0,049 (0,099)
0,077 (0,108) -0,019 (0,103) -0,093 (0,128) 0,031 (0,122) -0,032 (0,086) -0,105 (0,100)
0,095 (0,111) -0,020 (0,103) -0,111 (0,129) -0,001 (0,126) -0,011 (0,090) -0,074 (0,106)
0,039 (0,136) -0,125 (0,139) -0,033 (0,165) -0,068 (0,170) -0,001 (0,113) -0,005 (0,129)
2,012** (0,092) -0,066 (0,072) -1,136** (0,091) 0,156** (0,034) -0,020** (0,004) -0,028** (0,007)
2,085** (0,095) -0,462** (0,091) -1,570** (0,111) 0,219** (0,038) -0,023** (0,004) -0,029** (0,007)
1,795** (0,184) -0,469** (0,091) -1,593** (0,112) 0,221** (0,038) -0,023** (0,004) -0,034** (0,007)
1,795** (0,184) -0,469** (0,091) -1,594** (0,112) 0,221** (0,038) -0,023** (0,004) -0,034** (0,007)
1,797** (0,184) -0,473** (0,091) -1,600** (0,112) 0,221** (0,038) -0,023** (0,004) -0,033** (0,007)
-0,604** (0,081) 0,132 (0,099) 0,014 (0,059) 0,237 (0,157) -0,022 (0,085) 0,062 (0,193) 0,013 (0,008)
-0,590** (0,081) 0,160 (0,099) 0,014 (0,058) 0,240 (0,160) -0,016 (0,086) 0,055 (0,191) 0,014 (0,008)
-0,591** (0,081) 0,162 (0,099) 0,014 (0,058) 0,241 (0,160) -0,016 (0,086) 0,057 (0,191) 0,014 (0,008)
-0,750** (0,127) 0,165 (0,099) -0,004 (0,061) 0,243 (0,160) -0,010 (0,086) 0,077 (0,192) 0,013 (0,008)
144
5 Erziehungsurlaub und Fertilität
Tabelle 5.1: (Fortsetzung) (1) Frauenanteil im Berufsfeld - neutrales Berufsfeld -
männlich geprägtes Berufsfeld
Partnermerkmale Bildungsniveau (in Jahren) Erwerbstätig Erwerbseinkommen logarithmiert Beamter Beschäftigung im öffentlichen Dienst Selbständig Arbeitsmarktlage Weibliche Arbeitslosenquote Interaktionsterme Reformphasen x Erwerbstätigkeit 1986 – 1987 1988 - 05/1989 06/1989 - 05/1990 06/1990 – 1991 1992 – 2000 2001 - ff. Konstante N Personenjahre Pseudo-R2 Log likelihood LR-Test: Chi2
(2)
(3) 0,007 (0,077) -0,121 (0,115)
(4)
(5)
(6)
0,012 (0,078) -0,118 (0,115)
0,012 (0,078) -0,119 (0,115)
0,015 (0,078) -0,122 (0,115)
0,026* (0,012) 0,056 (0,091) 0,343** (0,074) -0,082 (0,122) 0,033 (0,085) 0,128 (0,112)
0,026* (0,012) 0,052 (0,091) 0,344** (0,074) -0,082 (0,122) 0,033 (0,085) 0,131 (0,112)
0,026* (0,012) 0,057 (0,091) 0,348** (0,074) -0,087 (0,123) 0,033 (0,085) 0,130 (0,112)
-0,013 (0,014)
-0,013 (0,014)
0,166 (0,193) 0,302 (0,185) 0,401* (0,184) -0,016 (0,238) 0,305 (0,219) 0,141 (0,126) -15,716** -10,121** -11,408** -11,317** -11,223** -11,165** (0,977) (0,927) (0,967) (0,974) (0,975) (0,975) 39465 39465 39465 39465 39465 39465 0,101 0,168 0,176 0,178 0,178 0,178 -7625,2 -7056,7 -6994,2 -6974,4 -6974,0 -6970,3 789,1** 1663,2** 1705,7** 1710,9** 1709,1** 1710,4**
Anmerkung: Standardfehler in Klammern; Signifikanzangaben für * p