Warum soll ich denn tanzen?: Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie [Reprint 2012 ed.] 9783110960365, 9783598775536


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German Pages 77 [80] Year 1996

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Warum soll ich denn tanzen?: Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie [Reprint 2012 ed.]
 9783110960365, 9783598775536

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Albert Henrichs «Warum soll ich denn tanzen?» Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie

Lectio Teubneriana IV

Albert Henrichs

«Warum soll ich denn tanzen?» Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie

B. G. Teubner Stuttgart und Leipzig 1996

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Henrichs, Albert: «Warum soll ich denn tanzen?» : Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie / Albert Henrichs. - Stuttgart; Leipzig: Teubner1996 (Lectio Teubneriana ; 4) ISBN 3-519-07553-9 NE: GT Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © B.G. Teubner Stuttgart 1996 Printed in Germany Gesamtherstellung: Passavia Druckerei GmbH Passau

Alfred Giesecke 1868-1945 zum Gedenken

τί δει με χορευειν; SOPHOKLES,

Oedipus rex

896

Lectio Teubneriana IV Freitag, 24. März 1995, 19.30 Uhr Neues Gewandhaus Leipzig Kleiner Saal

Es musizieren die

Leipziger Kammersolisten Wolfgang Loebner Flöte Roald Reinecke Violine Lothar Max Viola da Gamba Andreas Korn Cembalo

Musikalische

Begrüßung

Johann Sebastian Bach (1685-1750) Triosonate aus dem Musikalischen Opfer c-moll BWV 1040 für Flöte, Violine und Basso continuo Largo - Allegro — Andante

-

Allegro

Lectio Teubneriana IV

Albert Henrichs »Warum soll ich denn tanzen?« Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie

Die Lectiones Teubnerianae erscheinen in einer eigenen Verlagsreihe

Heinrich Krämer

Vorrede Lieber Herr Professor Henrichs, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Teubnerschen Verlage, liebe Auetores und Freunde, verehrte Gäste! - Mit dem Willkommensgruß der Zisterzienser begrüße ich Sie herzlich zur vierten Lectio Teubneriana, die uns die Leipziger Kammersolisten mit dem Thema regis des Musikalischen Opfers in der Flötenführung der Triosonate so beglückend schön eingeleitet haben. Ich danke den Künstlern im Namen aller Gäste. Der intime Charakter dieser dem großen Friedrich von Preußen gewidmeten Musik des Thomaskantors entspricht auch unserer Lectio: Sie ist ja eine jährliche Familienveranstaltung, die wir 1992 ins Leben gerufen haben, um die Erinnerung an die Vereinigung der Teubnerschen Verlage nach 40j ähriger ungewollter, politisch erzwungener Trennung im Jahre 1991 zu stützen und um des Firmengründers Benedictus Gotthelf Teubner zu gedenken, der unserem Unternehmen hier in Leipzig 1811 das Lebens schenkte, ihm den Namen gab und seine Wurzeln in das beste Erdreich senkte, um den typographischen und den verlegerischen Stamm heranzuziehen und sich verzweigen zu lassen, der dann durch fünf Familiengenerationen und die erste diesen Familien nicht zugehörige, ihnen aber eng verbundene Generation seine Ausgestaltung in 185 Geschäftsjahren IANUA PATET COR MAGis

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bis auf den heutigen Tag erfuhr, mit reicher Blüte und Frucht in den Verlagszweigen der Altertumswissenschaft ebensowohl wie der mathematischen Wissenschaft, der Naturwissenschaften und der Ingenieurwissenschaften - ein Abbild der mächtigsten Strömungen des Geistes und ihrer gestaltend-umgestaltenden Kraft in zwei Jahrhunderten. Auch die Gesellschafterin der Teubnerschen Verlage ist von Anbeginn eine Familiengesellschaft: Giesecke & Devrient, gegründet 1852 in Leipzig als «Offizin für Geld- und Wertpapiere», 1945 enteignet, 1948 in München wiedererrichtet, seit 1991 ebenfalls wieder in Leipzig als Eigentümerin der Stammfirma. Giesecke & Devrient ist B.G. Teubner durch die Inhaberfamilien seit über 140 Jahren aufs engste verbunden. Diese Familienbindung zwischen den Inhabern beider Firmen, die stets auch durch eine enge wirtschaftliche Verflechtung gestärkt wurde, verbürgt seit 1969, dem Jahr des Eigentumsübergangs von B. G. Teubner an Giesecke & Devrient, der Hauptgesellschafter und Prinzipal Siegfried Otto, der den Firmenbund neu stiftete und die geschaffene und belebte Tradition mit den Forderungen der Gegenwart und dem künftigen Weggeschick des Teubnerschen Verlages verband - Vertrauen schenkend und empfangend. Herrn Siegfried Otto, bis zum Jahre 1994 Vorsitzender der Geschäftsführung von Giesecke & Devrient, kann ich hier nicht begrüßen. Es ist mir aber eine besondere Freude, seine Tochter und Mitgesellschafterin von Giesecke & Devrient, Frau Verena von Mitschke-Collande, unter uns willkommen zu heißen. Familiengesellschaft und Familienveranstaltung - sie erhalten ihren Wert aus der Quelle der fides, der Treue, dem Vertrauen, der bergenden Schutzkraft. Die Schutzkraft empfingen und empfangen wir in jedem Jahr unIO

serer Arbeit für B.G. Teubner täglich. Treue und Vertrauen möchten wir als die von uns erstrebte Lebensform der pietas beweisen - gegenüber unseren Autoren, unseren Partnern, unseren Mitarbeitern, und auch gegenüber unseren verehrten Vorgängern, die uns in starker Wechselwirkung beistehen, welche den Strom der Zeit und Geschichte beständig überbrückt. Unter den Wegzeichen der fides und pietas möchte ich zu Beginn der Lectio Teubneriana quarta des Mannes gedenken, dessen Todestag sich 1995 zum 50. Male jährt: Alfred Giesecke-Teubner. Er war der Urenkel des Gründers und er ist in der Geschichte der Firma die große, bis in die Gegenwart ausstrahlende Verlegerpersönlichkeit, unser Vorbild. Er führte seit 1892 über 50 Jahre das Unternehmen - drüben am Augustusplatz in der Poststraße 3 -; er vollzog 1897 den «Verlagscontract» mit den fünf kartellierten Akademien und wissenschaftlichen Gesellschaften über die Herausgabe des Thesaurus linguae Latinae, dessen erster Faszikel 1900 bei B.G. Teubner erschien - heute, nach hundert Jahren, blicken wir auf 145 lieferbare Faszikel der Buchstaben Α bis O, zu denen noch weitere 75 Lieferungen hinzutreten müssen, bis dieses größte Lexikon der lateinischen Sprache und das größte Lieferungswerk unseres Verlages im neuen Jahrtausend abgeschlossen werden kann, vielleicht schon 2030. Alfred Giesecke nahm bereits 1892 die Byzantinische Zeitschrift von Karl Krumbacher in die Teubner-Obhut; dieses Zentralorgan der Byzantinistik erreicht 1995 seinen 88. Jahrgang. 1898 gründete er durch Verlagsvertrag mit Ulrich Wilcken, dem princeps papyrologorum, das Archiv für Papyrusforschung und verwandte Gebiete, dessen erster Band 1901 erschien und das 1995 als wieder erneuertes Referate-Organ den 41. Jahrgang vollendet. Ich freue mich besonders, daß einer der Her1ι

