Vorsorgender Küstenschutz und Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) an der deutschen Ostseeküste: Strategien, Vorgaben und Defizite aus Sicht des ... Natur und Recht, 6) (German Edition) 3540256962, 9783540256960

Nach einer ausführlichen Untersuchung des naturräumlichen Ursachen- und Wirkungsgefüges der südlichen Ostseeküste bewert

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German Pages 599 [595] Year 2005

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Vorsorgender Küstenschutz und Integriertes Küstenzonenmanagement (IKZM) an der deutschen Ostseeküste: Strategien, Vorgaben und Defizite aus Sicht des ... Natur und Recht, 6) (German Edition)
 3540256962, 9783540256960

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Schriftenreihe Natur und Recht Band 6 Herausgegeben von Claus Carlsen, Berlin

Thomas Bosecke

Vorsorgender Kiistenschutz und Integriertes Kustenzonenmanagement (IKZM) an der deutschen Ostseekiiste Strategien, Vorgaben und Defizite aus der Sicht des Raumordnungsrechts, des Naturschutzund europaischen Habitatschutzrechts sowie des Rechts der Wasserwirtschaft

4y Springer

Dr. Thomas Bosecke Universitat Rostock Lehrstuhl Prof. Dr. Czybulka Richard-Wagner-Strafie 31 18119 Rostock [email protected]

Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Rechte durch die Juristische Fakultdt der Universitat Rostock Gefordert durch das Stipendienprogramm der Bundesstiftung Umwelt

Die Bande 1-4 der Schriftenreihe erschienen beim Blackwell Verlag, Berlin Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

ISBN 3-540-25696-2 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschiitzt. Die dadurch begriindeten Rechte, insbesondere die der Ubersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulassig. Sie ist grundsatzlich vergutungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11419167

64/3153-5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf saurefreiem Papier

Meinen Eltern

Vorwort

Die Sturmflut, wenn Sie kdme, ich wiirde sie fur ein Gleichnis dessert nehmen, was iiber uns hereindroht. Fur ein Zeichen des Himmels, dass wir vielleicht aus unserem frevelhaften Taumel, aus unserem Schaum- und Traumleben erwachen, emporschrecken... (nachF. Spielhagen, Sturmflut, 1876)

Das apokalyptisch anmutende Zitat bezieht sich nicht auf den heutigen Nutzungsdruck auf die Kustenlandschaft. Es kniipft vielmehr an den spekulativen und rilcksichtslosen Bau eines Kriegshafens nebst Eisenbahnlinie an, die Opfer der Sturmflut von 1872 wurden. Die Geschichte ist Dichtung, kann aber als Metapher daftir dienen, was passiert, wenn der Kustenraum ohne Riicksicht auf die durch die naturliche Dynamik und Belastbarkeit gesetzten Grenzen beansprucht wird. Vor letztgenanntem Hintergrund zeigt die vorliegende Arbeit am Beispiel des Kustenschutzes tatsachliche und rechtliche Moglichkeiten auf, um die (Ostsee-) Kiistenraume im weitestgehenden Einklang mit den naturraumlichen Bedingungen und damit zugleich zum Nutzen aller zu entwickeln. Die Arbeit soil zugleich einen Beitrag zum rechtlich bislang wenig untersuchten Umgang mit nicht oder kaum beeinflussbaren Naturvorgangen leisten. Hierbei ist die Darstellung vom Gedanken der Akzeptanz der naturraumlichen Bedingungen getragen. Umwelt- und Naturschutz sind kein altruistischer Selbstzweck, sondern Voraussetzung ftir das dauerhafte Uberleben der Menschheit selbst. Obgleich es sich hierbei um eine Binsenweisheit handeln mag, ist dieser Ausgangspunkt fur das Verstandnis der Arbeit von Bedeutung. Er war Richtschnur fur die Problemanalyse und, soweit moglich, fur die Losungsfindung. Gleichwohl liegt einer wissenschaftlichen Darstellung immer auch ein Prozess zugrunde. Die Gedankenwelt verandert sich, auch nach Abschluss der Untersuchung. In diesem Lichte erheben die Ergebnisse der Arbeit keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit. Im Gegenteil: Sie sollen zur Diskussion und weiterer Forschung anregen. Die Arbeit, die im Sommersemester 2003 bei der Juristischen Fakultat der Universitat Rostock als Promotion angenommen wurde, beriicksichtigt in der jetzt

VIII

Vorwort

vorliegenden Form Gesetzgebung, Rechtsprechung und relevante rechtswissenschaftliche Literatur bis zum 31.01.2005. Am Entstehen und Gelingen haben auf die eine oder andere Art viele beigetragen. Mein herzlichster Dank gilt zuerst Prof. Dr. Czybulka, der die Arbeit die ganze Zeit iiber intensiv betreute. Ohne seinen fachlichen und personlichen Einsatz hatte die Arbeit so nicht entstehen konnen. Der Begriff ,,Doktovater" hat in ihm eine passende Entsprechung gefunden. Ich bedanke mich weiterhin bei Prof. Dr. Marz filr die Erstellung des Zweitgutachtens, bei Prof. Dr. Lampe vom Geographischen Institut der Universitat Greifswald filr die Begutachtung des naturwissenschaftlichen Teils und bei Prof. Dr. Winkler von Mohrenfels filr die angenehme Leitung der Disputation. Bedanken mochte ich mich auch bei Prof. Dr. Kauffold von der Gesellschaft der Foderer der Universitat Rostock fur die Pramierung mit einem Joachim-Jungius-Preis und stellvertretend fur die Gesellschaft filr Umweltrecht und ihrem Preisgremium bei Prof. Dr. Dolde und Dr. Paetow fur die Auszeichnung mit einem Umweltpreis. Nicht zuletzt bin ich Herrn Carlsen, Prof. Dr. Louis und Frau Reschke filr die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe ,,Natur und Recht" dankbar. Viele Freunde und Bekannte trugen ganz wesentlich zum Gelingen der Arbeit bei, sei es durch fachlichen Rat, technische Hilfe, Korrekturlesen oder wohltuende Ablenkung. Ich bedanke mich bei Michael Berlin, Barbel Boldt, Olaf Deinert, Christian Fiigner, Martin Gellermann, Jacqueline Heller, Erika Heller, Sabine und Michael Kroger, Heiko Krliger, Stepfen Lange, Uwe Miiller, Mike Pothig, Falk Schieweck, Katrin Stredak, Maggi Werth und Kristin Zscheile. Mit der Veroffentlichung endet zugleich ein Lebensabschnitt, der trotz vieler schoner Erlebnisse nicht immer einfach war. In schwierigen Zeiten hatten die Hauptlast wohl meine Lebenspartnerinnen zu tragen. Filr den Beistand, den ich von ihnen in jeglicher Hinsicht erfahren habe, bedanke ich mich bei Sylva Frohlich und Juliane Holtz. Bei Aktualisierung und Publikation stand mir Karin Boldt zur Seite. Sie war immer filr mich da und hat einen groBen Schritt filr mich gewagt. Ihr gehort nicht nur mein besonderer Dank. Letztlich ware ohne meine Eltern das alles nicht moglich gewesen. Sie haben mich in jeder Lebenslage und stets von ganzem Herzen unterstiltzt. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Stralsund, im Marz 2005

Thomas Bosecke

Gliederung

1. Kapitel Konfliktanalyse § 1 Einleitung A. Einfuhrung B. Spannungsfeld im Uberblick C. Gang der Untersuchung § 2 Begriffsbestimmung A. Kiistenbereich B. Kiisten- und Hochwasserschutz C. Naturschutz und Landschaftspflege § 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee A. Direkte und indirekte Meeresspiegelschwankungen B. Geomorphologische und hydrodynamische Verhaltnisse C. Ktistenokosysteme und rechtlicher Schutz § 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen A. Elemente des Kiistenschutzes B. Auswirkungen von Kiistenschutzaktivitaten C. AbschlieBende Bewertung § 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell A. Vorsorge kraft Nachhaltigkeit - einige Aspekte B. Grundthesen vorsorgender Kiistenschutzstrategien C. IKZM als Rahmen 2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung § 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven A. Das System der Raumordnung B. Leitvorstellung und legislative Grundsatze nach dem ROG C. Legislative Grundsatze nach § 2 LP1G M-V § 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten A. Grundlagen B. Grundsatze und Vorbehaltsgebiete C. Ziele der Landesplanung D. Zusammenfassung § 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern A. Landesplanung B. Regionalplanung C. Zusammenfassung

1 1 1 2 3 6 6 12 16 21 21 24 30 55 55 64 75 84 85 90 98 107 107 107 112 131 133 133 141 162 240 247 247 253 260

X

Gliederung

3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts § 9 Landschaftsplanung A. Allgemeines B. Die iiberortliche Landschaftsplanung in M-V C. Die ortliche Landschaftsplanung § 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz A. Der klassische nationale Gebietsschutz B. Exkurs: Eingriffsregelung und gesetzlicher Biotopschutz C. Europarechtlicher Gebietsschutz

261 261 261 268 296 303 303 328 329

4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts § 11 Wasserwirtschaftliche Planung A. Kompetenzrechtliche Zuordnung des Wasserrechts B. Wasserwirtschaftsrecht als Wasserokosystemrecht C. Planungsinstrumente mit Kiistenschutzbezug § 12 Der wasserrechtliche Flachenschutz A. Uberschwernmungsgebiete B. Kiistenschutzgebiete

404 404 404 408 418 432 432 436

5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage § 13 Schutz besiedelter Flachen A. Rechtlicher Umfang der Schutzauftrage B. Haftungsrechtliche Auswirkungen § 14 Schutzumfang gegeniiber unbesiedelten Flachen A. Renaturierung als Element vorsorgender Strategien B. Rechtliche Einordnung von Ausdeichungen C. Der Naturraum als objektiver Nutzungsrahmen

439 439 439 446 464 464 471 486

6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement § 15 Allgemeine Eingriffe in den Kiistenbereich A. Wasserrechtliche Regelungen B. Naturschutzrechtliche Regelungen C. Defizite § 16 Kiistenschutzanlagen A. Wasserrechtliche Regelungen B. Das naturschutzrechtliche Rechtsregime C. Fazit

511 511 511 512 514 516 516 519 530

7. Kapitel Zusammenfassung

532

Begriffserklarungen

537

Literaturverzeichnis

541

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Konfliktanalyse § 1 Einleitung A. Einfuhrung B. Spannungsfeld im Uberblick C. Gang der Untersuchung § 2 Begriffsbestimmung A. Kiistenbereich I. Naturraumliche Abgrenzung II. Normative Abgrenzung III. Fazit B. Kiisten- und Hochwasserschutz I. Fachliche Differenzierung II. Rechtliche Differenzierung C. Naturschutz und Landschaftspflege § 3 Naturraumliche Verhaltnisse der stidlichen Ostsee A. Direkte und indirekte Meeresspiegelschwankungen I. Geologisch-tektonische Prozesse II. EustatischerMeeresspiegelanstieg B. Geomorphologische und hydrodynamische Verhaltnisse I. Die normale hydrodynamische Situation 1. Hydrologisch-meteorologische Faktoren als Ursache 2. Geomorphologische Situation II. Extremsituation Sturmhochwasser 1. Die Entstehung von Sturmhochwasser 2. Die Auswirkungen von Sturmhochwassern C. Kiistenokosysteme und rechtlicher Schutz I. Aquatische und litorale Kiistenlebensraume 1. Pelagial 2. Benthal 3. Vogelwelt a. Brutvogel b. Durchziigler und Wintergaste c. Gefahrdung und Schutz aa. Gefahrdungslage bb. Artenschutzrecht cc. Artenschutz durch Lebensraumsicherung II. Terrestrische Lebensraume des Ktistenbereiches 1. Spiilsaum, Ufervegetation undRohrichte 2. Strandwalle und Dtinen

1 1 1 2 3 6 6 6 8 11 12 12 14 16 21 21 21 22 24 24 25 25 27 28 29 30 31 31 33 36 37 39 40 40 41 44 47 47 48

XII

Inhaltsverzeichnis

3. Salzwiesen 4. Steilkilsten und Kiistenwalder § 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen A. Elemente des Kiistenschutzes I. Erosionschutz 1. Buhnen 2. Wellenbrecher 3. Uferlangswerke 4. Strandaufspulungen II. Uberflutungsschutz 1. Diinen 2. Ingenieurbiologische MaBnahmen 3. Deiche B. Auswirkungen von Kiistenschutzaktivitaten I. Allgemein: Kiistenschutz als Variabilitatsbegrenzung II. Besonderheiten erosionsbeeinflussender MaBnahmen 1. Einbauten an Schorreund Strand 2. Marine Sedimentextraktionen 3. Fazit III. Spezifische Auswirkungen des Uberflutungsschutzes 1. Diinen und Kustenschutzanpflanzungen 2. Eindeichungen von Uberflutungsflachen C. AbschlieBende Bewertung I. Effektivitat II. Effizienz III. Fazit § 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell A. Vorsorge kraft Nachhaltigkeit - einige Aspekte I. Nachhaltigkeit: Inhalt und Anspruch II. Kiistenschutz und Nachhaltigkeit B. Grundthesen vorsorgender Kiistenschutzstrategien C. IKZM als Rahmen I. Notwendigkeit und Definition II. Wesen und Inhalt des IKZM 1. Akzeptanz der Rahmenbedingungen 2. Rahmeninterner Interessenausgleich a. Sektoreninterne Assimilation b. Sektorenexterne Abwagung 3. Der integrative Charakter eines IKZM 4. Spezielle Ktistenplanungszonen III. Fazit 2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung § 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven A. Das System der Raumordnung I. Aufgabenstellung und Funktionsweise II. Kompetenzrechtliche Einordnung III. Vorsorgender Kiistenschutz und Raumordnung

51 53 55 55 55 55 57 58 59 60 60 62 63 64 64 65 65 66 68 69 69 71 75 76 77 82 84 85 85 88 90 98 98 99 99 101 101 103 103 104 106 107 107 107 107 109 111

Inhaltsverzeichnis B. Leitvorstellung und legislative Grundsatze nach dem ROG I. Die Leitvorstellung des § 1 Abs. 2 ROG II. Die Grundsatze der Raumordnung § 2 II Nr. 1 bis 15 ROG 1. Dogmatische Einordnung a. Rechtliche Bindungen b. Umweltbelange in den gesetzlichen Grundsatzen 2. Ansatze fur vorbeugenden Hochwasserschutz in § 2 Abs. 2 ROG a. Freiraumstruktur nach § 2 Abs. 2Nr. 3 ROG b. Vorbeugender Hochwasserschutz nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG aa. Sachlicher Normgehalt bb. Rechtliche Bedeutung c. Fazit C. Legislative Grundsatze nach § 2 LP1G M-V § 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten A. Grundlagen I. Einfuhrung in die Problemstellung II. Regelungsmaterie der Landesplanung 1. Raumbedeutsamkeit 2. Uberortlichkeit B. Grundsatze und Vorbehaltsgebiete I. Rechtscharakter landesplanerischer Grundsatze 1. Das bisherige Verstandnis 2. Grundsatze als Abwagungsprodukt a. Grundsatze als Gewichtungsvorgaben b. Gewichtete Grundsatze in nachfolgenden Abwagungen 3. Fazit II. Vorbehaltsgebiete 1. Rechtliche Einordnung a. Meinungsstand b. Diskussion c. Stellungnahme 2. Vorbehaltsgebiete als Optimierungsgebote 3. Vorbehaltsiiberlagerungen III. Resiimee 1. Dogmatik planungsrechtlicher Grundsatze 2. Relevanz fur vorbeugende Strategien des Hochwasserschutzes a. Impulse fur die Durchsetzung b. Grenzen C. Ziele der Landesplanung I. RechtmaBigkeitsanforderungen 1. Rechtliche Einordnung a. Zielfestlegungen, Vorrang- und Eignungsgebiete b. Rechtsnatur von Zielen der Raumordnung 2. Voraussetzungen wirksamer Zielbindungen a. Produkt gerechter Abwagung b. Konfliktbereinigung c. Ziele als Grundsatzkonkretisierung d. Verbindliche Formulierung II. Raumordnungsziele und gemeindliche Planungshoheit

XIII 112 112 116 116 116 119 120 120 122 122 126 130 131 133 133 133 136 136 139 141 141 141 142 142 146 148 149 149 149 151 152 153 156 157 157 159 159 161 162 162 162 162 164 165 166 168 169 170 173

XIV

Inhaltsverzeichnis 1. Allgemeines a. Die Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG b. Eingriffsqualitat vorsorgender Strategien 2. AuBerhalb besiedelter Bereiche 3. Innerhalb besiedelter Bereiche a. Analyse der Konfliktlage b. Ansatze zu Konfliktbewaltigung aa. Aufgabentheorie als Ankniipfung bb. Keine Reduktion des KonkretisierungsmaBstabes cc. Raumbedeutsamkeit als Korrektiv c. Ergebnis 4. Fazit III. Raumordnerische Zielbindungen 1. Das bisherige Verstandnis 2. Die geltende Rechtslage a. Bindung offentlicher Stellen nach § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 ROG b. Mittelbare Bindung Privater nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG aa. Zulassungsentscheidungen als raumbedeutsame Mafinahmen bb. Die mittelbare Zielbindung Privater im Einzelnen 3. Erweiterte Zielbindungen de legeferendal 4. Fazit IV. Zieltransformation durch das BauGB 1. Zielbindung bei Existenz von Transformationsnormen a. Grundsatzliche Zielbindung aa. Ziele im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes bb. Ziele im AuBenbereich b. materielle Lockerungen und verfahrensrechtliche Anbindung aa. Das System von Genehmigung, Anzeige und Unterrichtung bb. Genehmigungfreie Bebauungsplane nach § 10 Abs. 2 BauGB cc. Die Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB dd. Die Entwicklungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB ee. Die Erganzungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB 2. Zielbindung in unbeplanten Gebieten nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB a. Prinzipielle Tauglichkeit zur Wirkung im Innenbereich aa. Meinungsstand bb. Diskussion und Stellungnahme b. Allgemeine rechtliche Bindungswirkungen aa. Analyse und Bewertung de lege lata (a) Keine Zielbindung im Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB (b) Kritik bb. Fazit und Ausblick: Zielbindung de legeferenda ? c. Exkurs: Zielbindungen im Ausnahmefall aa. Zielbindung kraft bodenrechtlicher Spannungen bb. Restriktive Bestimmung des Innenbereichs V. Raumordnungsziele und Fachrecht 1. Wahrung des Aufgabenbereiches der Fachplanung 2. Zielbindungen a. Zielbindung und fachgesetzliche Raumordnungsklauseln b. Zielbindung und Immissionsschutzrecht 3. Fachplanerische Privilegierungen a. Einschrankungen der Bindungswirkungen aufgrund § 5 ROG

173 173 175 177 181 181 182 182 184 185 186 188 189 189 191 191 192 192 195 197 202 203 203 203 203 205 208 209 211 212 214 216 217 218 218 219 221 221 221 222 224 226 226 227 228 228 231 231 233 235 235

Inhaltsverzeichnis b. Privilegierung von Planfeststellungen nach § 38 BauGB c. Fazit D. Zusammenfassung I. IKZM, Kiistenplanungszone und Gebietskategorien II. Resiimee § 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern A. Landesplanung I. Das Landesraumordnungsprogramm II. Das Raumentwicklungsprogramm (Entwurf) B. Regionalplanung I. Planungsverband Westmecklenburg II. Planungsverband Mittleres Mecklenburg und Rostock III. Planungsverband Vorpommern C. Zusammenfassung 3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts § 9 Landschaftsplanung A. Allgemeines I. Sachanliegen und Aufgabenstellung II. Das System der Landschaftsplanung 1. Uberblick 2. Funktionsweise der Landschaftsplanung 3. Gutachtlichkeit B. Die uberortliche Landschaftsplanung in M-V I. Die Planungsinstrumente 1. Das Landschaftsprogramm a. Funktion und Struktur b. Inhalte des Landschaftsprogramms 2. Die Landschaftsrahmenplane a. Funktion und Struktur b. Inhalte der Landschaftsrahmenplane II. Rechtswirkungen der ilberortlichen Landschaftsplanung 1. Autarke Rechtswirkungen 2. Bindungswirkungen kraft Raumordnung a. Integration b. Integrationsmodelle c. Diskussion und Stellungnahme III. Fazit IV. Einfluss der Raumordnung auf die Landschaftsplanung 1. Gutachtlichkeit und Bindung an die Raumordnung a. Grundsatzliche Unvereinbarkeit b. Gutachtlichkeit und das Verschlechterungsverbot aus Art. 20a GG 2. Analyse bestehender Beachtenspflichten a. Raumbedeutsamkeit nach § 4 Abs.l, 2 ROG? b. Bindung kraft § 15Abs. 1 S. 2 BNatSchG ? c. Abwagungsgebot aus § 1 Abs. 2 BNatSchG als Einfallstor? 3. Die landesrechtlichen Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern a. Grundsatz: Keine Bindungen an die Raumordnung b. Ausnahme: Anspriiche an andere Raumnutzungen

XV 237 239 240 240 244 247 247 247 251 253 253 256 258 260 261 261 261 261 264 264 265 267 268 268 268 268 269 270 270 271 273 273 275 275 276 277 278 280 281 281 283 284 284 288 289 289 289 291

XVI

Inhaltsverzeichnis V. Resiimee C. Die ortliche Landschaftsplanung I. Funktion, Inhalt und Struktur II. Rechtliche Bindungswirkungen III. Fazit 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz A. Der klassische nationale Gebietsschutz I. Grundsatzliches zur Ausweisung von Schutzgebieten II. Schutzgebietsausweisungen im Spiegel anderer Planungen III. Schutzgebiete und Erfordernisse der Raumordnung IV. Die Schutzgebietskategorien 1. Naturschutzgebiete 2. Landschaftsschutzgebiete 3. Nationalparks B. Exkurs: Eingriffsregelung und gesetzlicher Biotopschutz I. Die Eingriffsregelung nach § 18BNatSchG II. Der gesetzliche Biotopschutz nach § 30 BNatSchG C. Europarechtlicher Gebietsschutz I. Das koharente okologische Netz Natura 2000 II. Gebietsauswahl und -meldung 1. Normative Umsetzung a. Konditionierung an Erfordernisse der Raumordnung? aa. Gebietsmeldung als raumbedeutsame MaBnahme ? bb. Wirkungen auf die Raumordnung cc. Umfang des Beurteilungsspielraumes im einzelnen (a) (b) (c) (d)

Vogelschutzrichtlinie FFH-Richtlinie Vernetzungsraume nach Art. 10 FFH-RL Fazit

b. Erfordernisse anderer Planungen als Vorbelastungen? c. Entbehrlichkeit der Gebietsmeldung bei Hochwassergefahren? d. Ergebnisse 2. Vollzugsdefizite III. Schutzgebietsbeeintrachtigungen innerhalb Natura 2000 1. Das Schutzregime des Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL a. Vertraglichkeitspriifung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL aa. Gegenstand der Vertraglichkeitspriifung bb. Regelungsgehalt b. Beeintrachtigungen von FFH-Gebiete aa. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL bb. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL (a) MaBgeblich giinstige Umweltauswirkungen (b) Soziookonomische Belange als Ausnahmen? c. Einwirkungen auf Vogelschutzgebiete 2. Risikopotentialerhohende Plane und Projekte a. Gebietsbeeintrachtigungen b. Alternativenpriifung aa. Grundsatzliches bb. Umfang der Alternativenpriifung cc. Territoriale Ankntipfung

294 296 296 298 300 303 303 303 306 310 311 312 319 324 328 328 328 329 329 333 333 334 334 340 341 341 343 348 349

351 3 54 359 360 362 363 363 363 366 367 367 368 368 369 372 376 376 378 378 379 383

Inhaltsverzeichnis (a) Raumordnerische Alteraativensuche (b) Bauleitplanerische Alternativensuche

3. Beeintrachtigungen durch Kiistenschutzmafinahmen a. Kustenschutz als Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL aa. Tatbestandliche Voraussetzungen bb. SchutzauftrSge als gesetzliche Vermutung cc. Fazit b. Kustenschutz und prioritare Gebietsbestandteile aa. Ausnahmen nach die Leybucht- Entscheidung des EuGH bb. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1., 2. Alt. FFH-RL (a) Schutz der menschlichen Gesundheit (b) Offentliche Sicherheit als Rechtfertigungsgrand (c) Fazit

cc. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 3. Alt. FFH-RL dd. Alternativenpriifung in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL 4. Resiimee 4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

§ 11 Wasserwirtschaftliche Planung A. Kompetenzrechtliche Zuordnung des Wasserrechts B. Wasserwirtschaftsrecht als Wasserokosystemrecht I. Der Grundsatz der okologischen Gewasserbewirtschaftung II. Die Bewirtschaftungsziele des § 25a WHG III. Die allgemeinen Planungsinstrumente 1. Das MaBnahmenprogramm nach § 36 WHG 2. Der Bewirtschaftungsplan nach § 36b WHG 3. Fazit C. Planungsinstrumente mit Kustenschutzbezug I. Wasserwirtschaftliche Sonderplane 1. Rechtliche Einordnung 2. Analyse und Bewertung der kiistenschutzbezogenen Generalplanung a. Der Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V b. Der Generalplan Kustenschutz Schleswig-Holstein c. Fazit und Ausblick II. Kustenschutz in der Gemeinschaftsaufgabe des Art. 91a GG 1. Umfang und Funktion 2. Forderfahige MaBnahmen 3. Fazit § 12 Der wasserrechtliche Flachenschutz A. Uberschwemmungsgebiete B. Kiistenschutzgebiete 5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage § 13 Schutz besiedelter Flachen A. Rechtlicher Umfang der Schutzauftrage I. Schutz als Aufgabe oder Pflicht? II. Einschatzungsprarogative und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG III. Rechtsnatur der Schutzpflicht IV. Sachlicher Schutzumfang B. Haftungsrechtliche Auswirkungen

XVII 383 384

387 388 388 390 391 392 392 392 393 394 395

397 397 400 404

404 404 408 408 410 412 412 415 417 418 418 418 421 421 423 424 426 426 427 431 432 432 436 439 439 439 439 442 443 445 446

XVIII

Inhaltsverzeichnis

I. Amtspflichtverletzungen 1. Anspruchsvorausetzungen a. Anwendungsvoraussetzungen und rechtliche Einordnung b. Das Haftungskorrektiv der Zumutbarkeit 2. AnwendungaufdieKiistengewasser a. Boddenkiiste aa. Grundsatzliche Schutzpflicht bb. Zumutbarkeitserwagungen cc. Fazit b. AuBenkuste aa. Grundsatzlicher Schutzumfang bb. Pflichtenbegrenzung kraft objektiver Situation cc. Zumutbarkeitserwagungen dd. Fazit II. Verletzung von Verkehrssicherungspflichten III. Enteignungsrechtliche Eingriffe 1. Anspruchsvoraussetzungen 2. Relevanz filr die Kiistengewasser § 14 Schutzumfang gegeniiber unbesiedelten Flachen A. Renaturierung als Element vorsorgender Strategien I. Bedeutung fur den vorsorgenden Hochwasserschutz II. Rechtfertigung von RenaturierungsmaBnahmen 1. Wasserwirtschaftliche Planrechtfertigung 2. Okologische Belange als Planrechtfertigung , 3. Rechtfertigung von Nutzungsbeschrankungen III. Nutzungsoptionen nach Renaturierung B. Rechtliche Einordnung von Ausdeichungen I. Landwirtschaftliche Nutzung als Rechtsgut des Art. 14 GG ? II. Enteignung oder Inhalt und Schranken des Eigentums ? 1. Defmiton 2. Rechtliche Einordnung von Nutzungsbeschrankungen 3. Klassifizierung von Nutzungsausschltissen III. Exkurs: Nutzungsausschliisse und Nichtkompensierbarkeit 1. Meinungsstand 2. Kritik und Stellungnahme 3. Relevanz fur Ausdeichungen

IV. Das Fachrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung C. Der Naturraum als objektiver Nutzungsrahmen I. tiberflutung als situationsgebundene Belastung 1. Eigentum und faktische Situationsgebundenheit a. Situationsgebundenheit als Ausdruck wertfreier Naturprozesse b. Das naturliche Uberflutungsregime als Ausdruck der Situation c. Bestandsschutz und faktische Situationsgebundenheit 2. Kein Bestandsschutz fur situationsunvertragliche Nutzungen a. Situationsunvertraglichkeit der Polderwirtschaft b. Nachhaltigkeit als BeurteilungsmaCstab 3. Unverhaltnismafiigkeit und Heteronomie 4. Fazit II. Nutzungsbeschrankungen kraft normativer Uberformung

446 446 446 448 450 450 450 450 453 453 453 454 455 456 457 459 459 461 464 464 464 466 466 468 469 470 471 471 473 473 473 474 477 477 479 482

485 486 486 487 487 490 491 494 494 496 498 499 500

Inhaltsverzeichnis 1. Normative Situationsgebundenheit 2. Kumulation von Beschrankungen 3. Ausnahmen III. Nutzungsunmoglichkeit 1. Grundsatzlich keine Ersatzpflicht 2. Grenzen IV. Resumee

XIX 500 503 505 506 506 508 509

6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement § 15 Allgemeine Eingriffe in den Kilstenbereich A. Wasserrechtliche Regelungen B. Naturschutzrechtliche Regelungen C. Defizite § 16 Kiistenschutzanlagen A. Wasserrechtliche Regelungen B. Das naturschutzrechtliche Rechtsregime I. Die Eingriffsregelung 1. Erheblich beeintrachtigende UnterhaltungsmaBnahmen a. Bedeutung des Tatbestandskatalogs aus § 14 Abs. 2 LNatG b. RuckgriffaufdieEingriffsdefmitionaus§ 14 Abs. 1 LNatG? c. Die Verordnungsermachtigung aus § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG 2. Errichtung und wesentliche Anderung von Kustenschutzanlagen II. Biotop- und Flachenschutz 1. Der gesetzliche Biotopschutz 2. Kiistenschutz in Schutzgebieten C. Fazit

511 511 511 512 514 516 516 519 519 520 520 523 525 525 527 527 529 530

7. Kapitel Zusammenfassung

532

Begriffserklarungen

537

Literaturverzeichnis

541

Abkurzungsverzeichnis

a.A. a.a.O. AB1. Abs. Abschn. a.E. a.F. AG AK Anm. Art. BAnz. BArtSchVO BauGB BauNVO BfN bft BGB BGBL. BGH BHW BMELF

BMU BMZE BNatSchG BRD BVerfG BVerwG BWaStrG bzgl. ca. DDR ders.

andere Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Abschnitt am Ende alte Fassung Amtsgericht Anklamer Kurier Anmerkung Artikel Bundesanzeiger Bundesartenschutzverordnung Baugesetzbuch Baunutzungsverordnung Bundesamt fur Naturschutz Beaufort Bilrgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bemessungshochwasser Bundesministerium fur Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten (heute: BMVEL: Bundesministerium fur Verbraucherschutz, Ernahrung und Landwirtschaft) Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundesnaturschutzgesetz Bundesrepublik Deutschland Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht BundeswasserstraBengesetz beziiglich zirka Deutsche Demokratische Republik derselbe

XXII dies. DVO/WG E EG Einf. einschl. etal. EuGH EWG FAZ FFH-RL Fn. FS g.h.M. GAK GAKG GB1. GG ggfGLRP GLP GMB1. GUS GVOB1. h. M. HELCOM HU i.d.R. i.e.S. i.S.v. IBA IKZM IMO inkl. IPCC IUCN: km krit. KWh/m2 LG lit. LNatG LP1G LROP

Abkiirzungsverzeichnis dieselbe/n Durchfuhrungsverordnung zum Wassergesetz der DDR Amtliche Entscheidungssammlung Europaische Gemeinschaft Einfuhrung einschlieBlich et alius (und andere) Europaischer Gerichtshof Europaische Wirtschaftsgemeinschaft Frankfurter Allgemeine Zeitung Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie FuBnote Festschrift ganz herrschende Meinung Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Ktistenschutzes Gesetz iiber die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der Agrarstruktur und des Ktistenschutzes" Gesetzblatt (DDR) Grundgesetz gegebenenfalls Gutachtlicher Landschaftsrahmenplan Gutachtliches Landschaftsprogramm Gemeinsames Ministerialblatt Gemeinschaft Unabhangiger Staaten Gesetz- und Verordnungsblatt herrschende Meinung Helsinki-Kommission Helsinki-Ubereinkommen in der Regel im engeren Sinne im Sinne von Important Bird Area Integriertes Kustenzonenmanagement International Maritime Organisation inklusive International Paneel of Climate Change International Union for the Conservation of Nature Kilometer kritisch Kilowattstunde pro Quadratmeter Landgericht litera Landesnaturschutzgesetz Landesplanungsgesetz Landesraumordnungsprogramm

Abkiirzungsverzeichnis LSG It. LUNG LWaG m m.a.W. MW m.w.N. MLR Mrd. MiiKo M-V MW NSG o.g. OLG OVG p.P. SUP-RL PSA Ramsart)

RM Rn. ROG Rpf. RROP Rs. Rz. S-H sog. SRU SRU STAUN UAbs. UGBE UNCED U.S.W.

u.U. UVP-RL VASAB VerfGH VG VGH vgl.

XXIII

Landschaftsschutzgebiet laut Landesamt fur Umwelt, Naturschutz und Geologie in M-V Landeswassergesetz Meter mit anderen Worten Mittelwasser (mittlerer Wasserstand) mit weiteren Nachweisen Ministerium fur landliche Raume in S-H Milliarde Miinchener Kommentar Mecklenburg-Vorpommern Mittelwasser Naturschutzgebiet oben genannt Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht pro Person Richtlinie iiber die Priifung der Umweltauswirkungen bestimmter Plane und Programme (Strategische Umweltprtlfung) Particular Sensitive Area Ramsar-Ubereinkommen Reichsmark Randnummer Raumordnungsgesetz Reichspfennig Regionales Raumordnungsprogramm Rechtssache Randzeichen Schleswig-Holstein sogenannt Seerechtsubereinkommen Sachverstandigenrat fur Umweltfragen bei der Bundesregierung Staatliches Amt fur Umwelt und Natur Unterabsatz Entwurf eines Umweltgesetzbuches United Nations Conference on Environment and Development und so weiter unter Umstanden Richtlinie tiber die Priifung von Umweltauswirkungen bestimmter Projekte Visions and Strategies around the Baltic Sea 2010 Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche

XXIV VGLP Vorb. VRL VwVfG VwGO WaG WHG WRRL WWD z.B. z.T.

Abkiirzungsverzeichnis Vorlaufiges Gutachtliches Landschaftsprogramm Vorbemerkung Vogelschutzrichtlinie Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Wassergesetz Wasserhaushaltsgesetz Wasserrahmenrichtlinie Wasserwirtschaftsdirektion zum Beispiel zum Teil

1. Kapitel Konfliktanalyse

§ 1 Einleitung A. Einfuhrung Die Bedeutung des Kilstenschutzes an den deutschen Ktisten wurde jahrhundertelang von dem Grundsatz ,,Wer nich will dieken, de mot wieken"1 beherrscht. Daher stellte sich das VerMltnis von Kiistenschutz und Naturschutz in vergangener Zeit vollkommen unkompliziert dar.2 Die Prioritaten standen klar auf Seiten des Kustenschutzes. Dieser erschien unabdingbar, urn die Kiiste vor den Angriffen des Meeres zu schiitzen und als menschlichen Lebensraum zu erhalten. Ein hohes MaB an Sicherheit vor Verlust materieller Werte durch Uberflutungen war Voraussetzung, urn an die Ansiedlung von Wirtschaft in den weitestgehend riickstandigen norddeutschen Flachenstaaten zu denken. Konflikte mit Interessen des Naturschutzes, sowohl in tatsachlicher als auch normativer Hinsicht, waren bis in die jiingste Vergangenheit kaum denkbar. Erst in der zweiten Halfte des zu Ende gehenden Jahrhunderts haben sich die Anspruche an die Raum- und Bodennutzung vervielfaltigt. In zunehmendem MaBe wurde auch realisiert, dass Ktistenschutz mit stetig steigenden Kosten verbunden ist. Das Verstandnis von Natur- und Landschaftspflege hat sich iiberdies grandlegend gewandelt. Dessen urspriinglicher Charakter als Heimatschutz, gerichtet auf den Erhalt von eng bestimmbaren, besonders schutzenswerten Gebieten, erweiterte sich auf ein flachendeckendes, alle Vorhaben beeinflussendes und auch den Protessschutz erfassendes Verstandnis. Gleichzeitig fmden MaBnahmen des Kilstenschutzes in einem Bereich statt, der sich aus naturschutzfachlicher Sicht von iiberragender Bedeutung fur den Naturhaushalt darstellt. Es ist offensichtlich, dass solche Entwicklungen und Bewertungen am bisherigen Ktistenschutz nicht spurlos vorbeiziehen. Auch KtistenschutzmaBnahmen werden sich in Zukunft nicht mehr nur mit dem Hinweis, es ginge hier um 1

2

Niederdeutscher Spruch in der Schreibweise des mecklenburger Platts, wortlich iibersetzt: Wer nicht will deichen, der muss weichen. So auch Kunz, Ktistenschutz und Okologie, S. 29, der vom ,,traditionellen Selbstverstandnis des Kustenschutzes" bis in die jtingste Vergangenheit spricht.

1. Kapitel Konfliktanalyse menschliches Leben und die Bewahrung von materiellen Werten, uneingeschrankt durchsetzen lassen. Entwicklungen wie der befurchtete Meeresspiegelanstieg oder die Zunahme von Sturmhochwassern machen ein Uberdenken der althergebrachten Kiistenschutzkonzepte notwendig. Damit ist uniibersehbar: Ktistenschutz hat sich neuen Herausforderungen zu stellen, die mit denen der Vergangenheit nicht zu vergleichen sind. Es miissen Strategien gefunden werden, die den Kiistenschutz befahigen, den neuen Ansprtichen gerecht zu werden.

B. Spannungsfeld im Uberblick Die Nutzung des Kustenraumes ist heute vielfaltig und hat sich gegentiber friiheren Jahrhunderten stark intensiviert.3 Die tradierten Hauptwirtschaftszweige Landwirtschaft, Seefahrt und Fischerei wurden urn neue Erwerbsquellen erweitert, zu denen Tourismus, Industrie und der Dienstleistungsbereich zahlen.4 Proportional zum gesamtgesellschafitlichen Wirtschaftswachstum und einer in den letzten 50 Jahren stark gestiegenen Wertschopfung befmden sich im Kiistenbereich heute hohe materielle Werte. Auch zukunftig ergeben sich Gewinnchancen nicht unerheblichen Ausmafies.5 Der Kustenraum ist insgesamt einer Vielzahl von unterschiedlichsten Interessen ausgesetzt, die sich gegenseitig beeinflussen, teilweise gemeinsame Ziele verfolgen, aber auch haufig miteinander konkurrieren. Spannungsfelder bestehen nicht nur zwischen Natur- und Ktistenschutz, sondern ebenfalls im Verhaltnis zu den anderen Nutzungsanspriichen. Die an den Ktistenschutz gestellten Ansprtiche sind vitaler und okonomischer Natur. Sie zielen einerseits auf den Schutz der Bevolkerung vor Uberflutung, andererseits auf Gewahrleistung und Ausbau der wirtschaftlichen Nutzung des Kustenbereiches ab. Als wesentliche Voraussetzung dafur wird die Erhaltung der heute existierenden Kiistenlinie angesehen.6 Da diese Forderung nur mit umfangreichen SchutzmaBnahmen zu bewerkstelligen ist, die in der Regel mit erheblichen Eingriffen in den Naturraum verbunden sind, stehen sich die Interessen von Kiisten- und Naturschutz haufig kontrar gegenuber.7 Die Kostenintensitat des Kiistenschutzes bewirkt in okonomischer Hinsicht zugleich interesseninterne Zielkonflikte. Wirtschaftlich ist zudem von Bedeutung, dass Positionsverteidigung haufig

Zum Nutzungskonflikt siehe ausfuhrlicher Colijn, Ktistenzonenmanagement, in: Ktistenschutz in S-H, S. 19; Europaische Kommission, Strategic, S. 7. Eine kurze Darstellung der historischen Entwicklung des Kustenraumes und der heutigen Nutzungskonflikte ist bei Coijn, Kustenzonenmanagement, in: Ktistenschutz in SH, S. 19 f. zufinden. Es steht zu erwarten, dass insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern hierbei der Tourismus eine bedeutende Rolle spielen wird. Kunz, Ktistenschutz und Okologie, S. 22. Die konkreten Beeintrachtigungen des Okosystems Ktiste werden unter C. III. dargestellt.

1 Einleitung insbesondere touristischen Belangen widerspricht.8 Konfliktsteigemd wirkt sich ilberdies die zweifelhafte Effektivitat der Schutzanlagen aus. Gleichwohl darf nicht iibersehen werden, dass bei naherer Betrachtung und in Abhangigkeit der an den Kustenschutz gestellten Anforderungen nicht wenige Konstellationen existieren, in denen die beschriebenen Konfliktlagen zu losen sind. So besteht zwischen den Belangen des Naturschutzes und des Ktistenschutzes eine weitgehende Interessenkongruenz, wenn es z.B. um die Freihaltung des Kilstenbereiches vor weiterer Bebauung geht, die sowohl aus Sicht des Kusten- wie auch des Naturschutzes wiinschenswert ist.

C. Gang der Untersuchung Ziel dieser Darstellung ist das Aufzeigen von Moglichkeiten zur Losung des Spannungsfeldes zwischen den Interessen des Kiistenschutzes und den Belangen des Naturschutzes.9 Dies auf juristischer Ebene zu versuchen, erscheint zunachst anmaBend. Der Einwand, man miisse die tatsachlichen Geschehensablaufe, die Ursachen von Kustenausgleich und Hochwasserentstehung kennen, bevor man Schutzmafinahmen rechtlich bewerten kann, ist begrundet.10 Noch komplizierter wird die Fragestellung, wenn es mit der Kenntnis der Ursachenzusammenhange nicht getan ist, sondern verschiedenste wasserwirtschaftliche Konzepte als Reaktion auf die natiirlichen Prozesse in Fachkreisen diskutiert werden. Diesen Problemen hat sich der Bearbeiter eines solchen Themas jedoch zu stellen. Bevor eine juristische Bewertung der zur Verfugung stehenden rechtlichen Instrumente erfolgen kann, miissen die naturwissenschaftlichen Grundlagen herausgearbeitet werden. Erst nach Kenntnis der Ursachen- und Wirkungszusammenhange der in Frage stehenden Prozesse kann der Umfang der tatsachlichen menschlichen Einwirkungsmoglichkeiten auf die natiirlichen Entwicklungen geklart werden. Hierbei miissen Prozesse, die mit den zur Verfugung stehenden Techniken nicht zielbeeinflussbar sind, mangels tatsachlicher Steuerungsmoglichkeit auch der wasserbaulichen Planung entzogen sein. Hinsichtlich steuerungsfahiger Prozesse sind die wasserwirtschaftlichen Postulate und Konzepte zu deren Beeinflussung darzustelNicht nur die gegenwartige Kiistenlandschaft, sondern auch die durch die natiirliche Ktlstendynamik standig erfolgenden Veranderungen der Ktistenbiotope und -geotope sind von erheblichem touristischen Wert. Erhebliche wirtschaflliche Beeintrachtigungen entstehen, wenn SchutzmaBnahmen den Wert der Kuste fur eine touristische Nutzung einschranken. Siehe dazu Forschungsleitplan Klimaanderang und Kiiste, S. 4. Die Notwendigkeit von diesbeziiglichen juristischen und interdisziplinaren Untersuchungen wird u.a. betont von Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 47; ders, Erdkundeunterricht, S. 372; ders. et al., in: Lozan et al., Warnsignale, S. 334; Krause, Binnenschifffahrt 96, S. 20. Fur die Durchsetzung eines Integrierten Managements fur Kusten siehe Hempel, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 317. Fur den Hochwasserschutz an Fltlssen: Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 31.

1. Kapitel Konfliktanalyse len11 und einzuschatzen. Erst danach kann in einem dritten Schritt die rechtliche Bewertung erfolgen. Entsprechend der beschriebenen Vorgehensweise dient das 1. Kapitel dieser Abhandlung der Konfliktanalyse. Zuerst erfolgt die Darstellung der Ursachen- und Wirkungszusammenhange durch eine Untersuchung der naturraumlichen Verhaltnisse an der siidlichen Ostseekiiste. Die bisherigen wasserwirtschaftlichen Postulate und Konzepte und deren Auswirkungen auf den Naturraum werden danach erlautert. Im Anschluss daran erfolgt die Bewertung von Effektivitat und Efflzienz der KustenschutzmaBnahmen. AbschlieBend wird der Versuch unternommen, die Konfliktlage zwischen Kiistenschutz und Naturschutz durch die Figur des vorsorgenden Kiistenschutzes im Rahmen eines Integrierten Kustenzonenmanagements (IKZM) einer Losung zuzuftihren. Im Kern der juristischen Darstellung ab dem 2. Kapitel stehen die planerischen MQglichkeiten zur Vermeidung neuer Kiistenschutzerfordernisse an gefa'hrdeten Kiistenabschnitten. Dabei wird primar auf die raumliche Gesamtplanung, die Landschaftsplanung und die kiistenbezogene wasserwirtschaftliche Planung eingegangen. Ziel der Darstellung ist die differenzierte Bewertung der Leistungsfahigkeit des Planungsinstrumentariums. Im Vorgriff auf die im 1. Kapitel detailliert ermittelten Ergebnisse soil bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die gesamte rechtliche Untersuchung von der Frage nach dem gesellschaftlichen und rechtlichen Umgang mit Naturprozessen, die sich dem Grande nach einer menschlichen Beeinflussung entziehen, getragen ist. Auch wenn die Fokussierung auf diesen Blickwinkel nicht an jeder Stelle explizit erwahnt wird, ist sie doch allgegenwartig und bestimmt so den Verlauf der Arbeit ganz wesentlich. Das 2. Kapitel dient der Darstellung der planerischen Moglichkeiten einer Risikobegrenzung im Sinne vorsorgender Kustenschutzstrategien mit den Instrumenten der Raumplanung. Hier wird der Frage nachgegangen, welche Instrumentarien Raumordnung und Landesplanung bieten, um Risikopotentiale zu begrenzen und neue Kustenschutzerfordernisse zu vermeiden. Dabei geht es nicht nur um die bloBe Anwendbarkeit raumordnerischer Instrumente und Gebietskategorien auf die Belange vorbeugender Hochwasserschutzkonzepte. Kritisch hinterfragt wird zugleich der Erfolg derartiger Festsetzungen, mithin die tatsachliche und rechtliche Wirktiefe raumordnerischer Vorgaben. Auf Grundlage recht umfangreicher theoretischer Untersuchungen werden die rechtlich moglichen Bindungswirkungen, zu denen die Instrumente der Raumordnung sowohl de lege lata als auch de lege ferenda befahigt sind, ausgelotet. Im Ergebnis gilt es herauszuarbeiten, welchen Beitrag die jeweiligen Instrumente zur Flachenfreihaltung im Kiistenbereich leisten konnen. Im 3. und 4. Kapitel erfolgt die Darstellung der fachplanerischen Instrumente und ihrer Relevanz fur die Etablierung alternativer Kustenschutzstrategien. Innerhalb des 3. Kapitels wird nach Betrachtung der Landschaftsplanung als okologische Grundlagenplanung besonderes Augenmerk auf formliche Schutzgebietsausweisungen gelegt. Neben den nationalen Gebietskategorien erfahrt hier das Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 32.

1 Einleitung Rechtsregime, dem die Gebiete des Okologischen Netzes Natura 2000 unterfallen, besondere Berilcksichtigung. Das 4. Kapitel dient der Untersuchung der wasserwirtschaftlichen Planungsinstrumente mit Bezug zu den Kiistengewassern. Im 5. Kapitel schlieBlich werden staatliche Schutzauftrage aus einfachgesetzlichen Regelungen und dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz aus Art. 14 GG vor dem Hintergrund von Ausdeichungsprojekten untersucht. Mittelbar erfolgt hier die Auslotung der verfassungsrechtlichen Grenzen vorsorgender Kiistenschutzstrategien. Erganzend zum planungsrechtlichen Schwerpunkt der Arbeit dient das 6. Kapitel der exemplarischen Darstellung von rechtlichen Vorgaben und Defiziten bei der Durchftihrung konkreter Kiistenschutzmafinahmen am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns. Die Berucksichtung des Einzelentscheidungsmanagements innerhalb dieser Darstellung ist der konkreten Verwaltungspraxis geschuldet, die hier erhebliche Defizite offenbart. AbschlieBend werden im 7. Kapitel die gefundenen Ergebnisse zusammengefasst.

1. Kapitel Konfliktanalyse

§ 2 Begriffsbestimmung A. KCistenbereich /. Naturraumliche Abgrenzung Die Gesamtkustenlange Deutschlands betragt an Nord- und Ostsee zusammen 3160 km, davon fallen auf die Nordseekiiste etwa ein und auf die Ostseekiiste ca. zwei Drittel der Gesamtkustenlange. Die Lange der Kiisten in MecklenburgVorpommern betragt 1712 km, die der Ostseekiiste in Schleswig-Holstein 535 km. Beide Bundeslander zusammen weisen eine AuBenkiistenlange von 645 km (davon Schleswig-Holstein 291km, Mecklenburg-Vorpommern 354 km) und eine Innenkustenlange von 1712 km (Schleswig-Holstein 354 km, MecklenburgVorpommern 1358 km) auf. Damit befindet sich in Mecklenburg-Vorpommern Deutschlands grofiter Anteil von Kiistenstrecken.1 AuBenkiiste ist die Kilstenzone des Meeres (seeseitige Kiiste). Als Binnenkiiste wird die Kiiste der vom offenen Meer mehr oder weniger stark abgetrennten Meeresteile (landseitige Kiiste) bezeichnet.2 Naturraumlicher Gegenstand der vorliegenden Darstellung ist nicht die unmittelbare Trennungslinie zwischen Festland und Meer, die Wasserlinie an sich,3 sondern der Bereich, in dem sich Meer und Land gegenseitig beeinflussen. Das Aufeinandertreffen dieser ganzlich unterschiedlichen physikalischen und chemischen Bedingungen und die damit verbundenen differierenden Veranderlichkeiten fiihren zu der Besonderheit des Kiistenlebensraumes. Das Gesamtresultat ist eine, im Vergleich zu den groBflachigen Okosystemen auf dem Festland und dem Meer, hochgradige Veranderungsrate, die sich durch eine hohe biologische Vielfalt und ein hohes Reproduktionspotential auszeichnet.4 Der Schutz dieses Systems kann sich nicht nur an bestimmten Teillebensraume oder Nutzungen orientieren,5 sondern ist konsequent ganzheitlich zu betrachten.6 Bei alien Untersuchungen, die sich mit den Wechselwirkungen zwischen Meer und Land beschaftigen und so einen bestimmten Bereich sowohl land- als auch seeseitig zum Gegenstand haben, muss der Begriff des Kiistenbereiches unter Beriicksichtigung des o.g. okosystemaren Ansatzes daher als Ubergangszone zwischen Meer und Land verstanden 1 2 3 4

5 6

Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz in M-V, S. 14. Von Billow, Geologie 53, S. 4 m.w.N. Vergleiche dazu Petersen, Kustenrecht; S. 32. Jeschke/Knapp, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 33; Lampe, GR 92, S. 633. Ausftihrlich zu den grundverschiedenen Lebensbedingungen an Land und im Meer und die Funktion des Kiistenbereiches als Ubergangsbereich der unterschiedlichen Veranderlichkeiten: Reise in Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 29. So auch Czybulka, NuR 99, S. 563 fur den Schutz des Meeresbodens. Ausfuhrlicher zum Begriff des Okosystems siehe 1. Kapitel § 2 C. und BallschmidtBoog, Kiistenokosysteme, S. 40 ff.

i 2 Begriffsbestimmung werden, in der sich beide Teile gegenseitig beeinflussen. Das ist landseitig in einem Bereich denkbar, welchen das Meer beim hochsten anzunehmenden Wasserstand (BHW) ohne die Existenz von Kiistenschutzanlagen tiberfluten wtlrde. 7 Obgleich die Wirktiefe der marinen Krafte durch das Vorkommen exklusiver Salzarten der Pflanzen- oder Tierwelt indiziert wird, soil fur diese Untersuchung nicht entscheidend sein, ob eine unmittelbare Beeinflussung der biologischen Systeme vorliegt, d.h. tatsachlich ein dauerhafter Salzeinfluss nachweisbar ist.8 MaBgeblich soil stattdessen die Wirktiefe der terrestrischen und marinen Naturgiiter, mithin auch die mittelbare Beeinflussung im jeweils anderen Medium sein.9 In die Beurteilung sind daher nicht nur Wechselwirkungen der biotischen, sondern insbesondere auch der abiotischen Faktoren einzustellen. 10 Zu den terrestrischen Kiistenokosystemen gehoren daher neben Salzgraswiesen, Kustenuberflutungsmooren, Diinenkomplexen sowie aktiven und inaktiven Kliffs11 auch Kiistenwalder und Kiistenheiden. Anthropogenen MaBnahmen, die bestimmte Wechselwirkungen verandert haben konnen, soil an dieser Stelle keine Bedeutung zufallen.12

7

Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 41 fF.; Hochwasserschutz in der DDR, S. 102. Diese Bereiche werden in ihrer Gesamtheit im Folgenden als hochwasser-, uberflutungs- oder iiberschwemmungsgefahrdete Bereiche bezeichnet (Definition nach Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 20). Hochwassergefahrdete Bereiche, die gegenwartig durch Kiistenschutzanlagen vor Uberschwemmimg gesichert sind, wird die Begrifflichkeit als potentiell hochwassergefahrdete Bereiche, potentielle Uberflutungsraume oder potentielle Uberschwemmungsgebiete zugeordnet. In Abgrenzung dazu werden den Flachen, die bei Hochwasser- und Sturmflutereignissen tatsachlich einer Uberflutung ausgesetzt sind, begrifflich als nattirliche, tatsachliche oder faktische Uberschwemmungsgebiete bzw. Retentionsraume erfasst. Diese Bereiche decken sich mit denen, die als formliches Uberschwemmungsgebiet nach § 32 WHG ausgewiesen werden konnten, siehe dazu z.B. 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. aa. Vgl. zum Ganzen auch das Schaubild in der Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 18 und in dieser Arbeit das Glossar im Anhang.

8

So aber fur die Lebensstattenabgrenzung Miiller-Motzfeld in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 27. Demnach soil der direkte Kustenbereich an Flachkusten bereits bei einer Hohe von 70 cm ilber Hohennull enden. Der sich daran anschliefiende Bereich wird dann als Kustenhinterland bezeichnet. Diesem Ansatz folgt die Europaische Kommission, KOM (95) 511 endg./2, S. 5. Insoweit kommt es auf alle klimatischen Faktoren an. Zu denken ist etwa an spezielle Temperatur-, Feuchtigkeits- und Windverhaltnisse sowie an Beeinflussungen durch Sandverwehungen. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 40. Entscheidend ist, ob die Okosysteme durch die marinen Bedingungen beeinflusst werden oder wurden. Vgl. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 40.

9 10

11 12

1. Kapitel Konfliktanalyse

//. Normative Abgrenzung Einem okosystemaren Ansatz folgt die Richtlinie 15/18 der HELCOM zur Abgrenzung des Anwendungsbereiches von Art. 15 HU 9213, der alle von der Ostsee beeinflussten Kiistenokosysteme einschlieBt. Ausdriicklich zum Kustenbereich werden alle typischen Kiistenokosysteme wie Strande, Strandwalle, Strandseen, Diinen, Nehrungen, Steilktisten, Kustentiberflutungsmoore, Salzwiesen, Rohrichte und Kiistenwalder bis 1 km von der Uferlinie landeinwarts sowie der Riickstaubereich der Fliisse einschlieBlich der jeweiligen Uberfiutungsraume gezahlt.14 Weiterer Ansatzpunkt ist die HELCOM-Empfehlung 15/115, in der eine landseitige Kiistenplanungszone mit einer Tiefe von 3 km gefordert und auf die in der HELCOMEmpfehlung 16/316 verwiesen wird. Die HELCOM geht offensichtlich davon aus, dass innerhalb dieses Streifens die an der Kiistenlinie stattfindenden Prozesse den Naturraum und die menschlichen Nutzungsinteressen nicht unerheblich beeinflussen. Im Ergebnis ahnliche Abgrenzungskriterien liegen den Definitionen marinerund Kustenlebensraumtypen nach der FFH-Richltinie17 (FFH-RL) zugrunde. Den zu schutzenden Kiistenlebensraumen unterfallen seeseitig Sandbanke, Riffe, Meeresbuchten, Wattflachen und Flachwasserzonen sowie landwartig u.a. Spiilsaume, Strande, Kliffs, Salzgriinland, Diinen und Dilnenheiden der Kiiste sowie des Binnenlandes.18 Landseitig diirften sich die Kustenlebensraumtypen in der Regel wohl kaum iiber die 3 km Grenze hinausdehnen, allerdings sind bei Heidegesellschaften Ausnahmen denkbar. Relativ weit ragen die Flachwasserzonen (flache groBe Meeresarme und -buchten, Natura 2000 Code 1160) in die See. Von diesem Lebensraumtyp werden nicht nur klassische Buchten, sondern alle Flachen zwischen den Inselketten sowie die dazugehorenden Bodden und Haffe erfasst.19 Bei der Grofie einiger Bodden und Haffe in Vorpommern (Greifswalder Bodden, Oderhaff) unterfallen dem Schutzregime der FFH-RL damit erhebliche Wasserflachen. Zu den 13 14

15 16 17

18 19

Helsinki Ubereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes von 1992 (HU 92), (BGB1. II 1994, S. 1398). Zur Abgrenzung vom Charakteristikum des Salzeinflusses konnte dieser Streifen auch als Teil der Kiistenzone bezeichnet werden. Zum Ganzen siehe auch Herrmann, Naturschutzarbeit in M-V, 2/94, S. 9. Im Forschungsleitplan Klimaanderung und Ktiste, S. 5 f. soil der Kustenraum seeseitig das Kilstenvorfeld bis zu 10 m Wassertiefe und landseitig alle vom Meer beeinflussten Landschaftsteile wie Strande, Strandwalle, Nehrungen, Diinen, Buchten, Boddengewasser mit Verlandungsraumen, Salzwiesen und Niederungsgebiete umfassen. BAnz. Nr. 50a vom 04.01.1996, S. 5. BAnz. vom 17. 09.96, Nr. 175a, S. 7. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der naturlichen Lebensraume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, AB1. 1992 Nr. L 206, S. 7 ff. (FFH-RL). Vergleiche Anhang II der FFH-RL, insbesondere die Lebensraumtypen der Ktistendiinen, Natura 2000 Code 2000 ff., insbesondere *2130, *2140, *2150, 2160, 2170, 2180. Ssymank et al, Natura 2000, S. 110.

§ 2 Begriffsbestimmung

Flachwasserzonen des offenen Meeres gehoren weiter die Bereiche bis ca. 10 bis 15 m Tiefe.20 Daraus folgt, dass weite Meeresteile an der Aufienkuste dem Lebensraumtyp Flachwasserzonen zuzuordnen sind. Ein Blick auf die Tiefenverhaltnisse und den Kiistenverlauf der Ostseekuste in Mecklenburg-Vorpommern verdeutlicht dies in anschaulicher Weise. Die innere und aufiere Wismarbucht ist daher als Flachwasserzone zu klassifizieren. Ebenso milssen die Wasserflachen zwischen Festland und einer Linie von Heiligendamm bis nordlich DarBer Ort und weiter nordlich Kap Arkona als Flachwasserzonen i. S. d. FFH-RL bezeichnet werden. Ostlich von Kap Arkona unter Einschluss der Greifswalder Oie bis zur polnischen Grenze gehoren weitere Meeresteile mit Teilen der Oderbucht diesem Lebenraumtyp an. Unter Berilcksichtigung der geringen Wassertiefen waren auch fernere Bereiche nordlich dieser Linien erfasst. Territoriale Ausdehnung erfahren die geschiitzten Meeresteile durch den Lebensraumtyp der Sandbanke.21 Auch bei restriktiver Anwendung der in der Interpretation Manual22 angegebenen Tiefen von bis zu 20 m sind damit fast alle flacheren Gebiete der siidostlichen Ostsee schutzwiirdig. Das auf den Schutz von Feuchtgebieten gerichtete Ramsar-Ubereinkommen23 defmiert seinen territorialen Geltungsbereich ebenfalls uferlinienubergreifend. Feuchtgebiete sind nach Art. 1 Ramsart) alle Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete sowie dauernde oder zeitweilige Gewasser einschliefilich Meeresteile bis zu einer Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser. Der hier zum Tragen kommende okosystemare Ansatz unterwirft einen Teil des Kustenbereiches dem Rechtsregime des Ramsar-Ubereinkommens. Dadurch liefert es wichtige Impulse fur ein okosystemiibergeifendes Verstandnis. Allerdings ist das Ramsar-Ubereinkommen sachlich auf Feuchtgebiete beschrankt, die rechtliche Definition des Kustenbereiches gelange dadurch nur zum Teil. Zur isolierten seeseitigen Begrenzung bietet sich das Seerechtsubereinkommen24 (SRU) an. Es teilt die kiistennahen Gewasser zunachst in Eigengewasser und das Ktistenmeer auf. Zusammen bilden sie die Kustengewasser.25 Das SRU beinhaltet wichtige, auf den Okosystemschutz gerichtete Uberlegungen. Nach 20 21

22 23

24

25

Ssymank et al, Natura 2000, S. 111. Sandbanke mit nur schwacher standiger Uberspulung durch Meerwasser, Natura 2000 Code 1110. Siehe unten 1. Kapitel § 3 C. I. 1. Ubereinkommen iiber Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum fur Wasser- und Watvogel, von internationaler Bedeutung (Ramsarkonvention) vom 02.02.1971 (BGB1. II S. 1266), geandert durch das Pariser Protokoll vom 03.12.1986 (BGB1. 1995 II S. 218). Seerechtsubereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (BGB1. 1994 II S. 1799). GemaB Art. 3 SRU maximal 12 sm. Von dieser Ausweitung hat die BRD Gebrauch gemacht, siehe Fn. 30. In der Ostsee beinhaltet das Ktistenmeer z.T. geringere Ausdehnungen. Hier verlauft die Grenze des Kustenmeeres (und damit der Kustengewasser) in der Mitte der zwischen den Ktistenlinien der Staaten befmdlichen Wasserflachen.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Art. 56, 192 ff. SRU werden die Kustenstaaten sowohl berechtigt als auch verpflichtet, bei der Ausbeutung der marinen Ressourcen die Verschmutzung der marinen Umwelt zu verhiiten, zu verringern und zu iiberwachen. Erganzt wird diese Vorschrift durch Art. 194 Abs. 5 SRU, wo aufgrund des dort geforderten Schutzes empfindlicher Okosysteme sowie des Lebensraumes gefahrdeter, bedrohter oder vom Aussterben bedrohter Arten der eigentliche okosystemare Ansatz zum Ausdruck kommt.26 Allerdings beschrankt sich dieser auf den seeseitigen Kilstenbereich. Das SRU ist daher nicht in der Lage, die in okosystemiibergreifender Sicht notwendigen Landflachen seinem Rechtsregime zu unterwerfen. Die landseitige Begrenzung der Eigengewasser ist die Strand- oder Uferlinie bei mittlerem Wasserstand. Deren seeseitige Begrenzung stellt die innere Begrenzung des Kustenmeeres dar.27 Die fur die innere Begrenzung des Kiistenmeeres notwendigen Basislinien werden gemaB Art. 5 SRU durch die Niedrigwasserlinie gekennzeichnet. Da die Gezeiten an der Ostsee keine Rolle spielen, fallen hier Mittelwasser- und Niedrigwasserlinie in der Regel zusammen. Zu den Eigengewassern, und damit nicht zum Kiistenmeer gehoren Bodden, Haffe und Buchten, die gemaB Art. 7 SRU durch gerade Basislinien gegeniiber dem Kiistenmeer abgegrenzt werden. Im nationalen Recht ist zwar z.B. in § 19 Abs. 1 S. 2 LNatG M-V28 ein Kustenschutzstreifen von 200 m land- und seeseitig festgelegt, dieser regelt aber nur die Errichtung und wesentliche Anderung von baulichen Anlagen. Territorial wird damit nur ein Teil des Kustenbereiches im hier verstandenen Sinne umgriffen. Gleiches gilt fur die Bauverbotsbereiche in § 89 Abs. 1 LWaG M-V. Die Definition der Kiistengewasser in § 1 Abs. 1 Nr. la WHG29 und die fur SeewasserstraBen in § 1 Abs. 2 WaStrG lassen sich fur eine Bestimmung des Kustenbereiches ebenfalls nur teilweise heranziehen. Hier wird die seewartige Grenze durch die Hoheitsgrenze bestimmt.30 Damit diirften die Kiistengewasser zumindest die seewartige Begrenzung des hier zugrunde liegenden Verstandnisses des Kustenbereiches umfassen. Zu den Kustengewassern in Mecklenburg-Vorpommern gemaB § 1 Abs. 1 S. 2 LWaG M-V3' gehoren auch die Sund- und Boddengewasser sowie Haffe und Wiecke. Die Kiistengewasser werden landseitig, abweichend vom SRU, 26 27

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Grundlegend: Czybulka, N u R 99, S. 564. Petersen, Deutsches Kiistenrecht, Rn. 3 f.; Erbguth/Stollmann, DVB1. 95, 1270; Czybulka, N u R 99, S. 562. Gesetz zum Schutz von Natur und Landschaft im Lande Mecklenburg-Vorpommern (LNatG M-V) vom 21.07.1998, GVOB1. M-V, S. 647 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.10.2002 (GVOB1. M-V 2003, S. 1), zuletzt geandert durch Gesetz vom 24.06.2004. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushaltes (WHG) vom 27.07.1957 (BGB1. I S. 1110, 1386, neugefasst durch Bekanntmachung vom 19.08.2002 (BGB1. I S. 3245), zuletzt geandert durch Gesetz vom 06.01.2004. I. d. R. 12 sm, siehe Bekanntmachung der Bundesregierung vom 11.11.1994 (BGB1. I 94, S. 3428). Vgl. auch Czychowski/Reinhard, W H G , § 1 Rn. 36. Gesetz vom 30.11.1992, GVOB1. M-V, S. 669.

' 2 Begriffsbestimmung

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durch die Ktistenlinie bei mittlerem Hochwasser (Mittelwasserlinie) begrenzt.32 Sie erstrecken sich aber nicht auf den Bereich, der vom Meer beim hochsten anzunehmenden Wasserstand ohne Kiistenschutzanlagen ilberflutet wiirde.

///. Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass trotz des kiistenlinienubergreifenden Charakters einiger wasser- und naturschutzrechtlicher Normen der Kiistenbereich durch rechtliche Regelungen nur unzureichend erfasst wird.33 Zur territorialen Abgrenzung des Kiistenbereiches ist daher auf die naturraumlichen Gegebenheiten zuriickzugreifen. Dem Kiistenbereich sollten daher zuerst die Okosysteme zugerechnet werden, die entweder Ktistenokosysteme sind oder die durch ihre Lage in Nahe der Kiiste spezifisch durch diese beeinflusst werden. Dazu gesellen sich solche Okosysteme, die durch anthropogen bedingte Veranderungen zwar kaum noch einem Einfluss des Meeres ausgesetzt sind, dieser aber theoretisch, z.B. durch Rilckbau von Deichen, wiederhergestellt werden kann. Landseitig kommt dafiir eine Bindung an die Flachen in Frage, welche bei Bemessungshochwasserstand ohne Existenz von Kiisten- und Hochwasserschutzanlagen iiberflutet werden wiirden.34 Unter zusatzlicher Beriicksichtigung der HELCOM-Empfehlungen 15/1 und 16/3 sollte der landwartige Kiistenbereich daher mindestens einen 3 km breiten kiistenparallelen Streifen umfassen, sowie weitergehende Flachen, die dariiber hinaus uberflutungsfahrdet sind.35 Seeseitig muss das Okosystem Kuste den Bereich beinhalten, innerhalb dessen der Meeresboden durch meteorologischhydrologische Faktoren beeinflusst wird. Auswirkungen auf den Meeresboden erfolgen bis in eine Tiefe, in der die vertikal reichende Wirkung des Seegangs den Meeresboden erreicht und eine Wellendampfung durch Energieverlust einsetzt. Dies ist in der Regel bei einer Wassertiefe der Fall, die der halben Wellenlange entspricht. Da die Wellenlange vom Seegang abhangt und dieser erheblichen Schwankungen unterworfen ist, dient als Bemessungsgrundlage die Wellenlange bei der in der stidlichen Ostsee haufigsten Windstarke und Windrichtung. Dies sind in der siidlichen Ostsee auflandige Winde in der Starke von ftinf bis sechs Beaufort. Daraus ergibt sich eine Wirktiefe des Seegangs von zehn bis zwolf Metern.36 Da bei meteorologischen Extrembedingungen hohere Wirktiefen zu ver32

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BGH, Entscheidung vom 09.07.1987 B G H Z 102, S. 3 = Z f W 88, S. 435; Czychowski/Reinhard, W H G § 1 Rn. 35; ebenso § 1 II WaStrG. Zu den Abweichungen bei der Bestimmung der landseitigen Grenze zwischen nationalem Wasserrecht nach § 1 a Abs. 1 Nr. la W H G und dem SRU siehe Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 199. Auf dieser Linie auch K O M (95) 511 endg./2, S. 5 mit der Feststellung, dass Kiistengebiete nur in den seltensten Fallen Verwaltungs- oder Planungseinheiten entsprechen. Siehe Fn. 7, damit umfasst der hier zu untersuchende Kiistenbereich im Wesentlichen auch das in Fn. 8 beschriebene Ktistenhinterland. Siehe dazu ausfuhrlicher 1. Kapitel § 5 C. II. 4. Von Billow, Geologie 53, S. 4, ebenso Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 4 1 . Fur eine Begrenzung anhand der Zehn-Meter-Tiefenlinie pladiert auch Ballschmidt-Boog,

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1. Kapitel Konfliktanalyse

zeichnen sind, ist es unter Berticksichtigung des okosystemaren Ansatzes durchaus denkbar, bis auf den 15-m-Tiefenbereich abzustellen.37

B. Kusten- und Hochwasserschutz /. Fachliche Differenzierung Die Begriffe Kiistenschutz und Hochwasserschutz werden haufig synonym gebraucht.38 Wasserbauliche MaBnahmen an der Kiiste konnen jedoch unterschiedlichen Zielen dienen.39 Eine Begriffsdifferenzierung erscheint daher geboten. Kiistenschutz umfasst alle kiinstlichen oder vom Menschen geschaffenen Gebilde entlang der Ktiste, wie z.B. Buhnen, Molen, Damme und Deiche. Darunter fallen auch Veranderungen der naturlichen Strand- oder Diinendynamik und das Auffullen von Stranden oder Diinen (d.h. MaBnahmen zum Schutz des Kilstengebietes gegen Uberschwemmung, Beschadigung durch Wellen oder Stromungen) sowie Aufspiilungen unter Wasser vor den Stranden und im Schorrebereich.40 Unter Kustenschutz ist mithin die Gesamtheit aller MaBnahmen im Kustengebiet zu verstehen, die dem Schutz der Kusten des Festlandes und der Inseln vor den zerstorerischen Einwirkungen des Meeres dienen, mit dem Ziel, den Siedlungs- und Wirtschaftsraum zu erhalten.41 Hochwasserschutz hingegen hat die Aufgabe, die Sicherheit fur Menschen, Flora, Fauna und Sachgiiter vor Schaden infolge Hochwasser zu gewahrleisten.42 Hochwasser selbst wird als die

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Kiistenokosysteme, S. 41. So auch § 2 Abs. 1 der Verordnung iiber die Festsetzung des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft vom 12.09.1990, GB1. der DDR vom 01.10.1990, SDr. 1466. Unter Umstanden noch weitergehender, w e n n m a n mit Schwarzer, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 76, v o n Sedimentbewegungen durch Oberflachenwellen bis in eine Tiefe von 20-25 m unter d e m Meeresspiegel ausgeht, allerdings wiirde das dazu ftthren, dass fast die gesamte siidwestliche Ostsee als Kustenbereich zu defmieren ware. Im Generalplan Kusten- u n d Hochwasserschutz M - V , S. 2 8 , wird der Begriff H o c h w a s serschutzanlagen genauso defmiert wie der Begriff Kilstenschutzanlagen, vgl.auch K u s tenschutz in M-V, S. 27. Eine Differenzierung erfolgt u.a. i m R R O P Vorpommern, S. 188; Generalplan Kiistenund Hochwasserschutz M-V, S. 6; Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 368; Probst, WuB 11/94, S. 55. H E L C O M - E m p f e h l u n g 16/3.: Unterwasseraufsptilungen werden dort nicht ausdriicklich erwahnt, sind aber gleichfalls als Kustenschutzmafinahmen i.o.g. Sinne z u verstehen, ebenso Umweltbericht M-V 96, S. 67. Liibbe, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 55; ders., Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 12; Probst, WuB 11/94, S. 54. Kimminich et al, HdUR, Band II, S. 1295, defmieren Kustenschutz allgemein als Schutz des Landes vor Uberflutung.

