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German Pages 233 Year 1980
Bernhard Ecmer I Antizipierte Erbfolge
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 58
Antizipierte Erbfolge
Von
Univ.-Doz. Dr. Bernhard Eccher In.tltut fllr ZIvIIremt, Universität Inn.bruck
DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN
Alle Rechte vorbehalten
© 1980 Duncker & Humb1ot, Berlin 41
Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany ISBN 3 428 04576 9
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1979 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck als Habilitationschrift angenommen. Zuerst gebührt mein aufrichtiger Dank Herrn Universitätsprofessor Dr. Heinrich Mayrhofer, der in seiner wohlwollenden Art das Zustandekommen dieser Schrift stets gefördert und unterstützt hat, immer zu Fragen und Diskussion bereit war und mir wertvolle Ratschläge gab. Meinen Kollegen am Institut, insbesondere Herrn Dr. Meinhard Purtscheller, danke ich für ihre Kollegialität, ihr Interesse meiner Arbeit gegenüber und für manche Hilfe. Wichtige Hinweise und Erfahrungen aus der notariellen Praxis verdanke ich meinem Vater, Herrn Notar Dr. Bernhard Eccher. Seine Berufsausübung war mir juristisch und menschlich stets Vorbild. Daher sei ihm zum Anlaß der herannahenden Pensionierung diese Arbeit gewidmet. Meine liebe Frau Franziska stand seit den ersten Anfängen dieser Arbeit mit viel Verständnis, viel Geduld und Zuversicht an meiner Seite. Ihre kritischen Fragen als juristischer Laie haben mich oft zum Denken gebracht. Unermüdlich half sie mir bei den Korrekturen. Für all ihre Mithilfe sage ich ihr Dank. Für die Aufnahme dieser Schrift in sein Verlagsprogramm danke ich Herrn Senator E. h. Prof. Dr. Johannes Broermann sehr herzlich. Innsbruck, im April 1979
Bernhard Eccher
Inhaltsverzeichnis Kapitel I: Einleitung ..... . ...... ... . . . .... . . .. ........ . ........ .. .. .
1
Kapitel II: Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
A. Abgrenzung des Themas . . ... . .. . . . .. . .. . ... . . . . . .... . . .. .........
4
B. Fonnen der antizipierten Erbfolge ... . .... . ...... . . ... . ...........
12
1. Bäuerlicher Bereich ..................... . . . . ... . ..............
12
2. Außerhalb des bäuerlichen Bereichs ................... . . ... . . .
13
3. Abfindungen für Erb- und Fflichtteilsverzichte ........... . ....
14
4. Heiratsgut und Ausstattung
15
C. Motivationen
18
1. Allgemein
18
2. Gestiegene Lebenserwartung . .... . .... . . . .... . .... . ..... . .. . ..
19
3. Pensionsrechtliche Motive ..... . ...... . .. .. . .. . . . .... . . ... . ... .
21
4. Steuer- und gebührenrechtliche Motive . . . . ... . .. . ............. a) Allgemein . . .. . ...... . ................. . .... . ...... . . . .. . . . b) Erbschaft- und Schenkungsteuer ...... ... .. . .......... . .... c) Grunderwerbsteuer .. . ..... . .......... .. . . ......... . . . ..... d) Einkommensteuer ... . . .. .. . . . . . . . ...... .. ... . ...... ... . . . .. aal Allgemein ................... ... .. . . .. .... . .. ... .. ... . . bb) Rolle des Betriebsvennögens ... . . . .. . . ... . ......... .. .. cc) Fruchtgenuß ...................... . ..... . ........ . .. . .. e) Vennögensteuer f) Gebühren . . . .. . ........ . ... . . . .. . ... . ... ... ... . .......... . .
23 23 23 27 28 28 29 32 33 34
5. Unternehmerische Motive . .. .......... . .............. . .. . ... . .
34
6. Exkurs: Rechtliche Probleme durch den Tod eines Gesellschafters ....................................... . ................... a) Allgemein . ........................ . . .. . . . . . .. .. ... ... .. ... b) Einzelne Fragen .... . .. . . . ...... . ...... . . . ... . . .. . . .. . .. ... aal Auflösung der Gesellschaft ...... . . .... . ........... . ...
36 36 38 38
VIII
Inhaltsverzeichnis bb) Nachfolgeklauseln ..................................... u) Gesellschaftsvertragliche Nachfolge (Eintritts-)klauseln ß) Erbrechtliche Nachfolge- und Eintrittsklauseln .. . . . . .
40 41 42
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge ..... . .... . ...
44
1. Beispiele aus der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2. Hinweise der Literatur ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
3. Bezugnahmen der Gesetzgebung ..............................
50
4. Rückschlüsse aus den Eingängen der Erbschaft- und Schenkungsteuer ........................................................
53
5. Eigene Stichproben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
III: Erbrecht zu Lebzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
A. Vorzeitiger Erbfall ...............................................
56
Kapite~
1. Allgemein
................................. . ..................
56
2. Die Stadien des Erbschaftserwerbs ............ . ........... . . . .
57
3. Vermächtniserwerb ................. . ...... . ..................
62
4. Erwerb des Pflidltteilsanspruchs ....... . ......... . . . ..........
64
5. Exkurse ...................................................... a) Der vorzeitige Erbausgleich des nidltehelichen Kindes in Deutschland ............................................... b) § 17 Höfeordnung ... . ......................................
68 68 69
6. Zwischenergebnis ... . .................. . ........... . . . ........
70
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht und den Vermächtnisansprudl ........................................................
71
1. Allgemein
....................................................
71
2. Vorleistungen auf das Erbrecht ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antizipierte übergabe späterer Nachlaßgegenstände ........ b) Endgültige übertragung zu Lebzeiten an den künftigen Erben c) Bedeutung der Anrechnungspflidlt zum Erbteil ............ d) Exkurse ............................................. . ..... aa) Art. 534 ZGB .......................................... bb) Die elterliche Vorausteilung des französischen Code civil
72 72 75 76 80 80 82
3. Vorausleistungen auf den Vermächtnisansprudl ......... . . . . . . . a) Allgemein ................................................. b) Antizipierte Übergabe späterer Vermächtnisgegenstände ....
82 82 83
Inhaltsverzeichnis c) Heilung mangelnder Vermächtnisform durch vorzeitige Erfüllung .................................................... d) Endgültige übertragung des Vermächtnisgegenstandes an den zukünftigen Vermächtnisnehmer ............................ e) Zwischenergebnis ................................. . ........
IX 86 92 93
C. Historischer Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
Kapitel IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung. . . . . . . . . . .
98
A. Allgemein
........ . ..............................................
98
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge ...............
99
1. Allgemein ............................... . ..................
99
2. Abgrenzung zum Schenkungsbegriff ...........................
99
3. Zusammenhang mit den Anrechnungsbestimmungen ........ . .. a) Wortlaut .................................................. b) Redaktionsgeschichte des ABGB ............................ c) Sinn und Zweck der Anrechnung von Vorempfängen und Schenkungen .............................................. d) Die Meinung Widmers ............................. . .......
103 103 105
4. Objektiv-teleologische Gesichtspunkte ................. . . . .... . a) Allgemeines und methodische Fragen ................... . .. b) Parteiabsicht und typische Interessenlage ....... . . . . . . . . . . . . c) Die Stellung zu den Nachlaßbeteiligten ..................... d) Vergleich zwischen einem Vermächtnisnehmer und einem Beschenkten .................................................. aa) Das Verhältnis zu den Erben .............. . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verhältnis zu den Pflichtteilsberechtigten .......... ce) Das Verhältnis zu den Gläubigern ................. . . . . . dd) Zwischenergebnis ............................. . ........ e) Exkurse ................................................... aa) Die Schenkung auf den Todesfall .................... . .. bb) Die Lebensversicherung mit Drittbegünstigung . . . . . . . . . .
106 108 113 113 116 117 120 121 121 123 124 125 125 129
5. Zwischenergebnis und Vergleich mit Rechtsprechung und Literatur .........................................................
136
C. Antizipierte Erbfolge und Gegenleistung .........................
142
1. Allgemein ....................................................
142
2. Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung ................
143
3. Gemischt-entgeltliche antizipierte Erbfolge ......... . ..........
146
x
Inhaltsverzeichnis
D. Antizipierte Erbfolge in Erfüllung von Rechtspflichten
149
E. Antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht ........................
151
F. Systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge. . . . . . . . . . . . .
157
1. Rechtsgeschäft eigener Art ............................. . .... . .
157
2. Entgeltfremdheit ................... . . . .... . ...................
160
Kapitel V: Einzelfragen ...................... . .... . .................
163
A. Anrechnung
....................................... . .............
163
B. Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten ......... . .................
165
1. Rechtslage nach § 783 ABGB ....................... . ....... . ..
165
2. Analoge Anwendung des § 783 ABGB ...................... . ..
166
3. Die Abfindung für Erb- und Pflichtteilsverzichte ........... . . .
171
C. Der Schutz der Gläubiger gegenüber Zuwendungen der antizipierten Erbfolge .........................................................
173
Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173
2. a) Haftung nach den Anfechtungsbestimmungen .. . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung nach § 1409 ABGB .................................
174 175
3. a) Die haftungsrechtliche Stellung des Vermächtnisnehmers nach § 662 ABGB ................................................ b) Haftung des Vermächtnisnehmers nach §§ 692 f. ABGB ......
176 179
1.
4.
Analogie der haftungsrechtlichen Stellung eines Vermächtnisnehmers auf den Empfänger einer Zuwendung der antizipierten Erbfolge ................................................
180
D. Formpflicht ... . . . ......................... . ......................
181
E. Antizipierte Erbfolge mit Minderjährigen .,. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
185
1. Geschäftsfähigkeit .......... . .............................. . ..
185
2. Zustimmung des Gerichts .......... . ..........................
187
F. Willensmängel bei antizipierter Erbfolge ............... . .........
188
G. Gutgläubiger Erwerb von Liegenschaften bei antizipierter Erbfolge
189
H. Widerruf wegen Undank ........................................
190
1. Auskunfts- und Rechnungslegungspflichten ......................
193
Inhaltsverzeichnis
XI
J. Besonderheiten des bäuerlichen Gutsübergabsvertrags
195
K. Antizipierte Erbfolge und einzelne Gesetzesbestimmungen ........
197
L. Die Anwendung des Erbschaftsteuergesetzes
197
Kapitel VI: Zusammenfassung
200
Literaturverzeiclmis
202
Stirhwortverzeirhnis
219
Ahkürzungsverzeichnis Die in der Arbeit verwendeten Abkürzungen folgen, soweit unten nichts anderes angeführt ist, den Vorschlägen von Friedl, Abkürzungs- und Zitierregeln. aE AgrarR AnerbenG dAnfG HöfeO KindG RuG SNr StKR va v. Chr. WGB WM ZfDR ZGR
antizipierte Erbfolge (in den Fußnoten) Zeitschrift für das gesamte Recht der Landwirtschaft, der Agrarmärkte und des ländlichen Raumes (1971 ff.) BG 21. 5. 1958 BGBl 106 über besondere Vorschriften über die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz) deutsches Anfechtungsgesetz 21. 7. 1879 RGBI 277 idF 20. 7. 1898 RGBI 709 Höfeordnung BG 30. 6. 1977, BGBI 403 über die Neuordnung des Kindschaftsrechts "Recht und Gesellschaft", Zeitschrift für Rechtskunde (1971 ff.) Sondernummer Steuerkongreßreport (herausgegeben von der Bundeskammer der Steuerbevollmächtigten in Verbindung mit der Zeitschrift für deutsches Steuerrecht; 1963 ff.) vor allem vor Christus Westgalizisches Gesetzbuch "Wertpapier-Mitteilungen" (1947 ff.) "Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft" (1836 ff.) "Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht" (1972 ff.).
KapiteLl
Einleitung Die aktuelle Bedeutung von Erbrecht nimmt ab. Der schleichende Funktionsverlust der erbrechtlichen Normen geht indes keineswegs darauf zurück, daß etwa weniger erbfähiges Vermögen vorhanden wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Jedenfalls seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und jedenfalls in der westlichen Welt läßt sich eine ständig steigende Vermehrung, Wertsteigerung und Verbesserung der Wirtschaftsgüter feststellen. Dies führte auch zu einer Expandierung des Einkommens und Vermögens physischer Personen1 • Die Gründe dieser degressiven Entwicklung liegen einmal in einer permanenten Verlagerung früher vom Erbrecht wahrgenommener Funktionen auf das öffentliche Recht. Man denke bloß an die im Regelfall für die Betroffenen ungleich wichtigere pensionsrechtliche Altersvorsorge oder sonstige sozialrechtliche Fürsorge des Ehegatten nachdem Tod des Erblassers im Vergleich zur Bedeutung der durch Erbrecht übertragenen Vermögensgüter für diese Zwecke. Ähnliches gilt für die durch das allgemeine Steueraufkommen finanzierten staatlichen Leistungen zur Ausbildung und Starthilfe zugunsten der jüngeren Generation!. Die von der Allgemeinheit finanzierten sozialen Leistungen, die deren privat vererbliches Vermögen dezimieren, stellen das sog. "Sozialvermögen" des einzelnen dar, das beim Tode einer Person nicht mehr vom bürgerlichen Erbrecht betroffen wird 3 • Zum anderen nimmt die Bedeutung von Erbrecht aber auch wegen bestimmter Entwicklungen im Bereich des Privatrechts selbst ab. "Nebenerbrechtliche" Gestaltungsformen wie die Schenkung auf den Todesfall, der Lebensversicherungsvertrag mit einer Drittbegünstigungsklausel auf den Todesfall, die Gründung von Familiengesellschaften oder Stiftungen, die Vereinbarung gesellschaftsrechtlicher Nach1 Vgl. Freisitzer FS Wilburg 103; Vermögensstruktur der privaten Haushalte 31 f'J'. 2 Vgl. Finger JZ 1975, 335; Däubler RuG 1974, 45; Steffen dRZ 1972, 265; Schwimann 133 f.; Hausheer ZBJV 1975, 304 fT.; Wiethölter 231. 3 Vgl. Coing 49. DJT 1972 IA 14 f.
2
Kap. I: Einleitung
folgeklauseln genießen verschiedenster Gründe wegen immer häufiger den Vorzug vor einem erbrechtlichen Vermögensübergang 4 • Diese "außererbrechtlichen Sukzessionen", die eine Reihe rechtlicher Probleme aufwerfen, werden jedoch nicht im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen. Es geht vielmehr um ein anderes - aber ebenfalls das Erbrecht substituierendes· - Phänomen. Gemeint sind nicht "neben" dem Erbrecht liegende mit der Erbfolge parallele Gestaltungen des Vermögensübergangs, sondern Vorwegnahmen der erbrechtlichen Nachfolge durch Vermögensübertragungen bereits zu Lebzeiten des Erblassers. Für die Rechtswissenschaft muß sich hierbei die Frage nach der rechtlichen Einordnung und Behandlung dieser in der Rechtswirklichkeit vorgefundenen Erscheinung stellen. Ein besonderes Problem stellt dabei die Anwendbarkeit der erbrechtlichen Normen dar. Der drohende Funktionsverlust dieser Bestimmungen läßt danach fragen, ob sie noch geeignet sind, den Gesetzeszweck zu erreichen6 • Da das angesprochene Untersuchungsgebiet noch keine ausführliche und zusammenhängende Behandlung erfahren hat - wie überhaupt mit der sinkenden praktischen Bedeutung des Erbrechts auch die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Bereichs im Vergleich zu anderen Gebieten des Privatrechts und zu früheren Zeiten abzunehmen scheint7 - erschien es zweckmäßig, zunächst das Thema abzugrenzen, daran anschließend die in der Praxis vorkommenden Formen, die Motivationen und auch die tatsächliche Häufigkeit dieser Geschäfte zu untersuchen (Kap II). Dadurch soll vor allem gewährleistet sein, daß sich die Arbeit nicht bloß mit einem seltenen und damit für die Praxis wenig interessanten Phänomen beschäftigt. Die rechtwissenschaftliche Beurteilung soll möglichst alle denkbaren Konstruktionen, die einer rechtlichen Erfassung der antizipierten Erbfolge dienen könnten, untersuchen. Wenn dabei mit der Frage begonnen wird, ob Erbrecht zu Lebzeiten des Erblassers überhaupt möglich ist (Kap III), geschieht dies deshalb, weil eine Bejahung dieser Frage von vornherein unwahrscheinlich erscheint; diese Möglichkeit muß daher höchstwahrscheinlich im weiteren Gang der Untersuchung gedanklich nicht mehr mitgeschleppt werden. Neben dieser Ausschlußfunktion bringen die diesbezüglichen Erörterungen aber doch auch die Behandlung einer Anzahl interessanter und aktueller Einzelfragen mit sich. Das 4 Vgl. Däubler RuG 1974, 43 f.; WiethöUer 230 f.; Steinwenter JBl 1955, 158 f.; Wahle Rspr 1924, 159. 5 Vgl. Däubler ZRP 1975, 144. 6 Vgl. Papantoniou AcP 1973, 385. 7 Anders offenbar bereits in der Schweiz: vgl. Hausheer ZBJV 1975, 304 ff.
Kap. I: Einleitung
3
Hauptproblem stellt zweifellos die Einordnung der antizipierten Erbfolge in das lebzeitige Vertragsrecht dar (Kap IV). An die Erarbeitung eines generellen Lösungsansatzes schließt sich die Erörterung einzelner praxisbezogener Einzelfragen an (Kap V). Die Untersuchung befaßt sich in erster Linie mit dem österreichischen Recht, stellt jedoch soweit sinnvoll und nötig auch die entsprechenden Bezüge zu den benachbarten Rechtsordnungen her, wobei naturgemäß den Rechtsordnungen der BRD und auch der Schweiz besonderes Augenmerk zu schenken war.
Kapitel II
Grundlagen A. Abgrenzung des Themas Das gewählte Untersuchungsgebiet wird in den einzelnen Quellen mit den verschiedensten Bezeichnungen versehen. Neben "antizipierter" spricht man auch von "vorweggenommener" oder "erfrühter"l Erbfolge, besonders in älteren Schriften findet sich der Ausdruck "successio anticipata". Weiter kommen Begriffe wie Erbvorbezug, Erbvorschuß, Erbschaftsvorhilfe2 , vorausgewährter Erbteil3 , Erbteilsvorausempfang4 , Erbsentfertigung oder Erbabfindung vor. All diese Bezeichnungen sind entweder gar nicht oder nur widersprüchlich definiert, so daß es notwendig ist, zunächst das Untersuchungsgebiet abzugrenzen. Ob der - in der Folge hauptsächlich mit "antizipierter Erbfolge" bezeichnete - Begriffsinhalt "ein juristisch ganz untauglicher"5 ist, soll dann erst die Untersuchung erweisen. Zunächst sei von einem weiten Zuwendungsbegriff etwa im Sinne von Liebisch~ ausgegangen, wonach unter Zuwendungen "alle erlaubten Handlungen" zu verstehen sind, "durch die jemand einem anderen einen Vorteil verschafft"7. Im folgenden geht es ausschließlich um vermögenswerte Vorteile8 • Die Verschaffung rein ideeller Vorteile, denen ja in dem für antizipierte Erbfolge in erster Linie in Betracht kommenden Personenkreis naher und nächster Verwandter höchste Bedeutung zukommt, bleibt hier außer Betracht. Das Thema ist weiter grundsätzlich auf vertragliche Zuwendungen, insbesondere die rechtsgeschäftliche übertragung von Eigentum einzugrenzen. 1 Vgl. Runde ZfDR 1842,1 "Ueber die erfrühete Erbfolge". 2 OGH 1. 7. 1930 SZ 12/232; 12.9.1916 JB11916, 637. 3 z. B. OGH 23. 6. 1891 GlU 13826; 8. 1. 1884 GlU 9830. " z. B. OGH 25. 7.1956 JBl1957, 188. s Harder 26 FN 57; vgl. auch Westhoff FS Hengeler 255, wonach der Begriff der antizipierten Erbfolge kein "gesetzes-technischer" sei; ähnlich Coing NJW 1967, 1777. ~ Unentgeltliche Zuwendungen 6 ff. insb 19. 7 Liebisch, Unentgeltliche Zuwendungen 19. 8 So etwa der Zuwendungsbegriff von Ostler in Staudinger" § 516 Anm 2 fI.
A. Abgrenzung des Themas
5
Doch sind daneben auch die Begründung, Übertragung, Belastung und Aufhebung dinglicher und obligatorischer Rechte einzubeziehen. Nicht notwendig ist es allerdings, wie zum Beispiel die im Rahmen eines übergabsvertrags vereinbarten Abfindungsleistungen zugunsten der am Vertrag nicht beteiligten Geschwister zeigt, daß der Vertrag direkt zwischen Zuwendendem und Zuwendungsempfänger geschlossen wird. Es sei nicht verschwiegen, daß eine vorweggenommene Erbfolge auch in Handlungen, die nicht als Rechtsgeschäfte einzustufen sind, liegen könnte. Als Beispiel seien der Verlust eines Rechts durch Verjährung wegen absichtlicher Nichtgeltendmachung9 , Dereliktion zugunsten einer anderen Person oder die VerschaHung eines Vorteils durch Nicht-Prozeßführung genannt lO • Die Behandlung all dieser Fälle würde jedoch den Umfang der Arbeit sprengen und eine ungerechtfertigte Verkomplizierung herbeiführen. Die für rechtsgeschäftliche Zuwendungen der antizipierten Erbfolge erarbeiteten Ergebnisse können jedoch Ansatzpunkte für eine allfällige Analogie bieten. Unmittelbar bedeutsam sind hier aber bestimmte direkt vom Gesetz gebotene und daher von einer rechts geschäftlichen Begründung unabhängige Leistungenll • Es handelt sich um die in den §§ 1218 H. und 1231 ABGB genannten Zuwendungen des Heiratsgutes an die Tochter und der Ausstattung an den Sohni!, die - wie noch zu zeigen sein wird vom Gesetz selbst als vorweggenommene Erbfolge betrachtet werden. Ihre Mitbehandlung rechtfertigt sich um so mehr, als in der Praxis über diese Zuwendungen, insbesondere über ihre Höhe, gewöhnlich rechtsgeschäftlich abgesprochen und so der gesetzliche Rechtsgrund in einen vertraglichen noviert wird l3 • Zur Kennzeichnung einer Zuwendung als solche einer antizipierten Erbfolge sollen nun bestimmte personelle Voraussetzungen sowie eine bestimmte Zwecksetzung dienen. In personeller Hinsicht müssen die Partner des Geschäfts sich als künftiger Erblasser und künftig erbrechtlich Berechtigter nach dem andem Partner gegenüberstehen. Dieses Kriterium soll rein subjektiv vom Zu diesem Beispiel vgl. Widmer 38 ff. Zu weiteren Beispielen einer "indirekten Schenkung" vgl. Gschnitzer, SchuldR B 42; beachte auch art 737 itCC, der ausdrücklich die indirekte Schenkung als Anrechnungsposten erwähnt. 11 Zum heutigen Meinungsstand über die Rechtsnatur der Erfüllung, wonach diese kein Rechtsgeschäft darstellt, vgl. Bydlinski in Klang! IV/2, 159; Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 368 f.; für die BRD Larenz, Lehrbuch I 191 ff. 12 Dazu unten B. 4. 13 Vgl. Ehrenzweig II/2, 160; OGH 9.11. 1915 GlUNF 7645 = JB 239. Zum Vorliegen einer Novation in solchen Fällen Ehrenzweig lI/I, 359; Wolf! in Klang! VI 265. 9
10
6
Kap. II: Grundlagen
Willen und der Einstellung der Parteien im konkreten Rechtsgeschäft abhängen. Jedennann ist nun aber potentiell Erblasser und jedennann kann auch grundsätzlich durch die Möglichkeit letztwilliger Verfügungen künftig als Erbe oder Vermächtnisnehmer einer andern Person in Betracht kommen. Es erschiene unsachlich differenziert, den Personenkreis, dem eine Zuwendung der antizipierten Erbfolge gemacht werden kann, dahin einzugrenzen, daß der Empfänger zu Lebzeiten des Erblassers bereits eine "gesicherte Erbanwartschaft" besitzen müsse, wobei vor allem an durch Erbvertrag eingesetzte Erben und an Pfiichtteilsberechtigte zu denken ist1'. Mag auch zuzugeben sein, daß die Erbaussichten solcher Personen generell viel gefestigter sind, so ist doch im Grunde jede erbrechtliche Anwartschaft zu Lebzeiten des Erblassers unsicher. Man braucht nur an die Möglichkeit der Vennögensverschleuderung, des Vorversterbens des Erbanwärters oder das Vorliegen eines Erbunwürdigkeitsgrundes denken. Wendet der Erblasser jemandem etwas zur vorweggenommenen Erbfolge zu, so zeigt diese Tatsache am besten, daß der Erblasser den Berechtigten als künftigen Erben ansieht. Die Stärke des Berufungsgrundes tritt demgegenüber zurück. Ist der Empfänger allerdings nach dem Stande zum Zeitpunkt der Zuwendung nicht ein zukünftiger Pfiichtteilsberechtigter oder gesetzlicher ErbeiS, was gewiß die häufigsten Fälle ausmachen dürfte, und auch nicht letztwillig bereits eingesetzt, so wird die geforderte persönliche Voraussetzung, nämlich daß der Empfänger potentiell als erbrechtlich Berechtigter angesehen wird, einerseits äußerst selten und andererseits meist schwer nachzuweisen sein. Diesen Fall auszuklammern erschien jedoch unzweckmäßig. Man müßte dann nämlich Parteien, die eine antizipierte Erbfolge vornehmen wollen, zwischen denen aber noch kein erbrechtliches Band besteht, dazu zwingen, zunächst eine letztwillige Verfügung zu errichten1e• Nach dem Gesagten ist nicht entscheidend, ob der Empfänger den Erblasser überlebt und beim Erbfall tatsächlich Erbe, Vermächtnisnehmer oder Pfiichtteilsberechtigter wird l7 • Eine überlebensbedingung kann 14 Vgl. Runde ZIDR 1842, 8 f.; zur Differenzierung, die Bydlinsiki in Klang 2 IV/2, 193 zwischen einem künftigen Pflichtteilsberechtigten und einem bloßen Erben trifft, siehe unten IIr. A. 4. und IV. B. 5. 13 Für eine Einschränkung auf diesen Personenkreis offenbar Knur, Gutgläubiger Erwerb 21. 18 Als Beispiel sei der Sachverhalt der E OGH 24.7.1877 GlU 6526 genannt: B übergab seine Landwirtschaft seinem Neffen und Pflegesohn M unter Vorbehalt des teil weisen Fruchtgenusses. Er, der selbst kinderlos war, sah in seinem Neffen den künftigen Erben. Vgl. zu dieser E auch unten IV. B. 5. und V.F. 17 So auch Bartholomeyczik / Schlüter 428 zum übergabsvertrag; ähnlich auch Coing NJW 1967, 1779.
A. Abgrenzung des Themas
7
natürlich im Einzelfall zusätzliche Bedingung oder Beweggrund18 der Zuwendung sein. Ein solches generelles Kriterium würde es jedoch unmöglich machen, die Zuwendung vor dem Tod des Erblassers als solche der antizipierten Erbfolge zu erkennen. Anderseits hätte dies die Ausklammerung aller jener Zuwendungen zur Folge, dere'twegen der Empfäger einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht abgibt oder später eine ihm angefallene Erbschaft ausschlägt. Wie gleich zu zeigen sein wird, gehören nämlich diese Leistungen unbedingt auch in den Bereich antizipierter Erbfolge. Ihre Außerachtlassung hätte die Unvollständigkeit der Untersuchung und die Gefahr einer Auseinanderreißung zusammengehöriger Erscheinungen zur Folge. Der Zweck, der mit Zuwendungen der antizipierten Erbfolge erstrebt wird, sei vorläufig ohne nähere Unterscheidung nach Rechtsgrund und Beweggrund dahingehend umschrieben, daß die Beteiligten mit dem Rechtsgeschäft die erbrechtliche Chance des Empfängers nach dem Zuwendungsgeber vorzeitig realisieren wollen, ohne daß der Empfänger aber - abgesehen von der zeitlichen Vorwegnahme - eine zusätzliche zur erbrechtlichen Aussicht hinzutretende Begünstigung erhalten soll. Es ist daher sicher zu wenig, wenn die Zuwendung bloß "irgendwie" mit dem späteren Erbrecht in Verbindung steht19 • Umgekehrt kann aber antizipierte Erbfolge vorliegen, auch wenn der Begünstigte gegenständlich oder rechtsformmäßig nicht genau das erhält, was er später auf Grund des erbrechtlichen Erwerbstatbestandes erhalten hätte: So, wenn der Erblasser die leb zeitig im Wege vorweggenommener Erbfolge übertragene Sache andernfalls verkauft hätte und nur das dafür erhaltene Entgelt in den Nachlaß gefallen wäre oder wenn der Empfänger im Erbfall Bruchteilseigentum mit anderen Erben erhalten hätte, so aber Alleineigentum an einer Sache erworben hat. Eine derartige Einschränkung führte dazu, daß man sich mit kaum nachweisbaren und daher unpraktikablen hypothetischen Kausalverläufen herumzuschlagen hätte. Wenn überhaupt, wäre die Qualifizierung einer Zuwendung der antizipierten Erbfolge wieder nur auf Grund einer retrospektiven ex-postBeurteilung nach dem Tod des Erblassers möglich. Maßgeblich ist vielmehr auch hier, ob der Empfänger für eine erbrechtliche Chance abgefunden wird und nicht zusätzlich begünstigt wurde, nicht aber, ob es sich dabei um genau dieselben Gegenstände handelt, die er auch später erhalten hätte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei hier angedeutet, daß wegen der erwähnten Substituierung eines späteren erbrechtlichen Erwerbs, der ja in der Regel ohne Entgelt erfolgt, auch den Zuwendungen der 18 19
Dazu unten V. F. Insofern richtig Hagemann ZSR 1947, 207.
Kap. II: Grundlagen
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antizipierten Erbfolge gewöhnlich keine Gegenleistungen gegenüberstehen. Doch wird auf diese für die Arbeit zentrale Frage noch genauer einzugehen sein, ohne hier das Begriffsmerkmal der Unentgeltlichkeit a ufzustellen20 • Im übrigen soll die weite Formulierung des Zwecks als vorzeitige Realisierung einer erbrechtlichen Chance alle möglichen Rechtskonstruktionen offen halten. Es wäre etwa unzweckmäßig, schon dann nicht mehr von antizipierter Erbfolge zu sprechen, wenn sich herausstellen sollte, daß ein Erbfall noch zu Lebzeiten des Erblassers ausgeschlossen ist21 • Dies erscheint nämlich für die modernen Rechtsordnungen ohnehin wahrscheinlich. Ebensowenig wird man mit Hagemann22 nur dann von antizipierter Erbfolge sprechen können, "wenn eine Person in ihrer Eigenschaft als Erblasser einem ihrer Erbanwärter ihr Vermögen oder wenigstens einen Teil des Vermögens unter Lebenden überträgt und dabei der übernehmer beim Tode des Erblassers trotz der lebzeitigen Vermögensübernahme die rechtliche Stellung eines Erben innehat". Hagemann meint nämlich mit dieser Formulierung nicht bloß, daß der Empfänger später tatsächlich Erbe sein wird, sondern daß er auch den lebzeitigen Erwerb in seiner Eigenschaft als Erbe erhält. Eine solche Rechtsfigur ist aber im schweizerischen Erbrecht lediglich in Art 534 ZGB erhalten geblieben2,'l. Damit sind Hagemann sämtliche Erklärungsversuche verschlossen, die die Zuwendungen der antizipierten Erbfolge als besondere lebzeitige Geschäfte betrachten.
Einige Schwierigkeiten bereitet das Verhältnis der antizipierten Erbfolge zu jenen lebzeitigen Zuwendungen, die sich der Empfänger auf den späteren Pflichtteil (§§ 788 f. ABGB) oder Erbteil (§§ 790 ff. ABGB) anrechnen lassen muß (Vorempfänge). Es geht um die Frage der Identität dieser Vorempfänge und der Zuwendungen der antizipierten Erbfolge (Antizipationstheorie2f). Wenig problematisch erscheint es, von antizipierter Erbfolge zu sprechen, wenn der Erblasser die Anrechnung ausdrücklich angeordnet hat. Der Wille des Erblassers, daß die lebzeitige Zuwendung vom späteren Erb- oder Pflichtteil in Abzug gebracht wird, erscheint nach dem für maßgeblich erklärten Zweck einer vorzeitig Vgl. unten IV. B. 4. c. und IV. C. In diesem Sinn aber offenbar Bruhin 46; ähnlich früher schon Puchta 123ft.; vgl. auch Ehrenzweig II/2, 356: "Die bäuerliche Gutsübergabe stellt sich zwar wirtschaftlich aber nicht rechtlich als eine verfrühte Erbfolge dar." Bemerkenswert erscheint demgegenüber, daß Esch / Schulze 147 gerade Verfügungen des Erblassers von Todes wegen ausdrücklich aus dem Begriff der vorweggenommenen Erbfolge herausnehmen. %2 ZSR 1947, 205; dagegen in anderem Zusammenhang bereits Kägi Schw JZ 1955, 225. 23 Dazu unten III. B. 2. d. aa. U Vgl. ausführlich unten IV. B. 3. d. 20 21
A. Abgrenzung des Themas
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realisierten erbrechtlichen Chance als untrügliches Zeichen für das Vorliegen von antizipierter Erbfolge. Der Erblasser bringt damit ganz deutlich zum Ausdruck, daß nicht eine zusätzliche, die erbrechtliche Chance unberührt lassende Begünstigung gewollt ist25 • Es wäre höchst wirklichkeitsfremd, zu behaupten, der Erblasser wolle zwar die Anrechnung der Zuwendung, im übrigen aber nicht der erbrechtlichen Chance des Erwerbers Rechnung tragen. Die Koppelung dieser anzurechnenden Zuwendungen mit antizipierter Erbfolge entspricht auch den aufgestellten persönlichen Erfordernissen: Die Anrechnungsanordnung erfolgt ja nur dann, wenn sich der Erblasser seinen Partner als künftigen Erben oder Pflichtteilsberechtigten vorstellt. Die Identifizierung von antizipierter Erbfolge und anrechnungsptlichtiger Zuwendung ist aber - jedenfalls für das österreichische und deutsche Recht - auch bezüglich der vom Gesetz selbst ohne Notwendigkeit einer dahingehenden Anordnung des Erblassers für anrechnungspflichtig erklärten Zuwendungen (vgl. §§ 788 ff. ABGB) allgemein anerkann1;28. Sie entspricht dem historischen Werdegang der österreichischen und deutschen Anrechnungsbestimmungen 27 • Daß der Gedanke einer Vorausleistung auf das Erb- oder Ptlichtteilsrecht und nicht die im § 788 ABGB genannten Zwecke im Vordergrund stehen2S , mag man auch daraus ableiten, daß es für die Durchführung der Anrechnung nicht darauf ankommt, ob der jeweilige Zweck, also zum Beispiel jener zur Ausstattung, tatsächlich erfüllt worden ist;2u. Das Gesetz will eben nur sagen, daß bei Vorliegen der im Gesetz genannten Zweckbestimmungen eine antizipierte Erbfolge typisch und daher zu vermuten ist30 • Es gibt allerdings auch Rechtsordnungen mit anderen Auffassungen über die anrechnungspflichtigen Zuwendungen. So unterwirft zum Beispiel das italienische Recht grundsätzlich alle Schenkungen an Nachkommen und den Ehegatten, direkte und indirekte, der Ausgleichung bei der Erbfolge (collazione), wenn der Erblasser nichts anderes zum Ausdruck gebracht ha~l. Mit Sicherheit läßt sich daher dort nur behaupten, daß eine antizipierte Erbfolge in dem von uns definierten Sinn ausgeschlosAnders offenbar Keidel in Palandt § 2050 Anm 3 d. Für das österreichische Recht vgl. etwa Bolla öJZ 1951, 289; Gschnitzer ErbR 68; Unger VI 208; OGH 20.11.1866 GIU 3625; für das deutsche Recht vgl. etwa Lehmann in Staudinger l1 § 2053 Anm 1; Kipp / Coing 671; vgl. auch insb zur Schweiz unten IV. B. 3. d. 27 Vgl. hiezu va Leist 299 ff., insb 320 ff., 325 ff., 418 ff.; bezüglich der Nachfolge des BGB an das preußische ALR vgl. Kipp / Coing 660 f. 28 Ähnlich WeIser NZ 1978,163; Koziol/Welser, Ergänzung 17. zu Vgl. Bolla öJZ 1951, 290; anders aber im ErbStG: § 3 Abs 5. 30 Vgl. weiter unten IV. F. 1. 31 Italienischer CC art 737 u 738 ff.; dasselbe gilt für die Anrechnung zum Pflichtteil (imputazione ex se): art 564 CC; ähnlich der französische CC art 843f. 25
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Kap. II: Grundlagen
sen ist, wenn der Erblasser eine Ausgleichung nicht wünscht. In den übrigen Fällen kann eine Zuwendung zwar im konkreten Fall als antizipierte Erbfolge gedacht sein, dies ist aber nicht notwendige Voraussetzung der Anrechnung. Wenn trotzdem in diesem Zusammenhang gelegentlich von antizipierter Erbfolge gesprochen wird, so muß der Unterschied zum hier verwendeten Begriff beachtet werden". Die Gleichsetzung von antizipierter Erbfolge mit den gesetzlich anrechnungspflichtigen Vorempfängen im österreichischen Recht scheitert ebenfalls nicht an den für vorweggenommene Erbfolge aufgestellten subjektiven Kriterien. Als Zuwendungsempfänger erscheinen in den §§ 788 ff. ABGB die Kinder und der Ehegatte33 des Erblassers, also seine zukünftigen gesetzlichen Erben. Daneben sind in § 788 ABGB aber auch die Enkel genannt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der deren Erbfolge ausschließende Elternteil im Moment der Zuwendung noch lebt oder nicht. Wie Unger34 aber zurecht ausführt, verträgt sich "die Auffassung der Vorausgabe als einer (eventuellen) Antizipation des Erbtheils immerhin damit ... , daß der Enkel zur Zeit des Empfangs noch nicht unmittelbarer Intestaterbe war"35. Die übereinstimmung von Vorempfang und antizipierter Erbfolge ist allerdings nur qualitativ, nicht quantitativ, vorausgesetzt, daß man von einem Vorempfang nur dann spricht, wenn es tatsächlich zu einer Anrechnung kommt. Der Begriffsurnfang für antizipierte Erbfolge reicht dann über jenen des Vorempfangs hinaus. Nicht jede Zuwendung der antizipierten Erbfolge führt nämlich tatsächlich zu einer Anrechnung. Dafür können mehrere Gründe maßgeblich sein: Schlägt etwa der lebzeitig Begünstigte die Erbschaft aus, ist im Erbfall nur mehr ein einziger Erbe vorhanden, oder wird die Anrechnung nicht verlangt, kommt es zu keiner Anrechnung. Ebenso dann, wenn der Empfänger auf sein 32 VgI. Trabucchi 940: "In a1cune situazioni le liberta fra i vivi vengono considerate come anticipo di successione; ... " ähnlich begründet Andreoli 173 ff. insb 176 ff. FN 40 die Ausgleichungspflicht beschenkter Abkömmlinge mit dem abstrakten (!) Willen des Schenkers, da die Schenkung die "clausola in anticipazione di eredita presunta" enthält, die mit den tatsächlichen Vorstellungen der Parteien nichts zu tun hat; auch Forchielli 43 ff. erklärt die Ausgleichungspflicht der Abkömmlinge nicht so sehr aus der Idee der Gleichbehandlung, sondern mehr aus der Idee der Antizipation der Erbfolge. Dabei kommt es auch ihm nicht auf den tatsächlichen Antizipationswillen bei der Schenkung an (47). 33 Zum Problem der Gleichstellung des Ehegatten auch bei der Anrechnung zum Erbteil siehe unten Kap III. B. 2. c bei FN 23. M VI 204 FN 9 mwN; vgl. auch den Sachverhalt der E OGH 12.9.1956 JBI
1956, 647.
35 Vgl. auch § 2053 BGB, der für alle entfernteren Abkömmlinge eine besondere Anrechnungsanordnung verlangt. Dies bestätigt aber - abgesehen vom konstruktiven Unterschied - die hier vertretene Auffassung, nach der der Empfänger nicht bereits bei der Zuwendung präsumtiver Erbe sein muß.
A. Abgrenzung des Themas
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Erbrecht verzichtet hat. Daß die Zuwendung deshalb trotzdem eine antizipierte Erbfolge bleibt, zeigt mit besonderer Deutlichkeit die Abfindung für den Erbverzicht: Sie wäre anzurechnen, wenn der Erb- oder Pflichtteilsverzicht aus irgendeinem Grunde ungültig wäre und der Abgefundene nun doch Erbe oder PflichtteiIsberechtigter würde3B • Zwischen dem Verlust des Erb- oder Pflichtteils rechts , einmal auf Grund eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts, einmal auf Grund eintretender Anrechnung, bestehen ja nur graduelle Unterschiede insofern, als die Anrechnung in Bezug auf die tatsächliche Höhe des Nachlasses beim Erbfall flexibler reagiert, während der Erbverzicht ungeachtet der späteren Vermögensentwicklung des Erblassers, das Erb- oder Pflichtteilsrecht beseitigt. Setzt man Vorempfänge und Zuwendungen der antizipierten Erbfolge gleich, so bringt dies natürlich mit sich, daß jene Aussagen, die über Rechtsgeschäfte der antizipierten Erbfolge getroffen werden, auch auf Vorempfänge zutreffen müssen. Darauf wird entsprechend Rücksicht zu nehmen sein37• Antizipierte Erbfolge danach zu unterteilen, ob die Zuwendung in Erwartung eines späteren Erb- oder Pflichtteilsrechts, was sicherlich die häufigeren Fälle sein dürften, oder eines künftigen Vermächtnisses3B geleistet wird, wäre verfrüht30 • Der weitere Gang der Untersuchung wird erst erweisen, ob eine solche Differenzierung nötig ist40 • Was wir im folgenden unter Zuwendungen der antizipierten Erbfolge verstehen wollen, läßt sich zusammenfassend etwa mit einer Definition aus § 35 des früheren österreichischen GebührengesetzesU sagen: "Vermögensübertragungen unter Lebenden, die dazu dienen, der Erbfolge vorzugreifen, oder sich als Abfindung für ein künftiges Erbrecht darstellen oder nach Anordnung der §§ 788 und 790 a.b.G.B. bei Beerbung des Gebers anzurechnen sind; ... ". Dem Verständnis dient auch eine Definition des Reichsgerichts4 !, wonach es hier um Fälle geht, "wo die 38 Vgl. Hendel GZ 1912, 553; das gleiche gilt für den Fall, daß der Abgefundene bloß einen Pflichtteilsverzicht abgegeben hat, dann aber doch gesetzliche Erbfolge eintritt: Ehrenzweig II/2, 379. 31 VgI. unten !Ir. B. 2. c. u IV. B. 3. 38 z. B. OGH 1. 7. 1930 SZ 12/232: Die Klägerin hatte der Beklagten 60000 S gezahlt. Durch Leistung dieser Summe sollte nach der beiderseitigen Parteiabsicht das von der Klägerin der Beklagten vermachte Prälegat ersetzt werden. 38 Unzweckmäßig erscheint es jedenfalls, aus dem Begriff der aE vorzeitige Geldzahlungen generell auszuklammern: so Damrau FamRZ 1972, 167. 40 VgI. die nach diesem Kriterium aufgegliederte Behandlung v Kap I!I; zur diesbezüglichen endgültigen Aussage IV insb F. 41 G 6. 2. 1919 StGBl 98 über die Gebühren von unentgeltlichen Vermögensübertragungen. 4! RG 23.4.1932 RGZ 136, 148; dazu auch unten V. G.
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Kap. II: Grundlagen
Eigentumsübertragung unter Lebenden sowohl nach ihrer tatsächlichen Gestaltung wie auch nach dem Willen der Vertragsbeteiligten die Bedeutung einer Vorwegnahme der Erbfolge habe". Eine schon sehr weit zurückliegende nichtsdestoweniger aber das Wesentliche erfassende Definition bringt Runde43 , wenn er sagt: "Es gibt Fälle des Vermögensüberganges unter Lebenden, welche eigentlich die Stelle einer Nachfolge auf den Todesfall vertreten, diese nur erfrühen sollen, wodurch der Nachfolger nur eher das erhält, was ihm auf den Todesfall zugedacht ist und wobei seine Eigenschaft als künftiger Erbe ... wesentlich berücksichtigt wird." Einem plastischeren und konkreteren Verständnis des Untersuchungsgebietes soll die folgende Beschreibung der wichtigsten in der Praxis vorkommenden Fälle von antizipierter Erbfolge dienen.
B. Formen der antizipierten Erbfolge l 1. Bäuerlicher Bereich Die vorweggenommene Erbfolge hat im bäuerlichen übergabsvertrag2 nicht nur eine historische WurzeP. Dieses "einheitliche Rechtsgeschäft eigener Art, wodurch der übergeber in Absicht einer verfrühten Erbfolge und lebzeitigen Vermögensabhandlung seine bäuerliche Wirtschaft ... einem Familienangehörigen als übernehmer abtritt"4, ist auch für das geltende Recht hier zu nennen. Die Einordnung dieses Geschäftstyps in die Formen antizipierter Erbfolge in dem von uns definierten Sinn erscheint nicht weiter zweifelhaft5 • 43 ZIDR 1842, 2; dies allerdings mit der oben - bei FN 14 - schon erwähnten Einschränkung. 1 Vgl. hiezu jüngst Coing FS Schwind 65 u 68. 2 Oft auch als "Kindskauf" bezeichnet; zur Gestaltung dieser Verträge in der Praxis Eckhardt AgrarR 1975, 136 ff.; zur immer beliebteren gleitenden (sukzessiven) Hofübergabe vgl. Pikalo dNZ 1968, 69 ff. 3 Dazu gleich unten IIr. c. 4 Gschnitzer in Klang! lvII, 237; ähnlich auch Bartholomeyczik I Schlüter 428. 5 Für Österreich vgl. Gschnitzer I Faistenberger 82 u Gschnitzer in Klang! IV/I, 238: danach rückt der Zweck der Realisierung der erbrechtlichen Chance der jüngeren Generation "das Geschäft in die Nähe der Geschäfte von Todes wegen"; derselbe Reform 62, 67 f.; Faistenberger 116 ordnet den Kindskauf unter die successio anticipata ein; vgl. weiter Piegler ÖJZ 1956, 565; Ehrenzweig II/2, 356; derselbe, Zweigliedrige Verträge 96 f.; für Deutschland vgl. Finger, Vertrag zugunsten Dritter 161, wonach die Hofübergabe der Sache nach eine vorweggenommene Erbfolge darstelle; ähnlich Bartholomeyczik I Schlüter 409; für die Schweiz vgl. Hagemann ZSR 1947, 200 ff.; auch der OGH folgt dieser Auffassung: 6.7.1972 NZ 1973, 189: "Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen bäuerlichen übergabsvertrag gewissermaßen um eine ,verfrühte Erbfolge' "; ähnlich 7.7.1970 NZ 1972, 92; 29.3.1962 SZ 35/40; 25.7.1956 SZ 29/53; zum analogen Standpunkt des BGH und EBG vgl. Bruhin 43.
B. Fonnen der antizipierten Erbfolge
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Als vorweggenommene Erbfolge ist zum einen die Leistung des übergebers an den übernehmer anzusehen. Zum andern gehören aber auch die Abfindungsleistungen an die weichenden Erben8 (Geschwister) hierher? Sie werden gewöhnlich in der Form des Vertrags zugunsten Dritter vereinbart. Diese Abfindungsleistungen sind trotzdem Zuwendungen des Erblassers an den zukünftigen Erbens und werden gewöhnlich sogar als Erbsentfertigungen oder Erbgelder bezeichnet. Das als Kriterium für antizipierte Erbfolge herangezogene Kriterium der Anrechnungspflicht ist durchaus gegeben. Das bestätigt Ehrenzweig9 : "Stillschweigend ausbedungen ist die Anrechnung zB, wenn anläßlich der bäuerlichen Gutsübergabe den weichenden Geschwistern ,Erbgelder' zugewendet werden."
2. Außerhalb des bäuerlichen Bereichs Außerhalb des bäuerlichen Bereichs kommen vorweggenommene Vermögensübertragungen in vielerlei Gestalt vor und haben im Bereich gewerblicher und industrieller Betriebe ein weites Anwendungsgebiet gefunden 10• Neben der unentgeltlichen übergabe des ganzen Betriebs an die zukünftigen Erben hat die Praxis eine Reihe abgestufter Gestaltungen entwickelt11 • Häufig wird die Zuwendung dabei - wie auch bei bäuerlichen übergabsverträgen durch die Abfindungs- und Ausgedingsleistungen - mit Gegenleistungen kombiniert. Unter den hier üblichen Versorgungsleistungen des Empfängers spielen Rentenzahlungen eine besondere Rollei!. Zu erwähnen sind Betriebsaufspaltungen, etwa die Bildung einer eigenen Kapitalgesellschaft, an der die zukünftigen Erben beteiligt werden können. Bei Personalgesellschaften kommt insbesondere die Aufnahme der Kinder als Gesellschafter in Betracht. Dabei kann dieser Akt "unter dem Vorbehalt der Verwaltungs- und Kontrollfunktionen der Eltern vollzogen und damit eine quasi stufenweise Erbfolge vorbereitet werden"13. Gedanken einer antizipierten Erbfolge können auch dem Abschluß von Arbeits- oder Angestelltenverhältnissen u mit übermäßiger 8 Vom Übernehmer aus gesehen vennindern sie den Wert der ihm übergebenen Sache und können zur teilweisen oder auch gänzlichen Entgeltlichkeit des übergabsvertrags führen: vgl. dazu unten IV. C. 3. u V. J. 7 So etwa Dorazil 67; für Deutschland Eckhardt AgrarR 1975, 139. S Vgl. dazu unten IV. B. 4. e. bb.
a II/2, 512. 10 Vgl. Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 237. 11 Vgl. insb Halmburger; Esch / Schulze 147 ff.; Sudhoff
DB 1961, 1573 ff. Zur rechtlichen Behandlung der gemischt-entgeltlichen aE unten IV. C. 3; zur steuerlichen Behandlung von Renten unten II. C. 4. d. 12 13
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Halmburger 117. Vgl. Rosenau 31 ff.
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Entlohnung, eventuell in Verbindung mit der übertragung eines Geschäftsanteils, zugrunde liegen. Zu erwähnen sind auch Zuwendungen von Geldsummen, die der Empfänger seinerseits als Darlehen, eventuell gegen eine Gewinnbeteiligung, in die Gesellschaft oder das Geschäft einbringt15• Zuwendungen der antizipierten Erbfolge könen auch im Abschluß von Miet- und Pachtverträgen zwischen Familienangehörigen liegen. Steigender Beliebtheit erfreut sich die Einräumung einer stillen Beteiligung an Minderjährige. Wie Halmburger 16 ausführt, eignet sich diese Konstruktion besonders gut für die Abwendung von Schwierigkeiten, die der spätere Erbfall ansonsten mit sich brächte. Dem Empfänger brauchen dabei keine unternehmerischen Funktionen eingeräumt werden, jedes Verlustrisiko kann ausgeschlossen werden und schließlich ist die stille Beteiligung leicht lösbar17 • Eine Reihe - besonders steuerlich - günstiger 18 Gestaltungsmöglichkeiten läßt sich mit Hilfe des Fruchtgenusses am Unternehmen, Geschäfts- oder Gesellschaftsanteil erreichen. Dabei kann dem zukünftigen Erben ein Fruchtgenußrecht eingeräumt werden oder der zukünftige Erblasser kann sich seinerseits an der übertragenen Sache den Fruchtgenuß vorbehalten19 • 3. Abfindungen für Erb- und Pftichtteilsverzichte
Vermögensübertragungen der antizipierten Erbfolge können jeweils mit einem Erb- oder Pflichtteilsverzicht des Empfängers verbunden werden. Der Erbverzicht wird ja in den allermeisten Fällen nur gegen eine Abfindung abgegeben20 • Schon wegen ihrer Nähe zu den Vorempfängen muß man diese Abfindungen zur antizipierten Erbfolge rechnen%l. Eine deutliche Sprache sprechen auch die Materialien!!: "Der Verzicht findet meistens gegen Entgelt statt und vertritt dadurch in der Rechtsanschauung des Volkes die alten Abfindungs- oder Abschichtungsverträge des deutschen Rechts ... Der Verzicht ist ein Bestandteil der Auseinandersetzung, die als Vorausnahme künftiger Erbteilung angesehen wird." Vgl. Halmburger 154 ff. 163. 11 Als Beispiel siehe den Sachverhalt der E BFH 19. 9. 1974 WM 1975, 803. 18 Dazu unten C. 4. 19 Vgl. Jansen / Hotfmann 5; Halmburger 128 ff.; Esch / Schulze 152; Pikalo dNZ 1971, 389 f.; Sudhotf NJW 1971, 481. %0 Vgl. Gschnitzer ErbR 44; Weiß in Klang 2 III 182; früher schon Touaillon NZ 1908, 203; GTÜnberg Jurist 1844, 357; für Deutschland vgl. Damrau, Erbverzicht 58 ff.; Sudhotf DB 1961, 1576; Lange FS Nottarp 129. 21 Siehe schon oben 11. A. 22 2BIgHH 21. Sess 103. 15
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B. Formen der antizipierten Erbfolge
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Auch der Erb- und Pflichtteilsverzicht läßt weite Gestaltungsmöglichkeiten für antizipierte Erbfolge durch die Zulassung teilweiser oder sogar gegenständlich beschränkter Verzichte ZU23 • Die Abfindung kann auch gestundet und verzinst werden. Der Erb- und Pflichtteilsverzicht läßt sich daher mit viel Erfolg besonders im Zusammenhang mit der Unternehmensnachfolge einsetzen2'. Er bringt nämlich den Beteiligten neben dem sicherlich oft abschreckenden aleatorischen Charakter wegen seiner Klarheit und Einfachheit auch Vorteile 25 • 4. Heiratsgut und Ausstattung Schon kurz angedeutet!S wurde, daß die Ansprüche der Tochter auf Heiratsugt und des Sohnes auf Ausstattung als antizipierte Erbfolge anzusehen sind (§§ 1218 ff., 1231 in Verbindung mit § 788 ABGB27). Diese Ansprüche knüpfen äußerlich an der Tatsache der Verehelichung des Kindes an (§§ 1220, 1231 ABGB). Als Determinanten der Anspruchshöhe sind - abgesehen vom vorausgesetzten Mangel eines eigenen Vermögens des Antragstellers (§ 1220 ABGB) - insbesondere der Stand des Ehegatten und die Leistungsfähigkeit des Dotationspflichtigen, dessen Bedürfnisse und Belastungen mit zu berücksichtigen sind - jeweils abgestellt auf den Zeitpunkt der Eheschließung -, zu nennen. Dabei kann sich allerdings eine geringere Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs mindernd auswirken. Als Richtlinie für die Höhe des Heiratsgutes bei Zutreffen aller Voraussetzungen kann man mit dem Verwaltungsgerichtshof28 bei vermögenslosen Vätern ungefähr 25-30 Ufo des Jahresnettoeinkommens ansetzen. Aus der hier nicht erschöpfend wiederzugebenden Judikatur über die Anspruchshöhe des Heiratsgutes und der Ausstattung sei lediglich noch herausgegriffen, daß die Höhe des zukünftigen Pflichtteils mit Recht vom Obersten Gerichtshof nicht als Anhaltspunkt für die Berechnungen herangezogen wird!9. Zu beachten ist allerdings, daß die in den §§ 788, 1218 ff. und 1231 ABGB gebrauchten Begriffe "Heiratsgut" und "Ausstattung" sowie der 23 VgI. Ehrenzweig 11/2, 379; Anders 52; OGH 5.12.1973 EvBI 1974/113; einen Verzicht auf eine bestimmte Summe oder Sache anerkennt etwa Handl in Klangt 11/1, 109; vgl. auch Damrau, Erbverzicht 74 u Büttiker 60 f. 24 Vgl. Kastner FS Schwind 134 ff.; derselbe NZ 1971 SNr 26; weiter Damrau, Erbverzicht 72 ff.; Sudhoff DB 1961, 1576; Heintzenberg 197 f. 25 Damrau 69 ff. 21 Oben 11. A. 27 Zur gegenwärtigen Diskussion in der BRD zur Wiedereinführung eines gesetzlichen Ausstattungsanspruches im BGB vgl. Stöcker JZ 1970, 675 ff.; für Österreich vgl. Freisitzer FS Wilburg 106. 28 E 23. 9. 1975 EFSlg 24.789; 23. 5. 1973 EFSlg 20.185; ebenso Ostheim ÖJZ 1978,512. 28 OGH 26. 3. 1958 EvBI 1958/199; 1.10.1954 SZ 27/247; 15.11. 1951 EvBl 1952/29; 4. 11.1913 GlUNF 6633; 1. 2.1910 GIUNF 4930.
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Kap. II: Grundlagen
in der Praxis gebrauchte Begriff der "Aussteuer" häufig miteinander verwechselt werden. Der OGH hat jedoch vor kurzem wieder wesentlich zur Klärung der Begriffe beigetragen30 : Danach ist der Begriff Heiratsgut doppeldeutig und umfaßt einmal den in § 1218 ABGB beschriebenen Ehepakt einer Zuwendung an den Ehegatten für oder von der Frau, andererseits aber auch jene Leistung, auf die die Frau anläßlich ihrer Verheiratung gegenüber gewissen nahen Angehörigen Anspruch hat (§ 1220 ABGB). Dieser zuletzt genannte Dotierungs- oder Ausstattungsanspruch kann nun vom Dotationsverpflichteten - wie im Regelfall - durch eine direkte Leistung an die Tochter oder aber auch - heutzutage seltener - durch Bestellung eines Heiratsgutes durch den Dotationsverpflichteten im Sinne des § 1218 ABGB erfüllt werden. In jedem Fall geht der Dotierungsanspruch der Tochter dabei umfangmäßig auf ein Vermögen, das geeignet ist, den mit der ehelichen Gemeinschaft verbundenen Aufwand während des gesamten Bestandes der Ehe zu erleichtern. In diesem Anspruch finden nun auch jene - gewöhnlich als Aussteuer bezeichneten - Leistungen von Möbeln, Wäsche, Kleidungsstücken und sonstigen Einrichtungsgegenständen Platz, da und insofern auch sie der dauernden Erleichterung des ehelichen Aufwandes dienen. Mit Recht führt daher der OGH aus, daß es nur darauf ankommt, was die Tochter tatsächlich erhalten hat, und daß bei der Beurteilung des Anspruchs auf ein eventuelles Heiratsgut auch auf eine geleistete Aussteuer Rücksicht zu nehmen seisI. Was bei der Tochter üblicherweise Aussteuer genannt wird, heißt nach der Terminologie des Gesetzes beim Sohn "Ausstattung" (§ 1231 ABGB)32. Auf Grund des beschriebenen Verständnisses von Heiratsgut in § 1220 ABGB ist es nur konsequent, dieses Verständnis auch in § 788 ABGB hineinzutragen und nicht etwa dort nur das Heiratsgut im Sinne des 30 OGH 31. 5. 1960 EvBI 1960/301 = NZ 1962, 76; vgl. früher schon 25.4. 1956 EvBI 1956/271; 25.4. 1952 SZ 25/106; 25. 3. 1953 JBI 1953, 461; später 28.3. 1974 EFSlg 22535; vgl. nunmehr grundlegend Ostheim ÖJZ 1978, 505 ff.; vgl. auch Gschnitzer / Faistenberger 81 f., 109. 31 E 31. 5. 1960 EvBl 1960/301 = NZ 1962/76. 32 Als Frage sei hier lediglich aufgeworfen, ob es in einer Zeit der sich angleichenden finanziellen und sozialen Situation der Geschlechter zumindest vor der Verehelichung weiterhin gerechtfertigt ist, wenn die Rechtsprechung - vgl. z. B. OGH 26.4. 1961 JBl 1961, 596 - den Ausstattungsanspruch des Sohnes umfangmäßig geringer ansetzt als den Ausstattungsanspruch der Tochter: Eine gewisse Anpassung durch die Rechtsprechung könnte wiederum in die Entscheidung des OGH 31. 5. 1960 EvBl 1960/301 = NZ 1962, 76, wenn auch in einer eher dunklen Formel, zu finden sein. Der OGH sieht dort nämlich den "quantitativen" Unterschied nicht unbedingt in einer wertmäßigen Differenz, sondern im Zweck der Zuwendung! Für eine vollkommene Gleichstellung der Ansprüche Ostheim ÖJZ 1978, 505 ff.
B. Formen der antizipierten Erbfolge
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§ 1218 ABGB zu verstehen33 oder etwa die sogenannten Aussteuerleistungen auszuklammern 34 . In Anbetracht des immer selteneren Vorkommens des Ehepakts des Heiratsguts zugunsten der dieses verdrängenden Ausstattung oder Aussteuer würde dies eine Aushöhlung der genannten Bestimmung mit sich bringen. Anderseits wäre wohl uneinsichtig, warum beim Sohn sehr wohl die Ausstattung, nicht aber nur die dem Ehepakt des Heiratsgutes entsprechende Wider lage (§ 1230 ABGB) anzurechnen sein so1l35.
Zu beachten ist jedoch, daß es für die Anrechnungspflichtigkeit einer Zuwendung als Heiratsgut oder Austsattung nicht darauf ankommt, ob hiezu eine rechtliche Verpflichtung besteht. Dem Gesetzgeber kam es nur auf die Tatsache einer Vorausleistung auf das spätere Erb- oder Pflichtteilsrecht an, die bei Vorliegen der genannten Zwecksetzungen zu vermuten isi;36. Obwohl die erwähnten Ansprüche auf Heiratsgut und Ausstattung als " Starthilfe " ebenfalls der elterlichen Unterhaltspflicht entspringen, gehören grundsätzlich sonstige Unterhaltsleistungen nicht hierher. Die taxativen 37 Anrechnungsbestimmungen sehen dies nicht vor. Allerdings könnten bei der Anrechnung zum Erbteil der Kinder alle Zuwendungen und daher wohl auch alle Unterhaltsleistungen durch einseitige Anordnung anrechnungspflichtig gemacht werden (§ 790 ABGB), beim Pflichtteil würde dies nach der herrschenden Auffassung 3B eine einverständliche Willensübereinstimmung über die Anrechnung bedürfen. Im Einzelfall wäre allerdings möglich, daß auch Leistungen "unmittelbar zum Antritte eines Amtes, oder was immer für eines Gewerbes ... oder zur Bezahlung der Schulden eines (groß)jährigen Kindes" (§ 788 ABGB) der Unterhaltspflicht der Eltern (§§ 140, 166 ABGB) entspringen39 • In der Regel werden solche Leistungen jedoch freiwillig 40 oder allenfalls aus einer sittlichen Pflicht41 heraus erfolgen.
a3 BoHa ÖJZ 1951, 290. 34 So noch Ehrenzweig II/2, 511; Weiß in Klang 2 IIr 926; richtig Gschnitzer ErbR 69; SchejJknecht NZ 1955, 69 ff.; vgl. schon OGH 2.11.1899 GlUNF 729. 35 So insb SchejJknecht NZ 1955, 71; die Gleichstellung vollzog übrigens auch das ErbStG in § 3 Abs 5; vgl. dazu Dorazil 87 f. 38 Insofern richtig Weiß in Klang 2 III 928 f.; siehe auch Ostheim ÖJZ 1978, 508 FN 42; aA BoHa ÖJZ 1951, 291; im übrigen siehe dazu schon oben II. A. 31 Weiß in Klang 2 III 926. aB Dazu unten IV. B. 3. d. 39 Vgl. BoHa ÖJZ 1951, 291, die diese Ansprüche auch vor dem Kindgesetz eher einseitig nur auf § 1220 ABGB stützt: Vgl. dazu Wentzel, Plessl in Klang! 1/2,49 f.; vgl; auch Eckert ÖJZ 1961, 258 ff. 40 Dazu unten IV. B. 2 Eccher
Kap. H: Grundlagen
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c. Motivationen 1. Allgemein Eine auch nur halbwegs erschöpfende Aufzählung der für die Vornahme eines Rechtsgeschäfts zur vorweggenommenen Erbfolge maßgeblichen Motive der Vertragsparteien ist selbstverständlich wegen der Verschiedenartigkeiten der Einzelfälle ausgeschlossen. Es können lediglich immer wieder vorkommende und im allgemeinen für maßgeblich gehaltene Motivlagen hier hervorgehoben werden. Ganz generell besteht durch die im Vergleich zu früher um vieles verbesserte Alters- und Sozialfürsorge eine verringerte Notwendigkeit, das Privatvermögen für die Absicherung der entsprechenden Risken heranzuziehen und damit ganz allgemein eine vermehrte Möglichkeit, Privatvermögen vorzeitig zu übertragen. Soweit insofern "entbehrliches" Vermögen vorhanden ist, besteht nicht selten der Wunsch nach einer Regelung im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge. Bei der Untersuchung der für eine vorweggenommene Erbfolge maßgeblichen Motivationen hat sich gezeigt, daß die aufzuzählenden Beweggrunde unterschiedslos auch bei Abfindungsleisten für einen Erbverzicht gelten. Damit rechtfertigt sich noch einmal die Einbeziehung dieser Fallgruppen1 in die Erörterung über antizipierte Erbfolge. Der primäre Anstoß für eine antizipierte Erbfolge kann sowohl vom künftigen Erblasser, als auch vom künftigen Erben ausgehen!: Der Erblasser will sich meistens einer - zu schwer gewordenen Bürde entledigen3 • Ein solcher Rückzug aus dem aktiven Erwerbsleben mit gleichzeitiger Vermögensabgabe ist besonders verständlich im Bereich der selbständigen Berufe, so etwa bei übergabe eines bäuerlichen Gutes, einer Praxis oder eines kaufmännischen Unternehmens.. Aber auch in anderen Bereichen läßt sich der Vorgang - vielleicht weniger offenkundig und häufig nur hinsichtlich einzelner Vermögensbestandteile - verfolgen. Es mag dagegen mit Recht behauptet werden, daß mitunter eine gewisse Scheu vor lebzeitigen übertragungen besteht oder daß von dieser Möglichkeit zu wenig Gebrauch gemacht werde4 • Es kann hier aber gar nicht um eine einheitliche Verhaltensweise gehen; dazu sind die Lebenssachverhalte zu verschieden. Entscheidend ist, daß eine soziale Motivation von dieser Seite her überhaupt gegeben ist. Dazu unten IV. E. lOben H. A. u B. Z Vgl. Coing NJW 1967, 1777. I Vgl. Rosenau, übertragung 27. " Vgl. etwa Damrau BB 1970, 470; zu weiteren Aussagen der Literatur zur Häufigkeit von aE siehe unten Ir. D. 2. 41
C. Motivationen
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Vom zukünftigen Erben aus gesehen ist als häufigste Motivation für eine antizipierte Vermögensübertragung das Bedürfnis nach Existenzund Hausstandsgründung zu nennen5 • Vor allem gilt dies, wenn sich der Abkömmling örtlich veränderte. Die Beteiligten halten vorzeitige übergaben auch deshalb für günstig, weil sie die Nachfolgeprobleme einvernehmlich regeln können 7 • Der Vermögensübergang vollzieht sich für den späteren Erblasser überschau- und kontrollierbar, es bleibt ihm die Möglichkeit des helfenden Eingriffs. Es sei hier erwähnt, daß der Abschluß eines Erbverzichts aus Gründen des Familienfriedens und der Offenlegung der erbrechtlichen Gestaltungen8 vielfach empfohlen wird, obwohl auch eine Enterbung möglich wäre9 , 10. Er dient auch in besonderem Maße der Verhinderung einer Vermögenszersplitterung l1 • Im Rahmen erb rechtlicher Planungen des Erblassers spielen bisweilen auch überlegungen eine Rolle, Pftichtteilsansprüche bestimmter Personen, zum Beispiel unehelicher Kinder, zu beschränken oder aufzuheben12• Besondere Bedeutung kommt hiebei der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs.3 BGB ZU 13 • Entsprechendes gilt für Bestrebungen, Gläubigeransprüche zu schmälern14.
2. Gestiegene Lebenserwartung Hinter den für Regelungen der vorweggenommenen Erbfolge zu nennenden Gründen steht als generelles soziales Phänomen die im Vergleich zu früher stark veränderte Altersstruktur der Bevölkerung. Das durchschnittliche Erblasseralter beträgt heute in Österreich 65 bis 75 5 Vgl. Rosenau übertragung 27; Damrau, Erbverzicht 58 ff.; Lange FS Nottarp 120. 6 Mitunter wird hier auch noch der Eintritt in ein Kloster genannt: Damrau, Erbverzicht 58. 7 Zur streitverhindernden Funktion des bäuerlichen übergabsvertrags vgl. Eckhardt AgrarR 1975, 139; im übrigen siehe Westhoff FS Hengeler 256. 8 Für die Schweiz vgl. Büttiker 59 f. 9 Vgl. Deinlein NZ 1956, 115; Handl in Klang 1 lI/I, 105; Hofmann GrünhutsZ 1876, 662; für Deutschland Lange FS Nottarp 119 f.; Heuschmid 3 f. 10 Damrau, Erbverzicht 31, 45 f. zieht allerdings einem Erbverzicht, der nur aus ideellen Gründen abgeschlossen wird, eine testamentarische Enterbung mit schriftlichem Einverständnis des Enterbten vor. 11 So z. B. Heuschmid 4. 12 Vgl. Ebert, Erbausgleich 50; Damrau BB 1970, 468 f. 13 Vgl. Sudhoff DB 1971, 225 ff.; Damrau BB 1970, 469; vgl. dazu weiter - insb zur verschiedenen österreichischen Rechtslage nach § 785 ABGB unten V. B. 14 Vgl. Lange, Erbrecht 448 f., der dies zwar unmittelbar nur zu Zuwendungen unter Lebenden auf den Todesfall ausführt, dessen Aussage aber auch hier Gültigkeit hat; vgl. im übrigen hiezu unten V. C.