ausgeber dieses Archivs, Herr Professor Luppe von der Universität Halle, unter uns weilt. Alfred Giesecke übernahm 1904 das Archiv für Religionswissenschaft in seinen Verlag und förderte dadurch entscheidend die religionsgeschichtliche Forschung der ersten Jahrhunderthälfte. Er begründete gemeinsam mit Eduard Norden die berühmt gewordene «Einleitung in die Altertumswissenschaft», die von 1910 bis 1933 in vier Auflagen als Standardwerk der Disziplin verbreitet wurde. Alfred Giesecke erkannte rechtzeitig die Geistesströmungen seines Zeitalters. So gelang es ihm, die reichste Blüte des wissenschaftlichen Verlages und des größten deutschen Schulbücherverlages B. G. Teubner mit heraufzuführen. Er säte nicht unter die Hecken; seine Gedanken und Taten an der Jahrhundertwende und in den folgenden vier Jahrzehnten sind deshalb der Nährboden für unsere Arbeit am Jahrhundertende. Er gründete nicht nur die Einleitung in die Altertumswissenschaft, sondern auch die großen wissenschaftlichen Einzelausgaben und Kommentare als folgebildende Unternehmen des Teubnerschen Verlages - mit der Ilias-Ausgabe von Ludwich, dem weitergeführten Ilias-Kommentar von Ameis-Hentze, den Lexicographi Graeci, der großen Ausgabe der römischen Historiker von Peter, den Byzantinischen Papyri von Heisenberg und Wenger, dem Corpus medicorum antiquorum. Wir, seine Nachfolger, haben die Bibliotheca Teubneriana, der seine besondere Zuwendung galt, durch Neueditionen des Aischylos und Horaz, des gesamten Corpus der über 2000 Briefe Ciceros, der Fragmente des Porphyrios, die Psellos-Ausgabe und weitere Standardausgaben weiterentwickelt. Eine neue Einleitung in die Altertumswissenschaft bereiten wir mit mehr als 40 Autoren aus Deutschland, der Schweiz, Italien, Frankreich, 12

England und Amerika zur Herausgabe im Jahre 1997 vor. Auf der Grundlage des Ameis-Hentze-Kommentars entsteht unter der Leitung von Joachim Latacz als Gemeinschaftsarbeit der Baseler Altertumswissenschaft ein neuer Ilias-Kommentar, dessen erste Lieferungen noch vor der Jahrhundertwende, wie wir hoffen, ausgegeben werden können. Ein Markstein religionswissenschaftlicher Forschung ist das 1995, im Jahr der Lectio quarta, erscheinende Buch von Reinhold Merkelbach, «Isis regina - Zeus Sarapis», die erste umfassende Darstellung der hellenisierten Religion um die Götter Isis, Sarapis und Harpokrates-Eros in griechisch-römischer Zeit. Wir pflügen ein Neues in der von Alfred Giesecke gebahnten Spur, die auch im neuen Jahrtausend sichtbar bleibt. Wir glauben, er würde der Lectio Teubneriana als Einrichtung seines Verlages wohl zugestimmt haben. Die vierte Lectio möchte ich Alfred Giesecke-Teubner widmen, dem Verleger großen Zuschnitts, über den sein Autor und Freund Eduard Norden sagte: «... er trägt seine Autoren und wird durch sie getragen, κοινός Έρμης.» Herzlich willkommen heiße ich nun Sie, lieber Herr Professor Henrichs. Sie sind ein Schüler von Reinhold Merkelbach in Köln, dem wir die erste Lectio Teubneriana verdanken. In Köln erhielten Sie 1970 Ihre erste Professur. 1971 wurden Sie als Associate Professor of Classics an die University of California, Berkeley, berufen. 1973 erhielten Sie den Ruf der Harvard University als Professor of Greek and Latin. 1984 wurden Sie Eliot Professor of Greek Literature in Harvard. Die Ehre dieser Stiftungsprofessur wurde Ihnen als erstem europäischen Gelehrten zuteil. Die Aufgabe des Philologen und Historikers beschreibt der größte Altertumsforscher in diesem Jahr13

hundert, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, in seinen «Erinnerungen 1848 bis 1914»: «Die letzte Aufgabe der philologisch-historischen Wissenschaft ist, durch die Kraft der wissenschaftlich geschulten Phantasie vergangenes Leben, Fühlen, Denken, Glauben wieder lebendig zu machen, auf daß alles, was von belebender Kraft in jener Vergangenheit ist, auf die Gegenwart und Zukunft fortwirke.» Diese Erinnerungsworte von Wilamowitz zeigen uns wohl den Weg, auf dem Sie uns führen wollen. Ich bitte Sie nun, Herr Professor Henrichs, um Ihre Vorlesung, deren Titel die Frage des Chors im Oedipus rex des Sophokles ist: «Warum soll ich denn tanzen?»

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Tanzender Dionysos Innenbild einer Trinkschale des Makron, um 490 v. Chr. Rom, Villa Giulia Hirmer Photoarchiv, München

«Warum soll ich denn tanzen?» Dionysisches im Chor der griechischen Tragödie Griechenland tanzt - ή Ελλάς χορεύει. Damit ist ein Grundphänomen griechischer Lebensweise angesprochen, das sich wie ein musisches Leitmotiv durch alle Perioden der Poliskultur von den frühesten Anfängen bis in die Spätantike hindurchzieht und auch im modernen Griechenland weiterlebt. 1 Die Griechen der archaischen und klassischen Epoche lebten - für uns kaum nachvollziehbar - inmitten einer zwar traditionellen, aber erstaunlich dynamischen Kultur des Singens und Tanzens, die ihre ureigenste Schöpfung war und an der sich das Gros der Bevölkerung, ob Mann, Frau oder Rind, als Akteur oder Zuschauer beteiligte. Getanzt wurde bei zahlreichen festlichen Gelegenheiten, in der Stadt und auf dem Land, von Staats wegen und bei privaten Anlässen, im öffentlichen Ruit und in den geheimen Mysterienfeiern, bei Tag und bei Nacht, im Theater der Komödie wie auch der Tragödie. Die Vielfalt der bezeugten Tänze ist ebenso groß wie die Fülle der Namen, mit denen die diversen Tanzgattungen benannt waren. Es gab Reigen- und Waffentänze, Rranichtanz (Geranos) und Flügeltanz, den frechen Rordax neben der ernsteren Emmeleia, ballettartige Darbietungen ebenso wie Pantomimen, Tänze mit und ohne Gesang, choreüein und orcheisthai. Wir hören gelegentlich von Einzelsängern und Solotänzern, aber im Zentrum der archaischen und klassischen Tanzkultur standen Chöre - choroi - von Männern bzw. Frauen, die gleichzeitig sangen und tanzten. Der Chortanz (choreia) hatte rituelle Wurzeln und verlor nie seine Verbindung mit dem Götterkult. Es waren 17

vor allem drei Götter - Apollon, Artemis, Dionysos an deren Festen Chortänze stattfanden. Gemeinsames Tanzen ist gruppenbildend und schafft Solidarität; es zieht nicht nur den Körper in seinen Bann, sondern setzt auch starke Affekte frei. Die Griechen verbanden mit dem Tanz vor allem Festtagsstimmung, Heiterkeit und Lebensfreude. Entsprechend assoziiert Piaton in einem seiner sinnreichen Wortspiele choros «Chortanz» ausdrücklich mit charä «Freude» (Nomoi 654a). In der Regel galt der Tanz bei den Griechen - und nicht nur bei ihnen - als eine Form der Gefühlsäußerung, die der Trauer diametral entgegengesetzt war. Trotzdem gibt es enge Berührungen zwischen Tanz und Totenkult. So erinnert die Totenklage in ihrem äußeren Ablauf an den Chortanz: Gesang, Gestik und Flötenmusik sind beiden gemeinsam. Simonides und Pindar komponierten (), die von Chören bei Totenfeiern gesungen und getanzt wurden. Artverwandte Trauerlieder finden sich wiederholt auch in den Chorpartien der Tragödie. Bei traurigen Anlässen konnte sich der Tanz also durchaus der ernsten Stimmung des Augenblicks anpassen. In der archaischen Bildkunst ist das Verhältnis von Tanz und Trauer jedoch vieldeutiger. Auf zwei geometrischen Henkelbechern (Kantharoi) sind neben Paaren von Faust- und Waffenkämpfern auch Gruppen von Tänzern dargestellt, die von einem Leierspieler begleitet werden; dabei handelt es sich am ehesten um Szenen aus Leichenspielen. 2 In den Bereich des Totenkults gehören auch die Krieger, die auf zwei spätarchaischen Kantharoi unter Flötenbegleitung einen Waffentanz aufführen. 3 Sie nehmen an einer Leichenprozession teil, die sich auf ein Grabmal zubewegt; auch eine Klagefrau gehört dazu. Bei anderen Darstellungen ist nicht sicher auszumachen, ob es sich um einen Waffentanz oder ei18

