Was unsere Arbeiter vom socialdemokratischen Zukunfts-Staate zu erwarten haben: In einem Zwiegespräche für Jedermann verständlich nachgewiesen [Reprint 2021 ed.] 9783112510704, 9783112510698


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Was unsere Arbeiter vom socialdemokratischen Zukunfts-Staate zu erwarten haben: In einem Zwiegespräche für Jedermann verständlich nachgewiesen [Reprint 2021 ed.]
 9783112510704, 9783112510698

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Mas ullsm Albeiter vom

socialdemokratislhkn ZuKunfts-Staatr zu erwarten haben. An einem Zwiegespräche für Jedermann verständlich nachgewiesen von

M Schwarze, Amtsgerichtsrath, Mitglied des Deutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses.

Preis 30 Pf. Von 25 Exemplaren ab n „ 100 „ 300 „ 500 „ looo

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25 Pf. 15 „ 12'/-» 10 „ S „

Ucbersetzungsrecht vorbehalten.

Berlin 1895. I. I. Heines Verlag.

Der Verfasser beabsichtigt,

in gemeinverständlicher Weise mit mög­

lichster Vermeidung von Fremdwörtern, die Irrlehre der Socialdemokratie darzulegen. Er hält hierfür die Zwiegesprächsform für vorzüglich geeignet, und hat diese gewählt.

Er geht davon aus, daß ein socialdemokratischer

Fabrikarbeiter, Anton Neumann, und ein christlich gesinnter Hand« Werfer, Schuhmacher Bernhard Altmann, sich im Bierhause treffen und eine Unterhaltung über socialistische Tagesneuigkeiten anknüpfen. Im Verlaufe derselben kommt die Rede auf den bekannten jüngsten Vorfall im Reichstage, wo der socialdemokratische Reichstagsabgeordnete Liebknecht

mit einigen Genossen blieb.

bei Ausbringung des Hochs auf den Kaiser sitzen

Hieran knüpft sich eine Diskussion über das Ziel und das Wesen

der Socialdemokratie, worin der Bernhard Altmann dem Anton Neumann zeigt, daß die Socialdemokratie in Wirklichkeit ein ganz anderes Ergebniß

zeitigt, als die Führer es behaupten. Auch weist er demselben nach, daß die letzten Ziele der Socialdemokratie auf ein Traumgebilde gerichtet sind,

daß

ein Staat

oder vielmehr ein Gemeinwesen

im socialdemokratischen

Sinne in der Wirklichkeit ein Unding ist. Möge das Merkchen dazu beitragen, im Kampfe gegen die Social­ demokratie mitzuwirken. Wenn es auch schwer hält, überzeugte Genossen von der Socialdemokratie abwendig zu machen, so wird es doch manchen

Zweifelhaften auf die rechten Wege zurückbringen. Berlin, im Februar 1895.

Per Aerfaffer.

Zwiegespräch A.

Was sagst du denn zu der jüngsten Geschichte im Reichstag, wo

Liebknechts

Genosse Liebknecht mit mehreren Anderen beim Kaiserhoch sitzen geblieben ist?

Zeigt das nicht deutlich, daß unsere Leute zielbewußt sind? B.

fallen.

nmserhoch.

Die Sache hat mir und jedem redlich Denkenden gar nicht ge­ Das will ich dir allerdings zugeben, daß euere Führer zielbewußt

sind, muß dir aber dabei

bemerken,

daß sie

es

auch verstehen, die

letzten Ziele Denen, welche sie nicht wissen sollen, zu verschweigen, ebenso wie Genosse Liebknecht seine wahre Absicht bei dieser Angelegenheit wohl­ weislich verschwiegen hat.

A.

Wie so denn? Hat er nicht klar und bündig erklärt, er und seine

Genossen seien von dem Hoch auf den Kaiser überrascht worden?

B. Jawohl hat er das gesagt, aber was brauchte er auch noch weiter zu sagen, daß er sich überraschen lassen wollte? A.

Weshalb sollte er das denn gethan haben?

B.

Weißt du denn nicht, daß zur selben Zeit die sämmtlichen Reichs­

tagsabgeordneten euerer Partei lang und breit darüber beriethen, wer in dem Streite zwischen Bebel und v. Vollmar Recht habe, daß sich die Wag-

schaale sehr zu Gunsten v. Vollmar's neigte, und daß Bebel, der Busen­

freund Liebknechts, zu unterliegen und ein Riß in die Partei zu kommen schien? A. Ja, was soll denn das mit der Verweigerung des Hochs zu Seine Absicht thun haben? brtBcL B.

Bist du aber dumm!

Gab es denn ein besseres Mittel, neuen

Kitt in die Partei [311 bringen, die entstandene Kluft zu überbrücken, Freund Bebel wieder als geborenen Führer der Partei hinzustellen, als

die Erregung so eines kleinen Scandals?

Hast du denn nicht gesehen,

wie richtig Liebknecht calculirte, als alle Parteien ohne Ausnahme gegen

ihn Partei nahmen und ihm Pfui zugerufen wurde.

Hast du denn ver­

gessen, wie euere Partei sofort auf dem Platze war, und als nachher der Staatsanwalt mit dem Anträge auf Strafverfolgung von Liebknecht kam, Bebel die schönste Gelegenheit hatte, mit seiner großen Rede, die in gleicher Weise kein anderer euerer Genossen hätte halten können, wieder lieb Kind in der Partei zu werden, und zu zeigen, daß er der geborene Führer sei, dem alle zu gehorchen haben.

6 A.

Du könntest vielleicht wohl Recht haben, denn seit /der Zeit ist aller

Hader und Zwist in der Partei verschwunden, oder wenigstens still geworden.

B.

Nein, mein Lieber, ich habe Recht; denn das glaubst du doch

selbst nicht, daß ein so erfahrener Mann, wie Liebknecht,

nicht frühzeitig

genug bemerken würde, wann das Hoch auf den Kaiser käme? Daß aber ein solches kommen würde, das wußte er; denn das war euerer Fraktion mitgetheilt.

Danach hat Liebknecht mit seinem Sitzenbleiben Nebenabsichten

bezwecken wollen und ist absichtlich im Saal geblieben.

A. Ja und wenn auch, er hatte jedenfalls das Recht dazu, zu zeigen, daß er auf einen Kaiser ein Hoch nicht ausbrinqen kann.

B.

Ja, ich will dir zugeben, daß er von euerem Standpunkte aus

das Recht hatte, ein Hoch auf den Kaiser nicht auszubringen, da ihr jeden Monarchen für einen Tyrannen ausgebt; aber dies ganze „Tyrannengeschrei"

bei Euch ist doch Unsinn.

Ihr ruft „Nieder mit dem Kaiser der Bourgeois"

und „es lebe Bebel, der Arbeiter Kaiser". „Nieder mit dem Monarchen" und „Hoch die Tyrannen der Arbeiter." Wenn ich dir nun auch zugegeben

habe, daß man Liebknecht nicht zur Heuchelei, das Kaiserhoch mitzumachen, zwingen konnte, so sage ich aber doch, es war seine Pflicht, nicht im Saale

zu bleiben,

und wenn er dort bleiben wollte, wenigstens in so weit ent­

gegenzukommen, daß er mitaufstand. A. Ja wie kannst du denn das behaupten. mitmachen wollte, so brauchte er es nicht;

Wenn er das Hoch nicht

er hatte das Recht, im Saale

anwesend zu sein, und hat so nach seinem Standpunkte Wogegen Hal Liebknecht gefehlt?

ganz ordnungs­

gemäß gehandelt. B. Das hat er nicht gethan, auch nicht von seinem Standpunkt aus.

Ihr sagt doch immer: Wir erkennen die gegenwärtige Staatsordnung an und unterwerfen uns den Staatsgesetzen. Wir sind gute Staatsbürger und wollen es sein.

Wenn Liebknecht also die jetzige Staatsordnung an­

erkennt, so muß er, auch wenn er republikanisch gesinnt ist und die Monarchie abschaffen will, doch den Monarchen als obersten Staatslenker anerkennen

und darf ihm als solchen die Achtung und Ehrerbietung

Letzteres that er aber, als er beim Kaiserhoch sitzen

nicht versagen.

blieb.

Eure Partei

handelt ja dock sonst immer so, indem sie mit Absicht, um der Sache aus

dem Wege zu gehen, nicht im Saale anwesend ist, oder wenn sie anwesend

ist, den Saal verläßt. A. Dieselbe Sache ist doch früher auch schon im Preußischen Abge­ ordnetenhause vorgekommen. B. Und wenn sie schon hundertmal vorgekommen wäre. Wird denn dadurch, daß eine Sache oft passirt, die Sache recht? Es werden jährlich

7 Tausende von Meineiden und Brandstiftungen begangen.

Werden die

dadurch erlaubt? und dann erlaube mir noch eine Frage: WaS thust du,

wenn du in das HauS deines Nachbar'8 kommst, auch wenn er dein Feind ist?

Da nimmst du doch den Hut ab und sagst „Guten Tag."

A. Ja das versteht sich doch wohl von selbst. B. Und wenn du einem Leichenzuge, oder einer katholischen Procession begegnest? Dann gehst du doch entweder aus dem Wege oder du bezeigst deine Ehrerbietung, indem du deine Kopfbedeckung abnimmst oder mit der lärmenden Arbeit aufhörst u. s. w. A. Ja, aber das ist doch keine Ehrerbietung, das

ist doch nur die

Achtung vor der Gemeinschaftlichkeit der Menschen. B.

Darauf wollte ich dich ja bringen.

Siehe, die Ehrerbietung gegen

den Monarchen, die kann man Liebknecht nicht ab zwing en, aber die Achtung

vor dem Gefühle der übrigen Reichstagsabgeordneten, die im Reichstag ihre

Ehrerbietung gegen den Kaiser durch ein „Hoch" Ausdruck gaben, hat Liebknecht ebenfalls in sehr unzarter Weise verletzt.

Was würdest du z. B. sagen, wenn

einer der Reichstagsabgeordneten in die Sitzung zur Eröffnung des Reichs­

tags in den Rittersaal des Königlichen Schlosses gegangen wäre, und mit

dem Hute auf dem Kopfe die Eröffnungsfeier mitgemacht hätte?

A.

Ja das wäre nicht in der Ordnung.

B.

Und ähnlich liegt auch die Sache mit Liebknecht, als er demonstrativ

beim Kaiserhoch sitzen blieb, und dieses mit Ueberlegung ausführte.

A. Er hat aber doch hiermit, wie du selbst zugeben mußtest, seiner Sache genützt, indem er die Einigkeit der Partei wieder hergestellt hat. Er ist also Märtyrer für unsere gute Sache geworden. B.

Ja mit diesem Märtyrerthum ist es gerade so wie überhaupt mit

dem Märtyrerthum bei euch. Was fragt Liebknecht nach dem Rufen und Schreien seiner Gegner, die ja so wie so als Bourgeois seine Feinde waren,

in der Partei wird er dafür doppelt und dreifach entschädigt, gerade wie

dieses bei euren sonstigen Märtyrern der Fall ist; so ein bischen Martyrium giebt bei euch höhere Ehre und bessere Bezahlung auf Kosten der Groschen

des armen Proletariers.

A.

Das muß ich dir aber doch entschieden bestreiten.

Bei uns heißt

es immer „gleiche Brüder, gleiche Kappen." B. Ja, so müßte es heißen bei euch, wenn euren Grundsätzen immer eure Thaten entsprächen, aber das ist es ja gerade, was ihr zahlende Ge­ nossen nicht einsehen könnt, die socialdemokratischen Handlungen entsprechen niemals den socialdemokratischen Grundsätzen, die sich schön und vernünftig

anhören, die aber niemals Thatsache werden können.

Gleiche Britder, gleiche Kappen.

8 A. Dafür hast du aber doch keine Beweise. B. Mehr wie genug. Ehe ich dir aber so einige Beispiele anführe, wie eure Grundsätze verwirklicht werden, will ich dir einige Thatsachen in der Form von Denksprüchen mittheilen. Denksprüche hierzu.

A.

Da bin ich doch neugierig.

B.

„Alle gleich und alle frei" sagte ein Führender Socialdemokraten,

da mußten seine Dienstboten einen besonderen Aufgang zur Wohnung benutzen.

„Gleiche Arbeit, gleicher Lohn", sagte ein Verwalter schaftlichen socialdemokratischen Bäckerei,

einer genossen­

welcher bei dreistündiger Arbeit

36j Mark Wochenlohn verdiente, da rief Jer den Bäckergesellen zu, sie seien zu dumm dazu, dasselbe zu verdienen.

„Gleiche Brüder, gleiche Kappen", sagte ein Leiter in einer social­

demokratischen Buchdruckerei, da mußten die Setzer „Sie" zu ihm sagen.

„Bei uns ist Alles gleich", sagte ein Führer der Partei, da stieg er in die erste Klasse und ließ die andern Genossen dritter Klasse fahren. „Bei uns wohnt der Fortschritt und

die Wissenschaft", sagten die

Socialdemokraten, da wurden aus 6 Arbeiter-Fortbildungsschulen zunächst 3 und schließlich sogar nur eine. A. Ja, wir sind ja auch noch nicht im Zustande der Vollkommenheit,

wir wollen erst in denselben hineinkommen, und da sönnen schon immer

solche Sachen vorkommen. B. Jawohl; so lange ihr nach eurer Verfassung nicht gleich zu sein braucht, laßt ihr und namentlich eure Führer euch die Ungleichheit gefallen, diese Ungleichheit muß aber Annehmlichkeiten bringm, sonst wird darüber

geschrieen und

geschimpft.

und besser lebt, dann heißt

Wenn der Fabrikherr mehr Einkommen hat,

es,

der mästet sich von dem Schweiße des

Arbeiters, obwohl diese ihren vertragsmäßigen Lohn erhalten; wenn aber der socialdemokratische Redakteur 3000 und 6000 Mark erhält, und in

Folge dessen bourgeoismäßig leben kann, während

der Arbeiter vielleicht

sich mit 600 bis 1000 Mark durchschlagen muß, dann heißt es, die geistige Arbeit muß höher bezahlt werden, und es heißt dieses so, obwohl in euerem System selbst geistige, gewerbliche und industrielle Arbeit gleich gestellt sind. Es heißt dieses so, trotzdem die von den Parteiführern verbrauchten Summen aus den sauer verdienten Groschen der Arbeiter sich zusammensetzen. Und dann sollte man im Zustande des Strebens nach der Vollkommenheit

erst recht die Grundsätze festhalten, auf dem das erstrebte Ziel beruhen soll. Was würdest du z. B. von einem Mäßigkeits-Apostel sagen, der die Mäßig­

keit anderen vorpredigte, aber selbst tränke, weil noch nicht alle Menschen nach der Mäßigkeitsregel lebten. Den würdest du doch sicher, und das ganz

9 mit Recht, auslachen. Ebenso mühte es bei euch sein, eure Handlungen, eure Thaten müßten dieselben fein, wie eure Grundsätze; sie sind es aber nicht. A.