§ 2 Begriffsbestimmung

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Hochwasser zu gewahrleisten.42 Hochwasser selbst wird als die zeitlich begrenzte Anschwellung in einem oberirdischen Gewasser bezeichnet, die einen bestimmten, von der beabsichtigten Aussage abhangigen Wert ilberschreitet.43 Hochwasserschutz dient somit dem Schutz des menschlichen Siedlungs- und Wirtschaftsraumes vor hydrologischen Extremereignissen. Es zeigt sich, dass der Begriff des Kustenschutzes weiter gefasst ist. Ihm unterfallen nicht nur MaBnahmen zur Verhinderung einer Uberfiutung des landseitigen Kustenbereiches sowie von Landdurchbrilchen aufgrund von Extremereignissen. Kiistenschutz umfasst durch den allgemeinen Begriff der Kiiste insbesondere auch den Schutz der Kustenlinie vor Beansprachung wahrend der meteorologischhydrologischen Normalsituation. Kiistenschutz versteht sich daher als allgemeine (angriffsunabhangige) Ktistenverteidigung (coastal defense) und beinhaltet somit alle Mafinahmen, die den Rilckgang der Kiiste verlangsamen und, wenn moglich und wirtschaftlich vertretbar, zum Stillstand bringen.44 Nach diesem Verstandnis ist die Verhinderung des normalen kiistendynamischen Ausgleichsprozesses in Abrasionsgebieten Aufgabe des Kustenschutzes. Unter der Begrifflichkeit Kiistenschutz miissen daher alle beliebig gearteten MaBnahmen verstanden werden, die einerseits die natiirliche Kiistendynamik beeinflussen, andererseits aber zugleich die Uberflutung des Festlandes und der Inseln verhindern sollen.45 Kustenschutz kann mithin als Oberbegriff verstanden werden, der sowohl den Hochwasserschutz durch i. d. R. die Kiistendynamik nicht beeinflussende Anlagen umfasst, als auch Anlagen, die auf den naturlichen Ausgleichsprozess an Strand und Schorre einwirken (Erosionsschutz). Damit bestehen grundsatzliche Unterschiede in Methodik und Zielrichtung, mit der MaBnahmen zum Schutz der Kiiste vor den Einwirkungen des Wassers ergriffen werden konnen.

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Boettcher, Umweltplanung, in: Immendorf, Hochwasser, S.I 15, gleichzeitig wird als exemplarisches Beispiel fur Hochwasserschutzanlagen auf den Deichbau verwiesen. Mader, in: Kimminich et al., HdUR, Bd. I, S. 987, die Definition hat trotz der Beziehung auf oberirdische Gewasser auch auf Hochwasserereignisse an Kiistengewassern Gultigkeit. Von Biilow, Geologie 53, S. 63, Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz in M-V, S. 6; Hochwasserschutz in der DDR, S. 102; So auch Probst, W u B , S. 55, der zwischen tiberflutungsschutz- u n d Erosionsschutzanlagen unterscheidet. Interessant sind die Vorstellungen bei von Biilow, a.a.O., S. 8, der den Zweck des Kustenschutzes nach o.g. Definition nur als Nahziel bezeichnet, Anspruch und Fernziel des Kustenschutzes seien demgegemiber die Schaffung einer ausgeglichenen Kustenlinie durch Kustenschutzmaflnahmen, die weitere KustenschutzmaBnahmen iiberfliissig macht, d.h. eine sich selbst im Gleichgewicht befindliche Kuste ohne kustendynamische Veranderungen. Lampe, Erdkundeunterricht 96, 368, mit Hinweis darauf, dass beide MaBnahmenkomplexe nicht ganzlich, gleichwohl isoliert, betrachtet werden konnen, da zumindest der Erosionsschutz auch Auswirkungen auf den Schutz vor Uberflutung bei Extremereignissen hat.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

II. Rechtliche Differenzierung Im Vorfeld der anstehenden Untersuchung ist das rechtliche Verstandnis der Begrifflichkeit zu klaren, insbesondere, ob die rechtliche Terminologie der fachlichen Differenzierung zwischen Kiisten- und Hochwasserschutz folgt. Verfassungsrechtlich wird der Begriff Ktistenschutz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes in Art. 74 Nr. 17 GG und in der Planungskompetenz des Art. 91a Abs. 1 GG erwahnt. Die Definition des Begriffes ist nicht einheitlich. So werden unter Kilstenschutz alle MaBnahmen zur Erhohung der Sicherheit an den Kiisten der Nord- und Ostsee (...) gegen Sturmfluten verstanden.46 Andererseits wird vertreten, den grundgesetzlichen Kiistenschutzbegriff nicht an Extremereignisse zu binden, sondern ihn allgemein als die Erhaltung des Festlandes gegenilber dem Meer durch technische SchutzmaBnahmen zu erklaren.47 Der Bundesgesetzgeber beschrankt in § 1 Abs. 1 Nr. 5 GAKG48 den Begriff des Kiistenschutzes auf Mafinahmen zur Erhohung des Schutzes vor Sturmfluten. Durch die Bezugnahme auf Sturmfluten wird dem Wortlaut nach auf eine durch Extremereignisse hervorgerufene Gefahrdung abgestellt, nicht auf den normalen Ktistenausgleichsprozess.49. Die konkreten Fordergrundsatze50 beziehen sich dementsprechend bis auf eine Ausnahme auf den konkreten Hochwasserschutz. Allerdings sollen gemaB § 1 Abs. 1 Nr. 5 GAKG auch Buhnen und ahnliche Anlagen zuwendungsfahige MaBnahmen darstellen, obwohl es sich um Erosionsschutzanlagen handelt. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 1 GAKG und die Systematik der Fordergrundsatze kann hingegen angenommen werden, dass sich die Mitwirkung des Bundes tatsachlich nur auf den Hochwasserschutz beziehen soil. Die genannten Erosionsschutzanlagen waren folglich dann zuwendungsfahig, wenn damit primar eine Verbesserung des Uberflutungsschutzes bei Sturmhochwassern bezweckt wird.51 Es ist daher denkbar, dass sich die verfassungsrechtlich festgeschriebene Mitwirkungs- und Finanzierungspfiicht des Bundes in Art. 91a I Nr. 3, Abs. 4 GG durch den Wortlaut des GAKG in erster Linie auf den speziellen 46

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Mager, in: von Mtlnch/Kunig, GG, Art. 74 Rn. 80, Schmidt-Bleibtreu/Klein, S. 1199; Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 74 Rn. 154; Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., Art. 74 Rn. 80. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 74 Rn. 36, Art. 91a Rn. 5; Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 45. Gesetz ilber die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der Agrarstruktur und des Ktistenschutzes", (GAKG) BGB1.1 88 S. 1055; zuletzt geandert durch Gesetz vom 11.11.93 (BGB1. I S . 1865). Inwieweit eine solche Beschrankung des grundgesetzlichen Kiistenschutzbegriffs durch einfachgesetzliche Regelungen tiberhaupt moglich ist, wird noch zu klaren sein, vgl. 4. Kapitel § 11 C. II. BTDrs. 13/4349, S. 87. So sieht Lilbbe, in: Boedecker/von Nordheim, S. 55 die Forderungsfahigkeit von Erosionsschutzanlagen als einen durch den besonderen Aufbau des Kiistenschutzsystems in Mecklenburg-Vorpommern begriindeten Ausnahmefall des Hochwasserschutzes von 8 1 I Nr. 5 GAK umfasst.

§ 2 Begriffsbestimmung

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Hochwasserschutz an den Kiisten beschrankt. Die Bezeichnung der Gemeinschaftsaufgabe als Kilstenschutz ergabe sich dann daraus, dass einerseits beide Begriffe synonym verwandt werden52, andererseits aus der notwendigen Unterscheidung zwischen Hochwasserschutz an Flussen im Binnenland und dem an der Kiiste. Zutreffender ware daher die Bezeichnung Kiistenhochwasserschutz fur die Charakterisierung der im § 1 I Nr. 5 GAK festgelegten Gemeinschaftsaufgabe. In Schleswig-Holstein erfolgt die Definition des Begriffes Kilstenschutz in § 62 LWaG S-H ohne Beschrankung auf den Hochwasserschutz. Schon dem Wortlaut nach wird unter Kiistenschutz allgemein der Schutz der Kiisten sowohl durch spezielle Hochwasserschutzanlagen als auch durch die Beeinflussung der Kilstendynamik verstanden.53 Die Begrifflichkeit ist auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht einheitlich.54 So erfolgt einerseits eine Bindung an Extremereignisse, indem der Schutz der im Kiistenbereich lebenden Menschen vor Ertrinken und vor schweren materiellen Verlusten bei Sturmfluten in den Mittelpunkt gestellt wird.55 Andererseits lasst sich eine solches Verstandnis von § 83 LWaG M-V nicht untermauern.56 Hier wird von einem allgemeinen Schutz der Kiisten durch bestimmte technische Mittel ausgegangen, die sowohl dem Uberflutungs- als auch dem Erosionsschutz dienen. In diese Richtung weist auch die zwar rechtlich unverbindliche, aber gleichwohl inhaltlich bedeutsame Auffassung der ehemaligen Landesregierung, der Schutz der Kustenlinie sei auch vor den normalen kilstendynamischen Prozessen notwendig.57 Auch wenn die natilrliche Kilstendynamik in Mecklenburg-Vorpommern gemaB § 2 Abs. 2 Nr. 5 LNatG M-V nach MQglichkeit zu erhalten ist58, umfasst die Regelung aus § 83 Abs. 1 LWaG M-V mithin alle Mafinahmen des Kustenschutzes. Eine Beschrankung von KilstenschutzmaBnahmen lediglich auf den Uberflutungsschutz ergibt sich aus dem LWaG M-V nicht.59 In Anbetracht der naturschutzrechtlichen Wertung in § 2 Abs. 2 Nr. 5 LNatG M-V diirfte sich die naturschutzrechtliche Zulassigkeit erosionsbeeinflussender KiistenschutzmaBnahmen hingegen nur auf Ausnahmefalle beschranken. Aus § 2 Abs. 2 Nr. 5 LNatG M-V resultiert damit das Gebot einer Eingriffsminimierung gegentlber solchen Mafinahmen, die die Kilstendynamik beeinflussen. Die tatsachlich mogliche Unterteilung von KilstenschutzmaBnahmen in Hochwasserschutz i. e. S. und MaBnahmen zur Beeinflussung der Kilstendynamik wird 52 53 54

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SieheFn. 38. Vergleiche Kollmann, LWaG S-H, § 62 Rn. 1. Im Wassergesetz der DDR vom 17.04.63 (GB1. I S. 77) erfolgt in § 31 I eine Bindung des Kustenschutzes an Sturmfluten, in § 31 II wird jedoch zugleich vom vorbeugenden Hochwasserschutz gesprochen. Damit diirfte auch die Beeinflussung der ktistendynamischen Prozesse gemeint sein, vgl. insoweit die Definition in: Hochwasserschutz in der DDR, S. 102. Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 28, Kustenschutz in M-V, S. 27. LTDrs. M-V 1/1266. Kiistenschutz in M-V, S. 5. Vergleiche auch Umweltbericht M-V 96, S. 69; RROP Westmecklenburg, S. 47. Bugiel, NordOR, S. 414; so auch Klein, LKV 94, S. 9.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

somit in rechtlicher Hinsicht ansatzweise im Bundesrecht entsprochen, das Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern und das in Schleswig-Holstein nimmt von einer Differenzierung dagegen Abstand. Das landesrechtliche Verstandnis des Kilstenschutzes deckt sich folglich mit der o. g. fachlichen Definition des allgemeinen Kustenschutzes. Gegenstand dieser Untersuchung soil demgemafi der allgemeine Kiistenschutz sein, welcher Erosions- und Hochwasserschutz umfasst.

C. Naturschutz und Landschaftspflege Mit Naturschutz wird, unabhangig vom normativen Verstandnis,60 ein Verhalten bezeichnet, das unmittelbar und konkret darauf gerichtet ist, die freilebenden Tiere und Pflanzen samt ihrer Lebensgrundlagen sowie die Vielfalt, die Eigenart und Schonheit der Natur und Landschaft und die Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes zu bewahren, zu pflegen und zu entwickeln.61 Dadurch sollen die genetische Vielfalt der Populationen und die Artenvielfalt der Biozonosen gesichert, der natiirliche Verlauf der Evolution erhalten sowie naturnahe, stabile und sich /selbst) entwickelnde Okosysteme bewahrt werden.62 Schwerpunkt des Naturschutzrechts ist die Sicherung der Leistungs- und Funktionsfahigkeit des Naturhaushaltes.63 Grundlegende Voraussetzung dafur ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Hauptziel des Naturschutzrechts ist daher die Bewahrung der Biodiversitat.64 Damit unterscheidet es sich vom sonstigen Umweltschutzrecht, welches die Erhaltung menschengerechter Umweltbedingungen, haufig durch technische Mittel, bezweckt.65 Die Erhaltung der Biodiversitat kann nur durch ein Biotopverbundsystem erreicht werden, welches netzartig die gesamte Landschaft iiberdeckt.66 Nur so

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Bergstedt, Biotopschutz, II-5, S. 4. Erz, in: Buchwald/Engelhardt, Handbuch derUmwelt, S. 560 f.; Stick, in: Kimminich et al., HdUR, Bd. II, S. 1451; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 122; von Mutius, in: Breuer et.al., Naturschutz und Landschaftspflege; Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 24. Ausftlhrlich zum Ganzen: Gassner, Recht der Landschaft, S. 29 ff. Erz, in: Buchwald/Engelhardt, Handbuch der Umwelt, S. 560 f.; Hennecke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 37; Niederstadt, Okosystemschutz, S. 67 ff. Rabius/Holtz, S. 19; Zur Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes ausfuhrlich Olschowy, in: Kimminich et al., HdUR, Bd. II, S. 1439 ff.; Gassner, in: Gassner et.al., BNatSchG, § 1 Rn. 34 ff. (Vorauflage); vgl. auch Wortlaut § 2 Nr. 6 PflSchG. Salzwedel, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- u n d Naturschutz, S. 122, der den schleichenden u n d irreversiblen Verlust pflanzlicher u n d tierischer Arten als die groBte Herausforderung des Naturschutzrechts in Deutschland bezeichnet. Vgl. auch Flasbarth, in der FAZ vom 21.12.99, S. 8. Czybulka, in: Manssen/Schtitz, S. 479. Vergleiche nunmehr § 3 BNatSchG sowie S. 55 f. der Gesetzesbegriindung, BTDrs. 14/6378.

2 Begriffsbestimmung

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ist der Austausch des genetischen Materials moglich, welcher Grundvoraussetzung fur den Erhalt der biologischen Vielfalt ist.67 Der weite Naturbegriff des Naturschutzrechts bezieht sich auf den gesamten belebten Raum (Biosphare). Natur ist die Gesamtheit von Stoffen, Kraften, Beziehungen und Veranderungen der Umwelt, welche die Lebensgrundlage aller lebendigen Geschopfe der Erde darstellen. Natur tritt in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf.68 Als Umweltmedien werden Boden, Luft und Wasser bezeichnet. In den Umweltmedien lebende Organismen derselben Art innerhalb eines Raumes sind Populationen, Kombinationen unterschiedlicher Organismen werden als Biozonosen betitelt. Der Naturraum, in dem diese Pflanzen und Tiere in ihrer Gesamtheit auftreten, wird als Biotop klassifiziert. Die komplexen Wechselbeziehungen der Organismen untereinander und zwischen den Biozonosen und Biotopen einschlieBlich der anorganischen Umwelt bilden die Okosysteme. Unter einem Okosystem ist daher ein ganzheitliches Wirkungsgefuge von Lebewesen und deren anorganischer Umwelt zu verstehen, das zwar offen, aber bis zu einem bestimmten Grad zur Selbstregulation fahig ist.69 Ein intaktes, weil naturnahes Okosystem ist daher weitgehend selbstregelungs-, leistungs- und funktionsfahig und wird als das kleinste Grundsystem des Naturhaushalts angesehen.70 Die hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehenden Ktistenokosysteme sind aufgrund ihrer geographischen Lage gekennzeichnet durch ein ganzheitliches Wirkungsgefuge von Lebewesen und deren anorganische Umwelt im Kustenbereich.71 Einige Okosysteme des Kustenbereiches konnen aufgrund ihrer terrestrischen und aquatischen Teilsysteme als semiterrestrisch bezeichnet werden.72 Der Schutz der Natur umfasst nicht mehr nur die konservierende Bewahrung eines IstZustandes durch die Abwehr von nachteiligen Eingriffen, der weite Naturbegriff beinhaltet auch die positive Einflussnahme auf Natur und Landschaft.73 Naturschutz soil somit integraler Bestandteil jeglicher anthropogener Beeinflussung der

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Salzwedel, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 85 Rn. 48 f (S. 1228 f.), von Mutius, in: Breuer et.al., Naturschutz und Landschaftspflege, S. 36; Reichhoff, in: Wegener, Naturschutzmanagement, S. 19, alle m.w.N. Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 119. Z u m Naturbegriff vgl. weiter Bergstedt, Biotopschutz, II-3, S. 3 f. Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 40, m.w.N. Wobei das Okosystem bereits eine Aggregation aus Biotopen darstellt. Ausfuhrlicher zum Okosystem und dessen rechtlicher Bedeutung: Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 119 f.. Siehe zum Ganzen u.a. auch Steubing, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- u n d Umweltschutz, S. 20 f. Ausfuhrlich zu Okosystemkonzept: Niederstadt, Okosystemschutz, S. 25 ff. Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 40. Einteilung bei Niederstadt, Okosystemschutz, S. 39 f. Maura, in: Maunz/Durig, Art. 75 Rn. 123; Kunig, in: von Munch/Kunig, GG, Art. 75 Rn. 30; Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 122. Zur geschichtlichen Entwicklung auch Morgenthaler, DOV 99, S. 769 f.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Landschaft sein, seine Beachtung ist gleichsam Voraussetzung fur eine als dynamisch zu bezeichnende Landschaftsentwicklung.74 Landschaftspflege kann als Gesamtheit der MaBnahmen zur Sicherang und Forderang der nachhaltigen Nutzungsfahigkeit der Naturgiiter sowie der Vielfalt, Eigenart und Schonheit von Natur und Landschaft bezeichnet werden.75 Da der Pflege- und Entwicklungsgedanke bereits Bestandteil des Naturschutzes ist, bleibt fur eine eigenstandige Bedeutung der Landschaftspflege kaum Raum. Daher muss der Doppelbegriff Naturschutz und Landschaftspflege als einheitlicher und umfassender Sammelbegriff verstanden werden.76 Naturschutz und Landschaftspflege wirken nicht nur punktuell oder raumlich begrenzt, sondern flachendeckend und umfassend.77 Insbesondere erfolgt gemaB § 1 I BNatSchG78 keine Beschrankung des Schutzes von Natur und Landschaft auf den Bereich auBerhalb von Ortschaften. Indem der besiedelte Bereich im Wortlaut der Norm dem unbesiedelten vorangestellt wird, hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass sich die Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch auf bebaute Bereiche erstrecken.79 Wahrend Naturschutz und Landschaftspflege in der Vergangenheit hauptsachlich anthropozentrisch verstanden wurden,80 ist mit der Neufassung durch die Formulierung ,,aufgrund ihres ideellen Wertes" in § 1 BNatSchG deutlich gemacht worden, dass dem Schutz von Natur und Landschaft nunmehr auch ein okozentrisches Verstandnis zu Grunde liegt.81 74 75 76

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Baier et al, Naturschutzarbeit in M-V, 1/94, S. 2. Von Mutius, Grundstrukturen, in: Wandel, U T R Bd. 2 0 (93), S. 32. Hier wurde als moglicher Oberbegriff der der ,,Landespflege" vertreten. Vgl. Gassner, in: Gassner et. al., BNatSchG, § 1 Rn. 2 (Vorauflage). Zutreffend weist Haber, in: Breuer et.al., Naturschutz und Landschaftspflege, S. 5 f., darauf hin, dass die Doppelbezeichnung ein deutsches Novum ist, der in der Landschaftspflege enthaltene Entwicklungsgedanke wird in anderen Staaten vom Begriff des Naturschutzes unproblematisch (nature conservation) mitumfasst. Storm, Umweltrecht, Rn. 569; Hartmann, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 440. Gesetz tiber Naturschutz und Landschaftspflege(Bundesnaturschutzgesetz - BNatSchG) vom 25.03.2002, BGB1.1, S. 1193. Stick, in: Kimminich/Leisner/Storm, HdUR, Bd. II, S. 1446, Gassner, in: Gassner et.al., BNatSchG, § 1 Rn. 30 (Vorauflage). Vergleiche z u r alten Rechtslage: Kloepfer, Umweltrecht, § 11 R n . 10 (Vorauflage); Jenkins/Graute, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 288 f.; vgl. auch Wortlaut Art. 20a GG. Niederstadt, Okosystemschutz, S. 98 f. m.w.N. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 33 unter Verweis auf das SRU-Sondergutachten 2002 ,,Ftlr eine Starkung und Neuorientierung des Naturschutzes", Tz. 23. Ebenso: Gellermann, NVwZ, 02, S. 1026; Louis, NuR 02, 386. Ein okozentrisches Verstandnis wurde auch bereits fur die alte Rechtslage, u.a. mit Verweis auf den Wortlaut von § 1 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG (Schutz von Natur und Landschaft auch wegen ihrer Eigenart), vertreten, vgl. Gassner, in: Gassner et.al., BNatSchG, § 1 Rn. 72 f. (Vorauflage)., Kloepfer, § 11 Rn. 10 (Vorauflage); Storm, Umweltrecht, Rn. 569. So im Ergebnis auch Riedl, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 413 ff. (415), m.w.N. Zum

i 2 Begriffsbestimmung

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Unabhangig vom Ausgangspunkt umfasst der Begriff des Naturschutzrechts die wesentlichen Inhalte des Naturschutzes. Bezogen auf den Kiistenraum muss als Schutzobjekt des Naturschutzrechts daher nicht nur die Flora und Fauna mit all ihren Wechselbeziehungen verstanden werden, sondern auch die unbelebte Materie einschlieBlich der auf sie einwirkenden Prozesse. Damit besteht ein direkter potentieller Zielwiderspruch zwischen den Interessen des Kustenschutzes, der tendenziell auf die Verhinderung speziell geomorphologischer Kiistenveranderungen ausgerichtet ist. Indirekt offnen sich zusatzliche Konfliktfelder, da mit der Beeinflussung der geologischen Prozesse auch Auswirkungen auf die biotischen Faktoren verbunden sind. Das Entstehen von Zielwiderspruchen ist in tatsachlicher Hinsicht von den gesellschaftlichen Ansprtichen abhangig, die an den Kiistenschutz gestellt werden. Folglich konnen Widerspruche durch ein integriertes und multifunktionales Verstandnis82 des Naturschutzrechtes behoben oder zumindest geglattet werden. Wesensimmanent wirken Naturschutz und Landschaftspflege immer auch multifunktional, d.h., von ihnen gehen Auswirkungen auf viele Wirtschaftszweige aus. Okologische Belange konnen sich daher haufig (und nur) dann in einem hohen MaBe Geltung verschaffen, wenn mit ihnen zugleich positive Effekte auf an sich konkurrierende Raumanspruche (z.B. naturschutzfremde Fachplanungen) verbunden sind. Gleiches gilt beim Vorliegen okonomischer Vorteile. Denn die zur Durchsetzung naturschutzfremder Ansprtlche bestehen vielfach eigene, fachgesetzliche Instrumente, die im Konfliktfall i.d.R. eine starkere Gewichtung erfahren als die des Naturschutzes und der Landschaftspflege.83 In vielen Fallen bestehen die einzelnen Nutzungskonflikte iiberdies nur eingeschrankt.84 Im Sinne eines integrierenden und multifunktionalen Naturschutzes sind daher bei alien konkurrierenden MaBnahmen nicht nur die Belange von Umwelt und Natur zu berucksichtigen. Es ist dariiber hinaus auszuloten, inwieweit die konfligierenden Interessen gemeinsame Ziele verfolgen. Sollten hier LFbereinstimmungen vorhanden sein, kann den okologischen Belangen auch mittels Instrumenten des Fachrechts zur Durchsetzung verholfen werden.85 Auf die Instrumente des Naturschutzes und der

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erweiterten Verstandnis des Umweltschutzes allgemein als ressourcenOkonomischen und -okologischen Intersessenschutz Breuer, Prinzipien und Instrumente, S. 18 ff. Zu den der Okozentrik und Anthropozentik zugrunde liegenden ethischen Modellen ausfiihrlich Erbguth/Wiegand, Landschaftsplanung als Umweltleitplanung, S. 98 ff. Anders fur Art. 20a GG: Scholz, in Maunz/Durig, Art. 20a Rn. 39. Siehe Heydemann, Integration des Naturschutzes, in: ABN, Wasser und Naturschutz, S. 213, 215 f. Auf die Finessen der ausgefeilten Rechtsmstrumentarien der (StraGen-) Fachplanung hinweisend: Schmidt-Afimann, DOV 81, S. 238. Dies ist z.B. bei der Trinkwasserwirtschaft, der Fremdenverkehrsplanung, der Gesundheitsvorsorge und der Ressourcenvorsorge der Fall, vgl. Heydemann, Integration des Naturschutzes, in: ABN, Wasser und Naturschutz, S. 213, 215 f. In dieser Richtung auch Riedl, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 426.

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l.KapitelKonfliktanalyse

Landschaftspflege mtisste dann erst zuriickgegriffen werden, weim andere Mittel nicht mehr erfolgversprechend sind.86 Vorteilhaft ist eine solche Herangehensweise in zweifacher Hinsicht. Fachbezogene Planungen, die primar nicht dem Umweltschutz dienen, haben nicht selten eine hohere Durchsetzungskraft gegeniiber konkurrierenden Anspruchen. Weiterhin diirfte die gesellschaftliche Akzeptanz von Beschrankungen steigen, wenn diese nicht nur dem Schutz des Naturhaushaltes, sondern auch der Daseinsvorsorge oder 6'konomischen Interessen dienen.87 Fur eine wirkungsvolle Durchsetzung der Zielstellungen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sollte daher ein besonderes Augenmerk auch auf die fachgesetzlichen Vorgaben anderer Regelungsmaterien gerichtet sein.

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So ist es etwa bei der Kiistenschutzplanung denkbar, das ,,ob" der Flachenfreihaltung fachgesetzlich durch das Wasserrecht zu regeln, wahrend das ,,wie" der Flachennutzung naturschutzrechtlich bestimmt wiirde. Sohnlein, ZUR 94, S. 287.

> 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee A. Direkte und indirekte Meeresspiegelschwankungen /. Geologisch-tektonische Prozesse Eine Ursache fiir die Veranderung des Meeresspiegels in der siidwestlichen Ostsee wird durch isostatische Prozesse bewirkt. Unter Isostasie werden die durch Massenanderungen bedingten vertikalen Bewegungen der Erdkruste aufgrund des unterschiedlich tiefen Eintauchens in den Erdmantel bezeichnet.1 Wahrend des Pleistozans war Skandinavien mit einem bis zu 3000 m hohen Inlandseiskorper bedeckt. Mit dem endgiiltigen Abschmelzen des Eispanzers vor ca. 15.000 Jahren setzte infolge der Druckentlastung eine rezente Landhebung ein.2 Die Erdkruste hebt sich im Bereich der Bottenwiek noch heute um ca. einen Meter in 100 Jahren.3 Der postglaziale isostatische Hebungsprozess hat zwei Effekte. Zum einen wurden in dessen Verlauf die MeeresstraBen zwischen der Ostsee und dem Atlantik weitgehend unterbrochen. Ergebnis war das AusstiBen der Ostsee zu einem Brackwassermeer, eine Entwicklung, die trotz spaterer Salzwassereinbrilche heute noch von Bestand ist.4 Zum anderen wird das Ostseebecken im Nordosten angehoben, wodurch der skandinavische Sockel einer Wasserstandsverminderung ausgesetzt ist und die siidwestliche Ostseekiiste zunehmend unter Wasser gerat. Die isostatische Nullinie dieses geotektonischen Prozesses folgt etwa einer Linie von Nordjutland iiber Schonen/Riigen, Nordpolen bis nach St. Petersburg.5 Die siidwestliche Ostseekiiste ist somit als erste globale Randbedingung einem vom Menschen nicht beeinflussbaren holozanen Meeresspiegelanstieg als indirekte Folge isostatischer Ausgleichsprozesse ausgesetzt, der mit Werten zwischen 5 bis tiber 20 cm pro Jahrhundert diskutiert wird.6 Die standig fortschreitende Entwicklung fuhrt zu einer hoheren Belastung der sudlichen Ostseektisten, sowohl innerhalb der hydrologischen Normalsituation als auch bei Extremereignissen.7 1 2

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Rachor/Matthaus, in: Lozan et al., Warasignale, S. 339. Liedl/Weber/Witte, S. 19 f.; Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 43 m.w.N.; Ausruhrliche Darstellung dieses Prozesses bei Janke, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 30 ff. Lampe, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 18. Liedl/Weber/Witte, S. 19 f.; Koster, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 16 f. Janke, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 31; Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 43. Stigge, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 13: 15 cm; Janke, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 31: von Ost nach West von 5 bis 25 cm zunehmend; Dietrich, Nachweis bei Janke, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 31: 7,6 ± 5 cm. Dagegen beurteilt Lampe, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 17 die Hohe des Meeresspiegelanstiegs an der stidwestlichen Ostseekiiste zwar auch zwischen 12 und 25 cm/Jahrhundert schwankend, sieht diese Werte jedoch als Summe aller Einfliisse, nicht nur der geologisch-tektonischen Vertikalbewegungen. Stigge, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 17 f.

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l.KapitelKonfliktanalyse

//. Eustatischer Meeresspiegelanstieg Als zweite globale Randbedingung wirken eustatische Prozesse. Mit Eustasie werden Veranderungen des Wasserspiegels der Weltmeere aufgrund von Schwankungen der Wassermasse, des Wasservolumens und der Wasserverteilung im Ozean bezeichnet.8 Als eine Form der Eustasie waren die Folgen eines globalen Klimawandels einzuordnen. Dieser mit dem Schlagwort ,,anthropogener Treibhauseffekt" beschriebene Prozess einer Temperaturerhohung der Erdatmosphare durch das Warmeruckhaltevermogen von Spurengasen, Kohlendioxid und Wasserdampf birgt durch die Moglichkeit der Volumenzunahme und des teilweisen Abschmelzens der Polkappen die Gefahr eines weltweiten Wasserspiegelanstiegs in sich.9 Das tatsachliche Eintreten des befurchteten Klimawandels ist wissenschaftlich noch nicht vollstandig bewiesen, kann aber zumindest als wahrscheinlich angesehen werden.10 Die Prognosen der Klimafolgenforschung sind mit groBeren Unsicherheiten belastet. Das 1988 von der UNO ins Leben gerufene Expertengremium intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC)11 erwartet gleichwohl erhebliche hydrographische und klimatische Veranderungen, sofern die Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphare unvermindert weiterlauft.12 Prognostiziert wird ein Ansteigen der globalen Durchschnittstemperatur, bezogen auf 1990, bis zum Jahre 2100 um ca. 1,4°C bis zu 5,8°C,13 was einen zuktinftigen weltweiten Sakularanstieg von bis zu 50 cm zu Folge hatte. Die Ostsee hat in ihrer Geschichte mehrfach erhebliche Pegelstandsveranderungen erfahren. Der Anstieg an der sildlichen Ostseektlste wird fur den Abschnitt der initialen Transgression zu Beginn der Litotina-I-Phase im Durchschnitt mit 100 cm pro Jahrhundert,14 mit Spitzen bis zu 250 cm pro Jahrhundert angegeben, in der Litorina-I-Hauptphase im Mittel immer noch mit ca. 90 cm pro Jahrhun-

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Rachor/Matthaus, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 338. Dieckmann, WuB 1/90, S. 44. Forschungsleitplan Klimaanderung und Kuste, S. 2; Hupfer/Tinz, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 25 ff., 29; Kunz, Kiistenschutz und Okologie, S. 16; Stigge, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 18. Anzeichen fur eine globale Erwarmung konnen sich u.a. daraus ergeben, dass der Tiefgang der im Polarmeer driftenden Eisschollen seit 1958 um durchschnittlich 1,3 m abgenommen hat. Vgl. z.B. FAZ vom 19.11.99, S. 10. Nachweise bei Sterr/Ebenhoh/Simmering, S. 2 f. Schon die Vorabveroffentlichung von Teilen des IPCC-Reports 2001 aus AnlaB der Klimaschutzkonferenz in Den Haag im November 2000 kam zu dem Schluss, dass selbst durch kurzfristige KlimaschutzmaBnahmen ein globaler Klimawandel nicht mehr zu verhindern ist. Die wahrscheinliche Erwarmung wurde mit Werten zwischen 0,1 und 0,4°C pro Dekade (!) angegeben. Die Erwarmung im gesamten 20. Jahrhundert betrug im Vergleich dazu (nur) 0,8°C. Siehe FAZ vom 03.11.2000, S. 1. Dritter Bericht des IPCC vom 22.01.2001 (Shanghai). Siehe FAZ vom 23.01.2001, S. 1. Kliewe, Spatglazial- und Holozanforschung, in: Kliewe et al., Jungquartar, S. 32.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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dert.15 Auch angesichts dieser Extremwerte liegt es auf der Hand, dass der prognostizierte Meeresspiegelanstieg mit weitreichenden Auswirkungen auf die hydrographischen Verhaltnisse des Ostseektistengebietes verbunden ware. Obgleich der zu erwartende Meeresspiegelanstieg wohl nicht mit einer weiteren Beschleunigung der Kustenausgleichsprozesse einhergehen wird,16 da bereits gegenwartig mit immermn 70% Riickgangskiisten eine hohe Abrasionsrate existiert,17 waren Verscharfungen der Kustenschutzsituation unlibersehbar. Steigende Pegelstande fuhren fraglos zu einer dauerhaft hoheren Belastung der Kustenlinie und der Kiistenschutzanlagen.'8 Obwohl fur den europaischen Raum noch nicht sicher vorhergesagt werden kann, ob es entsprechend dem prognostizierten globalen Temperaturanstieg auch hier zu Erwarmungen oder ob es infolge von Richrungsanderung klimabestimmender wanner Meeresstromungen (Golfstrom) zu Temperaturabsenkungen kommen wird,19 ist eine Zunahme von klimatischen Extremsituationen in beiden Fallen wahrscheinlich.20 Veranderte Windszenarien wilrden durch einen erhohten Energieeintrag die Beanspruchung des gesamten Ktistenbereiches und der Kiistenschutzanlagen verstarken. Im Zusammenwirken mit erhohten Pegelstanden waren iiberdies negative Einfliisse auf die biogenen Verlandungsprozesse verbunden.21 Nicht zuletzt deshalb durfte der Klimawandel Auswirkungen auf die Kiistenokosysteme nach sich ziehen. Diese Systeme sind nicht nur einer hohen naturlichen Veranderungsrate, die sich durch den Klimawandel verstarken konnte, sondern auch starken anthropogenen Belastungen ausgesetzt. Trotz der relativen Storungsunempfindlichkeit von Systemen mit hohen Veranderungsraten und insoweit auch einer zu erwartenden hohen Toleranz auch gegenilber den Folgen des Kli15 16

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Janke, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 34. Dagegen gehen Janke/Kliewe/Sterr, in: Schellnhuber/Sterr, Klimaanderung, S. 148 f. davon aus, daB, in Parallelitat zu friiheren Phasen der Ostseegeschichte, etwa in der Litorina-I-Phase, durch einen Meeresspiegelanstieg der Abbau der Flachkiisten beschleunigt wilrde, in dessen Folge sich die jetzigen Boddenkiisten in eine aus Pleistozanenkernen bestehende Insellandschaft umwandeln und Bodden in offene Meeresbuchten verwandeln wiirden. Deshalb begegnet die in Fn. 16 beschriebene Extrapolation der Verhaltnisse, insbesondere am Ende der Litorina-I-Hauptphase mit - bezogen auf das vorhergehende Transgressionstempo - reduzierten Anstiegsgeschwindigkeiten auf zukiinftige Entwicklungen, die den Prognosen nach wiederum mit hoheren Anstiegsgeschwindigkeiten verbunden sein sollen, Bedenken. SchlieBlich schreitet selbst bei der gegenwartig geringen Transgression von im Mittel ca. 15 cm/Jahrhundert die Tendenz zur Inselarchipelbildung fort (erkennbar an diversen Nehrungsdurchbrtichen bei Sturmfluten, vgl. dazu u.a. die Nachweise in Fn. 55). Vgl. dazu auch erganzend Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 47. Hofstede/Schirmacher, Ktiste 96, S. 65; Stigge, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 18. Sterr, in: Schellnhuber/Sterr S. 163. Hupfer/Tinz, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 29; Sterr, in: Schellnhuber/Sterr, Klimaanderung, S. 153, 164 f.; Sterr/Ebenhoh/Simmering, S. 2 f. Sterr, in Schellnhuber/Sterr, Klimaanderung, S. 165.

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l.KapitelKonfliktanalyse

mawandels sind die Ktistenokosysteme nicht zuletzt deshalb gefahrdet, weil die an den Ktistenraum herangetragenen anthropogenen Nutzungsansprilche sowie die Anlagen des Kustenschutzes selbst die fur die Vitalitat der Kustenokosysteme notwendige Variabilitat unterbinden.22 Hinzu kommt, dass durch eine Klimaanderung gerade im Kiistenraum nahezu alle Parameteranderungen bzw. StreBfaktoren unter gegenseitiger Verstarkung wirksam wiirden.23 Die befurchteten klimatischen Veranderungen stellen mithin nicht nur fur die im Kustenbereich lebenden Menschen und deren Sachwerte eine Gefahr dar, sondern im besonderen MaBe auch fur die sich auf den Kiistenraum spezialisierte Flora und Fauna.24

B. Geomorphologische und hydrodynamische Verhaltnisse Neben der Veranderung des Wasserspiegels haben kilstendynamische Faktoren den tiefgreifendsten Einfluss auf die Gestaltung der siidwestlichen Ostseekilste. Eine klare Abgrenzung von geomorphologischen und hydrodynamischen Faktoren ist dabei schwer moglich,25 da der die Kilsten formende Sedimenttransport durch die dynamische Kraft des Wassers und des Windes bewirkt wird.26

/. Die normale hydrodynamische Situation Der heute wirksame Umformungsprozess der Ostseekiisten begann mit dem Abschluss des eiszeitlichen Uberflutungsvorgangs vor ca. 8.000 Jahren, in dessen Verlauf die Ostsee ihre heutige Ausdehnung erhielt.27 Dieser Umformungsprozess ist gekennzeichnet von einer kontinuierlichen, kurzzeitig kaum wahrnehmbaren

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Vergleiche dazu 1. Kapitel § 4 B. I. Forschungsleitplan Klimaanderung und Kiiste, S. 19. Der klimabedingte Meeresspiegelanstieg wtlrde auBerdem zur Vernichtung groBer Teile von heute noch natiirlichen Sandbanken, Nehrungen und jungen Inseln sowie zu einer weiteren Abnahme der nur noch in geringem MaBe vorhandenen naturnahen Salzgrunlandflachen fuhren und so mit dramatischen Auswirkungen auf die auf diese Bio- und Geotope spezialisierten Pflanzen- und Tierarten verbunden sein, vgl. Miiller-Motzfeld, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 33. So wird z.B. im Forschungsleitplan Klimaanderung und Ktlste, S. 7, 11, zwischen ,,mittleren" und ,,Extremereignissen" unterschieden. Eine umfangreiche Darstellung erfolgt u.a. bei von Billow, Geologie 53, S. 8 fF. Weitere Erlauterungen i m Umweltbericht M - V 96, S. 67. Siehe auch Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Kustenschutz, S. 536 ff.; Lampe, GR 92, S. 632 ff; Schwarzer, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 25 ff.; fur die Boddenkette stidlich Fischland-DarB-Zingst: Brosin, Hydrographie, S. 285 ff.; die Verhaltnisse an der AuBenkiiste von DarB und Zingst beschreibend: Reinhard, Der Bock, S. 41 ff. Umweltbericht M-V 96, S. 67; Kustenschutz in M-V, S. 8 ff.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der stidlichen Ostsee

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Veranderung des Sedimenthaushaltes, der Kiistenlinie, der Kiistenlandschaft und damit des gesamten Naturraumes.

1. Hydrologisch-meteorologische Faktoren als Ursache Temperaturunterschiede und als Folge Luftstromungen (Wind) bewirken in Gestalt meteorologischer Faktoren die Entstehung von Wellen. Diese Wellen brechen sich an der Kuste, wobei Wasser in Richtung Land flieBt und dort einen temporaren Wasserspiegelanstieg verursacht. Die in den Wellen vorhandene kinetische Energie wird durch verschiedene Stromungen in Ufernahe abgebaut. Diese Stromungen fiihren zu einem Sedimenttransport entlang der Kuste.28 Der Umfang dieser Materialverfrachtungen ist neben Wellenhohe, Wellenlange und Wind in Ufernahe vom Wasserstand im betreffenden Ostseegebiet abhangig29. Der Wind bewirkt zusatzlich den Transport trockenen Sediments vom Strande aus landeinwarts, wobei es zu Diinenbildungen kommen kann. Diese anthropogen nicht beeinflussbaren meteorologisch-hydrologischen Faktoren sind als Energielieferant folglich die Ursache fur die durch Sedimentverlagerungen bedingten Kustenumformungsprozesse.30.

2. Geomorphologische Situation Die Kusten der siidlichen Ostsee werden infolge der Sedimentbewegungen als Ausgleichskusten bezeichnet. Unterschieden wird zwischen reinen Abrasionskiisten, bei denen ein Landabtrag erfolgt, Transportraumen, deren Sedimentbilanz sowohl negativ als auch ausgeglichen sein kann und Akkumulationsgebieten, die durch Landanlagerung gekennzeichnet sind.31 Der gesamte Prozess kann fur die einzelnen Landschaftsformen in bestimmte zeitliche Stadien eingeteilt werden.32 Nur wenn Akkumulationsgebiete standig mit Sediment versorgt werden, konnen sie wachsen. Sobald dieser Materialstrom versiegt, etwa wenn das sedimentliefernde Kliff in den Windschatten des von ihm versorgten Akkumulationsgebietes gerat, bilden sich diese Flachen wieder zuriick. In diesem Stadium befinden sich die hauptsachlich in Mecklenburg-Vorpommern vom Landverlust bedrohten Kustenabschnitte wie das Fischland, der West-DarB, der Zingst, Hiddensee und Teile Usedoms, wahrend sich z.B. Schaabe und Schmale Heide noch im

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Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 42, Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Kustenschutz, S. 538; Clayton/O'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 260. Schwarzer, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 80; Ausfllhrliche Darstellung des kilstennahen Sedimentzirkulationssystems a m Beispiel der Probsteiktiste bei Schwarzer, Sedimentdynamik, S. 34 ff. Umweltbericht des M - V 96, S. 67, w o vom Wind als Motor der Umformungsprozesse gesprochen wird. M i t regionalen Beispielen: Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Kustenschutz, S.536 ff; Schulz, Naturschutzarbeit in M-V, 1/95, S. 44 ff. Janke/Kliewe/Sterr, in: Schellnhuber/Sterr, KHmaanderung, S. 145 ff. mit der Einteilung in Initial-, Wachstums-, Reife-, und Abbaustadium und regionalen Beispielen.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Reifestadium befmden.33 Hauptmateriallieferant im Ausgleichsprozess sind Steilktisten, wahrend die meisten Flachkiisten als Transportgebiete ftingieren. Anlagerungsgebiete liegen im Windschatten, wobei sich Haken und Nehrungen sowie Bodden und Haffe bilden. Wahrend die Abrasion in der Regel flachenhaft erfolgt, fmdet die Akkumulation haufig konzentriert und mit hoher Intensitat statt.34 Die Sedimentveranderungen erfolgen nicht willkurlich, sondern folgen bestimmten GesetzmaBigkeiten.35 Der Sedimenttransport verlauft grundsatzlich in zwei Richtungen. Schweres und grobes Material wie Sand und Kies verbleibt in Ufernahe und wird dort kustenparallel verfrachtet. Es ist die Substanz des Kiistenausgleichsprozesses. Die feinen und leichten Sedimentbestandteile werden dagegen weit in die See verlagert. Dieser senkrecht zur Ktiste verlaufende Materialtransport ist hauptursachlich fur die insgesamt negative Sedimentbilanz der Ausgleichsktiste in der siidlichen Ostsee.36 Ca. 70% der AuBenkiiste sind von Sedimentverlusten betroffen, die einen Klistenruckgang von im Mittel 34 cm in hundert Jahren betragen, stellenweise diesen Wert jedoch um ein Vielfaches iiberschreiten konnen.37 Festzuhalten gilt, dass nicht die sedimentliefernden Steilkusten Ursache der geomorphologischen Prozesse sind. Die Sedimentverschiebungen erfolgen entlang der gesamten Kilstenlinie, wobei in jedem Abschnitt das Zusammenwirken von Abrasion und Akkumulation eine Einheit bildet. Aus deren Verhaltnis zueinander ergibt sich der spezielle Sedimenthaushalt des jeweiligen Bereiches. Aktive Kliffs sind weder Ursache fur die Verfrachtungen, noch konnen sie den Abrasionsprozess verhindern. Ihre Funktion besteht darin, das im Kiistenbereich stetig wegtransportierte Material teilweise zu ersetzen. Aktive Kliffs sind daher allenfalls in der Lage, die Sedimentverluste in den einzelnen Kiistenabschnitten auszugleichen. Kann eine sedimentliefernde Steilkiiste diese Aufgabe, etwa durch vorgebaute Kilstenschutzanlagen, nicht mehr wahrnehmen, bleibt der Nachschub des von den Flachkiisten weiterhin wegtransportierten Materials aus. Das relative Gleichgewicht zwischen Abrasion und Akkumulation im betroffenen Abschnitt verschiebt 33

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Umweltbericht M-V 96, S. 68, Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Kiistenschutz, S. 537 ff., m. w.N.; ausfuhrliche Schilderung der Enwicklungsstadien der Boddenausgleichskliste (holozane Genese) mit geographischen Beispielen bei Janke/Kliewe/Sterr, in: Schellnhuber/Sterr, Klimaanderung, S. 145. So wuchs der Alte Bessin auf Hiddensee innerhalb der letzten 200 Jahre u m rund 800 m, der Neue Bessin entwickelte sich erst im 2 0 . Jahrhundert u n d erreicht gegenwartig eine Ausdehnung von ca. 3 km. Vgl. Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 99. Gleichwohl erfolgt z.B. der Kustenrtickgang real hochst ungleichmafiig, da dieser von der jeweiligen konkreten hydrodynamischen Situation abhangig ist, siehe Lampe, Erdkundeunterricht, S. 365. Z u m Ganzen, m. w. N : Schwarzer, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 74; ders,. in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 29 f.; Lampe in: Lozan et al., Warnsignale, S. 42 ff. Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 365.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sildlichen Ostsee

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sich, nur die Abrasion lauft weiter. Die Folge ist eine dramatische Verschlechterung des Sedimenthaushaltes, wodurch der Kustenruckgang beschleunigt wird Intensivierungen der normalen morphologischen Prozesse ergeben sich aus der isostatischen Absenkung der siidlichen Ostsee.38 Wahrend im skandinavischen Landhebungsbereich altere, senkrecht verlagerte Sedimente durch die Wasserstandsabsenkung teilweise wieder aufgearbeitet werden und erneut in den Stoffkreislauf eingehen, kann das Material im Stiden durch die Landsenkung und die damit verbundenen Uferlinienverschiebungen nicht mehr reaktiviert werden. Es ist dem kiistenparallelen Transport dauerhaft entzogen.39 Die vertikale Sedimentverlagerung flihrt zudem zu einer Vertiefung des ufernahen Meeresbodens (Schorrevertiefling), infolgedessen der Energieeintrag durch Seegang zunimmt. Die erhohte Seegangsbelastung der Kiiste bedingt ihrerseits eine Verstarkung der Abrasionsprozesse.40 Eine weitere Begtinstigung erhalt dieser Vorgang, wenn relativ lagestabile horizontale Sedimente aus stark bindigem Material, die sandige Schichten iiberlagern, durch Eingriffe, z.B. Fahrrinnenvertiefungen oder Stromungsanderungen, partiell abgetragen werden. Dies flihrt zu einer Ausraumung des tieferliegenden Lockersediments und dem Nachstiirzen der Deckschicht mit der Folge einer rasanten Zunahme der lateralen Erosion.41 Die Sedimentbewegungen sind nicht nur fur die Veranderung der Kiistenlinie verantwortlich, sondern auch fur die Oberflachengestaltung im strandnahen Bereich. Bei starkem Seegang entstehen Strandwalle. Sobald das angeschwemmte Sediment trocknet, kann es vom Wind erfasst werden. Dieser treibt den trockenen Sand aus Strand und Vorstrand zunachst ilber ebene Flachen. Beim Abflauen des Windes lagert sich der Sand an kleinen Unebenheiten ab. Dabei entstehende Diinen konnen erhebliche AusmaBe erreichen.42 Aus den hier beschriebenen nariirlichen Prozessen folgt, dass das gegenwartige Erscheinungsbild der Kiiste in Mecklenburg-Vorpommern nur eine Momentaufnahme in einem endlosen Entwicklungszyklus darstellt. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die den natiirlichen Veranderungsprozess auslosenden Faktoren vom Menschen unabhangig ablaufen und von diesem nicht steuerbar sind.

//. Extremsituation Sturmhochwasser Neben dem standig stattfmdenden Kilstenausgleichsprozess im Rahmen der normalen hydrodynamischen Situation beeinflussen Extremereignisse die Kilstenformung. Dabei treten innerhalb kiirzester Zeit erhebliche Veranderungen der bis dahin sich nur langsam wandelnden Kustenlandschaft auf. Wegen der zum Teil dramatischen Folgen fur die im Kilstengebiet lebenden Menschen sind diese Ex38 39 40 41 42

Siehel.Kapitel§3 A. I. Schwarzer, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 33 a.E.; Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S.46 f. Weiss, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 93; Umweltbericht M-V 96, S. 69. Schwarzer, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 78. Schwarzer, in: Rheinheimer, Meereskunde S. 29 f.

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LKapitelKonfliktanalyse

tremereignisse nicht ganz grundlos gefurchtet. Im Folgenden wird die Entstehung von Sturmhochwassern unter Berilcksichtigung der meteorologischen Verha'ltnisse und der hydrologischen Faktoren behandelt. Danach soil die Schilderung der Auswirkungen, insbesondere von Wasserstand und Seegangsbelastung, auf die Kiiste erfolgen.43

1. Die Entstehung von Sturmhochwasser Ursache fur die Entstehung von Sturmhochwasser an der deutschen Ostseekiiste sind allein meteorologische Faktoren, Gezeiten spielen eine nur untergeordnete Rolle.44 Ausgangspunkt fur schwere Sturmhochwasser sind haufig 10 bis 15 Tage andauernde Winde aus westlichen und siidlichen Richtungen. Dadurch wird das Ostseewasser in die nordostliche Ostsee gedriickt, der Wasserstand im siidlichen und westlichen Teil des Meeres fallt. Gleichzeitig kann durch die Wasserstandsdifferenz zwischen westlicher Ostsee und der Nordsee Wasser aus der deutschen Bucht nachflieBen. Die Auffullung kann eine Wasserstandserhohung von 15 cm bis 30 cm erreichen.45 Flaut der Wind jetzt ab, schwingen die im nordostlichen Teil der Ostsee aufgestauten Wassermassen zuriick. In Verbindung mit dem Auffullungseffekt erfolgt eine Wasserstandserhohung an der siidlichen Kiiste zwischen 60 cm bis 80 cm.46 Diese Werte entstehen singular durch den Schwingungsstau bei relativer Windstille. Die besondere Betroffenheit der mecklenburgischvorpommerschen Ktiste ergibt sich aus der geographischen Lage genau gegeniiber dem Sammelbereich des Wassers in der zentralen Ostsee und dem bottnischen Meerbusen. Die Kiiste stellt sozusagen das Prallufer des zuriickschwingenden Wassers dar. Sofern das Zuriickflieflen des Wassers aus der nordostlichen Ostsee von starken Winden aus nordlichen bis nordostlichen Winden begleitet wird, erfahrt der Vorgang eine Beschleunigung. Die Wasserstande konnen sich dann um 1,2 m bis 1,5 m iiber normal Mittelwasser (MW) erhohen, bei Sturmstarken sogar bis zu 2,2 m. In Buchten sind Staueffekte moglich, die weitere Pegelerhohungen bewirken. Derartige Staueffekte konnen in der gesamten siidwestlichen Ostsee auftreten, wenn nordliche Winde ein ZuriickflieBen des uberschiissigen Wassers in die Nordsee verhindern. Sturmhochwasser sind an der Siidwestkiiste der Ostsee zudem allein durch nordostliche Stiirme moglich, ohne dass ein vorheriger Aufstau

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Zum Ganzen Weiss/Biermann, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S.17 ff.; Ktistenschutz in M-V, S.12 ff.; Hochwasserschutz in der DDR, S.10 f. Beckmann, Windklimatologie, S. 7. Allgemein auch Kensy et al., Taschenbuch Hochwasserschutz, S. 64 f. Beckmann, Windklimatologie, S. 6; Weiss/Biermann, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 20, geben eine mogliche Auffullung von bis zu 50 cm an. Nachweise iiber Pegelstande und Verweilzeiten der Vergangenheit in Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 2 1 . Weiss/Biermann, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 20: Sogar eine Erhohung u m bis zu einem Meter sei denkbar.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee

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in der nordlichen Ostsee stattfand. 47 Die Gefahrlichkeit des Windstaus ergibt sich aus der Windwirklange, die bei den Windrichtungen aus Nordost ca. 750 km betragt. 48 Die jeweiligen Komponenten konnen einzeln oder im Zusammenwirken ein Sturmhochwasser verursachen, wobei dessen Schwere von der H6he des Wasserstandes, der Einwirkdauer auf die Kiiste (und die Kiistenschutzanlagen) sowie der Wellenhohe abhangig ist. Signifikant ist, dass bei Sturmfluten vergleichbarer Intensitat der Energieeintrag auf die Ostseektiste hoher ist als an der Nordseekiiste. 49 In neuerer Zeit ergeben sich Anhaltspunkte fur eine Steigerung der Haufigkeit von Sturmfluten. In der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts sind mehr leichte und mittlere Sturmhochwasser beobachtet worden als in der ersten Halfte. Diese Entwicklung soil auch nach Datenhomogenisierung signifikant sein. 50 Der Anstieg der Haufigkeit kann einerseits zwar mit dem sakularen Meeresspiegelanstieg und Pegelstandserhohungen infolge von Anlagen des Uberfiutungsschutzes an Miindungstrichtern von Flilssen, andererseits aber auch mit der Zunahme von Sturmtiefdruckwirbeln in den letzten Jahrzehnten erklart werden. 51 Trotz der hier genannten meteorologisch-hydrologischen Details sind Sturmhochwasser natiirliche Phanomene und herausragende Naturereignisse. Ihre Entstehung, Haufigkeit und Schwere werden vom zufalligen Zusammenwirken meteorologischer und hydrologischer Faktoren bestimmt, die der menschlichen Einflussnahme, abgesehen von den Auswirkungen des Treibhauseffektes, entzogen sind.

2. Die Auswirkungen von Sturmhochwassern Sturmfluten bewirken eine rasante Beschleunigung der morphologischen Prozesse. Entwicklungen, die im Rahmen der hydrodynamischen Normalsituation Jahre dauern wiirden, konnen durch Sturmhochwasser in kurzer Zeit herbeigefuhrt werden. Mit ihnen sind extreme Belastungen des Strandes und Vorstrandes sowie der an der Kiiste befindlichen Schutzanlagen verbunden. Bereits bei leichten und mittleren Sturmfluten (bis. 1,75 m iiber MW) treten Schaden an Stranden, Strandwallen, Diinen und Steilufern auf.52 Zudem bringen Sturmhochwasser durch kiistenparallele Brandungsstromungen Sandverluste an Diinen, Strand und Schorre mit 47

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So ist die schwere Sturmflut vom 12./13.11.1872 ohne den Riickschwingeffekt entstanden, gewohnlich bilden sich aus diesen sog. V b Wetterlagen aber nur leichte oder mittlere Ereignisse, vgl. Beckmann, Windklimatologie, S. 6. Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 20. Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406. Danach ergibt sich bei Zugrundelegung gleicher Watt- u n d Strandhohen u n d einem u m I m erhohten Wasserstand an der Nordseektlste ein Energieeintrag von ca. 140 kWh/m, dagegen an der Ostseektiste bei gleichem Wasserstand von ca. 190 kWh/m. Daraus wird deutlich, dass langanhaltende erhohte Wasserstande an der Ostseekiiste grofiere Schaden anrichten konnen, als vergleichbare an der Nordseekiiste. Beckmann, Windklimatologie, S. 15, 17. Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 47, Beckmann, Windklimatologie, S. 17 f. Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

sich.53 Brandungsstromungen konnen Geschwindigkeiten bis zu 90 cm/s erreichen54 und Landverluste bis zu 15 m verursachen. Sturmhochwasser konnen eine Gefahrdung des menschlichen Lebens und materieller Gtlter bedeuten. Dies ist immer dann der Fall, wenn Schutzdilnen weggespillt oder Deiche entweder iiberspult oder aufgrund langer Einwirkzeiten des Wassers durchnassen und instabil werden. Probleme werfen insbesondere Landdurchbriiche in Abrasionsgebieten auf. Hier sind Sturmfluten in der Lage, die durch die normale Kiistendynamik vorbestimmte Entwicklung innerhalb von Stunden zu vollenden. Durchbriiche haben weitreichende Auswirkungen auf den Naturraum. Es ist nicht nur schwierig, diese wieder zu verschlieBen55, das einstromende Wasser bewirkt zugleich eine Wasserspiegelerhohung in den Boddengewassern und kann dort zu Uberschwemmungen fuhren. Infolge der erhohten Salzkonzentration des eindringenden Wassers sind zudem Auswirkungen auf die Boddenokosysteme moglich. Bei alien als negativ empfundenen Wirkungen eines Sturmhochwassers ist jedoch festzuhalten, dass Sturmfluten seit Jahrtausenden zum natiirlichen Prozess der Kustenformung gehoren und als solche wesentlicher Bestandteil des Naturhaushalts sind. Sie sind eine der wenigen Naturereignisse in Mitteleuropa, die dem Menschen immer noch Respekt abverlangen. In unserer heutigen, von Umwelteinflussen weitgehend unabhangigen Welt, stellen Sturmfluten ein Extremum dar, dem sich die Kustenbewohner nicht entziehen konnen. Sturmfluten fuhren so die Abhangigkeit der eigenen Existenz von Natureinflussen vor Augen.

C. Kiistenokosysteme und rechtlicher Schutz Das Aufeinandertreffen von zwei gegensatzlichen Okosystemen wie Meer und Festland begriindet regelmaBig eine besondere Vielfalt nicht nur von geomorphologischen Strukturen, sondern auch von Biotopen und Pflanzengemeinschaften.56 Kennzeichnend ftir die Ostseektistenlebensraume ist die niedrige und von West nach Ost abnehmende Salinitat des Wassers. Die Lebensformen unterscheiden sich daher von denen anderer Kiisten. Insoweit stellt die Ostseekilste ein weltweit einmaliges Okosystem dar, deren Lebensgemeinschaften eine aufiergewohnliche

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Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406; Beispiele fur Volumenanderungen infolge von Sturmhochwassern bei Weigt in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 4 0 f. Weiss/Biermann, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 24. So hat das VerschlieBen des durch die Sturmflut vom 24.08.1864 geschaffenen Durchbruchs sudlich der Ortschaft Neuendorf-Plogshagen bis z u m Sommer 1868, also vier Jahre gedauert. Zwischenzeitlich war der Durchbruch bis zu 250 m breit und bis zu sieben Meter tief. Weitere Nachweise bei Reinhard, Hiddensee, S. 285 ff. Jeschke/Knapp, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 33; Europaische Kommission, KOM (95) 511 endg/2; vgl. auch Reise, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 28.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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Bedeutung zukommt.57 Um die Bedeutung des Okosystems Ostseekuste zu verdeutlichen, sollen im Folgenden die einzelnen Kiistenlebensraume und deren rechtlicher Schutz vorgestellt werden.

/. Aquatische und litorale Kustenlebensraume58 Die Ostsee ist mit einer Flache von 415 000 km2 eines der groBten Brackwassermeere der Erde. Es ist gekennzeichnet von erheblichen Konzentrationsunterschieden im Salzgehalt, sowohl in territorialer, als auch in vertikaler Hinsicht.59 Zwischen Finnland und Deutschland schwankt der Oberflachensalzgehalt zwischen 0,5% und 0,8%. Damit ist dieser Lebensraum fur eine Vielzahl von marinen Organismen nicht salin genug und fur die meisten SilBwasserorganismen zu salzhaltig, da diese ab einem Salzgehalt von 0,5% nicht mehr lebensfahig sind. Das im Grenzbereich entstehende Artenminimum kann durch die wenigen spezifischen Brackwasserarten nicht kompensiert werden. Die relative Artenvielfalt innerhalb der aquatischen Lebensraume der Ostsee ist daher gering, diesem Minimum steht jedoch ein Maximum an Individuen gegeniiber. 1. Pelagial Pelagial ist der freie Wasserkorper eines Meeres als Lebensraum. Die vorkommenden Gruppen von Lebensformen konnen in Plankton und Nekton eingeteilt werden. Unter Plankton wird die Gesamtheit der im Pelagial frei schwebenden oder schwimmenden Organismen, deren Eigenbewegung nicht ausreicht, sie von den Wasserbewegungen (Stromungen) unabhangig zu machen, verstanden. Die artliche Zusammensetzung der Planktongemeinschaften ist abhiingig von Temperatur und Salzgehalt des jeweiligen Ostseegebietes. Pflanzliches Plankton ist autotroph und damit der Hauptproduzent von Biomasse in den oberen Wasserschichten. Hauptvertreter sind Kiesel- und Griinalgen (Diatomeen), GeiBelalgen (Dinqflagellateri) und Blaualgen (Cyanophyceeri). Die Wasserkorper der Bodden, Haffe und Wieke fungieren als Nahrstoffsenken. In diesen Bereichen sowie in Kiistennahe kommt es aufgrund der Eutrophierung haufig und in steigender Tendenz zu Mas-

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Dementsprechend fordern Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 101, im Hinblick auf die Arten- u n d Individuenvielfalt Vorpommerns die Verleihung des Status ,,gesamtstaatlich reprasentativ". Fiir die Kiistenraume allgemein: Cicin-Sain/Knecht, Integrated coastal and ocean management, S. 39 f., 55. Vergleiche z u m Ganzen: Arndt, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 47 ff.; Liedl/Weber/Witte, S. 48 ff.; fur den Bereich der offenen Ostsee: Buchwald, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 20 ff; fur die Boddengewasser: Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 87 ff; Meyer-Reil, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 181 ff Steubing, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 96 f.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

senentwicklungen des Phytoplanktons.60 Alle heterotrophen Organismen im Pelagial, die zu keiner Eigenfortbewegung in der Lage sind, werden als Zooplankton bezeichnet. Zu ihnen gehoren als bedeutende Vertreter Radertierchen (Rotatorid), RuderfuBkrebse (Copepoda), Wasserflohe (Cladoceren) und Quallen. Als Nekton werden die Meereslebewesen bezeichnet, die sich selbstandig fortbewegen konnen. Es sind in erster Linie Fische und im Wasser lebende Saugetiere.61 In der Ostsee ist ein Gemisch aus Meeres- und StiBwasserfischen beheimatet. In den Boddengewassern kommen SiiBwasserfische wie Plotze, Flussbarsch, Blei, Hecht und Zander, seltener SteinbeiBer62 vor. Typische marine Arten sind Hornfisch, Flunder, Scholle und Dorsch. Durchziehende Fischarten sind Lachs, Meeresforelle und Aal. Vorkommen von Fluss- und Meerneunaugen sind ebenfalls nachgewiesen worden.63 Bedeutende Populationen entwickelt der Ostseehering, dessen Laichgebiete sich in den Boddengewassern vor Rtigen befmden. Obgleich im gesamten Ostseegebiet 110 Fischarten beschrieben wurden, reproduziert sich hier nur ein kleiner Teil von ihnen. Die meisten Fische besiedeln die flachen Kustenbereiche und mit Makrophyten bewachsene Standorte. Saugetiere sind in der siidlichen Ostsee selten anzutreffen. Einige Exemplare des Fischotters haben den Sprung von den Fliissen im Binnenland in die kustennahen Boddengewasser geschafft und sich dort angesiedelt.64 Vereinzelt werden auch Kegelrobben, Seehunde und Ringelrobben beobachtet. Die Bestande der einzigen hier beheimateten Walart, des Schweinswals, sind ebenfalls sehr klein.65 Das Pelagial der offenen Ostsee oberhalb der Sprungsschicht ist qualitativ als gefahrdet einzustufen66, unterhalb der Halokline als stark gefahrdet67. Gleiches gilt fur den gesamten Wasserkorper der Flachwassergebiete bis zu einer Tiefe von 20 m.68 Die FFH-RL grenzt Flach- von den Tiefwasserzonen mit Hilfe der 10 m bis 15 m Tiefenlinie ab.69 Damit unterfallt ein GroBteil des Pelagials der siidostlichen Ostsee dem Lebensraumschutz der FFH-RL. Der Wasserkorper der Eigengewasser und des Kustenmeeres ist bis zu einer Tiefe von von ca. 15m als Lebensraum60

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Vergleiche auch Purps/Lutz/Schmiedel, Naturschutzarbeit in M - V 2/96, S. 64; Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 58 f. Siehe auch Nellen/Thiel, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 193 ff., m.w.N. Fricke, Fischarten, in: Petersen et al., Umsetzung der FFH-Richtlinie, S. 121. Dazu im naheren Fricke, Fischarten, in: Petersen et al., Umsetzung der FFH-Richtlinie, S. 117 ff. Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 94. Zum Vorkommen und zur Verbreitung von Robben und Walen siehe Harder/Schulze, Naturschutzarbeit in M-V, 2/95, S.I ff. sowie Schulze, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 196 ff; nahere Erlauterungen zum Robbenbestand bei Harder, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 236 ff. und fur Kleinwale bei Siebert/Benke/Schulze/Sonntag, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 242 ff. Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 38. (nationaler Biotopcode 02.01.01). Riecken et al., Rote Liste Biotoptypen, S. 38. (nationaler Biotopcode 02.01.02). Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 38. (nationaler Biotopcode 04.01). Siehe schon 1. Kapitel § 2 A.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sildlichen Ostsee

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typ ,,Flache grofie Meeresarme und -buchten (Flachwasserzonen)" (Natura 2000 Code 1160) anzusehen.70 Teile des offenen Pelagials sind zusatzlich vom Lebensraumtyp ,,Sandb£nke mit nur schwacher standiger Ubersptilung durch Meerwasser" (Natura 2000 Code 1110) umfasst. Die in der Interpration Manual angegebene Tiefe bis zu 20 m bezieht sich allerdings auf sublitorale Sandbanke,71 die in der Ostsee nicht in dieser Tiefe vorkommen.72 Das Pelagial innerhalb von Flussmiindungen, gekennzeichnet durch SiiBwasserzufuhr und standiger Stromung,73 gehort zum Lebensraumtyp ,,Astuarien" (Natura 2000 Code 1130). SteinbeiBer, Flussund Meerneunauge sowie Lachs sind schiitzenswerte Fischarten nach Anhang II der FFH-RL. Das Pelagial der Ostsee ist vom gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 BNatSchG und § 20 LNatG nicht erfasst.