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Kap. II: Grundlagen
Jahre l5 • Entsprechend dem durchschnittlichen Generationsabstand von 25 Jahren16 beträgt das mittlere Alter der unmittelbaren Nachkommen beim Tod ihrer Eltern 40-50 Jahre. Die Lebenserwartung zur Zeit des Inkrafttretens des ABGB - und auch noch das BGB oder ZGB - war dagegen viel niedriger 17 • Die geänderten Verhältnisse lassen die Vermutung für gerechtfertigt erscheinen, daß Vermögensübertragungen, die früher ausschließlich im Rahmen der Erbfolge stattfanden, zu einem Teil durch Zuwendungen unter Lebenden zwischen präsumtiven Erblasser und Erblasser abgewickelt werden. Es liegt nämlich auf der Hand, daß das Erbrecht die frühere Funktion als Hilfe bei der Existenzgründung und Versorgung der Nachkommen in immer geringerem Ausmaß erfüllen kann. In dem Zeitpunkt, wo der Nachkomme eine Zuwendung am besten brauchen könnte, liegt der Erbfall im Durchschnitt noch in weiter Fernel8 • Im Zeitpunkt des Erbfalls ist der Nachkomme bereits auf eine finanzielle Hilfe in der Regel nicht mehr angewiesenl9 • 15 Die durchschnittliche Lebensdauer in Österreich beträgt nach den Sterbeziffern des Jahres 1976 70,43 Jahre; davon bei Männern 67,26 und bei Frauen 73,60 Jahre. Läßt man die Kindersterblichkeit der ersten fünf Lebensjahre außer Betracht (dieser Zeitabschnitt wurde gewählt, um einen gen auen Vergleich mit den Zahlen der österreichischen Monarchie ziehen zu können; vgl. dazu unten FN 17), kommt man auf eine durchschnittliche Lebensdauer von 72,83, davon für Männer 68,85, für Frauen 74,80 Jahre: Berechnungen nach dem Statistischen Handbuch 45 Tabelle 3.21; in der BRD betrug die Lebenserwartung 1972/74 für Männer 68,6, für Frauen 74,8 Jahre (jeweils mit einem Jahr): Statistisches Jahrbuch 1976, 73 Tabelle 4.10; vgl. dazu auch Vaskovics 41; Finger JZ 1975, 335; Stöcker JZ 1973, 17; derselbe FamRZ 1971, 612; derselbe WM 1970, 781; Coing 49. DJT 1972 I A 15; Dieckmann 49. DJT 1972 II K 20; Steffen dRZ 1972; 264; Ebert, Erbausgleich 10 f.; Wiethölter 243. 16 Statistisches Handbuch 41 Tabelle 3.1.1.; vgl. auch Vaskovics 41, wonach das mittlere Alter der Frau bei Geburt des letzten Kindes ca 26 bis 28 Jahre beträgt (Schätzung für 1960). 17 Die Angaben, auf Grund derer Berechnungen über die durchschnittliche Lebensdauer in der österreich ischen Monarchie möglich sind, reichen nur in das Jahr 1863 (1. Jahrgang des Statistischen Jahrbuches 1864; die Angaben erfolgten unter Ausschluß Ungarns und des Militärs). Der Schluß erscheint aber gerechtfertigt, daß die Lebenserwartung im Jahr 1863 zumindest nicht niedriger war als 1811: Die Berechnungen ergaben unter Einbeziehung der sehr hohen Kindersterblichkeit eine durchschnittliche Lebensdauer von 24,44 Jahren; ohne Rücksicht auf die Kindersterblichkeit in den ersten fünf Lebensjahren ergab sich ein Wert von 46,72 Jahren. Die Lebenserwartung im Deutschen Reich für 1901/10 wird mit 0 Jahren für Männer mit 44,82, für Frauen mit 48,33; mit einem Jahr für Männer mit 55,12, für Frauen mit 57,20 Jahren angegeben: Statistisches Jahrbuch 1976, 73 Tabelle 4, 10; zur ähnlichen Entwicklung in der Schweiz vgl. Schaer 83 FN 39. 18 Nach Vaskovics 41 liegt das mittlere Alter der Frau zum Zeitpunkt der Heirat des letzten Kindes bei ca 46-50 Jahren (Schätzung für 1960), ein Alter, wo nach dem Gesagten (oben bei FN 15) die Lebenserwartung immer noch um 20 Jahre beträgt. 19 Coing 49. DJT I A 15 betont mit Recht, daß das Erbrecht im Gegensatz zur Zeit der Vorarbeiten zum BGB von der "Aufgabe, als Grundlage für die wirtschaftliche Selbständigmachung der nächsten Generation zu dienen",
C. Motivationen
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Die geänderte Altersstruktur macht nicht nur die von den Nachkommen ausgehende Motivierung zu antizipierter Erbfolge, sondern in gleicher Weise auch die vom Erblasser ausgehende verständlich: Der durchschnittliche Erblasser hat zum Unterschied von früher nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben einen immer größer werdenden - finanziell gesicherten - Lebensabschnitt vor sich. Dieser Abschnitt des Lebens erscheint für lebzeitige Vermögensübertragungen im Hinblick auf die zukünftige Erbfolge besonders geeignet. 3. Pensionsrechtliche Motive
Aus pensionsrechtlichen Vorschriften kann sich insofern ein Anstoß zu einer vorweggenommenen Erbfolge ergeben, als diese Bestimmungen als zusätzliche Voraussetzungen eines Pensionsanspruchs die Aufgabe derjenigen Erwerbstätigkeit verlangen, die die PHichtversicherung begründet. Da bei gewissen Erwerbstätigen, insbesondere bei Landwirten, Gewerbetreibenden und selbständig Erwerbstätigen die Berufsausübung gewöhnlich mit Vermögensbesitz verbunden ist, kommt es aus Anlaß der Aufgabe der Erwerbstätigkeit beinahe zwangsläufig auch zu rechtsgeschäftlichen Vermögensdispositionen. In vielen Fällen geschieht dies in der Praxis dadurch, daß der Pensionswerber eben zur Erlangung der Pension seinen landwirtschaftlichen oder gewerblichen Betrieb, eine Gesellschafterstellung, eine Kanzlei oder Arztpraxis usw. zu Lebzeiten einem Deszendenten überträgt und damit regelmäßig bereits der späteren Nachlaßregulierung vorgreift. Im einzelnen bestimmt nunmehr § 121 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Sozialversicherung der in der Land- und Forstwirtschaft selbständig Erwerbstätigen (BSVG)20, daß der Versicherte "keine die PHichtversicherung in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz begründende Erwerbstätigkeit" ausüben darf21 • In den erläuternden Bemerkungen zum früheren BPVG, das dieselbe Regelung enthielt, heißt es hiezu 22 , daß diese Voraussetzung bei den Betriebsführern § 2 Abs 1 Z 1 BPVG durch die Aufgabe des Betriebes, sei es durch "Verkauf, Schenkung oder Verpachtung" erfüllt wird. Daß hiebei aber hauptsächlich an die als antizipierte Erbfolge einzustufende bäuerliche Hofüberentlastet sei; ähnlich Stöcker WM 1970, 781; in JZ 1970, 675 meint derselbe ironisch, man könnte erwägen, den Erbfall für die Kinder mit 40, für die Enkel mit 60 Jahren eintreten zu lassen; auch DäubLer ZRP 1975, 141 meint dasselbe, wenn er der Erbschaft eine entlastende Funktion im Hinblick auf die Ausbildungskosten der eigenen Kinder zumißt; vgl. auch Dieckmann 49. DJT 1972 II K 20; für die Schweiz Schaer 82 f., 132. 20 BG v 11. 10. 1978 BGBl 559. 21 Dasselbe gilt für die vorzeitige Alterspension nach § 122 Abs 1 lit d BSVG u auch für die Erwerbsunfähigkeitspension nach § 123 Abs 1 BSVG. 22 1411 BlgNR 11. GP 55.
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Kap. II: Grundlagen
gabe gedacht war, zeigt der Ausschußbericht 23 : "Im Regelfall entspricht diese Aufgabe der selbständigen Erwerbstätigkeit der im bäuerlichen Bereich seit jeher üblichen übergabe des Betriebes an den Hoferben ... ce § 130 Abs 2 GSVG 24 verlangt entsprechend hiezu die Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Alterspension 25 der hier pflichtversicherten Personen, sei es durch Erlöschen der Gewerbeberechtigung, des Gesellschaftsverhältnisses, der Geschäftsführungsbefugnis oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit211• Sehr häufig bildet auch diese Bestimmung den äußeren Anlaß für vorweggenommene Erbfolgeregelungen, vor allem für die übertragung eines Betriebs oder einer Gesellschaftsstellung auf die Nachkommen27 • Nach dem am 1. 1. 1979 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Sozialversicherung freiberuflich selbständig Erwerbstätiger8 , das Ärzte, Rechtsanwälte, Apotheker, Ingenieure, Patentanwälte und Kammermitglieder in seine Regelung einbezieht, ist die Erlangung einer Alterspension ebenfalls grundsätzlich29 an die Einstellung der die Pflichtversicherung begründenden Tätigkeit gebunden (§ 14 Abs 1). Ähnliche Bestimmungen enthalten aber auch die berufsständischen Bestimmungen zur Altersvorsorge. So ist nach der Rechtsanwaltsordnungao der Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung notwendig. Nach dem Ärztegesetz 31 kann die Satzung für die Altersversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds vorsehen, daß die auf Grund von Kassen- oder sonstigen zivil- oder öffentlichrechtlichen Verträgen ausgeübte Tätigkeit eingestellt wird. 23 1483 BIgNR 11. GP 3; vgl. auch Erlaß des BMS v 19.2. 1973 Zl 20.712/ 2-6-71/73, abgedruckt bei Fürböck / Teschner II 171 f.; für Deutschland vgl. Eckhardt AgrarR 1975, 137; als Rechtsprechungsbeispiel vgl. OLG Wien 26.2. 1973 SSV 1973/27: Der Kläger, der eine Alterspension nach § 68 Abs 2 BPVG begehrte, übergab seinen Hof dem Sohn. 24 BG v 11. 10. 1978 über die Sozialversicherung der in der gewerblichen Wirtschaft selbständig Erwerbstätigen, BGBI 560. 25 Dasselbe gilt für die vorzeitige Alterspension nach § 131 Abs 1 lit d GSVG u die Erwerbsunfähigkeitspension nach § 132 Abs 1 GSVG. 26 Vgl. hiezu insb Linseder / Teschner 157 ff.; die Zurücklegung der Vertretungsbefugnis genügt nicht: OLG Wien 15.7.1970 SVSlg 21.042; 6.3.1964 SVSIg 15.423; die Kommanditisteneigenschaft hindert den Pensionsanspruch allerdings nicht: OLG Wien 16. 10. 1964 SVSlg 15.425; u 15.426; 17.9. 1964 SVSlg 15.424. 27 Als Beispiel vgl. etwa OLG Wien 26. 11. 1970 SSV 1970/127: der Pensionswerber übergibt seinem Sohn die bisher von ihm selbst geführte Trafik; vgl. auch OLG Wien 9. 3. 1973 SSV 1973/35. 28 BG v 30. 11. 1978 BGBl 624. 29 Eine Ausnahme ist allerdings für den freiberuflichen Arzt geschaffen worden, wenn es die ärztliche Versorgung eines Gebiets erfordert: § 14 Abs 2
Z 2. 30 31
G 6.7.1868 RGBI 96 idgF § 50 Abs 2 Z 2 lit c. BG 30. 3. 1949 BGBI 92 idgF § 43 lit c.
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4. Steuer- und gebührenrechtliche Motive a) Allgemein
Es ist eine wohl nicht weiter zu belegende Tatsache, daß die konkreten Steuernormen eine starke Triebfeder für eine steuerlich möglichst günstige und grundsätzlich auch legitime32 Gestaltung der Privatrechtsverhältnisse darstellen. Dies gilt auch für die überlegung, ob Vermögensübertragungen im Wege der Erbfolge oder etwa schon zu Lebzeiten vorgenommen werden sollen33 • Ein konkretes Beispiel in der BRD stellt die bis Ende 1973 abgelaufene übertragungswelle, die eine Folge der Furcht der Bürger vor einer kräftigen und unter Umständen konfiskatorischen Anhebung der Erbschaftssteuer war 34, dar. Im folgenden wird auf einzelne im gegebenen Zusammenhang besonders relevante Steuerarten eingegangen. Dabei sollen einige Anhaltspunkte herausgearbeitet werden, die eine Motivation für eine vorzeitige Vermögensübertragung bilden können. Ob in einem einzelnen konkreten Fall eine Zuwendung im Rahmen der antizipierten Erbfolge oder das Abwarten des Erbfalls steuerlich günstiger ist, kann allerdings wegen der zu großen Verschiedenartigkeiten der Einzelfälle nicht allgemein vorausgesagt werden. Im gegebenen Zusammenhang kann überhaupt nur eine Rechtsnormendarstellung geboten werden, aus der keinesfalls die gesamte quantitative Steuerbelastung etwa eines Betriebes je nach Erbfolge oder lebzeitiger übertragung abgelesen werden könnte. b) Erbschaft- und Schenkungs teuer
Ein Vergleich der durch den Erbfall ausgelösten Erbschaftsteuer mit der bei antizipierter Erbfolge fälligen Schenkungsteuer erscheint gerechtfertigt, da das Erbschaftsteuergesetz sehr viele jener Rechtsvorgänge regelt, die als antizipierte Erbfolgegeschäfte anzusehen sind: Das Gesetz bezieht vor allem Schenkungen - wobei der Ausdruck Schenkung hier nicht mit der Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts gleichgesetzt werden kann35 - ein. Dazu kommen noch gewisse pflichtgemäße unentgeltliche Leistungen wie Ausstattung und Heiratsgut sowie die Abfindungsleistungen für einen Erbverzicht (§ 3 ErbStG). Grundsätzlich ist jedoch nach dem Erbschaftsteuergesetz weder ein unentgeltlicher lebzeitiger Erwerb noch ein Erwerb von Todes wegen Dazu auch unten 11. C. 4. d. aa. Vgl. dazu allgemein TroU; Däubler ZRP 1975, 144; Mittelbach, Erbfolge 113 Anm 392; Rosenau, übertragung 15 ff. 34 Petzold BB 1975, 1430; vgl. auch derselbe dNZ 1972, 581; Brönner / Rux 32 33
79.
35
Dazu genauer unten V. L.
Kap. II: Grundlagen
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steuerlich dem anderen vorzuziehen3ll • Der Steuersatz ist nämlich für die jeweiligen Steuerklassen gleich hoch (§§ 1, 7, 8 und 14 ErbStG). Die Verteilung des Vermögens auf mehrere Empfänger ist wegen der Progressionsmilderung (§ 8 ErbStG) und der vermehrten Ausnutzbarkeit von Steuerbefreiungen und -ermäßigungen (§ 14 ErbStG) in gleicher Weise für leb zeitige übertragungen wie für den Erwerb von Todes wegen günstig 37 • Grundsätzlich empfiehlt sich eine antizipierte Erbfolgeregelung natürlich dann, wenn Wertsteigerungen nach dem für den Zeitpunkt der Steuerschuld maßgeblichen Stichtag (§ 12 iVm § 18 ErbStG) eintreten. Umgekehrt ist es günstiger, mit der Vermögensübertragung zu warten, wenn Wertminderungen zu erwarten sind. Ein allgemeiner Gesichtspunkt für einen Steuervorteil durch antizipierte Erbfolge besteht auch darin, daß zu Lebzeiten des Erblassers Zuwendungen auf 10 Jahre übersteigende Zeiträume verteilt werden können, wodurch der Steuerpflichtige der Zusammenrechnung nach § 11 Erbschaftsteuergesetz und damit einem höheren Steuers atz als bei der regelmäßig auf einmal übergehenden Zuwendung von Todes wegen entgeht. Die Steuersätze des Erbschaftsteuergesetzes sind nämlich progressiv gestaltet (§ B ErbStG). Generell läßt sich weiter sagen, daß bei lebzeitigen übertragungen den Beteiligten mehr steuersparende Gestaltungsmöglichkeiten offenstehen als beim Erwerb von Todes wegen38 • Was die einzelnen Bestimmungen des Erbschaftsteuergesetzes betrifft, so ist einmal dessen § 3 Abs 5 zu nennen. Danach gilt eine "Ausstattung oder ein Heiratsgut, das Abkömmlingen zur Einrichtung eines den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung der Beteiligten angemessenen Haushaltes gewährt wird", nicht als Schenkung, "sofern zur Zeit der Zuwendung ein Anlaß für eine Ausstattung oder ein Heiratsgut gegeben ist und der Zweck der Zuwendung innerhalb zweier Jahre erfüllt wird. Eine Ausstattung oder ein Heiratsgut, das über das angegebene Maß hinaus geht, ist insoweit steuerpflichtig". Der auf diese Weise erlangte Erwerb unterliegt also zwar nicht der Schenkungsteuer, würde aber der Erbschaftsteuer unterliegen, wenn die betreffenden Vermögensstücke dem Begünstigten als Erben zufielen. Es ist zu prüfen, inwiefern eine übereinstimmung zwischen den Zuwendungen des § 3 Abs 5 ErbStG und § 7BB ABGB besteht und inwiefern daher tatsächlich eine antizipierte Erbfolge einem letztwilligen Erwerb vorzuziehen wäre. Dies ist tatsächlich der Fall, doch sind die in § 3 Abs 5 Erbschaftsteuergesetz verwendeten Begriffe der Ausstattung und des Heiratsgutes 36
37 38
Stoll, Rentenbesteuerung 288. Vgl. Römer 89 f. Vgl. Frank 188.
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enger als die entsprechenden Begriffe in § 788 ABGB. Daher ergibt sich nur in diesem verminderten Ausmaß eine Steuerbegünstigung für antizipierte Erbfolge. Das Erbschaftsteuergesetz knüpft an das bürgerliche Recht an, beschränkt die Steuerfreiheit jedoch nach der Höhe, dem Zeitpunkt und dem Zweck der Zuwendung. Was die Höhe betrifft, so muß nach dem Erbschaftsteuergesetz die Ausstattung oder das Heiratsgut nach den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung der Beteiligten angemessen sein. Nach dem bürgerlichen Recht kommt es zwar bei der Frage, inwieweit eine gesetzliche Pflicht zu solchen Leistungen besteht, auf die Vermögensverhältnisse des Dotationspflichtigen an (§§ 1220, 1231 ABGB) , nicht aber bei der Anrechnung39. Die Anrechnungspflichtigkeit wiederum ist aber Kriterium dafür, ob eine antizipierte Erbfolge vorliegt oder nicht. Dieser höhenmäßigen Beschränkung im Erbschaftsteuergesetz kommt allerdings keine allzu große Bedeutung zu, wenn man bedenkt, daß nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs sogar die überlassung einer Wohnung oder sogar eines Hauses nicht grundsätzlich gegen eine Steuerfreiheit spricht40 • Der Zweck der Zuwendung muß unmittelbar41 auf die erste Einrichtung eines gemeinsamen Haushalts von Eheleuten gerichtet sein 42 • Dieser Zweck muß überdies innerhalb von zwei Jahren erfüllt sein43 • Demgegenüber verlangt das ABGB in § 788 lediglich, daß die Zuwendung zur Erleichterung des mit der Ehe verbundenen Aufwandes gegeben wird, wobei es für die Anrechnungspflicht aber weder darauf ankommt, ob diese Zuwendung gleich zu Beginn der Ehe oder erst später geleistet wird und ob der damit verbundene Zweck überhaupt erfüllt wird«. Relevant für die Beurteilung, ob lebzeitiger Erwerb oder Erwerb von Todes wegen in Bezug auf das Erbschaftsteuergesetz günstiger ist, ist auch § 15 Abs 1 Z 1 lit c, wonach "Schenkungen unter Lebenden zwischen Ehegatten, soweit der Wert 100000 S nicht übersteigt" steuerfrei bleiben. Hier liegt eine echte Bevorzugung der lebzeitigen Schenkung im Verhältnis zum Erwerb von Todes wegen zwischen den entsprechenden Personen vor, wobei zum Unterschied von der vorher genannten Bestimmung (§ 3 Abs 5 ErbStG) weder Zeitpunkt noch Zweck festgelegt sind. Zu beachten ist allerdings, daß diese Bestimmung nicht bloß antizipierte Vgl. oben H. B. 4. Vgl. VwGH 7.10. 1963 VwSlgNF 2945 F; siehe auch Dorazil 86 ff. 41 Die übertragung von Gesellschaftsanteilen gehört daher nicht hierher: VwGH 1. 7.1953 VwSlgNF 795 F. 42 Vgl. VwGH 30. 3. 1967 VwSlgNF 3593 F; zur Auslegung des Begriffs "erste" Einrichtung eines eigenen Haushalts VwGH 1. 12. 1976 VwSlgNF 5053 F; vgl. auch Dorazil 88. 43 Es wird aber nicht verlangt, daß die Zuwendung innerhalb zweier Jahre ab Eheschließung erfolgt: VwGH 3. 3.1966 VwSlgNF 3425 F. 44 Vgl. schon oben 11. B. 4. 39
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Erbfolge-Leistungen erfaßt, sondern auch solche unentgeltlichen Zuwendungen an Ehegatten, die nicht als Vorausleistung auf das spätere Erbrecht des begünstigten Ehegatten aufgefaßt werden können. Auf den ersten Blick erscheint auch § 15 Z 9 ErbStG interessant, wonach "Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhaltes oder zur Ausbildung des Bedachten" ebenfalls steuerfrei bleiben. Da antizipierte Erbfolge jedenfalls mitunter der Ausbildung des Begünstigten dient, könnte man glauben, daß in diesen Zuwendungen oft eine antizipierte Erbfolge liegt. Doch ist nach DorazH diese Ausnahme von der Steuerpflicht gerade dann nicht anzunehmen, wenn der Erblasser "eine Vorwegnahme des Erbfalls"45 beabsichtigt. Damit entfällt natürlich diese Bestimmung als allfälliges steuerliches Motiv einer Vorwegnahme der Erbfolge. Eine gewissen Benachteiligung des lebzeitigen Erwerbs liegt in § 15 Abs 1 Z 6 ErbStG. Eine unentgeltliche oder gegen ein unzureichendes Entgelt geleistete Pflege (Unterhalt) führt nach dem Wortlaut des Gesetzes nur dann zu einer Steuerfreiheit, wenn eine letztwillige Einsetzung erfolgt. Nach der ratio der Bestimmungen müßte jedoch die Befreiungsvorschrift auch dann anzuwenden sein, wenn der Pflegende oder Unterhaltleistende dies in Erwartung einer antizipierten Erbfolge oder einer sonstigen unentgeltlichen Zuwendung tut46 • Ähnlich bringt § 21 ErbStG eine Bevorzugung letztwilligen Erwerbs: "Hat der Erwerber nach Vollendung des 15. Lebensjahres im Haushalt oder im Betriebe des Erblassers ohne Barlohn Dienste geleistet und dadurch eine fremde Arbeitskraft erspart, so wird auf Antrag ein der Arbeit und der Dienstzeit angemessener Betrag von dem Anfall abgezogen ... ". Der Verwaltungsgerichtshof scheint jedoch die Anwendung dieser Bestimmung auch auf lebzeitigen Erwerb nicht strikt abzulehnen47 • Abschließend wäre noch zu erwähnen, daß mitunter lebzeitige übertragungen schwerer steuerlich erfaßbar sind. Dies gilt etwa für die übernahme eines Gesellschaftsanteils, der infolge stiller oder offener Reserven mehr wert ist als die geleistete Einlage, für die spätere kontinuierliche Auflösung von Reserven über eine erhöhte Gewinnbeteiligung oder für die Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters über oder unter dem wahren Wert des Gesellschaftsanteils48 • Zusammenfassend kann man global die Meinung vertreten, daß lebzeitige unentgeltliche Zuwendungen vom Standpunkt der Erbschaftund Schenkungsteuer letztwilligen Zuwendungen vorzuziehen sind 49 • 45 46
47 48
163 mwN.
Für eine Ausdehnung auf das gesetzliche Erbrecht bereits DOTaziZ 156. Vgl. VwGH 10.10.1958 VwSlgNF 1887 F; dagegen aber DOTaziZ 257. Vgl. DOTaziZ 59 f.; Mittelbach, Erbfolge 134 f.
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c) Grunderwerbsteuer
Besteht die antizipierte Erbfolge in der übereignung (inländischer) Grundstücke, sind auch die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes einzubeziehen50, 51: Das GrEwStG nimmt zwar in § 3 Z 2 unter anderem "Grundstückschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes" , also gerade diejenigen Rechtsvorgänge, die in erster Linie als antizipierte Erbfolge anzusehen sind52, ausdrücklich von der Besteuerung aus. In der Praxis kommen aber nicht nur rein unentgeltliche Gestaltungen der antizipierten Erbfolge vor 53 • Soweit nun aber Gegenleistungen und Auflagen vereinbart sind, greift das Grunderwerbsteuergesetz ein. Dabei ist zu beachten, daß im Grunderwerbsteuerrecht die "Schenkung unter einer Auflage zugunsten des Geschenkgebers ... steuerlich wie eine gemischte Schenkung zu behandeln"54 ist. Es kommt daher hier nicht darauf an, ob die Leistung des Beschenkten eine "vertragliche Gegenleistung bildet"55, sondern allein darauf, daß die Bereicherung des Beschenkten und damit die Schenkungssteuer herabgemindert wird. In Höhe des Wertes der Gegenleistung (Auflage) ist Grunderwerbsteuer zu entrichten, für den um die Gegenleistung (Auflage) verminderten Einheitswert58 Schenkungsteuer7 • übersteigt die Gegenleistung (Auflage) den Einheitswert, ist der Vorgang - jedenfalls beim Empfänger nur Vgl. auch Klunzinger JuS 1971, 282; Damrau, Erbverzicht 60 f. Vgl. allgemein hiezu Esch / Schulze 470 fi.; Petzold dNZ 1976, 143 fi. 51 Auf das gewissermaßen als Gegenstück zum GrEwStG bei beweglichen Sachen anzusehende - UStG (BG 15. 6. 1972 BGBI 223 idgF) ist hier nicht einzugehen: Einmal ist die Steuerpflicht auch hier streng auf das Entgelt für Lieferungen und sonstige Leistungen beschränkt (§§ I, 4 UStG), anderseits fällt antizipierte Erbfolge grundsätzlich nicht in den Rahmen eines Unternehmens (§§ 1, 2 UStG). 52 Vgl. oben II. C. 4. b. 53 Vgl. oben II. B. 54 Czurda Anm 94 z § 3. 55 Czurda Anm 92 z § 3 unter Berufung auf RFH 25.2. 1930 II A 28/30 RStBI S 209 und die darauf aufbauende Rechtsprechung in Deutschland und österreich. se Ob überhaupt eine gemischte Schenkung vorliegt oder nicht, richtet sich allerdings nach einem Vergleich der gemeinen Werte von Leistung und Gegenleistung im Zusammenhang mit Anhaltspunkten für eine Schenkungsabsicht: vgl. Czurda Anm 87 z § 3; für die Besteuerung ist aber auch bei Gegenleistungen so dann der Einheitswert maßgeblich: Die von der Grunderwerbsteuer erfaßten Gegenstände - inländische Grundstücke - unterfallen nämlich zur Gänze dem § 19 Abs 2 ErbStG, wonach der Einheitswert gemäß dem zweiten Teil des BewG maßgeblich ist: vgl. Langer §§ 18 fi.; VwGH 15.2.1960 VwSlgNF 2172 F; BFH 7.12.1960 BStBI 1961 III 78; vgl. auch unten IV. C. 3. 67 § 3 Z 2 GrEwStG; vgl. auch DoraziZ 13. 49
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mehr nach dem Grunderwerb -, nicht mehr auch nach dem Erbschaftsteuergesetz zu versteuern. Als Gegenleistungen (Auflagen) kommen Leistungen aller Art in Betracht. Unter dem Aspekt einer antizipierten Erbfolge ist zum Beispiel an die dem Erblasser eingeräumten oder vorbehaltenen Nutzungsrechtes 58, an die Bestellung von Ausgedingsrechten, die Verpflichtung zu Rentenleistungen59 , die Übernahme von Schulden und Hypotheken80 oder an Abfindungsleistungen zugunsten Dritter zu denken. Die beschriebnen Rechtsvorgänge sind steuerlich deshalb besonders günstig, weil der Steuersatz des GrEwStG für nahe Angehörige mit 2 Ufo (§ 14 GrEwStG) durchwegs niedriger ist als jener der Schenkungsteuer (§ 8 ErbStG), die ja nur mehr für den von der Grunderwerbsteuer nicht erfaßten Rest zu berechnen ist (§ 3 Z 2 GrEwStG). Ist die Gegenleistung (Auflage) vom Ableben des Übergebers abhängig, so stellt das Wegfallen dieser Belastung überdies keinen Erwerb von Todes wegen mehr dar (§ 2 Abs 3 ErbStG)81. Im Ergebnis zeigt sich auch hier, daß Gestaltungen durch vorweggenommene Erbfolgeregelungen der Erbfolge selbst grundsätzlich vorzuziehen sind, weil mehr Möglichkeiten für steuersparende Konstruktionen bestehen62 . d) Einkommensteuer
aal Allgemein Einkommensteuerliche Überlegungen können insofern Motivationen für antizipierte Vermögensübertragungen darstellen, als diese zugleich eine Umverteilung einkommensteuerpflichtiger Einkünfte (§ 2 Abs 3 EStG) bedeuten. Voraussetzung dafür, daß aus den verschiedenen Vereinbarungen insbesondere zwischen Angehörigen die gewünschten steuerlichen Konsequenzen gezogen werden, ist allerdings die steuerliche Anerkennung der Zu bei antizipierter Erbfolge häufigen "lästigen" Schenkungen Dorazil 84. Vgl. dazu etwa Stoll, Rentenbesteuerung 291 f., 304; im übrigen auch noch unten II. C. 4. d. bb. 80 Vgl. dazu etwa Czurda Anm 106 f. z § 11; siehe auch für Deutschland 58 59
Dippel 63.
61 Anders die nunmehrige Rechtslage in der BRD: § 25 d ErbStG - BGBI sieht grundsätzlich keine Abzugsmöglichkeit am geschenkten Gegenstand mehr vor: vgl. Petzold BB 1975, 35 ff.; Rosenau, übertragung 65. 82 Hingewiesen sei noch, daß sich nach Czurda - Anm 89 z § 3 - besondere Ersparnismöglichkeiten bei Ausgedingsleistungen dadurch ergeben, daß in der Praxis von einer zu hohen Lebenserwartung ausgegangen wird, wodurch die Annahme einer gemischten Schenkung erschwert oder überhaupt ausgeschlossen wird. Dadurch kann uU eine Schenkungsteuer überhaupt vermieden werden. 1974 I 933 -
c.
Motivationen
29
betreffenden Vereinbarungen, die am Kriterium der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu messen ist (§ 21 BAO)63. Dabei schadet jedoch das Motiv einer Steuerersparnis nicht6 4, wenn die Ernstlichkeit und Eindeutigkeit der Vereinbarung und die tatsächliche Durchführung feststehen 65 • Vor allem ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, daß lebzeitige Vermögensübertragungen durch den präsumtiven Erblasser auf den oder die präsumtiven Erben eine Progressionsmilderung schon vor dem Erbgang durch Auf teilung der Einkünfte auf zwei oder mehrere Empfänger zur Folge haben kann (§ 33 EStG). Dadurch kann - die Beteiligten insgesamt betrachtet - erheblich Steuer gespart werden 66 •
bb) Rolle des Betriebsvermögens Eine gewisse Bedeutung hat auch die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung des Betriebsvermögens. Je nach entgeltlicher oder unentgeltlicher Betriebsveräußerung87 spielt es eine verschiedene Rolle. Dies wird auch für einen Gewinnermittler nach § 4 Abs 3 EStG relevant, da er im Fall der Betriebsveräußerung doch in gleicher Weise wie ein Bilanzierender nach § 4 Abs 1 EStG vorzugehen hat68 • Er muß zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns einen Betriebsvermögensvergleich anstellen69 • Innerhalb der unentgeltlichen Übertragungen werden jedoch Schenkungen unter Lebenden und Erbfolge gleich behandeIt1°. Dennoch ist Vgl. hiezu StoU Laesing 11 ff.; Gassner, Interpretation. Vgl. Rosenau, überragung 27 f. unter Hinweis auf BFH 22. 8. 1951 BStBl 1951 II! 181, wo der Bundesfinanzhof dieses Motiv anerkannte. 85 Vgl. dazu ausführlich Ruppe, 69 ff.; zur steuerlichen Anerkennung von Familiengesellschaften insbesondere Torggler 219 ff. und Gassner, Anerkennung 247 ff.; für Deutschland vgl. Esch / Schulze 428 ff.; Rosenau, übertragung 27 ff., 68 ff.; zur Frage, wann die Vereinbarung einer Gewinnbeteiligung tatsächlich gewollt und nicht bloß eine Vorwegnahme der Erbfolge angestrebt wird vgl. BFH 22. 1. 1970 BStEl 1970 I! 413 und 22. 1. 1970 BStBl 1970 Ir 416. 68 Vgl. Esch / Schulze 428; Halmburger 292 f.; TroU 58; Mittelbach, Erbfolge 113; Sudhoff, Unternehmungsnachfolge 360 ff.; derselbe DB 1961, 1574. 67 Der Fall einer Betriebsveräußerung wird hier exemplarisch dargestellt. Zu anderen Formen vorweggenommener Erbfolge und ihrer einkommensteuerrechtlichen Behandlung in der BRD vgl. den überblick bei Peter / Petzold / Winkler 222 ff.; vgl. auch unten FN 73. 68 Vgl. Stoll Rentenbesteuerung 32,51 unter Hinweis auf VwGH 7.9.1954 Zl 2968/51. 69 Zum Unterschied vom Gewinnermittlungsverfahren nach § 5 EStG bleibt allerdings Grund und Boden und gewillkürtes Betriebsvermögen außer Ansatz. 70 Vgl. Hofstätter / Reichel Anm 55 z § 4 Abs 1 u Anm 10 z § 7; Thormann 116; Stoll, Rentenbesteuerung 35; VwGH 27.5.1960 VwSlgNF 2244 F; einen Unterschied machte der VwGH jedoch bezüglich der Auslegung des Wortes "Steuerpflichtiger" in § 4 Abs. 4 Z 5, 6. Satz EStG 1967: Bei Gesamtrechtsnachfolge im Erbwege nahm er Personenidentität zwischen Erblasser und 63
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Kap. II: Grundlagen
hier auf die unterschiedlichen Bewertungsarten zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtsgeschäften einzugehen, weil mit antizipierter Erbfolge - wie schon erwähnt - sehr häufig Gegenleistungen kombiniert werden, was umgekehrt beim Erwerb im Erbgang nur vereinzelt der Fall ist71 • Bei antizipierter Erbfolge ist auch hier besonders auf Rentenzahlungen des übernehmers einzugehen. Vorwegnehmend kann gesagt werden, daß nicht generell für eine bestimmte Art der übertragung ein steuerlicher Vorteil behauptet werden könnte. Die Frage kann nur für den Einzelfall - abhängig etwa von der konkreten Höhe der Einkünfte der jeweiligen Vertragsparteien beantwortet werden72 • Dazu mögen die folgenden - nicht erschöpfenden - Ausführungen Anhaltspunkte geben. Bei der entgeltlichen übertragung eines Betriebes, Teilbetriebes oder Anteils eines Gesellschafters 73 kann der Erwerber das übernommene Vermögen gemäß seinen Anschaffungs- und Herstellungskosten neu bewerten und diese Summe auf die einzelnen Wirtschaftsgüter verteilen. Dadurch kommt er voll in den Genuß eventuell gegebener Abschreibungsmöglichkeiten (AfA). Für den Veräußerer stellt der Verkaufserlös hingegen einen Veräußerungsgewinn (§ 24 EStG) dar, wobei der Kaufpreisforderung das Betriebsvermögen (Buchwerte) im Zeitpunkt der Veräußerung gegenüberzustellen ist. Dieser Veräußerungsgewinn ist allerdings nur mit dem halben Steuersatz zu versteuern14• Dieselbe Behandlung erfährt die Betriebsübertragung auch dann, wenn als Gegenleistung des Empfängers eine sogenannte betriebliche75 Veräußerungsrente geleistet wird: Erben an (VwGH 20.1.1970 VwSlgNF 4001 F), während er dies bei einer lebzeitigen übertragung ablehnte (VwGH 25. 9. 1974 VwSlgNF 4728 F). 71 Vom Erben zu übernehmenden Verbindlichkeiten, insbesondere Pflichtteilsansprüche stellen jedenfalls einkommensteuerrechtlich keine Anschaffungskosten dar: vgl. Mittelbach, Geschäftsübertragungen 210; Thormann 116; ausnahmsweise aber dann, wenn z. B. der Erbe für den Unterhalt dritter Personen aufkommen muß und der kapitalisierte Wert dem Wert des übernommenen Vermögens nahekommt: vgl. VwGH 1. 3.1963 Zl 448/61 zitiert bei Schlögl/ Wiesner / Nolz z § 6 Z 8 Anm 6; vgl. auch dazu Thormann 116 f. 72 Ähnlich auch Halmburger 237. 73 Auf die antizipierte übergabe sonstiger Wirtschaftsgüter des Betriebes wird hier nicht besonders eingegangen: es handelt sich beim übergeber gewöhnlich um Entnahmen, die dem insoweit verminderten Betriebsvermögen wieder hinzugerechnet werden müssen (vgl. Schubert / Pokorny / Schuch Anm 11 z § 4 EStG); beim Empfänger, soweit er einen Betrieb führt, Einlagen, die seinem insoweit vermehrten Betriebsvermögen wieder abgerechnet werden dürfen: §4 Abs 1 EStG. 7( § 37 Abs 2 Z 2 EStG; nach dem StruktVG (§ 8 Abs 3) überhaupt nur mit einem Viertel; ausführlich hiezu Mittelbach, Geschäftsübertragungen 235 ff. 75 Eine "private" Veräußerungsrente wäre dann gegeben, wenn Gegenstände des Privatvermögens gegen eine Rente entgeltlich veräußert werden: hiezu Schöpp 108 f.; Lehmann M.24; z den verschiedenen Arten der Renten
C. Motivationen
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Sie führt dementsprechend beim Empfänger zu nachträglichen Einkünften der vorgelegten Einkunftsart (zum Beispiel aus Gewerbebetrieb), wobei wohl auch nach österreichischem Recht ein Wahlrecht zwischen sofortiger76 und laufender77 Besteuerung besteht78 • Beim Erwerber ist die Rentenlast zu passivieren und als Anschaffungskosten auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen79 • Die laufenden Rentenzahlungen sind Betriebsausgaben, sie "beeinflussen den Gewinn nur in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den (tatsächlichen) Rentenzahlungen und der Verminderung der passivierten Rentenlast"80. Ein Geschäft, das sich als antizipierte Erbfolge darstellt, wird jedoch nur äußerst selten als entgeltlich behandelt. Dies resultiert einmal daher, daß nach der Judikatur zum Einkommensteuerrecht ein Rechtsgeschäft nicht in einen entgeltlichen und unentgeltlichen Teil zerlegt, sondern einheitlich nach dem überwiegen der einen oder anderen Merkmale beurteilt wird. Entscheidend ist, "ob im Gesamtbild des Rechtsgeschäftes die Merkmale einer entgeltlichen Veräußerung oder die Merkmale eines unentgeltlichen Rechtsgeschäftes ... überwiegen. Je nach dem Ausgang dieser Prüfung sind entweder die Bestimmungen der Z 8 oder der Z 9 des § 6 EStG 1972 anzuwenden" 81. Grundsätzlich gilt eine übertragung eines Betriebes im Wege vorweggenommener Erbfolge auch bei Vorliegen von Gegenleistungen als unentgeltliche Betriebsübertragung. So, wenn etwa der Unternehmer seinen Geschwistern eine Abfindung zu zahlen hat82 . Das gleiche gilt, wenn für eine Betriebsübergabe, die sich als vorweggenommene Erbfolge darstellt, eine Versorgungsrente bezahlt wird. Hier wird grundsätzlich das Vorliegen einer außerbetrieblichen83 Versorgungsrente vermutet, die zur steuerlichen vgl. Schubert / Pokorny / Schuch Anm 82 § 18 EStG; Schöpp 105 ff.; zur Abgrenzung der Rente von partiarischer Beteiligung und Kaufpreisraten: Stoll, Rentenbesteuerung 18 f.; Halmburger 247 ff. 7G Diese ist durch die Anwendbarkeit des § 24 EStG, wonach Veräußerungsgewinne nur mit dem halben Steuersatz belegt sind, begünstigt. 77 Bei dieser Besteuerungsart werden die Rentenzuflüsse erst im Zeitpunkt des jeweiligen Zuflusses erfaßt, allerdings erst wenn die kumulierten Rentenzahlungen den Buchwert des hingegebenen Betriebsvermögens übersteigen. 78 Schöpp 105, Stoll, Rentenbesteuerung 44 u für Deutschland Halmburger 251 ff. scheinen nur die zweite Variante zu vertreten; Schöpp 105 will aber trotzdem dem Empfänger die Begünstigung des § 34 EStG 1967 = § 24 EStG 1972 zuerkennen. 79 Vgl. Stoll, Rentenbesteuerung 74 ff. 80 Halmburger 253; vgl. auch Schöpp 107. 81 Hofstätter / Reichel Anm 2 z § 6 Z 9; iS einheitlicher Beurteilung auch Schubert / Pokorny / Schuch Anm 8 z § 18 mwN u Anm 76 z § 6; Thormann 116 ff.; vgl. auch VwGH 4.11. 1960 VwSlgNF 2318 F; 8.6.1956 VwSlgNF 1445 F.
82 Vgl. Mittelbach, Geschäftsübertragungen 209 f. unter Hinweis auf BFH 21. 8.1962 BStBI 1963 III 178; Sudhoff, Unternehmensnachfolge 378 f.; Brönner / Rux 124 f. mwN.
Kap. II: Grundlagen
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Behandlung des Geschäfts als unentgeltlich führt, wobei selbst eine Entsprechung von Leistung und Gegenleistung diesen Befund nicht ändern muß 84 • Allerdings ist auch umgekehrt das Vorliegen einer betrieblichen Veräußerungsrente, und damit die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Geschäfts als entgeltlich nicht unbedingt ausgeschlossen, auch wenn das Geschäft der Regelung späterer Erbansprüche dient 85 • Dies müssen die Parteien allerdings besonders darlegen. Bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung übernimmt der Rechtsnachfolger grundsätzlich die Buchwerte des Übertragenden, wie sie im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nach den steuerlichen Vorschriften über die Gewinnermittlung zu bewerten waren 86 • Handelt es sich dabei um der Abnützung unterliegende Wirtschafts güter des Anlagevermögens, kann die Bindung an die Buchwerte des Übergebers zu stark verminderten Abschreibungsmöglichkeiten87 beim Übernehmer führen. Dies kann sich schließlich ungünstig auf seine Einkommensteuerbelastung auswirken. Liegt eine außerbetriebliche Versorgungsrente vor, stellen die Renten beim Empfänger sonstige Einkünfte im Sinne des § 29 EStG 88 , beim Verpflichteten Sonderausgaben nach § 18 Abs 1 Z 1 EStG 89 dar. Dies entspricht einer unentgeltlichen Übertragung, wonach beim Veräußerer keine Veräußerungsgewinne entstehen und der Erwerber die Buchwerte fortzuführen und keine Möglichkeit hat, eine neue Bewertung der erworbenen Güter nach Anschaffungskosten durchzuführen90 •
cc) Fruchtgenuß Wie bereits ausgeführt t, spielen Fruchtgenußrechte im Rahmen antizipierter Erbfolgegestaltungen eine bedeutsame praktische Rolle. Die 9
83 Eine "betriebliche" Versorgungsrente wird zwischen verwandten Personen kaum anerkannt: vgl. Schubert / Pokorny / Schuch Anm 8 z § 18; Stall, Rentenbesteuerung 121; sie sind daher bei antizipierter Erbfolge praktisch irrelevant. 84 Für Österreich vgl. Lehmann M. 159 f.; Schöpp 107; Stall, Rentenbesteuerung 88 f.; VwGH 3.4.1968 VwSlgNF 3734 F mwN; für die BRD siehe Hermann / Heuer Anm 38 z § 22 EStG; Troll 23, 40; Mittelbach, Geschäftsübertragungen 212 f.; Kapp / Ebeling IV 2 ff.; BFH 27.2.1975 BStBl 1975 II 598; 12. 10.1967 BStBl 1968 II 10; 3.8.1966 BStBI 1966 III 679. 85 BFH 4. 4. 1967 BStBl 1967 III 490. 88 § 6 Z 9 EStG; vgl. hiezu VwGH 2.2.1968 VwSlgNF 3722 F; 25.10.1957 VwSlgNF 1720 F. 87 Eine vorzeitige Abschreibungsmöglichkeit kommt hier gewöhnlich ohnehin nicht in Betracht: § 8 Abs 2 Z 3 EStG. 88 Vgl. Stoll, Rentenbesteuerung 139 f.; sie stellen daher jedenfalls keinen Gewerbeertrag nach § 6 GewStG dar; zur Gewerbesteuerpflicht des Veräußerungsgewinns vgl. Stall, Rentenbesteuerung 54 f. 88 Vgl. wiederum Stall, Rentenbesteuerung 132 f. 90 Vgl. Schöpp 107 f. 91 Siehe insb II. B. 2.
C. Motivationen
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gegenseitigen Rechtsbeziehungen, zum Beispiel hinsichtlich der Tragung der Lasten und des Aufwands, lassen sich hiebei sehr variationsreich und flexibel an die konkreten Verhältnisse anpassenD!. Ganz allgemein kann die Bestellung von Fruchtgenußrechten ebenfalls eine Einkommensaufspaltung zur Folge haben und damit der Progressionsmilderung dienen. Wird der Fruchtgenuß an Gegenständen bestellt, für die eine Abschreibung für Abnützung möglich ist (AfA), ist zu beachten, daß die Abschreibung grundsätzlich nur dem (zivilrechtlichen) Eigentümer und nicht dem Fruchtnießer zusteht, es sei denn, daß dieser ausnahmsweise im Hinblick auf § 24 Abs 1 lit d BAO (wirtschaftliche Betrachtungsweise) wie ein Eigentümer anzusehen isti3 • Dem Fruchtgenußberechtigten werden grundsätzlich die Einkünfte einkommenssteuerlich zugerechnet. Dies gilt nach österreichischer Rechtsprechung aber dann nicht, wenn die Bestellung des Fruchtgenußrechts freiwillig oder zur Abgeltung gesetzlicher Unterhaltsansprüche bestellt wird (§§ 20 Abs 1 Z 1 EStG). In diesem Fall werden die Einkünfte dem Eigentümer zugerechnet, "weil die Lage so angesehen wurde, als hätte der Zuwendende selbst die Nutzungen mit einkommensteuerlicher Wirkung (Zurechnung) gezogen und sie sodann im Wege einer nach § 12 [jetzt § 20] EStG unbeachtlichen Einkommensverwendung dem Zuwendungsempfänger überlassen"w, is. e)
Vermögensteuer
Vermögensteuerliche Erwägungen haben für die Vornahme vorzeitiger Vermögensübertragungen des zukünftigen Erblassers ebenfalls eine gewisse Bedeutung. Ohne Relevanz bleiben allerdings von vornherein alle Vermögensumschichtungen, die der Steuerpflichtige an die in dauernder Haushaltsgemeinschaft lebende Ehegattin oder an seine minderjährigen zum Haushalt gehörenden Kinder vornimmt, weil das Ver92 Vgl. Esch / Schulze 438 ff; Felix StKR 1972, 371 ff.; Petzold dNZ 1972, 582 ff. 93 Vgl. Ruppe, Grundsätze 14 ff.; HeidingeT / PuchneT, 327 ff.; für Deutschland vgl. Esch / Schulze 439 f.; Petzold BB 1975, 1430 ff.; Rosenau BB 1970, 297 ff. V4 Ruppe, Grundsätze 15 mwN, der diese Auffassung jedoch kritisiert; vgl. die seit BFH 6.7.1966 BStBl 1966 III 584 geänderte deutsche Judikatur: dazu Söfjing FinRdSch 1975, 363 f. FN 22 u 23; Mittelbach, Nießbrauch 24; HalmbUTgeT 131 ff. 95 Im Fall der Entnahme von Betriebsvermögen unter Vorbehalt des Fruchtgenusses ist unklar, ob als Entnahmewert und damit nach § 4 Abs 1 EStG dem Gewinn hinzuzurechnender Betrag der volle Schenkungswert oder der um den vorbehaltenen Fruchtgenuß verminderte Wert einzusetzen ist: vgl. BFH 28.2. 1974 BStBI II 1974, 481 = DB 1974, 1606, wo es um die übergabe eines Betriebsgrundstückes im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an die Tochter ging; der BFH sah in der Bestellung des Nießbrauches keine Gegenleistung der Tochter, die den Entnahmewert schmälert; dazu vgl. kritisch Söfjing FinRdSch 1975, 419 f.; RohneT FinRdSch 1975, 437 ff.
3 Eccher
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Kap. II: Grundlagen
mögensteuergesetz in § 11 eine gemeinsame Veranlagung dieser Personen vorsieht. Überträgt jedoch der Steurpflichtige Vermögensteile an andere als die genannten Personen, zum Beipsiel an großjährige Kinder98 und fällt dieses Vermögen bei diesen Personen wegen des Freibetrages von 150000 S (§ 4 VermStG) gar nicht oder nur teilweise unter die Steuerpflicht, so kann dadurch insgesamt eine Verringerung der Steuerlast97 erreicht werden, weil der Steuerpflichtige selbst durch die Vermögensübertragung keine ihm zustehenden Freibeträge verliert. Eine Steuererleichterung kann auch hier die Kombination der antizipierten Erbfolge mit Gegenleistungen des Empfängers, zum Beispiel vorbehaltenen Nutzungsrechten oder Rentenleistungen, bringen98 • f)
Gebühren
Der wesentliche Teil jener Rechtsgeschäfte, die eine vorweggenommene Erbfolge darstellen, ist gemäß § 15 Abs 3 Gebührengesetz von der Gebührenpflicht ausgenommen. Allerdings ist von jedem Bogen einer darüber errichteten Urkunde eine feste Gebühr von 70 S nach § 14 Z 11 GebG zu entrichten. Für den parallelen erb rechtlichen Erwerb sind demgegenüber zwar keine Gebühren nach dem Gebührengesetz, wohl aber solche nach dem Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz zu entrichten99 • Die aus dieser Gegenüberstellung resultierenden Unterschiede sind jedoch zu geringfügig, um ihnen einen Einfluß auf die überlegung der Parteien hinsichtlich einer erfrühten Vermögensübertragung zuzubilligen. 5. Untemehmerische Motive Im Unternehmensbereich eröffnet sich ein besonders weites Anwendungsgebiet für antizipierte Erbfolgeregelungen. Neben die bereits erwähnten Gründe und Motive treten hier noch ganz spezifische weitere Umstände, die eine Vorwegnahme der Erbfolge nahelegen können. Zunächst ist zu erwähnen, daß bei der Unternehmensnachfolge nicht allein über die Weitergabe der Vermögenswerte als solche zu entscheiden ist, sondern auch - mit mindestens gleicher Wichtigkeit - die Frage der nachfolgenden Person zur Diskussion steht. Wiethölter lOO beispielsweise hält überhaupt die Weiterführung der Unternehmerfunktion für die primäre Aufgabe der Unternehmensnachfolge. Es mag richtig sein, daß bei kapitalistisch organisierten Handelsgesellschaften die ProH Ausgenommen im Fall des § 5 Abs 1 Z 3 VermStG; weitere Beispiele bei Langer / Futschik / Grabner 65 f. 97 10f0 des jährlichen steuerpflichtigen Vermögens: § 8 VermStG. 98 VgI. Esch / Schulze 470. 99 § 27 GJGebG Tarifpost 10 B. 100 240.
C. Motivationen
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blematik nicht so sehr gegeben ist, soweit die Unternehmer- von der Eigenrumerfunktion getrennt ist101 • Soweit dies aber nicht der Fall ist und soweit es sich um Personalgesellschaften oder Einzelunternehmen handelt, stellt sich wohl neben der Frage der Vermögensnachfolge immer auch das personelle Nachfolgeproblem. Dabei ist nun die Ausrichtung unseres geltenden Erbrechtssystems lediglich auf das "tote Vermögen" besonders spürbar102• Nur das bäuerliche Erbrecht kennt auch die Zielsetzung der Erhaltung und Fortsetzung einer Vermögenseinheit durch einen (geeigneten) Nachfolger. Es wird zwar immer wieder versucht, eine Parallele zwischen dem bäuerlichen Erbrecht und der Unternehmensnachfolge herzustellen, doch dabei das Fehlen entsprechender erbrechtlicher Sonderbestimmungen zum Teil bedauernd, zum Teil zustimmend hervorgehobenlOS. Der Tod des Altunternehmers kann demnach nach der geltenden Rechtslage ohne weiteres zu einer Zersplitterung des Vermögens oder zumindest - bei Ausnutzung gegebener letztwilliger Gestaltungsmöglichkeiten - zu großen finanziellen Belastungen des Nachfolgers führen 10i• Es wird daher verständlicherweise von Unternehmerseite versucht, durch die verschiedensten rechtlichen Konstruktionen einen Ausgleich zwischen den Unternehmensinteressen und den Interessen der Erben, Pflichtteilsberechtigten und sonstigen Nachlaßbeteiligten zu finden. Unter diesen überlegungen spielen nun vorweggenommene Erbfolgeregelungen eine hervorragende Rolle. Es wird massiv vorgeschlagen, die Erbfolge in irgendeiner Form zu antizipieren, insbesondere das Nachfolgeproblem mittels Rechtsgeschäfts unter Lebenden zu regeln und die weichenden Nachkommen schon zu Lebzeiten mit anrechenbaren Vorempfängen zu versorgen105 • Vgl. Westermann FS Möhring 184. Vgl. Kastner NZ 1971 SNr 28; WiethöZter 240: "Erbrecht ist ... zugeschnitten auf Rechtsübergänge, wärend die Praxis Funktionsübergänge braucht." 103 Im erstgenannten Sinn Schippel 49. DJT 1972 II K 58; Kastner NZ 1971 SNr 28 u Heintzenberg 195 wollen von der geltenden Rechtslage, die durch das Fehlen eines "Erbhofs der Wirtschaft" gekennzeichnet ist, ausgehen. 104 Vgl. Heintzenberg 196 f.; wenn Däubler ZRP 1975, 138 von der "konzentrationsfördernde(n) Ausgestaltung des gesetzlichen Erbrechts" mit Ausnahme des landwirtschaftlichen Bereichs spricht, so meint er, daß auf Grund der zunächst eintretenden Vermögenszersplitterung in der Folge eine Konzentration etwa durch Aufkauf des Unternehmens durch einen Marktkontrahenten eintreten kann. 105 Vgl. für Österreich Kastner NZ 1971 SNr 25; Schöpp 18 ff.; für Deutschland Däubler ZRP 1975, 144; Ebert, Kompetenzabgrenzung 128; SudhojJ, Unternehmensnachfolge 3 ff.; derselbe DB 1961, 1574; Rheinstein 129; WiethöUer 239; Westermann FS Möhring 198; Schneider / Zartmann / Martin 37; Kapp 294f. 101
10!
3·
Kap. 11: Grundlagen Die Vorteile antizipierter Erbfolgeregelungen für das Unternehmen liegen nicht nur in steuerlichen Gründen und geringeren Belastungen durch Abfindungs- und Pflichtteilsansprüche beim Erbfall, sondern auch in einem persönlichen Aspekt: Gegenüber anderen rechtlichen Konstruktionen zur Hintanhaltung einer Existenzgefährdung und zur Sicherung der Nachfolge ist es bei antizipierten Erbfolgeregelungen gleichzeitig möglich, den Nachfolger sukzessiv in die volle Unternehmensstellung hineinwachsen zu lassen und damit die Unternehmenskontinuität zu wahren. Dies kann dem bishreigen Betriebsinhaber ein spürbare Entlastung, dem Jüngeren wertvolle Erfahrungen vermitteln lO6 • Als weiterer häufiger Grund, antizipierte Erbfolgeregelungen zu Lebzeiten vorzunehmen, ist auch der Versuch nicht zu übersehen, bei Personengesellschaften den sich im Zusammenhang mit der Erbfolge ergebenden Rechtsproblemen aus dem Wege zu gehen l07 • Die Kollision von Erbrecht und Gesellschaftsrecht führt nämlich wegen der verschiedenen Zielsetzungen der Rechtsbereiche zu einer fast unlösbaren Kollision von erb- und gesellschaftsrechtlichen Normenl08 • 6. Exkurs: Rechtliche Probleme durch den Tod eines Gesellschafters a)
Allgemein
Die Darstellung einiger Rechtsfragen, die sich beim Tod eines OHGGesellschafters oder eines KG-Komplementärs l09 stellen, dient in erster Linie dem Nachweis der oben llO aufgestellten Behauptung, die hier bestehenden Rechtsprobleme und Rechtsunklarheiten könnten Motiv für antizipierte Erbfolgeregelungen sein. Daneben mögen die folgenden - das Problem natürlich nicht erschöpfenden - Ausführungen als Beitrag zu dem in Österreichll1 zum Unterschied von Deutschlandll2 viel 106 Vgl. Westermann, Personengesellschaftsrecht I 273; Damrau, Erbverzicht 59 f.; allgemein zum Generationsverhältnis im Unternehmen siehe Römer 91 ff.; zu Familiengesellschaften vgl. Torggler 219. 107 Vgl. Kastner, Gesellschaftsrecht 83 ff.; Ebert, Kompetenzabgrenzung 71 ff. 108 Vgl. insb Siebert 21 ff.; im übrigen siehe den folgenden Exkurs: H. C. 6. 109 Vgl. auch die auf Handelsgesellschaften allerdings nicht mehr anwendbaren (Art 7 Nr 1, 4. EVzHGB) - diesbezüglichen Bestimmungen zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts: §§ 1206 ff. ABGB. 110 Oben Ir. C. 5. 111 Vgl. Kastner FS Schwind 133 ff.; derselbe NZ 1973, 33 f.; derselbe NZ 1971 SNr 2011.; derselbe JBI 1971, 155 ff.; derselbe öJZ 1958, 365 ff.; Behrens 6011.; Wahle JBI 1966, 33711.; Demelius GS Gschnitzer 11711.; derselbe NZ 1956, 177 ff.; derselbe NZ 1954, 11311.; Haas JBl1955, 811. 112 Vgl. etwa die Literaturübersichten bei Finger, Nachfolge IV ff. u Ulmer in RGRKomm z HGB § 139; zur ähnlich gelagerten Problematik in der Schweiz vgl. Hausheer, Erbrechtliche Probleme 98 ff.
c. Motivationen
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weniger behandelten Problemkreis verstanden werden. Eine direkte Heranziehung des - trotz seinem Umfangs noch vor vielen offenen Fragen stehenden - deutschen Schrifttums scheitert nämlich in erster Linie an der verschiedenen Regelung des Erbschaftserwerbs 113 : Während nach § 1922 BGB die Erbschaft unmittelbar bei Tod des Erblassers auf den Erben oder die Erbengemeinschaft übergeht, gehen in Österreich alle vererblichen Rechte und Pflichten zunächst auf den sogenannten ruhenden Nachlaß und erst nach der Einantwortung auf den oder die Erben über. Diese Verschiedenheit muß sich auch auf die Erbfolge eines Gesellschafters auswirken. Der Erbe hat grundsätzlich die Einantwortung abzuwarten114• Die folgende übersicht stellt ein Paradigma dafür dar, daß das Erbrecht in seiner geltenden Ausprägung gewissen Problemstellungen nicht gewachsen ist. Umgehungstendenzen sind unverkennbar. Lebzeitige Geschäfte und solche von Todes wegen liegen gerade hier sehr nahe beisammen. Man denke etwa an "gesellschaftsrechtliche" oder "erbrechtliche" Nachfolgeklauseln oder an die Beschränkung (den Ausschluß) von Abfindungsansprüchen zugunsten der Restgesellschafter115 • Der Grund für das Entstehen einer Reihe schwieriger und zum Teil ungelöster Rechtsfragenl1~ liegt in dem Konflikt, der sich zwischen den verschiedenen Ordnungsgesichtspunkten von Gesellschaftsrecht einerseits und Erbrecht anderseits auftut. Dieser Konflikt bildet nicht selten für den Erblassergesellschafter selbst ein persönliches Problem: Im typischen Fall wünschen die Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaftll7 und zumeist auch den Eintritt eines Nachfolgers für den Verstorbenen, der die persönliche Fähigkeit und eine entsprechende Kapitalausstattung mitbringt und auch das Vertrauen der übrigen Gesellschafter genießen muß. Gewünscht wird dabei regelmäßig die Fortsetzung der Mitgliedschaft als Ganzes durch einen einzigen geeigneten Nachfolger118• Der 113 Die handelsrechtliche Rechtslage ist dagegen fast völlig ident (Behrens 61): Vgl. §§ 131 Z 4, 137, 138, wobei allerdings an die Stelle der §§ 738 ff. BGB in österreich Art 7 Nr 15 und 16 der 4. EVzHGB treten, und 139 HGB mit Ausnahme des in österreich nicht geltenden Abs 3. 114 115 118
OHG 1. 3.1951 SZ 24/57.
Dazu gleich im folgenden Text. Vgl. die resignierenden Schlußsätze der einschlägigen Aufsätze von
Kastner öJZ 1958, 371, u Demelius NZ 1954, 117 f.
117 Die vom HGB vorgesehene grundsätzliche Auflösung der Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters nach § 131 Z 4 HGB entspricht nicht mehr den sozialen Gegebenheiten und ist auch volkswirtschaftlich nicht zu begrüßen; vgl. dazu Westermann, Personengesellschaftsrecht I 310; Römer 17 ff.: Nicht richtig erscheint daher die von Ebert vertretene Auffassung (Kom petenzabgrenzung 44 f.), daß die Wertvorstellung des Kapitalbestandsschutzes unrichtig sei und keinesfalls als Interpretationshilfe herangezogen werden könne. 118 Vgl. Kastner, Gesellschaftsrecht 84; Westermann, Personengesellschaftsrecht I 312 f.
38
Kap. II: Grundlagen
Erblasser erstrebt aber auch eine gleichmäßige vermögensrechtliche Nachfolge oder muß doch - im PtIichtteiIsrecht - eine Mindestbeteiligung an seinen Vermögenswerten für seine nächsten Verwandten dulden. Nur in Idealfällen ist der InteressenkonfIikt ausgeschlossen, etwa dann, wenn der Erblasser nur einen einzigen - zugleich geeigneten gesetzlichen Erben hat oder wenn bei testamentarischer Einsetzung des geeigneten Nachfolgers PfIichtteiIsansprüche nicht bestehen oder aus sonstigen VermögensbestandteiIen des Erblassers abgedeckt werden können l18 • b) Einzelne Fragen
aa) Auflösung der Gesellschaft Nach § 131 Z 4 HGB wird die OHG120 mangels anderslautender Vereinbarung mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst. Die Gesellschaft tritt in Liquidation. Mehrere Erben eines Gesellschafters haben einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen. Nach richtiger Auffassung l21 gilt dies für Österreich erst ab Einantwortung. Bis dorthin ist die Verlassenschaft Liquidationsgesellschafterin12!. Regelmäßig verhindern die Gesellschafter durch eine die dispositive Anwendung des § 131 Z 4 HGB beseitigende Vereinbarung (Fortsetzungsklausel) jedoch die Auflösung. Dies hat das Entstehen eines zur Verlassenschaft gehörigen Abfindungsanspruchs des (der) Erben gegen die Gesellschaft zur Folge123 • Die praktisch äußerst wichtige 124 Bewertung des Gesellschaftsvermögens zwecks Berechnung dieses Abfindungsanspruchs bereitet in Theorie und Praxis allerdings größte Schwierig11U Den erwähnten Interessenkonflikt ignoriert EbeTt, Komptenzabgrenzung 62 f., wenn er die angesprochenen Probleme durch eine bevormundende In-
teressenverteilung und Zuweisung dieser Interessen in die Kompetenz von Erbrecht oder Gesellschaftsrecht lösen will; SudhojJ, Gesellschaftsvertrag 307 meint dagegen richtig, daß die "subjektiven individuellen Momente" des Erbrechtes den "objektiven, kollektivistischen Trendenzen" des Gesellschaftsrechtes entgegenstehen; ähnlich sieht SäckeT 67 f. mwN (zur qualifizierten Nachfolgeklausel) zwischen den nicht aufeinander abgestimmten Normen des Bürgerlichen- und des Handelsrechtes eine Regelungslücke in Form einer sog Kollisionslücke. 120 Ebenso die KG bei Tod eines Komplementärs: § 161 Abs 2 iVm § 177 HGB. 121 KastneT ÖJZ 1958, 367; Demelius NZ 1954, 117. 1%2 Zu dem in der Praxis häufigen "Verlassenschaftsprovisorium" dh die Bestellung einer zur Firmenzeichnung nach dem Tod des Gesellschafters bis zur endgültigen Registerbereinigung geeigneten Person, vgl. insb. Demelius, Nachlaßverfahren 138 ff.; vgl. auch unten III. A. 2. 113 Art 7 Nr 15 Abs 3, 4. EVzHGB u § 738 BGB; vgl. hierzu OGH 17.5.1960 HS97. 124 SäckeT 19 mwN FN 8 bezeichnet diese Frage überhaupt als "praktisch bedeutsamste" Wertungsfrage.
C. Motivationen
39
keiten125 • Scheidet der Gesellschafter noch zu Lebzeiten aus, so ist die Ermittlung der Höhe seines Abfindungsguthabens vergleichsweise immerhin dadurch erleichtert, daß er selbst dabei mitwirken kann 128• Häufig enthält der Gesellschaftsvertrag daher Klauseln, die eine Regelung der Höhe des Abfindungsanspruchs enthalten. Soweit sie bloße Berechnungsvorschriften darstellen, sind derartige Klauseln ohne weiters zulässigU7 • Wenn damit aber materielle Beschränkungen verbunden sind - dies kann meines Erachtens sehr wohl auch bei einer Abfindung nach den Buchwerten oder bei Außerachtlassung des "good wills" oder der stillen Reserven der Fall sein - sind die Interessen der N achlaßbeteiligten gefährdet. Der Anteil des Verstorbenen wird dann ganz oder teilweise am Nachlaßverfahren vorbeigeleitet und wächst den übrigen Gesellschaftern zu 1!8. Die überwiegende österreichische Lehre und Rechtsprechung behandelt die betreffenden Klauseln jedoch als entgeltlich und damit wegen §§ 785, 951 ABGB, die nur Schenkungen einer Anfechtung unterziehen, als erbrechtIich irrelevant129 • Diese Auffassung beschneidet in einseitiger Weise die Nachlaßinteressen zugunsten der Gesellschaftsinteressen. Manche130 wollen nun den Konflikt in der Weise lösen, daß sie derartige Klauseln nur dann für unentgeltlich halten, wenn sie bloß zugunsten einzelner bestimmter Gesellschafter, nicht aber wechselseitig vereinbart wurden. Doch vermag auch diese Auffassung nicht zu überzeugen. Im Vordergrund steht nämlich die unentgeltliche überlassung des eigenen Geschäftsanteils an die Restgesellschafter, um die Gesellschaft ohne beschwerende Auseinandersetzungsansprüche fortsetzen zu können, und nicht das aleatorische Elemente der Vereinbarung, das als Argument für die Entgeltlichkeit angeführt wird. Den Gesellschaftern geht es nicht um die Erwerbung einer Chance auf den Gesellschaftsanteil eines anderen, sondern um die Verhinderung eines Kapitalabflusses. Meines Erachtens wäre folgende Lösung, die hier nur skizziert werden kann, anzustreben: Grundsätzlich gelten alle Klauseln, die den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters beschränken oder Vgl. Hueck, OHG 452 ff. mwN; Schmitz-Herscheidt 13 ff. Vgl. Hueck, OHG 456. 127 So grundsätzlidl audl Geßler in Schlegelberger § 138 Anm 27 b. 128 Art 7 Nr 15 Abs 1, 4. EVzHGB; § 738 BGB. 129 Vgl. Kastner JBI 1955, 138 f.; derselbe zieht jedodl nunmehr die Entgeltlidlkeit der überlassung eines Gesellsdlaftsanteils immerhin in Zweifel: NZ 1971 SNr 25; OHG 25.7.1950 SZ 23/227; 18.1.1950 SZ 23/8; in E 29.10. 1901 ACI 2271 qualifizierte der OHG früher sdlon die übertragung eines Gesellsdlaftsanteils nidlt als Sdlenkung. 130 z. B. Geßler in Schlegelberger § 138 Anm 27 ff.; Säcker 31 ff. FN 2; BGH 22. 11. 1956 BGHZ 22, 186; vgl. audl Kastner NZ 1971 SNr 25. 1ZG
128
Kap. II: Grundlagen
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ausschließen als unentgeltlichlJl • Doch ist bei Beurteilung der Höhe der unentgeltlichen Zuwendung an die Restgesellschafter nicht vom Vollwert des Gesellschaftsanteils auszugehen, sondern - analog den höferechtlichen Bestimmungen132 - von einem Wert, der es den fortsetzenden Gesellschaftern wirtschaftlich ermöglicht, die Gesellschaft fortzusetzen. Es kann nämlich weder von diesem - billigenswerten - Ziel her noch von den Nachlaßinteressenten aus gesehen, einen Unterschied ausmachen, ob eine solche Klausel wechselseitig oder bloß einseitig vereinbart wurde. Denn die Belastung der Gesellschaft mit allzu drückenden Ptlichtteilslasten bei einer einseitigen Klausel ist genauso uneinsichtig wie der vollkommene Ausschluß aller Ansprüche der Nachlaßinteressenten bei wechselseitigen Klauseln l33 • bb) Nachfolgeklauseln
Sehr oft wünschen die Gesellschafter - insbesondere der ausscheidende Gesellschafter - nicht nur die Fortsetzung der Gesellschaft, sondern auch den Eintritt eines Nachfolgers. Die auf die Nachfolge abzielenden Klauseln und Vereinbarungen sind äußerst variationsreichl34 : Je nachdem, ob der Eintritt des Nachfolgers automatisch oder durch eigenen Aufnahmevertrag geschieht, unterscheidet man die sogenannten "Nachfolge-" von den "Eintrittsklauseln", je nachdem ob der Nachfolger auf Grund gesetzlicher oder gewillkürter Erbfolge oder unabhängig von der erbrechtlichen Stellung bestimmt wird, trennt man "erbrechtliche" von "gesellschaftsvertraglichen" Nachfolge(Eintritts-)klauseln. Eine Mittelstellung nehmen jene Klauseln ein, in denen zwar der Nachfolger Erbe des verstorbenen Gesellschafters sein soll, zusätzlich aber noch bestimmte im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Qualifikationen zur Nachfolge mitbringen muß. Die sogenannten Nachfolgeklauseln setzen die rechtliche Möglichkeit voraus, daß die gesamte Mitgliedschaftsstellung übertragbar oder vererblich gemacht werden kann. Hier tritt der Nachfolger ja automatisch die Rechtsnachfolge an, die er nicht neu auf Grund eines Eintrittsrechts erwirbt13S • Vgl. Demelius, Nachlaßverfahren 105. Vgl. unten V. J. 133 Eine Formpflicht nach dem NZwG besteht mE wegen der durch Art 7 Nr 15, 4. EVzHGB normierten automatischen Anwachsung des Gesellschaftsanteils zugunsten der übrigen nicht: vgl. dazu auch Jud 164; aA Demelius, Nachlaßverfahren 105. 134 Zur Formentypik vgl. Säcker 34 f. 135 Ebert, Kompetenzabgrenzung 71 f. (vgl. auch 140) leugnet dies entgegen der hA: vgl. etwa Hueck, OHG 394 ff.; Siebert, Gesellschaftsvertrag 16 f.; für Österreich Behrens 63 f. Ebert begründet dies mit dem rein personalen Element der Mitgliedschaft, das strukturlogisch mit dem Tod erlöschen müsse. Übertragbar und vererblich sei nur der Anspruch auf das Auseinander131
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C. Motivationen
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a) Gesellschaftsvertragliche Nachfolge (Eintritts-)klauseln
Die gesellschaftsvertragliche Eintrittsklausel besteht in der Einräumung eines Optionsrechts zum Eintritt in die Gesellschaft138• über das Schicksal des bei Ausscheiden eines Mitglieds entstehenden Abfindungsanspruchs 137 ist allein damit noch nichts entschieden. Keinesfalls läßt sich behaupten, daß in einem solchen Fall den Erben automatisch kein derartiger Anspruch zusteht138• Die gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel zielt unmittelbar auf die Nachfolge ab. Sie wird in Deutschland überwiegend abgelehnt, da wegen der mit einer GesellschaftersteIlung verbundenen Pflichten ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritten vorliege139 und da Verfügungsverträge zugunsten Dritter überhaupt nicht möglich seien140• Den Gegenargumenten Säckers141 , über die Zu lässigkeit auch dinglich wirkender Verträge zugunsten Dritter ist noch hinzuzufügen, daß es sich hier lediglich um die Form für jeden beliebigen Rechtserwerb handelt. Gegen die Zulässigkeit dinglicher Verträge zugunsten Dritter ist daher nichts einzuwendenu2 . Auch dem "materiellen, an der Positionsverschlechterung orientierten Denken" Säckers143 ist in der Frage des Vertrages zulasten Dritter meines Erachtens zu folgen. Der Erwerb einer Mitgliedschaft kann unter Umständen sehr wohl als (bloße) Begünstigung erscheinen, auch wenn damit bestimmte Rechtspflichten verbunden sind, die aber insgesamt nicht ins Gewicht fallen. Im übrigen ist an das Zurückweisungsrecht des Dritten (§ 882 ABGB) zu erinnern1 «. Selbstverständlich könnte eine außererbrechtliche Nachfolgeregelung auch durch direkten Vertrag zu Lebzeiten zwischen Alt- und Neugesellsetzungsguthaben, die Mitgliedschaft müsse jeweils neu durch Aufnahmevertrag begründet werden. Er geht mit seiner Auffassung wohl manchen Problemen aus dem Weg, ihm ist aber angesichts der Bestimmung des § 139 HGB nicht zuzustimmen, aus dem eindeutig hervorgeht, daß der nachfolgeberechtigte Erbe automatisch Mitglied der Gesellschaft wird (arg "Verbleiben"). In österreich wird in einem solchen Fall allerdings - wie ausgeführt: oben aa. - zunächst die Verlassenschaft Gesellschafterin, dies aber ebenfalls ohne Aufnahmevertrag (arg Art 7 Nr 17 Abs 1, 4. EVzHGB "besteht ... fort"). 138 Vgl. Kastner öJZ 1958, 369; Ulmer in RGRKomm z HGB § 139 Anm 15 ff.; Säcker 39 f. 137 Dazu schon oben II. C. 6. b. aa. 138 So Kastner ÖJZ 1958, 369. 139 Vgl. BGH 22.11. 1956 BGHZ 22, 186 (188); Stellungnahmen der Literatur bei Säcker 49 FN 35; insb Siebert, Gesellschaftsvertrag 17. 140 Angaben wiederum bei Säcker 44 FN 16. 141
43 ff.