Das mußt du mir aber doch näher nachweisen, wenn auch die in

obigen Tenksprüchen aufgeführten Thatsachen wahr sein mögen.

Das sind

die einen Einzelnen betreffen und

nicht die

doch Alles nur Thatsachen,

Partei und ihre Grundsätze. B. Dann will ich dir jetzt mal einige Thatsachen vorführen, die nicht im Laufe der Zeit gesammelt sind, sondern die sich in der letzten Zeit ab-

gespielt haben.

Dabei will ich noch nicht einmal die bereits oben für eine

wissenschaftlich sein wollende Partei so beschämende Thatsache aufführen, daß euere Partei die von ihr mit so großem Geschrei in's Leben gerufenen 6 Berliner Arbeiterfortbildungsschulen nicht hat erhalten können, daß sie

successive von 6 auf 4, 3 und 1 reducirt sind.

Du mußt doch zugeben,

daß eine Schule für das große Berlin einfach gar keine Schule ist, und

dah es im höchsten Grade beschämend für eine Partei ist,

die bei dm

letzten Reichstagswahlen über 151000 socialdemokratische Stimmen in Berlin beim ersten Wahlgange aufgebracht hat, eine Partei also, die all­ sonntäglich Hunderttausende Mark für Vergnügungen übrig hat, daß sie noch nicht einmal 6 wissenschaftliche Schulen aufrecht erhalten kann, und

dabei doch alle Wissenschaft für sich in Anspruch nimmt.

Also jetzt zu den

einzelnen Beispielen.

Zum ersten also

hast du wohl von der Freiland-Compagnie des

Dr. Hertzka in Wien gehört,

die das socialdemokratische System „gleiche

Arbeit, gleicher Lohn" in die Wirklichkeit umsetzen sollte, und die so über alle Maßen kläglich im Sande verlaufen ist. Die Sache wurde mit großen

Mitteln und großem Geschrei von Wien aus in die Wege geleitet.

Trotz­

dem die Theilnehmer in erster Zeit sehr bei der Sache waren, ergab sich

in wenig Jahren ein totaler Mißerfolg.

In Dortmund wird eine socialdeniokratische Zeitung „die ArbeiterZeitung" herausgegeben. In der Druckerei wurden natürlich nur Genossen beschäftigt.

Wie nun bei Gelegenheit eines Beleidigungs-Prozesses eidlich

festgestellt wurde, mußten die Genossen 12 Stunden arbeiten — hier denke

an den Achtstundentag. — Für Ueberstunden von 1/2 bis 8/4 Stunden bekamen sie Nichts bezahlt — hier denke an die Versprechungen, die im socialistischen Zukunftsstaat für geleistete Ueberarbeit gemacht werden. —

Die Setzer mußten oft bis Mitternacht arbeiten, und hatten oft Mittags keine Zeit zum Essen. — Hier denke einmal an eine zukünftige gemein­

same Staatsküche. — Weiter in Hamburg wurde vor 8 Jahren eine Genossenschaftsbäckerei

Thatsachen

ba8U*

— 10 —

nach

Da ist nun kürzlich den

socialdemokratischem System gegründet.

Bäckergesellen der freie Tag genommen und hat ihnen der Leiter der Bäckerei, Cohn gesagt: „Meine Herren, wir sind gezwungen, Sie in den nächsten zwei bis drei Jahren noch mehr aitszuveuten, als der Kapitalist. Dabei hat dann der Leiter Cohn auch noch die Genossenschaftsbäckerei als „Paradies"

bezeichnet, hat aber in Folge des Gelächters der Genossen

hierüber den Saal verlassen müssen. Partei­ gehälter.

Weiter sind dir doch wohl die Verhandlungen des Frankfurter Partei­

tages über die hohen Gehälter der Parteibeamten und die Diäten der Reichstagsabgeordneten bekannt, welche einen ganzen Verhandlungstag in

Anspruch genommen haben.

Diese Verhandlungen sind so lehrreich,

wir sie nicht kurzer Hand übergehen dürfen.

daß

Denn hier haben die Führer,

die doch die socialistischen Grundsätze vertreten müssen, den capitalistischen

Standpunkt, den der Bourgeois, vertreten, während die einfachen Genossen

den socialistischen Standpunkt, den Bebel in seinem Buche über die Frau und den Socialismus aufgestellt hat, geistige, industrielle und gewerbliche Arbeit

sind gleich, vertraten. Anfichten der Genossen hierüber.

Höre hier die einzelnen Begründungen der Genossen.

Genosse Kobel sagt:

„Wer blos zu uns kommt, um so und so viel

zu verdienen, den können wir nicht brauchen.

Leistet der Kohlengräber

nicht eine schwerere Arbeit, als der Mann, der in der Stube sitzt." Genosse Timm: „Bebel sprach, daß uns die befähigten Genossen dann (d. h. bei der Gehaltsverminderung) den Rücken kehren würden.

Ich habe

alle Achtung vor der geistigen Befähigung dieser Genossen, aber wenn sie

uns den Rücken kehren, mögen sie ruhig laufen, (Sehr gut) dann sind sie nie Socialdemokraten gewesen.

(Sehr wahr.)

der Partei nur zu begrüßen sein." Genosse Gruhl:

Es würde diese Läuterung

(Sehr gut.)

„In den armen Weberortschaften begreife man nicht,

warum die Gehälter im umgekehrten Verhältniß zur wachsenden Nothlage zunehmen.

Unsere Genoffen, die mit der Feder arbeiteten, müßten sich

sagen, du lebst von den Groschen der Proletarier, du darfst nicht mehr verlangen, als zu einem einigermaßen anständigen Leben gehört. Es sei

falsch, immer auf die PreßkuliS der Bourgeoisie zu schimpfen, und dann selbst deren Gehälter als Maßstab für die eigenen hohen Wünsche zu nehmen." Genosse Bömmelburg:

„Die Genossen begreifen gar nicht, wie man

im Stande ist, 6000—7000 Mark jährlich

auszugeben.

Die Antipathie

gegen die hohen Gehälter ist sehr stark; werden die Gehälter beschnitten

und die Redacteure verlassen die Partei, dann ist es der beste Beweis,

daß diese Männer es nicht ehrlich mit der Partei meinen." Diesen Ausführungen, wie überhaupt der ganzen Sachlage gegenüber,

11 hatte Bebel, der Hauptredner für Beibehaltung der. bisherigen Gehälter, einen schweren Standpunkt, wie schon die Einleitung seiner Rede, die ich

dir ganz vorlesen will, klar beweist.

Dabei mache ich dich noch besonders

auf einige Stellen in der Rede aufmerksam.

(Dieselben sind in der nach­

folgenden Rede gesperrt gedruckt).

Bebel: Einen besonderen Ruhm haben sich die Berliner Genossen mit

ihren Anträgen nicht erworben, sollen sich denn die Debatten heut wieder­ holen, die in Berlin einen so überaus fatalen Eindruck hinterlassen haben?

Ich

freue mich,

daß

in seiner Begründung Timm das Gehalt

Liebknecht's wenigstens ausgenommen hat, man hätte dann aber klüger gethan,

das wenigstens in dem Anträge auszusprechen.

In Bezug auf

die Beschäftigung der Arbeiter in Parteigeschäften verlangt man allge­ mein die Zubilligung der günstigsten Bedingungen.

In allen offiziellen

von der Partei betriebenen Geschäften wird die Maximalarbeitszeit von

8 Stunden,

die Feier des Maitages, jährlich ein Urlaub von 8 Tagen

mit Lohnvergütigung, die Beseitigung der Akkordlöhne verlangt und auch

durchgeführt (?).

Nach besten Kräften bemüht man sich, die Lebenslage

der Arbeiter zu verbessern.

In Bezug auf die geistigen Arbeiter aber,

ja, Bauer, das ist etwas anderes, da gelten auf einmal nicht die Gesetze von Angebot und Nachfrage, da berücksichtigt man nicht die Lebensansprüche der geistigen Arbeiter. Wir leben in der bürgerlichen Gesellschaft und kommen aus ihr vorläufig noch nicht heraus. Aus der

bürgerlichen Gesellschaft sind unsere geistigen Arbeiter hervorgegangen; wollen wir sie bei uns beschäftigen, so

darf der Abstand zwischen dem,

was sie bei bürgerlichen Blättern, und dem, was sie bei uns erhalten, doch nicht gar zu groß sein, sonst bleiben sie, wo sie sind. Man kann

billigerweise doch

nicht verlangen,

daß ihr Idealismus so

weit geht, daß sie eine schlechtere Stellung einer wesentlich besseren vorziehen.

Einen praktischen Erfolg dürfte das Anschneiden

der Gehaltsfrage aber haben, weil dadurch ein für alle Mal den verleum­

derischen Nachrichten der bürgerlichen Presse entgegengetreten wird, daß wir 3 bis 4 Millionen Mark jährlich an Parteigehältern ausgeben. Bei der Beschränkung der Gehälter auf 3000 Mark kämen — abgesehen von

Liebknecht — thatsächlich nur 11 Personen in Frage: Drei Redakteure des „Vorwärts", der Redakteur des „Socialdemokrat", zwei Redakteure des Hamburger, je einer des Leipziger mit) Kölner Organes, der Geschäfts­

führer und Kassirer der Hamburger Druckerei und der Leiter der ParteiBuchhandlung. Diese Gehälter bewegen sich zwischen 3300 und 4200 Mark, nur Carl Hirsch mit 5000 Mark und Schoenlank mit 6000 Mark stehen

Bebels Gegenrede

12

sich besser. Wenn die Kölner und Leipziger aber 5000 bis 6000 Mark bezahlen, so werden sie auch wohl wissen, warum. Sie haben sich gesagt, wenn wir diese Männer haben wollen, so müssen wir sie auch ausreichend bezahlen. Hirsch hat bei einem bürgerlichen Blatte 6500 Mark Gehalt ge­ habt. Glauben Sie denn, daß er eine Stunde in seiner gegen­ wärtigen Stellung verbliebe, wenn Sie den Berliner Antrag annehmen? Glauben Sie, daß Schoenlank seine heutige Stel­ lung beibehielte, wenn er nur 3000 Mark erhielte, durch Privat­ arbeit — auch im Dienste der Partei — aber ein weit höheres Einkommen erreichen kann? — Was die Bemerkungen Timm's über das Gehalt Oertel's und Herzfeldt's anbetrifft, so beweist er nur, daß er die Verhältnisse nicht kennt. Ihr Gehalt ist so geringfügig, daß es nur als Grundlage der Existenzsicherung angesehen werden kann. Oertel bekommt 60 Mark monat­ lich und Prozente von der Annoncenacquisition, Herzfeld muß Morgens um 2 Uhr aufstehen, um in die Expedition zu gehen, wo er bis 9 Uhr zu thun hat; dann geht er schlafen und am Nachmittage noch ein paar Stunden auf die Annoncenjagd; beschneiden Sie deren Einkommen, so beschneiden Sie auch das Annoncenbudget des „Vorwärts". Wenn dies aber von 70000 auf 30000 Mark sinkt, so ist auch der ganze Ueberschuß weg. Sie be­ kommen aber in ganz Berlin keinen einzigen Annoncenacquisiteur, der sich sein Einkommen auf 3000 Mark beschneiden ließe. Man wendet freilich ein, daß man von 3000 Mark recht schön leben könne und 95 Proc. der Steuerzahler haben ja noch weniger Einkommen, 85 Proc. der Arbeiter verdienen sogar weniger als 1000 Mark. Wenn wir nun 3000 Mark nur deshalb bezahlen sollen, weil 95 Proc. weniger bekommen, so wäre es nurlogisch, unter Hinweis auf die 85 Proc. Arbeiter, die noch weniger ver­ dienen, nur 1500 Mark zu zahlen. Würde ein Nationalliberaler unter Hinweis auf die 85 Proc. Arbeiter, die ein Einkommen von weniger als 1000 Mark haben, dies für Arbeiter als Maximallohn gesetzlich festsetzen wollen, so würden wir dieser Frechheit gebührend entgegentreten; aber bei den geistigen Arbeitern in unseren Geschäften, ja, Bauer, das ist etwas anderes. Wollen wir die Opferfähigkeit und die Opferwilligkeit der Ge­ nossen aber als Maßstab gelten lassen, so sind sogar 1500 Mark zu viel. Unrecht ist, wenn wir den Vertrauensleuten an verschiedenen Orten Geld­ opfer im Uebermaße zumuthen, hierin muß Abhilfe geschaffen werden. Was den Zuschuß Auer's betrifft, so ist dieser nur ein Entgeld für die erhöhten Aufwendungen, die Auer zu machen hat. Wenn man nun sagt, die Arbeiten im Vorstande könnten so vertheilt werden, daß Auer am Tage in der Redaktion des „Vorwärts" thätig sein kann, so beruht das wieder