2. Benthal Das Benthal ist der Lebensraum des Gewasserbodens. Der Untergrund der Ostsee besteht zum groBen Teil aus Sand- und Weichboden, seltener aus Hartsubstrat. Die Organismen des Benthals werden als Benthos bezeichnet. Die vorkommende Flora und Fauna ist von der Art des Untergrundes abhangig und differiert auf den unterschiedlichen Substraten z.T. erheblich. Zum Zoobenthos gehoren zunachst die Tiere, die vorwiegend auf dem Meeresboden leben (Epifauna). Als typische Sandbodenarten sind u.a. Bodenfische (Grundel, Flunder, Scholle) und verschiedene Krebsarten wie Sandgarnele und Strandkrabbe zu nennen. Die Epifauna auf Schlickboden besteht hauptsachlich aus Milben, Muschelkrebsen, Strudelwurmern sowie Schlangensternen, Wattschnecken und Schuppenwurmern. Zu den Arten, die tiberwiegend im Meeresboden leben (Endofauna), zahlen in den Sandboden Borstenwilrmer wie Pierwurm, Seeringelwurm und Kocherwurm sowie verschiedene Muschelarten, im Schlickboden u.a. der Schlickkrebs und einige Borstenwurmarten.74 Das Zoobenthos, insbesondere auf flachen Sandgriinden, stellt mit semen Organismen einen wichtigen Lebensraum dar und ist seinerseits unentbehrliche Nahrungsgrundlage fur das Nekton sowie Meeresenten, Seetaucher und Alke, welche in Flachwasserzonen rasten, mausern und iiberwintern.75

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Siehe nur Ssymank et al, Natura 2000, S. 110, S. 112. Das hier verwendete BfN Handbuch Natura 2000 wird von der Europaischen Kommission und vom Generalanwalt Leger als (ein) mafigebliches wissenschaftliches Werk zur fachlichen Beurteilung der Gebietsmeldungen in Deutschland angesehen. Vgl. dazu Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. 87, 7 1 , 220/99 - R n . Ill, 123. Interpretation Manual of European Union Habitats, Annex I of Council Directice 92/43/EEC, Brussel, Version 15 vom 25.04.1996, S. 6. Ssymank et al, Natura 2000, S. 100. Interpretation Manual of European Union Habitats, Annex I of Council Directice 92/43/EEC, Brussel, Version 15 vom 25.04.1996, S. 6. Ausfuhrliche Darstellung des Makrozoobenthos bei Arndt, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 51 und Rumohr, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 173. Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 230; Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Die pflanzlichen Organismen des Benthals werden als Phytobenthos, der von Pflanzen besiedelte Bereich des Meeresbodens als Phytal bezeichnet. Die Besiedelung des Benthals mit GroBalgen (Makrophyten) zu ausgedehnten untermeerischen Wiesen und Grundrasen erfolgt aufgrund der Lichtabhangigkeit der Pflanzen nur bis ca. 16 m Wassertiefe. Einige wichtige Makrophyten sind Grilnalgen wie der Darmtang, Meersalat und die Zweigfadenalge. In tieferen Schichten kommen Braun- und Rotalgen sowie Seegrasgewachse (Zosteraceae) hinzu.76 Makrophytobenthos-Gemeinschaften sind als wichtiger Lebensraum fur eine hohe Anzahl von Organismen fur das Gesamtokosystem der Ostsee von herausragender Bedeutung. Die im Phytal stattfmdende hohe Produktion an pflanzlicher und tierischer Biomasse ist wichtige Nahrungsgrundlage fur Fische und tierische Konsumenten des Meeresbodens.77 GroBflachige Makrophytenbestande sind Laichgebiet und Kinderstube der Ostseefische. AuBerdem tibernehmen sie einen wichtigen Beitrag zur Puffer- und Filterfunktion im Okoton von Festland und See. Das Phytal besitzt erhebliche Relevanz fur kiistendynamische Prozesse. Gut ausgepragte sublitorale Makrophyten-Gemeinschaften halten einen Teil der Wellenenergie vom Boden ab, verringern die Brandungsstromung und wirken aufgrund von Bodendurchwurzelung sedimenthaltend. Dadurch konnen sie die geomorphologischen Prozesse am Vorstrand und Schorre beeinflussen und zu einer Verminderung der Erosion beitragen. In den letzten Jahrzehnten sind die einst groBflachigen Phytalbestande allerdings erheblich zuriickgegangen. Sie bedeckten im Tiefenbereich bis 8 m noch vor einem halben Jahrhundert ca. 90% des Meeresbodens der Boddengewasser. Heute sind in einer Wassertiefe von 3 m bis 4 m stellenweise nur noch 3% des Bodens mit Makrophyten besiedelt.78 Dieser Ruckgang ist eine der einschneidendsten Veranderungen im aquatischen Ktistenokosystem, dessen Folgen noch nicht abschatzbar sind. Der Riickgang des Phytals lasst durch den Verlust sedimentstabilisierender Komponenten negative Auswirkungen auf den Kustenschutz erwarten. So ist schon heute mit einer Verstarkung des Sedimentabbruchs und einer Zunahme der lateralen Erosion auf Vorstrand und Schorre zu rechnen. Das Benthal der offenen Ostseektiste wird als qualitativ stark gefahrdet eingestuft. Diese Einschatzung bezieht sich auf alle Untergrundarten.79 Ein fast identisches Bild entfaltet sich in den Flachwasserzonen und den Bodden- und Haffgewassern.80 Auch hier sind die Biozonosen, und zwar auf alien Bodensubstraten, stark gefahrdet. Lediglich die Miesmuschelbanke des Sublitorals weisen einen noch gunstigeren Erhaltungszustand auf, sie sind als gefahrdet zu klassifizieren. Zur qualitativen Verschlechterung gesellt sich auf noch makrophytenreichen Substraten die Gefahrdung durch direkte Vernichtung. Hinsichtlich drohender Zersto-

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Siehe auch Lenz, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 139 ff., m. w.N. Vergleiche Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 60. Darstellung bei Schramm, in: Lozan rt al., S. 157. Riecken et al., Rote Liste Biotoptypen, S. 38 (nationaler Biotopcode 02.02). Riecken et al., Rote Liste Biotoptypen, S. 38.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee

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rung durch Flachenverlust sind diese Lebensraume81 daher ebenfalls stark gefahrdet. Sublitorale Muschelbanke weisen einen gefahrdeten Zustand auf.82 Das episodisch trockenfallende untere Literal der Ostsee einschliefllich Windwattflachen, schlickreichen Boddengrunden und Standorten von submersen Makrophytengesellschaften werden im Hinblick auf Flachenverlust und Degradierung als stark gefahrdet bis gefahrdet angesehen.83 Das Benthal ist bis zu einer Tiefe von ca. 15 m Regelungsgegenstand der FFHRL in Gestalt unterschiedlicher Lebensraumtypen. In der offenen Ostsee konnen alle hartsubstratigen Bodenerhebungen tiber der 15 m Tiefenlinie dem Lebensraumtyp ,,Riffe" (Natura 2000 Code 1170) zugeordnet werden. Das kustennahe Zoo- und Phytobenthos stellt sich bis in eine Tiefe von ca. 15m als ,,Flachwasserzonen" (Natura 2000 Code 1160) dar. Davon nicht eindeutig zu trennen sind ,,Sandbanke mit nur schwacher standiger Uberspulung durch Meerwasser" (Natura 2000 Code 1110).84 Das Benthal in Kustennahe wird im Gebiet von Flussmilndungen partiell von der Kategorie ,,Astuarien" (Natura 2000 Code 1130) und bei periodischem Trockenfallen von ,,Vegetationsfreiem Schlick-, Sand- und Mischwatt" (Natura 2000 Code 1140) erfasst. Letzterem sind auch die vorpommerschen Windwattflachen vor der Inselkette Ostzingst, Bock und Werder zuzurechnen. Mit Quellergesellschaften bewachsene Wattflachen sind gleichzeitig als ,,QuellerWatt" (Natura 2000 Code 1310) zu schutzen. Umstritten ist, ob Boddengewasser aufgrund ihres vom offenen Meer abgeschnittenen Charakters und ihrer AussuBung als prioritarer Lebensraumtyp ,,Strandseen der Kiiste (Lagunen) (Natura 2000 Code *1150) anzusehen sind.85 Die dies verneinende Ansicht ist der Auffassung, dass Bodden und Haffe lediglich als Lebensraumtyp ,,Flachwasserzonen" (Natura 2000 Code 1160) einzuordnen sind.86 Gleichwohl findet ein solches Verstandnis weder in systematischer, noch in entwicklungsgeschichtlicher oder grammatikalischer Auslegung eine Stiitze. Fur eine Klassifizierung der Bodden als Lagunen im Sinne der FFH-RL sprechen zunachst die vorkommenden Biotoptypen ,,R6hrichte der Ostsee und Brackwasserhochstaudenfluren"87. Auch die Bezugnahme auf ,,Brackwasserseen im Ostseebereich"88 deutet angesichts des ausgepragten Brackwassercharakters auf eine derartige Zuordnung hin. Zudem legen die Parallelen in der geomorphologischen Entwicklung89 eine solche Einschatzung nahe. Die Bodden entsprechen uberdies ge81 82 83 84 85 86 87 88 89

Nationaler Biotopcode 04.02.05 und 04.02.06. Riecken et al, Rote Liste, Biotoptypen, S. 38 (nationaler Biotopcode 04.02). Riecken et al, Rote Liste, Biotoptypen, S. 39, 85 (nationaler Biotopcode 06.01, 06.02). Ssymank et al, Natura 2000, S. 111. So BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 31 f.; Lampe, Bodden, o.S. Ssymank et al, Natura 2000, S. 108. Ssymank et al, Natura 2000, S. 108. Interpretation Manual of European Union Habitats, Annes I of Council Directice 92/43/EEC, Brussel, Version 15 vom 25.04.1996, S. 8. Vergleiche insbesondere die Beschreibung dieses Biotoptypes (nationaler Biotopcode 24.06.01) bei Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 106.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

nau der Definition von Lagunen in der Interpretation Manual.90 SchlieBlich wird zutreffend darauf verwiesen, dass Bodden im internationalen Sprachgebrauch als ,,Coastal Lagoons" bezeichnet werden.91 Die Bodden der Ostseekiiste sind daher dem strengen Schutzregime der prioritaren Lebensraumtypen in Gestalt des Lebensraumtyps ,,Strandseen der Kiiste (Lagunen)" (Natura 2000 Code *1150) zu unterstellen. Die benthischen Tier- und Pflanzengesellschaften sind nunmehr teilweise geschiitzte Biotope nach § 30 Nr. 6 BNatSchG. Sie unterfallen in Teilen auch dem landesrechtlichen Biotopschutz in durch § 20 Abs. 1 Nr. 5 LNatG M-V durch die Bezugnahme auf marine Block- und Steingrunde.92 Pflanzengesellschaften auf periodisch trockenfallenden Standorten, wie das untere Litoral der Ostsee, insbesondere Windwattflachen93 und die Verlandungszonen der Bodden94 sind nach § 30 BNatSchG wie auch nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 LNatG als Biotopkomplexe geschiltzt.95 3. Vogelwelt 96 Die Vogelwelt der siidlichen Ostsee, insbesondere an den Kiisten MecklenburgVorpommerns, kann als uberaus bedeutend eingeschatzt werden. Im Vergleich mit der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchVO)97 und der Roten Liste der gefahrdeten Vogelarten wird deutlich, dass im Kilstenbereich noch eine groBe Anzahl von bestandsbedrohten und vom Aussterben bedrohten Vogelarten heimisch ist. AuBerdem ist die Zahl der hier vorkommenden Arten trotz der relativen Artenarmut eines Brackwassermeeres beachtlich. Im Biospharenreservat Siidost-Rtigen wurden z.B. 119 Vogelarten gezahlt.98 Unterstrichen wird die Bedeutung des Kilstenraumes durch die Tatsache, dass einige im Westen Deutschlands bereits ausgestorbene Arten hier noch in uberlebensfahigen Populationen vorhanden sind.99

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B U N D / N A B U , Defizitanalyse, S. 3 1 . B U N D / N A B U , Defizitanalyse, S. 32. Vergleiche dazu Anlage 1 z u m L N a t G M - V . Als marine Block- u n d Steingrunde werden Ansammlungen nordischer Geschiebe am Ufer, in den Flachwasserzonen oder auf Unterwasserhangen der Kilsten bezeichnet. Anlage 1, Pkt. 5.6 LNatG M-V. Anlage 1, Pkt. 5.6 L N a t G M - V . Siehe Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 85. Zum Ganzen: Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 222 ff.; Buchwald, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 26 ff.; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 93 ff.; Liedl/Weber/Witte, S. 72 ff.; Thiede, Wasser- und Strandvogel, S.12ff.; Schulze, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 198 ff. Verordnung zum Schutz wildlebender Tier- und Pfianzenarten vom 14. Oktober 1999, BGB1.1 1999, S. 1955, zuletzt geandert durch Gesetz vom 25.03.2002, BGB1.1 1193. Kowatsch/Fock/K6hler/Walter, Landnutzung, S. 31. Holst/Billwitz/Strimk, Leitbilder I, S. 93.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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a. Brutvogel Im Ostseeraum briiten 31 Arten von reinen Meeres- und Kiistenvo gem. Zahlt man die im kiistennahen Bereich und im Hinterland briitenden Arten hinzu, kommt man auf iiber 47 Spezies.100 Erganzt werden die Brutvorkommen durch Arten des Binnenlandes. Im NSG der Halbinsel Wustrow sind z.B. 88 Brutvogelarten nachgewiesen worden.101 Die allgemeine Artenvielfalt der im Einzugsbereich der Ostsee briitenden Vogel ist fur mitteleuropaische Verhaltnisse daher recht groB. Zwar kommt keine der Meeres- und Kiistenvogelarten als Brutvogel nur im Ostseebereich vor, dennoch briiten im Ostseeraum von einigen Arten groBe Teile des europaischen Gesamtbestandes. Die Ostsee ist Hauptverbreitungsgebiet fur Eiderente (Somateria mollisima), Samtente (Melanitta fused), Raubseeschwalbe {Sterna caspia) und Gryllteiste (Cepphus grylle). Ostseeweite Brutvogelarten im Revier sind Austernfischer (Haematopus ostralegus) und Bekassine (Gallinago gallinago). Die Ostsee spielt zudem als Bruthabitat fur iiberregional vorkommende Vogelarten eine erhebliche Rolle. Etwa ein Drittel der in Mecklenburg-Vorpommern beheimateten Kranichpopulation (Grus grus) findet z.B. ihren Lebensraum in den kiistennahen Gewassern um Riigen, Kirr und Bock.102 Das Brutvorkommen vieler Arten an der siidwestlichen Ostseekiiste ist von hohen Bestanden an relativ wenigen Stellen gekennzeichnet. In MecklenburgVorpommern verteilen sich die Bestande von ca. 80% der Sabelschnabler (Recurvirosta avosetta) und bis zu 90% der Uferschnepfen (Limosa limosa) auf zwei benachbarte Inseln der DarB-Zingster Boddenkette. Die Sturmmowenpopulation beschrankt sich fast vollstandig auf nur zwei Kolonien. In Schleswig-Holstein briiten 90% aller Seevogel in Naturschutzgebieten, die lediglich 5% der Kiistenlinie abdecken. Diese Konzentration ist symptomatisch fur den Verlust von Brutmoglichkeiten und gefahrdet die Bestande potentiell viel starker als weit verteilte Vorkommen103. Die Ursache fur die Ansiedlung einer Vielzahl von Brutvogeln an der siidwestlichen Ostseekiiste ist hauptsachlich in den naturnahen und storungsarmen Landschaftsformen zu suchen. Sandbriitende Kiistenvogelarten sind auf die standige Neubildung von nahrstoffarmen Sandinseln, Sandbanken und Kliffabbriichen angewiesen. Alte Landbildungen mit ihrer fortgeschrittenen Sukzession suBen aus, verbuschen und gewahren Pradatoren Zugang. Fiir stetige Landneubildungen ist der kiistendynamische Prozess verantwortlich. Dessen Funktionsfahigkeit ist mithin grundlegende Voraussetzung fur die Ansiedlung sandbriitender Limikolen. Sich auf Wiesen fortpflanzende Limikolen benotigen fur ihren Bruterfolg in erster Linie naturnahe Salzwiesen mit intakten hydrologischen Verhaltnissen. Nur Wiesen, die noch einem salinen Einfluss durch periodische Uberflutungen 100

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Zahlen nach Helbig/Kube, in: Lozan et al., Wamsignale, S. 222 und Buchwald, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 28. Zimmermann, Naturschutzarbeit in M-V, 1/97, S. 63. Nowald, Naturschutzarbeit in M-V, 1/95, S. 19 f. Storungen an einem Brutplatz haben auf den Gesamtbestand z.T. schwerwiegende Auswirkungen. Das gilt fur anthropogen verursachte Beeintrachtigungen als auch fur naturliche Vorgange wie Uberflutungen, Pradation und Krankheiten.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

ausgesetzt sind, bieten die fiir diese Arten unabdingbare Flora und Fauna. AuBerdem bieten sie Schutz vor Pradatoren. Die Brutvogelbestande der Ostsee sind langfristigen Schwankungen unterworfen. Nach einer Phase der Bestandserhohung seit 1945 sind viele Arten ostseeweit gegenwartig vom Rtickgang betroffen.104 Die siidliche Ostseektiste stellt iiber die hier existierende relativ hohe Artenvielfalt hinaus auch fiir vom Bestandsrilckgang betroffene Arten ein wichtiges Riickzugsgebiet dar. Dabei konnen sich speziell in anderen Teilen der Ostsee bereits stark gefahrdete Arten hier noch reproduzieren. In einer Gesamtbeurteilung zeigt sich, dass vom Bestandsrilckgang hauptsachlich solche Arten betroffen sind, die auf Salzwiesen und auf Sandbanken briiten. Einige dieser Spezies stellen den GroBteil des europaischen Gesamtbestandes dar. Der Rilckgang kann daher erhebliche Folgen fiir das Uberleben der Arten an sich haben. Bestandsverringerungen um mehr als die Halfte mussten in den letzten Jahrzehnten u.a. Loffelente (Anas clypeata), Alpenstrandlaufer (Calidris alpina), Kampflaufer (Philomachus pugnax) und Ktistenseeschwalbe (Sterna paradisaea) hinnehmen.105 Stark gefahrdet ist die Uferschnepfe. Kampflaufer und Raubseeschwalbe sind an der siidwestlichen Ostsee106 mittlerweile vom Aussterben bedroht.107 Schwerwiegend ist der Bestandsrilckgang des Alpenstrandlaufers in seiner Unterart des Kleinen Alpenstrandlaufers (Calidris alpina schinzii), dessen Vorkommen ausschlieBlich im siidlichen Ostseeraum liegt und welcher nunmehr hochgradig gefahrdet ist.108 Da ein Teil der gefahrdeten Arten als Riickzugsgebiet noch ungestorte Bereiche der Bodden- und AuBenkiiste109 gefunden hat, bediirfen diese fiir die Bestandssicherung wichtigen Raume im Hinblick auf die beschriebenen Entwicklungen eines besonderen Schutzes. Die Gefahrdungslage zieht auch Konsequenzen fiir den Kiistenschutz nach sich. Gleichzeitig wird die groBe Bedeutung der teilweise naturbelassenen und storungsarmen Kiistenlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern fiir die Sicherung des Brutvorkommens von europaweit bedeutsamen Vogelarten deutlich. Entscheidend fiir die Bestandssicherung wird damit letztlich sein, inwieweit die fiir die Brutvogelarten unentbehrlichen Landschaftsbestandteile wie offene Strande, Landneubildungen, Sandbanke, natiirliche Dilnen mit Primarvegetati104 105 106 107 108

109

Vergleiche auch Sellin, Naturschutzarbeit in M-V, 1/95, S. 28 fur die Bestande im NSG Peenemiinder Haken, Struck und Ruden. Nachweise bei Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 226. Nowak/Blab/Bless, Rote Liste BRD, S. 95. Hamann/Strache, Naturschutzarbeit in M-V, 1/94, S.22 f., m. w. N; Thiede, Wasserund Strandvdgel, S. 96 und S. 112; Binot et al, Rote Liste BRD, S. 42 ff. Der Bestand der nur an den heimischen Boddengewassern reproduzierenden Art wird auf lediglich 40 BP an nur 4 Standorten geschatzt, das ist ein Riickgang des Brutbestandes innerhalb der letzten 25 Jahre auf ein Viertel. Nachweise bei Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 41; Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 94; vgl. auch Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 47. So sind von den 88 BP der Halbinsel Wustrow 25 Arten nach der Roten Liste in Mecklenburg-Vorpommern gefahrdet, Zimmermann, Naturschutzarbeit in M-V, 1/97, S. 63.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

39

on und naturnahe Kustenuberflutungsflachen mit typischer Salzwiesenvegetation erhalten werden konnen.

b. Durchziigler und Wintergaste Die sudliche Ostsee ist Bestandteil des ostatlantischen (westpalaearktischen) Vogelzugweges, auf dem die im Norden iibersommernden Vogelarten im Herbst nach Westeuropa, in den Mittelmeerraum und bis ins sudliche Afrika ziehen. Auf diesem Weg stellen die kiistennahen Flachwassergebiete der sudlichen Ostsee wichtige Rast- und Uberwinterungsgebiete mit globaler Relevanz dar. Mit jahrlich bis zu zwei Millionen Gasten ist das Oder-Astuar mit Oderhaff, Greifswalder Bodden und Pommerscher Bucht das bedeutendste Uberwinterungsgebiet des gesamten Ostseeraumes. Ostseeweit einen besonderen Stellenwert fur Durchziigler besitzt zugleich die vorpommersche Boddenlandschaft. Die weiten Watt- und Flachwassergebiete machen diesen Natur- und Landschaftsraum zum bedeutendsten Rastgebiet in der siidwestlichen Ostsee. Bis zu 104 Vogelarten, darunter viele Wat- und Wasservogel, fmden hier auf ihrem Zug Raum fur Rast, Nahrungsaufnahme, Mauser und Ruhe.110 Innerhalb der DarB-Zingster Boddenkette verweilen in den Herbstmonaten bis zu 300.000 Durchziigler. Darunter befinden sich bis zu 50.000 Kraniche. Damit ist die Bodenkette der wichtigste Kranichrastplatz des nordlichen und mittleren Europas. Im Greifswalder Bodden pausieren bis zu 170.000 Enten, Sager und Taucher. Hinzu kommen Limikolen, Ganse und Schwane. Wahrend die Oderbank mit ungefahr 178.700 ha das groBte und bedeutendste Uberwinterungsgebiet in der offenen Ostsee darstellt,111 ist im kiistennahen Bereich der Greifswalder Bodden das bedeutsamste Rastgebiet fur Tauchenten im sudlichen Ostseeraum. Auf dem Landesgebiet von Mecklenburg-Vorpommern rasten in dieser Zeit ungefahr 250.000 BleBganse (Anser albifrons), 150.000 Saatganse (Anser fabalis) und 40.000 Grauganse (Anser anser),112 wovon ein GroBteil den ktlstennahen Bereich aufsucht. Die Auswahl der Rastplatze wird durch das vorhandene Nahrungsangebot, Regenerationsmoglichkeiten und die relative Storungssicherheit gesteuert. Optimale Voraussetzungen bieten die zeitweise trockenfallenden Flachwasserzonen, Windwattflachen und die periodisch uberfluteten Flachen der siidwestlichen Ostseektiste.113 Die ausgedehnten, nahrungsreichen Flachwassergriinde stellen fur viele Durchziigler eine wichtige Ernahrungsquelle dar. Kraniche und Ganse bedienen sich iiberdies an kiistennahen Maisschlagen. Der Schutz vor Pradatoren ist durch Flachwasserzonen und vom Festland abgeteilte Sandbanke gewahrleistet. Bei Entstehung und standigen Neuformung der fragilen Kiistenlandschaftsformen spielen kustendynamische Prozesse einer groBe Rolle. Sie sind verantwortlich fur die geomorphologische Struktur des Sublitorals und des ufernahen Kiistenbereichs 110 111 112 113

Rabius/Holtz, S. 139; NP-Info 96, S. 12. Schering/Karkow, Offshorewindenergie, Abschn. 7.2; Czybulka, Interview in Naturschutz heute, Heft 4, 2000, S. 17. Waterstraat, Naturschutzarbeit in M-V, 2/94, S. 5. Zum Einfluss von Pradatoren auf den Bruterfolg auch Spillner, Vogeljahr, S. 73.

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l.KapitelKonfliktanalyse

und damit Voraussetzung fur den dauerhaften Erhalt der fur den Vogelzug wichtigen Gebiete. Die Existenz der ausgedehnten Kranichschlafplatze um die Inselkette Zingst-Werder-Bock-Riigen ware ohne stetige naturliche Sandanlagerungen nicht denkbar. Gleiches gilt fur die Existenz der Rastplatze anderer Durchzugler wie Limikolen, Sager- und Seeschwalbenarten, die ebenfalls an die naturliche Veranderung der Kiistenbereiche gebunden sind.114 Die jahrliche Wiederkehr hoher Populationen von rastenden und iiberwinternden Vogelarten deutet auf halbwegs intakte Okosysteme in den Rast- und Uberwinterungsgebieten hin. Dadurch wird die Bedeutung dieser Gebiete fur die Gesamtheit der Kustenokosysteme der Ostsee unterstrichen. AuBerdem sind die Durchzugler und Wintergaste selbst wesentlicher Bestandteil der Nahrungskette und damit auch fur die einheimische Tierwelt von Bedeutung. Der Erhalt dieser Kustenlandschaften mit ihren spezifischen Auspragungen sowie deren weitere ungestorte naturliche Entwicklung ist daher Voraussetzung fur die langfristige Bestandssicherung einer Vielzahl von Arten.

c. Gefahrdung und Schutz aa. Gefahrdungslage Unter anderem in den tabellarischen tjbersichten bei Garthe et al. ergibt sich ein aktuelles Bild vom Grad der Gefahrdung wichtiger Kusten- und Meeresvogelarten in ihren Brut- und Durchzugsbestanden.115 Insgesamt ist dabei zu konstatieren, dass ein erheblicher Anteil der Brutvogelarten an der siidwestlichen Ostssektiste weiteren Bestandsriickgangen unterworfen und insgesamt als gefahrdet einzustufen ist.116 Fiir die meisten Gastvogelarten im Kiistenbereich hat Deutschland zudem eine besondere Verantwortung inne.117 Aus der in Bezug genommenen Darstellung bei Garthe et al. ergibt sich weiterhin die Schutzbedtirftigkeit der jeweiligen Arten. Die Analyse der Gefahrdungsfaktoren zeigt, dass diese ganz iiberwiegend auf menschschliche Einwirkungen zuruckgefuhrt werden konnen.118 Durch geeignete, abstrakt-generelle Regelungen des Naturschutzrechts (einschl. einer entsprechenden Durchsetzung) konnten diese beeintrachtigenden Verhaltensweisen prinzipiell und allgemeinverbindlich regelementiert werden und so Art und MaB der beeintrachtigend wirkenden Einflussfaktoren verringert werden. 114 115

116

117 118

Purps/Lutz/Schmiedel, Naturschutzarbeit in M-V, 2/96, S. 60 f. Garthe et al, See- und Wasservogel, 2003, S. 139 ff., passim. Weitere Nachweise auch bei: Klafs et al., Vogelwelt Mecklenburgs; Dittberner/Hoyer, Vogelwelt Riigen und Hiddensee; Binot et al., Rote Liste; Nowak/Blab/Bless, Rote Liste; Sellin/Stiibs, Rote Liste M-V; Kniefet al., Rote Liste S-H. Zum Beispiel Riickgang selbst der im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft briitenden sensiblen Kustenvogel um fast 50% seit 1990 (bereinigt um die beiden Anpassungsarten Silbermowe und Kormoran, die Bestandszuwachse verzeichnen konnten), Aussage von Stodian in einem Vortrag am 01.12.2004 auf der Tagung ,,Meeresnaturschutz 2004" in Stralsund (vom 30.11. bis 03.12.2004). Garthe et al, See- und Wasservogel, 2003, S. 139 f. Garthe et al, See- und Wasservogel, 2003, S. 141 ff.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

41

bb. Artenschutzrecht Das Artenschutzrecht bezweckt den unmittelbaren Schutz der wildlebenden Pflanzen- und Tierarten vor auf die jeweiligen Individuen einwirkenden menschlichen Beeintrachtigungen. Es bedient sich dazu bestimmter Zugriffs-, Beeintrachtigungs- und Storungsverbote sowie Vermarktungsbeschrankungen. Obgleich das Artenschutzrecht in der Vergangenheit ob seiner Kompliziertheit und geringen Verstandlichkeit haufig kritisiert wurde119 und die zu dieser Beurteilung fuhrenden Defizite durch die Neufassung des BNatSchG und der BArtSchVO keineswegs beseitigt worden sind, soil das System des Artenschutzes, welches auch fur die Kiistenvogelarten von Relevanz ist, hier kurz dargestellt werden. Der naturschutzrechtliche Artenschutz unterscheidet grundsatzlich drei Schutzkategorien fur wildlebende Tiere.120 Zunachst statuiert § 41 Abs. 1 BNatSchG einen allgemeinen Auftrag an die Lander, Vorschriften zum Schutz vor mutwilliger Beunruhigung, Fangen, Verletzung und Totung sowie Beeintrachtigungsverbote der Lebenstatten vor finalen Zugriffen zu erlassen. Fur Tiere und Pflanzenarten, die zu den besonders geschiltzten und streng geschiltzten Arten gehoren, stellt § 42 Abs. 1 BNatSchG dagegen unmittelbar geltende Storungsverbote und § 42 Abs. 2 BNatSchG unmittelbar geltende Besitz- und Vermarktungsverbote auf. Wahrend sich die von den Landern zu erlassenden Vorschriften zum allgemeinen Artenschutz nach § 41 Abs. 1 BNatSchG auf mutwillige Verletzungen von Leben, Gesundheit und Freiheit sowie der Lebensstatten ohne vernunftigen Grund beschranken, unterliegen besonders geschutzte Arten ausweislich § 42 Abs. 1 BNatSchG zunachst einem allgemeinen Schutz vor zielgerichteten (direkten und finalen) menschlichen Eingriffen. Im Lichte von Art. 12 lit. d) FFH-RL milssen die in § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG enthaltenen Verbote der Beschadigung von Nist-, Brut-, Wohn- und Zufluchtstatten fur die Arten nach Anhang IV der FFHRL allerdings so interpretiert werden, dass damit zugleich alle Handlungen untersagt werden sollen, die direkt oder indirekt, zielgerichtet oder ungewollt Verschlechterungen dieser Lebensstatten verursachen. Im Hinblick auf die neuere Judikatur des EuGH zum Begriff der ,,absichtlichen" Stoning121 mtissen von den Verboten des § 42 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG - soweit es um die Verbote geht, die Art. 5 VRL und Art. 12 lit. a.-c.) FFH-RL statuieren - auch alle Handlungen erfasst sein, die der Handelnde als Nebeneffekt seines Tuns erkennt. Auf eine Zielgerichtetheit seiner Handlung kommt es insoweit nicht an.122 Schliefilich wird nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG streng geschutzten Tierarten ein allgemeines Storungsverbot zuteil, welches auch Schutz vor mittelbaren Beeintrachtigungen

119 120 121 122

Siehe dazu Hammer, DVB1. 97, S. 401 ff. m.w.N. Vergleiche zum Ganzen Stiiber, NuR 00, S. 246 f. m.w.N. EuGH, Urteil vom 30.01.2002 (Carettd) - Rs. C-103/00 - NuR 04, S. 596 (597). Danach liegt eine ,,Absicht" im europarechtlichen Sinne bereits dann vor, wenn ein von Art. 5 VRL oder Art. 12 FFH-RL missbilligter Handlungserfolg vom Handelnden erkannt, die dies bewirkende Handlung aber dennoch vorgenommen wird. Vgl. dazu Gellermann, ZUR 04, S. 89.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

durch menschliches Handeln gewahrleisten soil.123 Besonders geschiitzte Arten sind gemaB § 10 Abs. 2 Nr. 10 lit. a) BNatSchG alle in den Anhangen A oder B der Verordnung (EG) 338/97 aufgelisteten Tierarten und nach § 10 Abs. 2 Nr. 10 lit. b) BNatSchG alle in Anhang IV der FFH-RL aufgefuhrten Tierarten sowie alle europaischen Vogelarten im Sinne des Art. 1 VRL.124 GemaB § 10 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG gehoren zu den streng geschiitzten Arten alle, die im Anhang A der Verordnung (EG) 338/97 und alle Tierarten, die in Anhang IV der FFH-RL enthalten sind.'25 Durch die BArtSchVO konnen weitere Arten zu besonders geschiitzten und streng geschiitzten Arten erklart werden. Die Ermachtigung dazu bezieht sich fur die Erklarung zu besonders geschiitzten Arten nach § 52 Abs. 1 BNatSchG auf alle nicht von § 10 Abs. 2 Nr. 10 lBNatSchG erfassten heimischen Arten und fur die Erklarung zu streng geschiitzten Arten nach § 52 Abs. 2 BNatSchG auf solche, die im Anhang B der Verordnung (EG) 338/97 aufgefuhrt sind und alle europaischen Vogelarten sowie auf alle Arten, die gemaB § 52 Abs. 1 BNatSchG zu besonders geschiitzten Arten erklart werden konnen. Naturschutzrechtlich gehoren alle in Europa natiirlich vorkommenden europaischen Vogelarten zu den geschiitzten besonderen Tierarten. Eine Aufhahme in die BArtSchVO bedarf es dafur nicht mehr. Damit unterliegen sie dem allgemeinen Schutz vor zielgerichteten direkten und finalen menschlichen Eingriffen sowie den o.g. europarechtlich geboteten Erweiterungen. Ausweislich § 10 Abs. 2 Nr. 11 lit. a.) BNatSchG sind zunachst die Vogelarten, die im Anhang A der Verordnung (EG) 338/97 aufgefuhrt sind, streng geschutzt. Durch ihre Erwahnung in § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG unterfallen dariiber hinaus alle europaischen Vogelarten im Hinblick auf die Storungsverbote des Art. 5 lit. d) VRL einem strengen Schutz.126 Letzterer kann sich dariiber hinaus durch die Aufhahme als streng geschiitzte Art in die BArtSchV ergeben. Soweit Vogelarten dem Jagdrecht unterliegen, ist fur eine Aufnahme in die BArtSchV nach § 52 Abs. 8 BNatSchG das Einvernehmen mit dem Bundesministerium fur Ernahrung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz erforderlich. Ein weiterer Aspekt des Artenschutzes ist das Jagdrecht. Nach § 39 Abs. 2 S. 1 BNatSchG bleiben die Vorschriften des Jagdrechts von den Vorschriften des naturschutzrechtlichen Artenschutzrechts im 5. Abschnitt des BNatSchG unberiihrt. Die Folge ist aber nicht, dass die artenschutzrechtlichen Beeintrachtigungsverbote die rechtmaBige Jagdausiibung nicht zu regeln imstande waren.127 Auch fur dem Jagdrecht unterliegende Tierarten gilt das Artenschutzrecht, jedenfalls soweit das Artenschutzrecht selbst diese nicht ausdriicklich ausnimmt.128 Aller123 124 125 126 127 128

Siehe Schumacher/Fischer-Huftle, BNatSchG, § 42 Rn. 17. Nunmehr ohne die Beschrankung auf nicht dem Jagdrecht unterliegende Arten, vgl. Schumacher/Fischer-Huftle, BNatSchG, § 10 Rn. 61. Ausfflhrlich dazu Emonds, NuR 97, S. 27. Schmidt-Rantsch, A., in: Gassner et al., BNatSchG, § 42 Rn. 11; Schumacher/FischerHuftle, BNatSchG, § 42 Rn. 17. So aber Thum, NuR 04, S. 585. Maryik&Wilrich, BNatSchG, # 39 Rn 12.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee

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dings ist zu beachten, dass der Jagdausiibungsberechtigte vor dem Hintergrund des § 41 BNatSchG bei Erfullung des jagdrechtlichen Hegegebotes regelmaBig nicht ,,mutwillig" handeln und das Jagdrecht ohne weiteres einen ,,verntinftigen Grund" i.S.v. § 41 BNatSchG darstellen soil.129 Unabhangig davon kann es keinen absoluten Vorrang des Jagdrechts geben. Zutreffend wird deshalb vertreten, dass das Verhaltnis von Artenschutz- und Jagdrecht jeweils im Einzelfall und unter Heranziehung von Spezialitatsgesichtspunkten zu bestimmen ist.130 SchlieBlich erfassen die Storungsverbote aus § 42 Abs. 1 BNatSchG auch jagdbare Vogelarten. Dem Jagdrecht unterliegende Arten konnen auch in die BArtSchV aufgenommen werden. Insoweit treten die naturschutzrechtlichen Regelungen jedenfalls dann den jagdrechtlichen Vorschriften bei, wenn letztere keine besonderen Vorschriften zum Schutz und zur Pflege enthalten.131 Im Jagdrecht selbst wird wildlebenden Vogelarten, die gemaB § 2 Abs. 1 Nr. 2 BJagdG zu jagdbarem Federwild erklart wurden, ein Schutz iiber die in § 1 Abs. 1 JagdZVO positiv festgeschriebenen Jagdzeiten zuteil. Tierarten, die nicht in der JagdZVO aufgefuhrt sind, unterliegen einer ganzjahrigen Schonzeit und sind der Bejagung nicht zuganglich. Im weiteren lassen sich iiber die Schonzeitenverordnungen der Lander auch ganzjahrige Jagdverbote durchsetzen. Das soil aber nicht daruber hinwegtauschen, dass das Jagdrecht weniger dem Artenschutz als der Steuerung der Jagdtatigkeit dient. Gegenstand des Jagdrechts selbst ist die Zulassung und Regelung einer Entnahme aus der Natur. Es geht beim Jagdrecht mithin um eine Naturnutzung,132 welche u.a. Ausdruck von Art. 14 GG ist und daher primar einer eigentumsrechtlichen Ausrichtung gehorchen soil.133 Naturschutz und Landschaftspflege spielen der Konzeption des Jagdrechts nach hierbei nur eine untergeordnete Rolle.134 Solange sich nach der h.A. die wesentlichen Vorgaben fur den (Natur-)Schutz von dem Jagdrecht unterliegenden Arten nicht nach dem naturschutzrechtlichen Artenschutz beurteilen, bleibt der Zielkonflikt zwischen Jagd- und Naturschutzrecht bestehen, der gegenwartig nur dort vermieden werden kann, wo Artenschutz und Wildhege die gleichen Spezies oder Habitate betreffen135 oder sich das Jagdrecht schutzbezogener Regelungen enthalt. Insgesamt birgt unzureichende Durchsetzungsfahigkeit des naturschutzrechtlichen Artenschutzes gegenuber dem Jagdrecht die Gefahr von Konflikten und letztlich Defiziten in Bezug auf den Schutzstatus in sich. Es ware daher wiin129 130 131 132 133

134 135

Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 42 Rn. 12. Vergleiche nur Lorz/Muller/Stockel, BNatSchG, § 39 Rn. 13. Schumacher/Fischer-Hiiftle, BNatSchG, § 39 Rn. 14 (bei Regelungsliicken des Jagdrechts). Gellermann, in: Rengeling et al., EUDUR, §79 Rn. 74. So wird das Jagdrecht als Ausfluss des Grundeigentums verstanden, welches vom Schutzbereich des Art. 14 GG umfasst wird, vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 05.01.1982 - I O C 16/80 - RdL 82, S. 322 (324) und Metzger, in: Lorz/Metzger/Stockel, Jagdrecht, § 1 Rn. 15m.w.N. Brocker, NuR 00, S. 310. A.A. Meyer-Ravenstein, AgrarR 00, S. 280 f. Erz, in: Buchwald/Engelhardt, Handbuch der Umwelt, Bd. Ill, S. 588.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

schenswert, die Arten in Abhangigkeit ihrer konkreten Gefahrdung auch im Bereich der Jagd uneingeschrankt durch das Naturschutzrecht schiitzen zu konnen.136 cc. Artenschutz durch Lebensraumsicherung

Das gegenwartige Hauptproblem, die groBraumige Lebensraumzerstorung durch nichtfinale, sondern nur mittelbare Eingriffe aus wirtschaftlichen Griinden wie Landwirtschaft, Tourismus und KustenschutzmaBnahmen, kann mit dem Instrumentarium des Artenschutzes nicht behoben werden. Bis auf die relativ schwache Verbindung von Arten und Biotopschutz in § 40 BNatSchG und den gesetzlichen Biotopschutz durch § 30 BNatSchG i.V.m. § 20 LNatG M-V bewirken die Artenschutzregelungen keine Lebensraumsicherung. Die artenschutzrechtlichen Storungs- und Beeintrachtigungsverbote gelten zudem nicht absolut und konnen die mit der Nutzung der, Landschaft einhergehenden negativen Auswirkungen auf die geschiitzten Arten nicht verhindern. Selbst gegeniiber streng geschiitzten Arten sollen sich der nationalen Konzeption nach die weitreichenden Privilegierungen des § 43 Abs. 4 BNatSchG durchsetzen.138 Das herkommliche deutsche Verstandnis von einer absichtlichen Storung stellt viele Beeintrachtigungen von geschiitzten Tierarten sanktionslos.139 Artenschutzbelange sind im Rahmen der Eingriffsregelung nach § 18 BNatSchG zwar nicht mehr nur in die Abwagung einzustellen, sondern ausweislich § 19 Abs. 3 BNatSchG bei Betroffenheiten von Biotopen fiir streng geschiitzte Arten nur bei Rechtfertigung aus zwingenden Griinden des iiberwiegenden offentlichen Interesses zulassig. Letzteres kommt als normatives Element aber nur zum Tragen, wenn die Kompensationspflichten des § 19 Abs. 1 S. 2 BNatSchG nicht erfiillbar sind. Inwieweit sich mit der neuen Regelung eine wirksame Lebensraumsicherung durchsetzen wird, muss erst noch abgewartet werden. Insgesamt gesehen ist der klassische Artenschutz zwar ein unverzichtbarer Bestandteil fur den Populationserhalt. Er stellt aber nur einen Mindestschutz her. Artenschutz wirkt immer noch zu selektiv und muss in einer Zeit der dramatischen Lebensraumzerstorungen an seine Grenzen geraten. Auf internationaler Ebene schlieBen Ubereinkommen, wie z.B. die RamsarKonvention140, das Berner-Ubereinkommen141 (Art. 4) und das Bonner-Uberein-

136

138 139 140 141

Gleiches gilt fur die anderen in § 39 Abs. 2 S. 1 BNatSchG aufgefuhrten Rechtsmaterien. Im Einzelnen zum Problemkreis Naturschutzrecht und Jagdrecht siehe Hammer, DVB1. 97, S. 405; Metzger, in: Lorz/Metzger/StOckel, Jagdrecht, § 2 Rn. 4; Brocker, NuR 00, S. 307 ff.; davon abweichend Meyer-Ravenstein, AgrarR 00, S. 278 ff. Bedenken gegen die Europarechtskonformitat dieser Regelung: Gellermann, ZUR 04, S. 90. EuGH, Urteil vom 30.01.2002 - Rs. C-103/00 - NuR 04, S. 596(597). Die Ramsar-Konvention (Nachweis in Fn. 23 im 1. Kapitel § 2 ) stellt den Lebenraumschutz in den Mittelpunkt, siehe Art. 1 der Konvention. Ubereinkommen liber die Erhaltung der europaischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer naturlichen Lebensraume vom 19.09.1979 (BGB1. 1994 II, S. 618).

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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kommen142 (Art. 3 Abs. 4) neben Vorgaben des speziellen Artenschutzes auch die Erhaltung der natiirlichen Lebensraume als mafigebliche Voraussetzung fur die Sicherung der Populationen ein. Die Ramsar-Konvention bezweckt primar den Schutz von Wat- und Wasservogeln, die von der Existenz bestimmter Feuchtgebiete als Lebens-, Rast- und Uberwinterungsraum abhangig sind. Sachlich spielt das Abkommen im Ktistenbereich eine bedeutende Rolle, bezieht es sich doch auf die terrestrischen und marinen Kustenlebensraume wie Feucht- und Salzwiesen, Kustemiberflutungsmoore sowie brack- und salzwasserartige flache Meeresgebiete. Damit kniipft die Konvention nicht an den selektiven Artenschutz, sondern an den Schutz des fur den Populationserhalt maBgeblichen Umfeldes an. Die Beschrankung auf den Vogelschutz wurde von der Konvention tiberwunden, so dass das Abkommen als ein Feuchtgebiete betreffender umfassender Okosystemschutz verstanden werden kann.143 Ramsar-Gebiete sind ohne unmittelbaren gesetzlichen Schutzstatus, da das Abkommen sich lediglich durch Vo'lkerrechtsverbindlichkeit und jederzeitige Kiindbarkeit auszeichnet.144 Zur Umsetzung bedtirfen die Gebiete fb'rmlicher Schutzgebietsausweisungen nach nationalem Recht bzw. vertraglicher Schutz- und Pflegevertrage.145 Sowohl die Ramsar-Meldung146 als auch die normative Umsetzung des Abkommens erfolgte insbesondere an der deutschen Ostseekiiste147 bisher nur defizitar. Das Bonner Ubereinkommen tendiert durch die Bezugnahme auf Lebensstatten, die fur wandernde Arten von Bedeutung sind, ebenfalls zum Lebensraumschutz. Zudem wird in Art. 3 Abs. 4 des Ubereinkommens ein Entwicklungsgebot statuiert, indem sich die Vertragsparteien bemtihen, ,jene Lebensstatten wiederherzustellen", um die Arten vor der Gefahr des Aussterbens zu bewahren. Die Formulierung des Abkommens ist jedoch relativ vage, und unverbindlich gehaltenene Bemuhensklauseln schwachen die Durchsetzungskraft. Die normative Umsetzung ubernimmt diese allgemein gehaltenen, verpflichtungsfreien Formen.148 Die Inhalte des Ubereinkommens erscheinen daher gegeniiber anderen Belangen als nur gering durchsetzungsfahig. 141 142 143 144 145 146

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148

Ubereinkommen iiber die Erhaltung der europaischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer naturlichen Lebensraume vom 19.09.1979 (BGB1. 1994 II, S. 618). Ubereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten v o m 23.07.1979 (BGB1. 1984 II, S. 571). Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 63 f. Baker, Internationale Schutzgebietssysteme, in; Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 147 f.; Ssymank et al., Natura 2000, S. 60. Ssymank et al., Natura 2000, S. 60. So wurde der IUCN bisher nur ein Gebiet an der Ostseekuste gemeldet (Ostseeboddengewasser Westriigen-Hiddensee-Ostzingst durch die DDR), wobei nach der RamsarSchattenliste noch sieben weitere Gebiete an der deutschen Ostseekuste in Betracht kommen. Ausfuhrlich dazu Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 65. Insbesondere im Hinblick auf die uberwiegende Zahl der nicht an die IUCN gemeldeten Gebiete, siehe Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 165 f., m.w.N. Zum nationalen Schutzstatus siehe allgemein Fn. 199 im 3. Kapitel § 10 Ausfuhrlich Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 67 f; 167 f.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Demgegenilber enthalt das Berner Ubereinkommen eine umfassende Verpflichtung zum Biotopschutz. Gegenstand ist nach Art. 3 die Erhaltung der Lebensraume aller wildlebenden Tier- und Pflanzenarten mit besonderem Augenmerk auf gefahrdete und empfmdliche Arten.149 Der Schwerpunkt auf den Lebensraumschutz und die relative Vielzahl der an der Ostsseekuste lebenden Tierarten der Anhange II und III des Abkommens bewirken nachhaltige Impulse fur die Sicherung siedlungs- und storungsarmer Gebiete. Die Umsetzung des Ubereinkommens in das nationale Recht ist ebenfalls mit Defiziten behaftet. So werden die zum Teil erheblichen Beeintrachtigungen der Lebensraume150 durch die ordnungsgemafie Land- und Forstwirtschaft sanktioniert.151 Lebensraumschutz vermittelt uberdies das Den Haager Abkommen zur Erhaltung der wandernden Wasservogel152, innerhalb dessen in Anlage 3 zugunsten der in Tabelle 1 aufgefuhrten Vogelarten nicht nur direkte Storungs- und Handelsverbote153 sowie Jagdbeschrankungen154, sondern primar auch MaBnahmen des Habitatschutzes155 gefordert werden. Gegenstand des den Haager Abkommens sind auBerdem auch mittelbare Beeintrachtigungen durch sonstige menschliche Aktivitaten, die zu Konflikten mit in Tabelle 1 aufgefuhrten Populationen fuhren konnen.156 Hier stellt das Abkommen Minimierungsgebote auf. Die nationalen Schutzregelungen i.V.m. der vom Washingtoner Artenschutzabkommen157 maBgeblich beeinflussten Verordnung (EG) 338/97 ubernehmen die zu schtitzenden Arten zwar weitgehend aus diesen Quellen, der geforderte Lebensraumschutz wurde im nationalen Recht hingegen nicht immer stringent gewahrleistet. Unbestritten kann nur eine Synthese aus Schutz der Arten und Schutz der Habitate erfolgreich sein. Hier konnen artenschutzrechtliche Verbotstatbestande groBflachige Lebensraumsicherungen flankierend begleiten. Der Weg des Lebensraumschutzes, fur den national in den §§22 ff. und den §§32 ff. BNatSchG geeignete Instrumente bereitgestellt werden, um die internationalen Vorgaben erfullen zu konnen,158 wird durch die Verpfiichtung zur Ausweisung konkreter Schutzgebiete mit einheitlichen Schutzniveaus aufgrund der VRL159 und FFH-RL auf 149

Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 69. In der deutschen Variante als Lebensstatten iibersetzt und daher raumlich zu begrenzt wirkend. Vgl. dazu ausfuhrlicher Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 169 f. 151 I.v.m.§ 43 f Abs. 4 BNatSchG, siehe Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 170. 152 Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasservogel vom 16.06.1995 (BGB1. II 1998, S. 2498). 153 Anlage 3, Abschnitt 2.1. 154 Anlage 3, Abschnitt 4.1. 155 Anlage 3, Abschnitt 3. 156 Anlage 3, Abschnitt 4.3. 157 Ubereinkommen iiber den internationalen Handel mit gefahrdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen vom 03.03.1973 (BGB1. 1975 II, S. 777) in der Fassung vom 22.06.1979 (BGB1. 1995 II, S. 771). 158 Vergleiche dazu die Darstellung im 3. Kapitel § 10 159 Richtlinie des Rates iiber die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten vom 2. April 1979 (79/409/EWG), Abl. EG 1979 L 103/1. 150

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee

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europaischer Ebene weiterverfolgt. Auch wenn letztere im Anhang IV, dem Artenschutzteil, keine Vogelarten enthalt, werden die Gebiete, die nach Art. 4 VRL auszuweisen sind, in das Schutzgebietssystem integriert.160 Gleichzeitig fmdet durch den Habitatschutz in Anhang II der FFH-RL eine Lebensraumsicherung statt, die auch gefahrdeten Vogelarten zu Gute kommen kann.

//. Terrestrische Lebensraume des Kiistenbereiches'61 Die terrestrischen Okosysteme der Ostseekiiste beginnen seeseitig am Sptilsaum, direkt an der Mittelwasserlinie. Dazu gehoren die dortigen Vegetationsglirtel und zumindest zeitweise trockenfallende Flachwasserbereiche. Wahrend im standig (iberfluteten semiterrestrischen Flachwasserbereich Strandschnecken, Miesmuscheln, Sandklaffmuscheln, Herzmuscheln, Seesterne und Strandkrabben vorkommen, ist der eigentliche Spiilsaum an sandigen Kustenabschnitten artenarmer.

1. Spiilsaum, Ufervegetation und Rohrichte Der Spiilsaum ist ein eher unwirtlicher Lebensraum fur Flora und Fauna. Lediglich Wasserinsekten und wirbellose Kleintiere haben hier ihre permanente Heimat. Charakteristisch ist der hohe Salzgehalt des Bodens. Besiedelt werden kann der Standort nur von Pflanzen, welche an die salinen Verhaltnisse, den schwankenden Wasserstand und den standig bewegten Sand angepasst sind. Das sind hauptsachlich Kali-Salzkraut (Salsoa Kali), einige Meldenarten (Atriplex spec?) und Meersenf (Cakile maritima). Der Spiilsaum an Neulandbildungen ist fur einige seltene Salzboden-Phytozonosen bedeutender Reproduktionsraum162, er gehort aber auch zum Lebensraum von Kiistenvogeln, welche an offenen Sandstranden, auf Sandbanken und Landneubildungen briiten. An sandigen Flachkiisten der Bodden treten teilweise sehr ausgepragte Tangwalle auf. Sie bilden sich aus vom Sturm ausgeworfenen Meerespflanzen, Muscheln und anderem organischen Material. Der Auswurf dieser Biomasse ist bedeutendes Zeichen des Selbstreinigungsvermogens der Boddengewasser und dient am Ufer als Siedlungsuntergrund fur hochspezialisierte Pflanzen und als Bruthabitat verschiedener Kiistenvogelarten. Direkt am Spiilsaum bilden an Teilen der Aufienkiiste und in weiten Bereichen der Boddenkiiste Brackwasserrohrichte unterschiedlich ausgepragte Vegetationsgiirtel. Sie bestehen aus hochwiichsigen Arten wie Schilf (Phragmites australis), Meersimse und Salz-Teichsimse {Schoenoplectus tabernaemontani), in hoheren Lagen von 0, 1 m bis 0, 3 m konnen sich Herbstlowenzahn-Salzbinsen-Rasen aus-

160 161

162

Siehe dazu insbesondere das 3. Kapitel § 10 C. Zum Ganzen Hardtle/Vestergaard, in: Lozan et al, S 157 ff.; Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 45 ff.; Miiller-Motzfeld, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 25 ff.; BoedekerlKnapp, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 222 ff.; Liedl/Weber/Witte, S. 77 ff.; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 96 ff.; Gehendges, et al., in: Redslob et al., Ostseekuste, S. 19 f. Jeschke, Vegetationsveranderangen, AfNuL 25 (85), S. 225.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

bilden.163 Wahrend die Meersimse sandige Kilstenabschnitte bevorzugt, befinden sich ausgedehnte Schilfflachen primar an geschiitzten Buchten mit schlammigem Untergrund. An der AuBenkiiste siedelt sich Schilf aufgrund des Wellenschlages nur bis zu einer Wassertiefe von bis zu 20 cm an. Ausgedehnte Schilfgiirtel bestehen auch landseitig der Uferlinie. Hier erfolgt haufig eine Dezimierung durch Beweidung. Da sich die Salz-Teichsimse als beweidungsresistent erwiesen hat, bleiben aufgrund der Verdrangung von Schilf und Meersimse in Weidegebieten mit maBigem Tierbesatz oft ausgediinnte, nur aus reiner Salz-Teichsimse bestehende Vegetationsstreifen tibrig. Die Rohrichtbestande sind Brut-, Nahrungs- und Fluchtgebiet fur wiesenbriltende Limikolen. Unter den starker euhalinen Bedingungen der westlichen Ostsee sind Rohrichte an der AuBenkuste kaum vorhanden. Das Vorkommen bleibt auf Brackwasserstandorte in Nahe von SiiBwasseraustritten beschrankt. Brackwasserrohrichte der Ostsee, insbesondere der Boddengewasser sowie Brackwasser-Hochstaudenfiure sind als gefahrdet einzustufen.164 Spiilsaume sind geschutzte Lebensraumtypen nach der FFH-RL (Spiilsaume des Meeres mit Vegetation aus einjahrigen Arten, Natura 2000 Code 1210). Die Vegetationsformen konnen sich stark verandern, wobei vegetationsfreie Bereiche der Sptilsaume in den Schutz miteinbezogen werden mtissen.165 Rohrichtbestande im Brackwasser unterfallen dem gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Spiilsaume dilrften von § 20 Abs. 1 Nr. 5 LNatG mit erfasst sein. In Teilen kommt der gesetzliche Biotopschutz zudem durch die geschiitzten Windwattflachen166 sowie die landseitigen, Verlandungsprozessen unterliegenden Boddengewasser167 zum Tragen.

2. Strandwalle und Diinen Strandwalle entstehen durch den Transport und die Ablagerung von Geroll und Sand an Sandstranden mit kustenparalleler Stromung. Die auf ihnen anzutreffende Vegetation ist abhangig von Hohe und Alter des Strandwalls. Die Hohe des Walls bestimmt den Salzwassereinfluss und damit dessen Salinitat. Auf ufernahen, niedrigen Strandwallen kommen daher nur ausgepragte Halophyten wie die Strandquecke {Elytrigia juncea) vor. Junge Strandwalle beherbergen vorwiegend Meerkohl (Crambe maritima), Stranddistel (Eryngium maritimum) und Strandroggen (Elymus arenarius). Altere und hohere Strandwalle werden von Heidegesellschaften, Schlehen- und WeiBdornbuschen gepragt. Die Fauna der Strandwalle ist reicher als die des Spiilsaumes. Strandwalle sind Lebensraum von Springschwanzen, Kafern, Mucken und anderen Diphteren, dazu kommen vereinzelt Kreuz- und Wechselkroten. Neben Dtinen und stfirungsfreien Stranden sind sie Brutgebiet fur sandbratende Limikolen. 163 164 165 166 167

Kowatsch/Fock/Kohler/Walter, Landnutzung, S. 25. Riecken et al. Rote Liste Biotoptypen, S. 39 f. (nationaler Biotopcode 08.02, 08.03). Ssymank et al, Natura 2000, S. 118. Anlage 1, Pkt. 5.6 LNatG M-V. Anlage 1, Pkt. 5.7 LNatG M-V.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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Dilnen sind hoher aufgewehte Flugsandbildungen, die zunachst als Primardunen bezeichnet werden. Auf Vordunen (=Primardunen) kommen nahezu nur einartige Pionierfluren aus Strand- oder Binsenqueckengesellschaften (Agropyretum juncei) vor.168 Im Stadium ausgepragter WeiBdilnen unterliegen sie noch immer einer starken Sandzufuhr, sind aber bereits siiBwasserbeeinflusst. Vorwiegend werden sie von Strandhafer {Ammophila arenarid) und Strandroggen besiedelt. Spiiter kommt es zu einer Entkalkung des Oberbodens und zu einer maBigen Humusanreicherung. Typische Pflanzengesellschaften dieser als Graudixnen bezeichneten Formationen sind Silbergrasfluren sowie Sand-Segge (Carex arenarid) und Rot-Schwingel (Festuca rubra)}69 Kiistendunenheiden entstehen bei weiterer Humusanreicherung und volliger Entkalkung des Diinenbodens. Diese auch Braundilnen genannten Flachen sind mit Krahenbeer-Zwergstrauch-Heiden bewachsen und noch einer leichten Sanduberwehung ausgesetzt. Durch extensive Beweidung offengehaltene Braundunen werden haufig von der Besenheide (Calluna vulgaris) besiedelt. Hinter Strandwallen und Dtinenformationen entstehen feuchte, nahrstoffarme Senken. Der Grundwasserkontakt fiihrt zu Sumpf- und Moorvegetation, die in Abhangigkeit des Kalk- und Salzgehaltes des Bodens variiert. Die Senken sind Lebensraum von zum Teil gefahrdeten Pflanzenarten. Dazu gehoren Gemeiner Wasserschnabel {Hydrocotyle vulgaris), Glocken-Heide {Erica tetralix) und als FFH-RL-Anhang II-Art der Gemeiner Moorbarlapp (Lycopodiella inundata). Eine Besonderheit auf diesem Standort ist der Rundblattrige Sonnentau (Drosera rotundifolia), der seinen Stickstoffbedarf durch Insektenfang deckt. Die ufernahen sandigen Abschnitte der AuBenkiiste sind einer standigen natiirlichen Veranderung unterworfen. Das stetige Entstehen und Vergehen von Strandund Dilnenlandschaften ist Voraussetzung fur die hier vorkommende Vegetation. Von besonderer okologischer Bedeutung sind die Akkumulationsgebiete mit einer in Mitteleuropa einmaligen standigen Sukzession von einfachen Pioniergesellschaften zu komplexen Klimax-Vegetationen. Dabei beherbergen die natiirlichen Offenlandschaften mit anfanglich geringer Nahrstoffausstatrung hochspezialisierte Pflanzen- und Tierarten, deren Vorkommen zum Teil deutschlandweit nur dort nachweisbar ist.170 Eine Besonderheit stellen Buchenbuschwald-Biotope auf Kiistendilnen dar. Sie kommen in Deutschland nur noch an der Ostseekuste vor und bilden die edaphische Waldgrenze an der Ostsee. Die Bewahrung dieser speziellen Baumgesellschaften bedarf intakten kilstendynamischen Prozessen, die zu einer sekundaren Ubersandung der Standorte fuhren.171 Die Strand- und Dtinenbiotope weisen Gefahrdungsklassen zwischen gefahrdet und stark gefahrdet auf. Von besonderer Bedeutung stellen sich die zu diesem Okosystem gehorenden Strandseen dar. Sie sind durch Flachenverlust von vollstandiger Vernichtung bedroht und auch qualitativ stark gefahrdet. Aus der Ge168 169 170 171

Pott, Biotoptypen, S. 134. Pott, Biotoptypen, S. 134 f. Purps/Lutz/Schmiedel, Naturschutzarbeit in M-V, 2/96, S. 61. Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 159.

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l.KapitelKonfliktanalyse

samteinschatzung der regionalen Gefahrdungen resultiert die Befiirchtung vor einer vollstandigen Zerstorung. Als ahnlich gefahrdet mtlssen die feuchten Dtinentaler der Ostseekuste eingeschatzt werden.172 Ebenfalls von vollstandiger Vernichtung bedroht sind die Buchenbuschwald-Biotope auf Kiistendtinen. Strandwalle, Strandwiesenkomplexe, Sandbanke, Sand-, Geroll- und Blockstrande mit iiberwiegend einjahriger Vegetation sind dem Lebensraumtyp ,,Spiilsaume des Meeres mit Vegetation aus einjahrigen Arten" (Natura 2000 Code 1210) zuzuordnen.173 Standorte in fortgeschrittenen Sukzessionsstadien imterfallen ,,Ger6ll- und Kiesstranden mit Vegetation aus mehrjahrigen Arten" (Natura 2000 Code 1220). Die FFH-RL ordnet Strandseen als prioritaren Lebensraumtyp (Natura 2000 Code *1150) ein. Strandseen sind gesetzlich nicht ausdrucklich geschiitzt, gleichwohl diirfte ein Groflteil als Bestandteil mariner Haken gesetzlich geschiitzte Geotope darstellen.174 Demgegentiber werden Geroll- und Blockstrande sowie Strandwalle vom gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 Nr. 6 BNatSchG, § 20 Abs. 1 Nr. 5 LNatG umfasst.175 Die gesamte Palette der Dtinenformationen wird sowohl durch die FFH-RL, als auch durch den gesetzlichen Biotopschutz einem relativ weitreichendem Rechtsregime unterstellt. FFH-Lebensraumtyp sind Primardtmen (2110), WeiBdunen mit charakteristischem Strandhafer (2120), Sanddorn- und Kriechweidengebiische der Kiistendtinen (2160, 2170) sowie bewaldete Kiistendiinen (2180) und feuchte Dunentaler (2190). Als prioritare Lebensraumtypen erfahren die an der siidostlichen Ostseekuste vorkommenden Graudiinen mit krautiger Vegetation (*2130) sowie die mit Krahenbeerheide und Calluna-Gesellschaften bewachsenen Dunenformationen (*2140, *2150) ein starkes Schutzregime. Buchenbuschwald-Biotope auf Kiistendtinen sowie Eichen-Trockenwalder und trockener Sandkiefernwald sind dem Lebensraumtyp ,,Bewaldete Kiistendiinen der atlantischen, kontinentalen und borealen Region" (Natura 2000 Code 2180) zuzuordnen. Alle Dtinenformen, auch die bewaldeten, stehen unter gesetzlichem Biotopschutz.176 Die unterschiedlichen Diinenformationen sind auch in ihrer Eigenschaft als Sekundarbiotope nach der FFH-RL und § 30 Nr. 6 BNatSchG i.V.m. § 20 LNatG M-V geschiitzt. Unerheblich ist, aus welchem Grand und auf welche Weise sich die Flachen zu bestimmten Biotopen entwickelt haben.177 Entscheidend ist insoweit nur die konkrete Auspragung als Biotop. Keine Rolle spielen mittelbare oder unmittelbare anthropogene Einfliisse, die zur Entwicklung der Biozonosen fuhrten oder diese beeinflussten. Daher ist fur die Einordnung der Diinen als geschiitzte Lebensraume deren urspriingliche Zweckbestimmung als Hochwasserschutzanlage und deren u.U. kiinstliche Aufspiilung oder Aufschiittung dann ohne Belang, wenn sie im Laufe

172 173 174 175 176 177

Riecken et ah, Rote Liste Biotoptypen, S. 40. Ssymank et al, Natura 2000, S. 118. Vergleiche § 20 II Nr. 4 LNatG M-V. Vergleiche auch Anlage 1, Pkt. 5.2 LNatG M-V (Strandwalle). Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 91 ff. Schmidt- Rantsch, A., in: Gassner et al., BNatSchG, § 20c Rn. 4.

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der siidlichen Ostsee

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der Zeit durch hydrodynamische, geomorphologische und vegetative Prozesse naturlich oder naturnah uberformt wurden.178

3. Salzwiesen Natiirliche Salzwiesen sind an der Ostsee im Unterschied zur Nordsee durch Verlandung von Strandseen entstanden und relativ selten. Die ausgedehnten, landschaftspragenden Schlicksalzwiesen an den Boddenkilsten sind demgegenuber anthropogen beeinflusst. Sie haben sich seit dem Mittelalter auf periodisch tiberfluteten Niederungsstandorten unter Einfluss von Beweidung und Mahd herausgebildet. Dabei entstanden durch Schlickablagerungen aufgrund zeitweiser Uberfiutungen, Ansammlungen von Pflanzenresten, Weidetiertritt und standigem Salzwassereinfluss Salzwiesentorfe und in dessen Folge Kustenuberflutungsmoore.179 Naturbelassene Salzwiesen, d.h. Salzweiden, die noch einer periodischen Uberflutung unterliegen, weisen eine betrachtliche Artenvielfalt180 und eine hohe Lebensraumdiversitat181 auf. Unter den euhalinen Bedingungen der sildwestlichen und westlichen Ostsee haben sich hauptsachlich Andel- und Bottenbinsenrasen entwickelt. Dazu gehoren u.a. Andelgras (Puccinella maritima), Salz-Binse (Juncus geradii), Strandaster {Aster tripolium), Gemeiner Strandflieder {Limonium vulgare), Rot-Schwingel und Gemeine Grasnelke (Armeria maritima). Kleinflachig sind gefahrdete Arten wie Gemeine Natternzunge (Ophioglossum vulgatum), mehrere Arten des Tausendgiildenkrautes {Centaurium spec?), haufig als StrandTausendguldenkraut {Centaurium littorale), und Erdbeer-Klee {Trifolium fragiferurn) vertreten. Darilber hinaus beherbergen Salzwiesenpflanzen eine Vielzahl endemischer Insekten. Insbesondere ftir Salz- und Kiistenkafer stellen Salzwiesen neben Spiilsaumen mit anschlieBendem Magerrasen ein wichtiges Riickzuggebiet dar. So sind 22 von 24, d.h. 92% der im Gebiet vorkommenden exklusiven Salzund Kustenlaufkaferarten in der Roten Liste der Ostseekiiste erfasst.182 Salzwiesen stellen ideale und haufig die einzigen Brutplatze fur teilweise vom Aussterben bedrohte wiesenbriitende Limikolen dar. Diese sind bei ihrer Reproduktion existenziell auf das Vorhandensein naturlicher Salzwiesen angewiesen. Auch als Rastgebiete fur nordische Durchzilgler sind Salzweiden von Bedeutung. Die stark spezialisierte Flora und Fauna auf Salzwiesen ist von eng begrenzten Rahmenbedingungen abhangig. Zum Ausdruck kommt die starke Standortpragung in der Tatsache, dass ca. 75% der Bliitenpflanzen und ca. 50% der Tierarten in anderen Biotopen nicht iiberlebensfahig sind. Ihr Fortbestand ist folglich vom

178 179 180

181 182

Siehe dazu ausfiihrlich 6. Kapitel § 16 B. II. 1. Vergleiche auch Kowatsch/Fock/Kohler/Walter, Landnutzung, S. 24. In Mecklenburg-Vorpommern sind inkl. der Ruckstaubereiche von Fltissen noch ca. 20% der potentiellen Kustenilberflutungsmoore in einem naturnahen Zustand, die Halfte davon entfallt auf Salzwiesen, vgl. Boedeker/Knapp, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 225 a.E. und Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kilstenschutz, S. 38. Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 47. Miiller-Motzfeld, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 29ff., m.w.N.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Vorhandensein des Salzgriinlandes abhangig.183 Dafur ist ein periodisch wiederkehrender Salzwassereinfluss unabdingbar. Auch bei geringen anthropogenen Beeinflussungen der hydrographischen Faktoren ist die Funktionsfahigkeit der die Wiesen durchziehenden Priele von ausschlaggebender Bedeutung, da liber sie das Ein- und Ausstromen des Boddenwassers erfolgt.184 Die Besonderheit der BoddenSalzwiesenphytozonosen ist, dass das Einstellen jeglicher anthropogener Einwirkungen auf das Okosystem zu einem Verdrangen der Halophyten durch limnische Pflanzengemeinschaften flihren kann. Damit waren zudem Auswirkungen auf wiesenbriitende Limikolen verbunden.185 Um die terrestrischen Halophytengemeinschaften zu erhalten, kann daher eine regelmaBige extensive Beweidung angezeigt sein. Im Rahmen der weiteren Entwicklung der Weiden ist naturschutzfachlich zwischen dem Zulassen einer natiirlichen Sukzession und dem Erhalt des Charakters als Salzwiese zu entscheiden.186 Soil der halophile Charakter erhalten werden, kann auf Grundlage fachlich abgestimmter Entwicklungsplane eine extensive Bewirtschaftung/Beweidung notwendig sein. Natiirliche (Iberflutungsgebiete wirken tiberdies als Nahrstoffsenken. Bei jahrlich mehrmaligen Uberflutungen werden die im Gewasser enthaltenen Nahrstoffe auf die Salzgrasflachen transportiert und dort von der Vegetation absorbiert. Durch diese Pufferfunktion konnen periodisch uberflutete Salzweiden einen erheblichen Beitrag zu Schadstoffilterung und Verringerung der Eutrophierung leisten.187 Damit ware der Rilckgang des Phytals, welcher durch die zunehmende Eintrtibung des Wasserkorpers und die damit verbundene Lichtabnahme in Wassertiefen unter zwei Metern begunstigt wird, zu vermindern. Da der Bewuchs des ufernahen Benthals mit ausgedehnten Makrophytenfeldern die Erosionsfestigkeit erhoht, sind weitflachige, einem natiirlichen Uberflutungsregime unterliegende Salzwiesen in der Lage, positive Akzente fur den Kiistenschutz zu setzen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die von Salzwiesen besiedelten Kiisteniiberflutungsmoore hinsichtlich ihrer Funktion fur den Artenschutz an den Kiisten der siidlichen Ostsee von alien Habitattypen eine herausragende Stellung belegen. Bedeutsam ist ihre Funktion als Nahrstoffilter fur die Verminderung der Eutrophierung. Die noch intakten naturnahen Salzwiesen der Ostsee sind insgesamt als gefahrdet und als nur bedingt regenerierbar einzustufen.188 Sie sind dem Lebensraumtyp 183 184 185

186 187 188

Guiard, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 100. Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (85), S. 229 f. Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (85), S. 229 f. mit dem Nachweis, dass die beschriebenen Vegatationsveranderungen eine um ein Vielfaches erhohte Besiedlung mit Lachmowen und Schwalbenarten nach sich zog, die ihrerseits durch N2 Ausscheidung die Sukzession auslosen konnten. Kritisch zur Beweidung natilrlich entstandener Salzwiesen an der AuBenkiiste jedoch Jahresbericht des UBA 97, S. 71. Purps/Lutz/Schmiedel, Naturschutzarbeit in M-V, 2/96, S. 61 f. Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder, S. 90 I; Boedeker/Knapp, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 225 f. Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 39 (nationaler Biotopcode 08.01).

§ 3 Naturraumliche Verhaltnisse der sudlichen Ostsee

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,,Salzgriinland des Atlantiks, der Nord- und Ostsee mit Salzschwaden-Rasen" (Natura 2000 Code 1330) zuzuordnen. Dieser Lebensraumtyp umfasst sowohl das supralitorale, als auch das untere und das hohergelegene Salzgrilnland der Ostsee.189 Die Salzwiesenkomplexe unterfallen sowohl bundes- wie landesrechtlich dem gesetzlichen Biotopschutz.190

4. Steilkusten und Kiistenwalder Steilktisten sind naturlich offene Sonderstandorte mit AbMngen zwischen 45% und 90% Neigung. Unterschieden wird zwischen aktiven Kliffs, die aufgrund der geomorphologischen Situation einer besonderen Dynamik unterliegen und inaktiven ,,toten" Kliffs, welche nicht mehr als Sedimentlieferant im kustendynamischen Prozess fungieren. Der Lebensraum eines aktiven Kliffs wird ganz wesentlich von der Intensitat des Abbruchs bestimmt. Diese Habitate beherbergen Phytozonosen, die iiber Pioniervegetation an der Abbruchkante, Magerrasen mit WeiBdornbiischen (Crataegus spec.) bis zu Sanddorngebilsch (Hippophae rhamnoides) reichen. Moglich ist auch die Besiedlung mit Pionier- und dauerhaftem Wald. Die Pionierfluren bestehen an lichtintensiven Standorten unter anderem aus Hufiattich (Tussilago farfara), Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense), Ackerwinde (Convovulus arvensis) und Acker-Kratzdistel (Cirsium arvense), teilweise auch aus gefahrdeten Arten wie Leberblilmchen (Hepatica habilis) und RauhaarVeilchen {Viola hirta). Die Vegetation an inaktiven Kliffs ist dagegen bestandiger. Neben Pionierarten sind sie haufig von einer dichten Vegetationsdecke iiberzogen und zeichnen sich durch ein reichhaltiges Arteninventar aus. Kennzeichnend fur diesen Standort ist eine Besiedlung der Abhange mit gebiischreichen Niederwaldern. Auf Gerollstranden vor inaktiven Kliffs bildet Echter Meerkohl (Crambe maritima) partiell groBe Bestande. Oberhalb von Steilkiisten entwickeln sich oft bliitenreiche, nahrstoffarme Trockenrasenfluren, die haufig seltene Bliitenpflanzen wie Besenginster (Sarothamnus scoparius) und Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium) beherbergen. Steilkiisten sind wichtige Brutbiotope der Uferschwalben (Riparia riparia) und Brandganse {Tadorna tadorna). Sonnige Standorte werden auch von Insekten und Eidechsen bevorzugt aufgesucht. Dauerhafte Waldbestande entwickeln sich im weiteren Verlauf der Sukzession an Flachktlsten und stellen als Rotbuchenwald das Klimaxstadium dar. An feuchten Standorten ist das Endstadium eher als Erlenbruchwald erlebbar.191 Die Kilstenregion in Mecklenburg-Vorpommern muss im Vergleich zu anderen Landesteilen als waldarm eingeschatzt werden. Dariiber hinaus ist das Altersklassenverhaltnis aufgrund von Reparationsleistungen nach 1945 gestort. Die vorhandenen Altholzbestande sind jedoch wichtiger Lebensraum einer Vielzahl unterschiedlichster 189 190

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Ssymank et al, Natura 2000, S. 131. Siehe auch Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 88 f. Mecklenburg-Vorpommern gewahrt Salzwiesen ab einer Flache von 1000m2 nach Anlage 1, Pkt. 5.4 LNatG M-V gesetzlichen Biotopschutz. Zum Ganzen Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 88f., 97 ff.; interessant auch Purps/Lutz/Schmiedel, Naturschutzarbeit in M-V, 2/96, S. 65 ff.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Arten. Gerade alten Buchenwaldern kommt eine herausragende Rolle bei der Bestandssicherung von Siebenschlafer, Schwarzspecht (Drycopus martins), Hohltaube (Columba oenas), Schreiadler (Aquila pomarina)192 und verschiedener Fledermausgattungen zu. Nicht nur auf Buchenwalder beschrankt ist das Vorkommen des Seeadlers (Haliaeetus albicilla) im Kustenbereich; alte Kiefernwalder werden ebenfalls angenommen. Kleine Waldstilcke im Zusammenhang mit wechselfeuchten Offenlandschaften bieten dem Schreiadler (Aquilla pomarina) an der Ktiste wichtige Bruthabitate.193 Die Biotopgemeinschaften der Ostseesteilkiisten werden in die Kategorie ,,gefahrdet" eingeordnet. Ausnahme sind die Kreidekustenabschnitte, die sich gegenwartig als nur potentiell gefahrdet darstellen.194 Sie sind als Lebensraumtyp ,,Atlantik-Felskusten und Ostsee Fels- und Steilkusten mit Vegetation" (Natura 2000 Code 1230) europarechtlich zu schiitzen. Steilktistenbiotope und -geotope195 sind vom gesetzlichen Biotopschutz erfasst.

192 193

194 195

Hart, Naturschutz heute, 3/00, S. 40 ff. Zur speziellen Gefahrdungslage in Vorpommern siehe Hart, Naturschutz heute, 3/00, S. 40 ff. Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 40 (nationaler Biotopcode 11.02, 11.04). 8 20 Abs. 2 Nr. 4 LNatG M-V.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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§ 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen A. Elemente des Kustenschutzes Naturraumlich kennzeichnend fur die siidwestliche Ostseekilste ist deren, verglichen mit den deutschen und niederlandischen Nordseekilsten, geringere Bebauung mit Kilstenschutzanlagen.1 Gleichwohl sind auch an der Ostseekiiste erhebliche Anstrengungen unternommen worden, Aufien- und Binnenkuste durch KiistenschutzmaBnahmen zu sichern. Nachfolgend werden die einzelnen Kiistenschutzanlagen vorgestellt, deren Funktionsweise beschrieben sowie ihre Auswirkungen auf die geomorphologischen und biotischen Verhaltnisse an der Kiiste erlautert.2

/. Erosionschutz 1. Buhnen Buhnen sind meist auf dem Land beginnende wand- oder dammartige Bauwerke quer zur Uferlinie. Mit ihnen wird eine Verminderung der ufernahen Brandungslangsstromung und des daraus resultierenden kiistenparallelen Sedimenttransports bezweckt.3 Die angestrebte Akkumulation von Sand im stromungsberuhigten Buhnenfeld fuhrt zu einer Abnahme der auf den Strand einwirkenden Wellenenergie.4 Gleichzeitig sollen Buhnen als Sandfanger fungieren und so der Verbesserung des Strandes und dem Dilnenaufbau dienen.5 Sie werden an Flachkustenabschnitten und Steilkiisten verwendet. Buhnen sind Kustenschutzanlagen, deren Wirkung auf der Beeinflussung der Kiistendynamik beruht. Mit ihnen wird eine Verzogerung des Sedimenttransportes wahrend der hydrodynamischen Normalsituation bezweckt. Das mit ihnen verfolgte Ziel der Strandverbreiterung und der Dunenbildung und -verstarkung dient zugleich dem Hochwasserschutz. Buhnen werden seit Mitte des vorigen Jahrhunderts an der deutschen Ostseekiiste in unterschiedlichen Bauweisen eingesetzt. Zum Einsatz kamen Holzpfahlbuhnen mit Geroll oder Steinfullung, mit Senkfaschinen oder einfache ein- oder zweireihige Pfahlreihen in geschlossener oder offener Ausfuhrung.6 Seit einigen Jahren werden auch Kastenbuhnen mit Beton-

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Sterr, in: Schellnhuber/Sterr, Klimaanderung, S. 156. Erschopfende Darstellung der bis heute eingesetzten Kustenschutzbauwerke sowie zu deren optimalen Beschaffenheit bei Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Ktistenschutz, S. 546 ff.; vgl. auch Burchardt, Design of Coastal Structures, S. 66 ff. Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 42; Lopez, Kuste und Ktistenschutz; Hochwasserschutz in der DDR, S. 99. STAUN Rostock, Buhnenbau (Faltblatt, 1999). Von Billow, Geologie 53, S. 8. Weiss, in: Kramer/Rohde, Historischer Ktistenschutz, S. 546 f., 555, m.w.N.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

abdeckung und Stahlsicherung gebaut.7 Buhnen haben sich als stromabweisende Bauwerke zur Verminderung der Langsstromung teilweise bewahrt. Hier kann der Landabtrag verringert werden.8 Wo durch das senkrechte Auftreffen der Brandungsstrfimung jedoch kaum uferparallele Stromungen entstehen, bleibt ihr Einfluss auf die Naturkrafte aber gering.9 Buhnensysteme stellen Fremdkorper im natiirlichen Kiistengeschehen dar. Neben den beabsichtigten positiven Effekten auf die Sedimentation sind mit ihnen zugleich negative Auswirkungen auf die Sedimentsituation verbunden. Den Sedimenttransport wirksam beeinflussende Buhnen (etwa an Stellen mit starken LangsstrOmungen) fuhren u.a. zu einer Versteilung des Vorstrandes und der Schorre, wodurch die Seegangsbelastung auf die Kiiste zunimmt. Buhnensysteme konnen zudem in ihrem Bereich befindliche Sandbanke, die erosionsschtitzend wirken, weiter seewarts vor das Buhnenfeld verlagern. Da die seegangsdampfende Wirkung der Sandbanke in groBeren Tiefen abnimmt, wird im Ergebnis dem kiistennahen Transport Material entzogen und dadurch die Sedimentbilanz des betroffenen Kiistenabschnittes negativ beeinflusst.10 Uberdies konnen am seeseitigen Buhnenkopf, abhangig von der Lange der Buhne, Auskolkungen stattfmden. Der damit verbundene Sedimentverlust kann in Extremfallen hoher sein als der Gewinn am dazugehorenden Buhnenfeld.11 Insgesamt fiihrt die durch Buhnenfelder entstehende Verzogerung des Sedimenttransportes zu einer Verschlechterung der Materialsituation leewartig der geschiitzten Bereiche. Die Verringerung des Sedimentnachschubes bewirkt dort eine erhohte Abrasion. Die mit Buhnenbauten erhoffte Verbesserung des Strandes und die Forderung des Diinenaufbaus erfolgt nicht immer. Es wurde nachgewiesen, dass eine dauerhafte Verbreiterang des Strandes nur dort stattfand, wo ein sandreicher Kiistenstrom bereits vorhanden war, mithin der Strand schon von Natur aus zur Ansandung neigt. An Stranden mit negativer Sedimentbilanz scheint dauerhaft kein positiver Effekt einzutreten.12 So ist z.B. an der AuBenkiiste der Halbinsel Fischland, trotz des massiven Einsatzes unterschiedlichster Buhnenarten seit nunmehr ilber hundert Jahren, ein ungebremster Kustenrilckgang nachzuweisen.13 Buhnenanla7 8

9 10

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12 13

Kilstenschutz in M-V, S. 38. Bereits im Jahre 1958 (!) die Wirkung von Buhnen insgesamt skeptisch beurteilend: Kensy et al., Taschenbuch Hochwasserschutz, S. 67. Ahnlich die Einschatzung von Lamprecht, Wasserwirtschaft 57, S. 117 fur die Wirkung von Buhnen auf Sylt. Lopez, Kiiste und Kilstenschutz in Deutschland, o.S. Eindringlich von Btilow, Geologie 53, S. 67 f., fur alle statischen Bauwerke, die erosionsbeeinflussend wirken: Charlier/DeMeyer, Coastal Erosion, S. 4. Von Billow, Geologie 53, S. 68. Im Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 42 wird darauf hingewiesen, dass die vorherige Beurteilung der Wirksamkeit eines Buhnensystems im konkreten Fall nicht moglich ist. Von Billow, Geologie 53, S. 69; Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 556. In den letzten 100 Jahren lag der dortige Kilstenruckgang bei 0,46 m/Jahr, in der ersten Halfte des 20. Jahrhundert sogar bei 0,56 m/Jahr, obwohl zu dieser Zeit die meisten Buhnenanlagen vorhanden waren, vgl. Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 556.