So auch Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 231; zum Vertrag zugunsten Dritter auch noch unten IV. B. 4. e. bb. 141
143
144
54.
Zur Formpflicht beim Vertrag zugunsten Dritter vgl. unten IV. B.
4.e. bb.
Kap. II: Grundlagen
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schafter auf den Todesfall erfolgen, vorausgesetzt, die übrigen Gesellschafter haben diesem Vertrag zugestimmt. Die Konstruktion ist jedoch selten, weil sich Gesellschafter in der Regel nicht in der Weise binden lassen wollen 145 • Im übrigen wäre wohl dann, wenn der Erblasser wirklich zu einer bindenden Verfügung bereit wäre, eine sofortige lebzeitige übertragung - unter Umständen mit Vorbehalt des Fruchtgenußrechts - schon deshalb günstiger, um einer etwaigen Notariatsaktspflichtigkeit bei Schenkungen auf den Todesfall zu entgehen. Die lebzeitige buchmäßige Durchführung der Schenkung stellt nämlich eine ausreichende wirkliche übergabe (§ 1 Abs 1 lit d NZwG)I") dar. ~)
Erbrechtliche Nachfolge- und Eintrittsklauseln
Im Fall einer erbrechtlichen Nachfolgeklausel wird in Österreich zunächst die Verlassenschaft Mitglied, nach Einantwortung automatisch der Erbe. Bei einer Eintrittsklausel hingegen erlöscht zunächst die Mitgliedschaft, es entsteht ein in die Verlassenschaft fallender Abfindungsanspruch. Der eintrittsberechtigte Erbe kann nach Einantwortung diesen Anspruch wieder in die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft umwandeln147• Schwierigkeiten für den eintrittsberechtigten Erben entstehen bei Vorhandensein mehrerer Erben, wenn ihm weder letztwillig die für den Eintritt nötige Kapitalausstattung zugewendet wird, noch die Miterben bereit sind, ihm eine entsprechende Vermögensbasis zu verschaffen. Diese haben ja grundsätzlich den Abfindungsanspruch geerbt, weil bei der Eintrittsklausel der verstorbene Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet148• Die Gesellschafter können dem dadurch entgehen, daß sie vereinbaren, ein Abfindungsanspruch solle nicht entstehen149 und bei Eintritt des Berechtigten solle der inzwischen ihnen angewachsene Anteil diesem wieder zugewendet werden. Weitere Fragen entstehen, wenn mehrere Erben vorhanden und sämtliche eintritts-(nachfolge-)berechtigt sind, daraus, daß nach herrschender Auffassung eine Erbengemeinschaft untaugliche Gesellschafterin sei, woraus sich die Notwendigkeit der Aufspaltung der Mitgliedsrechte ergibtl50 • Eine dogmatische Grundlage151 für die Erklärung der Aufspal145 Zu den sonstigen Vorteilen antizipierter Erbfolge vgl. das gesamte KapII. c. I" Jud 164. Zur Formpflicht bei antizipierter Erbfolge auch noch unten V.D. 147 Vgl. Säcker 66; Wiedemann, übertragung 164 f. 148 Unklar DemeHus NZ 1954, 116. m Dazu schon oben Ir. C. 6. b. aa. 150 Für die BRD vgl. UZmer in RGRKomm z HGB § 139 Anm 48 mwN; Westermann, Personengesellschaftsrecht I 351 f.; Hueck, OHG 410 insb FN 22: insb Schmitz-Herscheidt 84 f., der sich auch mit der von Siebert (21) angedeuteten - aber selbst nicht vertretenen - Möglich-
C. Motivationen
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tung der Mitgliedschaft ist in Österreich darin zu erblicken, daß in dem Wunsch der Erben zur Nachfolge in die Gesellschaft, der bei der Eintrittsklausel durch Abgabe der Eintrittserklärung, bei der Nachfolgeklausel durch Unterlassen der Ausschlagung der Erbschaft zum Ausdruck kommt, ebenfalls eine konkludente außergerichtliche Erbteilung auf die entsprechende Erbquote am Gesellschaftsanteil liegt (§ 170 AußStrG). Sie ist bei Eigenberechtigung der Erben bekanntlich nicht durch das Abhandlungsgericht zu genehmigen (§ 166 AußStrG). Besonders deutlich tritt die Kollision zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht bei Vorliegen einer sogenannten qualifizierten Nachfolgeklausel (Einerbenklausel)152 zutage. Antizipierte Erbfolgeregelungen erscheinen auch gerade hier vergleichsweise einfacher und daher vorteilhafter. Die Klausel soll die unmitetlbare 153 Gesellschaftsnachfolge nur eines oder einzelner von mehreren Erben regelmäßig mit demselben Anteil, wie der Erblassergesellschafter ermöglichenl54 • Eine Reihe von Theorien versucht, dafür eine dogmatische Grundlage zu liefern. keit kritisch auseinandersetzt, nur die Ausübung der Mitgliedschaft, nicht aber diese selbst aufzuspalten; aA für die Schweiz Hausheer, Erbrechtliche Probleme 154; zutreffend ist auch die Ablehnung der Auffassung von der Zuweisung der persönlichen Mitgliedschaft an jeden Erben unter Belassung der kapitalmäßigen Beteiligung bei der Erbengemeinschaft bei SchmitzHerscheidt 85 ff. mwN; - Die hA in österreich geht ebenfalls von der Aufspaltbarkeit der Mitgliedschaft aus: Vgl. Wahle JBl 1966, 340; Demelius NZ 1956, 178; abzulehnen ist die E OGH 23.12.1953 SZ 26/317, wonach nicht bloß der Gesellschaftsvertrag die Pflicht zur Nennung eines Repräsentanten enthalten kann, sondern daß auch ex-lege mit dem Erbfall ein Repräsentationsverhältnis entstehen könne; sind mehrere Erben nachfolgeberechtigt, ist nicht einzusehen, wer von ihnen und warum gerade nur einer Repräsentant (Treuhänder?) der übrigen sein soll. 151 Diese vermißt Behrens 78. 152 überhaupt gegen die Zulässigkeit ist Wahle JBl 1966, 338 f.; dagegen vor allem Demelius GS Gschnitzer 119 f.; vgl. auch Behrens 78 ff.; die deutsche Lehre geht einhellig von der Zulässigkeit dieser Klausel aus; vgl. statt aller Geßler in Schlegelberger § 139 Anm 17 f. 153 Demelius GS Gschnitzer 120 f. spricht sich dagegen für die sogenannte Verpflichtungstheorie aus, wonach die Mitgliedschaft mit der Einantwortung nicht ipso jure übergeht (Verfügungstheorie), sondern die weichenden Erben verpflichtet seien, dem nachfolgeberechtigten Miterben den vollen Geschäftsanteil gegen Leistung eines entsprechenden Wertausgleiches zu übertragen. Dagegen spricht, daß bei mangelnder Einigung unter den Erben bis zur Einantwortung der Nachfolger nicht Mitglied der Gesellschaft werden könnte, was im Ergebnis einer Negierung der Nachfolgeklausel überhaupt gleichkäme; dagegen auch Kastner, Gesellschaftsrecht 84; derselbe NZ 1971 SNr 24. 154 Die Vollrechtsnachfolge wird einerseits regelmäßig von den übrigen Gesellschaftern gewünscht; andererseits scheidet eine Nachfolge nur mit der der Erbquote entsprechenden Kapitalausstattung auch aus rechtskonstruktiven Erwägungen aus, weil die auf Grund der Nachfolgeklausel vererblich gemachte Mitgliedschaft nicht erlischt und daher mangels Ausscheidens eines Gesellschafters weder eine Anwachsung seines Anteils an die Mitgesellschafter noch ein Entstehen von Abfindungsansprüchen dem Gesetz entspricht; vgl. § 738 BGB bzw Art 7 Nr 15, 4. EVzHGB; der weit verbreiteten
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Kap. 11: Grundlagen
Am besten dürfte man den sich übersclmeidenden Interessen wohl gerecht werden, wenn man dem nachfolge berechtigten Erben eine Sondererbfolge in die Mitgliedschaft zubilligt, ohne aber die Nachlaßeigenschaft der Mitgliedschaft aufzugebeniss. Diese Sondererbfolge wäre, wie im Höferecht, als vorgegebene Teilungsanordnung aufzufassen. Die Auswahl des Nachfolgers bliebe dabei jedoch vollständig im Belieben der Gesellschafter, die auch gar nicht verpflichtet wären, eine ungeteilte Nachfolge auf nur einen Nachfolger vorzusehen. Trotz der in vielen Punkten hervortretenden verschiedenen Rechtslage im Vergleich zum Höferecht könnte man meines Erachtens auch hier daran denken, die Bewertung des Anteils des nachfolgenden Erben so vorzunehmen, daß die Gesellschaft wirtschaftlich weiterbestehen kann. Der nachfolgeberechtigte Erbe kann die Nachfolge ohne Rücksicht auf die Miterben antreten. Die Nachlaßbeteiligung der Miterben ist durch Zuweisung des Restnachlasses, allenfalls durch ergänzende Ausgleichsanspruche gegen den N achfolger 156, gesichert. Die sonstigen Nachlaßinteressenten sind jedenfalls insofern nicht gefährdet, als die Nachlaßeigenschaft der Mitgliedschaft nicht geleugnet wird, ihre Interessen aber nur auf den wertmäßigen Umfang, nicht auf die konkrete Verteilung des Nachlasses gerichtet sind.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge 1. Beispiele aus der Rechtsprechung
Entsprechend der Tatsache, daß antizipierte Erbfolge als eigener gesetzlicher Begriff der österreichischen Rechtsordnung fremd ist und die darunter zu verstehende Materie nicht an einer einzigen Stelle des Gesetzbuches geregelt ist, lassen sich Sachverhaltsbeispiele nur verstreut zu Einzelbestimmungen finden. Viele Entscheidungssachverhalte zu den Ansicht, daß in der Vereinbarung einer qualifizierten Nachfolgeklausel konkludent auch der Ausschluß der Abfindungsansprüche der weichenden Erben liege, ist damit der Boden entzogen: Vgl. aber Ulmer ZGR 1972, 198 f. mwN; Hueck, OHG 412 f. mwN; Römer 72 ff.; ebenso unzutreffend erscheint aber auch die vielkritisierte E BGH 22.11. 1956 BGHZ 22, 186, wonach der über die Erbquote hinausgehende Anteil des Verstorbenen zunächst den übrigen Gesellschaftern zuwächst, die dann verpflichtet seien, diese Anteile dem Eintretenden zu übertragen. 155 Vgl. auch Geßler in Schlegelberger § 139 Anm 25 a; Westermann, Personengesellschaftsrecht 1360 ff.; Hueck, OHG 412 f. u FN 37; Finger JR 1969, 412; Römer 72 ff.; Siebert, Gesellschaftsvertrag 23 ff.; derselbe BB 1957, 18 ff.; derselbe NJW 1955, 810f.; aA Säcker 8111.; nicht überzeugt Kastner FS Schwind 133 f. 156 Für einen Ausgleichsanspruch Kastner, Gesellschaftsrecht 84; früher trat derselbe ÖJZ 1958, 370 nur für Pflichtteilsansprüche ein; derselbe jüngst wieder unschlüssig: FS Schwind 134.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
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Bestimmungen über die Anrechnung von Vorempfängen (§§ 788 ff. ABGB), über die Anfechtung von Schenkungen wegen Verkürzungen des Pflichtteils (§§ 785, 787 Abs 2 und 951 ABGB), über Erb- und Pflichtteilsverzichte (§ 551 ABGB), über die Dotierungspflicht (§§ 1220 ff. und 1231 ABGB), über die Vermögensübernahme (§§ 1409 ABGB, 25 HGB) und besonders auch Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu Steuerfragen illustrieren aber ein tatsächlich häufiges Vorkommen von unentgeltlichen Zuwendungen zwischen präsumtiven Erben und Erblassern. Die Sachverhaltswiedergaben lassen dabei allerdings oft nur eine Vermutung auf das Vorliegen antizipierter Erbfolge im oben beschriebenen Sinn zu. Dennoch erscheint Böhmers1 Eindruck, diese Fragen hätten nur einen "dürftigen Niederschlag in der Gerichtspraxis" gefunden, jedenfalls für Österreich nicht ganz zutreffend. Immer wieder ist in Entscheidungen von Zuwendungen, die ausdrücklich als Vorleistungen auf den Erb- oder Pflichtteil gegeben werden, die Rede. In SZ 39/198 2 bekam beispielsweise ein Sohn als "Vorausempfang" einen Drittelanteil eines Gutes, während seine Geschwister letztwillig bedacht wurden. Nach dem Sachverhalt einer anderen oberstgerichtlichen Entscheidung3 übergab die 90jährige Großmutter als präsumtive Erblasserin ihrer Enkel diesen ihr gesamtes Vermögen zwei Tage vor dem Tod. In GIUNF 12474 traf die Erblasserin folgende Regelung für die Nachfolge in ihr Vermögen: Der erste Sohn erhielt zu Lebzeiten einige Realitäten, der zweite wurde letztwillig zum Universalerben eingesetzt und dem letzten Sohn wurden 300 Kronen als "mütterliche(r) Erbtheil" zu Lebzeiten versprochen. In ähnlicher Weise übertrug eine Mutter in GIU 13826" die ihr zu einem Drittel angefallene Erbschaft als "mütterlichen Erbtheil" an ihre Tochter. In der Entscheidung GIU 15913 6 heißt es: "Aus dem im Abhandlungsacte nach M erliegenden Testamente geht deutlich hervor, daß der Erblasser seine beiden Söhne C und B aus dem Grunde von dem Erbrechte ... ausschloß, weil sie ohnehin schon ihren Erbtheil voraus empfangen haben." In der Entscheidung GIU 133467 wird berichtet, daß die "M". auf Rechnung ihrer Erbschaft verschiedene lebzeitige Zuwendungen an ihre Kinder und Enkel gemacht habe. Eine Erblasserin übergab nach einer anderen EntscheidungS ihrem Sohn fünf Grundstücke "als vollständige Abfertigung beziehungsweise Erbtheil ". 1 In Staudingerl1 V Einleitung § 20 Anm 6. 2 OGH 24. 11. 1966.
10. 5. 1950. OGH 3. 1. 1901. " OGH 23. 6. 1891. G OGH 1. 12. 1896. 7 OGH 17.7.1890. B OGH 8.1.1884 GlU 9830; vgl. weiter OGH 15.6.1965 SZ 38/98; 4.7.1883 GlU 9508; als Beispiel für die BRD siehe BGH 6.4.1977 WM 1977, 759. 3
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Kap. II: Grundlagen
Häufig kommen Zuwendungen an Töchter, aber auch an Söhne, im Zusammenhang mit der Verheiratung vor, wobei diese Zuwendungen später im Zuge der Erbfolgeregelung oft ausdrücklich berücksichtigt werden. Als Beispiel sei EvBl1960/301 g genannt: Die Tochter erhielt von ihrem Vater eine Schlaf-, Wohnzimmer- und Kücheneinrichtung. Der Vater bestimmte daraufhin seine Ehegattin zur Alleinerbin und setzte seine Tochter unter Anordnung der Einrechnung der Vorempfänge auf den Pflichtteil. Als weiteres10 Beispiel sei das in einer unveröffentlichten oberstgerichtlichen Entscheidungl l erwähnte Testament genannt: "Hinsichtlich der Klägerin [Tochter] hieß es darin, sie habe anläßlich ihrer (ersten) Verheiratung einen Betrag von S 7000,- als ,Vorausvermächtnis' erhalten, was ungefähr einem Drittel des Wertes des Nachlasses nach beiden Elternteilen entspreche, so daß sie nichts erben sollte .. ."l!. Ähnliche Sachverhalte finden ihren Niederschlag nicht bloß in Entscheidung der Zivilgerichte, sondern auch in Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs in Steuerangelegenheiten13. Häufig verzichtet der lebzeitig Begünstigte (sogar) auf sein Erb- oder Pfiichtteilsrecht. Ein Beispiel stellt SZ 18/51 14 dar: Eine Tochter verzichtete "im Hinblick auf Vorausempfänge und eine erhaltene Abfindung auf das ihr nach ihrem Vater zustehende Erbrecht"15. Starken Niederschlag fanden vorzeitige Hof- oder Betriebsübergaben in der Judikatur. Wie schon mehrfach erwähnt1e, spielen hiebei GegenEine Mutter übergab ihren gesamten Grundbesitz "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" an die Beklagte. g OGH 31. 5. 1960. 10 Vgl. weiter OGH 29.3.1962 SZ 35/40; LGZ Wien 5.11.1947 EvBI 1948/1; OGH 12.4.1935 NZ 1935, 118; 13.11.1928 SZ 10/261; 19.10.1915 GlUNF 7212; 8.10.1913 GIUNF 6593; 14.5.1890 GlU 13.289; 27.3.1890 GlU 13.223; 2.11.1889 GlUNF 729; 17.1.1872 GlU 4.442; 11.2.1868 GlU 2.986; 3.7.1855 GlU 107; 17.8.1851 GH 1857, 123. 11 OGH 5.2.19587 Ob 522/57. 12 Zur Frage des Zusammenhangs zwischen der Höhe des Dotations- und des Pflichtteilsanspruchs vgl. oben II. B. 4. 13 In E 30.3. 1967 VwSlgNF 3593 F, 3. 3. 1966 VwSlgNF 3425 F u 7. 10. 1963 VwSlgNF 2945 F ging es um die Anerkennung von Zuwendungen als schenkungsteuerfreie Ausstattungen nach § 3 Abs 5 ErbStG; in VwGH 14.5. 1974 VwSlgNF 4685 F um die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung nach § 33 EStG 1967 = § 34 EStG 1972. 14 OGH 20.3. 1936. 15 Vgl. weiter OGH 18.4.1972 EFSlg 17900; 5.7.1966 JBI 1966, 616; 1.10. 1912 GIUNF 6063; 16.6. 1908 GlUNF 4272; 31. 12. 1907 GlUNF 4.480; 19.11. 1902 GlUNF 2102; 9.6.1896 GlU 15.801; 12.5.1891 GlU 13770; 3.1.1856 GlU 151; vgl. auch OGH 5.12.1973 EvBI 1974/113 u 18.1. 1962 SZ 35/7, wo gegen einer Schenkung auf den Todesfall verzichtet wurde. 10 Insb oben II. B.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
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leistungen des Empfängers, vor allem zur Versorgung des übergebers und zur Abfindung weichender Geschwister, eine große Rolle. Als typischer Fall eines bäuerlichen übergabsvertrags möge der Sachverhalt aus SZ 38/47 17 dienen: Der Vater des beklagten Sohnes übergab diesem mit übergabsvertrag seinen landwirtschaftlichen Besitz bei Vereinbarung eines Ausgedinges und Vorbehalt eines Kahlschlägerungsrechts an einem bestimmten Grundstück um einen übergabspreis von 53 000 S. Der Sohn verpflichtete sich weiter, der besitzweichenden Tochter eine Erbsentfertigung von 3000 S zu zahlen. Der Vater starb 4 Jahre später ohne Nachlaßvermögen l8 • Als Beispiel einer vorzeitigen Betriebsübergabe sei die Entscheidung JB11967, 257 19 angeführt: Die Mutter nahm ihren Sohn zunächst als Gesellschafter in das ihr gehörige Handelsgeschäft ohne entsprechende Gegenleistung auf, später überließ sie ihm den ihr noch verbliebenen Hälfteanteil am Unternehmen gegen eine monatliche Rente 20 • Aus der BRD sei der folgende Sachverhalt einer Entscheidung des BFH21 zitiert: "Der am 4. Mai 1968 verstorbene Ehemann der Klägerin war Alleininhaber einer Fabrikation in A. und Mitinhaber eines Umschlagbetriebes in B. Zu dem Betriebsvermögen in A. gehörte ein Betriebsgrundstück. Durch notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1962 hatte der ErbOGH 31. 3. 1965. Ein weiteres Beispiel für das Vorkommen von Zuwendungen der antizipierten Erbfolge im bäuerlichen Bereich stellt die E OGH 20.3.1936 SZ 18/51 dar: "Am 4. August 1931 starb Anton B mit Hinterlassung von vier ehelichen Kindern. Mangels Vermögens fand keine Verlaßabhandlung statt. Seinen Besitz in S. hatte er schon mit Übergabsvertrag vom 25. Juni 1926 seiner Tochter Anna und deren Gatten um 300.000 S übergeben. 80.000 S davon hatten die Übernehmer an die zweite Tochter des übergebers, Katharina, 100.000 S an den Sohn Franz als väterliche Erbsentfertigung, 50.000 S in Jahresraten zu 10.000 S an den Übergeber zu bezahlen, der am Todestag noch aushaftende Betrag gehörte den übernehmern. 70.000 S wurden als Leibrentenkapital gewidmet. Den Besitz in K. hatte er seinem Sohne Franz um 50.000 S übergeben. Der dritten Tochter Johanna war im Übergabsvertrage keine Erwähnung getan. Diese hatte vor dem Bezirksgericht Judenburg am 13. Juli 1923 zu gerichtlichem Protokoll erklärt, im Hinblick auf Vorausempfänge und eine erhaltene Abfindung auf das ihr nach ihrem Vater zustehende Erbrecht zu verzichten. Dr. P. hatte namens ihres Vaters diesen Verzicht auf das Erbrecht angenommen."; weitere Beispiele für bäuerliche übergabsverträge siehe unten V.J. 19 OGH 16.3.1966. 20 Vgl. die ähnlichen Beispiele: OGH 29.10.1975 JBI 1976, 372: Übergabe von Liegenschaften mit Wäschereibetrieb an den Sohn gegen Übernahme verschiedener Gegenleistungen; 5.7.1966 JBl 1966, 616: Vater übergibt seinem Sohn Sägewerks- und Holzhandlungsunternehmen; 2. 12. 1959 JB11960, 257: übergabe eines Zimmereibetriebs je zur Hälfte an zwei Söhne; LGZ Wien 5.11.1947 EvBl 1948/1; OGH 21. 9. 1932 SZ 14/185; 29.10.1901 ACI 2271; 11. 7.1854 GlU 27; vgl. auch die E des VwGH 8.10.1975 VwSlgNF 4899 F; 30.4. 1974 VwSlgNF 4681 F; 1. 2. 1963 VwSlgNF 2788 F. 21 17.1. 1975 WM 1976, 20; vgl. etwa auch BFH 27.2.1975 BStBI 1975 II 598. 17
18
Kap. II: Grundlagen
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lasser den Betrieb in A. einschließlich des Betriebsgrundstücks im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf seine Söhne übertragen. Dabei war vereinbart, daß das sich im Zeitpunkt der übertragung aus der Steuerbilanz ergebende Kapitalkonto mindestens 160 000,- DM betragen sollte. Der Ehemann der Klägerin hatte für sich selbst und die Klägerin an dem übertragenen Grundbesitz ein lebenslängliches Nießbrauchrecht vorbehalten, das nach dem Tode des Erstversterbenden dem überlebenden Ehegatten allein zustehen sollte. Gleichzeitig wurde das Grundstück gegen eine Pachtzahlung von 1000,- DM monatlich an die Söhne verpachtet; außerdem hatten die Pächter die auf das Pachtobjekt fallenden Steuern und Abgaben zu tragen." Die Praxis spricht bei Zuwendungen, die - soweit die Sachverhaltsschilderung eine solche Aussage zuläßt - in den hier abgesteckten Rahmen von antizipierter Erbfolge22 fallen, oft von Schenkungen. Ob es sich dabei wirklich um Schenkungen handelt, sei vorerst dahingestellt. Diese Frage soll an zentraler Stelle dieser Arbeit behandelt werden23. 2. Hinweise der Literatur Soweit in der Literatur überhaupt auf das tatsächliche Vorkommen vorweggenommener Erbfolgegeschäfte Bezug genommen wird, vermitteln diese Stellungnahmen insgesamt den Eindruck zunehmender Bedeutung und Verbreitung antizipierter Erbfolge. Gegenteilige oder einschränkende Aussagen bleiben stark in der Minderheit'24. Besonderen Stellenwert haben natürlich Stimmen aus der Praxis: Schippel 25 spricht davon, daß sich die Rechtsnachfolge auch im "urbanen Bereich des Handwerks und des Gewerbes" immer mehr auf dem Weg der vorweggenommenen Erbfolge vollzieht. Auch WesthotrG und Friedhofen27 berichten, daß die Anzahl von Rechtsgeschäften der vorweggenommenen Erbfolge - vor allem wegen steuerlicher Gesichtspunkte zunehme. Pikalo28 betont gegen Schapp die "hervorragende Bedeutung" der vorweggenommenen Erbfolge für die Erhaltung des Unternehmens. Der Eindruck zunehmender Bedeutung von vorweggenommenen Erbfolgen ist jedoch ein ganz allgemeiner9 • Oben II. A. Insb unten IV. B. 24 Vgl. insb Damrau, Erbverzicht 138; auch Kapp I Ebeling V f.; Schneider I 22
23
Zartmann I Martin 37. 25 49. DJT 1972 II K 58 (Notar). 26 FS Hengeler 255 ff. insb 256 (Notar). 27 DB 1972, 458 (Rechtsanwalt). 28 DNZ 1976, 127. 29 Vgl. auch Jansen / Hoffmann 5; Däubler ZRP 1975, 144; Rosenau, übertragung 15 stellt einen beachtlichen Wandel bei lebzeitigen Beteiligungen
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
49
Vereinzelt werden entsprechende Aussagen auf rechtstatsächliche Untersuchungen abgestützt. Bruhin30 belegt für die Schweiz und Deutschland vor allem für den landwirtschaftlichen Bereich, aber auch bei gewerblichen und industriellen Betrieben, ein häufiges tatsächliches Vorkommen des übergabsvertrags (Kindskaufs)31. Pikalo8Z führt aus, daß sich nach Schätzungen 65-80 % der bäuerlichen Betriebsnachfolgen "nicht im Wege der eigentlichen Erbfolge mit dem Tod ihres Inhabers, sondern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vollziehen." Fedynskyi33 berichtet im Rahmen seiner rechtstatsächlichen Untersuchungen im Sprengel des Bezirksgerichts Innsbruck ebenfalls über Vermögensübertragungen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden, die schließlich zur armutshalben Abtuung des Nachlasses führen. Er trennt allerdings diese Fälle nicht strikt von Rechtsgeschäften unter Lebenden auf den Todesfall, die keine antizipierte Erbfolge darstellen.
Eher weniger verbreitet ist nach den aufgefundenen Aussagen der Abschluß eines Erbverzichts, der - wie angeführt" - regelmäßig mit einer die erbrechtlichen Ansprüche ersetzenden Abfindung verbunden ist und daher auch unter die Formen antizipierter Erbfolge einzureihen war35 • Trotzdem ist sicherlich auch hier eine steigende Bedeutung - vor allem im Unternehmensbereich3t - festzustellen. Wenn weiter gesagt wird, daß der vorzeitige Erbausgleich des nichtehelichen Kindes in der BRD (§ 1934 d BGB31) notwendig sei, weil uneheliche Kinder nicht so sehr mit vorzeitigen Zuwendungen rechnen könnten~8, so liegt auch darin eine indirekte Bestätigung der praktischen Relevanz der antizipierten Erbfolge. der Kinder an den Einkunftsquellen der Eltern aus den verschiedensten Gründen fest; Klunzinger JuS 1971, 282; Coing NJW 1967, 1777. 30
2511.
Vgl. auch Moser 2 zum häufigen Vorkommen gemischter Schenkungen zwischen zukünftigem Erblasser und Erben; für österreich vgl. Gschnitzer in Klang! IV/I, 237; Farnleitner 53 berichtet von einer Dorfuntersuchung (Weikersdorf) im Jahre 1969, daß heutzutage die bäuerlichen Hofübergaben viel früher erfolgen, indem oft schon bei der Hochzeit des erbbrechtigten Kindes eine Teilübergabe erfolgt, "um die jungen Leute an den Hof zu binden und zugleich auch finanziell von den Eltern unabhängig zu machen." 31
3l!
DNZ 1968, 69.
33 18 f. 34 Oben H. B. 3. n Vgl. Damrau, Erbverzicht 138 unter Berufung auf Ferid in Staudingerll vor § 2346 Anm 2 u 7 ; aA für österreich aber Weiß in Klang! HI 176; für die DDR Meincke JR 1976, 48 f. H Vgl. oben II!. B. 2. 37 Vgl. dazu unten II!. A. 5. a. lI8 Bartholomeyczik / Schlüter in Erman § 1934 d Anm 2; Ebert, Erbausgleich 49 f. 4 Eccher
Kap. II: Grundlagen
50
Andere Autoren nehmen im Zusammenhang mit Entwicklungstendenzen und gegenwärtiger Situation des Erbrechts auf Formen vorweggenommener Erbfolge Bezug. So tritt Wiethölter~ dem äußeren Schein, daß das Erbrecht "viel weniger ... als andere bürgerliche Rechtsgebiete von grundlegenden Veränderungen in jüngerer Zeit berührt zu sein scheint", entgegen. Er spricht vielmehr von einer "Veralterung und überholung"40, beziehungsweise von einer Veränderung der "inneren Gehalte"41. Als Gründe des Wandels nennt Wiethölter einerseits die Tatsache, daß die Versorgung der Angehörigen durch Erbrecht ständig zugunsten etwa von übertragungen und Lebensversicherungen zurückgeht4!. Dadurch verliere das Erbrecht zwangsläufig an Funktionen. Das Rechtsgeschäft unter Lebenden löse das Rechtsgeschäft von Todes wegen wieder ab43 • Anderseits erwähnt Wiethölter die Gefahr der Unternehmenszersplitterung durch Erbrecht und betont dagegen die Bedeutung von Rechtsgeschäften unter Lebenden, zum Beispiel Vorweg-übertragungen von Vermögen oder Gestaltungen in Gesellschaftsverträgen". Wiethölters Auffassung geht schließlich dahin, daß die Grundprinzipien des Erbrechts sich allein im Pflichtteilsrecht noch wirklich durchsetzen, "wenn und weil gewichtige Nachlässe schon unter Lebenden vorverplant werden"'5. Däubler" trifft in dieselbe Kerbe, wenn er meint, "daß das Erbrecht durch die Ausdehnung der ,vorweggenommenen Erbfolge' durch: Rechtsgeschäfte unter Lebenden insgesamt an Bedeutung verloren hat." 3. Bezugnahmen der Gesetzgebung Wie schon erwähnt, haben die Geschäfte der antizipierten Erbfolge im bürgerlichen Gesetzbuch keine ausdrückliche und geschlossene Regelung erfahren. Dies mag mit der geringeren Wichtigkeit der antizipierten Erbfolge etwa infolge der niedrigeren Lebenserwartung47 , der unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ABGB zusammenhängen. Lediglich Einzelbestimmungen finden sich verstreut an mehreren Orten (zum Beispiel §§ 788 ff., 785, 951, 1220 ff. ABGB). Trotzdem weist die legistische Entwicklung zum ABGB verschiedene Anhaltspunkte auf, die darauf hindeuten, daß a. 225. 40 226. 41 230. 42 230 f. 43
Vgl. auch Jung FamRZ 1976, 136; Bartholomeyczik I SchWter 14.
230 f. 45 244. " ZRP 1975, 144. 44
47
Dazu schon oben Ir. C. 2.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
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sich auch der Gesetzgeber der wachsenden Bedeutung der antizipierten Erbfolge im Laufe der gesetzgeberischen Entwicklung bewußt geworden ist. Zu nennen wäre hier einmal die ständige Verbesserung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten: Die Verbesserung seiner erbrechtlichen Rechtsposition geht im Konkurrenzfall zu Lasten der miterbenden Abkömmlinge. Den Grund dieser - gleich näher auszuführenden Entwicklung - sieht der Gesetzgeber - ohne Zweifel neben vielen anderen Faktoren - auch darin, daß Abkömmlinge beim Erbfall auf das Erbe nicht mehr so stark angewiesen sind wie früher, was zum Teil auch auf private lebzeitige Vermögensübertragungen zu ihren Gunsten zurückzuführen ist. Dies meint wohl Freisitzer 48, wenn er feststellen kann: "Wichtiges Argument ... ist die Auffassung, daß heute gegenüber früheren Zeiten Nachkommen in der Regel entweder durch vorsorgliche staatliche oder private49 Maßnahmen in die Lage versetzt sind, eine dem Arbeitswillen gemäße Existenz aufzubauen, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein". Däuble~o begründet dies so: "Die Interessen der Abkömmlinge sind in aller Regel sehr viel weniger schutzwürdig, da sie infolge der gestiegenen Lebenserwartung normalerweise erst zu einem Zeitpunkt Erbe werden, in dem sie längst ihren eigenen Hausstand gegründet haben und den Nachlaß deshalb weniger dringend benötigen." Die geringere Bedürftigkeit der Nachkommen resultiert auch aus der Tatsache, daß sie schon zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten haben51 • Die r. Teilnovelle zum ABGB5! brachte anstelle des bisherigen lebenslangen Fruchtgenußrechts an einem Teil des Nachlasses für den überlebenden Ehegatten (§ 757 Urfassung ABGB) auch bei Zusammentreffen mit Kindern eine eigentumsmäßige Beteiligung an einem Viertel des Nachlasses und die Einführung des sogenannten Voraus (§ 757 alt ABGB). Die eigentumsmäßige Beteiligung bei Fehlen von Kindern wurde von einem Nachlaßviertel auf die Hälfte angehoben 53 und die Voraussetzungen, unter denen der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlaß erhält, erleichtert". Seit dem 1. 7. 197855 erhält der Ehegatte FS Wilburg 106. Hervorhebung vom Verf. so ZRP 1975, 140; vgl. auch 141. 51 Vgl. auch Benkö 25; Papantoniou AcP 1973, 398; Dieckmann 49. DJT 1972 II K 20 fl.; Stöcker FamRZ 1971, 609 fl. (611 fl.) zu Umfragen des Meinungsforschungsinstitutes EMNID; derselbe WM 1970, 781. Bydlinski FS Schwind 53 bedauert allerdings die SchlechtersteIlung der Kinder durch die jüngst erfolgte (dazu gleich unten) erbrechtliche Besserstellung des Ehegatten. 51 RGBI 1914/276 §§ 68 fl. 53 Vgl. § 758 Urfassung mit § 757 Abs 1 alt ABGB . 48 49
••
Kap. H: Grundlagen
52
nunmehr sogar ein Drittel des Nachlasses neben Kindern, zwei Drittel, wenn keine miterbenden Kinder vorhanden sind und bei Vorliegen der bisherigen Voraussetzungen den Gesamtnachlaß des verstorbenen Ehegatten (§ 757 neu ABGB). Der Ehegatte erhielt in der letzten Reform auch ein Ptlichtteilsrecht (§ 762 neu ABGB). Die Aufhebung des § 1243 ABGB st ist jetzt auch durch die neuen §§ 758 und 796 ABGB kompensiert. Eine Verbesserung der erb rechtlichen Stellung des Ehegatten besteht auch in der teilweisen Neuregelung des sogenannten Vorausvermächtnisses (§ 758 neu ABGB)57, SB. Aufschlüsse über die zunehmende Bedeutung der antizipierten Erbfolge erlaubt auch die immer stärkere Berücksichtigung von Schenkungen bei der Berechnung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs. Der Gesetzgeber der IH. Teilnovelle zum ABGB sah sich veranlaßt, den Schutz pflichtteilsberechtigter Nachkommen gegenüber lebzeitigen Schenkungen des Erblassers neu zu regeln und zu verbessern (§§ 785, 951 ABGB 59). Anlaß der Reform war zunächst die Beseitigung legistischer Mängel60 • Eine Neuregelung wäre aber sicherlich nicht notwendig gewesen, wenn nicht auch eine tatsächliche Gefahr der Umgehung des Pflichtteilsrechts durch lebzeitige Zuwendungen bestanden hätte. Es 54
Vgl. § 759 Urfassung mit § 757 Abs 1 alt ABGB.
55 BG 15. 6. 1978 BGBl 280 über Änderungen des Ehegattenerbrechts, des
Ehegüterrechts und des Ehescheidungsrechts. 56 EheRwG Art H. 4; vgl. 851 BlgNR 13. GP 526. 57 Vgl. 136 BlgNR 14. GP 15, 18. 5B Dieselbe Tendenz läßt sich auch in der BRD feststellen: Zwar ist die Bestimmung des § 1931 Abs 1 u 2 BGB, die ziemlich genau dem § 757 alt ABGB entspricht, noch in ihrer ursprünglichen Form in Geltung. Diese Bestimmung ist jedoch praktisch häufig durch andere die erbrechtliche Stellung des Ehegatten verbessernde Bestimmungen überlagert: So sieht insb § 1371 Abs 1 BGB (eingeführt durch das Gleichberechtigungsgesetz BGBI 1959 I 609) eine Erhöhung des Ehegattenerbanteils um ein Viertel vor, wenn der Güterstand der Zugewinngemeinschaft, der in den allermeisten Fällen vorliegt (vgl. Stöcker JZ 1973, 16 FN 3), durch den Tod aufgelöst und der Ehegatten gesetzlicher Erbe wird. Für den Gütestand der Gütertrennung sieht § 1931 Abs 4 BGB (eingeführt durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder BGBI 1969 I 1243) eine Gleichstellung des Ehegatten mit den Kindern vor, wenn dem Ehegatten nach Abs 1 nicht ohnehin ein Viertel des Nachlasses bleibt. Weiters ist die Bestimmung des § 1932 Abs 1 S 2 BGB über den kleinen Voraus zu erwähnen, von dem Däubler ZRP 1975, 140 mwN FN 38 sagt, daß dieser bei kleinen Nachlässen einer Alleinerbschaft gleichkomme. 'überdies ist die Sondererbfolge des Ehegatten in die Mietrechte der Ehewohnung nach § 569 a BGB anzuführen (Zweites Gesetz zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften, BGBI 1964 I 457); bezüglich weiterer Ansprüche des überlebenden Ehegatten außerhalb des bürgerlichen Erbrechts vgl. Däubler ZRP 1975, 140 f. 59 Vgl. hiezu 78 BlgHH 21. Sess 11011.; Schiffner, Erbrechtsreform 65 ff. 60 78 BlgHH 21. Sess 110: "Art und Umfang der Sicherung des Pflichtteiles gegen Verkürzung durch Schenkungen unter Lebenden hat der Theorie und Praxis des österreichischen Rechtes immer Schwierigkeiten bereitet"; vgl. auch OGH 3. 6.1903 GlUNF 2365 = JB 157.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
53
fällt auf, daß der Gesetzgeber einen besonderen Schutz gegenüber Schenkungen des Erblassers an einen selbst Pflichtteilsberechtigten statuierte: Nach § 785 ABGB besteht für solche Zuwendungen keine Befristung. Sie können also auch dann dem Nachlaß hinzugerechnet werden, wenn sie mehr als zwei Jahre vor dem Erbfallliegen81 • Auch der Gesetzgeber des Jahres 197862 befaßte sich mit dem Schutz der Pflichtteils berechtigten gegenüber Schenkungen des Erblassers und auch mit den Bestimmungen über die Einrechnung lebzeitiger Zuwendungen in den Pflichtteil. § 785 neu ABGB bekräftigt weiterhin, daß ein Pflichtteils anspruch nur dann wirklich gesichert ist, wenn der Berechtigte lebzeitigen Schenkungen gegenüber nicht schutzlos ist. Besonders aufschlußreich ist die Neufassung des § 789 ABGß: Der Geltungsbereich dieser Vorschrift wird stark erweitert. In den Pflichtteil - nich,t mehr nur der Eltern, sondern ganz allgemein - sollen alle als Vorschuß darauf geleisteten Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden einzurechnen sein. Nach seiner eigenen Aussage83 schließt der Gesetzgeber hier eine Lücke, die sich zwischen der Schenkungsanrechnung nach § 787 Abs 2 einerseits, 788 und 789 ABGB anderseits bisher auftat. Unverständlich wäre das Streben des Gesetzgebers nach einer lückenlosen Regelung ohne praktische Relevanz lebzeitiger Zuwendungen des Erblassers. In die geschilderte legistische Tendenz paßt auch die wegen der besonderen Wichtigkeit dieses Geschäfts in der Praxis eingeführte Formvorschrift für den Erbverzicht durch den NovellengesetzgeberN. Wie schon erwähn~5, findet der Erbverzicht ja gewöhnlich nur gegen eine Abfindung, die nichts anderes als eine antizipierte Erbfolge darstellt, statt. 4. Rückschlüsse aus den Eingängen der Erbschaft- und Schenkungs teuer Direkte statistische Angaben über das tatsächliche Vorkommen von Geschäften der antizipierten Erbfolge lassen sich nicht beibringen. Einschlägige Untersuchungen fehlen. Einen gewissen - wenngleich ungenauen - Rückschluß erlauben immerhin die Eingänge auS' der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Vorausgesetzt ist allerdings, daß das Steueraufkommen aus lebzeitigem Erwerb und solchem von Todes wegen gesondert angeführt wird. Ein Rückschluß wäre dann insofern möglich, als man die Steuereingänge etwa der Steuerklasse I, also für jene 61 62 63
64 63
Vgl. dazu auch noch unten IV. B. 3. b. BGBl 1978/280. 136 BlgNR 14. GP 18. IH. TN BGBl1916/69 § 54. Oben II. B. 3.
54
Kap. 11: Grundlagen
Personen, mit denen am häufigsten Geschäfte der antizipierten Erbfolge anstelle eines Erwerbs von Todes wegen abgeschlossen werden, bezüglich des lebzeitigen Erwerbs und desjenigen von Todes wegen vergleichsweise gegenüberstellt. Dabei muß man allerdings die Möglichkeit berücksichtigen, daß mit diesen Personen natürlich auch unentgeltliche dem Erbrecht des Begünstigten nicht schaden sollende Zuwendungen beabsichtigt sein können, die nach der getroffenen Begriffsbestimmunge8 aus der antizipierten Erbfolge herausfallen, aber doch der Schenkungsteuer unterliegen 67 • Zweckdienliche Unterlagen sind jedoch weder von den österreichischen Finanzämtern noch vom statistischen Zentralamt in Wien erhältliches. Anders liegt die Situation in Deutschland, die hier wegen der durchaus ähnlichen wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse kurz geschildert sei: Dort lassen die Ergebnisse der Erbschaftsteuerstatistik 1967 bis 1972 6g ein überproportionales Ansteigen der Fälle und der Vermögenswerte der lebzeitigen Zuwendungen an die unmittelbaren Deszendenten70 erkennen71 : Waren im Jahr 1967 neben 8021 Steuerfällen aus Erwerb von Todes wegen bloß 4790 aus Erwerb durch Schenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuergesetzes zu verzeichnen, lautete das Verhältnis 1972 11 642 zu 9416. Entsprechendes gilt auch für die übertragenen Vermögenswerte: Machte 1976 der Wert des Erwerbs von Todes wegen mit 979 607 000 DM gegenüber 442 994 000,- DM hinsichtlich des lebzeitigen Erwerbs noch mehr als das Doppelte aus, so holte 1972 der lebzeitig übertragene Wert mit 1 358 081 000,- DM gegenüber 1 782 699 000,- DM bereits stark auf. Man wird in der Annahme kaum fehl gehen, daß diese Steigerungen auf eine zunehmende wirtschaftliche Bedeutung der antizipierten Erbfolge zurückgeht7t•
5. Eigene Stichproben Der Zweck der selbst durchgeführten Stichproben war es, die bloße Vermutung häufigen Vorkommens antizipierter Erbfolgegeschäfte empirisch zu verifizieren, ohne allerdings quantitativ repräsentative Ergebnisse anzustreben. Die Resultate seien in aller Kürze genannt. Eine inhaltliche Durchführung aller von einem Notar in einem städtischen Bezirk im Laufe eines Jahres aufgenommenen Notariatsakte73 er88 Oben H. A. e7 Zur Anwendung des ErbStG auf antizipierte Erbfolge unten V. L. 18 Ebenso Dorazill. 69 Finanzen und Steuern. 70 Steuerklasse I Z 1; § 15 Abs 1lit d dErbStG. 71 Finanzen und Steuern 14, 27, 40, 66, 79. 7Z Zur Erbsdlaftsteuerstatistik 1953 bis 1962 vgl. Wiethölter 240 f.
D. Tatsächliches Vorkommen von antizipierter Erbfolge
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gab, daß ca 10 Ofo (23 von 205) als antizipierte Erbfolgen anzusehen waren. In einem eher ländlichen Bezirk74 lag der Prozentsatz mit ca 34.()/o (23 von 68) noch bedeutend höher. Eine Analyse von Grundbuchseintragungen in einer überwiegend ländlichen, einer gemischten und einer städtischen Katastralgemeinde 7s erhärtete das gefundene Ergebnis. Eine Gegenüberstellung der auf Grund Einantwortung einerseits und offensichtlich zu Lebzeiten vorweggenommener Erbfolge anderseits einverleibter Eigentumsrechte zeigte im ländlichen Bereich ein überwiegen antizipierter Erbfolgegeschäfte, die überwiegend in der Form bäuerlicher übergabsverträge vorlagen: Genau 50 aller 100 durchgesehenen Einlagezahlen, wobei im Rest nicht bloß Einantwortungen, sondern natürlich vereinzelt auch entgeltliche Rechtsgeschäfte Erwerbsgrund waren, konnte man als vorweggenommene Erbfolge ansehen. Im gemischten Bezirk war das Verhältnis ziemlich ausgeglichen. 20 Einantwortungen standen 19 Geschäfte der antizipierten Erbfolge gegnüber. In der Stadt gab es neben 34 Einantwortungen immerhin noch 14 Fälle, die als vorweggenommene Erbfolge zu qualifizieren waren.
Bezirk Innsbruck 1975. Bezirk Rattenberg in Tirol 1960. 75 Es wurden jeweils 100 aufeinanderfolgende Einlagezahlen durchgesehen; und zwar in der als ländlich zu bezeichnenden KG Neustift Einlagen 1-100 der Abteilung I, in der als gemischt anzusehenden KG Arzl die Einlagezahlen 11 100--200 und in der städtischen KG Innsbruck, innere Stadt, ebenfalls Einlagezahlen 11 100--200. 73 H
KapitelIII
Erbrecht zu Lebzeiten
A. Vorzeitiger Erbfall 1. Allgemein Bei der Frage nach der Einordnung von Rechtsgeschäften der antizipierten Erbfolge, die ja für den Begünstigten die Realisierung seiner späteren erbrechtlichen Chance darstellen, stößt man - sicherlich neben anderen denkbaren Lösungsversuchen - auch auf die Möglichkeit der Unterstellung der zu untersuchenden Sachverhalte unter das Erbrecht. Die Intentionen der Parteien, unter Umständen auch des Gesetzes selbst, und der daraus abgeleitete Begriff einer antizipierten "Erbfolge" laden zu einer solchen Fragestellung ein. Die Lösung hängt zuerst davon ab, ob überhaupt Erbrecht zu Lebzeiten des Erblassers aktuell werden kann. Erst dann wäre die Einordnung der Geschäfte der antizipierten Erbfolge in diesen Normenkomplex und deren Abgrenzung von lebzeitigen Geschäften zu versuchen. Erbrecht im objektiven Sinn, als "Gesamtheit der die Nachfolge von Todes wegen regelnden Normen"l wirkt ohne Zweifel auch schon zu Lebzeiten des Erblassers. Das gilt beispielsweise für die Bestimmungen über die Testierfähigkeit, die Form letztwilliger Erklärungen. Darauf kommt es jedoch hier nicht an. Die Realisierung der Funktionen und Prinzipien des Erbrechts hängt vielmehr wesentlich von den subjektiven erbrechtlichen Rechtsstellungen ab. Die Funktionstüchtigkeit der erbrechtlichen Normen ist dadurch bedingt, daß die betreffenden Zuwendungsempfänger subjektiv als Erben, Vermächtnisnehmer oder Pflichtteilsberechtigte anzusehen sind. Erst wenn dies der Fall sein sollte, könnte man von einer gelungenen dogmatischen Einordnung der antizipierten Erbfolge ins Erbrecht sprechen. "Das Erbrecht tritt erst nach dem Tode des Erblassers ein" sagt § 536 ABGB! und der Satz "viventis non datur hereditas" ist gängiger Be1 Z
Unger VI 13 FN 10. Vgl. auch § 531 ABGB, § 20 AußStrG; besonders deutlich § 320 des
WGB II: "Ein Nachlaß noch lebender Personen ist ein Widerspruch. Es kann
A. Vorzeitiger Erbfall
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standteil der einschlägigen Literatur3 • Trotz dieser offensichtlich klaren Rechtslage ist zu bedenken, daß das, was hier für die Erbfolge im engeren Sinne ausgesagt ist, nicht unbedingt auch für den Vermächtnis- und Pflichtteilsanspruch gelten muß, die natürlich ebenfalls als mögliche erbrechtliche Positionen im weiteren Sinn mitzubehandeln sind. Die Fragestellung ist auch insofern nicht müßig, als ja zu erwägen ist, daß das Ergebnis eines Erbrechts, Vermächtnis- oder Pflichtteilsanspruchs der Erwerb von Sachen und Rechten des Erblassers ist. Solche Rechtslagen können ohne Zweifel auch schon zu Lebzeiten des Erblassers zugunsten des Begünstigten - hier allerdings mit Hilfe lebzeitiger Rechtsgeschäfte - herbeigeführt werden. Es ist daher auch zu untersuchen, woran das Erbrecht exakt die spezifisch erbrechtlichen Positionen der Begünstigten knüpft, die wiederum das Funktionieren des Erbrechts gewährleisten. 2. Die Stadien des Erbschaftserwerbs Den Ausgangspunkt des Erbschaftserwerbs nach österreichischem Recht stellt die Berufung (Delation) zum Erben dar (§ 533 ABGB). Für den Berufenen entsteht nach der im ganzen eher unscharfen Terminologie des ABGB dadurch ein (subjektives) Erbrecht, das als das "ausschließende Recht, die ganze Verlassenschaft, oder einen in Beziehung auf das Ganze bestimmten Teil derselben (z. B. die Hälfte, ein Drittel) in Besitz zu nehmen" definiert ist (§ 532 ABGB). Ausdrücklich stellt das Gesetz klar, daß vor dem Tod ein solches Erbrecht nicht besteht, sondern erst nach dem Tode des Erblassers eintritt (§ 536 ABGB)4. Die Bezüglichkeit dieses Erbrechts auf die Verlassenschaft, das ist der "Inbegriff der [vererblichen] Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen" (§ 531 ABGB 5) verstärkt nocheinmal die klare Auffassung des ABGB über die Abhängigkeit vom Tod des Erblassers. Damit steht unser Gesetzbuch im - selbstverständlichen - Einklang mit allen modernen Rechtsordnungen&. Zu Lebzeiten des Erblassers besteht nicht einmal ein Anwartschaftsrecht' . Obwohl das ABGB vom "Erbrecht" des Berufenen spricht, wird dieser nach herrschender und durchaus zutreffender Ansicht im Gegensatz zu jemand Hoffnung zu einem Nachlasse haben, er kann dessen würdig sein: das Erbrecht fällt ihm erst nach dem Tode des Erblassers zu." 3 Vgl. Weiß in Klang l 111 71 ff.; Ehrenzweig 11/2, 356; Krasnopolski / Kafka V 9; Unger VI 17; Pfat! / Hofmann, Commentar 11 10 f. • Bei aufschiebender Bedingung überhaupt erst mit Bedingungseintritt: §§ 545, 703 ABGB. 5 Vgl. auch § 532 ABGB Schluß; Zeiller II/2, 377: "Es [das Erbrecht] setzt den Begriff von Verlassenschaft voraus ... " 8 Vgl. § 1922 BGB; art 537 ZBG; art 718 französischer CC; Art 456 italienischerCC. 7 Boehmer, Einführung 189 spricht über "embryonale Erwerbsaussichten".
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Kap.III: Erbrecht zu Lebzeiten
anderen Rechtsordnungen8 in Österreich dadurch noch nicht zum Erben. Er muß das ihm angefallene Erbrecht erst annehmenD. Zu Recht wird daher der Ausdruck "Erbrecht" vor dieser "Erbserklärung" entweder abgelehnt oder ausdrücklich klargestellt, daß bis dahin nur insofern von Erbrecht die Rede sein kann, als der Berufene die Möglichkeit hat, Erbe zu werden, aber nicht das Recht Erbe zu sein10• Die vereinzelt gebliebene - als "germanistisch" apostrophiertel l - Auffassung vom ipso-jure Erwerb der Erbschaft ist für das österreichische Recht zutreffend abgelehnt worden12 • Zu unterscheiden ist aber nun weiter die durch die Erbserklärung vermittelte Rechtsposition des Erbeseins vom Erwerb der einzelnen Nach.laßrechte und -pflichten. Die mangelnde Unterscheidung oder die bisweilen wohl unbewußte Vorstellung des untrennbar Verknüpftseins des einen mit dem andern ist meines Erachtens Ursache des bis in unser Jahrhundert geführten Streites zwischen der "romanistischen"13 und der schließlich siegreichen heutigen Auffassung vom Erbschaftserwerb. Die Romanisten14 knüpften in Anlehnung an das römisch-rechtliche System 8 z. B. § 1922 BGB, Art 560 ZGB; vgI. zu diesem Unterschied bereits oben II. C. 6. a. , §§ 547, 726, 799 bis 808, 815 ABGB; ähnlich auch art 549 italienischer CC. 10 Die Differenzierung kommt auch in der gelegentlichen begrifflichen Trennung von Erbe und erbserklärter Erbe oder durch die Ausdrücke jus succedendi und jus successionis zum Ausdruck, vgl. zum letzteren etwa Unger VI 26 f. FN 2; Arndts 15; vgl. auch Urentwurf II § 323: "In der weiteren Bedeutung des Wortes heißt Jedermann Erbe, dem das Erbrecht zusteht. Eigentlich ist es nur derjenige, welcher die Erbschaft wirklich angenommen hat." 11 So z. B. von Gschnitzer ErbR 57 u Ehrenzweig II/2, 361. Gegen die herrschende Auffassung des ipso-jure-Erwerbs der Erbschaft im germanischen Recht (vgI. dazu insb Sydow 311 ff.) hat Pineles GrünhutsZ 1887, 131 f. wohl zu Unrecht gemeint, daß auch im germanischen Recht zwischen Delation und Besitznehmung der Erbschaft zu unterscheiden gewesen sei; skeptisch auch SWckrath 50 f. 12 So aber Meissels GrünhutsZ 1892, 45 ff. insbes FN 122; später noch Wolf! 342, der seine Ansicht sehr formal darauf abstützt, daß wegen des Widerspruchs zwischen §§ 424 f., 436 ABGB einerseits und § 547 ABGB andererseits keine der beiden Stellen zur Auslegung herangezogen werden dürfte, so daß nur mehr die Lehre vom ipso-jure-Erwerb übrig bliebe; zu diesem angeblichen Widerspruch unten bei FN 24 ff. Zur Auseinandersetzung mit dieser Lehre insb Stückrath 35 ff.; vgI. im übrigen die - nicht diese Meinung vertretenden - Autoren der romanistischen (unten FN 14) und herrschenden (unten FN 19) Auffassung. 18 Eine mit der romanistischen zwar verwandte, aber nicht idente Auffassung vertrat Steinlechner, wonach die Erbserklärung als "Genehmigung" der Berufung zum Erben mit rückwirkender Kraft zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers aufzufassen sei; dagegen mit Recht Stubenrauch I 751 f. FN5 Schluß. 14 VgI. Anders 65 ff.; Unger VI 164 ff., 173 FN 20; Pfaff / Hofmann, Commentar II 41 ff.; weitere Hinweise bei Krasnopolski / Kafka V 38 FN 2.
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des Erbschaftserwerbs der Außenerben (heredes extranei)l5 auch für das ABGB an die Erbserklärung den Erwerb der einzelnen vererblichen Rechte und Pflichten des Erblassers. Entgegen der spezifisch österreichischen Entwicklung16 des bis heute bestehenden 17 gerichtlichen Verlassenschaftsverfahrens maßen sie der dieses abschließenden Einantwortung des Nachlasses nur untergeordnete Bedeutung zu. Sie gaben lediglich zu, daß eine praktische Ausübung der einzelnen Rechte aus dem Nachlaß vor der Einantwortung ausscheide l8. Die herrschende Auffassung l9 knüpft dagegen den Rechtsübergang allein an die Einantwortung. Diese Auffassung entspricht der historischen Entwicklungil° in Österreich und steht im Einklang mit dem geltenden Gesetz: Die wichtigsten Argumente seien kurz genannt~l: 15 Vgl. hiezu statt aller Kaser, Römisches Privatrecht I 715 ff.; zu bemerken ist allerdings, daß die Römer nicht nur eine der Erbserklärung in etwa entsprechende förmliche Erklärung (= cretio) zum Erbschaftsantritt verlangten, sondern in eventu auch die sogenannte "pro herede gestio" gelten ließen, die im wesentlichen eine faktische Besitzergreifung war; weiters ist zu sagen, daß der neben dem Erbrechtserwerb nach jus civile mögliche Erwerb der prätorischen bonorum possessio sogar ähnlich wie im österreichischen Recht geregelt war: Derjenige, der bonorum possessor werden wollte, mußte einen entsprechenden Antrag beim Prätor stellen, worauf dieser ihm die bonorum possessio zuteilen konnte. 16 Vgl. statt aller Unger, Verlassenschaftsabhandlung. Dieser selbst ein Gegner der hA vom Eigentumserwerb durch Einantwortung - führt zum Patent vom 9.9. 1785 IGS 464 II. Abteilung 5. Abschnitt (§§ 25 ff.), dem Vorläufer des AußStrG, aus (101): "Die Einantwortung des Nachlasses hat den Charakter provisorischer Immission in den Nachlaßbesitz verloren und die Bedeutung der Realisierung des ordentlich erkannten und definitiv festgestellten Erbrechts erlangt." 17 Ungeachtet der Kritik von Unger, Verlassenschaftsabhandlung insb 191: Die Abhandlung sei "das Resultat historischer Mißbildung, patrimonialer Bevormundung und fiskalischer Aengstlichkeit ... ". 18 So etwa Steinlechner I 434 ff. FN 3; Unger VI 173 f. FN 20 spricht vom "dominium dormiens, ein(em) in seiner praktischen Geltung und Realisierung noch gehemmte(n) Recht". 19 z. B. Koziol/ Welser II 29lf.; Gschnitzer ErbR 65 f.; Weiß in Klang! III 134 f.; Ehrenzweig II/2, 362; ZeiHer II/2, 850, 854, 863; OGH 21. 11.1962 EvBl1963/103; 25.3.1930 SZ 12/70. 20 Der Codex Theresianus II. XXI. Nr 156, zitiert nach Harrasowsky I 426, sagt: "Gleich wie der Erb durch den Erbanfall, und die nachfolgende Erbserklärung das Erbrecht erwirbt, also wird derselbe durch die Einantwortung der Erbschaft in den wirklichen Genuß aller Erbvortheilen gesetzt"; Nr 157: "Diesemnach sind die Wirkungen des Erbrechts vor und nach Einantwortung der Erbschaft wohl zu unterscheiden, dann nach eingeantworteter Erbschaft hat der Erb hieran das volle Eigenthum, folglich auch alle Befugnisse eines wahren Eigenthümers"; auch der Entwurf Horten 11. XVII. 25, ebenfalls zitiert nach Harrasowsky IV 265, läßt keinen Zweifel am Eigentumsübergang durch Einantwortung offen und diese Auffassung liegt auch dem Entwurf Martini II. XVIII. 7, 43, zitiert ebenfalls nach Harrasowsky IV, 150, 154, zugrunde; die genannten Stellen entsprechen inhaltlich dem WGB = Urentwurf z ABGB II §§ 595, 632; dieselbe Auffassung ging in das heutige ABGB ein. 21 Vgl. dazu insb Ehrenzweig II/2, 361 ff.
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Nach § 810 ABGB ist den Erben vor Einantwortung unter gewissen Umständen (nur) die Verwaltung und Benützung des Nachlasses vom Abhandlungsgericht zu übertragen. Veräußerungen und Verpfändungen von Nachlaßgütern dürfen sie unter Umständen und nur mit Zustimmung des Nachlaßgerichts vornehmen: Der Erbe steht offensichtlich dem Nachlaß bis zur Einantwortung noch als Fremder gegenüber. Mit der Einantwortung werden schließlich die Schulden des Erblassers erst solche des Erben: Während der Erbe vorher nur mit dem Nachlaßvermögen haftet2'l, hat er nachher auch mit dem eigenen Vermögen, sei es unbeschränkt (§§ 801, 820 ABGB) oder - bei bedingter Erbserklärung23 - nur beschränkt bis zur Höhe des Wertes der Erbschaft einzustehen (§§ 802, 821 ABGB). Nicht selten sieht aber die herrschende Auffassung in 547 ABGB, wonach der Erbe, "sobald er die Erbschaft angenommen hat", den Erblasser vorstellt, eine Antinomie zu den übrigen Bestimmungen des Erbschaftserwerbs und behilft sich damit, diese Bestimmung als "theoretische Verbeugung vor dem römischen Recht"24 aufzufassen. Die Schwierigkeiten erklären sich sicherlich nicht unwesentlich aus der Doppeldeutigkeit und daher oft fälschlichen übersetzung des Begriffes "hereditas", der einmal - objektiv - als Erbschaft, dann wieder - subjektiv - als Erbrecht verstanden wirdl!5. Der aufgezeigte Widerspruch besteht jedoch in Wahrheit nicht. Nach der hier vertretenen vermittelnden Auffassung28 entsteht für den Berufenen mit der Erbserklärung das statusähnliche Recht des "Erbeseins", das zwar die Grundlage (den Titel) der vermögensrechtlichen Nachfolge bildet, diese selbst aber noch nicht bewirki;27. Erst durch die Einantwortung tritt der Erbe in die einzelnen Rechte und Verbindlichkeiten ein. Die Entsprechung dieser Auffassung mit der Lehre von Titel und Modus ist nicht zufällig. Nach der Systematik des ABGB gehört das Erbrecht zu den "dinglichen Sachenrechten" (§ 308 ABGB)28, die grundsätzlich nur bei Vorliegen von Rechtsgrund und entsprechender Erwerbsart erworben werden können (§§ 425 ff., 449, 480 ABGB). In diesen systematischen Aufbau ist auch das Erbrecht eingebettet29 • Haftung eum viribus: §§ 550, 822 ABGB. Auch bei Nachlaßseparation: § 812 ABGB. 24 So z. B. Gschnitzer ErbR 58. 25 Vgl. hiezu etwa Weiß in Klang 2 III 52 f.; früher schon Arndts I 16. 26 Vgl. dazu die treffende Beschreibung des Erbschaftserwerbs bei Krasno-
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polski I Kafka V 7 f. 27 Vgl. Unger VI 14 f. FN 13: "Die Erbfolge ist daher eine Erwerbsart von
Rechten und Pflichten und das Erbrecht das Fundament (der Titel) der einzelnen erbschaftlichen Rechte und Verbindlichkeiten ... " 28 Zu der heute üblichen Um deutung des Wortes "dinglich" in "absolut.. bezüglich des Erbrechts im § 308 ABGB vgl. etwa Kozioll WeIser II 5.
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Da der Erwerbsgrund "Erbrecht" auch einen Status vermittelt, ist dessen absoluter Charakter im Gegensatz zu einem bloß schuldrechtlichen Erwerbstitel nicht ungewöhnlich. Das Erbrecht erschöpft sich eben nicht in dem Zweck, von der Abhandlungsbehörde die Einantwortung zu erreichen, sondern bleibt auch nach dem Erwerb der Erbschaft als status ähnliches Recht der Nachfolge einer Person bestehen30• Nur was den Anspruch auf Einantwortung betrifft, ist es richtig, von der Erbserklärung als präparatorischem Akt der Einantwortung oder als "Antrag" auf Einantwortung zu sprechen. Die Einantwortung stellt eine - wenngleich auch ganz spezielle Erwerbsart dar. Mit Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses gehen uno actu sämtliche vererblichen Rechte und Verbindlichkeiten auf den (die) Erben über (Universal- und Generalsukzession). Diesem Prinzip ist sogar der Erwerb bücherlicher Rechte untergeordnet;31. Voraussetzung des Rechtsübergangs ist jedenfalls auch hier ein gültiger Erwerbsgrund, also die wirkliche Erbenstellung (§§ 823, 824 ABGB32). Wurde nicht dem wahren Erben eingeantwortet, so vollzieht sich der Erbschaftserwerb des siegreichen Erschaftsklägers nach § 824 ABGB allerdings nun nicht mehr durch nochmalige Einantwortung, sondern wohl durch die allgemein normierten Erwerbsarten33 • Die Einantwortung regelt nur die Art des Rechtsübergangs, hat aber keinerlei Einfluß auf die Rechtsqualität der einzelnen übergegangenen Rechte und Verbindlichkeiten. Der Erbe ist genauso Eigentümer, dinglich oder schuldrechtlich Berechtigter und Verpflichteter wie der Erblasser selbst. Das Ergebnis der Einantwortung als Rechtsübergangsvorgang könnte daher auch ohne erbrechtlichen Rechtsgrundlagen durch lebzeitige Erwerbsvorgänge - wenngleich durch das Fehlen der Möglichkeit einer Universalsukzession ungleich komplizierter - zu Lebzeiten nachvollzogen werden. Die besondere Rechtsposition eines Erben, 29 Vgl. insb § 424 ABGB, wo unter den Eigentumstiteln auch die Verfügung von Todes wegen genannt ist, u § 436 ABGB; vgl. auch Ehrenzweig I12, 23. 30 Vgl. Unger r 222 f. 31 Schon die Redaktoren des ABGB gingen von der Universalsukzession des Erben aus, ohne daß zum Eigentumserwerb für jede Sache der spezielle Erwerbsvorgang eingehalten werden müßte: Vgl. Ofner II, 545 zu § 669 Revisionsentwurf; irrtümlich ist daher offensichtlich die Meinung Zeillers II/2, 863; dagegen schon Stubenrauch r 1001 FN 3 f., der von der "universellen Erwerbsart" der Einantwortung spricht und darin insb auch den Eigentumserwerb an Liegenschaften trotz § 436 ABGB einbezieht. So auch die herrschende Lehre und Rechtsprechung: Koziol / Welser Ir 292; Gschnitzer ErbR 57; Weiß in Klang! !Ir 53 f.; Ehrenzweig Ir/2, 502 ff.; Klang in Klang! Ir, 371; OGH 7.9.1976 EvBI 1977/37; 21. 11.1962 EvBl 1963/103; 21. 3.1956 EvBl 1956/167; 5.1.1938 RZ 1938, 82; aA 1. 4.1930 SZ 12/75 = Rspr 1930/193 (Wahle); vgl. auch 20. 6. 1934 NZ 1934, 204 (Demelius). 32 Vgl. OGH 13.4.1932 JBl 1932, 427. 33 So Weiß in Klang~ III 1073.