— 13 —

auf einer Unkeuntniß der Arbeit in Redaktionen. Auer kann doch nicht der Redaktion die nothwendigen Dienste leisten, wenn er nicht am Tage im Partei-Vorstande thätig gewesen ist mit) erfahren hat, was vorgekommen ist. — Daß Auer neben dem Bureau wohnt, kostet ihm auch 150 Mark mehr, und die Ausgaben für die Reinigung der Vureauräume hat er ebenfalls zu tragen. Timtn hat in Berlin für Akademiker ein höheres Gehalt verlangt als für Nicht-Akademiker. Dem trat ich damals entgegen, denn danach sollte Derjenige, der mehr leistet als ein Akademiker, doch weniger Gehalt erhalten nur deshalb, weil er nicht den gleichen Bildungs­ gang genommen hat als dieser Jetzt hat Timni wenigstens diesen Wider­ spruch aufgegeben. Dagegen hat er jetzt durch sein Nichtschablonisirenwollen seine jetzige Begründung wieder selbst über den Haufen geworfen. Sehr bezeichnend war ferner eine Aeußerung Legien's, der sich auf das Programm beruft, wo kein Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Arbeit gemacht werde. Was in der zukünftigen Gesellschaft werden soll, und ich habe ja in meinem Buche „Die Frau" sehr bestimmt meine Ansichten darüber ausgesprochen, das kann uns doch heut nicht bestim­ men, wo die Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft maß­ gebend für die Remunerirung qualificirter und nicht qualificirter Arbeit sind. Wenn sich Legien auf den Idealismus beruft, der einzelne Parteigenossen auf ein höheres Gehalt Verzicht leisten lassen müßte, warum verzichtet er dann nicht für seine Person auf die Honorare des „Socialpolitischen Zentralblattes", die ja ungleich viel höher sind als die irgend eines Partei-Organs? Warum fordert er denn auf einmal für Andere geringere Gehälter? Mephisto, ich kenne dich. (Bewegung.) Timm bezog sich auf das Gehalt Schippel's von 4200 Mark. Bevor er seine Stelle am „Socialdemokrat" angenommen hatte, bekam er in einer weit angenehmeren und weniger anstrengenden Stellung bei der „Neuen Zeit" 3600 Mark Wir selbst waren es, die ihm zum Entgelt für seine Arbeits­ last, für seine Intelligenz und seine Bildung, die für uns so werthvoll ist, 4200 Mark boten. Ist der Parteitag aber der Meinung, daß für die Parteibeamten zu hohe Aufwendungen gemacht wer­ den, nun gut, so beschneide man die Gehälter, aber dann wähle man sich auch eine Parteileitung, die diesen veränder­ ten Verhältnissen Rechnung tragen will und kann. Aus der Kündigung des ersten Leiters der Buchhandlung, weil er nicht 5000 Mark erhielt, ersehen Sie doch, was der Marktwerth einer solchen Arbeit ist. Wir sollten.nun weniger bezahlen, und blos deshalb, weil Fischer neben

14 — seiner großen Fähigkeit, eine solche Stellung auszufüllen, auch Partei­ genosse ist? Beamte von ähnlichen Stellungen bekommen in Leipzig 6000, 10000, ja selbst 15 000 Mark Gehalt. Parteibeamte sollen keine Diäten erhalten, wird ferner verlangt. Das ist ein ganz unsinniges Verlangen. Bei dem zumeist sehr bescheidenen Gehalt kann kein Parteibeamter ohne Zuschuß in Berlin leben und die Zuschüsse sind überdies höchst bescheiden bemessen. Für die Tage ihrer Anwesenheit im Reichstag erhalten Reichs­ tagsabgeordnete, die als Parteibeamte in Berlin ansässig sind, 3 Mark Vergütung; solche Abgeordnete, die einen bürgerlichen Beruf haben und in Folge der Sitzungen ihre Geschäfte vernachlässigen müssen, 6 Mark, Parteibeamte von auswärts 6 Mark und 25 Mark monatlich für die Wohnung, solche aus bürgerlichen Berufen von auswärts 9 Mark; das sind doch gewiß keine Diäten, von denen man üppig leben kann, und ich bemerke nochmals, diese Diäten werde:: nur bezahlt, wenn der Abgeordnete in Berlin bezw. im Reichstag anwesend ist. Bürgerliche Abgeordnete brauchen das Doppelte und Dreifache. Auf eine ganze Reihe von Intelli­ genzen müßten wir verzichten, wollte man deren Reichstagsdiäten streichen; und Intelligenzen haben wir wirklich nicht in Ueberfttlle. Wir suchen seit langer Zeit nach einem Redakteur für den „Vorwärts", ohne ihn finden zu können. Wenn Timm glaubt, uns einen für 3000 Mark beschaffen zu können, so mag er sich doch auf die Suche be­ geben. Wie wir im Partei-Vorstande handeln und knausern, davon haben Sie gar keine Ahnung. Der zweite Redakteur des „Vorwärts" bekommt jetzt 4200 Mark Gehalt, während er als Redakteur einer Wochenzeitschrift 5000 Mark erhalten hatte. Einem andern boten wir für die noch zu schaffende Stelle 3600 Mark Anfangsgehalt, er verzichtete dankend, weil er als Korrespondent für die Parteipresse mehr verdient. Meine Zeit ist um; nur noch eins, lehnen Sie den Antrag der Genossen des Kreises Rieder-Barnim ab. Die Gründung einer eigenen Druckerei würde 200000 Mark kosten. Sind Sie darüber im Zweifel, daß am Tage des Gewitters die Polizei mit Vergnügen einen tödtlichen Schlag gegen unsere Parteigründungen führen wird? (Lebhafter Beifall.) Abstimmung.

Bei der Abstimmung ist nun natürlich der Antrag, die Gehälter der Parteibeamten zu ermäßigen, abgelehnt, weil die Herren, die an der Staatskrippe, ich wollte sagen, socialdemokratischen Krippe den Haupthafer bekamen, ihn auch weiter essen wollen. Hätte nicht die Parteileitung, die Parteibeamten und solche, die es werden wollen, sondern die reine Ge­ nossenschaft abzustimmen gehabt, dann wäre die Abstimmung zweifellos anders ausgefallen. Das beweist klar die Menge der Redner gegen die

— 15 — Weiter

hohen Gehälter.

will ich dir noch erwähnen, daß

der Genosse

Schröter, Berlin 4, folgenden Antrag auf den Parteitag (Nr. 103 der

Anträge) eingebracht hat.

„In Erwägung, daß der Partei dadurch, daß sie dem Kapitalismus die ungehinderte Ausbeutung der Konsumtionskraft des Proletariats über­

läßt, anstatt letztere den Parteizwecken nutzbar zu machen, ungeheure Vor­ theile im Befreiungskämpfe verloren gehen, beschließt der Parteitag, die

Parteileitung wird beauftragt, eine Kommission von etwa 15 Mitgliedern

die dafür Sorge zu tragen hat, daß die Konsumtionskraft

zu ernennen,

des Proletariats, soweit es möglich ist, den Zwecken der Partei dienlich

Zu diesem Behufe sind in den für uns zunächst geeigneten

gemacht wird.

Produktionszweigen Betriebe zu organisiren, in welchen die Produktion

durch Genossen stattzufinden hat, und Maßnahmen zu treffen,

daß

die

verfertigten Gegenstände und diejenigen Konsumartikel, die von Genossen

nicht hergestellt werden können, in der geeignetsten Weise ihren Absatz finden.

Ueber die Verwendung des nach Ablauf bestimmter Zeiträume

festzustellenden Gewinnes entscheidet obige Kommission; doch soll als Richt­ schnur dienen, daß ein Theil zu Erweiterungen von bereits bestehenden Betrieben resp. Neugründungen benutzt, während der Rest, der größere

Theil, an die Parteikasse zwecks Agitation 2c. überwiesen wird. lagekapitalien müssen von Genossen aufgebracht werden Wunsch eine spätere Zurückzahlung erfolgen."

Die An­

und kann auf

Dieser Antrag, obwohl er ja der einzige dieser Art war, imb obwohl

die angeregten Produktionsgenossenschaften gerade so recht der Welt zeigen können, wie schön das socialdemokratische System

flch in Wirklichkeit

macht, hat nicht einmal die nöthige Unterstützung gefunden, um zur Ver­ handlung zu gelangen, und warum wohl nicht? Man hat eben zu schlechte

Erfahrungen

mit

ähnlichen

Unternehmungen

Kinder scheuen ja das Feuer,"

gehabt,

und

„gebrannte

und wenn du nicht glaubst, daß meine

Ansicht richtig wäre, so will ich dir die Aeußerung des Genossen Grenz, der mit mir darin einverstanden ist,

daß das socialdemokratische System

nicht hält, was es verspricht, mittheilen. Grenz behauptet:

„daß die Praxis mit der- Theorie bei manchen

von Socialdemokraten gegründeten unb geleiteten wirtschaftlichen Unter-

nehmungen

in

Widerspruch

gerathe.

So giebt

es in Sachsen Unter­

nehmungen, wo 50 bis 60 Arbeiter von Arbeitern beschäftigt werden. Als diese Arbeiter die Maifeier begehen wollten, wurde es von den social­

demokratischen Leitern, von denen einige sogar als Maifeierredner figu-

Antrag Schröter.

— 16 —

ritten, den Lenten abgeschlagen. Tas fei äußerst inconsequent. Wenn die Gegner solche Fälle ausnützten, sei es weiter nicht verwünderlich.

Ich glaube, mein Lieber,

hieran wirst du wohl genug haben und

mir zugeben, daß das thatsächliche Leben andere Verhältnisse begründet, ZukunftS,ftaat.

als wie eure Führer euch vorspiegeln. A. Ja, diese Fälle beweisen wohl, daß bei uns nicht alles so ist, wie es sein sollte; allein du mußt doch auch damit rechnen, daß die socialdemokratischen Grundsätze über den Zukunftsstaat erst im Werden begriffen, daß sie noch nicht durchgedrungen sind, auch daß die Social­

demokratie noch nicht zur Herrschaft gelaugt ist.

Ist dieses aber einmal

der Fall, dann kommen solche ungehörigen Dinge nicht mehr vor, werden die Grundsätze,

gestellt sind, zur Durchführung gelangen. heißen, „gleiche Arbeit, gleicher Lohn."

wird

es so

Socialismus"

terungen

dann

wie sie im socialdemokratischen Programm auf­ Dann wird es in Wirklichkeit

„Alle Arbeit ist gleich 2c."

Tann

werden, wie Bebel in seinem Buche: „Die Frau und

der

so schön ausgeführt hat, und wie es auch in den Erläu­

des Dr. Schönlanck und Kautsky zum Erfurter Programm so

klar ausgesprochen ist. B. Du bist aber doch gewaltig im Irrthum, wenn du meinst, daß

es, wenn ihr wirklich zur Herrschaft gelangen solltet,

so gehe;

es wird

genau bleiben, wie heute, der ganze Zukunftsstaat ist ein reiner Unsinn

A.

Das wäre doch.

Hast bit denn die Entwickelung des Zukunfts­

staates von Bebel dir angesehen? B. Ganz gewiß, und ich will dir nur einige kurze Fragen vorlegen und dir dann nachweisen, daß alle wissenschaftliche Darlegung eurer Führer Bebel :c.

ein Scheingebilde ist.

Wer wird denn nun später

die Leitung und die Verwaltung, das Beamtenthum, wählen? Wechsel der Leitung und des BeamtenthnmS.

A. B.

Natürlich das Volk. Und wenn die Verwaltung, die Leitung, wechseln soll, aber nicht

will, was dann?

A.

Ja dann wird sie abgesetzt.

B. A. B

Und wer soll sie absetzen? Ja itatiirlidj das Volk. Und wenn die Hälfte des Volkes es will, daß sie bleiben soll und

die andere will nicht, was dann? A. Ja für diesen Fall muß Bestimmung getroffen werden, wie es

werden soll. B. Ja und wenn dann die eine Hälfte sich dieser Bestimmung nicht fügt?

A.

Ja, dann muß sie gezwungen werden.

17 B.

Und wer, mein Lieber, sott sie zwingen?

A.

Ja natürlich die andere Hälfte.

B.

Jaund wenn diese die schwächere

A.

Ja,

ist oder nicht zwingen kann?

dann bleiben eben die alten

Beamten im Amt,

oder es

giebt Revolution. B. Scepter

Du siehst also,

es ist genau wie heute; die Leute,

in Händen haben, welche an

der

welche

das Entwickelung

Staatskrippe besonders gut

sitzen, werden ihre Macht mit allen Mitteln zu behalten suchen und das Volk, das herrschen sott, wird beherrscht,

mit eurem Zukunftsprogramm.

sehr schön und gut an, wenn

und in derselben Weise geht es

Es liest sich Altes und hört sich Alles es aber zum Klappen kommen soll,

dann

Ihr sagt, die jetzige Entwickelung der bürger­

stimmt die Rechnilng nickt.

lichen Gesellschaft führe dahin, daß es in Zukunft nur Großbetriebe und

ausgebeutete Arbeiter geben könne. Alle Kleinbetriebe, Handwerke, Klein­ handel, Kleinbauern u. s. w. würden verschwinden. Auf der Seite der

nichtarbeitenden Kapitalisten,

Großgrundbesitzer werde der Erwerb durch

die Arbeiter immer größer, während das Elend und die Ausbeutung der Letzteren ebellfalls immer größer werde.

durch aufgehoben werden,

Dieser Zustand könne nur da­

daß die Gesellschaft das Privateigentum

schaffe und in gesellschaftliches Eigenthum umwandele.

ab­

Hierdurch würden

gleiche Rechte und gleiche Pflichten Aller festgestellt und würde so die Entwicklung der Betriebe, des Handels und des Verkehrs, welche jetzt die Quelle des Elends für den ausgebeuteten Arbeiter (Proletarier) bilden,

die Quelle der höchsten Wohlfahrt und allseitiger Vervollkommung werden. Ausgehend von diesem Hauptgrundsatze wird

im Zukunftsstaate angepriesen, wie sie

können.

es

den Leuten ein Leben Versprechun-

sich garnicht besser wünschen

Zwar muß auch gearbeitet werden, aber so wenig, daß das gar

nicht körperlich ermüdet. Ein Or. Hertzka, der berühmte Freilands-Kolonie­

mann, hat für Oesterreich es auf 21/B Stunde für Jeden berechnet und Bebel meint, diese Zeit werde sich auch durch vollkommenere Entwickelung aller einschlagenden Verhältnisse,

vermindern lassen.

Electricität, Großbetrieb u. s. w. noch

Die Lebenshaltung

eines Jeden wird verbessert, alle

Bedürfnisse werden in bester Weise befriedigt, Staatsküche, freies Reisen, unentgeltlicher llnterricht, reine Vertragsehe bezw. Liebefreiheit wird ein­

geführt,

Religion ist nicht mehr iwthig,

darin, Mensch zu sein,

der Himmel wird

der Mensch findet das Höchste den Spatzen überlassen, Ver­

brechen giebt es nicht mehr, weil alle Bosheit aus dem Eigenthum kommt, Krankheit giebt es ja wohl noch, aber der Arzt ist frei und freie Krankenhäuser sind da, Geld wird abgeschafft, kurz und gut, alles ist auss Beste geregelt.

ftaat

18 -

A.