§ 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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gen vor aktiven Kliffs mit dem Ziel, Kliffabbriiche zu verhindern, bleiben selbst beim Vorhandensein ausgepragter Langsstromungen langfristig wirkungslos.14 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Wirksamkeit von Buhnenbauten im Hinblick auf die Verbesserung der Sedimentbilanz nur eingeschrankt gegeben ist.15 Unter Beriicksichtigung der moglichen negativen Auswirkungen auf die Sedimentbilanz muss ihr Einsatz zumindest teilweise als problematisch bewertet werden.

2. Wellenbrecher Wellenbrecher sind kustenparalle Bauwerke, die seewartig der Uferlinie auf dem Meeresboden errichtet werden. Sie befinden sich i. d. R. in einer Wassertiefe von 2 bis 4 Metern und besitzen Kronenhohen von 0,5 m unter MW bis ein Meter liber MW. Sie dienen der Verminderung des Wellenenergieeintrages auf das in ihrem Schutze liegende Ufer durch Verringerung und Richtungsanderung des Seegangs und der Brandungsstromung.16 Beabsichtigte Hauptwirkung ist eine Seegangsdampfung, wobei der kustenparallele Sedimenttransport aufrecht erhalten werden soil.17 Wellenbrecher werden an der mecklenburgisch-vorpommerschen Ostseekiiste seit den siebziger Jahren eingesetzt. In den letzten Jahren erfolgte eine Ausweitung dieses Schutzsystemes. Der Einsatz von Wellenbrechern erfolgt in erster Linie an exponierten Kiistenabschnitten mit vorwiegend senkrecht auftreffender Seegangsbelastung, da diesem durch Buhnen kaum entgegengewirkt werden kann. Die Verringerung des Energieeintrages auf die Kiiste fuhrt nicht nur zu einem Schutz des Ufers. Aufgrund der veranderten Stromungsbedingungen kommt es zu Sedimentablagerungen im Bereich zwischen der Uferlinie und dem Standort des Wellenbrechers.18 Damit ist auch eine Beeinflussung des normalen ufernahen Sedimenttransportes verbunden. Die konstruktive Nahe von Wellenbrechern zu natiirlichen Gerollformationen filhrte in der Vergangenheit dazu, sie als naturgemaBen Kiistenschutz zu beurteilen.19 Diese Einschatzung betraf jedoch ausdriicklich flache, kilnstlich errichtete Steinwalle unter der Wasseroberflache, die ein Ubersteigen des von See kommenden Sandes ermoglichten. In erster Linie sollte verhindert werden, dass der strandwarts beforderte Sand vom Sog wieder zuriickgerissen wird.20 Durch die massive Bauweise der heutigen Wellenbrecher wird in deren Schatten langfristig eine relativ stabile Uferlinie erreicht. Aufgrund der mit ihnen zugleich verbundenen Verzogerung des Sedimenttransportes tritt demge14 15 16 17 18 19 20

Von Billow, Geologie 53, S. 124. Im Umweltbericht M-V 96, S. 69, wird die relative Unwirksamkeit von Buhnensystemen in mittelfristigen Zeitraumen festgestellt. Kiistenschutz in M-V, S. 39; Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 562; Burcharth, Design of Coastal Structures, S. 66. Weiss, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 95. Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 43; Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 562. Won Biilow, Geologie 53, S. 76. Von Biilow, Geologie 53, S. 74.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

geniiber eine Verschlechterung des Sedimenthaushaltes in leewarts belegenen, nicht geschiltzten Uferstrecken ein. Letzeres ist vor allem bei Wellenbrechern vor aktiven Kliffs zu beflirchten. Uberdies konnen Wellenbrecher die touristische Nutzung eines Strandes erheblich einschranken.

3. Uferlangswerke Bautechnische Sicherungen landseitig der Kustenlinie werden als Uferlangswerke bezeichnet. Im Einsatz an Flach- und Steilkiisten sind Deckwerke und Steinwalle, an Steilkiisten dartiber hinaus auch Ufermauern .21 Deckwerke sind bauliche MaBnahmen zur dauerhaften Sicherung von gefahrdeten Diinen und Deichen. Sie bestehen aus Boschungs-, FuB - und Kronenbefestigungen. Als Befestigungsmaterial werden entweder flachenhafte Belage (z.B. Beton) oder Packwerke aus Natur- oder Betonstein verwendet.22 Als Steinwalle werden kunstlich errichtete, dammartige Bauwerke bezeichnet, die sich im Unterschied zu Wellenbrechern an der Uferlinie befinden. Sie bestehen aus Findlingen oder Bruchsteinen und dienen dem vollstandigen oder teilweisen Fernhalten der Seegangsbelastung von Dime oder Kliff.23 Ufermauern sind Bauwerke, die direkt am FuB eines Steilufers errichtet werden. Sie sollen eine Unterspiilung des Kliffs bei Extremwasserstanden verhindern. Dadurch wird der natiirliche Uferabbruch einer aktiven Steilkuste unterbunden.24 Anders als Buhnen und Wellenbrecher halten Uferlangswerke die Seegangsbelastung von der Kiiste fern und unterbinden damit die geomorphologischen Prozesse im Schutzbereich der Bauwerke nahezu vollstandig. Massive Langswerke bieten daher einen fast absoluten Schutz der umbauten Bereiche vor dem Ruckgang der Kustenlinie. Das vollstandige Ausschalten der naturlichen Vorgange ist jedoch mit einer Vielzahl von negativen Begleiterscheinungen verbunden. Eine Verminderung der Belastung auf Schorre und Vorstrand wird durch diese Anlagen nicht erreicht. Die dort weiterwirkenden Krafte fiihren zu einer Uferversteilung in Form einer Annaherung der Tiefenlinie an die Bauwerke und damit zu einer Verringerung ihrer Standfestigkeit.25 Schwerwiegende Konsequenzen haben Uferlangswerke an aktiven Kliffs zudem auf benachbarte Flachktistenbereiche. Das Herauslosen aktiver Kliffs aus dem System der Sedimentbereitstellung stort die gesamte Sedimentbilanz nachhaltig. Die Folge mangelnder Sedimentzufuhr ist somit eine wesentlich erhohte Abrasion der leewartigen Kiistenabschnitte.26 Als 21

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Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 43; Kiistenschutz in M-V, S. 41; Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 557. Kiistenschutz in M-V, S. 41. Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 44. Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 44; von Btilow, Geologie 53, S. 76. Lampe, Erdkundeunterricht 96; S. 370; Ausfuhrliche Darstellung bei Reinhard, Hiddensee, S. 129 ff. AusschuB fur Kiistenschutzwerke/HTG, Kiiste, 93, S. 348; von Btilow, Geologie 53, S. 76 f.; Lampe, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 95; Reinhard, Hiddensee, S. 127; Scherenberg, Gemeinde 80, S. 407.

§ 4 Ktistenschutz — Methoden und Auswirkungen

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Beispiel mag der Bau der Huckemauer am Dombusch auf der Insel Hiddensee dienen. Die Ufermauer fiihrte zwar zu einer dauerhaften Stabilisierung der Hucke selbst, infolge des Ausbleibens des Sedimentnachschubes traten aber um ein Vielfaches erhohte Kiistenriickgange an den sich sudlich der Ufermauer anschlieBenden Kiistenabschnitten der Ortschaften Kloster und Vitte auf. Zum Schutz der Ortschaften wurden umfangreiche SicherungsmaBnahmen erforderlich, in deren Folge eine uferparallele Gerollpackung bis sudlich von Kloster verlegt wurde.27 Die Schorrevertiefung vor der Huckemauer fuhrte innerhalb von ca. 15 Jahren zur Herausbildung einer ausgepragten Unterwasserboschung, wobei sich die Tiefenlinien schneller landwarts verlagerten als der sichtbare Uferlinienruckgang dies zeigte.28 Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass mit Uferlangswerken ein hoher Schutz selektiver Kiistenbereiche vor Rtickgang moglich ist. Es ist jedoch ein Axiom der Kiistenveranderung, dass die Angriffskraft der See mit der Versteifung des ihr entgegengesetzten Widerstandes wachst.29 Uferlangswerke als statische Bauwerke, die auf die geomorphologischen Prozesse einwirken sollen, sind mit dem dynamischen Charakter der siidlichen Ostseektiste daher nicht vereinbar.30 Ihr Einsatz fiihrt zu einem ,,Herauspraparieren" der geschiitzen Uferabschnitte aus der normalen, durch den kiistendynamischen Prozess geformten Gesamtkiiste. Sie stellen selbst innerhalb einer von KustenschutzmaBnahmen beeinflussten Kiistenlinie Fremdkorper dar. Zudem konnen Uferlangswerke, insbesondere Steinwalle und Deckwerke die touristische Nutzung und die Attraktivitat eines Strandes erheblich beeintrachtigen.

4. Strandaufspiilungen Durch Strand-, Schorre und Dtinenaufspiilungen wird versucht, dem Kustenriickgang von einem anderen Ansatz her zu begegnen. Wahrend die beschriebenen KustenschutzmaBnahmen das Ziel verfolgen, die ufernahen Sedimente im Kilstenbereich zu halten, die geomorphologischen Prozesse zu verlangsamen und die Wellenenergie vom Ufer fernzuhalten, wird mit Sedimentaufspiilungen versucht, das durch den kiistendynamischen Prozess wegtransportierte Material wieder aufzufullen. Aufsptilungen sind demnach das kunstliche Zufuhren von Sediment im strandnahen Bereich, welches dem natiirlichen geomorphologischen Prozess unterworfen werden soil, um so die mangelhafte natiirliche Sedimentanlandung zu kompensieren.31 Dazu wird Sand vom Meeresboden des Festlandsockels entnommen und dieser je nach Bedarf am Strand, Vorstrand, Schorre oder an Dunen angelandet. Strandaufspiilungen werden an der deutschen Ostseekilste seit den 60er Jahren vorgenommen. Heute erfolgen Forderung und Aufspiilung in der Regel hydraulisch. Aufspiilungen gehoren zu den dominierenden Verfahren bei der Si27 28 29 30 31

Schilderung bei Reinhard, Hiddensee, S. 127 ff. Von Bulow, Geologie 53, S. 129. Von Bulow, Geologie 53, S. 76. Kustenschutz in M-V, S. 4 1 . Burchardt, Design of Coastal Structures; S. 66; Hochwasserschutz in der DDR, S. 104.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

cherung sandiger Riickgangskiisten.32 Ihnen liegt die Erkenntnis zugrande, dass alle anderen KiistenschutzmaBnahmen als mehr oder weniger feste Einbauten in Strand und Schorre den Kiistenriickgang nur unzureichend bremsen konnen. Mit Strandaufsptilungen wird das letzte Glied der Kausalkette beeinflusst und damit der Kiistenausgleichsprozess grundsatzlich anerkannt. Da die angespiilten Sedimente als Prozessmaterial dienen, sind regelmaBige Wiederholungsaufspiilungen in Zeitraumen von sechs bis zehn Jahren erforderlich.33 Sedimentaufspiilungen konnen negative Sedimentbilanzen nur teilweise ausgleichen. Der Kiistenriickgang wird daher auch mit Sandaufspiilungen nicht zum Stillstand gebracht. Hinzu kommt, dass die vom Meeresboden geforderten Sande in der Regel feinkorniger sind und infolgedessen einer verstarkten Abrasion unterliegen.34 Um die aufgespiilten Sedimente dennoch moglichst lange an der Kiiste zu halten, wird gefordert, diese vorrangig fur das Auffullen der Dtinenkorper zu verwenden, da hier ein Verlust des angespiilten Materials nur bei Sturmhochwassern erfolgt und nicht schon wahrend der Normalsituation, wie es bei Ansandungen auf Strand und Schorre der Fall ware.35 Dem Schutz der Kiisten durch Sandaufspiilungen sind zudem natiirliche Grenzen gesetzt. Die marinen Sandlagerstatten sind als Produkt glaziofluvialer Genese nicht regenerierbar. Insbesondere bewirkt der kiistensenkrechte Transport der feinen Sedimentbestandteile keine Wiederauffiillung. Auch wenn die Lagerstatten beim gegenwartigen Abbau sicherlich noch einige Jahrzehnte reichen, ist ein dauerhafter Schutz der Kiiste durch Aufsptilungen genauso wie der flachenhafte Einsatz nicht realisierbar.

//. Uberflutungsschutz 1. Dunen Diinen spielen fur den Kiistenschutz in Mecklenburg-Vorpommern eine wichtige Rolle, da sie auf einer Lange von 105 km der insgesamt 226 km umfassenden AuBenflachktiste den Uberflutungsschutz alleine, ohne weitere Sicherungen wie z.B. Deiche, tibernehmen.36 Sie werden deshalb an dieser Stelle als Element des Uberflutungsschutzes klassifiziert, obwohl sie zugleich Teil des Sedimentkreislaufes sind und direkt wie indirekt auch die Morphodynamik der Kiisten beeinflussen.37 Auf naturlichem Wege entstehen Diinen, wenn getrockneter Sand vom Strand verweht wird und sich an Hindernissen fangt. Derartige Sandablagerungen werden als Dunen bezeichnet, sobald sie eine Lange von 10m iiberschreiten und eine H6he von mind. 10 cm erreichen.38 Da diese Formationen selbst ein Hindernis darstellen, fangt sich weiterer Sand an ihnen und die Diinenbildung schreitet voran. 32 33 34 35 36 37 38

Umweltbericht M-V 96, S. 69. AusschuB fur Kiistenschutzwerke/HTG, Ktlste 93, S. 348. Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406. Umweltbericht M-V 96, S. 69. Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz in M-V, S. 35. Siehe dazu sogleich und im 1. Kapitel § 4 B. III. 1. Schwarzer, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 30.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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Die das Anfangsstadium der Diinenbildung einleitenden Primardunen weisen kaum Vegetation auf. Sobald die Diinen hoher aufgeweht wurden und sich dauerhafte Vegetation ansiedelt, spricht man von WeiBdiinen. Sie sind bereits sehr stabile Dunenformationen und konnen Hohen bis zu 60 m erreichen.39 An der deutschen Ostseektiste ist die Hohe Dime bei Pramort auf der Halbinsel Zingst mit 10 m bis 15 m die hochste noch unbefestigte WeiBdiine.40 Natilrliche Dilnen bilden sich vorrangig an Stranden mit positiver Sedimentbilanz und stellen durch ihren Umfang einen wirksamen Schutz des Hinterlandes vor Uberfiutung dar. Im Unterschied zu den seltenen naturbelassenen Dunenformationen ist der Hauptanteil der als Hochwasserschutzdiinen fungierenden Sandwalle kiinstlich beeinflusst. Die Notwendigkeit einer solchen Beeinflussung wird in der geringen Machtigkeit der meisten natilrlichen Diinen gesehen. Sie sind zu einem wirkungsvollen Hochwasserschutz in der naturgegebenen Auspragung nicht in der Lage.41 Die erste MaBnahme, Dilnen zu erhalten oder zu vergroBern, besteht in der Anlage von Buhnenfeldern und der Durchfuhrung von Sandaufspillungen. Als ingenieurbiologische MaBnahmen kommen Bepflanzungen mit sedimentbindenden Grasern hinzu.42 Diinen wirken auf die geomorphologischen Prozesse an Schorre und Strand in der Regel weniger als direkte Einbauten. Gleichwohl beeinflussen die beschriebenen MaBnahmen zum Aufbau und zur Erhaltung der Kilstenschutzdiinen die nattirliche Sedimentdynamik ganz erheblich. Die Festlegung von Wanderdiinen kann die Kiistendynamik auch direkt beeinflussen und ilberdies zugleich negativ wirken, z. B. wenn das festgelegte Material zum Landaufbau in Akkumulationsgebieten benotigt wird. Hier sind ahnliche Auswirkungen wie beim Schutz aktiver Kliffs moglich.43 Insgesamt sind Diinen - ebenso wie die anderen Einbauten an Schorre und Strand - nicht in der Lage, den dauernden Landverlust zu verhindern. tiberdies ist ihre Wirkung als Uberflutungsschutz begrenzt.44 In Abrasionsgebieten sind auch kiinstlich befestigte Diinen und ihre periodische seeseitige Verstarkung durch Aufspiilungen langfristig nicht in der Lage, den Schutz vor Uberfiutung sicherzustellen. Eine teilweise Verbesserung ist nur durch eine weitere land-

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Bei Leba im polnischen Slowinski-Nationalpark und in Litauen im Nationalpark Kurische Nehrung. Boedeker/Knapp, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 226 f. So wird fur einen wirksamen Schutz des Hinterlandes in den Fallen, in denen Dtinen ohne Kombination mit Hochwasserschutzdeichen eine Uberfiutung bei B H W verhindern sollen, eine Kronenhohe von 3,5 m iiber M W und eine Kronenbreite von 45 bis 50 m angegeben, siehe Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 564, ebenso Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 3. Generalplan Ktisten- und Hochwassrschutz M-V, S. 35. Reise, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 32 f. am Beispiel der Wanderdunen auf Sylt. Scherenberg, Gemeinde 80, S. 407; Lopez, Kiiste und Ktistenschutz in Deutschland, o.S.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

seitige Verstarkung moglich.45 Die mechanische Egalisierung und Verbreiterung des naturlichen kiistenparallelen WeiBdiinenwalls verhindert tiberdies die weitere natiirliche Entwicklung zu ausgereiften WeiBdiinenformationen und erscheint naturschutzfachlich iiberaus bedenklich.46

2. Ingenieurbiologische Malinahmen Unter ingenieurbiologischen MaBnahmen versteht man die Anpflanzung von Grasern, Buschwerk und Baumen mit dem Ziel der Befestigung von Kustenschutzanlagen sowie der Verringerang des Energieeintrags auf die Kiiste bei Sturmhochwasser. Bepflanzungen kilnstlicher Dilnen mit Strandhafer soil deren Stabilitat gegen Deflation verstarken und zu weiterem Hohenwachstum filhren. AuBerdem soil der Sandverwehung ins Hinterland entgegengewirkt und der Abrasionswiderstand gegen Sturmfluten erhoht werden.47 Die Ansiedlung hoherer GehQlze und Wald erfolgt an unterschiedlichen Standorten. Kiistenschutzwaldanpflanzungen an der Flachkuste hinter der Dime bzw. zwischen Dilne und Deich flihren zu einer Begiinstigung des Diinenaufbaus und Dilnenerhalts infolge der Windschutzwirkung und zur Verminderung der Bodenausraumung bei Uberflutung. Sofern hinter dem Schutzwald ein Deich vorhanden ist, sollen die GehQlze bei Uberflutung eine Wellendampfung und damit die Verringerung des Energieeintrages auf die Deichtrasse bewirken.48 Wald an der Kliffkante oder am Hang von Steilkiisten hat die Aufgabe, die mechanische Festigkeit des Steilufers aufgrund der Durchwurzelung des Bodens und der Reduzierung der Kliffdurchfeuchtung zu erhohen. Die Auswirkungen auf die Sedimentbilanz der durch Anpflanzungen geschiitzten Kilstenabschnitte ist differenziert zu bewerten. Die Bepflanzung von Diinen mit Strandhafer scheint die beabsichtigten Wirkungen zu haben, wenngleich eine natiirliche VergroBerung des Dtinenkorpers erschwert wird. Waldanpflanzungen an Flachkiisten haben keine Auswirkungen auf die geomorphologischen Verhaltnisse am Strand, es konnen aber negative Folgen im Hinterland auftreten.49 An Steilkiisten konnen kliffnahe Baume durch die Hebelwirkung den Kliffabbruch begiinstigen. Erschwerend wirkt, dass bei aktiven Kliffs die Kliffkante standig zuriickweicht und gegenwartig abseits stehende Schonungen im Laufe der Zeit in den gefahrdeten Bereich geraten. Sofern die Bepflanzung aktiver Kliffs den gewunschten Effekt hat und eine Bindung des Sediments erfolgt, treten die bereits 45 46 47 48 49

Ktistenschutz in M-V, S. 35. Ebenso Kensy et al., Taschenbuch Hochwasserschutz, S. 69. Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 105; Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (1985), S. 224. Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V, S. 44; Ktistenschutz in M-V, S. 4 1 . Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 546; Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V, S. 44; Ktistenschutz in M-V, S. 4 1 . So Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 105, der durch Waldanpflanzungen an der seeseitigen Flachkuste von Hiddensee die fur die Stabilitat der Dunenheide unabdingbare Wind-Sand-Dynamik gestort sieht, ebenso Jeschke, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 36.

§ 4 Kustenschutz - Methoden und Auswirkungen

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beschriebenen Beeintrachtigungen des Sedimenthaushalts an benachbarten Flachktisten, die vom Kliff mit Material versorgt werden, auf.50

3. Deiche Deiche werden abhangig von ihrer geographischen Lage in See- und Binnendeiche untergliedert. Seedeiche dienen dem Schutz der AuBenkiiste vor Uberflutung; Binnendeiche schiltzen die Bodden- und Haffkusten. Deiche wurden an der Kiiste Mecklenburg-Vorpommerns bis zur schweren Sturmflut vom 12./13.11.1872 nicht errichtet. Erst danach begann man mit der Errichtung von Seedeichen an besonders gefahrdeten Kiistenabschnitten der AuBenktiste.51 Heute ist ungefahr die Halfte der vom Kiistenrtickgang betroffenen Flachkilsten neben Diinen auch mit Seedeichen geschtitzt. An den Boddengewassern entstand ebenfalls eine Vielzahl von Deichtrassen. Die Gesamtlange der Deiche erster Ordnung betragt an der mecklenburgisch-vorpommerschen AuBen- und Binnenkilste 211 km.52 Anders als Diinen, deren Funktion es ist, Sturmfluten einen moglichst hohen Widerstand entgegenzusetzen, wobei die Zerstorung der Diinen in Kauf genommen wird, sollen Deiche die absolute landwartige Grenze des Vordringens extremer Sturmhochwasser darstellen. Entsprechend dieser Aufgabe muss die Deichhohe den jeweils hochsten anzunehmenden Wasserstand (Bemessungshochwasserstand) ilberragen. Dafur soil die Kronenhohe von Seedeichen je nach Lage 3, 5 m bis 4, 5 m betragen, die von Binnendeichen zwischen 2, 2 m und 2, 8 m.53 Um auch bei langer anhaltenden Hochwasserstanden die Deichfestigkeit zu erhalten, ist eine Verminderung des Energieeintrages auf den Deichkorper notwendig. Dazu dient das Deichvorland mit Strand, Dune und Kustenschutzwald. Deichtrassen beeinfiussen die naturlichen geomorphologischen Prozesse an der Kiiste kaum. Die Probleme hinsichtlich ihrer Schutzwirkung ahneln denen, die bereits bei kiinstlichen Diinen beschrieben wurden. Voraussetzung fur die wirkungsvolle Abwehr eines Sturmhochwassers durch Deiche ist neben einer ausreichenden Kronenhohe eine erfolgreiche Wellendampfung durch das Vorland. In Abrasionsgebieten tritt jedoch langfristig ein Flachenverlust auf, so dass sich die Kiistenlinie immer dichter auf Diine und Deich zubewegt. In der Folge erhohen sich die am Deich auftretenden Wellenamplituden; der mit Seegang und Brandungsstromung verbundene verstarkte Energieeintrag schwacht die Schutzanlage zusatzlich. Deiche sind feste Bauwerke. Sie unterliegen grundsatzlich keinen auBeren Einfiussen, die sie in Beschaffenheit oder ortlicher Lage verandern. Deichanlagen stellen in einer sich standig wandelnden Kiistenlandschaft Fremdkorper dar. Zwar sind Angleichungen an die kiistendynamischen Veranderungen durch standige Kronenerhohungen und MaBnahmen zur Steigerung der Deichfestigkeit moglich.54 50 51 52 53 54

Jeschke, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 36. Weiss, in: Kramer/Rhode, S. 543. Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 33, 53. Kustenschutz in M-V, S. 34. Weiss, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 95.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Um aber die wichtige seegangsdampfende Wirkung des Vorlandes zu erhalten, ist eine wirkliche Anpassung nur in Form eines periodischen Ruckbaus, verbunden mit dem Neubau von Deichtrassen im Kiistenhinterland, mo'glich. Voraussetzung dafur sind siedlungsfreie Raume hinter den bestehenden Deichlinien.

B. Auswirkungen von Kiistenschutzaktivitaten /. Allgemein: Kiistenschutz als Variabilitatsbegrenzung Die geschilderten naturraumlichen Verhaltnisse der siidwestlichen Ostseekuste, die noch hohe biologische Produktivitat55 und Diversitat diirfen nicht dariiber hinwegtauschen, dass die pflanzlichen und zoologischen Biozonosen der Kiistenlandschaften zu den am starksten gefahrdeten Organismengruppen und Okosystemen Mitteleuropas gehoren.56 Dabei spielen die direkt im Uferbereich angesiedelten MaBnahmen des Kiisten- und Hochwasserschutzes, zum Teil im Zusammenwirken mit anderen Belastungsfaktoren, eine nicht unerhebliche Rolle.57 Die Kustenr&ume besitzen aufgrund hoher Veranderungsraten ein hohes Reproduktionspotential. Voraussetzung fur eine Regeneration nach Storungen ist aber, dass die Variabilitat, d.h. die Vielfalt und die Veranderungsrate der Systeme, gewahrt bleibt. M. a. W.: Die Kustenokosysteme konnen sich nach anthropogenen Storungen, sei es durch vom Menschen verursachte Wasserspiegelanstiege oder KustenschutzmaBnahmen, nur solange wiederherstellen, wie den Systemen geeignete Raume zur Regeneration verbleiben. Dazu gehort insbesondere eine funktionierende geomorphologische Diversitat, die unterschiedliche Sukzessionsstadien ermoglicht und Flachen, auf denen sich die Variabilitat der Formen und Biotope verwirklichen kann. Ausgerechnet an dieser Stelle setzen KustenschutzmaBnahmen an. Unabhangig von ihren spezifischen Auswirkungen auf die biotischen Faktoren des Kiistenraumes reduzieren sie die Variabilitat der Kiistenlandschaft. Sie sind einerseits darauf gerichtet, die morphologische Diversitat, d.h. die Kustenausgleichsprozesse, durch erosionsbeeinflussende MaBnahmen zu vermindern. Andererseits lassen die statischen Anlagen des Uberflutungsschutzes den dynamischen Kilstenraum schrumpfen, verkleinern so die fur die Variabilitat notwendigen Raume und storen die Sukzessionsprozesse. Der Kiiste werden Entwicklungsraume fur die langsame Verlagerung der Habitate entzogen und die Regenerationszeitraume vom Men-

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Jeschke, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 34. Allgemein fur die Okosysteme der europaischen Kiisten KOM (95) 511 endg./2. Nachdem im vorigen Abschnitt die Elemente des Kiisten- und Hochwasserschutzes geschildert und in diesem Rahmen bereits deren Folgen auf die geomorphologische Situation beschrieben worden sind, erfolgt daher nun die Darstellung der Auswirkungen auf die biotischen Faktoren des Okosystems Kiiste.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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schen abgekiirzt.58 Der Mensch erhoht folglich durch die Begrenzung der Variabilitat die StQrungsempfindlichkeit der Kiistenokosysteme und vermindert damit gleichzeitig deren Kompensationsfahigkeit fur die von ihm selbst an die Kiiste herangetragenen zusatzlichen Storungen in Gestalt von Klimaveranderungen und Nutzungsinteressen.

//. Besonderheiten erosionsbeeinflussender MaRnahmen 1. Einbauten an Schorre und Strand Erosionsbeeinflussende Kustenschutzanlagen wie Buhnen, Wellenbrecher, Ufermauern und Deckwerke ziehen im Ergebnis vergleichbare Auswirkungen auf die biotischen Verhaltnisse der aquatischen Lebensraume nach sich. Die durch die Anlagen hervorgerufene Schorrevertiefung fuhrt zu einer Veranderung der Makrophytenvegetation. Die verschiedenen Arten des Phytals sind an bestimmte Tiefenzonen gebunden. Verschieben sich diese landwarts, erfolgt eine Verringerung des Flachwasserphytals zugunsten von Arten, die in tieferen Wasserschichten siedeln. Kiistenschutzbauwerke mit massiven Wirkungen auf die ufernahen Brandungslangsstromungen wie Buhnensysteme, Wellenbrecher, sowie WasserstraBenbefestigungen wie Molen u.a. bewirken zudem eine erhohte physikalische Belastung der Fucusbestande und sind eine weitere Ursache fur die Bestandsriickgange im ufernahen Strand- und Schorrebereich.59 Damit beeintrachtigen KiistenschutzmaBnahmen nicht nur die auf dem Benthal siedelnden Organismen, sondern zugleich die Bewohner des Pelagials. Insbesondere fur den Nekton60 stellen ausgedehnte Makrophytenbestande wichtige Nahrungs- und Ruhezonen dar. Das Phytal ist zudem als Laichgebiet fur den Erhalt der Populationen, auch im Hinblick auf die Kiistenfischerei, von ilbergeordneter Bedeutung. Da Fische wiederum als Nahrungsquelle der marinen Vogelarten dienen, sind Beeintrachtigungen bis zu den Bewohnern des Pleustals moglich. Infolge von Beeintrachtigungen verlieren die Phytalbestande uberdies ihre Fahigkeit, den Erosionswiderstand der ufernahen Bodensedimente zu erhohen. Insofern wirken erosionsbeeinflussende Kustenschutzbauwerke zugleich konterkarierend. Bei einer durch Buhnen und Dtinendeich gesicherten Ktiste reduziert sich deren dynamischer Charakter im Wesentlichen auf den Strand. Landseitig kann schon eine kilnstliche aufgespillte und befestigte Dime kaum noch Variabilitat gewShrleisten. Dahinter liegende Flachen sind von den dynamischen Prozessen vollstandig ausgeschlossen. Seeseitig bewirken Buhnen die Reduktion der fur die geomorphologische Variabilitat notwendigen Sedimentverfrachtungen. Anthropogene Nutzungsanspriiche, die wiederum von Kustenschutzanlagen abgesichert werden sollen, verstarken den Druck auf die Kustenhabitate zusatzlich. Schramm, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 156; zur Verringerung des Erosionsswiderstandes am Boden vgl. auch Lampe, Uferlinienveranderungen, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 22. Auf die negativen Auswirkungen wasserbaulicher MaBnahmen auf den Nekton hinweisend Merck/von Nordheim, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 314.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Erosionsmindemde Kiistenschutzanlagen ziehen zudem ausgepragte Fernwirkungen nach sich. Durch die Verlangsamung des Sedimenttransportes wird die Neulandbildung in Akkumulationsgbieten gestort. Infolgedessen unterliegen junge Sandbanke, Inseln und Haken der naturlichen Sukzession, ohne dass im gleichen MaBe eine Neulandbildung erfolgen kann. Sandbriitende Kilstenvogelarten sind auf solche jungen Formationen hingegen angewiesen. Die Fortpflanzung ist auf sukzessierten Standorten aufgrund der sich dort entwickelnden Primar- und Sekundarvegetation nicht moglich. Zusatzlich steigt in diesen Gebieten der Pradatorendruck, ohne dass sich die Vogel diesem durch die Flucht auf durch Wasser geschiitzte Sandgriinde entziehen konnten.61 Gleiche Auswirkungen haben befestigte Sandbanke, die keinen Transportprozessen mehr unterliegen. Diese Sandbanke konnen einerseits kein Material mehr fur nahrstoffarme Sandinseln bereitstellen, andererseits fallen sie selbst durch die einsetzende Verbuschung mittelfristig als Brutstandort aus. Kilstenseeschwalben benotigen fur ihre Brutplatze aktive Kliffs mit periodischen Sedmientabstiirzen. Mit der Festelegung solcher Kliffs, z.B. durch Ufermauern oder Wellenbrecher, werden die einzigen naturlichen Brutplatze der Ktistenseeschwalben vernichtet.62 Neben anderen anthropogenen Beeintrachtigungen stellen sich erosions vermindernde KiistenschutzmaBnahmen folglich als eine bedeutende Ursache fur den Riickgang insbesondere der sandbriitenden Kiistenvogelarten an der sudwestlichen Ostsee dar. Da Wasservogel als Bioindikatoren fur die okologische Qualitat des Kiistenbereiches angesehen werden konnen,63 ist ihr Riickgang ein Zeichen fur die Verschlechterung der Biodiversitat des Kustenraumes. Letztlich beeintrachtigen statische Einbauten an Strand und Schorre das Landschaftsbild haufig nicht (nur) unerheblich.

2. Marine Sedimentextraktionen Besondere Beeintrachtigungen sind im Zusammenhang mit marinen Sedimentgewinnungen zum Zwecke von Strandaufspiilungen verbunden. Zwar konnen die beschriebenen Auswirkungen erosionsmindernder MaBnahmen durch Strandaufspiilungen teilweise vermieden werden, dem stehen jedoch vollkommen andersartige Effekte bei Forderung, Transport und Aufsptilung des Materials gegeniiber. Die Gewinnung mariner Sande ist grundsatzlich mittels zwei verschiedener Methoden denkbar.64 Durch das stationare Absaugen der Sandvorkommen entstehen auf dem Meeresboden bis zu 20 m tiefe Locher mit einem Durchmesser von etwa 75 m. Die Abbauflache ist jeweils auf weniger als 2 ha begrenzt. Beim Schleppbaggerverfahren wird das Sediment iiber weite Flachen relativ flach vom Meeresboden abgesaugt, wobei ca. 30 cm tiefe und zwei Meter breite Rillen entstehen. 61 62 63 64

Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S.230 f. Miindliche Auskunft von Herrn Merck und Dr. Krause, 2004, BfN. Rutschke, Konfliktbereich Wasservogelschutz, in ABN, Naturschutz und BundeswasserstraBen, S. 92. Z u dieser Thematik Herrmann/Krause/Tsoupikova, Naturschutzarbeit in M-V, 1/97, S. 13 ff.; Gromoll, in: Lozan et al., Wamsignale, S. 117 ff., die beiden letzten m.w.N.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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Wahrend das erstgenannte Verfahren in seinen Auswirkungen auf kleine Flachen beschrankt ist, dafur dort aber hohe Beeintrachtigungen der benthischen Lebewesen hinterlasst, ist letzteres insgesamt zwar schonender, belastet den Meeresboden aber groBflachiger. Bei beiden Verfahren fuhrt die Extraktion nach deren unmittelbarem Abschluss zu einer fast vollstandigen Zerstorung des Benthos im Fordergebiet. Eine Wiederbesiedlung beginnt, sofern dieselbe Art der urspriinglich vorhandenen Bodenabdeckung zurtickbleibt, nach wenigen Monaten, eine vollstandige Rekolonisierung kann jedoch mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Werden die gesamten Sandvorkommen eines Gebietes bis auf die darunterliegende Deckschicht aus Mergel oder Ton abgebaut, durfte dies mit dauerhaften Folgen fur die Benthoszonosen im betroffenen Gebiet verbunden sein. So ist eine Veranderung der Sandbodenfauna hin zu Weichbodenarten, aber auch die Ansiedlung ausgepragter Hartbodenlebensgemeinschaften beobachtet worden.65 Ftir die Gesamtheit der makrobenthischen Lebensgemeinschaften sind in diesen Fallen sehr lange Regenerationszeiten zu erwarten wobei sich die Artenzusammensetzung ebenfalls verandern wird. Zu befurchten sind irreversible Beeintrachtigungen, da die Sand- und Kiesschichten der siidwestlichen Ostsee ilberwiegend glazialen Ursprungs sind.66 Da bei einer vollstandigen Extraktion nicht mit einer natiirlichen Sandauffullung zu rechnen ist, gehen diese Lebensraume dauerhaft verloren. Selbst wenn sich bei der Forderung entsprechend den gesetzlichen Grundlagen bemilht wiirde, die tieferliegenden Deckschichten nicht freizulegen,67 durfte sich das in tatsachlicher Hinsicht schwer gestalten, da die Machtigkeit der Sandlagerstatten mit lediglich 0,35 m bis 2,7 m relativ gering ist. Damit besteht standig die Gefahr, dass durch Ungenauigkeiten bei der Extraktion der Untergrund freigelegt wird. Langfristige Folgen sind auch dann zu erwarten, wenn vor der eigentlichen Forderung noch iiber den Sandlagerstatten befindliche Deckschichten abgetragen werden mtissen.68 Uber das Fordergebiet hinaus sind zudem Beeintrachtigungen der Vogelwelt zu erwarten. Viele Sandlagerstatten sind haufig artenreiche Flachwassergriinde. Die hier lebenden Organismen des Makrozoobenthos und des Nektons sind wichtige Nahrungsgrundlage fur gefahrdete Vogelarten wie Meeresenten, Seetaucher und Alke.69 Beeintrachtigungen des Benthos und des Pelagials sind iiberdies durch Triibungen der Wassersaule bei Forderung und Transport des Materials absehbar. Folgen hat zudem der damit verbundene ,,Fall Out" des Sediments. Dadurch kann sich z.B. die Schlupfrate von Heringslaich und der Ansiedlungserfolg von Muschellarven verringern. Aufgrund der Verschilttung besteht zugleich die Gefahr, dass verschiedene Krebsarten ihre Beweglichkeit und Lebensraume verlieren. Ins65 66 67

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Herrmann/Krause/Tsoupikova, Naturschutzarbeit in M-V, 1/97, S. 16. Sieheschon l.Kapitel §4 A. I. 4. So wird in §341 der Bergverordnung iiber den Festlandssockel vom 21.03.1989 (BGB1.1 1989, S. 954 ff.) gefordert, dass sich der Meeresgrund okologisch regenerieren kann und Geschiebemergel und Tone nicht freigelegt werden. Vergleiche Gromoll, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 118. Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 230.

1. Kapitel Konfliktanalyse gesamt sind die Folgen des ,,Fall Outs" zwar nicht so hoch wie die der Extraktion zu bewerten, die Auswirkungen waren jedoch weitraumiger. Die Aufspulung des Materials fmdet vorwiegend zur Verbreiterang von Stranden und Diinenkorpern start. Ansandungen erfolgen aber auch zum Ausgleich der Uferversteilung im Unterwasserbereich von Vorstrand und ufernaher Schorre. Hier sind die benthischen Biozonosen einer massiven Verschiittung ausgesetzt, die zu einer zwar wohl voriibergehenden, aber zunachst vollstandigen Vernichtung der Organismen fuhrt. Sind kustennahe Makrophythenbestande davon betroffen, laufen diese KustenschutzmaBnahmen wiederum dem natiirlichen Erosionsschutz zuwider. Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass massive Sedimentaufspulungen an vorgelagerten Ktistenabschnitten die Verlandung von Windwattflachen beschleunigen konnen. Die Windwattflachen sind wichtige Rast- und Uberwinterungsgebiete nordischer Kiistenvogel. Veranderungen der Sedimentdynamik dieser einmaligen und seltenen Landschaftsformen konnen nicht nur zu Storungen des Vogelzuges fiihren,70 sondern moglicherweise auch die bereits gefahrdeten Bestande einheimischer sandbriitender Limikolen beeintrachtigen. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass sich die als naturvertraglich bewerteten Sedimentaufspulungen71 keinesfalls unproblematisch darstellen. Die mit der Extraktion verbundenen direkten und mittelbaren Auswirkungen auf die benthischen und pelagiatischen Okosysteme miissen als schwerwiegend charakterisiert werden. Aufgrund der Bedeutung der aquatischen Lebensraume fur das Nahrungsgefuge des Gesamtokosystems Ostsee sind auch die Lebewesen des Pleustals und der landseitigen Kustenbereiche betroffen. Bemerkenswert ist, dass Extraktion und Anlandung zum Teil selbst Ktistenschutzinteressen entgegenlaufen.

3. Fazit In einer Gesamtbetrachtung wird deutlich, dass die Methoden zur Verlangsamung des ufernahen Sedimentransportes (d.h. Sedimentverknappung) zu Beeintrachtigungen der standig notwendigen Neuentstehung von jungen Landformationen in Akkumulationsgebieten fuhren und damit wichtige Brutplatze von Limikolen vernichtet werden. Demgegentiber kann auch der Gegenfall, die kilnstliche Sandzufuhr in Form von Aufspillungen, durch die Mengenerhohung des transportierten Materials Verlandungen fordern, welche ebenfalls Lebensraumbeeintrachtigungen der Vogelwelt bedingen. Festzuhalten bleibt daher, dass alle erosionsvermindernden KustenschutzmaBnahmen einschlieBlich der Sedimentaufspulungen erhebliche und haufig schwerwiegende Auswirkungen auf die biotischen Faktoren des Okosystems Kiiste nach sich ziehen.72 Gerade bei diesen MaBnahmen ist zu realisieren, dass der kiistendy70 71 72

Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 231. So aber Haft, Vermeidung von Beeintrachtigungen der Natur, S. 295, Kilstenschutz in M-V, S. 35, Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 371. So auch u.a. Horn, Naturschutz und Kustenschutz, UIN 96, S. 7 im Hinblick auf die Kompensationsbedtirftigkeit nach § 8 BNatSchG; insoweit kann die Darstellung von

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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namische Prozess eine sich im Gleichklang der Natur befindende natiirliche Entwicklung ist, mit der sich die an der Kuste lebenden Organismen arrangieren konnen. Jeder nicht nur ganz unerhebliche anthropogene Eingriff in diesen Prozess zieht eine lange Folge von Wirkungen nach sich, auf die sich die Organismen meistens nicht mehr einstellen konnen. Das verwundert zwar auf den ersten Blick, da die Lebewesen im Ktistenbereich mehr als die terrestrischen an eine hohe Veranderungsrate angepasst sind. Gleichzeitig dtirfte genau diese Angepasstheit der Grund fur den Bestandsruckgang sein. Die Organismen sind gerade noch in der Lage, mit den standigen natiirlichen Veranderungen umzugehen, jeder zusatzliche Wechsel der auBeren Bedingungen fuhrt zu einer auBergewohnlich hohen StreBrate. Da menschliche Beeinflussungen des Naturraums i. d. R. schneller wirken als natiirliche Veranderungen und haufig mit anderen Folgen verbunden sind, kommt diesen Aktivitaten fur den Bestandsruckgang von Biozonosen im Kiistenbereich eine entscheidende Bedeutung zu. Die Kiistendynamik durch erosionsmindernde Methoden beeinflussen zu wollen, ist regelmaBig mit erheblichen Auswirkungen auf das gesamte Kiistenokosystem verbunden und nur eingeschrankt von Erfolgen gekront. Der Einsatz dieser Methoden sollte daher in nur sehr begrenztem Umfang erfolgen.

///. Spezifische Auswirkungen des Uberflutungsschutzes 1. Dunen und Kustenschutzanpflanzungen Kiinstlich aufgespulte und verbreiterte Diinen, die mit schnellwachsendem Strandhafer bepflanzt und einer mechanischen Pflege unterworfen werden, sind ihrer naturlichen Eigenart beraubt. Die mechanische Egalisierung des kiistenparallelen WeiBdiinenwalles verhindert die Entwicklung ausgereifter WeiBdunenphytozonosen. Fur naturliche WeiBdiinen charakteristische Arten wie Stranddistel, Strand-Platterbse und Pestwurz werden stark unterdriickt. Dariiber hinaus wird die Entwicklung zu ausgepragten Graudilnen verhindert. Durch die gleichmaBige Befestigung des gesamten Dilnenwalles ist die Moglichkeit der Sandverwehung stark eingeschrankt. In der Folge kommt es zu einer Storung der im Hinterland existierenden Diinenheiden, da diese auf standige Sandzufuhren angewiesen sind.73 Die Einwehung von Dunenmaterial ist Voraussetzung fur eine hohe Artenvielfalt der Kleingrasdilnen- und Zwergstrauchheidephytozonosen.74 Zudem diirften mit der Festlegung langer Diinenabschnitte ahnliche Folgen auf sandbrutende Limikolen

Hafi, Vermeidung von Beeintrachtigungen der Natur, S. 293 ff. nicht iiberzeugen. Sandaufspiilungen werden dort pauschal als an naturliche Vorgange angepasste Mafinahmen bewertet, die generell nicht als Beeintrachtigungen gelten. Auch Damme und Buhnen dienten der Erzeugung neuer Wattflachen (an der Nordseekiiste), negative Folgen werden nur ansatzweise angesprochen. Jeschke, Vegetationsveranderangen, AfNuL 25 (1985), S. 224; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 104 f. Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 46 f.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

verbunden sein, wie durch die Verminderung des Sedimenttransportes durch erosionbeeinflussende MaBnahmen.75 Die mit den MaBnahmen des Kiistenschutzes einhergehenden Wirkungen auf die Kiistenokosysteme beeintrachtigen fast alle geschiltzten Biotoptypen. Fur die Strand- und Diinenbiotope werden KilstenschutzmaBnahmen gemeinhin als maBgebliche Gefahrdungsursachen angesehen.76 Gleiches gilt fur die aktiven und inaktiven Moranensteilkiisten der Ostseektiste.77 Nicht zuletzt der durch FFH-RL und VRL vermittelte Schutzauftrag, aber auch der gesetzliche Biotopschutz, verlangt nach einer Neukonzeption bisheriger Kiistenschutzstrategien. Die bisher zum Teil extensive Erweiterung und der Neubau von erosionsbeeinflussenden Anlagen ist durch das hohe naturschutzrechtliche Schutzniveau kunftig nicht mehr angezeigt, will man sich nicht nur in Konflikt mit nationalen Rechtsnormen, sondern auch mit europarechtlichen Vorgaben setzen.78 Weitere Gefahren fur den Bestand und die Weiterentwicklung der Dtinenheiden ergeben sich aus den MaBnahmen des sog. biologischen Kiistenschutzes. Die Anlage uferparalleler Waldstreifen behindert die landwartige Sandverwehung von Diine und Strand erheblich. Die mangelnde Sandeinwehung fiihrt zu einem vorzeitigen Altern des Okosystems Dilnenheide. Folge ist ein Absterben der Heide, eine Vergrasung und Verbuschung. Der Standort wird so degradiert.79 Weitere Aufforstungen im kilstennahen Bereich sind auBerdem geeignet, die sich hinter den Diinen herausgebildeten seltenen Mager- und Trockenrasenstandorte zu vernichten.80 Beeintrachtigungen fur das Okosystem Kiiste ergeben sich auBerdem aus der Form der Anpflanzungen. Stabile und naturnahe Kiistenschutzwalder lassen sich nur bei Nienhagen westlich von Warnerminde und auf dem Streckelsberg/Usedom fmden. Die anderen kunstlichen Anpflanzungen erscheinen im Hinblick auf Stabilitat und Geholzauswahl defizitar. So wurden haufig standortfremde Arten angesiedelt.81 Die Folge ist eine schwere Stoning der naturlichen Sukzession, des Artengefuges aufgrund des Verlustes einer Reihe von seltenen Pflanzenarten und eine erhebliche Beeintrachtigung des Landschaftsbildes. Als Schutz- und Regenerationsraum fallen diese Bereiche aus. Die standortunvertragliche Anpflanzung von Nadelgehol-

75 76 77 78 79

80 81

Siehe 1. Kapitel § 4 B. II. Riecken et ah, Rote Liste Biotoptypen, S. 90 ff. Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 94. Vergleiche dazu 3. Kapitel § 10 C. Lopez, Ktiste und Kiistenschutz, o.S.; Jeschke/Knapp, Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 35 f.; Jeschke, Vegetationsveranderangen, AfNuL 25 (1985), S. 224; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 104 f. Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 9 1 . Beispiele fur die unzureichende Auswahl der Geholze sind die Anpflanzung von Eschenahorn auf dem Mineralkliff im Sudwesten der Insel Poel, von Kartoffelrosen am inaktiven Kliff der Insel Hiddensee sowie von Sanddorn auf dem Hochufer von Arkona, siehe Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 91 f.

§ 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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zen beeintrachtigt zudem den Biotopkomplex der Buchenbuschwalder auf Kilstendilnen.82

2. Eindeichungen von Uberflutungsflachen Die durch Eindeichungen von Kiistenilberflutungsmooren und Salzwiesen vorgenommenen Eingriffe in den Naturhaushalt verdienen an dieser Stelle besondere Beriicksichtigung. Bisherige Eindeichungen erfolgten vordergrilndig aus okonomischen Interessen, wobei es hauptsachlich um eine bessere landwirtschaftliche Nutzung des gesicherten Landes ging. Uberflutungsschutz zur Sicherung der menschlichen Gesundheit und bestehender materieller Werte war in vielen Fallen nicht ausschlaggebender Faktor fur die Errichtung von Deichtrassen auBerhalb besiedelter Bereiche. Das hinderte die Entscheidungstrager in der Regel nicht, diese Deichbauten als notwendig fur den Schutz der an der Ktiste lebenden Menschen zu rechtfertigen. Auch die Sicherung von Fremdenverkehrsanlagen wurde mit Eindeichungen gewahrleistet. Dies wird an einer Reihe von Beispielen aus jiingster Vergangenheit deutlich. So sind mit der Eindeichung der Nordstrander Bucht in Schleswig-Holstein in den 80er Jahren die Halfte der in SchleswigHolstein noch vorhandenen naturnahen Salzwiesen vernichtet worden. Der Zweck dieser Mafinahmen lag nicht primar im Schutz vor Sturmfluten begriindet, sondern diente den Anspruchen der industrialisierten Landwirtschaft. Ahnliche Konstellationen wurden auch bei den Deichbaumafinahmen in der Leybucht und nicht zuletzt bei der Diskussion um das Emssperrwerk deutlich.83 Die in MecklenburgVorpommern in den 60er und 70er Jahren an den Boddenkusten errichteten Deichtrassen dienten fast ausschlieBlich der Gewinnung von Saatgrasland.84 Beeintrachtigungen der Vegetation und Tierwelt in Folge von Eindeichungen konnen nicht ausschlieBlich dem Kilstenschutz zugerechnet werden, hier spielt auch die tatsachliche Nutzung der Flachen nach deren Sicherung eine Rolle. Hingegen konnen diese nicht isoliert betrachtet werden.85 Da viele Deichbauten aufgrund landwirtschaftlicher Anspruche oder Interessen des Fremdenverkehrs erfolgen, ist bereits bei Errichtung der Schutzanlagen die spatere Nutzung der Flachen bekannt und beabsichtigt.86 Wenn nun die Folgen der Eindeichung ausgedehnter 82 83 84 85

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Riecken et al, Rote Liste Biotoptypen, S. 159. Nachweise bei Horn, Naturschutz und Ktistenschutz, S. 6. Zum Emssperrwerk siehe auch WWF, Information vom September 1999. Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (1985), S. 225. So wird der landliche Wasserbau durch kulturtechnische MaGnahmen, die der Regulation des Wasserhaushaltes speziell auf den gesicherten Flachen dient, dem allgemeinen Wasserbau z u m Zwecke des Hochwasserschutzes zugerechnet, siehe dazu Giintschl, Hochwasserschutz und Raumordnung, S. 3 1 . Eindeichung und Nutzung gehen daher regelmafiig Hand in Hand. Die unheilige Allianz von Landwirtschaft und Kilstenschutz wird u.a. dadurch deutlich, dass die Landwirtschaft mit der Beeintrachtigung von insgesamt 513 Pflanzenarten selbst hauptverantwortlich flir den pflanzlichen Artenriickgang ist. Kumulativ wirkt hier zudem ein durch wasserwirtschaftliche MaBnahmen verursachter Rtickgang von 112 Pflanzenar-

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Griinlandflachen dargestellt werden, so sind in diese Betrachtungen auch die Auswirkungen einzubeziehen, die die Nutzung dieser Gebiete verursacht. Mit der Eindeichung von Kiisteniiberflutungsmooren und Salzwiesen sind besonders gravierende Eingriffe in das Okosystem Kilste verbunden. Dabei ist schon der Umfang beeindruckend: In Mecklenburg-Vorpommern wurden in den letzten 25 Jahren ca. 20.000 ha Salzwiesen eingedeicht. Heute sind mit ca. 3.000 ha nur noch weniger als 10% der urspriinglichen Flache vorhanden.87 Deichbau zur Sicherung oder Gewinnung landwirtschaftlicher Flachen auf vormals periodisch uberschwemmten Gebieten hat regelmaBig gleichartige Folgen. Das Ausschalten unregelmaBiger Salzwassereinbriiche fuhrt zu einem Absterben der hier lebenden halinen Arten. Die beschriebene hohe Phyto- und Habitatdiversitat geht damit verloren.88 Dafur verantwortlich ist die enge Bandbreite, in der die spezifische Brackwasser-Salzwiesen-Vegetation Schwankungen des Salzgehaltes im Boden toleriert. Die eingedeichten Flachen siiBen durch Regenwasser aus, es entwickeln sich ausgepragte limnische Phytozonosen. Der Verlust der an das Brackwasser angepassten halinen Arten wiegt dabei schwerer, da weltweit nur wenige brackwasserbeeinflusste Kustenilberflutungsmoore existieren und die auf diese Standortbedingungen angepassten Pflanzengemeinschaften eine Besonderheit darstellen. Die iiberwiegende Anzahl von Bliltenpflanzen und die Halfte der Tierarten der Salzwiesen kann auf anderen Standorten nicht (Iberleben. Dies unterstreicht nicht nur die (iberragende Bedeutung naturnaher Salzwiesen fur den Naturhaushalt, es macht auch deutlich, dass deren Vernichtung durch Eindeichungen zwangslaufig mit Artenvernichtung verbunden ist.89 Das ausgestifite Griinland hingegen erfahrt auch ohne weitere Melioration und ohne Saatgrasanbau bereits eine naturschutzfachlich negative Einstufung, da dieses i. d. R. nur anspruchslosen Arten Lebensraum bietet.90 Weitere Beeintrachtigungen der Vegetation erfolgen, wenn der hohe Grundwasserstand der Wiesen melioriert wird und eine intensive landwirtschaftliche Nutzung beginnt.91 Die Flachen fallen nicht nur als Salzwiesen, sondern als Ruheraume insgesamt aus. Mit der AussiiBung, den Vegetationsveranderungen und ten, vgl. Schlungbaum, Naturschutz an der Ktlste M-V, in: ABN, Wasser und Naturschutz, S. 183. Allgemein dazu auch Kaule, Biotopschutz, S. 208 f. Miiller-Motzfeld, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 33. Ausfiihrliche Darstellung der Flachenverlustes bei Herrmann/Holtz, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 37 ff.; Boedeker/Knapp, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 225. So ausdriicklich Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 47; vgl. auch Jeschke/Knapp, in: Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 34 f.; Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (1985), S. 228; Hardtle/Vestergaard, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 160 f.; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, S. 101 ff. Guiard, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 100; Merck/von Nordheim in: Lozan et al., Warnsignale, S. 314. Kowatsch/Fock/Kohler/Walter, Landnutzung, S. 32; Matthes/Matthes, in: Boedeker/ von Nordheim, Kustenschutz, S. 47. Liedl/Weber/Witte, S. 80; Meyer-Reil, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 186 f.

§ 4 Kilstenschutz - Methoden und Auswirkungen

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schliefilich der landwirtschaftlichen Nutzung ehemaliger Salzwiesen gehen schwerwiegende Beeintrachtigungen der Bestande wiesenbriitender Limikolen einher.92 So ist bei den wiesenbrutenden Limikolen seit den 60er Jahren ein auf Polderung und Melioration 2airiickzufuhrender Bestandsriickgang von 70-80% zu verzeichnen. Damit sind bis auf den Kiebitz alle Arten dieser Watvogel nach der Roten Liste des Landes Mecklenburg-Vorpommern93 stark gefahrdet oder vom Aussterben bedroht.94 In gleichem Zuge gehen diese Flachen auch fur Rastvogel und Durchziigler verloren. Dauerhaft einer periodischen Uberflutung entzogene Flachen bieten zudem Pradatoren Lebensraum, die die Populationen der briitenden Arten zusatzlich dezimieren.95 Im Zuge von Fremdenverkehrsansiedlungen eingedeichte Flachen sind zusatzlich noch einem erhohten anthropogenen Storungsdruck ausgesetzt. Differenzierend wird Beweidung bewertet. Weidehaltung auf Salzgrasstandorten kann notwendig sein und ist naturschutzfachlich dann zu vertreten, wenn diese extensiv erfolgt und die Auf- und Abtriebszeiten insbesondere mit den Brut- und Rastzeitraumen der Kiistenvogel abgestimmt sind.96 Daneben konnen auch sich selbst uberlassene Kustenuberflutungsflachen von erheblicher okologischer Bedeutung sein.97 Die okosystemaren Auswirkungen der Vernichtung von Kusteniiberflutungsmooren und Salzwiesen gehen iiber die Funktion als Lebensraum vieler bedrohter Pflanzen- und Tiergemeinschaften hinaus. Periodisch iiberflutete Flachen an den Kiisten fungieren als Nahrstoffsenke. Sie sind einerseits Pufferzone fur die vom Lande eingetragenen Nahrstoffe, andererseits Bestandteil eines Selbstreinigungsvermogens der kiistennahen Wasserflachen, insbesondere der Bodden. Dies ist fur die Wasserqualitat der gesamten Ostsee von Bedeutung, da die Boddengewasser ihrerseits als Filter dienen.98 Bei Uberflutungen werden groBe Teile des Boddenwassers auf die ufernahen Niederungen gedriickt. Dort erfolgt eine Ablagerung von im Wasser gelosten Nahrstoffen, Partikeln und atmospharischen Eintragen. Eutrophiertes Wasser wirkt dabei als naturlicher Diinger. An Pflanzen, welche einem natiirlichen Uberflutungsregime ausgesetzt waren, wurden erhohte Stick92

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Jeschke, Vegetationsveranderungen, AfNuL 25 (1985), S. 228; Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 39 f.; Matthes/Matthes, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 46 f. Rote Liste der gefahrdeten Brutvogelarten in M-V, 1992. Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 40. Helbig/Kube, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 226; Muller-Motzfeld, in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 29. Eine eindrucksvolle Schilderung der Folgen eines vorzeitigen Weidebeginns auf der Insel Kirr, in dessen Folge der Bruterfolg eines ganzen Jahres von z.T. auch vom Aussterben bedrohten Arten vernichtet wurde, erfolgt bei Spillner, Vogelwelt, S. 23 ff. Vergleiche die ausfuhrliche Diskussion bei Kiinnemann, Salzwiesen, S. 173 ff. Zu den Auswirkungen der Eutrophierung auf Pelagial und Benthos: Arndt, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 53; Nellen/Thiel, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 194 ff; Nolle, Boddenlandschaften, S. 2.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

stoff-, Kohlenstoff- und Phosphorwerte festgestellt. Diese Aufgabe konnen eingedeichte Uberflutungsmoore nicht mehr erfullen." Die Belastung der Ostsee mit Nahrstoffen und Schwebeteilchen hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zugenommen. Hauptursache ist die von auBen eingetragene Eutrophierung. Diese Entwicklung stellt die wichtigste Gefahrdung fur das Ostseegebiet dar. Damit geht eine Verschlechterung der Wasserqualitat mit ihren vielfaltigen Folgen einher. Beispiele sind Massenentwicklungen von Algen, die sich nach dem Absterben wie ein ,,Leichentuch" uber die benthische Flora und Fauna legen und weitere Beeintrachtigungen der Meeresokosysteme verursachen.100 Der Verlust von Salzwiesen als Nahrstoffsenken verstarkt diesen Eutrophierungsprozess start eine Entlastung zu schaffen, wie es intakte Uberflutungsflachen konnten. Daruber hinaus fuhrten Eindeichung und Entwasserung zum Moorverbrauch und einer Sackung groBerer Flachen im gepolderten Gebiet unter den Meeresspiegel.101 Unter natiirlichen hydrologischen Bedingungen wiirden die periodisch ilberfluteten Flachen durch die Nahrstoff- und Schwebeteilchenablagerungen dem sakularen Meeresspiegelanstieg folgen. Naturbelassene Kustenilberflutungsraume erhohen sich somit von selbst und bilden damit einen autarken Schutz vor dauerhafter Uberschwemmung, sozusagen eine naturgesteuerten Kilstenschutz. Demgegenuber wird bei Eindeichungen in Kauf genommen, dass nur bei Extremereignissen uberflutungsgefahrdete Bereiche unter den Meeresspiegel bei Mittelwasser fallen und damit beim Ausfall der Schutzanlagen dauerhaft tlberstaut wiirden. Zudem steigern erhohte Potentialgefalle den Drangewasserstrom innerhalb der Deiche imd damit die Gefahrdung von Deichbriichen.102 Beide Faktoren fuhren zu einer nicht unerheblichen Erhohung des Gefahrdungspotentials, vor allem bei starken und langer anhaltenden Sturmhochwassern. In okologischer Hinsicht wohnt einer fortschreitenden Moorsackung die Gefahr der Irrevisibiltat inne. Spa-

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Ausfuhrlich zur Puffer- und Filterfunktion der Uberflutungsflachen und der kustennahen Boddengewasser Lampe, Uferlinienveranderungen, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 23; Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 63; vgl. auch Baier, et al., Naturschutzarbeit in M-V, 1/94, S. 5; Meyer-Reil, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 186 f.; Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, in: Rheinheimer, Meereskunde, S 225 f.; Jeschke/Knapp, in: Naturschutzarbeit in M-V, 1/91, S. 34 f.; Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 100; Reise, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 35 f., mit Darstellung der mit der Reduzierung von Sedimentationsflachen verbundenen Auswirkungen. Beispiele bei Lozan/Lampe/Matthaus et al, in: Lozan et al., Warnsignale, S. 315 ff.; ausfllhrliche Darstellung u.a. auch bei Buchwald, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 34 ff. Zu den Auswirkungen von Stickstoffansammlungen auf der offenen Ostsee: Muller-Jung, FAZ vom 22.12.99, S. N2. Lampe, Uferlinienveranderungen, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 23; Herrmann/Holz, Kustenuberflutungsraume, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 40; Otto, Strukturveranderungen, in: Kliewe et al., Jungquartar, S. 81. Ausfuhrlich Biittner/Kaden, Grundlagen, in: Wasserbewirtschaftung, Bd. I, S. 31.

§ 4 Kilstenschutz - Methoden und Auswirkungen

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tere Renaturierungsbestrebungen waren dann vergeblich, das Land fur wirtschaftliche und okologische Nutzungen gleichermaBen verloren. Die beschriebene Moorsackung fiihrt zusatzlich zu einer Freisetzung von Nahrstoffen, welche die Eutrophierung des Boddens fordern.103 Weitere Steigerungen dieses Effektes ergeben sich durch die auf kilstennahen Wiesen betriebene, zum Teil intensive Pflanzen- und Tierproduktion und die dadurch anfallende Biomasse.104 Der schon erwahnte Riickgang des Phytals ist neben anderen Grunden primar auf die Nahrstoffanreicherung des Wassers und die Abnahme der Sichttiefe zuriickzufilhren. Da diese Prozesse durch Eindeichungen begiinstigt werden, wirkt sich Kustenschutz hier wieder kontraproduktiv auf den natiirlichen Erosionschutz der Fucusbestande aus. Die anthropogen hervorgerufenen Veranderungen des Salzwiesenbestandes filhren damit nicht nur zu einer dramatischen Abnahme der Biodiversitat im Kiistenbereich, sondern auch zu einer hoheren Belastung der Ktistengewassser mit Schadstoffen sowie zu einem ostseeweiten Vorantreiben der Eutrophierung mit alien negativen Folgen.

C. AbschlieBende Bewertung Innerhalb des letzten Abschnittes ist deutlich geworden, dass die bisherigen Schutzkonzepte mit einer drastischen Beeinflussung der Kiistenokosysteme an der Ostsee in alien ihren Teillebensraumen und mit weitreichenden Folgen iiber diese Okosysteme hinaus verbunden sind. Die durch Kustenschutzaktivitaten hervorgerufenen, z.T. schwerwiegenden Beeintrachtigungen der Kiistenokosysteme sind geeignet, wichtige Funktionen des Naturhaushaltes zu storen. Beeintrachtigte oder zerstorte biotische Ressourcen sind nicht oder allenfalls eingeschrankt regenierungsfahig.105 Auf das Okosystem Kuste neutral oder gar positiv wirkende Kiistenschutzanlagen sind nicht oder nur in seltensten Fallen erkennbar und treten hinter den teilweise massiven Beeintrachtigungen zuriick.106 Damit fiihren die Beeintrachtigungen der Biodiversitat im Kiistenbereiches aus okologischer Sicht zu einer negativen Bewertung bisheriger Kiistenschutzstrategien. Eine Gesamtbewertung der herkommlichen Kilstenschutzstrategien lasst sich nur vornehmen, wenn man die damit verbundene Beeinflussung der biotischen und abiotischen Faktoren des Okosystems Kuste mit der Effektivitat und Effizienz von Kiistenschutzanlagen in Verbindung setzt.

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Lampe, Uferlinienveranderungen, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 23; Herrmann/Holz, Kiistenuberflutungsraume in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 40. Gerlach, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 280; Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 90; Reise, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 36. Dierfien, Widerspruch, in: Kustenschutz in S-H, S. 14. A. A. Hafi, Vermeidung von Beeintrachtigungen, S. 295.

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l.KapitelKonfliktanalyse

/. Effektivitat Die Effektivitat bisheriger Kiistenschutzstrategien muss im Hinblick auf die tatsachliche Wirksamkeit der Schutzanlagen ebenfalls kritisch betrachtet werden. Zwar ist die heutige Ktistenlinie nicht nur ein Ergebnis des natiirlichen Kilstenausgleichsprozesses, sondern auch ein Produkt von Kiistenschutzanlagen. Ohne Kiistenschutzaktivitaten ware heute das Fischland geteilt und die DarB-Zingster Halbinsel vom Festland abgetrennt.107 Dauerhafte Durchbriiche auf Usedom zwischen Zempin und Koserow sowie auf Hiddensee sind ebenfalls wahrscheinlich. Ohne Beeinflussung der natiirlichen Kiistendynamik durch Kustenschutz und Fahrrinnenfreihaltung ergaben sich an anderer Stelle aber auch erhebliche Landzuwachse und damit neue Landverbindungen. Es ist anzunehmen, dass Hiddensee am Neuen Bessin mit der Halbinsel Bug auf Rtigen zusammengewachsen ware, die Halbinsel Zingst iiber Bock und Werder mit dem siidlichen Teil Hiddensees, dem Gellen. Die jahrzehntelange Freihaltung der Fahrrinne zum Nothafen DarBer Ort stort die Akkumulationsprozesse und verringert Landzuwachse. Im Ergebnis wird deutlich, dass der Mensch in der Lage ist, punktuell in den ktlstendynamischen Prozess einzugreifen und ortlich begrenzt beabsichtigte Wirkungen zu entfalten. Mit dem Versuch, die Kiistenlinie festzulegen, stellt sich der Mensch allerdings gegen eine natiirliche Entwicklung, deren Ursachen er nicht beeinflussen kann. Innerhalb der Darstellung der Kiistenschutzstrategien wurde die nur begrenzte Steuerungsfahigkeit auf Wirkungsseite erlautert. Es kann in diesem Zusammenhang die These aufgestellt werden, dass sich die unbeeinflusste Kilste in einem natiirlichen Gleichgewicht befindet, in dem sich Abrasion und Akkumulation bis auf den Verlust der feinen Sedimentbestandteile im Wesentlichen die Waage halten. Erosionsbeeinfiussende statische Kilstenschutzwerke konnen en detail eine Verbesserung der Sedimentbilanz bewirken, ftihren aber an anderer Stelle durch die damit verbundene Verlangsamung des Sedimenttransportes regelmaBig zu einer Verschlechterung des Materialhaushaltes. Die nur geringfiachige Festlegung aktiver Kliffs kann die Sedimentbilanz langer (Flach-)Kustenabschnitte, u.U. in beide Uferrichtungen, nachhaltig verschlechtern. Eingriffe bedingen somit immer auch GegenmaBnahmen an anderen Ktlstenabschnitten. Die teilweise durch erosionsvermindernde MaBnahmen bewirkten negativen Auswirkungen selbst auf den Materialhaushalt am geschiltzten Bereich, lassen die Vermutung zu, dass statische Schutzanlagen, verglichen mit einem unbeeinflussten Zustand der Uferlinie, insgesamt zu einer Verschlechterung der Sedimentbilanz des gesamten Kiistenabschnittes fuhren konnen.108 Festzuhalten bleibt daher, dass erosionsbeeinfiussende Methoden des Kilstenschutzes eine nur sehr eingeschrankte Effektivitat aufweisen.

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Lopez, Ktiste und Kustenschutz, o.S. Ahnlich bereits von Billow, Geologie 53, S. 69, wenn Buhnen als Erosionsschutzanlagen die Tendenz zur Selbstverstarkimg der von ihr verursachten unerwunschten (abrasiven) Nebenwirkungen bescheinigt wird. Zudem weist von Billow, a.a.O., S. 69 darauf

§ 4 Ktlstenschutz - Methoden und Auswirkungen

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Schutzanlagen, die nur der Abwehr von Extxemereignissen dienen, beeinflussen die Sedimentdynamik nicht direkt. Ihre Effektivitat verringert sich allerdings durch die durch erosionsbeeinflussende Bauwerke bedingte Schorrevertiefung und den Riickgang von Strand- und Vorstrand im ungeschiitzten Bereich.