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um die es hier geht, knüpft sich aber nicht an diese vermögensrechtliche Nachfolge, sondern allein an die Erbenstellung: Treffend sagt daher Weißil4o, daß es das Erbrecht sei, "daß die Erbenqualität hervorbringt". Das gilt etwa für die Erfüllung der Pfiichtteilsanspruche, die Erbgangsschulden und die Vermächtnisforderungen genauso wie für die Haftung für die Erblasserschulden, mögen diese auch erst durch Einantwortung auf den Erben übergehen. Nach der Erbserklärung kann sich der Erbe der (beschränkten oder unbeschränkten) Haftung nicht mehr entziehen. Die Erbenstellung selbst wiederum hängt eindeutig vom Tod des Erblassers ab. Der entscheidende Schritt bei der Erlangung der ErbensteIlung ist die Erbserklärung. Ihre Wirksamkeit hängt vom Vorliegen eines im Gesetz taxativ aufgezählten Berufungsgrundes (§ 533 ABGB) ab. Diese Berufungsgründe knüpfen unzweifelhaft an den Tod des Erblassers an. Eine Erbserklärung zu Lebzeiten des Erblassers wäre wirkungslos35 • Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß die Begründung einer Erbenstellung noch zu Lebzeiten des Erblassers ausgeschlossen istH • 3. Vermächtniserwerb Nach dem ABGB ist zwischen der obligatorischen Vermächtnisforderung des Bedachten gegen den Beschwerten und dem eigentlichen Rechtsübergang des vermachten Gegenstandes zu unterscheiden. Das Gesetz kennt das mit dinglicher Wirkung ausgestattete Vindikationslegat nicht, sondern bekennt sich eindeutig zum sogenannten Forderungs-(Damnations-)vermächtnis37 • Die spezifische Rechtsposition eines Vermächtnisnehmers knüpft das Gesetz bereits an denjenigen, der das Vermächtnis zu fordern berechtigt In Klang 2 III 54 f. Bei fideikommissarischer Substitution könnte ebenfalls eine Erbserklärung schon vor der Delation - aber auch hier niemals vor dem Erbfall abgegeben werden und würde beim Substitutionsfall sofort wirksam: vgl. Unger VI 146 f., 149 f. FN 9. 38 Wenn § 1266 ABGB ua bestimmt, daß bei Aufhebung oder Scheidung der Ehe dem schuldlosen Teil auch alles das gebührt, was ihm in den Ehepakten auf den Fall des 'überlebens bedungen worden ist, so stellt dies keine Durchbrechung des Ergebnisses dar. Das überleben stellt nämlich hier nur die Bedingung für lebzeitigen Rechtserwerb dar. Dies ergibt sich schon daraus, daß § 1266 ABGB die Auswirkung der Scheidung oder Aufhebung der Ehe auf die Erbenberufung des Ehegatten gesondert uz unter Einschluß einer allfälligen erbvertraglichen Berufung regelt. 37 Vgl. § 684 ABGB; hiezu DIner I 390 ff.; ebenso die hA: KozioZ I WeZser II 274 f.; Gschnitzer ErbR 80; Weiß in Klang 2 III 481 f.; Ehrenzweig II/2, 535; ausnahmsweise kennt das WEG 1975 in § 10 Abs 1 Z 1 ein Vindikationsvermächtnis: hiezu vgl. Faistenberger I Barta I CaZZ § 10 Anm 9, 27; auch KozioZ I WeZser II 275. 34
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ist (§§ 692,783 ABGB). Mit der Regelung des Entstehens der Vennächtnisforderung und der Umschreibung der Rechtsstellung des Vennächtnisnehmers erschöpft sich die spezifische Vennächtnisregelung. Der Rechtsübergang am vermachten Gegenstand selbst folgt den allgemeinen, für die jeweilige Sache aufgestellten Vorschriften des Rechtserwerbs, wobei die letztwillige Einsetzung, bei gesetzlichen Vennächtnissen auch das Gesetz, als Rechtstitel zu denken sind38• Die Untersuchung der Frage, ob bereits zu Lebzeiten des Erblassers eine Vermächtnisstellung möglich ist, muß man daher beim Zeitpunkt der Entstehung der Vermächtnisforderung ansetzen. Bei aller Unklarheit darüber, ob das persönliche Vennächtnisrecht dem Begünstigten ipso jure mit dem bloßen Anfall zukommt oder ob es dazu analog dem Erbrechtserwerb einer eigenen Annahmeerklärung des Begünstigten bedarf3 9, mag diese auch konkludent erfolgen können, ist doch völlig 38 Vgl. §§ 424, 684, 688 S 2 iVm § 437 ABGB, wo zwar nur die Eigentumsübertragung geregelt ist; nach § 653 ABGB kann aber jede Sache Gegenstand eines Vermächtnisses sein, so daß unzweifelhaft nicht nur die Eigentumsübertragungsarten, sondern alle möglichen Arten des Rechtserwerbs, vor allem auch die Zession in Frage kommt; vgl. ausdrücklich Gschnitzer, ErbR 81; Zeiner II/2, 633 spricht von "eine(r) dem Gegenstande angemessene(n) übergabe"; auf die Verbindung der Vermächtnisregeln mit den Normen von Schuld- und Sachrecht wies insb Faistenberger 270 hin. 39 Die überwiegende Ansicht steht auf dem Standpunkt des ipso-jure-Erwerbs des Vermächtnisanspruchs: vgl. Koziol/ Welser II 276; Gschnitzer ErbR 81; Weiß in Klang 2 III 595 FN 7; Ehrenzweig II/2, 539 f.; Pfaff I Hofmann, Commentar II 488; Randa, Erwerb 36 ff.; offenbar auch Zeiller II/2, 633: "Von diesem Augenblicke [gemeint ist der Zeitpunkt des Todes] erwirbt der Legatar zunächst aus der Vorschrift des Gesetzes (§§ 649 u 650) ein persönliches Recht, von dem Erben (oder belasteten Vermächtnisnehmer) das Legat zu fordern ... ". Gelegentlich wird eine Annahme des Legats zwar nicht als notwendig, jedoch als zulässig und dann als unwiderruflich angesehen: vgl. Koziol / Welser II 276; Gschnitzer ErbR 81; Ehrenzweig II/2, 539 f. FN 6; Pfatt / Hofmann, Commentar II 488. Demgegenüber vertritt Faistenberger 283 ff. FN 312 analog zum Erbrechtserwerb eine Vermächtnisannahme zum Erwerb des persönlichen Vermächtnisrechtes; so insb auch Unger VI 273 FN 2. - Die praktische Bedeutung der Streitfrage ist jedoch gering, sie wird nur hinsichtlich des Vorrangs eines Transmissars oder Vulgarsubstituten des Legatars aktuell: vgl. Unger VI 273 FN 2; Faistenberger 284 f. FN 312 Schluß. - Folgende neue Gesichtspunkte seien zu dieser Frage zur Diskussion gestellt: Nach hA wird zum Eigentumsübergang außer dem Verpflichtungsgeschäft und der bloßen faktischen übergabe ein dinglicher, auf übergang bzw übernahme des Eigentums gerichteter Vertrag erfordert (vgl. die Hinweise bei Bydlinski FS Larenz 1029 FN 7); dies muß auch für den Eigentumsübergang auf Grund eines Vermächtnisses gelten; die von Spielbüchler, Dritter 109 ff.; derselbe JBI 1971, 593 ff. u Bydlinski FS Larenz, insb 1034 ff. vertretene Auffassung der Verlegung dieser dinglichen Einigung über den Eigentumsübergang in den Kaufvertrag scheitert hier am Mangel eines in Frage kommenden Schuldvertrages; die dingliche Einigung muß daher in einem späteren Zeitpunkt erfolgen und ist mE ident mit der umstrittenen Vermächtnisannahme. Sie wird gewöhnlich zugleich mit der Tradition erfolgen und ist hier insoweit in der Regel keine Fiktion, als der Vermächtnisnehmer durch Nichtannahme hier erstmals seinen Willen bekunden könnte, das Legat auszuschlagen; daß die Annahme nicht Voraussetzung des Erwerbs
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klar, daß vor dem Tod des Erblassers eine Vermächtnisforderung jedenfalls ausgeschlossen ist. Auch ohne ausdrückliche dem § 536 ABGB entsprechende Bestimmung ergibt sich dies klar aus dem Gesetz und den einschlägigen Gesetzesma terialien40 • 4. Erwerb des Pfliclltteilsanspruchs Der direkt auf dem Gesetz beruhende Pflichtteilsanspruch besteht in einer obligatorischen Geldforderung41, die sich grundsätzlich zunächst gegen den Nachlaß, nach Einantwortung42 direkt gegen den (die) Erben richtet. Anspruchsberechtigt sind die in § 762 ff. ABGB genannten Personen, soweit sie nach dem Gesetz erbberechtigt wären, nicht widerrechtlich enterbt und in ihrem Pflichtteilsrecht verkürzt sind. Die Höhe des Anspruchs beträgt bekanntlich bei Nachkommen und beim Ehegatten die Hälfte, bei Vorfahren ein Drittel des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§§ 765 f., 784,786 ABGB). Im Zusammenhang mit der Frage der Möglichkeit von erbrechtlichen Rechtsstellungen schon zu Lebzeiten des Erblassers ist auf den Zeitpunkt der Entstehung dieses Pflichtteilsanspruchs nun näher einzugehen. Der Frage, ob der Pflichtteilsanspruch kraft Gesetzes mit dem Tode des Erblassers ipso jure entsteht oder ob es dazu einer eigenen Geltendmachung bedarf43 , kommt hier - ähnlich wie beim Vermächtnisander Vermächtnisforderung, sondern des Eigentumserwerbs am Vermächtnisgegenstand ist, darauf deutet mE auch die in den Materialien (bei Ofner I 392) angeführte Bemerkung hin, daß "bei jeder Tradition Uebergabe und Annahme erst den Actum vollständig machen". 40 Vgl. §§ 647, 684 ABGB; Ofner I 390 ff.; OGH 25.9.1935 RZ 1935, 234; 12.2.1896 GlU 15.718. 41 Vgl. statt aller Weiß in Klang! 111 825; Ehrenzweig 11/2, 578; HfD JGS 1844/781. 42 Zur Bedeutung der Einantwortung schon oben 111. A. 2; vgl. noch Ehrenzweig 11/2, 580; mißverständlich Weiß in Klang! 111 897, der die Pflichtteilsklage schon nach Erbserklärung gegen den Erben richten will; dies aber im Widerspruch zu seinen Ausführungen S 871 und 975, wo er ebenfalls die rechtsgestaltende Kraft der Einantwortung im Bezug auf die Erbenhaftung betont; zur Rechtsprechung vgl. OGH 15. 3. 1967 SZ 40/38 und die in MGA ABGB z 783 Nr 4 abgedruckten E. 43 Für den ipso-jure-Erwerb sprechen sich Koziol / Welser 11 281 aus, die von der Fälligkeit des Anspruchs sofort ab dem Todeszeitpunkt sprechen, was die Entstehung des Anspruchs voraussetzt; ebenso Ehrenzweig 11/2, 581, der aus der Unpfändbarkeit vor Anerkennung oder gerichtlicher Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nach § 291 EO keine weiteren Konsequenzen zieht, sondern ganz im Gegenteil die Vererblichkeit und Abtretbarkeit ohne weiteres annimmt; ebenso OGH 28.12.1966 EvEl 1967/235; 22.12.1960 EvBI 1961/94 u die in MGA ABGB z § 531 Nr 6 angeführten E; aA Weiß in Klang! 111 834 ff., der zwar wohl nicht die gerichtliche Geltendmachung, sondern im Hinblick auf den höchstpersönlichen Charakter eine Geltendmachung in irgendeiner Form, z. B. Anmeldung im Verlassenschaftsverfahren, verlangt; vgl. auch § 2 Abs 1 Z 1 ErbStG u hiezu Dorazil 35; OGH 14.1.1959 NZ 1960, 59. - Dem Argument, es müsse dem Noterben freistehen, sich zu ent-
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spruch der Frage einer Annahme - nur untergeordnete Bedeutung zu. Fest steht jedenfalls auch hier, daß ein Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Erblassers ausgeschlossen ist. Das ergibt sich schon allein daraus, daß der Pflichtteilsanspruch vom gesetzlichen Erbrecht abgeleitet ist (§ 765 ABGB) und daß sich der Anspruch gegen den Nachlaß (nach Einantwortung gegen den oder die Erben) richtet, was schließlich nur nach dem Tod des Erblassers möglich ist. Trotzdem läßt sich die Untersuchung hier nicht abbrechen. Der Pflichtteilsanspruch hängt nämlich noch davon ab, daß der Pflichtteil nicht bereits durch andere Zuwendungen gedeckt ist. Ausdrücklich sagt das Gesetz, daß der Pflichtteil auch "in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses" (§ 774 ABGB) hinterlassen werden kann. Der Eingesetzte ist dann Erbe oder Vermächtnisnehmer, trotzdem hat er nur dann einen Pflichtteilsanspruch, wenn er nicht wenigstens wertmäßig bis zu dessen Höhe schon bedacht wurde. Der Pflichtteilsanspruch sichert daher bloß subsidiär die Pflichtteilsberechtigung, die zutreffenderweise vom Pflichtteilsanspruch, dem Recht, diesen Pflichtteil tatsächlich in Geld zu fordern, zu trennen is1;44. Aus den Anrechnungsbestimmungen ergibt sich nun weiters, daß auch lebzeitige Zuwendungen den Pflichtteilsanspruch mindern können45 • Bei den Vorempfängen der §§ 788,789 ABGB kan dies auch zum gänzlichen Entfall eines Pflichtteilsanspruchs führen. Bei Schenkungen" ergreift die Anrechnung allerdings nur den durch die Hinzurechnung von Schenkungen zum Nachlaß (§ 785 ABGB) erhöhten (Schenkungs-)Pflichtteil (§ 787 Abs 2 ABGBl. Diese auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnenden lebzeitigen Zuwendungen sind in ihrer Konsumationswirkung effektiver als die Hinterlassung eines Erbteils oder Vermächtnisses, weil dort noch scheiden, ob er den Pflichtteilsanspruch geltend macht oder nicht und damit eventuell eine Erörterung von Enterbungsgründen oder die Nachforschung nach Vorempfängen verhindern kann, ist mE nur schwer etwas entgegenzuhalten (dieses Argument findet sich oft auch in anderem Zusammenhang, z. B. bei Koziot JBl 1974, 403; JeHnek JBl 1977, 1 ff., insb 17); doch wiegt mE dieser Umstand nicht so schwer, um generell die Unvererblichkeit des Anspruches bei Untätigkeit des Berechtigten zu rechtfertigen (vgl. auch jüngst Gschnitzer / Faistenberger 58). Für ganz eindeutige Fälle besteht ja die Möglichkeit der Annahme eines stillschweigenden Verzichts auf den Pflichtteilsanspruch, um persönlichen Interessen des Betroffenen Rechnung zu tragen: vgl. OGH 10.5.1972 EvBlI972/317. ~ Vgl. Rechberger JBl 1973, 296; wohl auch Schwind FS Kastner 444 f., der allerdings im Gegensatz zu Rechberger glaubt, daß in § 808 ABGB nur vom Anspruchsberechtigten die Rede sei, nicht aber generell von jenen Personen, denen ein Pflichtteil gebührt. 45 Vgl. Weiß in Ktang 2 III 827 f. 48 Dies muß konsequenterweise auch für Schenkungen auf den Todesfall gelten, weil auch darin eine Begünstigung des Beschenkten, die diesem zusätzlich zu seinen erbrechtlichen Ansprüchen zukommen soll, liegt; aA Koziol / WeIser II 279; vgl. genauer dazu unten IV. B. 4. e. aa. 5 Eccher
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immer die Ausschlagung unter Vorbehalt des Pflichtteils möglich ist 47 • Nach richtiger Auffassung kann sich der Pflichtteilsberechtigte nach § 808 ABGB zur Gänze und nicht bloß dann, wenn und insofern er unvollkommen bedacht wurde, auf seinen Pflichtteil zurückziehen48 • Daß dem Pflichtteilsberechtigten bei anrechnungspflichtigen lebzeitigen Zuwendungen keine Wahlmöglichkeit mehr zusteht, zwischen der Zuwendung, die durchaus nicht immer in Geldleistungen besteht, und dem Pflichtteilsanspruch auf eine Geldsumme zu wählen, stellt insofern keinen Wertungswiderspruch dar, als sowohl bei Schenkungen als auch bei den Vorempfängen49 ein Vertrag notwendig ist, die Zuwendung also nur mit Zustimmung des Pflichtteils berechtigten erfolgt, während dies bei Erb- oder Vermächtniseinsetzungen nicht der Fall ist50 . In ganz besonderem Maße gilt das Gesagte für jene Vorempfänge, die vereinbarungsgemäß als Vorleistung auf den späteren Pflichtteilsanspruch gegeben werden (§ 789 ABGB neu)51. Man kann nun zwar sagen, daß die Pflichtteilsberechtigung im Gegensatz zum Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des Erblassers bereits besteht52 , sie kann aber immer nur rückwirkend vom Todesfall aus festgestellt werden53• Diese leb zeitige Pflichtteilsstellung beinhaltet auch keinesfalls die Pflicht des Erblassers, darauf leb zeitige Vorleistungen zu erbringen. Daran ändert die Erwähnung von Vorschüssen auf den Pflichtteil in § 789 ABGB nichts. Auch wenn das Gesetz Vorschüsse auf den Erbteil nicht erwähnt, ist die Rechtslage doch durchaus vergleichbar. Erst nach dem Tode des Erblassers zeigt sich der verschiedene Charakter dieser Rechtspositionen M • Natürlich ist nicht ausgeschlossen, daß der Erblasser rechtsgeschäftlich die Verpflichtung zu solch.en Vor47 Die Ausschlagbarkeit des Vermächtnisses unter Vorbehalt des Pflichtteils ergibt sich aus § 689 ABGB; die gegenteilige Ansicht von Ehrenzweig 11/2, 576 ist nur die Folge seiner Ansicht (unten FN 48) wonach sich auch der Erbe nicht zur Gänze auf den Pflichtteil zurückziehen könne; richtig Weiß in Klang 2 III 1010. 48 So mit überzeugender Begründung Rechberger JBI 1973, 292 ff. mwN im Anschluß an Weiß in Klang 2 III 1008 ff.; aA vor allem Schwind FS Kastner, 441 ff. u Ehrenzweig 11/2, 492 f. und 576; vgl. jüngst Mähr NZ 1978, 133 ff. 49 Zum regelmäßigen Vertragsabschluß auch bei den gesetzlich gebotenen Zuwendungen des § 788 ABGB vgl. oben II. A. 50 Für den Fall des Erbvertrages ist mE konsequenterweise die Möglichkeit einer Ausschlagung der Erbschaft unter Vorbehalt des Pflichtteils zu verneinen, weil eine derartige Handlungsweise mit dem früheren Verhalten des Erben, nämlich dem Abschluß des Erbvertrags, im Widerspruch stünde. 51 Vgl. dazu noch genauer unten IV. B. 3. d. 52 Vgl. Weiß in Klang 2 111 827 f. 53 In diesem Sinn recht deutlich OGH 29.3. 1905 GlUNF 3007. 54 Zu den Konsequenzen dieser Gleichstellung siehe unten IV. B. 2. u 5; zur Folge eines Vorliegens einer sittlichen Pflicht vgl. IV. E.
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Vorzeitiger Erbfall
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leistungen übernimmt55 • Allenfalls könnte man im Hinblick auf § 762 ABGB von einer Pflicht des Erblassers sprechen, den Pflichtteilsberechtigten letztwillig - nicht aber lebzeitig - zu bedenken. Der lebzeitig Begünstigte, dessen Zuwendung seinen späteren Pflichtteilsanspruch substituiert, behält rechtlich gesehen die Stellung des Empfängers eines Vorempfangs oder einer Schenkung, genauso wie der pflichtteilsberechtigte Erbe oder Vermächtnisnehmer dessen Rechtsstellung beibehält, wenn er die Erbschaft oder das Vermächtnis nicht ausschlägt. Die Zuwendung bildet lediglich eine "Gestalt" des Pflichtteilsrechts (§ 774 ABGB). Der lebzeitig Begünstigte ist also nicht in jenem strengen Sinn als Pflichtteilsberechtigter anzusprechen, der seine Zuwendung auf den im Erbrecht verankerten Pflichtteilsanspruch stützt; denn ein Pflichtteilsanspruch bezüglich der anrechnungspflichtigen Zuwendung ist nicht entstanden. Die Rechtsordnung knüpft an denjenigen, der einen Pflichtteil zu fordern berechtigt ist, allerdings keine über die Forderungsmöglichkeit und damit im Zusammenhang stehende Rechtsbehelfe5e hinausgehende Rechtsposition wie etwa an die Stellung eines Erben oder, wenn auch in geringerem Umfang, auch eines Vermächtnisnehmers. Insbesondere haftet der Pflichteilsberechtigte weder den Nachlaßgläubigern noch den Vermächtnisnehmern noch anderen Pflichtteilsberechtigten mit seinem Pflichtteil. Der Frage einer allfälligen Transponierung der Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten auf den lebzeitig Begünstigten kommt daher viel weniger praktische Bedeutung zu, als dies etwa beim Erben oder Vermächtnisnehmer der Fall ~7. Es sei allerdings schon jetzt darauf hingewiesen, daß die günstige haftungsrechtliche Stellung schon nach dem Gesetz ausdrücklich auch auf die lebzeitige Begünstigung durchschlägt. Nach § 951 Abs 2 ABGB haftet der Beschenkte dem verkürzten Noterben nur insoweit, "als er infolge der Schenkung mehr als den ihm bei Einrechnung der Schenkung gebührenden Pflichtteil erhalten würde."
55 Vgl. in diesem Sinn Weiß in Klang 2 III 827 f.; OGH 4.5.1892 GlU 14234: "Es besteht weiter gar kein gesetzliches Hinderniß, daß der Erblasser dem pflichttheilsberechtigten Notherben bei seinen Lebzeiten Abschlagszahlungen auf diesen Pflichttheil leistet, oder sich zu solchen Abschlagszahlungen urkundlich verpflichtet, die dann seinerzeit in den Pflichttheil eingerechnet werden können"; zur Formpflicht eines solchen Versprechens ohne wirkliche übergabe vgl. unten V. D. 56 z. B. § 784 ABGB. 57 Vgl. unten IV insb F. 2.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
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5. Exkurse a) Der vorzeitige Erbausgleich des nichtehelichen Kindes in Deutschland
Durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder 58 wurden unter anderem die Bestimmungen über den vorzeitigen Erbausgleich des nichtehelichen Kindes in das BGB aufgenommen (§ 1934 d, e BGB). Danach kann jedes nichteheliche Kind zwischen dem 21. und 27. Lebensjahr von seinem Vater einen Geldanspruch, grundsätzlich in der Höhe des dreifachen jährlichen durchschnittlichen Unterhaltsbetrages fordern. Darüber ist durch Urteil zu entscheiden, wenn nicht eine notariell beurkundete Vereinbarung zwischen dem nichtehelichen Kind und dem Vater geschlossen wird. Der rechtswirksam vereinbarte oder urteilsmäßig zustandegekommene Erbausgleich hat wechselseitig den Entfall des Erb- und Pflichtteilsrechtes des Kindes und dessen Abkömmlingen sowie des Vaters und dessen Verwandten zur Folge (§ 1934 e BGB). Diese Neuregelung ist vielfältiger Kritik ausgesetzt, doch ist hier nicht weiter darauf einzugehen59 • In vielerlei Beziehung ähnelt das neugeschaffene Rechtsinstitut in seinen Wirkungen einem entgeltlichen Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht. Ein künftiger Erb- oder Pflichtteilsberechtigter tauscht gewissermaßen seine erbrechtliche Chance gegen eine lebzeitige Abfindungl'°. Zumindest der Funktion nach liegt daher eine Vorwegnahme der Erbfolge im eingangs beschriebenen Sinn vor 61 • Umstritten ist allerdings, ob der Anspruch des nichtehelichen Kindes auf Erbausgleich selbst ein erbrechtlicher oder familienrechtlicher Anspruch ist. Manche62 betonen mit Hinweis darauf, daß dem unehelichen Kind mit dem Anspruch ein Fortkommensbeitrag gegeben werden soll, seinen unterhaltsrechtlichen Charakter und ordnen BGBI 1969 I 1243. Vgl. die Angaben von Schippel in Soergel / Siebert § 1934 d Anm 4; kritisch insb Jochem FamRZ 1974, 360 ff.; Ebert, Erbausgleich 31 ff., 39 findet va die "Zwangsbeerbung" zu Lebzeiten mit dem geltenden Erbrechtssystem unvereinbar; Stöcker JZ 1979, 87 ff.; derselbe JZ 1970, 675 ff. Der 49. DJT 1972 trat mehrheitlich für die Abschaffung dieses Rechtsinstituts ein: II K 165 Nr 3; eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde ist anhängig: vgl. Hinweis in dRZ 1975, 125; positiv etwa Damrau FamRZ 1972, 166 f.; derselbe BB 1970, 469 f.; Bosch FamRZ 1972, 177 f. 60 Vgl. zu den Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten insb Christiansen 28 ff. 61 So etwa Ebert, Erbausgleich, 21, 31; Christiansen 48: "Der vorzeitige Erbausgleich stellt somit eine schematisierte oder pauschalierte vorweggenommene Erbfolge des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater dar"; die Ablehnung Damraus, FamRZ 1972, 167, beruht auf einer engeren Definition der antizipierten Erbfolge: vgl. oben II. A. ~2 z. B. Christian 39 f. 58
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A. Vorzeitiger Erbfall
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ihn dem. Familienrecht zu. Andere 63 verweisen auf den Entfall des Erboder PilichtteiIsrechts durch den an dessen Stelle tretenden lebzeitigen Erbausgleich und qualifizieren den Anspruch als erbrechtlich. Wieder andereN betonen das gleichzeitige Vorhandensein eines erbrechtlichen und familienrechtlichen Charakters. Auch wenn man den Standpunkt teilt, daß §§ 1934 d und e BGB dem nichtehelichen Kind einen "erbrechtlichen" Anspruch gewähren, bringt dies, abgesehen von der theoretisch natürlich interessanten Erscheinung eines erbrechtlichen Anspruchs zu Lebzeiten des Erblassers, hier nicht viel. Die Beantwortung der Frage hat zwar auch praktische Konsequenzen, vor allem im internationalen Privatrecht65 , bleibt aber gerade für die in dieser Arbeit erörterte Problematik ohne Konsequenz: Auch wenn der Anspruch erb rechtlich zu qualifizieren wäre, wäre er doch niemals ident mit den beim Tod des Erblassers möglichen Berechtigungen eines Erben, Pilichtteilsberechtigten oder Vermächtnisnehmers. Die mit solchen Rechtspositionen verbundenen Regelungen des BGB sind auf den vorzeitig Begünstigten nicht anzuwenden. Die Relevanz des vorzeitigen Erbausgleichs reduziert sich darauf, daß das nichteheliche Kind aus dem Kreis der Erben und Pilichtteilsberechtigten ausscheidet. Die lebzeitige Zuwendung beruht also auf einem besonders geregelten gesetzlichen Anspruch, der unter anderem. den Ausschluß des Schenkungscharakters der Zuwendung nach bürgerlichem Recht66 bewirkt. Sein allfälliger erbrechtlicher Charakter hat aber gerade den Entfall erbrechtlicher Berechtigungen, nicht aber eine Angleichung an solche Rechtspositionen zur Folge. b) § 17 Höfeordnung
§ 17 Abs 2 HöfeO der ehemals britischen Zone 67 bestimmt: "übergibt der Eigentümer den Hof an einen hoferbenberechtigten Abkömmling, so gilt zugunsten der anderen Abkömmlinge der Erbfall hinsichtlich des Hofes mit dem Zeitpunkt der Übertragung als eingetreten." Es stellt sich die Frage, ob durch diese Bestimmung im besonderen Bereich des Anerbenrechts tatsächlich ein vorzeitiger Erbfall noch zu Lebzeiten des übergebers und Erblassers normiert ist. Dies ist jedoch zu verneinen. Wohl kann man dem übergabevertrag im Sinne der HöfeO neben seiz. B. Christiansen 43; Schippel in Soergel / Siebert § 1934 d Anm 6. B. Bartholomeyczik / Schlüter in Erman § 1934 d Anm 2; Ebert, Erbausgleich 27 f. 65 Vgl. hiezu Christiansen 49 ff. M Nicht nach dem Steuerrecht; vgl. § 7 Abs 1 Z 6 d ErbStG; vgl. im übrigen dazu unten V. L. 67 BG 29.3.1976 BGBI 1976 I 881; neu bekanntgemacht BG 26.7.1976 BGBI 1976 I 1933. 63
t4 Z.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
nem Charakter als Rechtsgeschäft unter Lebenden besonders insofern auch einen erbrechtlichen Charakter zubilligen, als durch ihn genauso wie durch eine letztwillige Verfügung die Bestimmung des Hoferben erfolgen kann88 • Doch wäre es verfehlt, aus der genannten Bestimmung des § 17 zu schließen, daß der Erbfall zeitlich vorgezogen wird. § 17 enthält lediglich die Fiktion des mit dem Zeitpunkt der übertragung des Hofes eingetretenen Erbfalls 69 und dies auch nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und bezüglich des bäuerlichen Hofes, um der Funktion des übergabevertrages als antizipierte Erbfolge gerecht zu werden. So gilt dies etwa für die Höhe der Abfindungsansprüche der weichenden Erben, deren Höhe sich eben nach dem Zeitpunkt des Erbfalls richtet (§ 12 HöfeO). 6. Zwischenergebnis
Sämtliche erbrechtlichen Ansprüche sind nach österreichischem Recht frühestens ab dem Tode des Erblassers denkbar. Dies gilt ohne Einschränkung für das Erbrecht und den Vermächtnisanspruch. Bezüglich des Pflichtteilsrechts könnte man zwischen dem ebenfalls vom Tod abhängigen Pflichtteilsanspruch und der bereits zu Lebzeiten gegebenen Pflichtteilsberechtigung unterscheiden. Eine auf den Pflichtteil anzurechnende Zuwendung zu Lebzeiten basiert aber nicht auf dem Pflichtteilsanspruch. Insofern besteht kein Unterschied zu einer auf den Erbteil anzurechnenden lebzeitigen Zuwendung. Der dem nichtehelichen Kind in der BRD durch § 1934 d und e BGB eingeräumte Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich ist zwar möglicherweise als ein erbrechtlicher Anspruch zu Lebzeiten des Erblassers zu qualifizieren, bleibt aber eine umstrittene und singuläre Erscheinung, die zudem für die hier erörterten Problemlagen keine Anhaltspunkte liefert. § 17 HöfeO enthält in einem Sondergebiet lediglich die Fiktion eines vorzeitigen Erbfalls.
68 Vgl. § 7 Abs 1 HöfeO: "Der Eigentümer kann den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen oder ihm den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge (übergabevertrag) übergeben ... "; vgl. dazu etwa Pikalo dNZ 1968, 70 f. der von einer Doppelnatur aus lebzeitigem Geschäft und Verfügung von Todes wegen spricht. So jüngst auch Coing FS Schwind 66, der auch zur Anwendung des § 2289 BGB Stellung bezieht. 89 Argumentum "gilt" in § 17 HöfeO; so auch ausdrücklich Schulte AgrarR 1977,54 f.; vgl. auch Kipp / Coing 240; Lange, Erbrecht 943.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht und den Vermächtnisanspruch 1. Allgemein
Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, daß nach geltendem österreichischem Recht keine der möglichen erbrechtlichen Berechtigungen früher als beim Tod des Erblassers entstehen. Ein Erbfall zu Lebzeiten des Erblassers ist undenkbar. Ein im Rahmen eines antizipierten Erbfolgegeschäfts des Erblassers Begünstigter kann daher zwar jedes Recht lebzeitig vom zukünftigen Erblasser erwerben, dies aber nicht als Erbe, Vermächtnisnehmer oder Pftichtteilsansprecher. Wie bereits ausgeführt, gehen dadurch die spezifischen erbrechtlichen Regelungen, die eben an die Stellung eines Erben oder Vermächtnisnehmers1 anknüpfen, unter. Im Zuge der vorzunehmenden Untersuchung, nämlich zu prüfen, ob jene Rechtsvorgänge, die wir in einer juristisch noch nicht konkretisierten Betrachtungsweise als antizipierte Erbfolge bezeichnen, auch im normativen Sinn als erbrechtliche Vorgänge zu verstehen sind, bietet sich aber noch eine weitere Möglichkeit an. Wenn es zwar ausgeschlossen ist, daß der Begünstigte schon zu Lebzeiten eine erbrechtliche Stellung nach dem Erblasser erhält, wäre es immerhin noch denkbar, daß die Zuwendung als Vorleistung eines späteren Rechts aufzufassen ist. Die Zuwendung erschiene dann als Objekt der zukünftigen Stellung eines Erben, Vermächtnisnehmers oder Pftichtteilsberechtigten. Sie könnte diese Berechtigung dann zur Gänze ausfüllen oder später noch mit anderen Vermögenswerten, deren Erwerb die künftige erbrechtliche Stellung mit sich bringt, zusammentreffen. Eine rechtsdogmatische Einordnung der in Frage stehenden Zuwendungen ins Erbrecht wäre damit ebenfalls geglückt. Bis zum Tode des Erblassers bedürfte die Zuwendung allerdings eines gesonderten Rechtstitels. Von vorneherein wenig problematisch erscheint die ins Auge ge faß te Konstruktion dann, wenn die lebzeitige Komponente des Rechtsgeschäfts von den Parteien auf die Lebenszeit des Erblassers befristet ist. Dann ist im Zeitpunkt des Todes des Erblassers dessen Vermögen und damit sein Nachlaß nicht berührt. Der Erblasser kann daher ohne weiteres letztwillig oder durch Eintretenlassen der gesetzlichen Erbfolge die bisherige lebzeitige Begünstigung dann in eine solche von Todes wegen umwandeln. Als Rechtstitel käme zu Lebzeiten etwa Leihe, Miete oder Fruchtgenuß in Betracht. Auf Probleme, die sich daraus ergeben, daß 1
Zum Pflichtteilsberechtigten siehe oben III. A. 4.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
etwa der Erbe oder Vermächtnisnehmer eine ihm zugedachte Sache dann schon besitzt, ist unten! einzugehen. Die beschriebene Konstruktion kommt jedoch in der Praxis kaum vor. Die Parteien vereinbaren zwar, wie oben· gezeigt wurde, sehr häufig eine Zuwendung, weil der Begünstigte später ohnehin als zukünftig erbrechtlich Berechtigter Vermögenswerte des Erblassers erhalten würde, konstruieren aber ihre Rechtsverhältnisse nicht im oben beschriebenen Sinn. Die Begünstigung soll in der Regel endgültig und nicht durch die dem Erblasser einseitig~ zustehende Möglichkeit einer abweichenden letztwilligen Verfügung gefährdet sein. Dadurch ist im Regelfall das Vermögen und schließlich der Nachlaß des Erblassers endgültig vermindert. Ob auch in diesen Fällen die erbrechtliche Stellung, mag sie auch seinerzeit Anlaß der lebzeitigen Begünstigung gewesen sein, diese Zuwendung noch ergreift, soll ebenfalls Gegenstand der folgenden überlegungen sein. Bevor auf die angesprochenen Fragen im einzelnen bei Erbrecht und Vermächtnis eingegangen wird, sei noch folgendes bemerkt: Die angepeilte Lösung würde jedenfalls in all jenen Fällen versagen, in denen eine im Zeitpunkt der Zuwendung vorausgesetzte erbrechtliche Berechtigung im Zeitpunkt des Erbfalls etwa durch Vorversterben, Ausschlagung oder Erbunwürdigkeit des Begünstigten nicht mehr vorhanden ist oder gar die Zuwendung Grund für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht war. Die Zuwendung bleibt daher in all diesen Fällen, wenn man sie nicht völlig wirklichkeitsfremd als vom Eintreffen der erbrechtlichen Position bedingte ansieht, in ihrer bisherigen Gestalt weiter bestehen. Gerade die Ausschlagungsmöglichkeit zeigt schon die Problematik dieses Weges, wenn man bedenkt, daß der Begünstigte wohl die Rechtsstellung als lebzeitig Berechtigter immer dann vorziehen wird, wenn er nur mehr wenig oder gar nichts mehr auf Grund seiner späteren erbrechtlichen Stellung aus dem Nachlaß erwartet. 2. Vorleistungen auf das Erbrecht a) Antizipierte 'Cbergabe späterer Nachlaßgegenstände
Bei dieser Fallvariante, die - wie schon angedeutet - praktisch wenig vorkommt und daher hier nur in aller Kürze behandelt werden soll, geht es darum, daß der Erblasser einen Teil seines Vermögens seiZ Vgl. unten 111. B. 2. a. u IIr. B. 3. b. 3 Ein Beispiel stellt aber die E OGH 6. 10. 1857 GlU 441 dar; dazu unten 111. B. 2. a. 4 Vgl. insb oben 11. B. u D. 5 Bindende Erbverträge sind in Österreich bekanntlich nur zwischen Ehegatten möglich: § 1249 ABGB. 6 Zur überlebensbedingung bei antizipierter Erbfolge vgl. schon oben 11. A.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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nem zukünftigen Erben schon zu Lebzeiten übergibt. Dabei soll die Sache nicht endgültig aus seinem Vermögen ausscheiden, sondern bei seinem Tod noch oder wieder sein Eigentum sein und daher in seinen Nachlaß fallen. Die Anwendung von Erbrecht nach dem Tod des Erblassers in Bezug auf die schon vorzeitig übergebenen Sachen oder Rechte steht in Fällen dieser Art außer ZweifeL Problemlos erscheint überhaupt der Fall bei Vorhandensein nur eines einzigen Erben. Er kann die Sache, die er schon bisher auf Grund eines anderen Titels besessen hat, gemeinsam mit anderen Nachlaßgegenständen nach den Vorschriften über den Erbschaftserwerb7 erwerben. Durch die grundsätzlich mögliche Erbenverwahrung (§ 43 AußStrG) und Erbenverwaltung (§ 810 ABGB, § 145 AußStrG) der Nachlaßgegenstände schon vor Einantwortung ist eine gewisse Kontinuität auch in der Zeit zwischen Erbfall und Einantwortung möglich. Einzugehen ist aber nun auf die rechtliche Relevanz der lebzeitigen übergabe eines Vermögensteiles an einen von mehreren Erben. Gewöhnlich wird es der Parteiabsicht bei antizipierter Erbfolge nicht entsprechen, daß auch an diesen Sachen Bruchteilseigentum sämtlicher Erben je nach ihrer Erbquote entsteht, sondern es soll vielmehr gewöhnlich dem vorzeitig Begünstigten die lebzeitig übergebene Sache auch nach dem Erbfall ungeteilt, wenn auch nun auf dem Erbrecht heraus, zustehen. Die vorzeitige übergabe soll also mit anderen Worten die konkrete Nachlaßverteilung bereits beeinflussen.
Es ist keine Frage, daß die Erben einer diesbezüglichen Absicht durch entsprechende Erbteilung und schon vorher durch Einräumung eines Alleinverwaltungsrechts8 zum Durchbruch verhelfen können. Bindet die vorzeitige übergabe aber auch ohne ein solches Einverständnis die Miterben? Ein Judikaturbeispiel stellt die Entscheidung GIU 441 9 dar: Der Erblasser übergibt seinen beiden Söhnen, die auch seine gesetzlichen Erben werden, schon zu Lebzeiten Grundstücke, jedoch nur "preVgl. dazu schon oben 111. A. 2. Vgl. OGH 15.2. 1961 EvBI 1961/310; 25. 10. 1950 SZ 23/300; 25.9. 1935 RZ 1935, 234; 27.10.1931 NZ 1932, 89; 4.12.1923 SZ 5/287; der Zustimmung der übrigen Erben zur Einräumung eines Alleinverwaltungsrechtes bedarf es sogar dann, wenn jemand schon zu Lebzeiten des Erblassers ein Verwaltungsrecht gehabt hätte: OGH 3. 8. 1937 ZBI1938/56. 9 OGH 6.10.1857; vgl. auch den Sachverhalt der E 13.7.1927 SZ 9/276: Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten ihren Erben ein Untermietrecht eingeräumt und bezweckte mit der Erbeinsetzung ua, daß diese auch nach ihrem Tod in der gemeinsam benützten Wohnung verbleiben können; rechtlich gesehen betrifft die lebzeitige Leistung zwar das Untermietrecht, die letztwillige hingegen das Hauptmietrecht; praktisch geht es aber um die Benützungsmöglichkeit ein und derselben Räumlichkeiten, die zunächst lebzeitig, dann aber von Todes wegen verschafft wird. 7
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
ca rio modo", also nicht ins Eigentum. Als der Vater stirbt, bleiben die Söhne im tatsächlichen Besitz der ihnen zugewiesenen Liegenschaften. Der Nachlaß wird ihnen jedoch zur Gänze ungeteilt eingeantwortet. Der OGH spricht aus: "Der bis dahin [bis zum Tod des Erblassers] widerrufliche Besitz verwandelte sich in einen unwiderruflichen, definitiven. Die schon bei Lebzeiten des Vaters in dasselbe eingesetzten Erben erlangten sofort einen giltigen Titel für denselben". Unter diesem Titel scheint der OGH aber nicht das Erbrecht der Söhne gemeint zu haben. Der Teilungsklage einer der beiden Söhne hält nämlich der OGH entgegen, daß eine Gemeinschaft nie bestanden habe und zwar weder de facto noch de jure. Meines Erachtens ist aber in diesem Fall ein anderer Titel als das Erbrecht nicht gegeben. Der OGH hätte daher entweder doch eine Gemeinschaft zwar nur de jure annehmen müssen oder eine bereits wirksam vorgenommene Erbteilung durch übergabe unter Lebenden befürworten müssen. Eine solche Erbteilungsanordnung durch bloße übergabe unter Lebenden ist nach geltendem österreichischen Recht jedoch nicht bindend. Dem Erblasser stehen zwei Möglichkeiten einer für die Erben verpflichtenden Einflußnahme auf die konkrete Aufteilung des Nachlasses zur Verfügung: Teilungsanordnung oder Schaffung eines sogenannten Aufgriffsrechts. Die Teilungsanordnung ist grundsätzlich an die Einhaltung der Form einer letzten Willenserklärung gebunden. Sie wird häufig sogar als "Hineinvermächtnis" bezeichnet10 , wenngleich der Empfänger die Sache nicht als Vermächtnisnehmer, sondern in Anrechnung auf seinen Erbteil erhält!!. Das Aufgriffsrecht (übernahmsrecht) gibt einer Person das Recht, den ganzen Nachlaß oder bestimmte Güter (hier auch Besitznachfolgerecht genannt) gegen einen übernahmspreis zu übernehmen. Ein solches Aufgriffsrecht entsteht entweder letztwillig durch Vermächtnis, wodurch einem Dritten das Recht eingeräumt wird, eine Nachlaßsache gegen einen bestimmten Preis zu erwerben 12 oder durch Erbteilungsvorschrift in einem Erbvertrag l3 • Es kann aber auch durch lebzeitigen Vertrag ein10 Vgl. Koziol! Welser II 275; Ehrenzweig II/2, 538; Unger VI 257 FN 11; gegen den Ausdruck Weiß in Klang 2 III 496; vgl. auch OGH 21. 3.1956 EvBI 1956/167; 30.4.1952 SZ 25/112. !! Allenfalls könnte man erwägen, auf die Einhaltung einer Form im gleichen Umfang zu verzichten, wie dies unten für eine Vermächtniseinsetzung, die nicht der Form entspricht, bei lebzeitiger übergabe des Vermächtnisgegenstandes vorgeschlagen wird. Analog zu dem dort Ausgeführten müßte hier zur übergabe auch noch die - wenngleich formungültige - Teilungsanordnung des Erblassers treten; vgl. unten III. B. 3. c. 12 Sog legatum venditionis; vgl. dazu insb Weiß in Klang 2 III 496; OGH 1. 9.1954 SZ 27/215. 13 Vgl. OGH 31. 5. 1950 SZ 23/180.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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geräumt werden. Es vermittelt dann dem Berechtigten "einen Anspruch gegen die Verlassenschaft bzw. die eingeantworteten Erben ... ohne Einfluß auf das Verlassenschaftsverfahren und die Einantwortung"14. Es handelt sich dabei um einen lebzeitigen 15 Vertrag, dessen Form sich danach richtet, ob er entgeltlich, eine Schenkung oder ein Ehepakt18 ist. Es gibt auch durch besondere gesetzliche Bestimmungen, zum Beispiel im Anerbenrecht, begründete Aufgriffsrechte. Solche kommen aber hier nicht in Frage. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Übergabe einzelner Vermögensstücke allein zu Lebzeiten des Erblassers die Miterben nicht zu einer bestimmten Aufteilung des Nachlasses bindet. b) Endgültige Vbertragung zu Lebzeiten an den künftigen Erben
Wie schon mehrfach betont und wie auch die Ergebnisse des Grundlagenteils17 deutlich zeigen, werden Geschäfte der antizipierten Erbfolge in den meisten Fällen in der Weise abgeschlossen, daß die antizipiert übergebenen Vermögensbestandteile endgültig aus dem Vermögen des Erblassers zu dessen Lebzeiten ausscheiden sollen. Der Erblasser will dem Empfänger endgültig und unwiderruflich Rechte, vor allem Eigentumsrechte, übertragen. Das Gesetz scheint nun eindeutig die Erbrechtsanwendung nur auf jene Vermögensbestandteile zu ermöglichen, die zum Zeitpunkt des Todes dem Erblasser gehören (Nachlaß). Das Erbrecht bezieht sich lediglich auf die Verlassenschaft (§ 532 ABGB), die wiederum als "Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen" definiert ist (§ 531 ABGB). Auch aus den einschlägigen Bestimmungen des AußStrG ergibt sich klar, daß es für das Erbrecht auf das Eigentum bzw die Rechtszuständigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes ankommt. So werden beispielsweise in das Inventar alle beweglichen und unbeweglichen Sachen des Erblassers einbezogen, die sich zum Zeitpunkt des Todes in dessen Besitz befinden (§ 97 AußStrG) und darüberhinaus auch diejenigen Sachen, die dem Erblasser unzweifelhaft18 gehören, auch wenn sie sich im Besitz dritter Personen befinden (§ 104 Abs 2 AußStrG). Sachen, die dem Erblasser nicht gehören, sich aber in seinem Besitz befinden, werden zwar in das Inventar aufgenommen, wobei aber - ähnlich wie bei der Konkursmasse - die Eigentümer im ordentlichen Rechtsweg ihre Sachen aussondern können. OGH 21. 3. 1956 EvBI 1956/167 mwN. Sogar als Vertrag zugunsten Dritter möglich: OGH 9. 10. 1931 SZ 13/219. 1G Vgl. OGH 11. 3.1953 SZ 26/64; 19.10.1933 SZ 15/212; 24.9.1919 SZ 11/171. 17 Oben II. 18 OGH 24. 11. 1897 GlU 16.146. 14 15
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Kap. 111: Erbrecht zu Lebzeiten
Für den Regelfall antizipierter Erbfolge scheidet somit eine Unterstellung unter Erbrecht in der Weise aus, daß man das lebzeitig Zugewendete zumindest nach dem Tod des Erblassers als Objekt des späteren Erbrechts des Begünstigten versteht l9 • Diese Aussage läßt sich nun noch an den rechtlichen Wirkungen eines zum Erbrecht anrechnungspflichtigen Vorempfangs (§§ 790 ff. ABGB), auf die im folgenden eingegangen wird, erhärten. c) Bedeutung der Anrechnungspflicht zum Erbteil
Wie eingangs ausgeführt wurde, stellt die Anrechnungspflicht einer Zuwendung zum Erb- oder Pflichtteil im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ein Indiz für das Vorliegen einer antizipierten Erbfolge dar. Insoweit kann auf die obigen20 Ausführungen verwiesen werden. Hier ist lediglich auf die erbrechtliche Relevanz der auf den Erbteil21 anzurechnenden Zuwendungen einzugehen. Das Gesetz sieht bei den Nachkommen die Anrechnung der im § 788 21a ABGB genannten Zuwendungen bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge vor (§ 790 ABGB). Die Anrechnungspflicht tritt hier automatisch ein, wenn sie nicht ausdrücklich erlassen wurde (§ 792 ABGB). über diese gesetzliche Anrechnungspflicht hinaus bedarf es jeweils einer Anordnung des Erblassers, damit eine Zuwendung anzurechnen sein soll. Das gilt einmal für die nicht im § 788 ABGB genannten LeistungenU , für alle Fälle, in denen gewillkürte Erbfolge eintritt, und schließlich immer auch dann, wenn anderen Personen als Nachkommen des Erblassers, zum Beispiel dem Ehegatten23 , eine Anrechnungspflicht auferlegt werden soll. 19 So lehnt etwa auch Müller O. ZBJV 1951, 103 ff. einen stufenweisen erbrechtlichen Erwerbstatbestand ab. 20 Oben 11. A.; vgl. dazu auch unten IV. B. 3. d. 21 Zu den auf den Pflichtteil anzurechnenden lebzeitigen Zuwendungen vgl. schon oben 111. A. 4. 21a Zur Bedeutung von § 789 neu ABGB unten IV. B. 3. d. 22 Daraus ergibt sich weiter, daß die Anrechnungspflicht nicht bloß aus der Vermutung der Gleichbehandlung der Kinder erklärbar ist; sonst müßten nämlich alle lebzeitigen Zuwendungen anrechenbar sein; die Anrechnungspflicht der Kinder läßt sich daher zum Teil nur daraus erklären, daß bestimmte Zuwendungen als Vorausleistungen auf das Erbrecht anzusehen sind; erst dann führt die Idee der Gleichbehandlung - in diesem eingeschränkten Bereich - dazu, daß solche Vorausleistungen zu berücksichtigen sind. 23 So auch Welser NZ 1978, 163; Koziol/ Welser, Ergänzung 15; § 757 Abs 3 ABGB kann hier unberücksichtigt bleiben, weil diese Bestimmung nach hA nur letztwillige Zuwendungen an den Ehegatten betrifft: vgl. Weiß in Klang! 111 776; Ehrenzweig 11/2, 513; eine Analogie des Ehegatten zur Anrechnungspflicht der Kinder muß ausscheiden, weil § 790 ABGB wohl nur auf Nachkommen zugeschnitten ist: so auch Wels er NZ 1978, 162 f.; aA Weiß in Klang!
111 944 f.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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Das ABGB regelt die Vorgangsweise der Anrechnung beim Erbteil der Kinder in § 793. Danach soll jedes Kind "den nämlichen Betrag noch vor der Teilung" erhalten. Gemeint ist, daß zunächst jedes nicht lebzeitig bedachte Kind den sich aus § 794 ABGB ergebenden Wert des Vorempfangs des begünstigten Kindes erhalte, ein allfälliger Rest wird dann wieder unter allen nach den gegebenen Erbquoten verteilt. Reicht der Nachlaß nicht dazu aus, den Vorempfang auszugleichen, ist keine Erstattungspflicht gegeben, mit anderen Worten, die übrigen Kinder können nicht zur Gänze gleichgestellt werden. Mit Recht wurde erkannt, daß diese Methode in vielen Fällen ungeeignet istN • Nach der heute allgemein üblichen Berechnungsmethode werden die Vorempfänge zunächst dem Nachlaß hinzugerechnet, davon die Erbteile berechnet und beim Vorbedachten dessen Vorempfang wieder abgezogen. Die beschriebene Hinzurechnung der Vorempfänge zum Nachlaß bedeutet nicht, daß diese NachlaßbestandteiIe werden. Es handelt sich lediglich um einen fiktiven, rechnungsmäßigen Vorgang!5, der an die Stelle der vom ABGB gewählten - als ungenügend erkannten - Rechnungsmethode tritt, die ursprünglich gerade nicht die Hinzurechnung der Vorempfänge zum Nachlaß vorsah. Die Behauptung, die Hinzurechnung der Vorempfänge zum Nachlaß beweise deren Eigenschaft als Nachlaßbestandteil, stünde daher im schroffen Gegensatz zum normativen Gehalt des § 793 ABGB, der von der bloß wertmäßigen Berücksichtigung der Vorempfänge ausgeht (Idealkollation) und nicht die Einwerfung in Natur vorsieht (Realkollation). Effekt der Anrechnung ist die Verminderung oder auch der gänzliche Entfall eines Nachlaßempfangs für den Vorausbedachten, zugleich aber auch eine Werterhöhung bei den übrigen Erben im Vergleich zu dem, was ihrer Erbquote am Nachlaß entsprichtu. Die Erbquoten selbst - oder wie Ehrenzweiif7 sagt: "die rohen Erbteile" - bleiben davon unberührt28 • Die Anrechnung betrifft, wie das Gesetz im § 793 ABGB andeutet, eben nur die Erbteilung. Vorausset-
2. Vgl. z. B. Weiß in Klang
2 III 948 f.; Ehrenzweig II/2, 514 ff. 25 Vgl. SchejJknecht NZ 1955, 69; Bolla ÖJZ 1951, 289; Weiß in Klang! III 940; Ehrenzweig II/2, 513 f. insb FN 34; OGH 5.6.1950 EvBI 1950/358: "Die Vormepfänge bilden also keinen Bestandteil des Nachlasses, sondern sind lediglich bei der Aufteilung des vorhandenen Nachlasses zu berücksichtigen"; ähnlich OGH 28.11.1974 NZ 1976, 170. 20 Das Erbrecht der Witwe bleibt davon allerdings unberührt; vgl. das Rechenbeispiel bei Koziol / Welser II 273.
27
II/2, 518.
Gelegentlich kommt dies in der Literatur nur undeutlich zum Ausdruck: So sagt etwa Krasnopolski / Kafka V 305, ein vorausbedachtes Kind komme bei Bestimmung der Erbteile (!) der übrigen nicht in Betracht; Anders 81 stellt aber eindeutig klar: "Hiedurch [wird] das Verhältnis, nach welchem den Deszendenten die Erbschaft als Erben gebührt, nicht geändert." Z8
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Kap. 111: Erbrecht zu Lebzeiten
zung des Behaltens der erbrechtlichen Stellung ist natürlich, daß der vorausbedachte Erbe nicht etwa auf die Erbschaft verzichtet oder sie ausschlägt. Eine Abschwächung der bisherigen Ergebnisse, daß Vorempfänge durch Anrechnung nicht Nachlaßbestandteile werden, könnte das Zusammentreffen von Anrechnung und Erbenhaftung ergeben. Man könnte nämlich geneigt sein, bei einer Haftung auf Grund bedingter Erbserklärung, die sich ja bekanntlich nach den Erbquoten und nicht nach dem tatsächlichen Nachlaßempfang richtei;2u, eine solche bis zur Höhe von tatsächlichem Nachlaßempfang und Vorausempfang anzunehmen. Bei unbedingter Erbserklärung ist die Fragestellung natürlich müßig. Hier haftet der Erbe ohnehin mit seinem gesamten Vermögen, der Wert des Nachlasses und damit auch der Wert seiner Erbquote ist haftungsrechtlich irrelevant. Der Regreß im Innenverhältnis vollzieht sich ohne Zweifel nach den Erbquoten (§ 820 ABGBl. Bei beschränkter Haftung hingegen kann jeder Erbe von vornherein nur anteilig entsprechend seiner Erbquote und betragsbeschränkt bis zur Höhe ihres Wertes herangezogen werden30 • Es wird nun behauptet, daß auch der vorausbedachte Erbe, selbst wenn er nur wenig oder gar nichts aus der Verlassenschaft erhält, trotzdem mit seiner Erbquote den Gläubigern haftet. Dafür könnte er dann gegen die Regel des § 821 ABGB einen höheren als den seiner Erbquote entsprechenden Regreß bei den übrigen Miterben nehmen31 • Diese Auffassung beschränkt die gesamte Haftung gegenüber den Gläubigern nur dann auf den vorhandenen Nachlaßwert, wenn der Regreßanspruch des vorausbedachten Erben gegen die Miterben in den Erbquoten der übrigen noch Deckung findet, mit anderen Worten, wenn die Forderungen in den Nachlaßaktiven noch gedeckt sind. Sind sie das nicht, bleibt der vorausbedachte Erbe mit seinem Regreß an der beschränkten Haftung der übrigen Erben hängen. Der Regreßanspruch kann auch aus anderen Gründen, etwa mangels Durchsetzbarkeit, scheitern. In solchen Fällen würde der vorausbedachte Erbe also tatsächlich auch mit dem Wert seines Vorempfangs den Gläubigern haften. Dies zeigt deutlich, daß dieser Lösungsansatz verfehlt sein muß. Der Illustration des Problems möge das von Weiß32 gebrachte Beispiel dienen: Der Nachlaßwert betrage 100, gesetzliche Erben sind A, B, C und D. A sei mit 20 vorausbedacht. Führt man nun die Anrechnung 29 § 821 ABGB; zur Problemstellung siehe Weiß in Klang 2 III 941; OGH 4. 12. 1935 JBl 1936, 82. 30 Vgl. Krasnopolski / Kafka V 293. 31 Vgl. Koziol / Wels er 11 274; Gschnitzer ErbR 71; Weiß in Klang! 111 941. :Jll In Klang! III 941; Weiß nahm allerdings unbedingte, nicht bedingte Erbserklärung an.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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durch, ergibt sich nach der herrschenden Methode durch die Hinzurechnung ein fiktiver Nachlaßwert von 120, die Erbquotenwerte betragen daher jeweils 30. A erhält allerdings effektiv nur mehr 10 aus dem Nachlaß, weil ihm von seinen 30 der Vorempfang von 20 abgezogen wird. Ist nunmehr eine Forderung von 80 anteilig zu begleichen, trifft sie jeden Erben mit 20. A würde also trotz bedingter Erbserklärung zunächst über seinen effektiven Nachlaßempfang hinaus haften. Durch einen überhöhten Regreß gegen die übrigen ließe sich hier allerdings im Endeffekt die vorgeschriebene Beschränkung der Haftung auf den Nachlaßempfang bei jedem Erben herbeiführen. Problematisch wird aber diese Vorgangsweise dann, wenn etwa in unserem Beispiel die Forderung über 100 beträgt. Läßt man auch hier den vorausbedachten Erben mit seinem fiktiven Erbteilswert, also bis 30, haften, ist keine Regreßmöglichkeit mehr gegeben, der Haftungsfonds erscheint also hier trotz beschränkter Erbserklärung um den Vorempfang erweitert. Auszugehen ist davon, daß bei bedingter Erbserklärung der Nachlaßwert die objektive Grenze der Haftung der Erben bleiben muß (§§ 802, 821 ABGB). Das Prinzip des § 793 ABGB läßt sich durch Konstruktion einer Außenhaftung mit späterem Regreß nach innen aber nicht immer aufrecht erhalten. Nach der richtigen Methode EhrenzweigsSS ist, soweit Passiven den Aktiven gegenüberstehen, eine Anrechnung überhaupt nicht möglich. Es müssen daher nach obigem Beispiel 80 des Nachlasses zunächst an jeden Erben zur Schuldentilgung verteilt werden. Der Rest von 20 wird dann erst unter Berücksichtigung des Vorausempfangs des A verteilt, wobei allerdings A nichts erstatten muß. Im Endeffekt erhält daher A nichts, die übrigen teilen sich den Nach:laßrest von 20. Diese Methode verhindert einerseits ein für den Vorausbedachten oft gefährliches Auseinanderklaffen von Außen- und Innenhaftung. Sie beschränkt anderseits auch mit Sicherheit die Haftung auf den tatsächlichen Nachlaßwert. Ist der Nachlaß überschuldet, scheidet eine Anrechnung überhaupt aus. Die Anrechnung zum Erbrecht führt daher auch bei Zusammentreffen mit der Erbenhaftung zu keiner Vergrößerung der Haftungsgrundlage der Gläubiger, soweit sich diese auf Grund beschränkter Erbenhaftung am Nachlaßwert zu orientieren hat. Die Anrechnung wirkt daher tatsächlich nur zwischen den Miterben und bleibt für die Erbenhaftung ohne jede WirkungH.
33 34
II/2, 518. So im Ergebnis auch Koziol / Welser II 273.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
d) Exkurse
aa) Art 534 ZGB
Ein kurzer Ausblick zu Art 534 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs~5 soll die Erörterung über Vorleistungen auf ein künftiges Erbrecht erweitern. Die Bestimmung regelt den Fall, daß der Erblasser sein Vermögen ganz oder teilweise noch bei Lebzeiten auf den Vertragserben überträgt. Die Schweizerische Lehre sieht in Art 534 ZGB einen Fall antizipierter Erbfolge im rechtlich-technischen Sinn341, die über die Wirkungen eines ausgleichungspflichtigen Vorempfangs hinausgeht37• Es werde zwar nicht der Erbfall und damit eine Universalsukzession zu Lebzeiten antizipier~8, der Vertragserbe erhalte aber die Zuwendung als künftiger Erbanwärter. Das Bestehen der Zuwendung sei vom Eintreffen des späteren Erbrechts abhängig, der Empfänger werde restitutionspflichtig, wenn er durch Enterbung oder Erbunwürdigkeit als Erbe ausscheide. Hagemann 39 , der sich am ausführlichsten mit der Problematik des Art 534 ZGB befaßt hat, stützt die wiedergegebene Auffassung mit der von Art 534 Abs 1 ZGB40 vorgesehenen Möglichkeit der Errichtung eines öffentlichen Inventars nach Art 580 ff ZGB41 rechtsdogmatisch ab: Es diene genauso wie bei der erbrechtlichen Universalsukzession dazu, den übernehmer beim übergang der Passiven zu schützen und biete ihm ebenso die Möglichkeit, nach Inventarrichtung endgültig über Annahme und Ausschlagung zu entscheiden. Diese Annahme des lebzeitigen Erwerbs im Anschluß an die Inventarerrichtung erkläre auch, warum eine Ausschlagung des späteren Erbrechts durch den Vertragserben bezüg35 Text des Art 534 ZG B Abs 1: "überträgt der Erblasser sein Vermögen bei Lebzeiten auf den Vertragserben, so kann dieser ein öffentliches Inventar aufnehmen lassen [581 ff.]"; Abs 2: "Hat der Erblasser nicht alles Vermögen übertragen oder nach der übertragung Vermögen erworben, so bezieht sich der Vertrag unter Vorbehalt einer andern Anordnung nur auf das übertragene Vermögen"; Abs 3: "Soweit die übergabe bei Lebzeiten stattgefunden hat, gehen Rechte und Pflichten aus dem Vertrag unter Vorbehalt einer anderen Anordnung auf die Erben des eingesetzten Erben über." 36 Zur Auseinandersetzung mit dem Begriff "antizipierte Erbfolge" vgl oben II.A. 37 Vgl. Hagemann, Ausrichtung; derselbe ZSR 1947, 199 ff.; Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 534; Tuor in Komm z ZGB (Bern) Art 534; Speckert, Unterschied. 38 Zu dieser Fragestellung oben 111. A. 1. u 2. 39 ZSR 1947, 213 ff.; siehe auch die Angaben oben FN 37. 40 Zum Text des Art 534 vgl oben FN 35. 41 Das öffentliche Inventar des ZGB hat zwar nicht wie die bedingte Erbserklärung nach § 802 ABGB eine Beschränkung der Erbenhaftung auf das Nachlaßvermögen zur Folge, erleichtert aber die Erbenhaftung insofern, als der Erbe für schuldhaft nicht angemeldete Forderungen nicht mehr haftet: Art 590 ZGB.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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lich des schon Empfangenen nicht restitutionspflichtig mache, was ja an sich Hagemanns Auffassung der Zuwendung als antizipierte Erbfolge4! widersprechen würde. Die Annahme der Erbschaft sei eben gleichfalls - allerdings nur in bezug auf den lebzeitigen Empfang - antizipiert. Eine nochmalige Ausschlagungsmöglicheit sei daher nicht gegeben. Die rechtsdogmatische Erfassung des in Art 534 ZGB geregelten Rechtsinstituts bereitet jedoch Schwierigkeiten. Einerseits ähnelt die lebzeitige Ausrichtung eines Erbvertrags einer endgültigen vorzeitigen übergabe im oben beschriebenen Sinn43 , andererseits werden schon zu Lebzeiten des Erblassers erb rechtliche Wirkungen behauptet44 : Die lebzeitige Rechtsstellung des Empfängers wird zwar mit der gleichzeitig neben dem Erbvertrag vorliegenden Vermögensübernahme nach Art 181 OR45 erklärt, doch meint Hagemann4e , daß die causa der übertragung hier nicht wie sonst bei Art 181 OR in einem obligatorischen Rechtsverhältnis, sondern im Erbrecht liege. Daß die Rechtsstellung des Empfängers wenigstens zum Teil nur erbrechtlich erklärbar ist, zeigt aber auch ein Blick auf dessen haftungsrechtliche Stellung: Sie richtet sich vornehmlich nach der Art der Erklärung im Anschluß an die Errichtung des Inventars. Dadurch kommt es zu einer im Verhältnis zu Art 181 OR modifizierten Haftung. Dabei bleibt es, wenn der Erwerber nicht auch sonst Erbe wird. Ansonsten mündet diese Haftung in die allgemeine Haftungslage eines Erben ein. Ob man nach alledem den Empfänger einer lebzeitigen Ausrichtung eines Erbvertrages als Erben bezeichnet, mag dahingestellt sein 47 • Eine übertragung des im Art 534 ZGB geregelten Instituts der vorzeitigen Ausrichtung eines Erbvertrags scheidet jedenfalls mangels entsprechender gesetzlicher Grundlagen für Österreich aus. Zudem hält auch die schweizerische Lehre selbst dieses Institut für einen anachronistischen und erratischen Block des geltenden Erbrechts48 , weil das Prinzip der Erbfolge nach Quoten durchbrochen sei. Es hat auch praktisch nur geringe Bedeutung4D • Zu Hagemanns Begriff der antizipierten Erbfolge schon oben H. A. HI. B. 2. b. u C. 44 Zu dieser Sicht vgl. oben IH. A. 1. 45 Entspricht in etwa § 1409 ABGB; vgl. Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 534 Anm 1; Tuor in Komm z ZGB (Bern) 534 Anm 1. 4e ZSR 1947, 220. 47 So jedenfalls Hagemann ZSR 1947, 223, wenn er von Spezialerbfolge in einen speziellen Vermögenskomplex spricht; Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 534 Anm 5 will dieser Auffassung entsprechend Art 522 ZGB und nicht Art 527 ZGB, also die Vorschriften über den letztwilligen Erwerb, bezüglich der Herabsetzungsklage anwenden. 48 Hagemann ZSR 1947, 224; vgl. auch Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 534 Anm 4. 4D Hagemann, Ausrichtung 4, 94. n
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6 Eccher
Kap. 111: Erbrecht zu Lebzeiten
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bb) Die elterliche Vorausteilung des französischen Code civWo Nur kurz hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf das interessante Rechtsinstitut der elterlichen Vorausteilung durch Akte unter Lebenden (donations-partages). Dieses komplexe und in seiner Rechtsnatur durchaus nicht einheitlich beurteilte Institut51 beinhaltet einerseits Schenkungen unter Lebenden zwischen Eltern und Kindern, anderseits erzeugt die Vorausteilung auch schon zu Lebzeiten der Eltern endgültig die Wirkung einer Erbteilung zwischen den Kindern. Insofern stellt die elterliche Vorausteilung für den Erblasser eine Möglichkeit "der vorzeitigen Regelung eines Teiles seines künftigen Nachlasses"62 dar. Wie Heuschmid 53 ausführt, verleihen die donations-partages mittelbar - das heißt wohl im Falle der Annahme der Erbschaft - Erbenqualität, wobei die lebzeitige Schenkung dann eine Abfindung auf diesen Erbteil darstelW 4 •
3. Vorausleistungen auf den Vermächtnisansprucb a) Allgemein
Gleich vorweg zugegeben sei, daß die Fälle sicherlich selten sind, in denen ein Erblasser letzwillig55 jemandem ein Vermächtnis aussetzt und zusätzlich dieselbe Sache dem Begünstigten schon zu Lebzeiten übergibt, sei es, daß der Begünstigte endgültig die Sache zu Lebzeiten erhält58, sei es, daß der Begünstigte die ihm letztwillig zugedachte Sache befristet bis zum Tod des Erblassers aus anderem Titel besitzen solp7. Antizipierte Erbfolgegeschäfte haben gewöhnlich im späteren Erbrecht oder Pflichtteilsanspruch ihren Grund. Lebzeitige Zuwendungen, die deshalb erfolgen, weil der Bedachte später ohnehin Vermächtnisnehmer sein werde, sind dagegen nicht so häufig58• Der Erblasser wird hier entweder lebzeitig oder letztwillig verfügen, aber nicht zweimal rechtsgeschäftlich tätig werden. Ein Eingehen auf diese Frage rechtfertigt sich aber einmal dadurch, daß besonders hier eine Reihe ungeklärter und strittiger Fragen etwa jene nach der Heilung mangelnder Vermächtnisform bei vorzeiti50 51 52 53 U
55 5&
57 58
Art 1075 ff. CC; L. n. 71-523 3.7.1971. Vgl. Esmein 435 ff. insb 437 f. FN 2. Heuschmid 49. 49 f. Vgl. auch Ferid, Französisches Zivilrecht 11 1458.
Gesetzliche Vermächtnisse können hier vernachlässigt werden. Unten 111. B. 3. d. Unten 111. B. 3. b. Dazu schon oben 11. A.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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ger übergabe des VermächtnisgegenstandesSD - auftaucht. Des weiteren wird das Vermächtnisrecht in der Folge eine über die vorzeitige Erfüllung von Vermächtnissen weit hinausgehende Bedeutung erlangen60 • Zuwendungen der antizipierten Erbfolge spielen sich ja immer in der Form von Singularsukzessionen ab. Dadurch ergeben sich auch dort Parallelen zum Vermächtnisrecht, wo eine Zuwendung an einen künftigen Erben oder Pfiichtteilsberechtigten erfolgt. b) Antizipierte 'Vbergabe späterer Vermächtnisgegenstände
Es ist denkbar, daß der Erblasser dem formgültig eingesetzten Vermächtnisnehmer an der diesem zugedachten Sache schon zu Lebzeiten ein Recht einräumt, wobei allerdings die Sache sich beim Tod des Erblassers noch oder wieder im Nachlaß befindet61 • Dann schließt sich der Vermächtniserwerb an die lebzeitige Begünstigung an. Der Begünstigte wird Vermächtnisnehmer des Erblassers. Als Besonderheit dieser Konstellation ist lediglich festzuhalten, daß die schon vollzogene übergabe des Vermächtnisgegenstands zusammen mit dem Hinzutreten des Vermächtnisanspruchs62 den Rechtsübergang bewirkt, ohne daß es weiterer Erfüllungshandlungen seitens des Erben oder des sonst mit dem Vermächtnis Beschwerten (§ 649 ABGB) bedarf. Soweit Eigentum zu übertragen ist, ist die Einigung über den Eigentumsübergang83 schon anläßlich der leb zeitigen übergabe vorweggenommen. EhrenzweigU ist daher Recht zu geben, daß der Erbe nicht eine Sache zurückfordern kann, "die er sofort (§ 685 ABGB) dem Bedachten wieder übergeben müßte". Denn diesem stünde eine Exzeption aus dem Vermächtnis zu8S • Der OGH hatte sich mehrmals mit dieser Frage im Zusammenhang mit der Vermachung eines Bestandrechts des Hauptmieters zugunsten dessen Untermieters oder zugunsten solcher Personen, denen das Bestandrecht bereits lebzeitig abgetreten wurde86, auseinanderzusetzen. übereinstimmend mit der hier vertretenen Auffassung stellt der OGH jeweils fest, daß der Erbe keine Erfüllungshandlungen mehr vornehDazu unten Hr. B. 3. c. Vgl. dazu insb unten IV. B. 4. u IV. F. 61 Vgl. ähnlich zum Erbrecht schon oben IH. B. 2. a. 12 Dazu oben IH. A. 3. as Dazu oben IH. A. FN 39. 84 FS ABGB H 675. 8S PfaD / Hofmann, Commentar H 44; vgl. auch OGH 4.4. 1962 EvBl 1962/ 58
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285.