nen Zweikampf handelt. 4 Vieles spricht dafür, daß Totentänze» dieser Art ebensosehr den Lebenden galten wie den Toten. Erinnert sei an die Wandmalereien der etruskischen Gräber mit ihren Trinkgelagen, Wettkämpfen und Tänzen, in denen sich eine dem Tod trotzende Vitalität manifestiert: «Tanz im Bannkreis der Toten erneuert den Lebenswillen.»5 Auch der Tod war ein Einschnitt, der gefeiert werden mußte, damit das Leben weitergehen konnte. Das gemeinsame Tanzen erfordert Disziplin und stiftet Ordnung, kann aber auch bei Festen, die den rituellen Ausnahmezustand proklamieren, bewußt über die Stränge schlagen und die Ordnung sprengen. Gerade im Dionysoskult fällt das unbändige Aus-sich-Herausgehen und erregte Außer-sich-Sein so vollkommen mit dem rituellen Tanz zusammen, daß die kollektive Einbindung in den Tanz zur Gruppenekstase wird. Der einzelne Tänzer geht auf in der dionysischen Gruppe; er «bringt seine Seele, sein Innerstes, in den Thiasos ein», θιασεύεται ψυχών, wie es der Mänadenchor in den des Euripides prägnant formuliert (75). Die Mänaden tanzten außerhalb der Städte in den Bergen; dabei waren sie unter sich; denn ihre ekstatischen Riten waren in den Worten von Louis Gernet «chose feminine», Frauensache. 6 Nun sind aber gerade auf dionysischen Vasen sehr häufig gemischte Tanzgruppen dargestellt, die entweder aus mythischen Wesen bestehen aus Satyrn und Nymphen bzw. Mänaden - oder aus Romasten, d.h. männlichen Zechern mit ihren Partnerinnen. 7 Die Skala ihrer Beziehungen reicht von der bloßen Handberührung über den eigentlichen Tanz bis zum Gruppensex. Doch dürfen wir uns von den Vasenbildern nicht täuschen lassen. Sie zeigen eine verkehrte Welt, in der die Regeln bewußt gebrochen werden. In Wirklichkeit herrschten gerade beim kultischen Tanz strengere 19

Sitten, im Gegensatz zu den sogenannten Ausnahmeritualen, die es auch im dionysischen Bereich gab. Frauen und Männer tanzten nämlich normalerweise getrennt. So waren im Dionysoskult die Männer von den rituellen Tänzen und ekstatischen Riten der Frauen, der Mänaden, ausgeschlossen. Umgekehrt wurden die als Dithyramben bekannten dionysischen Tanzlieder ausschließlich von Männerchören aufgeführt. Die dionysischen Chöre der Tragödie und Komödie, die jedes Jahr im Rahmen der attischen Dionysosfeste auftraten, bestanden aus männlichen Chortänzern, Choreuten genannt, die ebenso wie die Schauspieler auch Frauenrollen spielten. Auch der Mänadenchor in den des Euripides wurde von Männern dargestellt. Die tragischen und komischen Chöre unterschieden sich von allen nicht-dramatischen Chören sowohl durch die Masken, die sie trugen, als auch durch das Rollenspiel. Das gilt auch für die in Tierverkleidung auftretenden Satyrchöre des Satyrdramas, denen allerdings ihr wildes Aussehen und ihre enge mythische Bindung an Dionysos einen Sonderstatus gaben. Ihr Tanzen ist oft lasziv und steht den Chortänzen der Komödie näher als denen der Tragödie, wie ja überhaupt die Beziehungen des Satyrspiels zur Komödie besonders eng sind. 8 Trotz seines komischen Tenors war das Satyrspiel in Athen der Tragödie angegliedert und nicht der Komödie. Die Gründe dafür sind unbekannt, aber es dürfte kaum Zufall sein, daß die lange Symbiose dieser so gegensätzlichen dramatischen Gattungen unter dem Zeichen des Dionysos stand, der seit Heraklit und Euripides immer wieder als polare, die Gegensätze in sich begreifende Gottheit verstanden worden ist. Nicht nur im Dionysoskult, sondern auch im Kult des Apollon und der Artemis tanzten die Geschlechter getrennt, trotz der Nähe der beiden göttlichen Geschwi20

ster zueinander. Chöre von Knaben bzw. Männern sangen und tanzten das Paianlied zu Ehren Apollons. Dagegen galten Artemis, der , die Reigentänze der , d.h. unverheirateten Mädchen (parthenoi), deren Rollenverhalten sich an der göttlichen Jungfrau und ihren mythischen Gespielinnen orientierte. In der archaischen Gesellschaft standen die Welt des Mythos und die soziale Wirklichkeit der Poliskultur in einem bedeutsamen Wechselverhältnis; erst der mythische Bezug gab dem Alltäglichen Festcharakter. Die Tanzlieder behandelten meist mythische Themen, die paradigmatische Bedeutung hatten und den kultischen Tanz in die übergreifenden Strukturen des Mythos einbanden. Der Chortanz war also weder bloße Unterhaltung noch privater Zeitvertreib, sondern ein Festakt, der politische und religiöse Dimensionen hatte. Die Chöre traten bei den großen Götterfesten auf, zum Beispiel dem jährlichen Fest des Apollon auf Delos, den Hyakinthien in Sparta und den Dionysosfesten in Athen. Die Chorlieder, die sie bei ihren Tänzen vortrugen, waren anspruchsvolle Rompositionen, die hohe Anforderungen an das Ensemble und das Publikum stellten. Sie waren häufig Schöpfungen bedeutender Dichter, eines Alkman, Pindar und Simonides. Die musikalische Begleitung von Flöte oder Leier brachte die Verse der Dichter zum Klingen und die Beine der Tänzer zum Schwingen. Getanzt wurde vor allem zu Ehren der Götter. Sie galten nicht nur als prototypische Tänzer - am «Götterchor» (thews chords), wie ihn Piaton im (247a7) nennt, orientierten sich die menschlichen Tänzer sondern auch als die idealen Zuschauer, die sich an den Tanzliedern erfreuten. Der Chortanz war Gottesdienst und Schauspiel zugleich; in ihm konvergierten der Tanz als Kunstform und der Tanz als Ritual. 21

