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German Pages 137 Year 1988
DIRK OLZEN Vorweggenommene Erbfolge in historischer Sicht
Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von Mitgliedern des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg Heft 75
Vorweggenommene Erbfolge in historischer Sicht
Von Prof. Dr. Dirk Olzen
Duncker & Humblot . Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Olzen, Dirk: Vorweggenommene Erbfolge in historischer Sicht / von Dirk Olzen. - Berlin : Duncker u. Humblot, 1988 (Hamburger Rechtsstudien ; H. 75) ISBN 3-428-06507-7 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3-428-06507-7
Gliederung Einleitung
............................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
I. Die Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
7 9
l. Die fiducia cum amico
9
a) Die familiae emptio
10
b) Die fiducia post mortem
12
2. Die donatio mortis causa ..........................................
15
a) Die donatio mortis causa im römischen Recht aa) Die Rechtsnatur der donatio mortis causa ...................... bb) Das Ausflihrungsgeschäft ....................................
15 15 21
b) Die donatio mortis causa im Recht des Mittelalters aa) Die donatio mortis causa. bei Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts ........................................... bb) Die donatio mortis causa in der ars notaria ..................... cc) Die donatio mortis causa im canonischen Recht des Mittelalters ...
29
11. Die Vergabungen von Todes wegen in germanischer und fränkischer Zeit
29 37 43 49
1. Das thinx (gairethinx) des langobardischen Rechtes
51
2. Die Vergabung von Todes wegen im Recht des späten Mittelalters
56
a) Die Regelung des Sachsenspiegels ................................
56
b) Das Magdeburger Schöffenrecht
57
III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge nach der Rezeption des römischen Rechtes bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . .
1. Die Entwicklung der donatio mortis causa im Usus modemus pandectarum
63 63
a) Das Schrifttum des 17. Jahrhunderts ..............................
63
b) Die gemeinrechtliche Literatur bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts unter Einschluß der holländischen und französischen eleganten Jurisprudenz
69
2. Die donatio mortis causa in der Naturrechtslehre 3. Die Entwicklung der Vergabung von Todes wegen zur Gutsabtretung im
Schrifttum des 17. und 18. Jahrhunderts
.............. . . . . . . . . . . . . . . .
72
77
4. Die Partikulargesetze des 15. bis 17. Jahrhunderts ...................... 78 5. Die Naturrechtskodifikationen ......................................
82
6
Gliederung a) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756 ................
82
b) Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794
....................
85
c) Die donatio mortis causa und verwandte Rechtsgeschäfte im französischen Recht bis zum Code Civil ....................................... aa) Demission de biens und partage d'ascendants ................... bb) Die donatio mortis causa im französischen Recht . . . . . . . . . . . . . . .
90 91 92
d) Das österreichische ABGB von 1811
..............................
95
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung in Schrifttum und Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts ....................................................
98
1. Die donatio mortis causa in der gemeinrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts . . . .. . . . . . . .. ... . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . . .
98
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 101 a) Der hessische Entwurfvon 1853
102
b) Der bayerische Entwurf von 1861
104
c) Das sächsische Gesetzbuch von 1865 .............................. 105 d) Der Entwurf Mommsens aus dem Jahre 1876
109
3. Die rechtliche Behandlung der Gutsabtretung in der Literatur des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 111 a) Formen der Gutsabtretung
...................................... 111
b) Die Rechtsnatur des Gutsübergabevertrags
112
c) Die Rechtsfolgen der Gutsabtretung .............................. 116 aa) Die Rechtsstellung der Gläubiger nach der Gutsabtretung ........ 117 bb) Gutsabtretung und Pflichtteilsberechtigte ....................... 119
v. Schlußbetrachtung
121
Literaturverzeichnis .................................................... 123
Einleitung Der Wunsch, die eigenen Vermögensangelegenheiten bereits vor dem Tode selbst zu regeln, statt sie den Erben zu überlassen, ist nicht selten. Dafür gibt es eine Vielzahl von Ursachen, von denen nur einige hier kurz angedeutet werden können: Neben steuerrechtlichen Aspekten und dem Versuch, die Härte des Pflichtteilsrechtes zu mildern oder gar zu umgehen, tritt die Absicht, die Zersplitterung wirtschaftlicher Einheiten, sei es Grundbesitz oder Unternehmen oder anderer wertvoller Gegenstände, zu verhindern. Dieser Gesichtspunkt bestimmte noch im 19. Jahrhundert in erster Linie den agrarischen Bereich und fand vielfaltigen Niederschlag im Anerben- und Höferecht. Die heutige Entwicklung, die sich aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen immer stärker vom Agrarstaat fortbewegt hat, wurde von den Verfassern des BGB in dieser Form nicht vorausgesehen. Ferner ist eine deutlich gesteigerte Lebenserwartung zu nennen, verbunden mit einer insgesamt zufriedenstellenden Alterssicherung. Beide Umstände führen dazu, daß der Wunsch nach einem arbeitsfreien Lebensabend verstärkt und auch finanzierbar geworden ist. Umgekehrt führt die hohe Lebenserwartung aber auch dazu, daß die nachfolgende Generation ihr Erbe regelmäßig nicht mehr in einem Alter antreten kann, in dem sie es selbst zum Start in das Leben besonders benötigen würde. Mancher zieht hieraus die Konsequenz, den Erbfall mit oder ohne Einschränkungen bereits zu seinen Lebzeiten eintreten zu lassen, regelmäßig allerdings nicht, ohne sein Alter hinreichend zu sichern. Der Hintergrund der vorweggenommenen Erbfolge ist damit außerhalb des Höferechtes neu. Hieraus könnte man schließen, daß die Untersuchung historischer Vorläufer wenig Gewinn verspreche. Zutreffend ist diese Annahme aber nur insoweit, als es keine unmittelbaren Modelle für die heutigen Formen lebzeitiger Vererbung in der Rechtsgeschichte gibt. Andererseits ist ein Phänomen durch die Jahrhunderte immer wieder zu beobachten: Die Intention, den Nachlaß bereits zu Lebzeiten definitiv zu ordnen, bestand zu allen Zeiten ebenso wie der Wunsch, die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen des Handeins möglichst erst nach dem Versterben des Übertragenden im vollen Umfange eintreten zu lassen. Dieser Zwiespalt ist ursächlich für eine Fülle von Rechtsgeschäften, die auf der Grenze zwischen lebzeitigen und letztwilligen liegen. Wie man sie qualifiziert, hängt damit zusammen, welcher Grad an Durchführung jeweils verlangt wird, um ein Rechtsgeschäft als lebzeitiges oder letztwilliges aufzufassen. Das (vorläufige) Ende der Entwicklung ist der heutige § 2301 BGB. Seine schwierige Fassung sowie die mangelnde Abstimmung mit § 331 BGB haben die Diskussion bis in die jüngste Gegenwart nicht verstummen lassen.
8
Einleitung
Zwar könnte man annehmen, es handele sich lediglich um ein formales Ordnungsproblem, das über die Begriffsbildung hinaus bedeutungslos sei. Der Schluß wäre aber nicht nur wegen der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen lebzeitiger und letztwilliger Rechtsgeschäfte unzutreffend. Vielmehr sind auch die Nachlaßbeteiligten, d. h. die Gläubiger des Erblassers und die Pflichtteilsberechtigten, von der Abgrenzung wesentlich betroffen. Denn sie können grundsätzlich nur auf das zurückgreifen, was im Zeitpunkt des Erbfalles zum Nachlaß gehört. Alle diese Fragen haben seit langem Beachtung gefunden. Deshalb ist es nicht zuletzt für das heutige Verständnis von Interesse, welcher Geschäftsformen sich frühere Rechtssysteme bedient haben und wie die Grenzziehung bei ihnen verlief. Exemplarisch dafür ist die donatio mortis causa des Römischen Rechtes, im Zusammenhang dazu steht die fiducia; aus dem deutschen Rechtskreis ist die Vergabung von Todes wegen zu nennen. Die Behandlung beider Rechtsinstitute wird zeigen, daß die Abgrenzung lebzeitiger und letztwilliger Rechtsgeschäfte zu den schwierigsten Problemen zivilrechtlicher Dogmatik gehört hat.
I. Die Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht Vorweggenommene Erbfolgen im heutigen Sinne haben für das römische Recht offenbar keine besondere Bedeutung gehabt; die gesamte Altenteilsproblematik war unbekannt 1. Die rechtlichen Möglichkeiten, jemandem zu Lebzeiten oder von Todes wegen einen Vorteil zuzuwenden, beschränkten sich auf das Testament sowie die Schenkung unter Lebenden bzw. von Todes wegen 2 • Nicht selten wurde in die Abwicklung dieser Rechtsgeschäfte ein Dritter, regelmäßig ein Treuhänder, einbezogen. Aus der Verbindung von Schenkung einerseits und Dreipersonen-Verhältnis andererseits folgt, daß donatio mortis causa und die im folgenden zu besprechende fiducia cum amico enge Berührung miteinander hatten.
1. Die fiducia cum amico 3 Über den Entstehungszeitpunkt der fiducia cum amico herrscht keine Klarheit. Teilweise wird angenommen, dieses Rechtsinstitut sei bereits vor der Zwölftafelgesetzgebung verwendet worden; nach anderer Auffassung ist die fiducia frühestens mit dem neueren prätorischen Recht entstanden 4 . Alle Formen der fiducia sind durch das in den Vertragspartner gesetzte Vertrauen gekennzeichnet, wie sich aus dem Wort herleiten läßt 5 • Die Treuhandschaft des römischen Privatrechts trat zunächst in einer Fülle verschiedener Erscheinungsformen auf; beispielhaft seien hier fiducia cum amico, fiducia cum creditore, coemptio fiduciaria, emancipatio fiduciaria, fiducia testamentaria erwähnt. Die fiducia cum amico und die fiducia cum creditore 6 sind dabei als die wichtigsten Fälle zu bezeichnen 7 • Bezüglich der Scheuermann, Vennögensübergaben S. 14. Scheuermann, Vennögensübergaben S. 15. 3 Quellenmaterial bei Oertmann, Die fiducia, S. 50-51; vgl. etwa Gai Inst 11 59, 60,102; III 201; IV, 33, 62; Pau!. Sent. 11 13; von den nichtjuristischen Autoren Cicero, De ofT. III 15 § 61; 16 § 62; 17 § 70. 4 vg!. zu den einzelnen AufTassungen die ausführliche Darstellung bei Karlowa, Römische Rechtsgeschichte S. 560fT.; Oertmann, Die fiducia S. 52fT. S Fischbach, Treuhänder S. 4f. 6 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd., S.460 Anm. 1 vennutet, daß für dieses Rechtsinstitut im justinianischen Recht pignus oder hypotheca eingesetzt wurde. 7 Coing, Die Treuhand S. 11 f erwähnt nur diese beiden Fälle; vgl. ferner hierzu im einzelnen Oertmann, Die fiducia S. 118-161; Schöny, Arch. f. Bürg. Recht Bd. 35 S. 291; 1
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
verschiedenen Arten der fiducia ist den Quellen kein eindeutiges Bild zu entnehmen. Dieser Umstand ist nicht zuletzt darin begründet, daß die fiducia nicht in die justinianische Kodifikation aufgenommen wurde 8 • Sicher erscheint aber, daß die fiducia cum amico u. a. der Verwirklichung des letzten Willens einer Person diente 9 • Einschränkend muß allerdings hinzugefügt werden, daß zum Teil angenommen wird, diese Form der Einschaltung eines Dritten in die Erbfolge sei nicht der fiducia im technischen Sinne zuzurechnen 10. Dieser Frage braucht jedoch deshalb nicht nachgegangen werden, weil auch Oertmann 11 , der Hauptvertreter der engeren Auffassung, die inhaltliche Verwandtschaft beider Rechtsinstitute nicht in Abrede stellt. Es handelt sich dabei um solche Rechtsgeschäfte, die sich als Übergangsstufe zwischen der lebzeitigen Schenkung und dem Testament einordnen lassen 12, im übrigen jedoch in Form und Inhalt nicht unbeträchtlich voneinander abweichen. a) Die familiae emptio Eine Unterart der vorgenannten treuhänderischen Rechtsgeschäfte ist die familiae emptio, deren Ursprung nicht weniger umstritten ist als der der fiducia im allgemeinen. Die vorhandenen Überlieferungen zeigen, daß der familiae emptor als Beauftragter des Erblassers dessen letzten Willen nach dem Sterbefall ausführen sollte 13 • Vermutungen über den Entstehungszeitpunkt des Rechtsgeschäfts bereits vor der Zwölftafelgesetzgebung gehen davon aus, daß der zur Bewirtschaftung eines landwirtschaftlichen Anwesens unfähige Erblasser sein Vermögen verkaufte, ähnlich wie es bei den noch zu behandelnden Übergabevereinbarungen des germanischen Rechtes geschah 14. Selbst wenn diese Überlegungen zutreffen sollten, wird hierin kaum der Ursprung der familiae emptio zu sehen sein, da Schultze, Iherings Jahrb. Bd. 43 S. 6/7; Siebert, Rechtsgeschäftliches Treuhandverhältnis S.34. 8 Fischbach, Treuhänder S. 6; vgl. ferner Kaser, Römisches Privatrecht 2. Bd. S. 226, der darauf hinweist, daß die Sicherungsübereignung in dieser Periode mehr und mehr verschwand; dazu auch Siebert, Rechtsgeschäftliches Treuhandverhältnis S.34; Oertmann, Die fiducia S. 82; Schöny, Arch. f. Bürg. Recht Bd. 35 S. 292. 9 vgl. auch Erbe, Die Fiduzia S. 129 ff. zur Verbindung von fiduziarischer Übertragung und donatio mortis causa. 10 Oertmann, Die fiducia S. 154. 11 Die fiducia S. 154. 12 Siebert, Rechtsgeschäftliches Treuhandverhältnis S. 36; Druck, GrünhutsZ Bd. 40, 558. 13 Gai Inst. II 102: "Accessit deinde tertium genus testamenti, quod per aes et libram agitur: qui neque calatis comitiis neque in procinctu testamenturn fecerat, is si ubita morte urguebatur, amico familiam suam, id est patrimonium suum, mancipio dabat eumque rogabat, quid cuique post mortem suam dari uellet. quod testamenturn dicitur per aes et libram, scilicet quia per mancipationem peragitur". 14 Weiss, Institutionen S. 513.
1. Die fiducia cum amico
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diese ein Dreipersonen-Verhältnis erforderte, erstgenanntes Rechtsinstitut jedoch ein Zweipersonenverhältnis. Aber nicht nur die Zeit vor der Zwölftafelgesetzgebung liegt bezüglich der Verbreitung oder des Vorhandenseins dieses Rechtsinstitutes im Dunkeln. Ebensowenig besteht Einigkeit darüber, ob entsprechende Rechtsformen überhaupt in den zwölf Tafeln selbst enthalten waren. Teilweise wird angenommen, der Zwölftafelsatz 5,3 "Uti legassit super pecunia tutelave sua rei, ita ius esto" beinhalte eine Regelung der "mancipatio familiae" 15 , in die der familiae emptor eingeschaltet war l6 . Sicher ist das Vorhandensein der mancipatio familiae und ihrer Umwandlung zum Mancipationstestament erst im Juristenrecht l7 . Eine ausführliche Darstellung findet sich in den Institutionen des Gaius l8 . Zu diesem Zeitpunkt erfaßte die Übertragung auf den familiae emptor bereits das Gesamtvermögen 19, während sie sich ursprünglich wahrscheinlich nur auf Einzelgegenstände bezogen hatte 20 . Ferner ergibt sich aus den Institutionen des Gaius, daß die mancipatio familiae ähnlich wie die noch zu behandelnde donatio mortis causa - häufig in Lebensgefahr vorgenommen wurde, wenn kein Testament in den im übrigen dafür vorgesehenen Formen (testamentum calatis comitiis und testamenturn in procinctu) errichtet worden war 21 . - Die rechtliche Situation am übertragenen Vermögen stellte sich so dar, daß der Erblasser bis zu seinem Tode die Verfügungsgewalt behielt; sie ging zu diesem Zeitpunkt auf den Treuhänder über, der damit im vollen Umfang Rechtsnachfolger des Erblassers wurde (heredis loco)22. Die Erben leiteten damit ihr Recht direkt vom familiae emptor IS vgl. Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 318 Fn. 6; Weiss, Institutionen S. 513; Wlassak, ZRG Rom. Abt. Bd. 31, 203 Fn. 3. 16 Auf den umfangreichen Meinungsstreit kann hier nicht eingegangen werden. Ausf. und überzeugend insoweit Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 554fT.; vgl. auch Mitteis, Römisches Privatrecht S. 82 Fn 24; Schutz, Classical Roman Law S. 241 f. Die genannten Autoren sind der Ansicht, daß das Rechtsinstitut jünger ist als die Zwölftafelgesetzgebung. Hierfür spricht die Formulierung bei Gaius, Inst. 11 101: "Testamentorum autem genera initio duo fuerunt: nam aut calatis comitiis testamenturn faciebant quae comitia bis in anno testamentis faciendis destinata erant, aut in procinctu, id est cum belli causa arma sumebant: procinctus est enim expeditus et armatus exercitus. alterum itaque in pace et in otio faciebant, alterum in proelium exituri"; vgl. ferner Gai Inst. 11 102, oben Fn. 13. 17 Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 317; Schulz, Classical Roman Law S. 241; Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 554. 18 vgl. die bereits angeführten Stellen Gai Inst. 11 101 fT. 19 Gai Inst. 11 104 enthält die dabei verwandte Formel: "Familiam pecuniamque tuam endo mandatela custodelaque mea esse aio, quo tu iure testamantum facere possis secundum lege publicam, hoc aere, et ut quidam adiciunt, aeneaque libra, esta mihi empta". 20 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.107 mwNachw. (auch der gegenteiligen AufTassung); Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 317; Weiss, Institutionen S. 513; Oertmann, Die fiducia S. 155; Bruck, GrünhutsZ Bd.40, 554. 21 vgl. Gai Inst. 11 102; ferner König, Das Mandatum post mortem S. 11; Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 554. 22 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 107; Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 317; Schulz, Classical Roman Law S. 241.
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
ab, der das Vermögen entsprechend der nuncupatio des Erblassers an sie übertragen mußte. Bis dahin war er fiduziarischer Vollrechtsinhaber 23 • Hieraus folgt, daß die mancipatio familiae durch testamenturn per aes et li bram ursprünglich 24 keine eigentliche testamentarische Verfügung, aber auch kein spezifisches Rechtsgeschäft unter Lebenden war: Denn zum einen wurde das Rechtsverhältnis zwischen Erblasser und Treuhänder bereits zu Lebzeiten des ersteren begründet, zum anderen erzeugte es jedoch erst nach seinem Tode unmittelbare Rechtswirkungen 25 . Bezogen auf die Rechtsstellung des Erblassers gleicht es damit der donatio mortis causa und befindet sich wie diese auf der Grenze zwischen lebzeitigem und letztwilligem Rechtsgeschäft, näher dem letztgenannten, da es zu Lebzeiten des Erblassers nicht vollzogen wurde 26 • Dieser Wertung entspricht, daß Gaius die mancipatio familiae in die Reihe der Testamentsformen stellte 27 • Eine Erklärung mag darin zu sehen sein, daß sich die Bedeutung bzw. die Ausgestaltung der familiae emptio in der spätrepublikanischen Zeit wandelte. Die Einschaltung des Treuhänders wurde zur bloßen Formalität, während der Charakter des Rechtsgeschäfts als erbrechtliche Verfügung immer stärker in den Vordergrund tratt. Eine Fortbildung der familiae emptio zur Testamentsvollstreckung, die denkbar gewesen wäre, fand jedoch nicht statt 28 • b) Die fiducia post mortem
Der Übertragung eines Einzelgegenstandes nach dem Tode des Erblassers diente die sog. fiducia post mortem. Es handelte sich dabei um eine treuhänderische Vereinbarung des Inhalts, daß der Treuhänder dem Bedachten eine Sache übergeben oder anderweitig über sie verfügen sollte 29 • Solche Rechtsgeschäfte wurden als Schenkungen unter Lebenden behandelt. Als Beispiel gilt in den Digesten unter "de donatione inter virum et uxorem"30 der Fall, daß eine Frau 23 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 107; Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S.317; Schulz, Classical Roman Law S. 241 f; Siebert, Treuhandverhältnisse S.36f.; Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 554. 24 Jörs-Kunket-Wenger, Römisches Recht S.317ff.; König, Das Mandatum post mortem S. 11; Bruck, GrünhutsZ Bd.40, 559. 2S Schutz, Classical Roman Law S. 242. 26 vgl. Schutz, Classical Roman Law S. 242. 27 vgl. Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 559. 28 Jörs-Kunket-Wenger, Römisches Recht S.318; Schutz, Classical Roman Law S. 242f; Weiss, Institutionen S. 515; Bruck, GrünhutsZ Bd.4O, 560f. 29 Dies geschah häufig durch die Anordnung, einen Sklaven nach dem Tode seines Eigentümers freizulassen, D 17.1.27.1: "Si servum ea lege tibi tradidero, ut eum post mortem meam manumitteres, constitit obligatio"; vgl. zu diesem Sonderfall Pernice, Labeo III 128 fT. 30 D.24.1.49: "Mulier, quae ad communem filium volebat, qui in potestate patris erat, post mortem patris fundum pervenire, eum patri tradidit, uti post mortem restituatur filio.
1. Die fiducia cum amieo
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ihrem Ehegatten ein Grundstück übergeben hatte, damit dieser es nach ihrem Tode dem gemeinsamen Sohn herausgeben sollte. Entscheidungserheblich für Marcellus war neben der Frage der Ernsthaftigkeit des Rechtsgeschäftes die Übereignung des Grundstückes an den Ehegatten, d. h. der Vollzug des Rechtsgeschäftes 31 • Der fiducia post mortem verwandt war das sog. fideicommissum a debitore relictum. Dabei gab eine Person regelmäßig eine wertvolle Sache in die Obhut eines Dritten mit der Maßgabe, daß ihr nach der Rückkehr von einer Reise ein Rückforderungsrecht zustand, daß sie aber im Falle ihres Todes an einen bestimmten Dritten herausgegeben werden sollte 32 • Im Unterschied zum zuvor behandelten Sachverhalt wurde ein Verwahrungsverhältnis zwischen Erblasser und Drittem begründet, während die eigentumsrechtliche Position nicht eindeutig zu bestimmen ist. Paulus entschied lediglich, daß die Sache dem Sohn ausgehändigt werden müsse, ohne jedoch auf die Rechtslage näher einzugehen 33. Die Bedeutung dieser Stelle liegt darin, daß dem Begünstigten ursprünglich keine Klage gegen den Verwahrer auf Herausgabe zugebilligt worden war 34 • Erkenntnisse zur dinglichen Rechtslage sind hieraus jedoch nicht zu gewinnen. Schließlich soll eine Quelle behandelt werden, deren Verbindung mit der vorweggenommenen Erbfolge enger scheint als die der im übrigen behandelten Stellen. Es handelt sich um D 32.37.3 35 • Dort hatte ein Vater seinem Sohn zu Quaero, an donatio tibi videatur, ... si color vel titulus, ut sie dixerim, donationi quaesitus est, nihil valebit traditio idem si hoc exigit uxor, ut aliquid ex ea re interim commodi sentiret maritus: alioquin si solo eius ministerio usa est et id egit, ut vel revocare sibi liceret vel ut res cum omni emolumento per patrem postea ad filium transiret, cur non idem perinde sit ratum ac si cum extraneo tale negotium contraxisset, hoc est extraneo in hanc causam tradidisset?"; vgl. dazu Erbe, Die Fiduzia, S. 136ff. 31 vgl. in diesem Zusammenhang auch D 31.17pr: "Si quis Titio decem legaverit et rogaverit, ut ea restituat Maevio, Maeviusque fuerit mortuus, Titii commodo cedit, non heredis, nisi dumtaxat ut ministrum Titium elegit: idem est et si ponas usum fructum legatum". Titius soll Vermächtnisinhaber bleiben, sofern er nicht als bloße Mittelsperson oder Nießbraucher eingesetzt war. 32 D 16.3.26 pr: "Publia Maevia cum proficisceretur ad mariturn suum, arcam clusam cum veste et instrumentis commendavit Gaiae Sciae et dixitei: cum sana salvave venero, restitues mihi: certe, si aliquid mihi humanum contigerit, filio meo, quem ex alio marito suscepi. defuncta ea intestata desidero res commendatae cui restitui debeant, filio an marito. Paulus respondit filio"; vgl. dazu Hellwig, Verträge S. 2f. 33 vgl. Hellwig, Verträge S. 3. 34 Mitteis, Römisches Privatrecht S. 107 Fn. 11 a; Bruck, GrünhutsZ Bd. 40, 553. 3S "Pater emancipato filio bona sua universa ... non mortis causa donavit et stipulatus est a filio in haec verba: ... si vivam mihi aut cui ego volam reddantur restituantur, stipulatus est Lucius Titus pater, spopondit Lucius Titius filius. idem pater decedens epistulam fideicommissariam ad filium suum scripsit in haec verba: ... uti des praestes illi et illi certarn pecuniam: et Lucrionem servum meum liberum esse volo. quaesitum est, cum filius patris nec bonorum possessionem acceperit nec ei heres exstiterit, an ex epistula fideieommissa et libertatem prestare debeat. respondit, etsi neque hereditatum adisset
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
Lebzeiten sein gesamtes Gut übertragen, dabei aber den Vorbehalt erklärt, daß er die Herausgabe des Vermögens an sich oder Dritte jederzeit verlangen könne, ferner, daß der Vertragsgegenstand beim Tode des Sohnes an den Vater oder an einen von ihm zu bestimmenden Dritten herauszugeben sei. Nachdem der Vater vor seinem Ableben von seinem Bestimmungsrecht Gebrauch gemacht hatte, berief sich der Sohn darauf, daß er nach Ausschlagung der Erbschaft nicht als Erbe hafte und ihm das Vermögen lebzeitig übertragen worden sei. Scaevola entschied, daß der Sohn sowohl der Klage der Erben des Vaters als auch der des Begünstigten ausgesetzt sei. Savigny 36 hat in der Erkenntnis, daß es sich nicht um eine donatio mortis causa, sondern um eine gewöhnliche, wenn auch widerrufliche Schenkung handele, daraus den Schluß gezogen, beide Schenkungsformen hätten mit einem fideicommissum belastet werden können 37 . Hellwig 38 sieht hierin einen Vorläufer des dem römischen Recht sonst unbekannten Vertrages zugunsten Dritter, da dem begünstigten Dritten ein Klagerecht gegen den Versprechenden (Sohn) zugebilligt wurde. Wertet man die behandelten Quellen insgesamt, so ergeben sich folgende Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen den geschilderten Rechtsinstituten und der vorweggenommenen Erbfolge: Verschiedentlich fehlt die Vergleichbarkeit, weil der Treuhänder erst nach dem Tode des Erblassers Verfügungsbefugnisse an dem Gegenstand der Erbschaft erwarb; nach heutigem Verständnis tendieren diese Rechtsverhältnisse zu den letztwilligen Verfügungen, da es an einem lebzeitigen Vollzug fehlt. Teilweise bleibt die Stellung des Treuhänders unklar, weil im Vordergrund allein das Obhutsverhältnis an der Sache sowie die Herausgabepflicht an den Begünstigten stand. Von einem lebzeitigen Rechtsgeschäft scheint man jedoch auch im römischen Recht nur dann ausgegangen zu sein, wenn die Übergabe an den Treuhänder bereits zu Lebzeiten des Erblassers erfolgte, so etwa im Fall der Grundstücksübergabe. Die letztgenannte Quelle schließlich zeigt, daß der Sachverhalt der vorweggenommenen Erbfolge dem römischen Recht zwar nicht völlig fremd war, die damit verbundenen Fragestellungen jedoch von den heutigen entscheidend abwichen. Jedenfalls wenn man die Auffassung Savignys zugrunde legt, deutet die erbrechtliche Haftung des zu Lebzeiten Beschenkten auf einen Zusammenhang derartiger Rechtsgeschäfte mit der donatio mortis causa und den letztwilligen Verfügungen, auf den im folgenden noch näher einzugehen sein wird. Insgesamt bleiben jedoch die verwertbaren Ansatzpunkte geringfügig; sicher ist nur, daß im römischen Recht, ähnlich wie im heutigen, Dritte in die Abwicklung letztwilliger Verfügungen oder solcher lebzeitiger Rechtsgeschäfte, die Auswirkungen auf den Erbfall hatten, einbezogen werden konnten. neque bonorum possessionem petisset et nihil ex hereditate possideret, tarnen nihilo minus et ex stipulatu ab heredibus patris et fideicommisso ab his quorum interest quasi debitorem conveniri posse, maxime post constitutionem divi Pii, quae hoc induxit". 36 System Bd. IV S. 275. 37 Dagegen Hellwig, Verträge S. 10f. 38 Verträge S. 12.
2. Die donatio mortis causa
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2. Die donatio mortis causa a) Die donatio mortis causa im römischen Recht
Für das historische Verständnis der vorweggenommenen Erbfolge tritt neben die fiducia als zweite Erkenntnisquelle des römischen Privatrechts die donatio mortis causa. Dies folgt daraus, daß sie zum einen nach der hier vertretenen Auffassung einen Teilbereich der lebzeitigen Vererbung erfaßt und zudem im römischen Recht als Ersatz für ein besonderes Rechtsinstitut dienen mußte, welchem nach germanischem Recht unter der Bezeichnung Gutsabtretung eine wesentliche Bedeutung zukam. Die Beziehung zwischen donatio mortis causa und vorweggenommener Erbfolge ergibt sich insbesondere aus der inhaltlich sehr umstrittenen Stelle D 39.6.42 pr 39 , die eine Schenkung unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs zugunsten der Schenkerin enthält, mithin eine Konstellation, die sich in Übereinstimmung mit vielen heutigen Vertragsgestaltungen der vorweggenommenen Erbfolge befindet.
aa) Die Rechtsnatur der donatio mortis causa
Im klassischen römischen Recht war die donatio mortis causa kein eigener Rechtsgeschäftstyp, sondern lediglich die causa, die das entsprechende Zuwendungsgeschäft rechtfertigte 40 ; letzteres konnte ebenso in der Übereignung einer Sache wie in der Begründung oder dem Erlaß einer Forderung liegen 41 . Die donatio selbst beruhte damit zwar auf einer Willensübereinstimmung der Parteien 42 , erzeugte jedoch grundsätzlich keine schuldrechtlichen Beziehun39 "Seia cum bonis suis traditionibus factis Titio cognato donationis causa cessisset, usum fructum si bi recepit et convenit, ut, si Titius ante ipsam vita decessisset, proprietas ad eam rediret, si postea superstitibus liberis Titii mortua fuisset, tunc ad eos bona pertinerent. igitur si res singulas heredes Lucii Titii vindicent, doli non inutiliter opponetur exceptio. bonae fidei autem iudicio constituto quaerebatur, an mulier promittere debeat se bona, cum moreretur, filiis Titii restituturam. incurrebat haesitatio non extorquendae donationis, quae nondum in personam filiorum initium acceperat. sed numquid interposita cautione prior donatio, quae dominio translato pridem perfecta est, propter legern in exordio datam retinetur, non secunda promittitur? utrum ergo certae condicionis donatio fuit an quae mortis consilium ac titulum haberet? sed denegari non potest mortis causa factam videri. sequitur, ut soluta priore donatione, quoniam Seia Titio superstes fuit, sequens extorqueri videatur. muliere denique postea diem functa liberi Titii si cautionem ex consensu mulieris acceperint, constributioni propter Falcidiam ex persona sua tenebuntur"; vgl. dazu Simonius, Donatio mortis causa S. 155ff.; Amelotti, Donatio mortis causa S. 106ff.; Di Paola, Donatio mortis causa S. 158ff.; Kaser, Revue d'histoire du Droit 1959, 215ff.; Haymann, ZRG Rom. Abt. Bd.38, 209ff.; Erbe, Die Fiduzia S.129ff. 40 Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 S. 602; Harder, Zuwendungen S. 55 f.; Simonius, Donatio mortis causa S. 198 ff.; Schwarz, Die Grundlage S. 166 ff., zur Schenkung auf den Todesfall nach griechischem Recht vgl. Bruck, Die Schenkung auf den Todesfall S. 19 ff. 41 Kaser, Römisches Privatrecht Bd. 1 S. 601; Harder, Zuwendungen S. 56. 42 Schulz, Classical Roman Law S.566; Simonius, Donatio mortis causa S. 199 mwNachw.; einschränkend Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd S.602 Fn. 15 unter
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
gen 43 • War die Entstehung obligatorischer Rechtsbeziehungen gewollt, so erforderte dies neben der Rechtsgrundabrede die Abgabe eines formalen Leistungsversprechens, d. h. einer stipulatio 44 • Im übrigen scheint die dogmatische Behandlung der donatio den Klassikern wenig Schwierigkeiten bereitet zu haben; allein die Einschränkung ihres Anwendungsbereiches war Gegenstand verschiedener leges 45 , auf die noch einzugehen sein wird. Ferner läßt sich feststellen, daß die donatio mortis causa den vorgenannten Regeln des allgemeinen römischen Schenkungsrechtes folgte. Auch die Schenkung von Todes wegen bildete lediglich den Rechtsgrund zum Behaltendürfen des zugewendeten Gegenstandes 46 • Allerdings bezog sich die Gleichbehandlung von donatio mortis causa und Schenkung nicht ohne weiteres auf den Charakter des Rechtsgeschäfts. Die Frage, ob es sich bei der donatio mortis causa um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder um eine Verfügung von Todes wegen handelte, ist nicht unumstritten 47 • Gerade aber einer solchen Problemstellung kommt im Zusammenhang mit der vorweggenommenen Erbfolge besondere Bedeutung zu. Sofern das römische Recht auf die donatio mortis causa die Regeln über lebzeitige Rechtsgeschäfte anwendete, ist es von Interesse, welche Anforderungen an das notwendige Ausführungsgeschäft gestellt wurden. Hieraus lassen sich u. U. Anhaltspunkte für die heutige Abgrenzung zwischen beiden Rechtsgeschäftsarten gewinnen. Daneben kann aufschlußreich sein, welche Konsequenzen das römische Recht aus der Verwandtschaft der donatio mortis causa mit den Legaten zog.
Hinweis auf D 24.1.5.6: "Si donationis causa vir vel uxor servitute non utatur, puto amitti servitutern, verum post divortium condici posse". 43 Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 246. 44 Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S.246; Harder, Zuwendungen S.56; das formlose Versprechen wurde erst imjustinianischen Recht als gültig angesehen, Inst. 2.7.2: . .. "perficiuntur autem, cum donator suam voluntatem scriptis aut sine scriptis manifestaverit" . 45 Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S 602; Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S. 246; Schulz, Classical Roman Law S. 567 f. 46 Harder, Zuwendungen S. 56; Amelotti, Donatio mortis causa S. 54ff., vgl. dazu die Besprechung Kasers in ZRG Rom. Abt. Bd. 71,448, der dies als feststehende Erkenntnis bezeichnet; ferner Schwarz, Die Grundlage S. 167f. 47 z. T. wird angenommen, das klassische römische Recht habe eine derartige Kategorisierung nicht gekannt, vgl. Amelotti, Donatio mortis causa S. 32; Kaser, ZRG Rom. Abt. Bd.71, 449; einschränkend in: Revue d'histoire du Droit 1959, 213; a.A. Harder, Zuwendungen S.62 unter Hinweis auf Gai Inst. III 158: "Item si quis quid mihi post mortem meam faciendum mihi mandet, inutile mandatum est, quia generaliter placuit ab heredis personam obligationem incipere non posse". M. E. ist Kaser dahingehend zu verstehen, daß die römischen Klassiker nach seiner Auffassung den Unterschied zwar kannten, daraus jedoch infolge ihres geringen Systematisierungsbedürfnisses keine Schlüsse zogen.
2. Die donatio mortis causa
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Ausgangspunkt für die unterschiedlichen Auffassungen in der rechtsgeschichtlichen Literatur sind drei Stellen aus der justinianischen Kodifikation, die auf einen vorangegangenen Schulstreit über das Wesen der donatio mortis causa aufmerksam machen 48 • Die Schlüsse, die hieraus hinsichtlich der Rechtsnatur dieses Institutes bezogen werden, sind konträrer Art. Ungeklärt ist dabei, ob ein derartiger Meinungsstreit unter den römischen Juristen der klassischen Zeit wirklich bestanden hat 49 • Verneint man ihn, so bleibt ungelöst, ob die Ausführungen Justinians völlig der geschichtlichen Grundlage entbehren oder auf die nachklassische Zeit bezogen sind 50. Es soll den verschiedenen Vermutungen an dieser Stelle keine weitere hinzugefügt werden. Als gesichert darf jedoch gelten, daß die donatio mortis ursprünglich als lebzeitiges Rechtsgeschäft behandelt wurde 51 • Ebenso gewiß erscheint es indessen, daß bereits das klassische Recht die donatio mortis causa in mancher Beziehung den letztwilligen Rechtsgeschäften, d. h. den Legaten gleichgestellt hat. Gerade hieraus läßt 48 C. 8.56(57).4: "Cum de mortis causa donatione dubitabatur et alii quidem inter ultimas voluntates eam posuerunt et legatis adgregandam esse censuerunt, alii autem inter donationes quae inter vivos consistunt eam posuerunt ... "; Inst. 2.7.1 " ... nam cum prudentibus ambiguum fuerat, utrum donationis an legati instar eam optinere oporteret, et utriusque causae quaedam habebat insignia et alii ad aliud genus eam retrahebant: a nobis constitutum est, ut per omnia fere legatis connumeretur ... "; Nov. 87 praef: " ... Scientes autem, quod nos invenientes veteres legislatores dubitantes de mortis causa donatione, quando donatio aut legatum est, et alios quidem adnumerantes eam donationi alios vero legato ... ". 49 vgl. Sirnonius, Donatio mortis causa S. 3 ff.; Arnelotti, Donatio mortis causa S. 204ff.; di Paola, Donatio mortis causa S.249ff.; Schindler, Justinians Haltung zur Klassik S. 19ff. 50 Sirnonius, Donatio mortis causa S. 4ff.; Arnelotti, Donatio mortis causa S. 204ff. 51 Dafür spricht D 39.6.38: "Inter mortis causa donationem et omnia, quae mortis causa quis ceperit, est earum rerum differentia: Nam mortis causa donatur quod praesens praesenti dat, mortis causa capi intellegitur et quod non cadit ... ". Da die Schenkung grundsätzlich nicht die Anwesenheit der Parteien erforderte, haben die Worte "praesens praesenti" die Bedeutung "unter Lebenden", Harder, Zuwendungen S.57; Sirnonius, Donatio mortis causa S. 7; Arnelotti, Donatio mortis causa S. 26ff. In diese Richtung deutet auch C. Th 8.12.1: "Et corporalis traditio subsequator ad excludendam vim adque inreptionem ... ". Die Quelle stammt aus dem Jahre 361 oder 323, vgl. dazu Pharr, The Theodosian Code S. 212 und Sirnon, Konstantinisches Kaiserrecht S. 84ff.; diese Einordnung der donatio mortis causa entspricht der überwiegenden Auffassung in der rechtsgeschichtlichen Literatur. Auch Justinian hat sie nicht strukturell, sondern in den Rechtsfolgen den Legaten gleichstellen wollen, vgl. C 8.56 (57). 4; ferner Inst. 2.7.1: "Donationum autem duo genera sunt: mortis causa et non mortis causa"; dazu v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 662; Karlowa, Römische Rechtsgeschichte S. 947; JörsKunkel-Wenger, Römisches Recht S.360f.; Simonius, Donatio mortis causa S.6. Daneben wird die Ansicht vertreten, sie sei ein Rechtsgeschäft unter Lebenden mit Wirkung auf den Todesfall, Bruck, ZRG Rom. Abt. Bd. 33, 571, oder ein Rechtsgeschäft unter Lebenden und eine Verfügung von Todes wegen, Weiß, Institutionen S. 592; ähnlich Sirnonius, Donatio mortis causa S. 8; kritisch Harder, Zuwendungen S. 56; Kaden, ZRG Rom. Abt. Bd. 76, 622; abwegig die Meinung Brodes, Schenkung von Todes wegen S. 18, die donatio mortis causa sei nur Verfügung von Todes wegen. Wenig hilfreich ist auch die Formulierung Reinickes, Unmittelbare Schenkungen S. 74, der von einem "Zwittergebilde" spricht.
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1. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
sich der Schluß ziehen, daß die Schenkung auf den Todesfall grundsätzlich keine Verfügung von Todes wegen war. Für sie galten die Verbotsnormen, welche die Legate einschränkten, um eine Umgehung dieser Regeln durch Anwendung des Schenkungsrechtes zu verhindern 52. Daneben unterstellte man die donatio mortis causa der Lex Iulia et Papia Poppaea. Sie verbot den mit dem Erblasser nicht verwandten ehe- und kinderlosen Personen den Erbschafts- oder Legatserwerb vollständig bzw. im gewissen Umfang 53 • Schließlich bestand die Möglichkeit, die donatio mortis causa ebenso wie das Legat mit einem fideicommissum zu belasten 54. Aus diesen Gründen erscheint die Deutung Kasers überzeugend, daß der eingangs geschilderte Schulenstreit, den die justinianische Kodifikation an mehreren Stellen erwähnt, tatsächlich stattgefunden hat. Er könnte sich durchaus auf den "Verwandtschaftsgrad" der Legate und der donationes mortis causa in der Klassik bezogen haben 55. Die justinianische Gesetzgebung führte sodann die Angleichung der donatio mortis causa an die Legate im verstärkten Umfang durch, ohne allerdings den Rechtscharakter der Schenkung von Todes wegen damit ändern zu wollen S6. Grundlage dieser gesetzgeberischen Entscheidung war die bereits zitierte Konstitution C 8.56(57)57. Interessant ist hieran vor allem, daß die donatio 52 vgl. Gai Inst. 11 226: "Ideo postea lata est lex Voconia, qua cautum est, ne cui plus legatorum nomine mortisve causa capere liceret, quam heredes caperent. ex qua lege plane quidem aliquid utique heredes habere videbantur. sed tarnen fere vitium simile nascebatur: nam in multas legatariorum personas distributo patrimonio poterat testator adeo heredi minimum relinquere, ut non expediret heredi huius lucri gratia totius hereditatis onera sustinere." Die lex Falcidia (Gai lost. 11 227: "Lata est itaque lex Fa1cidia, qua cautum est, ne plus ei legare liceat quam dodrantem. itaque necesse est, ut heres quartam partem hereditatis habeat. et hoc nunc iure utimur. ") wurde später auf die donatio mortis causa ausgedehnt, vgl. C 6.50.5: "Si mortis causa immodicas donationes in sororem tuam matrem contulisse probare potes, legis Falcidiae ratione secundum constitutionem divi Severi avi mei uti potes"; ferner D 39.6.42 pr: "muliere denique postea diem funeta liberi Titii, si cautionem ex consensu mulieris acceperint, contributioni propter Fa1cidiam ex persona sua tenebuntur"; dazu Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 764; Schulz, Classical Roman Law S. 332; Harder, Zuwendungen S. 64; ausf. Simonius, Donatio mortis causa S. 31 ff. 53 D 39.6.35 pr: "Senatus censuit placere mortis causa donationes factas in eos, quos lex prohibet capere, in eadem causa haberi, in qua essent, quae testamento his legata essent, quibus capere per legern non liceret"; weitere Einzelheiten bei Simonius, Donatio mortis causa S. 38 ff. 54 °D 31.77.1: "Eorum, quibus mortis causa donatum est, fidei committi quoquo tempore potest: quod fideicommissum heredes salva Fa1cidiae ratione, quam in his quoque donationibus exemplo legatorum locum habere placuit, praestabunt"; vgl. auch Schulz, Classical Roman Law S. 332; Simonius, Donatio mortis causa S. 71 ff. 55 Kaser, ZRG Rom. Abt. Bd. 71, 448; offen bleibt allerdings, warum keine der Quellen, die die Anwendung der Legatsvorschriften auf die donatio mortis causa anordnet, auf die Streitfrage eingeht, vgl. Schindler, lustinians Haltung zur Klassik S. 14f. und Rastätter, Marcelli notae S. 81. 56 v. Vangerow, Pandecten Bd. 11 S. 668; Harder, Zuwendungen S. 65. 57 "Sed ita res procedat, ut, si quinque testibus praesentibus vel in scriptis .. aliquis voluerit mortis causam donationem facere ... "; ausf. dazu Simonius, Donatio mortis causa S. 74ff.; Voci, Diritto ereditario S. 468ff.
2. Die donatio mortis causa
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mortis causa den Formvorschriften für die Errichtung eines Kodizills unterworfen wurde 58 • Bereits aus der Zeit vor der justinianischen Kodifikation und nicht aus dem oströmischen Rechtskreis stammt das generelle Reurecht des Schenkers, welches ebenfalls eine deutliche Vergleichbarkeit mit den letztwilligen Verfügungen beweist 59. Im Corpus iuris selbst war diese Rechtsauffassung schon so verfestigt, daß in der Nov. 87 praef nur der Verzicht auf das generelle Widerrufsrecht bei der donatio mortis causa normiert wurde 60 , die Befugnis als solche hingegen durch die Gleichstellung mit den Legaten hinreichend begründet erschien. Diese Behandlung der donatio mortis causa im römischen Recht erlaubt einige Rückschlüsse auf die dogmatische Behandlung des Übergabevertrages. Sie zeigen, daß die donatio mortis causa jedenfalls im klassischen römischen Recht ein Rechtsgeschäft inter vivos war 61 • Die eingangs genannten Stellen im Corpus iuris civilis zwingen nicht zu der Annahme, daß Justinian diese Einordnung aufheben wollte. Andererseits standen die rechtlichen Auswirkungen der donatio mortis causa in ihrer Vollendung im Zusammenhang mit dem Tode des Schenkers, d. h. mit dem Erbfall. Hieraus folgerte bereits die Klassik eine Verwandtschaft von lebzeitigem Rechtsgeschäft und Verfügung von Todes wegen. Der Zusammenhang zwischen beiden Rechtsgeschäftstypen wurde durch die besondere Zwecksetzung der donatio mortis causa hergestellt, die sie von den allgemeinen Schenkungen unterschied. Ähnlich wie bei der letztwilligen Verfügung ging die Absicht des Schenkers dahin, das endgültige Schicksal des Zuwendungsgegenstandes erst für die Zeit nach seinem Tode zu bestimmen 62 • Das gilt für beide überlieferten Fälle der 58 vgl. dazu Voci, Diritto ereditario S. 97; hinsichtlich des Anwendungsbereiches der Formvorschriften gibt es unterschiedliche Auffassungen, vgl. v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 668. 59 Paul. sent. 3.7.2: "Donatio mortis causa cessante valetudine et sequente sanitate, paenitentia etiam revocatur: morte enim tantummodo convalescit". 60 " ••. et si hoc actum fuerit licentiam habere renuntiare et hoc ipsum posse per paenitentiam huiusmodi donationem revocare ... "; dies war beim Legat nicht möglich, D 32.22 pr: "Si quis in principio testamenti adscripserit: cui bis legavero, semel deberi volo, postea eodem testamento vel codicillis sciens saepe eidern legaverit, suprema voluntas potior habetur: nemo enim eam sibi po test legern dicere, ut apriore ei recedere non liceat. sed hoc ita locum habe bit, si specialiter dixerit prioris voluntatis sibi paenituisse et voluisse, ut legatarius plura legata accipiat"; Justinian bezieht sich für seine Regelung wohl aufD 39.6.13 pr: "Si alienam rem mortis causa donavero eaque usucapta fuerit, verus dominus eam condicere non potest, sed ego, si convaluero." ... ; vgl. Simonius, Donatio mortis causa S. 107; Schind/er, Justinians Haltung zur Klassik S. 18. Daß das Widerrufsrecht in der Klassik nicht galt, entspricht der überwiegenden Ansicht, vgl. die Nachw. bei Kaser, Römisches Privatrecht 2. Bd. S. 125ff. und S. 565 Fn. 12, wird jedoch von Voci, Diritto ereditario S. 464 in Zweifel gezogen. Auführlich dazu Rastätter, Marcelli notae S. 75 ff. Vgl. dazu auch die Besprechung von Krampe, Tidschrift voor Rechtsgeschiedenis 1984, 58. 61 Cohen, Schenkung von Todeswegen S. 167; Vering, Römisches Erbrecht S. 805. 62 Brode, Über das Verhältnis S. 16; Harder, Zuwendungen S. 56; Kaden, ZRG Rom. Abt. 76, 622; vgl. auch Pernice, Labeo Bd. III S. 266, Schwarz, Die Grundlage S. 168.