88 Vgl. 28.8.1969 JBl 1972, 95 mwN; 11.10.1966 JBl 1968, 424; 12.5.1927 NZ 1927, 107; 24.8.1925 SZ 7/259.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
men muß, wenn der Vermächtnisnehmer bereits im Besitz der vermachten Sache isf!7. Dieses Ergebnis wird von den entsprechenden Bestimmungen des AußStrG getragen. So erstrecken sich etwa Sicherungsmaßnahmen für den Nachlaß durch das Abhandlungsgericht (§§ 43 H.) nur auf solche Sachen, die sich im Besitz des Erblassers befunden haben und nicht im Besitz anderer Personen - zum Beispiel bereits des Vermächtnisnehmers - standen6B • Ebenso erstreckt sich eine vorläufige Nachlaßverwaltung durch die Erben (§§ 43, 145 AußStrG) nicht auf Sachen, die dem Vermächtnisnehmer bereits ausgefolgt sind. Dies gilt ja unbestritten, wenn der Erbe selbst ein Vermächtnis erfüllt hat, muß daher auch für die Fälle vorzeitiger Erfüllung durch den Erblasser gelten. Die Rechtsprechung, die nunmehr auf dem Standpunkt steht, daß die vorläufige Nachlaßverwaltung nur dem Erben, aber nicht einem Vermächtnisnehmer zusteht69 , spricht nicht dagegen. Sie besagt nur, daß die noch nicht erfüllten Vermächtnisse niemals vom Vermächtnisnehmer selbst vorläufig verwaltet werden dürfen. An den vom Erblasser lebzeitig übergebenen Vermächtnissen besteht aber niemals ein Verwaltungsrecht des Erben. Gegen die hier vertretene Auffassung könnte noch sprechen, daß nicht der Erblasser, sondern nur der Erbe nach dem Gesetz berufen sei, ein Vermächtnis zu erfüllen. Diese Auffassung würde aber verkennen, daß das Legat letztlich eine Zuwendung des Erblassers an den Bedachten darstellt, wobei der Umweg über den Erben nur deshalb notwendig ist, weil in der Regel das Vermächtnis erst nach dem Tod erfüllt wird und der Erblasser selbst dazu nicht mehr imstande ist. Der Erblasser kann 67 Nach der berechtigten Kritik Wilhelms JBl 1972, 79 f. FN 7 u 84 und Reindls JBl 1968, 425 f. ist beim Vermächtnis des Bestandrechts die physische
übergabe des Bestandobjekts nicht der geeignete Modus zu Lebzeiten des Erblassers, dazu ist vielmehr ein übernahmsvertrag hinsichtlich des Bestandverhältnisses nötig. Dieser kann aber - wie der OGH in E 28. 8. 1969 JBl 1972, 95 übereinstimmend mit Wilhelm JBl 1972, 84 ausführt - auch konkludent in der übergabe des Bestandobjekts liegen. - Hier ist nicht der ort, auf die weitere Frage der Notwendigkeit der Zustimmung des Bestandgebers zur übernahme der Bestandnehmerstellung im Gegensatz zur bloßen Abtretung der Bestandrechte einzugehen: Vgl. hiezu Wilhelm JBl 1972, 79 ff.; allgemein Mayrhofer ÖJZ 1973, 146 ff. (147 ff.). 6B Vgl. LGZ Wien 22.4.1964 RPflSlgA 1965/4417; BG Innere Stadt Wien 13. 11. 1953 RPflSlgA 1954/1428; OGH 4. 10. 1927 NZ 1927, 158. 69 Vgl. OGH 1. 12. 1936 NZ 1937, 29; 28.1.1936 NZ 1936, 109; 20.1.1914 GlUNF 6765; 15.1.1895 GlU 15370; anders z. B. 10.11. 1857 GlU 464 (Vermachung eines Fruchtgenusses am gesamten Vermögen); 7.3.1882 GlU 8912 (Vermächtnisse, die den gesamten Nachlaß aufzehrten); 26.11. 1878 GlU 7225 (Vermachung einer Grundwirtschaft); nach der ausdrücklichen Ablehnung dieser Rechtsprechung in E 28. 1. 1936 NZ 1936, 109 stützte der OGH verwandte Sachverhalte nicht mehr auf ein Verwaltungsrecht des Vermächtnisnehmers, sondern etwa auf das "Verlassenschaftsprovisorium" (vgl. oben Ir. C. 6. b. aa.): 27. 4. 1955 EvBl 1955/335.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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aber - von der Regel abweichend - einen einzelnen Miterben oder auch einen Legatar mit der Erfüllung des Vermächtnisses beschweren (§ 649 ABGB). Daraus erhellt, daß es dem Erblasser auch freistehen muß, selbst Vermächtnisse zu erfüllen. übrigens muß der Erbe Verfügungen des Erblassers zu Lebzeiten gegen sich gelten lassen, auch wenn dadurch die Grundlage seines Erbes überhaupt entzogen wird. Er muß daher um so mehr Erfüllungshandlungen gegen sich gelten lassen, die er auch selbst vornehmen müßte. Dem Erben entsteht durch die vorzeitige Erfüllung kein Schaden. Würde nämlich das Vermächtnis einen Abzug erleiden (§ 692 ABGB) , hilft § 693 ABGB, der ausdrücklich bestimmt, daß bei schon vollständig erfüllten Vermächtnissen trotzdem ein Abzug in Form eines entsprechenden Beitrags oder durch Rückstellung des Legats oder dessen Wertes möglich ist. Der Gesetzgeber dachte bei der Redaktion des § 693 ABGB zwar kaum an den Fall, daß der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis bereits zu Lebzeiten des Erblassers empfangen hat, sondern hatte nur eine Erfüllung durch den Erben vor Augen70 • Trotzdem läßt sich der hier ausgesprochene Grundsatz durchaus auch auf die lebzeitige Erfüllung anwenden. Als weiterer möglicher Einwand sei noch darauf eingegangen, ob mit der hier vertretenen Auffassung ein in Österreich unzulässiges Vindikationslegat vertreten wird 71 • Es ist zuzugeben, daß in der Wirkung der Vorgang einem Vindikationslegat entspricht. Der Vermächtnisnehmer wird ja sofort mit dem Tod des Erblassers Eigentümer oder sonst Berechtigter. Trotzdem ist gedanklich der vom ABGB vorgezeichnete Weg eines obligatorischen Anspruchs des Vermächtnisnehmers gegen den mit dem Vermächtnis Beschwerten beibehalten. Dieser Anspruch erlischt aber sofort, genauso, als ob der Erbe sofort das Vermächtnis erfüllt hätte. Im Prinzip liegt hier aber nur eine ähnliche Erscheinung wie bei einer Handschenkung oder einem Handkauf vor, wo die Auffassung des Rechtserwerbs durch Titel und Modus nur mehr gedanklich und konstruktionsmäßig, nicht aber äußerlich feststellbar ist. Schließlich sind noch einige Bemerkungen zum Vermächtnis des Eigentum an Liegenschaften und anderer bücherlicher Rechte nötig. Es geht um die Frage einer vorgezogenen Eintragungsmöglichkeit des späteren Eigentums aus dem Vermächtnis72 • Da zu Lebzeiten des Erblassers weder ein sofortiger noch unwiderruflicher Eigentumsübergang gewollt ist, scheidet eine Einverleibung als unbedingte Rechtserwerbung (§ 8 Z 1 70 Vgl. Pfaff / Hofmann, Commentar II 532: "Hat er [gemeint ist unzweifelhaft der Erbe] aber Legate entrichtet ... ". 71 Vgl. schon oben III. A. 3. 72 Davon ist aber die Eintragung eines sog "Gutsübernahmsrechts" zu unterscheiden; vgl. auch Stöckl ÖJZ 1950, 296 ff.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
GBG) aus. Auch eine Vormerkung des Eigentumsrechts kommt nicht in Betracht73 • Es wäre zwar denkbar, daß man als Rechtfertigung der Vormerkung in diesem Fall die Aufrechterhaltung des Vermächtnisses ansieht. Auch die in § 49 Abs 1 GBG gewährte Verfügungsfreiheit des noch einverleibten Eigentümers (Erblasser) käme zwar der Interessenlage entgegen. Die Bestimmung des § 49 Abs 2 GBG, wonach bei Rechtfertigung zugleich alle Eintragungen von Amts wegen zu löschen sind, die gegen den einverleibten Eigentümer nach dem Einlangen der Vormerkung bewirkt werden, spricht aber gegen die Anwendbarkeit einer Vormerkung in unseren Fällen. Denn der Erblasser könnte nur mehr das Vermächtnis entziehen, nicht aber andere Verfügungen über die Liegenschaft treffen, weil diese im Fall der Rechtfertigung erlöschen würden. Dies widerspricht aber der dem Erblasser gewährten vollen Verfügungsfreiheit zu Lebzeiten. Liegenschaften und grundbücherliche Rechte können daher lediglich außerbücherlich übergeben werden. Der Vermächtnisnehmer wird beim Tod des Erblassers nicht automatisch, sondern erst nach Einverleibung Eigentümer oder Berechtigter. Der beschwerte Erbe braucht aber auch hier keine Erfüllungshandlung setzen: Die Einverleibung geschieht auf Grund einer Amtsbestätigung des Abhandlungsgerichts (§ 178 AußStrG74). c) Beilung mangelnder Vermächtnisform durch vorzeitige Erfüllung
Formale Vermächtniseinsetzung mit gleichzeitiger lebzeitiger übergabe des Vermächtnisgegenstandes ist - wie erwähnt - eher selten. Mehr praktische Bedeutung kommt jenen Fällen zu, in denen der Erblasser den lebzeitig Begünstigten als zukünftigen Vermächtnisnehmer ansieht, eine formelle Vermächtniseinsetzung neben der leb zeitigen übergabe des Vermächtnisgegenstandes aber unterbleibt. Hier stellt sich die Frage einer allfälligen Aufrechterhaltung der letztwilligen Verfügung trotz des Formmangels. Nochmals sei betont, daß es hier nicht um eine endgültige lebzeitige Verfügung, sondern nach wie vor um die 73 Vgl. § 8 Z 2 GBG: Vormerkungen sind Eintragungen, "die nur unter der Bedingung ihrer nachfolgenden Rechtfertigung die Erwerbung, übertragung, Beschränkung oder Erlöschung bücherlicher Rechte bewirken". 14 IVm § 23 GBG; vgl. Angerbauer NZ 1954, 109; der Erbe muß allerdings nach h Rspr vor der Einverleibung gehört werden; strittig ist die Rechtsprechung in der Frage, ob der Erbe einverstanden sein muß und in welchem Fall der Vermächtnisnehmer auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen wird: In E 4.7.1952 SZ 25/193 sprach der OGH aus, daß eine Verweisung auf den Rechtsweg nur möglich sei, "wenn der Erbe ernstlich die Gefahr der Unzulänglichkeit des Nachlasses behaupten, wenn auch nicht gerade ... bescheinigen kann"; ähnlich 18.4.1956 JBl 1957, 18 (Steinwenter); eine Zustimmung des Erben fordern aber etwa die E 21. 12. 1965 EvBl 1966/226; 26.4. 1960 JBl 1960, 642; 21. 3.1956 RZ 1956, 124; 19.11.1936 NZ 1937, 63; in 17.4.1934 SZ 16/185 läßt der OGH die Ausstellung einer Amtsbestätigung von der Erfüllung der Pflichtteile von Minderjährigen abhängen.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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übergabe einer Sache als späteres Vermächtnis geht. Insbesondere muß die Zuwendung durch den Erblasser widerrufbar sein. Ob hierher die Fälle der sogenannten "übergabe auf den Todesfall" gehören, hängt von der Lösung der Tatfrage ab, ob man Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit annimmt75 • Ausgangspunkt muß § 601 ABGB bleiben, wonach die Nichteinhaltung der "vorgeschriebenen, und nicht ausdrücklich der bloßen Vorsicht überlassenen Erfordernisse" die letzte Willenserklärung ungültig macht. Die eindeutige Formulierung des Gesetzes läßt keine Zweifel offen, daß die Einhaltung der Formvorschrift Gültigkeitserfordernis ist76 • Daran vermag etwa die Vorschrift des § 722 ABGB nichts zu rütteln, wonach der letzte Wille aufrecht bleibt, wenn der Begünstigte beweisen kann, daß die Verletzung oder der Verlust der Urkunde nur zufällig geschehen seien, und auch den Inhalt der Verfügung nachweist. Die Bestimmung bedeutet keine Ausnahme vom Formzwang, sondern setzt gerade eine einmal vorhandene formgerechte Erklärung voraus, wenn auch sachlich wenig Unterschied zu dem Fall zu finden ist, in dem jemand den Beweis eines von vornherein formmangelhaften letzten Willens führt 77 • Interessanterweise weist auch die Rechtsprechung zu § 722 ABGB demjenigen, der sich auf die zufällige Verletzung oder den Verlust des Testaments beruft, die Klägerrolle im Erbrechtsstreit gegenüber dem gesetzlichen Erben ZU 78 • Diese Judikatur entspricht damit jenen Vorschlägen, die de lege ferenda diejenigen, die nur eine formungültige letztwillige Verfügung vorweisen können und daher den Inhalt des letzten Willens anderweitig beweisen müssen, ebenfalls als die den gesetzlichen Erben gegenüber schwächer Titulierten ansehen79 , sie aber nicht von vornherein vom Erbrecht ausschließen wollen. Auch das Gebot der Testamentsauslegung nach dem mutmaßlichen Erblasserwillen findet seine Grenze in der Einhaltung der Form. "An der kategorischen Bestimmung des § 601 findet jede Auslegung eine unübersteigliche Schranke80 • " 75 Regelmäßig für Widerruflichkeit: Ehrenzweig FS ABGB II 671 ff.; umgekehrt Apathy JBI 1976, 404; wohl auch Neumann-Ettenreich FS ABGB I 577: in solchen Fällen wäre die vorzeitige Erfüllung einer Schenkung auf den Todesfall nach § 956 S 2 ABGB anzunehmen. 76 Vgl. Gschnitzer, ErbR 26; Weiß in Klang! III 349 ff. mwN; Krasnopolski / Kafka V 55f.; Pfaff / Hoffmann, Commentar II 133 ff., 207 FN 2 und 3. 77 Vgl. Gschnitzer FS Castan I 183 ff. 78 Vgl. OGH 9.3.1967 RZ 1967, 105; 30.10.1957 EvBl 1958/18; 20.12.1950 SZ 23/389; LGZ Wien 12.3.1948 EvBI 1948/405. 79 Vgl. Gschnitzer FS Castan I insb 198 f.; Fenzl öJZ 1947, 307; Steinwenter ZBI 1937, 1 ff. (21). 80 Weiß in Klang';! III 221; vgl. auch OGH 11. 1.1968 SZ 41/4.
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Kap. lII: Erbrecht zu Lebzeiten
Ebenso bedeutet die sogenannte Konversion, also die Möglichkeit der Umdeutung der beabsichtigten, aber formungültigen in eine formgerechte Erklärung, die ursprünglich nicht beabsichtigt war, sofern die Aufrechterhaltung der Verfügung dem mutmaßlichen Willen des Erblassers mehr entspricht als ihre Entkräftung, kein Abgehen vom Formgebot des § 601 ABGB. Es muß nämlich auf jeden Fall eine der in den §§ 577 ff. ABGB aufgestellten Formmöglichkeiten vorliegen 81 • Immer wieder wird versucht, die Sanktionen der Verletzung der erbrechtlichen Formvorschriften von der Erreichung der mit der Formpflicht verbundenen Zwecke abhängig zu machen. Schilcher 8! vertrat etwa jüngst die Auffassung, daß ein Formverstoß ohne Folgen bleiben müsse, wenn auch bei mangelhafter Form die von ihm genannten Zwecke der erbrechtlichen Formvorschriften - Beweissicherung, Warnfunktion, Schutz der Familie - realisiert sind. Es mag durchaus zutreffen, daß die Formstrenge des Erbrechts nicht nur Vorteile bringt und daß daher de lege ferenda eine gewisse Auflockerung der rigorosen Vorschrift des § 601 ABGB diskutierbar ist 83 • Dies kann aber keinesfalls zu einer dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechenden Auslegung führen 84 • Vollkommen verschieden von der Frage des Charakters der erbrechtlichen Formvorschriften ist die Möglichkeit der Reilung 8S durch Erfül81 Vgl. Koziol / WeIser II 250; Gschnitzer, ErbR 25 f.; OGH 25.6.1927 SZ 9/152. 82 JBI 1977, 69 f.; vgl. weiter Cholewa NZ 1950, 13; die Angaben bei Weiß in Klangt III 350 FN 1; die Aussage Ehrenzweigs lI/2, 426 mwN FN 11, wonach Formvorschriften "nach dem Zweck und nicht bloß nach dem Buchstaben auszulegen" seien, gehört in den Bereich der Auslegung letztwilliger Erklärungen (oben FN 80). 83 Vgl. Gschnitzer, ErbR 24; derselbe in Klang 2 IV/I, 246; derselbe FS Castan I 183 ff.; Fenzl ÖJZ 1947, 304 ff.; Steinwenter ZBl 1937, 1 ff.; aA Apathy JBl 1976, 401 f. u FN 64. 84 Das Zitat Schilchers JBI 1977, 69 FN 82 auf Gschnitzer in Klang! IV/I, 247 in diesem Zusammenhang könnte zu falschen Schlüssen verleiten: Gschnitzer steht nämlich ganz eindeutig auf dem Standpunkt, daß ein Formverstoß die Ungültigkeit des Geschäfts nach sich zieht, wo dies ausdrücklich angeordnet ist; vgl. etwa in Klang! IV/I, 254. Im übrigen sind die von Schilcher angeführten Parallelen nicht besonders tragfähig: Was den Auftrag auf den Todesfall betrifft, sei hiezu auf die gründliche Darstellung Apathys, JBI 1976, 393 fl'. verwiesen. Was das Erfordernis der Schenkungsform bei sogenannten Pflichtschenkungen angeht, so wird hier zumindesten teilweise - und wohl von Schilcher selbst - damit argumentiert, daß es sich eigentlich um keine Schenkung handelt: dann entfällt der Notariatszwang aus diesem Grund und nicht wegen der Erreichung des Formzwecks: vgl. dazu genauer unten IV. E. und auch V. D. 85 Nach herrschender Auffassung in Judikatur und Literatur bewirkt § 1432 eine Konvaleszenz des form ungültigen Geschäfts in dem Sinn, daß das geplante Geschäft so besteht, als ob ein Formmangel nicht gegeben gewesen wäre; vgl. Koziol / Welser I 126; Gschnitzer, AllgT 157; derselbe in Klang 2 IV/I, 255 f.; Ehrenzweig lI/I, 150; zur Judikatur vgl. OGH 23.11.1972 SZ 45/
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
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lung des form ungültigen Geschäfts nach § 1432 ABGB. § 1432 ABGB geht ja gerade von der Ungültigkeit aus. Der Kondiktionsausschuß nach § 1432 ABGB ist nach herrschender Auffassung ohne Zweifel auch auf die Erfüllung formungültiger letztwilliger Verfügungen anwendbar. Gewöhnlich wird der Fall der Erfüllung eines formungültigen Vermächtnisses geradezu als Paradebeispiel des § 1432 ABGB genann~6. Vermächtnisrecht ist daher anzuwenden, wenn die Erben eine nicht formgerechte erklärte Verfügung des Erblassers erfüllen. Das gilt analog selbst für Pisko 87 , der dem § 1432 ABGB keine heilende Kraft zu127; 30.4.1969 SZ 42/67; 26.3.1964 SZ 37/43; 11.12.1963 EvBI 1964/219; 12.1. 1955 EvBl 1955/168; aA insb Pisko JBI 1934, 511 ff. (515 f.), der auch in dieser Frage dem § 1432 ABGB nur die Wirkung eines Kondiktionsausschlusses, nicht aber einer Heilung zubilligt; ihm folgend wohl Apathy JBI 1976, 408 f. Pisko gibt jedoch selbst zu, daß in manchen Fällen die Erfüllung eines form-
ungültigen Geschäfts dieselben Rechtsfolgen nach sich ziehen kann, wie die Erfüllung eines gültigen Rechtsgeschäfts, wenn die Gründe für die Rechtsfolgen, die das Gesetz bei Erfüllung eines gültigen Rechtsgeschäfts statuiert, in gleicher Weise für die Erfüllung eines formungültigen Geschäftes gelten. Dadurch komme es zur analogen Anwendung "einzelner an den Tatbestand der Erfüllung gültiger Geschäfte anknüpfender Vorschriften" (517). Diese Analogie führe zu "Scheinausnahmen" des von Pisko vertretenen Grundsatzes etwa bei der Erfüllung einer formungültigen Schenkungsversprechens. Denn ein solcher Empfänger sollte nicht besser gestellt sein, als der Empfänger eines gültig geschenkten Gegenstandes (z. B. hinsichtlich der Auflagen und der Widerrufsmöglichkeiten). Ebenso könne der Bürge, der trotz formungültiger Bürgschaftserklärung zahlt, die Rechte des § 1358 ABGB in Anspruch nehmen; Piskos Auffassung, die äußerst diffizil ist, ist mE aus dem Gesetz nicht zwingend abzuleiten: Daß § 1432 ABGB nur die Rückforderung ausschließt, muß nicht bedeuten, daß andere Folgen der ursprünglichen Ungültigkeit bleiben. Es ist vielmehr auch vertretbar, daß nur die Hauptfolge der Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts - nämlich die Kondizierbarkeit - ausdrücklich ausgeschlossen und damit die Ungültigkeit überhaupt beseitigt ist. 88 So schon Zeiller IV 160; vgl. weiter Gschnitzer, AllgT 210: er erwähnt im Zusammenhang mit § 1432 ABGB ausdrücklich den § 601 ABGB; Ehrenzweig FS ABGB II 674; derselbe II/l, 7: "praktisch bedeutsam ist aber die Anwendung des § 1432 vor allem ... für das formlose Vermächtnis"; widersprüchlich Weiß in Klang 2 III: Für die Anwendbarkeit tritt er S 353 und 493 ein; aA ist er in Klang 2 V 700: Hier lehnt Weiß die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB auf das Erbrecht ua mit der Stellung dieser Bestimmung im Gesetz ab: gerade die Einordnung des § 1432 in den III. Teil des ABGB "Von den gemeinschaftlichen Bestimmungen der Personen- und Sachenrechte", zu denen nach der Konzeption des ABGB unzweifelhaft auch das Erbrecht gehört (§ 308 ABGB), deutet aber mE gerade auf das Gegenteil hin. Die Ablehnung der Anwendbarkeit des § 1432 ABGB auf formungültige letztwillige Verfügungen bei Apathy, JBI 1976, 407 ff., richtet sich in erster Linie gegen eine Erfüllungshandlung durch den Beauftragten des Erblassers und diesen selbst. Darauf ist unten im Text einzugehen. Was eine Erfüllungshandlung des Erben selbst betrifft, so tritt Apathy selbst für die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB ein. Die Erfüllung eines formlosen Vermächtnisses durch den Erben sei - unter Berufung auf Zeiller IV 160 - ein Beispiel einer billigenswerten Erfüllung (409). Ebenso ist eine Rückforderung nach Apathy ausgeschlossen, wenn der Beauftragte des Erblassers mit Zustimmung des Erben den zweifelhaften erblasserischen Willen durchführt (409 FN 105). 87 Vgl. die Angaben oben in FN 85.
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Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
billigt. Denn der Empfänger kann unmöglich besser gestellt sein als ein echter Vermächtnisnehmer88• Was für die Erfüllungshandlung durch den Erben gilt, ist nun meines Erachtens auf den Erblasser zu übertragen. Es wäre inkonsequent, bei einer Erfüllung durch den Erben die Wirkungen des § 1432 ABGB eintreten zu lassen, dasselbe aber beim Erblasser zu leugnen, der ja eigentlich - wenn auch mittelbar - das Vermächtnis zuwendet. Ist der Erblasser imstande, durch lebzeitige Schenkungen den Nachlaß zu verringern, wobei hier genauso eine mangelnde Schenkungsform durch Erfüllung heilen würde, muß dasselbe auch für ein Vermächtnis gelten, das den Erben insgesamt noch weniger belastet als eine lebzeitige Schenkung88. Gegen die hier vertretene Meinung, die insbesondere bereits von Ehrenzweig8D vertreten wurde, steht vor allem jene Apathys90, auf dessen Argumente einzugehen ist: Apathy 91 kritisiert einmal, daß der Schluß von der äußerlich sichtbaren übergabe der Sache auf einen ernstlichen inhaltlich genau bestimmten Willen an eine Fiktion grenze. Dieser Einwand könnte aber ganz allgemein dem § 1432 ABGB entgegengehalten werden. Es heilt eben der Formmangel nach dem Gesetz durch Erfüllung, mag die Formvorschrift auch noch so sehr eine genaue inhaltliche Fixierung oder die Ernstlichkeit des Rechtsgeschäfts zu erreichen suchen. Im besonderen ist zu sagen, daß der lebzeitig Begünstigte ohne Zweifel eine lebzeitige Schenkung behaupten könnte, wodurch seine Rechtstellung dem Erben gegenüber unanfechtbar wäre. Zu einer solchen Beweisführung wäre aber der Begünstigte um so mehr dann verleitet, wenn ihm die Behauptung eines Vermächtnisses mangels Formeinhaltung nichts einbringt. Die praktische Folge der Ungültigkeit wäre daher oft die übergültigkeitD2 • Apathy 93 meint weiter, daß gerade letztwillige Geschäfte gegenüber lebzeitigen eine weitere Besonderheit aufweisen, die zusätzlich gegen die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB spreche: Der Erblasser könne nach seinem Tod nicht nur über den Rechtsgrund der erfolgten Übergabe 88 Zur Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers im Vergleich zu einem Beschenkten vgl. unten IV. B. 4. d. 89 II/2, 568; derselbe FS ABGB II 674, 680, 685; ihm folgend Trenker NZ 1969,102; Stanzl in Klang 2 IV/I, 633 mwN FN 37. 90 JBl 1976, 393 ff.; ebenso Koziol / Welser II 279; Krasnopolski / Kajka V 170 ff. 91 JBI 1976, 407. 92 So auch Apathy JBl 1976, 404 ff. selbst; Ehrenzweig FS ABGB II 675; vgl. auch Finger NJW 1972, 497 f.; Boehmer in Staudinger ll V Einleitung § 27 Anml7. 9S JBI 1976, 409.
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
91
befragt werden. Die Formvorschriften letztwilliger Anordnungen trügen gerade dem Rechnung, indem sie den Inhalt und die Ernstlichkeit einer letzten Anordnung zum Schutz der Erben und sonstigen Beteiligten feststellten. Dagegen ist zu sagen, daß auch sonst bei der Anwendung des § 1432 ABGB Beweisschwierigkeiten auftreten können. Etwa, wenn der Partner eines formpflichtigen lebzeitigen Geschäfts, das nicht der Form entspricht, nach Erfüllung geschäftsunfähig wird oder stirbt. Trotzdem wird hier die Anwendbarkeit des § 1432 ABGB keineswegs ausgeschlossen. Man mag dagegen einwenden, daß dies nicht typische Fälle seien. Typisch ist aber dieselbe Beweislage zum Beispiel bei der Schenkung auf den Todesfall mit lebzeitiger übergabe, wenn diese unwiderruflichk gestaltet wurde (§ 9562. Satz ABGB94). Es ist weiter darauf zu verweisen, daß bei letztwilligen Geschäften auch das Formrisiko85 für den Erblasser größer ist, weil dieser nicht mehr in der Lage ist, einen begangenen Formfehler zu sanieren. Gerade dieser Umstand scheint es gewissermaßen als Gegengewicht zu rechtfertigen, eine hier zugegebenermaßen schwierige Beweislage in Kauf zu nehmen.
Apathy 96 verweist des weiteren unter Berufung auf die Lehre PiskoS87 darauf, daß § 1432 ABGB nicht immer zu einem Kondiktionsschluß führe, sondern etwa dann nicht, wenn der Formzweck den Schutz unbeteiligter Dritter im Auge habe. Dies sei gegeben bei Erfüllung eines formungültigen Vermächtnisses durch den Beauftragten des Erblassers, weil hier eine Vermögensverschiebung zu Lasten des Erben vom Gesetz mißbilligt werde, wenn der letzte Wille nicht unzweifelhaft feststeht. Auch wenn man dem zustimmt, gilt dieses Argument wohl nicht für eine Erfüllungshandlung des Erblassers. Zu seinen Lebzeiten kann von einem berechtigten Schutzanliegen des zukünftigen Erben nicht gesprochen werden. Dieser muß sich vielmehr auch Rechtshandlungen, wodurch ihm sein zukünftiges Erbe entzogen wird, gefallen lassen. Für Apath y 98 stellt die Frage der Aufhebung einer letzten Anordnung ein weiteres Problem dar. Dies scheint jedoch lösbar. Was die Aufhebung durch eine spätere letzte Willenserklärung betrifft, so muß diese selbstverständlich gültig und zwar auch formgültig sein. Eine Heilung einer formlose neuen Anordnung im Sinne des § 1432 ABGB scheidet ja aus, solange die Sache sich nicht beim Erblasser befindet. Erhält sie dieser aber zurück und übergibt er sie dem neuen Vermächtnisnehmer, ist klar, daß das ursprüngliche Vermächtnis mangels Erfüllung nun wie84 95
H
97 88
Dazu vgl. oben im Text bei FN 75. Vgl. z. B. Gschnitzer FS Castan I 189 f.
JBI 1976, 408 f.
Vgl. oben FN 85.
JBI 1976, 411 f.
Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
92
derum formungültig ist. Eine formgültige Neuanordnung bezüglich derselben schon übergebenen Sache dringt in einem Rechtsstreit gegen den ursprünglichen Eingesetzten jederzeit durch, weil sie später erfolgt ist als die seinerzeitige übergabe. Im Falle eines Widerrufs ohne neuerliche Einsetzung gilt ebenfalls, daß dieser formgültig sein muß (§ 719 ABGBl. Ebenso gilt es natürlich als Widerruf, wenn der Erblasser die übergebene Sache nunmehr - etwa mittels Besitzanweisung - an eine andere Person veräußert. Als Ergebnis ist also festzuhalten, daß der Formmangel einer Vermächtniseinsetzung auch bei Erfüllung durch den Erblasser selbst heilen kann. Die von Apath y 99 mehrfach abgelehnte Schaffung einer neuen Testierform besteht sicherlich nicht im Bezug auf die Möglichkeit formloser Erbeinsetzung. Ein Erbschaftserwerb als Erwerb des gesamten Nachlasses oder eines Bruchteils hievon läßt sich zu Lebzeiten nicht vorziehn. Zum einen kann der Erblasser zu Lebzeiten nicht über sein gesamtes gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen verfügen (§ 944 ABGB), zum andern ist die besondere Erwerbsart der Erbschaft, nämlich die Einantwortung, zu Lebzeiten des Erblassers ausgeschlossen. Eine vorzeitige Erfüllung liegt daher niemals vor100 • d) Endgültige übertragung des Vermächtnisgegenstandes an den zukünftigen Vermächtnisnehmer
Schließlich ist nun noch auf den Fall einzugehen, daß der Erblasser dem Vermächtnisnehmer noch vor seinem Tod die vermachte Sache endgültig überträgt. Der Vermächtnisanspruch ist zwar nicht wie das Erbrecht101 unbedingt davon abhängig, daß der vermachte Gegenstand zur Zeit des Todes des Erblassers Nachlaßbestandteil ist, wie etwa das sogenannte Verschaffungsvermächtnis (§ 662 Schluß ABGB) zeigt, für die uns interessierenden Fälle gibt aber § 661 letzter Satz ABGB eine eindeutige Antwort: "Wenn er [gemeint der Vermächtnisnehmer] es [das vermachte Stück] aber von dem Erblasser selbst und zwar unentgeltlich erhalten hat, ist das Vermächtnis für aufgehoben zu halten102 ." Wie Pfaff / Hofmann103 ausführen, gelte diese Bestimmung für Vermächtnisse von Gattungssachen allerdings "nicht durchgreifend". Hier sei nämlich nicht schlechthin die Aufhebung des Legats zu vermuten. Doch JBl 1976, 407, 409, 411. Vgl. in diesem Zusammenhang allerdings die durch die HöfeO (vgl. dazu schon oben 111. A. 5. b. u unten V. J.) vorgesehene Möglichkeit der formlosen Hoferbenbestimmung (§ 7 Abs 2). Eine übertragung dieser Sonderregel auf österreich scheidet mangels entsprechender Bestimmungen aus. 101 Vgl. oben IV. B. 2. b. 102 Vgl. hiezu Weiß in Klang 2 111 552 ff.; Unger VI 291, 300 FN 16; Pfaff / Hofmann, Commentar II 429 ff.; Zeiller II/2, 600 ff. 103 Commentar II 434. 90
100
B. Lebzeitige Vorleistungen auf das Erbrecht
93
räumen sie ein104, daß unter Umständen auch hier die Absicht des Erblassers dahingehen kann, "mit der Schenkung .. . die im Vermächtnis in Aussicht genommene Gabe mit warmer Hand zu geben (die Honorierung zu anticipieren)". Wie gleich noch zu zeigen sein wird, geht auch aus dieser Ansicht hervor, daß § 661 letzter Satz ABGB überhaupt nur Fälle antizipierter Erbfolge im Auge hatlos. Die Regelung erscheint für den gesamten Bereich der antizipierten Erbfolge, nicht nur für die Vorleistungen gegenüber dem späteren Vermächtnisnehmer sehr interessant. Im engeren Bereich des Vermächtnisrechts hat hier das Gesetz den Prototyp eines Geschäfts im Rahmen antizipierter Erbfolge im Auge: Der Erblasser oder die Erblasserin leistet unentgeltlich und gerade das, was der Begünstigte später als Vermächtnisnehmer erhalten hätte, "damit er nicht auf ihren Tod warten müsse" 108. WeißI07 hat nämlich sehr scharfsinnig erkannt, daß nur auf diese Fälle, die wir als antizipierte Erbfolge auffassen können, die Regelung des § 661 letzter Satz ABGB paßt. Will der Erblasser nicht bloß "die von ihm durch die Vermächtnisanordnung beabsichtigte Lage schon bei Lebzeiten" herbeiführen, sondern den Vermächtnisnehmer aus irgend einem Grund über die Vermächtniszuwendung hinaus zu Lebzeiten unentgeltlich begünstigen, ist die Vermutung der Aufhebung des Vermächtnisses ohne Zweifel widerlegt. Hat der Erblasser gerade den in Aussicht genommenen Vermächtnisgegenstand dabei lebzeitig übertragen, hat der Erbe dem Vermächtnisnehmer den objektiven Wert des Vermächtnisgegenstandes auszubezahlen, eine Lösung, wie sie §§ 661 und 662 ABGB auch für andere Fälle vorsehen, in denen der Vermächtnisgegenstand selbst nicht mehr verfügbar ist. WeißI07 nennt als Beispiel einer solchen zusätzlichen unentgeltlichen Begünstigung, die mit antizipierter Erbfolge nichts zu tun hat, eine remuneratorische Schenkung oder eine Schenkung mit Auflage. Darüber hinaus sind aber noch viele gleichgelagerte Fälle denkbar, in denen der Zweck der unentgeltlichen Zuwendung nicht in der Vorziehung des späteren Vermächtnisses besteht, sondern der Erblasser eine zusätzliche, von der späteren Vermächtniszuwendung unabhängige Begünstigung durchführen will. e) Zwischenergebnis
überträgt der Erblasser eine als Vermächtnis in Aussicht genommene Sache schon zu seinen Lebzeiten auf den Vermächtnisnehmer, sind mehrere Fälle zu unterscheiden. Behält sich der Erblasser die letztwillige 104 lOS
108
FN 39.
Vgl. auch Ehrenzweig II/2, 476; OGH 10.12.1895 GlU 15.641. Zitat aus OGH 10. 12. 1895 GlU 15.641.
107 In Klang2 III 553 f.
Kap. 111: Erbrecht zu Lebzeiten
94
Verfügungsfreiheit über den betreffenden Gegenstand vor, begünstigt er den späteren Vermächtnisnehmer gewissermaßen nur vorläufig während seiner Lebenszeit, erwirbt der Begünstigte nach dem Tod des Erblassers bei noch aufrechtem Vermächtnis die Sache nunmehr als Vermächtnisnehmer. Eine neuerliche Erfüllungshandlung des Erben ist hier nicht mehr nötigt08 • Die vorzeitige Erfüllung des Vermächtnisgegenstandes zu Lebzeiten heilt sogar eine mangelnde Vermächtnisformt09 • überträgt der Erblasser hingegen den in Aussicht genommenen Vermächtnisgegnstand oder die vermachte Gattungssache endgültig dem Vermächtnisnehmer zu Lebzeiten und besteht der Zweck dieser unentgeltlichen Zuwendung bloß darin, den Vermächtnisanspruch vorzeitig zu realisieren, ist nach § 661 letzter Satz ABGB das Vermächtnis für aufgehoben zu haltenl1O • So klar die letztgenannte Regelung erscheint, so wenig darf sie zu einer sinnwidrigen Argumentationshilfe in der weiteren Folge dieser Untersuchung werden: Das ABGB bringe hier etwa ganz deutlich den Vorrang der Regelungen über lebzeitige Geschäfte gegenüber den erbrechtlichen Normen bei antizipierten Erbfolgegeschäften zum Ausdruck. Genau das Gegenteil ist der Fall. Das Gesetz schützt durch die Vermutung der Aufhebung des Vermächtnisses gerade nicht den lebzeitig Begünstigten, sondern den Erben, der von der nochmaligen Auszahlung des Werts des Legats bewahrt wird111 • Daß die vom ABGB gewählte Konstruktion gleichzeitig dazu führt, daß offensichtlich auf die Stellung des Begünstigten nunmehr Schenkungsrecht und nicht Vermächtnisrecht anzuwenden sein SOll112 und daß sich daraus unterschiedliche Konsequenzen gegenüber den Nachlaßbeteiligten ergeben könnten, wurde wahrscheinlich gar nicht bedachtU3 • Keinesfalls scheint mir daher § 661 letzter Satz ABGB einer allfälligen Analogie einzelner Bestimmungen des Erb- und Vermächtnisrechts auf Rechtsgeschäfte der antizipierten Erbfolge im Wege zu stehen. Die Bestimmung scheint viel eher darauf hinzudeuten, daß unentgeltliche Zuwendungen, die eine antizipierte Erbfolge darstellen, einer gewissen Sonderbehandlung bedürfen. Oben 111. B. 3. b. Oben 111. B. 3. c. 110 Oben 111. B. 3. d. 111 So besonders deutlich Zeiller 11/2, 601: "Der Vermächtnisnehmer soll das Vermächtnis einer bestimmten Sache nur einmal (§ 660.), aber er soll es nach der Natur eines Vermächtnisses unentgeltlich erhalten." 112 So z. B. Ehrenzweig 11/2, 476; derselbe FS ABGB 11 683. 113 Die nicht sehr klaren Protokolle zum ABGB sagen darüber jedenfalls nichts aus: vgl. Ojner I 396 ff.; 11 389, 544; dazu auch Weiß in Klang 2 111 546 f.; Pfaff / Hofmann Commentar 11 425 ff. 108 109
c.
Historischer Rückblick
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c. Historischer Rückblick Die hier sehr verkürzt wiederzugebende historische Entwicklung ist einerseits durch einen scharfen Gegensatz zwischen römischrechtlichen und deutschrechtlichen Auffassungen gekennzeichnet. Anderseits fällt auf, daß sehr verschiedenartige Rechtsinstitute mit dem Begriff einer antizipierten Erbfolge in Zusammenhang gebracht wurden. Zu nennen sind zunächst jene Fälle, in denen für eine lebende Person ein "bürgerlicher Tod" angenommen und damit eine erbrechtliche Universalsukzession erfrüht wurde. Dies galt nach langobardischem Recht für Aussätzige, nach altfriesischem Recht für Blinde und Wahnsinnige1• Stobbe 2 berichtet vom westgotischen Recht, daß das Vermögen der Ehebrecherin schon bei ihren Lebzeiten ihren Kindern zufiel und daß das Vermögen des friedlosen Mannes in den Besitz des Königs kam, von dem es die Erben binnen "Jahr und Tag" lösen konnten. Bis ins Mittelalter hielt sich neben diesen bald verschwundenen Erscheinungen einer Erfrühung der Erbfolge im deutschen Recht die Vorstellung, daß die Profeßleistung eines Ordensgeistlichen die gleichen vermögensrechtlichen Wirkungen wie der Tod habe. Erst später setzte sich die römisch- und kirchenrechtliche Auffassung durch, wonach bloß die Vermögensfähigkeit der Ordensgeistlichen auf das Kloster bei Klostereintritt überging'. Weiters ist das in diesen Zusammenhang ebenfalls passende deutschrechtliche Rechtsinstitut der Abschichtung (Ausstattung, Aussteuerung, Separation4 ) der Kinder noch zu Lebzeiten der Eltern zu erwähnen. Die bei diesem Rechtsakt auf die Kinder übertragenen Vermögensobjekte galten als "ausgehändigter Erbtheil" , sie waren im juristischen Sinn "idem mit dem späteren Erbtheil"5. Trotzdem war das so ausgestattete Kind von der Erbteilung beim natürlichen Tod seiner Eltern grundsätz1
Widmer 43; insb Stobbe 9.
9. a Stobbe 11 ff. 4 Leist 306 spricht auch von "Ausberaden" u "Ausberichten"; vgl. allgemein hiezu derselbe 299 ff.; Sydow 87 ff.; auch Widmer 43 f. 5 Leist 346; vgl. auch 321; siehe auch Wesemann 10; anders war schon ursprünglich die römisch-rechtliche Auffassung. Ergab sich die Notwendigkeit einer lebzeitigen Versorgung der Kinder, die nicht zur Nachfolge bestimmt waren, so wurden diese bei diesem Anlaß rechtlich verselbständigt und enterbt. Die Auffassung, daß die dabei ihnen erbrachten Leistungen rechtlich gesehen Erbteile gewesen seien, konnte daher naturgemäß nicht aufkommen: vgl. Kaser, Römisches Privatrecht I 93 f.; 668 f.; wenn Jhering 104 davon spricht, daß die Dos an die Tochter, die diese für den Verlust des Erbrechts entschädigen sollte, nichts anderes als der ihr "voraus ausgezahlte Erbtheil" war, so hatte dies für die juristische Beurteilung offenbar keine Konsequenzen; für eine übereinstimmung zwischen altem deutschen und römischen Recht in dieser Frage allerdings Mitteis, Reichsrecht 236 FN 1. 2
Kap. III: Erbrecht zu Lebzeiten
96
lich nicht ausgeschlossen, mußte allerdings, wenn es bei der Teilung partizipieren wollte, die empfangene Ausstattung konferieren, das heißt in die Erbschaftsmasse zurückstellen. Leist spricht daher in diesen Fällen sehr treffend von einer "antizipativen Erbsachencreierung"6 und nicht von einer Erfrühung des Erbfalls selbst7. Von der Erbteilung ausgeschlossen waren die abgeschichteten Kinder lediglich dann, wenn ein Erbverzicht, der sich übrigens in diesem Bereich entwickelte8 , abgeschlossen oder zu vermuten war. Das Vorliegen eines Erbverzichts änderte aber nichts an der Rechtsnatur der Abschlagsleistung. Die Qualifizierung der Ausstattung als Vorauszahlung auf den Erbteil im juristischen Sinn verschwand mit dem wachsenden Einfluß des römischen Rechts. übrig blieb die bloße Anrechnungspflicht der elterlichen Ausstattung9 , die ja auch nach römischem Recht einen Anrechnungsposten bildete. Es entstand so ein aus beiden Rechtskreisen gemischtes Kollationsrecht. Die verschiedenen Standpunkte sind noch heute in der Diskussion darüber, ob die anrechnungspflichtigen Vorempfänge als antizipierte Erbfolge wenigstens im hier gebrauchten Sinn anzusehen sind oder nicht, spürbar 10• Ein sehr verbreitetes Rechtsinstitut, das der vorweggenommenen Erbfolge zugeordnet wurde, war seit jeher die bäuerliche Gutsübergabe. Daß sie jedenfalls im älteren deutschen Recht auch juristisch als successio anticipata galt, erscheint nicht weiter zweifelhaft. Man verstand ja den Rückzug des Altbauern in seinen Altenteil ähnlich wie bei den bereits geschilderten Fällen als bürgerlichen Tod. "Wer aus dem Stande eines activen Staatsbürgers heraustrit, sein Gut, dessen Cultur ihm jenen Stand erwarb, einem anderen übergibt und sich von diesem seinem Nachfolger zu Tode füttern läßt, der ist in gewissem Verstande ... als bürgerlich tod anzusehen 11 ." Der Gedanke wurzelt ursprünglich in der Vorstellung, daß nur die Wehrfähigkeit, also die Fähigkeit, seine Güter zu verteidigen, den Mann ausmachte. Wer dazu nicht mehr im Stande war, mußte sich eben bei lebendigem Leib beerben lassen l2 • Später verdrängte der Gedanke der Arbeits- und Wirtschaftsfähigkeit denjenigen der Wehrfähigkeit13• 6
1
8
297 f.
Zu dieser Unterscheidung vgl. oben III. A. 1. u III. B. 1. Vgl. Damrau, Erbverzicht 16 ff.; Wesener 84 ff.; Weiß in Klang 2 III 174 ff.;
Touaillon NZ 1908, 203.
9 Treffend sagt Leist 418: "Der deutsche Satz von der Conferendenqualität der elterlichen Ausstattung ist an sich lösbar von der specifisch-deutschen Absonderung der Kinder und von der Qualificierung der Ausstattung als Vorauszahlung auf den Erbtheil." 10 Dazu schon oben II. A.; vgl. auch unten IV. B. 3. d.; zur Auffassung der Redaktoren des ABGB IV. B. 3. b. 11 Runde, Leibzucht II 293; vgl. auch Bruhin 44; Hagemann ZSR 1947, 200 ff. 12 Runde, Leibzucht I 17 f.; II 293.
c.
Historischer Rückblick
97
Die Gutsübergabe löste allerdings keine successio universalis, sondern lediglich eine Spezialerbfolge hinsichtlich des Hofes aus u . Nur so kann Runde15 behaupten, sie stelle eigentlich keine Ausnahme des Satzes "viventis non datur hereditas", dar, wobei nur die Universalsukzession gemeint war. Doch selbst diese - nur dem deutschen Recht bekanntei' - Singularsukzession wich allmählich wie in den anderen Fällen der successio anticipata unter dem Einfluß des römischen Rechts der Auffassung, daß der übergabsvertrag nicht eine erfrühte Erbfolge, sondern ein lebzeitiges Rechtsgeschäft sei17, wenngleich dieser Vertrag gewöhnlich doch als Vertrag sui generis bezeichnet wurdel8 • Die geschilderte historische Entwicklung und die aus dem geltenden Recht gezogenen Ergebnisse, nach denen die Möglichkeit einer antizipierten Erbfolge heutzutage im rechtlich-technischen Sinn ausscheidet, leiten über zur allgemeinen Frage der Einordnung der antizipierten Erbfolge in die lebzeitigen Rechtsgeschäfte.
Runde, Leibzucht I 22; derselbe ZmR 1842, 6 f. Hagemann ZSR 1947, 200 f.; Stobbe 10, 400 f.; Runde, Leibzucht II 299 ff. U Leibzucht II, 299. 16 Runde, Leibzucht II 300. 17 Zu dieser Entwicklung vgl. etwa Bruhin 44 f.; Hagemann ZSR 1947, 202 ff.; das ALR stellt in I 12 § 656 klar: "Verträge, wodurch Aeltern ihr Ver13
14
mögen schon bey Lebzeiten ihren Kindern abtreten, sind bloß als Verträge unter Lebenden anzusehen." 18 Vgl. etwa Stobbe 394 ff.; Beseler II/2, 200 ff.; Runde ZmR 1842, 1 ff., der diesen Gedanken mit jenem einer successio anticipata singularis (oben FN 14, 15) hier verbindet; für eine Einordnung in das römisch-rechtliche Vertragssystem allerdings Puchta; vgl. auch oben IIr. B. 1. 7 Eccher
Kapitel IV
Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
A. Allgemein Die bisherigen Untersuchungen ergaben, daß die häufigsten Fälle einer antizipierten Erbfolge rechtsdogmatisch nicht aus subjektiven erbrechtlichen Rechtstellungen erklärbar sind. Sei es, daß der Erbfall schon zu Lebzeiten des Erblassers vorweggenommen werden könnte, sei es, daß eine zu Lebzeiten endgültig vollzogene Zuwendung sich späterhin als Objekt eines erbrechtlichen Erwerbstatbestandes verstehen ließe. Eine Einordnung gelang bisher nur dort, wo der Erblasser eine Sache dem zukünftigen Erben oder Vermächnisnehmer zu Lebzeiten nicht endgültig überträgt, sondern diese sich bei seinem Tod noch in seinem Naßlaß befindetl. Die verbleibenden Formen einer vorweggenommenen Erbfolge gehören daher notwendig zu den lebzeitigen Geschäften. Das Gesetz kennt jedoch keinen eigenen Geschäftstyp für antizipierte Erbfolge. Wie im folgenden noch gezeigt werden wird, stellt selbst die Einordnung der vorweggenommenen Erbfolge in die Kategorien entgeltlicher und unentgeltlicher Rechtsgeschäfte eine große Schwierigkeit dar. Anknüpfend gerade an dieses Kriterium wollen wir vorläufig verschiedene Fallgruppen antizipierter Erbfolge danach bilden, ob sie "freiwillig" erfolgt, ob sie mit Gegenleistungen des Begünstigten verbunden ist, ob eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung seitens des Zuwenders besteht2 • Durch die gesonderte Gegenüberstellung der einzelnen Fallgruppen von antizipierter Erbfolge mit jeweils verwandten im Gesetz geregelten Rechtsgeschäften oder Zuwendungsarten erscheint es leichter, schließlich Aussagen über die systematische Stellung und rechtliche Behandlung der Geschäfte der antizipierten Erbfolge insgesamt zu treffen:!.
1 2 3
Vgl. im einzelnen Kap. Irr. Zu den einzelnen Punkten vgl. IV. B., C., D. und E. Dazu unten IV. F.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge 1. Allgemein Für diese Gruppe von antizipierter Erbfolge ist naturgemäß in erster Linie das Verhältnis zur Schenkung, dem "Urbild des unentgeltlichen Geschäfts" 1 klärungsbedürftig. Die gelegentlich zu findende Aussage, Schenkungen seien an sich schon eine Parallele zur Erbfolge2 , erscheint hier zu ungenau. Zunächst soll versucht werden, ausgehend vom Schenkungs begriff des § 938 ABGB die einzelnen relevanten Begriffsmerkmale auf antizipierte Erbfolge hin zu untersuchen. Daran schließen sich systematische Erörterungen, die sich im wesentlichen mit dem Verhältnis der Schenkung zu den anrechnungspflichtigen Zuwendungen befassen. Schließlich soll vor dem Hintergrund der typischen Parteiabsicht und Interessenlage geprüft werden, ob die mit der Anwendung des Schenkungsrechts verbundenen Rechtsfolgen für Geschäfte der antizipierten Erbfolge passen. Am Ende werden die Ergebnisse zusammengefaßt und mit Rechtsprechung und Lehre verglichen3 •
2. Abgrenzung zum Schenkungsbegriff § 938 ABGB definiert die Schenkung als "Vertrag, wodurch eine Sache jemandem unentgeltlich überlassen wird". Die folgenden Ausführungen können sich auf das Merkmal der Unentgeltlichkeit beschränken4 • Fest steht, daß sich die Parteien einig sein müssen, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt (animus donandi5,6). Nur so ist es möglich, 1 Gschnitzer, SchuldR B 41; die Auseinandersetzung mit anderen im Gesetz geregelten unentgeltlichen Geschäften wie z. B. der Leihe, dem unentgeltlichen Darlehen (vgl. zu solchen Formen von antizipierter Erbfolge oben 11. B. 2.) wird hier vernachlässigt. Eine im Verhältnis zur Schenkung für Geschäfte der antizipierten Erbfolge erarbeitete Differenzierung kann jedoch sinngemäß auch hier herangezogen werden. 2 z. B. Lanz NZ 1949, 105. 3 Zu den folgenden Punkten vgl. IV. B. 2., 3., 4. u 5. 4 Zum Vertrags charakter der antizipierten Erbfolge und zur Zuwendung eines Vermögensvorteils vgl. schon oben 11. A.; bezüglich der möglichen Gegenstände einer antizipierten Erbfolge ergeben sich zur Schenkung keine Besonderheiten. 6 Kulka ÖJZ 1969, 478 versteht unter "animus donandi" offenbar nur ein Schenkungsmotiv, nicht aber wie hier ein Tatbestandsmerkmal der Schenkung; Migsch AcP 1973, 63 f. hält den "animus donandi" für nichts anderes als die von der neueren Dogmatik herausgearbeiteten Kriterien der Unentgeltlichkeit und Freiwilligkeit; bei dieser Sicht kommt jedoch mE der subjektive Gesichtspunkt etwas zu kurz. & Vgl. Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 434; Stanzl in Klang! IV/I, 584, 589; Ehrenzweig lI/I, 365; Unger 11 194 ff.; vgl. auch § 516 BGB.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Schenkungen von anderen Leistungen abzugrenzen, für die kein Entgelt oder bloß eine viel geringerwertige Leistung erbracht wird, ohne daß die Parteien jedoch schenken wollten 7 • Die Feststellung der nötigen Einigung über die Unentgeltlichkeit genügt jedoch noch nicht. Es bedarf vielmehr noch der Darstellung, was als unentgeltlich zu verstehen ist8 • Für manche 9 bedeutet das Kriterium der Unentgeltlichkeit lediglich das Fehlen einer Gegenleistung, andere10 erweitern den Begriff der Unentgeltlichkeit noch dahingehend, daß die Sache auch nicht in Erfüllung einer Verbindlichkeit, sondern freiwillig oder liberal überlassen werden muß. Die von Kulka ll gegen Gschnitzer geführte Polemik hat in der Verkennung dieses erweiterten Verständnisses von unentgeltlich bei Gschnitzer 12 eine wesentliche Ursache. Gschnitzer übersieht keineswegs die Bedeutung der Freiwilligkeit für die Anwendbarkeit des Schenkungsrechts. Da auf den Fragenkomplex der Verknüpfung von antizipierter Erfolge mit Gegenleistungen, sowie das Vorliegen rechtlicher und sittlicher Verpflichtungen zu Geschäften der vorweggenommenen Erbfolge noch später einzugehen sein wird 13 , ist das Merkmal der Unentgeltlichkeit und auch der Freiwilligkeit, sofern man sie als eigenes Kriterium einer Schenkung ansieht, hier nur noch für die verbleibenden Fälle der antizipierten Erbfolge zu untersuchen, in denen eben keine Gegenleistung und keine rechtliche oder sittliche Pflicht vorliegt. Mehrere Ansätze sind zu überlegen.
Bydlinski14 verneint die Freiwilligkeit einer Zuwendung zur vorweggenommenen Abfindung eines späteren Pflichtteils berechtigten (nicht eines späteren Erben), "weil der Zuwendende ... gar nicht die Möglichkeit hat, das Recht des Pflichtteilsberechtigten zu beseitigen". Dagegen muß man jedoch einwenden, daß eben zu Lebzeiten des Erblassers grundsätzlich keinerlei Verpflichtung besteht, den mit dem Tod entstehenden Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten zu erfüllen, daß daher jede 7 Vgl. etwa diese Voraussetzung zur Annahme einer gemischten Schenkung: Vgl. insbesondere Stanzl in Klang! IV/I, 590 f.; Gschnitzer in Klang! IV/I, 431 f.; zur gemischten antizipierten Erbfolge vgl. unten IV. C. 3. 8 Vgl. insb Liebisch 57, wonach die Einigung über die Unentgeltlichkeit dem Wesen der Unentgeltlichkeit entnommen ist. 9 z. B. Kulka ÖJZ 1969, 477; wohl auch Migsch AcP 1973, 63 f.; vgl. auch Oertmann 89 ff. 10 z. B. Stanzl in Klang 2 IV/I, 587; Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 436: "unentgeltlich leisten heißt etwas freiwillig ohne Entgelt leisten"; ebenso Liebisch
27 ff.
ÖJZ 1969, 477 ff. Vgl. die Angaben oben in FN 10. 13 Vgl. unten IV. C., D. u E. 14 In Klang 2 IV/2, 193; ähnlich auch Stanzl in Klang 2 IV/I, 594, obwohl er zugibt, daß die Pflichtteilsforderung noch zweifolhaft und nicht fällig ist. 11
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derartige Leistung in diesem Sinn freiwillig erfolgt15 • Dies ganz abgesehen davon, daß eine gegebene Pftichtteilsstellung etwa durch Vorver~ sterben des Berechtigten oder Erbunwürdigkeit wegfallen oder durch Vermögensverschleuderung des Erblassers16 zunichte gemacht werden kann17 • Es erscheint daher unzutreffend, von diesem Ansatz her die Freiwilligkeit einer Zuwendung der antizipierten Erbfolge abzulehnen. Man könnte aber auch geneigt sein, Zuwendungen der vorweggenommenen Erbfolge mit der Erfüllung einer Naturalobligation wegen der ähnlich gelagerten mangelnden Erzwingbarkeit zu vergleichen. Dann hätte man sich mit der Behauptung, solche Leistungen seien niemals Schenkungen l8 , auseinanderzusetzen. Darauf braucht jedoch nicht eingegangen zu werden. Denn so verschieden die einzelnen Fallgruppen der natürlichen Verbindlichkeiten auch sein mögen19, so unterscheiden sie sich von Leistungen der antizipierten Erbfolge doch grundlegend dahingehend, daß im Zeitpunkt der Zahlung ein Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger dort bereits besteht, während hier erst auf eine zukünftige und mehr oder weniger unsichere Rechtsposition geleistet wird. Die Argumente, die gegen den Schenkungscharakter der Erfüllung einer Naturalverpftichtung vorgebracht werden, lassen sich daher von vorneherein nicht auf die antizipierte Erbfolge übertragen. Viel näher liegt es hingegen, einen Vergleich zur Novation durch Verwechslung des Rechtsgrundes (§§ 1375 ff. ABGB) zu wagen. Selbstverständlich kann es sich lediglich um eine Ähnlichkeit zur Novation handeln, da der Begünstigte im Zeitpunkt der Zuwendung nur eine unsichere Anwartschaft besitzt, aber noch keine Verbindlichkeit (§ 1376 ABGB) des Erblassers besteht. Die Parteien ersetzen aber auch hier den von ihnen als unstreitig und unzweifelhaft angesehenen20 erbrechtlichen Erwerbstatbestand 21 durch einen lebzeitigen Rechtsgrund. Unter der Voraussetzung der Gültigkeit dieses Geschäfts schließt dieses übereinstimmend mit den Bestimmungen der Novation die erbrechtliche Erwerbsmöglichkeit durch das Eingreifen der Anrechnungsbestimmungen (oder durch den Wegfall des Vermächtnisanspruchs nach § 661 letzter VgI. schon oben II!. A. 4. in Klang! IV/2, 193 selbst. 17 VgI. dazu schon oben 11. A. 18 Vgl. Stanzl in Klang 2 IV/I, 601; Gschnitzer in Klang! IV/I, 30; Oertmann 91 f.; Liebisch 42 f. 19 VgI. Gschnitzer, SchuldR A 21 f. 20 Nach § 1380 ABGB scheidet Vergleich aus, weil es dort auf die subjektive Einstellung der Parteien über die Strittigkeit oder Zweifelhaftigkeit des Rechtsverhältnisses ankommt: vgl. Wolf! in Klang! VI 275. 21 Auch außervertragliche Beziehungen können noviert werden: vgl. Wolf! in Klang'l VI 265; Ehrenzweig 11/1, 359. 15
IG
SO Bydlinski
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Satz ABGB!'2) im Umfang der Zuwendung aus. Ebenfalls in übereinstimmung mit den Regeln der Novation wäre schließlich auch bei antizipierter Erbfolge die Gültigkeit der Altschuld - in unserem Fall die subjektive Vorstellung der Parteien von der späteren erbrechtlichen Stellung des Empfängers23 - Voraussetzung der Gültigkeit. Trotz aller Ähnlichkeit bleibt aber die Frage offen, welchen Rechtsgrund die Parteien an die Stelle des alten setzten. Aus der Tatsache einer Novation ließe sich für diese hier interessierende Frage daher nichts gewinnen. Obwohl die bisher geprüften Ansätze die Kriterien der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit der Zuwendungen der antizipierten Erbfolge nicht eindeutig verneinen konnten, bestehen doch Zweifel: Zu erwähnen sind einmal jene überlegungen LiebischsH , die dieser für die Beurteilung des Entgeltcharakters einer Zuwendung bei Vorhandensein sittlicher oder Anstandspflichten entwickelte. Danach kann das Vorhandensein solcher Pflichten entweder lediglich Beweggrund für die Zuwendung sein, ohne daß dies dem Willen zur Unentgeltlichkeit ausschließt, oder aber es kommt den Parteien gerade darauf an, mit der Zuwendung dieser Pflicht zu genügen und für die Zuwendung die Befreiung von dieser Pflicht einzutauschen. Hier verneint Liebisch die Unentgeltlichkeit25 • überträgt man diese Ansichten auf die hier zu behandelnen Fälle von antizipierter Erbfolge, wird sofort klar, daß die Stellung des Empfängers als zukünftiger erbrechtlicher Berechtigter nicht bloß Beweggrund der Zuwendung ist - in einem solchen Fall wäre tatsächlich zumeist Schenkung anzunehmen -, sondern die Vereinbarung gerade dazu dient, dieser zukünftigen Rechtsposition Genüge zu tun, wie die Anrechnungspflicht anschaulich zeigt. Das gilt hier auch dann, wenn keine rechtliche oder sittliche Pflicht zu antizipierter Erbfolge besteht. Da die - in aller Kürze - wiedergegebene Meinung Liebischs keinesfalls unbestritten blieb 28, läßt sich hier noch kein endgültiges Urteil über die Frage der Liberalität der antizipierten Erbfolge fällen. Zweifel hieran hinterlassen aber auch schon Äußerungen von Pfaff.l Hofmann'l7 zur Frage der Entgeltlichkeit von Vermächtnissen28 : "Freigebig oder liberal ist, wer sich selbst etwas nimmt oder versagt, und es einem Andern gönnt oder gibt. Der Testator scheidet sich aber nicht selbst von seinen Dazu oben III. B. 3. d. Dazu oben II. A. 24 39 ff. (47). 25 Daß Liebisch 39 ff. entgegen der unten (IV. D.) vertretenen Ansicht Entgeltlichkeit annimmt, ist ohne Bedeutung; hier kommt es nur auf die Verneinung der Unentgeltlichkeit iS Liebischs an (vgl. oben bei FN 10). 28 Vgl. unten V. E. 27 Excurse II 322. 28 Die Parallele zum Vermächtnis sei hier vorwegnehmend auf spätere Ergebnisse (IV. B. 4.) erlaubt. 22
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B. Unentgeltlicl1e und freiwillige antizipierte Erbfolge
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Gütern, der Tod scheidet ihn davon". Ganz ähnlich denkt Weiß29, wenn er die Gutsübergabe als entgeltfrepo, also jedenfalls nicht als unentgeltlich, ansieht, weil man "nicht aufopfert, was man nicht ins Grab mitnehmen kann". Insgesamt ist festzuhalten, daß aus dem Schenkungsbegriff, vor allem den Kriterien der Unentgeltlichkeit und Freiwilligkeit, keine endgültige Aussage über die Einordnung der antizipierten Erbfolge zu den Schenkungen möglich ist.
3. Zusammenhang mit den Anrechnungsbestimmungen Aus der definitionsgemäßen31 Verknüpfung von antizipierter Erbfolge und anrechenbaren Zuwendungen in der Weise, daß diese regelmäßig auch eine antizipierte Erbfolge darstellen, ja dafür das wichtigste Indiz darstellen, folgt, daß bei Richtigkeit dieser Annahme die Rechtsnatur anrechenbarer Zuwendungen und jener der antizipierten Erbfolge nicht konträr zu beantworten sein darf. Verneint man beispielsweise für antizipierte Erbfolge den Schenkungscharakter, so muß dies ebenso für anrechenbare Zuwendungen gelten. a) Wortlaut
Der Auffassung, Vorempfänge seien von Schenkungen zu unterscheiden, kommt in Österreich32 ohne Zweifel die Bestimmung des § 791 ABGB entgegen. Das ABGB hält Zuwendungen der Eltern an Kinder, die nicht unter die Zuwendungsarten des § 788 ABGB fallen und bei denen sie sich nicht ausdrücklich die "Erstattung" ausbedungen haben, für Schenkungen, die nicht anzurechnen sind 33 • Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß die "erstattungspflichtigen" Zuwendungen keine Schenkungen sind. In Klang 2 Irr 183. Dazu unten IV. F. 2. 31 Oben H. A. S2 Eine gegenläufige Tendenz enthält das BGB durch § 2327 iVm § 2315, wo von einem auf den Pflichtteil "anzurechnenden Geschenk" gesprochen wird; vgl. weiter unten IV. B. 5; die Redaktoren der lIr. TN zum ABGB grenzten sich jedoch eindeutig von dieser Konzeption des BGB ab: sie waren der Meinung, daß eine dem § 2327 BGB entsprechende Bestimmung im ABGB im Hinblick auf § 791 nicht notwendig sei (78 BlgHH 21. Sess 117); das ZGB weist mit Art 632 iVm 626 (Ausnahme üblicher Gelegenheitsgeschenke von der Ausgleichung) in eine ähnliche Richtung wie das BGB: vgl. dazu Widmer 85 f., der auch dieses Argument seiner Theorie zugrunde legt (hiezu unten IV. B. 28
30
3. d.).
33 Ursprünglich (vgl. Ofner I 487) hieß es noch, daß Schenkungen in der Regel keiner Anfechtung unterliegen. Diese Einschränkung wurde später auf-
gehoben. Sie dürfte aber ohnehin nur wegen der Möglichkeit des Schenkungswiderrufs nach § 951 ABGB vorgesehen gewesen sein; vgl. auch Zeiller lI/I, 817.
Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
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§ 791 ABGB ist ohne Zweifel trotz seiner Einordnung unter die Marginalrubrik der Anrechnung zum gesetzlichen Erbteil auch für die Anrechnung zum Pflichtteil gültig. Es wäre höchst sonderbar, würde man behaupten, daß es bei der Pflichtteilsanrechnung anrechnungspflichtige Schenkungen gäbe, nicht aber bei der Erbteilsanrechnung. Eine einheitliche Beurteilung der Frage ist schon deshalb nötig, weil im Moment der Zuwendung oft nicht sicher ist, ob der Empfänger Erbe oder Pflichtteilsberechtigter sein wirdu. Die Bestimmung wirft allerdings terminologische Probleme auf, weil in ihr sowohl der Begriff "Erstattung" als auch jener der "Anrechnung" gebraucht wird. Darunter ist nämlich Verschiedenes zu verstehen. Unter Erstattungspflicht soll die Rückgabepflichtigkeit einer Zuwendung an den Nachlaß, also die Begründung einer Erbschaftsschuld, zu verstehen sein35 • Unter Anrechnung wird die durch die §§ 793 f. ABGB vorgeschriebene Berücksichtigung der Vorempfänge als Modalität der Erbteilung oder die Berücksichtigung von Vorempfängen bei der Pflichtteilsberechnung begriffen, die gerade nicht zu einer Erstattung38 führt (§ 793 ABGB)37.
Es ist daher nicht verwunderlich und auch zutreffend, wenn § 791 ABGB als Grundlage für die Möglichkeit sowohl anrechnungspflichtiger als auch erstattungspflichtiger Zuwendungen angeführt wird. Aber auch wenn man die Zulässigkeit der Begründung anrechnungspftichtiger Zuwendungen nicht auf § 791 ABGB stützt38 , ist diese Möglichkeit doch unbestritten. Auch für diesen Teil der Lehre könnte § 791 ABGB niemals ein Argument dafür bilden, daß solche Zuwendungen Schenkungen sind. Diese Bestimmung kennzeichnet ja die Schenkung eindeutig dahin, daß sie eben nicht anzurechnen ist. § 791 ABGB ist vielmehr so zu verstehen, daß Schenkung nur vorliegt, wenn die Zuwendung weder erstattungs- noch anrechnungspflichtig ist. An den getroffenen Feststellungen hat der Gesetzgeber des Jahres 197831 nichts geändert. In der neugefaßten Bestimmung des § 789 ABGB, wonach in den Pflichtteil die als Vorschuß geleisteten Zuwendungen des U
AA ZoH GZ 1905, 83 ff.
In diesem Sinn wurde § 791 ABGB etwa von Unger VI 207 FN 8 verstanden; dieses Verständnis legte man auch in die Bestimmung des § 789 alt ABGB: Koziolj WeIser II 284; Gschnitzer ErbR 91; Ehrenzweig II/2, 589; § 789 neu ABGB stellt nunmehr aber eindeutig eine Anrechnungsbestimmung dar; dazu gleich unten im Text. 38 Zur hier vertretenen Auffassung über eine Erstattungspflicht bei Pflichtteilsanrechnung vgl. unten V. B. 2. 37 In diesem Sinn wird § 791 ABGB etwa von Wolf! 375 u Stubenrauch I 966 verstanden; Weiß in Klang 2 III 930 gebraucht unterschiedslos beide Aus35
drücke. 38
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Vgl. oben FN 35. BGBI 1978/280.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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Erblassers unter Lebenden "einzurechnen" sind, wird das Wort "Schenkung" vermieden. Dasselbe gilt von den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien~o.
b) Redaktionsgeschichte des ABGB
Die einschlägigen Bestimmungen des Urentwurfs zum ABGB (I1 §§ 535 f,) trennen strikt zwischen Zuwendungen aus "Freigebigkeit" oder "Vorliebe", die nicht angerechnet werden sollen, und anrechnungspflichtigen Zuwendungen41 • Diese Unterscheidung wurde bei den Beratungen über diese Bestimmungen beibehalten: So führte der Referent Zeiller42 zu den Grundgedanken der Anrechnung zum Erbteil aus, es "sei die natürliche Vermuthung, daß die Aeltern ihre Kinder gleich halten wollen; haben sie also einem Kinde etwas aus Pflicht, oder in Umständen, wo es nicht wohl verweigert werden konnte, zugewendet, so sei zu vermuthen, daß es nur auf Abrechnung des Erbtheils geschehen sei. Wenn sie aber außer dem Drange solcher Umstände aus bloßer Freigebigkeit ein Kind besonders begünstigten ... , so falle die erwähnte Vermuthung, somit auch die Anrechnung weg". In dem von Zeiller neu vorgeschlagenen TextU fehlt zwar die ursprüngliche BestimmungU , daß ein Kind über Zuwendungen aus Freigebigkeit oder Vorliebe keine Rechenschaft ablegen müßte. Diese Änderung geschah aber nicht deshalb, weil auch Schenkungen der Anrechnung unterliegen könnten, sondern weil diese Aussage mit Urentwurf III § 68 im Widerspruch gestanden wäre45 : Vielmehr heißt es deutlich4' : "Schenkungen unterliegen keiner Anrechnung, sondern werden nach den allgemeinen Grundsätzen der Schenkung beurtheilet". Die darauf folgenden Beratungen beschäftigen sich nur mehr mit der Frage, wann Schenkung und wann Vorempfang vorliege. Schließlich wurde Zeillers Antrag, wonach Schenkungen nur bei Vorliegen einer ausgestellten Bescheinigung anzunehmen sei, fallen gelassen und umgekehrt alles für Schenkung gehalten, was nicht besonders als anrechnungspflichtig aufgezählt wurde47 • Denselben Standpunkt vertraten die Redaktoren auch bei der Anrechnung zum Pflichtteil48 • Dort führte Zeiller offenbar unter allgemei40 136 BlgNR 14. GP 18: Vorschuß sei "eine vor Fälligkeit gemachte Leistung des Erblassers auf die Pflichtteilsforderung des Berechtigten und eine Abfindung des Pflichtteils überhaupt." 41 Nicht so eindeutig das ALR durch II/2 § 328, wonach neben der Ausstattungskollation auch eine Schenkungskollation für Grundstücke, Gerechtigkeiten und Kapitalien bestand. 42 Vgl. Dfner I 450. 43 Vgl. Dfner I 451. " Urentwurf II § 535. 45 Heute § 951 ABGB; vgl. Dfner I 450. 46 Vgl. Dfner I 451. 47 Vgl. Dfner I 452 f.; vgl. auch derselbe I 487.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
ner Billigung aus: "Was Aeltern außer der Pflicht für ein Kind gethan haben, wird, wenn sich die Aeltern nicht ausdrücklich die Erstattung ausbedingen, für eine besondere Begünstigung, für ein Geschenk gehalten, so nicht wieder zurückgefordert werden kann." Auch die III. Teilnovelle zum ABGB, die die Bestimmungen zum Schutz der Pflichtteilberechtigten gegenüber Schenkungen neu faßte 49 , hat am Gehalt der §§ 788 ff. ABGB in dieser Frage nichts geändert. Der Unterschied zwischen Schenkungen und Vorempfängen wurde sehr wohl beachtet. Entgegen der ursprünglichen Regierungsvorlage wurde die Anrechnung von Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte selbst vom Erblasser erhielt, nur auf die Erhöhung des Pflichtteils bezogen, damit nicht "die Einrechnung auf Kosten des vom Erblasser begünstigten Noterben" gehe und nicht "dem nicht pflichtteilsberechtigten Testamentserben zugute komme"50. Für Vorempfänge gilt diese Einschränkung nicht, weil sie den Noterben nicht begünstigten sollen51 . c) Sinn und Zweck der Anrechnung von Vorempfängen und Schenkungen Ehrenzweig 52 vertritt die Auffassung, dieselbe Gabe könne Vorernpfang und Schenkung zugleich sein. Dann müßten die Regeln über Vorempfänge mit jenen der Schenkung kombiniert werden. Wenn Ehrenzweig als Beispiel eine Zuwendung nennt, bei der sich der Erblasser die Anrechnung auf den Erbteil ausbedingt; setzt er sich einmal in diametralen Gegensatz zum Wortlaut des § 791 ABGB 53 . Seine Lösung54 verwischt aber auch die unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Anrechnungsarten zum Pflichtteil. § 788 ABGB will dem Pflichtteilsberech.tigten eine gewisse Mindestbeteiligung am Erblasservermögen sichern und entlastet daher den Testamentserben, soweit der Noterbe bereits leb zeitige Vorleistungen erhalten hat55 . Dagegen ist die Anrechnungsbestimmung § 787 Abs 2 ABGB im Zusammenhang mit den Bestimmungen zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten gegen leb zeitige Schenkungen des Erblassers zu sehen. Die Pflichtteile werden durch die Schenkungshin48
Diner I 486.