//. Effizienz Die Bewertung der Effizienz109 von Kiistenschutzanlagen ist ohne Berucksichtigung des finanziellen Aufwandes, den diese Anlagen erfordern, nicht moglich.110 Der fmanzielle Aufwand fur die Errichtung und den Unterhalt von Kiistenschutzanlagen ist erheblich. Sandaufsptilungen kosteten Mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beretis etwa 15 DM/m3 bei einer durchschnittlichen Menge von 112 m3/lfd. m Kuste.111 Sie waren schon damals und sind auch gegenwartig groflfiachig nicht finanzierbar.112 EinzelmaBnahmen wie groBraumige Eindeichungen haben z.T. einen Finanzierungsbedarf in dreistelliger Millionenhohe. Bei der DeichbaumaBnahme Leybucht an der niedersachsischen Nordseekilste sind z.B. Kosten i. H. v. 300 Millionen DM angefallen.113 Zudem stellt sich die landwirtschaftliche Nutzung der mit groBem Aufwand eingedeichten Flachen problematisch dar. Fur Deicherhalt und notwendige MaBnahmen der Wasserregulierung auf eingedeichten Boddengrasflachen ergeben sich jahrliche Kosten von iiber 100 €/ha. Ohne die Gewahrung von Fordermitteln und bei einer Umlage dieser Kosten auf die Landeigentumer ware eine Fortfuhrung extensiver Nutzungsformen nicht mehr rentabel.114 Insgesamt kann die mittels der auf Polderflachen betriebenen

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hin, dass die Abrasionsenergie z.B. durch Buhnen nicht vermindert, sondern verstarkt wird. Die Berucksichtigung von Kosten-Nutzen-Uberlegungen fur die Beurteilung kiinftiger KustenschutzmaBnahmen fordert u.a. Kurtz, Kustenschutz und Okologie, S. 33. Hier soil primar auf die Effizienz der Ktistenschutzanlagen selbst, am Rande aber auch auf die durch sie ermoglichten Nutzungen eingegangen werden. Generalplan Kilsten- und Hochwasserschutz M-V, S. 83. Umweltbericht M-V 96, S. 69. So hat die Aufspiilung zur Verbreiterung des Strandes der Ortschaft Sellin auf Rtlgen im Sommer 1999 1,8 Milloinen DM gekostet, vgl. SVZ vom09./10.10.99. Horn, Naturschutz und Kustenschutz, UIN 96, S. 6. Berechnungen fur die ZickerniBniederung auf Siid-Ost-Rugen bei Kowatsch, Kustenschutz und Deichrilckbau, FHorum 97, S. 27; Kowatsch/Fock/Kohler/Walter, Landnutzung, S. 67 ff. m.w.N. Der jahrliche EinnahmeuberschuB eines Landwirtes bei vollstandiger Umlage der Kosten und ohne staatliche Zuschiisse betrilge im Mittel 190 DM/ha, betriebswirtschaftlich tragfahig wird die Polderbewirtschaftung erst durch staatliche Forderung. Diese betragt fur Griinlandbetriebe direkt 439 DM/ha. Durch Subvention und Kostenumlage der Wasser- und Bodenverbande fur Aufwendungen zum Deicherhalt und zur Entwasserung erfolgt eine zusatzliche mittelbare Forderung aus offentlichen Mitteln i.H.v. ca. 100 DM/ha. Damit stammen 75 % der Einnahmeiiberschusse bei der Bewirtschaftung von Polderflachen aus Mitteln der offentlichen Hand, vgl. Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 41. Zarncke, in: Boede-

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l.KapitelKonfliktanalyse

landwirtschaftlichen Nutzung erbrachte Wertsch6pfung die Kosten von Eindeichung und Deicherhalt nicht ausgleichen. Gesamtwirtschaftlich summieren sich die Einzelausgaben fur den Kiistenschutz auf betrachtliche GroBenordnungen. Fiir die Durchfuhrung der im Generalplan Kilsten- und Hochwasserschutz in Mecklenburg-Vorpommern geplanten MaBnahmen ist damals ein Finanzierungsbedarf von 250 Millionen DM als untere Grenze veranschlagt worden.115 In Schleswig-Holstein wurde mit einem Finanzierungsvolumen von 270 Millionen DM gerechnet.116 In den kommenden Jahren soil allein im Tidebereich von Weser, Ems und Elbe ein kustenschutzbezogener Investitionsbedarf von iiber 1 Mrd. € bestehen.117 Die in den Generalplanen beider Ostseeanrainer beabsichtigten Kiistenschutzanlagen umfassen nicht nur die Verstarkung bereits bestehender Schutzbauten sondern auch die Neuerrichtung von Deichtrassen.118 Die Plane lassen daher erhebliche Beeintrachtigungen der ktlstennahen Okosysteme auch in Zukunft befurchten. Der hohe Finanzierungsbedarf des Ktisten- und Hochwasserschutzes wird auch durch die bisherigen Ausgaben in den alten Bundeslandern deutlich. Hier wurden zwischen 1962 und 1988 insgesamt 5,5 Mrd. DM in KustenschutzmaBnahmen investiert,119 im Zeitraum 1973 bis 1995 betrug der Anteil des Bundes an diesen MaBnahmen (i. d. R. 70%) rund 3,2 Mrd. DM. Die Mittelzuweisungen des Bundes an alle Kiistenlander innerhalb der GAK erhohten sich fur den Teilbereich Kiistenschutz zwischen 1993 und 1995 von 136 auf 148 Millionen DM jahrlich.120 Es ist davon auszugehen, dass durch die globalen Klimaanderungen bei gleichzeitigem Festhalten an den herkommlichen Schutzstrategien der Geldmittelbedarf weiter steigt und dauerhaft mit einem erheblich erhohten Kostenaufwand zu rechnen ist.121

ker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 71, sieht in den negativen Rahmenbedingungen fur die Landwirtschaft das entscheidende Potential zur Rtickgewinnung von Ktistenfeuchtgebieten im Sinne der HELCOM-Empfehlung 16/3. Die Europaische Kommission bezeichnet selbst die FordermaBnahmen zum Zwecke der Be- und Entwasserung als umweltschadlich und fordert die Beendigung dieser Fo'rderungen. Vgl. Europaische Kommission, Stellungnahmen, 1997, S. 31. 115 Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 99. 116 Siehe Hofstede, in: Boedecker/von Nordheim, S. 62. 117 Liibhe, Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 13. us Vergleiche Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 88 ff. (Dassow, Tarnewitz), (Neuendorf, Dranske), (Gager), (Greifswald-Wieck), (Grambin, Koserow) mit insg. ca. 11 km Neubau, davon eine Ringeindeichung von 2,3 km; Generalplan Deichverstarkung, -verkiirzung und Kustenschutz S-H, (Behrensdorf, Gromitz, Dahme, Bojensdorf, Puttgarden) mit insg. 15 km Neubau. 119 BMELF, Landliche Raume, S. 35; Die aktuelle Entwicklung des Gesamtmittelbedarfs fur die GAK vgl. auch WiB 15/97. 120 Liibbe, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 57. 121 Forschungsleitplan Klimaanderung und Kiiste, S. 5, Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 105.

§ 4 Kiistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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Diesen Kosten stehen die materiellen Werte gegeniiber, die bei Uberfiutungen und Landdurchbriichen beschadigt oder zerstort werden wiirden. Dabei werden als BHW die bei der Sturmflut vom 12./13.11.1872 jeweilig aufgetretenen Pegelstande zuzuglich des sakularen Meeresspiegelanstiegs angesetzt.122 Das geschatzte Schadenspotential soil bei vergleichbaren Wasserstanden, gleichzeitigem Versagen aller Schutzanlagen und bei Uberflutung aller gefahrdeten Bereiche der AuBen- und Binnenktlste Mecklenburg-Vorpommems gegenwartig etwa 1,7 Mrd. € betragen.123 Fur die Gesamtkiiste Schlewig-Holsteins wird mit Wertermittlungen i. H. v. 50 bis 65 Mrd. € operiert.124 Ohne diese Werte grundsatzlich in Frage stellen zu wollen, bietet sich jedenfalls fur Mecklenburg-Vorpommern ein Vergleich mit der funftstarksten Ostseesturmflut vom 03./04.11.1995 an. Dabei lagen die Pegelstande im Mittel nur ca. 80 cm unter denen von 1872.125 Die Schadenshohe an den Anlagen des Ktistenschutzes wurde mit insgesamt 14,5 Mill. DM (ca. 7,5 Mill. €) beziffert.126 Da Wertermittlungen anderweitiger Schaden an Sachvermogen privater oder offentlicher Eigentiimer unterblieben,127 ist davon auszugehen, dass die Schadenssummen relativ gering ausfielen.128 In diesem Zusammenhang sind einige Ausfuhrungen zu den in letzter Zeit durchgefuhrten Schatzungen der betroffenen Werte notwendig. Vereinzelt wird augenscheinlich dazu iibergegangen, die Effizienz des Ktistenschutzes iiber entsprechend hohe Wertermittlungen zu verbessern. So wird in Schleswig-Holstein, offenbar auch zur Rechtfertigung von KustenschutzmaBnahmen, die Existenz sehr hoher Werte unterstellt. Folgte man diesen Beurteilungen, mtisste z.B. zwischen Timmendorf und Scharbeutz von einem durchschnittlichen Grund- und Sachvermogen von mindestens 352.920,42 DM (fast 180.000 €) pro Person ausgegangen werden.129 Zunachst erscheint schon die Ermittlung der im gefahrdeten Bereich 122 123

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Generalplan Kiisten- u n d Hochwasserschutz M-V, S. 28 f.; Ktistenschutz in M - V , S. 28 ff. Sommer, Die Welt 97 vom 28.08.97; tel. Auskunft von Herrn Gurwell, STAUN Rostock, Abt. Ktlste vom 31.08.2001. Siehe Nachweise MLR S-H, Wertermittlung, Abschnitt 5. Nachweise bei Weiss/Biermann, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 24. Pressemitteilung des Ministeriums fur Bau, Landesentwicklung und Umwelt M-V vom 06.11.1995, Nr. 435/95. Die Mitteilung vom 21.11.1995, Nr. 450/95 spricht von 10,5 Millionen DM an gravierendsten Schaden. Zur Schadensaufschltisselung vgl. auch die Nachweise bei Redieck/Schade, Sturmflut, S. 59. Schriftliche Auskunft von Fr. Sigeneger, Umweltministerium M-V, vom 31.07.2001. Eine Verscharfung der Situation ist allerdings auch hier durch den klimabedingten und isostatischen Meeresspiegelanstieg zu befurchten. Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung waren in diesem Gebiet bei einem Sturmhochwasser mit BHW von 1872 Grund- und Sachwerte (Gebaude mit Inventar) i.H.v. uber 2 Mrd. DM betroffen. Der volkswirtschaftliche Schaden ware demnach noch hoher anzusetzen, da die Kosten fur Hilfseinsatze, wirtschaftliche Beeintrachtigungen, wie z.B. Produktions- und Arbeitsaustalle sowie Folgeschaden tiberhaupt nicht enthalten sind. Im gefahrdeten Gebiet, von dem insg. 12,65 km2 niedriger als 3 m ilber dem Wasserspiegel liegen, wohnen nach Mitteilung der Landesregierung

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1. Kapitel Konfliktanalyse

angesiedelten Werte vor dem Hintergrund des statistischen Bruttovermogens je Einwohner der BRD unvertretbar hoch. Das Bruttosachvermogen (Immoblien und Gebrauchsguter) filr das Jahr 1997 betxug im Bundesdurchschnitt lediglich 119.000 DM (ca. 60.000 6) pro Person.130 Die Annahme des dreifachen Durchschnittswertes fur Gebiete in Schleswig-Holstein begegnet daher erheblichen Zweifeln.131 Dariiber hinaus sind reine Wertermittlungen fur die Argumentation unbrauchbar. Die eingestellten Grund- und Sachwerte sind bei durch Versagen von Hochwasserschutzanlagen bedingten Uberflutungen nur teilweise schadensgefahrdet, derm nach Abklingen der Uberschwemmung steht das Grundeigentum in seiner Gesamtheit wieder zur Verfugung.132 AuBerdem ware eine Differenzierung nach Sachwerten, die aufgrund ihrer Hohenlage von Uberflutungen gar nicht betroffen sein konnen, notwendig.133 Im Ubrigen miissen bei der Schadensermittlung auch MaBnahmen der Eigenvorsorge beriicksichtigt werden.134 Es ist daher nicht einsehbar, weshalb in Schleswig-Holstein auf eine Schatzung der tatsachlichen Schadenspotentiale verzichtet wird.135 Die den Wertermittlungen zugrundeliegenden Uberflutungsereignisse wilrden daran gemessen nur Brachteile an Schadenshohen verursachen.136 Dies geht aus Ermittlungen in MecklenburgVorpommern hervor, wo die real betroffenen Sachwerte als Basis der Schadensprognosen fungieren. Hier kommt man im Landesdurchschnitt auf ein Schadenspotential an Sachwerten von ca. 20.000 DM (etwas iiber 10.000 €),137 in Greifs-

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5.667 Menschen. (Quelle: internet document, http://www.schleswig-holstein.de/ landsh/mlr/kuestenschutz/ksjrojekt09neu01.htm). Noch hohere Werte wurden fur das Gebiet der Kieler Forde mit ca. 375.000 DM Sachwerten p.P. errechnet, siehe MLR SH, Wertermittlung, Tabellenanhang. Bezogen auf die alten Bundeslander: Immobilienvermogen durchschnittlich 98.200 DM, Gebrauchsvermogen 20.900 DM Quelle: Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der PDS-Fraktion des Deutschen Bundestages vom 21.03.2000 , BTDrs. 14/2977, S. 3. Und wtirde ein vollig neues Licht auf die Wohlstandssituation an der Ktiste werfen. Das Schadenspotential kann sich nur auf etwaige Kosten fur Reparatur eingetretener Schaden und die Beseitigung anderer Folgebeintrachtigungen beziehen. Die Substanz des Grundeigentums einschl. der Immoblien bleibt hingegen regelmaBig erhalten. Etwa in den oberen Stockwerken der Hauser befindliches Inventar. Zum Beispiel das Abstellen von KfZ auf hochwassersichere Standorte oder das Auslagern wertvollen Inventars in hohere Stockwerke. Und zwar in den aktuellen und zuganglichen Quellen, vgl. MLR-Studie, Wertermittlung; Abschn. 5 und Tabelle; Generalplan Kustenschutz S-H (Entwurf), S. 5; Mitteilung der Landesregierung zu Timmendorf/Scharbeutz, Nachweis in Fn. 129. So sind in den Wertermittlungen sogar die Grundstilcke mit den jeweiligen Bodenpreisen eingeflossen (Auskunft von Herrn Probst, MLR S-H, Telefonat vom 31.07.2001), obwohl diese fur die hier in Rede stehenden einmaligen Extremereignisse als Wert keine Relevanz besitzen. Geschatztes Schadenspotential von 3,3 Mrd. DM bei 160.000 potentiell Betroffenen. Stand 1994. Auskunft von Herrn Gurwell, STAUN Rostock, Abt. Ktiste, Telefonat vom 31.07.2001.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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wald auf knapp 30.000 DM (ca. 15.000 €)138 pro Person. Ein ahnliches Bild ergibt sich im Vergleich zu Schadensschatzungen im Binnenland.139 Die Berechnungen der schleswig-holsteinischen Landesregierung miissen sich angesichts der immensen Werte, mit denen fur den Ausbau der Kiistenschutzanlagen geworben wird, den Vorwurf tendenzioser Prognosen gefallen lassen.140 Dies folgt, wie eben gezeigt, auf Ebene der Wertermittlung schon aus der Hohe des angesetzten personalen Vermogens an Grund- und Sachwerten, verglichen mit dem entsprechenden Bundesdurchschnitt, sowie weiterhin aus der generellen Ungeeignetheit dieser Methode, aussagekraftige Schadensprognosen zu erstellen. Im Ergebnis ist hier auf eine Selbstverstandlichkeit hinzuweisen: Eine objektive Beurteilung der Effizienz der Ktistenschutzanlagen ist nur anhand konkreter, an den tatsachlich moglichen Schadensumfang orientierten Schadensprognosen moglich. In diesem Zusammenhang geben jedenfalls einige Ermittlungsmethoden AnlaB zur Kritik. Festzuhalten bleibt, dass Kiistenschutz an der Ostseekilste mit erheblichen offentlichen Mitteln im Hinblick auf den Schutz vor Schaden bei extremen Sturmhochwassern betrieben wird. Objektive Schadensprognosen sind nicht nur schwierig, sondern von den Entscheidungstragern scheinbar auch nicht immer gewollt. Die Effizienz ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn der fmanzielle Aufwand fur die Schutzanlagen groBer ist als der Wert des so geschiitzten Landes.141 Bezogen auf die Anlagen des Uberflutungsschutzes ist vor dem Hintergrund der hier dargestellten Schadensschatzungen die Effizienz zumindest zweifelhaft. Deutlicher tritt dieses Ergebnis beim Schutz vor Erosionsprozessen zu Tage. Das Verhaltnis zwischen den Kosten, die der Schutz vor Erosionsprozessen erfordern wiirde, und dem Wert der zu erhaltenden Landflache stehen in einem krassen Missverhaltnis. Bereits Kalkulationen aus den dreifiiger Jahren des letzten JahrGeschatztes Schadenspotential i.H.v. 536 Millionen DM bei 18.000 potentiell Betroffenen. Stand 1994. Auskunft von Herrn Zom, STAUN Rostock, Abt. Kuste, Telefonat vom 31.07.2001. Das gesamte individuelle und gesellschaftliche Schadenspotential soil in der Rheinaue unter Zugrundelegung des sog. worst case lediglich 170.000 DM, am Mittelrhein bei einem 200-jahrlichem Hochwasser sogar nur 2.380 DM p.P. betragen. Berechnung des individuellen Schadenspotentials nach den Angaben bei Bohm et al, Anforderungen, S. 14 f. Im Mittel soil der Hochwasserschaden lediglich 12% des Schadenspotentials betragen, vgl. dazu Maul-Kotter, Abschatzung, in: Wasserbewirtschaftung, Bd. II, S. 18. Die Schatzungen der betroffenen Werte zeigen nicht unerhebliche Schwankungen. Das IPCC kam 1996/97 in einer landesweiten Untersuchung noch auf Sachwerte von durchschnittlich 263.829 DM pro Kusteneinwohner, wahrend das FTZ Westkilste in einer landesweiten Wertermittlung durchschnittlich 312.500 DM pro Einwohner errechnete, immerhin ca. 18% mehr. Siehe Nachweise MLR-Studie, Wertermittlung, Abschn. 5. Auf gleicher Datengrundlage wie das FTZ Westkuste prognostiziert der Generalplan Kustenschutz S-H , S. 5, in alien hochwassergefahrdeten Bereichen Sachwerte von 267.441 DM pro Person (an der Ostseekiiste 329.639 DM). Lopez, Kuste und Kustenschutz, o.S.; ebenso Scherenberg, Gemeinde 80, S. 407, der auf dieses Problem in Zusammenhang mit dem Steiluferschutzes hinweist.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

hunderts haben gezeigt, dass dem Wert des jahrlichen Landverlustes mit 7,5 Rpf. fur den laufenden Meter jahrliche Ausgaben an Zinsen, Tilgung und Unterhaltung von 15,56 RM gegenilberstanden.142 Damit hatte der kilstenschutzbezogene Aufwand seinen Nutzen fur die Landsicherung um das 212-fache iiberstiegen. Es besteht wenig Anlass fur die Vermutung, dass sich dieses Verhaltnis heute als wesentlich gtinstiger darstellt. Insgesamt zeigt sich, dass MaBnahmen des Kiistenschutzes okonomisch iiberhaupt nur dann in die Nahe des Sinnvollen gerilckt werden konnen, wenn sie zum Schutze von hohen materiellen Werten, etwa in geschlossenen Ortschaften, eingesetzt werden. Wirtschaftlich jedenfalls nicht vertretbar sind Schutzanlagen zur Sicherung landwirtschaftlicher Flachen, etwa auf Polderflachen, und zwar im Hinblick auf Errichtung und Unterhaltung.

///. Fazit Die Effektivitat und Effizienz der bisherigen Kiistenschutzstrategien muss zum groBen Teil als unzureichend bewertet werden. Die Berucksichtigung der erheblichen Beeintrachtigungen des Naturraumes, die auf KustenschutzmaBnahmen und durch sie ermoglichte Nutzungen zuruckzufuhren sind, bekraftigt diesen Befund. Das vom bisherigen Kusten- und Hochwasserschutz erwartete und von ihm beabsichtigte Ziel, die Verteidigung der heute existierenden Kiistenlinie bis in die Zukunft, ist zwangslaufig nur durch eine immer massivere Beeinflussung der natiirlichen Kiistendynamik zu erreichen. Gleichzeitig ist damit eine Steigerung von Anzahl und Schwere der Eingriffe in den Naturraum verbunden. Mit der angenommenen Meeresspiegelerhohung infolge des Treibhauseffektes verscharft sich die Situation. Diese Entwicklung wird langfristig dazu fuhren, dass die Sicherung der Kilste mit den MaBnahmen des technischen Kiistenschutzes nicht mehr zu gewahrleisten ist. Zu der sinkenden Effektivitat des Kiistenschutzes gesellt sich die faktische Unmoglichkeit der Kiistensicherung.143 Im Hinblick auf steigende Pegelstande erhobene Forderungen, die bisherigen Strategien im Wesentlichen unverandert fortzufuhren und damit die Kiistenraume dauerhaft einer Uberfiutung zu entziehen, konnen kaum iiberzeugen.144 Die Festlegung der Kiiste im Sinne eines status quo geht so zumindest langfristig an der Realitat vorbei. Es liegt in der Natur der Sache, unabhangig von der globalen Klimaanderung: Entwicklungen, die durch anthropogen nicht beeinflussbare Ursachen bedingt sind, kann mit Methoden der Wirkungssteuerung nur unzureichend begegnet wer142 143 144

Cordshagen, Kustenschutz, S. 212. Probst, WuB, 11/94, S. 56; Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 372. Stigge, in: Redieck/Schade, Sturmflut, S. 18; Petersen, WuB, 8/98, S. 47 f. Kurtz, Kustenschutz und Okologie, S. 44, halt die technische und finanzielle Machbarkeit einer Ktistensicherang herkommlicher Art trotz Klimawandel fur den Zeitraum der nachsten 100 Jahre fur moglich. Zutreffend wird aber auch hier daraufhingewiesen, dass es ,,im Kustengebiet nur sehr eingeschrankt moglich und dann sehr kostspielig ist, gegen die Natur zu arbeiten", vgl. Kurtz, a.a.O., S. 24.

§ 4 Ktistenschutz - Methoden und Auswirkungen

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den. Die Effektivitat und Effizienz von MaBnahmen, die auf Fixierung einer sich eigentlich verandernden Kiiste gerichtet sind, miissen denknotwendig sinken, je langer der natiirliche Prozess aufgehalten werden soil.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell Durch die erheblichen Kosten des Kiistenschutzes, die zweifelhafte Effektivitat und die erheblichen Beeintrachtigungen der Kiistenokosysteme sind herkommliche Kilstenschutzstrategien zunehmender Rritik ausgesetzt. Die wachsende Erkenntnis, der natiirlichen Kilstendynamik als einem grundsatzlich unbeeinflussbaren und gleichermaBen schiitzenswerten Prozess gegeniiberzustehen, birgt die Notwendigkeit in sich, bisherige Kilstenschutzstrategien konstruktiv zu iiberdenken.1 Es ist anzuerkennen, dass es im Kiistenraum der siidwestlichen Ostsee keine statischen Zustande geben und somit in Kustennahe nichts von Dauer sein kann.2 Kiistenschutz heifit nicht Schutz vor der natiirlichen Veranderung, sondern bestenfalls die Reduzierung der Veranderungsrate, um den Nutzern eine Rekapitalisierung ihrer Aufwendungen zu ermoglichen und sich in zumutbaren Zeitraumen aus den gefahrdeten Bereichen zuriickziehen zu konnen.3 Unter diesen Pramissen ist zukiinftig ein Kiistenschutzkonzept gefragt,4 welches der Dynamik der Kuste Raum lasst und wirklich nur dort eingreift, wo vitalste menschliche Interessen bedroht sind. Eingriffe in das Okosystem Kiiste sollen so auf das wirklich Allernotwendigste beschrankt werden,5 Kiistenschutz um seiner selbst Willen muss der Vergangenheit angehoren. SchlieBlich muss eine strenge Effizienzkontrolle stattfmden. Ein solches Kiistenschutzkonzept kann nicht isoliert greifen, sondern es muss in ein integriertes Management der Kiistenzonen6 eingefugt werden, welches eine nachhaltige Entwicklung des gesamten Kiistenraumes gewahrleistet.

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Es gibt bereits Bestrebungen, die bisherigen Kustenschutzkonzeptionen zu modifizieren. Haufig erfolgt jedoch nur eine eindimensionale, an den Interessen der Aufrechterhaltung des status quo ausgerichtete Darstellung, welche nicht neu ist, sondern im Wesentlichen die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen wiederholt, vgl. nur Probst, WuB, 12/98, S. 20 ff.; ders. Leitbild, in Kiistenschutz in S-H, S. 6 ff.; Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109. Umweltbericht M-V 96, S. 69. Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 371 f.; Umweltbericht M-V 96, S. 69. Die Notwendigkeit neuer Kiistenschutzstrategien herausstellend z.B. Knapp, in: Buchwaldt/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 112; Knapp/Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 301 f. Zu den unterschiedlichen Anspruchen an den Kiistenraum ausfuhrlich Kurtz, Ktistenschutz und Okologie, S. 20 ff., 27 f. So wird die Beschrankung von KiistenschutzmaBnahmen auf die Sicherstellung lediglich der Katastrophenabwehr bei Sturmhochwassern gefordert, Nachweise bei Kunz, Kiistenschutz und Okologie, S. 28. Dieser (richtige) Ansatz bezieht sich auf die Nordseekiiste, erscheint fur die sandige Ostseekiiste jedoch etwas eng, da hier Kiistendynamik und Extremereignisse starker zusammenwirken. Zum Beispiel in ein sog. Integriertes Ktistenzonenmanagement (IKZM), siehe dazu ausfuhrlich im 1. Kapitel § 5 C.

5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

85

A. Vorsorge kraft Nachhaltigkeit - einige Aspekte /. Nachhaltigkeit: Inhalt und Anspruch Die Gewahrleistung der weiteren zukunftsfahigen Entwicklung wird gemeinhin an das Prinzip der Nachhaltigkeit gekniipft. Das Konzept der Nachhaltigkeit soil dabei nicht nur eine neue Umweltpolitik hervorbringen oder isoliert die Probleme der Dritten Welt zu uberwinden helfen, sondern nahezu alle gesellschaftlichen und politischen Handlungsfelder weltweit in Richtung einer ausgewogenen Entwicklung steuern.7 Nachhaltige Entwicklung kann als dauerhafte Entwicklung verstanden werden, die die Bedurfhisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass kilnftige Generationen ihre eigenen Bedtirfhisse nicht mehr befriedigen konnen.8 Die Definition beschreibt damit schon das Nachhaltigkeitsmerkmal der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit.9 Sie prazisiert hingegen nicht, welche Entwicklungen im Einzelnen von der Nachhaltigkeit umfasst werden sollen. Durch das Begriffspaar der dauerhaften Entwicklung besteht auBerdem die Gefahr der Uberbetonung des Entwicklungsgedankens im okonomischen Verstandnis. Ein Gesamtzusammenhang zwischen menschlichen und natiirlichen Prozessen wird nicht hergestellt.10 Durch die UNCED-Konferenz in Rio de Janeiro 199211 erfuhr der Terminus Nachhaltigkeit gewisse Konkretisierungen. Es wurde einerseits herausgestellt, dass der Leitgedanke einer nachhaltigen Entwicklung selbstverstandlich auch die gegenwartige nachhaltige Nutzung beinhaltet. Andererseits ist der Gedanke einer umfassenden Nachhaltigkeit im Sinne einer alle Bereiche umspannenden ,,Sustainability" aufgegriffen worden. Damit ist festgelegt, dass unter nachhaltiger Entwicklung nicht nur die okonomischen, sondern gleichwertig auch die okologischen und sozialen Belange zu subsumieren sind.12 Dementsprechend soil eine global nachhaltige Entwicklung die Verfolgung von drei zentralen Belangen voraussetzen: produktives Wachstum, soziale Gerechtigkeit und okologische Nachhaltigkeit.13 Eine Entwicklung kann nach diesen Pramissen nur dann als nachhaltig bezeichnet werden, wenn auch okologische Belange als zentraler Punkt berilck7 8

9 10 11 12

13

Beaucamp, Sustainability-Konzept, A. III. 1. Definition nach: Our Common Future, Report of the World Commission on Environment and Developement (Brundtland-Kommission): in: Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft, S. 46. Petschow et ah, Nachhaltigkeit und Globalisierung, S. 21. Fues, Indikatorenprogramm, S. 45. Siehe EA 93, S. D 28 ff. Hardtke/Wolters in: Jelden et al., Nachhaltige Nutzung, S. 37. Zu den Theoriebausteinen des Nachhaltigkeitsbegriffs vgl. zudem die zusammenfassende Darstellung bei Leidig, UPROO, S. 374 f.; zur Historie: Ruffert, Umwelt und Entwicklung, in: UTR 21 (93), S. 399 ff. BMZE, Entwicklungspolitik 1997/98, S. 17 (,,Drei-Saulen-Modell" oder ,,Nachhaltigkeitsdreieck").

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1. Kapitel Konfliktanalyse

sichtigt werden. Eine wesentliche Verschlechterung der okologischen Situation auch zu Lasten der anderen Belange - ist mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit nicht zu vereinbaren und ware somit nicht vom Nachhaltigkeitsbegriff gedeckt. Obgleich das hier beschriebene Verstandnis vom Nachhaltigkeitsdreieck in der Nachhaltigkeitsdiskussion wohl dominiert, ist es zunehmender Kritik ausgesetzt.14 Letztere ist nicht von der Hand zu weisen, da das herkommliche Nachhaltigkeitsverstandnis im Ergebnis haufig dazu fuhrt, dass die okologischen Belange - bewusst oder unbewusst - nur untergeordnet zum Tragen kommen. Nicht selten wird von den Akteuren versucht, das Drei-Saulen-Modell der Nachhaltigkeit nur als Vorwand fur ein weiteres wirtschaftliches Wachstum und damit einhergehend auch zur Rechtfertigung der Zerstorung von Naturraumen einzusetzen.15 Bemangelt wird deshalb vor allem die unterstellte prinzipielle Gleichwertigkeit der drei Belange. Neuere Nachhaltigkeitsmodelle gehen demgegentiber von nur zwei Systemen aus: der OkospMre und der Humansphare, wobei die letztere ein Subsystem der Okosphare sein soil. Danach ware eine nachhaltige Entwicklung nur dann gegeben, wenn das globale Okosystem nicht oder nur unwesentlich beeintrachtigt wird und gleichzeitig die Nachhaltigkeitskriterien des Humansystems erfullt sind.16 Die Adaption des Nachhaltigkeitsbegriffs ist auf Ebene des europaischen Primarrechts differenzierend zu bewerten. Die Praambel des EUV verweist im siebenten Erwagungsgrund jetzt ausdriicklich auf die ,,Beriicksichtigung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung", wahrend die erste Fassung des EUV nur von der Forderung eines ,,ausgewogenen und dauerhaften wirtschaftlichen Fortschritts" ausging. Demgemafi stellt Art. B 1. Spstr. (neu Art. 2 1. Spstr.) EUV nunmehr die ,,Forderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts" und die ,,Erzielung einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung" heraus und nimmt damit auch auf das Drei-Saulen-Modell bezug. Demgegemiber verengt Art. 2 EGV den Nachhaltigkeitsbegriff zunachst auf eine rein wirtschaftliche Betrachtung. Allerdings sollen Umweltschutzerfordernisse gemaB des - anerkanntermaBen zur Integration von okologischen Belangen in die Gemeinschaftspolitiken aufgenommen - Art. 6 (ex Art. 3 c) EGV bei der Festlegung und Durchfuhrung anderer Politiken ,,zur Forderung einer nachhaltigen Entwicklung" herangezogen werden. Damit erfolgt wieder eine Koppelung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung an die MaBstabe der (okologischen) Nachhaltigkeit.17 Insofern kann Art. 6 (ex Art. 3 c) EGV zur Begrtindung eines gemeinschaftsrechtlichen Nachhaltigkeitsverstandnisses im Sinne der Rio-Deklaration herangezogen werden. Inwieweit sich aus diesem primarrechtlichen Nachhaltigkeitskonzept ein 14 15 16 17

Siehe dazu IUCN, Assessing Progress Toward Sustainability, S. 4; Fues, Indikatorenprogramm, S. 46 ff. Czybulka, Rahmenbedingungen, in: HTG-Jahrbuch 2004, S. 138. Vergleiche Fn. wie vor. Schroder, NuR 98, S. 2. So im Ergebnis auch Beaucamp, Sustainability-Konzept, C. Ausfiihrlich zu Art. 3c (neu Art. 6) EGV: Callies, DVB1. 99, 564 ff.; ferner Biickmann/Rogall, UPR 01, S. 122.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

87

wirksames gemeinschaftsverfassungsrechtliches Prinzip ergibt, diirfte von den zukiinftig noch zu gewinnenden genaueren Konturen abhangen.18 Die Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips in der bundesdeutschen Verfassung wird angesichts des Wortlautes von Art. 20a GG bezweifelt.19 Eine wichtige Facette der Nachhaltigkeit ist die Tragfahigkeit (,,Carrying Capacity").20 Unter Tragfahigkeit muss das Vermogen der Umweltressourcen verstanden werden, die weitere okonomische und soziale Entwicklung zu unterhalten. Voraussetzung fur eine zukunftsfahige tragfahige Entwicklung ist die Beschrankung des Verbrauchs von Umweltressourcen dergestalt, dass die wesentlichen Bestandteile, die fur eine standige Regenerierung notwendig sind, dauerhaft erhalten bleiben. Indikator fur den Erhalt der Tragfahigkeit in okologischer Hinsicht ist letztlich die Bewahrung der biologischen Diversitat.21 Insoweit ist festzustellen, dass die Grenzen der okologischen Tragfahigkeit der Erde vielerorts erreicht sind, da nach Schatzungen die Artenvielfalt in den nachsten 50 Jahren um 10 bis 50 % abnehmen wird.22 Mit dem Verlust natilrlicher Okosysteme werden zukiinftigen Generationen auch wertvolle Leistungen des Naturhaushaltes entzogen, wobei die Vielfalt dieser Quelle weit iiber das heutige Niveau an Nutzungsmoglichkeiten hinausgeht23. Durch die Vernichtung der ,,lebendigen Bibliothek der Natur" ist eine Stoning essentieller natiirlicher Prozesse verbunden, denn die bestehende Arten- und Formenmannigfaltigkeit der Organismen soil nicht nur Ergebnis der gesamten bisherigen, sondern auch Ausgangspunkt und Trager aller weiteren Evolution sein.24 Zudem gehen Konzepte der Natur zur Problembehebung dauerhaft verloren und konnen so auch vom Menschen nicht mehr genutzt werden.25 Hier wird die enge Verzahnung zwischen okologischer sowie 6'konomischer und sozialer Tragfahigkeit deutlich. Ein weiterer - hier nur kurz angerissener - Aspekt der Nachhaltigkeit bezieht sich auf die Kostentransparenz. Nachhaltigkeit verlangt Gerechtigkeit, Nachvollziehbarkeit und Internalisierung der Kosten.26 Die Strategic der Nachhaltigkeit ist damit Teil des allgemeinen Vorsorgeprinzips.27 Demnach ist ein 18 19 20 21 22 23

24 25

26 27

So jedenfalls Schroder, NuR 98, S. 2. Beaucamp, Sustainability-Konzept, D. I., m.w.N. Petschow et. al, Nachhaltigkeit und Globalisierung, S. 20. Merkel, in: Jelden et. al, Nachhaltige Nutzung, S. 9. Ebenda. So konnten z.B. von mehr als 5000 Arten europaischer Gefafipflanzen schon 1989 knapp 1000 Arten mit aktuellen oder potentiellen Nutzungsmoglichkeiten nachgewiesen werden. Vgl. dazu m.w.N. Reichhoff, in: Wegener, Naturschutzmanagement, S. 19. Reichhoff, in: Wegener, Naturschutzmanagement, S. 21 f. Merkel, in: Jelden et. al, Nachhaltige Nutzung, S. 10. Verwiesen sei hier nur auf die Bedeutung der Pflanzenwelt fur die Entwicklung von Medikamenten gegen bestehende und zukunftige Krankheitsbilder, vgl. insbesondere dazu National Geographic, Heft 4/2000, S. 148 ff. Europaische Kommission, Stellungnahmen, 1997, S. 8. Kloepfer, Umweltrecht, S. § 4 Rn. 31; BTDrs. 10/6028, S. 7; 11/7168, S. 26 f.

1. Kapitel Konfliktanalyse Handeln nur dann als nachhaltig zu bezeichnen, wenn es das Funktionieren der Natur als Ressourcenquelle, als Aufhahmemedium fur Emissionen und als Lebensgrundlage fur die Menschen nicht einschrankt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass unter Nachhaltigkeit nicht nur die okonomische Ressourcenvorsorge in Bezug auf den Verbrauch von Rohstoffen durch die heutige Generation zu verstehen ist. Das Prinzip der Nachhaltigkeit erfordert eine Gesamtbetrachtung gegenwartiger und zukiinftiger Entwicklungen und ihrer Auswirkungen unter zwingendem Einbezug der Gesamtheit der Umweltressourcen.

//. Kiistenschutz und Nachhaltigkeit In einer Gesamtschau der vorherigen Ausfuhrungen muss ein Kiistenschutzkonzept, welches im umfassenden Sinne nachhaltig wirken soil, den einzelnen Nachhaltigkeitskomponenten mit besonderem Augenmerk auf den Prinzipien der Umweltressourcenvorsorge entsprechen. MaBstab dafiir ist ressourcenokonomisch der langfristige Erhalt einer groBtmoglichen Anzahl potentieller Nutzungsoptionen und okologisch der Schutz und die Entwicklung der natiirlichen Lebensgrundlagen im Sinne eines okologischen Generationenvertrages.28 Neuere Bestrebungen sind darauf gerichtet, die Nachhaltigkeit im Kiistenschutz auf die Frage des RohstoffVerbrauchs unter weitgehendem Ausschluss der okologischen Anspriiche zu reduzieren.29 So wird vertreten, gegenwartige Kustenschutzkonzepte waren schon deshalb nachhaltig im o. g. Sinne, weil die Sicherung von Flachen vor Uberflutung und Abrasion ktlnftigen Generationen zugute komme und praktisch kaum ein Verbrauch an Rohstoffen erfolge.30 Ein solches Verstandnis reduziert die Nachhaltigkeit auf einige wenige Aspekte und geht deshalb fehl. Selbst wenn man unterstellte, dass die Sicherung der bestehenden Kiistenlinie nachfolgenden Generationen Nutzungspotentiale offenhalten konne und damit eine partielle okonomische oder soziale Nachhaltigkeit gegeben ware, verlangt die okologische Komponente des Nachhaltigkeitsbegriffes zwingend nach der Integration gegenwartiger und zukunftiger Belange von Naturschutz und Landschaftspflege. Hierfur sind die herkommlichen Strategien ungeeignet. Im Gegenteil, die tradierte Form der Flachensicherung kann nur mit schwerwiegenden Beeintrachtigungen der okologischen Nachhaltigkeit erkauft werden.31 In der Ignoranz gegeniiber dieser negativen okologischen Bewertung ist ein Aufierachtlassen der okologischen Nachhaltigkeitskomponente als Ganzes zu sehen. Im Ergebnis ist die 28

29 30

31

BTDrs. 11/7168, S. 26; vgl. weiter Cicin-Sain/Knecht, Integrated coastal and ocean management, S. 40 f., w o von der nachhaltigen Entwicklung (,,Sustainable development") ausdrucklich die Bewahrung der grundlegenden okologischen Prozesse, der Lebensgemeinschaften und der Biodiversitat mitumfasst sein soil. Probst, Leitbild, in: Kiistenschutz in S-H, S. 9; Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109. Dies so vertretend und deshalb grundlegende Anspriiche der Nachhaltigkeit vOllig verkennend: Probst, Leitbild, in: Ktlstenschutz in S-H, S. 9; Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109. Siehe die umfangreichen Nachweise im 1. Kapitel § 4 B.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

89

Nachhaltigkeit ernes GroBteils der bisherigen Kilstenschutzstrategien selbst unter Zugrundelegung des (gemaBigten) Drei-Saulen-Modells zu verneinen. Selbst wenn man, der Gegenmeinung folgend, nur auf die bloBe Ressourcenokonomie in Gestalt der Sicherung von Nutzungsoptionen zukilnftiger Generationen abstellte, ist die Nachhaltigkeit bisheriger Strategien ebenfalls zu bezweifeln.32 Vor Uberflutung gesicherte Flachen werden genutzt, landwirtschaftlich und fur Siedlungstatigkeiten. Mit der baulichen Entwicklung erfolgt eine Uberpragung der Bereiche, die eine Renaturierung durch nachfolgende Generationen rechtlich33 wie faktisch34 unmoglich macht. Zudem bewirkt das Absinken eingedeichter Flachen35 eine Erhohung des Gefahrdungspotentials,36 die Notwendigkeit dauerhafter kiinstlicher Sicherung und in Extremfallen den endgiiltigen Verlust der Flachen.37 Hochgradig degradierten Standorten fehlt namlich die Fahigkeit, sich nach Ausdeichungen wieder in natiirliche Feuchtwiesen zuruckzuentwickeln. Sie wiirden dauerhaft uberschwemmt. Die Polderwirtschaft zerstort durch die einsetzende Moorsackung daher die Option zukiinftiger extensiver Bewirtschaftungsformen auf naturlichen Uberflutungsflachen. Dagegen wiirden nur rechtzeitige Ausdeichungen und Renaturierungen nachfolgenden Generationen die Moglichkeiten extensiver, naturangepasster Nutzungen eroffhen. Sollte sich danach irgendwann ein Bedarf fur intensive Polderwirtschaft ergeben, blieben Eindeichungen immer noch moglich. Tatsachlich kann deshalb eine weitestgehende Verwendungsoffenheit nur mit dem Erhalt der naturlichen Prozessdynamik in Gestalt von Renaturierungen ehemals iiberfluteter Salzwiesen geleistet werden. Im Ergebnis ist nur die Ruckfuhrung zu naturlichen Uberflutungsregimes in der Lage, zukunftige Nutzungsoptionen zu sichern, wohingegen die tradierten Formen des flachensichernden Kiistenschutzes zu deren Vernichtung beitragt. Betrachtet man unter diesem Blickwinkel beispielhaft die in jiingster Vergangenheit favorisierten und als ,,nachhaltig" angesehenen Sedimentaufspillungen, offenbart sich wiederum schon in isolierter ressourcenokonomischer Betrachtung die Unvertraglichkeit am MaBstab der Nachhaltigkeit. Die unumkehrbare Vernichtung nicht regenerierbarer Lagerstatten38 steht in eklatantem Widerspruch zu einer nachhaltigen Ressourcenokonomie, da den nachfolgenden Generationen Bodenschatze unwiederbringlich entzogen werden. Dass tlberdies die damit verbundene dauerhafte Vernichtung von Lebensraumen den Grundanforderungen einer okologischen Nachhaltigkeit nicht gerecht wird, liegt insoweit auf der Hand. 32 33 34 35 36 37 38

Im ausdriicklichen Gegensatz zu Probst, Leitbild, in: Ktistenschutz in S-H, S. 9; Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109. Durch die Schaffung von Vertrauenstatbestanden und damit Entschadigungspflichten, vgl. dazu ausfuhrlich 5. Kapitel. Durch Flachendegradierung und gesellschaftlich-poltische Akzeptanzmangel. Siehe dazu 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Durch Erhohung des Potentialsgefalles, siehe 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Z u m Beispiel wenn die Moorsackung das geschiitzte Land unter den Meeresspiegel fallen lasst. Siehe dazu 1. Kapitel § 4 A. I. 4.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Der Befund mangelnder Nachhaltigkeit gegenwartiger Konzepte erhartet sich bei Einbezug des oben erwahnten Grundsatzes der Kostengerechtigkeit. Diese ware nur dann gewahrt, wenn Landbewirtschaftskonzepte - unter Beriicksichtigung aller Aufwendungen - auf einem verniinftigen Kosten-Nutzen-Gleichgewicht basieren wtlrden.39 Eine solche Ausgewogenheit besteht bei Internalisierung aller Kosten zumindest fur die intensive Landwirtschaft auf Polderflachen nicht,40 so dass fur diese Nutzungsform die Nachhaltigkeit auch mangels Kosten-NutzenGleichgewicht nicht gegeben sein dtlrfte. Zusammenfassend ist folgendes anzumerken: Die im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion zu Tage tretende Verkiirzung der Nachhaltigkeitsanspriiche in Definition und Subsumtion kommt einem ,,weiter wie bisher", nur mit neuen Schlagworten gleich. Damit wird bewusste oder unbewusste Verwasserung des Nachhaltigkeitsbegriffes betrieben, die das gesamte Konzept der Nachhaltigkeit gefahrdet.41

B. Grundthesen vorsorgender Kustenschutzstrategien Die Grundthesen eines alternativen Kiistenschutzmodells42 lassen sich wie folgt umschreiben: • • • • •

Aufrechterhaltung und Starkung der lebenserhaltenden Prozesse der Kustenokosysteme, Vermeidung von Kiistenschutzerfordernissen in rechtlicher und tatsachlicher Hinsicht, Vorbeugende Schadensvorsorge zum Schutz von materiellen Werten in iiberflutungsgefahrdeten Bereichen, Naturvertragliche Gestaltung notwendiger Kiistenschutzanlagen und Schaffung eines Bewusstseins ftir Hochwassergefahren.

Die Forderung nach der Aufrechterhaltung der lebenserhaltenden Prozesse43 der Kustenokosysteme fuBt auf der besonderen Sensibilitat dieses Naturraumes. Dazu gehort das Unterlassen von Einwirkungen auf den Kiistenbereich, die negative Folgen auf die Kiistendynamik und die Kustenokosysteme hervorrufen kon39 40 41

42 43

SieheFn. 26. S i e h e l . Kapitel § 4 C. Zutreffend auf die Gefahrdungen hinweisend, die durch eine rein ressourcenokonomische Interpretation der Nachhaltigkeit auftreten konnen, sowohl in tatsachlicher Hinsicht als auch bzgl. der Verwasserung der Begrifflichkeiten: Hardtke/Wolters, in: Jelden et. al, Nachhaltige Nutzung, S. 37. Gleiches wird auch fur den Terminus eines Integrativen Kiistenschutzkonzeptes zu gelten haben. Vgl. zum Ganzen auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 694 fund Bosecke, NuR 04, S. 780. Siehe auch die Zusammenfassung der Leitlinien und Handlungsziele unterschiedlicher Hochwasserschutzkonzepte vorsorgender Art in: Bohm et al., Anforderungen, S. 20 f. Clayton/O'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 274.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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nen, die Forderung von sich positiv auf die Sedimentbilanz auswirkenden natiirlichen Prozessen44 sowie die Revitalisierung ehemals natiirlicher Kusteniiberflutungsflachen.45 Damit einher geht die Forderung nach Nutzungsformen, die den kiistenschutz- und naturschutzbedingten Gegebenheiten der hochwassergefahrdeten Bereiche angepasst sind.46 Alle erosionsvermindernden KilstenschutzmaBnahmen haben neben der beabsichtigten positiven Beeinflussung der Sedimentbilanz zum Teil erhebliche negative Auswirkungen auf den kilstendynamischen Prozess. Durch Beschrankung auf die notwendigsten Anlagen konnen so auch die negativen Folgen vermindert werden. Dies gilt insbesondere fiir die Festlegung aktiver Kliffs47, aber auch fur ausgedehnte Flachkilstenabschnitte. Uberdies ist mit einer drastischen Minimierung der Eingriffe in den Kilstenraum auch eine Verbesserung der okologischen Situation verbunden. Beispiel fiir eine mogliche Synthese von Kiistenstabilisierung und okologischen Interessen ist die Wiederansiedlung ausgepragter mariner Makrophytenbestande im ufernahen Bereich. Insgesamt ist anzuerkennen, dass an der Kiiste die Biodiversitat ganz erheblich von der abiotischen Diversitat abhangig ist und insoweit dem abiotischen Prozessschutz eine herausragende Bedeutung zukommt. Die fundamentale Bedeutung der Uberflutungsflachen fiir die Gesamtheit der Okosysteme der Ostsee macht ihre Bewahrung zu einer absoluten Notwendigkeit. In fachlicher Hinsicht sind deshalb Neueindeichungen, die zu einem weiteren Verlust dieser Flachen filhren wiirden, zwingend und dauerhaft zu unterlassen. Die Herausforderung fiir die Zukunft ist es, moglichst viele der einst existierenden Uberflutungsmoore und Salzwiesen zu revitalisieren und sie damit wieder einer natiirlichen periodischen Uberflutung zuzufiihren.48 Die wiedergewonnenen Fla44

45

46 47 48

Clayton/O'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 2 7 1 . Beispiel fiir die Nutzung der natiirlichen Prozesse ist das Aufspiilen von Sediment in einem Bereich, in dem eine tatsachliche Schutzbediirftigkeit gegeben ist und die Verbesserung der Sedimentbilanz nachfolgender Strandabschnitte i m Lee-Bereich nicht durch erneute Aufspiilungen, sondern durch Ausnutzen der natiirlichen Sandverfrachtung, vgl. AusschuB fur Kiistenschutzwerke/HTG, Die Kuste 9 3 , S. 348 f.; kritisch zu einem ungestorten Ablauf der Naturvorgange jedoch Dieckmann, W u B 1/90, S. 45. G L R P Westmecklenburg, 1998, S. Ill 151 f.; G L R P Mittleres Mecklenburg und Rostock; 1996; S. Ill 79; G L R P Vorpommern, 1996, S. Ill 95. Im Landschaftsprogramm SH, S. 113 f. wird lediglich die Aufrechterhaltung des status quo gefordert. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 48. Wortlich HELCOM 16/3; Scherenberg, Gemeinde 80, S. 407. Vergleiche auch HELCOM 16/3; Liibbe, Wasserwirtschaft, in Eickermann, Bodenordnung, S. 10; Horn, Naturschutz und Kiistenschutz, UIN 96, S. 9; Knapp/Bodeker/von Nordheim, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 301; Lampe, Uferlinienveranderungen, in: Boedeker/von Nordheim, Klistenschutz, S. 24; Jeschke/Knapp, Naturschutzarbeit in MV, 1/91, S. 36; Kunz, Kiistenschutz und Okologie, S. 43; Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 42; Horn, Naturschutz und Kiistenschutz, UIN 96, S. 9. Auf das noch hohe Regenerationspotential eingedeichten Boddengraslandes hinweisend: Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I, S. 153.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

chen dienen zugleich als natiirlicher Wasserilberlauf und konnten zu einer Verringeruung des Buchtenstaueffektes beitragen.49 Durch ihre Funktion als Nahrstoffsenke leisten sie auBerdem einen Beitrag zur Minimierung der Eutrophierung und wirken dadurch positiv auf die Wiederbesiedlung des Phytals.50 Dies gilt auch fur natiirliche offene Sandstrande, Inseln, Haken und Nehrangen, die durch erosionsvermindernde Schutzanlagen ebenfalls Beeintrachtigungen unterworfen sind. Der Schutz dieser Biotope und Biotopsysteme ist nicht nur ethische Aufgabe, sondern aufgrund des naturschutzrechtlichen Schutzregimes, welchem der Kiistenbereich unterfallt, zugleich von rechtlichen Pflichten getragen.51 Im Rahmen der weiteren Untersuchung wird daher zu priifen sein, inwieweit die wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Vorgaben rechtlich umgesetzt werden konnen. Dabei liegt der Schwerpunkt dieser rechtlichen Analyse auf Fragen der Verhinderung von die Kiistendynamik und das Okosystem beeintrachtigenden Einwirkungen sowie der Revitalisierung ehemaliger Kustenuberflutungsmoore und Salzwiesen52. Die Vermeidung der Schaffung von Kiistenschutzerfordernissen (Vorbeugung) in rechtlicher und tatsachlicher Hinsicht beruht auf verschiedenen Uberlegungen: Gemeinsamer Ansatzpunkt zur Durchsetzung dieses Zieles in tatsachlicher Hinsicht ist die tradierte Zielstellung des Kiisten- und Hochwasserschutzes, die Bewahrung der menschlichen Gesundheit von im Kilstengebiet lebenden Menschen und die Sicherung ihrer materiellen Werte. Kiistenschutzerfordernisse treten damit immer in den Bereichen auf, wo vitale oder okonomische Werte bestehen. Durch eine Verminderung dieser Schadenspotentiale kann der Bedarf nach Kustenschutzanlagen verringert werden. Ein Ansatzpunkt dieser Strategie ist somit die Risikobegrenzung. Ein Sturmhochwasser, aber auch der normale kiistendynamische Prozess, stellt an sich einen neutralen Naturvorgang dar. Zu einem negativen, weil schadigenden Ereignis, mutiert das Geschehen erst durch die im gefahrdeten Bereich angehauften Risiken.53 Diese Risikoschaffung unterliegt jedoch im Gegensatz zu den natiirlichen Prozessen dem Einfluss des Menschen und ist prinzi49

50 51

52

53

Fiir den Hochwasserschutz an oberirdischen Gewassern: LAWA, Leitlinien, S. 10, ebenso Buck, in: Tonsmann, Hochwasserschutz, S. 66; Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 67. Diese Funktion dilrften Uberflutungsflachen an der Boddenkilste ahnlich erfullen. Zustimmend fur das Wattenmeer: Reise, Wattenmeer International 4/93, S. 8; kritisch Kunz, Kilstenschutz und Okologie, S. 43. Knapp, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 111. Im Vorgriff auf die weiteren Untersuchungen ziehen Lebensraume von Vogelarten nach Anhang Abs. 1 V R L und nach Anhang Abs. 1 FFH-RL geschiltzten Lebenraumtypen konkrete Vermeidungs- und Minimierungspflichten nach sich, die einer extensiven Ausweitung von Ktistenschutzanlagen entgegenstehen. Der nationale Biotopschutz erscheint hier zwar ein dehnbareres Rechtsregime zu entfalten, gleichwohl sind auch damit Schutzauftrage verbunden. So fiir oberirdische Gewasser ausdriicklich Breuer, Instrumente, in Breuer, Hochwasserschutz, S. 37; siehe auch Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 67. Probst, WuB 11/94, S. 57; Krause, Binnenschifffahrt 6/96, S. 54.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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piell steuerbar. Dies unterscheidet den Prozess von Landverlust und Landiiberflutung an der Kiiste von dem an oberirdischen Gewassern. An Flilssen im Binnenland sind die Ursachen der Uberschwemmungskatastrophen ebenfalls teilweise anthropogen bewirkt und daher vom Menschen beeinflussbar.54 Die Strategic der Flachenfreihaltung wird auf internationaler Ebene bereits seit langerem verfolgt. So liegt der HELCOM-Empfehlung 15/1 nicht nur die Schaffung formlicher Schutzstreifen,55 sondern auch die einer Kiistenplanungszone zugrunde, welche als maBgeblichen Zweck die Steuerung der Siedlungsentwicklung im Hinblick auf okologische und risikobegrenzende Flachenfreihaltungen beinhaltet. Die Notwendigkeit einer Kiistenplanungszone greift die sich mit Kiistenschutz beschaftigende HELCOM-Empfehlung 16/3 nochmals auf. Insgesamt betrachtet, stellen die HELCOM-Empfehlungen einen recht umfassenden und standig akrualisierten Rahmen fur eine nachhaltige Entwicklung im Ktistenbereich dar.56 Wenn auch aus § 2 Abs. 1 Nr. 14 LNatG M-V keine strikte Beachtenspflicht internationaler Ubereinkommen resultiert, so hat sich das Land durch § 3a Abs. 4 LNatG M-V verpfiichtet, entsprechend der HELCOM-Vorgaben marine Schutzgebiete zu melden. Dariiber hinaus haben sich aufgrund von § 2 Abs. 1 Nr. 14 LNatG M-V die Legislative und Exekutive mit den Vorgaben gerade auch der HELCOM-Empfehlungen auseinanderzusetzen und diese bei Entscheidungen zumindest zu berucksichtigen.57 Risikobegrenzung ist folglich nicht nur eine auBerrechtliche Vorstellung, sondern vom Ansatz zugleich rechtlich geboten. Ein Sektor des alternativen Kiistenschutzkonzeptes lauft daher neben der Etablierung von an nattirliche Gegebenheiten angepassten risikopotentialarmen Nutzungsformen58 primar auf die Beschrankung von Siedlungsaktivitaten in ilberflutungsgefahrdeten und von Landabtrag betroffenen Gebieten hinaus.59 In extrem 54 55

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59

Vergleiche hierzu z.B. die MaBnahmen zur Verhinderung von Hochwasser an Flusslaufen bei Buck, in: Tonsmann, Hochwasserschutz, S. 66. Wie bereits mehrfach erwahnt, besteht innerhalb der Strategie der Flachenfreihaltung eine weitgehende Interessenkongruenz der wasserwirtschaftlichen Belange des Kilstenschutzes und denen des Naturschutzes. Im direkten Uferbereich wird dies schon durch die vergleichbaren gesetzlichen Vorgaben in § 89 Abs. 1 Nr. 1 LWaG M-V u n d § 19 Abs. 1 S. 2 LNatG M-V deutlich, die hinsichtlich des Bauverbotes an der Kilstenlinie miteinander korrespondieren (vgl. dazu ausfuhrlicher 6. Kapitel § 15 ). Eine weitergehende Freihaltung der kustennahen Flachen vor Bebauung iiber diese Vorgaben hinaus ist nicht nur fur die weitere Existenz anthropogen gering belasteter und storungsarmer Raume im Hinblick auf die hohe Sensibilitat der Kiistenbiotope von (jkosystemarer Bedeutung, sondern auch im Interesse des Kiistenschutzes. Czybulka, Rahmenbedingungen, in: HTG-Jahrbuch 2004, S. 139. Siehe dazu 5. Kapitel § 14 A. II. 2. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 48. Naturnahe extensive Griinlandwirtschaft, die weitgehend hochwasserrestistent ist, ist regelmaBig nicht so schadensanfallig wie intensiver Ackerbau auf eingedeichten Standorten. Vgl. dazu auch Corell, UPR 96, S. 251. Clayton/O'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 273; Knapp, in: Buchwaldt/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 112; Holst/Billwitz/Strunk, Leitbilder I,

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l.KapitelKonfliktanalyse

gefahrdeten Gebieten ist auch an einen vollstandigen Riickzug zu denken.60 Eine weitere Notwendigkeit fur Flachenfreihaltungen ist in der Schaffung von Vorsorgeraumen fur defensive KustenschutzmaBnahmen begriindet. Darunter sind Mafinahmen zu verstehen, die sich lediglich auf Uberflutungsschutz beziehen und sich nicht mehr in unmittelbarer Ufernahe, sondern weiter landeinwarts befinden. Damit konnte in Abtragungsgebieten eine Strategic der ,,flexible response" durchgesetzt werden.61 Dabei werden die Anlagen des Uberflutungsschutzes in Abhangigkeit der Abrasion der Kiistenlinie nach und nach landeinwarts verlagert.62 So geschaffenes Deichvorland ist auch unter Beriicksichtigung kiinftiger Klimaszenarien kustenschutzerisch wiinschenswert.63 Innerhalb der Strategic der Flachenfreihaltung besteht insoweit eine weitgehende Interessenkongruenz zwischen den

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S. 276. Fur oberirdische Gewasser: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 48; Bohm et ah, Anforderungen, S. 28 f.; Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 37; Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 67; Buck, in: Tonsmann, Hochwasserschutz, S. 66; Scherenberg, Gemeinde 80, S. 407 f.; GLRP Westmecklenburg, 1998, S. Ill 151 f.; GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock; 1996; S. Ill 79. Dieser Ansatz wird jedoch im GLRP Vorpommern, vgl. S. Ill 95 f., und im Landschaftsprogramm S-H, siehe S. 113 f., nicht erwahnt. Innerhalb der LAWA, Leitlinien, S. 14, wird dieser Teil der Strategic als Flachenvorsorge bezeichnet. Bezeichnenderweise erfolgte in den letzten Jahrzehnten die Bebauung von Flachen in der Nahe von Ortschaften, die seit hunderten von Jahren unbesiedelt geblieben sind. Die althergebrachte Flachenfreihaltung durch die vorangegangenen Generationen war dem Wissen uber die Hochwassergefahr geschuldet. Die heutige Bebauung der Flachen trotz besseren Wissens und im Vertrauen auf die Sicherung dieser Gebiete durch technischen Hochwasserschutz erhoht nicht nur das Schadenspotential, sondern auch die Anspriiche an den Ktlsten- und Hochwasserschutz, vgl. instruktiv Scherenberg, Gemeinde 80, S. 406. Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 372. So soil es durch eine Verkmipfung (objektiver) Schadenspotentialdaten mit Uberflutungswahrscheinlichkeiten zukunftig moglich sein, fur die einzelnen Uberflutungsraume das individuelle Risiko zu ermitteln und auf dieser Basis neue Kustenschutzstrategien zu entwickeln, welche z.B. Siedlungsbeschrankungen, Verkleinerungen gepolderter Uberflutungsraume durch rtickwartigen Deichbau etc. enthalten konnen. Vgl. dazu MLR S-H, Wertermittlung, Abschnitt 6. Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 371; Probst, WuB, 11/94, S.57 f.; Horn, Naturschutz und Kiistenschutz, UIN 96, S. 9; vorsichtig Ltibbe, in: Eickermann, Landliche Bodenordnung, S. 15; wohl ablehnend Petersen, WuB, 8/98, S. 48; Haufig wird dieser Ansatz auch als Anpassungsstrategie, im Gegensatz zu Vordeichungen und Sicherung der bestehenden Kiistenlinie um jeden Preis, bezeichnet, vgl. Probst, WuB 11/94, S. 59; Kunz, Kustenschutz und Okologie, S. 35, 39 f. Herrmann/Holz, in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 43. In der Vergangenheit wurde der Gedanke eines defensiven, auch auf Riickzug ausgerichteten Kilstenschutzes durch die Errichtung von Kilstenschutzgebieten aufgegriffen, vgl. dazu ausfuhrlich 4. Kapitel § 12 B.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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wasserwirtschaftlichen Belangen des Kiistenschutzes und den Anforderungen des Naturschutzes.64 Eine Freihaltung der kilstennahen Flachen vor Bebauung iiber die gesetzlichen Vorgaben in § 89 I Nr. 1 LWaG M-V und § 19 I S. 2 LNatG M-V hinaus65 ist nicht nur generell fur die weitere Existenz anthropogen gering belasteter und storungsarmer Raume im Hinblick auf die hohe Sensibilitat der Kiistenbiotope von okosystemarer Bedeutung.66 Erhaltung und Schutz der noch vorhandenen naturnahen Flachen besitzen angesichts der langen Regenerationszeiten zahlreicher Okosystemtypen hochste Prioritat.67 Die Existenz dieser Flachen ist zugleich die Voraussetzung fur die Wiederherstellung bedrohter Lebensraume auf degenerierten Standorten. Hier fallt wieder die Revitalisierung eingedeichter Salzgrasflachen und die Renaturierung natiirlicher Kustenuberflutungsmoore mit deren gesamten positiven okologischen Folgewirkungen ins Gewicht.68 In diesem Kontext konnen angepasste Wirtschaftsformen nicht nur sachlich das Risikopotential begrenzen, sondern fachlich auch die okologische Entwicklung des Ktistenraumes begtinstigen. Die Vermeidung von Kiistenschutzerfordernissen in rechtlicher Hinsicht bedeutet die Beschrankung staatlicher Pflichten zur Anlage und zur Unterhaltung von Kiistenschutzanlagen. Dieser Uberlegung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Ktistenschutzanlagen auf jeden Fall dort errichtet werden, wo die offentliche Hand konkrete Schutzauftrage innehat oder sich fur Schaden aufgrund unzureichender staatlicher Vorsorge eine Schadenersatzpflicht ergibt.69 Damit finden vorsorgende Kiistenschutzkonzepte rechtlich zunachst dort ihre Grenzen, wo diese Konzepte in Rechtspositionen Dritter eingreifen. Staatliche Schutzauftrage konnen sich primar aus Art. 2 Abs. 2 GG ergeben, wenn sich durch die Nichterrichtung oder den ungenilgenden Ausbau von Kiistenschutzanlagen Gefahrdungen des menschlichen Lebens ergeben. Sekundar besteht die Moglichkeit einer staatlichen Unterhaltungspflicht fur die Anlagen des Ktistenschutzes aus Art. 14 GG. Die jeweiligen Landeswassergesetze statuieren in § 83 Abs. 1 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 LWaG S-H staatliche Schutzpflichten fur im Zusammenhang bebaute Ortschaften. Einfachgesetzlich besteht somit keine 64 65 66

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69

Dierfien, Widerspruch, in: Ktistenschutz in S-H, S. 14. Die besondere Bedeutung des Kustenbereiches und die hohe Verantwortung des Landes wird durch Aufhahme des § 3a LNatG M-V deutlich. Allgemein zur sparsamen Ausgestaltung notwendiger Freirauminanspruchnahmen als tragendes Element einer dauerhaft nachhaltigen Raumentwicklung siehe Beschluss der M K R O v o m 08.03.1995 in: Jenkins., Raumordnung u n d Raumordnungspolitik, S. 556 f. Niederstadt, Okosystemschutz, S. 69. Knapp/Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 301 f.; Herrmann/Holz in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 4 3 ; Knapp in: Buchwaldt/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 112. Dieser Ansatzpunkt wird u.a. durch Clayton/O 'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 273 und Krause, Binnenschifffahrt 96, S. 16 unterstutzt.

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l.KapitelKonfliktanalyse

Pflicht zum Schutz von Einzelgrundstticken und von land- bzw. forstwirtschaftlichen Flachen. Insoweit wurden diese Normen z.B. der Revitalisierung ehemaliger Uberflutungsflachen, die heute landwirtschaftlich genutzt werden, nicht entgegenstehen. Rechtliche Grenzen bei der Beschrankung von KilstenschutzmaBnahmen bergen auch Entschadigungsregelungen wie § 32 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 19 Abs. 4 WHG und (fakultativ) § 5 Abs. 2 BNatSchG in sich. Im Sinne eines altemativen Ktistenschutzkonzeptes sollten diese staatlichen Schutzpflichten auf ein Minimum beschrankt werden. Deshalb ist auszuloten, in welchem Umfang staatliche Schutzpflichten grundsatzlich bestehen und ob diese im Hinblick auf die besondere Lage von Grundstucken an sandigen Ausgleichsund Boddenkiisten einer Modifikation bedtirfen.70 Im Rahmen der vorbeugenden Schadensvorsorge zum Schutz von materiellen Werten im uberflutungsgefdhrdeten Bereich geht es primar urn die Art der baulichen Vorhaben und deren konkrete Ausgestaltung hinsichtlich ihrer Sturmflutsicherheit.71 Generell ist in Kustengebieten, die potentiell von Abrasion oder Uberschwemmungsgefahr betroffen sind, Zuriickhaltung bei der Ansiedlung neuer materieller Werte geboten. Ergibt sich in Ausnahmefallen trotzdem die Notwendigkeit der Bebauung dieser Bereiche, muss das Schadenspotential so gering wie moglich gehalten werden. Dies lasst sich einerseits durch an Extremereignisse angepasste Bauweisen und Nutzungen erreichen.72 Damit kann in Bereichen, welche von periodischer Uberflutung bei nur geringer Abrasion bedroht sind, eine Verringerung des Schadenspotentials und in dessen Folge die Verhinderung der Errichtung ansonsten notwendiger neuer Kiistenschutzanlagen realisiert werden. In Abrasionsgebieten ist andererseits darauf zu achten, dass durch geeignete Instrumente die hier angesiedelten materiellen Werte generell zu begrenzen sind. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass diese Gebiete bei Fortgang der natiirlichen Prozesse mit geringem Aufwand wieder geraumt werden konnen. Dazu ist die Investitionssumme der dort beabsichtigten Bebauung moglichst gering zu halten. So ist beispielsweise der Riickbau einer landwirtschaftlichen Erganzungsbebauung, auch unter Beriicksichtigung des Armortisierungsgedankens73, leichter moglich als der einer aufwendigen Tourismusansiedlung. Die Forderung nach einer naturvertrdglichen Gestaltung notwendiger Kiistenschutzanlagen ist ebenfalls Ausdruck des Minimierungsgebotes von Eingriffen in den Naturraum.74 Die Errichtung von zumindest materialmaBig an die natiirlichen 70 71 72

Der gesamte Themenkreis wird im 5. Kapitel ausfuhrlich untersucht. Vergleiche auch Buck, in: Tonsmann, Hochwasserschutz, S. 66. LAWA, Leitlinien, S. 15; Bohm et al., Anforderungen, S. 30; Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 48. Fur einen verbesserten Objektschutz tritt auch Probst, W u B 11/94, S. 58, ein.

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Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 371 f.; Die Moglichkeit einer Investitionssperre im gefahrdeten Bereichen zieht Petersen, in: Boedeker/von Nordheim, S. 84 in Betracht. Dies fordert auch die HELCOM-Empfehlung 16/3, S. 7; Horn, Kustenschutz und Naturschutz, UIN 96, S. 10; GLRP Westmecklenburg, 1998, S. Ill 152; GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock; 1996; S. Ill 79; GLRP Vorpommern, 1996, S. Ill 95; nur

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

97

Verhaltnisse angepassten Anlagen diirfte i. d. R. mit geringeren Beeintrachtigungen verbunden sein. Statische Kiistenschutzwerke sind einer hohen Belastung ausgesetzt. Haufig werden Teile der Bauwerke auf die offene See geschwemmt oder verdriften ktistenparallel. Natiirliche oder verrottbare Materialien wie Holz und Granit belasten den Naturhaushalt in diesen Fallen weniger als kunstliche wie Beton, Eisen oder Kunststoffe. Zusatzlich ist anzunehmen, dass sich natiirliche Baustoffe besser an die natiirlichen Veranderungen im Kilstengebiet anpassen und so eine hohere Effektivitat aufweisen. Dieser Grundsatz spielt zudem bei Sedimentaufspiilungen eine Rolle. Hier sind vorrangig Sande zu verwenden, die bei der Ausbaggerung von Fahrrinnen in BundeswasserstraBen anfallen.75 Diese sind zwar nur eingeschrankt zu Strand- und Dunenaufspiilungen geeignet. Jedoch konnten heute noch auf Spiilfeldern an Land abgelagerte Sedimente mit einem erhohten Schlickanteil fur Aufspulungen im der Uferlinie vorgelagerten Unterwasserbereich dienen. Mittels der Verwendung dieses Materials zur Verbesserung der Sedimentbilanz wird die problematische Gewinnung mariner Sedimente verringert und die eingriffsintensive Anlage von Sptilfeldern an Land eingeschrankt.76 Der Schaffung eines Bewusstseins fur Hochwassergefahren77 liegt die Tatsache zugrunde, dass Landabtrag und Sturmhochwasser unablosliche Bestandteile natilrlicher Prozesse sind. Absolute Sicherheit kann es hier nicht geben. Daran sind alle Nutzungsanspriiche der Kiistenbewohner auszurichten. Naturnaher Kiistenschutz kann nur gelingen, wenn nicht nur die entsprechenden tatsachlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in diese Richtung weisen, sondern auch die psycholo-

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eingeschrankt: Landschaftsprogramm S-H, S. 114. In diese Richtung geht auch die Forderung von Dieckmann, WuB 1/90, S. 46, nur unbedingt notwendige Baumafinahmen an der Kiiste durchzufuhren und auch nur dann, wenn diese sorgfaltig unter Beriicksichtigung aller Folgewirkungen geplant werden. Horn, Kiistenschutz und Naturschutz, UIN 96, S. 9; GLRP Westmecklenburg, 1998, S. Ill 152; GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock; 1996; S. Ill 79; GLRP Vorpommern, 1996, S. Ill 95; auf diese Problematik nicht eingehend: Landschaftsprogramm S-H, vgl. S. 113 f. Zur Baggergutverklappung im Allgemeinen: Mersmann/Boyken/Woltering, Bremische Konzepte, S. 125 ff. Moglicherweise kann auch die Verwendung nichtmariner Sande eine Alternative zur herkommlichen Aufspillungspraxis darstellen, vgl. Grett, WuB, 10/94, S. 39 f. mit konkreten Beispielen und CharHer/DeMeyer, Coastal Erosion, S. 28. So sind die bei der Ausbaggerung des Peenestroms angefallenen Sande in der Vergangenheit auf einem grofien Spillfeld an der Siidwestkuste des nordlichen Teils der Insel Usedom in einem im Hinblick auf die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege sensiblen Bereich aufgespillt worden. Neuere Aufspulungen von Baggergut aus einer Fahrrinnenvertiefung des Peenestroms bei Karnin an Land erfolgten in der Nahe der Ortschaft Lassan, vgl. AK vom 01.10.98, S. 1. LAWA, Leitbilder, S. 17f, 20 f.; Bohm et al., Anforderungen, S. 30; Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 7; Liibbe, Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 11; Probst, WuB 11/94, S. 58. Siehe jetzt auch Entwurf des Raumentwicklungsprogrammes Mecklenburg-Vorpommern, Stand August 2004. Ausfuhrlich dazu im 2. Kapitel § 8 A. II.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

gischen Erwartungen der Nutzer diese Grenzen realisieren. Dazu gehort auch eine wirksame Hochwasserwarnung,78 die Starkung der Eigenvorsorge79 und Solidaritat.80 Ziel ist zugleich die Selbstbeschrankung der Bewohner und Investoren kraft Selbsterkenntnis. Gerade in einer sich standig verandernden Landschaft miissen sich die Menschen als Teil des Naturhaushaltes begreifen und dessen Rahmenbedingungen akzeptieren.