Von Homer zur Tragödie Bereits in der kretischen und mykenischen Kunst sind Gruppentänze von Männern bzw. Frauen dargestellt. Diese frühesten griechischen Tanzszenen, die zwischen 1500 und 1200 v.Chr. anzusetzen sind, gehören alle in den sakralen Bereich der Götterepiphanien, des Götterkultes und der Bestattungsriten. 9 Die darin liegende Bindung des Tanzes an einen rituellen Anlaß und situativen Rontext bleibt auch während der archaischen Zeit bestehen. Das bestätigt ein Blick auf die homerischen Gedichte, in denen sich eine Reihe typischer Tanzszenen findet. Auf dem Schild des Achill drehen sich junge Männer bei Hochzeit und Weinlese im Tanz, aber auch Jünglinge und Mädchen tanzen zusammen im Reigen, «sich beim Handgelenk haltend» (Ilias 18,594 άλλήλων επί καρπω χείρας εχοντες), wie es frühe Vasenbilder zeigen. 10 Am Ende der , nach der Heimkehr des Odysseus, spielt der «göttliche Sänger» auf der Leier auf «zum süßen Gesang und trefflichen Tanz» (μολπής τε γλυκερής και άμύμονος όρχηθμοΐο), «und das große Haus hallte wider von den Füßen der tanzenden Männer (ανδρών παιζόντων) und schöngegürteten Frauen» (23,143ff.). Aber getanzt wird hier nur zum Schein. Denn dieser Tanz mitsamt der freudigen Stimmung, die darin zum Ausdruck kommt, ist lediglich eine Finte des cleveren Odysseus, der eine Hochzeitsfeier vortäuschen will, um die Aufmerksamkeit der Umwohner von der Ermordung der Freier und dem Blutbad im eigenen Haus abzulenken. In dieser gewaltigen Dissonanz von Freude und Leid, von spielerischem Tanz und mörderischer Gewalt zeichnet sich ein Gegensatz ab, der zwei Jahrhunderte später in der Tragödie auf drastische Weise dramatisch fruchtbar werden sollte. Wie verhält sich der im tragischen Schauspiel zum ? Tanzen und Töten, für griechisches Empfinden unvereinbar, stehen in der anomalen Welt der Tragödie in einem ständigen Spannungsverhältnis, das die tragischen Dichter auf ihre Weise in Szene setzen. Während der tragische Chor in der Orchestra sein Tanzlied aufführt, sind sich die Zuschauer bewußt, daß auf der Bühne alles andere als eitel Freude herrscht und daß hinter den Kulissen nicht gefeiert, sondern gemordet wird. Mit der expliziten Rontrastierung von festlichem Tanz und brutaler Gewalt gelang es den Tragikern, das Dilemma, vor das sie der Chortanz stellte, auf dramatisch wirksame Weise zu überspielen und den Tanz in die Ambivalenz der Tragödie einzubeziehen, ohne seine von Hause aus untragische Funktion zu leugnen. Als Beispiel für die tragische Problematisierung des Chortanzes möge eine Szene des Euripideischen dienen, einem an spektakulären Handlungsmomenten kaum zu überbietenden Stück aus dem Spätwerk des Dichters. Um sein eigenes Leben zu retten, will Orestes seine Tante Helena im Königspalast von Mykene ermorden. Als das Opfer in die Falle gegangen ist und die Handlung sich dem Krisenpunkt nähert, fordert die Chorführerin zu Eingang eines kurzen Tanzlieds den Chor auf, durch ostentatives Tanzen und Singen - »brecht in Trampeln aus, in Trampeln und Lärmen vor dem Haus» (1353 f. κτύπον εγείρετε, κτύπον και βοάν πρό μελάθρων) - zu verhindern, daß die Argiver Verdacht schöpfen und den Palast stürmen. 1 1 Während diese Aufforderung an ihn ergeht, tanzt der Chor bereits zum Klang der Flöte in der Orchestra. In Dutzenden von Chorliedern beziehen sich tragische Chöre auf ihr eigenes Tanzen, ohne dabei aktiv an der dramatischen Handlung teilzunehmen. Im dagegen wird der Chor zum Komplizen. Dadurch, daß das Tanzen des 23

Chores als Ablenkungsmanöver dient und in die Intrigenhandlung einbezogen ist, verliert der Chortanz seine scheinbare Harmlosigkeit und wird zum Ausdrucksmittel einer Problematik, die ihm außerhalb der Tragödie fremd ist. Mit dieser Szene des knüpft Euripides bewußt an die genannte Odysseestelle an, wo der an sich arglose Tanz das Blutvergießen im Palast verschleiern soll. 12 Im Gegensatz zur Tragödie ist bei Homer der Tanz mit Ausnahme der genannten Odysseestelle noch ganz harmlos. Wo getanzt wird, da herrscht Freude und da läßt man seinen Gefühlen freien Lauf. Tanz und Gesang gehören in der und eng zusammen, aber vom Inhalt der Tanzlieder erfahren wir so gut wie nichts. Die Zuordnung der einzelnen Tänze zum Götterkult und zu bestimmten Göttern bleibt ebenfalls offen. Das ist außerhalb des Epos anders. Dichtungen, die bei kultischen Anlässen vorgetragen wurden, reproduzieren gern die Bedingungen, unter denen sie aufgeführt wurden. Wenn sich Archilochos in einem Gedichtfragment rühmt, daß er sich «vom Wein blitzstrahlartig in meinem Inneren getroffen» (ο'ίνω συγκεραυνωθείς φρένας) darauf verstehe, «das schöne Dithyrambos-Lied des Herrschers Dionysos anzustimmen» (wörtlich , έξάρξοα)», dann bezieht er sich ganz okkasionell auf seine Rolle als «Initiator» (έξάρχων) - Vorsänger, vielleicht auch Vortänzer - der improvisierten dionysischen Kultlieder, aus denen laut Aristoteles die Tragödie entstanden ist. 13 Auch in der modernen Forschung wird die Tragödie mitsamt der Komödie und dem Satyrspiel gewöhnlich aus dem Dionysoskult und dem dionysischen Chortanz hergeleitet. Von den Dithyramben des Archilochos bis zur attischen Tragödie ist es jedoch ein langer und dunkler Weg. Die Ursprünge der Tragödie lassen sich 24

anhand der uns vorliegenden Quellen kaum mehr befriedigend aufhellen. Die meisten Rekonstruktionsversuche basieren auf einigen wenigen Textstellen bzw. Fixpunkten, darunter auch dem Namen (tragöidiä), wörtlich «Bocksgesang», der nicht unmittelbar transparent ist - «Gesang der Böcke» oder «Gesang um den Bock»? - und weiterhin rätselhaft bleibt. Sein Hinterglied, abgeleitet von öide «Gesang, Lied», erscheint auch in der analogen Wortbildung (kömöidia), was soviel bedeutet wie «Gesang des kömos» bzw. «Gesang beim komos», dem dionysischen Umzug singender und tanzender Zecher. Diese Namen deuten daraufhin, daß Chorgesänge zu Ehren des Dionysos zur frühesten Form der Tragödie und Komödie gehörten. Verbergen sich hinter dem «Bocksgesang» alte Kultlieder, die bei einem dionysischen Bocksopfer vorgetragen wurden? Dann wären die Ursprünge der Tragödie und des tragischen Chores im Opferritual zu suchen. 14 Oder haben wir uns einen Chor von «dionysischen Kultanhängern» vorzustellen, die als Böcke verkleidet waren? 15 Tierverkleidung des Chores findet sich allerdings im entwickelten attischen Drama nur im Bereich der Komödie und des Satyrspiels, nicht in der Tragödie. Wie auch immer man ihn deuten mag, der Name «Bocksgesang» ist schon allein deshalb eigenartig, weil er einseitig den Gesang betont, den damit in Personalunion verbundenen Tanz jedoch unberücksichtigt läßt. Hier bahnt sich bereits eine Tendenz an, die für die antike Entwicklung des Chors ebenso symptomatisch ist wie für das moderne Verständnis der Rolle des Chors in der Tragödie. Denn bereits in der Antike verlor der Chortanz immer mehr an Bedeutung, während die Chorlieder weiterlebten, wenn auch lediglich als Gesangspartien, bis auch sie schließlich zu bloßen Liedtexten wurden. So kommt es, daß der tragische Chor25