Dazu schon oben II. D. 3. 50 Vgl. 78 BlgHH 21. Sess 117. 51 Dazu gleich unten IV. B. 3. C. 5'l II/2, 600; vgl. auch Welser NZ 1978, 163 FN 16; Wolf! 377; Weiß in Klang Z III 909 f., 928 f., 945, 950 bringt diese Auffassung ebenfalls zum Ausdruck; OGH 4.11.1930 SZ 12/214; aA Stubenrauch I 960 iVm 966, der zwar wohl die Zuwendungen des § 788 ABGB auf Liberalitäten ausdehnt, sie aber doch von Schenkungen abgrenzt. 53 Dazu bereits oben IV. B. 3. a. 54 Zur hier vorgeschlagenen Lösung vgl. V. B. 55 Ehrenzweig II/2, 599 f. selbst; vgl. auch das von ihm ebenda gebrachte Beispiel. 40
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zurechnung ebenfalls erhöht (§ 785 ABGB), belasten aber den Erben mehr, weil eine direkte Heranziehung des Beschenkten erst subsidiär nach Erschöpfung des Nachlasses möglich wird (§ 951 ABGB). Der selbst beschenkte Pflichtteilsberechtigte behält dabei unter allen Umständen seinen Nachlaßpflichtteil ungeschmälert, muß sich lediglich sein Geschenk auf die durch die Hinzurechnung bewirkte Erhöhung des Pflichtteils anrechnen lassen. Wenn nun Ehrenzweig eine Zuwendung, die er für Vorempfang und Schenkung zugleich hält, der Anrechnung auf den gesamten Pflichtteil58 unterwirft, dazu auch die Heranziehung des Beschenkten nach § 951 ABGB zuläßt, werden die unterschiedlichen Zielsetzungen der beiden Anrechnungsarten aufgegeben. Mit gleicher Berechtigung könnte man schließlich auch die jeweils günstigeren Vorschriften für den Zuwendungsempfänger heranziehen, nämlich Anrechnung bloß auf den Schenkungspflichtteil, weil Schenkung vorliege, keine Nachschußpflicht nach § 951 ABGB, weil es sich um Vorempfang handle.
Ehrenzweigs Auffassung ist meines Erachtens für manche Fälle auch zu undifferenziert: Bleibt man bei dem von ihm selbst gewählten BeispieP7 eines Heiratsguts trotz ausreichendem Vermögen der Tochter, so kann Ehrenzweig nur in der beschriebenen Weise verfahren. Seine Lösung, die in einer Kombination von Vorempfang und Schenkung besteht, löst aber den Fall nur dann befriedigend, wenn die gesetzliche Vermutung, daß das Heiratsgut als Vorausleistung auf den Pflichtteil gilt, konkret zutrifft. Will der Erblasser jedoch nachweislich die Tochter über den Pflichtteil hinaus begünstigen - dies mag etwa bei Zusammentreffen mit einer gleichzeitig beschenkten sich nicht verheiratenden Tochter der Fall sein58 - , ergibt nur die Behandlung des Heiratsguts als Schenkung die richtige Lösung. Von einer Anwendung des § 788 ABGB, der nur dispositives Recht enthält, ist abzusehen. Im andern Fall ist die Behandlung des Heiratsguts als Vorempfang und damit als antizipierte ErbfolgeSI, nicht aber als Schenkung gerechtfertigt.
51 Vgl. auch die Ausführungen des Berufungsgerichts in OGH 4.11.1930 SZ 12/214: "Es wäre unnatürlich, wenn das eine pflichtteilsberechtigte Kind, ob-
wohl es durch Schenkungen vielleicht schon mehr erhalten hat, als der ganze Nachlaß ausmacht, zum Nachteil der übrigen Kinder, denen der Erblasser zum Ausgleiche den Nachlaß zukommen lassen will, entgegen dem Willen des Erblassers noch den Nachlaßpflichtteil fordern könnte." 57 58 59
II/2, 600.
Vgl. das Beispiel von Weiß in Klang 2 III 945. Im einzelnen unten V. B.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung d) Die Meinung WidmerslO
Gegen die Auffassung, daß anrechnungspflichtige Vorempfänge eine antizipierte Erbfolge darstellen (Antizipationstheorie)~l, hat sich in letzter Zeit WidmeT in einer ausführlichen Untersuchung zum Schweizer Erbrecht gewandt. Nach seiner Ansicht lassen sich die erbrechtlichen Aspekte einer unentgeltlichen Zuwendung nicht so in das lebzeitige Geschäft integrieren, daß sich das gesamte Verhältnis als ein einheitliches Institut präsentier~2. Nach seiner Meinung ist daher der Vorempfang aufzulösen. Er stelle einerseits ein normales Rechtsgeschäft unter Lebenden dar, anderseits bestehe eine durch die Anrechnungspflicht gegebene Beziehung zur Erbfolge, die sich aber erst im Zeitpunkt des Erbfalls erweisen kann~3 und die bis zum Erbgang daher nur "eine Eventualität ohne rechtliche Bedeutung"&4 bleibe. Der Versuch, die erbrechtliche Relevanz vom Zeitpunkt der Zuwendung aus zu beurteilen, sei aussichtslos, da in diesem Zeitpunkt weder Objekt noch Subjekt der späteren Erbfolge ermittelt werden könnten6s • Folgerichtig hält es WidmeT daher auch ohne weiteres für möglich, daß auch Schenkungen der Anrechnung unterliegen. Die Absicht, jemandem eine Vorausgabe auf seinen zukünftigen Erb- oder Pflichtteil zu machen, könne höchstens ein für die Rechtsnatur der Zuwendung unerhebliches Motiv sein, nicht aber zum "Tatbestandsmerkmal des Zuwendungsvertrags" erhoben werden88 • Die retrospektive Betrachtung der Ausgleichspflicht vom Erbfall her ist römischrechtlichen Ursprungs. Schon Leist67 hielt es im römischen Recht für ausgeschlossen, "die Ausgleichung der Kinder auf jenen im Zuwendungsmoment vorhandenen Erbtheilsempfangs-animus des Kindes zurückzuführen". Daß auch Schenkungen für die Ausgleichung in Frage kommen, war den Römern geläufig6S und trifft noch heute auf 10 61
Vgl. auch Steck 93 ff.; SchwendeneT 17; jüngst Piotet insb Dazu schon oben 11. A.
" 67. 63 WidmeT u WidmeT 65 WidmeT 68 WidmeT ~7 357.
344 ff.
109. 110 f. 41, 42. 55,84 f.; vgl. hiezu auch unten IV. F. 1.
68 Insb dos und donatio propter nuptias konnten bei l!'reiwilligkeit Schenkung sein. Ihnen wurde die "simplex donatio" gegenübergestellt, die nur unter gewissen Umständen anzurechnen war: vgl. FTancke 208 f.; bemerkenswert ist aber immerhin, daß die "simplex donatio" gewöhnlich eine zum Erbrecht hinzutretende Begünstigung darstellte: vgl. etwa HöpfneT 547: "wenn die Kinder etwas von den Eltern in der Absicht bekommen haben, daß sie es zum Voraus haben sollen, so conferiren sie es nicht, weil hier die Vermuthung, worauf sich die ganze Collationspflicht gründet, ihre Anwendung verliert. Dahin rechnet man auch die bloßen Geschenke, indem sich annehmen läßt, daß, wenn die Eltern einem Kinde etwas schenken, dieses nach ihrer Absicht das Geschenk zum Voraus haben solle"; auch Fein 225, 250 ff.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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verschiedene Rechtsordnungen, zum Beispiel auf diejenigen Frankreichs und ltaliens69 zu. Mit seiner "römischrechtlichen" Auffassung setzt sich WidmeT allerdings in einen Gegensatz zu einem Großteil der Schweizer Lehre70 • Ginge es nur um die Frage der Anrechnung, hätte das aufgeworfene Problem lediglich theoretische Bedeutung. Denn die Anrechnung zum Erb- oder Pflichtteil kann ohnehin nur nach dem Erbfall eintreten. Es wäre daher insofern praktisch unerheblich, ob man die Kollationspflichtigkeit im Zeitpunkt der Zuwendung oder des Erbfalls beurteilt, und ebenso, ob man von einer ausgleichungspflichtigen Schenkung oder einer Vorausleistung auf den Erbteil spricht. Die Frage hat indessen viel weiterreichende praktische Konsequenzen. Es geht um die Frage der Anwendbarkeit des gesamten Schenkungsrechts. Diese Bedeutung der Frage rechtfertigt es, auf Widmers Argumente einzugehen, wenngleich er seine Ergebnisse offenbar gar nicht auf das österreichische (und deutsche) Recht bezieht, Rechtsordnungen, denen er ohnehin einen "antizipationstheoretischen " Standpunkt zubilligt71 • Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang jenen Akten zu, durch die eine Zuwendung zu einer anrechnungspflichtigen (Anrechnungsanordnung) oder durch die eine anrechnungspflichtige zu einer anrechnungsfreien (Anrechnungserlaß) gemacht wird. Die jeweilige Regelung dieser Frage erlaubt Rückschlüsse auf die Rechtsnatur des Vorempfangs selbst. Ausgehend von der von ihm behaupteten Trennung von lebzeitiger Zuwendung einerseits und erbrechtlicher Relevanz anderseits hält Widmer 72 folgerichtig die Anrechnungsanordnung bei der gewillkürten Ausgleichung (Art 626 ZGB; §§ 790 f. ABGB) materiell für eine letztwillige Verfügung. Die Befugnis zur Anordnung einer Ausgleichung beruhe nicht auf der Freiheit, "mit seinem Vermögen anzufangen, was man will", sondern auf der relativen Freiheit, "mit seinem Nachlaß anzufangen, was man will"73. Die Schwäche der These Widmers wird jedoch gleich sichtbar, wenn er sich bemühen muß, die Formfreiheit gerade dieser letztwilligen Verfügung nachzuweisen und diese Tatsache auch für das Schweizer Recht als "Anomalie" bezeichnen muß14. Vgl. schon oben II. A. Vgl. Müller J. A.; Müller, O. ZBJV 1951, 101 f.; Oser / Schönenberger in Komm z ZGB (Zürich) Art 239 OR Anm 16; überwiegend, wenn auch unentschlossen Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 626 Anm 19; Becker in Komm z ZGB (Bern) Art 239 OR Anm 8; Tuor ZBJV 1925, 16 f.: "keine eigentliche Schenkung"; aA Tuor / Picenoni in Komm z ZGB (Bern) Art 626 Anm 18;' Guisian ZSR 1952, 499 ff.; vgl. auch Angaben in FN 60. 89 70
71 72 73 74
44 ff.; 83 f. 57 ff. Widmer 59; aA Escher in Komm z ZGB (Zürich) Art 626 Anm 2. Widmer 117 ff.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als leb zeitige Zuwendung
Folgt man hingegen der hier vertretenen Auffassung, wonach die besondere Zuwendung als antizipierte Erbfolge automatisch anrechnungspflichtig ist, wenn eine Anrechnung nur überhaupt im konkreten Fall in Frage kommt, ja dieses Merkmal regelmäßig über die Qualität als antizipierte Erbfolge entscheidet, ist die Formfreiheit75 der mit der Zuwendung verknüpften "Anrechnungsanordnung" nur konsequent76 • Denn "wird die Zuwendung von vornherein nur als ein Vorschuß auf den Erb- oder Pflichtteil gewährt, so kann sie der Anwärter nur in diesem Sinn annehmen"n Die Verpflichtung zur Anrechnung ist regelmäßig mit einer derartigen Zuwendung verknüpft, ohne daß man etwa einen - auch von Widmer 7B abgelehnten - zweiseitigen Vertrag hinsichtlich dieser Rechtsfolgen annehmen müßte, bei welchem dem Zuwendungsgeber bezüglich der Ausgleichung die Stellung eines Gläubigers, dem Empfänger die eines Schuldners zukäme79 • Die Ausgleichungspflicht beinhaltet ja gerade nicht die Begründung einer NachlaßforderungBo . Mit der hier vertretenen Auffassung, wonach die Begründung einer Anrechnungspflicht einer Zuwendung Bestandteil dieses Geschäfts und nicht eine gedanklich hievon zu trennende letztwillige Anordnung ist, stimmt sehr gut überein, daß die bisherige RechtsprechungBt, die nunmehr im § 789 neu ABGBB2 einen gesetzlichen Ausdruck fand, auch jene Zuwendungen auf den Pflichtteil anrechnete, die vereinbarungsgemäß als Vorschuß auf den Pflichtteil gegeben wurden. Die Deutung der bei der Zuwendung erfolgten "Anrechnungsanordnung" als Bestandteil der Vereinbarung, einen Vorschuß zu geben, bringt es mit sich, daß solche VorschüsseB2a auch beim Erbteil zu berücksichtigen sind. Die Anrechnung ergibt sich nicht etwa aus einer extensiven Interpretation83 der gesetzlichen Anrechnungsposten des § 790 (§ 788) ABGB, sondern aus der Möglichkeit einer gewillkürten Anrechnung (§ 791 ABGB). 75 Soweit nicht aus anderen Gründen ein Formzwang für das gesamte Geschäft besteht: vgl. unten V. D. 76 So auch die Rechtsprechung: vgl. OGH 24.6.1913 GIUNF 6499; 31. 5. 1905 GlUNF 3639; 11.7.1854 GlU 27; aA 17.8.1851 GH 1857,123. 77 Ehrenzweig 11/2, 379; vgl. auch Weiß in Klang 2 III 925 f.; siehe auch § 2050 Abs 3 BGB. 78 69 ff.; vgl. auch Anders 81: "Anrechnungs-Anspruch und -Pflicht ... erscheinen nicht etwa als ... obligatorische Ansprüche und Verpflichtungen." 79 Der Fall liegt übrigens ganz parallel zur Schenkungsanrechnung nach § 787 Abs 2 ABGB, wo man ja auch keine diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarungen benötigt. 80 Zum Unterschied von Ausgleichung und Erstattung vgl. oben IV. B. 3. a. 81 OGH 27.8.1975 EFSlg 24.740; 15.6.1965 SZ 38/98; 31. 5. 1960, NZ 1962, 76; 5.2.1958 7 Ob 522/57. 82 BGBI 1978/280. 82a Im Ergebnis ähnlich Welser NZ 1978, 163 FN 16. 83 So aber Welser NZ 1978, 162 nach der Neufassung des § 789 ABGB für die Anrechnung beim Erbteil der Kinder.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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Will der Geber eine schon erfolgte Zuwendung - etwa eine Schenkung - im nachhinein zu einer solchen der antizipierten Erbfolge machen, so bedarf er dazu des Einverständnisses des Begünstigten zur Novation des ursprünglichen Rechtsgrundes. Einseitig kann der künftige Erblasser lediglich die Anrechnung letztwillig herbeiführen, indem er die erfolgte Zuwendung, die ihren Rechtscharakter beibehält, entsprechend in seiner letztwilligen Verfügung berücksichtigt oder eine darauf abzielende Teilungsanordnung84 erläßt. Bei der Anrechnung zum Pflichtteil wäre dies nur durch einen nachträglichen Pflichtteilsverzicht möglich. Damit stimmt die herrschende Lehre überein~. Eine gewisse Gegenläufigkeit hiezu liegt darin, daß nach verbreiteter Auffassung das Gegenstück zur Anordnung der Anrechnung, nämlich ihr Erlaß, niemals an die Form einer letzten Willenserklärung gebunden sein soUBe. Die Zu lässigkeit eines formlosen Erlasses ist jedoch meines Erachtens analog zur formlosen Ausgleichsanordnung auf den Zeitpunkt der Zuwendung selbst zu beschränken. Hier kann der Begünstigte die an sich vom Gesetz auszugleichende Zuwendung auch als ausgleichungsfreie annehmen, wenn dies auch den Intentionen des Gebers entspricht87 • Dies muß auch bei der Anrechnung zum Pflichtteil gelten88 : Der Wille der Parteien muß hier Vorrang genießen89 • Die Parteien können, auch wenn einer der im § 788 ABGB genannten Zwecke vorliegt, die Zuwendung schenkungshalber durchführen. Andere Pflichtteilsberechtigte sind durch das Schenkungsrecht, insbesondere die Bestimmungen der §§ 785, 951 ABGB gegen Verkürzungen geschützt90 • Dabei ist besonders bemerkenswert, daß für Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen selbst keine Frist im § 785 ABGB vorgesehen ist91 • Dazu schon oben IH. B. 2. a. Vgl. Gschnitzer, ErbR 69; Ehrenzweig H/2, 379; Anders 80; Unger VI 205; OGH 10.2.1857 GlU 292; unklar ist Weiß in Klang 2 IH, der 937 bei der gewillkürten Erbfolge lediglich eine ausdrückliche Anordnung verlangt, 946 bei der gesetzlichen Erbfolge aber für die Einhaltung der Form eines Erbverzichtsvertrages einzutreten scheint; aA für das Schweizer Recht Widmer 128 f.; übereinstimmend jedoch für das deutsche Recht Lehmann in Staudinger ll § 2050 Anm 18; vgl. auch RG 6.5.1909 RGZ 71, 133. Be Weiß in Klang! IH 939; Ehrenzweig II/2, 512; Anders 80; Stubenrauch I 967 FN 1; Unger VI 203 FN 7; für die Schweiz Widmer 118, der aber interessanterweise nur für den Erlaß, der zugleich bei der Zuwendung ausgesprochen wird, eine befriedigende Erklärung der Formfreiheit findet. 87 Diese Unterscheidungsmöglichkeit übersieht Zoll GZ 1905, 27 ff. (80). 88 Vgl. Weiß in Klang 2 III 923, 925; aA Welser NZ 1978, 163 FN 18; Ehrenzweig II/2, 591; OGH 8. 10. 1913 GlUNF 6593. 89 Vgl. dazu auch oben IV. B. 3. c. 10 Die Bestimmung des § 2316 Abs 3 BGB ist nur scheinbar gegenläufig. Sie dürfte daraus verständlich sein, daß ein Pflichtteilsschutz gegen Ausstattungen, auch wenn sie unter Ausgleichsdispens gegeben würde, doch wegen § 1624 BGB gewöhnlich nicht als Schenkung gilt, so daß eine Klage nach 2325 BGB ohnehin nicht zulässig ist. 84
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Für den nachträglichen Erlaß ist am Erfordernis einer formgerechten letztwilligen Erklärung festzuhalten 02 • Denn dadurch wird die vom Gesetz vorgesehene Nachlaßverteilung wie bei einer sonstigen letztwilligen Anordnung durch den Erblasser verändert. Der ursprüngliche Charakter der Zuwendung als antizipierte Erbfolge bleibt allerdings hier erhalten. Eine formlose spätere Äußerung des Erblassers muß jedoch nicht bedeutungslos sein. Einerseits könnte sie überhaupt Rückschlüsse auf die seinerzeitige Art der Zuwendung erlauben, anderseits kann man mitunter sicher von einer konkludenten Zustimmung des Empfängers zur Neuerung der anrechnungspflichtigen in eine anrechnungsfreie Zuwendung ausgehen. Als Kriterium dafür, ob eine Rechtsordnung Vorempfänge als antizipierte Erbfolge ansieht oder nicht, nennt Widmer03 auch den Umstand, ob die Berechnung der Vorempfänge nach dem Empfangstag und nicht nach dem Tag des Erbfalls erfolgen muß. Danach wäre jedenfalls für das österreichische Recht durch § 794 ABGB der hier vertretene Standpunkt der Antizipationstheorie erhärtet. § 794 ABGB sagt dies zwar ausdrücklich nur für unbewegliche Sachen, doch wird nach überwiegender und durchaus zuzustimmender Auffassung auch für bewegliche Sachen zumindest der Wert der "physischen Beschaffenheit" nach dem Zeitpunkt des Empfangs und nicht dem des Erbfalls herangezogenN • Mehr als fraglich muß aber bleiben, ob dieses Kriterium überhaupt einen Anhaltspunkt über die antizipationsrechtliche Natur eines Vorempfangs in einer Rechtsordnung Aufschluß gibt. Denn genausogut wie man sich bei Wahl des Empfangstags als maßgeblichen Zeitpunkt vorstellen könnte, daß der Erbfall selbst antizipiert wird und daher der Wert zu diesem Zeitpunkt entscheidend sein muß, könnte man argumentieren, daß durch die Hingabe eines Vorempfangs eine erst später fällige Leistung vorgezogen wird, von der fingiert wird, daß sie bis zum Tod des Erblassers noch in seinem Vermögen bleibt und bis dahin alle Wertänderungen mitzumachen hätte. Bei einer solchen Vorstellung wäre 91 Dagegen kennt das Schweizer Recht für Schenkungen nur eine einheitliche Fünf jahresfrist (Art 527 Abs 3 ZGB): so die Vertreter der subjektiven Theorie (vgl. etwa Müller J. A. 114 ff. mwN) , weil diese unter Z 1, die keine Frist kennt, nur die konkret anrechnungspflichtigen Zuwendungen, also Erbvorempfänge, zählen; aA Widmer 94 ff., der ja den Begriff eines Erbvorempfangs ablehnt. 92 So auch Bolla ÖJZ 1951, 290; Krasnopolski-Kafka V 303; schon Zeiller II/2, 819; vgl. auch Lehmann in Staudinger ll § 2050 Anm 18. 03 45 ff., 109 FN 339 (S 46 gibt Widmer übrigens § 794 ABGB falsch wieder); ebenso Vonrufs 48 f., 76; unklar Steck 93 f.; für Österreich vgl. Ehrenzweig II/2, 516; aA offenbar Weiß in Klang 2 III 951; für Deutschland vgl. Lehmann in Staudinger ll § 2055 Anm. 5. 0' Sperl FS Reimer 91 ff.; SchejJknecht NZ 1968, 129 ff.; Ehrenzweig II/2, 516 ff.; für die BRD vgl. jüngst Werner dNZ 1978, 60 ff.; Meincke AcP 1978, 45 ff.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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vom Zeitpunkt des Erbfalls auszugehen95 • Dieser Zeitpunkt kommt übrigens auch in dem von der Rechtsprechung - wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß - entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, daß für die Anrechnung der Vorempfänge als auch des Nachlaßwerts der "gleiche Wertmesser" herangezogen werden muß~. Die gegen den Berechnungstag für den Vorempfang als Kriterium für eine Antizipationstheorie geäußerten Bedenken treffen in gleicher Weise auch gegen jenes Kriterium Widmers 97 zu, das aus dem Anrechnungsvorgang als Real- oder Idealkollation Schlüsse für die eine oder andere Auffassung ableitet. Auch hier würde die bloß wertmäßige Berücksichtigung (Idealkollationl des Vorempfangs die Vorstellung einer Antizipation des Erbfalls, die Einwerfung in Natur die Vorstellung einer lebzeitigen Vorleistung auf das spätere Erbrecht nahelegen. Beide Gesichtspunkte vermögen aber Zuwendungen der antizipierten Erbfolge nicht aus erbrechtlichen Rechtsstellungen heraus zu erklärenD8 • Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß Widmers Darlegungen nicht imstande sind, die bisher vertretene Auffassung des Vorempfangs als antizipierte Erbfolge im hier zugrundegelegten Sinn zu erschüttern. 4. Objektiv-teleologische Gesichtspunkte a) Allgemeines und methodische Fragen Die bisherige aus dem Schenkungsbegriff des § 938 ABGB und dem systematischen Verhältnis des Schenkungsrechts zu den Anrechnungsbestimmungen gezogene Vermutung, daß die Geschäfte antizipierter Erbfolge nicht den Schenkungen zuzuordnen sind, bestätigen sich vollends bei der Suche nach einer Wertungswidersprüche vermeidenden, angemessenen und ausgewogenen Regelung der hier zu besprechenden Fälle von antizipierter Erbfolge anhand objektiv-teleologischer Kriterien 99 • Eine solche Prüfung muß vom Willen der Parteien, von der typischen Parteiabsicht und der Interessenlage der Vertragspartner ausgehen und diese Umstände an den Rechtsfolgen, die sich bei Anwendung - hier - des Schenkungsrechts dann ergeben würden, messen. Die 95 Unrichtig mE Vonrufs 49, der in einem solchen Fall den Zeitpunkt der Hingabe für maßgeblich hält, obwohl er annimmt, daß das Vermögen nach germanisch-rechtlicher Auffassung gar nicht juristisch, sondern nur faktisch aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden sei. 98 Vgl. OLG Wien 24.12.1971 EFSlg 15.552; OGH 24.11. 1966 SZ 39/198; 29.3.1962 SZ 35/42; 25.4.1956 JBl 1956, 403; 23.11.1955 JBI 1956, 339; 12.4. 1935 NZ 1935, 118; 13.11. 1928 SZ 10/261. 97 45 ff., 109 f. FN 339; vgl. auch Lehmann in Staudinger l1 § 2050 Anm 5. 98 Vgl. die Ergebnisse von III. A. u B. 99 Zur Notwendigkeit einer solchen Fragestellung etwa Gschnitzer, AllgT 29 ff.; Larenz, Methodenlehre 322 ff.
8 Eccher
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Unangemessenheit des Schenkungsrechts wird sich dabei in erster Linie am Verhältnis des Begünstigten zu den einzelnen Nachlaßbeteiligten erweisen. Diesem Vorgriff auf das spätere Ergebnis sei noch folgende Bemerkung hinzugefügt. Stellen antizipierte Erbfolgegeschäfte keine Schenkungen dar, so stellt sich, nachdem ja eine spezielle Regelung im ABGB hiefür fehlt, sofort die Frage nach den anwendbaren Vorschriften. Daher wird sich die Notwendigkeit der analogen Heranziehung von Vorschriften ähnlicher Institute ergeben. Dabei wird verschiedenen insbesondere erbrechtlichen Instituten, aber auch wiederum der Schenkung - nämlich in Bereichen, wo sich die Sachverhalte ähnlich sind - hervorragende Bedeutung zukommen. Zum gleichen sachlichen Ergebnis gelangt man, wenn man, von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Schenkungsrechts ausgehend, gewisse Normen des Schenkungsrechts mittels teleologischer Reduktion ausklammert und die so aufgedeckte "verdeckte Lücke" einer differenzierten Lösung zuführt100. Daß es sich dabei - abgesehen von der Ausgangsposition - um ganz ähnliche Denkprozesse handelt, hat insbesondere Canaris 101 treffend dargestellt. Was dann zu entscheiden bleibt, ist letztlich eine terminologische und praktische Frage, ob man trotz Unanwendbarkeit gewisser Schenkungsregeln weiterhin von Schenkung sprechen will oder nicht102 . Der in Angriff zu nehmende Weg deckt sich in weiten Bereichen mit sogenanntem typologischem Denken 103 . Als Konsequenz eines typologischen Verständnisses des Vertragsrechts wird nämlich die Möglichkeit und Notwendigkeit angesehen, "abgestufte Erscheinungen ordnend zu erfassen, durch Reihenbildung Zwischenformen, unterschiedliche Ausprägungsgrade zu berücksichtigen, wo klassenlogisches Trennungsdenken kontradiktorische Gegensätze vorspiegelt oder doch nur alternative Entscheidungen treffen kann"104. Die Aufstellung von Typenreihen erzeugt jedoch noch nicht automatisch die Rechtsfolgen für die Zwischenformenlos, sondern kann lediglich eine "sachliche und rechtstechnische Gesichtspunkte umfassende, wertende Entscheidung" vorbereiten106• Der Wert einer solchen Typenbildung liegt also weniger in einer unmittelbaren Rechtsfindung, als in der "Erkenntnis des inneren sinnhaften Zu100 Vgl. insb Canaris, Lücken insb 82 ff., 151 ff. Lücken insb 87.
101
102
Dazu unten IV. F. l.
103 Vgl. etwa Kuhlen, Denkform; derselbe, Typuskonzeptionen; Leenen; grundlegend Hempel / Oppenheim; siehe auch Ott; Westermann, Vertragsfreiheit; Koller. 104 Leenen 133 f. 105 So richtig Leenen 134 ff. gegen Hoeniger. 106 Leenen 138.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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sammenhanges verschiedener Regelungskomplexe"107 und fördert erst so die weiterhin nötige Auslegung und RechtsfortbildungloB. Die Herausarbeitung typischer Merkmale einzelner relevanter Institute verspricht daher für die systematische Einordnung und Rechtsfindung für antizipierte Erbfolge wertvolle Hilfe. Die logische Struktur des Typus als komparativer BegriffsformlOg, durch die Relationen zwischen zwei oder mehreren Gegenständen hier Rechtsinstituten - ausgedrückt werden, verlangt die Heranziehung zweier oder mehrerer Rechtsinstitute, denen eine Erscheinungsform hier die antizipierte Erbfolge - "mehr oder weniger" nahesteht. Dieser Forderung wird im folgenden dadurch genüge getan, daß Geschäfte der antizipierten Erbfolge nicht bloß in ihrem Verhältnis zur Schenkung, sondern auch ihr Naheverhältniszu anderen Rechtsinstituten betrachtet wird. Da Typen in der Regel, so insbesondere auch die Schuldvertragstypen, nicht bloß durch ein einziges Merkmal bestimmt sind, sondern vielmehr mehrdimensional sind, das heißt einen ganzen Komplex von Merkmalen aufweisen, deren jedes wiederum abstufbar und auf einer durch zwei Endpunkte gebildeten Reihenordnung zu finden ist, ist es erforderlich, die Untersuchung auf ein solches Merkmal einzuschränken llO • Dieser Forderung entsprechen wir im folgenden dadurch, als das Verhältnis des Begünstigten zu späteren Nachlaßinteressenten 1l1 als "tertium comparationis" herausgegriffen wird. Hier läßt sich tatsächlich, ausgehend von dem einen Endpunkt der Reihe, den entgeltlichen Geschäften, die sich Nachlaßinteressenten gegenüber völlig unempfindlich verhalten, 107 LaTenz, Methodenlehre 456. 108 WesteTmann, Vertragsfreiheit 104; beachte auch Ott 142, wonach der Wert der Typologie für die Lösung konkreter Fälle eher bescheiden sei. 109 Kuhlen, insb Typuskonzeptionen 65 ff. wirft der "klassischen Typuslehre" vor, sie verwechsle Typusbegriffe (Ordnungsbegriffe) mit bloß unscharfen Klassenbegriffen; der Versuch, methodisch gesicherte Ergebnisse aus Typuskonzeptionen zu erzielen, sei daher insbesondere auch im Vertragsrecht fehlgeschlagen (168). Er selbst hält offenbar die Vertragstypen des Schuldrechts für - wenn auch unscharfe - Klassenbegriffe, da sie bloß einstellige Prädikate enthielten, nicht jedoch zwei- oder mehrstellige, wie dies bei Ordnungsbegriffen (komparativen Begriffen) nötig sei (38 ff.). Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß dies bei den angeführten Autoren keineswegs verkannt wurde: Vgl. Larenz, Methodenlehre 454 FN 51; Leenen z. B. 180; Koller 22 ff.; im übrigen scheint Leenens (40 ff.) Meinung, daß auch dann, wenn zwar (umgangssprachlich) lediglich ein Positiv (= ein einstelliges Prädikat) gebraucht wird (z. B. dunkel, reich), kein Widerspruch zum ordnenden Begriff vorliegt, wenn ein Bezugspunkt stillschweigend mitgedacht wird. Dagegen scheint vielmehr die Kritik Kuhlens 70 ff., wonach die Frage der Stellenzahl eine rein formale, syntaktische sei, selbst formalistisch. Wird also auch nicht immer ein Bezugspunkt genannt, schließt dies auch mE nicht unbedingt den Gebrauch eines ordnenden, abstufbaren Begriffes aus. 110 Vgl. Ott 62 ff.; Koller 23 f.; Hempel / Oppenheim 21 ff.; 42 f. 111 Zu anderen Merkmalen der antizipierten Erbfolge siehe dann unten V. 8·
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
über die Schenkung, das Vermächtnis bis hin zur Erbfolge eine Reihenordnung erkennen, auf der das angesprochene Merkmal jeweils unterschiedlich stark verwirklicht ist. Für die Typusumschreibung ist nicht bloß auf die Tatbestandsmerkmale, sondern unter anderem auch auf die Rechtsfolgen zu sehen. Dieses Vorgehen gilt als "legitimes Verfahren der Typgewinnung als Vorbereitung wertender Zuordnung"1I2. Hier zeigt sich deutlich die Ähnlichkeit der typologischen Methode mit der anfangs angesprochenen Suche nach objektiv-teleologischen Gesichtspunkten für die Einordnung ins Vertragsrecht. Sie kann nicht ohne die hypothetische (vorläufige) Annahme der Rechtsfolgen des Rechtsinstituts auskommen, dessen Zutreffen gerade geprüft wird. Die folgenden Erörterungen, die sich konkret hauptsächlich mit der Schenkungs- und Vermächtnisregelung befassen, um eine systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge vorzubereiten, können daher insofern typologisch verstanden werden. b) Parteiabsicht uud typische Interessenlage
Der Erblasser, der jemandem etwas im Hinblick auf dessen späteres Erb- oder Pflichtteilsrecht oder auch dessen Vermächtnisanspruchs leistet, rechnet das so Zugewendete bereits zu einem seinerzeit vererblichen Vermögen. Das Geschäft ist Teil seiner sonstigen Nachlaßplanung und stellt einen Vorgriff auf den zukünftigen Nachlaß dar. Dieser Vorgriff soll zwar mit Hilfe der schuldrechtlichen Vertragsfreiheit und der sachenrechtlichen übertragungsarten schon zu Lebzeiten erreicht und damit der spätere Nachlaß im rechtlichen Sinn als Ausgangspunkt der Nachlaßabwicklung erst gebildet werden. Die regelmäßig mit den Zuwendungen der antizipierten Erbfolge verbundenen Wirkungen einer Anrechnungspflicht oder eines Erb- oder Pflichtteilsverzichts sollen jedoch gleichzeitig die konkrete Nachlaßverteilung zu Lasten des Empfängers und zu Gunsten der übrigen Nachlaßbegünstigten beeinflussen. Der Geber will daher den Empfänger - abgesehen vom Zeitpunkt gar nicht über seine Erwartungen aus seinem erbrechtlichen Erwerbstatbestand hinaus begünstigen, sondern eben nur dessen erbrechtliche Chance vorzeitig realisieren. Treffend sagt J. A. Müller113 : "In diesem Fall wollte der Erblasser den Zuwendungsempfänger gar nicht günstiger als seine Miterben behandeln ... " 112 Leenen 181; vgl. auch Larenz, Methodenlehre 287 ff., 450 ff.; Westermann, Vertragsfreiheit 105 f. 113 23, der die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Herabsetzung (= Pflichtteilsergänzung) bei Schenkungen im Gegensatz zu anrechnungspflichtigen Zuwendungen befürwortet.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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c) Die Stellung zu den Nachlaßbeteiligten
Wie schon kurz angedeutet l14 , soll die Frage, wie verschiedene Rechtsinstitute das Verhältnis zu den Nachlaßinteressenten nach dem Tod des Zuwendenden regeln, herausgegriffen werden, um eine Aussage der systematischen Stellung der Geschäfte der antizipierten Erbfolge vorzubereiten. Im einzelnen sollen diese Fragen und noch weitere Rechtsfragen dieser Zuwendungen abschließend im letzten Kapitel (V.) behandelt werden. Lebzeitige entgeltliche Geschäfte des zukünftigen Erblassers sind von der späteren Erbfolge und den Ansprüchen der einzelnen Nachlaßbeteiligten unbeeinftußt. Hier gelangt ja regelmäßig anstelle einer Leistung des Erblassers eine Gegenleistung in dessen Vermögen. Der Vermögensstand und damit auch der spätere Nachlaß bleibt wertmäßig erhalten ll5 • Maßgeblicher Gesichtspunkt für die erbrechtliche Irrelevanz entgeltlicher Geschäfte ist indes streng genommen nicht die Werterhaltung des Vermögens. Sonst müßte ja für Geschäfte, die das Vermögen des Erblassers mindern, für ihn nachteilig sind oder Glücksgeschäfte eine erbrechtliche Relevanz anerkannt werden. Entscheidend ist vielmehr die jedem vom Gesetzgeber eingeräumte Verfügungsfreiheit, sein Vermögen, solange er lebt, zu vermehren oder zu vermindern. Erst an das Ergebnis dieses Handeins im Zeitpunkt des Erbfalls wird dieses Vermögen als Nachlaßvermögen Ausgangspunkt der Erbfolge. Diese lebzeitige Verfügungsfreiheit gilt grundsätzlich auch für Schenkungen. Sogar Schenkungen auf den Todesfall fügen sich diesem Gesichtspunktll8 • Der Gesetzgeber bezieht solche Zuwendungen nur äußerst restriktiv in die Nachlaßabwicklung ein. Diesen Standpunkt des Gesetzes zeigt etwa die völlige Unabhängigkeit der Höhe des Erbteils vom Umfang und dem Zeitpunkt lebzeitiger Schenkungen. Soweit der Pftichtteilsschutz auch gegenüber Schenkungen besteht (§§ 785, 951 ABGB), so legen die Beschränkung dieser Rechtsmittel auf pftichtteilsberechtigte Kinder und Ehegatten, die Ausnahme bestimmter Schenkungen, die Fristbestimmungen und vor allem die Subsidiarität der Inanspruchnahme des Beschenkten nach dem Erben ein beredtes Zeugnis von der Grundeinstellung des Gesetzes ab. Ähnliches gilt für die durch die Bestimmungen über die Gläubigeranfechtung den Nachlaßgläubigern eingeräumten Rechte gegenüber den Empfängern leb zeitiger unentgeltlicher Zuwendungen des Erblassers (§§ 3,8 AnfO; § 29 KO). In einem diametralen Gegensatz zur Rechtsstellung des Empfängers entgeltlicher lebzeitiger Leistungen steht die Rechtsstellung eines Erben. 114 Oben IV. B. 4. a. 115 Besonders deutlich OGH 14.4.1954 SZ 27/105; 18.1.1950 SZ 23/8; weitere E siehe unten IV. B. 4. e. aa. lte Dazu gleich unten IV. B. 4. e. aa.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Er ist primär jene Person, die sich sämtlichen Nachlaßinteressenten, seien sie Pfiichtteilsberechtigte, Gläubiger oder Vermächtnisnehmer, stellen muß (§§ 548, 649, 783, 801 f. ABGBl. Diese Ausformung der Pfiichtstellung des Erben im ABGB ist römischrechtlichen Ursprungs 117 • Kaser 118 vertritt die Meinung, die Erbenhaftung sei im alten Rom schon vor dem Zeitalter der zwölf Tafeln durch positive Gesetzesanordnung eingeführt worden. Die Regelung sollte die Geldgeber vor unvorhergesehenen Verlusten schützen, anderseits aber auch die Kreditfähigkeit des einzelnen besonders im Alter stärken119• Daß die Haftung gerade dem Erben aufgebürdet wurde, findet nach der plausiblen Erklärung Kasers darin ihren Grund, daß in der damaligen bäuerlichen Wirtschaftsform der Hofbesitz mit allem Zubehör in die Hand des Erben überging, während Einzelzuwendungenvon Todes wegen, insbesondere Legate, nur unwesentliche Stücke von der Hauptmasse des Vermögens abzweigten. "Der Leitgedanke, der dafür maßgebend war, wird am ehesten darin gefunden werden können, die Haftung sollte, nachdem man das Erlöschen mit dem Tod des Haftenden einmal als unbillig erkannt hatte, denjenigen treffen, der die Aktiven des hinterlassenen Vermögens erhält; also den Erben 12O ." Diesem kam 117 Vgl. Weiß in Klang 2 III, 49 ff.; Wesener 27 ff. Nach älterer deutschrechtlicher Auffassung hingegen setzte der Erbe nicht die Person des Erblassers fort, er haftete daher für nicht höchstpersönliche Schulden des Erblassers nur mit den vom Erblasser erworbenen Sachen, niemals mit seinem eigenen Vermögen: Vgl. Mitteis / Lieberich 169 ff.; Planitz 248 f.; Schwerin 295 f.; Schreuer 477 ff.; Stob be 49 ff.; Sydow 330 ff. Nach dem Sachsenspiegel (hiezu insb Sydow 330 ff.) haftete der Erbe nur mit Fahrnissen, nicht mit Liegenschaften. Praktisch war die Möglichkeit der Heranziehung des Erben für den Gläubiger noch durch die schwierige Beweisführung gegenüber dem Erben und die jeweilige differenzierte Haftung je nach dem Rechtsgrund der Forderung beschränkt. Nach dem Schwabenspiegel und der weiteren Entwicklung wurde die Erbenhaftung dann für sämtliche Forderungen, die nicht höchstpersönliche Schulden des Erblassers waren, und mit dem gesamten Nachlaß erweitert in sb auch auf Liegenschaften. Die Haftung blieb jedoch immer auf den Nachlaß beschränkt. Erst unter dem Einfluß des römischen Rechts - Stobbe 52 legt allerdings Wert darauf, daß dies mancherorts auch ohne römischrechtlichen Einfluß geschah - entstanden da und dort Systeme mit grundsätzlich unbeschränkter Erbenhaftung. 118 AHDO-RIDA 1952 I 526 ff. (542 ff.); vgl. auch derselbe, Römisches Privatrecht I 151; beachte aber auch die Meinung von Mitteis (unten FN 120). 119 Kaser AHDO-RIDA 1952 I 527. 120 Kaser AHDO-RIDA 1952 I 521; auch wenn man etwa mit Mitteis, Reichtsrecht 97 ff. das Prinzip des römisch-rechtlichen universellen Schuldübergangs der Römer nicht auf eine positive Normierung zurückführt, sondern diese als Essentiale der Erbenstellung, die wiederum in den Familienbeziehungen wurzelt (heredes sui!), ansieht, läßt sich die Aufrechterhaltung des Prinzips der Erbenhaftung in der weiteren geschichtlichen Entwicklung und vor allem seine Ausdehnung auf Erben außerhalb der Familie (heredes extranei!) auch nur mit jener Vorstellung verstehen und rechtfertigen, daß der Empfänger der Aktiven des Erblassers am ehesten geeignet erscheint, auch die Passiven zu begleichen.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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dabei das römischrechtliche Prinzip der Generalsukzession 121 in das Erblasservermögen entgegen, während sich etwa im deutschen Recht der Nachlaß bekanntlich in mehrere Sondervermögen aufspaltete, die verschiedenen Begünstigten zufielen. Der Gedanke, denjenigen für die Nachlaßverbindlichkeiten einstehen zu lassen, der auch das Aktivvermögen des Erblassers übernimmt, läßt sich als Grundidee der materiellen ErbensteIlung bis auf den heutigen Tag verfolgen. Wenn auch die Schulden des Erblassers ohne Rücksicht auf die Höhe des Nachlasses übergehen, bildet doch das zugleich übertragene aktive Vermögen die substantielle Grundlage für die umfassende Erbenhaftung 122 • Gerade bei dieser Rechtskonstruktion ist die Einbeziehung des Erblasservermögens in das Nachlaßverfahren notwendige Voraussetzung für das Funktionieren der "vom Gesetzgeber zweifellos beabsichtigten Sonderordnung der an den Tod eines Menschen geknüpften privatrechtlichen Wirkungen"123. Wäre es hingegen so, daß die erbrechtliche Verpflichtung nur als "passives Akzessorium"124 erschiene, das mit dem Eigentum oder einem sonstigen Recht verknüpft ist, und daß der Erbe nur insoweit verpflichtet ist, als er tatsächlich die betreffende Sache oder das betreffende Recht erwirbt, wäre das Funktionieren dieses erbrechtlichen Haftungssystems ganz unabhängig davon, ob der Erbe nun relativ viel oder wenig des Erblasservermögens erhält. Schon früh erkannten die Römer, daß das System der Haftungszuweisung an den Erben ungleichgewichtig wird, wenn durch umfangreiche Vermächtnisse der Erbe nur mehr einen kleinen Teil der Verlassenschaft tatsächlich erhält, trotzdem aber für die Nachlaßverbindlichkeiten aufkommen muß. Um ihn in solchen Fällen überhaupt zur Erbschaftsannahme zu motivieren, wurde den Erben ein gewisser Anteil am Erbenvermögen garantiert125 : Die Lex Falcidia aus dem Jahre 40 vor ehr. ordnete an, daß dem Erben jedenfalls ein Viertel seiner Erbportion bleiben müßte, widrigenfalls Vermächtnisse und sonstige Vergabungen auf den Todesfall verhältnismäßig zu kürzen wären. Bei deT Berechnung1'26 dieser dem Erben vorbehaltenen "falcidischen Quart" des Nachlasses wurde dem Vermächtniswert der Wertbetrag der Erbquote gegenüber gestellt. Da zur Berechnung dieser Erbquoten die Passiven 121 122 123 124
Zum Begriff vgl. Wesener 2l. Vgl. Boehmer Erbfolge 105; derselbe, übergang 387; Kipp / Coing 514 f. Boehmer in Staudingerll V Einleitung § 24 Anm 22. Boehmer, Erbfolge 107. 125 Zu den als "unbeholfen" bezeichneten Rechtsmitteln der Lex Furia testamentaria aus der Zeit zwischen 204 u 169 v. Chr. u der Lex Voconia vom Jahr 169 v. Chr. vgl. Kaser, Römisches Privatrecht I 756. 128 Zur Berechnung siehe etwa Koeppen 758 ff.; Kaser, Römisches Privatrecht I 757.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
vorher abgezogen wurden, verblieb dem Erben nach Gegenüberstellung mit dem Vermächtniswert jedenfalls ein Viertel des reinen Nachlasses. Dieses System kam daher in erster Linie dem Erben selbst zugute. Aber auch die Vermächtnisnehmer selbst profitierten von dieser Vorschrift, da bei Ausschlagung durch den eingesetzten Erben die Intestaterbfolge unter gleichzeitiger Entkräftung aller testamentarischer Anordnungen und damit auch aller Vermächtnisse eingetreten wäre (testamentum desertum)11!7. Im Ergebnis kann man sagen, daß auch in Rom Gläubigeranspruche die Vermächtnisse mindern oder aufheben konnten 128 . Das geltende österreichische Recht trägt dem Bedürfnis einer Einbeziehung des Vermächtnisnehmers bei Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten ebenfalls Rechnung, wenn es auch gesetzestechnisch anders vorgeht1!9. Dabei spielt aber genauso der Gedanke, daß jene, die "den guten Tropfen haben, ... auch den bösen genießen" sollen130. Das ABGB und die österreichische Rechtsprechung versuchen, den Vermächtnisnehmer selbst für die Nachlaßverbindlichkeiten wenigstens indirekt haftbar zu machen. So normiert das ABGB für die Erfüllung der Ptlichtteilsansprüche eine verhältnismäßige Beitragsptlicht von Erben und Vermächtnisnehmern (§ 783 ABGB)131, für sonstige Gläubigeransprüche eine Beitragsptlicht des Vermächtnisnehmers subsidiär nach der Heranziehung des Erben (§§ 692 f. ABGB)l31. Hier wird die eigenständige Position der Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers zu den Nachlaßinteressenten sichtbar. Sie hebt sich einerseits von der Ptlichtstellung eines Erben ab, unterscheidet sich aber auch von den Empfängern lebzeitiger Zuwendungen. d) Vergleich zwischen einem Vermächtnisnehmer und einem Beschenkten
Den beiden als Endpunkte in der nach dem Merkmal der Stellung zu den NachlaßbeteiIigten aufgestellten Reihenordnung l32 , den entgeltlichen Geschäften einerseits, der Erbfolge im engeren Sinn anderseits, steht die antizipierte Erbfolge von vornherein fern. Bei Vorhandensein von Gegenleistungen scheidet eine antizipierte Erbfolge regelmäßig aus l33 . Mangels einer die Erbfolge kennzeichnenden Universal- und Generalsubzession zu Lebenzeiten liegt auch die Rechtsstellung eines Erben 127 Vgl. Kaser, Römisches Privatrecht I 757; Pfaff / Hofmann, Commentar II 521; anders heute das ABGB § 726. 128 Vgl. Unger VI 361 FN 4. 129 Zur Ablehnung der Einführung einer "Lex Falcidia" ins ABGB vgl.
Pfaff / Hofmann, Commentar II 521 f. 130 Brecher GZ 1902, 403.
131 Dazu gleich unten IV. B. 4. d. 132 Vgl. oben IV. B. 4. a. 133 Vgl. unten IV. C. 1.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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fern l34 • Umsomehr Bedeutung kommt daher dem Schenkungs- und Vermächtnisrecht für die rechtliche Behandlung antizipierter Erbfolge zu. Daher sei auf die maßgeblichen Unterschiede dieser Rechtsinstitute speziell eingegangen.
aal Das Verhältnis zu den Erben Grundsätzlich vermindern sowohl Vermächtnisse als auch Schenkungen in gleicher Weise den Erbteil. Rechtstechnisch wird der Erbteil durch Schenkungen dadurch eingeschränkt, daß der zur Zeit des Todes vorhandene Nachlaß durch die Schenkungen bereits vermindert erscheint, während die Vermächtnisansprüche erst aus dem Nachlaß zu entrichten sind. Die Erben können grundsätzilch weder Schenkungen noch Vermächtnisse verhindern. Schenkungen sind in der Regel unwiderruflich (946 ABGB>, Widerrufsmöglichkeiten sind zum Teil höchstpersönliche Rechte des Erblassers (§ 947 ABGB t35), zum Teil stehen sie nicht dem Erblasser und damit auch nicht den Erben ZU 138 • übrig bleibt höchstens der Widerruf wegen groben Undanks (§ 948 ABGB 137), der auch vom Erben noch geltend gemacht werden könnte. Auch Vermächtnisse kann der Erblasser grundsätzlich nicht aufhalten, er muß sie bei unbedingter Erbserklärung sogar mit seinem Privatvermögen erfüllen (§ 801 ABGB), bei bedingter Erbserklärung soweit, als der Nachlaß dazu ausreicht (§ 692 ABGB).
bb) Das Verhältnis zu den Pflichtteils berechtigten Wenn der Pflichtteil des Berechtigten nicht oder nicht vollständig ausgemessen wurde, müssen Erben und Vermächtnisnehmer verhältnismäßig zum Pflichtteil beitragen (783 ABGB 138). Nach nunmehr eindeutiger Ansicht in Lehre und Rechtsprechung139 ist die Beitragspflicht des Vgl. etwa Lange, Erbrecht 463; weitere Hinweise unten FN 201 Schluß. AA Weiß in Klang'! III 44. 136 In § 950 ABGB den Unterhaltsberechtigten; in § 951 ABGB den Pflichtteilsberechtigten. 137 Dazu auch noch unten V. H. 138 Vgl. auch § 2318 BGB; die verhältnismäßige Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer findet daher dann nicht statt, wenn der Pflichtteil in Gestalt eines Erbteiles oder Vermächtnisses, wozu insbesondere der Fall gehört, daß der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten testamentarisch auf den Pflichtteil setzte (vgl. OGH 28.3.1972 SZ 45/36; 19.3. 1929 SZ 11/71), dem Noterben zugedacht ist und dieser nicht etwa die Erbschaft oder das Vermächtnis unter Vorbehalt des Pflichtteils ausschlägt: vgl. Weiß in Klang 2 III 1008 ff.; vgl. auch schon oben III. A. 4; als Erbe und Vermächtnisnehmer unterliegt ein Pflichtteilsberechtigter dann den jeweils geltenden Vorschriften. 139 Koziol/ Welser II 283; Gschnitzer, ErbR 88; Ehrenzweig II/2, 580; Wolf! 377; Anders 132; Krasnopolski / Kafka V 235; Stubenrauch I 954 u FN 4; Unger VI 358 f., 361 f. FN 4 mit ausführlicher Begründung und Ablehnung 134
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Vermächtnisnehmers nicht davon abhängig, daß die Erben die Pftichtteilsansprüche zunächst aus ihren Erbteilen, bei unbedingter Erbserklärung aus ihrem gesamten Vermögen, soweit als möglich erfüllt haben, sondern Erben und Vermächtnisnehmer haften zugleich nach dem Verhältnis des ihnen aus dem Nachlaß Zukommenden l40 • Ganz anders ist dagegen die Stellung eines zu Lebzeiten Besch€nkten. Ein Pftichtteilsberechtigter kann nur unter der Voraussetzung der Hinzurechnung einer Schenkung zum Nachlaß auf Verlangen eines pftichtteilsberechtigten Kindes oder Ehegatten (§ 785 AGB) und nur bei nicht zureichender Verlassenschaft - also auch nach Aufzehrung eventueller Vermächtnisse - den Beschenkten in Anspruch nehmen (§ 951 ABGB). Eine unbedingte Erbserklärung hindert allerdings den Anspruch gegen den Beschenkten nicht, auch wenn der Erbe außer dem Nachlaß ausreichendes Privatvermögen besäße l41 • Genauso wie der Vermächtnisnehmer 142 ist auch der selbst pftichtteilsberechtigte Beschenkte (§ 951 Abs 2 ABGB) nur bezüglich des darüber hinausgehenden Betrags beitrags-(herausgabe-)pftichtig. Die Bevorzugung des Beschenkten gegenüber dem VermächtIiisnehmer besteht daher einmal in der Beschränkung der Hinzurechnungsmöglichkeit von Schenkungen zum Nachlaß, wobei hier die Art der Schenkung und die Einhaltung von Fristen entscheidend ist, sowie in der Subsidiarität seines Einstehens erst nach Erschöpfung des Nachlasses. der Gegenmeinung; Winiwarter 365 ff.; Hoffbauer Jurist 1841, 410 ff.; OGH 19.3.1929 SZ 11/71; schon 28.1.1851 GZ 1856, 134: "Die einzige annehmbare Vermuthung ist aber jene, daß der Erblasser für diesen Fall alle diejenigen, welche etwas von seinem Nachlasse erhalten, zur Befriedigung des von ihm übergangenen Notherben verhältnismäßig beizutragen verpflichten wolle"; aA Prockner Wagners Z 1837 II 315 ff.; Zeiller II/2, 800 f. Die Gegenmeinung läßt sich auch nicht aus dem historischen Werdegang des § 783 ABGB ableiten, wenngleich sich auch für die hA daraus keine eindeutige Aussage ergibt (vgl. Ofner I 480 ff., II 552): Die in Urentwurf II § 586 klar zum Ausdruck kommende Stellungnahme in Richtung einer verhältnismäßigen und von der Erschöpfung der Erbteile unabhängigen Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer wurde bei der Revision beibehalten, ein darauf abzielender Vorschlag des innerösterreichischen Appellationsgerichtes wurde mehrheitlich nicht berücksichtigt (Dfner I 480 ff.). Ebenso wurde ein ähnlicher Vorstoß Pratobeveras bei der Superrevision abgelehnt (Dfner II 552). Doch war man offenbar hier der - im Text nicht verwirklichten - Meinung, daß nicht pflichtteilsberechtigte Erben primär für die Pflichtteile aufkommen müßten. Weiß in Klang 2 III 895 f. u die 2. Instanz der E OGH 19.3.1929 SZ 11/71 legen den geschilderten Werdegang ebenfalls so wie hier aus. 140 Weiß in Klang 2 III 895 f. und ihm folgend der OGH 15.3.1967 SZ 40/38 vertreten sogar einen unmittelbaren Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer: vgl. dazu genau unten V. B. 141 Gschnitzer, ErbR 93; die gegenteilige Ansicht kann mE auch nicht aus OGH 3. 2. 1965 EvEl 1965/399 herausgelesen werden. 142 Vgl. Unger VI 361 Anm 4.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge ce) Das
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Verhältnis zu den Gläubigern
Nach den §§ 692 f. ABGB steht dem Erben den Vermächtnisnehmern gegenüber ein Abzugsrecht zu ,wenn die Verlassenschaft zur Bezahlung der Schulden nicht ausreicht l43 • Dies gilt aber nur dann, wenn der Erbe die bedingte Erbserklärung abgegeben hat. Andernfalls haftet der Erbe unbeschränkt, eine Heranziehung des Vermächtnisnehmers scheidet aus (§ 801 ABGB l44). Für Erblasserschulden haftet der Vermächtnisnehmer nach dem Wortlaut des § 662 ABGB außerdem insoweit, als der Vermächtnisgegenstand "verpfändet oder belastet" ist. Im Einklang mit der nunmehrigen Rechtslehre sind unter Lasten nicht nur dingliche sondern auch obligatorische zu verstehen145 • Ein Beschenkter haftet ohne etwaige rechtsgeschäftliche Schuldenübernahme für Verbindlichkeiten des Schenkers grundsätzlich nicht, es sei denn, es handelt sich um dingliche auf der geschenkten Sache haftende Lasten. § 1409 ABGB148 normiert allerdings eine gesetzliche Haftung des übernehmers eines Unternehmens oder Vermögens. Die Haftung ist jedoch eingeschränkt auf solche Schulden des übergebers, die zum Vermögen oder Unternehmen gehören und die der übernehmer kannte oder kennen mußte. Außerdem haftet der übernehmer hier nur neben dem Veräußerer, dessen Haftung weiter aufrecht bleibt und eventuell auf seine Erben übergehen kann. Die von § 1409 ABGB normierte Haftung des übernehmers trifft also nur einen Teilbereich der von einem Erben zu tragenden Schulden und bringt dem über geber keine endgültige Entlastung. Neben dieser Haftung kann auch eine Heranziehung des Beschenkten durch einen Gläubiger des Schenkers nach den Anfechtungsbestimmungen außerhalb und innerhalb eines Konkurses l47 entstehen. Nach der Anfechtungsordnung (Konkursordnung) kommt entweder die Anfechtung wegen Benachteiligungsabsicht (§ 2 AnfO; § 28 KO) oder die Anfechtung unentgeltlicher oder diesen gleichgestellter Verfügungen (§ 3 AnfO; 29 KO) in Betracht. Die weiteren Anfechtungstatbestände der AnfO und KO haben in diesem Zusammenhang weniger Bedeutung148 • Die Anfechtung kann zwar auch Rechtshandlungen betreffen, die vor dem Entstehen der Forderung gesetzt wurden 149 , doch können Gläubiger Dazu noch unten V. C. 3. b. Vgl. Gschnitzer, ErbR 82; Weiß in Klang 2 111 633; Ehrenzweig 11/2, 542. 145 Dazu genau unten V. C. 3. a. 148 Dazu genauer unten V. C. 2. b. 147 Vgl. dazu genau unten V. C. 2. a. 148 § 2 Z 4 AnfO u § 28 Z 4 KO setzen Entgeltlichkeit voraus; §§ 30 u 31 KO betreffen in der Hauptsache nicht Rechtsgeschäfte der antizipierten Erbfolge. 149 Vgl. etwa OGH 10.12. 1958 JBI 1959, 215; 17.3.1954 SZ 27/67. 143
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
von Erbgangsschulden, das sind solche Schulden, die aus Anlaß des Todes des Erblassers entstehen (z. B. Todfallskosten) nicht lebzeitige Rechtsgeschäfte des Erblassers anfechten. Ihnen steht ja nicht der Erblasser durch seinen Rechtsnachfolger, sondern der Nachlaß als Schuldner gegenüber. Vergleicht man nun die Haftung des Vermächtnisnehmers nach § 662 ABGB mit jener des leb zeitigen Empfängers nach § 1409 ABGB, so steht letzterer insofern besser, als neben ihm der Übergeber weiterhaftet und ihn außerdem nur eine Haftung für solche Schulden trifft, die er kannte oder kennen mußte. Die Haftung des Vermächtnisnehmers nach §§ 692 f. ABGB und die des Beschenkten nach den Anfechtungs(Konkurs-)bestimmungen gleichen sich insofern, als beide nach diesen Bestimmungen nur subsidiär nach dem Erben herangezogen werden können. Für die Anfechtung ist erfolglose Exekution in das Vermögen des Schuldners, für die Inanspruchnahme des Vermächtnisnehmers mangelnder Nachlaß, bei unbedingter Erbserklärung mangelndes Erbenvermögen Voraussetzung I50 • In beiden Fällen wird der Empfänger frei, soweit er nicht mehr bereichert ist (§ 13 Abs 3 AnfO; § 39 Abs 2 KO; § 693 ABGB I51 ). Diese Vorschrift kommt natürlich dem Beschenkten in der Regel mehr zugute, weil er seine Zuwendung ja viel früher erhält. Der Fall, daß der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis bereits empfangen hat (§ 693 ABGB) , wird dagegen relativ selten sein. Vielmehr dürfte hier die Kürzung der Vermächtnisse vor ihrer Erfüllung (§ 692 ABGB) die Regel sein. Die Anfechtungsmöglichkeit des Beschenkten ist darüber hinaus in gewissen Fällen durch subjektive Voraussetzungen (§ 2 AnfO; § 28 KO), immer aber durch die Einhaltung von Fristen beschränkt. Darüber hinaus kennt § 3 AnfO (§ 29 KO) Ausnahmen der anfechtbaren unentgeltlichen Zuwendungen. Übereinstimmung besteht dagegen wieder darin, daß im Verlassenschaftskonkurs und -ausgleich (§ 57 Abs 3 KO; § 27 Abs 3 AO) Ansprüche sowohl aus Schenkungen als auch aus Vermächtnissen nicht geltend gemacht werden können. Auch hier ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Schenkung in der Regel bereits zu Lebzeiten vollzogen ist.
dd) Zwischenergebnis Als Ergebnis läßt sich die Aussage rechtfertigen, daß ein vom Erblasser Beschenkter eine weitaus bessere Rechtsposition zu den verschiedenen Nachlaßbeteiligten hat, als dies für einen vom Erblasser eingesetzten Vermächtnisnehmer der Fall ist152 • 150 Vgl. oben FN 144. 151 Vgl. hiezu Weiß in Klang 2 III 641 FN 7; Pfaff / Hofmann, Commentar II 533 u FN 8. 152 So auch das Ergebnis entsprechender Gegenüberstellungen für die BRD bei Finger NJW 1972, 497 f.; Lange, Erbrecht 461 ff.; Boehmer in Staudinger l1 V Einleitung § 24 Anm 22; Dorow 69 ff.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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e) Exkurse
An dieser Stelle erscheint es zweckmäßig, auf zwei in der Frage der Anwendung von Schenkungs- oder Vermächtnisrecht umstrittene Rechtsfiguren, nämlich die Schenkung auf den Todesfall und den Lebensversich.erungsvertrag mit einer Drittbegünstigungsklausel auf den Todesfall, einzugehen. Jedes der angeschnittenen Probleme kann schließlich zur Klärung dessen beitragen, worauf es dem Gesetzgeber für die Anwendung des einen oder anderen Rechtsinstituts ankommt. Daraus werden sich Gesichtspunkte für die rechtliche Behandlung der Rechtsgeschäfte der antizipierten Erbfolge ergeben.
aa) Die Schenkung auf den TodesfaU Wie oben schon kurz angedeutet m , steht auch die unwiderrufliche Schenkung auf den Todesfall (§ 956 2. Fall ABGB) in einer Reihe mit jenen Geschäften, die es dem Erblasser zu Lebzeiten ermöglichen, das den Nachlaßinteressen zur Verfügung stehende Vermögen festzulegen. Nach der überwiegenden Auffassung in Lehre und Rechtsprechung kommt dem auf den Todesfall Begünstigten auch im Zuge der Nachlaßabwicklung die Rechtsstellung eines Nachlaßgläubigers zu, dessen obligatorischer Anspruch auf Schenkungserfüllung als Passivum den Nachlaß vermindert. Es besteht also kein Unterschied zu einem sonstigen Beschenkten, wenn die Schenkung aus irgend einem anderen Grund als dem, daß die Erfüllung der Schenkung gerade mit dem Tod des Erblassers bedingt oder befristet wurde154 noch nicht erfüllt wurde. Als Beschenkter kommt der Begünstigte in jene günstige Rechtsposition zu den Nachlaßinteressen, die bereits oben 155 umrissen wurden 158. Oben IV. B. 4. C. Beide Fälle sind in § 956 2. Fall ABGB gedeckt: vgl. Ungenr VI 324, 332 FN 22; vgl. auch unten im Text. 155 Oben IV. B. 4. d. 156 Koziol / Welser II 279; Stanzl in Klang 2 IV/I, 632; Swoboda in Klang 1 II/2, 654 f.; Bartsch 80; Anders 122 f.; OGH 4.4.1962 EvBl 1962/285; 9.4.1890 GlU 13.243; 1. 6. 1886 GlU 11952; 11.2.1868 GlU 2987. Stanzl in Klang2 IV/I, 632 (vgl. aber 630) unter Hinweis auf Ehrenzweig FS ABGB II 667 u. Koziol / Welser II 283 (vgl. auch 279, 286) unter Hinweis auf Ehrenzweig II/2, 566, 588 vertreten jedoch die Auffassung, daß die Schenkung auf den Todesfall zum Unterschied von anderen Nachlaßpassiven nicht zur Pflichtteilsermittlung dem Nachlaßwert abzuziehen sei, daher auch nicht uU nach § 785 ABGB dem Nachlaß hinzuzurechnen sei. Diese Auffassung steht aber mit § 786 ABGB, wonach nur Vermächtnisse und andere auf dem letzten Willen (!) beruhende Lasten nicht abzuziehen sind, in Widerspruch. Für Ehrenzweig (hiezu gleich unten im Text) ist diese Auffassung jedoch nur folgerichtig, da er ja im Gegensatz zu dem Genannten überhaupt die Meinung vertritt, daß dem auf den Todesfall Beschenkten nach dem Tode des Erblassers die Stellung eines Vermächtnisnehmers zukommt; praktisch hätte die Meinung von Koziol/ Welser und Stanzl zur Folge, daß die Höhe der Pflichtteilsansprüche durch Schenkungen auf den Todesfall immer und nicht bloß wenn pflicht153
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Neumann-Ettenreich 157 und Schiffner158 unterscheiden demgegenüber auch danach, ob eine betagte Schenkung auf die Todeszeit vorliege, die nach den allgemeinen Schenkungsregeln zu beurteilen sei, oder ob die Zuwendung zusätzlich vom überleben des Begünstigten abhängig sei und diesem zu Lebzeiten des Gebers lediglich eine Anwartschaft auf einen Rechtserwerb von Todes wegen verschaffe, ohne den Erblasser in seiner leb zeitigen Verfügungsfreiheit einzuschränken. Auch die zuletzt genannte Konstruktion sei durch § 9562. Fall ABGB gedeckt. Diese Bestimmung unterscheide sich nämlich nur in der Frage der Widerruflichkeit und der Form vom 1. Fall des § 956 ABGB, folge aber im übrigen genauso den Vorschriften über Vermächtnissen. Neumann-Ettenreich 159 lehnt nun zwar die Zu lässigkeit von Vermächtnisverträgen, wie sie Schiffner 160 vertreten hat, ab: Der Gesetzgeber, der den abstrakten Erbvertrag nur zwischen Ehegatten zulasse (§ 1249 ABGB) , habe durch sein Schweigen über den Vermächtnisvertrag keineswegs "dem abstrakten Vermächtnisvertrage eine schrankenlose Geltung einräume[n]" wollen161 • Die vom Gesetzgeber eingeschränkte Möglichkeit bindender letztwilliger Verfügungen könnte durch Vermächtnisverträge leicht umgangen werden. Diesen folgerichtigen Ansatz höhlt Neumann-Ettenreich jedoch wieder aus, wenn er die Schenkung auf den Todesfall als einen vom Gesetzgeber zulässigen konkreten Vertragstyp über Zuwendungen aus dem künftigen Nachlaß ansieht. Denn unentgeltliche Einzelzuwendungen von Todes wegen stellen sicherlich den Großteil aller Vermächtnisse dar, hinter denen etwa die Fälle entgeltlicher Vermächtnisse weit zurückstehente!. teilsberechtigte Kinder oder ein pflichtteilsberechtigter Ehegatte vorhanden sind, die die Hinzurechnung nach § 785 ABGB verlangen können, unbeeinflußt bleibt: anders ausdrücklich Gschnitzer, ErbR 92; Weiß in K~ang! III 910; OGH 16.9.1971 EvBI 1972/184; nur so ist auch erklärbar, daß eine allfällige Anrechnung nach § 787 Abs 2 ABGB und nicht nach § 788 ABGB stattfindet (vgl. oben III. A.4.). - Die Kontroverse wurde nunmehr vom Gesetzgeber des Jahres 1978 (BGBl280) in dem hier vertretenen Sinn entschieden. Der neugefaßte Text des § 785 Abs 1 ABGB spricht nur mehr von "Schenkungen des Erblassers" und nicht mehr wie früher von "Schenkungen ... , die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat"; aus der Begründung hiezu (916 BlgNR 14. GP 6) geht eindeutig hervor, daß der Gesetzgeber zu den Schenkungen in § 785 Abs 1 ABGB auch jene auf den Todesfall zählte; trotzdem aA jüngst We~ser NZ 1978, 166; Koziol / WeIser, Ergänzung 18 f. 157 FS ABGB I 565 fl. 158 Vermächtnisvertrag; ihm folgend auch Wolff 358. m FS ABGB I 570 fl. 160 Vermächtnisvertrag insb 44 fl. 181 FS ABGB I 572. 182 Die Entgeltlichkeit eines Vermächtnisses kann entweder in ihrer konditionalen oder kausalen Verknüpfung mit einer Leistung des Begünstigten bestehen: vgl. Koziol/ We~ser I 312; Weiß in K~ang! III 214 f.; Weisl ÖJZ 1961, 514 f. hält sogar eine synallagmatische Verknüpfung für möglich; dies würde jedoch die einseitige Widerrufsmöglichkeit beschränken. - Entgeltlich ist auch das sog legatum venditionis: Hiezu Weiß in Klang! III 214. .