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
donatio mortis causa, sei es, daß sie "periculo imminente" oder "sola cogitatione mortalitatis"63 vorgenommen wurde, wobei der erstgenannte Fall der typische gewesen sein kann 64 • Die Entwicklung bis hin zumjustinianischen Recht zeigt, daß der besonderen Zwecksetzung anfänglich in geringerem, später in stärkerem Maße dadurch Rechnung getragen wurde, daß die für Legate erlassenen Regeln auf die donatio mortis causa ausgedehnt wurden. Dies geschah nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt, im Wege des Formzwanges eine Umgehung der erb rechtlichen Rechtsformen zu verhindern, ein Gesichtspunkt, dem auch in der heutigen Diskussion zur Abgrenzung von lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften Bedeutung zukommt. - Unberührt blieb dabei aber das grundsätzliche Verständnis der Schenkung auf den Todesfall als lebzeitiges Rechtsgeschäft. Aber auch ein weiterer Gesichtspunkt erscheint von Interesse. Im Zusammenhang mit der Umgehungsproblematik berücksichtigte das römische Recht stets die Auswirkungen der donatio mortis causa auf die Nachlaßbeteiligten. Neben der Anwendung der Lex Falcidia, die seit Severus auch für die donatio mortis causa galt 65 , was dazu führte, daß die lebzeitigen Schenkungen zwecks Ermittlung der falcidischen Quart dem Nachlaß zugerechnet wurden, zeigt sich diese Tendenz in der Gewährung der querela inofficiosae donationis gegen den Beschenkten 66 • Es handelte sich dabei um eine Klage, mit der nahe Verwandte 63 vgl. dazu D 39.6.2: "Iulianus libro septima decimo digestorum tres esse species mortis causa donationum ait, unam, cum quis nullo praesentis periculi metu conterritus, sed sola cogitatione mortalitatis don at. aliam esse speciem mortis causa donationum ait, cum quis imminente periculo commotus ita donat, ut statim fiat accipientis. tertium genus esse donationis ait, si quis periculo motus non sic det, ut statim faciat accipientis, sed tunc demum, cum mors fuerit insecuta"; ferner D 39.6.31.2: " ... rursus id, quod mortis causa donatur, aut in periculum mortis datur aut cogitationem mortalitatis, quod nos quandoque morituros intellegimus"; und D 39.6.35.4: "Mortis causa donatio fit multis modis: alias extra. suspicionem ullius periculi a sanD et in bona valetudine posito et cui ex humana sorte mortis cogitatio est: alias ex metu mortis aut ex praesenti periculo aut ex futuro, si quidem terra marique, tarn in pace quam in bello et tarn domi quam militiae multis generibus mortis periculum metui po test" . . .. Z. T. wird die Schenkung "sola cogitatione mortalitatis" nicht als eine klassische Rechtsform angesehen, vgl. Simonius, Donatio mortis causa S. 79 ff.; die Paola, Donatio mortis causa S. 183 ff.; a. A. Harder, Zuwendungen S. 61; Amelotti, Donatio mortis causa S. 10ff.; Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 764Fn. 4; ZRG Rom. Abt. Bd. 71, 448; Revue d'histoire du Droit 1959, 214; Kaden, ZRG Rom. Abt. 76, 624f. 64 Karlowa, Römische Rechtsgeschichte S. 945; Harder, Zuwendungen S. 61. 65 C 6.50.5: "Si mortis causa immodicas donationes in sororem tuam matrem contulisse probare potes, legis Fa1cidiae ratione secundum constitutionem divi Severi avi mei uti potes"; C 8.56(57).2.2.: "Sed si mortis causa donationem in fratrem suum conferens in casum mortis suae eam dotem eundem fratrem suum stipulari passa est, cum divi Severi constitutione etiam in mortis causa donationibus, si de cetero patrimonio quantum Falcidia iubet heres non habet, provisum sit, is qui nurui tuae heres extiterit eius constitutionis beneficium non prohibebitur postulare"; vg. Senn, Etudes S. 109. 66 D 31.87.3: " ... Si liquet tibi, Iuliane carissime, aviam intervertendae inofficiosi querellae patrimonium suum donationibus in nepotem factis exinanisse, ratio deposcit id, quod donatum est, pro dimidia parte revocari"; C 8.56(57).3: "Nec fratris sui mortis causa recte factam donationem sorori rescindere licet". Ausf. dazu Simonius, Donatio mortis
2. Die donatio mortis causa
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gegen lebzeitige Schenkungen vorgehen konnten, die den Nachlaß übennäßig verringerten, mithin um Vorläufer der heutigen Pflichtteilsergänzungsansprüche gemäß §§ 2325ff. BGB. Die Nachlaßgläubiger wurden dadurch geschützt, daß der Beschenkte den Zuwendungsgegenstand herausgeben mußte, sofern der sonstige Nachlaß nicht ausreichte, um die Schulden des Erblassers zu bezahlen 67 . Die genannten Quellen zeigen, daß wahrscheinlich schon im klassischen, sicher aber im justinianischen Recht umfangreiche Überlegungen zu der Frage angestellt wurden, wie die Nachlaßbeteiligten, d.h. die Erbberechtigen und die Nachlaßgläubiger, gegen nachteilige lebzeitige Vergaben geschützt werden konnten. Im engen Zusammenhang damit steht das Problem der Anforderungen, die das römische Recht an das Ausführungsgeschäft der donatio mortis causa stellte. Der lebzeitige Vollzug durch Übertragung bedingte, daß Nachlaßgläubiger und Pflichtteilsberechtigte nicht in unangemessener Weise benachteiligt wurden und schloß die Umgehung erbrechtlicher Grundsätze aus. Der letztgenannte Aspekt war dem römischen Recht bekannt und u. U. wichtiger Anlaß für die weitgehende Gleichstellung von Legat und donatio mortis causa. bb) Das AusjUhrungsgeschäjt
Die Frage nach der Ausfonnung des Zuwendungsgeschäftes stellte sich für das römische Recht deshalb im verstärkten Maße, weil die donatio selbst keinen Rechtsgeschäftstypus bildete 68 • Im Regelfall der donatio mortis causa in drohender Lebensgefahr wurde der Beschenkte meist unbedingter Vollrechtsinhaber; überlebte der Schenker die Gefahr, so war der Beschenkte einer condictio oder actio in factum ausgesetzt 69 • Entsprechend stellte sich die dingliche causa S. 58ff.; v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 666f.; Krüger, ZRG Rom. Abt. Bd.60, 80ff. 67 D 39.6.17: "Etsi debitor consilium creditorum fraudandorum non habuisset, avelli res mortis causa ab eo donata debet. nam cum legata ex testamento eius, qui solvendo non fuit, omnimodo inutilia sint, possunt videri etiam donationes mortis causa factae rescindi debere, quia legatorum in star optinent"; vgl. v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 664; die Klassizität dieser Quelle ist umstritten; vgl. Simonius, Donatio mortis causa S. 217 ff.; Bund, Untersuchungen S. 209; Senn, Etudes S. 111. 68 Simonius, Donatio mortis causa S. 111; vgl. ferner oben I/2/a/aa. 69 D 12.1.19 pr: " ... veluti si Titio decem dedero, ut Stichum intra kalendas manumitteret, ante kalendas nullam actionem habebo, post kalendas ita demum agere potero, si manumissus non fuerit"; D 39.6.18.1: ... "Si donaturus mihi mortis causa debitorem tuum creditori meo delegaveris, omnimodo capere videbor tantam pecuniam, quanta a creditore mea liberatus fuero. quod si ab eodem ego stipulatus fuero, eatenus capere existimandus ero, quatenus debitor solvendo fuerit: nam et si convaluisset creditor idemque donator, condictione aut in factum actione debitoris obligationem dumtaxat reciperet"; D 39.6.35.3: " ... nec dubitaverunt Cassiani, quin condictione repeti possit quasi re non secuta propter hanc rationem". Weitere Quellenbsp. bei di Paola, Donatio mortis causa S.72-74; Simonius, Donatio mortis causa S.111; Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.764; ZRG Rom. Abt. Bd.71, 453 zum Problem der wahlweise gegebenen actio in factum vgl. Misera, Der Bereicherungsgedanke S. 231 Anm. 90.
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
Rechtsposition des Beschenkten aber auch dar, wenn die Schenkung nicht "in periculo imminente", sondern in bloßer "cogitatione mortalitatis" vorgenommen wurde 70. Hieraus ist ersichtlich, daß der Vollzug der donatio mortis causa regelmäßig Erfüllung der zugrunde liegenden causa bedeutete. Daneben trat in seltenen Fällen die aufschiebend bedingte Rechtsübertragung, die mit dem Tode des Schenkers zur vollen Wirksamkeit gelangte 71, sofern der Beschenkte selbst zu diesem Zeitpunkt noch lebte 72 • Auch eine solche Vereinbarung gewährte dem Beschenkten eine dingliche Rechtsposition an dem Zuwendungsgegenstand. Der Unterschied lag in der Ausgestaltung des Rückforderungsrechtes. Der Ausfall der Bedingung führte dazu, daß der Schenker nicht auf die condictio verwiesen blieb, sondern die geschenkte Sache als Eigentümer mit der rei vindicatio herausverlangen konnte 73. Den unterschiedlichen Formen des Ausführungsgeschäftes ist damit gemeinsam, daß der Beschenkte zumindest aufschiebend bedingter Eigentümer der Sache wurde, regelmäßig auch Besitz hieran erlangte 74. Daneben kannte das römische Recht weitere Vollzugsgeschäfte für die donatio mortis causa, so z. B. die stipulatio mortis causa. Das Verhältnis dieser Rechtsfigur zur donatio mortis causa begegnet nicht unerheblichen Schwierigkeiten und hat Anlaß zu verschiedenen Auffassungen gegeben. Sehr weitgehend erscheint der aus der Existenz der stipulatio mortis causa abgeleitete Schluß Harders, im römischen Recht hätten beide Rechtsinstitute als Hand- und Versprechensschenkung gleichwertig nebeneinander bestanden 7s . Diese Be70 D 39.6.2; D 39.6.31.2; D 39.6.35.4; zum Streit über die Klassizität dieser Schenkungsform vgl. oben Ij2/a/aaj - Fn. 47, ferner Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.764; Schulz, Classical Roman Law S. 331. Nach Simonius, Donatio mortis causa S. 113 bedurfte es zur Begründung der condictio des Schenkers im Falle des Vorversterbens des Beschenkten einer besonderen Parteiabrede. 71 D 39.6.2. ad fi (vgl. zum Wortlaut Ij2/a/aa/ Fn. 63); Jörs-Kunkel-Wenger, Römisches Recht S.361; Harder, Zuwendungen S.59; umstritten ist, ob diese Rechtsform die ursprüngliche war, vgl. Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 764 Fn. 5; Haymann, ZRG Rom Abt. Bd. 38,225 Fn. 1; Senn, Etudes S. 66ff. 72 Karlowa, Römische Rechtsgeschichte S. 945f.; Schwarz, Die Grundlage S. 166ff. 73 D 24.1.11 pr: "Sed interim res non statim fiunt eius cui donatae sunt, sed tunc demum, cum mors insecuta est. medio igitur tempore dominium remanet apud eum qui donavit"; Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.764; Schulz, Classical Roman Law S. 331; Mitteis, Römisches Privatrecht S. 189; Harder, Zuwendungen S. 59; daneben gab es die fiduziarische Übereignung unter Vorbehalt der Rückübereignung bei Vorversterben des Beschenkten, vgl. D 39.6.42 pr (zum Wortlaut vgl. oben I/2jajaaj Fn. 39); Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 764; Haymann, ZRG Rom. Abt. Bd. 38,209 ff.; Simonius, Donatio mortis causa S. 95 ff.; dem byzantinischen Recht gehört die resolutiv bedingte Überei&nung an, Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.764; ausf. Simonius, Donatio mortis causa S. 208 ff. 74 Simonius, Donatio mortis causa S. 92; Schwarz, Die Grundlage S. 166 und Fn. 1. 7S Zuwendungen S. 62 und 93 f.
2. Die donatio mortis causa
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trachtungsweise erweckt den Eindruck, als habe das römische Recht ein derartiges Rechtsgeschäft ohne "Anwartschaft" des Erwerbers anerkannt 76 • Eine solche Schlußfolgerung ist jedoch nicht zweifelsfrei zu belegen. Auch Simonius 77, auf den sich Harder allein bezieht, trifft keine dahingehende Aussage. Simonius behandelt zwar die stipulatio mortis causa als Nebenform der donatio mortis causa, stellt sie jedoch in den Zusammenhang der Schenkungen, die keine Sache zum Gegenstand hatten. Damit wird zunächst nur zum Ausdruck gebracht, daß Zuwendungsgegenstand einer donatio mortis causa nicht nur eine Sache sein konnte, sondern, daß darüber hinaus beispielsweise auch eine Forderungsbegründung, eine Anweisung 78 oder ein Schulderlaß in Frage kamen 79 • War aber die Begründung oder Aufhebung einer obligatio Schenkungsgegenstand, dann kam als Ausführung des Kausalgeschäftes keine datio in Betracht, sondern nur eine bedingte oder unbedingte Forderungsbegründung, vergleichbar der vollen oder bedingten Eigentumsübertragung bei der Sachschenkung 80 • Sofern ein solcher Schenkungsgegenstand in Betracht stand, war die stipulatio als formgebundenes Leistungsversprechen von besonderer Bedeutung das angemessene Ausführungsgeschäft 81 • Das Versprechen konnte z. B. im Falle der Delegation auch von dem Angewiesenen gegenüber dem Begünstigten erklärt werden. Gegen die Annahme, eine donatio mortis causa habe ohne jegliches lebzeitige Opfer des Schenkers vorgenommen werden können, spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt. Die Stipulation konnte im römischen Recht keine Forderung gegen den Erben des Versprechenden begründen 82 . Deshalb mußte die Obligation zu Lebzeiten des Schenkers mindestens bedingt entstehen 83 • Dem Verbot Harder, Zuwendungen S. 62 und 93 f. Donatio mortis causa S. 252. 78 Simonius, donatio mortis causa S. 258ff.; Cohen, Schenkung von Todeswegen S. 39. 79 Kaser, Römisches Privatrecht 2. Bd. S. 564; Karlowa, Römische Rechtsgeschichte S.947; Vismara, Storia S. 111 f.; Vering, Römisches Erbrecht S. 807. 80 v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 659; Simonius, Donatio mortis causa S. 252f., auch Amelotti, NNDI Bd. 6, 224 erwähnt als Anwendungsfälle der stipulatio mortis causa nur solche Zuwendungen, die eine Forderung zum Gegenstand haben, nämlich Erlaß, Anerkenntnis, Anweisung und pactum de non petendo; vgl. ferner Cohen, Schenkung von Todeswegen S. 40. 81 Vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht 1. Bd. S. 538ff. 82 Gai Inst. III 100: "Denique inutilis est talis stipulatio, si quis ita dari stipuletur: Post mortem meam dari spondes? vel ita: Post mortem tuam dari spondes? valet autem, si quis ita dari stipuletur: Cum moriar, dari spondes? vel ita cum morieris, dari spondes? id est, ut in novissimum vitae tempus stipulatoris aut promissoris obligatio conferatur: nam inelegans esse visum est ab heredis persona incipere obligationern. rursum ita stipulari non possumus: Pridie quam moriar, aut pridie quam morieris. dari spondes? quia non potest aliter intellegi pridie quam aliquis morietur, quam si mors secuta sit; rursus morte secuta in praeteritum reducitur stipulatio et quodam modo talis est: Heredi meo dari spondes? quae sane inutilis est"; III 158: "Item si quis quid post mortem meam faciendum mihi mandet, inutile mandatum est, quia generaliter placuit ab heredis persona obligationem incipere non posse", vgl. Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S.492; ZRG Rom. Abt. 71,453. 76
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
der Schaffung einer Verbindlichkeit gegen den Erben wurde durch Aufnahme der Worte "cum morieris si vivam dari spondes?"84 in die Sponsionsformel Rechnung getragen. Hieraus folgt, daß die stipulatio mortis causa als Anwendungsfall der donatio mortis causa sicherlich dort in Betracht kam, wo Zuwendungsgegenstand eine Forderung war. In diesem Falle kann allerdings nicht von einem bloßen Schenkungsversprechen die Rede sein, da die bedingte Forderungsbegründung oder der bedingte Forderungserlaß nach heutigem Verständnis Verfügungscharakter trägt, andererseits aber kein wirkliches Verpflichtungsgeschäft zugrunde lag, weil die donatio keine schuld rechtlichen Wirkungen erzeugte. Offen bleibt somit, ob eine donatio mortis causa, deren Gegenstand eine Sache war, ohne vollständigen oder bedingten Eigentumserwerb allein durch Abgabe eines Schenkungsversprechens wirksam zustande kommen konnte, z. B., wenn jemand vor einem Feldzug versprach, dem Begünstigten im Überlebensfalle eine Sache zu übereignen. Betrachtet man die entsprechenden Belege in D 39.6.35.7 85 und D.39.6.34 86 , zwei Fälle, bei denen die Zuwendung in einer jährlichen Rente, beginnend mit dem Tode des Schenkers, bestand 87, so lassen sie sich beide als Schenkung einer Forderung einordnen, die zu Lebzeiten des Schenkers bedingt oder unbedingt begründet wurde, wobei die Fälligkeitstermine auf die Zeit nach dem Tod des Schenkers hinausgeschoben werden sollten 88 .
v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 659. vgl. Gai Inst. 111 100; Simonius, Donatio mortis causa, S. 252; Kaser, ZRG Rom. Abt. Bd. 71, 453. 8S "Sed qui mortis causa in annos singulos pecuniam stipulatus est, non est similis ei, cui in annos singulos legatum est: nam licet multa essent legata, stipulatio tarnen una est et condicio eius cui expromissum est semel intuenda est". 86 "Mortis causa donatio etiam sic constitui potest, ut quid stipuletur in annos singulos quoad viveret, scilicet ut post mortem promissoris incipiat exactio". 87 Nicht überzeugend ist die Interpretation di Paolas, Donatio mortis causa S. 47 f., der das "quoad viveret" in D 39.6.34 auf den Versprechenden bezieht und eine Rentenzahlungspflicht damit nicht nach dessen Tod, sondern bis zu dessen Tod bejaht; dagegen Simonius, Donatio mortis causa S. 256 Fn. 18; Amelotti. Donatio mortis causa S. 169. 88 Zu den Bedenken gegen den Schlußsatz in D 39.6.34 "scilicet ... " vgl. Kaser, IV RA 2, 246 Fn. 8 und ZRG Rom. Abt. 71,453 Fn. 29; ferner Simonius, Donatio mortis causa S. 256 Fn. 17; Amelotti, Donatio mortis causa S. 171. Im Falle der bedingten Forderungsbegründung stellte sich das Problem der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem Verbot der Begründung einer Stipulation zu Lasten der Erben des Schenkers in Gai Inst. 111 100. Dem wurde offenbar dadurch begegnet, daß man als Bedingungseintritt für das Entstehen der Forderung nicht den Tod des Schenkers, sondern seinen letzten Lebensmoment ansah, vgl. v. Savigny, Römisches Recht Bd. IV S. 249; Simonius, Donatio mortis causa S. 257; dagegen v. Vangerow, Pandecten Bd. II S. 659, der die bedingte Forderungsbegründung zu Lebzeiten als ausreichendes Vermögensopfer erachtete. 83
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2. Die donatio mortis causa 25 Anders lauten allerqings verschiedene Quellen, die sich mit der Frage der Schenkung einer dos auf den Todesfall befaßten. In D 23.3.76 89 hatte ein Vater seiner Tochter eine Mitgift auf seinen Tod versprochen und fragte nach seiner Genesung an, ob er die Befreiung von dieser Verbindlichkeit mit der condictio verlangen könne. Zur Begründung für die bejahende Antwort wurde auf die Gleichwertigkeit der Sachübertragung mit der Forderungsbegründung hingewiesen (nam ut corporis vel pecuniae translatae, ita obligationis constitutae mortis causa condictio est). Es läßt sich nicht bestreiten, daß hier Schenkungsversprechen und Realschenkung gleichgesetzt werden. Außerdem wird die Wirksamkeit eines derartigen Schenkungsversprechens in D 31.77.2 90 bejaht. Dort hatte eine Mutter ihre unehelichen Kinder in der Weise beschenkt, daß sie sie ermächigte, sich von ihrem Ehemann ihr Heiratsgut für den Fall ihres Todes stipulieren zu lassen. In D 33.4.11 91 zog eine Seia anläßlich ihrer Hochzeit mit Lucius Titius einen Dritten, Quintus Mucius, hinzu und stipulierte ihm das Heiratsgut für den Fall, daß die Ehe durch ihren Tod aufgelöst werden sollte. Auch diese Quellen zeigen die Wirksamkeit einer Versprechensschenkung in Form der Stipulation 92 • Schließlich ist in diesem Zusammenhang C 8.56(57).2.2 93 zu erwähnen, wo ebenfalls die Wirksamkeit einer entsprechenden Vereinbarung zugunsten des Bruders einer Ehefrau bekräftigt wurde.
Insgesamt zeigen die Quellen, daß eine Versprechensschenkung der Ehefrau hinsichtlich der Verwendung des Heiratsgutes nach ihrem Tode im Wege der Stipulation begründet werden konnte. Damit ist allerdings nicht geklärt, ob in einer solchen Schenkung ein Sonderfall zu sehen ist, der entweder eine Ausnahme im Rahmen der donatio mortis causa bildet bzw. ihr überhaupt nicht mehr zuzuordnen ist, oder ob daraus der Satz abgeleitet werden kann, jegliche donatio mortis causa sei als Versprechensschenkung möglich gewesen, und zwar unabhängig von ihrem Zuwendungsgegenstand. Für die Annahme, daß sich solche Schenkungsformen als Sonderfall der donatio mortis causa darstellten, sprechen verschiedene Gesichtspunkte. So wurde nach römischem Recht das Dotalgut während bestehender Ehe Eigentum 89 "Si pater mulieris mortis suae causa dotem promiserit, valet promissio: nam et si in tempus, quo ipse moreretur, promisisset, obligaretur. sed si convaluerit, cur ei non remittatur obligatio per condictionem, atque si stipulanti quivis alius promisisset aut dotem alicuius nomine? nam ut corporis vel pecuniae translatae ita obligationis constitutae mortis causa condictio est, non idem dicendum est in persona mulieris, si mulier mortis suae causa dotem promiserit, quia, nisi matrimonii oneribus serviat, dos nulla est". 90 "Mater filiis suis vulgo conceptis dotem suam mortis causa donando stipulari permisit". 91 "Seia cum nuberet Lucio Titio, dedit dotis nomine centum aureos et adhibuit Quintum M ucium, qui nihil numeravit, sed dotem stipulatus est, si morte mulieris solutum fuerit matrimonium". 92 Bzgl. ihrer Echtheit vgl. Simonius, Donatio mortis causa S. 268 Fn. 11. 93 Vgl. zum Wortlaut I/2/a/aa/ Fn. 65.
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1. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
des Mannes und unterstand allein seiner Verfügungsgewalt 94 ; eine lebzeitige Schenkung ohne Bezug zum Todesfall war der Ehefrau verwehrt 95 • Außerdem konnte die dos von der Frau auch nicht im Wege einer letztwilligen Verfügung vererbt werden 96 , da sie nach dem Tode der Ehefrau grundsätzlich an den Ehegatten fie1 97 • Dies änderte sich erst durch den Erlaß Justinians in C 5.13.1.6 98 im Jahre 530. Hieran zeigt sich, daß eine zu Lebzeiten der Frau vollzogene Schenkung ihrer Mitgift ausgeschlossen war. Deshalb entstehen begründete Zweifel daran, ob die auf den Tod der Frau bedingte Versprechensschenkung wirklich der donatio mortis causa zuzuordnen oder nicht eher als eine mortis causa capio zu betrachten ist 99 • Hierfür spricht nicht zuletzt, daß die Digesten die Rückgabestipulation des Dosgebers gegen den Ehemann als mortis causa capio behandelt haben 100. Selbst wenn man aber diese Auffassung nicht teilt, so eignet sich doch der Sonderfall einer Dosstipulation allein kaum zur Begründung eines Prinzips, wonach jede donatio mortis causa, d. h. auch eine Sachschenkung, durch Stipulation wirksam begründet werden konnte. Allerdings scheinen noch zwei weitere Quellen in diese Richtung zu deuten. In D 44.4.4.1 101 wurde zu der Frage Stellung genommen, ob ein Kranker, der dem Cousin seiner Frau hundert Goldstücke versprach, damit dieser sie der Ehefrau aushändigen sollte, nach seiner Genesung dem Leistungsbegehren die exceptio doli entgegensetzen konnte. Aus dem Verweis auf dieses subsidiäre Rechtsmittel läßt sich der Schluß 94 C 5.12.23: "Si praedium uxor tua dotale venumdedit, sponte nec ne contractum habuerit, nihil interest, cum rei tibi quaesitae dominium auferre nolenti rninime potuerit"; C 8.53.21: "Constante matrimonio dotem penes maritum suum constitutam avia tua donare tibi non potuit"; Kaser, Römisches Privatrecht 1. Bd. S. 333. 9S Nicht aber grds. eine donatio mortis causa: D 24.1.11.1: "Sed quod dicitur mortis causa donationem inter virum et uxorem valere, ita verum est, ut non solum ea donatio valeat secundum Iulianum, quae hoc animo fit, ut tune res fiat uxoris ve1 mariti, cum mors insequetur, sed omnis mortis causa donatio". 9(j Fr Vat 98: " ... ut autem de dote sua, quam apud maritum habet, mulieri testari liceat, inutiliter convenisse videri". 97 Ulp. Liber singularis regularum 6.5: "Adventicia autem dos semper penes maritum remanet, praeterquam si is qui dedit, ut sibi redderetur, stipulatus fuerit, quae dos specialiter recepticia dicitur"; Fr Vat 100: "Paulus respondit: eam quae data est mortua in matrimonium muliere apud virum remansisse". 98 "Illo procul dubio in ex stipulatu actione servando, ut, si decesserit mulier constante matrimonio, dos non in lucrum mariti cedat nisi ex quibusdam pactionibus, sed ad heredes mulieris ex stipulatu actio secundum sui naturam transmittatur, sive expressa fuerit sive ex hac lege inesse intellegatur"; vgl. Schwarz, ZRG Rom. Abt. Bd. 63, 360. 99 So Schwarz, ZRG Rom. Abt. Bd.63, 360; a.A. di Paola, Donatio mortis causa S.210. 100 D 39.6.31.2 /vgl. zum Wortlaut oben I/2/a/aa/ Fn. 63. 101 " .•• si quis, cum aeger esset, centum aureos uxoris suae consobrino spodondisset, volens scilicet eam pecuniam ad mulierem pervenire, deinde convaluerit, an exceptione uti possit, si conveniatur. et refert Labeoni placuisse doli mali uti eum posse".
2. Die donatio mortis causa
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ziehen, daß das Versprechen grundsätzlich als gültig angesehen wurde 102 • Hiermit war inzidenter zum Ausdruck gebracht, daß eine donatio mortis causa bezüglich eines Geldbetrages sowohl durch Übereignung der Münzen als auch durch Forderungsbegründung zugunsten des Begünstigten ausgeführt werden konnte. Inhaltlich enthält diese Quelle allerdings eine Reihe offener Fragen, die ihren sachlichen Gehalt unsicher erscheinen lassen. Betrachtet man die Ehefrau als Beschenkten, so stellt sich das Problem, wie sich die Zuwendung mit dem Verbot der Ehegattenschenkung (lex Cincia) vereinbaren läßt. Denn die Verweisung des in Anspruch genommenen Ehegatten auf die exceptio doli ergibt nur dann einen Sinn, wenn die stipulatio während der bestehenden Ehe Gültigkeit beanspruchen konnte 103 • Spricht man indessen der Stipulation während der Ehe Rechtswirkungen zu, dann liegt hierin eine kaum verständliche Privilegierung der Versprechensschenkung gegenüber der Realschenkung 104 • Außerdem enthält der Wortlaut wenig Anhaltspunkte für die Deutung, daß nicht etwa der Vetter, sondern die Ehefrau selbst Versprechensempfängerin sein sollte 105 • Andererseits erscheint die Annahme, der Vetter sei in Wirklichkeit beschenkt worden, nur sinnvoll, wenn dieser vom Verbot der lex Cincia ausgenommen war, da sonst die exceptio legis Cinciae das geeignete Rechtsmittel für den Ehegatten gewesen wäre. Ob der Cousin in dieser Hinsicht privilegiert war, ist aber ebenfalls nicht sicher zu beantworten 106 • Insgesamt enthält die Quelle damit eine Reihe von ungelösten Problemen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß - ähnlich wie bei der Rentenstipulation - Geld zugewendet werden sollte 107 • Zwar wäre auch hier die Ausführung der causa im Wege der Übereignung der Münzen nicht ausgeschlossen gewesen. Andererseits kommt es den Parteien bei der Hingabe von Geldmitteln nicht auf die Münzen selbst, sondern auf den darin enthaltenen Wert an. Selbst wenn demnach D 44.4.4.1 als Anwendungsfall der donatio mortis causa promissoria gelten kann, so ist dennoch zu berücksichtigen, daß der Sachverhalt eher in den Zusammenhang der bedingten Forderungsbegründung fällt und deshalb ungeeignet erscheint, um die Annahme zu widerlegen, eine Sachschenkung habe mindestens durch bedingte Eigentumsübertragung vollzogen werden müssen. Es bleibt allerdings die für eine generelle Gleichsetzung von Versprechensschenkung und Realschenkung angeführte Festusstelle "Mortis causa stipulatio existimatur fieri, ut ait Antistius Labeo, quae ita fit, ut morte promissoris Simonius, Donatio mortis causa S. 254. Simonius, Donatio mortis cause S. 283. 104 Simonius, Donatio mortis causa S. 283. 105 Simonius, Donatio mortis causa S. 283. 106 vgl. dazu Simonius, Donatio mortis causa S. 283; Amelotti, Donatio mortis causa S. 211; Haymann, ZRG Rom. Abt. 38, 226f.; die Entscheidung hängt damit zusammen, ob die Aufzählung in Fr Vat 302 beispielhaft oder abschließend ist. 107 So erwähnt auch z. B. v. Savigny, Bd. IV S. 249 jedenfal1s als Hauptanwendungsfal1 der stipulatio mortis causa das Versprechen einer Geldsumme. 102 103
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confirmetur, aut ut quidam dixerunt, cuius stipulationis mors fuit causa"108. Hier ist jedoch zweifelhaft, ob das Zitat einen Grundsatz des genannten Inhalts wirklich trägt. Nach den obigen Ausführungen ist nicht zu leugnen, daß die donatio mortis causa in bestimmten Fällen durch eine stipulatio ausgeführt werden konnte 109 . Ebenso sicher zwingt aber auch die Festusstelle nicht zu dem Schluß, daß jede donatio mortis causa unabhängig von ihrem Zuwendungsgegenstand durch stipulatio auszuführen warllO, da sie auf die Unterscheidung zwischen Sach- und Forderungsschenkung nicht Bezug nimmt. Vielmehr ergibt sich insgesamt das Bild, daß eine völlige Gleichsetzung von Versprechensschenkung und Realschenkung den Quellen nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist. Dies erlaubt den Schluß, daß die Schenkung im Falle der Sachzuwendung jedenfalls grundsätzlich Übergabe und bedingte Eigentumsübertragung erforderte, während die stipulatio mortis causa nur einen Unterfall der möglichen Ausführungsgeschäfte darstellte, der regelmäßig dann zur Anwendung gelangte, wenn eine Forderung verschenkt wurde. Daneben kamen andere Vollzugsgeschäfte in Betracht lll. Der weitergehende Satz, wonach jede donatio mortis causa durch stipulatio ausgeführt werden konnte, läßt sich demgegenüber nicht aufrechterhalten 112. Sieht man von dem Sonderfall der Dosschenkung ab, so kann gefolgert werden, daß der Vollzug der donatio mortis causa im römischen Recht in aller Regel wenigstens die Einräumung einer "Anwartschaft" erforderte ll3 . Andererseits muß diese Schlußfolgerung deshalb mit gewissem Vorbehalt gezogen werden, weil die donatio selbst im Unterschied zum heutigen Schenkungsvertrag keine Verpflichtungswirkungen erzeugte und das römische Recht keinen Anwartschaftsbegriff entsprechend dem gegenwärtigen Verständnis herausgearbeitet hatte. Immerhin lassen sich für diese Betrachtungsweise drei Zitate anführen, auf die abschließend hingewiesen werden soll: Es handelt sich um 039.5.2.6 114, Fr Vat 257l!S und C. Th 8.12.1 116 : Die Digestenstelle zeigt, daß Festus, 161, ed. Lindsay S. 152; vgl. dazu auch Schwarz, Die Grundlage S. 131. Vgl. auch Robbe, Diritto ereditario Romano S. 197f.; di Paola, Studi in onore di de Francisci S. 190 Fn. 2. 110 Robbe, Diritto ereditario Romano S. 197. 111 v. Vangerow, Pandecten Bd. II S.659; Simonius, Donatio mortis causa S. 252ff.; Amelotti, NNDI Bd. 6, 224. 112 Robbe, Diritto ereditario Romano S. 197; di Paola, Studi in onore di de Francisci S. 190; vgl. auch die Nachw. bei Cohen, Schenkung von Todeswegen S. 43. 113 Simonius, Donatio mortis causa S. 259f.; vgl. auch Ehrhardt, Justa causa traditionis S.98ff.; ferner Schwarz, Grundlagen S.168 unter Hinweis auf Erxleben; Vering, Römisches Erbrecht S. 805. . 114 "Sed si quis donaturus mihi pecuniam dederit alicui, ut ad me perferret, et ante mortuus erit quam ad me perferat, non fieri pecuniam dominii me constat". 115 "Eiusmodi lege deposita in aede arca, ut eam ipse solus, qui deposuit, tolleret aut post mortem domini Aelius Speratus, non videri perfectam donationem videri"; vgl. auch D 39.5.31.3. 116 "Et corporalis traditio subsequatur ad excludendam vim adque inruptionem advocata vicinitate omnibusque arbitris adhibitis, quorum postea fide probabitur 108
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in der Zuwendung eines bestimmten Geldbetrages vor Übergabe und Eigentumsübertragung der Münzen keine ausgeführte donatio gesehen wurde. Unterstellt man, daß vor dem Tode des Schenkers bereits eine entsprechende Abrede getroffen worden war, weil ohne sie die Fragestellung sinnlos erscheinen müßte, dann wird deutlich, daß das Leistungsversprechen allein offenbar den Vollzugserfordernissen nicht genügte. Allenfalls könnte man einwenden, daß die Quelle nichts über die notwendige Stipulationsfonn des Versprechens aussagt. Aus dem Schweigen über diesen Punkt kann aber kaum geschlossen werden, daß hierin der Grund für die Unwirksamkeit lag. Die responsio des Papinian in den Fragmenta Vaticana weist in die gleiche Richtung: Die lebzeitige Niederlegung des Zuwendungsgegenstandes zugunsten des Beschenkten ohne gleichzeitige Einräumung von Besitz und Eigentum genügte auch hier nicht den Anforderungen an eine vollzogene donatio mortis causa. Beide Gesichtspunkte stützten den Satz, daß die Schenkung von Todes wegen als Rechtsgeschäft unter Lebenden jedenfalls in aller Regel zu Lebzeiten des Schenkers ausgeführt sein mußte. Die Stelle im Codex Theodosianus schließlich zeigt, daß der Vollzug von Schenkungen auf den Todesfall durch traditio erfolgte, sofern sie bewegliche Sachen zum Gegenstand hatten, während bei der Immobiliarzuwendung der Schenkende dem Beschenkten die freie Verfügungsgewalt einräumte, sofern sich ersterer nicht - wie es offenbar nicht unüblich war - den Nießbrauch vorbehalten hatte 117 • Damit beginnt eine Linie, die sich mit wechselnder Intensität durch die Jahrhunderte verfolgen lassen wird und ihren Endpunkt in § 2301 Abs. 2 BGB findet: Dem Vollzug kam bereits nach römischen Recht entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung von lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften zu. b) Die donatio mortis causa im Recht des Mittelalters
Untersucht man die weitere historische Entwicklung der donatio mortis causa, so richtet sich im mittelalterlichen Recht der Blick nicht nur auf die Schriften der Glossatoren und Kommentatoren, sondern daneben sind auch das canonische Recht und die in der Praxis besonders bedeutsame ars notaria zu berücksichtigen. aa) Die donatio mortis causa bei Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts
Für das Begriffsverständnis der vorweggenommenen Erbfolge haben sich vor allem zwei Gesichtspunkte hilfreich erwiesen: Zum einen, inwieweit das römische Recht bei einer donatio mortis causa die Rechtsposition der Nachlaßdonatam rem, si est mo bilis, ex voluntate traditarn donatoris vel, si immobilis, abscessu donantis novo domino patefactam, actis etiam adnectendis, quae apud iudicem vel magistratus conficienda sunt". 117 vgl. dazu Pharr, The Theodosian Code S. 213.
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
beteiligten schützte, zum anderen, welche Anforderungen an das Ausführungsgeschäft einer derartigen Zuwendung gestellt wurden. In erstgenannter Hinsicht sind in der Romanistik des Mittelalters keine wesentlichen Unterschiede zum römischen Recht festzustellen. Die generelle Anwendbarkeit der lex Falcidia auf die donatio mortis causa wurde bereits im 12. Jahrhundert von der für die damalige Zeit sehr wichtigen Summa trecensis 118 bejaht. Dort heißt es unter 8.52.3: "idequo et lex falcidia locum habet in his". Die Überarbeitung der Summa trecensis in provencalischer Sprache, Lo codi 119, enthält allerdings keine entsprechende Aussage. Die Glossatoren des 13. Jahrhunderts haben ebenfalls die lex Falcidia auf die donatio mortis causa angewendet, ohne über das römische Recht hinausgehende Begründungen anzuführen 120. Ebenso wie dort wurde den benachteiligten Erben die querela inofficiosae donationis gewährt l2l sowie den Nachlaßgläubigern die Möglichkeit eröffnet, bei unzureichendem Nachlaß auf den Gegenstand der Zuwendung zurückzugreifen. Dies galt selbst dann, wenn der Schenker nicht bewußt zum Nachteil der Gläubiger gehandelt hatte 122 • Hinsichtlich des 118 Sie entstand wahrscheinlich zwischen 1140 und 1159, vgl. Kantorowicz, Studies S. 43; Weimar, Coings Hdb. S. 198; umstritten ist die Urheberschaft. Die Summa Trecensis wird von Fitting als Summe des Imerius herausgegeben, während Kantorowicz sie Rogerius zuschreibt, vgl. Weimar S. 198f.; Di/cher, Leistungsstörungen S. 9 Fn. 9. 119 Dazu Fitting, Vorwort der Ausgabe S. 6; Kantorowicz, Studies S. 100. Das Werk entstand um 1170, vgl. Weimar, Coings Hdb. S. 200 und Fitting, Vorwort S. 60. Die lateinische Übersetzung stammt von Ricardus Pisanus aus dem Jahre 1178; zu den Hintergründen der Entstehung des Lo Codi vgl. Dilcher, Leistungsstörungen S. 9 Fn. 10. 120 Azo, Summa Aurea Ad legern falcidiam (C 6.50.5) fol 176 Nr. 3; Accursius, gl Intestata zu 8.56(57).2: "an beneficio legis Falcidiae uti possit quaeritur: Dicitur quod sic"; Odofredus, Lectura in Digesto Novo zu D 39.6.8 Qui pretio (fol 37 Nr. 2): " ... quia de mortis causa donatione et de legato et fideicommisso detrahitur Falcidia". Azo lebte als Rechtslehrer in Bologna und starb um 1230, der genaue Zeitpunkt ist unsicher (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 7). Die hier zitierte Summa entstand zwischen 1208 und 1210 als Neufassung einer 1. Ausgabe, wahrscheinlich aus den Jahren 1185 und 1190. Sie war Unterlage des Rechtsunterrichts von Johannes Bassianus (vgl. Kantorowicz, Studies S. 44 Fn. 10; Weimar, Coings Hdb. S. 202f.; Dilcher, Leistungsstörungen S. 10). Zeitlich schließt sich daran die bedeutendste Glosse an, die Glossa Ordinaria des Accursius, eines Schülers Azos, die zwischen 1220 und 1260 verfaßt wurde (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 280fT.). Accursius stammte aus Florenz, wo er etwa zwischen 1182 und 1260 lebte (die zeitliche Einordnung ist nicht unproblematisch, vgl. v. Savigny und Weimar S. 174 mwNachw.). Odofredus war Rechtsgelehrter und Anwalt, vor allem in Bologna; er starb 1265 (vgl. v. Savigny, S. 358; Kantorowicz, Studies S. 36; Di/cher, Leistungsstörungen S. 10). Das hier zitierte Werk ist zwischen 1236 und 1265 entstanden (vgl. Weimar, S.176). Grundlagen waren seine Vorlesungsunterlagen (zu seinen Werken vgl. auch Glasson, Histoire Bd. IV S. 213 Fn. 4). 121 Accursius, gl. Dimidia zu D 31.87.3; Odofredus, Lectura in Dig. Novo zu D 39.6.17 (etsi debitor) fol 38. 122 Franciscus Accursius, gl. Et si debitor zu D 36.6.17: "Debitor multorum donavit Titio causa mortis fundum dicitur quod creditores revocabunt istum fundum, sicut et si legasset et haec sunt vera etiam si non in fraudem creditorum hoc fecit: dum tarnen hoc eis noceat".
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Schutzes der Gläubiger und Pflichtteilsberechtigten behielt die Glosse damit die vom römischen Recht gewählte Linie bei, ohne ihrerseits neue Gesichtspunkte herauszuarbeiten. Einen breiteren Raum nahm dagegen die Diskussion ein, wie die donatio mortis causa vom Legat und der mortis causa capio abzugrenzen sei. Grundlage der Erörterung war die Betrachtungsweise des justinianischen Rechtes, das die donatio mortis causa hinsichtlich ihrer Entstehung und ihrer Rechtsfolgen weitgehend den Legatsvorschriften unterstellte, ohne sie indessen tatbestandlich vollständig der letztwilligen Verfügung gleichzusetzen. Der dogmatische Ausgangspunkt der Summa trecensis ist die Vergleichbarkeit beider Rechtsinstitute; 8.52.3 sagt: "et in summa mortis causa donatio legatis fere comparatur". Noch weniger differenzierte Lo codi 8.64.3 "set quando aliquis homo dimittit aliquid in morte sua et possessio non est tradita illi cui ipse dimittit rem, intelligatur, quod set talis donatio que appellatur ,legatum'''. Spätere Glossatoren hingegen bemühten sich um eine stärkere Unterscheidung. Dabei konzentrierten sich die Differenzierungsversuche auf den Wirkungseintritt des Rechtsgeschäftes und die Person des Verpflichteten 123 • Als Folge dieser Betrachtungsweise zeigt sich eine im wesentlichen gleichlautende Unterscheidung zwischen donatio mortis causa, Legat und mortis causa capio. Diese Linie beginnt am Ausgang des 12. Jahrhunderts in den Arbeiten des Placentinus l24 . Dort heißt es: "in his differunt, legatur etiam non volenti: sed non datur causa mortis nisi volenti. I tem donatio causa mortis saepius a donante traditur. legati conditio semper ab herede expectatur". Deutlicher wird der für die Glosse entscheidende Gesichtspunkt jedoch noch in späterer Zeit. So formulierte Azo, der in der Lectura in codicem die donatio mortis causa nur kurz behandelte 12S : " ••• praeterea obligatur ille qui don at et tradit. non ita est in legato. item legatum traditur ab herede, donatio mortis causa et ab herede et a defuncto". Ähnlich lautete auch Azos Formulierung in der Summa aurea 126: "Item legatum ab herede semper traditur, donatio vel ab hoc, vel ab illo. item in donatione obligatur donans, secus in legato". Daran wird deutlich, daß die lebzeitigen Verpflichtungen des Schenkers gegenüber dem Begünstigten als wesentliches Merkmal der donatio mortis causa angesehen wurde. Hinsichtlich der Übergabe des Zuwendungsgegenstandes konnten sich beide Rechtsformen unterscheiden, mußten es aber nicht. Die Verpflichtungswirkung der donatio mortis causa hingegen trat im Unterschied zum Legat nie in der Person des 123 Allerdings findet sich dieser Ansatz bereits in der Summa Trecensis 8.52.3: "haec (donatio mortis causa) enim a donatore traditur, legata vero ab herede petuntur". 124 Summa Codicis tit LX De mortis causa donationibus S. 420; Placentius starb 1192 (zu seiner Person vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 244ff.;Glasson, Histoire Bd. IV S. 210 Fn. 2). Die hier zitierte Codexsumme entstand etwa 1170 in Montpellier, wo Placentinus nach Lehrämtern in Mantua und Bologna eine eigene Rechtsschule unterhielt (vgl. v. Savigny S. 251; Weimar, Coings Hdb. S.200). 125 Zu C 8.56(57) De mortis causa donationibus S. 679. 126 Zu C 8.56(57) De donationibus fol 226 Nr. 7.