tanz als theatergeschichtliches Phänomen und dramatisches Paradox seit jeher ein Stiefkind der Tragödienforschung ist, deren ganzes Interesse notgedrungen dem Chor lied und anderen, mehr textimmanenten bzw. handlungsbezogenen Funktionen des Chores gilt. Der Chortanz und das Chorlied bildeten eine unauflösliche künstlerische und darstellerische Einheit, die auf Griechisch choreia hieß. Der organische Zusammenklang von Musik, Tanz und Wort ist unwiederbringlich verloren. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Chortänze der Tragödie - ähnlich wie die dionysischen Tänze der Mänaden - in ihrem Bewegungsablauf zu rekonstruieren. Derartige Experimente schärfen allenfalls unseren Blick für die Andersartigkeit der antiken Aufführungsbedingungen, sind aber von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn die Choreographie der Chortänze ist uns nicht mehr greifbar, und von der Musik der Griechen hat sich bis auf einige wenige Partituren nichts erhalten. Der einzige Zugang zum Chortanz, der uns bleibt, sind die Tanzdarstellungen in der griechischen Kunst und die auf den Tanz bezüglichen Texte in der Literatur. Unter den Textzeugen stehen die Tanzlieder der Dichter an erster Stelle, vor allem die Chorlieder der Tragödie und Komödie, die alljährlich in Athen an den Städtischen Dionysien und den Lenäen aufgeführt wurden. Sie standen in der Tradition der archaischen Chorlyrik, aber die Aufführungssituation war eine ganz andere. Neben den Chor trat der erste Schauspieler, die Bühnenhandlung rückte in den Mittelpunkt und das Chortanzlied mußte sich dem gesprochenen Wort und dem Dialog unterordnen. So entstand - wir wissen nicht wie - aus dem dionysischen Chortanz das Drama. Hier möchte ich denn auch ansetzen und fragen, wie sich die Tanzkultur des 7. und 6. Jhs. v. Chr. zum Chor26

tanz der Tragödie verhält, um so die tragischen Tänze und ihre Eigenart besser in den Griff zu bekommen. Was für konkrete Berührungspunkte gibt es zwischen Chortanz und Einzeltanz bzw. zwischen dem vordramatischen Chortanz und den Tanzliedern der Tragödie, und wo gehen die verschiedenen Tanzgattungen jeweils ihre eigenen Wege? Dabei begeben wir uns nicht auf die Suche nach Ursprüngen, sondern halten bescheidener nach möglichen Vorstufen des tragischen Chortanzes Ausschau, aber auch nach Kontrastmodellen, an denen sich die Unterschiede ablesen lassen. Abgesehen von den spärlichen Resten der vorpindarischen Chorlyrik, vor allem den Alkmans, gibt uns die Dichtung keinen unmittelbaren Einblick in die Tänze der archaischen Zeit. Um so mehr sind wir auf die Tanzbilder in der Kunst angewiesen. Deshalb möchte ich nach einer kurzen Rückbesinnung auf die Chorlieder Alkmans drei Vasen heranziehen, die uns verschiedene Tänzer bei ihren Darbietungen vorführen und Aufschluß über Aufführungsbedingungen, Tanzstimmung und mögliche Beziehungen zu Dionysos geben. Die beiden ältesten Vasen tragen erhellende Vaseninschriften, sind aber zeitlich bzw. räumlich weit von der Tragödie entfernt; das Bild auf der dritten Vase stellt höchstwahrscheinlich einen Chor aus einer verlorenen Tragödie dar. Neben die Vasen setze ich zum Vergleich relevante Passagen aus den Chorliedern des Sophokles und Euripides. Es wird sich zeigen, wie typische Merkmale der archaischen Tanzkultur - ihr agonaler Geist, die Vorstellung vom Tanz als einem Spiel, die Rolle des «Vortänzers», die Selbstbeschreibung des Chores und die Vergegenwärtigung der Aufführungssituation in Wort und Bild - in den Chorliedern der Tragödie nachklingen, aber dort mit ganz anderen Vorzeichen versehen werden. 27

Agon und Tanz Kulturhistoriker wie Jacob Burckhardt und Friedrich Nietzsche haben im Agonalen, d.h. in allen Formen des Wettstreits, einen Grundtrieb der griechischen Männergesellschaft erkannt - Burckhardt prägte den Begriff des «agonalen Menschen». 16 Wettkämpfe waren für die Griechen ein Lebenselement. «Immer der beste zu sein und über die andern zu ragen» (Ilias 6,208 und 11,784) war schon der Wahlspruch der homerischen Adelsgesellschaft. Am bekanntesten sind die athletischen Agone, allen voran die Olympischen Spiele, an denen sich Athleten aus der ganzen griechischen Welt beteiligten. Abgesehen von den großen panhellenischen Wettkämpfen gab es aber auch zahlreiche Agone auf lokaler Ebene, nicht nur in sportlichen Disziplinen, sondern vor allem auch in den musischen Künsten. Eins ist allen öffentlichen Agonen gemeinsam: sie hatten Festcharakter und waren einer Gottheit bzw. einem lokalen Heros geweiht. Neben sportlichen und musischen Agonen sind auch Wett-Tänze verschiedener Art schon früh bezeugt, und zwar nicht nur für Männer. In dem längsten und besterhaltenen der () Alkmans, des ältesten Chorlyrikers, der um 650 v.Chr. in Sparta wirkte, singen die spartanischen Mädchen des Chors in einer an chorischen Details reichen Selbstdarstellung von ihren Tanzkünsten und Rivalitäten.17 Sie fragen sich, ob Hagesichora - ihr Name bedeutet «Chorleiterin» - oder Agido schöner und wendiger beim Tanzen ist. Hagesichora, «die ruhmreiche Chorführerin» (44 ά κλεννά χοραγός), wird von ihren Mittänzerinnen mit lobenden Epitheta überhäuft: sie «leuchtet hervor» (46 έκπρεπής) wie ein «siegreiches Rennpferd unter Weidetieren»; ihr Haar «schimmert wie lauteres Gold», ihr «sil28

bernes Antlitz» spricht für sich selbst; sie wird als χοροστάτις (84) betitelt, als «diejenige, die den Chortanz inszeniert». In der Gunst des Chors rangiert Hagesichora zwar am höchsten, aber auch Agido kommt nicht zu kurz; denn von einem ungenannten Mädchen heißt es, daß es «die zweite nach Agido an Schönheit ist» (58 ά δέ δευτέρα πεδ' Άγιδώ τό ?είδος). Von nächtlichen Tänzen ist die Rede, vielleicht auch von einem Wettbewerb mit einem rivalisierenden Mädchenchor, wenn auch die rituellen Details und okkasionellen Anspielungen im einzelnen unklar bleiben (60-63): «Denn die Pleiaden, die am frühen Morgen wie der Siriusstern durch die ambrosische Nacht emporsteigen ^ηρομέναι), treten gegen uns zum Kampf an, während wir das Gewand (?) tragen.» 18 Das Sternbild der Pleiaden wurde von den Griechen als Tauben (peleiai) gedeutet, aber auch als die sieben Töchter des Atlas, die als Erfinder des Chortanzes galten. Hinter den Pleiaden verbergen sich vermutlich andere Tänzerinnen, die mit Alkmans Chor wetteifern und bei ihren Tänzen in der Luft zu schweben scheinen, als hätten sie Flügel.19 Das anmutige Bild der beflügelten Tänzerinnen nimmt zweihundert Jahre später auf einer attischen Astragalosvase des Sotadesmalers konkrete Gestalt an. Dort ist ein Mädchenchor so dargestellt, als glitten die Tänzerinnen durch die Luft: ihre Füße haben sich vom Boden gelöst, und drei der Mädchen fliegen mit ausgebreiteten Armen unter ihren flügelartig gewölbten Gewändern. 20 Aber was bedeutet alle menschliche Konkurrenz gegenüber der Macht der Götter? Sie allein verleihen «Vollendung und Gelingen» (83 f. [σι]ών γάρ άνα και τέλος). Aus dieser Einsicht heraus bittet der Chor schließlich «die Götter» insgesamt, das Gebet der Hagesichora und Agido zu erhören (82 f. άλλά ταν [εύ]χας O L O L δέ29