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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Die Auffassung von Schiffner und N eumann-Ettenreich, wonach § 956 2. Fall ABGB neben der Schenkung auf die Todeszeit auch eine als Vermächtnisvertrag ausgestaltete Schenkung auf den Todesfall enthalte, ist daher abzulehnen. Auch die von Schiffner als hauptsächlichstes Argument angeführte Redaktionsgeschichte der §§ 602, 603, 956 und 1249 ABGB läßt klare Aussagen nicht zum. Gegen die Auslegung, daß § 956 2. Fall ABGB auch einen "Vermächtnis"-Vertrag enthalte, spricht aber auch dessen Wortlaut: Daß das Wort "Vertrag" hier ohne Zweifel "Schenkungsvertrag" heißen soll, erhellt aus der Anreihung des § 956 ABGB an die übrigen Schenkungsbestimmungen der §§ 938 ff. ABGB sowie aus der Textierung selbst: Darin wird von Schenkung, Schenkendem und Beschenktem gesprochen. Alle dem § 956 2. Fall ABGB entsprechenden Vereinbarungen stellen daher Schenkungen dar, gleichgültig, ob das Recht des Begünstigten lediglich befristet und dann auch bei dessen Vorversterben vererblich oder zusätzlich noch durch das überleben des Begünstigten bedingt ist. Dem Beschenkten steht ab dem Vertragsschluß ein befristetes (und bedingtes) Recht zu, dessen Verletzung durch Schadenersatzpflichten sanktioniert ist und den zukünftigen Nachlaßwert vermindert. Gegen die verschiedene Behandlung der Schenkung auf die Todeszeit und derjenigen auf den Todesfall im Sinne der Lehre Schiffners und Neumann-Ettenreichs hat zudem Ehrenzweig l64 plausibel Stellung genommen. Er findet es zu Recht eine "arge Verkehrtheit"165, diesen verhältnismäßig untergeordneten Umstand der überlebensbedingung zum Angelkunkt dafür zu machen, ob die Regeln über Verfügungen von Todes wegen oder jene unter Lebenden heranzuziehen seien. Es sei dann in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob die geschenkte Sache zum Nachlaßvermögen zu zählen sei oder nicht. Die Parteien hätten sich jedoch nur in den wenigsten Fällen überlegt, was zu geschehen hätte, sollte der Beschenkte - was oft ganz unwahrscheinlich erscheint - den Schenker nicht überleben. Hat nun der Beschenkte den Schenker überlebt, sei es für den Richter meist ganz unmöglich, im nachhinein diese Frage zu klären.
Ehrenzweig schlägt seinerseits vor, jede unwiderrufliche Schenkung auf den Todesfall dem Schenker gegenüber als Schenkung, nach dessen Tod aber dem Nachlaß gegenüber als Vermächtnis zu behandeln. De lege ferenda befürwortet er dies sogar auch für jene Schenkungen, die nicht erst nach dem Tod erfolgen sollen, sondern auch für andere Schen183 Vermächtnisvertrag 7 ff.; vgl. dagegen die Besprechung Ofners Grünhuts Z 1892, 527 ff. 1M II/2, 562 ff.; derselbe FS ABGB II 625 fI. 185 FS ABGB II 631.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
kungsversprechen, die aus irgend einem Umstand beim Tod des Schenkers noch nicht erfüllt sind l68 • Der Vorschlag Ehrenzweigs ist für ihn selbst allerdings keine zwingende Folge aus dem Gesetz, sondern eine auf Grund der "glücklichen Weite des Gesetzesausdrucks"m mögliche Auslegung. Seiner Argumentation aus dem historischen Werdegang des § 956 ABGB kann auch nicht zur Gänze gefolgt werden le8 •
Ehrenzweig lGg führt weiter an, daß im Fall einer Behandlung als Schenkung die Rechte der Nachlaßbeteiligten vereitelt würden. Wie schon gezeigt 170, sind die Nachlaßinteressenten jedoch gegenüber Schenkungen des Erblassers nicht gerade schutzlos, obwohl im Ver-
I" FS ABGB II 669 ff.
Gemeint "Vertrag" in § 956 ABGB: FS ABGB II 685. Ehrenzweig stützt sich hauptsächlich auf die österreichische Rechtspraxis bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts, die wesentlich durch die Regelung der Mortuarsteuern (insb HfD 6. 3. 1797 JGS 344) bestimmt war, wonach alle zu Lebzeiten nicht erfüllten Schenkungen dem Mortuar unterlagen und im Verlassenschaftsverfahren den Vermächtnissen gleichgestellt wurden: vgl. OGH 24.3.1891 GlU 13.671; 11.7.1854 GlU 27; Ehrenzweig (FS ABGB 11 648 f.) muß jedoch selbst zugeben, daß im Zuge der Redaktion des § 956 ABGB die Auffassung des HfD 2.10.1795 JGS Nr257, auch wenn dies verschiedentlich auf Widerspruch gestoßen ist, in das Gesetz eingegangen ist. Danach sollten nämlich Schenkungen auf den Todesfall, sofern dem Beschenkten wenigstens zu Lebzeiten des Schenkers noch die Schenkungsurkunde übergeben wurde, als Schenkungen unter Lebenden behandelt werden (FS ABGB 11 638 ff.). Es mag sein, daß man bei Erlassung des HfD 1795 in der Aushändigung der Schenkungsurkunde noch die Eigentumsübertragung zu Lebzeiten durch symbolische übergabe sah, diese Auffassung wurde aber spätestens durch das HfD 1797 verworfen und ging auch so in das ABGB ein. Das HfD 1797 wollte im übrigen lediglich klarstellen, wann die Mortuargebühr zu entrichten ist, keinesfalls aber darüber hinaus die privatrechtliche Beurteilung beeinflussen. Ehrenzweig ist daher mE im Unrecht, wenn er immer dann, wenn eine Mortuarsteuer eingehoben werden konnte, gleichzeitig auch eine Gleichstellung mit den Vermächtnissen in anderen Beziehungen annimmt (FS ABGB 11 647). Aus diesen Zusammenhängen wird mE die Ausführung Zeillers 111/1, 183 ff. verständlich, der die Verträge des § 956 2. Fall ABGB ganz klar dem lebzeitigen Schenkungsrecht hinzurechnet: Er denkt eben nur an die privatrechtliche, nicht an die gebührenrechtliche Seite. Verständlich erscheint aber auch, daß nach der endgültigen Aufhebung der Mortuarsteuern im Jahre 1850 sich allmählich in Theorie und Praxis die Auffassung durchsetzte, daß trotz mancher Anklänge an die frühere Rechtslage in der Gesetzgebung nach 1850 (vgl. Ehrenzweig FS ABGB 11 652 ff.) auch der Vertrag des § 956 2. Fall und schon gar alle zufällig unerfüllt gebliebenen Schenkungen eben Schenkungen unter Lebenden seien. Gewiß hat die romanisierende Rechtswissenschaft ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts im österreichischen Recht die durch das überleben des Bedachten bedingte "donatio mortis causa" vermißt, hat aber dieser "Verwechslung" wenngleich bedauernd Rechnung getragen (vgl Unger VI 332 FN 22) und eben die auf den Todesfall befristeten und bedingten Schenkungen gleichgestellt und unter den Voraussetzungen des § 956 2. Fall ABGB als Schenkungen unter Lebenden behandelt. 189 FS ABGB II 661. 170 Oben IV. B. 4. d. 161
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B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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gleich etwa zu einem Vermächtnisnehmer der Beschenkte eine ungleich bessere Position innehat l71 • Nicht recht einzusehen ist aber, warum diese Rechtslage, die als Ausdruck des gesetzgeber ischen Respekts vor leb zeitigen Verfügungen des Erblassers erkannt wurde, nicht auch auf Schenkungen auf den Todesfall zutreffen sollte. Warum sollte der schon zu Lebzeiten eingeräumte und auch verletzbare Anspruch auf Schenkungserfüllungm nicht auch den Nachlaßwert mindern können. Der Schenker kann eben mit der Schenkung auf den Todesfall sein Vermögen vermindern, auch wenn die Eigentumsübertragung erst später erfolgt. Es wäre ein arger Wertungswiderspruch, würde man etwa bei einer sofort durchgeführten Schenkung unter Vorbehalt des Fruchtgenusses bis zum Tod Schenkungsrecht, bei einer Schenkung auf den Todesfall aber Vermächtnisrecht anwenden173 • Ebenso wäre nicht einzusehen, warum Ansprüche aus entgeltlichen Verträgen auf den Todesfall nicht auch dem Vermächtnisrecht zu unterstellen seien 174, ist doch - wie schon ausgeführt175 - das Vermächtnis nicht notwendig unentgeltlich. Die günstige rechtliche Behandlung unentgeltlicher Zuwendungen im Verhältnis zu den Rechten der Nachlaßbeteiligten hängt also nicht davon ab, ob das Vermögen des Erblassers zu Lebzeiten oder erst nach dem Tod gemindert wird, sondern vielmehr vom Willen des Schenkers, freiwillige unentgeltliche Zuwendungen zulasten des späteren Nachlasses zu tätigen, was uneingeschränkt auch für Schenkungen auf den Todesfall zutrifft. Selbstverständlich könnte aber auch eine Zuwendung der antizipierten Erbfolge auf den Todesfall geschlossen werden. Sie wäre dann ebenfalls von der Schenkung abzugrenzen.
bb) Die Lebensversicherung mit Drittbegünstigung Die Frage nach dem rechtlichen Verhältnis zu den Nachlaßbeteiligten stellt sich immer wieder auch bezüglich des aus einer Lebensversicherung Begünstigten. Im folgenden soll von einer eine unbedingte Lei111 Möglicherweise ist die Auffassung EhTenzweigs sehr stark auch von dem wenig effizienten Schutz, den die §§ 951 und 953 alte Fassung ABGB für Pflichtteilsberechtigte und Gläubiger gegenüber Schenkungen beinhalteten, beeinflußt; zur Reform durch die 111. TN vgl oben 11. D. 3. m So insb auch EhTenzweig FS ABGB 11 664: Bei Vereitelung des Anspruchs hat der Beschenkte einen Ersatzanspruch gegen den Nachlaß; EhTenzweig sagt nicht, ob auch dieser Anspruch konsequenterweise nur nach Vermächtnisrecht zu behandeln sei. 173 Vgl. das Beispiel von ZeineT III/l, 185. m Gegen die Anwendung von Vermächtnisrecht bei entgeltlichen Verträgen auf den Todesfall: OLG Wien 17.2.1965 EFSlg 4617; OGH 14.4.1954 SZ 27/105 (zustimmend Duller, Ühergabsvertrag NZ 1954, 136); 25. 7.1950 SZ 23/227; 3.6.1950 SZ 23/182; 18.1.1950 SZ 23/8; 8.12.1948 SZ 22/2 (hiezu Demelius RabelsZ 1956, 334); vgl. auch Kegel 38 f. u Bruhin 65. 175 Vgl. oben im Text bei FN 162.
9 Eccher
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
stungspflicht des Versicherers begründenden 178 Eigenlebensversicherung177 ausgegangen werden, wonach ein vom Versicherungsnehmer bezeichneter bezugsberechtigter Dritter ein bestimmtes Kapital ab dem Tod des Versicherungsnehmers fordern kann (§§ 159 ff. VersVG). Bei der Lösung der angeschnittenen Frage muß man jedenfalls davon ausgehen, daß das Rechtsgeschäft der Konstruktion eines Vertrages zugunsten Dritter folgt (§ 881 ABGB118). Für die Beurteilung der Stellung des Begünstigten ist das Zuwendungs-(Valuta-)verhältnis zwischen Versprechensempfänger (Versicherungsnehmer) und Dritten (Bezugsberechtigtem) entscheidend. Von der Gültigkeit dieses Verhältnisses hängt der Bestand des Rechtserwerbs des Dritten, den dieser durch die Öffnung der Deckungsbeziehung zwischen Versprechensempfänger und Versprechendem (Versicherer) erhält, im Verhältnis zum Versprechensempfänger ab 11D • Dieses Zuwendungsverhältnis kann entgeltlich oder unentgeltlich sein. Spielbüchler180 hat deutlich gemacht, daß dann, wenn der dem Dritten
verschaffte Anspruch die Gegenleistung für eine Leistung des Dritten an den Versprechensempfänger darstellen soll (entgeltliches Zuwendungsverhältnis), eine Willensübereinstimmung zwischen diesen Personen unerläßlich ist, um das Selbstbestimmungsrecht des Dritten zu wahren. Kommt eine solche nicht zustande und hat der Dritte dennoch gemäß § 881 ABGB einen Anspruch gegen den Versprechenden erhalten, muß dem Versprechensempfänger ein Bereicherungsanspruch zustehen (§ 877 ABGB). Liegt jedoch eine derartige entgeltliche Beziehung dem Valutaverhältnis zugrunde, ist die Verschaffung des Anspruchs auf die Lebens178 Nichts anderes kann jedoch für die Belange der Nachlaßinteressenten gelten, wenn eine Verpflichtung des Versicherers nicht von vornherein gewiß ist, so etwa bei der Risikolebensversicherung, wo der Tod vor einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muß, oder bei einer Unfallzusatzversicherung, die dem Begünstigten im Fall des Ablebens des Versicherten durch Unfall eine (zusätzliche) Versorgungsleistung (vgl. § 180 VersVG) gewährt; vgl. auch die Gleichstellung bei Sieg FS Klingmüller 46211.; ungewiß ist die Leistungspflicht auch bei einer Rentenversicherung zugunsten Dritter von Todes wegen, weil der Begünstigte den Tod des Versicherungsnehmers erleben muß; vgl. Hoffmann AcP 1959/60, 216. 177 Bei einer Versicherung auf fremdes Leben (§ 159 VersVG; für die Unfallversicherung § 179 VersVG) mit Drittbegünstigung stellt sich die Frage indes nicht, weil der Versicherungsnehmer (bzw Rechtsnachfolger) bei Eintritt des Versicherungsfalles ja lebt, derjenige aber, auf dessen Leben die Versicherung geschlossen wurde, bloß Träger des versicherten Risikos ist, der in keinem relevanten Rechtsverhältnis zum Versicherer und Versicherungsnehmer steht; vgl. Bauerreiss VersRdSch 1970, 278 ff. 178 Vgl. auch §§ 328 11. insb 330 BGB. 178 Vgl. Apathy JBI 1976, 398; Spielbüchler, Dritter 1711.; Gschnitzer in
Klang! IV/I, 226 f.; Ehrenzweig lI/I, 201 f. \80 Dritter 20 f.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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versicherungssumme wie bei jedem anderen entgeltlichen Geschäft181 für die Nachlaßbeteiligten nach dem Versprechensempfänger irrelevant. Viel häufiger kommt es in der Praxis natürlich vor, daß der Begünstigte aus einer Lebensversicherung keine Gegenleistung zu erbringen hat. Da der Vertrag zugunsten Dritter lediglich eine Form für verschiedene anerkannte Vertragszwecke darstellt182 , nicht aber selbst einen eigenen Rechtsgrund bildet, ist auf die Regelung der einschlägigen Vertragstypen zurückzugreifen. Lediglich hinsichtlich der Entstehung dieser Rechtsverhältnisse könnten sich auf Grund der Inanspruchnahme eines Vertrages zugunsten Dritter Besonderheiten ergeben. Da der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers erfüllt werden sollte, ist auch hier § 956 ABGB zu beachten. Die herrschende und durchaus überzeugende österreichische Auffassung sieht bei einer unentgeltlichen Zuwendung, jedenfalls bei einer geplanten Schenkung, zugunsten Dritter von der Notwendigkeit eines Vertragsabschlusses ab 183 • Das Selbstbestimmungsrecht des Beschenkten ist durch die Möglichkeit der Zurückweisung des Rechts ausreichend sichergestellt. Im übrigen wird argumentiert, daß es gerade oft ein Bedürfnis der Beteiligten darstellt, jemanden in Abwesenheit oder Unkenntnis zu begünstigen. Gewährte man dem Schenkenden jeweils einen Bereicherungsanspruch gegen den Dritten, wäre eine unwiderrufliche Begünstigung dann überhaupt unmöglich. Ist daher vom Versprechensempfänger Schenkung beabsichtigt, kommt diese Schenkung beim Vertrag zugunsten Dritter ohne Vertragsabschluß zustande, sofern der Dritte das Recht nicbt zurückweist. Schenkungsrecht ist jedoch anzuwenden. Schenkungsobjekt kann nur der Anspruch auf die Versicherungssumme sein184• Vgl. oben IV. B. 4. c. u unten IV. C. 1. Vgl. 78 Blg HH 21. Sess 157. 183 Apathy JBI 1976, 398 FN 49; Spielbüchler, Dritter 20 f.; Gschnitzer in Klang'2 IV/I, 228 f.; aA offenbar Stanzl in Klang! IV/I, 598; Ehrenzweig II/2, 596, wenn er meint, daß bei Lebensversicherungsverträgen zugunsten Dritter das Verhältnis zwischen Versprechendem und Drittem "nach Analogie" zur Schenkung zu behandeln sei; die österreichische Rechtsprechung nahm früher oft den Abschluß eines Schenkungsvertrages durch den Versprechenden als Geschäftsführer ohne Auftrag für den Dritten an: vgl. OGH 18.1. 1911 GlUNF 5327; 13.5.1902 GlUNF 1898; 11. 1. 1879 GIU 8229; anders aber schon OGH 6.2.1903 GlUNF 2251, wo der OGH keinen Vertrag für notwendig hielt; 24.5.1907 GlUNF 5290 u insb 12.9.1951 SZ 24/213 mwN; die deutsche Rechtsprechung verlangt jedoch den Abschluß eines Schenkungsvertrags: vgl. BGH 14. 7. 1976 WM 1976, 1130; 30. 10. 1974 NJW 1975, 382; 9. 11. 1966 BGHZ 46, 198; diese E lassen jedoch die Möglichkeit zu, daß der Schenker die Schenkungsofferte dem Mittelsmann überbringt, von dem sie der Beschenkte zugleich mit der Erfüllung annimmt. 184 Die zu Lebzeiten bezahlten Prämien können daher keinesfalls als die für die Gläubigeranfechtung bzw Pflichtteilsergänzungsklage maßgeblichen 181
182
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Die Entbehrlichkeit eines Vertragsabschlusses im Zuwendungsverhältnis hat aber auch notwendig185 den Entfall etwaiger Formerfordernisse zur Folge. Bei der Schenkung betrifft dies in erster Linie die Notariatsaktspftichtigkeit, wenn keine wirkliche übergabe vorliegt (§ 1 Abs 1 lit d NZwG)l88. Es erscheint unmöglich, anstelle der Beurkundung des Schenkungsvertrags bloß die einseitige Willenserklärung des Schenkers der Notariatsaktspftichtigkeit zu unterwerfen 187 • Verfehlt wäre aber auch die Herübemahme der Formpfticht in das Deckungsgeschäft. Dieses ist sicherlich nur nach seiner eigenen Rechtsnatur zu beurteilen188 • Die Formlosigkeit einer im Zuwendungsverhältnis liegenden Schenkung läßt sich noch weiter damit begründen, daß die Gefahren, die zur Statuierung der Notariatsaktspftichtigkeit führten 180 , durch die Einschaltung eines Dritten weitgehend ausgeschaltet sind. Die Gefahr einer übereilung oder Ausnützung einer geistigen oder körperlichen Schwäche des Schenkers ist wohl dann stark vermindert, wenn der Schenker mit dem Beschenkten nicht in Kontakt kommt. Auch die Beweislage wird gewöhnlich durch den Dritten verbessert, obgleich dieser natürlich von der Art der Zuwendungsbeziehung nichts wissen muß. Die Gläubiger des Schenkers können nach der typischen Sachlage meist gar nicht auf den Gedanken kommen, daß Vermögenswerte beim Schenker bereits einem Beschenkten versprochen sind. Denn bei entgeltlicher Deckungsbeziehung leistet der Versprechende aus seinem Vermögen. Hat der Versprechensempfänger die Sachen dem Mittelsmann jedoch zu übergeben, wird dieser gewöhnlich nur unter dieser Voraussetzung überhaupt bereit sein, an den Dritten zu leisten. Schenkungen unter Lebenden in Betracht kommen; für die Hinzurechnung der Schenkung nach § 785 ABGB wäre dem Pflichtteilsberechtigten damit überhaupt wenig gedient, da die Prämienzahlungen als nicht zum Grundstock des Vermögens zählend ohnehin unberücksichtigt blieben; vgl. Gschnitzer, ErbR 92; Weiß in Klang! III 911 f.; richtig insofern auch Reinicke NJW 1956, 1054 f.; auch der Ansicht Ehrenzweigs II/2, 596, wonach der Rückkaufswert heranzuziehen sei, kann de lege lata nicht zugestimmt werden, vgl. aber die ausdrückliche diesbezügliche Normierung durch Art 529 ZGB. 185 Insofern nicht recht verständlich Apathy JBl 1976, 398 FN 49. 188 Für die Formfreiheit Gschnitzer in Klang! IV/I, 227 f., weil dafür das Deckungsverhältnis maßgebend sei (vgl. aber unten FN 188); vgl. auch OGH 19.1. 1892 GlU 14.077; wenn Ehrenzweig II/1, 202 eine Fonn verlangt, ist dies nur konsequent, da er ja am Vertragserfordernis festhält (oben FN 183). 187 § 1 Abs 1 lit d NZwG macht eindeutig die Gültigkeit des Schenkungsvertrags also von Antrag und Annahme von der Einhaltung der Form abhängig; die Beurkundung bloß der Schenkungsofferte hätte daher ohnehin keine Wirkung; vgl. Kostner 172. 188 Richtig Apathy JBl 1976, 403; OGH 12.9. 1951 SZ 24/213; aA Krasnopolski / Kafka III 107 ff.; Schey 636 f., der allerdings dann von wirklicher übergabe spricht, wenn die Sache dem Beauftragten übergeben wurde; zur Rechtslage in der BRD vgl. Kaduk in Staudingerio. 11 § 328 Anm 25 f. mwN. 180 Vgl. dazu noch unten V. D.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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Im konkreten Fall einer Schenkung des Anspruchs auf die Lebensversicherungssumme entfällt die Notariatsaktspflichtigkeit jedoch noch aus einem weiteren Grund. Man kann hier nicht gut von einer Schenkung, deren Erfüllung erst nach dem Tod des Schenkers erfolgen soll (§ 956 2. Fall ABGB) sprechen. Erhält nämlich der Dritte bereits zu Lebzeiten einen Anspruch auf die Versicherungssumme, mag dieser auch befristet (oder bedingt) und erst ab dem Tod des Schenkers ausübbar sein, so ist damit doch zugleich auch erfüllt. Es liegt eine Schenkung mit wirklicher übergabe vor. Für den sofortigen Rechtserwerb des Begünstigten spricht gewöhnlich eine unwiderrufliche Begünstigungserklärung lO O, obwohl rein konstruktiv die Frage des sofortigen Rechtserwerbs mit jener der Unwiderruflichkeit nichts zu tun hat l9l • Doch fallen diese Umstände gewöhnlich zusammen. Bei einer - schenkungshalber erfolgten - unwiderruflichen und sofortigen Begünstigung des Dritten steht diesem dem Versicherungsnehmer gegenüber schon zu dessen Lebzeiten eine gesicherte Rechtsposition zu. Der Versicherungsnehmer würde etwa schadenersatzpflichtig, wenn er die Schenkung in Ausübung des Kündigungsrechts nach § 165 VersVG vereiteltem. Den Nachlaßbeteiligten stehen gegenüber dem Begünstigten die bereits geschilderten193 Rechtsmittel gegen Schenkungen des Erblassers zu. Schenkungsobjekt ist der Anspruch auf die Versicherungssumme. Die Zuwendung ist allerdings dann dem Zugriff der Pflichtteilsberechtigten und Gläubiger entzogen, wenn sie in Erfüllung einer sittlichen Pflicht erfolgte (§§ 785 Abs 2 ABGB; § 3 AnfO; 29 K0 194). Eine solche sittliche Pflicht kann durchaus etwa dann vorliegen, wenn die Lebensversicherung zum Zweck der Versorgung naher Angehöriger abgeschlossen wird195 • Nach dem Erbschaftsteuergesetz ist diese Form der 190 Vgl. Gschnitzer B 42; Stanzl in Klang 2 IV/I, 599; die übergabe der Versicherungspolizze, die ein Legitimationspapier darstellt, an den Begünstigten an sich ohne gleichzeitige Erklärung der Unwiderruflichkeit genügt allerdings nicht für den sofortigen Rechtserwerb; vgl. Dorazil 39; Ehrenzweig H/l, 606; OGH 24. 9.1935 SZ 17/125; 26. 11. 1902 GIUNF 2117. 101 Vgl. insb Prölss / Martin § 166 Anm 1 (946); auch Gschnitzer in Klang! IV/I, 227. 19! Nach Zehner AcP 1954, 424 ff. (435 f.) ist aber die Einräumung eines sofortigen Rechts noch nicht gleichbedeutend mit einer rechtlich geschützten Position des Dritten, sondern eine solche erst dann gegeben, wenn der Begünstigte einen "durch eine Schadenersatzpflicht sanktionierte(n) Anspruch auf Einräumung des Bezugsrechts zusteht" (435); mE wird bei dieser Auffassung der Unterschied zwischen widerruflicher und unwiderruflicher Begünstigung bzw sofortigem und aufgeschobenem Rechtserwerb des Dritten verwischt. Ein Rechtserwerb, der jederzeit sanktionslos wieder beseitigt werden kann, ist mE nutzlos. 193 Vgl. oben IV. B. 4. d. 194 Vgl. dazu noch unten IV. E. 195 Vgl. etwa Sieg FS Klingmüller 462; auch Stanzl in Klang! IV/I, 598 f.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Zuwendung als lebzeitiger Erwerb schenkungsteuerpflichtig (§ 3 ErbStG), sie gilt nicht als Erwerb von Todes wegen (§ 2 Abs 1 Z 3 ErbStG)IIMI. Eine unwiderrufliche und leb zeitige Drittbegünstigung ist allerdings in der Praxis selten und auch nach dem Gesetz nicht zu vermuten (§ 166 VersVG). Bei einer widerruflichen Begünstigung auf den Todesfall ist nach der Maßgeblichkeit des Zuwendungsverhältnisses materiell von einer Vermächtniseinsetzung auszugehen (§ 9561. Fall ABGB). In diesem Fall ist das Vermächtnis aber formlos. Es wäre ein grober Wertungswiderspruch, bei einer Schenkung auf den Vertragsabschluß und etwaige Formerfordernisse zu verzichten, hier die Form eines Vermächtnisses aber zu verlangen. Zu einer derartigen Anschauung darf nicht der Umstand verleiten, daß die Mitwirkung des Begünstigten ohnehin nicht nötig sei. Der Entfall des Schenkungsvertrags wurde ja nicht nur mit der praktischen Schwierigkeit der Einbeziehung des Dritten, sondern vor allem auch mit der verminderten und durch die Möglichkeit der Zurückweisung des Rechts ausreichend geschützten Anforderung an das Selbstbestimmungsrecht begründet. Diese überlegungen gelten für das Vermächtnis umsomehr, als hier die Möglichkeit der Nichtannahme schon ohne Rückgriff auf § 881 ABGB bestehtl87 • Im übrigen hätte das Festhalten an den Formerfordemissen des Vermächtnisses wenig erfreuliche praktische Folgen. Die wegen Formmangels drohende Ungültigkeit der Zuwendung könnte relativ leicht durch Behauptung einer unwiderruflichen Begünstigung, die ja formfrei wäre, verhindert werden l98 ,199. Gegen die Anwendung erbrechtlicher Vorschriften auf die Rechtsstellung des Begünstigten überhaupt wird vorgebracht, daß der Anspruch des Dritten gegen den Versicherer originär entstehe und nicht aus dem Nachlaß des Versicherungsnehmers stamme!oo. Gegen diese Auffassung Vgl. Dorazil 39, 67. VgI. oben III. A. 3. 198 Vgl. zur ähnlichen Argumentation oben III. B. 3. c. 199 Die Formlosigkeit eines im Zuwendungsverhältnis liegenden Vermächtnisses muß mE auch dann vertreten werden, wenn in der Deckungsbeziehung ein widerruflicher Auftrag auf den Todesfall vorliegt: vgl. zu dieser umstrittenen Frage Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 233 f., der zwar Formlosigkeit, aber - Hellwig 355 folgend - ein Geschäft von Todes wegen eigener Art annimmt; Ehrenzweig FS ABGB II 678 ff. (derselbe II/2, 569 f.) fordert zwar Vermächtnisform, hält jedoch den Mangel der Form bei tatsächlicher Entsprechung des Auftrags für geheilt (§ 1432 ABGB); Apathy JBI 1976, 393 ff. hält am Formerfordernis eines Vermächtnisses strikt fest; der OGH scheint einmal Ehrenzweigs (OGH 20.4.1938 SZ 20/109; 21. 8.1934 SZ 16/158), einmal Apathys Meinung (OGH 12. 9. 1951 SZ 24/213) zu folgen. 200 Vgl. Koziol/Welser II 22lf.; Gschnitzer, ErbR 7; Preslmayr JBl1961, 402f.; Stanzl in Klang Z IV/I, 599; Ehrenzweig II/l, 607 f.; II/2, 357; ebenso die hA in der BRD: vgl. Prölss / Martin § 15 ALB (983 f.); Schmidt in Soergel / Siebert § 330 Anm 6; Kaduk in Staudingerl1 § 330 Anm 21 ff.; Enneccerus / Lehmann 198
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B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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ist aber bereits ein deutlicher Gegentrend feststellbar 20I • Insbesondere hat Hoffmann202 überzeugend dargelegt, daß zwar nicht die Versicherungssumme selbst, wohl aber der Anspruch darauf sehr wohl zum Nachlaß des Versicherungsnehmers gehört, wenn dieser - bei widerruflicher Begünstigur,s - jederzeit bis zu seinem Tod über diesen Anspruch verfügen konnte. Erst mit dem Tod des Versicherungsnehmers soll dieser Anspruch dem Begünstigten zustehen. Es ist also nicht einzusehen, warum dieser Anspruch nicht zum Nachlaß gehören soll. Daß allerdings der Begünstigte diesen Anspruch ohne eigenen Rechtsübertragungsakt durch den durch das Vermächtnis Beschwerten (in der Regel den Erben), wie die für das Forderungsvermächtnis nach § 664 ABGB vorgesehen wäre, ohne weiteres erwirbt, spricht nicht gegen das Vermächtnis. Dies ergibt sich zwangsläufig aus der Wahl eines Vertrags zugunsten Dritter, wodurch der Dritte eben unmittelbar ohne Zutun des Versprechungsempfängers (dessen Rechtsnachfolger) erwirbt (§ 881 ABGB)!03. Gegen die hier vertretene Auffassung spricht jedenfalls nicht § 167 Abs 2 VersVG, wonach bei einer Begünstigung der "Erben" eine Ausschlagung der Erbschaft auf die Berech,tigung keinen Einfluß habe. Auch der Erbe, dem ein Vermächtnis zugedacht wird, behält dieses, wenn er auch die Erbschaft ausschlägt (§ 648 ABGB). Dem Vermächtnisrecht entspricht schließlich auch, daß der Begünstigte den Versicherungsnehmer (Erblasser) überleben mußto4. Gegen die Inanspruchnahme des Begünstigten aus einer Lebensversicherung durch Gläubiger und Pflichtteilsberechtigte nach Vermächtnisrecht wird vorgebracht, die Lebensversicherung sei eine besonders privilegierte Art der Versorgung der nächsten Angehörigen auf den Todesfall, wogegen die Interessen der Nachlaßgläubiger zurückzutreten hätten205 • Diese Begründung könnte überhaupt nur dann überzeugen, wenn 142 ft.; zur österreichischen Rechtsprechung vgl. die E z § 167 VersVG in Wahle / Grubmann. 201 Vgl. HelZwig 350 ft., der ein letztwilliges Geschäft eigener Art annahm; Zehner, AcP 1954, 424 ft., Hoffmann, AcP 1959/60, 178 ft. (196 ft.) u Finger, Ver-
trag zugunsten Dritter, wollen den Begünstigten wie einen Erben behandeln; für eine analoge Vermächtnisannahme Kipp / Coing 464.ft.; Harder 164 ft.; wohl auch Lange, Erbrecht insb 463; Wiedemann, übertragung 183 - mit Zustimmung von Ulmer ZGR 1972, 336 f. - will je nach dem Umfang oder der Art des zugewendeten Gegenstandes Erbfolge oder Vermächtnis anwenden. 202 AcP 1959/60, 178 ft. (186 f., 196, 219). 203 Es liegt also auch hier eine Art Vindikationsvermächtnis vor: vgl. dazu schon oben IH. A. 3; Hoffmann AcP 1959/60, 198 führt allerdings diesen Umstand gegen ein Vermächtnis an. tOe! Vgl. Prölss / Martin § 168 (949). 205 Vgl. Weiß in Klangt IH 18; auch Reinicke NJW 1956, 1053 ft.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
im Einzelfall jeweils darauf abzustellen wäre, ob tatsächlich ein Angehöriger begünstigt istZoo. Aber auch bei einer solchen Einschränkung der Vorrangstellung auf Angehörige wäre nicht einzusehen, "warum das Sparen in der Form der Versicherung gegenüber anderen Formen des Sparens in der Weise privilegiert sein soll, daß es ,gläubigersicher' erfolgt"207, 208. Dem Erblasser steht es ja frei, durch eine unwiderrufliche, ein sofortiges Recht des Begünstigten erzeugende, Begünstigung seinem Wunsch nach Versorgung Ausdruck zu verleihen und durch die leb zeitige Belastung seines Vermögens diesen Anspruch dem zukünftigen Nachlaß zu entziehen. Verschafft er hingegen dem Begünstigten zu seinen Lebzeiten bloß ein unsicheres Anwartschaftsrecht, will er also die Versorgung erst aus seinem Nachlaß ermöglichen, ist nicht recht einzusehen, warum diese Ansprüche anders als Vermächtnisansprüche behandelt werden sollten!09. Diese Aussagen führen zur parallelen Ausgangslage der antizipierten Erbfolge zurück. Auch dort kommt es darauf an, ob der Erblasser (vorgreifend) über seinen Nachlaß disponiert210 oder ob er Teile seines Vermögens bereits zu Lebzeiten in Begünstigungsabsicht endgültig abgibt. 5. Zwischenergebnis und Vergleich
mit Rechtsprechung und Literatur
Schon aus der Anwendung des Schenkungsbegriffs auf die hier behandelten Geschäfte antizipierter Erbfolge ergaben sich Zweifel am Schenkungscharakter. Diese Zweifel verstärkten sich bei einer Zusammenschau des Schenkungsrechts mit den Anrechnungsbestimmungen. Bei der Untersuchung der Frage, ob das Schenkungsrecht, gemessen an 206 Sieg FS Klingmüller 455 ff. hat diese Auffassung tatsächlich unter Hinweis auf § 850 Abs 3 lit b dZPO bereits de lega lata vertreten. Im übrigen meint er, hätten die Angehörigen diese Vorrangigkeit gegenüber den Nachlaßgläubigern verdient, denn der Versicherungsnehmer habe dadurch, daß er nicht widerrufen habe, gezeigt, daß es ihm mit deren Schutz ernst war. Beide Argumente können nicht überzeugen: § 850 Abs 3 lit b dZPO spricht nur von Renten; Siegs ausdehnender Interpretationsversuch (449) schlägt fehl. Das zweite Argument ist unhaltbar, weil sonst nicht einzusehen wäre, warum nicht auch ein Vermächtnis, das nicht widerrufen worden ist, eine Vorrangstellung einnehmen sollte. 207 Kipp / Coing 12. Auflage 360. 208 Vgl. auch Ehrenzweig lI/I, 607; dieser hat übrigens treffend die Gründe dieser Rechtsentwicklung dargestellt: "Für sie [gemeint die Lebensversicherungsgesellschaften] ist die Befreiung der Versicherungssumme vom Zugriffe der Gläubiger ein Vorteil, auf den die Agenten insbesondere solche Personen hinweisen, die sonst geneigt wären, ihre Ersparnisse in anderer Weise, z. B. bei Sparkassen anzulegen." Z09 Auch das Vermächtnis des Unterhalts genießt lediglich Vorrang vor anderen Vermächtnissen: §§ 672 f., 691 ABGB. 210 Vgl. oben IV. B. 4. b.
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
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der typischen Interessenlage der Parteien, die ein Geschäft der antizipierten Erbfolge schließen, die angemessenen Rechtsfolgen liefert, ergab sich - jedenfalls in bezug auf die Interessen der Nachlaßbeteiligten -, daß das Schenkungsrecht nur dort paßt, wo der Erblasser eine besondere, über den bloßen zeitlichen Vorteil hinausgehende Begünstigung des Empfängers will. Dies ist bei Rechtsgeschäften der antizipierten Erbfolge jedoch nicht der Fall. Es läßt sich daher die Aussage rechtfertigen, daß Schenkung nicht vorliegt. Diese Feststellung ist, wie bereits gesagtZll , methodisch nicht zwingend. Man könnte Schenkung bejahen, davon aber im Wege teleologischer Reduktion Abstriche machen. Umgekehrt wird man bei Nichtannahme von Schenkungsrecht gewisse Analogien zur Schenkung brauchen. Die endgültige Klärung dieser Frage soll daher vorläufig aufgeschoben und erst nach Behandlung der übrigen Fallgruppen von antizipierter Erbfolge gemeinsam beurteilt werden. Der Oberste Gerichtshof schwankt. Bei der folgenden Widergabe der Judikatur ist allerdings zu beachten, daß der OGH selbst der Verwendung des Wortes "schenken" oft nicht allzu großen Stellenwert beimißt. In JB11970, 424m vertrat er etwa die Ansicht, daß das Wort "schenken" das Vorliegen einer eine Schenkung nicht darstellende Ausstattung nicht ausschließe. Mehrmals betont der OGH die strikte Trennung von Vorempfängen und Schenkungen. In EvBI 1960/30F13 hieß es hiezu: " ... , denn von der Anrechnung nach dieser Gesetzesstelle [gemeint § 788 ABGB] sollte offensichtlich ausgenommen werden, was der Erblasser bei Lebzeiten dem Noterben geschenkt hat. Dies ist auch begreiflich, da hiefür andere Anrechnungsvorschriften gelten~14." Ausdrücklich lehnt der OGH auch in GIU 13346215 den Schenkungscharakter für Zuwendungen ab, die als eine "antizipierte Erbschaft" der Beklagten zukommen, obwohl der OGH sie nicht zu den Pflichtgaben des § 788 ABGB rechnet. Schwankungen kannte das Höchstgericht in der Einstufung sogenannter "Erbschafts211
Oben IV. B. 4. a.
m 2.7.1969. 113
OGH 31. 5. 1960.
21. Ähnlich auch die unveröffentlichte E OGH 5. 2. 1958 7 Ob 522/57; 3. 6.
1903 GlUNF 2365 = Jud 157 (Plenissimarbeschluß); 5.2.1884 GlU 9872 = JB 114 (Plenissimarbeschluß). 215 OGH 17.7.1890; vgl. auch 2.11.1899 GlUNF 729; die Plenissimarbeschlüsse des OGH vom 9. 11. 1915 GlUNF 7645 u 7646 = Jud 239 und 240 meinen zwar, daß das Heiratsgut an die Tochter und die Ausstattung an den Sohn auch schenkungshalber erfolgen können (vgl. später wieder OGH 2.7. 1969 JBI 1970, 424), diese Meinung steht aber mit der hier vertretenen nicht in Widerspruch; das Kriterium der Anrechnungspflicht wird hiebei nämlich nicht zur Abgrenzung zwischen Schenkung und Vorempfang, sondern pflichtgemäßen und darüber hinausgehenden Leistungen abgelehnt.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
vorhilfen" , worunter ebenfalls Zuwendungen verstanden werden, mit denen ein späteres Erb- oder Ptlichtteilsrecht abgegolten werden sollte. Während diese Leistungen manchmal entsprechend der hier vertretenen Auffassung nicht als Schenkungen bezeichnet werden21', sprach der OGH oft auch das Gegenteil aus. Hauptsächliche Begründung war, daß zu Lebzeiten keine Verpflichtung zu derartigen unentgeltlichen Leistungen bestünde217 • Gerade das Merkmal der Freiwilligkeit läßt aber, wie gezeigt, eine klare Stellungnahme bezüglich der Geschäfte der antizipierten Erbfolge nicht zu. Die Auffassung des OGH könnte man daher darauf zurückführen, daß er nicht an die Möglichkeit anderer nicht gebotener unentgeltlicher Zuwendungen außer Schenkungen dachte. Die meines Erachtens richtige Auffassung deutet der OGH jedoch in GlUNF 4675 218 : "Man könnte allenfalls von dem Mangel der Schenkungsabsicht dann sprechen, wenn die B die Einrechnung des der A zugesicherten Betrages in den künftigen Erbteil stipuliert hätte, ... ". Gegen das Vorliegen einer Schenkung spricht sich der OGH auch in SZ 29/53 219 aus, wo er zu den Erbteilsvorausempfängen an weichende Kinder folgendes ausführt: "Darin ist keine Schenkung zu erblicken, sondern eine Regelung der Wirtschaftsübergabe im Sinne der herrschenden bäuerlichen Auffassungen". Umgekehrt spricht der OGH gerade auch bei bäuerlichen übergabsverträgen häufig von Schenkungen, genauer gemischten Schenkungen22o • Ebenso bezeichnet er in GlU 157182!1 das Versprechen, ein Vermächtnis zu Lebzeiten auszuzahlen, als Schenkungsversprechen. Unterschiedlich sind auch die Auffassungen der Lehre: Was EhrenzweigsU2 Theorie betrifft, wonach Schenkung und anrechnungspflichtiger
Vorempfang gleichzeitig vorliegen können, möge auf obige Ausführungen zurückgegriffen werden2'23. Wenn Ehrenzweig 224 weiter meint, daß die Vereinbarung einer Zuwendung als Vorschuß auf den Erb- oder Pflichtteil den "Rechtsgrund der Zuwendung (z. B. als Schenkung)" nicht ändere, so nähert er sich damit der ebenfalls schon besprochenen 225
m So etwa 4.5.1892 GlU 14234; 23.6.1891 GlU 13.826; in E 3.1. 1901 GlUNF 1247 stützte der OGH seine Ansicht darauf, daß die Erfüllung eines späteren
Pflichtteils entgeltlich sei; zu Lebzeiten besteht jedoch keine Pflicht zur Pflichtteilserfüllung (vgl. oben 111. A. 4.); außerdem ist die Lehre von der Entgeltlichkeit der Erfüllung abzulehnen (vgl. unten IV. D.). 217 So 1. 7. 1930 SZ 12/232; 12.9.1916 JBl 1916, 637; 29.3.1905 GlUNF 3007; 8.1.1884 GlU 9830.
6.7.1909. 25. 7. 1956. 220 Vgl. z. B. 12. 2. 1930 JBl 1930, 148; 20. 3. 1929 JBl 1930, 103; 1. 6. 1920 SZ 2/51; 17.7.1872 GlU 4659. 221 12.2. 1896. Z%! 11/2, 600; anders aber noch in Krainz / Pfaff / Ehrenzweig3 11 416. m Oben IV. B. 3. C. 2'2' 11/2, 589 FN 29. 218 219
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
139
Meinung Widmers, wonach die Absicht einer Vorausgabe höchstens als ein für den Charakter der Zuwendung irrelevantes Motiv anzusehen sei. Bei dieser Sicht ist jedoch, wie ausgeführt2Z5, nur schwer verständlich, warum die Zuwendung allein wegen dieser formlos zum Ausdruck gebrachten Motivation später anzurechnen sein soll. Man ist ja in diesem Fall genötigt, die Anrechnungsanordnung als einseitige letztwillige Verfügung, beim Pflichtteil sogar als Pflichtteilsverzicht zu qualifizieren. Viel natürlicher erscheint es, eine besondere Art einer Zuwendung anzunehmen, die neben anderen Merkmalen eben auch anzurechnen ist. In einem teilweisen Gegensatz zu Ehrenzweig steht die ebenfalls schon erwähnte Auffassung von Bydlinski226 , wonach eine Leistung zur "vorweggenommenen Abfindung" des Ptlichtteilsrechts geeignet erscheint, Unentgeltlichkeit und damit auch Schenkungs recht auszuschließen. Dies entspricht der hier vertretenen Auffassung. Bydlinski scheut sich jedoch, außerhalb einer Pflichtteilsabfindung bei Zuwendungen zum Zweck einer "vorweggenommenen Erbauseinandersetzung" Unentgeltlichkeit zu verneinen. Nach der hier vertretenen Meinung vermag jedoch diese Differenzierung nicht zu überzeugen%!7.
Stuiber 228 sieht meines Erachtens richtig, daß sich die Absicht, einen Erbvorschuß zu geben, von der Absicht zu schenken, unterscheidet. So ist es durchaus zutreffend, daß eine "Schenkung an und für sich an einen zukünftigen Erben oder Pflichtteilsberechtigten" noch kein Erovorschuß ist229 • Doch meint Stuiber nun weiter, daß beide Absichten miteinander verbunden werden könnten, "so daß dann die Schenkung anrechenbar wird" und bloß die Schenkung übrig bleibt, wenn die Anrechnung aus irgendeinem Grund unterbleibt230. Stuiber geht mit dieser Ansicht - ebenso wie Ehrenzweig - über die verschiedenen Anrechnungsvorgänge zum Pflichtteil je nachdem Schenkung oder Vorempfang vorliegt, hinweg (§§ 787 Abs 2, 788 ABGB)%31. übrigens behandelt auch Stuiber nicht die Frage, ob - abgesehen von der Frage der Anrechnung - weitere Unterschiede zwischen Schenkungen und Vorempfängen bestehen, die für eine Unvereinbarkeit beider Zuwendungsarten sprechen%32. Gegenüber den bisher zitierten Aussagen der Literatur grenzt eine Reihe von österreichischen Autoren den Vorempfang, insbesondere 225 Oben IV. B. 3. d. In Klang% IV/2, 193; vgl. oben IH. A. 4. u IV. B. 2. %27 Vgl. oben IV. B. 2. 228 NZ 1911, 261 f. 228 NZ 1911, 262. 230 NZ 1911, 262 FN 23. 231 Vgl. oben IV. B. 3. C. %32 Vgl. dazu insb IV. B. 4. u V.
2"
140
Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
jenen auf den Pflichtteil, von der Schenkung ab. Man vermißt jedoch eine einheitliche positive Aussage. Krasnopolski / Kafka 233 vertreten unter Hinweis auf GIUNF 1247 234 die Ansicht, der Vertrag, einen Pflichtteilsvorschuß zu geben, sei entgeltlich. Diese Meinung läßt sich aber im Hinblick auf die Freiwilligkeit und die fehlende Gegenleistung der Zuwendung kaum aufrechterhalten235 • Stubenrauch2:J6 ordnet den Pflichtteilsvorschuß interessanterweise mit der hier vertretenen Meinung übereinstimmend zwischen Schenkung und Darlehen ein. Auch hier wird ja der anrechnungspflichtige Vorempfang von Schenkungen einerseits, von erstattungspflichtigen Zuwendungen anderseits abgegrenzt237 • Wroblewskiz38 , dem diese Stellungnahme nicht genügt, meint darüber hinaus, daß nichts anderes als ein entgeltlicher Pflichtteilsverzicht bis zur Höhe des erhaltenen Betrags vorliege. Meines Erachtens ist aber trotz aller Verwandtschaft239 zwischen anrechenbarem Vorempfang und einer Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht zu unterscheiden. Bei letzterem kommen insbesondere entgeltliche Momente zwischen den Vertragspartnern ins Spiel, die beachtet werden müssen240 • Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Äußerung Ungers 2U • Er läßt dabei erkennen, daß Erbvorschüsse, die keine Schenkungen sind, aber auch nicht aus Rechtspflicht gemacht werden, möglich sind. Ein deutlicher Gegner der Ansicht vom Schenkungscharakter der Zuwendungen der antizipierten Erbfolge ist ohne Zweifel Gschnitzer. Mehrmals betonte er, daß die im Zusammenhang mit der bäuerlichen Gutsübergabe vorkommenden Leistungen an den übernehmer und an die weichenden Geschwister keine Geschenke seien242 • Genauso wie bei der tatsächlichen Erbfolge empfinde man auch hier die überlassung dessen, was man nicht ins Grab mitnehmen könne, nicht als Schenkung!43. 233
tM 235
236 237 238
V 220 FN 7. OGH 3. 1. 1901. Vgl. dazu IV. C., D. u E. I 959 FN 4; II 80. Vgl. insb IV. B. 3. a. ZBi 1905, 985 f.
Vgl. etwa oben 11. A. Vgl. unten IV. C. 2. 241 VI 208 Anm 10: " ... so kann insbesondere ein den Erben (oder Geschwistern) gemachter Vorschuß unter Umständen (wenn weder solvendi, noch credendi, noch donandi animo gegeben ist) als Erbvorschuß geleistet und darüber anrechnungspflichtig sein." 242 Vgl. Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 438 FN 92; derselbe, Reform insb 67; im übrigen siehe unten IV. F. 2. In der Neuauflage des Familienrechts von Gschnitzer / Faistenberger 82 werden allerdings nicht auf der Unterhaltspflicht beruhende Ausstattungsverträge als Schenkungen bezeichnet. 143 Vgl. zu ähnlimen Gedanken schon oben IV. B. 2. 239 240
B. Unentgeltliche und freiwillige antizipierte Erbfolge
141
Gschnitzer will die Zuwendungen der antizipierten Erbfolge als entgeltfremde behandeln. Darauf wird noch einzugehen sein244 • Auch Eckert245 grenzt für das österreichische Recht einrechnungspflichtige Zuwendungen von einreclmungsfreien Schenkungen ab. In objektiver Hinsicht mangle es an Freiwilligkeit im weitesten Sinn, subjektiv am Willen des Gebers, dem Empfänger vor anderen etwa vorhandenen Kindern zu begünstigen. Dieser Ansicht ist grundsätzlich zu folgen. Eckert kehrt jedoch meines Erachtens den Versorgungszweck bei den Zuwendungen der antizipierten Erbfolge zu stark heraus. Zuletzten hat Migsch U5a unter Berufung auf Ost heim die Ansicht vertreten, daß sich die Vorschüsse des § 789 ABGB durch die Anrechnungsabrede von den Schenkungen unterscheiden. Verfolgt man diesen Ansatz konsequent weiter, muß man dahin gelangen, auch jene Zuwendungen von den Schenkungen abzugrenzen, in denen sich die Anrechnung zum Erbteil aus einer (formlosen) "Anrechnungsanordnung" des Erblassers im Moment der Zuwendung ergibt. Hier liegt nämlich eine vereinbarungsgemäße Anrechnungspflicht vor, weil der Begünstigte die Zuwendung nur in diesem Sinn annehmen oder ablehnen kann2-4 5b. Während die österreichische Lehre ein ziemlich uneinheitliches Bild des behandelten Problems bietet, wird in der BRD die Frage recht eindeutig im Sinn der Möglichkeit "anrechnungspflichtiger Schenkungen" beantwortet. Die überwiegende Auffassung geht dahin, die Anrechnungsanordnung als besondere Gestaltung der Erbfolge 246 nicht als Auflage der Schenkung247 , sondern als besondere Modifikation des Erbrechts anzusehen. Doch muß man bedenken, daß man nicht sämtliche Schenkungsregeln anwenden muß und dabei sachlich zu ähnlichen Ergebnissen, wie sie hier vertreten werden, kommen kann248 • Bemerkenswert ist aber immerhin, daß gerade Oertmann249 meint, die Abfindungsempfänger bei übergabsverträgen seien keine Geschenknehmer, weil sie für ihr Erbrecht abgefunden werden. In allerjüngster Zeit stufte auch Coing 250 die übertragungsakte bei vorweggenommener Erbfolge als "Rechtsakte Unten IV. F. 2. öJZ 1961, 259; ähnlich auch Scheffknecht NZ 1955, 70. %46a Ehe- und Kindschaftsrecht 56 FN 146. 245b Vgl. schon oben IV. B. 3. d. 246 Vgl. etwa Kipp / Coing 670; Lehmann in Staudinger ll § 2050 Anm 3, 18; zur Rechtsprechung siehe Johannsen WM 1970 I 742; zu § 2327 BGB, der diese Auffassung sicherlich teilweise bedingt, vgl. oben FN 32. 247 So etwa Lange, Erbrecht 216. 248 Zu dieser methodischen Frage vgl. oben IV. B. 4. a. 244 245
249 250
82.
FS Schwind 68.
142
Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
sui generis" ein und vertrat für ihre rechtliche Behandlung eine vorsichtige Analogie zu den Schenkungsvorschriften. Die schweizerische Doktrin, die in Art 632 ZGB eine Bestimmung hat, die für das Zusammentreffen von Schenkung und Vorempfang spricht261 , hat sich dennoch überwiegend für die gegenteilige Ansicht entschieden!52.
C. Antizipierte Erbfolge und Gegenleistung 1. Allgemein Schon in unserer Begriffsbestimmung der antizipierten Erbfolge1 wurde angedeutet, daß entgeltliche Geschäfte in der Regel aus dem Untersuchungsgebiet ausscheiden. Man kann hier nämlich nicht von der Verwirklichung einer erbrechtlichen Chance sprechen. Dies gilt auch dann, wenn der Empfänger womöglich gerade dasjenige (entgeltlich) erwirbt, was er später ohnehin durch einen erbrechtlichen Erwerbstatbestand bekommen hätte. Die erbrechtliche Chance spielt aber für die Parteien keine Rolle. Solche Geschäfte stellen daher gegenüber sonstigen entgeltlichen Rechtsgeschäften keinerlei Besonderheiten dar, sie bewegen sich im Rahmen der grundsätzlich unbeschränkten Privatautonomie. Ein wichtiger Grund für die erbrechtliche Irrelevanz stellt auch der Umstand dar, daß bei entgeltlichen Geschäften ein entsprechendes Äquivalent in das Vermögen des Erblassers tritt, so daß die Nachlaßinteressenten ungefährdet erscheinen!. Daß die Anrechnungspflichtigkeit einer Zuwendung auf den späteren Erb- oder Pflichtteil als solche keine Gegenleistungspfiicht bedeutet, weil diese vom Gesetz an die Zuwendungsart geknüpfte Wirkung gerade nicht in einer Erstattungspflicht des Begünstigten in den späteren Nachlaß zu verwechseln ist, wurde bereits behandeW.
Dazu schon oben IV. B. 3. a. m Vgl. insb Müller J. A.; Müller O. ZBJV 1951, 97 ff. (100 ff.), der den Vor-
251
empfang zwar als unentgeltliches lebzeitiges Geschäft, nicht aber als Schenkung ansieht; Anrechnungspflicht und Schenkung schließen sich nach seiner Meinung gegenseitig aus. Bezüglich weiterer Zitate und der gegenteiligen Ansicht von Widmer vgl. oben IV. B. 3. d.; abweichend auch Bruhin 63 f. mwN u jüngst Piotet 304 f. lOben 11. A. 2 Dazu schon oben IV. B. 4. c. S IV. B. 3. a.
c. Antizipierte Erbfolge und Gegenleistung
143
2. Erb- und Pftichtteilsverzicht gegen Abfindung Ein besonderes Problem stellt sich aber dann, wenn der Empfänger einer Zuwendung der antizipierten Erbfolge dafür einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht abgibt. Die Entgeltlichkeit der Rechtsbeziehung zwischen den Vertragspartnern hängt dabei von der Eignung des Verzichts als Gegenleistung zur Abfindung ab. Dies kann jedoch kaum fraglich sein, wenn man bedenkt, daß es für die Einstufung einer Handlung als Gegenleistung nicht auf die Verschaffung eines vermögenswerten Vorteils ankommt, sondern auf ein Verhalten, um dessentwillen die Parteien eine Leistung erbringen und die sie als ausreichende Gegenleistung ansehen4• Das Interesse des Erblassers, der eine Abfindung nur gegen einen Verzicht gewähren will, kann etwa in einer Erweiterung seiner Testierfähigkeit beim Pflichtteils verzicht oder einfach darin bestehen, eine vorzeitige Erbauseinandersetzung durchzuführen5 • Ist ihm dies die Zahlung einer Abfindung wert, liegt ohne Zweifel eine entgeltliche Beziehung vor'. Die Entgeltlichkeit kommt besonders deutlich dann zum Ausdruck, wenn von einer gegenseitig verpflichtenden Abfindungsvereinbarung, die den Erblasser zur Leistung der Abfindung, den zukünftigen Erben (Pflichtteilsberechtigten) zur Abgabe eines Verzichts verpflichtet, ausgegangen wird? Dieser synallagmatische und damit notwendig entgeltliche Vertrag wird durch den Erbverzicht einerseits und die Zuwendung der Abfindung anderseitig erfülUS. Bei Gültigkeit des Abfindungsvertrags kann jeder Teil auf die Erfüllung dringen. Im Fall von Leistungsstörungen können die Parteien die ihnen insbesondere durch die §§ 918 ff. ABGB eingeräumten Rechte in Anspruch nehmen. Der 4 Vgl. § 917 ABGB; Gschnitzer in Klang! IV/I, 431; Liebisch 28; von Tuhr 139 ff.; OGH 7. 10. 1970 JBlI971, 197. 5 Vgl. zu den Motivationen oben H. C. • Treffend spricht Handl in Klang! 11/1, 111 von "Auskauf der Erbschaft"; vgl. auch OGH 20. 3. 1936 SZ 18/51; Brox 160. 7 Vgl. Lange FS Nottarp 126 ff.; Damrau, Erbverzicht 91 ff. (97); Ferid in Staudinger!O, tt § 2346 Anm 64; Bartholomeyczik / Schlüter 24; Kipp / Coing 475; Weiß in Klang! 111 183 will wohl auch ein einheitliches entgeltliches Geschäft annehmen, meint dabei aber nicht ein dem Erbverzicht vorausgehendes Verpflichtungsgeschäft, sondern versteht die Abfindung als Bestandteil des Erbverzichts, eine Ansicht, die mit der Natur des Erbverzichts als abstraktem Verfügungsgeschäft wohl unvereinbar ist. 8 Eine gegenseitige Verpflichtungsvereinbarung ist aber nicht die einzige Möglichkeit der Entgeltlichkeit, entgeltlich ist die Beziehung auch dann, wenn es einer Partei freigestellt ist, unter der Bedingung der Gegenleistung ihre Leistung (Verzicht oder Abfindung) zu erbringen (kondizionale Beziehung); eine kausale Verknüpfung liegt vor, wenn etwa der Erbverzicht zum Zweck der Erlangung der Gegenleistung gegeben wird: vgl. Larenz JherJB 1931 11 f.; auch diese Arten der Verbindung von zwei Leistungen erzeugen Entgeltlichkeit: vgl. bloß Oertmann.
144
Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Rücktritt des Verzichtenden nach bereits abgegebenem Verzicht erzeugt wegen des besonderen Leistungscharakters des Verzichts nur die Pflicht zu seiner einverständlichen Aufhebung, die bei Weigerung des Erblassers durch Urteil ersetzt werden kann. Schwierigkeiten bereitet der Dogmatik allerdings der Fall des Abschlusses des Erb- oder Pflichtteilsverzichts bei nichtiger Abfindungsvereinbarung. Infolge der auch für Österreich anzunehmenden abstrakten Natur des Erbverzichts hat nämlich ein fehlerhafter Rechtsgrund keinerlei unmittelbare Auswirkungen auf die Gültigkeit des Erbverzichts'. Nicht über die Wege, wohl über das Ziel, ist man sich in der vor allem in Deutschland sehr breit geführten Diskussion lO einig: Der Verzichtende, der infolge Ungültigkeit des Abfindungsversprechens keine Abfindung erhält, kann den abgegebenen Verzicht aus der Welt schaffen: Sei dies, daß man den Erbverzicht als durch die Gültigkeit des Abfindungsvertrags bedingt ansieht1t , sei es, daß man bei fehlendem Bedingungszusammenhang infolge wirtschaftlicher Einheit von Abfindung und Erbverzicht etwa im Sinn des § 139 BGB Nichtigkeit des ganzen Geschäfts annimmt oder daß man versucht, einen Bereicherungsanspruch gegen den Erblasser oder dessen Erben zu konstruieren. Weil dieser Bereicherungsanspruch mangels Bereicherung des Erblassers regelmäßig zu keinem Erfolg führt, wollen manche diesen Anspruch durch ein Anfechtungs- oder Rücktrittsrecht oder die Einrede der unzulässigen Rechtsausübung ersetzen. Alle diese Versuche, auf die im einzelnen hier nicht einzugehen ist, zeigen mit großer Deutlichkeit den entgeltlichen Charakter der Rechtsbeziehung. Es muß allerdings nicht immer eine zur Entgeltlichkeitausreichende Beziehung zwischen Erbverzicht und Abfindung vorhanden sein. Die beiden Leistungen kommen auch unabhängig voneinander vor. Es mag sein, daß in solchen Fällen bei der späteren Leistung (etwa dem Erbverzicht) auf die frühere Leistung (etwa eine Zuwendung des Erblassers in der Vergangenheit) Bezug genommen wird, diese also im Sinne Oertmanns l2 als "causa praeterita" erscheint, die die spätere Leistung entweder bedingt oder ihren Rechtsgrund darstellt. Dennoch wird der 9 Demgegenüber ist die Gültigkeit der Abfindungsleistung für Österreich gemäß der grundsätzlichen kausalen Natur jedes Verfügungsgeschäftes von der Gültigkeit des Abfindungsvertrages abhängig. Das Problem, das entsteht, wenn der Abfindungsempfänger wegen Ungültigkeit der Abfindungsvereinbarung keinen Erbverzicht abgibt, die empfangene Abfindung aber behalten will, stellt sich daher nicht: Die Abfindung kann ohne Schwierigkeit herausgefordert werden. 10 Vgl. die kritische übersicht bei Ferid in StaudingerIO, 11 vor § 2346 Anm 7211.; Damrau, Erbverzicht 92 ff. 11 Vgl. auch Handl in Klang l lI/I, III f. It Insb 32 11.
C. Antizipierte Erbfolge und Gegenleistung
145
Charakter der früheren Leistung dadurch nicht beeinflußt, die Frage nach dem Rechtscharakter der ersten Leistung ist ohne Rücksicht auf die spätere Leistung zu beantworten. Ein Beispiel stellt eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1972 13 dar: 1960 erhielt die Beklagte durch übergabsvertrag das mütterliche Anwesen. Im Jahre 1969 verzichtete die Beklagte im Hinblick auf die Liegenschaftsübergabe auch auf ihren gesetzlichen Erb- und Pflichtteil. Der OGH beurteilte trotz des Erb- und Pflichtteilsverzichts die frühere übergabe als unentgeltlich.
Speckmann 14 kommt nun aber zum Ergebnis, daß die Abfindung für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht in keinem Fall entgeltlich sei. Er begründet dies damit, daß das Aufgeben eines zukünftigen Erbrechts den Erblasser höchstens von einer moralischen Hemmung befreie, jedoch keine echte Gegenleistung sei. Ähnlich sei aber auch ein Pflichtteilsrecht zu Lebzeiten des Erblassers keine vermögenswerte Anwartschaft. Denn der zukünftige Anspruch des Pflichtteilsberechtigten hänge etwa von dessen überleben und vom Vorhandensein eines Nachlaßvermögens ab. Der Verzicht darauf stelle daher auch keine "vermögenswerte (echte) Gegenleistung"15 dar. Dieser Argumentation kann im Hinblick auf den nicht notwendig vermögensrechtlichen Charakter der Gegenleistung, wie oben gezeigt, nicht gefolgt werden. Speckmann u stellt jedoch noch eine weitere überlegung an. Es sei wirtschaftlich völlig gleichwertig, ob der Empfänger einer Abfindung durch einen Pflichtteilsverzicht oder durch das Eingreifen der Vorschriften über die Anrechnung einer Zuwendung auf den Pflichtteil (§ 2315 Abs 1 BGB) im Ergebnis keinen Pftichtteilsanspruch mehr habe. Es gehe nicht an, daß etwa ein Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB) im einen Fall wegen der Entgeltlichkeit der Abfindung nicht zu gewähren sei, ihn aber im anderen Fall unter Hinweis auf den Schenkungscharakter der anzurechnenden Zuwendung17 zu billigen. "Eine solche verschiedene Behandlung wirtschaftlich völlig gleichliegender Sachverhalte läßt sich nicht rechtfertigen I8 ." Dieser Gedankengang, der auch auf das österreichische Recht übertragen werden kann - nach §§ 785, 951 ABGB ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch ebenfalls vom Vorliegen einer Schenkung abhängig verdient Beachtung. Verfehlt ist es allerdings, die Anwendung der Re13 16 15 18
17 18
18. 4. 1972 8 Ob 78/72 EFSlg 17900. NJW 1970, 117 fi. NJW 1970, 120. NJW 1970, 119. Vgl. oben IV. B. 5. NJW 1970, 119.
10 Eccher
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
geln über entgeltliche Geschäfte zur Gänze zu leugnen. Die Entgeltlichkeit ist notwendig zur Klärung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Erblasser und dem Verzichtenden. Doch wird die Notwendigkeit sichtbar, die Rechtsstellung der Pflichtteilsberechtigten und eventuell der anderen Nachlaßbeteiligten gegenüber dem Abfindungsempfänger zu überdenken. Für sie ist es tatsächlich gleichgültig, ob der Empfänger sein späteres Erb- oder Pflichtteilsrecht durch Abgabe eines Erbverzichts oder durch Eintreten der Anrechnungsbestimmungen verliert. Speckmann übersieht bei dieser Gegenüberstellung allerdings die Bestimmung des § 2310 BGB (§ 767 ABGB) , wonach der Verzichtende bei Berechnung des Pflichtteils nicht mehr mitgezählt wird und wodurch sich die Pflichtteile der übrigen erhöhen". Dies trifft im Fall einer Aufzehrung des Erb- oder Pflichtteilsrechts durch Anrechnung nicht zu. Die Fälle können daher nicht unbedingt gleichgestellt werden. Im Ergebnis gelangt man jedoch offensichtlich dahin, nur für einen Teilbereich des Erbverzichts gegen Abfindung die Regeln über entgeltlich Geschäfte voll anzuwenden20 • Erinnert sei auch daran, daß das Erbschaftsteuergesetz die Abfindung für einen geleisteten Erb- oder Pflichtteilsverzicht den unentgeltlichen Geschäften gleichstellt (§ 3 Abs 1 Z 5). Die getroffenen Feststellungen müssen bei der rechtlichen Behandlung der Abfindungsleistungen ihren Niederschag finden!l. 3. Gemischt-entgeltliche antizipierte Erbfolge Besonders häufig kommt antizipierte Erbfolge bei bäuerlichen Gutsübergabeverträgen aber durchaus auch sonst in der Weise vor, daß die Leistung des zukünftigen Erblassers nur zum Teil durch eine Gegenleistung des Empfängers entgolten wird, während ein darüberhinausgehender Teil ohne Gegenleistung übertragen wird22 • Das Rechtsgeschäft ähnelt dann einer gemischten Schenkung, wobei allerdings anstelle des Schenkungsteiles eine antizipierte Erbfolge tritt. Tuorl meint genau dies, wenn er sagt: "Es handelt sich hierbei um ein der sog. gemischten oder indirekten Schenkung entsprechendes Doppelgeschäft, Vgl. genauer dazu unten V. B. 3. Vgl. auch Deinlein NZ 1956, 115, wonach der Erbverzicht gegen Abfindung sich zu § 917 ABGB neutral verhält; nicht umsonst sagt auch Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 438 FN 92 am Ende, es sei zweifelhaft, ob der Erbverzicht gegen Abfindung entgeltlich sei oder nicht; der OGH 20.3.1936 SZ 18/51 läßt diese Frage ebenfalls offen. 21 Vgl. im einzelnen unten V. 22 Vgl. zu den Formen der Praxis insb 11. B. 1. u 2; im übrigen sei daran erinnert, daß bürgerlichrechtlich auch dann ein gemischtes Geschäft vorliegen kann, wenn gar keine Schenkungsteuer - etwa wegen der niedrigeren Einheitswerte gegenüber den Verkehrswerten - anfällt (vgl. oben 11. C. 4. c.). 23 ZBJV 1925, 54. 19
20
C. Antizipierte Erbfolge und Gegenleistung
147
das zum Teil, soweit der Preis reicht, oneros, für den Mehrwert der Sache über den Preis hinaus lukrativ ist". Für die - durchaus nicht immer leicht zu beantwortende - Frage, wann ein gemischt-entgeltliches Geschäft überhaupt vorliegtt\ kann daher grundsätzlich auf die gemischte Schenkung25 zurückgegriffen werden, wobei jedoch anstelle des Schenkungsrechts die für antizipierte Erbfolge hier vertretene rechtliche Behandlung2' zu treten hat. Hier sei im allgemeinen nur soviel gesagt, daß nach durchaus billigenswerter Auffassung in jedem Einzelfall zu untersuchen ist, ob im Sinn der Einheitstheorie das Geschäft als Ganzes entweder der einen oder anderen Gruppe von Rechtsvorschriften zu unterwerfen ist oder ob im Sinne der Trennungstheorie die beiden Teile nach verschiedenen Rechtsregeln erfaßt werden. Hier seien nur einige für antizipierte Erbfolge praktisch besonders interessante Probleme angeschnitten. Zerlegbar erscheint das Geschäft jedenfalls in bezug auf eine allfällige Anrechnung zum Pflicht- oder Erbteil!7. Hiebei handelt es sich um eine bloß rechnerische Operation, die es durchaus ermöglicht, den Teil des Geschäfts, der eine antizipierte Erbfolge bildet, allein vom Erboder Pflichtteil abzuziehen. Bei Pflichtteilsergänzung (§§ 785, 951 ABGB)28 durch verkürzte Pftichtteilsberechtigte wäre zwar nur der unentgeltliche Anteil, genauer der Teil des Geschäfts, der eine antizipierte Erbfolge darstellt, zum Zweck der Berechnung des Pflichtteils dem Nachlaß hinzu zurechnen, ein allfälliger Widerruf (§ 951 ABGB) würde jedoch insofern das gesamte Geschäft ergreifen, als ja nach der Rechtsprechung das Klagebegehren auf Zahlung des Fehlbetrags bei Exekution in den übertragenen Gegenstand formuliert wird. Dabei wäre allerdings ein darüber hinausgehender Verkaufserlös, zu dem auch der dem entgeltlichen Teil des Geschäfts entsprechende Anteil gehört, dem Empfänger zurückzustellen 29 • Eine ähnliche Rechtslage ergibt sich bei Gläubigeranfechtung wegen unentgeltlicher Verfügungen des Erblassers3o • 24 Keinesfalls um ein gemischt-entgeltliches Geschäft handelt es sich in den - gerade bei antizipierter Erbfolge häufigen - Fällen, wo sich der Zuwender den Fruchtgenuß oder andere Rechte an der übertragenen Sache vorbehält (vgl. oben H. B.). Die Belastung der Sache stellt zivilrechtlich - unbeschadet manchmal verschiedener steuerrechtlicher Behandlung (vgl. insb oben H. C. 4. c.) - nicht eine Gegenleistung des Empfängers dar, weil die Zuwendung nicht um dieser Leistung wegen erfolgt, sondern bildet - ähnlich wie bei der Schenkung unter Auflage (dazu insb Stanzl in Klang! IV/I, 608 f.) - eine Wertminderung der übertragenen Sache. 25 Vgl. dazu etwa Stanzl in Klang! IV/I, 590 ff.; Ehrenzweig !I/I, 367 f. 28 Vgl. insb unten IV. F. u V. 27 Dazu unten V. A. 28 Dazu unten V. B. !9 Vgl. zur gemischten Schenkung analog Stanzl in Klang! IV/I, 591 f., 626. 30 Vgl. dazu RG 25.11. 1940 EvBI 1941/92; OGH 6.10.1903 ZBI 1905/7; im übrigen dazu unten V. C.