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1. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
Erben ein, sondern in der des Schenkers. - In gleicher Weise grenzte Azo donatio mortis causa und mortis causa capio ab: In der Summa aurea führte er zur donatio mortis causa aus 127: "EtdifTert causa mortis donatio a mortis causa capione: quia in mortis causa donatione obligatur qui donat et testator plerumque tradit: sed mortis causa capio est, cum post mortem alicuius aliquid datur alicui causa conditionis implendae vel aliquid perveneret ad aliquem occasione mortis". Erstmalig findet sich bei Azo, daß eine donatio mortis causa nur dann zu bejahen ist, wenn der Schenker den Zuwendungsgrund Todesfurcht oder Lebensgefahr - ausdrücklich erwähnt: "Periculi causa debet exprimi ut videatur donatio causa mortis" 128. Diese Betrachtungsweise fand in der Folgezeit immer stärker Anklang 129 . Die Ausführungen rechtfertigen insgesamt den Schluß, daß die donatio mortis causa regelmäßig zu Lebzeiten des Schenkers erfüllt wurde, jedoch war ein Verfügungsgeschäft nicht zwingend notwendig 130 • Hierfür spricht auch die Glosse des Accursius gl quam heredem suum zu D 39.6.1: "Unde hic (i.e. donatio mortis causa) differt a legato, dic tradendo in vita vel obligando se legatario nam tunc est donatio mortis causa. At quando nullum istorum est dicitur legatum". In die gleiche Richtung deutet die gl revocatae sunt zu D 39.6.15: "Item hae (donationes) quandoque a defuncto, quandoque ab herede, legatum semper ab herede". Gleichzeitig deutet sich jedoch bereits der Übergang von einer materiell-rechtlichen zu einer formal-rechtlich orientierten Betrachtungsweise an. Die Unterscheidung zwischen der mortis causa capio und der donatio mortis causa scheint hingegen für Azo größere Bedeutung gehabt zu haben 131 als für Accursius, der in der gl rursus zu D 39.6.15 hierzu nur anmerkte: "Et sic nota: quod omnis mortis causa donatio est mortis causa capio, sed non convertitur". Eine ausführliche Behandlung fand die Unterscheidung zwischen donatio mortis causa und letztwilliger Verfügung schließlich bei Odofredus, der an unterschiedlichen Stellen hierauf einging. In seiner Lectura super codice schrieb Odofredus zur Lex Fa1cidia I32 : "Unde legatum est, cum quid capis a me ve1 ab herede meo, donatio mortis causa est cum quid capis a me. mortis causa capio est, cum quis capis non a me, sed ab alio". Differenzierter sind die Ausführungen im Kapitel De mortis causa donationibus et capionibus. So heißt es zu D 39.6.1 133 : "Quia non obligatur testator in legato et fideicommisso, in mortis Zu C 8.56(57) De donationibus fol 226 Nr. 4. Zu C 8.56(57) De donationibus causa mortis fol 226 Nr. 2 a. 129 vgl. auch Aboucaya, Revue Historique 1966, 400. Wie Azo auch Accursius in I 2)a)bb) gl. Spopondisset zu der oben bezeichneten Stelle D 44.4.4.1: "Voiens donare causa mortis nisi enim mortis fiat mentio, non intellegitur mortis causa donatio". 130 Vgl. Aboucaya, Revue Historique 1966, 404. 131 Aboucaya, Revue Historique 1966, 405. 132 Zu C 6.50.5 (ad legern Fa1cidiam) fol 80 Nr. 2 Si mortis. 133 Lectura super Digesto Novo zu D 39.6.1 fol 36 Nr. 3 Mortis. 127
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causa donatione obligatur donato donatario", weiterhin zu 0 39.6.8 134 : "Unde nota hic, quod est differentia inter mortis causa capionem et mortis causa donationem et legata et fideicommissa: et est differentia in faciendo et in effectu. In faciendo est differentia quia in mortis causa donatione quis promittit donatario ut ei tradidit, mortis causa donatio perficitur rei traditione et stipulatione. In mortis causa capione non obligat se ille, propter cuius mortis capitur." Schließlich führte Odofredus zu 0 39.6.38 135 aus: "In lege ista nota differentia in mortis causa donationem ex una parte et mortis causa capionem ex alia parte: quia in prima dat presens presenti, quod perficitur vel stipulatione, vel traditione: sed in secunda dat aliquis absenti ... et ideo mortis causa donatio perficitur vel stipulatione vel traditione rei, que stipulatio contrahitur inter presentes, alius non valet. Et ideo si in eo instituitur, debet promittere per stipulationern, sed in legatis non SiC"136. Ganz deutlich zeigt sich daran, daß der entscheidende Unterschied zwischen donatio mortis causa und Legat bzw. mortis causa capio in der lebzeitigen Verpflichtung des Schenkers gesehen wurde. Die Forderungen entstanden im Unterschied zum Legat nicht erst gegen den Nachlaß. Ebenso wurde herausgestellt, daß eine lebzeitige Übergabe zwar die Regel, nicht aber eine unerläßliche Notwendigkeit darstellte. A Z0 137 schrieb dazu: "Qualiter fiat. Et quidam per stipulationern, vel pollicitationem vel solam traditionem"138. Allerdings gibt es auch Zitate, die ein Verfügungsgeschäft bei der donatio mortis causa vorauszusetzen scheinen, und zwar nicht nur die oben erwähnte Stelle der Summa trecensis 8.52.3 und Lo Codi 8.64.3. So heißt es bei Accursius 139 : "Nec hic pendet, nam statim tenet donatio, sed dominii translatio suspenditur", noch deutlicher an anderer Stelle l40 "Nam donatio sine traditione non perficitur vel mancipatione"141, wenngleich dieser Satz erst von Cujaz zur Verdeutlichung in die Glosse eingefügt wurde und sich auf das bei den Kommentatoren häufig erörterte Problem bezieht, ob eine Schenkung durch förmliches Leistungsversprechen oder bloße Übereinkunft (Nudo consensu, Glosse a. a. 0.) begründet werden könne l42 • Überwiegend haben die Glossatoren aber das verpflichtende Lectura fol 37 Nr. 2 Qui pretio. Lectura fol 40 Nr. 1 Inter mortis. 136 Eine ausführliche Darstellung findet sich schließlich in der Lectura super Codice zu C 8.56(57). 1 De mortis causa donationibus fol 183 Nr. 1 Si donatione. 137 Summa Aurea zu C 8.56(57) De donationibus causa mortis fol 226 Nr. 1. 138 Vgl. dazu auch Accursius gl Quam heredum suum zu D 39.6.1. 139 GI Tunc demum D 39.6.1. 140 GI Quasi dono datio zu D 39.6.35.1. 141 Vgl. Aboucaya, Revue Historique 1966,407. 142 Vgl. z. B. Cinus, In codicem Commentaria zu 8.56(57).1 De donationibus causa mortis fol 529 Nr. 2 ad fi, Si donatione. Cinus wurde 1270 in Pistoja geboren und starb 1336 (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 73ff.); mit ihm begann die Blütezeit der italienischen Kommentatoren (vgl. Horn, Coings Hdb. S. 269). Den zitierten Codexkommentar verfaßte er zwischen 1312 und 1314. 134 135
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
Leistungsversprechen des Schenkers als ausreichendes Unterscheidungsmerkmal im Verhältnis zur letztwilligen Verfügung angesehen 143. Die Begründung hierfür liegt nach meiner Ansicht in einer immer stärkeren Angleichung von Legat und donatio mortis causa, soweit es die Rechtsfolgenseite betraf. Zwar enthält die Glosse auch Anhaltspunkte für das Bemühen, den Rechtscharakter beider Institute zu differenzieren. Sie ändern allerdings nicht die Tatsache, daß den Glossatoren eine klare Abgrenzung Schwierigkeiten bereitet hat, die offenbar aus der Gleichbehandlung von Legat und donatio mortis causa durch das justinianische Recht resultierten. Die Richtigkeit dieser Vermutung zeigt sich an verschiedenen Stellen, z. B. an der Formulierung "Qui aequiparantur legatis" in gl non licet zu D 39.6.35 pr. Zu D 39.6.15: "Paulus notat: hoc constitutum est ad exemplum legatorum mortis causa donationes revocatae sunt" schrieb Accursius in der entsprechenden Glosse "Esse verum quod sequitur" 144. Placentinus bemerkte zu C 8.56(57)145. "Convenit donatio causa mortis cum legato: utraque, iuris articulis ultima voluntas est" und zählte die gemeinsamen Rechtsfolgen beider Rechtsgeschäfte auf. Ähnliche Formulierungen benutzte Odofredus zu C 8.56(57).4 146 : "Simulitudinem in hoc quae sicut legatum est ultima voluntas, ita mortis causa donatio". Die vorhandene Unsicherheit über die Einordnung der donatio mortis causa, die trotz aller Unterscheidungsversuche erhalten blieb 147 , wurde bereits von den Postglossatoren erkannt, wie sich vor allem aus dem Kommentar des Jacobus de Ravanis zu D 39.6 entnehmen läßt l48 "Vos tarnen habetis glosam qui dicit quod donatio causa mortis est species legati. dico quod hoc non est verum, nam donatio causa mortis est pactum duorum, sed legatum est voluntas unius". Die Kommentarliteratur ist deshalb von dem Bemühen gekennzeichnet, die Unabhängigkeit der donatio mortis causa von den letztwilligen Verfügungen einerseits und den lebzeitigen Schenkungen andererseits herauszuarbeiten 149, und zwar unter besonderer Betonung des Vertragscharakters der donatio mortis Aboucaya, Revue Historique 1966, 404. Um allerdings in der gl Revocatae sunt zu D 36.6.15 gleichzeitig wiederum auf einige Unterschiede zum Legat hinzuweisen "Differunt tarnen in quibusdam", vgl. Aboueaya, Revue Historique 1966, 404. 145 Summa Codicis, De mortis causa donationibus tit LX S. 420. 146 Lectura super Codice zu C 8.56(57) De donationibus causa mortis fol183 Nr. 3 Cum de mortis. 147 Aboucaya, Revue Historique 1966, 411. 148 Zitat nach Aboueaya, Revue Historique 1966, 411: Commentaria in Digestum Novum zu D 39.6 fol 240 (ungedruckt). Jacobus de Ravanis gilt als der bedeutendste französische Kommentator und lebte etwa zwischen 1210 u. 1296 (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 607fT.). Nachdem er Rechtslehrer in Toulouse und Orleans gewesen war, wurde er 1290 Bischof von Verdun (vgl. Horn, Coings Hdb. S.278; Di/eher, Leistungsstörungen S. 11 Fn. 34). 149 Aboueaya, Revue Historique 1966, 413 f. 143
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causa, die jetzt ihre Verpflichtungswirkung auch ohne Stipulation durch reine Willensübereinkunft erzeugen konnte. Dazu heißt es bei Petrus de Bellapertica zu C 8.56(57).1 '5°: "Hodie nudo pacto po test contrahi obligatio" und Cinus schrieb zu derselben SteIle lSl : "Cum igitur donatio po test incipere a solo consensu sine stipulatione", ferner: "Hodie vero sufficit nuda promissio". Daraus ergab sich die Neuerung, daß die donatio mortis causa auch "inter absentes" bei urkundlicher Form oder Einschaltung eines Boten geschlossen werden konnte 152 • - Andererseits gelang auch dieser Epoche keine wirkliche Klärung der rechtlichen Struktur der donatio mortis causa. Ebenso wie die Glossatoren versuchten die Kommentatoren Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Einzelpunkten aufzuzeigen, wodurch sich nahezu gleichlautende Formulierungen ergaben 153. Die dogmatischen Unsicherheiten vergrößerten sich dadurch, daß die donatio mortis causa mit einem Testament verbunden werden konnte. Hierzu bemerkte Cinus zu C 8.56(57).1 '54 unter Berufung auf Dinus "Aut sit sine stipulatione, et tunc refert: aut sit in testamento, aut extra testamentum. si in testamento tunc petitur donatio causa mortis per actionem ex testamento directam" und bei Bartolus '55 heißt es: "Si vero in testamento, tunc petitur actione ex testamento". Das Problem löste sich auch in der Folgezeit nicht auf. So stellte Baldus in seinem Consilium 294 '56 die Frage "an (donatio mortis causa) magis accedat contractui quam ultimae voluntati", während Jason zu der bereits in der Glosse angedeuteten Differenzierung gelangte, daß die donatio mortis causa bezüglich 150 Super IX libros codicis, De donationibus mortis causa zu C 8.56(57) fol 398 Si donatione pr. Petrus de Bellapertica war der berühmteste Schüler und Zeitgenosse des Jacobus de Ravanis. Wie dieser war er zunächst Rechtslehrer in Toulouse und Orleans, danach, bis zu seinem Tode im Jahre 1308, Bischof von Auxerre (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 26ff.; Dilcher, Leistungsstörungen S. 11). 151 In codicem Commentaria Bd. 11 zu C 8.56(57) De donationibus causa mortis fol529 Nr. 2 ad fi und Nr. 3 ad fi. 152 Cinus, In codicem Commentaria Bd. 11 zu C 8.56(57) De donationibus causa mortis fol 529 Nr. 3. 153 Cinus, Nr. 4; Jacobus de Ravanis, Lectura super Codice fol 402; gleichlautend Petrus de Bellapertica, Super IX libros Codicis fol 398; (vgl. dazu Horn, Coings Hdb. S. 326: Die Lectura des Jacobus de Ravanis wurde 1519 unter dem bekannteren Namen des Petrus de Bellapertica gedruckt, Dilcher, Leistungsstörungen S. 11 Fn. 35. Weitere Nachw. zu den Abgrenzungsversuchen bei Aboucaya, Revue Historique 1966, 416f. Fn. 115). 154 In codicem Commentaria Bd. 11 fol 529 Nr. 2 Si dOllatione. 155 Commentaria in Digestum novum t V fol 63, Nr. 3 zu D 39.6.1. Bartolus de. Saxoferato lebte wahrscheinlich von 1314 -1357 (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 140ff.; Dilcher, Leistungsstörungen S. 12). Er war Schüler des Cinus; seine Werke erlangten eine ähnliche Autorität wie die Glossa ordinaria (vgl. Horn, Coings Hdb. S. 270). 156 Vgl. Aboucaya, Revue Historique 1966, 420; Baldus de Ubaldis lebte vermutlich von 1327 (oder 1320) bis 1400 (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 212; Horn, Coings Hdb. S.266). Es erscheint nicht sicher, ob ihm alle 2500 consilia des hier zitierten Werkes wirklich zuzuordnen sind (vgl. Horn, S. 336).
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ihres Zustandekommens den Verträgen ähnlich sei, hinsichtlich ihrer Rechtsfolge hingegen einer letztwilligen Verfügung gleiche l57 • Besonders anschaulich wird die Schwierigkeit der Einordnung dadurch dokumentiert, daß man in der Kommentatorenzeit teilweise zu der formalen Abgrenzung zwischen donatio mortis causa und Legat überging, die sich bereits bei Azo und Accursius angedeutet hatte. Man unterschied Legat und donatio mortis causa danach, welche Fomulierungen dem fraglichen Text zugrunde lagen. Bereits einige Zeit vor Jason schlug Bartholomaeus de Saliceto folgende Einteilung vor 1S8 : "Quaero quomodo scietur an sit legatum vel donatio causa mortis inter vivos? Et glosa aliquid dicit sed non perfecte. Ideo sic dico: aut dixit: reliquo aut dono. Primo casu est legatum, etiam si adjiciat: donationis causa. Secundo casu aut dixit causa mortis vel propter mortem vel post mortem et tunc ex quo facta est mentio mortis, erit donatio mortis causa"lS9. Hieran wird deutlich, daß den Kommentatoren keine befriedigende dogmatische Behandlung der donatio mortis causa gelungen ist. Obwohl infolge der geschilderten Abgrenzungsschwierigkeiten die Diskussion um die Anforderungen an das Ausführungsgeschäft der donatio mortis causa in den Hintergrund getreten war, lassen sich doch einige interessante Gesichtspunkte zusammenfassen. So erscheint es auffällig, daß die Erfordernisse auf der Verfügungsebene im gleichen Umfange schwanden, wie die Angleichung der donatio mortis causa an das Legat zunahm. Während für das klassische römische Recht mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden kann, daß der Zuwendungsgegenstand zumindest bedingt übertragen werden mußte, reichte in späterer Zeit eine Obligation des Schenkers zugunsten des Beschenkten aus. Diese Betrachtungsweise läßt sich sowohl in der Glosse als auch in den Kommentaren belegen. - Bezüglich ihrer Formerfordernisse l60 und ihrer wichtigsten Rechtsfolgen wird die donatio mortis causa dem Legat gleichgesetzt. Dies hatte gleichzeitig zur Folge, daß die Nachlaßbeteiligten, d. h. Gläubiger und "Pflichtteilsberechtigte", in erheblichem Maße in ihren Rechtspositionen geschützt wurden. Ihre Situation blieb davon unberührt, daß das Rechtsgeschäft als solches unter Lebenden galt. 157 In secundum infortiati partem commentaria Tit I De legatis fol8 Nr. 11 und 12 zu D 30.2 (vgl. Aboucaya, Revue Historique 1966,419). Jason lebte von 1467 bis 1519. Das hier zitierte Werk gründet sich auf eine Vorlesung, die Jason 1506 als Professor in Pavia hielt (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 398 ff.; Dilcher, Leistungsstörungen S. 12; Horn, Coings Hdb. S. 270) . 158 Sein Geburtsjahr ist ungewiß; 1363 war er Professor in Bologna. Bartholomeus starb 1412. Das hier zitierte Werk wurde 1400 vollendet (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. VI S. 265ff.; Dilcher, Leistungsstörungen S. 12; Horn, Coings Hdb. S.274). 159 Commentaria in codicem, in: Opera Omnia zu C 8.56(57)4; vgl. Aboucaya, Revue Historique 1966,421. 160 vgl. etwa Placentinus, Summa Codicis tit LX De donationibus mortis causa S. 420; Accursius, gl Quinque testibus zu C 8.56(57) 4.
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bb) Die donatio mortis causa in der ars notaria Im 12., stärker noch im 13. Jahrhundert entwickelte sich in Italien eine besondere Literaturgattung, deren Ziel in erster Linie die Herstellung von Formularen für die streitige und freiwillige Gerichtsbarkeit war 161 . Diese sog. Notariatsliteratur bestand, da die Notare an der allgemeinen Rechtspflege teilnahmen 162, zum Teil aus gewöhnlichen Prozeßrechtshandbüchern, in der Hauptsache aus Libell- und Exceptionenwerken 163, denen manchmal spezielle Formulare für den notariellen Wirkungskreis beigegeben waren. Daneben existierten besondere Formularsammlungen für die Abfassung von Rechtsgeschäften aller Art sowie den Bereich der heutigen freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ars notaria 164. Sie war eine Fortentwicklung der ars dictandi, die an den Schulen der Grammatik und Rhetorik allgemein gepflegt wurde und von der gelehrten Notariatsliteratur speziell dem juristischen Bereich zugänglich gemacht wurde 165 . Ihre Bedeutung liegt nicht allein in der Verbreitung im Ursprungsland selbst, sie hat vielmehr im 15. und 16. Jahrhundert in gleicher Weise zur Rezeption des römischen Rechtes in Deutschland beigetragen wie das wissenschaftliche Schrifttum 166. Die bekanntesten Arbeiten der ars notaria beginnen im 12. Jahrhundert mit der Schrift des Irnerius "Formularium tabellionum", die bei Accursius und Odofredus Erwähnung fand, aber nicht erhalten blieb l67 . Die erste überlieferte und bedeutende Schrift des 13. Jahrhunderts ist das Werk des Rainerius Perusinus l68 , die Summa Artis notariae l69 . Zur donatio mortis causa findet sich dort das Formular XXXIII "carta donationis a filio familias facte causa mortis"170, das jedoch keine besonderen Aufschlüsse über diese Schenkungsv. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 161 f.; Horn, Coings Hdb. S.354. Stintzing, Populäre Literatur S. 295 f. 163 Stintzing, Populäre Literatur S. 295f.; Horn, Coings Hdb. S. 161 f. 164 Horn, Coings Hdb. S. 161 f. 165 v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 159; Horn, Coings Hdb. S. 354f. 166 v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 159; Horn, Coings Hdb. S. 355; zur Übernahme in Deutschland vgl. auch Coing, IRMAE V 6 S. 159. 167 Oesterley, Das deutsche Notariat S. 172; v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 161. 168 Er stammte aus der Gegend von Perugia und arbeitete als Notar und iudex in Bologna (vgl. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 164). 169 Der Entstehungszeitpunkt des Werkes ist umstritten. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 165 gibt das Jahr 1214 an und hält die Formulare von 1227 für nachträgliche Einfügungen; v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 173 ordnet die Summa nach 1227 ein und Wahrmund, Quellen Bd. III Heft 2 S. XIV ff. vermutet, daß die Arbeit zwischen 1224 und 1234 geschrieben wurde. 170 Vgl. in der Ausgabe von Wahrmund, Quellen a.a.O. Bd. III Heft 2 S. 42: "Martinus potestati sui patris Petri suppositus quia lege inhibente non valebat condere testamentum etiam eius iussu, donationem hanc causa mortis patre suo volente ac perrnittente facere ac perficere destinavit. Primo quidem pro anima sua tot libras denariorum reliquit expendendas arbitrio sui patris predicti in ecclesiis, pauperibus et ubi melius et utilius pro 161
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form gibt. Von den erhaltenen Werken l7l ist hiernach die ars notaria des Salatiele 172 zu nennen. Sie stimmt in wesentlichen Teilen mit der vorgenannten Sammlung des Rainerius Perusinus überein 173, enthält allerdings zur donatio mortis causa im dritten Buch eine ausführliche Stellungnahme l74 . Diese gleicht inhaltlich in allen wesentlichen Punkten der oben geschilderten Betrachtungsweise der Glossatoren: Die donatio mortis causa wurde grundsätzlich unter Bezugnahme auf C 8.56(57).4 als letztwillige Verfügung aufgefaßt: "nec est mortis causa donatio codicillus vel testamenturn sed est quedam ultima voluntas per se"175 und von der mortis causa capio in der bereits bekannten Weise abgegrenzt 176, daß sich der Schenker bei der donatio mortis causa zu Lebzeiten verpflichtet und "plerumque tradit". An dieser Formulierung zeigt sich, daß ein Ausführungsgeschäft und die Übergabe des Zuwendungsgegenstandes in der Praxis die Regel waren; allerdings wurde die Möglichkeit der stipulatio oder pollicitatio nicht ausgeschlossen; die traditio stand jedoch an erster Stelle. Hierfür spricht auch die im Zusammenhang mit der Widerrufsfrage getroffene Feststellung: "Revocatur autem mortis causa donatio vel per rem vindicationem directam vel utilem, quia a donatario in donantem videtur transire dominium" 177 • Insgesamt zeigt sich, daß die ars notaria des Salatiele keine weiterführenden Gesichtspunkte enthält, vor allem die Position der am Nachlaß Beteiligten nicht berücksichtigt. Besondere Beachtung widmete Salatiele wie anima huius fuerit iussum. Item tali donavit talern rem. Quam donationem predictam ipse Martinus expressit se velle valere, si contingeret, eum de hac egritudine mori, alioquin ipsas res predictas et denarios sibi et patri suo vult libere remanere". 171 Verloren ging z. B. De ordine judicario s. opus artis notariae von Odofredus sowie De officio tabellionis von Aegidius Fuscarius (vgl. Oesterley, Das deutsche Notariat S. 173 und v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 526). Der Ordo iudicarius des Aegidius fuscarius (abgedruckt bei Wahrmund, Quellen Bd. III Heft 1) behandelt die donatio mortis causa nicht. 172 Salatiele wurde 1237 Notar in Bologna; er war Schüler des Odofredus, dessen Schriften er z. T. wörtlich übernahm (vgl. Oesteley, Das deutsche Notariat S. 172; v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 177; v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 177). 173 Umstritten ist, ob die in einer Pariser Handschrift enthaltene Summa sich als 2. Ausgabe einer anonymen Handschrift mit dem Titel Formulare instrumentorum nec non ars notariatus Argent. darstellt (vgl. Oesterley, Das deutsche Notariat S. 172 ff., v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeß S. 173; v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 535f.). Der Entstehungszeitpunkt ist daher ungewiß, dürfte aber nach 1253 liegen. 174 Ausgabe von Orlandelli, Bd. 11 S.206f. 175 Orlandelli, Bd. II S. 206 Fn e: "Sed quid differt mortis causa donatio a mortis causa capione? Respondeo: hoc, quia in mortis causa donatione obligatur qui donat vel promittendo vel pollicendo et plerumque tradit, sed mortis causa capio est cum post mortem alicuius aliquid pervenit ad aliquem occasione mortis dum tarnen illud non censeatur propria appelatione". 176 "Fit autem mortis causa donatio per traditionern. Item per stipulationem et per pollicitationem" . 177 Orlandelli, Bd. 11 S. 207.
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auch Rainerius Peru sinus dem Umstand, daß der minderjährige Sohn mit Einverständnis des Vaters von Todes wegen schenken konnte, während ihm die Fähigkeit zum Legat fehlte 178 • Hierauf wird in dem entsprechenden Formular ausdrücklich hingewiesen. Zeitlich schwierig einzuordnen ist das Formularium des Martinus de Fano l79 • Während zum Teil aus den Handschriften als Entstehungszeitpunkt 1278 angegeben wird 180, sprechen andere Gesichtspunkte dafür, daß die Schrift bereits 1234 entstanden ist l81 • Mit der donatio mortis causa beschäftigt sich Martinus de Fano in den §§ 108-110 182 • Auffallig ist dabei, daß die Schenkung von Todes wegen nach seiner Auffassung weitgehend der gewöhnlichen Schenkung unter Lebenden glich, während die übrigen Autoren sie dem Legat verwandt verstanden. In § 108 heißt es bei Martinus de Fano: "Ego causa mortis do et dono tibi medietatem omnium bonorum meorum, quae habeo et teneo in tali fundo, ad habend um, tenendum, fruendum, lucrandum et quidquid tibi et tuis heredibus placuerit faciendum" 183. Es handelte sich dabei um eine wirkliche Vollrechtsübertragung mit Besitzübergabe und allen daraus folgenden Konsequenzen l84 • Um möglichen Maßnahmen der Erben entgegenzuwirken, sah das Formular sogar ein Strafversprechen des Schenkers zugunsten des Beschenkten für den Fall vor, daß die Erben gegen die Schenkung vorgehen sollten 185. Eine solche Abrede, die auch in den Formularen des älteren deutschen Rechts Verbreitung fand, ergibt nur dann einen Sinn, wenn die Schenkung zu Lebzeiten des Schenkers ihre vollen Rechtswirkungen entfalten sollte l86 . Bemerkenswert 178 Das Formular (Orlandelli, Bd. II S.309) lautet: "Panfilus sui patris suppositus potestati quia lege vetante non potest facere testamenturn etiam patre volente iussu patris ipso quoque volente donavit causa mortis pauperibus Cristi .x. libras bononinorum distribuendas post mortem suam arbitrio dicti sui patris, item donavit Titio domum unam positam, etcetera, item donavit Gaio omnia iura que habet contra commune Bononie occasione talis ambraxarie, quam donationem seu donationes dixit se velle valere si contingat ipsum de hac egritudine mori, alioquin vult res predictas et iura sibi et sius successoribus remanere". Hinzugefügt ist: "Potest autem donare causa mortis omnis qui potest facere testamentum, licet fecerit, sed fallit in filio familias, qui licet regulariter testari non possit etiam patre volente attamen patre volente potest causa mortis donare. Item potest causa mortis donari ei soli cui potest legari, quod tempore mortis inspicitur"; vgl. auch Orlandelli, S. 207 und Aboucaya, Revue Historique 1966,409. 179 Er war Schüler Azos, 1229 Rechtslehrerin Fano und lebte um 1270 als Domvikarin einem Kloster bei Bologna (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S.489). 180 Vgl. Wahrmund, Quellen Bd. I Heft 8 S. IXff. 181 Vgl. Wahrmund, Quellen Bd. I Heft 8 S. IXff. 182 Vgl. Wahrmund, Quellen Bd. I Heft 8 S. 44f. 183 § 108, Wahrmund, Quellen Bd. I Heft 8 S. 44. 184 Aboucaya, Revue Historique 1966,408. 185 § 108 lautete: "Quodsi heredes mei contra fecerunt et omnia praedicta non observaverint, obligo me ac eos solemni stipulatione, dare tibi ac tuis heredibus duas libras auri nomine poena". 186 Aboucaya, Revue Historique 1966, 408.
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ist zudem, daß Martinus de Fano die donatio mortis causa als contractus bezeichnet und den Ausdruck "ultima voluntas" in diesem Zusammenhang nicht benutzt. Dennoch ist sicher, daß der Text als Vertragsentwurf für eine donatio mortis causa gedacht war. Dafür spricht nicht nur das Formerfordernis der fünf Zeugen 187, sondern auch die generelle Widerruflichkeit der Schenkung l88 • Der nach Auffassung de Fanos zulässige Widerrufsverzicht 189 charakterisiert das Rechtsgeschäft als solches unter Lebenden 190. Die bisher behandelte Notariatsliteratur zeigt damit ein kontroverses Bild: Während vor allem Salatiele die donatio mortis causa stark der letztwilligen Verfügung annäherte, betonte Martinus de Fano ihre Verwandtschaft mit der lebzeitigen Schenkung. Dabei erscheint vor allem bedeutsam, daß sowohl Salatiele als auch Rainerius Perusinus in ihren Formularen zum Abschluß der donatio mortis causa kein Verfügungsgeschäft verlangten, während Martinus de Fano sogar die Vollrechtsübertragung vorsah. Hierin bestätigt sich erneut die Schlußfolgerung, daß eine Anwendung der erbrechtlichen Vorschriften auf die donatio mortis causa es andererseits erlaubte, geringere Anforderungen an ihr Ausführungsgeschäft zu stellen. Allerdings bliebe eine Gesamtbetrachtung der ars notaria lückenhaft ohne Berücksichtigung der Werke des Rolandinus Passagieri 191 , dessen Schriften sich in erster Linie mit dem Notariatswesen befassen. Sein bekanntestes Werk, die Summa artis notariae, wurde zum größten Teil in das Speculum iuris des Durantis übernommen 192 , so daß eine gemeinsame Darstellung beider Autoren möglich erscheint. Das Speculum kann ohnehin als Sammelwerk der praktischen Literatur der Glossatorenzeit gelten und beschließt gleichzeitig die Epoche dieses Rechtszweiges 193 • Sein Vorrang liegt darin begründet, daß Durantis 194 das gesamte weltliche und canonische Recht in einem bis dahin nicht § 108: "In hoc contractu quinque testes intersind". "Et nota, quod contractus iste revocatur, cum donator revocare voluerit", § 108. 189 "Verum potest irrevocabiliter fieri", § 108. 190 Aboucaya, Revue Historique 1966, 409. 191 Er wurde nach 1200 geboren, war ab 1234 Notar in Bologna und starb 1300. Seine schriftstellerische Tätigkeit begann um 1250 (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 540 f.; Oesterley, Das deutsche Notariat S. 174; Stintzing, Populäre Literatur S.296; v. Bethmann-Hol/weg, Civilprozeß S. 195f.); zu seiner Person ferner Palmieri, Rolandino Passagieri, Bologna 1933; zur Ausbreitung seiner Arbeiten in Deutschland Coing, IRMAE V 6 S. 160. 192 v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 542; Oesterley, Das deutsche Notariat S. 175; Stintzing, Populäre Literatur S. 296. 193 Der Entstehungszeitpunkt des Werkes ist unsicher. Die erste Ausgabe wird datiert auf 1271 oder 1272, die 2. auf die Zeit nach 1286 (v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 584; v. Bethmann-Hol/weg, Civilprozeß S. 207 und dort Fn. 15). 194 Durantis wurde 1237 im Languedoc geboren, lehrte canonisches Recht und trat dann in päpstliche Dienste. Bis zu seinem Tode im Jahre 1296 war er Statthalter und Bischof in verschiedenen Provinzen (vgl. v. Savigny, Geschichte des römischen Rechts Bd. V S. 573ff; v. Bethmann-Hol/weg, Civilprozeß S. 204ft). 187
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2. Die donatio mortis causa
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gekannten Umfang zusammengetragen hat l95 • Die universale Bearbeitung des vorhandenen Rechtes zeigt sich nicht zuletzt daran, daß Durantis im zweiten Teil seines zweiten Buches in einem umfangreichen AbschniW 96 die Notariatskunst behandelte und der donatio mortis causa eine ausführliche Passage unter dem Titel "de formis donationum causa mortis et inter vivos" widmete. Allerdings tritt die Behandlung der hier fraglichen Probleme zum großen Teil hinter anderen Fragen der donatio mortis zurück. Eine Berücksichtigung der Interessen der am Nachlaß Beteiligten fehlt ebenso wie in den früheren Werken der ars notaria 197; ein Mangel, der damit zu erklären ist, daß die Formulare der Vornahme einer donatio mortis causa dienen sollten und deshalb den Schutz der Pflichtteilsberechtigten und Nachlaßgläubiger nicht notwendig mitumfassen mußten. - Aber auch der Abgrenzung zwischen letztwilligen Verfügungen und Rechtsgeschäften unter Lebenden widmet das Speculum nicht viel Raum. Das erste Formular 198 enthält in der additio den Satz: "Rolandinus dubitatur an fuerit simpliciter donatio an causa mortis", woraus ersichtlich wird, daß zwischen beiden Schenkungsformen unterschieden wurde. Prinzipiell ging Durantis von einer engen Verwandtschaft zwischen Legat und donatio mortis causa aus. In einem weiteren Formular 199 , das als Vorlage für eine unwiderrufliche Schenkung von Todes wegen dienen sollte, führte er aus: "Haec forma utilior est, quam testamenturn vel codicilli, quia si potest irrevocabiliter fieri", ferner: "Non enim indiget talis donatio insinuatione iudicis nec traditione possessionis nec aditione hereditatis, sed statim a morte transit dominium in donatarium". In der additio 2 °O hierzu heißt es unter Berufung auf Hostiensis bezüglich der donatio mortis causa: "Quod fere per omnia connumerantur legatis". Hinsichtlich der Unterschiede zum Legat findet sich ein Verweis auf Accursius. Sogar die unwiderrufliche donatio mortis causa wurde von Durantis nicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden angesehen, wie sich an der additio g zu dem genannten Formular zeigt 201 : "Lex illa dicit contrarium. Quod ubi mortis causa donatur, ita quod nulla de causa revocari possit, intelligitur donatio inter vivos". Die Einordnung der donatio mortis causa als Unterfall einer letztwilligen Verfügung spiegelt sich zudem darin wider, daß die Formulare überwiegend Vertragsgestaltungen enthalten, die ihre Verfügungswirkungen erst nach dem Tode des Schenkers entfalten sollten. So heißt es in der Forma C 202 : " ••• donavit namque mortis causa H. eius fratrem ibidem praesentis tale praedium vel centum lib. Tur. 195 K. W. Nörr, Coings Hdb. S. 394; daneben ist das Werk mit zahlreichen additiones des Johannes Andreae und des Baldus versehen. 196 S. 590-690 der gedruckten Ausgabe Basileae 1563. 197 In seiner Schrift "De succesionibus" weist Rolandinus Bononiensis allerdings auf die Geltung der lex Falcidia hin (S. 349). 198 Lib. 11 part. 11 Forma b S.674. 199 Fonna f. S. 675. 200 S.677. 201
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S.677.
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1. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
pollicitatione offerens vel sic solemni stipulatione promittens dicto H. eidern tradere, dare et exhibere post mortem eius donationis causa dictum praedium, sive dictam pecuniae quantitatem". Vor Forma d lautet die Einleitung: "Quod si filia fa. coniugata languens, donat causa mortis et de dando et tradendo post mortem se obligat ... ". Schließlich findet sich in der bereits erwähnten Forma [203 der Satz: "do tibi licentiam et auctoritatem me mortua intrandi possessionem". - Abweichend hierzu ist allerdings zu erwähnen, daß der Tractatus de successionibus des Rolandinus Bononiensis auch den Satz enthält: "In dubium intellegitur translaturn dominium"204. Er steht im Zusammenhang mit der Frage, welche Klageart der Schenker wählen mußte, um nach überstandener Lebensgefahr den Zuwendungsgegenstand vom Beschenkten herausverlangen zu können. Im Unterschied zum Speculum ist damit hier die Angleichung von Legat und donatio mortis causa schwächer ausgeprägt. Durantis hingegen scheint in dieser Hinsicht vom canonischen Recht beeinflußt worden zu sein, welches die donatio mortis causa stärker als das weltliche Recht in den Zusammenhang der letztwilligen Verfügung stellte, wie noch zu zeigen sein wird. Der Umstand, daß Durantis dem canonischen Recht eng verbunden war, erweist sich zudem aus einem besonderen Formular, welches eine Schenkung an die Kirche zum Gegenstand hat 20s . Derartige Schenkungen betrachtete Durantis als solche unter Lebenden: "Ego talis pro anima mea et parentum meorum et pro remissione peccatorum meorum, pure libere et irrevocabiliter inter vivos do, dorto et affero tibi ... "206. Als Konsequenz dieser Betrachtungsweise wurde bei solchen Schenkungen eine Eigentumsübertragung erforderlich; der Schenker behielt allein den Nießbrauch: "solo mihi usufructu, dum vixero, reservato: ad habendum, tenedum et quicquid placuerit dictis fratribus, faciendum cum omnibus suis pertinentiis et iuribus: licet per usufructus retentionem intelligitur facta traditio"207. Insoweit bestätigt sich bei Durantis und damit auch bei Rolandinus Passagieri das bereits gewonnene Bild. Zwischen der Einordnung der donatio mortis als lebzeitiges Rechtsgeschäft oder als Verfügung von Todes wegen und dem Ausführungsgeschäft bestand nicht nur in der Glosse und Kommentarliteratur, sondern auch in der ars notaria ein untrennbarer Zusammenhang. Die nicht vollzogene Schenkung wurde den erbrechtlichen Regeln unterstellt, die vollzogene als Schenkung unter Lebenden angesehen.
S.675. S. 348; die Formulare zu diesem Abschnitt (S. 350ff.) sehen sowohl eine Versprechensschenkung als auch eine vollzogene Schenkung vor. 205 Forma kund 1 S. 675. 206 Forma k S. 675. 207 Forma k S. 675. 203
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2. Oie donatio mortis causa
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ce) Die donatio mortis causa im canonischen Recht des Mittelalters Eine Berücksichtigung der Werke zum canonistischen Recht des Mittelalters muß an dieser Stelle notwendigerweise ebenso exemplarisch bleiben wie die Untersuchung des weltlichen Rechts. Aber selbst dabei erweist sich, daß der donatio mortis causa in der canonistischen Literatur durchweg weniger Beachtung zuteil geworden ist als bei den Glossatoren und Kommentatoren des römischen Rechts. So findet sich in einer der berühmtesten Arbeiten zu den Oekretalen im 13. Jahrhundert, dem Kommentar Papst Innozenz IV208, kein eigener Abschnitt zur Schenkung von Todes wegen 209 . Anders allerdings in der Summa des Hostiensis 21O • Sie enthält zu X 3,24 Oe donationibus einen besonderen Absatz über die donatio mortis causa 211, in dem zunächst die verschiedenen Arten der letztwilligen Schenkung vorgestellt werden. Unter Bezugnahme auf Azo grenzte Hostiensis die donatio mortis causa in gleicher Weise wie dieser vom Legat ab. Zu den wesentlichen Unterschieden heißt es dort: "Prima est, quod legatum ab herede semper traditur, sed donatio plerumque a testatore. Secunda est quod in mortis causa donatione sic potest fieri substitutio ut alicui promittat si ipse capere non potest, secus in legato. Tertia est quod si accuso testamenturn amitto legatum non tarnen donationem causa mortis. Quarta est secundam quosdam; quod in legato locum habe interdictum quorum legatorum non in donatione causa mortis". Im Unterschied zu Azo betonte Hostiensis jedoch: "Item differentiam quae non secundum azo et est subaudiendum non placet: quod si tradit ita quod non recuperet vel obligat ad tradendum sine spe recuperationis donatio est inter vivos". Hieraus folgt, daß Hostiensis die nicht widerrufliche Schenkung als Rechtsgeschäft unter Lebenden und nicht als Verfügung von Todes wegen einordnete; ähnlich, wie es auch bei Martinus de Fano zu beobachten war. Oie Grenzziehung zur mortis causa capio verläuft in gleicher Weise, wie sie in der Glosse zum römischen Recht vorgenommen wurde: "In mortis causa donatione obligatur cui donat plerumque et eius heres et plerumque tradit statim res, sed mortis causa capio est quando mortem alicuius aliquid dat alicui causa conditionis implendar". Hier wie dort konnte die donatio mortis causa durch Stipulation oder mündliche Vereinbarung im Beisein von fünf Zeugen geschlossen werden 212 . Im Verhältnis zu Azo besteht daher nur die Neuerung, daß die Er starb 1254 (vgl. v. Schulte, Oie Geschichte Bd. I S. 92). Und zwar weder zu X 3,24 (Oe donationibus) noch zu X 3,26 (Oe testamentis et ultimis voluntatibus) oder zu X 4,2 (Oe donationibus inter virum et uxorem), vgl. fol 398 ff., 400 ff. und 484 ff. 210 Hostiensis lebte im 13. Jahrhundert in Bologna, lehrte später Recht in Paris und war ab 1261 Bischof von Ostia. Oie Abfassung seiner Summa fällt in die Zeit zwischen 1250 und 1261 (vgl. v. Schulte, Oie Geschichte Bd. Ir S. 125 ff.; Lefebvre, Oictionannaire de Oroit canonique Bd. V Sp. 1211 ff.). 211 fol 162 Nr. 1. 212 fol 162 Nr. 3. 208
209
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unwiderrufliche Schenkung stets als Schenkung unter Lebenden behandelt wurde, sei es, daß der Zuwendungsgegenstand übergeben oder lediglich ein Schenkungsversprechen abgegeben worden war. Für Hostiensis war die Vergleichbarkeit von donatio mortis causa und Legat eng mit der Frage der Widerruflichkeit verbunden, der damit besondere Bedeutung zukam. Im Anschluß an die oben zitierte Stelle findet sich der Satz 213 : "Et idem dicit imperator quod huiusmodi donationes omnes effectus sortiantur quos ultimae voluntates seu liberalitates nec ex quacumque parte eis absimiles habeantur". An anderer Stelle führte er unter Bezugnahme auf einige Bemerkungen zur Unwiderruflichkeit aus 214 : "Et hoc verum est nisi sic datum fuerit ut statim transeat dominium nec revocare possit". Allerdings scheint Hostiensis selbst seine Abweichung von der Lehre nicht als schwerwiegend empfunden zu haben 215 : "Ergo non curo inter hoc magnam differentiam assignare". - Der umfangreiche und im übrigen ausführliche Dekretalenkommentar des Johannes Andreae enthält weder zu X 3,24 bzw. 26 noch zu X 4,20 Ausführungen zur donatio mortis causa 216 • Bei Baldus hingegen findet die Schenkung von Todes wegen zwar an mehreren Stellen Beachtung; an einer zusammenhängenden Bearbeitung fehlt es indessen. Zu X 1,2,7 (Oe constitutionibus) vertrat Baldus die Ansicht, jede Schenkung, auch die von Todes wegen, könne im Falle eines stipulierten Versprechens nicht widerrufen werden: "Similiter donatarius etiam causa mortis, si aliquid promisit per stipulationem, puta iure Romana, non po test renunciare donationi" 217 • An anderer Stelle, zu X 2,24,28 (Oe iure iurando )218, zeigt sich bei Baldus eine Differenzierung, die bereits Hostiensis in ähnlicher Weise vorgenommen hatte: "Quia quando in donatione causa mortis ponitur pactum irrevocabilitatis, dilgredit ad donationem inter vivos" . Auch für Baldus stellte die Widerruflichkeit bzw. Unwiderruflichkeit das entscheidende Einordnungskriterium dar. Die letzte Stelle schließlich, zu X 2,30,1 (Oe confirmatione utili vel inutili), befaßte sich mit der Frage, ob die Wirksamkeit einer donatio mortis causa von der Festsetzung einer Sicherheitsleistung
fol 162 Nr. 1. fol 162 Nr. 7. 215 fol162 Nr. 1. Etwa in demselben Zeitraum entstand das Speculum Doctrinale des Vincentinus Bellovacensis, der zwischen 1264 und 1274 starb (vgl. vgl. Savign y, Geschichte Bd. V S. 434; v. Schulte, Die Geschichte Bd. 11 S. 122). Bellovacensis befaßte sich mit der Sammlung des gesamten wissenschaftlichen Materials aller Disziplinen. Zur Donatio mortis causa des canonischen Rechts schrieb er: "Donatio vero causa mortis est, quando malo quidem me habere quam alium, sed magis alium quam haeredem meum. Perficitur autem donatio nudis verbis, etiam sine rei traditione" (Sp. 648). 216 Vgl. commentaria, fol 98ff. und 68ff. und 105ff. Johannes Andreae lebte wahrscheinlich von 1270-1348 (vgl. v. Schulte, Die Geschichte Bd. 11 S. 205ff.); neben dem hier zitierten Werk sind vor allem seine additiones zum Speculum von Durantis bedeutsam. 217 Commentaria fol 17 Nr. 46. 218 Commentaria fol 259 Nr. 27. 213
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2. Die donatio mortis causa
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abhing 219 ; sie ist im fraglichen Zusammenhang bedeutungslos. Insgesamt hatte die Schenkung von Todes wegen damit für Baldus keinen besonderen Stellenwert. - Dieser Eindruck, daß die Schenkung von Todes wegen im canonischen Recht verhältnismäßig wenig Beachtung fand, verstärkt sich noch in den Arbeiten des Antonius de Butrio 220 , der sich weder bei der Erläuterung der Schenkung bzw. der Ehegattenschenkung, noch in dem Abschnitt über Testamente und den letzten Willen zur donatio mortis causa äußerte 221 . Panormitatus 222 schließlich befaßte sich lediglich in zwei Consilien mit der donatio mortis causa. Beide Stellen gehen inhaltlich nicht über das hinaus, was die Glosse zum römischen Recht bereits entwickelt hatte. Im Rahmen der Ehegattenschenkung begründete Panormitatus die Zulässigkeit einer donatio mortis causa während bestehender Ehe mit dem Satz: "Donatio autem causa mortis trahitur ad ultimam voluntatem. Maritata ergo prohibita sine consensu mariti pactum vel obligationem facere de suis dotibus, non videtur prohibita disponere in ultima voluntate" 223 . Die Zuordnung der donatio mortis causa zu den letztwilligen Verfügungen galt jedoch offenbar nur für bestimmte Arten der genannten Schenkungsform, da es an anderer Stelle heißt: "Quando donatio mortis causa non sit in testamento nec in codicillis, accedit magis ad naturam contractus quam ultimae voluntatis"224. Inhaltsgleich findet sich die Feststellung auch an anderer Stelle 225 . Interessant ist die Äußerung, die sich bereits bei den Glossatoren Azo und Accursius, später auch bei den Kommentatoren zu der Abgrenzung der donatio mortis causa von verwandten Rechtsinstituten fand: "Donatio praesumitur facta inter vivos, ex quo non est facta commemoratio mortis et si fiat ab infirmo" 226 . Dennoch läßt sich insgesamt feststellen, daß die systematischen Erkenntnisse hinter denjenigen der Vertreter des weltlichen Rechtes in dieser Zeit zurückblieben. "Donatio mortis causa an sit invalida, nisi praestita cautio". Er lebte von etwa 1338 -1408 und lehrte in Bologna canonisches Recht (vgl. v. Schulte, Die Geschichte Bd. 11 S. 289 ff.; Amanien, Dictionnaire de Droit Canonique Bd. I Sp.630f.). 221 Vgl. Commentaria zu X 3,24 (fol 92ff.), zu X 3,26 (fol 97ff.) und zu X 4,20 (fol 59ff.). Das Zitat von Aboucaya, Revue Historique 1966, 414 Fn. 113 (X, IV, 5,4) ist unzutreffend. Phillipus Pro bus zitierte zwar in einer additio zu Monachus (fo1379 Nr. 51) von Antonius de Butrio ein consilium Nr. 21 im Zusammenhang mit der donatio mortis causa; dieses ist jedoch in gedruckter Fassung nicht vorhanden (vgl. Amanien, Dictionnaire de Droit Canonique Bd. I Sp. 631). 222 Nicolaus de Tudeschis lebte wahrscheinlich von 1386 -1445 und gilt als der bedeutendste canonische Rechtsgelehrte. 1427 wurde er Bischof von Palermo (vgl. v. Schulte, Die Geschichte Bd. 11 S. 312ff.; ausf. Lejebvre, Dictionnaire de Droit Canonique Bd. VI Sp. 119ff.). 223 Consilia XL S. 252 Nr. 2. 224 Consilia XL S. 252 Nr. 3. 225 Consilia XL S. 252 Nr. 7. 226 Consila XLI S. 255 Nr. 4. 219
220
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Zum Abschluß der Behandlung des mittelalterlichen canonischen Rechts ist auf die Stellung der donatio mortis causa in den additiones des Phillipus Pro bus zu der Glossa aurea des Johannes Monachus 227 einzugehen, weil sie in zusammenfassender Weise das gewonnene Bild bestätigt. Bezugnehmend auf Panormitatus unterschied Phillipus Probus danach, ob die donatio mortis causa in einer letztwilligen Verfügung enthalten war oder unabhängig davon abgeschlossen wurde: "Quod si donatio ipsa fiat in testamento et codicillis ... tunc sapiat naturam ultimae voluntatis. Si vero fiat separatim et de per se secus cum accedat ad naturam contractus". Anders als die vorerwähnten Canonisten behandelte Phillipus Pro bus das Problem der fraudulösen Schenkung und löste es zugunsten der Gläubiger des Schenkers: "Hoc nisi fierit de omnibus bonis vel maiori parte, quod tunc praesumeretur facta in fraudem sic non valerit". Es folgt eine interessante Aussage, die sein Verständnis vom Zusammenhang zwischen Schenkung von Todes wegen und letztwilliger Verfügung besonders deutlich werden läßt 228 und der auch in der Folgezeit eine besondere Bedeutung zukam: "Secundo in donatione mortis causa transfertur dominium sine traditione". Diese Aussage verleiht der Schenkung von Todes wegen eine Rechtswirkung, die nicht den lebzeitigen Rechtsgeschäften, sondern nur den erbrechtlichen Verfügungen eigen ist. Daneben findet sich auch die bereits bekannte, formale Bestimmung der donatio mortis causa entsprechend dem jeweiligen Wortlaut der Vereinbarung: "Quod licet simpliciter permutatur donatio mortis causa, tarnen donatio non intellegitur promissa nisi de ipsa fiat specialis mentio"229. Phillipus Probus bemühte sich insgesamt um eine differenzierte Betrachtungsweise, siedelte die donatio mortis causa letztlich aber doch grundsätzlich bei den Legaten an, wie es der damals ganz überwiegenden Auffassung entsprach: "Ex quibus et aliis que colligere esset plus laboribus ... subtile resultat maximam fore discrepantiam inter contractus et donationem causa mortis: Et eam convenire potius ultimae voluntati quam contractui"230. Offensichtlich wurden dabei die entstehenden Rechtsfolgen der Schenkung von Todes wegen und die Probleme der durch sie benachteiligten Personengruppen berücksichtigt: " ... merito ut fraus evitetur, ad quam tollendam etiam in materia odiosa lata fit interpretatio". Allerdings nannte Phillipus andererseits auch Gesichtspunkte, die nach seiner Ansicht für eine Vertragskonstruktion und damit für ein lebzeitiges Rechtsgeschäft sprachen. Einer der Gründe lag für ihn darin, daß jemand, dem die Testierfahigkeit fehlte, mit Zustimmung des Vaters von Todes wegen schenken konnte: "Non possit testari etiam cum consensu patris ... tarnen potest donare
227 Fol 378 Nr. 51 in der Glossa aurea des Johannes Monachus. Die Glossa aurea des Johannes Monachus selbst zum Liber sextus behandelt die donatio mortis causa nicht. Sie entstand um 1304 (vgl. dazu Naz, Dictionnaire de Droit Canonique Bd. VI Sp. 112f.; v. Schulte, Die Geschichte Bd. Ir S. 191). 228 Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51. 229 Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51. 230 Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51.
2. Die donatio mortis causa
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causa mortis"231, ein Gesichtspunkt, der der donatio mortis causa in der Praxis zu wesentlicher Bedeutung verholfen hatte 232 . Vor allem aber maß Phillipus der donatio mortis causa Vertragscharakter bei, wenn sie durch eine Stipulation bestärkt worden war. Dazu führte er verschiedene Argumente an: "Quia donatio cum si fiat coram rogato notario vel donatario presente, ut fieri solet, multum firmatur, prima casu propie dicitur contractus et agitur ex contractu stipulationis"233. Eine solche Schenkung sollte, anders als das Legat, keinen Erbschaftsantritt erfordern: "Tali casu donatio causa mortis que fecit per stipulationem non requirit additionem hereditatem" 234. Diese Auffassung schließt sich an Hostiensis an, der den Eigentumsübergang auf den Beschenkten ohne Übergabe mit Eintritt des Erbfalles bejahte. Sie verdeutlicht die Parallelität der Rechtsfolgen von donatio mortis causa und Legat, die zum Ausgang des Mittelalters in nahezu allen wesentlichen Punkten hergestellt war. Zusammenfassend führte Phillipus Pro bus schließlich aus 235 : "Ex quibus omnibus datur intellegi quod de donatione causa mortis facta per stipulationern, idem iudicatur quod de contractu: quod licet sit facta in testamento per hoc natura contractus non alteretur, qui etiam contractus potest fieri in testamento", und im Anschluß daran 236 : "Ideo non potest revocari". Seine Arbeit erscheint deshalb von besonderem Interesse, weil sie detailliert und unter Verarbeitung einer großen Anzahl weltlicher und canonischer Rechtsquellen kennzeichnend für das Verständnis der donatio mortis causa am Ende des Mittelalters ist. Eine dogmatische Einordnung der Schenkung von Todes wegen ist dieser Periode nicht gelungen. Zum Teil wurden inhaltliche Abgrenzungskriterien in den Vordergrund gestellt, etwa die Form des Abschlusses, die lebzeitige Verpflichtung des Schenkers oder die Widerruflichkeit der Schenkung; zum anderen traten formale Gesichtspunkte immer stärker hervor, z. B. die Erwähnung des Beweggrundes bei der Vornahme der Schenkung. Andere Rechtsgelehrte wiederum hielten es für entscheidend, ob die donatio mortis causa in einem Testament enthalten war oder nicht. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Canonisten kein eigenes System der Schenkung von Todes wegen entwickelt haben 237 , während das weltliche Recht am Ausgang des 15. Jahrhunderts nicht übersichtlicher wirkt als zu Beginn des 12. Berücksichtigt man zudem, daß auch die Notariatsliteratur und damit die Praxis in ihrer Beurteilung gespalten war, so gibt dies hinreichend Anlaß zu der Vermutung, daß die dogmatischen Unterschiede keine bedeutsamen praktischen Konsequenzen gehabt haben können. Eine mögliche Erklärung liegt 231 232 233 234
235 236 237
Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51. V gl. 1/2 b/ bbj. Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51. Glossa Aurea, fol 378 Nr. 51. Glossa Aurea, fol 379 Nr. 52. Glossa Aurea, fol 379 Nr. 53. Aboucaya, Revue Historique 1966,414 Fn. 113.
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I. Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge im römischen Recht
darin, daß die betroffenen Personenkreise, d. h. die Pflichtteils berechtigten und Nachlaßgläubiger, trotz der Zulassung wirksamer Schenkungsversprechen von Todes wegen hinreichend durch die Anwendung erbrechtlicher Vorschriften geschützt und damit von dem theoretischen Streit nicht betroffen waren.