Ja glaubst bit denn nicht, daß, wenn unsre Partei zur Herr­

schaft kommt, dieses alles so werden wird?

/

Das.Ende B. Nein, das glaube ich nicht; es wird, sollte eure Partei zur des 3u= kunftsftaates Herrschaft gelangen, genau so werden, wie 1789 mit der französischen ist die Revolution. Wenn das alles so werden sollte, wie es @nd) vorgemalt Revolution.

wird, dann müßte ein jeder Mensch ein Engel sein,

so

hat einmal der

Verfasser der socialdemokratischen Zukunftsbilder, der Abgeordnete Eugen

Richter, gesagt, ich gehe noch weiter und sage, nur wenn ein jeder Mensch

auf seinen freien Willen verzichtet, nur wenn jeder Mensch schaften einer Maschine annimmt,

die Eigen-

kann es solch' schöne Zustände geben.

Das Recht des Stärkeren, den Willen des Selbstsüchtigen kann keine Macht der Erde abschaffen, damit muß gerechnet werden.

Jungen und die Anarchisten hinter den

Schon jetzt stehen die

alten Socialdemokraten.

der französischen Revolution im Jahre 1789

wurde

Bei

die radikale Partei

zuerst von den „Girondisten" an die Seite gedrängt. Diese wurden wieder durch den „Berg", mit Danton an der Spitze, beseitigt, unb an

die Stelle des Berges trat endlich der berüchtigte Wohlfahrts-Allsschnß

mit Robespierre und Marat, und kein Mensch kann sagen, ob nicht dieselbe blutige Fortentwicklung, wie 1789, an Stelle der versprochenen friedlichen

Glückseligkeit treten wird, ob dann nicht auch eure Führer, wenn sie von den Anarchisten zum Tode geschleift werden, mit dem Zauberlehrling werdeli

sagen müssen:

„Die ich rief, die Geister,

werd' ich nun nicht los",

ob

man dann nicht auch, wie 1789, wo man glaubte, ohne Gott leben zu können, wieder nach der Religion, die man beseitigte, als beut Zauber­ meister wird rufen müssen.

A.

911111, ganz so schlimm, wie du es ausmalst, wird es doch wohl

nicht werden, mit den paar Anarchisten werden wir wohl schon fertig werden.

B. Da vergiffest du doch, daß wir jetzt Dynamit und allerhand Gift haben. Wenn die paar Tyrannen in der Zeit und mit den Mitteln

des vorigen Jahrhunderts ganz Frankreich in Schrecken halten konnten, dann werden jetzt entschlossene Männer der That mit Dynamit und Gift noch

viel besser ein ganzes Land

in Furcht und Bann halten können.

Und dann mußt du wissen, daß über Alle Enttäuschung kommen wenn es wirklich zum socialistischen Staat kommen sollte.

versprechen den

Genossen goldene Berge, und können dann ihre Ver­

sprechungen nicht erfüllen. Verbitterungen bleiben.

und

In Folge dessen giebt es Enttäuschungen und

von der versprochenen Glückseligkeit wird nicht viel

Die Welt wird

wird der Kelch

muß,

Eure Führer

auf kurze Zeit in einen Taumel gerathen, es

der angeblichen Vergnügungen

von

einem Theile der

— 19 — Menschheit bis zum

genossen werden und

Ueberdruß

dann werden die

Vernünftigen wieder Oberhand bekommen und in langsamer Umkehr znm

Alten kommen. A. Wie kannst bu aber dann behaupten, daß das versprochene Glück nicht kommen kann, daß mit anderen Worten unsere Führer den Genossen

falsche Vorspiegelungen machen. B.

weisen.

steuer

Theilung Preußen's in Wirklichkeit ein genaues Bild von den Verhältnissen im Kapital, Handel, In­ durchgeführt.

Das will ich

dir auf eine einfache und practische Weise nach­

Wir wollen einmal für Preußen, wo wir durch die Einkommen­

dustrie und Landwirthschaft haben, eine Theilung auf Grund dieser fest­

gestellten Zahlen

vornehmen.

Natürlich

glaubt ein Jeder der Genoffen

und bu wahrscheinlich auch, auf Grund der Versprechung eurer Führer, daß mit Einführung des socialistischen Staates ein Jeder durch seinen all -dem Reichthmn ein reicher Mann sei, und gerade das

Antheil an

Gegentheil ist der Fall.

Ich will dir, um dir meine Angaben glaublich

zu machen, eine Anekdote vom alten Amschel Rothschild zu Frankfurt a. M.

erzählen. Zu diesem kam 1848 ein kommunistisch angehauchter Mann und drohte ihn mit der Forderung auf Theilung; der alte Amfchel Rothschild sagte zu ihm:

Mann

sagte zu ihm:

„Gut, wieviel Deutsche haben wir denn?" „Na,

welcher gut im Kopf rechnen

so

30 Millionen";

der

darauf rief Rothschild,

konnte, dem Kassirer zu:

„Geben Sie den

Mann 1 Gulden 48 Kreuzer, wir haben getheilt, soviel kommt auf jeden Und nun höre, was das Resultat der Theilung in Preußen

Deutschen".

sein wird, wie groß, wenn Alles gemeinschaftliches Eigenthum Aller sein wird, der Antheil des Einzelnen am ganzen Vermögen sein wird.

Es kommen auf jeden

4 Morgen

Grundbesitz

und

Industrie und Handel, und

Deutschen circa

höchstens

55 Mark

da wird doch

1100

jährliche

Mark

Kapital,

Einnahme aus

wahrhaftig Niemand sagen

wollen, daß man mit diesem Vermögen ein wohlhabender Mann sei. viel kann sich

So

jeder Arbeiter in seinem Leben, wenn er nur ein Bischen

sparsam ist, und nicht vom Unglück verfolgt wird, selbst verdienen. A.

Ja,

das wäre

ja

allerdings nicht viel, aber das kann ich dir

doch so nicht glauben, daß nur soviel bei einer Theilung allen Vermögens

in Preußen auf jeden Mann fallen sollte B. Ja, dann gieb Acht, dann werde ich dir das Nähere vorlegen.

Der preußische Staat hat (in steuerpflichtigen Grundstücken 29,359,203 Hektare. Es kommt also auf jeden preußischen Einwohner, da Preußen jetzt über 30 Millionen Einwohner hat, noch nicht einmal 1 ganzer Hektar,

also noch

nicht voll 4 Morgen.

Dann ist nach der Statistik über die

20 —

Einkommensteuer für 1893/94 nachgewiescn bei sogenannten juristischen Personen, Aktiengesellschaften u.s.w. ein Einkommen von ruiit/199 Millionen.

Bei wirklichen Personen, welche über 3000 Mark Einkommen haben, sind rund

3,216 Millionen Einkommen nachgewiesen. Von letzterem fallen auf Kapital 887 Millionen, auf Grundvermögen 741 Millionen, auf Handel, Bergbau und Industrie 953 Millionen, auf gewinnbringende Beschäftigung 632 Millionen. Nun wollen wir einmal, da feste Zahlen hierfür nicht vor­

einem Einkommen unter

handen sind, annehmen, bei den Personen .mit

3000 Mark wäre auch noch ein jährliches Einkommen von 413 Millionen

aus Kapital-Vermögen vorhanden, dann würde

im ganzen preußischen

Staat ein Einkommen aus Kapital-Vermögen von 1300 Millionen Mark

vorhanden sein,

das entspräche, zu 4% durchschnittlich

Kapital-Vermögen von 32V2 Milliarden.

berechnet, einem

Es kommt mithin auf jeden der

30 Millionen Preußen noch nicht volle 1100 Mark Kapital-Vermögen. Dazu käme dann noch, wenn die 953 Millionen Einnahmen aufs Handel, Bergbau und Industrie, sowie die 200 Millionen Einkommen der Actien-

gesellschaften, weiter der Ueberschuß der preußischen Eisenbahnen, Berg­ werke u. s. w. mit rund 500 Millionen, also zusammen 1653 Millionen

vertheilt

würden,

für

jeden

55 Mark und ein Antheil

Preußen

nun 4 Personen zur Familie,

so

Grundbesitz, 4400 Mark Kapital, 220 Mark, sowie ein

eine

Einnahme

16 Morgen von jährlich

an den Gebäuden,

Das ist aber selbst uach

von

Rechnet man

kommt auf eine Familie ein Antheil an Bergbau

entsprechender Antheil

wir mal eine Wohnung.

jährliche

an den Gebäuden Preußens.

sagen

bescheidenen Begriffen

noch keine wohlhabende Familie, sondern eine Familie, die voll mit zu-

greisen muß, will sie nur des Lebens Nothdurft bestreiten.

Daraus aber

kannst du sehen, wie weit es mit den Versprechungen eurer Führer her ist, daß, wenn einmal das socialistische Gemeinwesen durchgeführt

werde,

für jeden bessere Lebensbedingungen, weniger Arbeit, Vergnügungen und Urlaubsreisen u. s. w. abfallen müßten.

A.

Aber dieses ist ja denn doch immer schon besser, als wenn nran,

wie ich, gar nichts besitzt. B.

Und wie lange glaubst du,

kann jemand mit diesem Vermögen,

wenn er nicht mehr arbeiten, aber sonst gut leben will, auskommen.

A.

Ja allerdings nicht sehr lange, aber doch immer so 5 bis 6 Jahre.

B.

Na ja, so lange wird es ja auch wohl dauern, wenn es wirklich

mal zum socialistischen Staat kommen sollte; der größte Theil der Genossen

will dann nicht mehr arbeiten, er will das Leben genießen, wie ihm das ja auch Tag für Tag vorgespiegelt wird, und dann ist es bald mit allem Kapital,

21 —

mit allen Dorrathen u. s. w. zu Ende. Ein kurzer Traum in Saus und Braus, aber ein schweres Erwachen, das wird das Ende vom Liede sein.

A. B.

Aber es soll doch auch ein Jeder arbeiten. Ja, das soll er, und manche thuen das ja auch, aber auch diese

wollen gut leben und das gehr eben nicht. auf eine andere Weise zeigen.

Personen

mit

mehr

als

dir das nochmals

Ich will

Sieh' in Preußen haben wir über 2 Millionen

900

Mark Einkommen.

Sodann

sind

Durch­ schnittsein­ kommen in Preußen.

circa

7 Millionen mit Einkommen unter 900 Mark veranlagt, die ja nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes frei bleiben.

Das Durchschnitts­

einkommen dieser kann man nicht feststellen, allein höher wie 600 Mark wird es sich sicher nicht belaufen, da viele Tagelöhner, Gesellen, Gehülfen,

Knechte, Mägde und sonstige Arbeiterinnen darunter sind.

Will man nun

das Einkommen dieser mit auf 900 Mark erhöhen, dann gehört dazu die Summe von 2100 Millionen, also die gesammte Einnahme der Personen mit mehr wie 3000 Mark Einkommen aus dem Kapital-Vermögen ad 887 Millionen

Mark, aus Handel, Bergbau und Industrie ad 953 Millionen Mark, sowie der 199 Millionen Mark der Aktiengesellschaften mit in Summa 2070 Millionen.

Also das ganze Vermögen, welches durch Ausbeutung der Arbeiter und

durch das Kapital in Preußen erworben wird, geht darauf, um nur das Einkommen der veranlagten Personen unter 900 Mark auf die Summe

von 900 Mark zu bringen und diese Maßregel müßte

ja doch die erste

sein welche der socialistische Staat ergriffe, da ja gleiche Arbeit und gleicher

Lohn euer Hauptgrundsatz ist.

Du siehst also auch hier wieder, daß man

euch ganz verkehrte Vorstellungen von der Zukunft giebt, um Genossen zu ködern und zweifelhafte Genossen zu halten. Ich bin sogar der Ansicht, daß, wenn die jetzigen Arbeits- und Erwerbsverhältnisse im socialistischen Staat dieselben blieben, durchschnittlich auf jede selbstständige Person nicht

mehr Einkommen fallen würde, wie jetzt der bessere Berliner Arbeiter ver­ dient, und daß bei einer Theilung des ganzen vorhandenen Vermögens

nicht mehr herauskommt, al§ sich jeder selbst im Leben ohne besondere

Anstrengung ersparen kann.

A.

Das sollte mich aber doch wundern, wie du das nachweisen willst.

B.

Ja, sage mir, wieviel Tagelohn giebt es in Berlin für besser be­

zahlte Arbeiter?

A.

Für den einen Arbeiter 3 Mark, für den andern 3,50 Mark, für

den dritten 4 Mark u. s. w. bis 5 Mark. B.

Dann wollen wir 'mal aunehmen,

es werde

in Berlin

Durchschnittslohn von 4 Mark pro Tag verdient, dos macht 1200 Mark, 300 Arbeitstage vorausgesetzt.

ein

im Jahre

Um nun die obige 7 Millionen

Durch­ schnittsein­ kommen der Berliner

— 22 — Arbeiter ist höher als das Durch­ schnittsein­ kommen eines jeden Preutzen.

Personen mit 900 Mark auf 1200 Mark jährliches Einkommen zu bringen,

hat man schon wieder die Summe von 2100 Millionen Mark üöthig, reicht also mit dem Einkommen der Personen über 3000 Mark Einkommen, welches nach obigem Abzug noch übrig geblieben ist, nämlich 74J Millionen aus Grundbesitz und 632 Millionen aus gewinnbringender Beschäftigung gar nicht mehr aus, muß vielmehr noch 700 Millionen jährlichen Ein­ kommens

von

denl Einkommen der übrigen

geschätzten Personen hinzunehmen.

mit 900—3000 Mark ein­

sJhm müssen aber noch

alle Personen

über 3000 Mark, denen ja alles Einkommen weggenommen ist, und deren

sind über 300,000, ebenfalls auf 1200 Mark gebracht werden, desgleichen die mit 900—1200 Mark Eingeschätzten. Hierzu gehören, da man nicht genau feststellen kann,

wie hoch

die Suninie bei Erhöhung der Ein­

geschätzten von 900—1200 Mark ist, mindestens 400 Millionen.

also, Alles in Allem gerechnet, eine ganz genaue

nicht ausstellen, für die 9 Millionen

bestätigt durch

kommen

folgeude Rechuung.

der Personen

Millionen Mark.