C. IKZM als Rahmen /. Notwendigkeit und Definition Die ungebremste Abnahme der Biodiversitat im Kustenraum mit Wechselwirkungen zur bereits beschriebenen Konfliktlage81 sowie die stetige Verscharfung letzterer durch steigenden Meeresspiegel auf der einen und Bevolkerungszuwachse,82 Ansiedlung ungeeigneter Industrie- und Infrastrukturanlagen sowie Raubbau an lebenden und nichtlebenden Ressourcen auf der anderen Seite83 haben zu der Erkenntnis gefuhrt, dass die langfristig nachhaltige Entwicklung des Kiistenraumes wirkungsvoller Steuerungsmechanismen bedarf. Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten Probleme und Konflikte in den Kiistenzonen auf planungstechnische, politische oder institutionelle Schwachen zuruckgefuhrt werden konnen.84 Ausgehend von diesen Defiziten formulierte die Europaische Kommission85 allgemeine 78 79

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Siehe z.B. Bohm et al., Anforderungen, S. 31. Z u m Beispiel durch Kostenbeteiligung der NutznieBer an der Unterhaltung von Kustenschutzanlagen, vgl. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 6, 8. D i e Wirkung von Eigenvorsorge aufgrund negativer Erfahrungen (Bewusstseinsschaffung) ist in den Schadenssummen der Rheinhochwasser 1993 und 1995 signifikant. Obwohl das Ereignis 1995 die Scheitelwerte von 1993 teilweise tibertraf, lag der Schadensumfang bei nur 40% der Summe von 1993. Siehe dazu Bohm et al, Anforderungen, S. 15. In Betracht kommt auch die Versicherung von Hochwasserrisiken, vgl. Bohm et al., a.a.O., S. 90 f. Lubbe, Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 11. Siehe 1. Kapitel § 1 B. Die Kustenraume sind, unabhangig von temporaren und regionalen Unterschieden, weltweit dem starksten Bevolkerungsdruck ausgesetzt, vgl. Cicin-Blain, Integrated Management, S. 40, S. 23 ff. m.w.N. Zur Konfliktlage ausflihrlich Europaische Kommission, IKZM, Prinzipien, S. 7; Colijn, Ktlstenzonenmanagement, in: Kilstenschutz in S-H, S. 16 (19); VASAB, Developement, S. 34 f. Europaische Kommission, IKZM, Prinzipien, S. 9. Im Rahmen dieser Darstellung soil sich schwerpunktmafiig auf die Vorstellungen der Europaischen Kommission gestutzt werden, da diese wohl am weitesten fortgeschritten sind, vgl. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 683 f. Vergessen werden darf aber nicht, dass Ausloser des IKZM der Rio-Prozess (Ubereinkommen iiber die biologische Vielfalt) war (vgl. dazu Czybulka, Rahmenbedingungen, in: HTG-Jahrbuch 2004, S. 138) und

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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Prinzipien fur eine nachhaltige Kustenzonenentwicklung und darauf aufbauend eine Empfehlung86 ,,zur Umsetzung einer Strategic fur ein integriertes Management der Kiistengebiete in Europa" nach Art. 249 Abs. 5 EGV. Innerhalb des IKZM soil durch eine umfassende Betrachtungsweise, basierend auf den spezifischen Bedingungen einer Region,87 unter Akzeptanz der naturlichen Prozesse sowie unter Konsens und Beteiligung der Betroffenen, gewahrleistet werden, dass heutige Entscheidungen keine Zukunftsoptionen ausschlieBen und die Kiistenentwicklung somit nachhaltigen Anspriichen gerecht wird.88 Nach dem Verstandnis der Europaischen Kommission ist ein IKZM ein dynamischer, kontinuierlicher und iterativer Prozess, der langfristig ein nachhaltiges Gleichgewicht zwischen den Vorteilen wirtschaftlicher Entwicklung und Nutzung der Ktistengebiete durch die Menschen, den Vorteilen von Schutz und Wiederherstellung der Kiistengebiete, den Vorteilen der Minimierung der Verluste an menschlichen Leben und Eigentum sowie den Vorteilen offentlicher Zuganglichkeit und Freude an den Kilstenzonen innerhalb der durch die naturliche Dynamik und Belastbarkeit gesetzten Grenzen herstellen soil.89 Im Ergebnis wird in einem IKZM eine abgestimmte Strategic fur die nachhaltige Nutzung, Entwicklung und den Schutz der naturlichen, sozialen, kulturellen und institutionellen Ressourcen unter Akzeptanz der naturlichen Rahmenbedingungen mit dem Ziel einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung der marinen Gebiete entworfen und durchgesetzt.90

//. Wesen und Inhalt des IKZM9' 1. Akzeptanz der Rahmenbedingungen Aus der Definition geht hervor, dass sich ein IKZM zunachst an den naturraumlichen Rahmenbedingungen des entsprechenden Kiistenbereiches, die anthropogen nicht oder kaum beeinflussbar sind, zu orientieren hat. Es verstarkt damit die allgemeine Nachhaltigkeit in Richtung eines Okosystemansatzes.92 Das IKZM-

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u.a. im Jakarta-Mandat eine Konkretisierung fand. Ausgangspunkt des IKZM ist daher die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Erganzend bieten sich die im Wesentlichen gleichlautenden Konzepte von VASAB an, siehe dazu VASAB, Developement, S. 34 ff. 2002/413/EG vom 30.05.2002 (AB1. E G S. 148, S. 24). Regionale Betrachtung, vgl. van der Zwiep/Backes, Integrated System, S. 51. Europaische Kommission, IKZM, Prinzipien, S. 1 Iff., m.w.N. Europaische Kommission, IKZM, Prinzipien, S. 16. U.a. nach Cicin-BlainlKnecht, Integrated Management, S. 39; Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109; Colijn, Kustenzonenmanagement, in: Kustenschutz in S-H, S. 20. Ausruhrlicher: Bosecke, N u R 04, S. 778 f. Der Gang dieser Darstellung erlaubt eine nur fragmentarische Betrachtung des Problemkreises. Insoweit sollen lediglich einige der Aspekte, die fur den planungrechtlichen Anspruch der Arbeit besondere Relavanz entfalten, naher untersucht werden. Czybulka, Rahmenbedingungen, in: HTG-Jahrbuch 2004, S. 138.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

Konzept beschrankt sich daher nicht auf erne Steigerung der Umsetzungseffektivitat von Planungsprozessen im Kustenbereich, sondern gibt durch seine Bezugnahme auf die Grenzen der natiirlichen Dynamik und Belastbarkeit wichtige materielle Inhalte vor, die in alien IKZM-Planungen und -Umsetzungskonzepten zu beachten sind.93 Fur den Kiistenschutz formuliert die Empfehlung 2002/413/EG ,,angemessene und aus okologischer Sicht verantwortungsvolle KiistenschutzmaBnahmen".94 Die slidwestliche Ostseekuste unterliegt, wie bereits gezeigt,95 isostatischen und eustatischen Prozessen, die geologisch-tektonisch bedingt und anthropogen nicht steuerbar sind.96 Zusatzlich wirkt die nattirliche Kiistendynamik mit der Folge von Sedimentverfrachtungen und Landverlusten an der Aufienkustenlinie. Klimatische Extremereignisse begilnstigen den Kiistenriickgang. Auch hier karm der Mensch nur punktuell auf der Wirkungsseite eingreifen, eine Beeinflussung der Ursachen ist nicht moglich. Die beschriebenen naturraumlichen Vorgaben sind als nicht relativierbare Rahmenbedingungen bei Konzeption eines IKZM zu beachten. Alle Nutzungen des Kiistenraumes haben die durch nicht beeinflussbare Gegebenheiten gezogenen Nutzungsgrenzen zu akzeptieren. Damit ist der auBere Rahmen gezogen, innerhalb dessen Anspriiche an den Kustenraum gestellt und durch ein IKZM zum bestmoglichen Ausgleich gebracht werden konnen. Nutzungsanspriiche, die tiber das MaB hinausgehen, was die naturraumlichen Rahmenbedingungen bieten, stellen antagonistische Widerspriiche zu der mit einem IKZM verfolgten nachhaltigen Entwicklung dar, deren Auflosung die Grundprinzipien eines IKZM storen wiirde. Solcherart Nutzungsanspriiche sind innerhalb der Geltung eines IKZM daher als unzulassig anzusehen.97 Die IKZM-Konzeption entspricht insoweit den in jiingerer Ziet geforderten Leitplankenstrategien.98 Unter Leitplanken werden bestimmte, quantitativ definierte Schadensgrenzen verstanden, deren Uberschreiten jetzt oder gegenwartig derart intolerable Folgen mit sich bringt, dass auch groBe, einmalige Nutzungsvorteile diese Schaden nicht ausgleichen konnen.99 Wenngleich die Bezugnahme auf Schadensgrenzen zu eng erscheint, da insoweit nur eine folgenseitige Betrachtung erfolgt, die lediglich auf Reaktion und weniger auf Aktion abzielt, wird deutlich, dass durch Leitplanken Bereiche abgegrenzt werden, deren Beschreiten Verlet93 94 95 96

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Eindringlich: Bosecke, N u R 04, S. 778 f, 780, m.w.N., m.w.N. Vgl. dazu m.w.N.: Czybulka, Rahmenbedingungen, in: HTG-Jahrbuch 2004, S. 140. Hierzu fmden sich im 1. Kapitel § 3 nahere Ausfuhrungen. Die Eustasie erfahrt eine Verstarkung durch den globalen Klimawandel, der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels ist zumindest von den lokalen Akteuren nicht wirksam zu beeinflussen, vgl. 1. Kapitel § 3 A. II. Insoweit wird ansatzweise dem zweisystemigen Nachhaltigkeitsverstandnis entsprochen, siehe 1. Kapitel § 5 A. I. W B G U , Jahresgutachten 1999, S. 325. Siehe dazu auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 695. Ahnlich zu Abwagungssperren Kloepfer, Umweltrecht, § 4 Rn. 67. W B G U , Jahresgutachten 1999, S. 325. Siehe dazu auch Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 322 und Bosecke, N u R 04, S. 779 f.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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zungen des Nachhaltigkeitsprinzips verursachen, wobei innerhalb des verbleibenden Korridors weiterhin breite Entwicklungsspielraume eroffnet sind, in denen Entscheidungsprozesse ungehindert ablaufen konnen. Leitplanken unterscheiden sich als Kombinationen von Prinzipien und Regeln von den iiblichen Rahmenvorschriften. Sie sind Direktiven einer angestrebten Entwicklung und beinhalten quantitative und qualitative Elemente. Leitplanken oder Rahmenbedingungen als Ausdruck der naturraumlichen Bedingungen begrenzen somit die juristische Abwagungsdogmatik100 durch Aspekte von iiberragender Bedeutung als ein vor die Klammer jeglicher Abwagungsprozesse gezogenes Korrektiv.101 Die Etablierung eines IKZM muss daher auch mit Modifikationen der bisherigen Abwagungsdogmatik verbunden sein.102

2. Rahmeninterner Interessenausgleich Als wesentliche Interessen, die innerhalb der Grenzen eines IKZM zum Ausgleich zu bringen sind, werden die wirtschaftliche Entwicklung, die Gewahrleistung der Sicherheit der Kiistenbewohner und Erhaltung der natiirlichen Dynamik und Biodiversitat des Kiistenraumes angesehen.103 Der Ausgleich sollte dabei in zwei Schritten erfolgen. Zuerst muss versucht werden, den besonderen naturraumlichen Bedingungen sektorenintern gerecht zu werden. Als zweites sind die modifizierten Anspruche an den Kustenraum sektorenextern bestmoglich abzustimmen.

a. Sektoreninterne Assimilation Innerhalb des IKZM wird hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung z.B. zutreffend vertreten, dass bei der Neuansiedlung von Branchen solche zu favorisieren sind, die fur ihre Entfaltung den Kustenraum benotigen. So soil z.B. der Industrie zur Verarbeitung mariner Nahrungsquellen in unmittelbarer Kiistennahe der Vorrang vor Veredelungsstatten der landwirtschaftlichen Produktion zuzubilligen sein. Der Ausbau von Hafenkapazitaten beispielsweise soil Prioritat vor der Errichtung allgemeiner Dienstleistungsbetriebe haben.104 Ziel muss es daher sein, insbesondere angesichts des hohen und weiter steigenden Nutzungsdrucks auf den Kustenraum dessen Nutzung auf solche Industrien zu beschranken, die zwingend auf die Lage an der Kiiste angewiesen sind. Damit kann auch das Risikopotential und die Errichtung statischer Bauten minimiert werden. Erganzend tritt hinzu, dass Schutz und angepasste Entwicklung historisch gewachsener Siedlungen NeubaumaBnahmen vorzuziehen sein und die tradierten Kenntnisse der Kustenbewohner

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Siehe dazu ausruhrlich: 2. Kapitel § 7 C. I. 2. a. Damit entsprechen die Wirkungen im Wesentlichen denen von Plammgsleitsatzen. Sie entfalten ihre Effekte gleichwohl nicht nur iiber rechtliche Qualifizierungen, sondern (wenigstens teilweise) tiber faktische Unbeeinflussbarkeit. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 695. Siehe dazu auch den Integritatsmafistab des Art. 20a GG, Czybulka, Naturschutz und Verfassungsrecht, in: Vogl et al., HbdU, IV3.6.1, S. 7. Zur Abwagungsdogmatik: 2. Kapitel § 7 C. I. 2. a. Nach Hofstede/Probst, Hansa 11/99, S. 109. Cicin-BlainlKnecht, Integrated Management, S. 56.

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l.KapitelKonfliktanalyse

im Umgang mit den besonderen Bedingungen des Kustenraumes und der Nutzung mariner Ressourcen gestarkt werden sollen.105 Der Sicherheit der Kiistenbewohner ist vorrangig durch Anpassungsstrategien Rechnung zu tragen. Die Entwicklung des Kustenraumes unter vorbeugenden Aspekten verringert den zukiinftigen Aufwand fur Anpassungsmafinahmen.106 Bezogen auf die Situation der sandigen Ostseekusten diirfen Neuansiedlungen im Ktistenbereich zukiinftig nur an ungefahrdeten Stellen erfolgen. In Abrasionsgebieten kann dem nur entsprochen werden, wenn ausreichende Abstande zur Kiistenlinie gewahrt werden. Bei Bemessung der Abstande sind die vorhersehbaren Uferveranderungen107 unter Beachtung von Extremereignissen und groBziigig bemessener Sicherheitspuffer, auch im Hinblick auf defensive Kustenschutzaktivitaten, zu berticksichtigen. In Gebieten mit neutraler Sedimentbilanz oder in Akkumulationsgebieten konnen diese Abstande geringer bemessen werden. Hier ist jedoch die langfristige Kiistenentwicklung abzuschatzen, da sich die Sedimentbilanz dieser Gebiete verandern kann. Im Ergebnis entsprechen diesem Ansatz weitgehend die zu vorsorgenden Kiistenschutzkonzepten entwickelten Strategien. Zur Erhaltung der naturlichen Dynamik und Biodiversitdt des Kustenraumes gehort das Unterlassen von Einwirkungen auf den Kiistenbereich, die negative Folgen die Kiistenokosysteme hervorrufen konnen.108 Diese Komponente beinhaltet den Schutz wertvoller Habitate, die sinnvolle Nutzung der lebenden und nichtlebenden Ressourcen sowie die Minimierang von Eingriffen in die Prozessdynamik.109 Gerade in diesem Bereich ist ein Uberschreiten der IKZM-Leitplanken zu besorgen. Insoweit bieten die bereits formulierten Grundthesen vorbeugender Kiistenschutzstrategien110 zugleich allgemeingiiltige Vorgaben fur die okologische Entwicklung des Kustenraumes innerhalb eines IKZM. Die forderliche Wirkung eines sektoreninternen Ausgleichs der einzelnen Nutzungsanspriiche unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit verdeutlicht sich in einer Gesamtschau. Die Entwicklung des Kustenraumes unter Beachtung von natiirlicher Dynamik und Biodiversitat ist auf Dauer wirtschaftlicher als unangepasste Nutzungsformen. AuBerdem kann dem Schutz der menschlichen Gesundheit und materieller Werte am besten durch passive MaBnahmen gewahrleistet werden, welche die Ktlstenprozesse akzeptieren. Insoweit bewirkt das Nachhaltigkeitsdreieck einen Nachhaltigkeitskreislauf, der zu einer sektoreninternen Optimierung aller Belange auch unter fachspezifischen Gesichtspunkten fuhrt.

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Cicin-BlainlKnecht, Integrated Management, S. 56. Charlier/De Meyer, Coastal Erosion, S. 22. In einer Zeitspanne von mindestens 100, besser 200 bis 300 Jahren. Clayton/O'Riordan, in: O'Riordan, Umweltwissenschaften, S. 271. Siehe dazu das allumfassende Zonierungskonzept von van der Zwiep/Backe, Integrated Systems, S. 51. Vergleiche 1. Kapitel § 5 B.

§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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b. Sektorenexterne Abwagung Die unter Beachtung des interessenintemen Ausgleichs konkurrierenden Anspruche sind unter Zugrundelegung der Zielsetzungen des IKZM gegeneinander abzuwagen. Hier kann auf die tradierte Abwagungsdogmatik verwiesen werden.'11 Betont sei in diesem Zusammenhang die vergleichsweise starkere Gewichtung der Umweltbelange innerhalb eines IKZM.112 Entscheidend ist gleichwohl, dass durch die gegenseitige Optimierung innerhalb der internen Assimilation bereits ein GroBteil der Konflikte bereinigt werden kann.

3. Der integrative Charakter eines IKZM Die integrative Wirkung des IKZM soil sich auf unterschiedliche Regelungsgegenstande beziehen. 113 Ausgehend von mannigfaltiger Zersplitterung von Rechtsmaterien und Politikbereichen im Ktlstenraum besteht das Bedurfhis einer formellen und materiellen Integration und Konzentration der einzelnen Handlungsfelder.114 Integration im Sinne eines IKZM muss daher mehrdimensional erfolgen. Zu denken ist an die intersektorale Integration zwischen den verschiedenen horizontalen Nutzungen, 115 an eine administrative Integration zwischen den einzelnen Befugnissen in vertikaler 116 und horizontaler 117 Richtung sowie an eine rdumliche Integration zwischen land- und wasserbezogenen Nutzungen 118 . Erganzend wird

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Vergleiche dazu 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b. und 2. Kapitel § 7 C. I. 2. a. Die Okologisierung der Kiistenraumentwicklung war schlieBlich Ausgangspunkt fur die Etablierung eines IKZM, vgl. Europaische Kommission, KOM (95) 511, endg./2, S. 5 und Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 684. Cicin-BlainlKnecht, Integrated Management, S. 43. Die differierenden gesetzlichen Regelungen und administrativen Strukturen werden schon durch die territoriale Aufteilung des Kiistenraumes deutlich. Unterschieden werden konnen: zunachst das Binnenland oder Kustenhinterland mit nur geringem Ktistenbezug, das eigentliche Kustenland mit Uberschwemmungsgebieten und Marschen, welches bereits erheblich wasserbeeinflusst ist, sowie die Ktistengewasser mit Astuaren, Bodden, Lagunen und Flachwasserzonen. Obwohl diese Bereiche ausschlieBlich der nationalen Rechtsordnung des Kustenstaates unterliegen, sind mediensektorale Rechtsregime und vielfaltige Zustandigkeitsaufteilungen die Regel. Verkompliziert wird die Situation in den Offshore-Gewassern bis 200 sm (AWZ) und dem Festlandssockel, welche dem nationalen Recht nur noch eingeschrankt unterworfen sind, sowie der Hohen See mit ausschlieBlicher Regelungsbefugnis iiber das SRU. Zum letzteren vgl. ausfllhrlich Czybulka/Kersandt, Relevanz, passim. Zum Beispiel der Rohstofffbrderung, Fischerei, Tourismus, Verkehrs- und Hafenwirtschaft und dem Schutz der marinen Lebensraume. Bund, Land, Kommunen. Staatliche und kommunal angesiedelte Behorden fur Naturschutz, Wasserbehorden, Wirtschaftsforderungsborden, Planungsbehorden, Baubehorden u.s.w. Primar im Hinblick auf vom Land ausgehende Beeintra'chtigungen der marinen Nutzungen, z.B. Wasserqualitat und Fischzucht.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

eine interdisziplindre Wissenschaftsintegration zwischen den unterschiedlichen Fachbereichen119 und eine Internationale Integration120 eingefordert.121 Auf die Anforderungen, denen sich die nationale Rechtsordnung zu stellen hat, um als integriert i. S. e. IKZM zu gelten, kann in dieser Arbeit nur selektiv eingegangen werden. Im Hinblick auf die materielle Integration dilrfte ein erster Ansatz fur eine Harmonisierung des materiellen Rechts in Richtung nachhaltiger Strategien in der Implementierung okologischer Belange in den einzelnen Fachgesetzen zu erblicken sein.122 Diesbezugliche Ansatze lassen sich in der (neuen) okologischen Ausrichtung des § la WHG und fachiibergreifend in der nachhaltigen Leitvorstellung des § 1 Abs. 2 ROG123 erkennen.124 Entscheidend ist jedoch nicht nur die bloBe Berucksichtigungspflichtigkeit okologischer Belange.125 Ausschlaggebend ist vielmehr deren gleichberechtigte Durchsetzungsfahigkeit in konkreten Verwaltungsentscheidungen.126 Ernstzunehmende Impulse lassen in diesem Kontext die bereits beschriebenen Leitplankenstrategien erwarten. Eng mit diesem Themenkreis verknupft ist die administrative Integration. Ohne hier u.U. notwendige Veranderungen von Organisation und Kompetenzzuweisungen zu untersuchen, ist jedenfalls ersichtlich, dass bei der administrativen und raumlichen Integration der Raumordnung und Landesplanung eine besondere Rolle zufallen kann.

4. Spezielle Kiistenplanungszonen Die beschriebenen Integrationsnotwendigkeiten lassen sich bis zu einem bestimmten Grad durch die Schaffung einer gesonderten Kustenplanungszone bewerkstelligen. DemgemaB soil ein Kiistenzonenmanagement eine integrierte, sektoren(ibergreifende Planungsmethode bezeichnen, die samtliche EinflUsse auf eine bestimmte Kustenzone erfasst.127 Wenngleich die ausschlieBliche Bezugnahme auf die Planungsebene angesichts der der nationalen Rechtsordnung inharenten Moglichkeit abweichender Einzelentscheidungen etwas kurz gerat,128 zeigt sich, dass eine Kustenplanungszone, die dem nachhaltigen Ausgleich von Nutzungsanspriichen dient und deren Planungsvorgaben ein hohes MaB an Verbindlichkeit erlangen, ein zunachst gangbarer Weg zur Etablierung eines IKZM sein kann.

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Einerseits hinsichtlich land- und meeresbezogenen Studiengangen und andererseits zwischen den die naturwissenschaftlichen Grundlagen liefernden und diese in Managementtechniken umsetzenden Fachleuten.

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Zum Beispiel auf Ebene der HELCOM und der Europaischen Union. Cicin-BlainlKnecht, Integrated Management, S. 43 ff. Siehe auch Sterr, in: Boedeker/von Nordheim, Naturschutz und Kustenschutz, 1997, S. 91. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 687. Gesetz vom 18.8.1997, BGB1.1, S.2081, zuletzt geandert durch das Europarechtsanpassungsgesetz (EAG-Bau) vom 24.06.2004 (BGB1.1, S. 1359). Ausfiihrlich dazu Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 687. Diese sollte mittlerweile als Selbstverstandlichkeit angesehen werden. Im Ergebnis ebenso Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 687. Erbguth, NuR 99, S. 492. So jedenfalls die Zweifel von Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 688.

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§ 5 Vorsorgende Strategien als Losungsmodell

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Davon geht im Ergebnis auch die Helsinki-Kommission aus. In der HELCOMEmpfehlung 15/1 und nochmals 16/3 wird das Erfordernis einer gesonderten Ktlstenplanungszone zur Etablierang eines wirkungsvollen Kustenzonenmanagements statuiert. Die Zone soil hierbei eine landseitige Tiefe von 3 km aufweisen.129 Auch wenn diese Areale den unmittelbaren Kustenbereich und einige Teile des Kustenhinterlandes abdecken diirften, bleibt die Angabe nur ein MindestmaB. Es kann aus planungstechnischen Griinden und im Interesse eines allumfassenden Einbezugs aller kiistenrelevanten Nutzungsansprilche durchaus wiinschenswert sein, eine solche Kiistenplanungszone weiter auszudehnen (5 bis 10 km).130 Jedenfalls sollte eine solche Planungungszone - unabhangig von der 3-km-Angabe - landseitig entsprechend des okosystemaren Ansatzes der Empfehlungen alle tiberflutungsgefahrdeten Flachen einschlieBen.131 Seeseitig bedarf es angesichts zunehmender, sich vielfach uberlagernder Nutzungsanspriiche132 und der daraus folgenden Schutzbedurfhisse ebenfalls eines vorausschauenden und koordinierenden Vorgehens.133 Das Planungsgebiet sollte daher das gesamte Kiistenmeer umfassen und Bezuge zur AWZ herstellen.134 In Anbetracht der Anforderungen eines IKZM kann eine Kiistenplanungszone nur auf Grundlage umfangreicher Abwagungsentscheidungen errichtet werden. Sie muss den Rahmen der moglichen Nutzungsoptionen definieren und i. S. v. IKZM-Strategien unvertragliche Anspriiche an den Kiistenraum ausschliefien. Innerhalb der potentiellen Nutzungsmoglichkeiten ist ein abgestimmtes System zu entwerfen, welches sicherstellt, dass privilegierten und weniger praferierten Vorhaben und Planungen adaquate Standorte zugwiesen werden. Fur diese Form des Schutz- und Nutzungsmanagements ist eine moglichst stringente und allumfassende Planbindung samtlicher Vorhaben in der Ktistenzone essentielle Voraussetzung.135 Organisatorisch muss sichergestellt werden, dass insbesondere die Trager der okologischen Belange ausreichend einbezogen werden. Hier bietet es sich an, die Kilstenplanungszonen unter der FederfUhrung der Umweltverwaltungen festzusetzen.136 Konsequenterweise sollte der Begriff des Managements innerhalb des IKZM alle Planungs- und Entscheidungsstufen umfassen, beginnend bei der Informationssammlung tiber rechtsverbindliche Planungen und endgiiltige Einzelentscheidungen bis hin zur Ergebniskontrolle. Daftir ist die organisatorische und instituti129 130 131 132 133 134 135 136

Danemark hat bereits 1994 sein Planungsgesetz geandert, um eine 3 km breite landseitige Kiistenplanungszone zu konstituieren, vgl. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 686. Siehe schon 1. Kapitel § 2 A. Flexibiltat bzgl. des dynamischen Wesens der Kuste und der Betrachtung naturlicher Gebiete als Ganzes, vgl. Europaische Kommission, Schlussfolgerungen, S. 39. Die sog. ,,Industrialisierung des Meeres, vgl. Scharmann, Europa Regional 2/94, S. 14. Erbguth, NuR 99, S. 910. Die Untauglichkeit der bisherigen Sektoralpolitik betont auch Scharmann, Europa Regional 2/94, S. 14. Vergleiche 1. Kapitel § 2 A. Zutreffend Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 687. Bosecke, NuR 04, S. 781.

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1. Kapitel Konfliktanalyse

onelle Einbindung der betroffenen offentlichen Stellen sowie deren materiellrechtliche Bindung an die Vorgaben der Planungszone notwendig.137

///. Fazit Vorsorgende Kiistenschutzkonzepte lassen sich in ein ilbergeordnetes IKZM in hervorragender Weise einbinden. Die Inhalte beider Strategien laufen im Wesentlichen kongruent. Kiistenschutzkonzepte konnen Entscheidungshilfen fur die Etablierung eines IKZM geben und von dessen gesteigerten Umsetzungschancen profitieren. Der Etablierung eines IKZM selbst stehen noch erhebliche Widerspriichlichkeiten administrativer, organisationsrechtlicher und materiell-rechtlicher Art entgegen. Zur Behebung letzterer Defizite ist insbesondere die Eingrenzung materieller Abwagungsprozesse auf die naturraumlichen Gegebenheiten und eine strikte, allumfassende Planbindung aller Entscheidungen im Kustenbereich an die Erfordernisse des IKZM vordringlich. Grundlegende Voraussetzung zur Durchsetzung dieser Anspriiche ist die Schaffung eines kustenraumbezogenen speziellen Rechtsregimes in Gestalt einer Kiistenplanungszone.

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Zu den Defiziten de lege lata eingehend Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 689, 691; Schauser/Wehrhahn, GR 95, S. 119.

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Innerhalb dieses Kapitels soil dargestellt werden, welche Moglichkeiten Raumordnung und Landesplanung zur Begrenzung des Risikopotentials als Teil vorsorgender Kustenschutzstrategien sowie zur Etablierung einer gesonderten Kiistenplanungszone als Mittel zur Durchsetzung eines IKZM bieten konnen.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven A. Das System der Raumordnung /. Aufgabenstellung und Funktionsweise Nach § 1 Abs. 1 ROG ist es Aufgabe der Raumordnung, den Gesamtraum der BRD und seine Teilraume durch zusammenfassende, iibergeordnete Raumordnungsplane und durch Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und MaBnahmen zu entwickeln, zu ordnen und zu sichern.1 Gegenstand der Raumordnung ist die hoheitliche Gestaltung des Raumes jenseits der Ortsebene unter uberortlichen und tiberfachlichen Gesichtspunkten.2 Die typische Funktion der Raumordnung besteht darin, durch ein leitbildgetragenes raumliches Raster den anderen Planungen gegeniiber bestimmte Vorgaben zu entwerfen.3 Die Raumordnung ist der ortlichen

Vergleiche dazu das Baurechtsgutachten des BVerfG vom 16.05.1954 - 1 PBvV 2/52 BVerfGE 3, S. 407 (425); Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 37; Brohm, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 5. Vergleiche Fn. 1; Manssen, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht M-V, S. 28; Koch/Hendler, Baurecht, S. 33. Schlarmann/Erbguth, Durchsetzung von Umweltbelangen, S. 24 f., m.w.N. Dabei ist die Raumordnung nicht auf die Beschreibung des tatsachlichen Zustandes beschrankt, sie dient im Gegensatz dazu der Realisierung einer angestrebten Ordnung, vgl. Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 37.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Gesamtplanung4 und den Fachplanungen5 (ibergeordnet. Die Raumordnung ist als ,,Planung der Planung"6 das wichtigste Instrument zur Beeinflussung zukiinftiger Raumstrukturen. Dies ergibt sich auch aus der besonderen Funktion der Raumordnung. Sie dient der Abstimmung und Integration konkurrierender Raumnutzungsanspriiche, sie ist daher querschnittsorientiert.7 Die Koordinierungsaufgabe der Raumordnung und Landesplanung ist begrifflich mit der Vorstellung eines Vorrangs der Koordinierungsziele gegenuber den zu koordinierenden Aufgaben verbunden.8 Damit unterscheidet sich die Raumordnung von den anderen Planungsarten nicht nur durch den fachlichen Zweck und die territorialen Wirkungen, sondern auch durch ihre Funktionsweise.9 Landesplanung ist die Raumordnung auf Landesebene.10 Die Befugnis zur Landesplanung erstreckt sich in den Kiistenlandern nicht nur auf das terrestrische Landesgebiet, sondern auch auf die Kiistengewasser." Die Landesplanung ist regelmaflig zweistufig ausgestaltet. Sie umfasst nach § 6 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 ROG die hochstufige Landesplanung in Form eines landesweiten Raumordnungsplanes und gemaB § 9 ROG die Regionalplanung fur raumliche Teilbereiche des Landesgebietes.12 Wahrend die hochstufige Landesplanung die Vorgaben13 fur die Gesamtentwicklung des Landes aufstellt, regelt die Regionalplanung14 auf Grundlage der hochstufigen Landesplanung die regionalen Vorgaben der Raumordnung. In Mecklenburg-Vorpommern existiert auf Landesebene gemaB § 6 Abs. 1 LP1G M-V15 mit dem Landesraumordnungsprogramm nur ein hochstufiger Plan.16 4

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So lassen sich raumordnerische Zielvorgaben aufgrund von § 4 ROG und § 1 Abs. 4 BauGB weitgehend gegenuber der Bauleitplanung durchsetzen,siehe Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 27. Mit Einschrankungen, vgl. dazu Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 27 und ausfuhrlich im 2. Kapitel § 7 C. V. 3. a. Runkel, in: B/R/S, ROG, K Vorb. §§ 3-5, Rn. 22. Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 21; Scherer, Regionalplanung, S. 13. David, in: Jenkins; Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 78. Schlarmann/Erbguth, Durchsetzung von Umweltbelangen, S. 25. Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 37. Ahnlich auch Manssen, in: Manssen/Schiitz, Staats- Verwaltungsrecht M-V, S. 281 in dortiger Fn. 12. Erbguth/Stollmann, DVB1. 95, S. 1270; Erbguth, NuR99, S. 492; ders., ZAU 96, S. 492 f.; Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 688. Fur die Regionalplanung: Erbguth, Rechtsfragen, in: Koch/Lagoni, Meeresumweltschutz, S. 305 f. Erbguth/Stollmann, DVB1. 95, 1270; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 42. Zur Organisation der Raumordnung und Landesplanung in den Landern vgl. auch David, in: Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 83 ff. Diesbezilgliche Vorgaben konnen sowohl Ziele als auch Grundsatze sowie sonstige Erfordernisse der Raumordnung sein, vgl. § 3 Nr. 1 ROG und fur MecklenburgVorpommern § 6 I LP1G M-V. So in Mecklenburg-Vorpommern gemaB § 8 LP1G M-V. Gesetz vom 31.03.1992, GVB1. M-V, S. 242 in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.05.1998 (GVB1. S. 503).

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

109

Dieser wird entsprechend der §§7, 10 LP1G M-V vom Ministerium fur Arbeit und Bau als oberste Landesplanungsbehorde unter Beteiligung der Landkreise, der kreisfreien Stadte und der Planungstrager erarbeitet.17 Die Regionalplanung nehmen gemaB § 12 Abs. 1 LP1G M-V die vier regionalen Planungsverbande wahr.18 Die Planungsverbande werden durch Zusammenschlusse der Landkreise und kreisfreien Stadte gebildet und unterstehen als Korperschaften des offentlichen Rechts nach § 12 Abs. 3 LP1G M-V der Rechtsaufsicht und nach MaBgabe der §§ 12 V, 9 Abs. 2 LP1G M-V der Fachaufsicht durch die oberste Landesplanungsbehorde. Darilber hinaus sind gemaB § 12 Abs. 6 LP1G M-V auch die fur kommunale Zweckverbande geltenden Vorschriften anzuwenden.19 Die Bindung der Regionalplanung an die Vorgaben der hochstufigen Landesplanung erfolgt mittels § 8 Abs. 1 LP1G M-V, wonach die regionalen Raumordnungsprogramme aus dem Landesraumordnungsprogramm zu entwickeln sind. In Schleswig-Holstein ist ebenfalls nur ein hochstufiger Landesraumordnungsplan vorhanden. Insgesamt existieren funf regionale Planungsraume, fur die Regionalplane aufgestellt werden. Die Aufstellung des Landesraumordnungsplanes und der Regionalplane obliegt gemaB § 7 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 LP1G SH20 dem Ministerium fur landliche Raume, Landesentwicklung, Landwirtschaft und Tourismus. An der Aufstellung der Plane sind die Kreise und kreisfreien Stadte nach § 7 Abs. 1 S. 2, 3 LP1G S-H zu beteiligen.21 Auf Antrag kann die sich bei entsprechender landesplanerischer Notwendigkeit ergebende Aufgabe zur Erstellung von vertiefenden Regionalbezirksplanen nach § 7a LP1G S-H auf StadtUmland-Verbande in der Rechtsform eines kommunalen Zweckverbandes tibertragen werden.

//. Kompetenzrechtliche Einordnung Die Kompetenz des Bundes zur Regelung der Raumordnung des Gesamtstaates soil sich zunachst aus Art. 70 GG kraft Natur der Sache ergeben. Damit stiinde dem Bund fur die Regelung der landerubergreifenden Zusammenhange der Raumplanung und die Rechtswirkungen der Raumordnungsplane die ausschlieBliche Gesetzgebungskompetenz zu.22 Der Bund hat diese jedoch nicht genutzt.23.

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Koch/Hendler, Baurecht, S. 72. Manssen, in: Manssen/Schtltz, Staats- und Verwaltungsrecht M-V, S. 28. Vergleiche dazu auch Koch/Hendler, Baurecht, S. 95 f. Allgemein zur Organisation der Landes- und Regionalplanung in MecklenburgVorpommern: Rocktaschel, in: Redslob et al., Ostseekliste, S. 21 ff. Gesetz vom 10.02.1996, GVB1. S-H 96, S. 232, zuletzt geandert am 25.06.2002 (GVB1. S. 126, 146). Manssen, in: Manssen/Schtltz, Staats- und Verwaltungsrecht M-V, S. 280; Koch/Hendler, Baurecht, S. 81 f., 98. Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1, S. 421 ff.; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 23; Dolderer, NVwZ, 98, S. 345;

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Des Weiteren resultiert aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG eine Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung der Raumordnung in den Landern. Von dieser wurde durch den Erlass des ROG Gebrauch gemacht.24 Hierbei soil dem Bund prinzipiell die Moglichkeit zustehen, innerhalb des ROG erstens Anweisungsnormen an den Landesgesetzgeber, zweitens unter den Voraussetzungen der Art. 75 Abs. 2, 72 GG unmittelbares Bundesrecht und drittens unmittelbar geltendes Bundesrecht fur den Bundesbereich, das zugleich Anweisungsnormen fur den Landesbereich darstellt, zu erlassen.25 An diesen prinzipiellen Handlungsoptionen des Bundes durfte sich fur den Bereich der Raumordnung auch nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Rahmengesetzgebung26 nichts Wesentliches geandert haben,27 solange den Landern ein eigener Bereich politischer Gestaltung von substantiellem Gewicht verbleibt.28 Bereits im Baurechtsgutachten hat das BVerfG festgestellt, dass Raumordnung nicht an den Grenzen der Bundeslander halt machen kann und der Bund daher die Grundziige der Raumordnung auch in den Bundeslandern regeln kann. Vor diesem Hintergrund durfte mit dem geltenden ROG auch das Erforderlichkeitskriterum aus Art. 75 Abs. 1 I i.V.m. Art. 72 Abs. 2 GG gewahrt sowie die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Art. 75 Abs. 2 GG erfullt sein. Auch wenn einige Regelungen unmittelbar gelten, wird mit diesen doch nur der Rahmen gesetzt, in dem sich die Gesetzgebung der Lander bewegen kann. Klar ist, dass die Lander Haupttrager der flachenhaften Raumplanung in der Bundesrepublik sind.29 Ihnen steht neben dem Ausfullen der

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Koch/Hendler, Baurecht, S. 31; Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 39 m.w.N.; a.A. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 75 Rn. 9. Zur Frage, ob der Bund die Planungskompetenz fur die das Bundesgebiet als Gesamtstaat betreffende Raumordnung inne hat und zur Bedeutung des Bundesraumordnungsprogrammes (Raumordnungsprogramm fur die grofiraumige Entwicklung des Bundesgebietes, M K R O vom 14.2.76; vgl. auch den Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen, BTDrs. 12/6854) siehe Brohm, Offentliches Baurecht, § 3 6 Rn. 1; Breuer, VerwArch 69 (78), S. 12; Brohm, Offentliches Baurecht, § 36 Rn. 1. Das R O G bezieht sich nur auf die Planung in den Landern, vgl. Brohm, a.a.O., § 36 Rn. 1 m.w.N.; Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 39; Koch/Hendler, Baurecht, S. 3 1 ; ausfllhrlich zur gesamten Problematik: B/R/S, J 610, Rn. 50 ff. BVerfG, Nachweis in Fn. 1, S. 425 ff; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 23; Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 75, Rn. 9; David, in: Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 76 f.; Koch/Hendler, Baurecht; S. 3 1 . Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 1 Rn. 44; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 23. BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 ff. Vergleiche dazu auch 2. Kapitel § 7 C. III. 3. BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 (1234), BVerfG, Urteil vom 0 1 . 1 2 . 1 9 5 4 - 2 BvG 1/54 - BVerfGE 4, S. 115 (115 fF., 126 ff.); vgl. auch in Bezug auf § 4 I ROG: David, in: Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 77. Brohm, Offentliches Baurecht, § 36 Rn. 2.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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bundesrechtlichen Rahmenregelung die eigentliche Planungskompetenz auf Landesebene zu.

///. Vorsorgender Kustenschutz und Raumordnung Die der Raumordnung und Landesplanung innewohnende Ordnungsfunktion dient der Lenkung der Flacheninanspruchnahme durch Funktionszuweisungen und Nutzungsbeschrankungen, der Verminderung von Konflikten und Risiken sowie der Optimierung von Standortentscheidungen.30 Damit erfolgt auf Ebene der Raumordnung und Landesplanung eine wesentliche Weichenstellung hinsichtlich der Zuordnung von Raumfunktionen im uberortlichen Bereich. Indem innerhalb der Raumordnung und Landesplanung wichtige Vorentscheidungen fur zukiinftige Raumnutzungen getroffen werden, kommt ihr eine besondere Bedeutung bei der Schaffung und dem Erhalt von Freiraumstrukturen zu.31 Freiraumschutz und entwicklung sind somit als wichtige Regelungsziele der Raumordnung anzusehen. Gleichzeitig ist die langfristige Sicherung und Entwicklung der natiirlichen Lebensgrundlagen, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Art. 20a GG, eines der wichtigsten Anliegen der raumlichen Gesamtplanung.32 Raumordnerischer Freiraumschutz kann dabei grundsatzlich auf zwei Wegen erfolgen: direkt durch die Sicherung von Freiraumen in Form von finalen flachensichernden Festsetzungen33 und indirekt durch die territoriale Konzentration34 von Siedlungs,- Industrie- und Infrastruktureinrichtungen.35 Bereits an dieser Stelle erscheint ein Hinweis auf Defizite unumganglich. Raumordnerische Vorgaben bewirkten nur eine unzureichende Okologisierung der Raumentwicklung.36 Insoweit hat uberortliche Gesamtplanung zur Kenntnis nehmen miissen, dass eine Beeinflussung der Entwicklung der Raumstrukturen gegen

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Boettcher, Umweltplanung, in: Immendorf, S. 130; Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 45. Zum Freiraum- und Bodenschutz als Ziel der Raumordnung vgl. nur Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 51 f. Die besondere Bedeutung des Freiraumschutzes als eine Hauptaufgabe der Raumordnung stellt neben Runkel, N u R 98, S. 450, auch Scherer, Regionalplanung, S. 26 f. heraus. Kummerer, Integration, S. 29; Kiemstedt/Horlitz/Ott, Umsetzung, S. 10. Etwa durch die Ausweisung freiraumsichernder Vorbehalts- oder Vorranggebiete, siehe dazu Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 20 f. Zum Beispiel durch die Vorgaben von Mindestdichten, bedarfsangemessene Flachenausweisungen u n d FOrderung der Innenentwicklung, vgl. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 45. Beide Arten sind nicht immer voneinander zu trennen und sollen im Folgenden als Einheit betrachtet werden. Umweltbericht 1987 des Sachverstandigenrates fur Umweltfragen bei der Bundesregierung (SRU), BTDrs. 11/1568 Rn. 2156. Siehe dazu auch 2. Kapitel § 7 A. I.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

die raumpragende Kraft 6'konomischer Entwicklungstendenzen kaum moglich gewesen ist.37 Im Folgenden soil trotz und gerade wegen der vorgebrachten substantiellen Zweifel geklart werden, ob und welche Moglichkeiten sich auf Ebene der Raumplanung bieten, alternativen Kiistenschutzkonzepten und IKZM-Strategien zur Durchsetzung zu verhelfen. Dazu ist das bestehende Raumordnungsrecht offensiv daraufhin zu untersuchen, inwieweit eine wirkungsvolle Planung mit einer weitestgehenden Bindung sowohl offentlicher als auch privater Vorhabentrager innerhalb der gegenwartigen gesetzlichen Grundlagen moglich ist. Leitgedanke soil die Sicherung und Entwicklung von freiraumsichernden Vorranggebieten sein, die das Risikopotential im Kustenraum begrenzen, kunftigen Kiistenschutzstrategien notwendige Riickzugsraume eroffnen38 und an die alle Planungen im kiistennahen Raum gekoppelt werden.39 Im Interesse einer effektiveren Steuerung der Siedlungsentwicklung erscheint dabei die teilweise Neubewertung des Raumordnungsrechts erforderlich. Die vorliegende Untersuchung will auch diesem Anspruch dienen und einige Ansatze aufzeigen. Dazu wird zuerst auf die sachliche Tiefe der gesetzlichen Vorgaben im Hinblick auf den vorbeugenden Hochwasserschutz, danach auf die Bindungswirkungen raumordnerischer Instrumente und schlieBlich auf die konkreten Regelungen in den Programmen und Planen eingegangen.40

B. Leitvorstellung und legislative Grundsatze nach dem ROG /. Die Leitvorstellung des § 1 Abs. 2 ROG Zentrale Aufgabe der Raumordnung ist die iiberortliche und iiberfachliche Ordnung des Raumes anhand der vorgegebenen oder erst zu entwickelnder Leitvor-

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Vernichtend ebenfalls die Kritik von Czybulka, Vorrangflachen, S. 48: ,,Die Raumordnung ist wegen ihrer Schwerfalligkeit und langfristigen Ausrichtung sowie ihrer unvollkommenen AuBenwirkung kaum geeignet, hier (bei der Ausweisung funktionaler okologischer Vorrangflachen, Anm. des Verf.) fur eine Trendwende zu sorgen. Die jetzt durch das R O G 98 rahmenrechtlich eingeleitete Reform wird keine raschen Ergebnisse zeigen." Dabei sei noch einmal verdeutlicht, dass der Erhalt von kiistennahen Freiflachen insbesondere durch die Interessenkongraenz zwischen den Belangen des Naturschutzes und denen des Kustenschutzes geboten ist. Verwiesen sei exemplarisch auf die Uberlegungen von Liibbe, Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 15 verwiesen. Die Beeinflussung konkreter KtistenschutzmaBnahmen im Sinne einer Eingriffsminimierung ist, das wird schon an dieser Stelle deutlich, von der Raumordnung nur eingeschrankt zu leisten und soil deshalb auch erst wieder innerhalb der Fachplanungen ein Schwerpunkt der Erorterung werden.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

113

stellungen.41 Leitvorstellungen sind im Allgemeinen Aufgabennormen, deren Konkretisierung sich im Bereich des Gesetzesvorbehalts durch die jeweiligen fachgesetzlichen Instrumentarien vollzieht.42 Insoweit stehen die Einzelbstirnmungen des Gesetzes zwar im Vordergrund, Leitvorstellungen stellen aber fur nachfolgende Abwagungsentscheidungen Direktiven dar und formulieren Grenzen.43 Zweck der Leitvorstellung in § 1 Abs. 2 ROG ist zunachst die Anweisung, wie die in § 1 Abs. 1 ROG genannte Aufgabe zu erfullen ist.44 Im Zusammenspiel mit den aus § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 8 ROG zu beriicksichtigenden Belangen fungiert sie zudem als Leitfaden der Raumentwicklung.45 Nach § 7 Abs. 1, 2 ROG hat sich die Raumordnung in den Landern ebenfalls nach der Leitvorstellung zu richten.46 Zentrales Anliegen ist gemaB § 1 Abs. 2 S. 1 ROG ,,eine nachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Anspriiche an den Raum und seine okologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, groBraumig ausgewogenen Ordnung fuhrt." Obwohl die in groBer Allgemeinheit verharrende Leitvorstellung in der Vergangenheit vereinzelt als ,,Gesetzeslyrik"47 oder ,,Leerformel"48 bezeichnet wurde, verdeutlicht die raumordnerische Leitvorstellung nunmehr, dass der Erhalt der okologischen Funktionsfahigkeit des Raumes von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht abgekoppelt werden kann, sondern dass diese miteinander zu verkniipfen sind. Denn die Vorgabe der nachhaltigen Raumentwicklung greift das Modell der ,,sustainability developement" auf und kann daher als Ausdruck der ressourcenokonomischen und okologischen Pragung im Sinne der Rio-Deklaration 92 gewertet werden.49 Auch wenn § 1 Abs. 2 S. 1 ROG dem Drei-Saulen-Modell zu folgen scheint,50 resultiert aus der besonderen Betonung der okologischen Raumfunktionen, dass bei der Abwagung der Grundsatze nach § 2 ROG die Leitvorstellung fur eine Starkung okologischer Belange verantwortlich zeichnen wird51

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Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1, S. 425; Hoppe/Deutsch, in: Rengeling, EUDUR, Bd. II, § 88 Rn. 5. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 95 f. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 98. Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 42; B/R/S, ROG, J 630, 2.2. Als sog. ,,Scharnierfunktion", siehe Runkel, U P R 97, S. 2; Beaucamp, SustainabilityKonzept, G. II. 1. Erbguth, D O V 98, S. 675; Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1. Rupp, Aktion, in: Hoppmann, Experiment, S. 4. Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 42. Erbguth, D O V 98, S. 675; Callies, DVB1. 98, S. 560; Runkel, N u R 98, S. 450; B/R/S, ROG, J 630, 2.2. Grundsatzlich, wenngleich mit Einschrankungen auch Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1. Siehe zur Nachhaltigkeitsdiskussion 1. Kapitel § 5 A. I. Starkung meint hier bis zur tatsachlichen Gleichrangigkeit mit den sozialen und wirtschaftlichen Raumanspriichen, vgl. Runkel, N u R 98, S. 450.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Weiterhin wird vertreten, dass die Einklangregelung in Bezug auf die Trias der okonomischen, sozialen und okologischen Ansprilche52 aus § 1 Abs. 2 ROG ein vollstandiges Hintanstellen, mithin ein ,,Wegwagen" eines der Elemente, ausschlieBen soil.53 Im Unterschied dazu halt die Gegenauffassung derartige Wirkungen fur iiberzogen. Als Begrilndung wird maBgeblich auf die neuerdings zuriickhaltendere Rechtsprechung in Bezug auf Optimierungsgebote verwiesen.54 Insoweit sei kein Raum fur einen abwagendenden Interessenausgleich mit der Folge, dass die ilberwiegenden Belange obligatorisch im Sinne der unterlegenen zu optimieren waren. Zur Losung des Disputes lohnt ein Blick auf anderweitig kodifizierte Einklangregelungen. Als Hilfestellung fur die Auslegung von § 1 Abs. 2 ROG bietet sich insofern ein Ruckgriff auf die Einklangvorschrift des § 36 WHG a.F. an. Diese dient, jedenfalls nach Ansicht der iiberwiegenden wasserrechtlichen Literatur, der wechselseitigen Berucksichtigung und Abstimmung wasserwirtschaftlicher und raumordnerischer Planungsanspriiche.55 Die wasserrechtliche Einklangregelung wird daher auch als Ausdruck der gegenseitigen Befruchtung verschiedener Planungsvorstellungen angesehen.56 Solche Wirkungen wird man § 1 Abs. 2 ROG angesichts des vergleichbaren Wortlauts kaum versagen konnen. In Parallelitat zu § 36 WHG spricht daher viel dafur, die Normierung des nachhaltigen Einklangs zwischen den drei Anspriichen in § 1 Abs. 2 ROG als Pflicht zum bestmoglichen Ausgleich zu begreifen.57 Unter diesen Voraussetzungen ware fur einen gerechten Abgleich im Sinne einer koordinierenden Verknupfung58 der unterschiedlichen Ansprilche zunachst die umsichtige Einstellung der tatsachlich betroffenen Belange erforderlich. Abwagungstechnisch59 milssen dabei alle Belange, die fur die Nachhaltigkeitstrias von

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Unbeschadet eines abstrichhaften und belanginternen Ausgleichs, vgl. Erbguth, NVwZOO, S. 31. Erbguth, NVwZ 00, S. 31 (,,Wegwagsperre"). A.A. Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1. So das Gegenargument von Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1. in nicht unumstrittener Interpretation von BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 4 NB 29.96BVerwGE 104, S. 68 (77). In diesem Beschluss jedenfalls keine Zuriickhaltung hinsichtlich Optimierungsgeboten erblickend: Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 163 f. Zu Optimierungsgeboten siehe ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 B. II. 2. Siehe dazu Fn. 70 im 4. Kapitel § 11 B. III. 1. So im Ergebnis wohl jedenfalls Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 36 Rn. 19b. Erbguth,NVwZ 00, S. 31. So zutreffend Erbguth, DVB1. 82, S. 9 zu § 24 Abs. 5 S. 2 LP1G N-W, Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen i. d. f. der Bekanntmachung vom 28.11.1979 (GV NW S. 878) in Analyse des § 3 Abs. 6 BrKG, Gesetz fiber die Gesamtplanung im Rheinischen Braunkohlengebiet vom 05.04.1950 (GV NW S. 71) von OVG Mtinster, Urteil vom 04.10.1972 -XIIA 952/71 - ZfBergR 114 (73), S. 319 ff. Zum Abwagungsvorgang vgl. u.a. naher 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b. und 2. Kapitel § 7 C. II. 3.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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Bedeutung sind, als Belange verstanden werden, die ,,nach Lage der Dinge"60 in die Abwagung einzustellen sind.61 Ein vorzeitiges Zuruckstellen sowie ein ganzliches Aufierachtlassen bestimmter Belange scheint sich hierbei zu verbieten. In konsequenter Weiterverfolgung dieses Gedankens diirfte § 1 Abs. 2 ROG als normierter Gesetzeszweck dariiber hinaus auch zur Optimierung62 von Planungsentscheidungen im Rahmen der raumordnerischen Abwagung herangezogen werden. Damit erflihren die im Vergleich zu den wirtschaftlichen und sozialen Belangen standig von Zurilcksetzung bedrohten okologischen Interessen eine Starkung zumindest auf Niveau der Gleichwertigkeit mit den anderen beiden Anspriichen.63 Parallel dazu wiirde durch die Unmoglichkeit des totalen Hintanstellens von im Konfliktfall einzubeziehenden Belangen die Weite der potentiell eroffheten Abwagungsfreiheit einer Begrenzung unterzogen. Die Leitvorstellung bietet demnach Ansatze fur die im Rahmen des IKZM geforderte Beschrankung der grundsatzlich gewahrleisteten Abwagungsoffenheit auch in Richtung der Anerkennung okologisch-naturraumlicher Rahmenbedingungen.64 Das okologische Anliegen wird durch § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ROG verstarkt, wonach die natilrlichen Lebensgrundlagen zu schutzen und zu entwickeln sind, sowie mittelbar durch Nr. 5, wonach die Gestaltungsmoglichkeiten der Raumnutzung langfristig offen zu halten sind.65 Damit wird nicht nur verdeutlicht, dass eine der vordringlichsten Aufgaben der Raumordnung und Landesplanung in der langfristigen Sicherung und Erhaltung der naturlichen Lebensgrundlagen besteht, sondern auch, dass Freiraumsicherung nicht nur aus okologischen, sondern auch originar raumordnerischen Gesichtspunkten eine hohe Bedeutung zukommt. Denn die Sicherung von Freiraumen, die Nichtnutzung von Flachen ist wichtiges Mittel zum Offenhalten von Gestaltungsmoglichkeiten. Letzteres wird durch den Grundsatz allumfassender Ressourcenvorsorge als Aspekt der Nachhaltigkeit gestiitzt.66 Das allgemeine Vorsorgeprinzip, auch im Lichte nationaler Ausgestaltung durch Art. 20a GG, kann so verstanden werden, dass der Gesetzgeber in Form einer umweltplanerischen Grundsatzentscheidung gehalten ist, Umweltressourcen im Interesse kiinftiger Nutzungen zu schonen.67 Die daftir notwendigen Freiraume,68

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In Riickgriff auf die Erfordernisse des Abwagungsgebotes, vgl. dazu allgemein BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwGE 90, S. 229 (331 f.) und Fn. 58. Insoweit indiziert die Anspruchstrias der Nachhaltigkeit die Lage der Dinge. Siehe dazu insbesondere 2. Kapitel § 7 B. II. 2. Fur die Verkehrsvermeidung: Erbguth, N V w Z 00, S. 31. Ein Vorrang von okologischen Schutz- und Entwicklungsanspruchen gegentiber den okonomischen und sozialen Anspriichen in § 1 II S. 1 R O G wird gleichwohl nicht herleitbar sein. Vgl. dazu Runkel, N u R 98, S. 450; Mitschang, D O V 00, S. 17; Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1. Kritisch Biickmann/Rogall, U P R 0 1 , S. 124. Siehe dazu schon Fn. 32. Siehe 1. Kapitel §5 A. Callies, DVB1. 98, S. 562; Grundsatzlich: Kloepfer, Umweltrecht, § 4, Rn. 8, 26 f.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

d.h. keiner Nutzung unterworfenen Flachen,69 sollen einerseits den nachfolgenden Generationen die Moglichkeit geben, unverbrauchte und unbelastete Raume als wesentlichen Bestandteil kiinftiger Lebensraume zu nutzen. Andererseits sind bereits gegenwartig groBflachige Freiraume zur Sicherung der okologischen Prozesse und zum Erhalt der Biodiversitat notig. Gerade im Kiistenraum, speziell in ilberflutungsgefahrdeten Bereichen, bietet somit bereits die Leitvorstellung der nachhaltigen Raumentwicklung in § 1 Abs. 2 ROG Ansatzpunkte fur Flachenfreihaltungen.

//. Die Grundsatze der Raumordnung §211 Nr. 1 bis 15 ROG 1. Dogmatische Einordnung a. Rechtliche Bindungen Grundsatze der Raumordnung sind abstrakte Richtlinien materieller Art fur die raumliche Entwicklung und enthalten grundlegende Aussagen fur die Ordnung und Entwicklung typischer raumlicher Gegebenheiten.70 In normtheoretischer Einordnung sind sie, im Gegensatz zu Zielen der Raumordnung, keine Regeln, sondern Prinzipien, die als abwagungsrelevante oder abwagungssteuernde Normen fungieren.71 Grundsatze sind bei der an die Raumordnung gebundenen Planung im Rahmen der planerischen Abwagung auf ortlicher Ebene72 als Belang73 sowie bei Ermessensentscheidungen74 von alien offentlichen Stellen zu beriicksichtigen75. Beriicksichtigen heiBt, dass die von der Planung beriihrten Belange ordnungsgemaB ermittelt, in die Abwagung eingestellt, abwagungsfehlerfrei gewichtet und mit anderen Belangen in ein Verhaltnis und mit konfligierenden oder konkurrie68

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Feldhctus, DVB1. 80, S. 135, Kutscheidt in: Salzwedel, Grundzuge, S. 133 ff., Kloepfer, Umweltrecht, § 4 , Rn. 27. In Abgrenzung zur Freiraumen, die der Sicherung und Erleichterung der wirtschaftlichen Nutzung dienen, vgl. 2. Kapitel § 6 B. II. 2. a. Brummund, Grundsatze, S. 7; Erbguth, Raumordnung, Rn. 134; Pafilick, Ziele, S. 16. Hoppe, DVB1. 9 3 , S. 682 f.; Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 39. Hoppe/Deutsch, in: Rengeling, EUDUR, § 88, Rn. 14. Hoppe/Deutsch, in: Rengeling, EUDUR, § 88, Rn. 9. Brohm, Offentliches Baurecht, § 36 Rn. 5; Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 32. Ausfuhrlich auf die Anderungen des ROG 98 in Bezug auf die erweiterte Bindung von Personen des Privatrechts, die offentliche Aufgaben erfiillen, eingehend: Battis, Bauund Raumordnungsrecht, S. 34 f. Eine Tendenz, die Bindungen des gesamten Raumordnungsrechts personal zu erweitern, wird bereits hier vorsichtig erkennbar. Die in § 3 Abs. 3 ROG 93 aufgefuhrte ausdruckliche Festlegung iiber die Nichtgeltung der Grundsatze gegeniiber Privaten ist jetzt entfallen. Zwar ergibt sich aus § 4 II ROG 98 nunmehr auch nur eine direkte Bindung offentlicher Stellen, gleichwohl scheint anerkannt worden zu sein, dass Grundsatze durchaus auch mittelbar mit Auswirkungen auf die Vorhaben Privater verbunden sein konnen. Diese miissen im Interesse einer wenigstens im Ansatz wirkungsvollen Raumsteuerung auch hingenommen werden. Vgl. zu diesen Uberlegungen Schroeder, UPR 00, S. 55.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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renden Belangen zum Ausgleich gebracht werden. Dabei konnen einzelne Belange innerhalb der Ausgleichsentscheidung zuriickgestellt, d.h. durch Abwagung iiberwunden werden.76 Im Rahmen dieses Prozesses sind die Grundsatze der Raumordnung gegeneinander und untereinander abzuwagen. Als allgemein gehaltene raumordnungspolitische Programmsatze77 formulieren sie Richtlinien und Eckwerte78, Interessen und Belange.79 Sie sind behordenintern verbindlich.80 Grundsatze sind wie Leitvorstellungen81 nur Aufgabennormen und keine Eingriffsgrundlagen gegenuber Dritten. Sie stellen ihrem Wesen nach abstxakt gleichwertige Handlungsmaximen dar, die ihre Gewichtung erst bei der Abwagung im Einzelfall erfahren.82 Insbesondere aus ihrer Numerierung ergibt sich keine Wertungshierarchie.83 Der Gesetzgeber hat auch im ROG 98 auf eine ausdriickliche Gewichtung bestimmter Belange verzichtet.84 Wenn die gesetzlichen Grundsatze haufig als Abwagungsdirektiven bezeichnet werden,85 ist angesichts des Verstandnisses von der konsequenten Gleichrangigkeit davon auszugehen, dass sich ihr Direktivencharakter darauf beschrankt, Anweisungen zum Einstellen der Belange zu geben, nicht aber auf Gewichtungen bezieht.86 76

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Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 44; siehe auch Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 7 Rn. 7 ff. Speziell zur Abwagung der Raumordnungsgrundsatze: Brummund, Grundsatze, S. 113 f. Zum Abwagungsvorgang an sich vgl. 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b. Pafilick,Zie\e,SA6. Cholewa et al., ROG, § 2 Rn. 17. Hoppe, DVB1. 93, S. 683. Cholewa et al., ROG, § 2 Rn. 17. Siehe schon 2. Kapitel § 6 B. I. Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 3 Rn. 8; Cholewa et al, ROG, § 2 Rn. 29; Spiecker, Raumordnung, S. 65; Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 9; Pafilick, Ziele, S. 16 f.; Gierke, in: Brilgelmann, BauGB, § 1 Rn. 311; Beus, Entwicklungsplanung, S. 21. Im Ergebnis so wohl auch Hoppe, DVB1. 93, S. 683 (keine Rangordnung, sondern beziehungslose Aneinanderreihung); Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 258, ,,abstrakte Mafistabe"; ebenso Koch/Hendler, Baurecht, S. 42 (2. Auflage): Gewichtung lediglich anhand des jeweiligen konkreten Planungsfalles. A.A. Brummund, Grundsatze, S. 120. Runkel.m: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 183. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrs. 13/6392, S. 79; kritisch dazu der Antrag der Fraktion Bundnis 90/Die Grttnen, BTDrs. 13/6384, S. 8. Im Gegenteil dazu noch § 2 Abs. 1 Nr. 13 S. 1 ROG 93, wo der Formulierung nach dem dringenden Wohnbedarf der Bevolkerang besonders Rechnung getragen werden sollte. Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 5; Hoppe, DVB1. 93, S. 683. In Mecklenburg-Vorpommern wird dies noch einmal in § 3 LP1G M-V herausgestellt. Die Lander sind allerdings befugt, weitere Grundsatze auf zustellen, sofern sie denen in § 2 II ROG nicht widersprechen. In Abgrenzung zu BayVGH, Entscheidung vom 21.01.98 - 26 N 95.1632 - Nachweis bei Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete. S. 32, wo Abwagungsdirek-

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Die Grundsatze sind trotz ihrer relativen Unbestimmtheit Rechtssatze.87 Nur soweit die in ihnen enthaltenen Begriffe unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen, ergibt sich fur den Planungstrager ein Beurteilungsspielraum.88 Auslegung und Subsumtion sind daher gerichtlich voll uberpriifbar.89 Eingeschrankt justiziabel sind Grundsatze hingegen im Abwagungsvorgang und im Rahmen von Ermessensentscheidungen.90 Die Grundsatze des § 2 Abs. 2 ROG gelten in den Landern unmittelbar,91 wobei sich die direkte Wirkung gemaB § 3 Abs. 1, 2 S. 1 ROG 9392 nur auf Planungen von Bundesbehorden und von Landesplanungsbehorden erstreckte.93 Im Gegensatz dazu beeinflussen die in § 2 Abs. 2 ROG und in den entsprechenden Landesplanungsgesetzen der Lander aufgefuhrten Grundsatze die gemeindlichen Planungen und die Fachplanungen nunmehr unmittelbar.94 Die Adressatenbindung folgt dabei ausdriicklich95 aus § 4 Abs. 2 ROG, wonach die Grundsatze von offentlichen Stellen, dazu zahlen gemaB § 3 Nr. 5 ROG auch kommunale Gebietskorperschaften und sonstige Fachbehorden, bei Abwagungs- und Ermessensentscheidungen zu beachten sind. Damit entfallt die in § 3 Abs. 2 S. 1 ROG a.F. beschrankte Geltung der Grundsatze auf die Landesplanung unmissverstandlich.96

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tiven in der Terminologie des Gerichts offensichtlich als Gewichtungsvorgaben angesehen werden. Auf den abweichenden Sprachgebrauch weist Goppel denn auch hin. Brummund, Grundsatze, S. 7 f.; Kritisch zur Unbestimmtheit der gesetzlichen Grundsatze: Rupp, Aktion, in: Hoppmann, Experiment, S. 4: ,,rechtlich bedeutungslose Sprachlyrik". Cholewa et al., § 3 R O G 93 Rn. 19. Cholewa et al., ROG, § 2 Rn. 26, 28. Siehe § 3 Nr. 3 R O G u n d Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 55. Hier gelten dann die Abwagungs- und Ermessensfehlerlehren. Runkel, in: B/R/S, § 3 Rn. 177; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 3 Rn. 9. Gesetz vom 28.04.1993, BGB1. 93,1, S. 630. Gleichwohl waren auch nach der alten Rechtslage d i e gemeindlichen Selbstverwaltungskorperschaften an die Grundsatze gebunden, sofern diese als Trager der Regionalplanung (mit)auftraten. Zutreffend Erbguth/Schoeneberg, R a u m o r d n u n g s - u n d Landesplanungsrecht, Rn. 77. Ausdriicklich Erbguth, N V w Z 00, S. 31 f.; Battis, Offentliches Baurecht u n d R a u m o r d nungsrecht, S. 32; aufgrund der alten Rechtslage noch a.A.: Wahl, Rechtsfragen, § 16, S. 211. Jenseits der Regelung des § 2 Abs. 2 ROG folgt dieses Verstandnis schon aus dem Wortlaut von § 3 Nr. 3 ROG, wonach Grundsatze ,,allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherheit des Raumes in oder aufgrund von § 2 ROG als Vorgaben fur nachgeordnete Abwagungs- oder Ermessensentscheidungen" sind. Die unmittelbare Geltung der legislativen Grundsatze wird durch die Formulierung ,,in (...) § 2 ROG" deutlich. Es kommt damit nicht mehr darauf an, dass diese durch die Landes- und Regionalplanung konkretisiert werden (,,oder aufgrund von § 2 ROG"). Deshalb bedarf es auch keiner landesgesetzlichen Regelung mehr, welche die Geltung der Bundesgrundsatze fur alle offentlichen Stellen in den Landern vorschreibt; insoweit iiberflussig § 3 LP1G M-V.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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b. Umweltbelange in den gesetzlichen Grundsatzen Seit langem umstritten ist die Frage, ob Umweltbelangen in der Abwagung der Grundsatze eine generelle, gleichsam vorgezogene besondere Gewichtung beizumessen ist, ihnen folglich ein Vorrang zukommt.97 Durch den generellen Charakter als abstrakt gleichwertige Handlungsmaximen lasst sich ein prinzipieller Vorrang von Umweltbelangen aus dem ROG tatsachlich kaum entnehmen.98 Allerdings kann sich iiber das Optimierungsgebot des Art. 20a GG" ein relativer Vorrang okologischer Belange in der Abwagung herleiten lassen.100 Zumindest ist Art. 20a GG in der Lage, Argumentationsbaustein zugunsten von Umweltbelangen bei alien Formen verwaltungsrechtlicher Entscheidungsspielraume zu sein. Dieser Streit soil hier nicht gefuhrt werden, da dies einerseits zu weit flihren wilrde, andererseits das neue ROG eine Starkung hochwasserschutzbezogener Umweltbelange auf anderem Wege ermoglicht.101

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Einen Abwagungsvorrang verneinend Hoppe/Appold in: Kimminich et al., H B U R , Bd. II, S. 1674; Krebs, in: Schmidt-ABmann, 4. Abschn., Rn. 40; Hoppe, Umweltschutz, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 10 ff.; Koch/Hendler, Baurecht, S. 42 (2. Auflage); Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 3 Rn. 8; Cholewa et al, ROG, § 2 Rn. 19; so wohl auch Thurn, Natilrliche Gewasserfunktionen, S. 44 ff. Befurwortend Schlarmann/Erbguth, Durchsetzung von Umweltbelangen, S. 258; Hahn, Landschaftsplanung, S. 42; die Gleichrangigkeit der Grundsatze in Bezug auf den nicht vorhandenen Vorrang okologischer Belange jedenfalls kritisierend: Kolble, Instrumente, in: FS Ernst, S. 279; differenzierend bezilglich Art. 20a GG: Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 33. Allgemein zur Abwagung der Grundsatze: Cholewa/DallhammerDyong/von der Heide/Arenz, ROG, § 2 Rn. 21 ff; Brummund, Grundsatze, S. 114 ff. Vgl. auch die Diskussion zum vorgesehenen Abwagungsvorrang bei Kloepfer et al, UGB E, § 29 II, S. 221; Erbguth, DVB1. 92, S. 1131.

Siehe Fn. 84. Die Bedeutung von Art. 20a GG beim AuBenbereichsschutz stellt BVerwG, Beschluss vom 13.04.1995 - 4 B 70.95- UPR95, S. 309 (310), heraus. Allgemein zum durch Art. 20a GG vermittelten Verschlechterungsverbot und zur daraus abgeleiteten statusquo-Sicherung: Czybulka, in: Konold/Bocker/Hampicke, Naturschutz, Bd. Ill, S. 1 ff.; ders., Naturschutz und Verfassungsrecht, in: Vogl et al, FlbdU, Abschn. IV-3. 6. 1, S. 7, ders. Voruberlegungen, in: GS Jeand'Heur, S. 83 ff; ferner ders. in NuR 99, S. 564. Zur Rolle als verfassungsrechtliches Optimierungsgebot siehe daneben auch Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, 161 f; Ekardt, SachsVBl. 98, S. 55 f. Die Funktion von Art. 20a GG als Verbesserungsgebot dagegen ganzlich ablehnend: Franz, Freiraumschutz, S. 103. Zu relativen Vorrangbestimmungen und Optimierungsgeboten vgl. auch z.B. Funke, DVB1. 87, S. 515 f. und im Ubrigen ausfuhrlich 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. bb. sowie 2. Kapitel § 7 B. 100 Allgemein: Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 33. Fur Ermessenentscheidungen und planerische Gestaltungsfreiheit Czybulka, Naturschutz und Verfassungsrecht, in: Vogl et al, HbdU, Abschn. IV-3. 6. 1, S. 7, fur unbestimmte Rechtsbegriffe in der Bauleitplanung so jedenfalls auch: Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § la, Rn. 11. 101 Dazu sogleich im 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. bb.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Die untereinander nicht widersprachsfrei gehaltenen Grundsatze erfahren durch die Bezugnahme auf die Leitvorstellung der nachhaltigen Entwicklung gemaB § 2 I ROG eine Harmonisierung. Die Leitvorstellung des § 1 II ROG ist somit nicht nur Anweisung, wie die Aufgabe der Raumordnung aus § 1 I ROG zu erfullen ist, sondern zugleich Auslegungs- und Anwendungsmaxime fur die Verwirklichung der Grundsatze.102 Die Leitvorstellung soil insoweit die zweckwidrige Anwendung der Grundsatze verhindern.103 Damit werden alle raumordnerischen Beitrage des Grundsatzkataloges der nachhaltigen Raumentwicklung verpflichtet und milssen sich auch an okologischen Interessen messen lassen.104 Eine Integration von Umweltbelangen erfolgt weiterhin, indem differenziert fiir die einzelnen Grundsatze, die beziiglich ihres Hauptanliegens keine okologische Ausrichtung beinhalten, umweltschutzende Inhalte formuliert werden. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an die Entwicklung landlicher und strukturschwacher Raume in Nr. 6 und 7 des § 2 Abs. 2 ROG, innerhalb derer die okologische Funktionsfa'higkeit der Raume zu erhalten (Nr. 6) und die Umweltbedingungen zu verbessern sind (Nr. 7). Ahnliches gilt fur den Grundsatz in Nr. 1 (Sicherung der okologischen Funktionsfahigkeit) und fur Nr. 5 (Sicherung und Zusammenfuhrung von Griinbereichen). Auch die Entwicklung der Land- und Forstwirtschaft (Nr. 10) soil unter der Pramisse des Schutzes, des Erhaltes und der Pflege der natiirlichen Lebensgrundlagen erfolgen. Schliefilich wird innerhalb der anzustrebenden Siedlungsentwicklung (Nr. 2) die Konzentration der Siedlungstatigkeit in den Vordergrund gestellt und der Wiedernutzung brachliegender Siedlungsflachen der Inanspruchnahme von Freiflachen der Vorrang eingeraumt. Indem sich die Grundsatze der Raumordnung an der in der Leitvorstellung geforderten Nachhaltigkeit messen lassen miissen und darilber hinaus in vielen, Umweltbelangen entgegenlaufenden Grundsatzen okologische Faktoren ausdriicklich zu beriicksichtigen sind, erfahren, verglichen mit § 2 ROG 93, die Belange von Umwelt- und Naturschutz auf Ebene der gesetzlichen Grundsatze im Ergebnis eine Starkung.105

2. Ansatze fiir vorbeugenden Hochwasserschutz in § 2 Abs. 2 ROG a. Freiraumstruktur nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG Die fur die Begrenzung der Siedlungstatigkeit notwendigen Freiraume werden direkt im neu eingefugten § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG angesprochen. Danach soil eine groBraumige und iibergreifende Freiraumstruktur aufgrund ihrer Bedeutung fur Bodenschutz,106 Artenschutz, Wasserhaushalt und Klima erhalten und entwickelt 102 103 104 105

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Runkel, NuR 98, S. 450. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 96. Als sog. ,,Wegwagsperre", siehe 2. Kapitel § 6 B. I. und Fn. 53. Da innerhalb der hier untersuchten Begrenzung des Risikopotentials ein hohes MaB an Ubereinstimmung von Belangen des Naturschutzes und denen des Ktistenschutzes besteht, konnen diese Regelungen unterstutzend auf vorsorgende Ktlstenschutzkonzepte wirken. Zum Bodenschutz im Raumordnungsrecht vgl. Brcmdt/Sanden, UPR 99, S. 368, 369 f.