ξασθε). Damit macht sich das kollektive des Mädchenchors zum Fürsprecher der beiden Mädchen und identifiziert sich mit ihren Wunschvorstellungen: «Vollendung und Gelingen» wünscht sich auch der Chor, d. h. Erfolg bei seinem Tanzen und seinen rituellen Begehungen. Hier zeigt sich deutlich, wie der Chor mit Hilfe des Dichters sein eigenes Rollenverhalten auf die beiden Chorführerinnen überträgt, die in diesem Moment zum Inbegriff chorischen Selbstverständnisses und chorischer Ambitionen werden. Bedeutsam ist auch, daß das agonale Singen und Tanzen der Mädchen letztlich auf die Götter bezogen und in den Götterkult eingebunden ist. Eine dieser spartanischen Gottheiten war Artemis Orthia, die für den Chortanz der parthenoi zuständig war. In der Eingangsstrophe eines zweiten, sehr fragmentarischen bittet ein ebenso selbstbewußter Mädchenchor die Musen um ein «neues Lied» (2 νέα] ς άοιδας) und wünscht sich, «die jungfräuliche Stimme von Mädchen zu hören, die ein schönes Preislied singen» (3-5 ίθύ]ω δ' άκούσαι [παρσενηΐ]ας οπός ... καλόν ύμνιοισαν μέλος).21 Ihr Gesang «wird den süßen Schlaf von meinen Lidern scheuchen», singt der Chor in der für die Chorlyrik charakteristischen Ich-Form, und «drängt mich, zum agon zu gehen» (8 μ' αγει πεδ' άγων' ϊμεν), «wo ich am liebsten meine blonden Locken (im Tanz) schüttele» (9 [άχι μά]λιστα κόμ[αν ξ]ανθάν τινάξω).22 Agön, wörtlich «Versammlung», ist ein chorisches Schlüsselwort, das sich nicht allein auf den Versammlungsort bzw. Tanzplatz der Mädchen bezieht, sondern auch auf den agonalen, d.h. performatorischen Rontext ihres Singens und Tanzens. 23 Der Chortanz bestimmt wesentlich das Rollenbewußtsein von Alkmans Choreutinnen, das hier besonders stark ausgeprägt ist. Gleich zu Beginn ihres Tanzlieds 30

projizieren sie ihr eigenes Singen auf eine imaginäre «jungfräuliche Stimme» und damit auf einen idealtypischen Mädchenchor, von dem sie als angebliche Zuhörer momentan abrücken, um sich unmittelbar darauf als Tänzer beim Agon wieder mit ihm zu identifizieren. Indem sie sich gleichzeitig als Sänger, Tänzer und Publikum in einem agonalen Rahmen verstehen, vergegenwärtigen sie sich die für ihr Tanzlied konstitutive Aufführungssituation. Die Unmittelbarkeit, mit der sich der Chor auf sein Singen und Tanzen bezieht, ist ein wesentliches Merkmal chorlyrischer Selbstdarstellung. Hermann Fränkel hat diese Eigenheit vor langer Zeit prägnant beschrieben: «Innerhalb des Liedes von seiner Entstehung und seiner Aufführung zu sprechen, unter Durchbrechung der Illusion, gehört zum Stil der Chorlyrik; die festliche Veranstaltung spiegelt gern sich selbst ab und wird auf diese Weise gleichzeitig Gegenstand und Medium der Darstellung.» 24 Vergleichbare Fälle von chorischer Selbstreferentialität werden wir in den Chorliedern der Tragödie wiederfinden, wo auch die vermeintliche «Durchbrechung der Illusion» - d.h. die scheinbare Inkongruenz von chorlyrischer Aussage und Publikumserwartung - zum akuten Problem wird. Auch die Männer tanzten um die Wette, sowohl als Solotänzer wie auch als Chortänzer. Der beschreibt die sportlichen und musischen Wettkämpfe, die alljährlich beim Apollonfest auf Delos in drei verschiedenen Disziplinen stattfanden. Die «schleppgewandeten» Ionier, die sich dort mit ihren Frauen und Kindern versammeln, erfreuen den Gott mit Faustkämpfen {pygmachie), Tanz (orchethmös) und Gesang (aoide), «wenn immer sie den Wettkampf (agön) veranstalten». 25 Das war in Athen nicht anders. An den Großen Panathenäen wurden seit 566/65 v.Chr. musische Agone zu Ehren Athenas abgehalten, bei denen 31

Männerchöre auftraten, die Dithyramben vortrugen. 26 Zum gymnischen Programm der Panathenäen gehörte aber auch der agonale Waffentanz (pyrrhiche), der von sogenannten Pyrrhichisten unter Flötenbegleitung aufgeführt wurde. Die Institution des Wett-Tanzes läßt sich auch in Athen bis weit in die archaische Zeit zurückverfolgen. Hier kommt uns unsere erste Vase zu Hilfe, eine spätgeometrische Oinochoe des Dipylon-Meisters, die zwischen 750 und 725 v.Chr. entstanden sein dürfte (Tafel I).27 Auf dem Hals der Weinkanne ist ein äsendes Reh dargestellt, dahinter ein stilisierter Vogel. Rund um die Schulter der Kanne laufen die schwerfälligen, hocharchaischen Buchstaben einer Inschrift, die ein unbekannter Athener - oder war es ein schriftkundiger Grieche aus Euboia? - dort nicht lange nach der Entstehung der Vase eingeritzt hat. Bis vor kurzem galt dieser Graffito als das älteste Spezimen griechischer Alphabetschrift überhaupt; er ist noch immer das älteste Schriftdenkmal aus Athen, das früheste Beispiel attischer Verskunst und das älteste Zeugnis attischer Tanzkultur. Entstanden ist die Inschrift zu einer Zeit, als das homerische Epos bereits existierte und die Griechen gerade erst angefangen hatten, mit Buchstaben zu schreiben. Die Vaseninschrift beginnt mit einem Hexameter, dem epischen Versmaß Homers, das in archaischer Zeit auch für Gefäßinschriften benutzt wurde. 28 Der Dichter, wohl ein professioneller Sänger, war mit der epischen Sprache wohl vertraut - er hätte seine Worte kaum kunstgerechter wählen können. Sie lauten in wörtlicher Übersetzung: «Wer jetzt von allen Tänzern am ausgelassensten spielt, dem gehört diese [Kanne].» Erst wenn man den Vers im griechischen Original laut liest, wird deutlich, wie sehr seine metrische Gestalt dem Charak32

Tafel I Attische W e i n k a n n e mit e i n g e r i t z t e m H e x a m e t e r , z w i s c h e n 740 u n d 725 v.Chr. Athen, I N a t i o n a l m u s e u m H i r m e r Pholoarchiv, M ü n c h e n

ter der Aussage entspricht: ος νϋν όρχηστών πάντων άταλώτατα παίζει, τοϋ τόδε ΚΑΙΜΙΝ. Die Wendigkeit des siegreichen Tänzers kommt nämlich im steigenden Tempo des Hexameters zum Ausdruck: auf sieben lange, schwerfällige Silben folgt das entscheidende Wort atalotata, «am ausgelassensten», das kurzsilbig und leichtfüßig ist. Der Schreiber des Textes war allerdings nicht ganz so versiert wie unser Dichter. Denn der Graffito endet abrupt nach fünf oder sechs weiteren Buchstaben, die keinen Sinn ergeben. 29 Das tat der Freude über den Sieg im Wett-Tanzen - denn darum geht es - vermutlich keinen Abbruch. Die Weinkanne war der Preis für den Sieger. Es ist anzunehmen, daß sie mit der Gabe des Dionysos gefüllt war. Ob auch der eigentliche Wettkampf im Namen dieses Gottes stattgefunden hat, wie vermutet worden ist, sei dahingestellt. 30 Jedenfalls wird man den dionysischen Bezug nicht in dem Reh des Kannenhalses suchen wollen, obwohl auch das geschehen ist; denn Tierdekorationen dieser Art sind im spätgeometrischen Stil konventionell. 31 Das Epigramm bezieht sich auf ein Wett-Tanzen, das unmittelbar bevorsteht oder gerade erst stattgefunden hat. Der konkrete Gegenwartsbezug findet seinen Niederschlag in dem νϋν des Epigramms, das unserem und lat. entspricht. 32 Im homerischen Epos bezeichnet δς νϋν immer eine bestimmte Person, die durch ihr Handeln einer aktuellen Situation eine entscheidende Wendung gibt.33 Das νϋν der Vaseninschrift bezieht sich ebenso konkret auf den gegenwärtigen Agon, d.h. die Austragung des Wettkampfs, bei dem die Vase als Preis ausgesetzt ist. Es ist, als ob die rivalisierenden Tänzer sich gegenseitig zuriefen: «Jetzt zeig mal, was du kannst - hic Rhodus, hic salta!»