11. Die Vergabungen von Todes wegen in germanischer und fränkischer Zeit Aussagen zum älteren deutschen Recht im Hinblick auf das Thema bereiten besondere Schwierigkeiten, gerät doch alles, was man etwa im Eigentums- und Stellvertretungsrecht für gesichert erachtete, zunehmend in Zweifel!. Deshalb soll sich der nachfolgende Überblick auf ein für die Fragestellung wichtiges Beispiel aus dem langobardischen Recht, daneben auf wenige allgemeinerbrechtliche Aussagen beschränken, die für das Verständnis von Bedeutung sind und die als gesichert gelten können. Aus den vorgenannten Gründen bleiben demgegenüber die interessanten Probleme der fränkischen Affatomie und der donatio pro anima außer Betracht. Untersucht man die Ursprünge der vorweggenommenen Erbfolge im germanischen Rechtskreis, so erscheint es zunächst notwendig, die unterschiedlichen Strukturen des Erb- und Liegenschaftsrechtes im Verhältnis zum römischen Recht zu betonen. Während das römische Recht der testamentarischen Erbfolge gegenüber der gesetzlichen Vorrang einräumte, fehlte es im germanischen Rechtskreis anfänglich an einer gewillkürten Erbfolge. Dazu heißt es bei Tacitus in der Germania c 20: "heredes tarnen successoresque sui cuique liberi et nullum testamentum. Si liberi non sunt proximus gradus in possessione fratres, patri, avunculi"2. Hinsichtlich der unbeweglichen Habe läßt sich für diese Zeit überhaupt keine Erbfolge im heutigen Sinne feststellen 3 • Einschränkend ist hinzuzusetzen, daß es insgesamt an gesicherten Erkenntnissen fehlt. Immerhin könnte für ein ausgebildetes Erbrecht deshalb ein Bedürfnis gefehlt haben, weil Immobilien in der gemeinschaftlichen Berechtigung eines sozialen Verbandes standen, dem einzelnen waren lediglich Nutzungsbefugnisse eingeräumt4 • Die Mitglieder des Sippenverbandes bebauten den bewirtschafteten Boden gemeinsam. Tacitus schrieb in c 26 hierzu: "agri pro numero cultorum ab universis invices occupantur, quos mox inter se secundum dignationem partiuntur"s. Vgl. z. B. für das Eigentum Köbler, ZGR GA Bd. 95 (1978) S. 21ff. Ed Schwyzer, S. 52; Zöpjl, Deutsche Rechtsgeschichte S. 770; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S.78; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 1 S.41; Aders, Testamentsrecht der Stadt Köln im Mittelalter S. 2fT.; Piper, Testament und Vergabung S. 30f. 3 Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S.77 m. w. Nachw., Anders bei Fahrhabe; diese wurde dem Toten zum Teil mit ins Grab gegeben, der Rest fiel an die Verwandten, Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 1 S. 41; vgl. auch Bruck, Kirchenväter S. 143. 4 Planitz, Germanische Rechtsgeschichte S. 31 f.; Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 526; v. Amira-Eckhardt, Germanisches Recht Bd. 11 S. 88fT.; Stammler, Handwörterbuch S. 339; Hagemann, HRG Bd. I, "Erbrecht" Sp. 971. 5 Ed Schwyzer, S. 63; vgl. auch Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 59. 1
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4 Olzen
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Haus und Hof hingegen gehörten der Hausgemeinschaft 6 , wobei dieses "gehören" mit unserem heutigen Eigentumsverständnis nicht gleichgesetzt werden kann 7 • Der Anteil eines Verstorbenen wuchs den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaft zu, ohne daß es eines Erbantrittes oder einer Erbfolge bedurft hätte 8 . Die gesamthänderische Bindung des Immobiliareigentums schränkte die Verfügungs befugnis des Hausvaters ein, der ohne Zustimmung seiner Hausgenossen keine wirksame Verfügung über das Grundeigentum vornehmen konnte 9 • Allerdings war es dem Hausvater wohl nicht verwehrt, bereits zu Lebzeiten sein gesamthänderisch gebundenes Recht auf seine Erben zu übertragen und sich auf sein Altenteil zurückzuziehen, wenn er nicht mehr über die notwendige Wehr- oder Wirtschaftsfähigkeit verfügte 10 • Quellen, die nähere Aufschlüsse über die Rechtsnatur und die Rechtsfolgen einer solchen Übertragung geben könnten, sind jedoch aus der frühen germanischen Zeit nicht vorhanden. Für die beschriebene Rechtsgemeinschaft zwischen Vater und Söhnen spricht indessen, daß sie sich in Ansätzen aus den Volksrechten der ersten nachchristlichen Jahrhunderte ersehen läßt. Ein deutliches Beispiel dafür findet sich in der lex Burgund. tit 75 c 2 11 : "Quod si filius omnia cum patre indivisa possiderit eodem mortuo medietas nepotis partibus sequestretur: altera medietas cum filia et nepote aequo ordine dividatur". Auch im langobardischen Recht sind entsprechende Anhaltspunkte vorhanden. So heißt es in Roth. 16 12 "Si fratres post mortem patris in casa commune remanserint, et unus ex ipsis in obsequiu regis aut iudicis aliqua res adquesiverit, habeat sibi in antea absque portionem fatrum; et qui foras in exercitum aliquid adquesiverit, commune sit fratribus quod in casa commune dimiserit". Noch deutlicher formulierte Liutpr. 70 13 : "Si inter fratres per quadraginta annos possessio fuerit de rebus seu de casis vel de terris quae indivisa sunt, vel per parentes, qui per quadraginta annos possedit, ... " Hieran wird deutlich, daß ursprünglich wohl weder Probleme einer wirklichen noch einer vorweggenommenen Erbfolge entstanden sind 14. Planitz-Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte S. 56. Hagemann, HRG Bd. I "Eigentum" Sp. 886f. 8 Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 526. 9 Planitz-Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte S. 57; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 1 S. 46. 10 Grimm, Deutsche Rechtsaltertümer Bd. 1 S. 674; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 17; Runde ZfDR 1842, 4f. 11 MGH Leg. tom III S. 564. Das Gesetz entstand zwischen 450 und 501; vgl. v. AmiraEckhardt, Germanisches Recht Bd. I S.33; ausf. Stobbe, Geschichte Bd. I S.100ff.; Wattenbach-Levinsonj Buchner, Geschichtsquellen S. 12f.; Nehlsen, HRG Bd.1I "Lex Burgundionum" Sp 1901 ff. 12 MGH Leg. tom IV S. 38f. Das Edict stammt aus dem Jahre 643, vgl. WattenbachLevinsonjBuchner, Geschichtsquellen S. 34ff.; Nehlsen, Sklavenrecht S. 358ff.; Stobbe, Geschichte Bd. I S. 122; v. Amira-Eckhardt, Germanisches Recht Bd. I S. 70; dazu auch Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 258; Gebb, Anerbenrecht S. 8f. 13 MGH Leg. tom IV S. 135. 14 Vgl. dazu auch Tschäppeler, Testierfreiheit S. 47 ff.; Piper, Testament und Vergabung S. 30ff.; Buss, Letztwillige Verfügungen S. 13 ff. 6
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Der Grundsatz der Anwachsung des Gesamthandeigentums zugunsten der Blutsverwandten erfuhr allerdings in der Folgezeit in zweierlei Hinsicht Einschränkungen, die durch den Verfall des Sippenverbandes und den wachsenden Einfluß der Kirche begünstigt wurden. Die germanische Rechtsentwicklung im 6. bis 8. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch ein dauerndes Spannungsfeld zwischen der unentziehbaren Berechtigung gesetzlicher Erben einerseits und einer stärker werdenden Verfügungsfreiheit des Hausvaters andererseits l5 . Eine erste und in ihren Auswirkungen geringfügige Ausnahme vom Prinzip der gesetzlichen Erbfolge oder der Anwachsung des Gesamthandeigentums betraf Grundeigentümer, die ohne geborene Erben blieben. Ihnen erlaubte man schon in frühester Zeit, selbst einen Erben auszuwählen und schaffte so für einen Teilbereich die Möglichkeit gewillkürter Erbfolge. Zu diesem Zweck bildete sich vor allem im langobardischen Recht ein interessantes Rechtsinstitut aus, das einer näheren Betrachtung unterzogen werden soll: das thinx l6 .
1. Das thinx (gairethinx) des langobardischen Rechtes Es diente ursprünglich dazu, den Mangel gesetzlicher Erben durch Annahme eines gewillkürten Erben (adoptio in hereditatem) abzuhelfen l7 , hat aber durch den Einfluß des römischen Rechtes verschiedene Besonderheiten erfahren. Das thinx findet eine ausführliche Behandlung im Edict. Roth. 171-174 18 , daneben in verschiedenen Einzelbestimmungen; es war grundsätzlich eine 15 Bruck, Kirchenväter S. 142; Zöpjl, Deutsche Rechtsgeschichte S. 775f. Anlaß war der infolge der Christianisierung in vielen Gläubigen geweckte Wunsch, durch Schenkungen an die Kirche späteres Seelenheil zu erreichen. Als Folge dessen kam es zu unzähligen, sog. donationes pro anima, die von der hier dargestellten Problematik insoweit abweichen, als Adressat stets die Kirche war. Ihre unterschiedlichen Strukturen (donatio post obitum und donatio reservato usufructu) sowie ihre weite Verbreitung in den unterschiedlichen Rechtskreisen verbieten eine gedrängte Darstellung. Sie gehörte zu den Rechtsfiguren, die außer mit dem Verfall der Sippe auch mit der Schaffung der Grundlagen für eine gewillkürte Erbfolge im engen Zusammenhang stehen, vgl. dazu Bruck, Kirchenväter; Schultze, Augustin; ferner Ogris, HRG Bd. I "Freiteil" Sp 1249f.; Hübner, Donationes; Tschäppeler, Testierfreiheit S. 75 m.w.Nachw.; Buss, Letztwillige Verfügungen S. 16ff.; Aders, Testamentsrecht der Stadt Köln im Mittelalter S. 1 ff.; Piper, Testament und Vergabung S. 32; Loening, Das Testament S. 31 ff. und zur späteren Entwicklung Bartsch, Seelgerätsstiftungen und Jungbluth, Donatio post obiturn. 16 Ähnlich gab es wie bereits erwähnt - im fränkischen Recht die sog. Affatomie (vgl. lex salica tit. 46 [80]). Vereinfacht gesagt handelt es sich um einen Vorläufer der Adoption, bei der ursprünglich kinderlose Erblasser jemanden als Erben annahmen. Die Übertragung erfolgte unter der Hilfe eines Salmannes, einer Art Treuhänder, dessen rechtliche Position am Nachlaß zu den umstrittensten Fragen des älteren deutschen Rechtes zählen dürfte, vgl. dazu Scherner, Salmannschaft S. 8 ff.; Voser, Liegenschaftsübereignung; OUen, Die Treuhand S. 20ff.; Tschäppeler, Testierfreiheit S. 74ff. Aus der älteren Literatur: Beseler, Vergabungen; Heusler, Institutionen Bd.II S. 622ff.; Zöpjl, Deutsche Rechtsgeschichte S. 628f. Zur Entstehungsgeschichte und den einzelnen Textklassen der lex salica vgl. Nehlsen, Sklavenrecht S. 251 ff. 17 Beseler, Vergabungen S. 116; Schultze, Langobardische Treuhand S. 6.
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Schenkung. Die Überschrift zu Roth. 172 lautete: "Oe thinx quod est donatio". Ein sonst übliches launegild als "Gegenleistung" einer "unentgeltlichen" Zuwendung wurde jedoch in den angegebenen Regelungen nicht verlangt 19. Nach der Wortbedeutung könnte der Eindruck entstehen, das Rechtsgeschäft sei notwendig Gegenstand eines "thing", d.h. einer Gerichts- oder Volksversammlung gewesen. Hierauf deutet auch die Formulierung: "Si quis res sua alii thingaverit, et dixerit in ipso thinx ... " in Roth. 173 hin. Andererseits läßt sich eine solche Betrachtungsweise nicht mit Roth. 172 20 vereinbaren, wonach die Vergabung ebenso vor freien Zeugen gestattet war: "Si quis res suas alii thingare voluerit, non absconse sed ante liberos homines ipsum garethinx faciat, quatinus qui thingat et qui gisil fuerit, liberi sint, ut nulla in posterum oriatur intentio". In diesem Punkt ist also keine abschließende Aussage möglich. In anderer Beziehung bereitet die Auslegung des langobardischen Rechtes aber noch größere Schwierigkeiten. Mit einiger Sicherheit läßt sich behaupten, daß die später zu behandelnde Nachfolge des Begünstigten in die Schulden des Erblassers gemäß Roth 174 21 dafür spricht, daß das thinx grundsätzlich zur Universalsukzession, keinesfalls aber zur Singularsukzession führte 22 • Andere Fragen sind nicht mit entsprechender Klarheit zu beantworten. Das Gesetz regelte z. B. nicht ausdrücklich, ob allein das Fehlen jeglicher Erbberechtigter, wie es dem älteren Recht entsprach, die Vergabung von Todes wegen ermöglichte. Aufschluß hierüber gibt jedoch der Rückgriff auf allgemeine Grundsätze des langobardischen Erbrechtes. Aus der Enterbungsvorschrift in Roth. 168 23 folgt, daß den Söhnen ihr Erbteil durch Enterbung oder Vergabung von Todes wegen nur in besonders schwerwiegenden Fällen entzogen werden durfte, ihre Existenz also der Möglichkeit lebzeitiger Vergabung nicht zwingend entgegenstand. Die Gleichsetzung von Enterbung und Rückgängigmachung eines thinx zeigt im übrigen, daß die Vergabung von Todes wegen grundsätzlich unwiderruflich 18 MGH Leg. Tom. IV S.39f; vgl. dazu Nehlsen, Sklavenrecht S.358ft'. und Wattenbach-Levinsonj Buchner, Geschichtsquellen S. 33 ff.; ferner G. Dilcher, HRG Bd. I "Langobardisches Recht" Sp. 1610. 19 Beseler, Vergabungen S. 114. 20 Vgl. Beseler, Vergabungen S. 111; Beyerle, Die Gesetze der Langobarden Bd. 3 S. 68. 21 " ••. Non leciat donatori ipsum thinx, quod antea fecit, iterum in alium hominem transmigrare: tantum est, ut ille qui garethinx susceperit, tales culpas non faciat donatori suo, quales solent ingrati filii parentibus suis facere, per quas exhereditantur, quae in hoc edictum scriptae sunt. Ipse autem qui garethinx susceperit ab alio, quidquid reliquerit donator in diem obitus sui, habeat licentiam in suum dominium recollegere, et debitum creditoribus reddere et ab aliis exegere, et quod in fiduciae nexum positum est, reddat debitum et requirat rem in fiduciae nexu posita". 22 Pappenheim, Launegild a. a. O. S. 69 ff.; Heusler, Institutionen a. a. O. Bd. 11 S. 624; Schultze, Langobardische Treuhand S. 7. 23 "De exhereditatione filiorum. Nulli liceat sine certas filium suum exhereditare, nec quod ei per legern debetur, alii thingare".
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ausgestaltet war. Hierfür spricht auch die Formulierung in Roth. 174: "De thinx primus factum. Non leciat donatori ipsum thinx quod antea fecit, item in alium hominem transmigrare", die ein Verbot der erneuten Vergabung über denselben Zuwendungsgegenstand statuierte. Die Unentziehbarkeit des erbrechtlichen Anwartschaftsrechtes der ehelichen Söhne, die aus Roth. 168 abzulesen ist, kommt ferner in Roth. 171 24 zum Ausdruck. Dort wurde bestimmt, daß ein thinx vollständig seine Rechtswirkungen verlor, wenn dem Übergebenden nach dem Rechtsgeschäft eheliche männliche Nachkommen geboren wurden. Die Geburt einer Tochter oder eines unehelichen Sohnes hingegen führte zur Teilung der Erbmasse mit dem aus dem thinx Begünstigten. Die Möglichkeit des Hausvaters durch Vergabung von Todes wegen einen gewillkürten Erben zu bedenken, ging daher grundsätzlich soweit, wie seine freie Verfügungsbefugnis (Freiteilsrecht) über das Vermögen reichte 25 • Dem entspricht auch die spätere ausführliche Regelung in Liutpr. 65, die der Tochter ein Drittel der Erbschaft sicherte 26 • Zum Schutze des Vaters griff Roth. 170 ein 27 • Hieran zeigt sich, daß ein thinx im vollen Umfang nur bei Vorhandensein männlicher ehelicher Nachkommen ausgeschlossen war, es sei denn, daß der Tatbestand der Enterbung verwirklicht worden war. Im übrigen kam die Vergabung entsprechend der Verfügungsfreiheit des Hausvaters in Betracht. Die Existenz entfern24 "Si quis se disperaverit aut propter senectutem aut propter aliquam informitatem corporis, filius non possit habere, et res suas alii thingaverit posteaque eum contegerit, filius legitimus procreare: omne thinx quod est donatio, quod prius fecerat, rumpatur, et filii legitimi unus aut plures, qui postea nati fuerint, heredesin omnibus patri succedant. Si autem filias legitimas una aut plures, seu filios naturales unum aut plures post thinx factum habuerit, habeant et ipsi legern suam, sicut supra constitutum est, tamquam si nihil alii thingatum fuisset. Et ille cui thingatum est, tantum habeat, quantum alii parentes proximi debuerunt habere aut curtis regia suscipere, si alii thingatum non fuisset". 25 Zum langobardischen Erbrecht vgl. die ausf. Darstellung von Pappenheim, Launegild S. 65ff.; ferner Beyerle, Die Gesetze der Langobarden Bd. 3 S. 67ff. Das langobardische Recht schaffte dem Hausvater Meloriationsmöglichkeiten, die weit über das ribuarische Recht hinausgingen. Die lex Liutpr. 123 (aus dem Jahre 729) enthält eine Freiteilsvorschrift nach Kopfteilen (MGH Leg. Tom. IV S. 1531). Durch Aistulf 13 wurde diese Bestimmung im Jahre 755 auch auf Töchter ausgedehnt (MGH Leg. Tom. IV S. 200). Hiernach konnte der Erblasser bei zwei Nachkommen einem ein Drittel zusätzlich zuwenden, bei drei Nachkommen einem ein Viertel usw.; vgl. Schultze, Augustin S. 37. 26 Oe eo qui filiam in capillo in casa habuerit, et filium non reliquerit legetimum, ut de rebus suis amplius per nullum titulum cuiquam per donationem aut pro anima sua facere possit, nisi partis duas; tertia vero relinquat filiae suae, sicut iam gloriose memorie Rothari rex instituit. Quia qui thinx facit, et postea filiam nascitur, in tertiam partem ipsum thinx rumpit secundum anteriorem edictum, et si duas aut amplius, in mediaetate: ideo nos, dum in ipso edicto legitur de thinx quod est donatio, nobis conparit, quod per nullam donationem nec per launegild possit filiam suam di ipsam tertiam portionem substantiae suae exherede facere, et si duas aut amplius fuerent, de mediaetatern"; MGH Leg. Tom. IV S.134. 27 "Item sicut nec patribus licitum est filium suum sine iusta causa aut culpa exhereditare, ita nec filius leceat vivo patre cuicumque res suas thingare aut per quodlebet titulum alienare, nisi forte filius aut filias legitimas, aut filius naturalis reliquerit, ut ipsis secundum legern suam conservet".
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11. Die Vergabungen von Todes wegen
terer gesetzlicher Erben verhinderte eine gewillkürte Erbfolge nicht. Dies ist aus Roth. 360 28 zu entnehmen. Hiernach konnte derjenige, der das Erbe durch ein thinx weggegeben hatte, nicht als Wettbürge zugelassen werden, weil die Vergabung sich als Ausdruck feindlicher Gesinnung darstellte. Eine derartige Bestimmung bliebe unverständlich, wenn dem ausgeschlossenen Verwandten rechtliche Mittel zugestanden hätten, die Wirksamkeit des thinx in Frage zu stellen 29 - Auslegungsschwierigkeiten entstehen ferner, wenn man die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten des thinx untersucht. Ausgangspunkt sind dabei die bereits erwähnten Vorschriften Roth. 173 und 1743°. Das Edikt macht nicht deutlich, ob zur Vornahme des Rechtsgeschäftes die feierliche Auflassung (traditio) erforderlich war 31 . Dem entspricht, daß die Rechtsposition des Begünstigten nicht mit vollständiger Klarheit zu bestimmen ist. Sicher erscheint, daß der Übertragende seine Rechte am Gegenstand der Zuwendung nicht völlig aufgab. Durch persönliche Not begründete Veräußerungen blieben ihm gestattet: "quia necessitate compulsus, res istas vado dare", lediglich die Verschwendung war ihm versagt: "non dispergat res ipsas postea doloso animo"32. Außerdem verblieb dem Übergebenden die Nutznießung des Vermögens bis zu seinem Tod: "nisi fruatur eas (res) cum ratione". Daraus könnte man schließen, daß der Erblasser zu seinen Lebzeiten nutzungsberechtigter Eigentümer war. Dafür spricht eine weitere Formulierung in Roth. 173:" ... et dixerit in ipso thinx lidinlaib, id est quod in die obitus sui reliquerit ... ". Hiermit übereinstimmend findet sich in Roth. 174 der Satz: " ... quidquid reliquerit donator in diem obitus". Beides deutet darauf hin, daß der Rechtsübergang erst im Tode des Übergebenden erfolgen sollte 33 . In dieselbe Richtung weist die oben zitierte Anordnung in Roth. 174: "De thinx primus factum. Non leciat donatori ipsum thinx, quod antea fecit, item in alium hominem transmigrare", die die grundsätzliche Veräußerungsmöglichkeit des Übergebenden als Ausfluß des Eigentums voraussetzt. Die Eigentümerbefugnis erweist sich daneben auch aus Roth. 173: "Tunc si (thingatus) noluerit subvenire, quod alii dederit, sit illi 28 "De wadia et fideiussorem. Si quis aJii wadia et fideiussorem de sacramentum dederit, per omnia, quod per wadia obligavit, adinpleat. Et ille, qui pulsat et wadia suscipit, proximioris sacramentalis qui nascendo sunt, debeat nominare tantum est excepto illos, qui gravem inimicitiam cum ipso qui pulsat, commissam habet, id est si ei plaga fecit, aut in mortem consensit, aut res suas alii thingavit, ipse non potest esse sacramentales, quamvis proximus sit, eo quod inimicus aut extraneus invenitur esse". 29 Beseler, Vergabungen S. 120f.; Pappenheim, Launegild S. 64. 30 Roth. 174 vgl. lI/l/Fn. 21/; Roth 173 lautete: "Si quis res suas alii thingaverit, et dixerit in ipso thinx lidinlaib, id est, quod in die obitus sui reliquerit: non dispergat res ipsas postea doloso animo, ni si fmatur eas cum ratione. Et si tales ei evenerit necessitas, ut terra cum mancipia aut sine mancipia vindere aut locum pigneris ponere debeat, dicat prius illi, cui thingavit: "Ecce vedis, quia neccessitate conpulsus, res istas vado dare; si tibi vedetur, subveni mihi et res istas conservo in tuam proprietatem. Tunc si noluerit subvenire, quod alii dederit, sit illi stabilem et firmum, qui acceperit". 31 Beseler, Vergabungen S. 112. 32 Beyerle, Langobardische Gesetze Bd. 3 S. 69. 33 Pappenheim, Launegild S. 50.
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stabilem et firmum, qui acceperit". Andererseits mußte der Erblasser im Notfalle vor einer Veräußerung den Begünstigten um Unterstützung ersuchen: "si tibi videtur, subveni mihi et res istas conservo in tuam proprietatem" heißt es dazu in Roth 173. Dieser Satz führt zu der Annahme, daß der gewillkürte Erbe durch das thinx bereits eine eigene Rechtsposition erhalten hatte. Diese scheinbar widersprüchlichen gesetzlichen Regelungen hat man durch die Annahme in Einklang zu bringen versucht, daß beide Parteien am vergebenen Vermögen beteiligt waren 34 , und zwar in einer Art gesamthänderischen Eigentums. Der Begünstigte rückte danach im Wege der Parteivereinbarung in die Rechtsposition ein, die der eheliche Sohn von Gesetzes wegen hatte 3s . Diese Auffassung steht in Einklang mit dem Umstand, daß der Beschenkte nach langobardischem Recht für die Schulden des Übertragenden mithaftete, also auch in dieser Hinsicht wirklicher Erbe wurde. - Die Erbenhaftung klingt zwar im langobardischen Recht nur gelegentlich an, etwa in Roth. 362 36 ; die Haftung des Empfängers eines thinx ergibt sich hingegen ausdrücklich aus Roth. 174: " ... et debitum creditoribus reddere". Verpfändetes Gut konnte der Beschenkte zwar auslösen, nicht aber ohne Zahlung herausfordern: " ... et quod in fiduciae nexum positum est, reddat debitum et requirat rem in fiduciae nexu posita"37. Die Rechtslage wurde in späterer Zeit (nach dem Jahre 774) noch einmal durch das cap 10 des Fürsten Aregis bekräftigt 38 . Interessant ist an dieser Stelle, daß die Schuldenhaftung einer offenbar verbreiteten Gläubigerbenachteiligung durch lebzeitige Schenkungen entgegenwirken sollte. Das entscheidende Kriterium des thinx liegt somit in der beschränkten Rechtsposition des Zuwendungsempfängers, der nach langobardischem Recht nicht schon mit Abschluß des thinx Vollrechtsinhaber wurde. Dies galt zumindest für alle Fälle, bei denen die Beteiligten nach der geschilderten gesetzlichen Regelung im Edictum Rothari verfuhren. Einschränkend muß 34 Pappenheim, Launegild S. 48 wendet sich gegen den Schluß aus Roth. 173 und ordnet das Thinx stets als Vergabung von Todes wegen ein. Schultze, Langobardische Treuhand S. 7 geht von einern dinglich beschränkten Eigentum des Erblassers aus. 35 Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte § 59 Fn. 1 (S. 165f.); teilweise abweichend Beseler, Vergabungen S. 120. 36 "Si post sacramentum iudicatem aliquis moriatur. Si contegerit homini post datum fideiussorem de sacramentum et sacramentalis nominatus mori, et filius demiserit, posteaque ille qui causam quaerit, pulsaverit filius dicendo: quia quidquid pater per wadia et fideiussorem obligavit, fili conplere debent; tunc necesse est filius, quamvis virtutem minorem habeant a patre, aut per sacramentum negare, quod pater eorum non promisissit, aut certe, quod pater eorum spondedit, adinpleant". 37 Heusler, Institutionen Bd.II S.624; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 368; Pappenheim, Launegild S. 53. 38 "Pervenit ad aures sublimitatis nostrae, quod quidam hominum versuta calliditate inbuti, propter obligationes vel debita, quae fecerant, propinquioribus parentibus, qui iusta legern heredes eorum futuri sunt, testamenturn donationis ammittant, ut quaestores eorum creditas res facile perdant; propterea sic namque decernimus, ut primi heredes obligatione vel debita propinquorum persolvant, dehinc, quod residuum fuerit de rebus eorum, sibimet assumant". MGH Leg. Tom. IV S. 208f.
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II. Die Vergabungen von Todes wegen
hinzugefügt werden, daß sich aus der Eingangsforrnulierung in Roth. 173 der Schluß rechtfertigen läßt, die Definition "lidinlaib" sei nicht zwingend gewesen. Jedenfalls aber schuf das langobardische Recht die Möglichkeit, den Eintritt der vollständigen dinglichen Rechtswirkungen bis zum Tode des Übergebenden herauszuschieben. Diese Vertragsgestaltung gleicht damit zwar nicht in ihrer dogmatischen Konstruktion, wohl aber in ihren Rechtsfolgen der römischrechtlichen donatio mortis causa, die hierauf Einfluß gehabt haben kann.
2. Die Vergabung von Todes wegen im Recht des späten Mittelalters Vergabungen von Todes wegen fanden auch im Mittelalter weite Verbreitung 39 , wie hier am Beispiel des sächsischen Rechtes und des magdeburgischen Schöffenrechtes verdeutlicht werden soll4O. Zuwendungsgegenstand war dabei häufig Grundbesitz41 • Hinzu traten aber auch Vergabungen von fahrender Habe und Geldsummen 42 • a) Die Regelung des Sachsenspiegels
Eine knappe Regelung für entsprechende Rechtsgeschäfte findet sich im Sachsenspiegel 11, 30 43 : ,,swer so ime erbe toseget nicht von sibbe halven, wan von gelovedes halven, dat hebbe men vor unrecht, men ne moge getugen, dat dat gelovede vor gerichte gestedeget si". Die Stelle könnte daraufhinweisen, daß die Vergabung (Geschäft oder Gemächd, wie sie in dieser Zeit genannt wurde 44 ), ihren Charakter als lebzeitiges Übertragungsgeschäft behalten hatte, weil das 39 Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 179; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 825 f.; Planitz-Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte S.420; für das alt-niederländische Recht ausf. Fockema-Andreae, Het Out Nederlandsch Burgerlijk Recht Bd. II S.262ff.; sie lassen sich auch in kleineren Rechtssystemen überall feststellen, vgl. Schartl, Das Privatrecht S. 187ff.; Piper, Testament und Vergabung S. 94ff. 40 Im sächsischen Recht hielten sie sich besonders lange, vgl. Wesener, Beschränkungen der Testierfreiheit S. 572. Hingewiesen sei noch auf den Schwabenspiegel, der in Art. 22 folgende Regelung traf: "ist das ain man seinem freund gut schaffen wil nach seinem tod vnd wil er im das sycher machen er sol im geschrift machen vnd gebenn als hie uor vmb leibpgeding geret ist oder er sol fur seinen richter faren oder seinen Hernn vnd soll die ze zeug nemen vnd ander die do pey sein, wil aber ims gar stat machen so seczt im ainen zins dar aus". (Ausgabe von K.A. Eckhardt S. 66). 41 Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 394 Fn. 2; ferner Runde, Altentheil S. 5/6. 42 Zöpjl, Deutsche Rechtsgeschichte S.823; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 184ff.; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S.826. Dem sächsischen Landrecht war die Fahrnisvergabung wohl noch fremd, vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht S. 191. 43 Zitat nach der Ausgabe von Eckhardt, MGH fontes tom. I. S. 82; zur Entstehungsgeschichte des Gesetzes vgl. v. Amira, Germanisches Recht Bd. I S. 154ff.; Schlosser, HRG Bd. I ("Eike v. Repgow" Sp. 895f. Das Gesetz wurde zwischen 1220 und 1223/24 in lat. Sprache verfaßt und 1224-1227 ins Deutsche übertragen. Zum Einfluß in den Gebieten des Reiches vgl. auch Kroeschell, Rechtsaufzeichnung. 44 Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 179. Heusler, Instititionen Bd. II S. 630.
2. Die Vergabung von Todes wegen im Recht des späten Mittelalters
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Erfordernis der gerichtlichen Auflassung bestehen blieb, sofern man sie aus dem Begriff "gestedigt" ableitet 45 • Letzte Klarheit herrscht darüber aber ebensowenig wie über die Frage, ob die Regelung überhaupt die Vergabung von Todes wegen meinte. Man könnte sie ebenso für eine allgemeine Vorschrift über das gerichtliche Gelöbnis halten, wenn man SspLR 17 in die Betrachtung einbezieht. Ebenso offen bleibt, ob nur Einzelgegenstände oder auch das gesamte Vermögen auf diese Weise zugewendet werden konnten. Der Ausdruck "erve" ist hier nicht eindeutig 46 • Einen besonderen Platz hatte die Vergabung von Todes wegen jedenfalls ursprünglich bei der Witwenversorgung durch die Übertragung von Grundstücken zu Eigentum 47 • Insgesamt galt, daß Rechtsgeschäfte über die "have" grundsätzlich auf dem Totenbette nicht mehr abgeschlossen werden konnten 48 • Der dahinter stehende Gedanke lag darin, daß der Erblasser damit sein Gut dem berechtigten Erben entzog, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem es ihm aufgrund seiner Gebrechlichkeit nicht mehr zustand 49 • b) Das Magdeburger Schöffenrecht
Aufschlüsse über den Umgang mit der geschilderten Regelung in der Rechtspraxis ist in gewisser Weise durch die Rechtssprüche und Rechtsmitteilungen der Magdeburger Schöffen zu erwarten 50. Das Magdeburger Schöffenrecht ist in doppelter Hinsicht erwähnenswert: Zum einen basierte es zum guten Teil auf dem SachsenspiegeP! und hatte im 13. bis 16.1ahrhundert 52 großen Einfluß über den eigentlichen Zuständigkeits bereich des Gerichtes hinaus 53 . 45 Allerdings ist umstritten, ob die Formulierung "gestedigt" in diesem Sinne zu verstehen ist, wie hier Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 179; Beseler, Vergabungen S. 133; Albrecht, Gewere S. 189; a.A. Walter, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. II S. 248 Fn. 3; wohl auch Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 631. 46 A. A. Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 630. 47 v. Martitz, Eheliches Güterrecht S. 182ff. 48 SSpLR I 52 § 4: "Swe binnen siner suke si ne have vergift oder ut sat to der tit, so he is nicht dun ne scal. dat wif unde dat ingesinde scal dar nemande umme schuldegen, went se ne mogen noch ne moten des mannes gave nicht weder spreken, se si recht oder unrecht. Gift men iemande icht mit unrechte, dat vordere men mit rechte weder oppe den, deme it gegeben iso Dat wif ne antwardet vor nen des mannes gut, wan vor dat, dat dar under er irstorven ist"; zu entsprechenden Regelungen im ostfriesischen Recht vgl. Buss, Letztwillige Verfügungen S. 25. 49 Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 185. 50 Vgl. dazu insgesamt Willoweit-Schich, Studien zur Geschichte des sächsischmagdeburgischen Rechts (Hrsg.); ferner v. Martitz, Eheliches Güterrecht S.17ff.; Loening, Das Testament S. 1 ff. 51 Kritisch Weitzel, Rechtsbegriff der Magdeburger Schöffen S.65ff.; vgl. auch Loening, Das Testament S. 3; v. Martitz, Eheliches Güterrecht S. 15ff. 52 Hinsichtlich seiner späteren Tätigkeit vgl. Ebel ZRG GA Bd. 98 (1981) S. 33f.; zum Niedergang des Schöffen stuhls vgl. v. Martitz, Eheliches Güterrecht S. 62ff.
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11. Die Vergabungen von Todes wegen
Zum anderen befaßte es sich besonders ausführlich mit den Vergabungen von Todes wegen. Es ist in verschiedenen Zusammenstellungen überliefert und erfuhr um die Mitte des 14. Jahrhunderts eine umfassende Bearbeitung in Breslau, für die sich die Bezeichnung "systematisches Schöffenrecht" eingebürgert hat 54 • Das Problem liegt darin, daß auch heute noch keine Gesamtdarstellung der Mitteilungspraxis des Gerichtes besteht und man deshalb nur auf Ausschnitte zurückgreifen kann 55 • Hinsichtlich des Zuwendungsgegenstandes enthält das Schöffenrecht keine Beschränkungen mehr: Gesamtvermögen, Vermögensquoten, einzelne Liegenschaften oder Anteile daran wurden genauso übertragen wie besondere Fahrnisgesamtheiten, einzelne bewegliche Sachen oder Geldsummen 56 . Fahrnisvergabungen brauchten nicht vor Gericht zu erfolgen und verlangten auch keine Auflassung 57 • Bei der Vermögensübertragung betraf das vor Gericht geschlossene Rechtsgeschäft nur Grundstücke in dessen Zuständigkeitsbereich 58. Die im Sachsenspiegel vorkommenden Verfügungsbeschränkungen auf dem Totenbett blieben erhalten 59. Das Magdebutger Schöffenrecht unterschied Vergabungen mit oder ohne Vorbehalt (Undirscheit)60. Enthielt er die freie Verfügungsbefugnis zu Lebzeiten S3 Schubart-Fikentscher, Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte S. 57ff.; Loening, Das Testament S. 4ff. 54 Rössler I Franz, Sachwörterbuch Bd. 11 "Magdeburger Rechtsbücher" S. 693 u. "Systematisches Schöffenrecht" S. 1259; Buchda, HRG Bd. 3 "Magdeburger Recht" Sp. 135ff.; Loening, Das Testament S. 15. 5S Vgl. dazu noch einmal die in Fn. 51 Genannten und Ebel, ZRG GA Bd. 98 (1981) S. 36. Abgesehen von den dort genannten Quellen gibt es eine neuere Sammlung von F. Ebel, Magdeburger Recht. 56 Vgl. etwa bei Laband, 4. Buch, Magd. Syst. SchR I 20 (Culm IV 20) "is sy an erbe ader an varndir habe" oder I 22 (Culm IV 22): "alle syn gut und erbe" oder Wasserschieben, Sammlung Bd. 1, S. 138, Kap. V: "eyn halb haus oder eyne halbe gewantkammer ... und eyne Fleischbank" oder Wasserschieben, Sammlung Bd. 1, S. 142 Kap X": ... und der hat gelassen gelt und gut und varnde habe und hergewete" oder Magd. Syst. SchR I 17 (Culm IV 17) " ... benumpt gelt adir ander varnde habe". Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen, vgl. Heusler, Institutionen Bd.II S.632f.; ferner bei FrieselLiesegang, Magdeburger Schöffensprüche, S. 520ff. S7 Friese I Liesegang, Magdeburger Schöffen sprüche S. 566. 58 Magd. Syst. SchR I 20 (zitiert hier und im folgenden wie Fn. 56): "dese gift czeut sich alleyne cze deme erbe vnd gute, daz in der stat gerichte gelegin ist" und vgl. ferner Weizsäcker, Magdeburger Schöffensprüche Nr. 53 (S. 210). S9 vgl. Wasserschieben, Sammlung Bd. 1, S. 180 f. und Weizsäcker, Schöffensprüche Nr. 53 (S. 214ff.); ferner Friese I Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche S. 170ff. Hier zeigt sich ebenfalls, daß Leibes- und Geistesschwachheit einen Hinderungsgrund bildeten (ebenso S. 566). 60 Vgl. Magd. Syst. Schöffenrecht I, 27, (Culm IV, 26): "Ist denne daz der son den kouf des vorgeschrebin hofes bynyn ior vnd tage in gehegtim dinge nicht wedirsprich noch anspricht, vnd ab der vatir den selbin vorkouftyn hofwedir koufte vnd dornoch stirbit, zo hat der vorgesprochene zon vor andirn synen geswisteredin keyn sundirlich recht czu
2. Die Vergabung von Todes wegen im Recht des späten Mittelalters
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des Übergebenden, entfiel das sonst bestehende Recht des Bedachten, gegen ein ihn benachteiligendes Rechtsgeschäft Einspruch zu erheben 61 • Auf diese Weise wahrte der Übertragende sein Interesse, die Rechtswirkungen der Vergabung vollständig auf seinen Tod hinauszuschieben. Aber auch die vorbehaltlose und sofortige Rechtsübertragung war verbreitet 62 • Sie konnte mit dem Besitzerwerb verbunden werden 63 • Die Rechtsstellung der wart- oder beispruchsberechtigten Erben blieb wie im älteren deutschen Recht erhalten. Die Erben konnten gegen die Schenkung innerhalb einer Frist von Jahr und Tag Widerspruch einlegen 64-, und zwar ebenso in "gehegtem ding", wie bei der Vergabung, die dieses Formerfordernis zu ihrer Wirksamkeit benötigte 6s • Die Rechtsposition der Gläubiger des Übertragenden hingegen war nicht mit vergleichbarer Klarheit geregelt. Eine dem langobardischen Recht entsprechende Regelung (Roth. 174), wonach der Bedachte in alle Obligationen des Übertragenden eintreten mußte, fehlte schon im sächsischen Landrecht. Die allgemeine Erbenhaftung beschränkte sich im Sachsenspiegel auf die fahrende nemyn daz gelt, dorumme der hof gekouft ist, noch en mag sich ouch nicht czu dem wedirkouften hofe haldin, zundir was der vatir gutis gelozin hot noch syme tode, daz sal der zon mit andirn synyn geswisteredin glich teilin noch personen czal"; Heusler, Institutionen Bd. II S. 634; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 183; Beseler, Vergabungen S. 165; Loening, Das Testament S. 27 ff.. 61 Vgl. Magd. Syst. SchöfTenrechtI 15, (Culm IV, 15): "Gebit eyn man und vorreicht in gehegetim dinge vor den scheppfin eyme andirn manne eyn erbe noch syme tode ane undirscheit, alzo daz her ym keyne gewalt beheldit an deme erbe czu tun vnd czu lozin, di wile her lebt, zo mag her di gobe nicht gewandiln noch entpfuren adir vntpfremdin deme, dem her die gobe zundir vndirscheit noch syme tode gegebin hat". 62 Vgl. Magd. Syst. SchöfTenrecht I 27, (Culm IV, 26): "Gebit und vorreicht eyn vatir in gehegtim dinge eynym synym zone vor allin andirn synen kindin synyn hof czu tun vnd czu lozin ane alle vndirscheit und dornoch obir eczlich czeit der vatir vorkeuft den sei bin hof, den her synym zone zundirlich gegebin hatte alz vor geschrebin stet in syne gevere, und wendte is an synyn mucz". 63 Vgl. die Nachw. bei Laband, Magd. Syst. Schöffenrecht, 4. Buch. I, 20ff. (S. 131 ff.); ferner Weizsäcker, Magdeburger Schöffensprüche Nr. 14 und 18 (S. 58 und 72). Heusler, Institutionen Bd. II S. 634f. 64 Die Frist von Jahr und Tag findet sich für den hier fraglichen Fall im Magd. Syst. SchöfTenrecht I 27, vgl. II/2/bl Fn. 60; ferner Zöpjl, Deutsche Rechtsgeschichte S. 823; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 182 u. 191; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 826. Ein weiteres Beispiel findet sich etwa bei Goerlitz, Magdeburger Schöffensprüche S. 88 (Rechtsspruch für Posen); dieses und das Beispiel auf S. 104 bei Goerlitz zeigen, daß das Erbenlaub nur bei Grundstücken erforderlich war; vgl. ferner bei Friese I Liesegang, Magdeburger SchöfTensprüche S. 7 f. und 529 f. Die Wirkungen des Fristablaufes traten auch ein, wenn die Beispruchsberechtigten keine Kenntnis von der Vergabung hatten, sofern sie nur mündig waren und sich im "Inland" befanden (Friese I Liesegang S. 7 f. und zum Begriff des "Inlandes" S.587!). Zum Beispruchsrecht auch Buss, Letztwillige Verfügungen S. 35. 65 Dies geht aus vielen Schöffensprüchen hervor, vgl. nur Magd. Syst. SchR 113,17,24 und 27; Friese I Liesegang, Magdeburger SchöfTensprüche S. 474fT. und die Nachweise auf S.855.
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11. Die Vergabungen von Todes wegen
Habe 66 und war auf bestimmte Arten von Schulden begrenzt. Das Magdeburger Schöffenrecht dehnte die Erbenhaftung, sofern der Nachlaß nur ein Grundstück enthielt und sofern das volburtin des Erben gerichtlich überwunden werden konnte, auch auf den Grundbesitz aus 67 • Sie blieb jedoch in der gerichtlichen Praxis des Magdeburger Schöffenstuhls stets auf den Umfang des Nachlasses begrenzt 68 • - Die Haftung des Bedachten einer Vergabung von Todes wegen gestaltete sich nach Magdeburger Schöffenrecht anders. Sie war abhängig von der Art des Zuwendungsgegenstandes. Handelte es sich um eine Einzelsache, so erwarb der Bedachte mit dem Tode des Übergebenden hieran grundsätzlich das Recht, ohne in die Schulden des Erblassers einzutreten, für die die Erben nach den oben genannten Grundsätzen eintreten mußten 69 • Nur wenn der (übrige) Nachlaß nicht ausreichte, um die Schulden des Erblassers zu bezahlen, haftete der Empfanger der Vergabung von Todes wegen 70 , selbst dann nicht, wenn die Vergabung vorbehaltlos erfolgt war 71 • Anders hingegen gestaltete sich die 66 Sachsenspiegel LR I 6 § 2 "Swer so daz erve nymt, de sal durch recht die schult gelden alse verne, als daz erve gewertet an varender have"; vgl. dazu Ebel, ZGR GA Bd. 84 (1967) S.245ff. 67 Vgl. Magd. Syst. Schöffenrecht 11 49 (Culm IV 91): "Alleyne daz man erbe und gut ane erbin gelob nicht vorgebin mag, doch stirbit eynir vnd lesit stende eygin bynnyn wich bilde vnde andirs keyn gut, wer sich des erbes vndirwindet alz eyn erbname, der mus des totyn redeliche schult geldyn vnd beczalin. Und wil ym des syn erbname nicht volburtin, daz man daz erbe dorumme loze, zo twingin ze di schuldeger mit dem rechte, also daz dy schuldegere besiczcyn daz erbe mit gerichte, daz der tote gelozin hot vnd irc\agin daz erbe vor ere schulde; wil denne ymant daz erbe eygyn vntredin vnd vntledegyn, der mus antwortin vmme di schult und vol tun deme schuldegere als recht ist". 68 Magd. Syst. SchR I 94: "Ayn man der sterbe ader entrynne vnd bleybe den lewten schuldigk vnd lasse kinder; desselben toten ader abetronnigen mannis vater habe vorreicht des toten sonis kinder wy vil des sey vnd sterb dornoch owch; quemen nu dy lewte, den der kinder vater schuldig bleben were vnd weiden dy schulde vordem von den kindern, das sy en die von deme gelde, gute adir czinsen, die en ir eldirvater vor gehegetim dinge benümpt vnd vorreicht hette noch seyme tode vnd welcher weyse das were, sulden beczalen von sulchem irem begabtem gute, domete sy ir eldirvatir begebt hette: Bedorffen sie den lewten, den ir vatir schuldig blebin were nichtis gebin noch gelden, sunder hette ir vatir icht gelassen an erbe, gute adir an czinsen, dovon gelden sie den lewten billich ires vatters schulde." vgl. ferner Friese / Liesegang, Magdeburger Schöffensprüche S. 520ff.; Loening, Das Testament S. 25 ff. 69 Magd. Syst. SchR I 17 (Culm IV 17): "Gebit eyn man synym wibe adir synyn kindin adir eyme vremdyn in gehegtim dinge eyn benumpt gelt adir ander varnde habe vii adir wenyk noch syme tode czu tun vnd czu lozin, daz sullin ze nemyn. Was der man noch synir gift oberig gelozin hot gutis noch syme tode, daz sullin syne erbnamyn nemyn vnd sullin des totin mannis schult geldin, zu verre alz das erbe vnd syne varnde habe wendit. Ist der schult me, wenne des erbis adir der varnden habe ist, so sullin die, den daz benumpte gelt alzo czen mark mynnyr adir me adir varnde habe, welcher leye daz ist, gegebin was vor irre gift, daz geldin. Ist abir den vorgenantyn (benumet eygen gegeben) czu tun und czu lozin noch des mannis tode, do von endorfin ze nicht des mannis schult geldin. " vgl. auch Beseler, Vergabungen S. 151; Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 639. 70 Vgl. Magd. Syst. Schr I 17. 71 Vgl. Magd. Syst. Schr 117; Beseler, Vergabungen S. 151; Albrecht, Gewere S. 190 mwNachw.; Heusler, Institutionen Bd.I1 S. 639.
2. Die Vergabung von Todes wegen im Recht des späten Mittelalters
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Rechtslage bei der Vergabung eines gesamten Vermögens. Hier trat das Recht des Bedachten hinter das der Nachlaßgläubiger zurück. Begründet wurde die Haftung mit der Überlegung, daß das Vermögen mit allen Aktiven und Passiven auf den Erwerber übergehe 72. Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß Gegenstand der Vergabung das Gut des Gebers in der Form war, wie es zum Zeitpunkt des Erbfalles bestand, und zwar immer dann, wenn die Vergabung mit Vorbehalt erfolgte. Hier schloß die Verfügungsfreiheit des Erblassers auch das Recht ein, Schulden zu begründen. Folge davon war eine weitgehende Sicherung der Nachlaßgläubiger, denen nach dem Tode des Erblassers in den gezeigten Grenzen entweder die Erben oder der Bedachte der Vergabung von Todes wegen als Schuldner zur Verfügung standen, letztere allerdings mit der Beschränkung auf den Zuwendungsgegenstand. Insgesamt stellte sich damit die Vergabung von Todes wegen in den dargestellten Rechtskreisen vor der Rezeption des römischen Rechts wie folgt dar: Der Anwendungsbereich des Rechtsinstitutes bezog sich neben Grundbesitz und Fahrnis oder Geldsummen auf das gesamte Vermögen. Soweit die Vergabung von Todes wegen Immobilien oder Gesamtvermögensübertragungen betraf, blieb die Form der gerichtlichen Bestätigung erforderlich 73 . Schwer vereinbar mit diesem Prinzip war allerdings nach damaliger Rechtsauffassung der Umstand, daß die Vergabung nicht nur das gegenwärtige Vermögen des Schenkers, sondern auch sein künftiges Vermögen umfaßte, obwohl sich die gerichtliche Bestätigung als Fortentwicklung der Auflassung grundsätzlich nur auf vorhandene Güter beziehen konnte 74 • Diese Schwierigkeit war Folge des Wunsches vieler Übertragender, den Eintritt der Rechtsfolgen, mindestens aber den der wirtschaftlichen Folgen, auf den Augenblick des Todes hinauszuschieben. Derartige Vertragsgestaltungen waren vorher vor allem den donationes pro anima bereits eigentümlich gewesen. Mehr und mehr versuchte man, sich trotz der Übertragung des Vermögens zu Lebzeiten größtmögliche Dispositionsfreiheit zu erhalten 75, und zwar durch entsprechende Vorbehalte, die vor allem die Kirche nachdrücklich befürwortete 76. Sie nahmen dann offenbar in der Praxis einen derartigen Raum ein, daß die geschilderten Regelungen geschaffen wurden, wonach der Verfügende vor der Vornahme des Rechtsgeschäftes Proben seiner körperlichen Tüchtigkeit ablegen mußte 77. Daran zeigt sich, daß man auf unterschiedliche Weise das Prinzip des älteren deutschen Rechtes zu 72 Vgl. Magd. Syst. SchR I 20 (Culm IV 20): "Hat aber der burger selbir schult gemachit, do her lebte, die ist mit der vorgeschrebin gift vorgebin und blibin unde volgin dem brudir unde synyn geerbin, alzo di gift vz wisit"; Beseler, Vergabungen S. 196; Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 641 f.; Schröder-Künssberg, Rechtsgeschichte S. 826. 73 Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 176; Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 639; Loening, Das Testament S. 24. 74 Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 189; Heusler, Institutionen Bd. 11 S. 641. 7S Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 191. 76 Schulte, Rechtsgeschichte S. 564. 77 Vgl. Sachsenspiegel LR I 52 § 2, vgl. dazu auch Fn. 49.
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11. Die Vergabungen von Todes wegen
umgehen versuchte, wonach die Verfügungsbefugnis eines Mannes grundsätzlich mit dem Tode ihr Ende fand, so daß die Rechtsgeschäfte zu Lebzeiten abgewickelt worden sein mußten. Die Übernahme des römischen Rechtes mit seinem voll entwickelten Testamentsrecht mußte dieser Entwicklung entgegenkommen, weil es die rechtlichen Möglichkeiten des Verfügenden durch das Institut der donatio mortis causa oder die letztwilligen Verfügungen erheblich vergrößerte.
111. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge nach der Rezeption des römischen Rechtes bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts Die Vergabung von Todes wegen kam vor allem in den Gebieten, in denen die Rezeption des römischen Rechtes langsam erfolgte, bis in das 16. Jahrhundert vor l . Danach wurde sie durch das römische Testamentsrecht einerseits und die Erbeinsetzungsverträge andererseits verdrängt 2 • Über den genauen Entstehungszeitpunkt und die Bedeutung des Erbeinsetzungsvertrages bestehen unterschiedliche Auffassungen 3 , deren Klärung nicht mehr in den Zusammenhang dieser Arbeit gehört. Vielmehr soll die weitere Entwicklung nur insoweit dargestellt werden, als das rezeptierte Recht die donatio mortis causa in die deutsche Rechtsordnung einbrachte und sich die deutsch-rechtliche Vergabung von Todes wegen zur Gutsabtretung entwickelte.
1. Die Entwicklung der donatio mortis causa im Usus modernus pandectarum a) Das Schrifttum des 17. Jahrhunderts
Die gemeinrechtliche Jurisprudenz des 17. und 18. Jahrhunderts beschäftigte sich teilweise sehr ausführlich mit den Problemen der donatio mortis causa 4 . Daher beschränkt sich die nachfolgende Bearbeitung ebenso wie diejenige des römischen Rechts und seiner Weiterentwicklung im Recht des Mittelalters auf solche Fragestellungen, die mit der vorweggenommenen Erbfolge in engerem Zusammenhang stehen 5. Es handelt sich dabei zum einen um die Rechtsstellung 1 Schmelzeisen, Polizeiordnungen s. 140; Tschäppeler, Testierfreiheit S. 74f.; Wesener, Beschränkungen der Testierfreiheit S. 572; Beseler, Erbverträge Bd. II 1 S. 176fT.; Walter, Deutsche Rechtsgeschichte S. 247 m. w. N.; zur Rezeption in den einzelnen Te:rritorien Wesenberg-Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte S. 91 fT. 2 Testamente unter der Kirchengerichtsbarkeit gab es auch schon früher vgl. die Nachw. bei Schartl, Das Privatrecht S. 190 fT. m. w. N.; zur Ausbreitung der Testamente im Mittelalter Schutz, Testamente des späten Mittelalters und v. Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente S. 336fT.; ferner ;tders, Testamentsrecht der Stadt Köln S. 15ff.; Piper, Testament und Vergabung (für Braunschweig) S.34ff.; zum magdeburgischen Recht Loening, Das Testament S. 1 fT. und 21 fT. 3 Beseler, Erbverträge Bd. II 1 S. 199f.; v. Schmitt, TE S. 485 Fn. 2. 4 Vgl. auch Coing, Europäisches Privatrecht Bd. I S. 482 und 484 und insbesondere zur Entwicklung des Erbvertrages S. 587 fT. S Eine ausführliche Darstellung gibt Jmmel, Zur Theorie der donatio mortis causa.
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IH. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
der Nachlaßberechtigten im Falle einer Schenkung von Todes wegen, zum anderen um die Abgrenzung des Instituts von der letztwilligen Verfügung (Legat) und der lebzeitigen Schenkung, schließlich um die dogmatische Ausgestaltung des Rechtsgeschäftes, vor allem im Hinblick auf das Ausführungsgeschäft. Betrachtet man die Arbeiten Carpzovs, der als der wichtigste Vertreter des sächsischen Rechtes im 17. Jahrhundert anzusehen ist 6 , so fällt bereits eingangs seiner detaillierten Bearbeitung der donatio mortis causa in den Definitiones Forenses ein Umstand auf, der auch bei anderen Schriftstellern des 17. Jahrhunderts hervortritt. Es handelt sich dabei um die sorgfältige Abwägung des Problems, ob die lex Falcidia als Legatsvorschrift auf die Schenkung eines Gesamtvermögens von Todes wegen Anwendung finden sollte. Der Grund der Auseinandersetzung lag darin, daß hinsichtlich dieser Frage die Regelungen des sächsischen und des gemeinen Privatrechtes auseinandergingen. Während das römische Recht in C 6.50.5 dem Pflichtteilsberechtigten die querela inofficiosae donationis gegen den Beschenkten gewährte 7 , entschied das sächsische Recht in den Kursächsischen Constitutionen umgekehrt, nachdem die Frage zuvor umstritten gewesen war s . Carpzov folgt dem römisch-rechtlichen Vorbild: "Attamen receptius est et deduci: falcidiam ex omnibus mortis causa donationibus, etiam se hae extra speciem ultimae voluntates factae fuerint, quia leges modo citate generaliter loquntur, ac proinde etiam generaliter accipi debent"9. - Diese Auffassung wurde von Stryk 10 geteilt, der ausdrücklich auf die 6 Carpzov lebte von 1595 -1666. Zu seiner Person Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. II S.6; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S.217; Wesenberg-Wesener, Neuere deutsche Privatrechtsgeschichte S. 104; Schubart-Fikentscher, HRG Bd. I "Benedikt Carpzov" Sp. 595 ff. 7 Vgl. oben I) 2) a) bb) und zur Glosse I) 2) b) aa); ferner Immel, Donatio mortis causa S.205. 8 Kursächsische Constitutionen III, 1 (1572): "Von den Übergaben, so auf den Todesfall geschehen. Es haben vor dieser Zeit aus dem Text des sächsischen Recht im dreißigsten Artikel des andern Buchs etzliche gehalten, das kraft desselbigen und derer dorauf eingefürter Gewonheit in unsern Landen ein Erb, so ab intestato succedirt, nicht Macht habe in dem Fall, wann sein Vorfar alle seine Güter auf den Todesfall, donatione causa mortis, vorgeben, den vierten Teil davon abzuziehen und sich der Woltat ex lege Falcidia, von gemeinen keyserlichen Rechten geordnet, zu gebrauchen. Dawider aber ist in unsern Schöppenstülen von etzlichen anhero gesprochen worden. Damit nun dorinnen auch ein Gewisheit sey und Ungleichheit in den Urteiln vorbleibe, so ordenen, constituiren und setzen wir, das allen und jeden Übergaben, so vor Gericht geschehen, dorinnen alle Güter auf den Todesfall vorgeben, welches die Recht donationes omnium bonorum causa mortis nennen, stracks nachgegangen und solche Güter alle dem, welchen sie auf den Todesfall geschenkt, volgen und geeignet werden sollen, der Erbe ab intestato auch nicht Macht habe, den vierten Teil davon abzuziehen, und das also die Falcidia in unsern Landen in diesen und andern Donationen, so auf den Todsfall geschehen, nicht stad haben sol. "; abgedruckt bei Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 2 S. 285; ferner bei Carpzov, Definitiones Forenses P III C I (S. 881). Vgl. dazu auch Immel Donatio mortis causa S. 206. 9 Carpzov, Definitiones Forenses P III C I d I (S. 883) m. w. Nachw.
1. Die Entwicklung der donatio mortis causa
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unterschiedlichen Regelungen des sächsischen und des gemeinen Rechtes hinwies: " ... distinguendum est inter jus civile et saxonicum. Jure civili, quod mores adhuc hodie sequuntur, ex omnium concessione detractioni falcidiae locus est"ll. Übereinstimmend mit Carpzow gewährte auch er den benachteiligten Erben das Rechtsmittel der querela inofficiosi (testamenti): "Quod si tarnen donator tales haeredes relinquit, quibus legitima debetur, etiam in casu donationes mortis causa omnium bonorum, querela inofficiosi locus datur"12. Entsprechend formulierte auch Lauterbach 13: "Haec Lex falcidia etiam tractu temporis ab Imp. Severo ad Mortis causa donationem omnium bonorum producta est; etiamsi extra testamenturn vel codicillos sit facta" und Struve schrieb hierzu lediglich: "Locus est falcidiae" 14. Daran wird deutlich, daß die Stellung der Pflichtteils berechtigten bei einer Schenkung des Gesamtvermögens von Todes wegen nach gemeinem Recht nicht anders beurteilt wurde, als es die Untersuchung bis zum Recht des Mittelalters erwiesen hat. Entsprechendes gilt auch für die Rechtsposition der Nachlaßgläubiger. Die bei der Behandlung des römischen Rechts angeführte Digestenstelle D 39.6.17 15 findet sich bei Carpzov und bei Struve. Carpzov schrieb in diesem Zusammenhang: "Nec valet donatio mortis causa in praejudicium creditorum, quin revocari possit"16, während Struve 17 bei der Definition des Gegenstandes der donatio mortis causa lediglich ausführte: " ... etiam omnia bona, tarn praesentia, quam futura non tarn defraudandi sunt creditores." Die Beiläufigkeit dieser Bemerkungen sowie der fehlende Hinweis auf gegenteilige Ansichten erlauben den Rückschluß, daß die Fortgeltung von D 39.6.17 im gemeinen Recht des 17. Jahrhunderts als selbstverständlich angesehen wurde. Einen breiteren Raum nahm hingegen - ebenso wie in der Glosse und der Kommentarliteratur - die Abgrenzung zwischen der Schenkung von Todes wegen und Legat einerseits sowie der lebzeitigen Schenkung andererseits ein. Hier wie dort bemühte man sich um eine katalogartige Aufzählung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden, die inhaltlich jedoch das bereits Dargestellte aus früherer Zeit nicht überschritt. Ein wesentlicher Unterscheidungspunkt zwischen Legat und donatio mortis causa war der Vertragscharakter der Schenkung von Todes wegen 18. 10 Stryk lebte von 1640-1710; zu seiner Person vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 164ff. 11 Stryk, Specimen usus modemi Pandectarum zu D 39.6 (Sp. 795 § 4). 12 Stryk, Specimen usus modemi Pandectarum zu D 39.6 (Sp. 796 § 4); Carpzov, Definitiones Forenses P III C I d 8 (S. 885). 13 Collegium Pandectarum Tom. 11 zu D 35.2 (S. 934 IX): Lauterbach starb 1678, vgl. Wesenberg-Wesener, Neuere Deutsche Privatrechtsgeschichte S. 104. 14 Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 506 XXIV; Struve lebte von 1619-1692, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. 11 S. 146fT. IS Vgl. I) 2) a) aa) und zur Glosse I) 2) b) aa). 16 Definitiones Forenses P III C I d XXXVIII (S. 895). 17 Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 506 XXIV. 18 Immel, Donatio mortis causa, S. 193.
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
Dazu heißt es bei Stryk: "Hactenus ergo donatio mortis causa cum reliquis ultimis voluntatibus, praecipue legatis, conveniunt. Differunt tarnen ab iisdem principaliter in eo, quod donatio mortis causa a donatario sit acceptanda" 19. An der Formulierung "cum reliquis ultimis voluntatibus" wird deutlich, wie sehr sich die donatio mortis causa zur letztwilligen Verfügung entwickelt hatte. Um eine differenziertere Grenzziehung bemühte sich demgegenüber Lauterbach 20 ; jedoch enthalten weder seine noch die Ausführungen Struves 21 neue Erkenntnisse im Verhältnis zur Glosse und Kommentarliteratur. Dies gilt in gleicher Weise hinsichtlich der Abgrenzung von der Schenkung unter Lebenden. Wie es vor allem bei den Kommentatoren zu beobachten war, wurde die Unterscheidung zunächst formal, d. h. nach dem Wortlaut der Vereinbarung getroffen. Dabei genügte jedoch die Bezeichnung "mortis causa" allein nicht 22 , sondern der Vertrag mußte ausweisen, ob die Schenkung allgemein im Hinblick auf die menschliche Sterblichkeit oder speziell in drohender Lebensgefahr vorgenommen worden war 23 . Bei Auslegungszweifeln sprach die Vermutung für eine Schenkung unter Lebenden24-. Eine solche sollte nach Carpzov und Stryk außerdem anzunehmen sein, wenn die Widerruflichkeit vertraglich ausgeschlossen worden war. Dazu heißt es bei Carpzov: "Quid enim si donationis c1ausula de non revocando adjecta fuerit? Eam non pro mortis causa, sed pro donatione inter vivos habendam existimaveri"25 und unter Bezugnahme hierauf bei Stryk 26 : "Quemadmodum ergo hic donatio mortis causa quodam modo in speciem donationis inter vivos transit, ita idem obtinet, quando donator expressum pactum addit de non revocando donatione mortis causa". Die Abgrenzung lebzeitiger Rechtsgeschäfte und solcher von Todes Specimen usus moderni Pandectarum zu D. 39.6 (Sp. 792 § 1). Collegium Pandectarum Tom. III zu D. 39.6 (S. 88 VI): "Differunt enim, quod ad Donationem mortis causa verus et Donatarii et Donatoris consensus sit necessarius. Non pendet ab aditione haereditatis. In singulos annos facta, est tantum una; et si conditio semel extiterit, in heredes transit. Impossibilis adjecta conditio non vitiatur: sed vitiat donationes, et nullam reddit. Tantum mortis tempus spectatur." 21 Syntagma Jurisprudentiae P II S. 505 XXII: "Comparatae sunt mortis causa donationes legatis, igitur in legatis iuris est, in mortis causa donationibus erit accipiendum." 22 Carpzov, Definitiones Forenses P III C I d XXXIX (S. 895). 23 Stryk, Specimen usus modern i Pandectarum zu D 39.6 (Sp. 792 § 2): "Debet autem mortis mentio fieri in ipsis verbis dispositivis, et quidem vel cogitatione mortis in genere, quando, ut Paulus loquitur donatio fit a sano et in bona valetudine posito extra suspicionem ullius periculi, ubi tarnen ex humana sorte mortis cogitatio est: vel deinde mortis cogitatione in specie, scilicet ex praesenti periculo, aut ex futuro, si quide terra marique, tarn in pace, quam in bello, et tarn domi, quam militiae, multis generibus mortis periculum metui potest: "dono tibi, cum moriar, vel dono tibi si in hoc periculo peream, vel in hoc morbo succumbam". Vgl. dazu Immel, Donatio mortis causa S. 184f. 24 Stryk, Specimen usus moderni Pandectarum zu D 39.6 (Sp. 792 § 2); Lauterbach, Collegium Pandectarum Tom. III zu D 39.6 (S. 98 XXVII). 25 Definitiones Forenses P III C I d XXXIX (S. 895). 26 Specimen usus moderni Pandectarum zu D 39.6 (Sp. 797 §11). 19
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wegen nach dem Kriterium der Widerruflichkeit 27 sowie die Zuordnung der grundsätzlich widerruflichen donatio mortis causa zur letztgenannten Gruppe wird bei Lauterbach besonders deutlich: "Est (donatio mortis causa) enim species ultimarum voluntatem, in quibus ad supremum usque vitae exitum ambulatoria est hominis voluntas"28 . In noch stärkerem Maße als Glossatoren und Kommentatoren ordnete damit die gemeinrechtliche Literatur des 17. Jahrhunderts die donatio mortis causa den letztwilligen Verfügungen zu, wie sich auch an der Behandlung anderer Rechtsprobleme der Schenkung von Todes wegen nachweisen läßt. Nicht nur, daß die Formerfordernisse (fünf Zeugen) denen des Testamentes angeglichen wurden 29 ; diese Gleichsetzung kannte bereits das justinianische Recht. Bezeichnend ist vielmehr, daß Zuwendungsgegenstand der donatio mortis causa unstreitig nicht nur die gegenwärtigen Güter, sondern auch alle künftigen sein konnten. Im Rahmen des Gläubigerschutzes führte Struve 30 zum Zuwendungsgegenstand aus: "etiam omnia bona, tarn praesentia, quam futura ... " In Abweichung vom römischen Recht hatte sich die donatio mortis causa damit prinzipiell zu einer Schenkung des Gesamtvermögens entwickelt und zwar in dem Umfang, wie es zum Todeszeitpunkt des Schenkers vorhanden war 31 . Dafür spricht nicht zuletzt auch die vielfach diskutierte Anwachsungsregel für den Fall, daß der Schenker sich ausnahmsweise einen Teil seines Vermögens zur späteren Disposition vorbehalten hatte, dann jedoch ohne eine (weitere) letztwillige Verfügung verstorben war. Bei der Behandlung dieser Frage blieben die Meinungen kontrovers: Während Carpzov die Ansicht vertrat, bei der donatio mortis causa gelte das Recht der Anwachsung, d. h. der von der Schenkung nicht betroffene Teil wachse dem Beschenkten, nicht aber den gesetzlichen Erben des Schenkers ZU32, waren Struve 33 und Stryk 34 der gegenteiligen Auffassung und lösten den Konflikt zugunsten der gesetzlichen Erben. Unabhängig davon, weicher der beiden Auffassungen der Vorzug zu geben ist, verdeutlicht der Meinungsstreit, daß die donatio mortis causa eine Hierzu Imme!, Donatio mortis causa S. 200ff. Collegium Pandectarum Tom. III zu D 39.6 (S. 103 XXXVI). Vgl. auch Imme!, Donatio mortis causa S. 187. 29 Struve, Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 507 XXV: "ut quinque testes, licet non rogati, adhibeantur, quod commune habet cum ultimis voluntatibus." Lauterbach, Collegium Pandectarum Tom. III zu D 39.6 (S. 90 IX) führte - ebenfalls im Zusammenhang mit den Formerfordernissen - aus: "Nam mortis causa donatio est species Ultimae Voluntatis." Vgl. Imme!, Donatio mortis causa S. 197f. 30 Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 506 XXIV; ebenso Lauterbach, Collegium Pandectarum Tom. III zu D. 39.6 (S. 97 XXV): "Imo potest quis omnia bona sua, tarn praesentia quam futura mortis causa donare". 31 Anders nur bei lebzeitiger Übergabe einer bestimmten Sache, vgl. Imme!, Donatio mortis causa S. 204f. 32 Definitiones Forenses P III C II d I (S. 897). 33 Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 510 XXX. 34 Specimen usus moderni pandectarum zu D 39.6 (Sp. 798 § 10). 27
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letztwillige Verfügung geworden war, die mit der Schenkung unter Lebenden, abgesehen von ihrem Vertragscharakter, kaum noch Gemeinsamkeiten aufwies. Dem entspricht, daß man eine Eigentumsübertragung durch den Schenker als entbehrlich betrachtete, weil der Eigentumsübergang mit dem Tode des Schenkers ipso iure erfolgen sollte, in gleicher Weise wie es beim Legat der Fall war 35 • Hinsichtlich des Ausführungsgeschäftes befindet sich die gemeinrechtliche Literatur des 17. Jahrhunderts ebenfalls auf einem dem mittelalterlichen Recht vergleichbaren Stande. Die donatio mortis causa konnte durch bloße Übereinkunft (conventio) errichtet oder im Wege der stipulatio bzw. Eigentumsübertragung bekräftigt werden, wobei der Rechtsübergang bedingt oder unbedingt erfolgte 36 • Interessant erscheint es allerdings in diesem Zusammenhang, daß Struve 37 den Abschluß durch conventio ausdrücklich mit der Gleichstellung von donatio mortis causa und Legat durch Justinian rechtfertigte. Daraus folgt, daß nach seiner Auffassung im klassischen römischen Recht eine Eigentumsübertragung oder Stipulation erforderlich gewesen sein mußte. Auch diese Aussage deutet daraufhin, daß die Juristen des 17. Jahrhunderts die donatio mortis causa nicht mehr als lebzeitiges Rechtsgeschäft verstanden. Dafür spricht nicht zuletzt, daß die unwiderrufliche Eigentumsübertragung nicht Gegenstand einer Schenkung von Todes wegen sein konnte 38 •
3S Struve, Syntagma Jurisprudentiae PliS. 508 XXVII: "Praeterea ad exemplum legatorum rei donatae et non traditae dominium post mortem donatoris ipso jure in donatorium transit" und Carpzov, Definitiones Forenses P 111 C I d XXXVII n. 2: "rei mortis causa donatae dominium ipso jure in donatorium transit, quia nempe donatio mortis causa legati assimiletur, eorumque effectus sortitur"; ferner Lauterbach, Collegium Pandectarum Tom. 111 zu D 39.6 (S. 101 XXII): "dominium statim ex tempore mortis in Donatarium ipso iure transit." 36 Lauterbach, Collegium Pandectarum Tom. III zu D 39.6 (S. 100 XXXI): " ... Si donatio quoad ordinationem perfecta, iterum disting. An per solam conventionem, vel etiam rei traditionem facta sit? Illo casu donatarius Jus exinde acquirit nullum: sed tantum spem incerti lucri consequitur; adeo, ut etiam ante donantis mortem, nec creditoris nomine veniat. Licet enim promissio sit facta in casum certo futurum: quia tarnen incertum est, num ante donationis resolutionem sit extiturus, tamdiu obligatio suspenditur; et multo minus rei donatae dominium transfertur." Vgl. dazu Immel, Donatio mortis causa S. 204 f. 37 Syntagma Jurisprudentiae PIlS. 508 XXVII: "Uti vero donatio inter vivos ante constitutionem Justiniani. traditione debebat fieri, vel stipulatione: cum alias nulla competeret actio: Ita quoque donatio mortis causa fiebat: vel traditione et quidem ita, ut aut statim dominium, (quod tarnen est revocabile) transferatur, aut sub conditione pendeat. Vel stipulatione, et competit tune post mortem donantis actio ex stipulatu. Post constitutionem vero Justiniani uti inter vivos sec et mortis causa donatio videtur fieri post pacto: et Praeterea ad exemplum legatorum rei donatae et nondum traditae dominium post mortem donatoris ipso jure in donatarium transit." 38 Lauterbach, Collogium Pandectarum Tom. III zu ri 39.6 (S. 100 XXXII), vgl. oben III) 1) a) Fn. 36.
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Insgesamt zeigt die Jurisprudenz des Usus modernus weiterhin das Bild, welches bereits Glosse und Kommentarliteratur gekennzeichnet hatte. Die justinianische Angleichung von donatio mortis causa und Legat wurde in der dogmatischen Bearbeitung nicht vollständig nachvollzogen, die Einordnung des Rechtsgeschäftes in die Kategorien der letztwilligen Verfügungen und der lebzeitigen Rechtsgeschäfte bereiteten weiterhin Schwierigkeiten. Ohne Zweifel hat sich die Schenkung von Todes wegen als Gesamtvennögensschenkung jedoch weiterhin in Richtung auf das Legat entwickelt. b) Die gemeinrechtliche Literatur bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts unter Einschluß der holländischen und französischen eleganten Jurisprudenz
Die dogmatische Behandlung der donatio mortis causa weicht im 18. Jahrhundert nicht mehr wesentlich von dem bereits gewonnenen Bild ab, wenngleich sie teilweise ausführlicher vorgenommen wurde. Dies gilt vor allem für die Arbeiten der holländischen Vertreter des Usus modernus pandectarum, von denen an erster Stelle Johannes Voet 39 zu nennen ist. Intensiver als es bei den Juristen des 17. Jahrhunderts zu beobachten war, bemühte sich Voet um eine Einordnung der donatio mortis causa zwischen donatio inter vivos und Legat. Interessant ist dabei zunächst, daß Voet in differenzierter Auseinandersetzung mit D 39.6.27 einerseits sowie D 39.6.13 ad fi. bzw. D 39.6.35.4 andererseits die bereits erwähnte Ansicht vertrat, ein Verzicht auf die Widerruflichkeit der Schenkung zwinge zur Annahme eines Rechtsgeschäftes unter Lebenden 40 . Voet folgte damit der bereits geschilderten Linie, wonach sich das Verhältnis von lebzeitiger Schenkung und solcher von Todes wegen als Regel-Ausnahmeprinzip verstehen läßt, so daß die Vennutung gegen das letztgenannte Rechtsinstitut spricht 41 • - Umfangreich fällt in seiner Arbeit die Aufzählung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede aus, die sich in dem Verhältnis von Legat und donatio mortis causa ergeben. Unter Hinweis aufD 39.6.37 befürwortete er zunächst die generelle Anwendung der Legatsvorschriften auf die Schenkung von Todes wegen 42 • Unter den Berührungspunkten beider Rechtsgeschäftsarten sah Voet die Anwendung der Lex Falcidia auf die donatio mortis causa als entscheidend an; aber auch die Unwirksamkeit der Schenkung bei - selbst unbeabsichtigter - Gläubigerbenachteiligung sowie das Anwachsungsprinzip gehörten nach seiner Auffassung in diesen Zusammenhang. Schließlich korrespondierten für Voet donatio mortis causa und Legat in ihrer Widerruflichkeit und ihrer Abhängigkeit vom Vorversterben des Gebenden 43 • Diese weitgehende Überein39 Voet lebte von 1647 -1713. Zu seiner Person vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 164; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 222. 40 Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 590 NI. 1). 41 Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 590 NI. 2): "In dubio magis inter vivos, quam mortis causa, factam praesumi donationem". 42 Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 590 Nr. 4). 43 Voet, Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 591 Nr.4).
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
stimmung bedeutete jedoch für Voet keine Identität bei der Rechtsinstitute. Mit gleicher Ausführlichkeit beschrieb er die bereits bekannten Unterschiede, von denen die Notwendigkeit der Annahme durch den Beschenkten und damit der Vertragscharakter der Schenkung von Todes wegen besondere Erwähnung verdient 44 • Im Unterschied zu den Ansichten Struves und Carpzovs erachtete Voet allerdings eine Eigentumsübertragung durch Übergabe als notwendig. Unter Hinweis auf D 39.6.2 und C 2.3.20 45 führte er aus: "Adhaec in mortis causa donatione dominium non transit sine donatione"46. Eine Auseinandersetzung mit der gegenteiligen Auffassung, die im 17. Jahrhundert allgemein vertreten worden war, fehlt allerdings ebenso wie eine nähere Begründung dieser Aussage. Sie erlaubt dennoch den Rückschluß, daß Voet eine lebzeitige Vollziehung als notwendiges Erfordernis der donatio mortis causa ansah. Damit stimmt überein, daß sich bei Voet im Unterschied zur Pandektistik des 17. Jahrhunderts keine Aussage über den Abschluß einer Schenkung von Todes wegen durch bloße Willensübereinkunft findet. Van der Keessel 47 , einer der letzten Vertreter der holländischen eleganten Jurisprudenz, bleibt in seiner Darstellung der donatio mortis causa hinter Voet zurück; er verwies für die Abgrenzung zwischen Schenkung von Todes wegen und Legat ausdrücklich auf dessen Ausführungen 48 . Von den deutschen Vertretern des usus modernus pandectarum im 18. Jahrhundert sind in erster Linie Boehmer49 und Leyser 50 zu nennen. Die Bearbeitung der donatio mortis causa durch beide Autoren ist jedoch weniger ausführlich als die geschilderte Voets; sie enthält keine neuen Gesichtspunkte, die der Erwähnung bedürften. Einen breiteren Raum hingegen nimmt das Problem in der gemeinrechtlichen Wissenschaft Frankreichs ein. Bereits Domat 51 behandelte an der Wende des 17. Jahrhunderts recht eingehend die Schenkung von Todes wegen, bezeichnenderweise im 4. Buch "Des legs et autre disposition acause de mort". Für Domat war die Schenkung von Todes wegen eine Art Legat: " ... ces regles conviennent aux donations a cause de mort, parcequ'elles font de la nature de legs"52. Er Voet, Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 592 Nr. 6). "Traditionibus et usucapionibus domini rerum non nudis pactis transferuntur." 46 Commentarius ad Pandectas Tom. II zu D 39.6 (S. 592 Nr. 6). 47 Er lebte von 1738-1816; seine Praelectiones erschienen 1801. 4S Praelectiones § 1058 (S. 66). 49 Böhmer lebte von 1674-1749, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 145 fr. Seine Introductio injus Digestorum erreichte von 1734-179114 Auflagen, vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 220f. 50 Leyser lebte von 1683 -1752, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 206 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S.221. Die Meditationes ad Pandectas erschienen von 1717 -1748. 51 Domat lebte von 1625-1696, vgl. Viollet, Histoire S. 242ff.; sein Werk "Les Loix civiles dans leur ordre naturei" erschien 1694. 44 45
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beschränkte dementsprechend seine Ausführungen über die für die donatio mortis causa geltenden Regeln unter Hinweis auf die Vorschriften der letztwilligen Verfügungen: "On doit appliquer aux actes qui contiennent des donations a cause de mort, les autres regles qui regardent les codicilles, selon qu'elles peuvent y convenir. Et le discernement en sera facile sans qu'il soit necessaire d'en rien repeter ici". Neu und in dieser Form ungewöhnlich in der gemeinrechtlichen Literatur ist die Zuordnung der donatio mortis causa zwischen lebzeitigem Rechtsgeschäft und letztwilliger Verfügung. Für Domat war entscheidend, daß die letztwillige Verfügung verschiedene Dispositionen enthalten konnte, die donatio mortis causa hingegen nur eine: " ... qu'on appelle indistinctement codicilles les actes qui contiennent les diverses dispositions qu'on peut fair a cause de mort ... , mais on n'entend proprement par une donation a cause de mort, qu'une seule disposition particuliere"53 . Dementsprechend könnte man formulieren, für Domat sei die donatio mortis causa ein Spezial fall der letztwilligen Verfügung mit eingeschränktem Anwendungsbereich gewesen, die er scharf von der Schenkung unter Lebenden unterschied: " ... il est necessaire de bien distinguer la nature de ceux deux sortes de donations"54. Eingehender befaßte sich Pothier 55 mit der Schenkung von Todes wegen. Inhaltlich stimmt seine Bearbeitung im wesentlichen mit den anderen Werken des usus modernus pandectarum überein. Auch bei ihm findet sich die Anwendung der Lex Falcidia auf die donatio mortis causa sowie die Unwirksamkeit der Schenkung wegen Gläubigerbenachteiligung unter Hinweis auf D 39.6.17 56 . Außerdem ist zu beobachten, daß für Pothier die Zuordnung des Rechtsinstitutes zum Legat stärker ausgeprägt war als zur lebzeitigen Schenkung: "Sed Mortis Causa Donatio longe differt ab illa vera et absoluta donatione, quae ita profiscitur ut nullo casu revocetur" 57 heißt es einerseits, und weiterhin: "Quodcumque igitur in legatis Juris est, id in Mortis Causa Donationibus erit accipiendum". Die Verschiedenheit von lebzeitiger Schenkung und donatio mortis causa wird an anderer Stelle deutlich. Nach der Auffassung Pothiers, die sich mit der überwiegenden Ansicht der eleganten Jurisprudenz deckt, konnte die donatio mortis causa ohne Übergabe vorgenommen werden 58 • Unter Bezugnahme auf die oben behandelte Stelle D 39.5.31.3 59 : "Eiusmodi lege deposita in aede arca, ut eam ipse solus qui deposuit tolleret aut Loix civiles Tom. I S. 730 (Sect. III). Loix civiles Tom. I S. 731 (§ II). 54 Loix civiles Tom. I S. 731 (Sect. III). 55 Zu seiner Person Viollet, Histoire S. 251 ff. Pothier lebte von 1699-1772 und gilt als geistiger Wegbereiter des code civil. Die hier verwendeten Pandectae Justinianeae erschienen 1746. 56 Pandectae Justinianeae zu D 39.6 S. 606 (Sect. I Art. I § 1 II und III). 57 Pandectae Justinianeae zu D 39.6 S. 606 (Sect. I Art. I § 1). 58 Pandectae Justinianeae zu D 39.6 S. 608 (Sect. I Art. II § 3 XV). 59 Vgl. I) 2) a) bb) Fn. 115. 52 53
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post mortem domini Aelius Speratus, non videri celebratam donationem respondi" räumte Pothier ein, daß in diesem Rechtsgeschäft keine Schenkung enthalten sei 60, mithin ein essentieller Unterschied zwischen Schenkung und donatio mortis causa bestehen müsse. Hieran wird ersichtlich, daß sich auch im 18. Jahrhundert die Tendenz fortsetzte, die in der justinianischen Kodifikation begann und sich in der Glosse verstärkte: Die donatio mortis causa wurde zur letztwilligen Verfügung, die nur in einzelnen Punkten Beziehungen zur lebzeitigen Schenkung aufweist. Die dogmatische Behandlung aber läßt auch am Ausgang des 18. Jahrhunderts noch ebenso viele Fragen offen wie das mittelalterliche Recht; neue Aspekte sind kaum ersichtlich.
2. Die donaöo moros causa in der Naturrechtslehre Die naturrechtliche Betrachtungsweise der donatio mortis causa weicht anfänglich in ihren Begründungen nur unwesentlich von der des Usus modernus pandectarum ab, während sich die dogmatischen Strukturen sowie die Ergebnisse sogar weitgehend gleichen. Dies wird deutlich bei Johannes Althusius, den man als ersten Vertreter der Naturrechtslehre, zumindest aber als ihren wichtigsten Vorläufer ansehen kann 61 . Althusius leitete seine Bemerkungen unter Hinweis auf die Glosse mit dem Satz ein: "donatio mortis causa est testamenturn particulare, non plenum, quo liberalitas a presentae in presentem"62 . Und unter Bezugnahme auf D 39.6.42 heißt es: "Mortis autem causa facta turn dicitur, quando in ea mortis fit mentio, nisi omni meliorijure et forma facta esset, vel ex conjecturis valere non posset, ut inter vivos"63. Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Vertretern der eleganten Jurisprudenz findet sich der Satz: "Donatio haec mortis causa facta, aperte ad ultimas voluntates refertur ... et poenetentia, sicut legatum revocatur"64. Althusius sah den Unterschied zwischen Legat und donatio mortis causa darin, daß dieses vom Erben, jene aber vom Schenkenden erworben wurde 65 und der Zustimmung des Erben nicht bedurfte 66 • Die unwiderrufliche Schenkung faßte auch er stets als eine solche unter Lebenden auf6 7 ; sie konnte nach seiner Ansicht das Gesamtvermögen umfassen 68 • Hinsichtlich des Verfügungsgeschäftes unterPandectae Justinianeae zu D 39.6 (Sect. I Art. II § 3 XV). Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. II S. 376; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 286 f.; Althusius lebte von 1557 - 1638. 62 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 10 (S. 183). 63 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 13 (S. 183). 64 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 14 (S. 183). 65 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 15 (S. 184). 66 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 15 (S. 184). 67 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 15 (S. 184). 68 Dicaeologicae Lib. I Cap. L II Nr. 15 (S. 184). "Mortis causa donatione etiam totam haereditatem donari posse." 60
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2. Die donatio mortis causa in der Naturrechtslehre
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schied Althusius zwei Arten: "Prima, quae ita fit, ut statim res fiat accipientis, neque postea ullo casu revocetur, etiamsi convaluerit testator, quae donatio inter vivos potius fieri dicitur. Altera est, quae non ita fit, ut statim accipientis fiat, res donata, sed ita et turn demum, cum mors fuerit secuta"69 . Für Althusius war die donatio mortis causa damit ein widerrufliches, grundsätzlich letztwilliges Rechtsgeschäft, das nur wenige Berührungspunkte mit der lebzeitigen Schenkung aufwies. Diese Betrachtungsweise entspricht in vollem Umfang dem Bild, das die Literatur des Usus modernus pandectarum im 17. Jahrhundert bot. Bereits bei Hugo Grotius 70 fehlt jedoch eine Bezugnahme auf die römischen Quellen und ihre spätere Bearbeitung, obwohl der Ursprung seines Privatrechtes römischrechtlichen Charakters ist 71 • Seine Bearbeitung der donatio mortis causa ist im Vergleich zu derjenigen des Althusius nur kurz, deckt sich aber ebenfalls mit den Ergebnissen der gemeinrechtlichen Literatur jener Zeit. Dies gilt vor allem für die Einordnung der donatio mortis causa, die Grotius bezüglich ihrer Ausführung als letztwillige Verfügung, hinsichtlich ihres Abschlusses als Rechtsgeschäft unter Lebenden verstand: "Deze schenckinge heeft in de uitvoeringe alles ghemeen met makinghen die by uiterste wille geschieden ... maer in het aengaen zelve werd deze scheckinghe onder de rechten die van handelinge onder levende spreken begrepen"72. Aus dem ersten Teil der Aussage leitete Grotius die Möglichkeit des Abzuges der fa1cidischen Quart sowie die Widerruflichkeit und den Wegfall der Schenkung von Todes wegen beim Vorversterben des Beschenkten ab: "Is insghelijcks onderworpen de aftreckinghe van het vierde-deel: kan oock wederroepen werden by levende lijve, ende komt te vervallen van zelfs indien den aennemer voor den gever sterft"73 . Aus dem allgemeinen Schenkungsrecht folgerte Grotius, teilweise im Unterschied zu D 39.6.25 (Filius familias ... mortis causa donare patre permittente potest): "Waer uit volgt dat luiden die haer goederen by levende lijve niet en moghen vervremden, als minderj arighen ende anderen oock deze schenckinghen niet en moghen doen" 74 . Hieran wie an den Ausführungen von Althusius wird deutlich, daß das Naturrecht des 17. Jahrhunderts kein neues Verständnis der donatio mortis causa zu vermitteln vermochte. 69
Dicaeologicae Lib. I Cap. L 11 Nr. 17f. (S. 184).
70 Er lebte von 1583 -1645. Die hier behandelte Inleidinge tot de Hollandsche Rechts-
Geleerdheid stammte aus dem Jahre 1631, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. 111 1 S. 1 ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 11 S. 376; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 287ff.; Wellschmid, ZRG (Germ. Abt.) Bd. 69 (1952) S. 155 fT.; ferner die Einleitung zu der Inleidinge von Fockema-Andreae S. XIIIff. 71 Wellschmid, ZRG (Germ. Abt.) Bd. 69 (1952) S. 156 fT.; das Buch entstand allerdings während eines Kerkeraufenthaltes, so daß Grotius nahezu keinerlei Literatur zur Verfügung stand. 72 Inleidinge, Bd. I B III D 2 § 23 (S. 128). 73 Inleidinge, Bd. I B III D 2 § 23 (S. 128). 74 Inleidinge, Bd. I B III D 2 § 23 (S. 128).
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IH. Oie historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
Dieser Eindruck setzt sich auch noch in den Werken Pufendorfs fort 75 . Er unterschied wie das gemeine Recht zwei Arten der Schenkung von Todes wegen: Eine, die in bestehender Lebensgefahr unmittelbar vollzogen und nach glücklicher Überwindung hinfällig wurde: "Una, quando quis, probabile mortis periculum imminere sibi suspicatus, alicui non sic donat, ut statim faciat accipientis; sed tunc demum, cum mors fuerit insecuta, seu ubi quis donationem suspendit aconditione mortis ex instanti periculo imminentis; quod periculum ubi quis evaserit, nulla est donatio", und eine, bei der auf den Tod geschenkt wurde, sich der Schenker aber Besitz, Nutzungen und Widerruf vorbehielt: "Altera, quando quis rem suam alicui assignat in eventum mortis, retenta sibi interim possessione et pleno usufructu, ita tarnen ut ante mortem ea donatio certa ex causa revocari possit" 76. Die letztgenannte Form wurde jedoch im Unterschied zu Althusius und Grotius stärker differenziert. Wie diesen erschien Pufendorf die unwiderrufliche und vollzogene Schenkung stets als eine solche unter Lebenden: "Quando autem quis, imminente mortis periculo commotus, ita donat, ut statim fiat accipientis, neque revoctur, si periculum fuerit depulsum, ad donationes potius inter vivos referetur"77 . Bei der widerruflichen Schenkung von Todes wegen hingegen trennte Pufendorf zwischen der begründeten und der freien Widerruflichkeit: jjSi donatarius donantem insigni injuria laeserit, aut si donanti orbo postea pröles propria nata fuerit. Quod si autem revocabilitatem a nulla conditione extrinseca, sed a mero suo beneplacito suspenderit donator, tunc donatario nullum jus quaesitum erit, quamdiu donator naturalern facultatem habuerit voluntatem mutandi"78 . Sofern die Widerruflichkeit allein von der Willensänderung des Schenkers abhing, ordnete Pufendorf das Rechtsgeschäft den Testamenten zu. Damit entschied für ihn die Widerruflichkeit über die Rechtsnatur des Geschäftes. Hieraus folgt, daß Pufendorf die Rechtsposition des Beschenkten als grundlegendes Abgrenzungskriterium erachtete. Entsprechend ihrer Ausgestaltung von einer bloßen Aussicht bis hin zum Vollrechtserwerb war das Rechtsgeschäft entweder Testament, donatio mortis causa oder Schenkung unter Lebenden; unklar bleibt allerdings, wie die systematische Stellung der Schenkung von Todes wegen zwischen den beiden genannten Polen beschaffen war. Daß Pufendorf eine dritte Rechtsgeschäftskategorie für denkbar hielt, ergibt sich sowohl aus dem oben Gesagten als auch aus seiner Eingangsformulierung: "Distingui a testamentis solent donationes mortis causa, quibus vivus in vivum et consentientem jus in bona sua transfert in eventum mortis."79 7S Pufendorflebte von 1632-1694. Oas hier verwendete Lehrbuch Oe Jure Naturae et Gentium Libri octo entstand 1673, vgl. zu seiner Person Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. IH 1 S. 11 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 306ff. 76 Oe Jure Naturae Lib. IV Cap. X S. 617. 77 Oe Jure Naturae Lib. IV Cap. X S. 618. 78 Oe Jure Naturae Lib. IV Cap. X S. 617f. 79 Oe Jure Naturae Lib. IV Cap. X S. 617.
2. Die donatio mortis causa in der Naturrechtslehre
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Geht bereits Pufendorf in seiner dogmatischen Bearbeitung über die vorangegangenen Werke von Johannes Althusius und Hugo Grotius hinaus, so enthält das Jus Naturae des Christian WolffSo nicht nur die umfangreichste Behandlung der donatio mortis causa dieser Epoche, sondern auch diejenige, die sich in ihren Begründungen am stärksten naturrechtlich orientiert. Allerdings ist auch hier die Bindung an das römisch-rechtliche Vorbild nicht völlig aufgehoben: "Et si hic ostendatur donationem mortis causa esse juris naturalis; non tarnen propteria omnia juris naturalis sunt, quae Jus Romanum de hac donatione sancivit"81. Somit blieb für Wolff neben der naturrechtlichen Ableitung die Bezugnahme zum vorhandenen Vorbild grundsätzlich erhalten. Er befürwortete daher die Widerruflichkeit der donatio mortis causa selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung und hielt andererseits die Unwiderruflichkeit für unvereinbar mit dem Charakter des Rechtsinstitutes 82 . Wolff bejahte ferner den Wegfall der donatio mortis bei Vorversterben des Schenkers 83 ebenso wie den Vertragscharakter des Rechtsgeschäftes. Gerade die Probleme von Angebot und Annahme nehmen bei Wolffungieich breiteren Raum ein als bei allen seinen Vorgängern 84. Bedeutsam sind seine Ausführungen zur Vollziehung des Rechtsgeschäftes und zum Schutz der Nachlaßbeteiligten. Wolff erkannte die Gültigkeit des Rechtsgeschäftes ohne Übergabe an: " ... Necesse non est, ut res donata statim tradatur, consequenter rem mortis causa donatam statim tradendi nulla datur obligatio, adeoque in arbitrio ejus, qui mortis causa donat, positurn est, utrum rem donatam statim seu ante mortem tradere velit, nec ne"85; er verlangte weder eine lebzeitige Übergabe noch bejahte er eine dahingehende Verpflichtung des Schenkers. Die Entscheidung hierüber stand nach Auffassung Wolffs allein im Belieben des Schenkers. Damit unterschied sich die donatio mortis causa grundlegend von der donatio inter vivos, für die das Gegenteil galt: "Donatio enim datio, consequenter dominii translatio est"86. Obwohl Wolff im Unterschied zu den Vertretern des Usus modernus pandectarum keine dogmatische Abgrenzung der donatio mortis causa zu den ihr verwandten Rechtsinstituten vornahm, wird deutlich, welchen Standort er ihr gab. Die strukturelle Annäherung an die letztwillige Verfügung 80 Christi an Wolfflebte von 1679-1754, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 201 ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S.318ff.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 11 S. 376. 81 Jus Naturae P IV Cap. I § 142 (S. 116). 82 Jus Naturae P IV Cap. I § 139 (S. 113): "Qui alteri quid donat, quia mortiturus est, facite si bi reservat ius revocandi" und § 148 (S. 120): "Quoniam mortis causa donatio sine reservatione juris eam ante mortem revocandi, quando ita visum fuerit, non concipiter". In diesem Falle handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden, § 148 (S. 120): "Si quis mortis causa non donat, sed irrevocabiliter inter vivos donari dicitur". 83 Jus Naturae P IV Cap. I § 158 (S. 127): "Si donatarius praemoriatur, donatio inter vivos substitit, minime autem donatio mortis causa". 84 Jus Naturae P IV Cap. I § 159ff. (S. 128ff.). 85 Jus Naturae P IV Cap. I § 144 (S. 116f.). 86 Jus Naturae P IV Cap. I § 130 (S. 106).
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
erscheint enger als die Beziehung zum lebzeitigen Rechtsgeschäft. Dem Schenker wurden während seines Lebens keinerlei Beschränkungen auferlegt; die Veräußerung des Zuwendungsgegenstandes war jederzeit möglich und wurde als Widerruf der Schenkung angesehen: "Quoniam si res mortis causa donata a donatore alienetur, donatio ipso facto revocatur"87 . Eine ausdrückliche Bestimmung über die Rechte der Nachlaßbeteiligten enthält das Werk Wolffs nicht, wohl aber einen allgemein gehaltenen Grundsatz, der diese mit umschließt: "Donatio omnis, turn quae mortis causa, quam quae inter vivos fit, invalida est, si fuerit contra jus alterius. Etenim nemo quicquam vi libertatis naturalis facere potest, quod est contra jus alterius"88 . Der Verstoß gegen die Rechte anderer wurde als Verstoß gegen den naturrechtlichen Grundsatz des "Neminem laedere" angesehen: "Repugnat igitur donatio contra jus alterius facta principio legis naturalis, quod nemo sit laedendus"89 . Da Wolff die unentziehbare Erbberechtigung von Eltern und Kindern 90 sowie das Zugriffsrecht der Gläubiger 91 auf den Nachlaß anerkannte, kann gefolgert werden, daß beide Gruppen auch vor Benachteiligungen durch Vornahme einer donatio mortis causa geschützt werden sollten. Insgesamt zeigt sich damit, daß die Würdigung der donatio mortis causa durch die Naturrechtslehre unterschiedlich war und eine Entwicklung erkennen läßt. Blieb sie anfänglich stark dem römisch-rechtlichen Vorbild in seiner mittelalterlichen Ausprägung verhaftet, so löste sie sich im Verlauf des 18. Jahrhunderts weitgehend davon, ohne allerdings die Anlehnung vollständig aufzugeben 92 . Das Naturrecht hat kein vollständig eigenes System entwickelt und sowohl die Dogmatik als auch die Ergebnisse waren in vielen Punkten vom römisch-rechtlichen Gedankengut bestimmt. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß die Begründungen - vor allem bei Christian Wolff - nicht unerheblich vom gemeinen Recht abwichen. Geblieben ist die Tendenz zur Angleichung an die letztwilligen Verfügungen sowie die Unsicherheit hinsichtlich der Bestimmung der Rechtsnatur der donatio mortis causa. Weder Naturrecht noch die elegante Jurisprudenz haben abschließend die Frage beantworten können, welcher Art von Rechtsgeschäften die Schenkung von Todes wegen zuzuordnen sei. Deutlich wird die dogmatische Unsicherheit bezüglich des Rechtsinstitutes Jus Naturae P IV Cap. I § 155 (S. 134f.). Jus Naturae P IV Cap. I § 149 (S. 121). 89 Jus Naturae P IV Cap. I § 149 (S. 121). 90 Grundsätze des Natur- und Völkerrechtes, §§ 924 u. 928 (S. 670 u. 672). 91 §§ 924 u. 928 (S. 670 u. 672), § 820 (S. 603). 92 Die Synthese zwischen Naturrecht und Eleganter Jurisprudenz verkörpert sich im 18. Jahrhundert in dem Thomasiusschüler Heineccius (1681-1741, vgl. Stintzing-Landsberg, Geschichte Bd. III 1 S. 179ff.; Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 223). Allerdings geht seine Bearbeitung der donatio mortis causa (Elementa iuris civilis sec. ord. Pandectarum zu D 39.6 (S. 523f.); Elementa luris Civilis sec. ord. Institutionum Lib. II tit VII §§ 460ff. (S. 226ff.) weder über die der behandelten Vertreter des gemeinen Rechts noch über die der Naturrechtslehre hinaus. 87 88
3. Die Entwicklung der Vergabung von Todes wegen
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noch einmal bei Heineccius, in dessen Lehre sich beide Strömungen vereinigten: "Illa (Donatio inter vivos) est pactum legitimum, et statim transfert dominium, hae (donatio mortis causa) inter pactum et ultimam voluntatem quodam modo fluctuat"93 und an anderer Stelle: "Quum ergo donatio mortis causa inter pacta et ultimas voluntates veluti fluctuet"94. Bezeichnender läßt sich der Bearbeitllngsstand der donatio mortis causa durch die Lehre zum Ausgang des 18. Jahrhunderts kaum zusammenfassen. Übereinstimmung herrschte andererseits insoweit, als die Interessen der Nachlaßbeteiligten im gleichen Umfange geschützt wurden wie bei einer Verfügung von Todes wegen. Den Pflichtteilsberechtigten wurde ihr Anteil gewährt und die entsprechende Klage zugesprochen, den Nachlaßgläubigern der Zugriff auf den Zuwendungsgegenstand vorbehalten bzw. die donatio mortis causa im Falle der Gläubigerschädigung als unwirksam erachtet.
3. Die Entwicklung der Vergabung von Todes wegen zur Gutsabtretung im Schrifttum des 17. und 18. Jahrhunderts Anders als die donatio mortis causa nimmt die deutsch-rechtliche Vergabung im Schrifttum des 17. und 18. Jahrhunderts nur wenig Raum ein; die eigentliche dogmatische Bearbeitung fällt erst in das 19. Jahrhundert. Einige Veröffentlichungen befassen sich zudem in erster Linie mit der Altenteilsproblematik und bedürfen deshalb hier keiner besonderen Erörterung 95 . Erwähnenswert bleibt daher allein die Arbeit Ferdinand Christian Happrechts, der sich in seinen Dissertationes academicae in ausführlicher Weise mit der "Divisione bonorum inter liberos a parente adhuc in vivis facta" beschäftigte 96 . Die Verbindung zur letztwilligen Verfügung, d. h. zum Erbvertrag, bestand für Happrecht lediglich im Beweggrund des Rechtsgeschäftes 97 : "Tametsi vero tales Divisiones non minus, quam Pacta de succedendo affirmativa, tristissimi et periculosi eventus plenas ... "98. Im übrigen waren für ihn die Übergaben grundsätzlich unwiderrufliche Rechtsgeschäfte unter Lebenden. So heißt es unter zahlreichen Nachweisen aus der Literatur" ... Communiter addunt, quod talis Divisio in vim irrivocabilis Donationis inter vivos substitat"99. Die Ausführung des Rechtsgeschäftes bestand für Happrecht wie im älteren 93 Elementa zu D 39.6 § 124 (S. 521). 94
Elementa zu D 39.6 § 132 (S. 523).