10·
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Den Widerruf einer gemischten Schenkung wegen groben Undanks des Beschenkten, der auch bei antizipierter Erbfolge grundsätzlich möglich ist3 \ beschränkt die Judikatur2 auf den unentgeltlichen Teil. Die Lehre33 läßt den Widerruf hinsichtlich des gesamten Geschäfts zu, erlaubt aber dem Empfänger die Abwendung durch Nachzahlung. Diese Lösung müßte man meines Erachtens im Interesse des Gebers möglichst einschränken und so nur dann vertreten, wenn Unteilbarkeit vorliegt. Eine etwaige Formpflicht des Geschäfts ist einheitlich nach dem überwiegen des einen oder anderen Bestandteils zu beurteilen. Je größer der entgeltliche Anteil ist, umso geringer wird nämlich die Gefahr einer übereilung sein 34 • Ein weiteres Sonderproblem stellt die Frage dar, ob der Abschluß eines Vertrags über eine gemischt-entgeltliche Zuwendung hinsichtlich des (ideellen) entgeltlichen Teils ohne weiteres einen Vorkaufsfall darstellt35 , oder ob das Geschäft als eine "andere Veräußerungsart" im Sinn des § 1078 ABGB einer besonderen vertraglichen Vereinbarung bedarf3e , um als Vorkaufsfall zu gelten. Handelt es sich nun um gemischte antizipierte Erbfolge und nicht um gemischte Schenkung, ist meines Erachtens jedenfalls der zweiten Auffassung der Vorzug zu geben. Hier scheint das Interesse des Vorkaufsberechtigten, einzulösen, eindeutig den Interessen von zukünftigem Erblasser und zukünftigem Erben nachzustehen, wenn sie eine vorzeitige Erbauseinandersetzung treffen wollen. Dieses Verhältnis ist selbst dann, wenn Gegenleistungen des Empfängers mit dem Geschäft verbunden sind, durch eine besondere persönliche Beziehung der Partner gekennzeichnet, mit denen es unverträglich erscheint, dem Vorkaufsberechtigten die Möglichkeit zu bieten, hinsichtlich des entgeltlichen Teils des Geschäfts einzutreten. Diese Auffassung dürfte bei gemischter antizipierter Erbfolge unbestritten sein, wird doch für bäuerliche Gutsübergabeverträge selbst dann eine andere Veräußerungsart im Sinn des § 1078 ABGB angenommen, wenn wegen des Gedankens der vorweggenommen Erbfolge durch die niedrigere Bewertung des übernahmepreises 37 gar keine gemischte antizipierte Erbfolge, sondern sogar ein rein entgeltliches Geschäft anzunehmen ist38 • Vgl. unten V. H. Vgl. OGH 10.3.1954 JBI 1954, 489; 24.1. 1951 SZ 24/26; 17.7.1872 GlU 4659; aA offenbar 20. 8. 1891 GlU 13.871. 33 Vgl. Koziol / Welser I 165; Ehrenzweig 11/1, 367 f. 34 Vgl. Ehrenzweig 11/1, 367; aA Koziol/ Welser I 165, die immer Schenkungsform verlangen; im übrigen siehe unten V. D. 35 So Faistenberger 112 ff. 3e So Bydlinski in Klang 2 IV/2, 876 ff. 37 Vgl. unten V. J. 38 Bydlinski in Klang 2 IV/2, 877; Faistenberger 116; Bruhin 148 ff.; vgl. auch § 511 BGB u hiezu jüngst E OLG Braunschweig 17.11. 1977 dNZ 1978, 96. 31
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D. Antizipierte Erbfolge in Erfüllung von Rechtspflichten
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D. Antizipierte Erbfolge in Erfüllung von Rechtspflichten Wie schon ausgeführt l , beruhen Leistungen der antizipierten Erbfolge teilweise unmittelbar auf einer gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht zur Zuwendung. Die Aussage von Ebert2 , wonach "die Rechtsfigur der vorweggenommenen Erbfolge auf dem Prinzip der Freiwilligkeit" basiere, ist insoweit für Österreich3 nicht ganz zutreffend. Für die Beurteilung des Entgeltcharakters derjenigen Zuwendungen, die auf Grund einer gesetzlichen Pflicht erfolgen, stellt Liebisch4 konsequent auf die These der Entgeltlichkeit der Erfüllung ab. Die Befreiung des Schuldners von der Schuld sei zwar keine Gegenleistung im Sinn eines wie immer gearteten HandeIns des Zuwendungsempfängers, denn das Erlöschen der Schuld tritt kraft Gesetzes ein. Aber "dieser vom Schuldner bezweckte Erfolg ist es, der ihm zum Vorteil gereicht und seiner Zuwendung die Eigenschaft der Unentgeltlichkeit nimmt"5. Dies hindert Liebisch' allerdings nicht, dann im Ganzen von unentgeltlicher Zuwendung zu sprechen, wenn Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft auf dem einheitlichen Willen beruhen, unentgeltlich zuzuwenden, wie dies bei Schenkungs versprechen und Schenkungserfüllung der Fall sei. Zum gleichen Ergebnis gelangte von Tuhr 7 mit etwas anderer Begründung: Die Auffassung der Entgeltlichkeit der Erfüllung vertrat er nm bei den direkt vom Gesetz gebotenen Zuwendungen, während er sich bei den Erfüllungsgeschäften, die auf rechtsgeschäftlicher Verpflichtung beruhen, der Oertmannschen Lehre8 anschloß, wonach das Erfüllungsgeschäft als Hilfsgeschäft nach dem Charakter des VeTpflichtungsgeschäfts als Hauptgeschäft zu beurteilen sei. In dem Bestreben, die Unentgeltlichkeit der Schenkungserfüllung nachzuweisen, die für das Anfechtungsrecht nach der Konkurs- und Anfechtungsordnung Bedeutung hat, müssen beide Autoren Inkonsequenzen hinnehmen: Liebisch muß seine These von der Entgeltlichkeit der Erfüllung einschränken, von Tuhr kann seine Lehre nur für direkt vom Gesetz gebotene Leistungen vertreten. lOben H. A. u B. 4. Erbausgleich 32 f.; vgl. auch Jochem FamRZ 1974,361, der jeden Zwangsmechanismus bei der Realisierung erbrechtlicher Chancen ablehnt. 3 Für die BRD gilt aber jedenfalls, daß Freiwilligkeit dann nicht vorliegt, wenn eine antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht (vgl. IV. E.) vollzogen wird. 4 39 ff. 5 Liebisch 40. • 41 f. 7 145 ff. 8 Oertmann 89 ff. %
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Allein diese Kontroverse zeigt, daß es hier im allgemeinen und bei gesetzlich gebotenen Zuwendungen der antizipierten Erbfolge im besonderen weniger um eine saubere Einordnung in das Schema von entgeltlich und unentgeltlich, sondern vielmehr auf die Ermittlung der jeweils im Einzelfall passenden Rechtsfolgen ankommt. Treffend sagt daher Migsch 9 : "Wenn man bedenkt, daß es sich bei dem Begriffspaar entgeltlich - unentgeltlich um den Ausgangspunkt zu einer Reihe sehr bedeutsamer Rechtsfolgen handelt, so wird man einer vom Gesetzgeber aufgestellten Wertungsaufgabe gewahr, der man sich nicht entziehen kann. Die Subsumtion muß sogar dann vorgenommen werden, wenn die Begriffe nicht reibungslos passen, und sei es im Wege der Analogie." Die Lehre vom entgeltlichen Charakter erfüllter Rechtspflichten bedeutet denn auch mehr, daß man bestimmte "für unentgeltliche Zuwendungen sonst charakteristische Rechtsfolgen"lO abwenden will, als eine positve Ausage über die Geltung der Regeln der entgeltlichen Geschäfte ll • Dadurch wird der Weg frei für eine gesonderte Beurteilung jeder einzelnen Rechtsfolge, ohne daß man durch die Kategorien entgeltlich oder unentgeltlich schon im vorhinein in der einen oder anderen Richtung festgelegt wäre.
Migsch 12 , der diese Lehre von der Entgeltlichkeit der Erfüllung folgerichtig ablehnt, also diese Zuwendungen nicht als entgeltlich ansehen kann, kommt zugleich zum Ergebnis, daß sie auch nicht unentgeltlich sind. Ausgesprochen ist dies zwar nur für die Erfüllung von Pflicht- und Anstandsschenkungen, muß aber auch für die Erfüllung von Rechtspflichten gelten. Trotzdem will Migsch die Regeln über unentgeltliche Geschäfte zur Gänze ausschließen, während er die Regeln über entgeltliche Geschäfte bloß nicht unbesehen übertragen will, etwa dann nicht, wenn sie nur für Leistungsaustauschbeziehungen passen. Diese Einseitigkeit ist angesichts der Charakterisierung der Zuwendung weder als entgeltlich noch als unentgeltlich nicht gerechtfertigt. Gschnitzer 13 geht AcP 1973, 53. Migsch AcP 1973, 52. 11 Vgl. etwa OGH 19.6.1877 GlU 6503, wo die Leistung einer pflichtgemäßen Ausstattung als entgeltlich bezeichnet wird. 12 AcP 1973, 51 ff.; die nicht ganz durchsichtige Argumentation geht davon aus, daß hier von einer gegenseitigen Abgeltung keine Rede sei; die einzelne Rechtspflicht und ihr Erlöschen sage noch nichts über die rechtliche Grundlage aus, aus der die Pflicht entstanden sei. Der Vertrag entscheide daher über entgeltlich oder unentgeltlich. Gerade das ist aber bei der Erfüllung von Rechtspflichten mangels eines rechtsgeschäftlichen Grundgeschäfts ausgeschlossen, so daß die Frage im Grunde offen bleibt. Die Zitierung der §§ 320 Abs 1 BGB und 1052 ABGB scheint im übrigen darauf hinzudeuten, daß Migsch entgeltlich hier im Sinn einer Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung versteht, während Liebisch und von Tuhr zuzugeben ist, daß sie die Entgeltlichkeit hier bewußt nicht auf die Verknüpfung mit einer Gegenleistung, sondern eben durch die Schuldbefreiung gegeben ansehen. 9
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E. Antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht
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denn auch dem aus dem Weg, indem er gerade die Erfüllung von Rechtspflichten in die von ihm vertretene Kategorie der entgeltfremden Geschäfte einordnet, von denen er sagt14 : "Keinesfalls kann man sie einer der beiden Gruppen ganz zuschlagen. Einzelprüfung ist unerläßlich". Mit diesem Befund kann das Kapitel über Leistungen der antizipierten Erbfolge aus einer Rechtspflicht vorläufig bis zur zusammenfassenden Beurteilung aller Fälle der antizipierten Erbfolge abgeschlossen werden 16 •
E. Antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht Zur Frage, wann eine sittliche Verpflichtung zu einer Zuwendung im allgemeinen anzunehmen ist, finden sich nur wenige Hinweise. Stanzzt nennt das "Herkommen", die "Verkehrsanschauung im gesellschaftlichen Kreise des Verfügenden" und die "Umstände des einzelnen Falles". Migsch2 versucht an Hand der Nähe der Pflichtschenkung zu einem gesetzlich oder auch vertraglich geregelten Rechtsverhältnis auch das Naheverhältnis der beteiligten Personen zu konkretisieren, also abzugrenzen, wo eine rechtlich relevante sittliche Verpflichtung zwischen Zuwendendem und Zuwendungsempfänger beginnt und die bloße Mildtätigkeit aufhört. Als besonders passendes Beispiel sei hier an ein Ausstattungsversprechen der Pflegeeltern gegenüber der Pflegetochter gedacht. Migsch vertritt dabei jedoch die Ansicht, daß diese "außerrechtliche Anforderung ... rein objektiver Natur" sei 3 , ohne daß es auf das Bewußtsein ankäme, einer derartigen Pflicht zu genügen. Dies kann jedoch meines Erachtens nicht ausreichen. Würde man dies annehmen, könnten die Parteien - vorausgesetzt es liegt eine solche sittliche Verpflichtung objektiv vor - anstelle einer Pflichtschenkung gar keine "normale" Schenkung mehr vornehmen. Genauso, wie es den Parteien, denen eine sittliche Verpflichtung unbewußt geblieben ist, unbenommen bleibt, eine Zuwendung überhaupt zu unterlassen, muß es ihnen auch möglich sein, sich darüber hinwegsetzend eine "normale" Schenkung 13 In Klang! IV/I, 435 ff.; als rein entgeltlich oder unentgeltlich bezeichnet Gschnitzer die Erfüllung jener Leistungen, die entgeltlich oder unentgeltlich
übernommen wurden - also solche, die einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung entstammen. Dies ergibt sich auch daraus, daß nach der Auffassung Gschnitzers über Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Parteiwille entscheide (in Klang! IV/I, 431); als Beispiele für entgeltfremde Erfüllungen nennt er Unterhalt, Ausstattung und Gutsübergabe - also gerade jene Geschäfte, die hier behandelt sind. u In Klang 2 IV/I, 436. 16 Vgl. unten IV. F. 1 In Klang 2 IV/I, 588 mwN. 2 AcP 1973, 54 f. 3 AcP 1973, 67.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als leb zeitige Zuwendung
abzuschließen. Der Parteiwille muß daher von der sittlichen Pflicht geleitet sein. Umgekehrt muß dieses subjektive Element auch einen gewissen objektiven Anhaltspunkt haben4 • Hiefür eignet sich das von Migsch angezogene Kriterium der Nachahmung gesetzlicher oder auch vertraglicher Rechtsverhältnisse außerordentlich gut. Auf der Grundlage der insgesamt doch eher spärlichen Kriterien für das Vorliegen einer sittlichen Verpflichtung im allgemeinen ist die Beurteilung der Frage, wann eine sittliche Verpflichtung für Zuwendungen im Rahmen der antizipierten Erbfolge anzunehmen sein wird, nicht einfach und auch nicht generell zu beantworten.
Stanzl5 vertritt die Ansicht, daß Abfindungsleistungen in übergabsverträgen in Erfüllung sittlicher Pflichten erfolgen. Ebenso seien Abschlagszahlungen auf spätere Pflichtteilsforderungen auch außerhalb von übergabsverträgen zu behandeln. Eckert8 meint, daß die in § 788 ABGB genannten Versorgungsleistungen jedenfalls teilweise auf einer "moralischen, Standes- oder Ehrenpflicht" beruhen. Migsch 7 nimmt zu Zuwendungen im Rahmen antizipierter Erbfolge nicht Stellung, wohl aber zur Behandlung der Erfüllung formungültiger letztwilliger Verfügungen. Dort lehnt er aber die Relevanz der von ihm sonst als Kriterium verwendeten Nachahmung von gesetzlichen oder vertraglichen Rechtsverhältnissen ab. Erb- und Vermächtniseinsetzungen seien als abstrakte Erwerbsformen dem Erbrecht vorbehalten. Die letztwillige Verfügung stelle daher nur ein Beiwerk dar, "über das hinweggesehen werden muß, will man über Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Verfügung entscheiden"8. Diese Ausführungen vermögen meines Erachtens jedoch weder für die Erfülung formungültiger letztwilliger Verfügungen noch für Zuwendungen im Rahmen der antizipierten Erbfolge ganz zu überzeugen. Zum einen sind Erbfolge und Vermächtniserwerb nicht abstrakt, sondern folgen grundsätzlich der Lehre von Titel und Modus9 • Anderseits ist nicht recht einzusehen, warum bei antizipierter Erbfolge eine relevante Nachahmung ausgeschlossen sein sollte, verfolgen doch diese Zuwendungen ganz ähnliche Funktionen wie die Erbeinsetzung und das Vermächtnis selbst. Gerade auf die Funktionsgleichheit kommt es aber Migsch10 für die Erkenntnis eines Naheverhältnisses an. 4 Das Gesetz knüpft allerdings mitunter schon an das objektive Vorliegen sittlicher Pflichten gewisse Konsequenzen: vgI. z. B. § 814 Abs 2 BGB. 6 In Klang 2 IV/I, 594. e ÖJZ 1961, 259. 7 AcP 1973, 56 ff. 8 Migsch AcP 1973, 58. g VgI. oben IH. A. 2. u 3. 10 AcP 1973, 55.
E. Antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht
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Es kann daher meines Erachtens zwischen zukünftigem Erblasser und Erben (Pflichtteilsberechtigten) durchaus eine äußere Voraussetzung für das Vorliegen sittlicher oder moralischer Verpflichtungen zu Zuwendungen, die sich ansonsten im Erbrecht abspielen, gegeben sein. Es muß dazu nur das subjektive Bewußtsein im Einzelfall treten, in Erfüllung dieser sittlichen Verpflichtung zu handeln ll • Eine sittliche Verpflichtung dürfte bei vorzeitiger Zuwendung auf den Pflichtteilsanspruch sicherlich eher der Fall sein, als bei Zuwendungen an einen künftigen Erben. Denn diesem Personenkreis steht wohl zu Lebzeiten des Erblassers ebenfalls kein erzwingbarer Anspruch zu, doch wird sich der Erblasser einem Pftichtteilsberechtigten gegenüber, dessen Anspruch weitaus sicherer und vom Verhalten des Erblassers weithin unabhängig ist, eher veranlaßt sehen, diesen Anspruch vorzeitig zu erfüllen. Das Vorliegen sittlicher Verpflichtungen ist aber auch bei einem künftigen Erben nicht ausgeschlossen. Anhaltspunkte könnten etwa darin liegen, daß der Erblasser, der an einen von mehreren Erben etwa zu Lebzeiten eine Guts- oder Wirtschaftsübergabe durchführt, dem Gebot der Gleichbehandlung in bezug auf die weichenden Erben folgt und an diese ebenfalls vorzeitige Leistungen erbringt. Es wäre auch daran zu denken, daß ein Erblasser, der an sich verheiratende Deszendenten pflichtgemäße Zuwendungen erbringt, sich auch moralisch oder sittlich veranlaßt sieht, den sich nicht Verheiratenden Zuwendungen zu erbringen. Ganz allgemein können Zuwendungen in Erfüllung sittlicher Pflicht häufig dann vorkommen, wenn die antizipierte Erbfolge Bedürfnissen des Zuwendungsempfängers dient l2 und der Erblasser, ohne zwar rechtlich dazu verpflichtet zu sein, diesen Wünschen nachkommt. Was die rechtliche Bedeutung des Vorliegens einer sittlichen Pflicht zur Vornahme von Rechtsgeschäften der antizipierten Erbfolge betrifft, so scheint diese Frage keine allzugroßen Probleme im allgemeinen aufzuwerfen. Folgt man nämlich der hier vertretenen Auffassung, daß Zuwendungen der antizipierten Erbfolge schon ohne das Vorliegen solcher Verpflichtungen keine Schenkungen darstellen l3 , so muß man den Schenkungscharakter umso mehr dann leugnen, wenn sittliche Verpflichtungen vorliegen. Die viel diskutierte Streitfrage, ob Zuwendungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder Rücksichten des Anstandes entsprochen wird (§ 785 Abs 3 ABGB, § 28 Abs 1 KO, § 3 Z 1 AnfO), überhaupt Schenkungen sind oder nicht, verliert damit in unserem Zusammenhang ihre unmittelbare Relevanz. Wenn trotzdem kurz auf diese Problematik hier eingegangen wird, dann deshalb, weil die rechtliche Beurteilung 11 Coing NJW 1967, 1778 leugnet daher zu Unrecht jede Möglichkeit des Vorliegens einer sittlichen Verpflichtung zu vorweggenommener Erbfolge. 1'2 Vgl. dazu oben H. C. 1. 13 Vgl. unten IV. F.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
antizipierter Erbfolge nicht ohne gewisse Analogien zum Schenkungsrecht auskommt13 und sich dann die Frage erhebt, ob die vom Gesetz etwa hinsichtlich der Pflichtteilsergänzung und Gläubigeranfechtung14 gebotene oder von der Lehre etwa in bezug auf die Formpflicht vertretene Sonderbehandlung dieser Geschäfte sich auch auf antizipierte Erbfolge durchschlägt. Die österreichische Rechtsprechung verneint das Vorliegen einer Schenkung, wenn eine Zuwendung nicht nur der Erfüllung einer rechtlichen, sondern auch einer sittlichen, moralischen oder Anstands-Pflicht dient15 • In solchen Fällen fehlt nach Ansicht des OGH die für die Schenkung essentielle Schenkungsabsicht. Die Lehre, und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland, geht dagegen durchaus andere Wege. Sie hält "Pflichtschenkungen" für Schenkungen, lehnt jedoch die Anwendung gewisser Schenkungsregeln ab. So vertritt Oertmann l6 die Ansicht, daß das Vorhandensein einer sittlichen Pflicht eine Schenkung nicht ausschließen könne. Er stützt seine Ansicht insbesondere auf § 534 BGB. Dies gelte sogar von den Ausstattungen des § 1624 BGB, die Oertmann lediglich vom Sonderrecht der Schenkungen ausklammern will, deren Charakter als "Schenkung oder doch unentgeltliche Zuwendung" er jedoch nicht leugnet. Das Vorliegen einer Sittenpflicht stellt daher für Oertmann kein Kriterium für Schenkungen dar. Auch nach der Ansicht von Tuhrs l7 ist sittliche Pflicht und Anstand kein Entstehungsgrund einer rechtlichen Verpflichtung. Ähnlich wie Oertmann nimmt auch von Tuhr die angemessenen Ausstattungen bloß von der Anwendung des Schenkungsrechts aus und hält sie trotzdem für unentgeltliche Zuwendungen, obwohl er sie auf eine sittliche Verpflichtung des Gebers zurückführt. Von Tuhr grenzt außerdem diese Leistungen in Erfülung sittlicher Pflichten ausdrücklich von der Erfüllung von Naturalobligationen ab l8 • Diese von der herrschenden Lehre18 bis heute vertretene Position gilt auch für Österreich. Kozioll Welser 20, Bydlinski21 und Ehrenzweig l2 hal§§ 785, 951 ABGB; 29 KO; 3 AnfO. Vgl. OGH 7.10.1970 JBl 1971, 197 mit ablehnender Anmerkung von Bydlinski (dazu gleich unten im Text); 12.5.1966 JBl 1966, 620; 16.3.1966 JBl 1967, 257; 16.10.1963 EvBl 1964/102; 29.11.1961 JBI 1962, 441; 21. 10. 1958 JBl 1959, 218 ua. 16 92. 17 68 f. u 148 f. 14 15
18
149.
Vgl. Schmidt in Soergel / Siebert § 534 Anm 1; OsHer in Staudinger l1 vor § 516 Anm 14; § 534 Anm 1. 20 I 271; vgl. auch Schilcher JBl 1977, 69. 19
21 1%
JBl 1978, 648 u JBl 1971, 197. 11/1, 366.
E. Antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht
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ten unter Hinweis auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen am Schenkungscharakter dieser Zuwendungen fest, befürworten allerdings über die bereits vom Gesetz vorgenommenen Abstriche vom Schenkungsrecht hinsichtlich der Pflichtteilsergänzung und Gläubigeranfechtung noch weitere teleologische Reduktionen, etwa bei der Formpflicht von Schenkungen. Eine abweichende Ansicht vertritt Liebisch23 • Nach seiner Meinung beinhaltet § 534 BGB lediglich die Möglichkeit, daß Zuwendungen aus sittlicher Pflicht Schenkungen seien. § 534 BGB zeige lediglich, daß der Widerruf und die Rück:forderbarkeit ausgeschlossen seien, wenn eine Schenkung vorliege. Trotz sittlicher Pflicht liege dann Schenkung vor, wenn die Parteien in Schenkungsabsicht handeln, das heißt, die sittliche Pflicht nur einen rechtlich irrelevanten Beweggrund darstellt. Kommt es demgegenüber aber gerade darauf an, sich mit der Zuwendung einer sittlichen Pflicht zu entledigen, stelle die Entledigung von dieser Verpflichtung für den Geber das Entgelt dar 24 • Es müßte daher jeweils im Einzelfall nach der subjektiven Auffassung und Einstellung unterschieden werden. Liebisch kommt damit zu dem von ihm gewünschten Ergebnis, daß Zuwendungen in Erfüllung sittlicher Verpflichtungen, insbesondere eine angemessene Ausstattung nach § 1624 BGB, regelmäßig genausowenig ein Objekt der Gläubigeranfechtung nach § 32 deutscher Konkursordnung sei, wie Leistungen zur Erfüllung von Naturalschulden, etwa von Spiel- und Wettschulden. Die zuletzt angesprochene Problematik stellt sich für das österreichische Recht freilich nicht. Die einschlägigen Bestimmungen schließen eine Gläubigeranfechtung aus (§ 29 KO, § 3 AnfO). Im übrigen ist die Ausstattungspflicht nach österreichischem Recht keine bloß sittliche, sondern eine rechtliche (§§ 1220, 1231 ABGB25 ). Dennoch folgt auch Stanzl ZI der Auffassung von Liebisch: Ist die Absicht der Parteien auf Pflichterfüllung und nicht auf Schenkung gerichtet, scheidet Schenkung aus. Auch Migsch%7 kommt zum Ergebnis, daß Zuwendungen in Entsprechung einer sittlichen- oder Anstandspflicht mit Ausnahme der Leistung gebräuchlicher Gelegenheitsgeschenke keine Schenkungen seien, weil sie in der Regel weder unentgeltlich noch freiwillig erfolgen. Da Migsch bekanntlich die Lehre von der Entgeltlichkeit der Erfüllung ablehnt Z8 , 39 ff.; vgl. auch oben IV. B. 2. Zur hier abgelehnten Lehre von der Entgeltlichkeit der Erfüllung vgl. oben IV. D. 25 Vgl. hiezu bereits oben 11. B. 4. u IV. D. Zur Behandlung durch Gläubiger siehe unten V. c. 21 In Klang 2 IV/I, 588 f., auch 608; Stanzl dürfte Liebisch allerdings insofern nicht folgen, als Liebisch dann Entgeltlichkeit annimmt. 27 Migsch AcP 1973, 46 ff. (68). 28 Vgl. oben IV. D. 23 U
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
sind diese Zuwendungen seiner Meinung nach natürlich auch nicht entgeltlich. Aber selbst wenn man diese Lehre teilte, wäre es höchst zweifelhaft, ob der Erfüllung sittlicher Pflichten gleiches Gewicht wie jener von rechtlichen zukäme. Für den Ausschluß der Unentgeltlichkeit führt Migsch ihre Annäherung zu nachgeahmten Rechtsverhältnissen29 , etwa Zuwendungen in einer Lebensgemeinschaft, zwischen Pflegeeltern und -kindern an. Was die Freiwilligkeit30 betrifft, so schließt das Vorliegen einer Sittenpflicht auch diese aus. Er begründet dies mit dem Kondiktionsausschluß für Zuwendungen in Erfüllung einer sittlichen Pflicht. § 1432 ABGB erwähne zwar nicht wie § 814 BGB auch diesen Fall, der Kondiktionsausschluß müsse aber auch hier gelten: "Wenn bereits die rechtsirrtumsfreie Leistung einer Nichtschuld das endgültige Behaltendürfen zur Folge hat, um wieviel mehr muß das dann für die rechtsirrtumsfreie Erfüllung einer Sitten- oder Anstandspflicht gelten31 ." Eine Sittenpflicht hätte daher - aposteriori gesehen - dieselbe Rechtswirkung wie Rechtspflichten. Die Tatsache ihres Vollzuges indiziere den Ausschluß der Freiwiligkejt32. Meines Erachtens muß man bei der Lösung der Frage von § 785 Abs 2 ABGB ausgehen und anerkennen, daß es nach österreichischem Recht33 jedenfalls Schenkungen aus sittlicher- oder Anstandspflicht gibt, will man dem Gesetzgeber nicht unterstellen, er habe hier etwas gar nicht Existentes geregelt. Migsch meint allerdings, daß der Ausdruck Schenkung hier nicht terminus technicus sei, weil "sicher nicht nur die auf Grund Schenkungsvertrag gewährten Zuwendungen erfaßt werden sollten"34. Diese Ausnahmetatbestände müßten aber nur dann über die Schenkungen im technischen Sinn hinaus erweitert werden, wenn auch die Regel selbst in § 785 ABGB den Ausdruck Schenkung im untechnischen Sinn für einen weiteren Begriff von Zuwendungen verwendet, was aber sicherlich nicht genere1l 35 der Fall ist. Die Bestimmungen des österreichischen Rechts lassen aber im Sinn der oben angeführten Lehrmeinungen Liebischs und StanzZs den Schluß zu, daß Zuwendungen aus sittlicher Pflicht nicht immer Schenkungen sein müssen. § 785 Abs 3 ABGB38 meint eben nur, daß bei Pflichtteilsberechnungen Zuwendungen 29 Vgl. auch schon oben IV. D. Zu den von Migsch verwendeten Begriffen der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit vgl. oben IV. B. 2. 31 Migsch AcP 1973, 65. 3Z Migsch AcP 1973, 66. 33 Ebenso für das BGB § 534; anders das ZGB Art 239 Abs 3. M AcP 1973, 50 FN 25; vgl. auch 69. 35 Vgl. auch unten V. B. 38 Die §§ 3 Z 1 AnfO u 29 Z 1 KO sprechen überhaupt nicht von Schenkun30
F. Systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge
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unberücksichtigt bleiben, wenn es sich um Schenkungen aus sittlicher Pflicht handelt, sagt aber nichts darüber aus, wann Schenkung vorliegt. Die Unterscheidung ist nach der allein maßgeblichen Parteiabsicht im Einzelfall zu treffen. Was die Rechtsvorschriften betrifft, so läßt sich jedoch eine weitgehende übereinstimmung erzielen und so die ohne Zweifel wenig glückliche Unterscheidung37 mildern. Bereits das Gesetz stellt sämtliche Zuwendungen in der Frage des Pflichtteils- und Gläubigerschutzes gleich. Darüber hinaus wurde bereits eine Einschränkung der Schenkungsregeln bei sittlicher Pflicht bezüglich der Formvorschriften vorgeschlagen38• Doch müßte die Anwendbarkeit noch weiterer Schenkungsregeln, zum Beispiel die Widerrufsmöglichkeiten, geprüft werden. Umgekehrt sind natürlich jene Zuwendungen aus sittlicher Pflicht, die keine Schenkungen darstellen, auch nicht nach den Regeln der entgeltlichen Geschäfte zu behandeln. Zusammenfassend gelangt man daher auch hier zu durchaus ähnlichen Ergebnissen, wie sie Gschnitzer mit der Kategorie der entgeltfremden Geschäfte erzielt. Schon hier sei angedeutet, daß der für Zuwendungen aus sittlicher Verpflichtung im allgemeinen und unabhängig von ihrer Rechtsnatur als Schenkung oder sonstiger Zuwendung gültige Ausschluß der Rechte der verkürzten Pflichtteilsberechtigten und Gläubiger bei einer antizipierten Erbfolge aus sittlicher Pflicht nicht zu passen scheint. Darauf wird daher näher einzugehen sein3u •
F. Systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge l 1. Rechtsgeschäft eigener Art
Die bisherigen Untersuchungen der einzelnen Fallgruppen der antizipierten Erbfolge ergaben folgendes Bild: Freiwillige und unentgeltliche Leistungen zur vorweggenommenen Erbfolge können nicht gut unter Schenkungen subsumiert werden. Sie könnten nur dann in einem weit verstandenen Schenkungsbegriff Platz finden, wenn man eine Reihe von Rechtsfolgen der Schenkung wegen der anders gelagerten Rechtslage ausklammert oder anpaßt. Insbesondere ergeben sich auch Schwierigkeiten aus dem Zusammentreffen von Schenkung und anregen, sondern von unentgeltlichen Zuwendungen, so daß sich hieraus für unser Problem nichts gewinnen läßt. 37 Dagegen schon von Tuhr 149 FN 72. 38 Vgl. oben FN 20, 21, 22. 39 Unten V. B. u C. 1 Ganz ähnlich wie hier nunmehr Kipp I Coing 476.
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
chenbarem Vorempfang. Ähnlich - wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen - liegt die Situation bei den Abfindungsleistungen für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht. Wohl besteht zwischen den vertragschließenden Parteien eine entgeltliche Rechtsbeziehung, doch erscheint die Abfindung nicht bloß als Gegenleistung für den Verzicht, sondern auch als Abgeltung des künftigen Erb- oder Pflichtteils. In dieser Hinsicht bestehen aber kaum Unterschiede zu den bloß anrechnungspflichtigen Vorempfängen. Hier erscheint die Lösung aller sich stellenden Fragen nach den Regeln der entgeltlichen Geschäfte unzutreffend. Was die übrigen Fälle einer antizipierten Erbfolge, nämlich Zuwendungen aus rechtlicher und sittlicher Pflicht, betrifft, so ergaben sich große Unklarheiten über die anzuwendenden Rechtsnormen. Dieser Befund deutet auf die Möglichkeit und Nützlichkeit einer gemeinsamen und einheitlichen Beurteilung der zunächst getrennt untersuchten Fallgruppen der antizipierten Erbfolge hin. Schlägt man nämlich diese Fallgruppen zu verschiedenen zum Teil äußerst weit auseinanderliegenden Geschäftstypen, besteht, auch wenn man im Einzelfall zu einer spezifischen Auslegung und Rechtsanwendung gelangt, doch die Gefahr einer rechtlichen Zerreißung wirtschaftlich zusammengehöriger Vorgänge. Der OGH! scheint dieser überlegung nicht fernzustehen: "Fälle, die nicht von Todes wegen erbrechtliche Ansprüche auslösen, aber auf andere Weise zu ähnlichen Verhältnissen und Problemen führen (Übergabsverträge-vorgreifende Erbfolge) [erscheinen] im Gesetz gar nicht erwähnt." Die Lösung könnte daher in der Anerkennung eines eigenen RechtsgrundegS für alle Fälle der Zuwendungen der antizipierten Erbfolge liegen. Diese Kausalbeziehung hätten die Parteien jeweils ihrer rechtsgeschäftlichen Abmachung' zugrundezulegen. Sie wird sich häufig aus der angeordneten Anrechnung zum Erb- und Pflichtteil erschließen lassen. Bei den Zuwendungen des § 788 ABGB besteht sogar eine gesetzliche - allerdings widerlegbare - Vermutung für das Vorliegen einer antizipierten Erbfolge. Nicht etwa diese Kausalbeziehung, sondern die oben typisch beschriebenen Beweggrunde für eine Vorwegnahme der Erbfolge', erscheinen daher als für den Rechtscharakter der Zuwendung 2 29.3.1962 SZ 35/40; vgl. auch RG 3.11.1921 Seuff Arch 1923/60: "übertragsverträgen aber ist es eigentümlich, daß dadurch Verpflichtungen unter Lebenden begründet werden, vielfach zugleich auch zu dem Zweck, um die Verhältnisse nach dem Tode der Ausgeber zu regeln." S So jüngst auch Coing FS Schwind 68; vgl. BoHa öJZ 1951, 289: die "Vorabzahlung auf den Erbteil" ist "gemeinsamer Gesichtspunkt" dieser Zuwendungen. , Zu dem auch bei direkt auf Gesetz beruhenden Leistungen der antizipierten Erbfolge regelmäßig geschlossenen Rechtsgeschäft vgl. oben 11. A. • Vgl. oben 11. C.
F. Systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge
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irrelevante Motive~. Dazu wäre auch der Versorgungszweck einer solchen Zuwendung, nämlich die Absicht, daß der Begünstigte "ganz oder teilweise seinen Unterhalt aus dem Zugewendeten beziehen"1 wird, zu zählen. Keinen Zweifel dürfte die Behauptung aufwerfen, daß neben den im Gesetz ausdrücklich als Eigentumserwerbstitel genannten Rechtsgründen wie zum Beispiel Schenkung, Kauf, Tausch oder Vermächtnis8 noch weitere denkbar sind. Dies anerkennt sogar KLange, der bekanntlich noch die Sicherungsabrede als Eigentumserwerbstitel für die Sicherungsübereignung ablehnte. Taugliche Erwerbsgründe für das Eigentum sind nach seiner Meinung nämlich solche, deren "bestimmungsgemäßer wirtschaftlicher Zweck es ist, dem Empfänger Eigentum zu verschaffen"9. Dies ist aber auch die Absicht bei antizipierter Erbfolge10 • Es lassen sich auch in der Literatur genügend Beispiele für unentgeltliche Verträge finden, die nicht als Schenkungen angesehen werden. So bezeichnet WiZburg l1 die bewußte Zahlung einer Nichtschuld als unentgeltliche Zuwendung eigener Art. Auch Oertmann 12 unterscheidet zwischen dem Schenkungsrecht und dem Recht der unentgeltlichen Geschäfte ohne Sonderrecht der Schenkung. Sogar einen Teil der Geschäfte der antizipierten Erbfolge könnte Weiß13 im Auge haben, wenn er eine "unentgeltliche Vermögensverschiebung zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten, die [wegen einer ausbedungenen Erstattungspfticht nach § 791 ABGB] weder als Schenkung nach § 785 zu behandeln ist und auch nicht unter § 788 fällt, ... ", erwähnt. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Geschäfte daraus, daß die angestrebten rechtlichen Folgen und wirtschaftlichen Zwecke dem Erbrecht vorbehalten seien, bestehen nicht. Harder 14 ist durchaus Recht zu geben, wenn er sagt, daß die "Ordnung des Erbrechts ... in der Tat keine exklusive Geltung" beanspruchen könnte. Das geht schon daraus hervor, daß das Erbrecht gar keine lebzeitigen Vermögensübertragungen vorsieht15 • Mit den Zuwendungen der antizipierten Erbfolge werden daher keine identen Rechtsfolgen wie im Erbrecht herbeigeführt. Der Gedanke einer Umgehung von Erbrecht liegt daher von vornherein fern. 8
7
Zum Motivirrtum vgl. unten V. F. Bydlinski JBl 1973, 34.
Vgl. § 1461 ABGB. 9 In Klang 2 II 302. 10 Vgl. oben II. A. U In Klang! VI 457 f.; vgl. auch von Tuhr 141 f. 8
12
13 14 15
92.
In Klang 2 III 909. 159.
Vgl. III.
160
Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
Gegen die Gütigkeit eines Geschäfts der antizipierten Erbfolge läßt sich auch § 879 Abs 2 Z 3 ABGB nicht ins Treffen führen. Während dort die Veräußerung einer von einem Dritten erhofften Erbschaft unter Ungültigkeitssanktionen gestellt wird, handelt es sich hier ja darum, daß der zukünftige Erblasser selbst Vertragspartei ist. Für die Praxis ergeben sich aus der Anerkennung eines eigenen Rechtsgrundes für Geschäfte der antizipierten Erbfolge unter Umständen insofern Schwierigkeiten, als eben üblicherweise häufig von "anrechnungspflichtigen Schenkungen" gesprochen wird oder eine Anrechnungsanordnung in einem "Schenkungsvertrag" enthalten ist. Nach der hier vertretenen Auffassung wären natürlich Bez.eichnungen wie übergabevertrag, (Erb-)Abfindungsvertrag oder antizipierte (vorweggenommene) Erbfolge vorzuziehen. Doch hindert eine falsche Bezeichnung des Geschäfts die rechtliche Beurteilung nach dem wirklich vorliegenden Vertragstyp nicht: "Der Umstand, daß die Vertragsteile ihren Vertrag als Schenkung deklariert haben, ist nicht von rechtserheblicher Bedeutung, da er nicht nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung, sondern nur danach zu beurteilen ist, welchem gesetzlichen Vertragstyp sein gesamter Inhalt einschließlich der erweisbar getroffenen mündlichen Nebenabreden entsprichtlB." 2. Entgeltfremdheit
Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob Geschäfte der antizipierten Erbfolge schlechthin den unentgeltlichen Geschäften zuzurechnen sind. Die Behandlung der einzelnen Fallgruppen hat deutlich gezeigt, daß sich antizipierte Erbfolge im Spannungsfeld zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Geschäften bewegt. Dabei soll nicht geleugnet werden, daß manche Fallgruppen den unentgeltlichen, manche den entgeltlichen näher stehen. Dies legt dennoch die Frage nach der Einordnung in die vor allem von Gschnitzer vorgeschlagene Kategorie der entgeltfremden Geschäfte 17 nahe. Dabei fällt auf, daß Gschnitzer ganz besonders auch an Geschäfte der antizipierten Erbfolge gedacht hat. Mit dem Anliegen Gschnitzers ist unsere Suche nach der rechtlichen Behandlung der antizipierten Erbfolge identisch. Auch hier ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Regeln über entgeltliche oder unentgeltliche Geschäfte heranzuziehen sind. Es zeigt sich18 aber auch eine Nähe der antizipierten Erbfolge zur Erbfolge selbst, wobei insbesondere Parallelen zum Vermächtu OGH 29. 11. 1961 JBI 1962, 441. Vgl. Gschnitzer in Klang 2 IV/I, 23711., 43511.,438 f., 442; derselbe, SchuldR A 54; derselbe, Reform 67 f.; derselbe JBI 1955, 122 ff.; vgl. auch Weiß in Klang 2 III 183, wonach die bäuerliche Gutsübergabe entgeltfrei sei. 18 Insb IV. B. 17
F. Systematische Einordnung der antizipierten Erbfolge
161
nisrechtlD bestehen. Es besteht also für die Geschäfte der antizipierten Erbfolge nicht der schroffe Gegensatz, der ansonsten zwischen lebzeitigen Geschäften und solchen von Todes wegen gezogen wird. Auch diesem Umstand könnte die hier vorgeschlagene Einordnung unter die entgeltfremde Geschäfte entgegenkommen. So erscheint es legitim, die Geschäfte der antizipierten Erbfolge als entgeltfremd zu bezeichnen. Diese Aussage kann allerdings lediglich Ausgangspunkt und Leitfaden der Einzelprüfung jeder Frage sein, die im nächsten Kapitel erfolgen soll. Einzugehen ist lediglich noch auf die von Gschnitzer aufgestellte Theorie selbst.
Gschnitzers Lehre von der Entgeltfremdheit mancher Geschäfte hat vor allem Kulka angegriffen!o. Seine Kritik besteht hauptsächlich darin, daß das kontradiktorische Gegensatzpaar entgeltlich - unentgeltlich keine logisch denkbare Möglichkeit eines weiteren Begriffs "entgeltfremd " offenlasse. Der Grund einer solchen Begriffsbildung bei Gschnitzer sei darin zu suchen, daß der Gesetzgeber fälschlicherweise auf das Kriterium der Entgeltlichkeit anstelle des tatsächlich maßgeblichen Kriteriums der Liberalität abgestellt habe. Die Anwendung der für unentgeltliche Geschäfte geltenden Bestimmungen widerspreche oft dem Rechtsgefühl und der ratio des Gesetzes. Es müsse daher zwischen liberalen und nicht liberalen Geschäften unterschieden werden, wobei die liberalen Geschäfte immer zugleich auch unentgeltlich seien, die nicht liberalen einerseits die entgeltlichen, andererseits die unentgeltlichen aber nicht liberalen Geschäfte umfaßten. Gschnitzer hat zunächst einmal- wie Kulka 21 selbst zugeben mußdie Bedeutung des Kriteriums der Liberalität für die Anwendung der für unentgeltliche Geschäfte aufgestellten Normen nicht verkannt!!. Das Streben Gschnitzers bestand vor allem darin, für jene Geschäfte, die nicht liberal, aber auch nicht entgeltlich sind, die passenden Rechtsregeln zu finden. Gerade hier versiegen aber die Aussagen Kulkas: Er 19 Zur wenig ausgeprägten Stellung eines Pflichtteilsberechtigten vgl. oben IH. A. 4. 110 OJZ 1969, 477 ff.; Bydlinski in Klang! IV/2, 191 f., der sich der Kritik Kulkas anschloß, räumt jedoch ein, daß man dann, wenn bei einer bäuerlichen Übergabe dem übernehmer vorweg auf dessen künftigen Pflichtteilsanspruch oder seinen Anspruch auf Ausstattung leistet, dies nicht als freigebige Zuwendung ansehen kann. Soweit dafür auch ein Entgelt nicht zu leisten sei, "sind danach auf den übergabsvertrag die Kategorien entgeltlich und unentgeltlich im Ergebnis nicht anzuwenden". Dies kann man wohl nicht anders als als Anerkennung der Existenz entgeltfremder Geschäfte deuten; Kritik an Kulka übte bereits Call FS Herdlitczka 59 f. FN 82; anerkannt ist Gschnitzers Theorie wohl durch Migsch AcP 1973, insb 57; vgl. auch Liebisch 51 f. bezüglich abstrakter Geschäfte. 21 OJZ 1969, 478. !2 Vgl. in Klang 2 IV/I, 436; dazu schon oben IV. B. 2.
11 Eccher
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Kap. IV: Antizipierte Erbfolge als lebzeitige Zuwendung
meint, daß die Gruppe der unentgeltlichen nicht liberalen Zuwendungen den entgeltlichen zugeordnet werden müßten!3. Doch ist ganz offensichtlich,daß die im Anschluß an § 917 ABGB für entgeltliche Verträge und Geschäfte angeführten Regelungen nicht hierfür gedacht sein können. Wenn Gschnitzer daher von "Einzelprüfung" sprichtU, so versteht er damit eben die Suche nach den jeweils adäquaten Normen, die teils bei den entgeltlichen, teils bei den unentgeltlichen Geschäften zu finden seien. Bisweilen sind sie aber auch durch Analogie aus anderen Bereichen zu gewinnen. Bei der Gutsübergabe sei etwa eine Analogie zum Erbrecht nötig25. Neben diesem Anliegen Gschnitzers erscheint die Frage der Terminologie wohl nebensächlich. Der Ausdruck entgeltfremd erscheint für das damit gemeinte Interpretationsproblem jedenfalls signifikant, selbst wenn der Ausdruck begriffslogisch anfechtbar sein sollte.
ÖJZ 1969, 477, 478. z. B. in Klang 2 IV/I, 436; dies hat Kulka öJZ 1969, 478 FN 8, vollkommen dahingehend mißverstanden, zu prüfen, ob das Geschäft zur Gänze entgeltlich oder unentgeltlich ist, während Gschnitzer (z. B. in Klang! IV/I, 442 f.) die einzelnen Rechtsfolgen des nicht eindeutig einzuordnenden Geschäfts im Auge hat. 25 Gschnitzer in Klang! IV/I, 237 ff. 23
24
Kulka
Kapitel V
Einzelfragen
A. Anrechnung Zuwendungen der antizipierten Erbfolge sind grundsätzlich auf den Erb- und Pflichtteil anzurechnen. Bei den in § 788 ABGB genannten Zuwendungen ergibt sich dies daraus, daß der Gesetzgeber bei Vorliegen der dort genannten Zwecksetzungen eine antizipierte Erbfolge vermutet, wobei diese Vermutung allerdings durch eine gegenläufige Parteiabsicht entkräftet werden kann 1 • Dann liegt keine antizipierte Erbfolge und keine Anrechnungspflicht vor. Resultiert das Vorliegen einer vorweggenommenen Erbfolge aus einer Parteiabrede im Moment der Zuwendung, folgt die Anrechnungspflicht beim Erbteil aus der Zulässigkeit einer (in diesem Moment nicht formgebundenen) Anrechnungsanordnung (§§ 790, 791 ABGB) , beim Pflichtteil aus der nunmehr in § 789 ABGB positivrechtlich normierten Bestimmung der Anrechnungspflicht der sogenannten Vorschüssei. Der Anrechnungspflicht entgeht der Begünstigte in der Regel auch dann nicht, wenn der Erblasser bei der Zuwendung - etwa weil er es mangels Nachkommen nicht für nötig hielt - nicht von Anrechnung sprach, die Zuwendung aber auch ohnedem nur als vorzeitige Realisierung einer erbrechtlichen Chance, also als antizipierte Erbfolge, zu erklären ist. Ein Sonderproblem tritt auf, wenn Leistungen der antizipierten Erbfolge an einen von mehreren letztwillig eingesetzten Erben erbracht wurden. Die Zuwendungen des § 788 ABGB müssen hier lediglich im Fall einer Anrechnungsanordnung ausgeglichen werden (§ 790 ABGB). Das Gesetz vermutet also nicht, daß der Erblasser andernfalls nichtvorausbedachte mit vorausbedachten Erben gleichstellen wollte. Dies bedeutet meines Erachtens, daß bei gewillkürter Erbfolge eine Anrechnung auch von Leistungen der antizipierten Erbfolge nur bei einer ausdrücklichen Anordnung stattfindetl8 • Vgl. oben II. D. Zum unterschiedlichen Begriffsumfang von antizipierter Erbfolge und anzurechnender Zuwendung vgl. schon oben II. A. 1
18
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Kap. V: Einzelfragen
Auch jene Formen der antizipierten Erbfolge, die als Abfindungen für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht erscheinen, tragen (potentiell) die Anrechnungspflicht in sich. Hat beispielsweise der Erblasser mit seinem zukünftigen Pflichtteilsberechtigten einen Verzicht gegen Abfindung geschlossen und kommt es wegen des späteren Widerrufs der letztwilligen Verfügung zu gesetzlicher Erbfolge, so nimmt zwar der Abgefundene daran teil, muß jedoch die Abfindung mit den Miterben ausgleichen2 • Dies kommt daher, daß der Begünstigte einer antizipierten Erbfolge normalerweise anrechnungspflichtig wird, gleichgültig ob er nun tatsächlich Erbe oder Pflichtteilsberechtigter wird s• Gewöhnlich wird ja die spätere Erwerbsmöglichkeit nicht differenziert. Ausnahmen sind denkbar, wenn die Anrechnung strikt nur auf das eine oder andere bezogen wird. So auch, wenn der Erblasser den Empfänger wegen einer Erbabfindung nun auf den Pflichtteil setzte. Eine Pflichtteils anrechnung würde dieser Interessenlage widersprechen. Dogmatisch läßt sich hier damit helfen, daß man den auf den Pflkhtteil Eingesetzten als Vermächtnisnehmer hinsichtlich der Pflichtteilssumme ansehen kann 4 • Dann kommt eine Anrechnung ohnehin nicht in Betracht. Das deutsche BGB unterscheidet zwar genau zwischen bloß ausgleichungspflichtigen Zuwendungen nach § 2050 5 und der auf den Pflichtteil anzurechnenden Zuwendungen nach § 2315. Doch wird auch in der BRD das - vom Gesetz für möglich gehaltene (§ 2316 Abs 4 BGB) - Zusammentreffen beider Arten einer Anrechnungspflicht unter Umständen aus der bloßen Ausgleichungspflicht zum Erbteil erschlossen, wenn besondere Umstände dafür sprechen'. Meines Erachtens sind aber solche Umstände immer gegeben, wenn eine Zuwendung der antizipierten Erbfolge im hier verstandenen Sinn vorliegt. Abschließend sei noch erwähnt, daß meiner Meinung nach die Anrechnungspflichtigkeit - MigschGa und bei der Pflichtteilsanrechnung auch Welser8b folgend - jeweils zu Gunsten und zu Lasten aller am Ausgleichsvorgang beteiligter Personen wirkt.
Vgl. zu weiteren Beispielen oben 11. A. Vgl. Stuiber, NZ 1911, 261. 4 Zu den diesbezüglichen Nachweisen vgl. oben IV. B. FN 138. 5 Die Ausgleichungspflicht erlangt für die Pflichtteilsberechnung nur mittelbar Bedeutung insofern, als der Pflichtteil eben die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt: vgl. §§ 2303,2316 BGB. 8 Vgl. Ferid in StaudingeriO, 11 § 2315 An 58 ff. 8a Ehe- und Kindschaftsrecht 53 ff. 8b NZ 1978, 163 f. 2
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B. Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten
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B. Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten 1. Rerhtslage nach § 783 ABGB
Wie bereits ausgeführf, haben nach § 783 ABGB die Legatare8 zugleich mit den Erben nach dem Verhältnis ihrer Portionen zur vollständigen Ausrichtung der Pflichtteilsanspruche beizutragen. Ihre Beitragspflicht ist nicht - wie bei sonstigen Nachlaßgläubigern - so eingeschränkt, daß der dem Erben zukommende Nachlaß erschöpft ist. Die überwiegende Lehre9 und Rechtsprechung lO geht weiter zu Recht dahin, daß der Vermächtnisnehmer nicht direkt vom verkürzten Pflichtteilsberechtigten in Anspruch genommen werden kann. Entweder muß der Erbe nur mehr einen entsprechend verminderten Betrag auszahlen oder kann nach schon geschehener Legatserfüllung einen entsprechenden Beitrag vom Vermächtnisnehmer verlangen. Die Verneinung eines direkten Anspruchs verschlechtert die Haftungsgrundlage für die verkürzten Pflichtteilsberechtigten nicht. Sie würde vielmehr bei Zulassung eines direkten Anspruchs ungerechtfertigterweise verbessert werden: Vor der Einantwortung steht dem verkürzten Pflichtteilsberechtigten die Verlassenschaft gegenüberlI. Erblassergläubiger gehen ihm zwar Oben IV. B. 4. d. bb. Zur privilegierten Stellung des ehelichen Vorausvermächtnisses (§ 758 ABGB neu) vgl. Weber NZ 1978, 164. • Vgl. die Angaben oben FN 657; aA ist Weiß in Klang! III 896: das Zitat von Weiß (in Klang! III 896 FN 15) auf WoltJ 377 besagt allerdings gerade das Gegenteil; widersprüchlich ist Weiß auch in der Frage, ob der Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer erst ab Erfüllung des Vermächtnisses (896) oder zugleich mit der Vermächtnisforderung entstehe (897); Weiß führt als Argument dafür, daß dem verkürzten Pflichtteilsberechtigten ein direkter Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer zustehe, lediglich an, daß die Haftung jeweils der Zuwendung folge. Dieser Standpunkt vermag jedoch weder bei lebzeitigen (Ausnahmen bestehen bekanntlich nur bei dinglichen Lasten bzw. der besonderen Haftung nach § 1409 ABGB oder § 25 HGB) noch letztwilligen Einzelzuwendungen (§§ 692 f. ABGB) zu überzeugen. Weiß muß weiters selbst zugeben, daß es in der Regel dem Vermächtnisnehmer viel schwerer als dem Erben fallen dürfte, eine Enterbungsursache dem Begehren des pflichtteilsberechtigten entgegenzuhalten. Vor allem fällt jedoch mE ins Gewicht, daß die Haftungsgrundlage für die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten durch die alleinige Haftung der reinen Verlassenschaft bis zur Einantwortung, dann der - wenngleich beschränkten - Erbenhaftung bis zur Höhe der Verlassenschaft gesichert ist. Umgekehrt wäre im Fall der Zulassung eines zusätzlichen Direktanspruchs gegen den Vermächtnisnehmer diese Haftungsgrundlage ohne Grund verbessert; vgl. auch Prockner WagnersZ 1837 II 31511., der allerdings von einer subsidiären Inanspruchnahme des Vermächtnisnehmers ausgeht. 10 Vgl. OGH 14.1. 1959 NZ 1960, 59; 12.1.1949 SZ 22/7; RG 14.11. 1940 RGZ 165/20 (österreichische Sache); anders bloß OGH 15.3.1967 SZ 40/38. 11 Vgl. OGH 14.5.1962 SZ 35/51; 29.5.1957 EvBI 1957/347; 26.10.1955 EvBI 1956/34; 30.5.1917 NZ 1917,317. 7
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Kap. V: Einzelfragen
vor, berühren jedoch seine Haftungsgrundlage nicht, da der Pflichtteilsanspruch ohnehin est nach Abzug dieser Lasten berechnet wird (§ 784 ABGB). Gegen jede Gefahr der Vermögensverminderung, die sich aus der tatsächlichen Verfügungsgewalt der Erben ergeben könnte, steht auch dem PflichtteilsbereclJ.tigten das Recht der Nachlaßseparation zu (§ 812 ABGB). Dazu gehört insbesondere auch die Gefahr, daß durch die Erfüllung von Legaten, die dem Pflichtteilsberechtigten nachgehen (§§ 783, 786 ABGB), die Haftungsgrundlage verschlechtert wird. In solchen Fällen ist es meines Erachtens nicht nur ein Recht, sondern auch eine durch eine Schadenersatzpflicht sanktionierte Pflicht der Verlassenschaft, die Möglichkeiten des § 783 ABGB auszuschöpfen und Vermächtnisse entweder nicht oder nicht zur Gänze auszuzahlen beziehungsweise die entsprechenden Beiträge zu fordern. Nach Einantwortung haften die Erben entweder unbeschränkt oder bis zur Höhe der ihnen zukommenden Verlassenschaft beschränkt (§§ 801 f. ABGB). Es steht ihnen dann frei, ob sie von ihren Rechten nach § 783 ABGB Gebrauch machen wollen12•
2. Analoge Anwendung des § 783 ABGB Die Ähnlichkeit der Interessenlage eines Vermächtnisnehmers und eines Begünstigten aus antizipierter Erbfolge bezüglich der Nachlaßinteressenten wurde bereits oben im allgemeinen dargelegt13• Hier geht es nun um die Konkretisierung der Beitragspflicht des Empfängers einer antizipierten Erbfolgezuwendung zur Berichtigung der Pflichtteilslasten. Der OGH hat bisher, soweit ersichtlich, in zwei Fällen eben unter Berufung auf § 783 ABGB eine Heranziehung des lebzeitig Begünstigten zur Pflichtteilsdeckung bejaht. In GlU 1334614 hatte die Erblasserin zu Lebzeiten auf ihre ehelichen Kinder und Kindeskinder ihr gesamtes Vermögen verteilt. Sämtliche Zuwendungen geschahen "auf Rechnung der mütterlichen Erbschaft" und "mit Beziehung auf ihren eintretenden Tod". Ihre außereheliche Tochter ging leer aus. Das Nachlaßverfahren wurde mangels vorhandenen Vermögens armuthalber abgetan. Der auf das Pflichtteilsrecht gestützten Klage der außerehelichen Tochter gab der OGH Folge. Die Beklagten seien "nach §. 783 a. b. G. B. verpflichtet, 12 Hier wäre bei Undurchsetzbarkeit der Pflichtteilsanspruche mangels Vermögens der Erben entweder an die Möglichkeit der Pfändung dieses Anspruchs durch den Pflichtteilsberedltigten zu denken: so die Auffassung Ehrenzweigs II/2, 545 u FN 26; oder an die Möglichkeit der Anfechtung der Vermächtniserfüllung: vgl. Weiß in Klang! III 487; Stubenrauch 1954 f. FN 4; insb Albert Ehrenzweig, Anfechtungsordnung 77 f. FN 84; vgl. audl § 222 dKO u §3 a dAnfG. 13 Oben IV. B. 4.; vgl. audl unten V. C. 1.
l' 17.7.1890.
B. Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten
167
zur vollständigen Entrichtung des Pflichtteiles der A. verhältnismäßig beizutragen und ist diese Verpflichtung dadurch nicht behoben, daß die Mutter bei ihrem Tode ein Vermögen nicht hinterlassen hat". Die gleiche Rechtsansicht vertrat der OGH in einem ähnlich gelagerten Fall, nämlich in SZ 23/144 16 • Die angeführten Entscheidungen sind in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zunächst ist ihnen zu entnehmen, daß nach Ansicht des OGH nicht bloß Schenkungen nach § 785 ABGB zur Pflichtteilsberechnung dem Nachlaß hinzuzurechnen oder bei fehlendem Nachlaß der Pflichtteilsberechnung allein zugrundezulegen sind. In den angeführten Entscheidungen vermeidet der oberste Gerichtshof nämlich geflissentlich das Wort "Schenkung", er betrachtet die Zuwendung vielmehr als antizipierte Erbfolge. Dies stimmt mit der sonstigen Rechtsprechung und Lehre überein, wonach auch die Vorempfänge bei der Anrechnung zum Pflichtteil nach § 788 ABGB dem reinen Nachlaß hinzuzurechnen sind. Davon werden dann die Pflichtteile berechnet und der konkrete Pflichtteil des einzelnen durch Abzug seines jeweiligen Vorempfangs ermitteWG. Der OGH bleibt jedoch dabei nicht stehen, sondern zielt auch darauf ab, die lebzeitige Begünstigung direkt zu einem Beitrag zum Pflichtteil zu verhalten. Andernfalls wären in den konkreten Fällen die Pflichtteilsberechtigten auch leer ausgegangen, weil ja ein Nachlaßvermögen nicht vorhanden war. Der OGH stellt zu beiden Entscheidungen ausdrücklich fest, daß diese Verpflichtung unabhängig vom Vorhandensein eines Nachlaßvermögens sei. Bei der Anrechnung zum Pflichtteil nach § 788 ABGB steht dagegen die herrschende Auffassung unter Berufung auf § 793 ABGB auf dem Standpunkt, daß ein vorausbedachtes Kind zwar unter Umständen keinen Pflichtteil mehr ansprechen könne, wenn die Anrechnungsposten höher sind als der Pflichtteil, aber auch zu keiner Erstattung verpflichtet seit? Ob dieser Ausfall zulasten des Testamentserben oder der übrigen Pflichtteilsberechtigten geht, ist streitig18• Im konkreten Fall hat der OGH sich von dieser Auffassung insofern abgegrenzt, als er meinte, die in Rede stehende Zuwendungen seien keine "Pflichtgaben" des § 788 ABGB, § 793 ABGB komme daher nicht zum Tragen. 10.5.1950. VgI. Gschnitzer, ErbR 91; Weiß in Klang 2 III 931 ff.; Ehrenzweig II/2, 590 ff.; OGH 5.2.1884 GlU 9872 = JB 114 (Plenissimarbeschluß). 17 VgI. Ehrenzweig II/2, 591; Stubenrauch I lI62 mwN FN 1; OGH 4.12.1957 3 Ob 523/57; jüngst auch Migsch, Ehe- und Kindschaftsrecht 58. 18 VgI. Ehrenzweig II/2, 590 ff. 15
18
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Kap. V: Einzelfragen
Damit vermag der Oberste Gerichtshof jedoch nicht zu überzeugen. Wie bereits erwähnt l9 , beruhen nämlich die in § 788 ABGB genannten Zuwendungen keinesfalls immer auf einer Rechtspfticht. Sie können auch freiwillig oder allenfalls auf Grund einer sittlichen Pfticht erfolgen, wie der Anrechnungsposten der Schuldenzahlung für volljährige Kinder anschaulich zeigt. Darüberhinaus gibt es ja auch vereinbarungsgemäß anzurechnende Zuwendungen (§ 789 neu ABGB). Der Rechtssatz, daß der Empfänger eines Vorempfangs nie zu einer Erstattung verpflichtet sei, bedarf daher offensichtlich einer Einschränkung. § 793 ABGB ist nach Wortlaut und systematischer Stellung direkt bloß auf die Anrechnung zum Erbteil anwendbar20 • Ob hingegen ein Pflichtteilsberechtigter, der wegen lebzeitiger Zuwendungen, die bei der Berechnung seines Pflichtteils maßgeblich waren, bei Nichtdeckung im Nachlaß auf keinen Fall den Vorausbedachten belangen kann, scheint damit keineswegs gesagt. Wenn der Pftichtteilsberechtigte schon die Möglichkeit hat, gewisse lebzeitige Schenkungen sogar an Dritte anzufechten, umsomehr muß es ihm doch auch zugebilligt werden, die Empfänger einer antizipierten Erbfolgeleistung zur Erlangung seines vollständigen Pftichtteilsrecht zu belangen. Vorausbegiinstigte Personen können doch unmöglich größeren Schutz vor den Ansprüchen der Pftichtteilsberechtigten genießen, als Beschenkte, die von erb rechtlichen Ansprüchen soweit als möglich freigestellt sein sollen21 • Fraglich ist nunmehr bloß noch die Durchführung der Beitragspfticht. Am passendsten erscheint es, die von § 783 ABGB bei der Beitragspfticht der Vermächtnisnehmer geübte Zurückhaltung der direkten Inanspruchnahme 22 dieser Personen auch hier so weit als möglich zum Tragen zu bringen. Während aber im direkten Anwendungsbereich des § 783 ABGB den Pftichtteilsberechtigten die Haftungsgrundlage stets erhalten bleibt, ist bei der Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen der Nachlaß häufig ungenügend oder ganz fehlend. Dies ist der Hintergrund für die subsidiäre aber direkte Inanspruchnahme eines Beschenkten nach § 951 ABGB. Dabei sollte man auch für antizipierte Erbfolge bleiben und § 951 ABGB analog auf die Empfänger vorweggenommener Leistungen anwenden!3. Damit besteht für die Abhängigkeit der HerausVgl. IV. B. 3. Sogar von diesem Prinzip macht § 12 Abs 9 HöfeO eine Ausnahme; auch das schweizerische Recht regelt diese Frage bei der Miterbenausgleichung differenziert. 21 Vgl. auch 2BlgHH 21. Sess 116. 22 Vgl. FN 889, 890. 23 Wels er NZ 1978, 164 tritt teilweise für eine "Parallele" in der Anfechtungsberechtigung bei Vorempfängen und Schenkungen ein; vgl. auch Bydlinski JBI 1973, 34, der bei Ehepakten ebenfalls teilweise für eine analoge Anwendung der §§ 785, 951 ABGB eintritt; für eine Analogie der Bestimmun19
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B. Der Schutz der Pflichtteilsberechtigten
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gabepflicht von der noch vorhandenen Bereicherung24 und auch die Bewertung der Vorausempfänger5 eine Rechtsgrundlage28 • Zu dieser Lösung gelangen im Ergebnis auch jene Autoren, die gewisse Zuwendungen zugleich als Vorempfang und Schenkung ansehen%7. Nach der hier vertretenen Auffassung unterliegen jedoch Leistungen der antizipierten Erbfolge schlechthin der Hinzurechnung. Die sachlichen und zeitlichen28 Beschränkungen für Schenkungen sind nicht anzuwenden. Prüfen könnte man unter Umständen, ob die von § 785 Abs 3 für Schenkungen aus sittlicher Pflicht gemachte Einschränkung auch für eine antizipierte Erbfolge aus sittlicher Pflicht zu vertreten wäre 29 . Ein Blick auf die Motive des Gesetzgebers bringt wenig: Der österreichische Novellengesetzgeber hielt sich bei der Schaffung des § 785 ABGB ohne eigene Begründung an das Muster des deutschen BGB (§ 2330)30. Dort heißt es in den Motiven der 1. Kommission zum 1. Entwurf des BGB3t, daß solche Schenkungen nicht reine Freigebigkeitsakte seien und eine Art Naturalobligation darstellten. Die Motive zum BGB lassen aber gegenüber der bisherigen Rechtslage eine Tendenz zur Einschränkung der Ausnahmetatbestände für Schenkungen aus sittlicher Pflicht ergen des Pflichtteilsschutzes gegen Schenkungen des Erblassers auf die Fälle der Gutsübergabe bereits Beseler II/2, 203; vgl. auch Stuiber NZ 1911, 406 f., der für sog. "übermäßige Erbvorschüsse", die er nicht zu den Schenkungen zählt, eine Kondiktion "ob causam datorum" zuläßt. N §952 ABGB. 25 Sowohl durch analoge Anwendungen des § 785 Abs 1 als auch des § 794 ABGB; vgl. auch oben IV. B. 3. d. !B Zu Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchen vgl. unten V. I. 27 Vgl. die Angaben oben IV. B. 3. C. 28 § 785 Abs 3 ABGB kennt bekanntlich eine Zweijahresfrist für die Hinzurechnung auch nur für Schenkungen an Nicht-Pflichtteilsberechtigte. Unterschiede zu den § 788, 789 ABGB können sich aber daraus ergeben, daß Lehre und Rechtsprechung (vgl. SZ 47/76) eine korrekte Pflichtteilsstellung wenigstens bei der Zuwendung (so jüngst Migsch, Ehe- und Kindschaftsrecht 58 ff.) oder sogar auch beim Erbfall (so Welser NZ 1978, 165) verlangen. Ohne auf diese - noch weiter diskutierbare - Frage hier eingehen zu können, läßt sich aber mE sicher sagen, daß dieses Erfordernis bei der Hinzurechnung von Vorempfängen zum Pflichtteil entfällt (so auch Migsch, Ehe- und Kindschaftsrecht 57 f.); im übrigen vgl. aber die 10 Jahresfrist des § 2325 Abs 3 BGB. Dazu sei jedoch an Meyer W. 336 erinnert, der folgenden Zusatz zur genannten Bestimmung vorschlug: "Es sei denn, daß der Erblasser das Geschenk mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht gemacht hat"; die im Text vorgeschlagene Lösung ist durch das ZGB Art 527 vorgezeichnet, wo für Erbvorempfänge (Z l)keine Frist, für Schenkungen (Z 3) eine 5-Jahresfrist besteht; vgl. dazu schon oben IV. B. 3. d. 29 Vgl. oben IV. E. 30 Vgl. 78BIgHH 21. Sess 115. 31 Vgl. Mugdan V 250.
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Kap. V: Einzelfragen
kennen. Dieser Tendenz ist bei einer antizipierten Erbfolge aus sittlicher Pflicht zu folgen. Das Vorliegen der sittlichen Pflicht ändert nichts daran, daß der Empfänger hiemit keine erbrechtliche Chance realisiert. Als Erbe oder Vermächtnisnehmer wäre er aber in sehr weitgehender Weise den Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigten ausgesetzt, selbst wenn der Erblasser mit seiner letztwilligen Bedenkung einer sittlichen Pflicht entsprochen hätte. Von der praktischen Seite fällt ins Gewicht, daß sich oft nur schwer nachweisen lassen dürfte, ob die Zuwendung der antizipierten Erbfolge nun in Entsprechung einer sittlichen Pflicht erfolgte oder nicht. Aus der Analogie zu § 951 ABGB sind jedoch die Fälle der antizipierten Erbfolge, die auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung geschahen32, auszuklammern. Eine bestehende Rechtspflicht scheint eine ausreichende Rechtsgrundlage für das endgültige Behaltendürfen der Zuwendung zu sein33• Eine Grenze der Erstattungspflicht liegt natürlich auch hier im eigenen Pflichtteil des Begünstigten (§ 951 Abs 2 ABGB). Im Innenverhältnis zwischen Erben und vorzeitig Bedachtem bleibt nunmehr noch Raum für die in § 783 ABGB vertretene Interessenabwägung. Beide sollen verhältnismäßig die Pflichtteilslasten tragen. Dem Erben, der allein und überproportional den Pflichtteil erfüllt hat, steht es frei, Regreß zu nehmen. Diese verhältnismäßige Entlastungsmögli