über

Man findet diese Rechnung Preußen hat an Ein­

Ganz

900 Mark nach

oben abgerundet 5800

Vertheilt man dieses Einkommen

zur Steuer veranlagten Personen,

Es wird kann man

der in Preußen Veranlagten je ein

Einkommen von 1200 Mark herauskommen. auch

Rechnung

auf die 9 Millionen

so erhält man für jeden Veranlagten

wieder nach oben abgerundet 650 Mark jährlichen

Einkommens.

Nimmt

man an, daß die 7 Millionen steuerfrei veranlagten Personen mit weniger als 900 Mark Einkommen — durchschnittlich 600 Mark Einkommen haben

— so wäre das

ein Einkommen von 4200 Millionen Mark,

also

auf

jeden der 9 Millionen Veranlagten noch eine weitere Summe von rund 460Mark. Tiefes zu obigen 650 Mark gerechnet, wird ein Durchschnitts-

einkommen aller Personen auf 1110 Mark ergeben.

Dieses Beispiel zeigt

also die Richtigkeit obiger Rechnung, so daß man bestimmt behaupten kann, zwischen 1100 und 1300 Mark beläuft sich in Preußen das Einkommen einer jeden selbstständigen veranlagten Person, wenn alle Einkommen getheilt werden.

A.

Ja, du

sprichst nun hier immer voll Theilung.

Du scheinst

nicht theile:: wollen, daß

demnach

nicht zu wissen, daß wir ja gar

vielmehr

nur die Erwerbsmittel (Maschinen, Grundbesitz u. s.w.) gemein­

schaftlich

machen wollen, und

daß wir beabsichtigen,

das

wir

mittelst der

Erwerbsmittel durch die Arbeit Aller Erworbene nach Verhältniß der Arbeit

zur Vertheilung zu bringen. B. Gewiß, mein Lieber, weiß ich das. Aber das ist ja das Traurige bei euch, daß nicht einmal bei euren Führern feststeht, in welcher Weise

dieses zur Ausführuug kommeu soll, und daß die Mehrzahl eurer Genossen,

— 23 —

wenn sie an die Zukunft denken, immer mehr oder weniger an eine wirkliche Theilung denken.

Daß in Folge dessen dann eurer Partei die Absicht der

Theilung von den meisten Leuten fälschlicherweise zugeschrieben wird, darf dich deshalb nicht wundern.

Nun wirst du doch zugeben,

daß für die-

jenigen eurer Genossen, die an eine wirkliche Theilung denken,

das oben

einer wirklichen Theilung Preußens sehr lehrreich

durchgeführte Beispiel

ist, indem es ihnen zeigt, daß auch eure Führer in Irrthümern befangen

sind über die Wirkungen, welche der socialistische Staat auf den Einzelnen in Bezug auf Arbeitsleistung,

bessere Lebenshaltung, Vergnügungen und

Neisen haben wird Na, eine Verbesserung namentlich der untersten, ärmsten Klassen

A.

liegt ja doch nach deiner eigenen Berechnung vor, da doch die Einkommen

von 400 Mark u. s. w. alle bis 1100 oder 1300 Mark erhöht werden. B. Ta vergißt du nur eben wieder das thatsächliche Verhältniß, daß diejenigen Personen,

welche 400 Mark jährlichen Verdienst haben, in der

die zufriedensten

Regel

sind,

daß aber gerade die Fabrikarbeiter, Berg-

leute ii. s. w., welche ein Einkommen von 1000—1500 Mark haben, also möglicherweise

diese bei

noch schlechter fahren, die unzufriedensten sind und daß

einer Neuordnung

machten Versprechungen, doch

der Dinge,

unter Berücksichtigung

der ge­

mindestens so leben wollen, wie jetzt ein

Mann mit einem Einkommen von 3000 Mark lebt.

A. Ja, die werden sich eben nach der Decke strecken müssen und, wie bisher, weiter leben. B. Nein, im Gegentheil, die werden entweder noch mehr arbeiten oder­

schlechter leben müssen, wie bisher. A. Ei, das wäre. B.

Ja, gieb einmal acht, das jetzige Einkommen, womit wir oben

die Rechnung gemacht haben, ist mit einer Anspannung aller Kräfte mit den geringsten Hülfskräften (Beamten, Aufsehern) u. s.

worben.

wenn

er­

Glaubst dn denn nun, daß mit einer geringeren Arbeitszeit, auch

die Betriebe vergrößert,

die maschinellen Einrichtungen verbessert

würden, die gleiche Arbeitsleistung geschaffen werden könnte.

A.

Das glaube ich doch, da ja eine ganze Masse Kräfte mehr mittelst

einfacherer Einrichtung

der Großbetriebe, besserer Maschinen, namentlich

Vereinfachung des landwirthschaftlicheu Betriebes, Fortfall der persönlichen

Dienstleistung, Einrichtung größerer Küchen, Gleichberechtigung und Gleich­

verpflichtung der Frauenarbeit

Arbeit durch

in Arbeit gestellt werden können und die

bessere Ausnutzung der Maschineukraft,

Elektrizität eine immer ergiebigere werden wird.

Einführung

der

Im Zukunftsstaat Mehr­ arbeit.

— 24 B.

herrscht,

Ja, du vergißest nur, daß die Maschine noch initiier nicht überall und daß

durch

die Verwaltung, Leitung und Z^utheilung der einmal

Arbeitserträge, freie Lehrer, Erzieher, Aerzte u. s. w.

ebenso viele Arbeiter wegfallen, als durch die hinzukommen. Ja, wenn die oberste Verwaltung Staates

Städte von

überall

10 000

hinsetzen

Seelen

mindestens

obigen Maßregeln eines sozialistischen könnte,

dann

könnten mit einer umsichtig angelegten Verwaltung viele und große Er­

sparnisse an Arbeitszeit und die höchsten Erträge in jeder Beziehung ge­

schaffen werden.

Nun

Zustande rechnen, wo

muß

aber die oberste Leitung

mit dem jetzigen

wir Großstädte auf der einen Seite, kleine und

kleinste Gemeinden auf der anderen Seite haben.

Deshalb ist einestheils

die Möglichkeit ausgeschlossen, Großbetriebe in gleichmäßiger Weise über das ganze Land zu vertheilen, andererseits werden, da die Kleinbetriebe aufgehoben werden sollen, die an die Stelle des Zwischenhandels tretenden

Vertheilungs-, Lagerungs-, Verkehrs- und Versandt-Behörden einen großen Umfang annehmen und

eine große Zahl Arbeitskräfte erfordern.

Und

dann, mein Lieber, müssen für alle diese Beamten, Lehrer, Aerzte, für

Kinder, Krüppel u. s. w. die übrigen Arbeiter mitarbeiten. Die Zahl der Drohnen im zukünftigen sozialistischen Staat wird nicht eine kleinere sein, wie heute, nein,

eine viel größere.

Postbeamte und Eisenbahnbeamte

werden in weit größerer Zahl, wie heute, nöthig sein, da alle Gemeinden

Post und Eisenbahn erhalten müssen. stundentag

jede Gemeinde mindestens

Soll bei diesen nun der Acht­

eingeführt werden, und soll jede Stadt ihre Bahn und soll ihre Post haben,

verdoppelt werden.

dann muß

Für alle

bleibenden Arbeiter mitarbeiten, und so

die Zahl dieser Beamten

diese Beamte müssen die ver­

könnte es

dann

kommen,

daß

thatsächlich der Arbeiter nicht, wie ihm jetzt versprochen wird, seinen vollen "Arbeitslohn erhält, sondern nur 2/s, oder gar nur die Hälfte, da doch auch für Erneuerung der Betriebsmittel, Verluste bei Versandt, Lagerung und für Verderben von Vorräthen ein Abzug zu machen ist. Und da kannst du nun wieder sehen, was

es mit den Versprechungen auf Zuwendung des

vollen Arbeitslohnes und kürzerer Arbeitszeit auf sich hat.

A. löhne

Ja, wenn ja auch in dieser Beziehung ein Abzug vom Arbeits­

gemacht

werden muß,

so ist

das doch,

wie

bei

der heutigen

Kapitalswirthschaft kein willkürlicher, sondern er wird Jahr für Jahr nach dem Bedarf des nächsten Jahres festgesetzt. B. Das ist richtig, das ist aber genau so wie heute, wenn auch aus

anderer Ursache. Jetzt will Sind die Nohstoffpreise hoch,

der Unternehmer, der Fabrikant verdienen. ist die Konkurrenz aus dein Auslande sehr

— 25 — groß, bann ist der Fabrikant gezwungen, die Löhne herabzusetzen,

wenn

er noch verdienen will. In späterer Zeit wird der Arbeitslohn um so mehr beschnitten, je größer die Arbeitsleistung für die Beamten u. s. w., ich will

sie einmal Arbeitssteuerleistimg nennen, ist, je seltener und theurer die Lebens­ und Bedürfnißmittel sind. Dreh' die Sache, wie du willst, sie bleibt dieselbe. Im jetzigen System Lohnherabsetzung, im zukünftigen größere Arbeits­ steuerleistung. Und nun wollen wir mal ein vernünftiges Wort über die

von einem Führer behauptete Ausbeutung der Arbeiter reden.

Marx sagt

an irgend einer Stelle seines berühmten Werkes „Das Kapital": der Arbeiter erkalte nicht den Werth der vollen Arbeitsleistung, sondern nur den täglichen nothwendigen Unterhalt vergütet; er arbeite 10 bis 12 Stunden und erhalte nur den Werth von 6 Stunden Arbeit.

A.

Ja, ist das denn nicht thatsächlich so?

B. Mit nichten, mein Lieber, das ist wohl hier und da so, so z. B. ArbcUerbei der Ausbeutung üon Mäntelnäherinnen, Schneider und Schneiderinnen Ausbeutung,

in bat Großstäbten, aber etwas Allgemeines ist es nicht. A.

Wie willst du bas aber nachweisen?

B.

Nun, an einem Beispiele, welches auch zugleich zeigen soll, wie

auch in ber heutigen Zeit es noch jcnianb vom gewöhnlichen Hanbwerker

zum Großfabrikanten bringen kann. A. Da bin ich aber hoch neugierig.

B. Du kennst hoch jebenfalls bie Firma Friebr. Krupp in Essen. Der Vater bes jetzigeil Inhabers war gewöhnlicher Schlosser nnb kannst bu bas kleine Häuschen, in welchem ber Vater angefangen hat, noch heute sehen; es wirb sehr in Ehren gehalten, nnb mit Stolz jebem Besucher

vorgezeigt. Die Firma hat vor wenigen Jahren auch bie Gruson'schen Werke in Buckau-Magdeburg, ein'Concurreuzunternehmen, zugekauft, ober wie ihr sagt, aufgesaugt.

ihren Betrieben.

Sie beschäftigt jetzt über 30 O00 Arbeiter in all'

Dieselbe zahlt gute Löhne, nitb es ist sicher gering ge­

griffen, wenn wir ein Durchschnittseinkommen von 1000 Mark für jcbeu von ihr beschäftigten Arbeiter anuehmeu. Diese Arbeiter verbienen also jährlich 30 Millionen Mark. Was müßte nun Krupp allein an Aus­

beutung bes Arbeitsmehrwerths jährlich nach Marx'scher Ansicht einnehmen.

A.

Ja, so 20 bis 30 Millionen.

B.

Ja,

nnb

nun

beträgt

sein

gesammtes

Einkommen nach

preußischen Einkommensteuerstatistik noch nicht volle 7 Millionen,

ber llnb

dabei mußt du berücksichtigen, daß Krupp alle seine Rohstoffe, seine Kohlen

selber producirt, also auch den hierbei sonst zu zahlenden Zwischenhändler­ gewinn voll einstreicht, und daß Krupp in seinen Fabriken, Häusern, An-

— 26 — lagen Maschinen u. s. w. sicher ein Anlage-Kapital von stber 50 Millionen hat, auf welches man doch auch eine Verzinsung von 4 % rechnen muß. Zieh einmal diesen Zwischenhandelgewinn und die Verzinsung des AnlageKapitals von der Gesammtsumme ab, was bleibt dann übrig? A. So 3 Millionen doch immer. B. Ja und das sind doch nur 10% des gezahlten Arbeitslohnes. Und dann berücksichtige auch alles, was Krupp für. seine Arbeiter thut Billige Wohnungen, Industrieschule, Konsumanstalten, Lesezimmer und alles Andere stellt er seinen Arbeitern zur Verfügung. Stiftungen für alte und kranke Arbeiter, Stipendien, Ausgaben für Alters- mib Inva­ lidenversicherung, freie Aerzte u. s. w. und da halte einmal gegen, was eure Führer und Agitatoren für euch thun. Und so wie Krupp, giebt es Hunderte von Arbeitgebern. Geh einmal nach München-Gladbach und sieh dir die Einrichtungen des Fabrikbesitzers Brandts an, des Vorsitzenden des katholischen socialen Vereins für das Arbeiterwohl. Da wirst du staunen. A. Ja, unsere Führer haben auch kein solches Vermögen wie Krupp und die andern Fabrikanten. B. Das will ich dir zugeben, dann sollten sie aber auch wenigstens etwas pfleglicher mit den Groschen der Arbeiter umgehen, und nicht „bourgeois"mäßige Gehälter und Reisekosten zahlen. Die Ausbeutung der Arbeiter für Zwecke der Socialdemokratie ist wahrhaftig nicht viel geringer, als die angebliche Ausbeutung der Kapitalisten, worüber so viel Wesens gemacht wird, und mit der es, wie das obige Beispiel, welches beliebig vermehrt werden könnte, deutlich zeigt, nicht weit her ist Wenn du überhaupt einmal zusiehst, wie groß die ganze Einnahme aus Jndustrie, Bergbau und Handel sowohl der Aktiengesellschaften als der Einzel-Personen ist und daneben die Einkommen der Arbeiter hältst, dann siehst bu ganz deutlich, daß die Sache von euren Führern über­ trieben wird, daß auch heute noch in der Zeit der kapitalistischen Ausbeutung der Arbeiter im Erwerbsleben der wirthschaftliche Werth des Arbeitslohnes die größte Rolle spielt, daß dagegen die Einnahmen der Kapitalisten und Fabrikanten verschwinden. Die Aktiengesellschaften haben in Preußen ein jährliches Einkommen von 200 Millionen, dazu die 953 Millionen Einkommen aller Einzelpersonen mit mehr als 3000 Mark Einkommen aus Handel, Bergbau und Industrie, das macht zusammen 1153 Millionen, also ebensoviel als 1 153 000 Arbeiter bei einem Jahres­ einkommen von tausend Mark einnehmen Nun giebt es aber einerseits viel mehr Arbeiter als diese 1 153 000 in Preußen und andererseits

— 27 sind in den 1153 Millionen auch große Summen aus dem Handel und weiter große Summen aus der Verzinsung des Anlagekapitals enthalten. Wenn ich also auch zugebe, daß hier und da thatsächlich Ausbeutung der Arbeiter betrieben wird, so ist das doch nicht die Regel, Ausnahmen giebt es überall und namentlich in Betrieben, in welchen keine Konkurrenz ist. Die Hungerlöhne, welche in gewissen Betrieben, namentlich in allen, was mit der Schneiderei uiib Weberei zusammenhängt, gezahlt werden, sind weniger auf eine Ausbeutung, als den Druck einer lang andauernden großen und ungesunden Konkurrenz zurückzuführen. Und ebenso, wie mit dieser Uebertreibung der Ausbeutung, verhält es sich mit Uebertreibung der Folgen, daß durch die maschinellen Einrichtungen der Neuzeit der Kleinbetrieb und das Handwerk mit Nothwendigkeit ausgerottet werden müsse. Auch hier wird von einigen außergewöhnlichen Verhältnissen auf alle Verhältnisse geschlossen.