95 Vgl. die Nachw. bei Runde, Altentheil S.276ff.; für das Herzogtum Schleswig
Esmarch, Hdb. des Erbrechtes S. 353 ff.; ferner Hänsel, Die Lehre von dem Auszug; für Westfalen Piepenbrock, Die Entwicklung des Altenteils. 96 Diss. acad. vol. II disp. LX; vgl. dazu Beseler, Erbverträge Bd. II S. 204; Mittermaier, Grundzüge S. 47. 97 Happrecht sah die Teilung nicht als Erbvertrag an, wie Mittermaier, Grundzüge S. 47 meint; vgl. Beseler, Erbverträge, Bd. II S. 204 Fn. 7. 98 Diss. acad. vol. II disp. LX Nr. 145. 99 Diss. acad. vol. II disp. LX Nr. 390; vgl. auch Nr. 34ff. und 55ff.
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111. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
deutschen Recht in einer Eigentumsübertragung "Quod statim ex tune, cum diviso fieret, Bonorum inter Liberos distributorum dominium, in illos, per viam Contractus sive actus inter vivos, translaturn velit, conc1udenta saltem conjici sive elici valeat, tunc et ista praesumta seu conjecturat per Patris voluntas ad hoc sufficiat" 100. Sie war demnach untrennbar mit dem Begriff "Divisio" verbunden. Hierin liegt - bei allen sonstigen Berührungspunkten - der entscheidende Unterschied zur donatio mortis causa, so daß sich wiederum der Grundsatz bestätigt findet, wonach die Vollziehung auf ein lebzeitiges Rechtsgeschäft, das bloße widerrufliche Versprechen hingegen auf eine letztwillige Verfügung deutete.
4. Die Partikulargesetze des 15. bis 17. Jahrhunderts Während von der Rechtswissenschaft donatio mortis causa und Vergabung von Todes wegen grundsätzlich getrennt behandelt wurden, bieten die Stadtund Landrechte jener Zeit ein anderes Bild. In ihnen werden deutsch-rechtliche Grundlagen und römisch-rechtliches Gedankengut in kaum noch überschaubarer Weise miteinander verbunden 101. Die Gesetzgebungswerke veranschaulichen andererseits in besonderer Weise das Zusammentreffen der Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechts mit der donatio mortis causa. Zwar gilt dieser Eindruck nicht für alle Gesetze; teilweise basieren sie in erster Linie auf gemeinrechtlicher Grundlage. In anderen finden sich jedoch viele derjenigen Grundsätze miteinander verbunden, die im Laufe der bisherigen Untersuchung bei den zwei grundsätzlich voneinander verschiedenen Rechtsinstituten donatio mortis causa und Vergabung von Todes wegen beobachtet wurden. Dieser Umstand erschwert die systematische Darstellung ebenso wie eine genaue Analyse im Rahmen dieses Überblicks. Deshalb beschränken sich die folgenden Ausführungen auf einige ausgewählte Gesichtspunkte, die von besonderem Interesse sind 102. Versucht man die Stadt- und Landrechte des 15. bis 17. Jahrhunderts zu ordnen, so lassen sich im hier fraglichen Zusammenhang zwei Gruppen unterscheiden: Eine Gruppe, die überwiegend auf gemeinrechtlichen Fundamenten aufbaut, die andere, bei der deutsch-rechtliche und römisch-rechtliche Vorstellungen zusammentreffen 103.
Diss. acad. vol. 11 disp. LX Nr. 332. Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 20; Harder, Zuwendungen S. 20. 102 Vgl. im übrigen die ausführliche Wiedergabe der Texte bei Harder, Zuwendungen S. 71 ff. 103 Besonders schwierig war die Rechtslage in Schleswig-Holstein, vgl. dazu Wesenberg-Wesener, Neuere Privatrechtsgeschichte S. 93ff.; zum Erbrecht Esmarch, Hdb. des Erbrechtes S. 149ff., vor allem zur donatio mortis causa und zu den Erbverträgen. 100
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4. Die Partikulargesetze des 15. bis 17. Jahrhunderts
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Zu der erstgenannten sind vor allem die Stadtrechte von Freiburg 104 und FrankfurtlOS sowie die Landrechte von Württemberg 106 und Solms 107 zu zählen. In die letztere Kategorie fällt die Wormser Reformation 108, während beim Nürnberger Stadtrecht 109 keine zuverlässige Einordnung erfolgen kann llo • Das Freiburger Stadtrecht von 1520 als Modell eines gemeinrechtlich orientierten Gesetzes ist im Verhältnis zu der jüngeren Frankfurter Stadtrechtsreformation von 1578 kurz und wenig aufschlußreich. In Tit. 7, 10 des 2. Buches mit der Überschrift: "Gaben, so Tods halb beschehen" wird die Zulässigkeit des Rechtsinstitutes unabhängig davon anerkannt, ob der Zuwendungsgegenstand dem Begünstigten übergeben wurde oder nicht: "der mag dieselben gab gleich von handen geben oder by seinen handen behalten" 111. Eine Eigentumsübertragung war in beiden Fällen nicht vorgesehen: " ... und mag der gaber die gab als syn eigen gut widerrumb von dem ienen, dem er sy zu handen geben hett, ervordern und nemmen" heißt es für den Fall, daß der Schenker die Todesgefahr überlebte oder andere Umstände vorlagen, für deren Eintritt er sich den Rückruf vorbehalten hatte 112 • 104 Freiburger Stadtrecht von 1520; vgl. dazu Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. 11 S. 333 Fn. 17; Stobbe, Geschichte Bd. 11 S. 306; Verfasser des Stadtrechtes war Zasius, vgl. Harder, Zuwendungen S. 78; ein weiteres Beispiel aus der Nassau-Catzenelnbogischen Landordnung von 1616 bringt Schmelzeisen, Polizeiordnungen S. 177f. lOS Frankfurter Reformation von 1578; vgl. dazu Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578 S. 93f.; Stobbe, Geschichte Bd. 11 S. 315ff.; Harder, Zuwendungen S. 76. 106 Aus dem Jahre 1555; Stobbe, Geschichte Bd. 11 S. 384ff.; Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 343 Anm. 63. 107 Aus dem Jahre 1571; Stobbe, Geschichte Bd. 11 S. 379ff.; Harder, Zuwendungen S.73. 108 Aus dem Jahre 1498; Stobbe, Geschichte Bd.1I S. 331; Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 329 Anm. 37 u. Kunkel im Vorwort S. xx. 109 Aus dem Jahre 1479; Stobbe, Geschichte Bd. 11 S. 297ff.; Harder, Zuwendungen S.71. 110 Die bayrische Landrechtsreform von 1518 (Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 2 S. 1 ff.) enthält im 25. Titel, Art. 4 lediglich folgende Regelung: "Wer ainem sein aygen Guet vermachen oder übergeben will, das mag derselb mit Brief und Syglen wol tun, oder ine sölches Guets bey lebendigem Leib in Nütz und Gewer setzen, wie recht ist". Wenig aufschlußreich sind die bereits erwähnten Kursächsischen Konstitutionen von 1572 (Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 2 S. 255ff.), die sich in erster Linie mit der Frage des Abzugs der falcidischen Quart sowie dem Anwachsungsrecht befassen (P 111 Const. I u. 111, S. 285ff.). Zum lübischen Recht, das siGh der Rezeption lange widersetzt hat, vgl. Pauli, Erbrecht S.180ff.; PUtt, Das lübeckische Erbrecht S.109ff.; allg. SchubartFikentscher, Deutsche Stadtrechte S. 380ff.; ferner Wesenberg-Wesener, Neuere Privatrechtsgeschichte S. 97f.; ähnlich war die Entwicklung auch in Hamburg, vgl. WesenbergWesener und zum hamburgischen Erbrecht Trummer, Das hamburgische Erbrecht Bd. 11 S. 498ff. (donatio mortis causa), S. 191 ff. (Vergabung von Todes wegen). 111 Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S.257; zum Pflichtteilsrecht Wesener, Beschränkungen der Testierfreiheit S. 587. 112 Nahezu wörtlich stimmt damit die Regelung des Württembergischen Landrechts (11,6,8) von 1555 überein, vgl. Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 2 S. 343 Anm. 63;
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IH. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
Umfassender war hingegen die Regelung in der Frankfurter Reformation von 1578 113 , die hinsichtlich der Tatbestände in 4,13,1 auf die oben erwähnte Regelung in C 8.56.4 und D 36.6.2 114 Bezug nahm. Die "Donationes und Übergaben" waren nach Frankfurter Stadtrecht widerrufliche Rechtsgeschäfte, bedingt durch das Vorversterben des Schenkers l15 • Allerdings wurden auch hier die Eigentumsverhältnisse nicht klar geregelt. So ging die Reformation in 4,13,2 zwar von einer Übergabe des Schenkungsgegenstandes aus; ob damit aber gleichzeitig Eigentum oder nur Besitz übertragen wurde, ist der nachfolgenden Regelung, die sich an D 39.6.1 anlehnt, nicht zu entnehmen: "So der Donator dergestalt etwas übergibt, sofern er nicht widerkommen oder vor dem Donatario versterben würde. Und ist aber in allen solchen Fällen die Natur und Art solcher Donation, daß deß Donators oder Übergebers Will und Meynung dahin verstanden wirdt, daß derselbig den Eigenthumm deß Übergebnen Guts vii lieber selbst, so er in Leben bleyben solte, behalten. Da er aber je versterben würde, alsdann erst dem Donatario, welchem die Übergab geschieht, lieber, als sein deß Übergebers Erben und Verwandten gönnen wolte". Im Zusammenhang mit einer Bestimmung, nach der die Lex Falcidia auf die Schenkung von Todes wegen Anwendung finden sollte, wird deutlich, daß man das Rechtsgeschäft in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht als letztwillige Verfügung ansah 116: "Dieweyl derselbig Donatarius anstatt eines Legatarij gehalten wirt, und damit dennoch die nechsten Erben auch etwas von der Verlassenschafft deß Donators bekommen. Daß in solchem Fall desselben Nechtsgesipte Verwandten Quartam Falcidiam, das ist einen Vierdtentheyl auß aller solcher Verlassen schafft abziehen und eigenthümblich innbehalten mögen, und das ubrig dem Donatario zustellen sollen". Unklar bleibt die Einordnung entsprechender Rechtsgeschäfte hingegen in den Stadtrechten von Nürnberg aus dem Jahre 1479 117 und Worms aus dem Jahre 1498 118 • Harder, Zuwendungen S. 78. Auch das Landrecht von 1610 hat die Regelung inhaltsgleich in tit. XIX beibehalten. Zum Erb- und Familienrecht insgesamt vgl. Hess, Familien- und Erbrecht, der auf den engen Bezug zum Freiburger Stadtrecht hinweist (S.80ff. u. S.160f.). 113 In der Ersten Frankfurter Reformation von 1509 (Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 221 ff.) finden sich noch keine entsprechenden Regelungen. Für die Erneuerte Reformation wurde die Ausgabe Frankfurt 1578 benutzt. Ein Textabdruck findet sich auch bei Harder, Zuwendungen S. 74ff. 114 Coing, Die Frankfurter Reformation von 1578 a. a. O. S. 93; Harder, Zuwendungen S. 76. Zu dem in 4, 13, 2 der Reformation enthaltenen Satz, daß die Erwähnung "causa mortis" konstitutiv für ein solches Rechtsgeschäft sei (dazu Coing, S. 93) vgl. oben auch I) 2) b) aa); I) 2) b) cc); III) 1) a). 115 Reformation 4, 13, 6. 116 Harder, Zuwendungen S. 76. 117 Die Regelungen wurden in die Erneuerte Stadtrechtsreform von 1564 nicht mehr übernommen; zu den gemeinrechtlichen und deutschrechtlichen Einflüssen auf dieses Gesetz vgl. Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. XVI ff.
4. Die Partikulargesetze des 15. bis 17. Jahrhunderts
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Das Nürnberger Recht nannte die Rechtsgeschäfte "Gabe, die aufkunftigen Abgang geschiht" 119. Die Beziehung zu einer drohenden Lebensgefahr oder der allgemeinen Todeserwartung, die für das römische und gemeine Recht kennzeichnend war, fehlte hier. Vielmehr wurde die Gabe von der Testierfähigkeit des Übertragenden abhängig gemacht und nur in dem Umfang zugelassen, der das gesetzliche Erbteil der Eltern und Kinder unberührt ließ. Die auf das Freiteilsrecht beschränkte Verfügungsbefugnis des Erblassers erinnert an die Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechts 120 • Andererseits gebrauchte das Nürnberger Stadtrecht die Begriffe "gabe" und "donatio mortis causa" als Synonyma 121. Dieser Gleichsetzung entsprach die grundsätzliche Widerruflichkeit der "Gabe" in Tit. XX, 3: " ... und zeverendern oder nicht, dannoch mügen die alweg bey lebendigem leib, alle dieweil der mensch in guter vernuft ist, widerrufft und verendert werden, und desgleichen die gabe auf künftigen todsfal fürgenomen" während die nachfolgende Vorschrift die deutsch-rechtliche Anfechtungsregelung der benachteiligten Erben binnen Jahresfrist wiedergab: "So jemant mit gescheft abgeet und in einem iar dem nehsten darnach dasselb geschefte rechtlich nit angefochten wirt, so soll das fürpasser nit mer widertriben werden ... ". Damit ist das Nürnberger Stadtrecht ein deutliches Beispiel der Verflechtung zwischen der Vergabung von Todes wegen und der donatio mortis causa, die nach der Rezeption des römischen Rechtes in Deutschland zusammentrafen. Entsprechendes gilt für die Wormser Reformation von 1498. Hier findet sich im 2. Teil des 4. Buches unter dem Tit. 11 die Regelung von "Übergaben, die da gescheen uff tod fell" 122. Das Rechtsinstitut wurde nach der Gesetzessystematik als lebzeitige Schenkung behandelt. Hieraus läßt sich ersehen, daß dem Wormser Recht der deutsch-rechtliche Vergabungsbegriff zugrunde lag l23 • Dennoch finden sich auch Bezüge zum römischen Recht. So heißt es in Tit. 11 Abs. 5: "Übergaben mögen geschehen in testamentswyse, auch mit verkaufen" 124 und an anderer Stelle 12S : "Ist von eigentschaft der Übergaben, die da gescheen uff todfell, daß der gebber söllig gaben widerrüffen mag, wann er will". Aus dem gemeinen Recht abgeleitet war die Regelung, daß der Verkauf der Sache als Widerruf galt: "Wan einer Güter, die er uff synen todfall einem Vgl. dazu auch Schmelzeisen, Polizeiordnungen S. 177. Tit. XX, 1 (Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 34). 120 Tit. XX, 1: "doch vorbehalten der legitima den eltern von irer kinder gute in beden obgemelten vällen der gescheft und der gabe auf den tödsfalle zewerden ... ". 121 Tit. XX, 1: "Auch mügen sie geben auf iren künftigen val und abgang, das man zu latein nennet donationem causa mortis, also das solliche gabe vor zwayen genannten oder vor andern dreyen oder mehr glaubwirdigen Zeugen ... ". 122 Kunke/-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 144. 123 Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 329 Anm. 37. 114 Darunter ist die Schenkung unter Auflage zu verstehen, Kunkel-Thieme-Beyerle, Quellen Bd. I 1 S. 329 Anm. 40. 125 Tit. VI Abs. 7. 118 119
6 Olzen
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
anderen gegeben oder gesetzt hette, darnach verkauft, verwendet oder anderen verpfend, ist die gabe oder satzung ab" 126. Erwähnung verdient schließlich die Vorschrift in Tit. III Abs. 4 zum Schutze der Gläubiger: "ltem übergaben, die gescheen zu schaden ... denen, den einer schuldig, weren von unweren, kraftlos und unbüngig". Schon dieser Überblick zeigt, daß die Vergabung des deutschen Rechtes sowie die donatio mortis causa eine zeitlang in der Partikulargesetzgebung miteinander verbunden wurden. Dies mag vielleicht damit zu begründen sein, daß eine scharfe Trennung die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten noch überschritt, ist andererseits aber dennoch ein Argument für die Verwandtschaft beider Rechtsinstitute und bestärkt die Vermutung, daß die heutige vorweggenommene Erbfolge in beiden Geschäftsformen ihren Ursprung hat. Allerdings erschöpft sich darin der Nutzen, der aus einer Betrachtung der erwähnten Gesetze hier gezogen werden kann.
5. Die Naturrechtskodifikationen a) Der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756
Den Übergang von Gesetzbüchern, die teilweise auf gemeinrechtlichen, teilweise auf deutsch-rechtlichen Prinzipien beruhten, zu den Naturrechtskodifikationen kennzeichnet der Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis aus dem Jahre 1756 127 • Testaments- und Schenkungsrecht gründeten sich zwar bei ihm in erster Linie noch auf gemeinrechtliche Grundsätze; dennoch ergeben sich im Verhältnis zu den geschilderten Partikulargesetzen in mehrfacher Hinsicht deutliche Abweichungen: Zunächst fällt auf, daß die undifferenzierte Gleichsetzung der Vergabung von Todes wegen und der donatio mortis causa nicht in das bayerische Gesetz übernommen wurden. Vielmehr stand der Codex Maximilianeus auf dem Boden der gemeinrechtlichen Differenzierung zwischen lebzeitiger Schenkung, donatio mortis causa und Testament. Es handelt sich dabei um Kategorien, in die sowohl gewöhnliche Schenkungen als auch Vermögensteilungen im Eltern-Kind-Verhältnis, ferner Ehe- und Erbverträge eingeordnet wurden 128. Entsprechend der vorbezeichneten Unterscheidung fehlte eine gesonderte Behandlung der Vergabung von Todes wegen im Sinne des älteren deutschen Rechtes bzw. der Gutsabtretung; geregelt ist allein die donatio mortis causa. Eine weitere Neuerung lag darin, daß das bayerische Landrecht erstmalig eine allgemeine Abgrenzung zwischen lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften vornahm. Als wesentlicher Unterschied wurde dabei im Codex Tit. VI Abs. 14. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 326f.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. II S. 386f. 128 v. Kreittmayr, Anm. zu Codex Maximilianeus III, 2, 1 (S. 177). 126 127
5. Die Naturrechtskodifikationen
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Maximilianeus III, 2, 1 herausgesteIlt, daß die erstgenannten Rechtsgeschäfte "in Lebenszeit der handelnden Personen zu Kräften kommen", während letztwillige Verfügungen "durch den Tod derselben ihre Kraft und Verbindlichkeit erlangen". Schwierigkeiten bereitet die Definition der Begriffe "Kraft" und "Verbindlichkeit"; auch die Kommentierung von Kreittmayrs verschafft keine Klarheit 129 • Zwar setzte sich von Kreittmayr mit den Auffassungen auseinander, die entweder den Bezug zum künftigen SterbefaIl als entscheidendes Kriterium des erbrechtlichen Rechtsgeschäftes ansahen oder - wie es bereits bei den Postglossatoren zu beobachten war 130 - vom Wortlaut der Erklärung ausgingen. Kreittmayr selbst führte aber für seine Auffassung nicht mehr aus, als sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt. Dieser erleichtert die Interpretation aIlerdings insoweit, als in der genannten Vorschrift angeordnet wurde, weder ein Hinausschieben der "Execution" noch die Einfügung einer nach dem Tode zu erfüIlenden Bedingung sprächen gegen die Annahme eines lebzeitigen Rechtsgeschäftes 131 . Hieraus könnte man schließen, ein lebzeitiges Rechtsgeschäft habe nach bayerischem Landrecht weniger als die voIlständige ErfüIlung, aber mehr als die bloße Obligation, mithin einen VoIlzug, vergleichbar der bedingten Verfügung im heutigen Sinne, erfordert. In diese Richtung deutet auch die Kumulation der Tatbestandsmerkmale "Kraft" und" Verbindlichkeit". Andererseits lassen sich mit einem solchen Verständnis aber nicht die Regelungen der donatio mortis causa im 8. Kapitel in Einklang bringen, die in Zusammenhang mit der Schenkung unter Lebenden stehen. Die Vorschriften über die Schenkung von Todes wegen nahmen auf die aIlgemeine Abgrenzung zwischen lebzeitigen und letztwiIligen Rechtsgeschäften Bezug und steIlten wie sie auf die "Kraft" und "Beständigkeit" der Schenkung ab. In Codex Maxirnilianeus IU, 8, 1 heißt es: "Ist nun die Schenkung ihrem Inhalte nach so beschaffen, daß sie noch in der Lebenszeit des Donators ihre Kraft und Beständigkeit erlangt, so heißt es Donatio inter Vivos; kommt sie aber erst durch den Tod desselben zu Kräften, so ist es nach Anleitung obigen 1. Kap. 1. § ein letzter WiIle und Donatio Mortis causa". - Die folgenden Paragraphen zeigen jedoch, daß die oben aufgesteIlte These nur im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Obligation, nicht aber bezüglich eines weitergehenden VoIlzugs Geltung beanspruchen kann. So lautet Codex Maximilianeus III, 8, 2: "Eine Schenkung von Todes wegen ist entweder realis, oder conventionalis. Durch die letztere, welche nämlich durch bloße Zusage geschieht, erlangt lmo der Donatarius vor dem Tode des Donators weder Obligationem noch Actionern, sondern nur die aIleinige Hoffnung zur geschenkten Sache (nudam Spem debiturn iri), weil die Schenkung, wie jeder andere letzte Wille von dem Donator aIlemal wiederum bis auf den letzten Augenblick zurückgenommen werden kann: Durch Donationem realem aber, welche nämlich mittels wirklicher Uebergabe gepflogen wird, erlangt zwar 2do der Donatarius das Eigenthum der geschenkten Sache, jedoch, 129 130 131
6"
v. Kreittmayr, Anm. zu Codex Maximilianeus III, 2, 1 (S. 177). Vgl. oben I) 2) b) aa), ferner auch I) 2) b) ce) u. III) 1) a). Codex Maximilianeus III, 2, 1.
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
so lange der Donator lebt, andergestelt nicht, als widerruflich, und falls sich dieser etwa bei der Uebergabe das Eigenthum lebenslänglich vorbehält, so hat sich auch der Donatarius in der Lebenszeit des Donators mehr nicht, als des bloßen Detentions: Rechtes in Re donata zu erfreuen". Hieran wird ersichtlich, daß die Eigentumsverhältnisse den Charakter des Rechtsgeschäftes nicht entscheidend prägten, da das bayerische Landrecht die donatio mortis causa sowohl mit als auch ohne Übergabe bzw. Eigentumsübertragung kannte. Berücksichtigt man zudem, daß der Wortlaut der Schenkung ebenfalls keinen Einfluß auf die Einordnung des Rechtsgeschäftes hat, so bleibt nur der Schluß, daß die Widerruflichkeit nach bayerischem Recht wesentliches Merkmal der Unterscheidung sein sollte. Hierfür spricht nicht nur, daß Codex Maximilianeus III, 8, 4 das Schenkungsversprechen unter Lebenden als obligatorisches Rechtsgeschäft anerkannte, sondern auch, daß von Kreittmayr einen Verzicht auf die Widerruflichkeit bei der donatio mortis causa für unzulässig hielt, weil dadurch nach seiner Ansicht das Rechtsgeschäft zu einem solchen unter Lebenden umgestaltet wurde 132 • Damit entfällt allerdings zugleich die dogmatische Klarheit, die sich eingangs bei der allgemeinen Unterscheidung zwischen lebzeitigem und letztwilligem Rechtsgeschäft angedeutet hatte. Im Ergebnis war die Rechtsnatur der donatio mortis causa nach bayerischem Landrecht fragwürdiger, als sie es in der gemeinrechtlichen Literatur gewesen war. Dies hängt damit zusammen, daß der Codex Maximilianeus weitergehend als das gemeine Recht, Legat und donatio mortis causa nicht nur aneinander anglich, sondern miteinander identifizierte l33 . Codex Maximilianeus III, 8, 3 lautete: "Legate und Schenkungen von Todes Wegen sind zwar dem gemeinen Rechte nach in einigen Stücken unterschieden, welcher Unterschied aber heutzutage nicht mehr beobachtet wird". Obwohl der Anlaß der Gleichsetzung berechtigt war, weil die Differenzierungen der gemeinrechtlichen Literatur zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt hatten 134, entstanden als Folge der Regelung im bayerischen Landrecht schwerwiegende neue Probleme. Fraglich bleibt, welcher Zweck mit den Sondervorschriften über die donatio mortis causa verfolgt wurde 135 , nachdem zum Legat keinerlei Unterschied mehr bestand. Offen ist zudem, wie das widerrufliche Eigentum des Beschenkten bei vollzogener Schenkung von Todes wegen mit der Rechtsstellung eines Legatars in Einklang gebracht wurde. Der Fortschritt des Codex Maximilianeus liegt damit in dem Bemühen um eine Abgrenzung von lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften, ferner in der Erkenntnis des Gesetzgebers, daß die vorherigen Differenzierungen des gemeinen Rechts zwischen donatio mortis causa und Legat keine Klarheit erbracht hatten. Ob das gewonnene Ergebnis eine Verbesserung Anm. zu Codex Maximilianeus III, 2, 4 (S. 189). Harder, Zuwendungen S. 78. 134 Vgl. v. Kreittmayr, Anm. zu Codex Maximilianeus 111, 8, 5 (S. 641); ferner RothBecher, Bayrisches Civilrecht Bd. 111 1 S. 155 Fn. 20. 13S Harder, Zuwendungen S. 78. 132
133
5. Die Naturrechtskodifikationen
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darstellt, bleibt angesichts der neu hinzugetretenen Zweifel allerdings zweifelhaft. b) Das Preußische AUgemeine Landrecht von 1794
Die preußische Gesetzgebung stand allgemein und auch hinsichtlich der Schenkung von Todes wegen im Zeichen der Vereinfachung 136 • Noch drastischer war das "Project des Corpus Iuris Fridericiani"137 vorgegangen; es hatte die donatio mortis causa vollständig abgeschafft, weil nach der Auffassung von Coccejis keine Klarheit über den Rechtscharakter dieser Schenkungsform zu gewinnen war. Eine ähnliche Ansicht vertrat auch Svarez, der die Lehre von der donatio mortis causa eine "der dunkelsten und verwickelsten im ganzen römischen Recht" nannte 138 . Das Bestreben des ALR ging deshalb dahin, die in der justinianischen Kodifikation begründeten und im gemeinen Recht vertieften Unklarheiten um Rechtsnatur und Behandlung der Schenkung von Todes wegen zu beseitigen. Notwendig war daher eine Abkehr vom vorhandenen Rechtszustand. Dieses Bestreben dokumentiert sich in verschiedener Weise. So wurde zunächst die donatio mortis causa in den§§ 1134-1139 I 11 ALR in sechs kurzen Vorschriften zusammengefaßt. Einschneidender als diese mehr äußerliche Veränderung waren die inhaltlichen Modifizierungen des Rechtsinstitutes. Anders als die bayerische Gesetzgebung mit ihrer Gleichstellung von Legat und donatio mortis causa verfolgte das preußische Recht die umgekehrte Linie und betrachtete die Schenkung von Todes wegen grundsätzlich als Rechtsgeschäft unter Lebenden. § 1134 I 11 ALR lautete demgemäß: "Sobald ein wirklicher rechtsgültiger Schenkungsvertrag vorhanden ist, macht es in Ansehung der Rechte des Geschenknehmers, und der Befugnis des Geschenkgebers zum Widerrufe, keinen Unterschied, wenn gleich das Geschäft einer Schenkung von Todes wegen genannt, oder die Uebergabe bis nach dem Ableben des Geschenkgebers verschoben wäre". Die gesetzliche Regelung folgte damit der oben geschilderten Ansicht in der Rechtswissenschaft, wonach im Zweifel eine Vermutung für eine Schenkung unter Lebenden sprach 139 ; der Wortlaut der 136 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte Bd. 11 S. 388; zum ALR vgl. auch Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit S. 329 ff. 137 Es wurde zwischen 1749 und 1751 von Samuel v. Cocceji verfaßt. In der Vorrede (§ 28) heißt es: "Dann man hat Erstlich alle Privat-Testamenta, welche vorher von sieben Zeugen verfertiget werden müssen, item alle Privat-Codicille, nebst den Donationibus mortis causa, (welche eine Amphibie zwischen einem letzten Willen und unter einem acta inter vivos sind) gänzlich abgeschafft, und als eine ewige und beständige Regul festgesetzt, daß alle letzte Willen künftig gerichtlich verfertiget werden sollen." 138 Jahrb. für preußische Gesetzgebung Bd. 41,25. 139 Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. 11 S.36 u. Fn. 211 unter Hinw. auf Stryk u. Leyser (vgl. dazu oben III) 1) a); Bornemann, Preußisches Civilrecht Bd. III S. 230; Koch, Landrecht Bd. I S. 1089 Fn. 18; Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S. 453 Fn. 18a; v. Rönne, Erläuterungen Bd. I S. to05; Svarez, Jahrb. für preußische Gesetzgebung Bd. 41, 26; Roth-Becher, Bayrisches Civilrecht Bd. III 1 S. 150.
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
Erklärung hatte demgegenüber seine Bedeutung für die Auslegung verloren l40 • - Auch sonst sind Abweichungen vom vorherigen Rechtszustand ersichtlich. Zwar kannte das preußische Allgemeine Landrecht wie das römische Recht drei Arten der Schenkung von Todes wegen; diese unterschieden sich jedoch erheblich in ihrer dogmatischen Konstruktion. Gemäß § 1135 I 11 ALR gab es die Schenkung mit ausdrücklichem Widerrufsvorbehalt des Schenkers bis zu seinem Tode, gemäß § 1136 111 ALR die durch den Tod des Schenkers in einer bevorstehenden Lebensgefahr bedingte Schenkung sowie gemäß § 1138 I 11 ALR die Schenkung, bei der die Todesgefahr nur Motiv der Zuwendung war 141 • Auf die unterschiedlichen Rechtswirkungen dieser Schenkungsarten wird noch im einzelnen einzugehen sein. Anders als im römischen und im gemeinen Recht wich in Preußen die freie Widerruflichkeit einem Widerruf bei ausdrücklichem Vorbehalt, wenn auch ohne Benennung der Widerrufsgründe 142 • § 1135 I 11 ALR bestimmte: "Hat aber der Letztere sich den Widerruf bis zu seinem Tode ausdrücklich vorbehalten, ... ". Hierin lag eine Abkehr von der gemeinrechtlichen Auffassung, welche die donatio mortis causa ebenso wie das Legat als frei widerruflich ansah, ohne daß es eines entsprechenden Vorbehaltes bedurfte l43 • Unterschiede bestanden zudem in dogmatischer Hinsicht: War die Schenkung unter der ausdrücklichen Bedingung geschlossen worden, daß der Schenker eine bevorstehende Gefahr nicht überlebe, so entfielen gemäß § 1136 I 11 ALR alle Rechtswirkungen, sofern die Bedingung nicht eintrat l44 . Anders hingegen, wenn die Gefahr nicht Bedingung, sondern nur Motiv des Vertrages gewesen war; hier bedurfte es gemäß § 1138 111 ALR des Widerrufes 14s • Auch das preußische Allgemeine Landrecht kannte vollzogene und nicht vollzogene Schenkungen, wie sich zum einen aus dem Schlußsatz des oben zitierten § 1134 111 ALR, zum anderen aber auch aus § 1140 111 ALR ersehen läßt l46 • Sofern der Schenkungsgegenstand eine bewegliche Sache war, bestand der Vollzug in ihrer Übergabe 147 ; bei Grundstücken bedurfte es gemäß § 1066 I v. Rönne, Erläuterungen Bd. I S. 1005. v. Rönne, Erläuterungen Bd. I S. 1005. 142 Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. II S. 37. 143 Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S.452 m. Nachw. in Fn. 13; FörsterEccius, Preußisches Privatrecht Bd. II S. 37; Harder, Zuwendungen S. 80. 144 Der Text lautete: "Ist ein Schenkungsvertrag unter der Bedingung, wenn der Geschenkgeber eine bevorstehende Todesgefahr nicht überleben würde, geschlossen worden, so verliert der Vertrag seine Wirksamkeit, sobald der Schenkende die Gefahr überlebt."; vgl. Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. II S. 36; Bornemann, Preußisches Civilrecht Bd. III S. 229. 145 "Auch wenn eine instehende Todesgefahr nur der Anlass oder Bewegungsgrund der Schenkung gewesen ist, kann der Geschenkgeber, nach überstandener Gefahr, dieselbe widerrufen. " 146 "Ein blosser durch die Uebergabe noch nicht vollzogener Schenkungsvertrag kann widerrufen werden, wenn der Schenkende nachher Kinder erhält, oder die für verloren geachteten wiederfindet." 140
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5. Die Naturrechtskodifikationen
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11 ALR neben der Übergabe eines schriftlichen Schenkungsvertrages, sofern nicht die gerichtliche Form gewahrt wurde l48 . Die nicht vollzogene Schenkung von Todes wegen, d. h. das Schenkungsversprechen, das den oben geschilderten Paragraphen zugrunde lag, erforderte gemäß § 1063 I 11 ALR stets die gerichtliche Form 149. - Die Frage des Vollzuges war für die Rechtsstellung der Beteiligten von größerer Bedeutung, als es die wenigen Vorschriften auf den ersten Blick erkennen lassen. Zunächst stellt sich das Problem, inwieweit die Widerrufsmöglichkeiten der §§ 1135 ff. I 11 ALR auch für vollzogene Schenkungen galten. § 1137 I 11 ALR bestimmte, daß im Falle der bedingten Schenkung in Todesgefahr der Schenker das "Geschenk ... widerrufen" konnte, wenn er die Gefahr überlebte 150 , seine Erben, wenn er in der Folgezeit auf andere Weise starb. Beschränkt auf die Person des Schenkers ordneten die §§ 1138, 1139 I 11 ALR entsprechendes an, sofern der Schenker nicht in der befürchteten Lebensgefahr starb, vorher aber bereits den Zuwendungsgegenstand übergeben hatte 151 • Hierbei handelte es sich jedoch in der Sache nicht um ein Widerrufs-, sondern um ein Rückforderungsrecht nach Wegfall des Schenkungsvertrages als Causa der Übertragung. Auffällig erscheint, daß eine derartige Regelung in § 1135 I 11 ALR für den Widerruf aufgrund erklärten Vorbehaltes fehlte. Allerdings spricht eine systemkonforme Auslegung der Norm dafür, daß auch hier der Widerruf unabhängig vom Vollzug zugelassen war, da die Vorschrift ansonsten bedeutungslos gewesen wäre 152 • Der wesentliche Unterschied zwischen vollzogener und nicht vollzogener Schenkung besteht damit hinsichtlich der Widerruflichkeit allein in der in § 1140 I 11 ALR enthaltenen Regelung, wonach der Widerruf wegen leiblicher Nachkommenschaft lediglich im Falle des Schenkungsversprechens möglich war 153 • Schwerwiegender war der Einfluß des Vollzuges auf die Rechtsposition des Beschenkten. Eingangs wurde festgestellt, daß das preußische Landrecht die donatio mortis causa grundsätzlich als Rechtsgeschäft unter Lebenden verstand; dieses Prinzip hat seine Berechtigung jedoch nur für die tatbestandliche Seite. Bezüglich der Rechtswirkungen bestimmte § 1135 I 11 ALR: "Hat aber Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S. 453. Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S. 453 Fn. 15. 149 Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd.III S.453; Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. 11 S. 38; Roth-Becher, Bayrisches Civilrecht Bd. III 1 S.153. 150 Die Vorschrift lautete vollständig: "Ein solches Geschenk kann daher, wenn es gleich schon wirklich übergeben worden, nicht nur von dem Geschenkgeber, sondern auch, wenn dieser erst nach überlebter Gefahr auf andre Art gestorben ist, von seinen Erben widerrufen werden." 151 § 1139 bestimmte: "Die Erben des Geschenkgebers hingegen sind in diesem Falle zu einem Widerrufe, den der Erblasser noch nicht rechtlich erklärt hatte, nicht berechtigt. "; zum Text des § 1138 I 11; siehe 111) 5) b) Fn. 145. 152 So auch Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. 11 S. 37. 153 Vgl. dazu 11) 1) zu den entsprechenden Regelungen im langobardischen Recht. 147
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
der Letztere sich den Widerruf bis zu seinem Tode ausdrücklich vorbehalten, so hat der Geschenknehmer, wenn kein Widerruf erfolgt ist, dennoch, wegen eines solchen Geschenks, auf den Nachlaß nur eben die Rechte, wie ein Legatarius". Diese Regelung verleitet zunächst zu dem Schluß, der Beschenkte sei nur dann einem Vermächtnisnehmer gleichgestellt worden, wenn der Schenker sich ausdrücklich den Widerruf vorbehalten hatte, ohne daß eine Beziehung zum Vollzug der Schenkung bestanden hätte. Dafür sprechen auch die systematische Stellung der Norm sowie die Vermutung des preußischen Rechtes, wonach im Zweifel die Schenkung als eine solche unter Lebenden galt. In der Literatur zum ALR wurde deshalb teilweise die Auffassung vertreten, ein Verzicht auf den Widerruf oder auch das Fehlen eines ausdrücklichen Vorbehaltes nehme der Schenkung den Charakter einer solchen von Todes wegen 154 und lasse damit ihre spezifischen Rechtswirkungen entfallen. Andererseits kannte das preußische Recht drei verschiedene Arten der donatio mortis causa, von denen diejenige unter Widerrufsvorbehalt nur eine war, so daß das Tatbestandsmerkmal nicht konstitutiv für jede Art der Schenkung von Todes wegen gewesen sein kann. Anders ließe sich zudem die Vorschrift des § 335 I 12 ALR nicht erklären. Sie lautet unter Bezug auf den vorangehenden § 334 I 12 155 : "Auch die von Todes wegen gemachten Schenkungen sind diesem Beitrage und Abzuge unterworfen". Wäre der Widerrufsvorbehalt somit zwingende Voraussetzung einer Schenkung von Todes wegen gewesen, so hätte dies nicht nur im Ergebnis der freien Widerruflichkeit des gemeinen Rechtes entsprochen, sondern die genannte Norm angesichts der Regelung in § 1135 111 ALR erübrigt, da diese stets zu dem in § 335 I 12 festgelegten Ergebnis geführt hätte. Hieraus ergibt sich, daß zwar nicht jede donatio mortis causa mit Widerrufsvorbehalt versehen sein mußte, andererseits aber dem Beschenkten in allen Fällen nur die Rechte eines Vermächtnisnehmers zustanden 156. Unklar bleibt allerdings, ob die Rechtsposition des Beschenkten vom Vollzug der Schenkung abhängig war. § 1135 I 11 ALR spricht lediglich vom Schenkungsvertrag; entsprechendes gilt für § 335 112 ALR. Man wird deshalb das im preußischen Recht umstrittene Problem nicht ohne einen Blick auf die Rechtsnatur des Ausführungsgeschäftes beantworten können. - Sofern der Schenkungsvertrag zu Lebzeiten des Schenkers vollzogen wurde, erwarb der Beschenkte Eigentum. Dieses Eigentum war nach der gesetzlichen Vermutung des preußischen Rechts resolutiv bedingt, soweit keine anderweitige VereinbaKoch, Landrecht Bd. I S. 1089 Fn. 18. § 334 I 12: "Reicht aber der Nachlass zu Bezahlung der Schulden, Ergänzung des Ptlichttheils, oder Berichtigung der übrigen Verhältnisse nicht zu, so müssen die Legatarii, nach Verhältniss der ihnen geschehenen Zuwendungen, dazu mit bey tragen, oder Abzug leiden." 156 So auch Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S. 453; nicht eindeutig Bornemann, Preußisches Civilrecht Bd. III S. 230; vgl. ferner Koch, Landrecht Bd. I S. 1089 Fn. 21; Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. II S.37; v. Rönne, Erläuterungen Bd. I S.1005. 154
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5. Die Naturrechtskodifikationen
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rung getroffen worden war. Die auflösend bedingte Eigentumsübertragung wurde mit dem Tode des Schenkers uneingeschränkt wirksam 157, so daß der Gegenstand der Zuwendung nicht in den Nachlaß fiel und demnach auch keine Verpflichtungen des Beschenkten gegenüber Pflichtteilsberechtigten und Nachlaßgläubigern entstehen konnten 158. Mit diesem Ergebnis scheint allerdings die Regelung des § 335 I 12 ALR in Widerspruch zu stehen, weil der Beschenkte hiernach beitragspflichtig wurde, wenn der Nachlaß zur Befriedigung der Nachlaßverbindlichkeiten nicht ausreichte l59 • Aus dieser Beitragsverpflichtung könnte man schließen, daß der Beschenkte den Zuwendungsgegenstand bereits zu Lebzeiten des Schenkers erhalten haben mußte, da im umgekehrten Fall nur eine Abzugsmöglichkeit in Frage kommen konnte. Andererseits galt die Beitragsverpflichtung jedoch auch für den Vermächtnisnehmer, der das Legat stets erst nach dem Tode des Erblassers erhielt. Bezogen auf die Schenkung von Todes wegen wird man die Vorschrift deshalb dahingehend auslegen müssen, daß die Beitragspflicht des Beschenkten in Betracht kam, wenn er zunächst nur Versprechensempfänger des Schenkers geworden war und die Erben das Versprechen nach dem Tode des Schenkers erfüllt hatten, bevor die Nachlaßgläubiger und Pflichtteilsberechtigten befriedigt worden waren, so daß eine dem Legat parallele Situation entstanden war. Diese Betrachtungsweise spricht dafür, daß die Beschränkung auf die Rechte eines Legatars nach preußischem Landrecht nur im Falle der zu Lebzeiten nicht vollzogenen Schenkung stattfand 160. Folgt man dieser Auffassung, so erlaubt die Regelung des preußischen Landrechtes einige interessante Aufschlüsse: Wie eingangs ausgeführt, hat das ALR die donatio mortis causa als lebzeitiges Rechtsgeschäft ausgestaltet, ohne für ihre Wirksamkeit einen Vollzug zu verlangen. Die Rechtsposition der Nachlaßbeteiligten war jedoch vom Vollzug der Schenkung abhängig. Sofern der Beschenkte zu Lebzeiten des Schenkers nur einen obligatorischen Anspruch erhalten hatte, wurde sein Recht den Ansprüchen der Nachlaßgläubiger und Pflichtteils berechtigten nachgeordnet. Damit wurde die nicht vollzogene donatio mortis causa in ihren Rechtswirkungen der letztwilligen Verfügung gleichgestellt. Anders hingegen, wenn der Schenker bereits zu Lebzeiten sein Eigentum, sei es auch widerruflich oder auflösend bedingt, übertragen hatte. Bei dieser vollzogenen Schenkung war die Rechtsposition des Empfängers stark genug, um gegenüber den Ansprüchen der Nachlaßbeteiligten Vorrang beanspruchen zu können. - Folgt man hingegen der geschilderten Auffassung nicht, so ist Koch, Landrecht Bd. I S. 1089 Fn. 21. So auch das preußische Justizministerium in JMinBl Preußen 1840 Bd. 2 S. 397. 159 Förster-Eccius, Preußisches Privatrecht Bd. II S. 37 Fn. 216; im Ergebnis übereinstimmend, wenn auch ohne Begründung Dernburg, Preußisches Privatrecht Bd. III S.453f. 160 So Koch, Landrecht Bd. I S. 1089 Fn. 21; Preußisches Justizministerium, JMinBI Preußen 1840 Bd. 2 S. 397; w. Nachw. bei Förster-Eccius, Bd. II S. 37 Fn. 216. Förster Eccius selbst u. Dernburg vertraten die entgegengesetzte Auffassung. 157
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Hr. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
zumindest festzustellen, daß das ALR, trotz seiner Abkehr vom gemeinen Recht, die Interessen der Pflichtteilsberechtigten und Nachlaßgläubiger bei der Abfassung des Gesetzes mitberücksichtigt hat. - Das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 hat damit eine Wende in der Behandlung der donatio mortis causa eingeleitet, die in ihren Grundzügen bereits auf den heutigen Rechtsstand hindeutet. Aufgegeben wurde die verwirrende Annäherung von Legat und Schenkung von Todes wegen, beibehalten die Berücksichtigung der erbrechtlichen Auswirkungen derartiger Rechtsgeschäfte. Obwohl der Vollzug noch kein notwendiger Bestandteil des lebzeitigen Rechtsgeschäftes war, gewann doch dieses Tatbestandsmerkmal bereits erhebliche Bedeutung für die Rechtsstellung des Begünstigten. Die preußische Regelung ging damit in ihrem Gehalt weit über die bisher dargestellten Gesetzbücher hinaus. - Das ALR beschränkt sich allerdings auf eine Behandlung der donatio mortis causa; eine Fortentwicklung der deutsch-rechtlichen Vergabung von Todes wegen findet sich im ALR nicht. Vielmehr deutet sich in dieser Beziehung im ALR eine Linie an, die auch in späteren Kodifikationen immer wieder zu beobachten ist. Während die donatio mortis causa Eingang in die meisten Gesetzbücher fand, wurde die Gutsabtretung als Fortentwicklung der Vergabung von Todes wegen mehr und mehr Gegenstand kleinerer Provinzialgesetze und verlor damit in gesetzgeberischer Hinsicht an Bedeutung. Im ALR findet sich in § 602 I 11 lediglich die Regelung: "Auszug oder Altentheil heißen diejenigen Vortheile, welche der Übernehmer einer Rustikalstelle dem vorherigen Besitzer zu seiner Versorgung auf Lebenslang anweist". Und § 605 111 ALR bestimmte: "Nähere Bestimmungen wegen des Auszugs oder Altentheils bleiben den Provinzialgesetzen vorbehalten". Im Unterschied zur Schenkung von Todes wegen sind diese Vorschriften nicht geeignet, Erkenntnisse über die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien zu vermitteln, vor allem, da sie sich in erster Linie auf die Altenteilsproblematik, nicht aber auf die rechtlichen Verhältnisse zwischen Übergeber und Übernehmer beziehen. c) Die donatio mortis causa und verwandte Rechtsgeschäfte im französischen Recht bis zum Code Civil Der Unterschied zwischen den bisher geschilderten Naturrechtskodifikationen und dem Code Civilliegt darin begründet, daß sowohl das bayerische Recht als auch das preußische Recht eine Regelung der Schenkung von Todes wegen getroffen hatten, während die Entwicklung in Frankreich umgekehrt verlief und in einer Abschaffung des Rechtsinstitutes durch die Napoleonische Gesetzgebung endete. Die noch zu behandelnde Regelung des Code Civil mit ihrer Einteilung in Schenkungen unter Lebenden und Testamente beendete indessen nicht nur die Geschichte der donatio mortis causa, sondern auch anderer Vorläufer der vorweggenommenen Erbfolge, und zwar der sog. "demission de biens" sowie der väterlichen Abteilung mit den Kindern, der "partage d'ascendants"161, jedenfalls in ihren bis dahin geltenden Formen. 161
Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 39.
5. Die Naturrechtskodifikationen
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aa) Demission de biens und par tage d'ascendants
Beide Rechtsinstitute waren in Frankreich verbreitet 162 , unterschieden sich jedoch in mehrfacher Hinsicht. Die partage d'ascendants war eine Vermögensteilung mit den präsumtiven Erben, begrenzt auf den Kreis der direkten Nachkommen und ihrer Natur nach eine letztwillige Verfügung l63 • Die Ausführung des Rechtsgeschäftes erfolgte erst nach dem Tode des Erblassers l64 . Ihr Gegenstand konnte das gesamte im Todesfall vorhandene Vermögen des Erblassers sein; das Rechtsgeschäft war frei widerruflich 165. Als kodifiziertes Beispiel der partage d'ascendants kann Art. 560 der Coutumes de Bretagne gelten: "Le pere noble porueu de sens, pourra par l'aduis et conseil de quatre parents de ses enfants, deux paterneis et deux materneis, partager sesdits enfants de son viuant: laissant ason aisne fils ou fille, la principale maison. Et tiendra ledit partage apres sa mort, s'il n'appert qu'il l'ait reuocque par testament, ou autre dec1aration faite par escrit: pourueu qu'aucuns de ses enfants ne soit leze ne greue outre la sixieme partie de sa legitime. Et s'il veut partager ses enfants aux biens de leur mere, le pourra faire, elle viuantes et consentente, et non autrement" 166. Im einzelnen scheint die Behandlung des Rechtsinstitutes, vor allem hinsichtlich der Form, unterschiedlich gehandhabt worden zu sein. Als Folge davon bestimmte die Königliche Ordonnance Nr. 478 vom August 1735 "Concernant des testaments" in Art. 17, daß die Partages den Testamentsformen unterstellt waren, woraus sich eindeutig ihr Charakter als letztwillige Verfügung dokumentiert 167. Dennoch waren dem Rechtsgeschäft im Verhältnis zum Testament Besonderheiten eigentümlich, wie gerade die vorgenannte Regelung zeigt, da die Identität beider Rechtsgeschäftsformen die Vorschrift erübrigt hätte. Die Unterschiede sind darin zu sehen, daß das Rechtsgeschäft bereits zu Lebzeiten des Erblassers - wenn auch widerrufliche - Rechtswirkungen zeitigte, die jedoch nicht den Eigentumsübergang einschlossen. Diese eigenartige Struktur des Rechtsgeschäftes, die an eine nicht vollzogene donatio mortis causa erinnert, wurde vom Code Civil beseitigt. Er bestimmte in Art. 1076: "Ces partages 162 Demo/ambe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 39; die demission de biens fand jedoch nur in den Provinzen des Gewohnheitsrechts Anwendung, vgl. Demolombe S. 37. 163 Demo/ambe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 609. 164 Demo/ambe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 609. 165 Demo/ambe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 602f. 166 Du Moulin, Coustumes Bd.II S. 518; wNachw. bei Demo/ambe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 601. 167 Recueil General Vol. XVI - XXII Sp. 391. Der Text lautete: "Les actes de partage faits entre enfants et descendants, pour avoir lieu apres la mort de ceux qui les font dans les pays ou ces actes sont en usage, ne seront valables, s'ils ne sont pareillement revetus d'une des formes portees par les deux articles precedents (d. h. derjenigen der letztwilligen Verfügungen, Anm. des Verf.), et seront en outre observees les autres formalites prescrites par les lois, coutumes ou statuts qui autorisent lesdits actes."