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Tanz als Spiel An dem Tanzwettbewerb waren offenbar keine Chöre beteiligt, sondern eine Gruppe von Einzeltänzern. Die Inschrift gibt keinerlei Aufschluß über die Wettkampfbedingungen, wohl aber über die Art des Tanzes und vielleicht auch über das Alter der Tänzer. Der WettTanz wird nämlich als ein «Spielen» (paizein, von pais «Rind») bezeichnet. Dieser preziöse Ausdruck dient seit Homer als poetische Umschreibung für unbeschwertes, spielerisches Tanzen, vom graziösen, tanzähnlichen Ballspiel der phäakischen Jugend in der bis zu den heiteren Chortänzen der Aristophanischen Komödie. 34 Für den versierten Tänzer ist der Wett-Tanz trotz der körperlichen Anstrengung und dem Druck der Umstände ein Kinderspiel - wer «am ausgelassensten spielt», atalotata paizei, gewinnt den Preis. 35 Läßt sich die in dem Epigramm vorausgesetzte Tanzstimmung in der Tragödie wiederfinden? Man sollte meinen, daß ein unbeschwertes Tanzen mit dem Ernst der Tragödie unvereinbar ist.36 Doch gerade der extreme Kontrast von tragischer Katastrophe und untragischem Spiel reizte Sophokles und noch mehr Euripides, der als Dramatiker immer wieder das Paradoxe, Widersprüchliche und Ambivalente der tragischen Personen und Handlungen darstellt. So läßt Sophokles den Chor des rants in Athens, Mainz 1989, 84-100 u. dazu das unter demselben Titel erschienene Supplement, Mainz 1995, 19f.; R. Osborne, Competitive Festivals and the Polis: A Context for Dramatic Festivals in Athens, in: A. Sommerstein, S. Halliwell, J. Henderson u. B. Zimmermann (Hgg.), Tragedy, Comedy and the Polis, Bari 1993, 21-38. 63 Chr. Meier, Zur Funktion der Feste in Athen im S.Jahrhundert vor Christus, in: Das Fest (Anm. 1) 569-591, verkürzt in: Chr. Meier, Die politische Kunst der griechischen Tragödie, München 1988, 54-74. 64 Von den Ländlichen Dionysien und Städtischen Lenäen, an denen alljährlich weitere dramatische Agone in bescheidenerem Rahmen stattfanden, sehe ich hier ab. Zur Organisation der Chortänze bei den Städtischen Dionysien vgl. H.-D. Blume, Einführung in das antike Theaterwesen, Darmstadt 1978; A. Pickard-Cambridge, The Dramatic Festivals of Athens, Oxford 2 1968, erw. Nachdr. 1988, bes. 57ff. u. 232ff.; H. Flashar, Inszenierung der Antike: das griechische Drama auf der Bühne der Neuzeit 1585-1990, München 1991, 11-26. 65 Es ist ungewiß, ob der Chorege für jede der drei zugelassenen tragischen Tetralogien lediglich einen Chor von 12 bzw. 15 Choreuten bereitzustellen hatte - das ergäbe eine Mindestzahl von insgesamt 1156 bzw. 1165 Choreuten - oder ob pro Tetralogie 4 χ 12 bzw. 4 χ 15 Choreuten ausgebildet wurden, womit sich die Gesamtzahl der Choreuten auf 1264 bzw. 1300 erhöhen würde. Vgl. A. Müller, Lehrbuch der griechischen Bühnenalterthümer, Freiburg i.B. 1886, 333. 66 Phrynichos: B. Snell und R. Kannicht, Tragicorum Graecorum Fragmenta I, Göttingen 21986, 72, Testim. 13-16; P. Ceccarelli, La pirrica di Frinico e le pyrrhichai attribuite a Frinico figlio di Melanthas, in: S. Alessandri (Hg.), Ίστορίη. Studi offerti dagli allievi a Giuseppe Nenci in occasione del suo settantesimo compleanno, Lecce 1994, 77-93, bes. 79f., 84f. u. 91-93. Aischylos: St. Radt, Tragicorum Graecorum Fragmenta III, Göt73

tingen 1985, 66f., Testim. 103. Sophokles: St. Radt, Tragicorum Graecorum Fragmenta IV, Göttingen 1977, 29ff. Testim. l,17ff. u. 22 f., 2,7, 28-30; fr. 121. 67 Zum «Spielen» (paizeiri) der Nausikaa vgl. Hommel, Tanzen und Spielen (Anm. 34) sowie Lonsdale, Dance (Anm. 1) 206-210. 68

Kranz, Stasimon (Anm. 52) 183 u. Henrichs, Why Should I Dance? (Anm. 39) 83 f. Zur Diskussion um den Begriff des vgl. Bierl, Dionysos (Anm. 45) 115 ff.; W. Rullmann, Die des euripideischen Pentheus. Haben die Bakchen eine Bedeutung?, in: G.W. Most, H. Petersmann u. A.M. Ritter (Hgg.), PHILANTHROP1Α KAI EUSEBEIA. Festschrift für Albrecht Dihle zum 70. Geburtstag, Göttingen 1993, 248-263; P. Wilson u. O. Taplin, The of Tragedy in the Oresteia, Proceedings of the Cambridge Philological Society 39 (1993) 169-180. 69 Kolonnettenkrater in Basel, Antikenmuseum BS 415, 490/480 v.Chr.: Μ. Schmidt, Dionysien, Antike Kunst 10 (1967) 70-81, Taf. 19,1-2 u. 21,1 (Erstedition); CVA Basel (3) 21-23, Taf. 6,3-Ψ u. 7,3-5; LIMC III (1986) Dionysos Nr. 845; E. Simon, Die Götter der Griechen, Darmstadt 31985, 273 mit Abb. 262. 70

K. Schefold, Wort und Bild. Studien zur Gegenwart der Antike, Basel 1975, 6. Das «kubische Gebilde» wurde von Margot Schmidt als Altar gedeutet, von Erika Simon im Anschluß an Schefold dagegen als Grab. 71 So außer Schefold und Simon auch J. J. Winkler, The Ephebes' Song: Tragöidia and Polis, in: J. J. Winkler u. F. I. Zeitlin (Hgg.), Nothing to Do with Dionysos? Athenian Drama in its Social Context, Princeton 1990, 20-62, hier 52-54 und J.R. Green, Depicting the Theatre in Classical Athens, GRBS 32 (1991) 15-50, hier 34-37. 72 Laut Margot Schmidt (Anm. 69) handelt es sich um einen Dithyrambenchor, der um einen Altar tanzt, auf dem ein Kultbild des Dionysos steht. Weder für die Form des vermeintlichen Kultbildes noch für seine Aufstellung auf dem Altar gibt es Parallelen. 75 Schmidt (Anm. 69) 74. Vgl. G. Neumann, Gesten und Gebärden in der griechischen Kunst, Berlin 1965, 86; Shapiro, Iconography of Mourning (Anm. 3) 635 mit Abb. 1, 6-7 u. 11. Η. Demisch, Erhobene Hände: Geschichte einer Gebärde in der bildenden Kunst, Stuttgart 1984, 191 deutet die Armhaltung der 74