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werden. Die Festlegung der anzustrebenden Freiraumstruktur ist ein obligatorischer Planungsauftrag107 und als solcher Ausdruck des Gesetzgebungsauftrages aus Art. 20a GG.108 Die besondere Bedeutung dieses Grundsatzes wird durch die Aufhahme des Freiraumschutzes in §7 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) ROG unterstrichen.109 Danach haben die Lander den Freiraumschutz als maBgebliche Festlegung in die Raumordnungsplane aufzunehmen,110 Freiraume sind als Gegengewicht zu Verdichtungsraumen auch ohne Sicherung als Naturschutzraum zunachst Grundlage und Ansatzpunkt ftir den Flachennaturschutz in der Raumplanung.111 Nicht um okologische Freiraume handelt es sich hingegen, wenn durch Freiraumsicherungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. b) ROG Nutzungen, wie etwa der Abbau standortgebundener Rohstoffe, vorbereitet und erleichtert werden.112 Als solche sind sie aber keine echten Freiaume im o. g. Sinne, da ihr Freiraumcharakter lediglich eine Interimseigenschaft ist. Damit ist klar, dass sich der Auftrag zum Erhalt von Freiraumen § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG nicht darauf bezieht, diese fur die wirtschaftliche Nutzung freizuhalten. Kurz erwahnt sei hier die Regelung des § 7 Abs. 2 S. 2 ROG, wonach Freiraumflachen als Ausgleich fur Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 18 BNatSchG ausgewiesen werden konnen. Inwieweit dies tatsachlich dazu fuhrt, dass KompensationsmaBnahmen gezielt gebiindelt und im Verstandnis nachhaltiger Entwicklungsstrategien raumlich sinnvoll zugeordnet werden,113 oder ob die schon im BauGB angelegte und als okologisch negativ empfundene raumliche und zeitliche Entkoppelung von Eingriff und Ausgleich noch ausgeweitet wird,114 bleibt indes abzuwarten.115

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Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 8. Schrodter, in: Schrodter BauGB, § 1 Rn. 51. Zur Bedeutung des Freiraumschutzes fur den Hochwasserschutz vgl. insb. Artikel 3 des Entwurfs zu einem Gesetz zur Verbesserung des Hochwasserschutzes (BTDrs. 15/3168), wonach die Freiraumsicherung auch zur Gewahrleistung des vorbeugenden Hochwasserschutzes erfolgen soil. Insoweit ist in diesem Bereich die Raumordnungsplanung nicht nur Rahmenplanung, sie kann durch die detaillierten Vorgaben auch als eine Art der Durchfuhrungsplanung bezeichnet werden, vgl. Runkel, NuR 98, S. 451. Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 8. Derartige Freiraume waren z.B. Ausdruck des Auftrages zur Rohstoffsicherung aus § 2 Abs. 2 Nr. 9, S. 3 ROG. Diese Moglichkeit sieht das Umweltbundesamt, Jahresbericht 1997, S. 54, als eroffhet an. Okologische Wirkungen konnen z.B. aus der raumlichen Entkoppelung resultieren, da die Umwandlung von Ausgleichsmafinahmen in ErsatzmaBnahmen aufgrund territorialer Unmoglichkeit des Ausgleichs nur noch in geringerem MaBe zulassig sein durfte. Darauf weisen die Fraktion Btindnis 90/Die Griinen in der BTDrs. 13/6384, S. 8 sowie Dolderer, NvWZ 98, S. 347 f. hin. Hier soil namentlich die Gefahr einer Zweiteilung der Umweltsituation in sowieso schon relativ unbelastete und tendenziell immer starker belastete Gebiete, in denen Vermeidungsanstrengungen im Ergebnis ganzlich unterbleiben, bestehen. Die Anlage von sog. Oko- oder Flachenpools, erst recht, wenn diese

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Festgehalten werden kann bereits an dieser Stelle, dass, indem die Lander Freiflachen ausweisen konnen, ohne an speziell normierte Vorrangfunktionen gebunden zu sein,116 nach entsprechender Konkretisierung117 Belange des Kiistenschutzes zum Erhalt und zur Sicherung von Freiraumstrukturen herangezogen werden konnen.

b. Vorbeugender Hochwasserschutz nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG aa. Sachlicher Normgehalt Unmittelbare umweltschutzbezogene materielle Grundsatze werden durch § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG kodifiziert.118 Insbesondere die in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG enthaltene Bezugnahme auf den vorbeugenden Hochwasserschutz diirfte zukiinftig eine nicht unerhebliche Rolle bei der planungsrechtlichen Durchsetzung alternativer Kustenschutzstrategien spielen.119 In § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 1. HS ROG heiBt es wortlich, dass ,,fur den vorbeugenden Hochwasserschutz an der Kiiste und im Binnenland zu sorgen ist". Fur das Binnenland wird dieser Anspruch im 2. Halbsatz der Norm erganzend konkretisiert. Unter vorbeugendem Hochwasserschutz ist danach ,,die Sicherung oder Riickgewinnung von Auen, Riickhalteflachen und uberschwemmungsgefahrdeten Bereichen" zu verstehen. Das Begriffspaar ,,vorbeugender Hochwasserschutz" zeigt zunachst, dass hier von anderen Schutzstrategien ausgegangen wird als jene, die iiblicherweise unter Hochwasserschutz verstanden werden. Aus der Verortung dieser Forderungen in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG, dem zentralen Umweltschutzgrundsatz,120geht hervor, dass es sich bei dem vorbeugenden Hochwasserschutz nur um naturnahe, die okologische Situation nicht verschlechternde MaBnahmen handeln kann. Die ,,Sicherung uberschwemmungsgefahrdeter Bereiche" in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG ist im Kontext mit der Riickgewinnung von Auen und Ruckhalteflachen zu sehen und darf daher nicht etwa mit dem Schutz vor Uberflutung mittels technischer MaB-

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auf monetarer Grundlage gefllhrt werden, birgt zudem die Gefahr einer Freikaufmentalitat in sich. Ein gesondertes Problem, was hier nicht behandelt werden kann, ist, ob Kompensationsmafinahmen auf Wasser- und Landflachen beschrankt bleiben oder ob diese austauschbar sind. Schrodter, in; Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 51. Hoppe/Deutsch, in: Rengeling, EUDUR, § 88, Rn. 8; Runkel, in: Bielenberg /Erbguth/Runkel, K § 3, Rn. 22. Kloepfer, Umweltrecht, § 10, Rn. 29. Der Vollstandigkeit halber sei hier noch auf raumordnerische Grundsatze verwiesen, denen fur den vorbeugenden Hochwasserschutz indirekte Relevanz zukommt. Das sind der Schutz- und Pflegeauftrag fur Natur- und Landschaft einschl. Gewasser und Wald, das Sparsamkeitsgebot fur die Inanspruchnahme von Wasser und Boden sowie die Ausgleichspflicht fur Beeintrachtigungen des Naturhaushaltes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG, vgl. dazu Leitfibel, S. 10. Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 50.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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nahmen verwechselt werden.121 Stattdessen kann mit diesem Terminus nur die Erhaltung der Uberflutungsgebiete als natilrliche Retentionsraume gemeint sein. Dies ist nur moglich, wenn diese Flachen iiber den Erhalt der Freiraumstruktur hinaus einer naturvertraglichen Nutzung unterworfen werden. Insoweit besteht eine weitgehende Interessenkongruenz zwischen den Belangen des Hochwasserschutzes und des Naturschutzes. Durch die Formulierung ,,vor allem" zahlt § 2 Abs. 2 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG lediglich Beispiele auf, so dass auch andere als die genannten MaBnahmen ebenfalls von der Handlungsmaxime erfasst sind, sofern sie vorsorgenden Strategien entsprechen. Der raumliche Geltungsbereich der uberschwemmungsgefahrdeten Bereiche in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG geht dabei iiber die territorialen Abgrenzungen der fachgesetzlichen Uberschwemmungsgebiete aus § 32 WHG hinaus.122 Nach § 32 WHG sind nur die Flachen als gesetzliche Uberschwemmungsgebiete auszuweisen, die tatsachlich bei Hochwasserereignissen mit einer statistischen Wahrscheinlichkeit123 uberschwemmt werden und die zwischen den Ufern der Gewasser und Deichen liegen.124 Eine territoriale Ausweitung brachte die 6. Novelle des WHG mit sich, wonach Uberschwemmungsgebiete auch zur Riickgewinnung natiirlicher Rtickhalteflachen festgesetzt werden konnen.125 Dadurch sollte insbesondere die Moglichkeit verbessert werden, bereits festgesetzte Uberschwemmungsgebiete, auch im Sinne vorsorgender Hochwasserschutzstrategien,126 nachtraglich auf das notwendige Mafi zu vergroBern.127 Hier bleibt auch weiterhin abzuwarten, inwieweit sich diese Neufassung auf die Festsetzungspraxis auswirken wird.128 Ungeachtet dessen umfassen die uberschwemmungsgefahrdeten Bereiche in § 2

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Der Erhalt der okologischen Funktionsfahigkeit von Brachflachen fur den Hochwasserschutz wird auch im Gesetzentwurf der Bundesregierung herausgestellt, vgl. BTDrs. 13/6392, S. 80. Die territoriale Ausweitung gegentlber § 32 WHG ist schon deshalb signifikant, da der 18. Ausschuss den Wortlaut des Regierungsentwurfs, welcher sich nur auf iiberschwemmungsgefahrdete Bereiche bezog, in die jetzige Fassung, in der ausdrucklich die Rtickgewinnung von Auen und Rtickhalteflachen gefordert wird, anderte. Vgl. BTDrs. 13/7588, S. 57. Zum Beispiel hundertjahrliche Wiederkehr, vgl. dazu Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 18 und 5. Kapitel § 13 B. I. 1. b. Peine, Prevention, UTR Bd. 31, S. 256; Czychowski/Reinhard, § 32 WHG, Rn. 3; Corell, UPR 96, S. 247; Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer et al., Hochwasserschutz, S. 69; ders., UPR 96, S. 241. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 11, 18. Siehe auch 4. Kapitel § 12 A. Vergleiche ausfuhrlicher Riihl, UPR Ola, S. 210 und Bohm et al., Anforderungen, S. 34. Riihl,\J?R Ola, S. 210. Czychowski/Reinhard, § 32 WHG, Rn. 7; Bohm et al., Anforderungen, S. 35. Skeptisch Czychowski/Reinhard, § 32 WHG, Rn. 7. Zweifelnd in Bezug auf eine entsprechende Anderung der Landeswassergesetze auch Bohm et al., Anforderungen, S. 34.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG auch hochwasserfrei eingedeichte Flachen und Polder129 und gehen iiber die territoriale Geltung des § 32 WHG hinaus.130 Der Auftrag aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG enthalt in einer Gesamtschau im Wesentlichen folgende Komponenten: Als okologisches Verschlechterungsverbot soil die Norm der raumordnerischen Sicherung von natiirlichen Uberflutungsflachen, auch und gerade wenn sie wasserrechtlich noch nicht geschtitzt sind, vor entgegenstehenden Nutzungen, insbesondere vor einer weiteren Inanspruchnahme fur Siedlungszwecke, dienen.131 Insofern kann §2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG als raumordnerischer Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verschlechterungsverbotes aus Art. 20a GG, prazisiert auf die Belange des Hochwasserschutzes, angesehen werden. Der Regelungsgehalt von § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG geht jedoch noch weiter. Der raumordnerische Auftrag beinhaltet ausdrucklich ein Verbesserungsgebot, indem dafur Sorge zu tragen ist, dass zugleich geeignete Teile frtiherer Uberschwemmungsgebiete in die Festsetzungen einbezogen werden. Hiermit werden die planerischen Voraussetzungen fur die Rilckgewinnung zusatzlicher Uberflutungsraume durch die Riickverlegung von Deichen geschaffen.132 Das Verbesserungsgebot schlieBt daher nicht nur die Sicherung und Entwicklung von Freiraumen innerhalb tatsachlicher Uberschwemmungsgebiete, sondern auch im unvergleichlich groBeren Einzugsbereich potentieller Uberflutungsraume ein. Neben der Sicherung und Rtickgewinnung von Uberschwemmungsbereichen zielt der Grundsatz auch auf eine Risikovorsorge in potentiellen Uberflutungsbereichen ab.133 Obgleich sich die Handlungsmaximen des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG dem Wortlaut nach nur auf Binnengewasser beziehen, lassen sich durch die dort genannten MaBnahmen Riickschliisse auf den anzustrebenden Hochwasserschutz an den Kiistengewassern ziehen. Zunachst werden durch § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 1.HSROG die Kilstengewasser ausdrucklich in den Geltungsbereich des vorsorgenden Hochwasserschutzes einbezogen. Wie bereits gezeigt, stellen die fur die Binnengewasser in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG praferierten MaBnahmen Kerninhalte naturvertraglicher Hochwasserschutzstrategien dar. Obwohl zwischen den hydrologischen Verhaltnissen an oberirdischen Gewassern und denen an der Kuste nicht unerhebliche Unterschiede bestehen, ist nicht zu iibersehen, dass Teile des MaBnahmekatologes auch auf die Kiistengewasser anwendbar sind. So kommt 129 130

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Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer et al., Hochwasserschutz, S. 69; ders., TJPR96, S. 241. Siehe Schema in der Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 18. Uberschwemmungsgefahrdete Bereiche wiirden allerdings von dem im Hochwasserschutzgesetz (BTDrs. 15/3168) geplanten § 31c WHG erfasst und damit wasserrechtlichen Regelungen nach Landesrecht zuganglich. Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer et al., Hochwasserschutz, S. 69; ders., UPR96, S. 241. Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer et al., Hochwasserschutz, S. 69; ders., UPR96, S. 241. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 2 Rn. 110.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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der Riickgewinnung von uberschwemmungsgefahrdeten Bereichen an den Kiistengewassern, insbesondere von Uberflutungsfiachen an den Boddengewassern, sowohl in wasserwirtschaftlicher als auch in okologischer Hinsicht eine herausragende Bedeutung zu,134 die nicht hinter der an oberirdischen Gewassern zuriicksteht. Gleiches gilt fur den Aspekt der Risikovorsorge, der an der Kilste von noch hoherer Bedeutung als im Binnenland sein kann. Diese besondere Relevanz und das Interesse an einheitlicher Behandlung vergleichbarer Sachverhalte durfte einer generellen Unbeachtlichkeit der in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG niedergelegten Direktiven auf den Kustenhochwasserschutz entgegenstehen. Die Handlungsmaximen sind daher entweder konkret oder, bei abweichenden hydrologischen Gegebenheiten, der Wertung nach auf die Kiistengewasser iibertragbar. Die Konkretisierung in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG strahlt insoweit auf den Kustenhochwasserschutz aus. Im Ubrigen kann aus der Beschrankung auf MaBnahmen des Hochwasserschutzes nicht entnommen werden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 1. HS ROG den Erosionsschutz vom Anspruch vorbeugender Konzepte ausnehmen soil. Allem Anschein nach muss der Ausdruck Hochwasserschutz dem Wortsinn nach als Uberbegriff verstanden werden, von dem alle MaBnahmen zum Schutz vor den zerstorerischen Kraften des Wassers, sei es Landabtrag oder Uberflutung,135 umfasst sind. In der Tat ware es nicht einsichtig, wenn der Gesetzgeber gerade hinsichtlich des Erosionsschutzes eine Anderung der Strategien ausschliefien wollte. Ausgehend vom prinzipiellen Anwendungsbereich des Gestaltungsauftrages aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG auf alle potentiell uberflutungsgefahrdeten Gebiete, eroffhet die Norm Regelungsbefugnisse fur die Gesamtheit der ohne Schutzanlagen bei Sturmhochwassern von Uberschwemmung bedrohten Areale, mithin des gesamten landwartigen Kiistenbereiches.136 Die Kodifizierung des vorbeugenden Hochwasserschutzes beinhaltet den Auftrag an die Landes- und Regionalplaming, die entsprechenden MaBnahmen zur Verwirklichung der gesetzlichen Vorstellungen und Wertungen zu ergreifen.137 Daflir kommt prinzipiell die gesamte Palette raumordnerischer Instrumente und Kategorien in Betracht. Zu denken ist hier an Ziele und Grundsatze sowie insbesondere an Vorrang- und Vorbehaltsgebiete.138 Umsetzungsbezogen bieten raum134 135 136 137 138

Siehe dazu etwa 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Siehe zur Differenzierung schon 1. Kapitel § 2 B. Siehe zur Bestimmung des Kustenbereiches 1. Kapitel § 2 A. Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 69; ders, UPR 96, S. 241. So jedenfalls auch Kiemstedt/Horlitz/Ott, Umsetzung, S. 141; Bogardi et al., in: DVWK, Wasserwirtschaftliche Planung, S. 19. MKRK, 4. Raumordnungspolitischer Handlungsrahmen, S. 35 f, Nachweis bei Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 558; Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 10, 21. Ausfllhrlich, mit weiteren Nachweisen und Beispielen, Bohm et al., Anforderungen, S. 106ff.Noch vorsichtig Ltibbe, Wasserwirtschaft, in: Eickermann, Bodenordnung, S. 15. Siehe auch 2. Kapitel § 7 C. I. l.a.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

ordnerische Gebietskategorien gegenilber wasser- oder naturschutzrechtlichen Schutzgebietsausweisungen den Vorteil, dass sie relativ schnell, etwa in vereinfachten Verfahren, behordenverbindlich gesichert werden konnen.139 Dahingehend eroffhen sich fur raumplanerische Festsetzungen, auch vor dem Hintergrund eines weiten Spielraumes bei der Gebietsabgrenzung,140 txotz der nur teilweise gewahrleisteten AuBenverbindlichkeit141 eigenst&ndige Anwendungsfelder. Aus der weitgehenden Interessenkongruenz der Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes und denen von Natur und Landschaft im Einzugsbereich hochwassergefahrdeter Gewasser folgt, dass raumordnerische Kategorien nur dann zur Durchsetzung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien geeignet sind, wenn sie gleichzeitig den Qkologischen Anforderungen gerecht werden.142 Im Ergebnis muss der durch § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG vermittelte okologische Anspruch des vorbeugenden Hochwasserschutzes allumfassend verstanden werden. Er beinhaltet somit neben den eigentlichen MaBnahmen des Uberflutungsschutzes an oberirdischen Gewassern auch solche des Erosionsschutzes, und zwar an Binnen- wie an Kiistengewassern gleichermaBen. Insoweit werden von § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG die am Anfang vorgestellten Leitlinien eines alternativen Ktistenschutzkonzeptes weitgehend mitumfasst. Aufgabe der Landes- und Regionalplanung ist es folglich, diesen Anspriichen durch konkrete Festsetzungen in den Planen und Programmen gerecht zu werden. bb. Rechtliche Bedeutung Die Kodifikation des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG konkretisiert den allgemeinen Grundsatz zum Schutz der Natur und Landschaft in Bezug auf die okologischen Anforderungen des Hochwasserschutzes. Ganz offensichtlich bestanden nach Auffassung des Normgebers wichtige Grande, gerade den vorbeugenden Hochwasserschutz mit Nachdruck einzufordern. Dies ist um so sinnfalliger, als dass diese Vorstellung erstmals im ROG auftaucht.143 Zusatzlich unterstrichen wird die Tragweite dieser Konkretisierung

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Liters, Baurechtliche Instramente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 69; ders, UPR 96, S. 241. Ebenso Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 20 f. Zum vereinfachten Verfahren vgl. ,,Methoden zur Abgrenzung von Uberschwemmungsgebieten, Pkt. 2, Nachweis in Anhang 4 der Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz. Siehe dazu ausfflhrlicher 2. Kapitel § 7 C. II. Vergleiche die erschopfende Darstellung im 2. Kapitel § 7 C. I. 2. So konnen z.B. Vorranggebiete fur vorbeugenden Hochwasserschutz unter dem Oberbegriff,,6kologische Vorranggebiete" subsumiert werden. Zur Begrifflichkeit vgl. Wahl, Okologische Vorranggebiete, S. 55 ff. Zum Konsens zwischen nachhaltigen Kustenschutzstrategien und Naturschutzinteressen: Dierfien, Widerspruch, in: Ktistenschutz in S-H, S. 14. Die Aufhahme des vorbeugenden Hochwasserschutzes war unzweifelhaft den extremen Hochwasserereignissen an Rhein und Mosel, sozusagen vor der damaligen Haustur des Bundesgesetzgebers, in der Mitte der neunziger Jahre geschuldet.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

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durch die Aufnahme spezieller Handlungsanweisungen,144 die bestimmen, wie das Leitbild eines vorbeugenden Hochwasserschutzes im einzelnen umzusetzen ist. Ein vergleichbarer Konkretisierungsgrad wie ftir den Teilbereich des Hochwasserschutzes im Binnenland ist in keinem der anderen fachlichen Grundsatze festzustellen. Unter Berilcksichtigung der prinzipiellen Geltung der Methoden auch fur den Hochwasserschutz an den Kilsten, dtirfte auch dieser an der hohen Konkretisierung teilnehmen. Fraglich ist, ob sich, entgegen der ganz tiberwiegend vertretenen prinzipiellen Gleichrangigkeit gesetzlicher Grundsatze,145 aus der besonderen Formulierung des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG gesteigerte Berticksichtigungspflichten in Gestalt eines relativen Vorrangs gegenilber den anderen in § 2 Abs. 2 ROG normierten Grundsatzen herleiten lassen. Sowohl in der rechtswissenschaftlichen Literatur als auch der Rechtsprechung wurden Vorrange legislativer Grundsatze hauptsachlich im Zusammenhang mit der ausdrilcklichen Zuweisung von besonderen Gewichtungen diskutiert. Obgleich die Existenz relativer Vorrangwirkungen kraft gesetzlicher Gewichtszuweisungen noch vielfach abgelehnt146 oder zumindest kritisiert wird147, muss die Moglichkeit von Grundsatzgewichtungen in Gestalt relativer Vorrangregelungen,148 bis hin zu Optimierungsge144

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Hier liegt eine gegeniiber § 7 II Nr. 2 ROG noch gesteigerte Prazisierang vor, so dass auch hier von einer Durchftihrungsplanung gesprochen werden kann, vgl. Fn. 110. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 6 B. II. 1. a. und Fn. 82, 84. Aus der prinzipiellen und abstrakten Gleichwertigkeit der Grundsatze wird der Schluss gezogen, dass unabhangig von der konkreten Formulierung der Grundsatze und etwaigen Gewichtungsvorgaben Grundsatze auch in Anbetracht ihrer konkreten Ausgestaltung lediglich gleichwertig zu gewichten sind. Siehe dazu Cholewa et al., ROG, § 2 Rn. 22; Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 66; Hoppe, DVB1. 93, S. 683; Hoppe/Appold, in: Kimminich et al., HdUR, Bd. II, S. 1674; Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 54; Hoope/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 3 Rn. 8. A.A. Brummund, Grundsatze, S. 120. Kritisch jedenfalls nach Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 13 (Vorauflage). Nunmehr anders: ders., Umweltrecht, § 10 Rn. 33. Dies wird schon aus § 2 I Nr. 13 S. 1 ROG 93 deutlich. Die hier enthaltene Formulierung, dass dem dringenden Wohnbedarf der Bevolkerung besonders Rechnung getragen werden soil, stellt eindeutig eine gesetzliche Vorgewichtung eines speziellen Belanges dar. So auch BVerwG, Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91- BVerwGE 90, S. 329 (332). Vgl. weiter dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 13 (Vorauflage). Gleiches gait nach wohl uberwiegender Ansicht fur die Forderung des Zonenrandgebietes in § 2 I Nr. 4 ROG 86 (Gesetz vom 08.04.1965, BGB1. I S. 306 i. d. f. vom 19.12.1986, BGB1. I S. 2669), siehe dazu m.w.N. Brummund, Grundsatze, S. 118 f. und Beus, Entwicklungsplanung, S. 21 (Zeitliche Bevorteilung des Zonenrandgebietes bei InvestitionsmaBnahmen). Zur relativen Prioritat des § 50 BImSchG vgl. ebenfalls BVerwG, Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91 - a.a.O., S. 332. Ausfiihrlich zu § 50 BImSchG: Schlarmann/Erbguth, Durchsetzung von Umweltbelangen, S. 246 ff., 258. Die Moglichkeit gesetzlicher Gewichtungsvorgaben zumindest anerkennend: Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 7 Rn. 27; Hoppe, Umweltleitplanung in: Wandel, UTR

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

boten,149 mittlerweile als gesichert angesehen werden.150 Zur Frage, ob sich aus besonders konkretisierten gesetzlichen Grundsatzen besondere Rechtswirkungen ergeben konnen, wurde hingegen bisher noch keine Stellung bezogen.151 Gleichwohl liegt es nahe, hochgradig konkretisierte Grundsatze im Rahmen von Abwagungsentscheidungen nicht als lediglich gleichwertig mit allgemein gehaltenen Grundsatzformulierungen zu betrachten. Alles andere hieBe, die zugrundeliegenden Wertungen, welche den Gesetzgeber zu besonderen Prazisierungen bewogen haben, zu ignorieren. Die bestimmten Belangen vom Gesetzgeber kraft Konkretisierung zugebilligte Bedeutung kann in nachfolgenden Abwagungsentscheidungen letztlich nicht ohne Konsequenzen bleiben.152 Insoweit miissen sich durch starke Konkretisierung auszeichnende Grundsatze im Lichte ihrer Prazisierung bewerten lassen. Der Prazisierung entwachst somit eine Bedeutung, die solche Grundsatze von allgemein gehaltenen unterscheidet. Dieses Verstandnis ist im Grunde nichts anderes als die konsequente Anwendung der Auslegungsregel lex specialis derogat legi generali153. Ohne die Problematik an dieser Stelle in alien Einzelheiten untersuchen zu wollen, ist im Kontext der Grundsatzformulierungen in § 2 Abs. 2 ROG jedenfalls davon auszugehen, dass zur Uberwindung besonders pra'zisierter Grundsatzfestlegungen durch entgegenstehende Belange nur solche in Betracht kommen, die ihrerseits eine besondere

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Bd. 20 (93), S. 74, ders., DVB1. 92, S. 853 ff.; Spiecker, Raumordnung, S. 62, 64, m.w.N.; ahnlich Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 183, diese fur Umwelt- und Naturschutz fordernd: Kolble, Instrumente, in: FS Ernst, S. 279. So bezeichnet BVerwG, Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91- BVerwGE 90, S. 329 (332) die baurechtlichen Grundsatze aus § 1 V S. 3 BauGB als Optimierungsgebote. Kotulla, ZfflR 95, S. 121 und Peine, Offentlich-rechtliche Fragen, UTR Bd. 31 (95), S. 252 f., gingen in Bezug auf § 1 V S. 3 BauGB a.F. von einem Optimierungsgebot zugunsten des Bodenschutzes aus. Brummund, Grundsatze, S. 120 halt ausdriickliche Gewichtungsvorgaben der gesetzlichen Raumordnungsgrundsatze in Analogie zu BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 73.82- DVB1. 85, S. 899 (900) zu §50 BImSchG fur Optimierungsgebote (einschrankend BVerwG, Urteil vom 28.02.1999 - 4 CN 5.98 - NVwZ 99, S. 1222 (1223)) fur moglich. Nunmehr auch fur die in § 1 Abs. 5 S. 1 BauGB zugunsten der in §§ 18, 21 BNatSchG konkretisierten allgemeinen Belange von Naturschutz und Landschaftspflege wohl nicht mehr eindeutig BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 4 NB 29.96 - BVerwGE 104, S. 68 (77). Eindeutig: Burgi/Deichmoller, DOV 03, S. 366. Die vorstehend erorterten Auffassungen beziehen sich ausschlieBlich auf Vorrange kraft ausdriicklicher Gewichtungszuweisungen mit Ausnahme Spieker, Raumordnung, S. 65, die konkretisierungsbedingten Prioritaten jedenfalls bei landes- und regionalplanerischen Grundsatzen anerkennt. A.A. offenbar, bezogen auf die raumordnerische Steuerungswirkung: Reinhard, NuR 04, S. 423, der allerdings auf die besondere Konkretisierung von § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG nicht eingeht. Zippelius, Methodenlehre, § 7 lit. c).

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Konkretisierung aufweisen.154 Dabei sind an diese um so hohere Anforderungen zu stellen, je konkretisierter sich z.B. die Umweltbelange in § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG darstellen. Der Anwendungsvorrang konkretisierter Belange fmdet selbstverstandlich im VerhSltnis zu Grundsatzen, die ihrerseits schon mit ausdriicklichen Gewichtungszuweisungen versehen sind, seine Grenze. Letztere durften infolge der direkt zugemessenen besonderen Bedeutung im Zweifelsfalle solchen Belangen uberlegen sein, die ihre Relevanz lediglich aus einem gesteigerten MaB an Konkretisierung herleiten konnen. Allerdings sind ausdrtickliche Gewichtungen in den gesetzlichen Grundsatzen gegenwartig nicht erkennbar, so dass die Ableitung von Gewichtungsabstufungen nur am MaBstab des jeweiligen Konkretisierungsgrades gelingen kann. Als Zwischenergebnis bleibt zunachst festzuhalten, dass besonders konkretisierte Belange in gesetzlichen Raumordnungsgrundsatzen im Rahmen von nachfolgenden Abwagungsentscheidungen gesteigerte Bertlcksichtigungspflichten auslosen konnen. Da die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes mit einem hohen Konkretisierungsgrad ausgestattet sind, durften sie somit einen prinzipiellen Berilcksichtigungsvorrang geniefien.155 Der gesteigerten Relevanz des vorbeugenden Hochwasserschutzes steht die abstrakte Gleichwertigkeit der gesetzlichen Grundsatze nicht entgegen.156 Die abstrakte Gleichwertigkeit kann sich nur auf prinzipielle Vorgewichtungen beziehen, die unabhangig von der Formulierung der Grundsatze bestimmte Belange pauschal bevorteilen wilrden. Indessen ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, bestimmte Belange einer besonderen Gewichtung zu unterwerfen, mit der Folge, dass diese dann eine erho'hte Bindungswirkung aufweisen.157 Da gesteigerte Beriicksichtigungspflichten, wie erortert, sowohl aus explizit formulierten Gewichtszuweisungen als auch aus Konkretisierungen folgen konnen, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG von seiner Befugnis Gebrauch gemacht hat, mittels Gewichtszuweisungen in Gestalt programmatischer Konkretisierungen und detaillierter Handlungsanweisungen auf nachfolgende Abwagungsentscheidungen steuernden Einfluss im Sinne vorrangiger Beriicksich154

So auch fur Grundsatze, die in den Planen und Programmen der Landes- und Regionalplanung erzeugt wurden: Spieker, Raumordnung, S. 65. 155 In dieser Tendenz auch Brandt/Sanden, UPR 99, S. 369, die davon ausgehen, dass der Bodenschutz als raumordnerischer Belang wegen seiner nur allgemeinen Erwahnung im ROG 98 im Verhaltnis zu den anderen quantifizier- und qualifizierbaren Abwagungsbelangen ins Hintertreffen gelangen kann. Damit wird zumindest von einem faktischen Vorrang der so konkretisierten Belange ausgegangen. In diesem Sinne kann § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG als eine ,,den Abwagungsspielraum einengende prazise gesetzliche Normierung" verstanden werden, mit der Folge, dass die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes einen relativen Vorrang genieBen, vgl. Thurn, Natilrliche Gewasserfunktionen, S. 58. 156 Vergleiche dazu oben 2. Kapitel § 6 B. II. 1. a. 157 SieheFn. 148, 149.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

tigung zu nehmen.158 Der Grundsatz des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG ist kraft besonderer Konkretisierung im Lichte seiner Wirkung folglich als relative Vorrangregelung anzusehen.159

c. Fazit Neben der allgemein zu konstatierenden Starkung von Umweltbelangen durch die Formulierung gesetzlicher Grandsatze, spielt in Bezug auf die Belebung alternativer Kiistenschutzstrategien die Kodifikation des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG eine zentrale Rolle. Aufgrund hochgradiger Konkretisierung kommt diesen Belangen die Bedeutung relativer Vorrangregelungen zu. Als solche entfalten sie ein erhebliches Gewicht, welches in der landesplanerischen Abwagung nur unter besonderen Umstanden gegenilber anderen Belangen zuriicktreten kann. Sachlich ist der Themenkomplex des vorbeugenden Hochwasserschutzes auf den Erhalt unbesiedelter Uberflutungsflachen sowie der Revitalisierung ehemaliger Uberschwemmungsgebiete und damit zugleich auf die Begrenzung des Risikopotentials in hochwassergefahrdeten Bereichen gerichtet. Insoweit erfolgt eine wichtige Weichenstellung in Richtung okologischer Schutzstrategien, die auch fur den Kiistenschutz Geltung entfalten. Die besondere Relevanz erschopft sich dabei nicht nur innerhalb der auf Raumanspriiche reagierenden Abwagung konkreter Planungsabsichten. Vielmehr sind die PlanungsbehOrden verpflichtet, den Belangen des vorbeugenden Hochwasserschutzes, entsprechend der ihm legislativ zugemessenen Bedeutung, in ihren Programmen und Planen vorsorgend Rechnung zu tragen. Im Ergebnis resultiert daraus fur die Lander die Pfiicht, Elemente des vorbeugenden Hochwasserschutzes, namentlich die Sicherung von Uberschwemmungsflachen und die Senkung des Risikopotentials in gefahrdeten Bereichen durch Vorgaben der Landesplanung zu gewahrleisten.160 Den Handlungsmaximen § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 2. HS ROG wohnen dabei, anders als den allgemein gehaltenen raumlich-strukturellen Planungsdirektiven ohne Flachenbindung, durch den Riickgriff auf Auen, Riickhalteflachen und iiberschwemmungsgefahrdete Bereiche konkrete Flachenbeziige inne. Die Darstellungspflicht aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. a.) ROG besteht hier nicht nur dem Grundsatz nach, sondern flachenindividuell. Zukunftig werden daher Raumordnungsplane, die uberflutungsgefahrdete Bereiche nicht durch entsprechende Festsetzungen, wie 158

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Die Kodifikation eines hochwasserschutzbezogenen Grundsatzes schon im Vorfeld von § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG erhoffend und im Erfolgsfalle von dessen vorrangigen Beriicksichtigung ausgehend: Boettcher, Umweltplanung, in: Immendorf, Hochwasser, S. 142. Die Annahme eines Optimierungsgebotes bei Grundsatzen, die ihre besondere Gewichtung nur durch das MaB der Konkretisierung herleiten, erscheint die hingegen nicht angebracht. Zur Abgrenzung siehe weiter 2. Kapitel § 7 B. II. 2. So Corell, UPR 96, S. 248 fur den Gewasser- und Bodenschutz nach § 2 I i.V.m. § 5 Abs. 2 ROG 93. Ahnlich auch Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 21, in Bezug auf Vorrang- und Vorbehaltsgebiete fur den vorbeugenden Hochwasserschutz.

§ 6 Vorsorgende Strategien als gesetzliche Direktiven

131

z.B. Vorbehalts- und Vorranggebiete, vor gegenlaufigen Inanspruchnahmen schtitzen, mit der Wertung des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG kaum vereinbar sein.161 Hochwasserschutzbelangen entgegenlaufende Vorgaben der Landes- und Regionalplanung dtirften angesichts der besonderen Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes allenfalls im Einzelfall zulassig sein. Die Lander und deren Planungsbehorden sind daher aufgerufen, die sich aus der Gewichtung des § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG ergebende Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes mit den Instrumenten der Landesplanung zu konkretisieren.

C. Legislative Grundsatze nach § 2 LPIG M-V Im Gefolge der Neufassung des ROG des Bundes im Jahre 1997 wurde auch das LPIG M-V geandert. Allerdings berucksichtigt das LPIG M-V in erster Linie nur die erweiterte Zielbindung Privater und verfahrensrechtliche Deregulierungen. Mit dem Hinweis auf die unmittelbare Geltung der Leitvorstellung des § 1 ROG wurde in der Neufassung auf die Aufnahme einer landesrechtlichen Leitvorstellung ganzlich verzichtet. Mit Begrilndung der unmittelbaren Geltung der Grundsatze des ROG wurden auch die bisherigen landesrechtlichen Grundsatze nicht an die neuen Vorgaben des Bundes angepasst.162 Die landesgesetzlichen Grundsatze zeichnen demnach die besondere Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes nicht nach. Der okologische Grundsatz, das zeigt bereits ein fluchtiger Blick in § 2 Nr. 2 LPIG M-V, weist nicht annahernd den Konkretisierungsgrad und den Regelungsgehalt auf, wie er nunmehr mit § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG vermittelt wird. Kiisten- und Hochwasserschutz finden in den Grundsatzen des § 2 LPIG M-V ilberhaupt keine Erwahnung. Einziger Bezug zur Kiiste ist § 2 Nr. 7 LPLG M-V, wonach die Ursprunglichkeit und Identitat der Kiisten gewahrt bleiben und Beeintrachtigungen vermieden oder beseitigt werden sollen. Damit sind neue oder iiber die Grundsatze des ROG hinausgehende Impulse, die der Durchsetzung vorsorgender Kustenschutzstrategien dienen konnten, auf landesrechtlicher Ebene gegenwartig nicht erkennbar. Dies ist um so mehr zu bedauern, da landesplanungsgesetzliche Grundsatze ebenfalls besonderen Gewichtungen zuganglich sind.163 Mit § 22 ROG werden die Lander verpflichtet, die Umsetzungspflicht aus Art. 75 Abs. 3 GG innerhalb von vier Jahren ab Inkrafttreten des ROG 98 zu erfullen. Die Verletzung der Umsetzungspflicht Art. 75 Abs. 3 GG ist im einzelnen umstritten. Anerkannt ist insoweit, dass der Bund tlber einen Bund-Lander-Streit nach Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 GG oder auBerstenfalls durch Bundeszwang gemafi

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162 163

In der Wertung ahnlich: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 21, wenn davon ausgegangen wird, dass die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes in den Gebietskategorien ,,Voranggebiet" und ,,Vorbehaltsgebiet" konkretisiert werden sollen. Siehe LTDrs. 2/3272, S. 52. Spiecker, Raumordnung, S. 65.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Art. 31 GG vorgehen kann.164 Uneinheitlich wird jedoch die Frage beantwortet, ob sich in Parallele zur unmittelbaren Anwendbarkeit europarechtlicher Richtlinien aus einer Nichtumsetzung eine unmittelbare Normgeltung in den nichtumsetzenden Landern ergibt.165 Letztlich kann diese Frage hier jedoch dahinstehen, da die Grundsatze des ROG nach einhelliger Auffassung in den Landern unmittelbar gelten.166 Die Nichtumsetzung bleibt fur Mecklenburg-Vorpommern folglich ohne weitere Konsequenzen. 167

Rozek, in: von Mangoldt/Kein/Starck, Bonner GG, Art. 75 Rn. 77; Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., Art. 75 Rn. 14. Befurwortend: Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., Art. 75 Rn. 14; ablehnend: Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner GG, Art. 75 Rn. 78. Runkel, in B/R/S, § 3 Rn. 177; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 3 Rn. 9. Vgl. auch § 2 S. 1 LPLG M-V. Angesichts der direkten Geltung waren zudem die Erfolgsaussichten eines Verfahrens nach Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 GG, sollte es denn vom Bund angestrebt werden, zweifelhaft.

• 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten A. Grundlagen /. Einfiihrung in die Problemstellung Die Instrumente in den Planen und Programmen der Landes- und Regionalplanung konnen gemaB § 3 Nr. 1 ROG in Ziele, Grundsatze und sonstige Erfordernisse eingeteilt werden.1 Wahrend letzteren als unverbindliche Hinweise, Stellungnahmen und Gutachten lediglich informativer Charakter innewohnt, kommt den Grundsatzen und Zielen der Landes- und Regionalplanung nach § 3 Nr. 2, 3 ROG fur die planerische Durchsetzung vorbeugender Hochwasserstrategien besondere Bedeutung zu. Da mit ihnen die Gesamtplanung des Kustenraumes gesteuert wird, erfolgen so auch direkte und indirekte Beeinflussungen der Ktistenschutzplanung. MaBgebliche Rolle fur den Erhalt notwendiger Freiraumstrukturen spielen iiberdies die Raumkategorien der Vorbehalts- und Vorranggebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1,2 ROG.2 Grundsatzlich kann und soil sich die Landesplanung alle der ihr nach dem ROG zur Verfugung stehenden Instrumente fur die Verwirklichung der politisch und gesellschaftlich angestrebten Raumstruktur zu Nutze machen. Dementsprechend steht fur die Etablierung vorbeugender Kiistenschutzstrategien die ganze Palette raumordnerischer Instrumente und Gebietskategorien zur Verfugung. Gemeinhin wird die Ebene der Regionalplanung als die ideale Umsetzungsebene fur zukunftsfahige Entwicklungskonzepte angesehen.3 Allerdings zeichnet sich die Durchsetzungfahigkeit regionalplanerischer Entwicklungsvorstellungen durch eine nicht zu tlbersehende Schwache aus.4 Die Fachressorts fuhlen sich im Rahmen ihrer Fachplanungen primar ihren sektoralen Interessen verpflichtet und empfmden die Einflussnahme der Raumordnung eher als lastig fur die Erreichung des unter rein fachlichen Gesichtspunkten konzipierten Planungszwecks. Hinzu kommt, dass raumplanerische Entscheidungen oder Plane kaum jemals unter dem Gesichtspunkt einer okologischen Fehlgewichtung gerichtlich iiberpriift werden. Zudem gelingt es den kommunalen Gebietskorperschaften haufig, die iibergreifenden Raumkonzepte der Regional- und Landesplanung durch eigene Planungsentscheidungen konterkarierend zu beeinflussen.5

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4 5

Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 76. Siehe schon Fn. 138 im 2. Kapitel § 6 . Erbguth, DOV 98, S. 674; Adam, RuR 97, S. 137; Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 2. Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 2., m.w.N. So im Ergebnis auch Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 2. Siehe weiter Mitschang, DOV 00, S. 21.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Erfahrungsgemafi gehen gerade die Kommunen mit Umweltbelangen haufig leichtfertig urn.6 Als Beispiel mogen die unter Regie der kommunalen Planungshoheit in Mecklenburg-Vorpommern entwickelten auBerortlichen Gewerbegebiete dienen, welche mittlerweile einer Bedarfsdeckung durch zwolf Millionen Einwohner bediirften, gegeniiber einer Einwohnerzahl, die mit zwei Millionen gerade einmal einem Sechstel dessen entspricht.7 Hier zeigt sich, dass die Hoffhung auf kurzfristige Aufbesserung der kommunalen Finanzlage, hier aufgrund der zu erwartenden Gewerbesteuer, dann doch das maBgebliche Entscheidungskriterium ist. Die mit der teilweisen Realisierung der uberzogenen Planungen verbundene unnotige und umweltschadigende Bodenversiegelung beeintrachtigt durch das haufige Ausbleiben des okonomischen Erfolges nicht nur die finanzielle Lage der Gemeinden, sondern lasst auch notwendige AusgleichsmaBnahmen an anderer Stelle unmoglich werden. Die Umweltbilanz verschlechtert sich infolge dieser Fehlentwicklungen in doppelter Hinsicht.8 Die Tatsache, dass in der Vergangenheit 80 bis 90% der Verwirklichung von Regionalplanen bislang auf Uberzeugung und Uberredung nachgeordneter Planungsebene, so auch der kommunalen, beruhte und nur ein kleiner Teil der Vorgaben durch Rechtsverbindlichkeit erstritten werden konnte,9 zeigt eindrucksvoll die tradierten Defizite der Landes- und Regionalplanung auf.10 Diese Fehlentwicklungen wirken auch heute noch nach.11 Der Befund lasst sich entweder auf eine mangelnde rechtliche Durchsetzungskraft der Vorgaben von Raumordnung und Landesplanung oder auf die Unkenntnis des tatsachlich rechtlich Moglichen bei den entsprechenden Planungstragern zuriickfiihren. Obgleich das letzterem zugrunde liegende Motivationsdefizit kaum bestreitbar sein wird, sind die rechtlichen Schwachen der raumordnerischen Instrumente ebenfalls nicht zu ilbersehen. Auf jeden Fall besteht die dringende Notwendigkeit, die Effektivitat der Raum6

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Sendler, DVB1. 92, S. 1121; Erbguth/Wiegand, DVB1. 94, S. 1334. Aktuell kann hier auch auf das Bestreben der Gemeinde Doberitz in Brandenburg verwiesen werden. Zum Zwecke der nachhaltigen Sanierung der kommunalen Finanzen sucht die Gemeinde ein groBtenteils zum Gemeindegebiet gehorendes, immerhm 4000 ha umfassendes Areal eines ehemaligen SchieBplatzes der sowjetischen Streikrafte, zu parzellieren und an Interessenten zu veraufiern. Das Gebiet liegt unmittelbar westlich an der Stadtgrenze Berlins. Eine bauliche Nutzung durch private Eigentiimer ware daher zu erwarten. Die okologische Wertigkeit der Fl3che ist mit Moorlandschaften und Feuchtwiesen sowie als Lebensraum von Seeadler, Kranich, Rohrweihe und GroBe Rohrdommel dagegen sehr hoch. Vgl. dazu Feldmeyer, FAZ vom 20.11.2000, S. 13. Die Auswiichse ebenfalls kritisierend Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 693; Erbguth/Wiegand, DVB1. 94, S. 1334. Darauf weisen Erbguth/Wiegand, DVB1. 94, S. 1334 zutreffend hin. So bereits das Umweltgutachten 1987 des Sachverstandigenrates fur Umweltfragen bei der Bundesregierung (SRU), BTDrs. 11/1568, S. Rn. 2158. Diese benennt auch Folkerts, DVB1. 89, S. 738, i. u. sehr instruktiv. Wenn immer noch versucht wird, den Schlussel fur das Zusammenwirken des Fachrechts mit dem der Raumplanung in Konsenslosungen zu suchen. Vgl. dazu bezeichnenderweise: Stiier, NuR 04, S. 418 f.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

135

ordnung, m. a. W. die Fahigkeit zur tatsachlichen Beeinflussung der Raumstrukturen, nachhaltig zu steigern, und zwar nicht nur in sachlicher, personeller und raumlicher, sondern insbesondere auch in rechtlicher Hinsicht. Angesichts dieser Gegebenheiten stellt sich nicht nur die Frage, ob und wie die Inhalte vorbeugender Kiistenschutzkonzepte Aufhahme in die Regionalplanung finden. Die Chancen fur eine umfangreiche Beriicksichtigung dieser Belange in den Planwerken der Landesplanung konnen angesichts der besonderen Gewichtung des Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG12 als recht positiv eingeschatzt werden. Fur die tatsachliche Beeinflussung der kiinftigen Raumentwicklung im Sinne nachhaltiger Kiistenschutzkonzepte ist aber die rechtliche Durchsetzungsfahigkeit der in den Landes- und Regionalplanen verankerten Vorgaben von Bedeutung. Damit ist das Kernproblem erreicht: Wie konnen die okologischen und den vorbeugenden Kiistenschutz forcierenden Inhalte der Regionalplane rechtlich so ausgestaltet werden, dass ein Hinwegsetzen iiber diese Vorgaben an hohere Anforderungen geknupft ist und diesen Belangen letztlich eine starkere Beachtung geschenkt wird? Gelingt es, die naturraumlichen Rahmenbedingungen rechtlich abzusichern? Die nachfolgende Darstellung gilt der Untersuchung, inwieweit die raumordnerischen Instrumente und Gebietskategorien fur die Umsetzung vorbeugender Kiistenschutzkonzepte herangezogen werden konnen. Die Erorterung erschopft sich dabei nicht nur in der Subsumtion kustenschutzbezogener Belange unter die Regelungsmechanismen der Raumordnung, sondern soil auch die Wirkungen betrachten, welche raumordnerisch gesicherte Belange in der Rechtswirklichkeit entfalten. Es gilt mithin der Frage nachzugehen, ob Flachenfreihaltungen im Interesse vorbeugender Kiistenschutzkonzepte durch die Instrumente der Raumordnung vom Trager der Landesplanung gegeniiber Fachplanungstragern und Kiistengemeinden verbindlich durchgesetzt werden konnen.13 Nur so kann herausgefunden werden, ob die Instrumente der Raumordnung fur die Durchsetzung vorsorgender Kiistenschutzkonzepte iiberhaupt zielfuhrend sind. In diesem Zusammenhang lasst sich eine umfangliche normtheoretische Untersuchung der raumordnerischen Steuerungsinstrumente nicht umgehen. Uberdies kann erst nach einer ausfuhrlichen juristischen Untersuchung beurteilt werden, welche rechtlichen Moglichkeiten Raumordnung und Landesplanung fur die Etablierung alternativer Kiistenschutzstrategien und schlieBlich auch eines IKZM bereithalten. Konfliktpotential ergibt sich zum einen daraus, dass landesplanerische Zielfestlegungen grundsatzlich geeignet sind, die gemeindliche Planungs- und Entwicklungshoheit einzuschranken.14 Zum anderen sind im Interesse einer wirkungsvolZu dessen Bedeutung als relative Vorrangregelung siehe schon 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. Dabei soil der Schwerpunkt auf die Beeinflussung der kommunalen Planungen gelegt werden, da hier die maBgeblichen Flacheninansprachnahmen im Kiistenbereich zu erwarten sind. Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 48; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungsund Landesplanungsrecht, Rn. 27; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, S. 36 ff.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

len Steuerang der Raumentwicklung moglichst konkrete und verbindliche Vorgaben durch die Landes- und Regionalplanung notwendig.15 SchlieBlich ist eine wirkungsvolle Steuerung der Raumnutzungen nur dann moglich, wenn alle Raumnutzer einem Planvorbehalt unterliegen. U.a. gewahren de lege lata Planersatzregelungen hingegen Freistellungen, die ein umfassendes und ausgewogenes Planungskonzept erschweren.16

//. Regelungsmaterie der Landesplanung 1. Raumbedeutsamkeit Regelungsgegenstand der Raumplanung sind nach § 3 Nr. 6 ROG raumbedeutsame Planungen oder MaBnahmen von iiberortlicher Bedeutung. Das Vorliegen dieser Merkmale ist grundlegende Voraussetzung ftir die in § 4 ROG vermittelten Bindungswirkungen der Raumordnung.17 Andererseits unterfallen mit beiden Merkmalen ausgestattete Vorhaben zwingend dem Regime des Raumordnungsrechts.18 Im Interesse eines weiten Anwendungsfeldes raumordnerischer Bindungen,19 speziell zur Durchsetzung vorsorgender Kiistenschutzstrategien und zur Gewahrleistung einer nachhaltigen Kilstenentwicklung im Geiste eines IKZM, ist eine moglichst umfassende Bindung aller Vorhaben an Iibergeordnete Planungsebenen erforderlich. Nach § 3 Nr. 6 ROG sind Planungen, Vorhaben oder sonstige MaBnahmen raumbedeutsam, wenn durch sie Raum in Anspruch genommen oder die raumliche Entwicklung oder Funktion eines Gebietes beeinflusst wird, einschlieBlich der daftir vorgesehenen Finanzmittel.20 Als MaBnahmen sollen in Anlehnung an den Begriff des Verwaltungsaktes in § 35 S 1 VwVfG alle Formen von Anordnungen, d.h. Ge- und Verbote sowie andere Formen der Rechtsgestaltung zu betrachten sein. Weiterhin werden vom MaBnahmebegriff in § 3 Nr. 6 ROG alle rein tatsach-

15 16 17 18 19 20

und Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 394 ff. Zu den Grenzen in Bezug auf den Freiraumschutz vgl. ausftihrlich 2. Kapitel § 7 C. II. 1. Siehe dazu ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II. 3. Diese werden im 2. Kapitel § 7 C. V. 3. untersucht. Brummund, DVB1. 88, S. 78. Auf das Merkmal stellen auch die fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln ab, z.B. baurechtlich im Auflenbereich § 35 Abs. 3 BauGB. So schon Pafilick, Ziele, S. 100; Brummund, DVB1. 88, S. 81. Fur die Zielbindung in § 35 Abs. 3 BauGB Schmidt, I., DVB1. 98, S. 670. Im Einzelnen ist die Charakterisierung eines irgend gearteten Handelns sowohl als Planung oder MaBnahme sowie als raumbedeutsam i.S.v. § 3 Nr. 6 R O G nicht unumstritten. Vgl. die ausfuhrliche Darstellung bei Hoppe, FS Weyreuther, S. 101 ff.; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 35 Rn. 99; Schmidt, I., DVB1. 98, S. 670 f; Brummund, DVB1. 88, S. 81 ff. Ahnlich Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 262 und Spannowsky, D O V 97, S. 764. Ftir Windenergieanlagen: Stuer/Vildomec, BauR 98, S. 433 f, fflr Raumordnungsverfahren, Hoppe, N u R 00, S. 301.

§ 7 Klistenschutz in den Planungsinstrumenten

137

lichen Handlungen erfasst.21 Unter Planung wird die systematische Vorbereitung und Festlegung rationalen Verhaltens verstanden, um unter gegebenen Umstanden ein Ziel auf bestmogliche Weise zu erreichen.22 Zu Recht wird in diesem Kontext darauf verwiesen, dass die Planung als Entscheidungsprozess erst durch die Einbeziehung des Planungergebnisses als Planung zu charakterisieren sei.23 Planungen erfolgen haufig durch informelle Prozesse, was nicht besagt, dass die Planungsergebnisse nicht auch als Rechtssetzungsakte zum Ausdruck gebracht werden konnten.24 Als raumbedeutsame Planungen und MaBnahmen sind zunachst alle Tatigkeiten zu qualifizieren, die schon aus sich heraus raumbeanspruchend sind, indem etwa durch bestimmte Einwirkungen auf einen Teil der Erdoberflache in die bestehende Raumstruktur eingegriffen und diese verandert wird.25 Im Interesse einer umfassenden Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung kann es allerdings nicht allein auf die unmittelbare Raumbeanspruchung ankommen.26 Von Bedeutung muss ebenfalls sein, ob Handlungen raumbeeinflussende Wirkungen deshalb zukommen, weil sie wahrscheinlich zu signifikanten, nach Art und Umfang abschatzbaren Veranderungen der Raumentwicklung oder -funktion ftthren werden.27 Raumbedeutsam waren danach auch Planungen oder MaBnahmen, die selbst nicht raumbeanspruchend sind, die jedoch raumverandernd wirken konnten. Der Konjunktiv bedingt, dass ein potentieller Zielwiderspruch in negativer Hinsicht,28 genau wie die objektive Moglichkeit der Gebietsveranderung, ausschlaggebend sein kann.29 Das Merkmal der Raumbedeutsamkeit kann daher vom jeweiligen Raumordnungsziel her interpretiert werden.30 Jenseits der gesetzlichen Unterscheidung zwischen Raumbeanspruchung und Raumbeeinflussung wird zwischen unmittelbarer und mittelbarer Raumbdeutsamkeit differenziert.31 Unmittelbar raumbedeutsam sollen Planungen sein, die nach 21 22 23 24 25

26 27 28 29

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31

Brummund, DVBL 88, S. 80. Vergleiche Nachweise bei Brummund, DVBL 88, S. 81 f. Wahl, Rechtsfragen, Bd. 1, S. 68; Brummund, DVBL 88, S. 82. Koch/Hendler, Baurecht, S. 36 (2. Auflage); Brummund, DVB1. 88, S. 82. Z u m Beispiel Flughafen, Golfplatze, Truppeniibungsflachen, vgl. dazu Hopp, NuR 00, S. 302. Hopp, NuR 00, S. 302; Brummund, DVBL 88, S. 81. Hopp, NuR 00, S. 302. Hoppe, in: FS Weyreuther, S. 103; ders., DVBL 93, S. 1114. Danach ist z.B. nicht jedes bauliche Vorhaben etwa nach § 35 III S. 2 BauGB raumbedeutsam, sondern nur solche, welche den Zustand eines bestimmten Teils des AuBenbereiches andern. S o kann etwa eine geplante Einzelbebauung mit Wohngebauden i m AuBenbereich als raumbedeutsame MaBnahme zu qualifizieren sein, wahrend dies im Randbereich einer bestehenden Siedlung u.U. nicht der Fall ware. Schmidt, I., DVBL 98, S. 671. So im Ergebnis auch Christ, Raumordnungsziele, S. 358 f.; Hoppe, in: F S Weyreuther, S. 103; ders., DVBL 93, S. 1114; Schmaltz, in: Schrodter, BauGB, § 35 Rn. 99. Siehe dazu auch BayVGH, Urteil vom 25.11.1991 - 14 B 89.3207 - BayVBl. 9 1 , S. 529 (530). Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, ROG, § 3 Rn. 2 3 ; Brummund, DVBL 88, S. 8 1 .

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

dem Willen des Planungstragers final darauf gerichtet sind, Raumstrukturen zu verandern, wahrend sich mittelbare Raumbedeutsamkeit dadurch auszeichne, dass Raumbeeinflussungen lediglich als Nebeneffekte ansonsten nicht raumrelevanter Planungsabsichten auftreten.32 Nach ilberwiegender Ansicht folgt der sachlichen Unterscheidung jedoch keine rechtliche Differenzierung, so dass beide Arten der Raumbedeutsamkeit den raumordnerischen Bindungswirkungen unterfallen.33 Diese Abgrenzung, speziell die undifferenzierte Einordnung nach den Planungsabsichten, begegnet gleichwohl vor dem Hintergrund der Funktionsweise einiger Fachplanungen, aber auch der der Raumordnung selbst, nicht unerheblichen Zweifeln. Die Raumbedeutsamkeit begriindet neben dem Merkmal der Uberortlichkeit die Voraussetzung, unter der das Rechtsregime des Raumordnungsrechts durchgreift und die betroffenen Planungen und MaBnahmen dem Vorbehalt der Landes- und Regionalplanung unterstellt werden. Obgleich vor dem Hintergrund einer effektiven Steuerung der Raumentwicklung nicht zuletzt im Rahmen eines IKZM die Notwendigkeit einer komplexen und weitreichenden Gesamtplanung unbestritten ist, geht die Bindung aller Planvorstellungen, die nach dem isolierten Willen des Planungstragers raumrelevante Austrahlungswirkungen nach sich ziehen sollen, zu weit. Selbst wenn bestimmte Planungen in der Tendenz darauf gerichtet sein soilten, Einfluss auf die Raumentwicklung zu nehmen, wird man ohne ein Minimum an Raumbeeinflussung aus sich selbst heraus eine Raumbedeutsamkeit nicht annehmen konnen. Ausnahmslos alle als irgendwie raumrelevant zu klassifizierenden Planungsentscheidungen den raumordnerischen Bindungswirkungen auszusetzen, hieBe, den Bogen der Raumordnungsbindung um den Preis der Gefahrdung der Funktionsfahigkeit des Planungssystems zu iiberspannen.34 Im Ergebnis ist die Existenz von Planungen anzuerkennen, die zwar darauf gerichtet sind, klinftige Raumstrukturen zu beeinflussen und sich deshalb durch mittelbare Raumbedeutsamkeit auszeichnen wilrden, deren Koppelung an die Erfordernisse der Raumordnung hingegen weitergehenden Priifungen bedarf. In der Vielfalt der Planungswirklichkeit betrifft dies vor allem Planungen, die bestimmte objektive und anthropogen nicht oder kaum beeinflussbare Bedingungen formulieren und daraus Forderungen an andere Raumnutzungen ableiten.35 Als Losung bietet es sich an, nicht nur auf die Raumorientiertheit der jeweiligen Planungen abzustellen, sondern zusatzlich auf ihre grundsatzliche Geeignetheit zur Raumbeeinflussung. Hier ist zunachst einem Ansatz nachzugehen, der die Unterscheidung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Raumbedeutsamkeit nicht liber den Willen des Planungstragers definiert, sondern dem allgemeinen juristischen Sprachverstandnis nach iiber das Kausalitatsverhaltnis zwischen Planung 32 33 34 35

Brummund, DVB1. 88, S. 81. Koch/Hendler, Baurecht, S. 35; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 262 ff. Siehe auch Nachweise bei Brummund, DVB1. 88, S. 81. Zu diesem Ergebnis kommt auch Eusterbrock, Raumvertraglichkeitspriifung, S. 73. Z u denken ist hier etwa an die wasserwirtschaftliche Rahmenplanung oder Teile der Landschaftsplanung.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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und Raumbeeinflussung.36 Unmittelbar raumbedeutsam sind danach nur Planungen, die mit direkt ableitbaren Auswirkungen auf Raumstruktur und -entwicklung verbunden sind. Dagegen lage eine mittelbare Raumbedeutsamkeit vor, wenn raumliche Wirkungen erst iiber initiierte Zwischenursachen eintreten wiirden. Die Raumbedeutsamkeit i. S. v. § 3 Nr. 6 ROG soil in den Fallen mittelbarer Raumbedeutsamkeit nur dann zu bejahen sein, wenn die Planungen vorhersehbar und mit hochster Wahrscheinlichkeit tatsachlich zu Raumanderungen fuhren.37 Nach diesem Verstandnis, dem an dieser Stelle gefolgt werden soil, ist davon auszugehen, dass Planungen, die im rechtlich Unverbindlichen verharren und denen auch anderweitig die Kraft des Faktischen fehlt,38 um raumrelevante Auswirkungen zu bewirken, mangels einer Fahigkeit zur Raumbeeinflussung aus sich heraus nicht als raumbedeutsam i. S. v. § 3 Nr. 6 ROG angesehen werden konnen. Demensprechend sollten auch solche Planungen, die unbeeinflussbare objektive Bedingungen formulieren und diese Belange gegeniiber anderen Planungen vertreten, grundsatzlich nur dann als raumbedeutsam klassifiziert werden, sofern ihnen die tatsachliche Fahigkeit der Veranderung der Raumstruktur entspringt. Liegt die Bedeutung der Planung primar in der Bereitstellung von Entscheidungssubstrat flir die Raumordnung, und bedarf die Verwirklichung noch der Umsetzung mehrerer Zwischenschritte, sind solche Planungen lediglich als gutachtliche Stellungnahmen zu begreifen, die als bloBe Informationstrager fur die noch zu tatigenden Umsetzungsschritte dienen.

2. Uberortlichkeit Der Trager der Landesplanung kann weiterhin nur solche Ziele wirksam festsetzen, deren Regelungsgehalt mit ilberwiegend iiberortlicher Bedeutung ausgestattet ist.39 Dies folgt maBgeblich aus Art. 28 Abs. 2 GG, wonach alle Angelegenheiten der ortlichen Gemeinschaft grundsatzlich den Kommunen als Selbstverwaltungsaufgaben zugeordnet sind.40 Unter Qrtlicher Gemeinschaft sind diejenigen Bediirfnisse und Interessen der Gemeindeeinwohner oder die Aufgaben der Gemeinde zu verstehen, die in der ortlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf diese einen spezifischen Bezug haben41 und von der ortlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich und

36 37 38

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So die zutreffende Unterscheidung von Eusterbrock, Raumvertraglichkeitsprufung, S. 79 ff. Siehe dazu auch Brummund, DVB1. 88, S. 81 f. Eusterbrock, Raumvertraglichkeitsprufung, S. 83, 90; Brummund, DVB1. 88, S. 81 f. Das Abstellen allein auf die rechtlichen Wirkungen ist nicht ausreichend. So wirkt z.B. die derzeitige Kiistenschutzplanung lediglich informell und rechtlich unverbindlich, sie ist gleichwohl mit erheblichen faktischen Auswirkungen auf das Verwaltungshandeln verbunden. Vgl. dazu Czybulka, ZfgW 00, S. 690 und 4. Kapitel § 11 C. I. 2. Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 48; Spannowsky, D O V 97, S. 7 6 1 ; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 53. Leidinger, NWVB1. 9 1 , S. 328; Spannowsky, D O V 97, S. 758; Schiitz, in: Manssen/Schiltz, Staats- und Verwaltungsrecht M-V, S. 332. BVerfG, Urteil vom 30.07.1958 - 2 BvG 1/58 - BVerfGE 8, S. 122 (134).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

selbstandig bewaltigt werden konnen.42 Die Abgrenzung zwischen Uberortlichkeit und ortlichen Angelegenheiten ist haufig zweifelhaft, schlieBlich zeitigen ortliche Belange i.d.R. auch Auswirkungen auf uberortliche Angelegenheiten. Umgekehrt ziehen uberortliche Angelegenheiten regelmaBig auch Auswirkungen auf rein ortliche Interessen nach sich.43 Das Merkmal der Uberortlichkeit diirfte in Bezug auf die Materie der Flachenfreihaltung aufgrund von Kustenschutzbelangen i. d. R. gegeben sein. Zweifelhaft konnte die uberortliche Bedeutung von MaBnahmen sein, die innerhalb besiedelter Gebiete der Risikobegrenzung und Flachenfreihaltung dienen sollen. Landesplanerische Ziele, die in gefahrdeten Bereichen eine kilstenwartige Ausdehnung der Ortslage begrenzen und die Ansiedlung bestimmter, investitionsaufwendiger Anlagen einschranken, werden hingegen ebenfalls von ilberortlichen Interessen gesteuert. Zwar geht es bei der Beeinflussung von Einzelvorhaben zunachst nur um ortliche Angelegenheiten. Die Verlagerung zur Ktistenlinie hin schafft aber auch neue Schutzerfordernisse, die ihrerseits mit uberortlichen Auswirkungen verbunden sind. Raumbedeutsamkeit und Uberortlichkeit von Kiistenschutzanlagen bedingen hier einander und resultieren regelmaBig aus den von ihnen ausgehenden Fernwirkungen. Insoweit kann sich selbst fur an sich nicht raumbedeutsame Vorhaben innerorts eine Raumbedeutsamkeit ergeben, wenn durch sie KustenschutzmaBnahmen ilberhaupt erst notwendig werden oder diese MaBnahmen zu einem friiheren Zeitpunkt getatigt werden mtlssen.44 Diese Wertung teilt auch der Gesetzgeber, indem er einerseits den vorbeugenden Hochwasserschutz in § 2 II Nr. 8 ROG als ein Grundsatz der Raumordnung darstellt und ihm so uberortliche Bedeutung beimisst. Andererseits wird in § 83 LWaG M-V der Kiistenschutz als offentliche Aufgabe benannt, die von Kiistenschutzverbanden, also von iiberortlichen Korperschaften und gerade nicht von einzelnen Kommunen erfullt werden soil. Im Ergebnis spricht wohl nichts dagegen, die Erfordernisse des vorbeugenden Hochwasserschutzes an der Kiiste grundsatzlich als solche von iiberortlicher Art anzusehen.45

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43 44 45

BVerfG in st. Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss v o m 12.07.1960 - 2 B v R 373, 4 4 2 / 6 0 - BVerfGE 11, S. 266 (274); Beschluss v o m 10.06.1969 - 2 B v R 4 8 0 / 6 1 BVerfGE 26, S. 172 (176); Beschluss vom 23.11.1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - (Rastede) BVerfGE 79, S. 127 (151). Siehe dazu auch Sparmowsky, D O V 97, S. 757 f. Vergleiche Schiitz in: Manssen/Schutz, Staats-und Verwaltungsrecht in M-V, S. 333 f. Siehe dazu auch die Ausfuhrungen in Abschnitt 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. Inwieweit das uberortliche Interesse zur Rechtfertigung von Einschrankungen der Planungshoheit nicht nur durch abwagungsoffene Grundsatzfestlegungen, sondern durch strikte Zielbindungen herangezogenen werden kann, bedarf aufgrund der damit verbundenen Eingriffschwere einer vertiefenden Betrachtung. Siehe dazu ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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B. Grundsatze und Vorbehaltsgebiete /. Rechtscharakter landesplanerischer Grundsatze In den Planen und Programmen kann die Konkretisierung der gesetzlichen Grundsatze entweder zu Zielen oder zu Grundsatzen der Landes- und Regionalplanung fUhren. Damit sind neben dem ROG und den entsprechenden landesrechtlichen Planungsgesetzen die Raumordnungsprogramme dritte Quelle fur raumordnerische Grundsatze.46 Grundsatze der Landesplanung sind nach § 3 Nr. 3 ROG i.V.m. § 2 Abs. 2 ROG in Raumordnungsprogrammen formulierte allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie konnen in textlicher oder zeichnerischer Form festgesetzt werden und sind gemaB § 4 Abs. 2 S. 1 ROG von alien offentlichen Stellen bei alien raumbedeutsamen Planungen und MaBnahmen zu beriicksichtigen.

1. Das bisherige Verstandnis Grundsatze der Landesplanung werden allgemein als Planungsleitlinien und Ermessensdirektiven verstanden, die als Vorgaben fur nachgeordnete Abwagungsprozesse dienen.47 Dabei wird vertreten, dass die auf Ebene der Landes- und Regionalplanung erzeugten Grundsatze im Wesentlichen mit gesetzlichen Grundsatzen vergleichbare Abwagungsdirektiven darstellen.48 Nach wohl ilberwiegender Auffassung besteht der Sinn und Zweck von Grundsatzen auf Ebene der Landes- und Regionalplanung darin, nachgeordneten Planungen lediglich einen Belang zu nennen, mit dem sie sich auseinander zu setzen haben.49 Entsprechend gesetzlichen Grundsatzen50 sollen sie gewichtungsfreie raumordnungspolitische Programmsatze darstellen,51 die lediglich Richtsatze, Interessen und Belange formulieren und denen keine weitergehende Verbindlichkeit zukomme.52 Darilber

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Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 178. Hoppe, DVB1. 93, S. 683; Erbguth, L K V 94, S. 92; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 182; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, S. 65. Erbguth, LKV 94, S. 9 1 ; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 182, 184. Ausdriicklich Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 107: Im Gegensatz zu Vorbehaltsgebieten, deren vorbehaltenem Belang ein hoheres Gewicht in der Abwagung zukomme, zielen Grundsatze lediglich darauf ab, dass ein Belang uberhaupt in die Abwagung eingestellt werde. Im Ergebnis ebenso Krebs, in: Schmidt/Afimann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 355 f. Vgl. auch die Nachweise in Fn. 82 im 2. Kapitel § 6 Bzgl. der Bindungswirkungen zwischen gesetzlichen und landesplanerischen Grundsatzen differenzierend: Spiecker, Raumordnung, S. 65; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 185. Pafilick, Ziele, S. 16. Siehe 2. Kapitel § 6 B. II. 1. a.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

hinaus wird landesplanerischen Grundsatzen ausdriicklich abgesprochen, Resultat einer landesplanerischen Abwagung zu sein.53 Wie bereits gezeigt wurde, sind legislative Grundsatze kraft Konkretisierang und Vorgewichtung in der Lage, bestimmte Belange hervorzuheben, deren Gewichtungsvorgaben sich nachfolgende Abwagungsebenen zurechnen lassen miissen.54 Entsprechendes muss auch flir landes- und regionalplanerische Grundsatze gelten. Der sehr allgemein gehaltene Wortlaut des § 3 Nr. 3 ROG schlieBt jedenfalls keine der genannten Moglichkeiten explizit aus. Unter dem Dogma der Gleichrangigkeit ware eine wirkungsvolle Steuerung der Raumordnung mangels Differenzierungsmoglichkeiten kaum moglich. Zudem ergaben sich dann Abgrenzungsschwierigkeiten zu den sonstigen Erfordernissen der Raumordnung gemaB § 3 Nr. 1 ROG. Ausgehend von dieser Feststellung wird daher die Auffassung vertreten, dass dogmatische Einordnung und Beurteilung der rechtlichen Bindungswirkungen nicht pauschal erfolgen konnen, sondern von der konkreten Ausgestaltung in den jeweiligen Planen und Programmen abhangig sind.

2. Grundsatze als Abwagungsprodukt a. Grundsatze als Gewichtungsvorgaben Unter Zugrundelegung der genannten Pramisse ist zu realisieren, dass sowohl die Pflicht zur Berilcksichtigung aus § 4 Abs. 2 ROG als auch das Dogma der abstrakten Gleichwertigkeit von Grundsatzfestlegungen noch nichts ilber den Umfang aussagen, mit dem legislative und landesplanerische Grundsatze letztendlich bei der Abwagung zu beriicksichtigen sind.55 Entscheidend fur die rechtliche Einordnung und Bindungswirkung von Grundsatzen kann nur sein, ob und in welchem MaB sie Produkt einer landes- oder regionalplanerischen Abwagung sind. Grundsatze in Raumordnungsprogrammen und -planen konnen sich darin erschopfen, die legislativen Grundsatze aus § 2 Abs. 2 ROG inhaltlich nachzuzeichnen, indem sie diese lediglich wiederholen oder geringfflgig konkretisieren. In diesen Fallen ist davon auszugehen, dass auf Ebene der Landesplanung tatsachlich keine Abwagung der Grundsatze erfolgte. Sie waren in nachfolgenden Abwagungsentscheidungen, z.B. auf Ebene der kommunalen Bauleitplanung,56 als lediglich gleichwertig mit anderen Belangen zu behandeln.57 Derartige einfache Berucksichtigungspflichten sind im Rahmen von Abwagungsentscheidungen selbst-

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Exemplarisch Hoppe, DVB1. 93, S. 683; im Ergebnis so wohl auch Erbguth, LKV 94, S. 91 f. A.A. Spiecker, Raumordnung, S. 65; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 185. Siehe 2. Kapitel § 6 B. II. Ganz deutlich a.A. insoweit Krebs, in: Schmidt/AGmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 355, der aus § 4 Abs. 2 S. 1 R O G eine prinzipielle Gleichwertigkeit der Grundsatze im Rahmen von Abwagungs- und Ermessensentscheidungen herleitet. Vorbehaltlich etwaiger gesetzlicher Gewichtszuweisungen oder Konkretisierungen, siehe 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. bb. Krebs, in: Schmidt-ABmann, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 355 f.; Hoppe, DVB1. 93, S. 683.