A. Tu kannst aber doch nicht leugnen, daß mit der Maschine das Arbeiterproletariat geschaffen ist. Früher gab es doch keine Arbeiter, keinen sogenannten vierten Stand. B. Das ist wieder ein Irrthum, in dem sich eure Führer verbissen haben, kennst du nicht die Worte Sklaverei, Frohndienste, Hörige, Kossäth, Jnstmann, Lassen, Schiffsknecht, Bergknappe, Geselle. Sie alle beweisen, daß es auch früher Leute gegeben hat, die, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, arbeiten mußten. Denk an den Thurmbau zu Babylon, geh in der Welt umher, sieh dir die Cyclopenbauten in Griechenland und Kleinasien, die Pyramiden Aegyptens, die Pagoden in OstIndien und China, die Mauerreste in Mexiko an und sage mir dann, wer hat die gebaut. Glaubst du, daß sie aus den Willen imb der Freiheit aller hervorgegangen sind? Ein Wille bestimmte das Werk und Tausende und Hunderttausende mußten arbeiten, schwer arbeiten. Und heute hat der Arbeiter doch seinen freien Willen, heute kann er hier und morgen dort arbeiten. Ueber die hörigen Leute und den Handwerks­ gesellen des Mittelalters gehen eure Führer mit ein paar kurzen Betrach­ tungen hinweg. Was waren denn die Schifferknechte und Fuhrleute des Mittelalters anders als Proletarier. Das jetzige Wachsthum des vierten Standes ist einfach eine nothwendige Folge des jetzigen gewaltigen Weltverkehrs, eine Folge der vielen Erfindungen, eine Folge der Dampf­ kraft, der Electricität und der Maschinen. Und was eure Führer als ein Unglück bezeichnen, ist ein Glück für die Welt. Wo sollte Deutschland mit seiner natürlichen Volksvergrößerung bleiben. Deutschland hatte im Jahre 1855 36 Millionen Seelen, jetzt hat es nahezu 52 Millionen. Wie

Der vierte Stand.

— 28 —

kommt es NUN, daß Deutschland,

war, All

doch

welches

1855

kein reiches Land

diese 16 Millionen mehr noch ernähren kann, daß es im Gegensatz 1855 trotz der großen Vermehrung der Bevölkerung im Verhältniß

reicher geworden ist.

Das ist lediglich durch die Fortschritte im Handel,

Verkehr und in der Industrie ermöglicht, welche dieses Uebermaaß der Be­

völkerungszunahme ohne jede größere Schädigung aufzunehmen ermöglicht haben. Denke dir einmal, der Vermögensstand von 1855 wäre derselbe ge­ blieben, damals war ja Deutschland in der Hauptsache noch ein ackerbau­

treibendes Volk, und der Zuwachs der 16 Millionen Menschen hätte sich in den damaligen Besitz mit hinein theilen muffen, was wäre Deutschland dann :

ein ackerballtreibendes Volk, ärmer als die Wallachei, bei dem Elend und Hunger größer wären, als es jetzt der Fall ist. immer mehr und mehr vermehren nmß,

Daß die Zahl der Arbeiter sich

liegt mit Nothwendigkeit darin

begründet, daß der Ackerbau in Deutschland nicht einmal mehr die ernähren

kanll, welche gegenwärtig auf ihn angewiesen sind.

Domänen lmd Großgrundbesitzullgen

in

Denn wenn man auch alle

kleinere Landwirthschaften

wandeln wollte, dann würden diese auch nicht ausreichen,

um­

um die Zahl

der ganz kleinen landwirthschaftlichen Betriebe bis 5 Hectar auf die für

10 Hectar zu bringen.

einen Landwirth nothwendige Fläche von

Vermehrung des Arbeiterthums ist

lichen Verhältnissen

und namentlich

Eine

also nach den heutigen wirthschaftbei

der stets wachsenden Zunahme

der Bevölkcrlmg unumgänglich nothwendig,

ohne daß eine Allfsaugung

der Kleinbetriebe und des Handwerkes mit Nothwendigkeit sich ergeben muß. Handwerk und Maschine.

A.

Ja, aber es sind doch so viele Handwerke schon durch die Maschinen

überflüssig geworden, sieh dir doch nur mal die armen Weber im Eulen­

gebirge an B. Na, das dachte ich wohl, daß du wieder mit dell Weberu kommell

würdest, müssen doch die Weber immer bei euch herhalten, und paffen euch

doch auch „Die Weber" von Hailptmann so schön in den Kram.

Unb da

möchte ich dir nun gleich einestheils zugeben, daß die Handweber allerdings verschwinden müssen, weil sie mit den Webmaschinen llicht mehr concurriren können, aber allderntheils will ich dir auch gleich zeigen, wie ein in Folge

der Teppichweberei imd der damit herbeigeführten Verbilligung der Tep­

piche ulld der Verallgemeinerimg des Teppichgebrauchs jetzt sich ein ganz neuer Geschäftszweig, die Teppichknüpferei, gebildet hat, der eben so viel Menschen, wie die Weberei zwar noch nicht beschäftigt, aber weml die Mode

das Knüpfen auch auf andere Gewebe, auf Häckelei und Spitzen ausdehnt, weit mehr Menschen ernähren kann,

als die gesummte Weberei bisher.

Die Webemaschine muß bei euch immer herhalten.

Von der Nähmaschine,

— 29 — deren es doch hundertmal mehr giebt, euere Weisheit.

wird nicht gesprochen,

da versagt

Die Nähmaschine hat das Schueiderhandwerk nicht ver­

drängt, hat nicht die Zahl der Schneider und Schneiderinnen vermindert, sondern vermehrt.

Dabei will ich gar nicht leugnen,

daß in den Groß­

städten ein großer Theil der Schneider und Schneiderinnen Lohnsclaven der Fabrikanten

und Confectionsgeschäftsinhaber sind.

Von einer Ver­

drängung des Schneiderhandwerks kann trotz Nähmaschinen und trotz Fabrikanten- und Kapitalistenthums nicht die Rede sein. Ebenso geht es mit den Schuhmachern, mit den Bäckern, den Conditoren, den Metzgern

und wie die sonstigen Handwerker heißen.

Bei Maurerei und Zimmerei

ist jede Maschinenarbeit für die Ewigkeit ausgeschlossen, bei Polier- und Schreinerarbeiten greift die Maschine schon ein, aber auch hier geht das nur

bis zu einer gewissen Grenze.

Zwischenhandel, Kleinhandel, Gast­

wirthschaft, Schankwirthschaft bleiben in alle Ewigkeit nothwendige Betriebe und auch in euerem socialistischen Staat müßtet ihr hierfür besondere Be­ amtenklassen schaffen.

Und wie ist nun das Vorgehen euerer Führer und

euerer ganzen Partei in dieser Beziehung?

A. Nach unserer Ansicht ist der Mittelstand dem Untergang geweiht 3ft bei und jede Handlung, die auf eine Stärkung des Mittelstandes gerichtet ist, ^tneb dem verstößt gegen unser Programm, wir können deshalb an der Hebung des Mittelstandes nicht mitarbeiten.

B.

Ja und deshalb laßt ihr ihn sterben unb tragt mit allen Kräften

dazu bei, ihn möglichst bald zu Grabe zu tragen, zumal er jetzt noch der feste Schutz und Damm ist gegen euere Bestrebungen.

A.

Wenn wir anders handelten, würden wir ja gegen unser eigenes

Fleisch unb Blut arbeiten. B. Weißt du denn nicht, wie man einen Menschen bezeichnen würde, der seinen Vater und Bruder beerben muß, und nun dafür sorgt, sein kranker Bruder, sein kranker Vater bald zu Tode kommt.

daß

Einen

Erbschleicher, einen Brudermörder nennt man ihn; Aehnlichkeit mit einer

solchen Handlungsweise hat euer Verfahren gegen das Handwerk zweifellos.

A. Du kannst aber doch die Begriffe der Familie nicht auf das Verhältniß der Socialdemokratie zum Handwerk anwenden. B.

Ja wohl kann ich das; gerade nach eueren Grundsätzen der all­

gemeinen Menschenliebe, der internationalen Liebe,

der Abschaffung der

Familie muß euch der Handwerker der Bruder sein, und das ist er euch nicht.

A.

So schlimm, wie du die Sache darstellst, ist es nicht.

Soll ja

doch durch unsere Bemühungen die Lage der Handwerker verbeffert werden. B.

Ja, das sagt ihr, aber alle Bemühungen, das Handwerk zu heben.

^weitu?

— 30 — dem Handwerker Arzt zu sein, verhöhnt und verspottet ihr.

Lotteriespiel

nennt das einer euerer Schriftsteller, bei welcher Einige einen Gewinn machen, die grotze Mehrzahl aber verspielt, und deshalb wollen sie t>em Handwerk

den Schwanz gleich hinterm Kopfe abhauen. A.

Ja, warum haben wir denn so viel Handwerker und Kleingewerbe­

treibende in unseren Reihen. B. Weil diese nicht euere wahre Absicht einsehen, weil diese an die Wahrheit euerer Worte glauben,

daß

eine allgemeine Weltglückseligkeit

mit dem socialistischen Gemeinwesen einziehen werde; denn wenn sie von euch die Besserung der Lage des Handwerks erwarten wollten, dann wären sie so dumm, wie die allergrößten Kälber, die ihren Metzger selber wählen.

Der Handwerker, welcher nicht sieht, daß die Socialdemokratie nach Kräften auf volle Vernichtung des Handwerks hinzielt, der ist blind, wer es aber sieht und dennoch Socialdemokrat wird, der verfolgt andere Ziele, oder

giebt nur seiner allgemeinen Unzufriedenheit Ausdruck, der hat kein Herz

für das Handwerk.

Bewußter Handwerksmann und bewußter Social­

demokrat zu sein, das schließt sich aus wie Tag und Nacht.

Handwerk

hat auch noch heute einen goldenen Boden, wenn es gegen das Ueber-

handnehmen des Großhandwerks geschützt wird, und darin liegt für das Handwerk die Zukunft.

Wenn das Handwerk durch Zwangsinnungen in

sich gestärkt ist, wenn in den Handwerkszweigen, in denen die Maschine die Oberhand hat, und in denen in Folge dessen der kapitalistische Groß­

handwerker den Kleinbetrieb unterdrücken kann, die weitere Entwickelung

des Großhandwerks verhindert,

das gegenwärtige weise beschränkt wird,

was ja für jeden einzelnen Handwerksbetrieb besonders zu regeln sein

dürfte, dann bleibt auch heute noch das alte Sprüchwort wahr und dann ist es mit euerem ersten Grundsatz vorbei.

Das Handwerk wird

dann

nicht dem Untergang geweiht sein und einen höheren Damm gegen die Socialdemokratie bilden.

A.

Da hast du doch wohl übertriebene Hoffnungen, und was soll

dann aus uns Arbeitern werden? B.

Ihr würdet dann so langsam in den dritten Stand hineinwachsen,

und es würde umgekehrt kommen, als wie euere Führer prophezeit haben.

Die Welt wird nicht in den socialistischen Staat hineinwachsen, sondern der vierte Stand der Arbeiter würde in den dritten Stand, das Handwerk und den Kleinbetrieb hineinwachsen. Herein­ wachsen des vierten Standes in

A. B. um.

Das wird nicht eintreten. Der Arbeiter bleibt immer Arbeiter. Da irrst du aber gewaltig, siehe dich doch einmal in der Industrie

Hast du nicht in allen Stahl- und Eisen-Fabriken jetzt schon den

— 31 — thatsächlichen Zustand, daß Handwerker und Arbeiter gleichmäßig mit ein­

ander arbeiten, social gleichgestellt sind.

Der gelernte Schlosser, -Schmied,

Mechaniker arbeitet dort mit dem Handlanger, dem Hülfsarbeiter an der­ selben Stelle, und wenn Letztere anstellig sind, so bringen sie es, ohne ein

Handwerk gelernt zu haben, auch zum Meister in der Fabrik.

Und was

ist dann überhaupt der Fabrikbetrieb in der Regel anderes, als ein Groß­ handwerksbetrieb. Wie sich, um ein Beispiel aus dem Mittelalter zu ge­

brauchen, die Weber in Leine-Weber, Wullen-Weber, Seiden-Weber u. s. w. trennten, so zerlegt auch der Fabrikbetrieb ein Handwerk in verschiedene einzelne Handleistungen. Es ist das eine Abänderung nicht dem Gegen­ stände der Verarbeitung nach, wie bei der Weberei, sondern eine Abände­

rung der Verarbeitungsweise nach, eine Zerlegung des Ganzen in Theile;

jeder einzelne Theil bleibt dabei aber zum Handwerk zugehörig.