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
pourront etre faits par actes entre-vifs ou testamentaires, avec les formalites, conditions et n:gles prescrites pour les donations entre-vifs et testaments. Les partages faits par actes entre-vifs ne pourront avoir pour objet que les biens presens" und reihte damit die elterliche Abteilung in die Kategorien der Schenkung unter Lebenden bzw. des Testamentes ein 168. Ähnliches gilt für die demission de biens, die vor allem in den Provinzen mit Gewohnheitsrecht Verbreitung gefunden hatte 169. Anders als die partage d'ascendants war das Rechtsgeschäft nicht auf das Eltern-Kind-Verhältnis beschränkt 170. Als entscheidender Unterschied erweist sich jedoch, daß die präsumtiven Erben bereits zu Lebzeiten des Übergebenden Eigentum erwarben 171. Es handelt sich damit um einen wirklichen Fall der vorweggenommenen Erbfolge im heutigen Sinne, der in aller Regel das gesamte Vermögen erfaßte 172 • Die Parallele zur donatio mortis causa bestand darin, daß nach überwiegender Ansicht der Übergebende die Vermögensübertragung bis zu seinem Tode frei widerrufen konnte 173 • Das Rechtsgeschäft unterschied sich damit durch seine lebzeitigen Rechtswirkungen in Form des Eigentumsüberganges vom Testament und durch seine Widerruflichkeit von einer gewöhnlichen Schenkung l74 • Weist die partage d'ascendants Berührungspunkte zur nicht vollzogenen donatio mortis causa auf, so könnte man die demission de biens mit der vollzogenen Schenkung von Todes wegen vergleichen. Wie die elterliche Abteilung wurde auch sie durch den Code Civil abgeschafft, so daß das französische Recht die vorhandenen Ansätze zur Regelung der vorweggenommenen Erbfolge, die über einen langen Zeitraum in Übung gewesen waren, nicht fortführte. bb) Die donatio mortis causa im französischen Recht
Auch die donatio mortis causa war in Frankreich ein verbreitetes Rechtsinstitut 175, wenngleich die älteren Provinzialgesetze sie häufig nicht regelten 176, vereinzelt sogar ausschlossen 177. Als Beispiel hierfür können die Art. 170, 171 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 39. Scheuermann, Vermögensübergaben S. 33. 170 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 609. 171 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 609; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 37. 172 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XXII S. 609; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 34 u. 37. 173 Scheuermann, Vermögensübergaben S. 39; Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 38. 174 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 38. 175 Aubry u. Rau, Cours de Droit Civil Tom. VII S. 5; Boucher d'Argis Art. "Donation" S. 212; Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 30. 176 Dem%mbe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 30. l77 Vollständige Ablehnung gab es allerdings nur im Loire-Bereich, vgl. dazu ausf. Aboucaya, Revue d'Histoire 1967, 1 ff. (24). 168
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der Coutumes de Blois angeführt werden: "Item en donation faiete entre vifs donner et retenir ne vaut; en teIle maniere, qu'il est de necessite que ledit donateur se desaisisse, et le donataire soit saisy en la vie du donateur reaument et defait; ou que ledit donateur retienne aluy l'vsufruit des choses donnees: laqueIle retention d'vsufruit equipolle tradition de fait. Item donation pour cause de mort ne vaut rien 178." Bereits diese Stelle verdeutlicht, daß die donatio mortis causa mit dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Satz kollidierte: "Donner et retenir ne vaut" 179, der in Frankreich seit alters her galt und beinhaltete, daß jede Schenkung die unwiderrufliche Eigentumsübertragung voraussetzte 180. Mit diesem Prinzip war die Schenkung von Todes wegen nur dann vereinbar, wenn man sie als (widerrufliche) Verfügung von Todes wegen auffaßte, die sich von den sonstigen letztwilligen Verfügungen allein durch die Willensübereinkunft der Parteien unterschied 181.
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Vor Erlaß des Code Civil sind zu dieser Frage vor allem zwei gesetzliche Normierungen bedeutsam, die in der Literatur viel Beachtung gefunden haben. Es handelt sich zunächst um Art. 277 der Coutumes de Paris 182 • Er lautete: "Toutes donnations encores qu'eIles soient conceuses entre vifs faictes par personnes gisans au lict malades, de la maladie dont ils decedent, so nt reputees faictes a cause de mort, et testamentaires, et non entre vifs" und zeigt im besonders starken Maße den oben geschilderten Zwiespalt, da Art. 274 derselben Coutumes bestimmt: "Donner et retenir ne vaut". Beide Regelungen lassen sich nur dadurch in Übereinstimmung bringen, daß der Gesetzgeber die donatio mortis causa als Testamentsart zulassen wollte, nicht jedoch als Rechtsgeschäft unter Lebenden 183. Die Vorschrift weicht damit von dem zu dieser Zeit geltenden Grundsatz des gemeinen Rechtes ab, wonach eine Schenkung im Zweifel eine solche unter Lebenden war, selbst wenn sie angesichts oder im Hinblick auf den Tod vorgenommen wurde l84 • In die gleiche Richtung deutete 150 Jahre später die Königliche Ordonnance sur les donation aus dem Jahr 1731 185 • In Art. 3 heißt es dort: "Toutes donations a cause de mort, a l'exception de celles qui se feront par contrat de mariage, ne pourront dorenavant avoir aucun effet, dans les pays meme ou elles sont Du Moulin, Coustumes Bd. 11 S. 150. Aubry u. Rau, Cours de Droit Civil Tom. VII S. 5; Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 31; Zachariä-v. Lingenthal, Französisches Civilrecht Bd. IV S. 200 Fn. 1. 180 Ferid, Französisches Zivilrecht Bd. 2 S. 196. 181 Aubry u. Rau, Cours de Droit Civil Bd. VII S. 5; Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 29; Boucher d'Argis, Art. "Donation" S. 212. 182 Du Moulin, Coustumes Bd. I S. 8. 183 Aboucaya, Revue d'Histoire 1967, 45; Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 32. 184 vgl. dazu oben III/1/a/; ferner Aboucaya, Revue d'Histoire 1967, 43. 185 Recueil General Bd. XVI-XXII Sp. 341 ff. 178 179
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III. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
expressement autorisees par les lois ou par les coutumes, que lorsqu'elles auront ete faites dans la meme forme que les testaments ou les codiciles; en sorte qu'il n'y ait al'avenir dans nos Etats que deux formes de disposer de ses biens a titre gratuit, dont l'une sera celle des donations entre vifs, et l'autre celle des testaments ou des codiciles". Auch durch diese Regelung war die donatio mortis causa in Frankreich zwar nicht abgeschafft, wohl aber den letztwilligen Verfügungen zugeordnet 186 . Hieran zeigt sich, daß das Schicksal der Schenkung von Todes wegen bereits vor Inkrafttreten des Code Civil entschieden war. Dies gilt um so mehr, als die teilweise aus dem römischen Recht übernommene Regelung, die dem im Hause lebenden testierunfähigen Sohn eine donatio mortis causa vorzunehmen erlaubte l87 , entfieP88. Folgerichtig bestimmten Art. 893 Code Civil: "On ne pourra disposer de ses biens, a titre gratuit, que par donatio entre-vifs ou par testament, dans les formes ci-apn!s etablies" und Art. 943: "La donation entre-vifs ne pourra comprendre que les biens presens du donateur; si elle comprend des biens a' venir, elle sera nulle a cet egard", so daß eine Schenkung des künftigen Vermögens entfiel. Entsprechendes galt gemäß Art. 944 Code Civil hinsichtlich der freien Widerruflichkeit: "Toute donation entre-vifs faite sous des conditions dont l'execution depend de la seule volonte du donateur, sera nulle". Damit war in Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Geltung der donatio mortis causa in der Form, die ihr die justinianische Kodifikation bzw. ihre gemeinrechtliche Fortentwicklung gegeben hatte, beendet 189 . Die frei widerrufliche Schenkung auf den Todesfall, die das im Zeitpunkt des Ablebens vorhandene Vermögen umfaßte, hatte im französischen Recht keinen Bestand. Meinungsunterschiede bestanden allein darüber, ob eine unwiderrufliche Schenkung unter der Bedingung des Vorversterbens durch den Schenker mit dem Gesetz vereinbar sei l90 • Selbst wenn eine solche Vertragsgestaltung dem Grundsatz "Donner et retenir ne vaut" nicht zuwiderlaufen sollte, verlangte doch das französische Recht dabei zumindest eine bedingte Eigentumsübertragung, d. h. im heutigen Sinne ein vollzogenes Rechtsgeschäft. Der Code Civil ging damit in seiner Behandlung der donatio mortis causa erheblich weiter als die preußische Gesetzgebung, die das gemeinrechtliche Vorbild lediglich zu vereinfachen trachtete. Die Abschaffung des Rechtsinstitu186 Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S.34; Boucher d'Argis, Art. "Donation" S. 212. 187 vgl. etwa oben zur ars notaria I/2/b/bb. 188 Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S. 34. 189 Aubry u. Rau, Cours de Droit Civil Bd. VII S. 5; Demolombe, Cours de Code Napoleon Bd. XVIII S.35f.; Zachariä-v. Lingenthal, Französisches Civilrecht Bd. IV S. 200 Fn. 1; Stabel, Institutionen S. 275; etwas anderes gilt teilweise für die Ehegattenschenkung gern. Art. 1081 ff. ce, vgl. Zachariä-v. Lingenthal S. 201 ff. 190 Stabel, Institutionen S. 276; dagegen Zachariä-v. Lingenthal, Französisches Civilrecht Bd. IV S. 200 Fn. 1 mNachw. der gegenteiligen Ansicht; abI. ferner Aubry u. Rau, Cours de Droit Civil Bd. VII S. 5; vgl. auch Ferid, Französisches Zivilrecht Bd. 2 S. 198.
5. Die Naturrechtskodifikationen
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tes in Frankreich mag eine Folge der starken Divergenz zwischen der gewohnheitsrechtlichen Situation einerseits und der aus dem römischen Recht übernommenen donatio mortis causa andererseits gewesen sein, die einer gesetzgeberischen Lösung offenbar nicht zugänglich war. d) Das österreichische ABGB von 1811
Die Entwicklung in Österreich verlief anders als in den bisher beschriebenen Gebieten. Zwar wurde auch hier grundsätzlich das römische Recht rezipiert, speziell hinsichtlich der Schenkung von Todes wegen hatte sich jedoch gewohnheitsrechtlich der deutsch-rechtliche Vergabungsbegriff erhalten 191. Hiernach wurde entsprechend den oben geschilderten Grundsätzen zur donatio post obitum 192 darauf abgestellt, ob der Schenker zu Lebzeiten Eigentum übertrug oder ob der Eigentumsübergang erst nach dem Tode des Schenkers stattfand 193. Die Übernahme dieser Prinzipien in das ABGB wird aus der Gesetzesfassung nicht ohne weiteres deutlich und auch die Entstehungsgeschichte des § 956 ABGB erlaubt wenig Aufschlüsse. Bei den Beratungen scheint zunächst das gemeinrechtliche Modell der donatio mortis causa zugrunde gelegt worden zu sein. Der Vorgänger des heutigen § 956 ABGB lautete in erster Lesung: "Schenkungen von Todes wegen sind von der Eigenschaft letztwilliger Anordnungen und können daher willkürlich widerrufen werden"l94 und auch die Diskussion bei der Revision des Entwurfes spricht dafür, daß man anfänglich lediglich an eine Vereinfachung des römischen Rechtes dachte 195 • Erst in der Superrevision erhielt der Paragraph die geänderte Fassung. Nach der Regelung des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches ist die donatio mortis causa grundsätzlich als Vermächtnis wirksam, sofern dessen Formerfordernisse gewahrt sind. Als Vertrag im Sinne der Vorschrift l96 versteht sie das Gesetz hingegen nur bei Annahme durch den Beschenkten und bei ausdrücklichem Widerrufsverzicht des Schenkers; hinzu treten muß die Übergabe der Schenkungsurkunde. In dem letztgenannten Erfordernis lebte in Österreich die traditio cartae des älteren deutsches Rechtes fort, die dort schon früh an die Stelle der Auflassung trat 197 . Die Richtigkeit dieser Auffassung erweist sich 191 Ehrenzweig, Festschrift S. 635; ders., System Bd. 2, 2 S. 527; vgl. auch Krainz, Oesterreichisches Privatrecht Bd. II S. 640 Fn. 14; Harder, Zuwendungen S. 83. 192 vgl. IIjFn. 15. 193 Ehrenzweig, Festschrift S. 636, 645 mwNachw.; ders. System Bd. 2,2 S. 527; Zeiller, Commentar zum ABGB Bd. III S. 185. 194 Protokolle bei Ofner, Bd. II S. 30. 195 Protokolle bei Ofner, Bd. 11 S.406. 196 Zeiller, Commentar zum ABGB Bd. 111 S. 186; die Frage nach der Rechtsnatur des "Vertrags" i. S. d. § 956 ABGB war umstritten, vgl. Ehrenzweig, Festschrift S. 649 tT.; ders., System Bd. 2, 2 S. 528 mwNachw.; Harder, Zuwendungen, S. 84.
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111. Die historische Entwicklung der vorweggenommenen Erbfolge
daran, daß in einem Hofdekret aus dem Jahre 1795 die Urkundsübergabe als Form der Eigentumsübertragung für bewegliche und unbewegliche Sachen anerkannt worden war 198 , eine Regelung, die allerdings schon 1797 in einem weiteren Hofdekret wieder aufgehoben wurde 199 • Diese gesetzgeberische Entwicklung zeigt, daß das ABGB mit der Übergabe der Schenkungsurkunde für eine vertragliche Schenkung von Todes wegen nicht mehr den Vollzug im Sinne einer Eigentumsübertragung, sondern nur die Einräumung eines klagbaren Forderungsrechtes verlangt 2OO • Somit liegt der Unterschied zur gemeinrechtlichen Auffassung in der Unwiderruflichkeit der Schenkung, während im Gegensatz zum älteren deutschen Recht kein Eigentumsübergang mehr stattfinden mußte. Das österreichische ABGB hat sich damit in gewisser Beziehung von beiden Vorbildern gelöst. Weitere Aufschlüsse sind allerdings aus dem Rechtszustand in Österreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht zu erlangen; die Auswirkungen einer vertraglich vereinbarten Schenkung von Todes wegen auf die Nachlaßbeteiligten werden so unterschiedlich beurteilt, daß sich hieraus keine allgemein gültigen Erkenntnisse gewinnen lassen 201 • Dies liegt in der unterschiedlichen Interpretation des Vertragsbegriffes in § 956 ABGB begründet; der Beschenkte wurde teilweise auch bei einer vertraglichen Schenkung nach dem Tode des Schenkers einem Vermächtnisnehmer gleichgesetzt 202 • Ungeachtet der Fragen, die damit alle naturrechtlichen Kodifikationen offengelassen haben, ist dennoch eine gemeinsame Tendenz erkennbar, vor allem, wenn man das frühe Gesetzgebungswerk Bayerns außer Betracht läßt. Das ausgehende 18. Jahrhundert bezeichnet in der Gesetzgebung das Ende der donatio mortis causa in ihrer ursprünglichen Form. Die Lösungen, die an ihre Stelle traten, sind unterschiedlicher Art und mit Mängeln behaftet, dennoch aber insgesamt als Verbesserung anzusehen. Die Erkenntnis, daß die schwankende Rechtsnatur, die die justinianische Kodifikation der donatio mortis causa gegeben hatte, allen dogmatischen Bemühungen zuwider erhalten geblieben war, führte in Frankreich zu einer radikalen Lösung, d. h. zur ersatzlosen Streichung des Rechtsinstitutes. Die preußische Gesetzgebung sah einerseits die Notwendigkeit einer Vereinfachung und stärkte andererseits vor allem die 197 Ehrenzweig, Festschrift S. 641 u. Fn. 35; ders., System Bd. 2 2 S. 528 u. Fn. 35; Zeiller, Commentar zum ABGB S. 186 unter Hinweis auf § 427 ABGB. 198 Ehrenzweig, Festschrift S. 640f. 199 Ehrenzweig, Festschrift S. 646f. 200 Ehrenzweig, Festschrift S. 647. 201 Vgl. Ehrenzweig, Festschrift S.664ff.; ders., System Bd.2, 2 S.530f.; Nippel, Erläuterungen Bd. VI S.258; Stubenrauch, Commentar zum ABGB Bd. 11 S. 151. 202 Vor allem in der Praxis: Ehrenzweig, Festschrift S. 665; ders., System Bd. 2,2 S. 530; Krainz, Oesterreichisches Privatrecht Bd. 11 S. 640 Fn. 16; aA Stubenrauch, Commentar zum ABGB Bd. 11 S. 151; Nippel, Erläuterungen Bd. VI S. 258; Unger, Erbrecht S. 331 Fn. 21.
5. Die Naturrechtskodifikationen
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Rechtsposition des Beschenkten zu Lasten des Schenkers, wenn dieser bereits zu Lebzeiten Eigentum übertragen hatte. Das österreichische Recht schließlich verfolgte eine vermittelnde Linie zwischen der Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechtes und der donatio mortis causa, die jedoch in ihren Rechtswirkungen wiederum unklar blieb.
7 Otzen
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung in Schrifttum und Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts 1. Die donatio mortis causa in der gemeinrechtlichen Literatur des
19. Jahrhunderts
Vergleicht man die Stellungnahmen zur Schenkung von Todes wegen in Glosse, Kommentaren und gemeinrechtlicher Literatur bis zum 18. Jahrhundert mit der der Pandektistik des 19. Jahrhunderts, so läßt sich in gewisser Beziehung eine Wende feststellen. Sie liegt weniger in der Beurteilung der Rechtswirkung einer Schenkung von Todes wegen; die Juristen des 19. Jahrhunderts haben den Schutz der Nachlaßbeteiligten vor benachteiligenden Schenkungen ebensowenig in Zweifel gezogen wie ihre Vorgänger. Auch wurde die Anwendung der Regeln über die Pflichtteilsergänzung in gleicher Weise anerkannt wie die Nachrangigkeit der Ansprüche des Beschenkten gegenüber den Forderungen der Nachlaßgläubiger l . Die Unterschiede liegen vielmehr in der Beurteilung der Rechtsnatur einer Schenkung von Todes wegen. Während die Entwicklung von der justinianischen Kodifikation über die Glosse bis zur gemeinrechtlichen Literatur des 18. Jahrhunderts die donatio mortis causa zunächst immer stärker dem Legat anglich, um schließlich sogar beide Rechtsinstitute miteinander zu identifizieren 2 , besann man sich im 19. Jahrhundert auf das klassische römische Vorbild zurück 3 und verstand die Schenkung von Todes wegen wieder grundsätzlich als ein Rechtsgeschäft unter Lebenden 4 • Allerdings galt dieses Prinzip nicht uneingeschränkt. In geringerem Umfang wurde daneben die gegenteilige Auffassung vertreten und das Rechtsgeschäft als eine letztwillige Verfügung angesehen 5 • Schließlich fehlte es auch nicht an vermittelnden Definitionsversuchen, so etwa, die Schenkung todeshalber stehe "in der Mitte zwischen der reinen Schenkung und dem Legat"6, sei "an sich verwandt dem Vermächtnis7, "nähere 1 Arndts, Pandecten S. 814; Dernburg, Pandekten Bd. 3 S.242; Koeppen, Römisches Erbrecht S. 825; v. Savigny, System Bd. IV S. 269fT.; Sintenis, Gemeines Civilrecht Bd. 3 S. 756; Windscheid-Kipp, Pandektenrecht Bd. 3 S. 733. 2 Vgl. oben I/2/a/aa/; I/2/b/aa/; III/1/b/aE/. 3 Vgl. oben I/2/a/aa/. 4 Dernburg, Pandekten Bd. 3 S.240; v. Savigny, System Bd. IV S. 258; Sintenis, Gemeines Civilrecht Bd. 3 S. 753. 5 Windscheid-Kipp, Pandektenrecht Bd. 2 S. 567; Cohen, Schenkung von Todes wegen S.7. 6 v. Vangerow, Pandekten Bd. 2 S. 657. 7 Arndts, Pandecten S. 813.
1. Die donatio mortis causa in der gemeinrechtlichen Literatur
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sich den letztwilligen Dispositionen"8, oder habe "nach gemeinem Recht einen Doppelcharakter"9. Insgesamt gesehen herrschte jedoch das Verständnis der donatio mortis causa als eines lebzeitigen Rechtsgeschäfts im 19. Jahrhundert vor. Gleichermaßen zeigt die Vielfalt der Ansichten aber auch, daß eine endgültige Beendigung des Streites um die Rechtsnatur nicht gelungen war. Dies verdeutlicht zudem eine andere Streitfrage: Während der Vertragscharakter der donatio mortis causa während der gesamten Entwicklung unangefochten gegolten hatte und nicht selten sogar als entscheidendes Abgrenzungskriterium zum Legat angesehen worden war 10 , wurde nun zum Teil die Notwendigkeit einer Willensübereinkunft in Abrede gestellt l l . - Ein weiterer Unterschied im Verhältnis zu früheren Perioden lag darin, daß der Charakter des Rechtsinstituts nicht länger von dem Merkmal der Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit geprägt wurde, obwohl man hierin lange Zeit das entscheidende Abgrenzungsmerkmal gesehen hatte 12 . Nunmehr trat an die Stelle dieses Tatbestandserfordernisses die Bedingung, daß der Beschenkte den Schenker überlebte 13 , ein Gedanke, der in den Rückforderungsrechten des Schenkers bei überstandener Gefahr zwar schon in seinen Ansätzen in frühester Zeit vorhanden gewesen war l 4, jedoch nicht die Bedeutung gehabt hatte, die ihm jetzt beigemessen wurde l5 . Allerdings ist auch hier die Einschränkung geboten, daß die geschilderte Auffassung zwar im 19. Jahrhundert ganz überwiegend, nicht aber uneingeschränkt galt. In der Literatur nur vereinzelt, stärker hingegen in der gerichtlichen Praxis, blieb man bei der Meinung, daß die unwiderrufliche Schenkung stets eine solche unter Lebenden sei 16. Heftiger umstritten als zuvor war die Frage der Form einer donatio mortis causa; hier gingen die Auffassungen weit auseinander. Die Meinungsunterschiede entzündeten sich daran, ob Justinian in C 8.56.4 eine zwingende Anordnung getroffen hatte, oder ob die Kodizillarform wahlweise neben die Schenkungsform treten konnte 17 , sei es auch erst von einer bestimmten Wertgrenze an 18. Puchta, Institutionen Bd. 2 S. 379. Unger, Oesterreichisches Erbrecht S. 322; an anderer Stelle (S. 323) heißt es, die Schenkung auf den Todesfall habe eine "zwitterhafte rechtliche Natur". 10 Vgl. oben 1(2(b(aa(. 11 Vgl. vor allem v. Savigny, System Bd. IV S. 279. 12 Vgl. zum römischen Recht I(2(a(aa(, zum kanonischen Recht 1(2(b(cc(; zur gemeinrechtlichen Literatur des 17. und 18. Jahrhunderts 1I1(1(a(. 13 Arndts, Pandekten S. 812; Keller, Pandekten, S. 135; Koeppen, Römisches Erbrecht S. 822; Sintenis, Gemeines Civilrecht Bd. 3 S. 755; v. Vangerow, Pandekten Bd. 2 S. 660; Wächter, Pandekten Bd. 11 S. 824; Windscheid-Kipp, Pandektenrecht Bd. 11 S. 568, Bd. III S.731. 14 Vgl. oben I(2(a(bb(. 15 Vgl. auch Cohen, Schenkung von Todes wegen S. 69. 16 OAG Darmstadt SeuffA Bd. 26 Nr. 130 (S. 112ff.); Obertribunal Stuttgart SeuffA Bd.30 Nr.46 (S. 196), jeweils mwNachw.; Dernburg, Pandekten Bd.3 S.240; Puchta, Institutionen Bd. 2 S. 579. 8
9
7*
100
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
Betrachtet man das Gesamtbild, welches die Behandlung der donatio mortis causa in der gemeinrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts bietet, so hinterlassen der Streit um die Rechtsnatur, die Tatbestandserfordernisse und die Form des Rechtsgeschäftes den Eindruck, als hätten sich die Probleme zwar verlagert, andererseits aber in keinem Punkte vollständig gelöst. Es erscheint deshalb von Interesse, ob hinsichtlich des Ausführungsgeschäftes der Schenkung von Todes wegen ein abweichendes Ergebnis festgestellt werden kann. Während das Recht des Mittelalters 19 , vor allem aber die gemeinrechtliche Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts 20 , das Schenkungsversprechen und die vollzogene Schenkung gleichsetzten, teilweise unter besonderem Hinweis auf die Ähnlichkeit von donatio mortis causa und Legat 21 , enthielt die Literatur des 19. Jahrhunderts nur selten entsprechende Äußerungen 22 • Vertreten wurde jedoch der schon für das römische Recht geltende Satz 23 , eine donatio mortis causa werde regelmäßig durch die sofortige Eigentumsübertragung vollzogen, sei diese auch suspensiv oder resolutiv bedingt 24 • Teilweise faßte man jetzt das römische Recht darüber hinaus in dem Sinne auf, der Vollzug sei zwingendes Erfordernis jeder donatio mortis causa gewesen 2S • Der früher häufig zu findende Satz, das Eigentum gehe bei der Schenkung von Todes wegen ebenso wie beim Legat ohne Übergabe auf den Beschenkten über 26 , fehlt in der gemeinrechtlichen Literatur des 19. Jahrhunderts. Im Gegenteil wurde jetzt angenommen, der 17 Die h. M. ging dahin, daß die Wahl zwischen beiden Schenkungsformen bestünde, vgl. Dernburg, Pandekten Bd. 3 S. 240; Keller, Pandekten S. 137; ausfl. v. Savigny, System Bd. IV S. 261 ff. u. v. Vangerow, Pandekten Bd. 2 S. 667; ein Meinungsüberblick findet sich bei Windscheid-Kipp, Pandektenrecht Bd. 111 S. 732 Fn. 3 u. Sintenis, Gemeines Civilrecht Bd.3 S.756. Unterschiedliche Auffassungen bestanden auch insoweit, als die Stelle teilweise als Anordnung der Kodizillarform, teilweise als Regelung einer besonderen Schenkungsform verstanden wurde, so daß die fünf Zeugen keine Testamentszeugen sein mußten; v. Savigny; v. Vangerow; dazu Arndts, Pandekten S. 813 Fn. 2. Zur These, die Form der letztwilligen Verfügung sei für die donatio mortis causa zwingend gewesen vgl. Puchta, Institutionen Bd.2 S. 317; Wächter, Pandekten Bd. 11 S. 825. 18 Dernburg, Pandekten Bd. 3 S. 240; Koeppen, Römisches Erbrecht S. 822f. 19 Vgl. oben I/2/b/aa/. 20 Vgl. oben III/1/a/. 21 Vgl. oben I/2/a/aa/. 22 Harder, Zuwendungen S. 71 verweist allein auf Roth-Becher, Bayerisches Civilrecht Bd.III 1 S. 156 Fn. 37. Die dort aufgeführten Zitate aus der Literatur - anders der Verweis auf das bayerische Landrecht - stützen die Aussage Harders jedoch nicht. Dernburg, Pandekten Bd. 3 S. 241 ging vielmehr davon aus, daß die Eigentumsübertragung bei einer donatio mortis causa regelmäßig vorkam; anders allerdings WindscheidKipp, Pandektenrecht Bd. 11 S. 568. 23 Vgl. oben I/2/a/bb/. 24 Dernburg, Pandekten Bd.3 S. 241; Keller, Pandekten S. 136; v. Savigny, System Bd. IV S. 244ff. 25 v. Vangerow, Pandekten Bd. 2 S. 579. 26 Vgl. oben III/1/a/.
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen
101
Vollzug einer donatio mortis causa sei allein durch Eigentumsübertragung seitens des Schenkers möglich 27. Darin bestätigt sich erneut die Vermutung, daß die Einordnung des Rechtsgeschäftes als letztwillige Verfügung oder als Rechtsgeschäft unter Lebenden eng mit der Frage des Vollzuges im Zusammenhang steht. Während das mittelaJterliche Recht und die frühe gemeinrechtliche Literatur die Entbehrlichkeit des Ausführungsgeschäftes mit der Verwandtschaft bzw. Identität von Legat und donatio mortis causa begründeten, knüpft die Literatur des 19. Jahrhunderts in stärkerem Maße an das Vorbild des klassischen römisches Rechtes an, dem der Eigentumsübergang zumindest in aller Regel eigentümlich war 28 • Abgesehen von dieser Feststellung zeigt sich jedoch, daß dem gemeinen Recht des 19. Jahrhunderts keine endgültige Klärung des Rechtsinstitutes gelungen ist, ein Umstand, der den Gesetzgeber des BGB zur Abschaffung der donatio mortis causa in ihrer geschilderten Form bewog. Außerdem verdeutlicht der Vergleich mit den naturrechtlichen Kodifikationen des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts, daß die Partikulargesetzgeber dogmatisch befriedigendere Lösungen gefunden hatten als die Lehre. Im folgenden wird zu untersuchen sein, ob sich dieser Eindruck anhand der wichtigsten Gesetzentwürfe des 19. Jahrhunderts bis zur Entstehung des BGB bestätigt.
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen des 19. Jahrhunderts Im Verlauf des 19. Jahrhunderts hielten die Kodifikationsbestrebungen an, ohne allerdings in allen Ländern zu greifbaren Ergebnissen zu führen. Dies gilt insbesondere für die Rechtsentwicklung in Preußen, wo von 1794-1848 Gesetzgebungskommissionen nahezu ergebnislos tätig waren 29. Das sächsische BG B von 1865 erscheint deshalb als einer der bedeutendsten Erfolge gesetzgeberischer Arbeit des 19. Jahrhunderts, im hier fraglichen Zusammenhang vor allem deshalb, weil die Regelungen der §§ 2500ff. für die Fassung des späteren § 2301 BGB mitbestimmend gewesen sind 30 • Daneben soll auf den hessischen Entwurf von 1853 sowie auf den bayerischen Entwurf aus dem Jahre 1864 eingegangen werden, die beide in ihren Grundzügen dem gemeinen Recht nahe standen 31 • Abschließend ist auch der Erbrechtsentwurf Mommsens aus dem Jahre 1876 heranzuziehen, der hinsichtlich seiner Bedeutung für die spätere Kodifikation des bürgerlichen Rechtes nicht geringer einzuschätzen ist als jeder der übrigen Entwürfe dieser Zeit. v. Vangerow, Pandekten Bd. 2 S. 658. Vgl. I/2/a/bb/. 29 Vgl. zur Entwicklung der Gesetzgebung in Preußen nach 1794 Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 117ff.; Stobbe, Geschichte Bd. Il S. 477ff. 30 Mot V S. 350. 31 Vgl. v. Schmitt, Begründung zum TE S. 536. 27
28
102
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
a) Der hessische Entwurf von 1853 32
Der hessische Entwurf regelte die donatio mortis causa nicht im Erbrecht, sondern im allgemeinen Schenkungsrecht, und zwar in drei Artikeln folgenden Inhaltes: Die Schenkung von Todes wegen setzte gemäß E IV, 2 Art. 95 einen Schenkungsvertrag voraus, dessen Wirksamkeit in Übereinstimmung mit dem gemeinen Recht durch den Tod des Schenkers vor dem Beschenkten bedingt war. Auf diese Weise unterschied sich das Rechtsgeschäft von den Schenkungen unter Lebenden 33 • E IV, 2 Art. 114 beinhaltete die Regelung des Widerrufs; dieser war an keine besonderen Voraussetzungen gebunden, sondern aus bloßer Reue des Schenkers möglich. Der Entwurf fingierte Veräußerung oder Vernichtung des Zuwendungsgegenstandes durch den Schenker als Widerruf, ferner das Ableben des Beschenkten zu Lebzeiten des Schenkers. E IV, 2 Art. 113 bestimmte schließlich, daß der Beschenkte die Vollziehung der Schenkung nur vom Erben verlangen konnte. Hierfür galten, je nach Ausgestaltung des Rechtsgeschäftes, die Regelungen über den Vollzug von Vermächtnissen (E III, Art. 286ff.) oder des Erbanwartschaftsrechtes gemäß E III, Art. 43, 45, 165, 171 f. Das Verständnis dieser Vorschriften bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Die Formulierung in E IV, 2 Art. 113 Abs. 1 "Der auf den Todesfall Beschenkte kann den Vollzug der Schenkung nur von den Erben des Schenkers verlangen" deutet daraufhin, daß der Schenker zwar nicht die Pflicht, wohl aber die Möglichkeit des lebzeitigen Vollzuges hatte. Dem steht andererseits die Regelung des Art. 113 Abs.2 gegenüber, die hinsichtlich der Vollziehung generell auf das Erbrecht verwies, mithin zu der Annahme führt, daß die Schenkung von Todes wegen ihrem Wesen als letztwilliger Verfügung gemäß stets erst nach dem Tode des Schenkers erfüllt wurde. Die Motive 34 geben keine Klarheit, sprechen jedoch eher für die letztgenannte Auffassung. Dies erlaubt den Schluß, daß der hessische Entwurf erstmalig allein das vertragsmäßige Schenkungsversprechen auf den Todesfall anerkannte 35 • Fraglich bleibt allerdings, wie sich die systematische Stellung der Vorschrift im Schuldrecht damit vereinbaren läßt. Nicht eindeutig geregelt erscheinen ferner die Rechte der Nachlaßbeteiligten. Das allgemeine Schenkungsrecht bestimmte in E IV, 2 Art. 120, daß der Pflichtteilsberechtigte die Schenkung insoweit widerrufen konnte, als seine Ansprüche beeinträchtigt wurden, und zwar unabhängig davon, ob er bewußt benachteiligt worden war oder nicht. - Inhaltlich vergleichbare Regelungen finden sich zu Gunsten der Gläubiger des Schenkers in E IV, 2 Art. 124, sofern 32 Vgl. dazu Harder, Zuwendungen S. 84f. mit Abdruck des Entwurftextes; Cohen, Schenkung von Todes wegen S. 170ff. 33 Vgl. die Motive zum Entwurf IV 2 S. 36. 34 Motive zum Entwurf IV 2 S. 42. 35 Unklar insoweit Cohen, Schenkung von Todes wegen S. 170.
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen
103
das Vermögen des Schenkers zum Zeitpunkt der Schenkung bereits überschuldet war oder der Schenker durch die Zuwendung zahlungsunfähig wurde. Ferner haftete der Beschenkte gemäß E IV, 2 Art. 108 den Gläubigern mit dem Schenkungsgegenstand, wenn er zugleich die Schulden des Schenkers übernommen hatte, gemäß Abs.2 der Vorschrift sogar persönlich, sofern er es beim Empfang des Vermögens versäumt hatte, ein gerichtliches Verzeichnis aufstellen zu lassen. Die systematische Stellung beider Normen gibt Anlaß zu der Vermutung, die Regelungen seien auch auf die donatio mortis causa bezogen gewesen. Dafür spricht zudem, daß der Entwurf in anderen Vorschriften, etwa E IV, 2 Art. 115, ausdrücklich die Schenkung unter Lebenden als Regelungsgegenstand bezeichnete, während E IV, 2 Art. 120 und 124 keine derartigen Einschränkungen enthielten. Allerdings verwiesen die Motive 36 unter Bezugnahme auf die Gleichstellung von donatio mortis causa und Vermächtnis hinsichtlich des Vollzuges ausschließlich auf die erbrechtlichen Vorschriften. Nach dem Willen der Verfasser des Entwurfes galten somit zu Gunsten der Ptlichtteilsberechtigten anstelle der genannten Normen des allgemeinen Schenkungsrechts die Art. 121ff. des Erbrechtsentwurfes. E III Art. 121 bestimmte "Der Ptlichtheilserbe kann verlangen, daß die letztwilligen Verfügungen insoweit eingezogen werden, als durch dieselben der Ptlichttheil verletzt ist". Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen unterschieden sich demnach nur in methodischer Hinsicht. Während gegen die Schenkungen unter Lebenden das Widerrufsrecht schützte, half dem Ptlichtteilsberechtigten bei einer donatio mortis causa die Einziehungsklage. Beide Ansprüche verjährten gemäß E IV, 2 Art. 125 bzw. E III Art. 126 in 5 Jahren. Unterschiedlich gestaltete sich hingegen die Rechtslage der Gläubiger. Hierzu regelte E III Art. 302, abweichend vom allgemeinen Schenkungsrecht, zu Gunsten des Vermächtnisnehmers: "Die Vermächtnisnehmer haben für die Bezahlung der Schulden des Erblassers nicht zu haften, vorbehältlieh jedoch der besonderen Rechte der Pfandgläubiger an der vermachten Sache"3? Daran zeigt sich, daß der hessische Entwurf trotz seiner gemeinrechtlichen Grundtendenz bei der Behandlung der donatio mortis causa erheblich von der gemeinrechtlichen Lehre abwich 38 . Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Stellung der Nachlaßgläubiger, sondern in gleicher Weise im Verhältnis der Vertragsparteien zueinander, da zwischen ihnen in allen Fällen der Schenkung von Todes wegen lediglich obligatorische Rechtsbeziehungen entstanden.
Motive zum Entwurf IV, 2 S. 50. Vgl. dazu die Motive zur 3. Abth. S. 173 ff. 38 Die Ansicht v. Schmitts, Begründung zum TE S. 536, der hessische Entwurf stehe dem gemeinen Recht nahe, gilt deshalb nur eingeschränkt. 36
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104
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
b) Der bayerische Entwurf von 1861 39
Ähnlich wie Preußen setzte auch Bayern die Gesetzgebungsarbeit unmittelbar nach Erlaß des Codex Maximilianeus von 1756 fort. Anfang des 19. Jahrhunderts beabsichtigte man die Einführung einer umgearbeiteten Fassung des Code Civil, verwarf diesen Plan jedoch später wieder 40 • Der 1808 von Feuerbach vorgelegte Entwurf eines Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Bayern behandelte die donatio mortis causa ganz im Sinne des französischen Rechtes. Art. 926 bis 928 bestimmten ausdrücklich, daß ein Vermögen nur durch unter Lebenden vollzogene Schenkung oder durch Testament übertragen werden konnte 41 • Dem Entwurf blieb jedoch die Anerkennung versagt 42 • Verschiedene weitere Entwürfe der Folgezeit wurden nicht vollendet, bis man
1861 einen Schuld- und 1864 einen Sachenrechtsentwurfveröffentlichte 43 • Die
politische Entwicklung verhinderte jedoch ein Inkrafttreten dieser allgemein positiv bewerteten Gesetzgebungsvorarbeiten 44 •
Wie der hessische, so behandelte auch der bayerische Entwurf die donatio mortis causa im Hauptstück "von den Rechtsgeschäften" innerhalb der VI. Abt. als Teil des allgemeinen Schenkungsrechtes in den Art. 122 bis 128 und verwies in der letztgenannten Vorschrift ausdrücklich auf die grundsätzliche Geltung der Regeln über Schenkungen unter Lebenden, sofern die vorbezeichneten Sondervorschriften nicht entgegenstünden. Im Unterschied zum hessischen Recht allerdings wurde zwischen dem Schenkungsversprechen und der vollzogenen Schenkung differenziert. Hinsichtlich des Schenkungsversprechens findet sich der auch im hessischen Entwurf vorhandene Satz, die Erfüllung könne nur aus dem Nachlaß gefordert werden. Der Beschenkte wurde insoweit dem Vermächtnisnehmer gleichgestellt, deshalb galt das für Legate bestimmte Anwachsungsrecht gemäß Art. 122 Abs. 2 für die donatio mortis causa entsprechend. Die sofort vollzogene Schenkung hingegen gewährte dem Begünstigten nach Art. 123 des Entwurfes je nach Zuwendungsgegenstand Eigentum oder Rechtsinhaberschaft, gemäß Art. 124 allerdings frei widerruflich. Der Widerruf war in materiellrechtlicher Hinsicht voraussetzungslos, jedoch an ein SchriftformerforDie Art. 122-128 sind bei Harder, Zuwendungen S. 85f. abgedruckt. Vgl. dazu ausf. Schubert, Französisches Recht in Deutschland S. 162ff. 41 Der Text des Art. 926 lautete: "Man kann über sein Vermögen nicht anders auf unentgeltliche Art verfügen, als durch Schenkung unter Lebenden, oder durch Testament, unter den nachher bestimmten Formen." Und Art. 927 bestimmte: "Schenkung unter Lebenden ist ein angenommenes Versprechen, wodurch dem Geschenknehmer unentgeltlich ein Recht oder eine Sache übertragen wird, ohne daß der Geber den Gegenstand seiner Freigebigkeit willkürlich wieder zurücknehmen darf." 42 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des Entwurfs Schubert, Französisches Recht in Deutschland S. 167ff. 43 Stobbe. Die Geschichte Bd.lI S. 445; Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 123 ff. 44 Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 125. 39
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2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen
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dernis gebunden. Wie nach der hessischen Regelung wurde die Vernichtung Q(kr Veräußerung des Gegenstandes der Schenkung gemäß Art. 124 Abs.3 als konkludenter Widerruf fingiert. Die Möglichkeit eines Widerrufsverzichtes fehlt in beiden Entwürfen. Die "Giltigkeit" der Schenkung hing in Übereinstimmung mit der gemeinrechtlichen Lehre gemäß Art. 125 vom Vorversterben des Schenkers ab. - Hinsichtlich des Aufbaus und der Rechtswirkungen einer donatio mortis causa zeigt damit der bayerische Entwurf insgesamt einen stärkeren Bezug zum gemeinen Recht, als es beim hessischen Entwurf zu beobachten war. Über die Stellung der Nachlaßbeteiligten können nur begrenzte Aussagen getroffen werden. Art. 122 Abs. 2 verwies auf die Vermächtnisvorschriften, die jedoch deshalb nicht herangezogen werden können, weil der Erbrechtsentwurf nicht veröffentlicht wurde 45 • Allerdings ergibt die Auslegung, daß sich die Vorschrift lediglich auf das Schenkungsversprechen von Todes wegen i. S. des Art. 122 Abs. 1 beziehen sollte, so daß für die vollzogene donatio mortis causa allgemeines Schenkungsrecht gemäß Art. 128 zur Anwendung gelangte 4ö • Dieses enthielt in Art. 121 eine mit E IV, 2 Art. 120 des hessischen Entwurfes inhaltlich übereinstimmende Norm, die einem geschädigten Ptlichtteilsberechtigten den völligen oder teilweisen Widerruf der Schenkung ermöglichte. Zum Schutze der Gläubiger fehlte eine Vorschrift, wie sie hess. E IV, 2 Art. 124 vorsah. Jedoch traf Art. 106 des bayerischen Entwurfes eine dem hessischen Recht vergleichbare Regelung für den Fall, daß der Beschenkte auch die Schulden des Schenkers übernommen hatte. Während damit die tatbestandliche Behandlung der donatio mortis causa im bayerischen Entwurfweitgehend an der gemeinrechtlichen Lehre orientiert war, gestalteten sich die Rechte der Nachlaßbeteiligten unterschiedlich und abhängig vom Vollzug der Schenkung. Soweit sich diese Frage nach den vorhandenen Materialien beurteilen läßt, resultierte hieraus bei einer vollzogenen Schenkung erstmalig eine Schlechterstellung der Gläubiger, denen kein besonderer Rechtsbehelf mehr zustand, um auf den Schenkungsgegenstand Zugriff nehmen zu können. c) Das sächsische Gesetzbuch von 1865 In Sachsen begann die Gesetzgebungsarbeit bereits 1763. Von 1781-1819 bestand eine Gesetzgebungskommission, die jedoch keine nennenswerten Resultate brachte. Hiernach beriet man längere Zeit über die Annahme des österreichischen Gesetzbuches von 1811, entschied sich jedoch schließlich ablehnend und begann 1846 erneut mit den Arbeiten für ein sächsisches Gesetz, die 1852 zu einem von Held erstellten "Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das Königreich Sachsen" führten 47 . 45
46 47
Vgl. Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 124f. Cohen, Schenkung von Todes wegen S. 170f. Zur Rechtsentwicklung in Sachsen vgl. Schwarz, ArchBürg Recht Bd. 1, 127.
106
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
Dieser Entwurf befaßte sich lediglich in zwei Vorschriften (§§ 1054f.) des allgemeinen Schenkungsrechtes mit der Schenkung von Todes wegen 48 • Die Regelung war bewußt einfach ausgestaltet 49 und deutete bereits die Linie des späteren sächsischen BGB und damit teilweise des § 2301 BGB an. Gemäß § 1044 sollten die allgemeinen Regelungen des Schenkungsrechtes auf die donatio mortis causa angewendet werden "wenn die Sache vor dem Tode übergeben oder dem Schenkgeber ausdrücklich oder, indem er sich blos den Besitz und die Benutzung vorbehalten hat, erklärt worden ist, daß nur die Erfüllung bis zum Eintritt des Todes vertagt sein solle". Die Motive zum Entwurf bezeichneten derartige Rechtsgeschäfte als "auf den Tod vertagte Schenkungen unter Lebenden". Die Übergabe des Schenkungsgegenstandes mit oder ohne Vorbehalt des Nießbrauchs wurde als Eigentumserwerb des Beschenkten und somit als Vollzug der Schenkung gewertet (Art. 272 Abs. 2 des Entwurfs). Nicht vollzogene Schenkungsverträge oder einseitige Schenkungsversprechen, die das sächsische Recht an dieser Stelle - soweit ersichtlich erstmalig behandelte, folgten gemäß § 1055 des Entwurfs den Regeln über Erbverträge bzw. Testamente. Zum Schutze der Gläubiger und Pflichtteilsberechtigten enthielt das allgemeine Schenkungsrecht des Entwurfs Vorschriften, die denjenigen vergleichbar waren, wie sie der hessische und teilweise auch der bayerische Entwurfvorsahen. § 1050 bestimmte in einer schwierig gefaßten Vorschrift zu Gunsten des Pflichtteils berechtigten "Pflichttheilerben können eine jede von dem Erblasser innerhalb drei Jahre vor seinem Tode gemachte Schenkung, wenn der reine Betrag des Nachlasses nicht die Hälfte des Betrages der Schenkung zur Zeit der letzteren ausmacht, soweit widerrufen, als an dieser Hälfte fehlt". § 1049 des Entwurfs verwies auf die Regelung des Gantrechtes in den §§ 2129ff., die den Gläubigern ein Widerrufsrecht hinsichtlich solcher Schenkungen gewährte, die der Schenker trotz Überschuldung seines Vermögens vorgenommen hatte. Anders hingegen stellte sich die Rechtslage bei einem Schenkungsversprechen dar. Hier galten zugunsten der Pflichtteilsberechtigten die Vorschriften über den Pflichtteil gemäß §§ 1808f., während die Ansprüche der Gläubiger wegen der allgemeinen Schuldenhaftung gemäß § 2013 des Entwurfs gegen den Erben gerichtet werden konnten. - Der Entwurf von 1852 wurde infolge der starken Kritik, die vor allem von Wächter ausging, zurückgezogen 5o • Im Jahre 1856 48 Der Text des § 1054 lautete: "Hat Jemand für den Fall seines Todes einem Anderen etwas geschenkt, so leiden die vorstehenden Bestimmungen nur dann Anwendung, wenn die Sache noch vor dem Tode übergeben oder von dem Schenkgeber ausdrücklich oder, indem er sich bloß den Besitz und die Benutzung vorbehalten hat, erklärt worden ist, daß nur die Erfüllung bis zum Eintritte des Todes vertagt sein solle." Und § 1055 bestimmte: "In anderen Fällen leiden auf die für den Todesfall gegebenen Schenkungsversprechen die Vorschriften über Verlassenschaftsverträge oder letzte Willen Anwendung, je nachdem ein Schenkungsvertrag oder ein einseitiges Versprechen vorliegt." 49 Vgl. Motive zum Entwurf S. 223. 50 Vgl. Natzel, Grundpfandrecht S. 49f.