Tänzer auf der Basler Vase als Gebetsgestus. Aber die schräg nach oben ausgestreckten Arme entsprechen im Gegensatz zu den erhobenen Händen m e h r dem Trauer- als dem Adorationsgestus (Neumann 78ff.). 7 4 Dazu Flashar, Inszenierung der Antike (Anm. 64) 2 2 8 - 2 6 0 («Ritus und Alltag»). 7 3 U. Hölscher, «Wie soll ich noch tanzen?» Über ein Wort des sophokleischen Chores, in: E. Röhler (Hg.), Sprachen der Lyrik. Festschrift für Hugo Friedrich, Frankfurt a.M. 1975, 3 7 6 - 3 9 3 , Nachdruck in U. Hölscher, Das nächste Fremde: von Texten der griechischen Frühzeit und ihrem Reflex in der Moderne, München 1995, 110-124 u. Henrichs, Why Should I Dance? (Anm. 39) 6 5 - 7 3 . Zum Gesamtverständnis des Chorlieds vgl. zuletzt C. Carey, T h e Second Stasimon of Sophocles' Oedipus Tyrannus, JHS 106 (1986) 175-179, der allerdings auf τί δει με χορεύειν; nicht eingeht. 7 6 Vgl. Hölscher (vorige Anm.) 390 = 121: «Sie reden von ihrem hier und jetzt getanzten Tanz, ihn sehen sie in Frage gestellt. Wir kommen nicht darum herum, daß die Tragödie in ihren lyrischen Formen die Möglichkeit hat, die aller Chorlyrik eigen ist, nämlich auf sich selber hinzuweisen, nicht indem sie die Mimesis aufhebt, wohl aber transzendiert.» 7 7 Henrichs, Why Should 1 Dance? (Anm. 39) 8 6 - 9 0 zu Eur. El. 175 IT. u. 859 ff.; R. Schlesier, Die tragischen Masken des Dionysos. Bakchische Metamorphosen bei Euripides, unpubl. Habilitationsschrift, Berlin 1987, 119fT. («Die Mänade des Apollon») zu Tro. 308ff.; Wilson/Taplin, T h e of Tragedy (Anm. 68) 170f. zu Aisch. Ag. 23f., 31 u. 4 0 f f 7 8 Vgl. oben nach Anm. 36. 7 9 Auch in dem lyrischen Amoibaion (290 ff.), dem einzigen Chorgesang des Stücks, geht es ums Tanzen und um . Mehrere χοροΰ-Vermerke (folgende Anm.) teilen den Rest des in ungleichmäßige Akte. Vgl. B. Zimmermann, Untersuchungen zur Form und dramatischen Technik der Aristophanischen Komödien I, Königstein/Ts. J 1 9 8 5 , 59-63; A. Bierl, Karion, die Karer und der Plutos des Aristophanes, in: A. Bierl u. P. von Möllendorff (Hgg.), Orchestra: Drama, Mythos, Bühne, Stuttgart/Leipzig 1994, 3 0 - 4 3 , hier 38 f. 8 0 E. Pöhlmann, Der Überlieferungswert der χοροϋ-Vermerke in Papyri und Handschriften. Würzburger J a h r b ü c h e r N.F. 3 (1977) 69-81; R. Hunter, T h e Comic Chorus in the Fourth Century, ZPE 36 (1979) 2 3 - 3 8 ; K.S. Rothwell, T h e Continuity of the

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Chorus in Fourth-Century Attic Comedy, GRBS 33 (1992) 209-225; Ε. Csapo u. W.J. Slater, The Context of Athenian Drama, Ann Arbor 1995, 349-354. 81 Zum folgenden vgl. Pöhlmann (vorige Anm.) 70 f.; B. Gentiii, Theatrical Performances in the Ancient World: Hellenistic and Early Roman Theatre, London Studies in Classical Philology 2, Amsterdam 1979, 19-31; G. Xanthakis-Karamanos, Studies in Fourth-century Tragedy, Athen 1980. 82 F. Leo, Ausgewählte kleine Schriften, Rom 1960, I 201 ff. (zum Chor in der frühen römischen Tragödie); R.J. Tarrant, Senecan Drama and Its Antecedents, HSCP 82 (1978) 213-263, bes. 221 ff. u. Seneca's Thyestes, Atlanta 1985, 13-15. 83 C.P. Jones, Greek Drama in the Roman Empire, in: R. Scodel (Hg.), Theater and Society in the Classical World, Ann Arbor 1993,39-52. 84 Hdt. 6,21,2 u. 6,67,3; Aristoph. Ach. 629, Ritter 233 u. 508, Frieden 735. Mit Ausnahme von Hdt. 6,67,3 kann an den genannten Stellen mit theatron nur das Theaterpublikum gemeint sein; das war die vorherrschende Bedeutung des Wortes bis weit ins 4. Jh. Vgl. Wilamowitz, Kleine Schriften I, Berlin 1935, 153 Anm. 1. 85 Athen. Deipn. 8,63 (362A-C) paraphrasiert ballizein mit kömäzein bzw. choreüein und zitiert Epich. fr. 79,4 Raibel = 109,4 Olivieri, Sophr. fr. 11-12 Raibel = 19-20 Olivieri u. Alexis fr. 112 Kassel/Austin. Vgl. P. Chantraine, Dictionnaire etymologique de la langue grecque, Paris 1968, 161. 86 Vgl. z.B. Th. Paulsen, Die Rolle des Chors in den späten Sophokles-Tragödien. Unterschungen zu Elektra, Philoktet und Oidipus auf Rolonos, Bari 1989, 17ff.; Hose, Studien (Anm. 11) I 32-37. 87 Zum folgenden vgl. Flashar, Inszenierung der Antike (Anm. 64) bes. 22-24, 126-128, 148-152, 221, 234, 242 f., 248, 250f., 261 f., 269 f. u. 298-302. 88 Seamus Heaney, The Cure at Troy: Α Version of Sophocles' «Philoctetes», London 1990. 89 Eur. El. 432ff., Taur. Iph. 427ff., Ion 1081 ff., Aul. Iph. 1054ff, vgl. Soph. O.K. 716ff. 90 Für wertvolle Hinweise danke ich Dr. Anton Bierl (Leipzig), Dr. Paola Ceccarelli (Rom), Prof. Renate Schlesier (Paderborn), Prof. Alan Shapiro (Christchurch, Neuseeland) und Maura Giles (Cambridge, Mass.), die mir auch bei der Auswahl des Bildmaterials geholfen hat. Die Beschaffung der Bildvorla-

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gen habe ich Dr. Nancy Bookidis (Athen), Professor Ronald Stroud (Berkeley) und dem Verlag zu verdanken. Besonders herzlichen Dank sage ich Herrn Heinrich Krämer und den Mitarbeitern des Hauses Teubner für die ehrenvolle Einladung, den festlichen Rahmen und die mir zuteil gewordene Gastlichkeit - die Leipziger Tage bleiben mir unvergeßlich.

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Lectio Teubneriana I Reinhold Merkelbach Die Bedeutung des Geldes für die Geschichte der griechisch-römischen Welt Anhang

Welche Folgen hatte der Gebrauch der Schrift? Über die E r f i n d u n g d e r Schrift in Mesopotamien u n d ihre Folgen in d e r Kultur der Griechen 1992. 80 Seiten. ISBN 3-519-07550-4 Kart. I)M/sFr. 25,-. öS 185,-

Lectio Teubneriana II Walter Burkert Piaton in Nahaufnahme Ein Buch a u s H e r c u l a n e u m 1993. 40 Seilen. ISBN 3-519-07551-2 Kart. DM/sFr. 25,-. öS 185,-

Lectio Teubneriana III Joachim Latacz Achilleus Wandlungen eines e u r o p ä i s c h e n lleldenbildes 1995· 108 Seiten. ISBN 3"5'9-θ7552-ο Kart. DM/sFr. 36,-. öS 267,-