Und diese

Verschmelzung des vierten Standes mit dem dritten Stande wird um so eher vor sich gehen, wenn Sorge getragen wird, daß der Besitz des vierten

Standes wachse.

Da liegt meines Erachtens gerade der Hase im Pfeffer.

Der vierte Stand ist namentlich in den Großstädten ohne jeden größeren Besitz.

Er hat also, wie ihm sofort klar wird, bei der späteren Entwicke­

lung des Zukunftsstaats nichts zu verlieren, sondern nur. zu gewinnen und

zwar in jedem Falle, mag es, wie die meisten euerer Genossen annehmen, zu einer Theilung allen Vermögens kommen, oder mag er nach den Ideen euerer Führer Theilhaber an dem Gesamnttvermögen des Zukunftsstaates

werden.

Daher findest du überall die Thatsache, daß je geringer der Besitz

der Arbeiter, desto größer die Zahl der Genossen ist, und daß überall, wo

die Arbeiter ein eigenes Besitzthum mit kleinem Grundbesitz haben, und

auch, wo sie in gesunden Wohnungen des Dienstherrn wohnen, die Zahl der Genossen eine geringere ist.

Deshalb nimmt auch die Frage der Er­

richtung von Arbeiterwohnungen, die ja in der letzten Zeit brennend ge­

worden ist, in dem Kampfe gegen euch, einen Hauptplatz ein, und ich bin der Ansicht, jeder Arbeiter mit eigenem Häuschen wird kein Genosse, und wenn er trotzdem einer geworden ist, wird er der Partei den Rücken kehren,

wenn er die nothwendige Einsicht von den Endzielen gewonnen hat.

A.

Da dürftest du aber doch im Irrthum sein.

Was hat denn der

Arbeiter jetzt, wenn er ein eigenes Häuschen und auch etwas Grundbesitz hat, vom Leben. Im Zukunftsstaat wird er es zweifellos besser haben, da er doch kürzere Arbeitszeit und mehr Vergnügungen hat. Jetzt muß

er seine 10 bis 12 Stunden arbeiten.

An Vergnügen ist nicht zu denken,

da sein Lohn nur für den Unterhalt seiner Familie ausreicht. B.

Ja, es kommt hier wieder eben darauf an, was du unter Ver­

den dritten Stand.

— 32 — Was ist Vergnügen?

gnügen verstehst. Für den vernünftigen Mann ist es ein Vergnügen, nach ehrlicher Arbeit, denn dafür ist jeder Mensch geschaffen, nd eigenen Heim im Frieden mit seiner Frau zu essen und zu trinken, was ihm schmeckt und ein Pfeifchen zu rauchen, des Sonntags mit seiner Familie einen

kleinen Ausflug zu machen, und nach dem Genuß von ein paar Glas Bier heimzukehren, und sich mittelst eines gesunden Schlafes zur montäg­ lichen Arbeit 311 stärken.

Wenn du aber unter Vergnügen verstehst, was

eure Partei-Feste und Vergnügungen in Berlin so klar zeigen, vom Sonu-

tag Morgen bis tief in die Nacht hinein zu schwärmen, zu tanzen u. s. w., und am andern Morgen mit verstörtem Kopfe aufzustehen, und am Montag

blau zu machen, ja dann hast du Recht, dazu reicht sein Arbeitsverdienst nicht aus, und hierin liegt ja gerade das Gefährliche euerer Lehren.

Ihr

erziehet eure Genossen durch eure Versprechungen für die Zukunft, durch eure Feste,

zu dem Glauben, zu der festen Zuversicht,

im Zukunftsstaat

giebt es ein Leben in Saus und Braus, ein bischen Arbeit dabei.

Acht

Stunden Arbeit — das ist nach eueren Versprechungen hoch gegriffen -,

acht Stunden Vergnügen und acht Stunden Schlaf, das ist euer Zukunftstag.

Die Worte der heiligen Schrift „Sechs Tage sollst bn arbeiten, und

am siebenten sollst du ruhen", die gelten für euch nicht.

Für euch ist jeder

Tag ein Arbeitstag, jeder Tag aber auch ein Ruhetag, ein Tag des Ver­ gnügens.

Muß

nicht

da

jeder

Mensch Socialdemokrat werdet!.

unreife Bursch, jeder

schlecht

situirte

Freie wissenschaftliche Erziehung, Volks­

miliz, also freies Soldatenthnm, freie vertragsmäßige Liebe, keine Geistlichen, kein Gott, wenig Arbeit, gtltes Essen, Trinken, nur Ver­

gnügen, mit einem Worte, den Himmel auf Erden versprecht ihr eueren

Genossen, es fehlt nur noch, daß ihr ihnen noch versprecht, sie sollen nicht krank werden und sterben. Was sich die Mehrzahl euerer Genossen hier­ unter vorstellen, das könnt ihr ihnen unter allen Umständen nicht halten; sie werden enttäuscht sein, und sich später gegen ihre angeblichen Verführer

wenden.

Das ist der geschichtliche Lauf einer jeden socialen Umwälzung

gewesen, das wird auch, wenn ihr die Oberhand bekommen solltet, bei

euch der Fall sein.

Auch die französische Revolution, die an Stelle Gottes

die Vernunft setzte, die an Stelle des Sonntags den zehnten Tag zum Feiertag bestimmte, was sich ja der bekannte Ochse sogar nicht gefallen

ließ, der sich an den dem früheren Sonntag entsprechenden Tagen nicht

anspannen ließ, mußte Umkehr zu Gott, zu dem Wirklichen, suchen, nach­

dem fast alle Häupter der Umsturzparteien und Umsturztyrannen gefallen waren.

Dasselbe Schicksal dürste eueren Führern zu Theil werden, und

meiner Ansicht

nach

sitzen die Köpfe

euerer Führer

von

dem Tage

— 33 — an lose, als der von ihnen gewollte sociale Umsturz zu Stande ge­ kommen ist; denn die enttäuschten Genossen werden ihre Enttäuschung an den Führern rächen, und die Opfer des Umsturzes, die ihres Besitzes be­ raubten Personen werden sich auch das Wegnehmen ihres Besitzes nicht ruhig gefallen lassen. Es wird eine Zeit von gewaltsamen Maßregeln des

Staates gegen die zu Enteignenden und eine Gegengewalt der Letzteren geben. Dabei wird ein großer Theil des Besitzes zu Grunde gehen, man wird einige Jahre in Saus und Braus leben, und die eiserne Nothwendig­ keit, die erste Mißernte wird die Menschheit wieder zu der alten Welt­ ordnung zurückführen. Das werden die sicheren geschichtlich begründeten

Folgen des Umsturzes, der Verhetzung der Massen gegen die Besitzenden, der Erregung eitler Hoffnungen sein.

Die socialdemokratischen Tauben auf

dem Dache werden wegfliegen und der Spatz, welchen die jetzigen Kapi­

talisten, Großgrundbesitzer, Fabrikanten, und mit ihnen Handwerk, Klein­

betrieb und Arbeiter in der Hand haben, wird ein gewaltig magerer werden, die gesammte Weltordnung wird um Jahrzehnte zurückgeworfen werden.

A.

Du wirst doch nicht behaupten, daß Alles, was nach der Ansicht

unserer Führer und namentlich der geistigen Führer Marx und Engels

im Zukunftsstaat an die Stelle der jetzigen Weltordnung tritt und treten muß, überhaupt Unsinn wäre, sich gar nicht verwirklichen lassen.

B. Nein das behaupte ich gar nicht, ich gebe im Gegentheil zu, jede einzelne der in Aussicht genommenen Regelungen ist möglich, und manche derselben sind besser, einfacher, wirksamer wie die jetzige Regelung; ich gehe

sogar so weit, zuzugestehen, daß auch die Gesammtwirkung, wenn alles einzelne

sich genau nach einem festen Plane regelt, zu erzielen ist.

Allein das ist es,

es fehlt einmal ein fester Plan, und dann stimmt bei jeder einzelnen Regelung die Wirklichkeit nicht mit diesem Plane; wie ich schon oben ge­

sagt habe, die Menschen müßten noch mehr wie Engel sein, denn diese haben auch einen Willen, sie müßten bei mancher Regelung zur Maschine hinabsinken. Laß uns einmal das Leben, wie es euch versprochen wird, näher betrachten.

Mit Staatshilfe geboren, denn freie ärztliche

Hülfe überall ist ja einer eurer jetzigen thatsächlichen Grundsätze, wird

das Kind in Staatskinderbewahranstalten erzogen; die arbeitspflichtige Mutter ist ja zur Arbeiterin bestimmt und muß deshalb möglichst bald ihre Stelle wieder einnehmen, muß die gleiche Arbeit, das gleiche Vergnügen und den gleichen Schlaf haben wie der männliche Arbeiter. Vielleicht geht

man, wenn der Zukunftsstaat fertig ist, noch weiter, wie die alten Spar­ taner in Griechenland, deren Verfassung und Gesetzgebung ja in manchen

Dingen mit den Zukunftsabsichten der Socialdemokratie große Aehnlichkeit

3ft der 311= knuftsstaat Unsinn?

T atz Leben int ZnknnftSnaat.

— 34 — fyat, und untersucht die Kinder auf Arbeitstüchtigkeit und beseitigt 'alle diejenigen, welche krüppelhaft und schwächlich

Last bilden.

sind,

also eine allgemeine

Von den Staatskinderbewahranstalten geht es in die Staats­

bildungsanstalten bis zu einem gewissen Alter oder bis zu einem gewissen Bildungsgrade. Was mit denen, die diesen Bildungsgrad nicht erreichen, geschieht, ist noch eine offene Frage; vielleicht werden diese in alle die­

jenigen Arbeitszweige

gesteckt,

welche niemand

aus freien Stücken im

Zukunftsstaat erwählen würde, Aborts-, Kanal-Reinigung u. s. w.

Nach

vorgeschriebenem Alter oder erreichter Bildung kommt die Wahl eines bürger­ lichen Arbeiterberufs. Sind die jungen Leute, Männlein und Weiblein zusammen, so weit ausgebildet, dann kommen sie, nach

den Grundsätzen

der Gleichberechtigung und Gleichverpflichtung natürlich die Weiblein mit,

zur Miliz, werden hier für einen Krieg vorgebildet, und mm ist der voll­

berechtigte Staatsbürger, für den bis dahin nicht die Eltern gesorgt haben, sondern dessen Ernährung, Bekleidung u. s. w. aus der Arbeit der All-

genieinheit bestritten ist, fertig.

Nun wird er wahlberechtigt, darf sich zum

Parteibeamten, zum Lehrer, zum Vertheiler u. s. w. wählen lassen,

in

welchen: Falle er auf'Staatsunkosten angemessene Unterhaltung bekommt,

oder arbeitet mit für die Allgemeinheit, und erhält von dieser in den Arbeitsmarken oder Bescheinigungen die Mittel zum vollständigen Lebens­ unterhalt.

Wird er krank oder arbeitsunfähig, wird er von der Allgemein­

heit frei verpflegt.

Eine Ehe, wie jetzt, gibt es nicht; jeder heirathet oder

liebt, so lange er und sie wollen.

Für öffentliche Vergnügungen aller Art

ist bestens gesorgt; eine jährliche Vergnügungs- oder Badereise von 4 Wochen ist vorgesehen. Bei der geringen Arbeit, der großen Erholung, freier ärztlicher Behandlung und Altersverpflegung wird natürlich jeder Mensch sehr alt. Stirbt er dann endlich, so wird er auf Staatskosten im Ofen zu Gotha oder sonstwo verbrannt und ist dann fertig mit der Welt,

da Himmel, Hölle und Fegefeuer abgeschafft sind. Von Belästigungen durch die Geistlichen, von polizeilichen Maßnahmen, die jetzt so manchen ärgern, keine Spur, kurzum, wie die alte Redensart heißt, es führt ein Jeder ein Leben, wie Gott in Frankreich. Erlaubt der jetzige Lohn uns Ver­ gnügen ?

A. Ja, ist denn nicht ein solches Leben besser wie das Hundeleben, welches wir jetzt führen. 10, 12 und noch mehr Stunden Arbeit und

dabei einen Hungerlohn.

A.

Ja einen Hungerlohn, von dem man jeden Sonntag und auch in

der Woche Feste feiert und von dem man noch so viele Groschen für die Partei, für Parteipresse und Parteizeitschristen übrig hat.

— 35 ,

A.

Ja, das ist doch schließlich so viel nicht, das muß doch der Mensch

wenigstens können. B. Na, dann rechne doch mal ein Bischen, nimm mal ganz geringe Summen an. Jeden Sonntag und Feiertag 1 Mark macht im Jahre 60 Mark, jeden Monat für das Blättchen und Broschüren 50 Pfennige,

macht 6 Mark, jede Woche 10 Pfennig für Parteizwecke macht 5 Mark, und das sind schon

71 Mark,

oder der Ertrag

monats bei einem Einkommen von 850 Mark. ihr alles Sparen verachtet, daß ihr den

eines

ganzen Arbeits­

Das ist es ja gerade, daß Grundsatz „Viel Kleines

macht ein Großes" nur, wenn es sich um Geldsammlungen für die Partei handelt, kennt, nicht aber, wie er auf die einzelne Person Anwendung findet. 71 Mark im Jahr macht für 10 Jahre 710 Mark und für

30 Jahre 2130 Mark, das ist doch wahrhaftig eine große Summe und ich habe noch bei den Anfangszahlen so geringe Zahlen angesetzt; denn das ist sicher, daß hier in Berlin znm Beispiel jeder Arbeiter des Sonntags

mindestens 3, wenn nicht mehr Mark ausgiebt, sonst könnten nicht an allen Ecken und Enden diese Vereinsabende, Feste, Kegelklubs u. s. w. stattfinden.

Und nun zu unserem obigen Zukunftsbilde eines Bürgerlebens

zurück. Das Alles klingt so schön, daß ihr jeden Menschen, welcher jetzt in schlechten Verhältnissen, ob mit oder ohne Schuld lebt, einfangen müßt, wenn er nicht Religion hat. Daher auch der erbitterte Kampf eurer Partei Kirche im Zu­ gegen alles, was Kirche heißt, wenn sie auch aus Grundsätzen der Zweck- funrt-1taat

Mäßigkeit zur Zeit noch sagt: „Religion ist Privatsache".