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen
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begann eine neue Gesetzgebungskommission ihre Arbeit. Sie legte 1860 einen weiteren Entwurf vor, zu dem Siebenhaar 1861 spezielle Motive veröffentlichteSl. Abgesehen von einer geringfügigen Abänderung, der jedoch im hier fraglichen Zusammenhang keine Bedeutung zukommt, sind die Vorschriften in den §§ 2534-2536 des Entwurfs identisch mit der späteren Gesetzesfassung in den §§ 2500 bis 2502. Auch die Motive zum Entwurf enthalten keine neuen Gesichtspunkte, vielleicht als Folge der Eile, mit der sie von Siebenhaar erstellt werden mußten 52. Das 1865 in Kraft getretene sächsische Gesetzbuch ging im Verhältnis zu den bisher geschilderten Gesetzeswerken völlig neue Wege. In Abkehr von der Regelung des Entwurfes aus dem Jahre 1852 normierte § 2500 des sächsischen Gesetzbuches allein die nicht vollzogene Schenkung von Todes wegen, die es in der Form des einseitigen Schenkungsversprechens der letztwilligen Verfügung und in § 2501 als vertragliche Schenkung dem Erbvertrag gleichstellte. Die Vorschrift des § 2502 sächs. BGB schließlich nahm die donatio mortis causa von einigen Normen des allgemeinen Schenkungsrechtes aus. Hieraus ergaben sich weitreichende Konsequenzen: Nach sächsischem Recht war jede vollzogene Schenkung von Todes wegen ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, sei es, daß sie durch das Vorversterben des Schenkers bedingt war, ausdrücklich als donatio mortis causa bezeichnet wurde oder in sonstiger Weise zum Tode des Schenkers in Beziehung stand S3. Es handelte sich demnach um die erste Kodifikation, die den Vollzug des Rechtsgeschäftes als entscheidendes Abgrenzungskriterium in den Vordergrund stellte und damit zu der heutigen Fassung des § 2301 BGB überleitete 54. Widerruflichkeit, Überlebensbedingung, Wortlaut, Vertragscharakter und ähnliche Differenzierungsmerkmale, denen in der Fortentwicklung des römischen Rechtes große Bedeutung beigemessen worden war, traten jetzt zurück. Diese Entwicklung im sächsischen Recht erscheint deshalb konsequent, weil bereits die kursächsischen Konstitutionen eine Abkehr von der gemeinrechtlichen Auffassung eingeleitet hatten ss . Schon die Motive zum Entwurfvon 1860 verdeutlichen den Hintergrund der Entscheidung: Die verwickelten und in ihrer Widersprüchlichkeit nicht aufzulösenden gemeinrechtlichen Regeln zur donatio mortis causa hatten nach Auffassung des Gesetzgebers keinen Eingang in die Rechtspraxis gefunden 56. Damit beendete das sächsische Gesetzbuch den Vgl. Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 128; ferner Natzel, Grundpfandrecht S. 52f. Vgl. Schwarz, ArchBürgRecht Bd. 1, 128; die Begründung zur Schenkung von Todes wegen lautete lediglich: "In der Lehre von den Schenkungen auf den Todesfall hat man sich die Aufgabe gestellt, die zum Theil verwickelte, jedenfalls aber nicht in das Leben übergegangenen Bestimmungen des gemeinen Rechts zu vereinfachen", vgl. Specielle Motive S. 914. 53 Siebenhaar, Lehrbuch des sächsischen Privatrechts S. 840; ders., Commentar Bd. III a. a. O. S. 372; Hoffmann, Das Bürgerliche Gesetzbuch Bd. I S. 220. 54 Vgl. die Begründung v. Schmitts zu §§ 220f. TE S.537; Mot V S.350; Harder, Zuwendungen S. 89. 55 Vgl. oben 1II/1/a/ Fn. 8; Siebenhaar, Commentar Bd. III S. 371 f. 51
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IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
in der gemeinrechtlichen Literatur bestehenden Streit um die Rechtsnatur der Schenkung von Todes wegen. Sie war jetzt weder eine rechtsgeschäftliche Kategorie eigener Art noch ein Mittelding zwischen Rechtsgeschäft unter Lebenden und Verfügung von Todes wegen. Das sächsische Recht rechnete die donatio mortis causa entweder der einen oder der anderen Art zu, und zwar unter Berücksichtigung des Umstandes, ob der Schenker sich bereits zu Lebzeiten seines Rechtes begeben hatte oder nicht. Bewertet man diese Unterscheidung als Folge der Erkenntnis, daß alle anderen Abgrenzungsversuche letztlich als Fehlschläge bezeichnet werden mußten, so ist zu folgern, daß im sächsischen Recht aus heutigem Verständnis bezüglich der Unterscheidung zwischen lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäften eine notwendige Entwicklung begann, die sich bereits in einigen Naturrechtsgesetzbüchern, wenn auch in anderer Form, angedeutet hatte. Es bleibt die Frage, wie sich die Neuregelung auf die Rechtsstellung der Nachlaßbeteiligten auswirkte. Insoweit hatten bereits die kursächsischen Konstitutionen eine Abweichung zum gemeinen Recht vorgesehen, weil sie den Abzug der falcidischen Quart zu Gunsten der Pflichtteils berechtigten bei der donatio mortis causa nicht anerkannten 57. Nunmehr fand sich im sächsischen Gesetzbuch eine Lösung, die sich ebenfalls der späteren Regelung des BGB annäherte. Anders als der Entwurf von 1852 enthielt das allgemeine Schenkungsrecht keine Vorschriften zu Gunsten der Gläubiger des Schenkers sowie der Pflichtteilsberechtigten; damit entfielen deren Begünstigungen auch bei einer vollzogenen Schenkung von Todes wegen. Sofern eine Schenkung die Gläubiger benachteiligte, griffen zu ihrem Schutz die §§ 1509ff. sächs. Gesetzbuch ein, Vorschriften, die sich als Vorläufer des späteren Anfechtungsgesetzes bzw. der Regelung in den §§ 35ff. Konkursordnung verstehen lassen 58 • Der Pflichtteilsberechtigte konnte jedwede Schenkung gemäß § 2603 sächs. BGB insoweit anfechten, als sie sein Recht beeinträchtigte, und zwar unabhängig von der heutigen Fristenregelung in § 2325 Abs. 3 BGB. Der Rückforderungsanspruch richtete sich gemäß § 2607 sächs. BGB gegen den Erben oder den Beschenkten. Handelte es sich hingegen um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen, so wurde der daraus Begünstigte mit dem Tode des Schenkers Erbe und war als solcher gemäß § 2586 sächs. BG B verpflichtet, den Pflichtteil des Benachteiligten zu ergänzen. - Zu Gunsten der Nachlaßgläubiger galt in diesem Falle die allgemeine Erbenhaftung gemäß § 2282 sächs. BGB; gegenüber den Vermächtnisnehmern und Erbanwärtern waren die Gläubiger gemäß § 2339 S. 2 sächs. BGB bevorrechtigt. Auch insoweit traf das sächsische Recht Regelungen, die mit dem heutigen Rechtszustand weitgehend übereinstimmen. Die gesetzgeberische Tätigkeit in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte auf diese Weise eine Linie fort, die bereits von den naturrechtlichen Kodifikationen 56
57 58
Vgl. oben IV/2/c/ Fn. 52. Vgl. oben III/1/a/ Fn. 8. Vgl. Hoffmann, Das Bürgerliche Gesetzbuch Bd. I S. 608ff.
2. Die donatio mortis causa in den Partikulargesetzen und Entwürfen
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eingeleitet, jedoch durch einige Entwürfe, vor allem durch den bayerischen Entwurfvon 1861 59 , noch einmal unterbrochen worden war. Die donatio mortis causa in der Form, die ihr die gemeinrechtliche Literatur des 19. Jahrhunderts verliehen hatte, fand in den Gesetzgebungen, vor allem Sachsens, keinen Niederschlag mehr. Erstmalig wurde unter Vernachlässigung aller bis dahin vorhandenen Abgrenzungskriterien der Vollzug des Rechtsgeschäftes in den Vordergrund gestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Vollzug zwar regelmäßiger Bestandteil einer donatio mortis causa gewesen, selten aber ihre notwendige Voraussetzung. Damit ging einher, daß den Gläubigern des Schenkers bei einer donatio mortis causa keine weitergehenden Rechte mehr zustanden, als sie sie bei einem sonstigen Rechtsgeschäft gehabt hätten. Die Ptlichtteilsberechtigten wurden auf ihre Ansprüche auf Ptlichtteilsergänzung beschränkt, allerdings ohne die zeitliche Begrenzung des BGB. d) Der Entwurf Mommsens aus dem Jahre 1876 60
Als letzter Vorläufer des § 2301 BGB soll der Erbrechtsentwurf Mommsens gewürdigt werden, weil er für die späteren Kodifikationsarbeiten einen den Partikularentwürfen durchaus vergleichbaren Einfluß gehabt hat 61 • Bemerkenswert ist vor allem, daß Mommsen - ähnlich dem sächsischen Gesetzbuch - die Einteilung der lebzeitigen und letztwilligen Rechtsgeschäfte von ihrem Vollzug abhängig machte und diese Auffassung zum ersten Male ausführlich theoretisch untermauerte. Mommsen trennte die Schenkungen von Todes wegen in vollzogene und nicht vollzogene Rechtsgeschäfte, ordnete die erstgenannten den Schenkungsvorschriften und das Schenkungsversprechen auf den Todesfall den Erbverträgen, Vermächtnissen oder Testamenten zu, je nachdem, ob das Schenkungsversprechen einseitig erteilt, vom Beschenkten angenommen oder lediglich von ihm unterzeichnet worden war (§ 442 des Entwurfes). Abweichend vom sächsischen Recht bestimmte § 440, daß die Schenkung entfiel, sofern der Beschenkte den Schenker nicht überlebte. In seiner Entwurfsbegründung bezeichnete Mommsen die Überlebensbedingung deshalb nicht als entscheidend, weil sie auch entgeltlichen Verträgen hinzugefügt werden könne, ohne daß sich deren Rechtscharakter ändere 62 • Die Zuordnung des Schenkungsversprechens zum Erbrecht stützte Mommsen auf die vergleichbaren Rechtswirkungen einer nicht vollzogenen Schenkung auf den Todesfall. Hinzu trat für ihn die Besorgnis, daß erbrechtliche Vorschriften umgangen werden könnten, sofern entsprechende Vereinbarungen dem allgemeinen Schenkungsrecht unterstellt würden. Um ein Rechtsgeschäft unter Vgl. die Begründung v. Schmitts zu §§ 220f. TE S. 536; Mornrnsen, Erbrecht S. 432. Die Vorschriften über die Schenkung auf den Todesfall sind bei Harder, Zuwendungen S. 90 abgedruckt. 61 Ausf. Harder, Zuwendungen S. 94. 62 Erbrecht S. 430. 59
60
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IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
Lebenden annehmen zu können, bedurfte es für Mommsen der unmittelbaren und fühlbaren Vermögensverminderung beim Schenker, mithin des Vollzuges, nach seiner Entwurfsformulierung durch auflösend bedingte Rechtsübertragung. Die bedingte Forderungsentstehung beim Schenkungsversprechen reichte nach seiner Ansicht nicht aus, da sie nicht den Schenker selbst treffe, sondern erst gegen seine Erben geltend gemacht werden könne. - Es findet sich hier der Gedanke, der auch der späteren Fassung des § 2301 BGB zugrunde liegt, wenngleich weder die Begründung zum Teilentwurfnoch die Motive ausdrücklich auf Mommsen Bezug nehmen 63 . Damit bestätigt sich erneut die Vermutung, daß am Ende der Entwicklung der römisch-rechtlichen donatio mortis causa die Erkenntnis von der Unzulänglichkeit aller gemeinrechtlichen Lösungsversuche stand. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die spätere Interpretation und Ausfüllung des Vollzugsbegriffes zu den tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten im geltenden Recht geführt hat 64 , so ermöglicht dieses Merkmal doch ingesamt eine zufriedenstellende Problemlösung und hat sich als geeignet erwiesen, die allgemeine Grenzziehung zwischen lebzeitigem und letztwilligem Rechtsgeschäft vorzunehmen. Unverkennbar liegt hierin eine Abkehr von der jahrhundertelangen Behandlung der Schenkung von Todes wegen. Die Untersuchung hat indessen verdeutlicht, daß dies die Folge einer mißglückten Gleichsetzung von donatio mortis causa und Legat in der justinianischen Kodifikation war, deren Auswirkungen bis zum 19. Jahrhundert nicht vollständig beseitigt werden konnten. Des weiteren ist der enge Zusammenhang zwischen der formellen und materiellen Ausgestaltung der donatio mortis causa einerseits und der Rechtsstellung der Nachlaßbeteiligten andererseits deutlich geworden, deren Schutz zu allen Zeiten in die Betrachtung einbezogen blieb. Schließlich hat sich gezeigt, daß die erbrechtlichen Folgen solcher Rechtsgeschäfte, deren Vornahme vergleichbare Motive wie einer letztwilligen Verfügung zugrunde liegen, bei der rechtlichen Beurteilung nicht unberücksichtigt bleiben können. Das Problem liegt allein darin, ob entsprechende Wertungen auf der Tatbestands- oder auf der Rechtsfolgenseite vorzunehmen sind, und zwar durch analoge Anwendung interessengerechter Erbrechtsregeln auf ein grundsätzlich lebzeitiges Rechtsgeschäft. - Die Untersuchung soll zum Abschluß der Frage nachgehen, ob gewinnbringende Erkenntnisse aus der Fortentwicklung der Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechts zu ziehen sind, an deren Ende die spezialgesetzlich geregelte Hofübertragung des heutigen Rechtes steht.
63 Vgl. die Begründung v. Schmitts zum TE S. 540ff.; Mot V S. 350 u. Anm. 1; Harder, Zuwendungen S. 94. 64 Vgl. Olzen, Vorweggenommene Erbfolge S. 110ff.
3. Die rechtliche Behandlung der Gutsabtretung in der Literatur
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3. Die rechtliche Behandlung der Gutsabtretung in der Literatur des 19. Jahrhunderts Ungeachtet aller inhaltlichen Unterschiede zeigt ein Vergleich zwischen der donatio mortis causa und der Gutsabtretung im Recht des 19. Jahrhunderts eine deutliche Erkenntnis. Sie besteht darin, daß der Stellenwert bei der Rechtsinstitute in Literatur und Gesetzgebung völlig unterschiedlich war. Während die monographische Behandlung der donatio mortis causa sich allein auf die Arbeit Cohens beschränkte, sofern man von einigen Arbeiten zu Sonderproblemen absieht 65 , war die Gutsabtretung im 19. Jahrhundert Gegenstand umfangreicher Schriften. Allerdings beschränkte sich diese Erscheinung auch auf den genannten Zeitraum. Weder vorher noch nachher bemühte sich die Rechtswissenschaft in vergleichbarer Weise um dieses ursprünglich deutsch-rechtliche Institut 66 • - Anders hingegen stellt sich das Bild in der Gesetzgebung dar. Trotz aller dogmatischer Unterschiede hat die vorangegangene Untersuchung gezeigt, daß nur wenige der bedeutenden Partikulargesetze und Entwürfe auf Sondervorschriften für die Schenkung von Todes wegen verzichtet haben. Die Gutsabtretung hingegen findet sich lediglich in zwar zahlreichen, aber wenig überschaubaren Provinzial-Verordnungen 67. Die Erklärung wird darin zu sehen sein, daß eine lange und unterschiedliche Entwicklung der Gutsabtretung in den einzelnen Gebieten vorangegangen war, während die donatio mortis causa als ein mehr oder minder geschlossenes römisch-rechtliches Institut rezipiert wurde. Dieser Umstand läßt es sinnvoll erscheinen, die literarische Behandlung des Gutsübergabevertrages durch die Rechtswissenschaft in den Vordergrund zu stellen und die gesetzlichen Regelungen nur in besonderen Fällen in die Betrachtung einzubeziehen, ein Vorgehen, das sich bei der donatio mortis causa aus den vorgenannten Gründen verbot. Bei der Gutsabtretung erscheint es jedoch um so mehr angebracht, als hier die Wissenschaft ein nahezu vollständiges System von Rechtsregeln entwickelt hat. a) Formen der Gutsabtretung
Ähnlich wie die Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechts 68 kam die Gutsabtretung in unterschiedlichen Formen vor. Im wesentlichen lassen sich jedoch drei verschiedene Vertragsgestaltungen unterscheiden. Entsprechend der donatio post obitum 69 oder auch des langobardischen gaireCohen, Schenkung von Todes wegen S. 1. Abgesehen von der Arbeit Meyers, Der Übergabevertrag, aus dem Jahre 1935. 67 Zahlreiche Nachw. aus der Gesetzgebung des 18. Jahrhunderts gibt Runde, Altentheil S. 39fT. u. Puchta, Bäuerliche Gutsabtretung S. 76fT.; zum badischen Recht vgl. Scheuermann, Vermögensübergaben S. 74fT.; zum kurhessischen Recht Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 121 ff. 68 Vgl. oben U/. 69 Vgl. oben 11/ Fn. 15. 65
66
112
IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
thinx 70 konnte der vollständige Eigentumserwerb bis zum Tode des Verfügenden hinausgeschoben werden 71. Üblich war dagegen die sofortige und unwiderrufliche Eigentumsübertragung 72. Damit verband man regelmäßig, allerdings nicht zwangsläufig, wie noch zu zeigen sein wird, eine Verpflichtung des Übernehmers, den bisherigen Eigentümer des Gutes zu versorgen 73. Anstelle dieser Versorgungsleistungen bedingte sich der Übergebende zuweilen einen Nießbrauch aus, der zeitlich begrenzt oder lebenslänglich vereinbart wurde und unter der Bezeichnung "Vorbehalt des Regirs" Gegenstand zahlreicher partikularrechtlicher Vorschriften war 74 • In dieser Hinsicht bestand das Vorbild der donatio reservato usufructu 7s • Allen Formen der Gutsabtretung ist damit die enge Beziehung zum älteren deutschen Recht gemeinsam, ferner der Umstand, daß sämtlichen Rechtsgeschäftsformen ein Eigentumserwerb des Übernehmers zu Lebzeiten des Übergebenden zugrunde lag 76 . b) Die Rechtsnatur des Gutsübergabevertrags Die Einordnung des Gutsübergabevertrages in die vorhandenen rechtsgeschäftlichen Kategorien stellte eines der umstrittensten Probleme dar und war deshalb von entscheidender Bedeutung, weil damit untrennbar die Anwendbarkeit verschiedener Rechtsregeln zusammenhing. Die Schwierigkeiten beruhten zum einen darauf, daß sowohl aus dem römischen als auch aus dem deutschen Recht Vorbilder zur Verfügung standen, zum andern lagen sie in der Stellung des Rechtsinstitutes zwischen lebzeitigem Rechtsgeschäft und letztwilliger Verfügung. Die Unsicherheiten hinsichtlich der Einordnung in die letztgenannten Kategorien war eine Folge des Umstandes, daß der Erbvertrag im ausgehenden Mittelalter als Fortentwicklung der Vergabung von Todes wegen nicht die eindeutige inhaltliche Bestimmung eines Rechtsgeschäfts von Todes wegen erfahren hatte, die ihm im heutigen Recht zukommt 77 • Andererseits zeigt sich gerade hieran die enge Verbindung zwischen der Vergabung von Todes wegen und dem Erbvertrag in dieser Zeit. Sie wurde zusätzlich durch die Erkenntnis Vgl. oben 1I/1/. Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 201 f. faßt nur diese Geschäftsform als Vergabung von Todes wegen auf; vgl. ferner Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 399; Runde, Altentheil S. 331. 72 Hillebrand, Deutsches Privatrecht S. 752; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 146; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 23; hierfür bestand eine Vermutung, Runde, Altentheil S. 320. 73 Diese Vertragsgestaltung erinnert an die fränkische Affatomie, vgl. oben 11/ Fn. 16. 74 Vgl. die Nachw. bei Runde, Altentheil S. 332ff.; ferner Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 141 f.; Hillebrand, Deutsches Privatrecht S. 752. 75 Vgl. oben 11/ Fn. 15. 76 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 146; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 23. 77 Vgl. dazu Eichhorn, Deutsches Privatrecht S. 792f. u. S. 853; Runde, Altentheil S. 12; ders. ZfDR Bd. 7, 6, 16. 70 71
3. Die rechtliche Behandlung der Gutsabtretung in der Literatur
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verstärkt, daß die Gutsübergabe der vorweggenommenen Erbfolge diente und damit im gewissen Sinne selbst ein erbrechtliches Rechtsgeschäft sein müsse 78. Insgesamt hat die Abgrenzung zwischen Gutsübergabevertrag und Testament bzw. Erbvertrag der Literatur des 19. Jahrhunderts jedoch weniger Schwierigkeiten bereitet als die Zuordnung des Rechtsgeschäftes zu den verschiedenen lebzeitigen Rechtsgeschäftstypen, da nach überwiegender Auffassung die zu Lebzeiten des Übergebenden eintretenden Rechtswirkungen des Übergabevertrages, vor allem die Notwendigkeit eines Vollzugsgeschäftes in Fonn der Eigentumsübertragung, ein hinreichendes Differenzierungskriterium darstellte 79. Die entgegengesetzte Auffassung, wonach der Gutsübergabevertrag ein Erbeinsetzungsvertrag in seiner mittelalterlichen Fonn sein sollte, blieb demgegenüber vereinzelt 80 • Vergleichbar aussagekräftige Unterscheidungsmerkmale für die Kategorisierung des Übergabevertrages als lebzeitigem Rechtsgeschäftstyp waren schwieriger zu finden, ähnlich wie es bereits bei der donatio mortis causa zu beobachten war. In diesem Zusammenhang ging es zunächst um die grundsätzliche Frage, ob sich der Gutsübergabevertrag als entgeltliches oder unentgeltliches Rechtsgeschäft darstelle. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß das Modell der Gutsabtretung regelmäßig durch Leistungen des Empfängers gekennzeichnet war 81 , z. B. in Fonn von Versorgungslasten oder Geldzahlungen zugunsten des Übertragenden bzw. Abfindungsleistungen für die weichenden Erben. Häufig stand auch eine Übernahme von Schulden infrage, auf die noch näher einzugehen sein wird. Einschränkend ist jedoch hinzuzufügen, daß man derartige Nebenabreden nicht als essentiellen Bestandteil der Gutsabtretung ansah 82 • Wurden andererseits dem Übernehmer derartige Verpflichtungen aufgebürdet, so handelte es sich nach einer Auffassung, die vor allem von Puchta vertreten wurde, bei der Gutsabtretung um einen gewöhnlichen Kaufvertrag 83 • Diese Betrachtungsweise kann als der Versuch gekennzeichnet werden, den Vertrag in die Kategorien des römischen Rechts zu fassen 84 • Hierin lag gleichzeitig der wichtigste Ansatzpunkt der Kritik, die auf den deutschrechtlichen Ursprung des Rechtsinstitutes hinwies 85 . Zusätzlich wurde geltend gePfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 121. Hillebrand, Deutsches Privatrecht S.752 Fn. 14; Mittermaier, Grundzüge S.47; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 400; Runde, ZfDR Bd. 7, 9f.; Baer, Der Leibgedingsvertrag S.34ff. 80 Eichhorn, Deutsches Privatrecht S. 853; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 121 mwNachw. 81 Beseler, Erbverträge Bd. Ir S.202; Mittermaier, Grundzüge S. 46; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 395. 82 Runde, Altentheil S.290; anders allerdings ZfDR Bd.7, 23; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 132. 83 Beseler, Erbverträge Bd. Ir S. 211. 84 Beseler, Erbverträge Bd. II S. 211; Mittermaier, Grundzüge S. 47. 85 Stobbe, Privatrecht Bd. V, S. 399f. 78 79
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IV. Donatio mortis causa und Gutsabtretung im Schrifttum
macht, daß der den Abfindungsleistungen zugrunde liegende Wertanschlag des Gutes nach der Parteivereinbarung keinen wirklichen Gegenwert für das Gut darstellen sollte und deshalb nicht als Kaufpreis anzusehen sei 86 . Damit war nach überwiegender Auffassung jedoch nicht ausgeschlossen, den Vertrag durch entsprechende Willensübereinkunft als Kaufvertrag auszugestalten 86. Einigkeit herrschte jedoch darüber, daß der Abschluß eines Kaufvertrages gleichzeitig den Rechtscharakter des Übergabevertrages als Form der vorweggenommenen Erbfolge entfallen lasse 8 ? Obwohl Puchta sich für seine Ansicht auf die Formulierung verschiedener Landesgesetze berufen konnte 88 , ist ihm die Anerkennung im größeren Rahmen versagt geblieben 89. Damit war jedoch nicht entschieden, ob der Gutsübergabevertrag im Schenkungsrecht anzusiedeln sei oder ob er als vollständig eigenes Rechtsinstitut ausschließlich speziellen Regeln zu folgen habe. Unproblematisch erschien die Abgrenzung zur donatio mortis causa. Die Gutsabtretung galt nach allgemeiner Ansicht als unwiderrufliches und vom Vorversterben des Schenkers unabhängiges Rechtsgeschäft; hierin wurde der wesentliche Unterschied beider Vertragstypen gesehen 90 . Umstrittener hingegen war das Problem, inwieweit die Gutsabtretung als Schenkung bzw. Schenkung unter Auflage angesehen werden konnte. Soweit ersichtlich, vertrat allein Pfeiffer die Auffassung, es handele sich um eine Schenkung mit der Maßgabe, daß die Wertdifferenz zwischen ihrem Gegenstand und den Leistungen des Übernehmers Zuwendungsgegenstand sei 91 • Inhaltlich findet sich hierin eine These, die teilweise heute noch zur gemischten Schenkung vertreten wird 92 • Unter Hinweis darauf, daß eine vorweggenommene Erbfolge ebensowenig wie eine wirkliche Erbfolge in einen Wertüberschuß erfolgen könne, während der Rest den Nachlaß darstelle, hat die Betrachtungsweise Pfeiffers vor allem den Widerspruch Beselers gefunden 93. Ähnlich wie der Lehre Puchtas ist auch ihr die Anerkennung versagt geblieben. Die dogmatische Konstruktion des Gutsübergabevertrages als Schenkung unter Auflage hat sich in der Literatur gleichfalls nicht durchsetzen können 94 • 86 Mittermaier, Grundzüge s. 47; Runde, Altentheil S. 308; Stobbe, Privatrecht Bd. V S.399. 87 Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 211; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 399. 88 Vgl. die Nachw. in: Bäuerliche Gutsabtretung S.72ff.; ferner Runde, Altentheil S.308fT. 89 Beseler, Erbverträge Bd. II S. 211 ff; Mittermaier, Grundzüge S. 47; Pfeiffer, Practisehe Ausführungen Bd. IV S. 124 mwNachw.; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 399. 90 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 146f.; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 400; Runde ZfDR Bd. 7, 9ff. 91 Practische Ausführungen Bd. IV S. 122. 92 Vgl. dazu die im Teilentwurf des Schuldrechts vorgesehene gesetzliche Regelung (§ 497 Abs. 2 TE). 93 Erbverträge Bd. II S. 206.
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Als wesentliches Hindernis wurde dabei erachtet, daß nach der Absicht der Parteien keine freigiebige Zuwendung, d. h. keine Bereicherung des Übernehmers gewollt sei, sondern lediglich ein Vorempfang auf den künftigen Erbfall gewährt werde 95 • Hinzu trat, daß man das Motiv des Übergebers, sich zur Ruhe setzen zu wollen, als eigennützig ansah 96 • Der letztgenannte Gesichtspunkt erscheint von größerer Bedeutung als der von Beseler vorgetragene Einwand, eine Schenkung unter Auflage entfalle, wenn der Wert der dem Übernehmer aufgebürdeten Leistungen denjenigen des Gutes zum großen Teil aufwiege 97 , da dies lediglich den Wert der Zuwendung mindern, nicht aber eine Schenkung ausschließen würde. Insgesamt betrachtet, stellt sich die Ablehnung des Schenkungscharakters der Gutsabtretung als Folge des mangelnden subjektiven Tatbestandes dar 9s , während die objektiven Voraussetzungen einer Vermögensmehrung des Übernehmers nicht in Frage gestellt wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Anrechnung der Zuwendung auf den Erbteil im Unterschied zum gegenwärtigen Recht offenbar als zwingende Folge der Gutsabtretung angesehen wurde. Diese Schlußfolgerung steht in Einklang mit der überwiegenden Ansicht in der Literatur des 19. Jahrhunderts, die die Gutsübergabe als vorweggenommene Erbfolge in wörtlicher Bedeutung ansah 99 • Damit sollte vor allem zum Ausdruck gebracht werden, daß die Gutsübertragung zu Lebzeiten des Übergebenden ähnliche Rechtswirkungen zeitigte, wie sie sonst im Tode des Übergebenden eingetreten wären 100. Allgemeiner Auffassung entsprach es, daß der Gutsübergabevertrag keine Universalsukzession nach sich zog, sondern vielmehr eine Einzelrechtsnachfolge; die Übertragung der einzelnen Güter hatte dementsprechend nach den für sie geltenden Regeln zu erfolgen 101. Allerdings blieb selbst dieses Verständnis der Gutsabtretung nicht unangefochten. Man wendete ein, daß die Einordnung des Gutsübergabevertrages als vorweggenommene Erbfolge bei folgerichtiger Durchführung alle Rechtswirkungen eines wirklichen Erbfalles herbeiführen 94 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 125; Scheuermann, Vennögensübergaben S. 45. 95 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 125; Runde, ZfDR Bd. 7,15; vgl. ferner Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 213; Gengier, Privatrecht S. 371. 96 v. Gerber, System S. 530; Runde, ZfDR 7, 15. 97 Hillebrand, Deutsches Privatrecht S. 752 Fn. 14 zum Meinungsstand. 98 Gengier, Privatrecht S. 371; Mittermaier, Grundzüge S.47; zum badischen Landrecht vgl. Scheuermann, Vermögensübergaben S. 102ff. 99 Daneben wurden auch die Bezeichnungen "erfrühte Erbfolge", "anticipierte Erbfolge" oder "successio anticipata" verwendet. Vertreter dieser Ansicht waren Gengier, Privatrecht S.371; v. Gerber, System S.530; Mittermaier, Grundzüge S.47; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 122, der allerdings den Übergabevertrag auch als Erbvertrag ansah; Runde, ZfDR Bd. 7,31 ff. u. Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 400ff. 100 v. Gerber, System S. 530; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 401. 101 Crome, System Bd. V S. 372; v. Gerber, System S. 530; Hi/lebrand, Deutsches Privatrecht S. 751; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 149; Runde, Altentheil S. 299ff.; ders., ZfDR Bd. 7, 12ff.; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 401.
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müsse, etwa die Fälligkeit der Pflichtteilsansprüche 102 • Einen Widerspruch sah man zudem darin, daß die wirkliche Erbfolge nur für erbberechtigte Personen Rechtswirkungen herbeiführen könne, während nach überwiegendem Verständnis auch die Gutsabtretung an einen Nichterbberechtigten zulässig war 103 . Daran zeigt sich, daß sich die Rechtsnatur des Gutsübergabevertrages kaum weniger umstritten darstellte als diejenige der donatio mortis causa. Versucht man eine Zusammenfassung der Grundsätze, über die zumindest weitgehend Übereinstimmung herrschte, so wird deutlich, daß man den historischen Ursprung des Rechtsgeschäftes in der Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechtes nahezu vollständig anerkannte 104 • Einigkeit läßt sich ferner darin feststellen, daß man das Rechtsgeschäft als solches unter Lebenden auffaßte. Daraus ergab sich, daß der Erwerb des Gutes nicht erbrechtlichen Regeln, sondern denjenigen des Sachen- und Schuldrechtes folgte. Der vorhandene Bezug zum Erbrecht dokumentierte sich darin, daß das Rechtsgeschäft in gewisser Weise wie ein Erbfall wirkte, ohne allerdings die Rechtsfolgen einer Universalsukzession nach sich zu ziehen. Deshalb sollte der gemeinrechtliche Satz "hereditas viventis non datur" dem Abschluß entsprechender Rechtsgeschäfte nicht entgegenstehen 105. c) Die Rechtsfolgen der Gutsabtretung
Die Rechtsfolgen des Gutsübergabevertrages stehen im untrennbaren Zusammenhang mit der dogmatischen Einordnung des Rechtsinstitutes. Geht man von der im 19. Jahrhundert überwiegenden Auffassung aus, wonach das Rechtsgeschäft weder Kauf noch Schenkung war, so sind die Vorschriften beider Vertragstypen auf den Gutsübergabevertrag unanwendbar. Daraus folgt insbesondere, daß ein Widerruf wegen groben Undanks nicht in Betracht kam 106, entsprechendes galt für die Rückforderung wegen Nichterfüllung der Auflage, wie sie das geltende Recht in § 527 BGB vorsieht und wie sie auch im gemeinen Recht unter Bezugnahme auf C 8.53.1 anerkannt war lO7 • Dem Übergebenden stand in diesen Fällen die Klage auf Erfüllung des Vertrages Beseler, Erbverträge Bd. II S. 209f.; Mittermaier, Grundzüge S. 47. Vgl. Beseler, Erbverträge Bd. II S. 208; Bluntschli, Deutsches Privatrecht Bd. II S. 75; v. Gerber, System S. 530 Fn. 5; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 123. 104 Vgl. allerdings v. Gerber, System S. 530 Fn. 2, der den Ursprung des Rechtsinstitutes in der "Anstattung" oder "Beradung" der Kinder sieht. Damit dürfte allenfalls ein Teilaspekt in der historischen Entwicklung betroffen sein. 105 Beseler, Erbverträge Bd. II S.206; Runde, Altentheil S.299. Zusätzlich wird teilweise darauf verwiesen, daß die Beerbung zu Lebzeiten im älteren deutschen Recht vielfach als bürgerlicher Tod angesehen wurde, vgl. Gengier, Privatrecht S. 373; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 25. 106 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 165; Runde, Altentheil S. 550f. 107 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 164; Runde, Altentheil S. 454ff. 102
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ZU 108. Im übrigen wurde hinsichtlich der rechtlichen Auswirkungen der Gutsabtretung auf die Miterben sowie die Gläubiger des Übergebenden unterschieden.
aa) Die Rechtsstellung der Gläubiger nach der Gutsabtretung
Zur KlarsteIlung sei bezüglich des Vergleichs mit den Rechtswirkungen einer donatio mortis causa auf die Gläubiger des Schenkers darauf hingewiesen, daß die Haftungsfrage bei der Gutsabtretung regelmäßig bereits zu Lebzeiten des Übergebenden auftrat, weil sich das Rechtsgeschäft nicht erst im Zeitpunkt des Erbfalles vollendete. Anders stellte sich die Rechtslage zumindest bei der nicht vollzogenen Schenkung von Todes wegen dar. Hinsichtlich der Schuldenhaftung differenzierte die Literatur nach der Person des Verpflichteten einerseits sowie nach dem Entstehungszeitpunkt der Ansprüche andererseits. Das Problem bestand darin, ob und inwieweit der Gutsübernehmer für bereits bestehende Schulden des Übertragenden in Anspruch genommen werden konnte. Es ließ sich unschwer insoweit lösen, als es sich um eine dinglich gesicherte Forderung handelte oder der Übernehmer ausdrücklich im Gutsübergabevertrag die Haftung übernommen hatte 109 • Durch diese Schuldübernahmevereinbarung zwischen Übernehmer und Übergeber entstand eine persönliche Verpflichtung des Übernehmers gegenüber den Gläubigern, obwohl diese nicht Parteien des Gutsübergabevertrages waren HO, konstruktiv handelte es sich dabei um einen Vertrag zugunsten Dritter lll . Der Übernehmer haftete mit dem Bestand des ihm übergebenden Gutes ll2 . Soweit er dadurch zur Veräußerung gezwungen wurde, gingen die Versorgungslasten auf den Erwerber über, da sie nach allgemeiner Ansicht als Reallast auf dem Grundstück ruhten H3. Trotz der ausdrücklichen Schuldübernahme konnte der Übergebende weiterhin in Anspruch genommen werden, jedoch vom Übernehmer die Befreiung von der Verbindlichkeit oder Sicherheitsleistung verlangen 114. Daran zeigt sich, daß die Haftung des Gutsübergebers grundsätzlich von der Gutsabtretung unberührt blieb 115 • Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 165. Beseler, Erbverträge Bd. II S. 203 f.; Gengier, Privatrecht S. 374; Mittermaier, Grundzüge S.48; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 152; Puchta, Bäuerliche Gutsabtretung S.128; Runde, Altentheil S.301; ders., ZfDR Bd.7, 13f.; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 397f. 110 Beseler, Erbverträge Bd. II S. 203; Mittermaier, Grundzüge S. 48; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 152. m Kritisch Scheuermann, Vermögensübergaben S. 146 unter Hinw. auf das römische Recht. 112 Vgl. die Nachw. aus der Gesetzgebung bei Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 397 Fn. 18. 113 RGZ 27, 230, 231; v. Gerber, System S. 531; Runde, Altentheil S. 408; ders., ZfDR Bd.7, 24ff.; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 161; aA Puchta, Bäuerliche Gutsabtretung S. 132. 114 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 152 f. 108
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Schwieriger war hingegen der Fall zu beurteilen, wenn eine entsprechende Vereinbarung fehlte oder die Forderung gegen den Übertragenden nicht dinglich gesichert war. Hier behalf man sich mit der Annahme eines konkludent geschlossenen Schuldübernahmevertrages, sofern das übertragene Gut das Gesamtvermögen des Altschuldners darstellte 116 • Teilweise wurde diese Regelung analog angewendet, sofern der dem Übergebenden verbleibende Vermögensrest ersichtlich zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreichte ll7 . Allerdings kam hier, anders als bei der ausdrücklichen Schuldübernahme, keine Leistungsklage der Gläubiger gegen den Übernehmer in Betracht 118 • Jene konnten vielmehr lediglich mit der actio Pauliana Rückgewähr der zu ihrer Befriedigung notwendigen Vermögensbestandteile an den Übertragenden verlangen 119 • - Nicht ganz eindeutig geklärt war die Frage, ob dieses Rechtsmittel nur dann eingriff, wenn der Übertragende in der Absicht, die Gläubiger zu benachteiligen, gehandelt hatte. Die Benachteiligungsabsicht wurde jedenfalls vermutet, sofern der Übergeber das Rechtsgeschäft in Kenntnis der bestehenden Schulden geschlossen hatte, ferner dann, wenn der Übernehmer das gesamte Vermögen oder doch eine wesentliche Quote desselben erhalten hatte und ausdrücklich vereinbart worden war, daß er für die bestehenden Schulden nicht haften sollte 120 • Daran zeigt sich insgesamt, daß den Schuldnern des Übertragenden aus der Gutsübernahme keine wesentlichen Nachteile entstanden, ihnen vielmehr umgekehrt durch die Zugriffsmöglichkeit auf zwei Personen Vorteile erwachsen konnten. Vereinzelt wurde über die Haftung der Vertragsparteien hinaus noch eine solche der sonstigen Beteiligten, d. h. der weichenden Erben konstruiert, sofern sie Abfindungszahlungen erhalten hatten. Dieser Gedanke beruhte offenbar auf dem Verständnis der vorweggenommenen Erbfolge als wirklichem Erbfall. Dementsprechend vertrat Pfeiffer, der den Gutsabtretungsvertrag als Erbvertrag ansah, die Ansicht, die abgefundenen Erben seien subsidiär und entsprechend dem empfangenen Betrag zur Befriedigung der Gläubiger verpflichtet, sofern das zurückbehaltene Vermögen des Übernehmers hierzu nicht ausreichte. Hinsichtlich der Haftung des Übernehmers ging er dabei nicht von dem 115 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 151; Runde, ZfDR Bd. 7,13; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 398. 116 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S.153; Runde, ZfDR Bd.7, 13; zur Übernehmerhaftung vgl. heute § 419 BGB. 117 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 155, Runde, ZfDR Bd.7, 13 unter Hinw. auf Paulus D 23.3.72. 118 Scheuermann, Vermögensübergaben S. 143 u. 158f. 119 Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 204; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 155; Runde, ZfDR Bd. 7, 14; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 398. 120 Runde, ZfDR Bd. 7, 14; v. Savigny, System Bd. IV S. 140 unter Hinw. aufJulianus D 42.8.17.1; vgl. auch Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S.154; Scheuermann, Vermögensübergaben S. 159.
3. Die rechtliche Behandlung der Gutsabtretung in der Literatur
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geschätzten, sondern dem wirklichen Werte des Gutes aus l21 . Diese Problemlösung orientierte sich jedoch zu stark an der Vorstellung einer sonst allgemein abgelehnten Universalsukzession, so daß sie keine allgemeine Zustimmung fand 122. Grundsätzlich blieb damit die Haftung für Altschulden des Übergebenden auf seine Person sowie die des Empfängers beschränkt. - Eine Haftung entfiel vollständig bezüglich solcher Schulden, die erst nach der Gutsabtretung entstanden waren 123. In diesem Fall kam lediglich nach dem Tode des Übergebenden eine allgemeine Erbenhaftung infrage l24 . bb) Gutsabtretung und Pflichtteilsberechtigte Die rechtliche Stellung der Pflichtteilsberechtigten war in der Literatur zum Gutsübergabevertrag ursprünglich umstritten. Teilweise wurde vertreten, die römisch-rechtlichen Regeln der Pflichtteilsergänzung seien auf das deutschrechtliche Institut der Gutsübertragung unanwendbar l25 ; eine Auffassung, die bereits in den kursächsischen Konstitutionen gesetzgeberischen Ausdruck für die Vergabungen von Todes wegen gefunden hatte. Allerdings zeigt sich, daß diese Betrachtungsweise seit der Arbeit Rundes aus dem Jahre 1805 126 aufgegeben wurde, so daß nun nach allgemeiner Ansicht die Rechte der Pflichtteilsberechtigten bei der Gutsübertragung Berücksichtigung finden mußten 127. Die Meinungsänderung beruhte nicht zuletzt auf der Erkenntnis, daß auch das ältere deutsche Recht grundsätzlich die Interessen der gesetzlichen Erben geschützt hatte 128 • Eine Benachteiligung der Pflichtteilsberechtigten wurde nicht allein in der Übergabe des Gutes als solcher gesehen, sondern auch in einem willkürlich zu gering bemessenen Schätzpreis, der regelmäßig zur Abfindung der weichenden Erben Verwendung fand 129. Hieraus folgte allerdings keine Klage auf Aufhebung des Übergabevertrages, sondern vielmehr auf Ergänzung des Pflichtteils, ähnlich, wie es auch bei der donatio mortis causa beobachtet werden konnte l30 • Insofern gleichen sich die Rechtsbehelfe, da bei Practische Ausführungen Bd. IV S. 156f. Scheuermann, Vennögensübergaben S. 146; vgl. auch Puchta, Bäuerliche Gutsabtretung S. 131. 123 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 158f. 124 Ausf. dazu Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 159 f. Hiernach hafteten die abgefundenen Erben nach Ausschlagung der Erbschaft nur in Höhe der zu Lebzeiten des Übergebenden erhaltenen Abfindung. 125 Nachw. bei Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 145; vgl. ferner Runde, Altentheil S. 504 Fn. a. 126 Altentheil S. 504 ff. 127 Beseler, Erbverträge S. 210f.; Mittermaier, Grundzüge S.48; Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 145f., 169ff.; zum kurhessischen Recht S. 207f. mwNachw. auch aus der Rechtsprechung; zum badischen Recht vgl. Scheuermann, Vennögensübergaben S. 102ff.; Stobbe, Privatrecht Bd. V S. 403. 128 Vgl. dazu oben 11/. 129 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 145. 121
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beiden Rechtsgeschäftstypen auf die römisch-rechtliche querela inofficiosae donationis zurückgegriffen wurde l3l . Hieran erweist sich, daß die Behandlung des Rechtsinstitutes nach deutsch-rechtlichen Grundsätzen keinesfalls mit der Konsequenz durchgeführt wurde, die aufgrund der eindeutigen Zuordnung zur Vergabung von Todes wegen des älteren deutschen Rechtes hätte erwartet werden können. Interessanterweise wurde die Anwendbarkeit der querela inofficiosae donationis auf den Gutsübergabevertrag mit der Begründung gestützt, daß die gegenteilige Auffassung eine Umgehung erbrechtlicher Vorschriften ermöglichen würde 132 , ein Gesichtspunkt, der auch im geltenden Recht mitbestimmend bei der Frage ist, welchen Regeln der Übergabevertrag unterliegt. Umstritten war in der Literatur des 19. Jahrhunderts der Entstehungszeitpunkt für die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten. Unter dem Gesichtspunkt, daß der Gutsübergabevertrag eine vorweggenommene Erbfolge sei, erschien es möglich, den Fälligkeitstermin bereits auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu verlegen 133. Daneben wurde auch die Ansicht vertreten, die Klage auf Pflichtteilsergänzung könne erst nach dem Tode des Übertragenden erhoben werden. Zur Begründung wurde die Analogie zum römisch-rechtlichen Vorbild in C 3.29.9 134 herangezogen. Der Meinungsstreit verdeutlicht, daß eine der größten Schwierigkeiten bei der rechtlichen Behandlung eines Gutsübergabevertrages offensichtlich die Entscheidung war, in welchem Umfange den erbrechtlichen Wirkungen des Rechtsgeschäftes Rechnung zu tragen sei 135. Die Konsequenz, die vorweggenommene Erbfolge im vollen Umfang als wirklichen Erbfall zu werten, wurde dabei jedoch nur selten gezogen. Ähnlich wie die donatio mortis causa veranschaulicht die Gutsabtretung damit die Probleme eines Rechtsgeschäftes, dessen Auswirkungen teilweise die am Nachlaß beteiligten Personen betreffen. Die nahezu vollständige Abwicklung zu Lebzeiten des Übergebenden sorgte jedoch im wesentlichen für eine KlarsteIlung der Verhältnisse, wie es sich vor allem an der fast völlig übereinstimmenden Behandlung der Schuldenhaftung des Übernehmers gezeigt hat. Der Vollzug als Mittel zur Grenzziehung zwischen lebzeitigem und letztwilligem Rechtsgeschäft hat sich damit - wie bei der donatio mortis causa - als wirkungsvolles Hilfsmittel erwiesen, um Tatbestandserfordernisse und Rechtsfolgen im wesentlichen festzulegen und andererseits eine Umgehung erbrechtlicher Grundsätze zu vermeiden. Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 169; Runde, Altentheil S. 507. Vgl. oben I/2/a/aa/. 132 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 169 mwNachw. aus der Rechtsprechung. 133 Runde, Altentheil S. 504f.; vgl. auch Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 170. 134 Pfeiffer, Practische Ausführungen Bd. IV S. 170. 135 Vgl. dazu Beseler, Erbverträge Bd. 11 S. 210. 130
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v.
Schlußbetrachtung
Es ist nach allem nicht zu verkennen, daß die historische Entwicklung der donatio mortis causa sowie der Vergabung von Todes wegen interessante Gesichtspunkte aufweist. Darunter fällt in erster Linie die Erkenntnis, daß die Abwicklung von Verträgen, die ihre Rechtswirkungen teilweise im Schuldrecht entfalten, im übrigen aber auch erbrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, stets mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Sie sind das Ergebnis der Spannung, welche zwischen der Verfügungsfreiheit des Erblassers einerseits und den Interessen der Nachlaßbeteiligten andererseits von jeher bestanden hat. Geschichtlich gesehen hat die weitgehende Angleichung von donatio mortis causa und Legat durch Justinian den Konflikt verschärft. Die Probleme entstanden, weil ein Vermögensinhaber, der zu Lebzeiten Einfluß auf den späteren Verbleib seiner Güter nehmen wollte, dem verständlichen Wunsch entsprechend, seine Rechtsposition möglichst weitgehend zu erhalten, von jeher danach trachtete, den Eintritt der Rechtsfolgen auf seinen Todesfall hinauszuschieben. Gerade an der Behandlung der donatio mortis causa hat sich gezeigt, daß es der Rechtswissenschaft über Jahrhunderte nicht gelungen ist, geeignete Kriterien zu schaffen, um die Grenzziehung zwischen lebzeitigem Rechtsgeschäft und letztwilliger Verfügung vorzunehmen. Die Fruchtlosigkeit der Bemühungen führte teilweise dazu, das Institut der Schenkung von Todes wegen in der Gesetzgebung vollständig abzuschaffen. Allen Bemühungen war gemeinsam, daß die Interessen der Pflichtteilsberechtigten und Nachlaßgläubiger an der Erhaltung des Nachlasses berücksichtigt wurden. Insoweit ließ sich eine gewisse Wechselwirkung zwischen der Anwendung erbrechtlicher Vorschriften und den Anforderungen an das Ausführungsgeschäft beobachten. Vor allem in der Glosse und in der Kommentarliteratur, wo die donatio mortis causa nahezu vollständig dem Recht der letztwilligen Verfügungen unterstellt wurde, blieben die Erfordernisse in dieser Hinsicht gering; die Zulässigkeit eines obligatorischen Schenkungsversprechens von Todes wegen war anerkannt. Der Grund lag darin, daß die Behandlung der nichtvollzogenen Schenkung von Todes wegen als Legat die Anwendung weitgehender Schutzvorschriften zugunsten der Nachlaßgläubiger und Pflichtteilsberechtigten mit sich brachte. Demgegenüber verlief die Entwicklung im älteren deutschen Recht anders. Von dem Ausgangspunkt einer gemeinsamen Berechtigung der männlichen Hausgenossen am Grundbesitz entwickelte sich nur langsam ein Freiteilsrecht des Vaters. Die Gebundenheit des Bodens sowie das fehlende Testamentsrecht
122
V. Schlußbetrachtung
führten dazu, daß für eine vorweggenommene Erbfolge ursprünglich nur beim Fehlen männlicher Nachkommen Raum war. Nachdem das Rechtsgeschäft zunächst unmittelbar mit seinem Abschluß oder kurze Zeit danach vollständig abgewickelt wurde, kam es unter dem stärkeren Einfluß römischen Rechtsdenkens auch hier zu Vertragsgestaltungen, die die wirtschaftlichen Folgen möglichst auf den Todeszeitpunkt des Erblassers hinausschieben sollten. Eine Gefährdung der gesetzlichen Erben war dennoch nahezu ausgeschlossen, weil sie gegen eine unberechtigte Vergabung ein Einspruchsrecht geltend machen konnten. Die Rechtsstellung der N achlaßgläubiger läßt sich indessen nicht mit der gleichen Klarheit wie im römischen Recht bestimmen; im ausgehenden Mittelalter wurden sie vor dem Bedachten befriedigt, sofern eine Gesamtvermögensübertragung vorlag. Als Ergebnis einer langen und kontroversen Entwicklung der donatio mortis causa hat sich seit dem sächsischen BGB in Deutschland die Erkenntnis durchgesetzt, daß der lebzeitige Vollzug des obligatorischen Rechtsgeschäftes eine klare Zuordnung zum Schenkungsrecht ermöglicht .. Richtungsweisend waren dabei die Partikulargesetzgeber, die zwar im einzelnen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten, jedoch seit den Naturrechtskodifikationen darin übereinstimmten, daß die Behandlung der donatio mortis causa durch die Wissenschaft als gescheitert oder zumindest mit der Praxis unvereinbar anzusehen sei. Zwar warf auch die Ausfüllung des Vollzugsbegriffes neue Fragen auf. Dennoch hat er sich im Verhältnis zu allen bis dahin vorhandenen als wesentlich geeigneter erwiesen, um Schenkung und Erbvertrag gegeneinander abzugrenzen. Betrachtet man den Zeitraum von der römisch-rechtlichen Klassik bis zur Gegenwart, so läßt sich jedenfalls aus der historischen Entwicklung kein Kriterium anführen, welches mit größerer Berechtigung an die Stelle des Vollzuges treten könnte. In diesem Punkt treffen sich Vergabung von Todes wegen und donatio mortis causa bei aller Verschiedenheit, die sonst zwischen den Rechtsinstituten bestand. Außerdem ist deutlich geworden, daß den erbrechtlichen Bezügen lebzeitiger Vererbung durch die analoge Anwendung erbrechtlicher Vorschriften Rechnung getragen wurde. Die Betrachtungsweise, wonach die lebzeitige Vererbung im wörtlichen Sinne aufzufassen ist und demzufolge alle rechtlichen Folgen des Erbfalles auslöst, fand sich jedoch nur vereinzelt in der Literatur zur Gutsabtretung im 19. Jahrhundert. Sie hat sich in dieser Allgemeinheit nicht durchgesetzt, sondern nur Eingang in das heutige Höferecht gefunden; die partielle Berücksichtigung erb rechtlicher Regeln bei der Gutsabtretung war demgegenüber im 19. Jahrhundert unumstritten.
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