In dem Augen­

blick, wo eure Partei die Herrschaft hat, heißt es: „Weg mit allem Kirchlichen". Aber wehe und dreimal wehe, wenn alle die, die auf Ver­ besserung ihrer Lage gehofft und mit Schmerzen gewartet haben, später

enttäuscht werden; denn daß es nicht so kommt, wie ihr erwartet, daß die Arbeit nicht kleiner, sondern größer wird, daß zu Vergnügungs-

und

Wohlfahrtseinrichtungen bald kein Geld mehr sein wird, daß es mit aller eurer Freiheit der Wahl, der Berufswahl, der Arbeit, des Vergnügens u.s.w., wie der Berliner sagt „Mumpitz" ist, daß ihr, wenn ihr auch nicht wollt,

schon sehr bald mehr Zwang anwenden müßt, mehr Polizei nöthig habt, wie heute; daß schon sehr bald die Kirche, die ihr mit Verachtung weg­ geworfen habt, wiedergeholt werden wird und muß, damit die christlichen Grundsätze, daß alles Leiden auf Erden im Himmel

belohnt wird, wo­

durch allein der in schlechten Verhältnissen Lebende zuftieden werden kann,

wieder Geltung erlangen, und so die Unzuftiedenen wieder zufrieden werden, das ist jedem, der den Lauf der Geschichte verfolgt hat, und der zu rechnen versteht, völlig klar.

— 36 — A.

Das kann doch um so weniger dein Ernst sein,

hin zugegeben hast,

daß auch

Zils du ja vor­

die Gesammtwirkung, welche aus unseren

Grundsätzen folge, und die du oben richtig gezeichnet hast, zu erzielen sei. Ter Mensch im Zukunfts­ staat eine Maschine, oder der ZukunftSstaat wird Zwanqsstaat.

B. Gewiß habe ich das zugegeben, aber ich habe das doch dahin eingeschränkt, daß jeder Mensch gur Maschine herabsinken müsse oder zur

Drahtpuppe, Werin dir das besser begreiflich erscheint, wenn diese Wirkung erzielt werden solle, und nun sollst du auch hören, wieso ich zu dieser dir

immöglich erscheinenden Ansicht komme. Seele und einen Willen.

Jeder Mensch hat einen Geist, eine

Das seelische Leben im Menschen entwickelt sich

bei dem Einen langsam, beim Andern schnell, ebenso die Willenskraft bei

dem Einzelnen mehr oder weniger.

den Willen des Menschen

wüchse zu beschneiden.

Die Aufgabe der Erziehung ist es,

in die richtigen Bahnen zn

Der Wille muß stark,

lenken, die Aus­

und doch biegsam sein,

er

darf nicht durch die Wand rennen, oder nur sein eigenes Ich im Auge haben wollen, sonst wird der Mensch selbstsüchtig, eigensinnig, stolz, hochmüthig,

verachtend u. s. w.,

er soll nicht schwach sein,

eigene Person nicht zurückdrängen mißmuthig,

verrätherisch u. s. w.

lassen, sonst wird

er soll

auch

die

der Mensch feige,

Jetzt gehen Eltern, Kirche und Schule

gleichmäßig an diese schwere erzieherische Aufgabe.

Staat allein an diese schwere Aufgabe, und

In Zukunft geht der

zwar derselbe Staat, der

jeden eigenen Willen ausschließt, derselbe Staat,

der sagt: „du wirst

dort und dort erzogen", der sagt: „du arbeitest dort und dort", da in Berlin, Hamburg und Cöln nicht alle arbeiten können, der sagt:

„du

erhältst

das

und

das

für

deine

Arbeit",

„heute

Abend

ist

Tanzvergnügen für die dort und dort, morgen ist Circus, übermorgen

Theater dort" u. s. w., der sagt: „du erhältst so viel für deine Arbeit und bezahlst uns für unsere Waaren so und so viel davon". Glaubst du wirklich, daß der Staat diese schwere Aufgabe, die jetzt schon Eltern, Kirche

und Schule zusammen oft nicht gelingt, lösen kaun, obwohl er durch die Unterdrückung des persönlichen Willens sie noch schwerer gemacht hat.

Ich glaube es nicht.

Weiter.

Es giebt dumme und kluge Menschen.

der andere wenig oder gar nichts. daran etwas ändern kann.

Der eine lernt viel,

Meinst du, daß der Zukunftsstaat

Es ist unmöglich, Leute mit gleicher Bildung

zu entlassen. Mein Freund, es ist überhaupt im menschlichen Leben un­ möglich, Gleichmäßiges zu schaffen. Das liegt so in der Natur der Dinge,

das ist so in unserer Sprache zum Ausdruck gekommen, daß es überhaupt kein Eigenschaftswort, welches zu unserem Leben, zu unserer Staatsordnung rmd zu unseren wirtschaftlichen Verhältnissen in Beziehung steht, giebt, Dox

— 37 dem nicht auch das Gegentheil vorhanden wäre. Wir haben jetzt Gutes und Böses, Kluges und Dummes, Glück und Unglück, Reichthum und Armnth, Glauben und Unglauben. Ihr wollt Alles auf einen Begriff bringen Reich

und Arm soll es nicht geben, nur gleichreiche und gleicharme Staatsbürger. Gute und Böse giebt es nicht mehr, die Verbrechen, die Zuchthäuser fallen

weg, weil Niemand Interesse hat, iiorf) Verbrechen zu begehen.

Glaubst

du wirklich, datz dieses Umstürzen der jetzigen auf der naturnothwendigen

Verschiedenheit aller Verhältnisse aufgebauten Staatsordnung durch einen Zukunftsstaat wirklich beseitigt werden könnte, daß ihr überhaupt im

Stande wäret, die Dummheit aus der Welt zu schaffen. A.

Nein, das Sprichwort:

„Die Dummen werden nicht alle"

wird

auch wohl in unserem Zukunftsstaate Geltung behalten.

B. Ja da hast du sehr recht; ich fürchte sogar mehr, wie zuviel, und nun mit der Freiheit der Wissenschaft. Wie nun, wenn die Jungen und

Mädchen überhaupt nicht lernen wollen? A.

Ja dann müssen sie bestraft werden!

B. Da hast du schon wieder den Zwang, und wie nun, wenn sie nun dieses oder jenes Fach nicht lernen wollen? A.

Auch dann müssen sie gestraft werden.

B.

Also schon wieder der Polizeistock.

ist es mit der Berufswahl. Metzger, Bäcker, Conditor u.

Ich komme nun weiter. Wie

Wenn nun ein jeder Musikant, Tanzmeister, s. w. werden will, niemand dagegen Loh­

gerber, Schuster, Schornsteinfeger und Straßenreiniger. A. Ja dann müßte allerdings ein Theil der Wählenden zu einem anderen Berufe gezwungen werden.

B.

Also wieder der Zwang, der Polizeistock, und wer soll

denn

nun gezwungen werden, A. oder B. oder X. A. Ja dann müßte ein fester Grundsatz geschaffen werden. Entweder müßte, wenn für einen Beruf genügend Meldungen vorliegen, dieser Berus von der freien Berufswahl ausgeschlossen werden, oder aber, eS müßte

das LooS entscheiden. B.

In dem einen Falle also verstärkten Zwang und in dem anderen

erzwungene Willkür, und so geht es mit all* euren neuen Verhältnissen — d. h. Zwang überall Zwang, Arbeitszwang, Vergnügungszwang, Aerztezwang, Anstaltszwang, Beerdigungszwang, und trotzdem nach den Versprechungen

— 38 — euerer Führer überall die höchste Freiheit, Harmonie und Glückseligkeit Wie wird es, wenn die fleißigen Arbeiter, die in derselbenZeit das Doppelte schaffen,

als ihre trägen Mitarbeiter, auch das Doppelte verlangen. Geht nicht. Was würde dec Faule sagen, wenn die Fleißigen für dieselbe Arbeitszeit mehr erhalten, wie er.

Gerade so wie heute würde die größte Unzufrieden­

heit, die größte Klage u s. w. entstehen. Von Zufriedenheit keine Spur. Wie, wenn die Arbeitenden sagen, wir wollen unseren vollen Arbeitsver­

dienst, der ist uns versprochen; wir wollen nicht mehr für die Kinder und Knaben, für die Krüppel, die Alten, für die Beamten arbeiten. Jetzt arbeitet der Vater mit Freuden für seine Kinder, der Sohn, die Tochter

für die Eltern, obwohl auch dieses schon nachläßt, aber die Rücksicht auf Verwandtschaft, die hört doch bei euch auf, da geht alles aus dem Staats­ beutel, und wenn die Arbeitenden sehen, wie die Hälfte und noch mehr

aller Personen aus ihrer Arbeit unterhalten werden, dann wird es nicht

sehr'lange dauern, daß sie sagen, so haben wir nicht gewettet, die jetzige

Art und Höhe der Steuern ist noch eine viel schlimmere, die Ausbeutung unserer Arbeiter eine viel größere, wie früher, setzt die Unterhaltungskosten der an der Staatskrippe Essenden herunter, und unsere Arbeitsentschädi­ gung herauf, oder wir streiken. Da das Eine nicht geht, so ist der Streik

da. Der Zwanq versagt und die Revo­ lution ist da.

Und was dann?

A.

Ja, dann müssen sie zur Arbeit gezwungen werden.

B.

Und wer soll sie denn zwingen.

Polizei, stehendes Heer sind ja

bei euch unbekannte Dinge.

A.

Ja, dann muß die Miliz eingezogen werden.

B.

Und wer ist dann die Miliz.

Ja, wenn ihr noch ein stehendes

Heer hättet, welches den Befehlen der Vorgesetzten in wohlgeordneter Manneszucht gehorchte,

dann könntet ihr euere eigenen Leute zwingen,

aber mit euerer Miliz sitzt ihr sofort auf dem Trockenen. und Beamte müssen doch,

da

Controlleure

die Staatsordnung nicht leiden kann,

da die Staatseinrichtungen sonst ins Stocken gerathen könnten, von dem Eintritt in die Miliz, so lange sie im Amte sind, verschont bleiben. Krüppel und Kinder sind auch keine Milizen und nun glaubst du, daß die Arbeiter als Miliz ihre streikenden Arbeitsgenossen, die die Rechte der Arbeiter gegen die ausbeutenden Staatskrüppel und Staatskrippler vertheidigen wollen, zur Arbeit zwingen würden. Ich glaube das nimmermehr. Die Milizarbeiter machen mit ihren Civilgenossen

einfach gemeinsame Sache und dann ist die Revolution da.

Wie heute

Kapitalisten, Fabrikanten, Beamtenthum und Militair als Ausbeuter der

— 39 — Arbeiter hin gestellt werden,

so treten später an deren Stelle die Drohnen

im Arbeitsbienenstaat der Zukunft, und da man die Drohnen das ganze Jahr hindurch nöthig hat, so kann man es nicht machen, wie die Bienen, ihnen jede Nahrung verweigern, sie aus dem Staatsstocke hinausärgern und hinauswerfen, da kann man ihnen nur die Nahrung gering machen wollen,

und da die Drohnen gesetzlich die Gewalt haben, so geht das mit Natur­

nothwendigkeit nur mit Gegen-Gewalt, und deshalb muß die Revolution auch kommen, und sie wird kommen bei der ersten großen Mißernte, weil dann die Gewalthaber schon Mittel imd Wege finden werden, für sich zu

sorgen, und alle Noth auf die Arbeiter abzuwälzen, welche sich dieses nicht

gefallen lassen werden, und dann ist der große Kladderadatsch für den Zukunftsstaat da, und dann werden die Köpfe der obersten Leitung lost

sitzen, dann wird man die Geister, die man gerufen, nicht los werden, wie ich oben prophezeite. A.

Wenn ich dir auch zugeben muß, daß

ein Zwang nothwendig

sein muß im Zukunftsstaat, so ist das doch nur dann nöthig, wenn die Staatsbürger nicht das wollen, was die oberste Leitung, die Verwaltung

und Gesetzgebung nicht will.

B. Wer hätte jemals alle Deutschen unter einen Hut gebracht, das bringt kein Tyrann, kein Monarch, keine Gesetzgebung, überhaupt kein Staatsherr und erst recht nicht euer Zukunstsstaat fertig, der den Menschen

seinen eigenen Willen nimmt und nehmen muß. Ich brauche dir wohl die weiteren Ausführungen über nothwendige Zwangsmaßregeln nicht zu

geben, es ist überhaupt schon recht spät geworden, und muß ich mir deshalb auch Vorbehalten, ein nächstes Mal über andere Fragen noch, welche für eueren Zukunftsstaat sehr gefährlich sind, Abschaffung des stehenden Heeres, des Handels, des Geldes, Art und Weise der Enteignung des Besitzes, und

sonst noch manches, mit dir zu verhandeln, wenn du dich nicht schon jetzt

überzeugt hast, daß die socialdemokratischen Ansichten über den Zukunstsstaat nur Schein - Gebilde, „Utopie“

so will ich "mal das hier immer gebrauchte Wort:

übersetzen, sind, und

daß der Schritt von der ..Utopie zur

Wirklichkeit", den euere Führer schon gemacht haben wollen, doch noch zu machen ist, ehe eine mögliche Gestaltung des Zukunftsstaats herauskommt.

A. Es ist allerdings schon sehr spät geworden, aber eine Frage mußt du mir doch noch beantworten. Giebst du denn nicht zu, daß die jetzigen

Verhältnisse, die ganze wirthschaftliche Lage eine verkehrte, abänderungs­ bedürftige ist, und wenn du das zugiebst, wie willst du das änbern ?

— 40 — B. Gewiß gebe ich dir dieses zu, wenn wir uns'aber darüber unter­ halten sollen, dann haben wir noch mehr Zeit nöthig als heüte, deshalb auch hiervon ein andermal. Ich muß jetzt gehen, sonst schimpft „Mutter". A. Na, das kann sie doch in unserem Zukunftsstaat nicht mehr.

B.

Ja, da hast du Recht.

„Mutter" darf im Zukunstsstaat nicht

mehr schimpfen, weil eS da keine „Mutter" mehr gibt, du hättest aber bester gethan, dieses zu verschweigen, da die meisten Menschen sich die „Mutter" nicht nehmen lassen werden, und es wie ich machen und sagen: „Im Osten und im Westen, bei „Muttern" ist's immer am Besten". Und nun gute Nacht

Druck von Paß L Garlcb, Berlin W., Potsdameritr. 110.