§ 7 Kilstenschutz in den Planungsinstrumenten

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verstandlich58 und ergeben sich darilber hinaus auch aus § 4 Abs. 2 ROG. Normtheoretisch waren abwagungs- und privilegierungsfreie Grundsatze einfache Prinzipien,59 denen nur eine Art deklaratorischer Wirkung zukame.60 Eine solche Einschatzung kann hingegen nicht fur Festlegungen in Raumordnungsplanen gelten, denen vom Trager der Landes- oder Regionalplanung erkennbar eine besondere Bedeutung zugewiesen wurde. Das ware der Fall, wenn bestimmten Belangen ein besonderes Gewicht zugemessen wird oder sie die legislativen Grundsatze dergestalt prazisieren, dass daraus eine besonderer Sinngehalt im konkreten Einzelfall resultiert. Aufgrund des Charakters von ortlicher und iiberortlicher Planung und Abwagung als ebenenspezifisch,61 miissen sich besonders gewichtete oder konkretisierte Grundsatze auf Ebene der Landes- und Regionalplanung in ihren Wirkungen gegenilber anderen Planungen von deklaratorischen Grundsatzen unterscheiden.62 Soweit landesplanerische Grundsatze bei der Aufhahme in die Plane und Programme mit einer ilber die allgemeinen Grundsatze des § 2 II ROG hinausgehenden Relevanz ausgestattet wurden, sind sie in nachfolgenden Abwagungsprozessen nicht mehr ohne weiteres disponibel. Wegen ihrer eigenstandigen Bedeutung sollen sie hier als Grundsatze mit teilweise konstitutiver Wirkung bezeichnet werden. Diese Grundsatze sind nicht nur einfache Prinzipien, die andere offentliche Stellen iiber die Voraussetzungen ihrer konkreten Abwagungs- und Ermessensentscheidungen informieren, sie somit auf bestimmte Nutzungsanspriiche aufmerk-

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Allgemein zur Pflicht zum Einstellen der nach ,,Lage der Dinge" betroffenen bzw. beachtlichen Belange in Abwagungsentscheidungen vgl. z.B. BVerwG, Beschluss v o m 20.08.1992 - 4 N B 2 0 . 9 1 - BVerwGE 90, S. 229 (331 f.), in st. Rspr. Siehe auch Brohm, Offentliches Baurecht, § 13 Rn. 13 ff.; Peine, Offentliches Baurecht, S. 114; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 242 f.; Hoppe/Grotefels, Baurecht, § 7 Rn. 49 ff. Fur die Ermittlung und Einstellung der Belange von Natur und Landschaft, unabhangig von ihrer Erkenntnisform, BVerwG, Beschluss v o m 30.10.1992 - 4 A 4.92-NVwZ93, S. 565. Spiecker, Raumordnung, S. 62 f., m.w.N. Ahnlich auch Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 48, fur landesplanerische Ziele, die lediglich legislative Grundsatze wiederholen. Zutreffend: Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 53; ahnlich Spieker, Raumordnung, S. 65; ausfllhrlich BVerwG, Beschluss v o m 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (333) = DVB1. 92, S. 1438 (1439) = D O V 93, S. 118 (119) = N V w Z 93, S. 167 (168); vgl. auch 2. Kapitel § 7 C. II. 3. und dort Fn. 290 m.w.N. Darauf, dass dem Gesetz kein Verbot entnommen werden kann, planerischen Grundsatzen eine gewisse Aufwertung zuteil werden zu lassen, verweist zutreffend Erbguth, DVB1. 98, S. 212 f. In Unterscheidung von ungewichteten und gewichteten gesetzlichen Grundsatzen ahnlich Brummund, Grundsatze, S. 120. Siehe dazu auch Kment, NVwZ04, S. 156 ff.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

sam machen sollen.63 Sie sind vielmehr das Ergebnis eines Abwagungsprozesses auf Ebene der Landes- oder Regionalplanung, welches selbstverstandlich nicht den Charakter einer planerischen Letztentscheidung erlangt.64 Allerdings hat sich der Trager der Landes- oder Regionalplanung, ahnlich wie der Gesetzgeber bei bestimmten legislativen Grundsatzen,65 dafur entschieden, nachfolgende Abwagungsvorgange steuernd zu beeinflussen.66 Damit sind grundsatzlich zwei Arten von Grundsatzfestlegungen denkbar. Grundsatze, die keine landesplanerische Vorgewichtung erfahren haben und die offensichtlich kein Produkt landesplanerischer Abwagungprozesse sind, stellen lediglich gleichwertige Abwagungsdirektiven dar.67 Ihnen kommt keine ilber die schon gesetzlich angeordnete Beriicksichtigungspflichten hinausgehende Bedeutung zu. Demgegeniiber wohnt Grundsatzen, die auf Ebene der Landes- und Regionalplanung besondere Konkretisierungen oder Prioritaten erfahren haben, eine raumordnerische Abwagungsentscheidung inne, aus der fur nachfolgende Abwagungs- oder Ermessensentscheidungen bestimmte Gewichtzumessungen folgen.68 Damit handelt es sich bei solchen Grundsatzen um relative Vorrangregelungen.69 63

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So aber O V G Liineburg, N V w Z 96, S. 271 unter Verweis auf Nds. LTDrs. 9/2602, S. 46, u m Gebieten mit besonderer Bedeutung fur Natur und Landschaft sowie fur Erholung die Rechtsqualitat eines Zieles abzusprechen. Dies ausdriicklich ablehnend Hoppe, DVB1. 93, S. 683, der allerdings auch nicht zwischen den gesetzlichen Grundsatzen und Grundsatzen in den Landes- und Regionalplanen unterscheidet. Die haufig verwendete Abgrenzungsformel von Zielen und Grundsatzen, wonach Ziele Abwagungsprodukt, Grundsatze hingegen Abwagungsobjekt seien (siehe z.B. Hoppe, a.a.O.; Erbguth, L K V 94, S. 92), wirkt in diesem Zusammenhang jedenfalls missverstandlich. Auch Grundsatze konnen auf Ebene ihrer Erzeugung Abwagungsprodukte darstellen, u n d als solche wirken sie auch in nachfolgenden Planungentscheidungen. Im Unterschied zu Zielen bleiben sie jedoch dem Abwagungsvorgang zuganglich, die Gewichtung ist nicht absolut, sondern nur relativ. Im Ergebnis gleichwohl zutreffend Erbguth, a.a.O., S. 9 1 , der den Grundsatzen zwar zunachst eine planerische Komponente versagt, im Ergebnis allerdings auf den nicht vorhandenen Letztentscheidungscharakterabstellt. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b . So auch Spiecker, Raumordnung, S. 65. Vergleichbar ware dies vielleicht mit einer Parallele zu einer nachrichtlichen Ubernahme von Aussagen aus Fachplanen in Raumordnungsplane ohne eine raumordnerische Abwagung. Auch diese entfalten keine Bindungswirkungen, vgl. Runkel, NuR98, S. 452. Dementsprechend kann auch die bloBe Wiederholung sowieso schon von alien offentlichen Stellen zu beachtender Grundsatze in Raumordnunsplanen keine weitergehenden Rechtswirkungen entfalten, da auch hier kein landesplanerischer Abwagungsprozess stattgefunden hat. In dieser Richtung auch Spiecker, Raumordnung, S. 65. Siehe auch Fn. 47, 48. Zum relativen Vorrang vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 4 NB 27.96BVerwGE 104, S. 68 (69 ff.), ferner BVerwG, Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (332); Hoppe, Umweltleitplanung in: Wandel, UTR Bd. 20 (93), S. 74, ders., DVB1. 92, S. 853 ff; Bmmmund, Grundsatze, S. 120; Spiecker,

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

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Sie konnen den Entscheidungsspielraum der abwagenden bzw. Ermessen ausubenden Behorde begrenzen und insoweit einen bindenden Handlungsrahmen liefern.70 Mit diesen Wirkungen gehen dann auch gesteigerte Beriicksichtigungspflichten privater Belange bereits auf Ebene der Gewichtung der Grundsatze einher.71 Hauptbeispiel fur i. d. S. konstitituve Grundsatze sind die in den Planen und Programmen der Landesplanung ausgewiesenen Vorbehaltsgebiete nach § 7 Abs. 4 S.I Nr.2 ROG. Die kreierende Wirkung resultiert dabei aus der Vorbehaltsgebieten immanenten besonderen Gewichtungsvorgabe. Fiir die Charakterisierung von Grundsatzen der Landes- und Regionalplanung als relative Vorrangregelungen spricht u.a. die problematische Abgrenzung von verbindlichen und allgemeinen Zielen. Als allgemeine Ziele werden z B. Ziele bezeichnet, die vom Landes- oder Regionalplantrager zwar mit den Rechtswirkungen strikter Zielbindung ausgestattet werden sollten, deren Formulierungen aber das daflir notwendige MaB an Bestimmbarkeit und Konkretisierung vermissen lassen.72 Sie konnen daher nicht als Ziele im Sinne von § 3 Nr. 2 ROG oder Vorranggebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG angesehen werden. Ihnen verbleibt somit nur die dogmatische Einordnung als Grundsatze der Raumordnung.73 Solchen Festlegungen ist aufgrund ihrer Nahe zu echten Zielen jedoch ein Gewichtungsvorrang immanent, der in nachfolgenden Abwagungsentscheidungen nicht unberiicksichtigt bleiben kann. Sind allgemeine Ziele aufgrund ihrer unzureichenden Konkretisierung schon nicht in der Lage, strikte und abwagungsfeste Bindungswirkungen zu entfalten, muss wenigstens ihre Bedeutung in der Abwagung gestarkt werden.74 Demgegenuber hiefie die Reduktion allgemeiner Ziele auf bloBe Gleichrangigkeit mit normalen Grundsatzen, den ihnen vom Trager der Landesplanung zugewiesenen Bedeutungsgehalt ganzlich zu vernichten. Sie sollten daher als relative Vorrangregelungen angesehen werden, urn ihnen auf diesem Wege zumindest gesteigerte Berucksichtigungspflichten zuzubilligen.75 Diese Vorgehensweise ist jedoch nur dann moglich, wenn man die Existenz unterschiedlich gewichteter Grundsatze auf Ebene der Landes- und Regionalplanung anerkennt.

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75

Raumordnung, S. 62, m.w.N.; Kment, NVwZ 04, S. 156; Erbguth, DVB1. 98, S. 213 ,,gehobene Grundsatze" in Bezug auf die interne Wirkung von Eignungsgebieten. Kment,NVwZ04,S. 156. Kment, NVwZ 04, S. 156, beschrankt die Rolle privater Belange wohl auf Phase der Abwagung. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 170. Siehe auch Pafilick, Ziele, S. 126 ff. Vergleiche Fn. 75. Dementsprechend pladiert Pafilick, Ziele, S. 129 f. fur eine einzelfallbezogene Auslegung. Allerdings wird auf eine mogliche Qualifizierung als relative Vorrangregelungen nicht eingegangen. So auch Erbguth, L K V 94, S. 92; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 53; von Dressier et al., BfN, Weiterentwicklung, S. 135. In dieser Richtung auch BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (334 f.) = DVB1. 92, S. 1438 (1441) = NVwZ 93, S. 167(169).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplammg

Fiir das MaB der Gewichtung ist nicht nur das den Grundsatzen zugewiesene spezielle Gewicht oder der Grad der Konkretisierung entscheidend. Grundsatze, die ihr Gewicht nur in territorial abgrenzbaren Planungsraumen oder unter bestimmten Voraussetzungen entfalten sollen, sind solchen Grundsatzen iiberlegen, die pauschal fur das ganze Planungsgebiet Giiltigkeit beanspruchen. So miissen auf die Entwicklung der Siedlungsstruktur, der Deckung des Wohnbedarfes oder der Infrastruktur des gesamten Planungsraumes bezogene Grundsatze, auch wenn diese durch Gewichtung oder Konkretisierung eine besondere Bedeutung erfahren haben, hinter Grundsatzen zuriicktreten, die auf die Beeinflussung standortgebundener Belange gerichtet sind. Zu denken ist in diesem Zusammenhang an gebietsund nutzungsabhangige Festsetzungen, z.B. zur Durchsetzung von Belangen des Trinkwasserschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspfiege, etwa durch Vorbehaltsgebiete nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG. Weitere Beispiele waren privilegierte Belange des Hochwasserschutzes in Gestalt der Sicherung von Uberschwemmungsflachen. Auch rein textliche Grundsatzfestlegungen zum vorbeugenden Freiraumschutz im Kiistenbereich, die der speziellen Situation des Kiistenraumes geschuldet sind, unterfielen dieser Kategorie. So waren Vorgaben, die der Verhinderung von Bebauung im Ktistenstreifen dienen und als solche risikopotentialvermindernd wirken sollen, nicht nur allgemeinen, sondern u.U. auch gewichteten Grundsatzen, z.B. einer vordringlichen Schaffung von Wohnraum der Bevolkerung, innerhalb ihres territorial abgrenzbaren Geltungsbereiches, dem Kiistengebiet, iiberlegen. Die Akteure der Landes- und Regionalplanung sind in der Gewichtung der unterschiedlichen Interessen nicht vollkommen frei. So erscheint es jedenfalls unzulassig, bereits vom Gesetzgeber mit einer besonderen Bedeutung versehene Grundsatze auf Ebene der Landesplanung dergestalt zu relativieren, dass unerwilnschte legislative Vorgewichtungen zugunsten anderer Belange bis zur Konturlosigkeit nivelliert wiirden. Insoweit ist die Raumordnungsplanung in den Landern nicht mehr befugt, die gesetzlichen Gewichtsvorgaben ganzlich zu beseitigen.

b. Gewichtete Grundsatze in nachfolgenden Abwagungen Verdeutlichen lasst sich ein solcher Abwagungsvorrang, wenn man sich die Stufen des Abwagungsvorganges vor Augen fuhrt. Danach sind die betroffenen offentlichen und privaten76 Belange zu ermitteln, einzustellen, zu gewichten und zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.77 In der Phase der Gewichtung haben die nachgeordneten Planungstrager die konkretisierten Grundsatze entsprechend ihrer Bedeutung und anhand objektiver Kriterien im Einzelfall zu gewichten. Bereits mit ei76 77

Fur Grundsatze der Raumordnung vgl. dazu: Kment, N V w Z 04, S. 156. Grundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 105.68 - D O V 73, S. 209; BVerwG, Urteil vom 05.07.1974 - 4 C 50.72, D O V 75, S. 92 = DVB1. 75, S. 4 6 1 . Siehe dazu auch ausfuhrlich Hoppe, DVB1., 92, S. 856 ff.; ders, Umweltleitplanung in: Wandel, U T R Bd. 20 (93), S. 74; ders., DVB1. 98, S. 1010; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 7 Rn. 36 ff.; Brohm, Offentliches Baurecht, § 13 Rn. 15 ff. Allgemein zur Abwagung nunmehr auch Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 48 ff.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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nem besonderen Gewicht ausgestattete Grundsatze sind mit diesem abschlieBend festgelegten Gewichtungsmafi in die Abwagung einzustellen. Fiir nur konkretisierte, d.h. keinem ausdriicklichen Gewichtungsvorrang unterworfene Grundsatze ergibt sich zunachst nur eine Beriicksichtigungspflicht im speziellen Fall. Die Konkretisierung vermittelt ein faktisch hoheres Gewicht gegenuber nur allgemein gehaltenen Grundsatzen. Der Abwagungstrager hat das MaB dieser speziellen Gewichtung im Rahmen des Gewichtungsvorganges immer noch selbst in der Hand. Welche Belange sich in der Phase des Ausgleichs durchsetzen, hangt dann von dem Gewicht ab, welche der kommunale Planungstrager den beiden konfligierenden Belangen hier zumisst. Dagegen sind vom Trager der Landesplanung bereits vorgewichtete Festlegungen dem MaB ihrer Gewichtung nach im Wesentlichen bestimmt und lediglich einer Gewichtungsabstufung nicht mehr zuganglich. Gleichwohl obliegt den nachfolgenden Planungstragern immer noch die Moglichkeit einer starkeren Gewichtung dieses Belangs. Damit bleibt den Gemeinden auch im Falle vorgewichteter Grundsatze die ihnen garantierte planerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen der Abwagung78 erhalten. Ein Uberwinden der Vorgewichtung ist bei einem im konkreten Fall ilberwiegendem Gewicht des konkurrierenden Belangs moglich. In der Phase des Ausgleichs besteht die Moglichkeit, anderen Belangen den Vorzug zu geben. Gerade auf diese Gestaltungsfreiheit innerhalb des Ausgleichs zielt die elementare planerische ErschlieBung der Gemeinde ab.79. Die Gestaltungsfreiheit setzt sich aus autonomen, aber auch heteronomen Komponenten zusammen.80 Die von der Raumordnung (Landes- und Regionalplanung) vorgenommenen (Vor-)Gewichtungen stellen in diesem Zusammenhang heteronome Komponenten dar, welche die planerische Gestaltungsfreiheit innerhalb des Ausgleichs regelmaBig nicht beeintrachtigen dtirften. Im Ergebnis konnen diese Grundsatze als relative Vorrangregelungen nicht mehr einfach ,,weggewogen" werden. Das heiBt selbstredend nicht, dass diese Vorgaben keiner Abwagung mehr zuganglich waren. Auch der mit einer besonderen Bedeutung ausgestattete landesplanerische Belang bleibt dem Wesen nach abwagungsoffen. Die Trager der nachgeordneten Planungsebenen sind jedoch nur dann berechtigt, die vorgegebenen Gewichtungen im Abwagungsprozess zu iiberwinden, wenn ihrerseits gravierende Griinde ein noch starkeres Gewicht aufweisen.81 Sollen die vorgewichteten Belange im Rahmen der Abwagung iiberwunden werden, verlangt dies neben einer sachlich iiberwiegenden Relevanz der konfligierenden Belange auch nach einem erhohten Argumentationsaufwand der planenden Stellen, um die vorgefundene Rangvermutung zu widerlegen. In der Folge diirfte zumindest die Uberwindung besonders konkretisierter oder mit einem hohen Be-

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BVerwG, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, S. 301 (309). Siehe Fn. 78. So jedenfalls auch auch Hoppe, DVB1. 98, S. 1010. Busse, BayVBl. 98, S. 294.

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2. Kapitel Raumordmmg und Landesplanung

deutungsgrad versehener Planungsgrundsatze durch entgegenstehende gemeindliche Planungen nur im Einzelfall zulassig sein.82

3. Fazit Am Ende dieser sehr theoretischen Untersuchung ist festzustellen, dass die Rechtsnatur der auf Landes- und Regionalebene erzeugten Grundsatze im Wesentlichen mit denen auf legislativer Ebene vergleichbar sind. Legislative Belange sind dann als gleichwertige Handlungsmaximen zu verstehen, wenn ihnen keine besondere Konkretisierung oder Vorgewichtung zugrunde liegt. Gleiches gilt fur allgemeine Grundsatze der Landes- und Regionalplanung. Mit besonderem Sinngehalt ausgestattete landes- und regionalplanerische Grundsatze sind zu vergleichen mit besonders konkretisierten oder vorgewichteten gesetzlichen Grundsatzen. Sie stellen die besondere Bedeutung dar, die der Planungstrager dem jeweiligen Interesse beimisst. Die Folge ist, dass diese Belange im nachgeordneten Abwagungsprozess nicht nur zu beriicksichtigen sind. Sie sind nicht nur informative Abwagungsdirektiven, sondern entsprechend ihres Charakter als relative Vorrangregeln mit der ihnen durch die Landes- und Regionalplanung zugewiesenen Bedeutung, ihrer Schwere, des ihnen zugemessenen Gewichts in die Abwagung einzustellen. Insoweit wird mit Aufnahme konstitutiver Grundsatze in die Landesplanung ein Vorrang statuiert, den die nachfolgenden Planungsebenen nicht mehr ohne weiteres iibergehen konnen. Im Interesse der Starkung von Umweltbelangen, gerade im Verhaltnis zu den kommunalen Planungstragern, ergibt sich somit die Moglichkeit, okologische Anspriiche bereits auf Ebene der Landes- und Regionalplanung mit einer besonderen Gewichtung auszustatten und so an das Ubergehen dieser Belange in nachfolgenden Abwagungsentscheidungen hohere Anforderungen zu stellen. Daraus resultiert fur den vorbeugenden Hochwasserschutz eine besondere Relevanz. SchlieBlich kann die Gewichtung der einzelnen Belange durch die Trager der Raumordnung in den Landern nicht willkiirlich erfolgen, sondern muss sich an den Wertungen der gesetzlichen Grundsatze orientieren. Demnach hat sich die Landes- und Regionalplanung mit dem gesetzlichen Gewichtungsvorrang des vorbeugenden Hochwasserschutzes aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG auseinanderzusetzen.83 Zusatzlich flieBt hier die Wertung des § 2 Nr. 7 LP1G M-V mit ein, wonach die Urspriinglichkeit und Identitat der Kiistenlandschaften erhalten werden soil. In der Folge diirfte das Ubergehen von Hochwasserschutzbelangen im Rahmen der raumordnerischen Abwagung der Plane und Programme nur im Einzelfall moglich sein. Der legislativ vermittelte Vorrang schlagt insoweit auch auf die Landes- und Regionalplanung durch. Daraus folgt, dass sich die verantwortlichen Akteure fur die Erstellung der Plane und Programme intensiv mit den okologischen Belangen des vorbeugenden Hochwasserschutzes auseinanderzusetzen haben. Die Koppelung der Planungsbehorden an Ressorts, deren Aufgabe es eigentlich ist, wider82

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Vergleiche nur Goppel, BayVBl. 98, S.291. Im Ergebnis ebenso ders., Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 30 ff. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. bb. a.E.

§ 7 Ktlstenschutz in den Planungsinstrumenten

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streitenden Belangen zur Durchsetzung zu verhelfen, ist in diesem Zusammenhang wenig hilfreich.84 Insoweit ist eine wirkungsvolle Einbindung der planenden Umweltverwaltung, und zwar auf rechtlicher und organisatorischer Ebene, notwendig. Unabhangig davon bleibt jedoch als Ergebnis festzuhalten, dass die Landes- und Regionalplanung verpflichtet ist, die Interessen des vorbeugenden Hochwasserschutzes in einem ersten Schritt umfassend durch relative Vorrangregelungen zu sichern und auf diesem Wege nachfolgende Abwagungsentscheidungen in Richtung naturnaher Hochwasserschutzkonzepte zu steuern.

//.

Vorbehaltsgebiete

1. Rechtliche Einordnung Von relativen Vorrangwirkungen ist dann auszugehen, wenn landes- oder regionalplanerische Festsetzungen nicht nur sachlich und raumlich konkretisiert sind, sondern ihnen darilber hinaus schon aufgrund gesetzlicher Kategorie ausdriickliche Gewichtungsvorgaben zugeordnet sind. Die Moglichkeit der Aufhahme solcher Vorgaben in Raumordnungsprogrammen eroffhet ausdriicklich § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG durch Definition der Kategorie der Vorbehaltsgebiete. Vorbehaltsgebiete sind Gebiete, in denen bestimmte Raumfunktionen und -nutzungen bei der Abwagung mit konkurrierenden Nutzungen ein besonderes Gewicht beigemessen werden soil.85 Die rechtliche Einordnung von Vorbehaltsgebieten in die raumordnerischen Gebietskategorien ist angesichts der in der Literatur vertretenen prinzipiellen Gleichwertigkeit86 von Grundsatzfestlegungen wiederum umstritten.

a. Meinungsstand Von Bedeutung ist zunachst, auf welche Art und Weise das in § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG festgelegte besondere Gewicht zu vermitteln ist. Im Hinblick auf die Einordnung von Vorbehaltsgebieten in das System der Raumordnung wird uberwiegend vertreten, dass es sich bei Vorbehaltsgebieten um Grundsatze der Raumordnung handelt, die lediglich mit einem Gewichtungsvorrang zugunsten eines speziellen Belangs ausgestattet sind.87 Dabei sollen die nachgeordneten Planungs84 85

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Z u m Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, w o die Raumordnung- und Landesplanung vom Bauministerium wahrgenommen wird. Vergleiche Wortlaut § 7 Abs. 4 S. 2 Nr. 2 ROG. Ebenso V G H Milnchen, Urteil v o m 17.12.1998 - 9 N 93.1261 - N u R 9 9 , S. 394 (395). Dazu weiter Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 185; Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 4 1 ; Busse, BayVBl. 9 8 , S. 294; Schroeder, U P R 00, S. 54. Siehe dazu die vorstehenden Ausfuhrungen, insbesondere 2. Kapitel § 7 B. I. 1. und Fn. 82. Vergleiche Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG sowie Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 40; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 185, ders., NuR 98, S. 452; Busse, BayVBl. 98, S. 294. Insoweit nicht eindeutig Schroeder, UPR 00, S. 54 und Spannowsky, DOV 97, S. 763. Spannowsky bejaht zwar ein besonderes Gewicht eines Vorbehaltsgebietes, verneint dies unter Verweis auf OVG Liineburg, Urteil vom

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

ebenen das konkrete Gewicht des vorbehaltenen Belangs aber selbst bestimmen konnen mit der Folge, dass der Belang bereits in der Phase der Gewichtung88 hinter konkurrierenden Belangen zuriicktreten kann.89 Begriindet wird dies vor allem damit, dass Vorbehaltsgebiete mangels absolutem Vorrang jedenfalls keine Ziele der Raumordnung seien.90 Sie sind folglich lediglich auf nachfolgende Abwagungsentscheidungen gerichtet,91 wobei sich die vorbehaltenen Belange durch ihre grundsatzlich gegebene Disponibilitat nicht als abwagungsfest auszeichnen. Vereinzelt wird dem durch Vorbehaltsgebiete bestimmten vorbehaltenen Belang die Qualitat eines landesplanerischen Ziels zugesprochen.92 Diese Auffassung stiitzt sich auf die These, dass die Landes- und Regionalplanung im Sinne des ersteren Disputes abschlieBend tiber das konkrete Gewicht des vorbehaltenen Belanges bestimmen kann. Aufgrund der Ebenenspezifik von raumordnerischen Festsetzungen93 und der Kongruenz von Soil- und Mussformulierungen94 in § 7 Abs. 4 Nr. 2 ROG95 kame den in Vorbehaltsgebieten gesicherten Belangen der Charakter einer landesplanerischen Letztentscheidung zu, die ihrerseits als Ziel zu charakterisieren ware. SchlieBlich wird vertreten, dass es sich bei der Raumkategorie der Vorbehaltsgebiete weder urn einen Grundsatz noch ein Ziel der Raumordnung, sondern um eine Gebietskategorie sui generis handelt.96 Um hingegen dieser Ka-

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29.08.1995 - 1 L 894/94 - BauR 96, S. 348 f. = NVwZ 96, 271, aber fur ,,Gebiete mit besonderer Bedeutung" (in den gegenwartigen Termini den Vorbehaltsgebieten entsprechend). Dies vermag nicht zu uberzeugen, denn das Gericht zog die entsprechenden Passagen der Nds. LTDrs. 9/2602, S. 46 nur zum Zwecke der Begriindung heran, dass es sich bei den fraglichen Gebieten nicht um landesplanerische Ziele handelt. Auf die Frage einer besonderen Gewichtung im Rahmen der kommunalen Abwagung geht das Gericht gar nicht ein. Fur eine besondere Gewichtung der in den Gebieten zu sichernden Belange spricht im Ubrigen die Erklarung im LROP Niedersachsen, Teil I, Nds. GVB1. 94, 131; B. 9. Hoppe, DVB1. 98, S. 1010. So geht Hoppe, DVB1. 98, S. 1009 ff, davon aus, die planende Gemeinde konne die Gewichtung nach ihrem eigenen Ermessen vornehmen. So wohl auch Schroeder, U P R 00, S. 54. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 185. Runkel, NuR 98, S. 452. VGH Miinchen, Urteil vom 14.10.1996 - 14 N 94.4159 - BayVBl. 98, S. 178 f.; VGH Miinchen, Urteil vom 17.12.1998 - 9 N 93.1261 - NuR 99, S. 394 (395); VGH Mtinchen, Entscheidung vom 21.01.98-26N95.1632- Nachweis bei Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete. S. 32; ders., BayVBl. 98, S. 291; ahnlich Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 106 ff, 111. WeitereNachweise auch bei Hoppe, DVB1. 98, S. 1009. Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 29. Ausfuhrlicher zu Soil- und Mussvorschriften im 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d. Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 3 1 . Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 51 f.

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tegorie einen rechtlichen Gehalt zu geben, wird im Hinblick auf die gesetzgeberischen Intentionen von einer grundsatzahnlichen Festlegung gesprochen.97

b. Diskussion In Anbetracht dessen, dass es sich bei Vorbehaltsgebieten um eine ebenenspezifische Abwagungsentscheidung auf dem Niveau der Landes- und Regionalplanung handelt, ist davon auszugehen, dass diese Planungsebene nicht nur den vorbehaltenen Belang an sich, sondern auch dessen konkrete Gewichtung festlegen kann,98 die ihm in nachfolgenden Abwagungsprozessen zukommen soil.99 Danach entscheidet der Trager der Landes- oder Regionalplanung abschlieBend ilber das Gewicht, mit welchem der vorbehaltene Belang im Rahmen der nachfolgenden Abwagung einzustellen ist. Diese Argumentation wird durch den Wortlaut des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG gestiltzt, indem bestimmten Belangen nicht nur ein besonderes Gewicht, sondern unbestimmt besonderes Gewicht beizumessen ist. Die Formulierung deutet darauf hin, dass den Landesplanungsbehorden die Bestimmung der konkreten Gewichtsschwere, mithin das MaB der Gewichtung, offensteht. Daher spricht viel dafur, den vorbehaltenen Belang mit der durch die Landesplanung individuell und abschlieBend verliehenen Bedeutung in die Abwagung einzustellen. Insoweit haben die nachgeordneten Planungsebenen nicht mehr die Befugnis, die Gewichtung in Richtung einer Minderung zu verandern.100 Wie bereits erwahnt, bereitet die Einordnung von Vorbehaltsgebieten als Grundsatze der Raumordnung auch vor dem Hintergrund der weitverbreiteten Meinung, es handele sich bei Grundsatzfestlegungen um prinzipiell gleichwertige Handlungsmaximen, Schwierigkeiten. Zwar spricht fur eine solche Klassifizierung, dass Vorbehaltsgebiete wie normale Grundsatze keine abschlieBenden, sondern abwagungsoffene Festlegungen enthalten.101 Der Vorbehaltsgebieten de lege lata innewohnende Abwagungsvorrang ist dem tradierten Verstandnis von Grundsatzen der Raumordnung als abstrakt gleichwertigen Maximen hingegen fremd.102 Unter Pramisse der Gleichwertigkeit lassen sich daher Vorbehaltsgebiete aufgrund ihres Gewichtungsvorrangs nicht unter im herkommlichen Sinne verstandene Grundsatze subsumieren. Vorbehaltsgebiete konnen auch nicht als Ziele der Raumordnung bezeichnet werden. Dieser Ansicht kann trotz der an sich zutreffenden Pramisse iiber die ab97 98 99

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Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 52. Siehe schon 2. Kapitel § 7 B. I. 2. und 3. Hier gilt es zu differenzieren: Ebenenspezifisch und -abschlieBend ist die Festlegung des Gewichtes fur nachfolgende Abwagungsentscheidungen. Der so gewichtete Belang bleibt folglich der AbwSgung zuganglich. Keineswegs soil er durch die abschliefiende Bewertung der Abwagung entzogen werden. Er erlangt, in Abgrenzung zu Zielfestlegungen, folglich keinen Letztentscheidungscharakter. Siehe dazu auch diesen Abschnitt a.E. Siehe 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b. Vergleiche exemplarisch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 185 und Hoppe, DVB1. 98, S. 1011. So auch Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 51 f.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

schliefiende Gewichtung des vorbehaltenen Belangs103 nicht gefolgt werden. Der Schliissel dieses Problems ist nicht in der Gewichtung zu suchen. Bei der Differenzierung zwischen Grundsatzen und Zielen ist nicht die Verbindlichkeit der Gewichtung, sondern die des geschiitzten Belanges entscheidend. Nur wenn der vorbehaltene Belang selbst Letztentscheidungscharakter triige, konnte von einem Ziel ausgegangen werden.104 Bei Vorbehaltsgebieten wird zwar iiber das Mafi der Gewichtung abschlieBend befanden, nicht jedoch dariiber, ob sich der gewichtete Belang letztendlich gegeniiber konfligierenden Interessen durchsetzt. Die Gewichtungsvorgabe dient ja gerade dazu, den Stellenwert festzulegen, der dem vorbehaltenen Belang in nachfolgenden Abwagungsentscheidungen zukommen soil und nicht dazu, inn der Abwagung zu entziehen. Dieser kann deshalb durch hohergewichtete andere Belange bei der Abwagung iiberwunden werden. Die in Vorbehaltsgebieten geschtitzten Belange bleiben daher abwagungsdisponibel. Zielfestlegungen zeichnen sich gegeniiber Vorbehaltsgebieten dadurch aus, dass der in ihnen genannte Belang absolut geschtitzt ist, indem er dem Abwagungsvorgang entzogen wird. Da dieses entscheidende Kriterium Vorbehaltsgebieten nicht zugesprochen werden kann, konnen sie auch nicht als Ziele der Raumordnung eingeordnet werden.105

c. Stellungnahme Den Unklarheiten um die Rechtsqualitat von Vorbehaltsgebieten liegt das iiberkommene Verstandnis iiber den Charakter von Grundsatzen der Raumordnung zugrunde. Nach Sichtung der fur diese Ansicht sprechenden Literatur, die bereits mehrfach Gegenstand dieser Erorterung war, lassen sich im Wesentlichen zwei Definitionskriterien herauskristallisieren. Grundsatze der Raumordnung sollen sich zum einen - insbesondere im Unterschied zu Zielfestlegungen — primar anhand ihrer abstrakten Gleichwertigkeit und zum anderen anhand ihrer Zuganglichkeit fur Abwagungsprozesse bestimmen lassen. Im Rahmen der Darstellung ist

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Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 28 ff.; ders., BayVBl. 98, S. 291. Siehe 2. Kapitel § 7 C. I. l . a . Insofern missverstandlich z.B. VGH Mtinchen, Urteil vom 17.12.1998 - 9 N 93.1261 NuR 99, S. 394 (395), wenn von Vorbehaltsgebieten als ,,landesplanerische Zielvorgabe in Gestalt einer Abwagungsdirektive" gesprochen wird. Zwar hat das Gericht das Wesen des Vorbehaltsgebietes als Abwagungsdirektive im Hinblick auf die Gewichtungsvorgabe zutreffend erfasst, wenngleich auch keine Stellung zur Frage des MaBes der Gewichtszumessung genommen wurde. Die Bezeichnung als Zielvorgabe muss vor dem Hintergrund der zur Argumentation herangezogenen Rechtsprechung des BVerwG hingegen als verfehlt angesehen werden. Der zitierte Beschluss des BVerwG vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 ff., auf den vom Gericht verwiesen wird, beschaftigt sich gerade nicht mit Vorbehaltsgebieten oder Optimierungsgeboten. Beide Begriffe tauchen in der zitierten Entscheidung iiberhaupt nicht auf, Gegenstand ist ausschliefilich ein Vorranggebiet, dessen Zielqualitat unbestritten sein dtirfte, und darauf beschranken sich auch die Aussagen des BVerwG.

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hingegen deutlich geworden, dass die kumulative Verwendung beider Kriterien eine klare Abgrenzung nicht leisten kann. In den bisherigen Ausfuhrungen wurde gezeigt, dass Grundsatze durch Konkretisierung und Gewichtzuweisungen keinesfalls nur gleichwertige Handlungsmaximen darstellen, sondern zugleich besondere Gewichtungen beinhalten konnen.106 Unter Anerkennung dieser Pramisse konnen Grundsatze der Landes- und Regionalplanung, namentlich im Unterschied zu Zielen oder Vorranggebieten, alleinig anhand der Tatsache bestimmt werden, dass sie einer nachfolgenden Abwagung zuganglich sind und somit keinen Letztentscheidungscharakter besitzen.107 Folgt man diesem Verstandnis, fallt die Einordnung von Vorbehaltsgebieten in das System der Raumordnung nicht schwer. Vorbehaltsgebiete sind trotz der ihnen innewohnenden abschlieBenden Gewichtung eines Belangs Grundsatze der Landesund Regionalplanung, da dieser im Rahmen der Abwagung durch ilberwiegende konkurrierende Belange iiberwunden werden kann. Insoweit entsprechen Vorbehaltsgebiete zunachst der Rechtsnatur von besonders gewichteten konstitutiven Grundsatzen mit dem Unterschied, dass Vorbehaltsgebiete zwingend sachlich und raumlich durch in der Regel textliche und zeichnerische Vorgaben festgelegt sind. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass Vorbehaltsgebiete kraft ihrer raumlichen und sachlichen Konkretisierung eine gesetzlich standardisierte Gebietskategorie darstellen, die landes- und regionalplanerischen Grundsatzfestlegungen mit der ihnen zugewiesenen Bedeutung zur Durchsetzung verhelfen sollen. Vergleichbar ist das Verhaltnis von Vorbehaltsgebieten zu Grundsatzen im Wesentlichen mit dem Verhaltnis von Vorranggebieten108 zum allgemeinen Instrument der Raumordnungsziele.

2. Vorbehaltsgebiete als Optimierungsgebote Im Unterschied zu gewichteten Grundsatzen der Landes- und Regionalplanung, die als relative Vorrangregelungen angesehen werden miissen, wohnt Vorbehaltsgebieten prinzipiell eine noch gesteigerte Verbindlichkeit inne. Diese resultiert aus der gesetzlich angeordneten besonderen Gewichtung, deren Mal3 vom Planungstrager abschlieBend bestimmt wird und deren Konkretisierung nicht nur sachlich, sondern auch territorial erfolgt. In Anbetracht der geschilderten Rechtswirkungen von Vorbehaltsgebieten werden diese vielfach mit Optimierungsgeboten verglichen.109 106 107 108 109

Siehe dazu 2. Kapitel § 7 B. I. 2. Darauf stellen letztlich auch Erbguth, LKV 94, S. 91 und Schink, Symposium ZIR 98, S. 58 ab. So wohl nunmehr auch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 182. Als spezielle Raumordnungskategorie mit Zielcharakter. Dies fur Vorbehaltsgebiete bejahend: Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 187a; B/R/S, ROG 630, Anm. 5.5; Cholewa/DyongDallhammer/von der Heyde/Arenz, ROG, Einl. zu V Rn. 34; Erbguth, DVB1. 98, S. 212. Im Ergebnis so auch Czybulka, Vorrangflachen, S. 175. Ebenfalls Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 48 f., wenngleich er Vorbehaltsgebiete aufgrund der auch seiner Ansicht nach generellen Gleichwertigkeit von Grundsatzen nur als grundsatzahnlich bezeichnet. Immerhin erkennt auch Lehners, a.a.O., S. 51, an, dass sich unter Zugrundelegung der Pramisse der Gleichwertigkeit

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Die Voraussetzungen und konkreten Bindungswirkungen von Optimierangsgeboten sind in der hochstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit unterschiedlich aufgefasst worden. 110 Ungeachtet divergierender Interpretationen kann jedoch davon ausgegangen werden, dass mit einem besonderen Gewicht ausgestattete Prinzipien als Optimierungsgebote auftreten konnen. 111 Nach tlberwiegender112 Ansicht werden Optimierangsgebote anhand eines ihnen gegeniiber einfachen Planungsleitlinien innewohnenden Gewichtungsprivilegs defmiert, welches, im Gegensatz zu relativen Vorrangregelungen, 113 in der Abwagung ein HochstmaB an moglicher Beachtung zu finden hat.114 Der gewichtete Belang kann seine Wirkung abstrakt oder konkret im Einzelfall vermitteln. Bei Optimierungsgeboten handelt es sich trotz der genannten Unterschiede dem Wesen nach um Planungsleitlinien oder relative Vorrangbestimmungen, d.h. um grundsatzformige Festle-

derzeit eine Inkongruenz zwischen der Definition von Grundsatzen und der von Vorbehaltsgebieten ergibt. Auf diesen Widerspruch nicht eingehend, Vorbehaltsgebiete jedoch ebenfalls als Optimierungsgebote bezeichnend: Schink, Raumordnungsgebiete und Planungshoheit, S. 58. Offen gelassen, aber wohl zurilckhaltend: OVG Luneburg, Urteil vom 28.08.1995 - 1 L 894/94-NVwZ 96, S. 271 (271), wie auch im Anschluss daran Spannowsky, DOV 97, S. 763. Siehe zur Entwicklung in der Rechtsprechung ausfuhrlich Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, 155 ff. So fur die Belange in §§ 1,2 BNatSchG trotz der diesbezuglich wohl etwas zuriickhaltenderen Rechtsprechung des BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 4 NB 29.96BVerwGE 104, S. 68 (77) Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, 163 f. In Ansehung des Urteils zweifelnd Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 1., und Brohm, Offentliches Baurecht, S. § 13 Rn. 7 f. Fur die Einordnung von Vorbehaltsgebieten als Optimierungsgebote dtlrfte die uneinheitliche, lediglich auf gesetzliche Abwagungsdirektiven bezogene Rechtsprechung des BVerwG jedoch keine Rtickschlusse erlauben. Insoweit ergeben sich fur die Einordnung von Vorbehaltsgebieten als Optimierungsgebote keine Anderungen. Die rechtliche Wirkung von Optimierungsgeboten ist allerdings umstritten. So wird im Hinblick auf die Frage einer generellen Vorrangigkeit von Umweltbelangen durch gesetzliche Planungsleitsatze vertreten, dass als Optimierungsgebote verstandenen Vorgaben lediglich eine Hinweisfunktion zukommt. Nach diesem Verstandnis erscheint dann auch die Forderung konsequent, die Differenzierung zwischen Optimierungsgeboten und anderen abwagungsrelevanten Belangen in diesen Fallen aufzugeben, vgl. Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 78, ebenso Brohm, Offentliches Baurecht, § 13 Rn. 8 a.E. Zum Unterschied zwischen relativem Vorrang und Optimierungsgeboten vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.01.1997 - 4 NB 27.96- BVerwGE 104, S. 68 (69 ff.), ferner BVerwG, Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (332). Siehe auch Hoppe, Umweltleitplanung in: Wandel, UTR Bd. 20 (93), S. 74, ders., DVB1. 92, S. 853 ff.; Brummund, Grundsatze, S. 116 ff; Funke, DVB1. 87, S. 515 ff. BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 73.82 - BVerwGE 71, S. 163 (165); Beschluss vom 20.02.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (331 f); Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, BK, § 1 Rn. 59 ff. (Vorauflage); Brohm, Offentliches Baurecht, § 13 Rn. 7.

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gungen. Dies folgt daraus, dass auch Optimierungsgebote weiterhin dem Abwagungsvorbehalt unterfallen. Optimierungsgebote vermitteln, wie soeben erwahnt, iiber die besondere Gewichtung eines Belanges hinaus den Auftrag, die geschiitzten Belange best- und groBtmoglich zu verwirklichen.115 Damit strahlen sie selbst noch im Falle des Unterliegens insoweit aus, als dass sich der durchgesetzte konfligierende Belang weiter an ihnen zu orientieren hat. Dieser ist im Rahmen seiner Verwirklichung im Sinne des unterlegenen Gebotes zu optimieren.116 Optimierungsgebote bewirken so eine Minimierungspflicht, die sich darauf bezieht, Beeintrachtigungen der unterlegenen Belange trotz der Ubergewichtung des konfligierenden Belangs so gering wie moglich zu halten.117 Vorbehaltsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG sind folglich dem Wesen nach als raumordnerische Gebietskategorie mit Grundsatzcharakter zu verstehen, wobei der gesetzlich bestimmte relative Vorrang des vorbehaltenen Belanges und die territoriale Konkretisierung die Wirkung von Optimierungsgeboten nach sich ziehen. Solche Wirkungen erscheinen prinzipiell auch durch rein textliche Festlegungen moglich, wenn sie auf raumliche Strukturen abstellen. Zu denken ist hier an Vorgaben, wie z.B. Siedlungsbeschrankungen, die auf natilrlich abgrenzbare Gebiete, z.B. Uberflutungsflachen oder Einzugsbereiche von Fliissen, Bezug nehmen.118 Deutet die Formulierung darauf hin, dass auch im Falle des Unterliegens der betroffenen Belange ilberschiefiende Minimierungswirkungen bestehen, dilrfte der Annahme eines Optimierungsgebotes nichts entgegenstehen.'19 Resilmierend konnen Vorbehaltsgebiete in ihrer Wirkung als Optimierungsgebote als ein wichtiges Instrument der Raumordnung angesehen werden, um bestimmte Belange gegeniiber nachgeordneten Planungsebenen mit einer tlber relative Vorrangregelungen hinausgehenden Bindungswirkung auszustatten und deren planerische Gestaltungsfreiheit einzuschranken.120 Damit wird die Landes- und Regionalplanung befahigt, bestimmte Belange differenziert zu gewichten. SchlieBlich dilrfte diese Gebietskategorie die Durchsetzbarkeit raumordnerischer Vorstellungen verbessern und damit die Effektivitat der Raumordnung an sich steigern. 115 116

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Nachweis bei Brohm, Offentliches Baurecht, § 13 Rn. 7. Damit bestimmt ein unterlegenes Optimierungsgebot zwar nicht mehr das ,,Ob" der konfligierenden Interessenverwirklichung, allerdings wird das ,,Wie", z.B. einer Bauausfuhrung, mithin die Art und Weise des durchgesetzten Belangs, beeinflusst. Hoppe, Umweltleitplanung, in: Wandel, UTR Bd. 20 (93), S. 75; ders., NVwZ 04, S. 909. Entscheidend ist auch hier die konkrete Formulierung der textlichen Grundsatze. Verwiesen sei hier auf Brummund, Grundsatze, S. 120 der gesetzliche Raumordnungsgrundsatze mit Gewichtungsvorgaben in Analogie zu BVerwG, Urteil vom 22.03.1985 - 4 C 73.82 - DVB1. 85, S. 899 (900) und zu § 50 BImSchG flir Optimierungsgebote halt. Einschrankend nunmehr BVerwG, Urteil vom 28.01.1999 - 4 CN 5.98NVwZ 99, S. 1222 (1223). Die Abgrenzung zwischen relativen Vorrangregelungen und Optimierungsgeboten soil hier jedoch flieBend sein, vgl. Funke, DVB1. 87, S. 516. Brummund, Grundsatze, S. 116; Funke, DVB1. 87, S. 516.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

3. Vorbehaltsiiberlagerungen In den Planen und Programmen iiberlagern sich haufig Vorbehaltsgebiete, deren Direktiven teilweise harmonisieren, die aber auch miteinander konkurrieren. Die Zulassigkeit solcher Uberlagerungen wird allgemein bejaht.121 Rechtliche Bedenken bestehen auch nicht gegen Uberlagerungen an sich konfligierender Belange, da die in Vorbehaltsgebieten praferierten Belange weiterhin der Abwagung zuganglich sind. Vorbehaltsiiberlagerungen seien lediglich Ausdruck einer auf Ebene der Landes- und Regionalplanung noch nicht abgeschlossenen Bewertung des Aufgabenkonflikts.122 Dieser Auffassung kann im Wesentlichen zugestimmt werden. Grenzen dtirfte die Zulassigkeit von Vorbehaltsgebietsuberlagerungen allerdings dann erreichen, wenn eine Vielzahl sich gegenseitig ausschlieBender Belange in einem Gebiet zusammentreffen. Planung verlangt denknotwendig auch das Entwerfen zumindest ansatzweise konkretisierter Vorstellungen iiber die zukilnftige Gestaltung des Raumes. Zu einer solchen Planung sind die Lander durch die Aufstellung von Landes- und Regionalplanen gemafi §§8 Abs. 1, 9 ROG und insbesondere durch den Gestaltungsauftrag in § 7 Abs. 2 ROG verpflichtet. Die Uberplanung eines Gebietes mit den unterschiedlichsten Anspruchen kann diese Steuerungsfunktion mangels konkreter Gewichtungsaussagen nicht mehr erftillen, da sich die vorbehaltenen Belange gegenseitig aufheben und insoweit in die Rolle bloBer Gleichwertigkeit zuriickfallen.123 Fraglich erscheint etwa die Zulassigkeit einer Uberlagerung von Vorbehaltsgebieten fur Naturschutz und Landschaftspflege mit Vorbehaltsgebieten fur die Trinkwassersicherung oder Vorsorgeraumen fur Fremdenverkehr und Erholung mit Vorbehaltsgebieten fur die Rohstoffsicherung, da hier fast alle bestehenden raumordnerischen Gebietskategorien auf ein Gebiet gelegt werden.124 Derartige Uberlagerungen muten wie reine Interessensammlungen an und stellen sich mehr als Nichtplanung denn als Planung dar.125 Verscharfung erfuhre dies, wenn groBe Teile des Landes mit konfligierenden Vorbehaltsbelangen uberzogen wtirden, da dann eine geordnete Planung flachen-

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OVG Ltineburg, Urteil vom 28.08.1995 - 1 L 894/94- NVwZ 96, S. 271 (271); Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 84; Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 68. Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 68. Vergleiche dazu im Speziellen Sendler, UPR 95, S. 47; ahnlich Schink, DOV 97, S. 228; Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, 162; Spiecker, Ziele, S. 64. Vergleiche z.B. das Kartenwerk im LROP M-V (Gebiet um Waren). Ahnliches dilrfte gelten, wenn, wie in Mecklenbug-Vorpommern, der gesamte Kustenbereich, einschlieBlich der Insel Rugen als Vorsorgeraum fur Tourismus (Tourismusschwerpunkt- und Tourismusentwicklungsraume) bei grofiflachiger Kongruenz mit Vorsorgeraumen fur Naturschutz und Landschaftpflege ausgewiesen ist (siehe dazu den Raumordnungsplan des RROP Vorpommern). Damit wird groBraumig zwischen den im Kiistenbereich untereinander konkurrierenden Hauptbelangen tiberhaupt keine Abwagung getroffen.

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deckend kaum noch moglich ware.126 Dies gilt im besonderen in Anbetracht des hohen Grades an Verbindlichkeit der als Optimierungsgebote zu qualifizierenden Vorgehaltsgebiete. Demgegeniiber wird eine Uberlagerung von Gebieten mit besonderer Bedeutung fir Erholung mit solchen zum Schutz von Natur und Landschaft regelmaBig zulassig sein.127 Ahnliches gilt fur die Kombination von noch zu schaffenden Vorbehaltsgebieten fur vorsorgende Kustenschutzstrategien mit Gebieten zum Schutz von Natur und Landschaft. Voraussetzung ware hingegen, dass die Gebiete jeweils mit eigenstandigen Inhalten ausgestattet sind, insbesondere die kustenschutzbedingten Belange separat benannt werden und die Gebiete differenzierbarbleiben.128

III. Resiimee 1. Dogmatik planungsrechtlicher Grundsatze Die in den vorangegangenen Abschnitten gefundene Struktur raumordnerischer Grundsatze sollte der Landes- und Regionalplanung eine differenzierte Einflussnahme auf nachgeordnete Planungstrager ermoglichen. Gleichzeitig erscheint durch die Qualifizierung der mit besonderer Bedeutung ausgestatteten Grundsatze als relative Vorrangregelungen oder, in Gestalt von Vorbehaltsgebieten, als Optimierungsgebote eine recht durchsetzungsfahige Steuerung der Raumentwicklung moglich. Die prinzipielle, wenngleich eingeschrankte Moglichkeit der Uberwindung dieser Vorgaben diirfte tiberdies die z.B. mit Zielfestlegungen verbundenen Akzeptanzprobleme auf kommunaler Ebene verringern, ohne die Effektivitat iiber Gebuhr zu beeintrachtigen.

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Dazu kommt der Verdacht der Lobbyvertretung, um keinem von unterschiedlichster Seite an die Planungsbehorden herangetragenem Interesse schon auf der Ebene der Landes- oder Regionalplanung die Absage erteilen zu mtissen. OVG Liineburg, Urteil vom 28.08.1995 - 1 L 894/94 -NVwZ 96, S. 271 (271). Siehe zum Zweck die Uberlegungen im 1. Kapitel § 2 C. a.E. Ausfiihrlich nochmals im 2. Kapitel § 7 D. I.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Grundsatze der Landes- und Regionalplanung

allgemeine Grundsatze, abwagungsfrei aufgenommene Grundsatze (deklaratorisch)

spezielle Grundsatze, solche, denen eine Abwagung zugrunde liegt (konstitutiv)

explizite besondere Gewichtung

Gewichtung kraft Konkretisierung

Vermittlung einer sachlich und/oder raumlich besonderen Bedeutung Sonderfall: Vorbehaltsgebiete nach § 7 IV Nr. 2 ROG

Abwagungsbelang kein Gewichtungsvorrang

Berilcksichtigungspflicht, ggf. Optimierungsgebot

Gleichwertigkeit in der Abwagung

Abwagungsvorrang gegeniiber unkonkretisierten Grundsatzen

Optimierungsgebote

I allgemeiner relativer Abwagungsvorrang, Minimierungsgebot

Abb. 1. Struktur von auf Ebene der Landes- und Regionalplanung erzeugten Grundsatzen

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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2. Relevanz fiir vorbeugende Strategien des Hochwasserschutzes a. Impulse fiir die Durchsetzung Vor dem Hintergrund der hier vorgenommenen dogmatischen Einordnung von raumordnerischen Grandsatzfestlegungen entfalten diese fiir die Etablierung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien in doppelter Hinsicht Relevanz. Einerseits fiihrt der bereits festgestellte relative Abwagungsvorrang des im speziellen MaBe konkretisierten vorbeugenden Hochwasserschutzes129 in § 2 II Nr. 8 S. 7 ROG zu einer besonderen Gewichtung dieses Belangs, da aufgrund der unmittelbaren Geltung der legislativen Grundsatze auch die Gemeinden verpflichtet sind, diese in ihren Abwagungs- und Ermessensentscheidungen zu berucksichtigen. Damit sind alle Vorhaben im uberschwemmungsgefahrdeten Kiistenbereich auch am MaBstab des vorbeugenden Hochwasserschutzes, namentlich der Sicherung nariirlicher Ruckhalteflachen zu messen. Die Wirkung des Abwagungsvorrangs dieser Belange fuhrt hierbei dazu, dass gegenlaufige gemeindliche Planungen in iiberflutungsgefahrdeten Bereichen einer besonderen Rechtfertigung bediirfen. Andererseits konnen landes- und regionalplanerische Grundsatzfestlegungen, die die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes in Form alternativer Kustenschutzstrategien prazisieren, weitergehende Bindungswirkungen entfalten. Die Trager der Landesplanung sind wichtigster Adressat der gesetzlichen Grundsatze. Angesichts der legislativen Vorgewichtung des vorbeugenden Hochwasserschutzes haben die Landesplanungsbehorden dessen Belange in den Planen und Programmen sachlich durch entsprechende Formulierungen zu konkretisieren und rechtlich gegentiber anderen Belangen hoher zu gewichten. Aufgrund der erheblichen Bedeutung, die dem vorbeugenden Hochwasserschutz an der Kilste zukommt, ist die vorrangige Berilcksichtigung dieser Belange durch die Landes- und Regionalplanung auch dringend geboten.130 Damit waren mit landes- und regionalplanerischen Grundsatzfestlegungen iiber die gesetzlichen Grundsatze hinausgehende Bindungswirkungen gegeniiber der gemeindlichen Planungshoheit verbunden. In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG, jedenfalls durch der gemeindlichen Abwagung weiterhin zugangliche Beschrankungen in Gestalt von Grundsatzfestlegungen, kaum verletzt sein diirfte.131 Zudem sind Festsetzungen im Interesse des Hochwasserschutzes in tatsachlichen wie auch potentiellen Uberschwemmungsgebieten regelmaBig lediglich als Ausdruck der speziellen Standortbedingungen

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Vergleiche 2. Kapitel § 6 B. II. Die Zulassigkeit solcher Vorrangfestlegungen zutrefFend bejahend: Peine, Offentlichrechtliche Fragen, UTRBd. 31 (95), S. 250. Allgemein Spiecker, Raumordnung, S. 63; Brummund, Grundsatze, S. 116. Zum Problem abwagungsresistenter Zielfestlegungen ausfiihrlich 2. Kapitel § 7 C. II.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

anzusehen, denen die Gemeinden im Kiistengebiet unterworfen sind.132 Insoweit unterliegen die Flachen einer naturraumlichen Situationsgebundenheit, die ihren Niederschlag auch in Art und AusmaB der planungsrechtlichen Regelungsbefugnisse fmdet.133 Mit den abwagungssteuernden Wirkungen und der besonderen Kraft der Hochwasserschutzbelange miissen sich auch formliche Fachplanungen auseinandersetzen. Als (positive) Besonderheit fa'llt hier § 18 Nr. 1 WaStrG auf, der das allgemeine Abwagungsgebot des § 14 Abs. 1 S. 2 WaStrG in Richtung eines zwingenden Ablehnungsgrundes fur die Erteilung der Planfeststellung modifiziert, sobald von Aus- oder NeubaumaBnahmen eine Beeintrachtigung der Allgemeinheit zu erwarten ist, die nicht durch Auflagen verhutet oder ausgeglichen werden kann.134 Subsumiert man den Hochwasserschutz unter das Allgemeinwohl,135 zieht die Norm eine Schranke, die hochwasserschutzbeeintrachtigende Aus- und Neubauten der WasserstraBen verhindern kann.136 Insoweit sind relative Vorrangregelungen und Optimierungsgebote auf Ebene der Raumordnung in der Lage, Planungsleitsatze auf nachgeordneten Planungsebenen erheblich erstarken lassen. Wie bereits erwahnt, bietet sich fur die Durchsetzung vorbeugender Schutzstrategien, betrachtet man zunachst die in diesem Abschnitt im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden grundsatzahnlichen Gebietskategorien, eine Konkretisierung der Vorgaben aus § 2 II Nr. 8 S. 7 ROG in Form von Vorbehaltsgebieten fur vorbeugenden Hochwasserschutz an.137 Innerhalb solcher Gebiete, in denen gemafi § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG raumbedeutsamen Funktionen oder Nutzungen bei der Abwagung mit konkurrierenden Belangen ein besonderes Gewicht beigemessen werden soil, bestiinde insbesondere auf Ebene der Regionalplanung die Moglichkeit, die Anspriiche des vorbeugenden Hochwasserschutzes als vorbehaltene Belange zu sichern.138 So ware gewahrleistet, dass abweichende Planungen der Kommunen nur unter Beachtung der besonderen Gewichtungsvorgaben durch die Landesplanung moglich sind. Die Uberwindung von in Vorbehaltsgebieten praferierten Belangen konnte durch gegenlaufige Interessen der Gemeinde nur dann erfolgen, wenn sich diese, gemessen an der Schwere des vorbehaltenen Belangs, durch ein iiberragendes Gewicht rechtfertigen lassen. Die hohe Gewichtung von

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Ausdriicklich BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (336) = DVB1. 92, S. 1438 (1440) = DOV 93, S. 118 (119) = NVwZ 93, S. 167 (168). Vergleiche dazu ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II. Wahl, Verkehrsanlagen und Hochwasserschutz, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 95. Was sich angesichts seines Allgemeingutcharakters und dem Wortlaut einiger Wassergesetze aufdrangen muss. Ausfuhrlich zum Ganzen: Wahl, Verkehrsanlagen und Hochwasserschutz, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 95 f. So streicht Corell, UPR 96, S. 248, die Bedeutung regionalplanerischer Gebietsausweisungen fur die Vorsorgeplanung heraus. Siehe auch die Nachweise in Fn. 138. Zu den moglichen Inhalten siehe 2. Kapitel § 7 D. I.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

161

Hochwasserschutzbelangen folgte dabei aus einer Synthese der legislativen Vorgewichtung mit der von Vorbehaltsgebieten als Optimierungsgebote.139 Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass Grundsatze der Landes- und Regionalplanimg in der Ausformung als relative Vorrangregelungen und Optimierungsgebote durch die ihnen innewohnenden Vorgewichtungen in der Lage sind, abwagungssteuernd und abwagungseingrenzend zu wirken140 und somit zur Etablierung von IKZM-Strategien beitragen konnen.

b. Grenzen Grundsatzfestlegungen lassen sich zur Durchsetzung eines IKZM allerdings nicht unbegrenzt heranziehen. Einfache Grundsatze, relative Vorrangregelungen und Optimierungsgebote bleiben durch Abwagungsoffenheit und potentielle Derogation gepragt. Den Erfordernissen der innerhalb eines IKZM geforderten Leitplankenstrategie141 kann so nur im beschrankten Umfang zur Geltung verholfen werden. Insbesondere kommen Vorbehaltsgebiete durch ihre prinzipielle Abwagungsoffenheit fur die Festsetzung einer Kilstenplanungszone allenfalls in einem ersten Schritt in Betracht. Da bislang funktionierende, institutionell und organisatorisch abgesicherte Kiistenplanungszonen nicht existieren, konnten Vorbehaltsgebiete fur vorsorgenden Kiistenschutz die noch zu entwickelnden integrativen Planungen kurzfristig vorbereiten. Bei dauerhafter und flachendeckender Entwicklung der Planungszone als Vorbehaltsgebiet besteht die Gefahr, dass die Belange eines IKZM als vorbehaltene Privilegierung im Einzelfall iiberwunden werden. Andererseits miissen auch innerhalb eines IKZM angesichts der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie und schlieBlich der Eigentumsgewahrleistung alle Vorgaben dem verfassungsmaBigen VerhaltaismaBigkeitsgrundsatz142 genilgen. Es verbietet sich daher auch im Kustenbereich, ausschliefilich mit strikten, abwagungsfesten Rechtssatzen arbeiten zu wollen. Unter der Voraussetzung einer sachlich und rechtlich weitreichenden Planbindung bieten sich Grundsatze und Vorbehaltsgebiete als relativ grobe Vorsteuerung der angestrebten Raumnutzungen an, die als Vorbereitung strikter Rechtssatze dienen konnen oder solche im weiteren Umfeld nach auBen absichern. Im Ergebnis konnen Grundsatze der Landes- und Regionalplanung einschlieBlich der Vor139

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Durch den Charakter als Optimierungsgebote kann zudem auch im Falle des Unterliegens der flachenfreihaltenden Hochwasserschutzbelange eine partielle Minimierung des Schadenspotentials durch die konkrete Ausfilhrung z.B. der dann zulassigen baulichen Vorhaben erfolgen. Zu denken ist hier in erster Linie an hochwassergerechtes Bauen und den Schutz vor Verunreinigungen durch im Uberschwemmungsfalle auslaufendes Heizol. Hingewiesen sei hier aber darauf, dass diese MaBnahmen nur die Folgen fur das Schadenspotential verringern konnen, nicht aber das Schadenspotential selbst. Letzteres ist eben nur durch Flachenfreihaltung moglich. Kritisch zur Wirkung von Vorbehaltsgebieten in Konfliktfallen Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 210. Siehe WBGU, Jahresgutachten 1999, S. 409 und 1. Kapitel § 5 C. Das VerhaltnismaBigkeitsgebot durchzieht auch die vorsorgende Raumplanung, siehe Christ, Raumordnungsziele, S. 169.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

behaltsgebiete, die entsprechenden Inhalte vorausgesetzt, als Instrumente angesehen werden, die zur Unterstiltzung eines IKZM zumindest hilfreich sind. Dies kann hingegen nicht dariiber hinwegtauschen, dass strikte Vorgaben in Gestalt von abwagungsresistenten, rahmensetzenden Regelungen 143 fur die wirksame Etablierung eines IKZM und damit eines vorbeugenden Kiistenschutzkonzeptes letztlich unabdingbar sind.

C. Ziele der Landesplanung /. Rechtmafligkeitsanforderungen 1. Rechtliche Einordnung a. Zielfestlegungen, Vorrang- und Eignungsgebiete Ziele der Raumordnung sind gemafi § 3 Nr. 2 ROG verbindliche textliche oder zeichnerische Festlegungen, die sachlich und raumlich bestimmbar und vom Landes- oder Regionalplantrager auf Ebene der Landesplanung 144 erzeugt 145 und abschliefiend abgewogen worden sind146. Sie sind der Abwagung vorgelagert, gleichsam vor die Klammer des Abwagungsvorgangs gezogen. 147 Damit sind Ziele strikt bindende Vorgaben, die im Rahmen von Abwagungs- und Ermessensentscheidungen keine Relativierung 148 mehr zulassen. 149 Sie sind normtheoretisch als Regeln

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In Form von Leitplanken, vgl. insb. 1. Kapitel § 5 C. II. 1. und 2. Kapitel § 7 D. I. Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 52. Czybulka, Vorrangfiachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 169. Eingehend Hoppe, DVB1. 93, S. 682 f. Siehe auch u.a. Appold, Freiraumschutz, S. 13; Spiecker, Raumordnung, S. 33 f.; Wahl, Rechtsfragen, Bd. I, S. 209 f.; Pafilick, Ziele, S. 23; Christ, Raumordnungsziele, S. 16 f. Aus der Rechtsprechung: BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwG E 90, S. 329 (333 f.) ) = DOV 93, 119 = NVwZ 93, 167 = DVB1. 92, S. 1439. Zum Gebot der gerechten Abwagung bei Erzeugung der Ziele auf Ebene der Raumordnung: von Dressier, BfN, Weiterentwicklung, S. 146 ff. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (332), DOV 93, 119 = NVwZ 93, 167 = DVB1. 92, S. 1439; Hoppe, DVB1. 93, S. 686. Sowohl baurechtlicher als auch landesplanerischer Art, vgl. Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 43. Krebs, in: Schmidt-Afimann, Besonderes Verwaltungsrecht, 4. Abschn., Rn. 39; Gaentzsch, in: Schlichter/Stich, BK, § 1 Rn. 29; Stiier, Umwelt- und Planungsrecht, II. 2. lit b); Runkel, in: Bieleberg/Erbguth/Runkel, K § 3 Rn. 21. Siehe auch instruktiv VG Ansbach, Urteil vom 02.11.1983 -AN 9 K 83. 0 1 1 4 - BayVBl. 84, S. 602 (602 f.). Missverstandlich insoweit VGH Mannheim, Urteil vom 28.03.1980 -VIII 1272/79DOV 81, S. 269 (270 f.), wenn bei unvermeidlichen Kollisionen zwischen den gemeindlichen Planungsabsichten und Zielfestlegungen die Moglichkeit einer beiderseitig optimierenden Abwagung erOffhet sei. Hier wird der abschlieBende Charakter der

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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oder Planungsleitsatze150 zu bezeichnen,151 die, im Gegensatz zu den Grundsatzen der Raumordnung, ihre rechtliche Wirksamkeit nicht mehr tiber unterschiedliche Gewichtungen, sondern bereits endgiiltig aus sich selbst heraus im Sinne einer binaren Geltung/Nichtgeltung vermitteln. Im Gegensatz zu Grundsatzen der Raumordnung, die nach weiterer Abwagung und Konkretisierung verlangen, erschopft sich die Nachbehandlung von Zielen der Raumordnung lediglich in einer inhaltlichen Prazisierung.152 Ziele sind das wichtigste Mittel der Raumordnung in den Landern.153 Sie konkretisieren die Grundsatze der Raumordnung.154 Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind gema'B § 4 ROG von alien Qffentlichen Stellen zu beachten.155 Beachten heiBt in diesem Zusammenhang, dass diese sich an die Zielvorgaben halten miissen und keine gegenlaufigen Raumnutzungen umzusetzen haben. Die planerischen Entscheidungen der Gemeinden sind somit mit den landesplanerischen Zielfestsetzungen in Ubereinstimmung zu bringen.156 Zielwidrige Planungen und MaBnahmen konnen von der Raumordnungsbehorde gema'B § 12 ROG untersagt werden. Eine wichtige Kategorie freiraumsichernder Festlegungen in Raumordnungsplanen sind Vorranggebiete gema'B § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ROG. Vorranggebiete bewirken fur dominante Raumfunktionen einen absoluten Vorrang, der nachgeordneten Planungen nur noch die Moglichkeit lasst, ihre Raumanspriiche in dem durch die Vorrangfimktion abgesteckten Rahmen zu verwirklichen.157 Vorranggebiete stellen als raumordnerische Gebietskategorie einen gesetzlich geregelten und sachlich wie territorial konkretisierten Unterfall der in § 3 Nr. 2 ROG definierten Raumordnungsziele dar. Eine weitere Gebietskategorie mit zumindest teilweiser Zielwirkung sind zudem Eignungsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG. Ihnen soil bzgl. des geeigneten Belangs gebietsintern die Wirkung eines relativen Vor-

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Raumordmmgsziele verkannt und stattdessen mit der Wirkung von Optimierungegeboten gleichgestellt. In Anlehnung an die Definition von Planungsleitsatzen bei Brohm, Offentliches Baurecht, § 12 Rn. 34 f., wonach es sich dabei um zwingende Vorgaben abwagungsfeindlicher Art handelt. Hoppe, DVB1. 93, S. 682 f.; Spiecker, Raumordnung, S. 59 f. Schmidt-Afimann, in: FS Schlichter, S. 18; Spiecker, Raumordnung, S. 61. Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 174. Koch/Hendler, Baurecht, S. 49; Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 41. Zur in mehrfacher Hinsicht gesteigerten Zielbindung durch das BauROG 98 vgl. ausffihrlich Runkel, NuR 98, S. 450 f. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 (333) = DOV 93, 119 = NVwZ93, 167 = DVB1. 92, S. 1439. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 (336) = DOV 93, 120 = NVwZ 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1439 f. Siehe ausruhrlichst Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 19 ff. Vgl. zu Vorranggebieten weiter Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 27; Schink, Raumordnungsgebiete, ebenda, S. 55 ff.; Spiecker, Raumordnung, S. 228 ff.; Busse, BayVBl. 98, S. 294.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

rangs (z.B. Vorbehaltsgebiet) und gebietsextern eine als Ziel einzuordnende absolute Ausschlusswirkung zukommen.158 Mittels der Ausweisung von Vorranggebieten, insbesondere durch die Regionalplanung, konnen den Gemeinden prinzipiell Vorgaben auch im Hinblick auf wasserwirtschaftliche Belange tibermittelt werden, die dann nicht mehr zur Disposition der Gemeinden stehen.159 Damit bieten sich mono- oder bifiinktionale Vorrangausweisungen geradezu an, den Kommunen zuktinftige Erfordernisse des Hochwasser- und Kiistenschutzes zu ubermitteln. Auf diesem Wege waren z.B. wirksame Beitrage zum Erhalt von Freiflachen in iiberflutungs- und abrasionsgefahrdeten Lagen und damit auch eine Begrenzung des Risikopotentials zu erwarten. Korrespondierend lassen sich durch Eignungsgebiete Nutzungen im Kiistenraum steuern, indem geplante Nutzungen auf bestimmte, tiberflutungssichere und okologisch unbedenkliche Standorte verortet und ggf. konzentriert werden.

b. Rechtsnatur von Helen der Raumordnung Die rechtliche Einordnung von Zielen der Raumordnung war bislang nicht unumstritten. Vertreten wurde u.a., dass sich die Rechtsnatur von Zielen der Raumordnung nach der Rechtsform der Plane und Programme, in denen sie konstituiert sind, richten sollte.160 Die Rechtsform der Plane und Programme ist landesrechtlich jedoch unterschiedlich geregelt.161 Sofern diese selbst in Form eines Parlamentsgesetzes erscheinen, ist deren Rechtsform als auch deren formelle Zulassigkeit im Hinblick auf die Einschrankung der gemeindlichen Selbstverwaltung unstrittig.162 Andere Plane und Programme bewirken uber ihre Rechtsform als Rechtsverordnung oder Satzung Bindungs- und AuBenrechtswirkung.163 Durch die Verbindlichkeitserklarung des Landesraumordnungsprogrammes und der Regionalplane in Form einer Rechtsverordnung stellen diese selbst materielle Rechtssatze dar.164 In Meckelnburg-Vorpommern wird das landesweite Raumordnungsprogramm gemaB § 7 Abs. 3 LP1G M-V als Rechtsverordnung erlassen, die Regiona158

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Zur rechtlichen Einordnung von Eignungsgebieten nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG vgl. Erbguth, DVB1. 98, S. 210 ff; Busse, BayVBl. 98, S. 294 f.; MM, UPROlb, S. 416; ausfiihrlich Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 55; Goppel, Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 33 ff.; Schink, Raumordnungsgebiete, ebenda, S. 58 f.; Spiecker, Raumordnung, S. 241 ff. Mitschang, in: Mitschang, NVwZ 96, S. 876. Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 336. Vgl. die Aufstellung unterschiedlichen Landesrechts bei Koch/Hendler, Baurecht, S. 56 ff., 86 ff. So etwa die hochstufige Landesplanung in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt. Nachweise bei Gierke, in: Brugelmann, § 1 Rn. 338. Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 338; Baurecht, S. 58 ff, 83 ff. Vgl. ausfuhrlich zur Abgrenzung auch Erbguth, DVB1. 81, S. 559 ff, m.w.N. BVerfG, Beschluss vom 20.05.1977- -BVerfGE 44, S. 322 (350); BVerwG, Urteil vom 17.02.1978 - 1 C 102/76- NJW 78, S. 1450 (1452 f); VGH Mannheim, Urteil vom28.03.1980 -VIII 1272/79-DOV 81, S. 269 (270).

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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len Raumordnungsplane werden gemaB § 9 Abs. 5 LP1G M-V durch Rechtsverordnung fiir verbindlich erklart.165 Insoweit entsprechen in Mecklenburg-Vorpommern die in den Planen und Programmen enthaltenen Zielvorgaben dem Charakter einer Rechtsnorm.166 Anders in Schleswig-Holstein: Dort stellt die oberste Landesplanungsbehorde den landesweiten Landesraumordnungsplan nach § 7 Abs. 1 S. 1 LP1G S-H auf und erklart diesen durch Bekanntmachung im Amtsblatt fur Schleswig-Holstein gemaB § 7 Abs. 3 S. 2 LP1G S-H fur rechtswirksam. Erganzt werden die Aussagen durch das Landesentwicklungsgrundsatzegesetz167 im Hinblick auf die Funktionen und Entwicklungsziele bestimmter Ortskategorien. Aufstellung und Erlass der Regionalplane findet ebenfalls durch die oberste Landesplanungsbehorde im Wege der Bekanntgabe im Amtsblatt fur Schleswig-Holstein statt. Welche Rechtsqualitat den in solchen Planen und Programmen verankerten Zielen der Raumordnung zukommt, war bislang umstritten.168 Nunmehr hat das BVerwG in aller Deutlichkeit169 herausgestellt, dass die in einem Regionalplan enthaltenen Ziele der Raumordnung Rechtsvorschriften i. S. des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind, die auch dann zum Gegenstand einer Normenkontrolle gemacht werden konnen, wenn der Landesgesetzgeber fur den Regionalplan selbst keine Rechtssatzform vorgibt.170

2. Voraussetzungen wirksamer Zielbindungen Im Folgenden soil auf einige relevante materielle und formelle Anforderungen eingegangen werden, die fur die Rechtswirksamkeit raumordnerischer Zielfestsetzungen, seien es textliche Festlegungen oder Vorranggebiete, in Bezug auf vorsorgende Kiistenschutzkonzepte von Bedeutung sein konnen.

165

Siehe auch Wilrich, NuR 00, S. 679. Die Rechtsnormqualitat von Zielen ist in Bayern, wo ein ahnliches Verfahren bei der Aufstellung von Raumordnungsprogrammen praktiziert wird, mehrfach gerichtlich bejaht worden. Vgl. BayVGH, Urteil vom 07.07.1983 -Nr. 22 N 82 A.772-DVB1. 83, S. 1157 = UPR 84, S. 65; BayVGH, Urteil vom 14.12.1983 4 N 81 A 436 DOV 84, S. 476 = NVwZ 85, S. 502 = UPR 84, S. 384. Weitere Nachweise bei Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 342. 167 Gesetz iiber die Grundsatze zur Entwicklung des Landes, Gesetz vom 22.09.1981, GVB1. S-H 95, S. 364. 168 Vergleiche zum Streitstand: Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 88; Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 341 f; Halama, in: FS Schlichter, S. 205 f.; Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 39; Peine, Offentliches Baurecht, Rn. 87. Generell fur die Einordnung als Rechtsnormen Schmidt-Afimann, DOV 81, S. 238; David, in: Jenkins, Raumordnungspolitik, S. 86; Goppel, BayVBl. 98 S. 290. Kritisch Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 31. Jedenfalls noch a.A.: VGH Kassel, Urteil vom 16.08.2002 - 4 N 3272/01 - NuR03, S. 115 (117) als Vorinstanz zum nachfolgend genannten Urteil des BVerwG. 169 So und zustimmend: Hendler, NuR 04, S. 486. 170 BVerwG, Urteil vom 20.11.2003 - 4 CN 6.03 - NuR04, S. 362 (362 ff.). A.A. offenbar: Stiier/Stiier, NuR 04, S. 347 f. 166

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

a. Produkt gerechter Abwagung Ziele sind, wie bereits mehrfach erwahnt, Produkt einer Abwagung auf Ebene der Raumordnung in Gestalt landesplanerischer Letztentscheidungen.171 Als solcher hat sich der Abwagungsprozess, an dessen Ende die Formulierung bestimmter Zielfestlegungen steht, dem Gebot rechtsstaatlicher Abwagung zu stellen.172 Ohne sich an dieser Stelle in Einzelheiten verlieren zu konnen, soil kurz auf die Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes im raumordnerischen Abwagungsvorgang eingegangen werden, und zwar in Bezug auf unterstiitzende wie konfligierende Zielaufstellungen. Die allgemeinen Grundstrukturen der fiir die Bauleitplanung entwickelten, stark ausdifferenzierten Abwagungsdogmatik lassen sich im Wesentlichen auch auf die Erzeugung von Raumordnungszielen anwenden.173 Bezogen auf die vier Abwagungsstufen174 gilt fur die Aufstellung raumordnerischer Ziele vor dem Hintergrund der Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes Folgendes: In der Ermittlungsphase, die der Recherche aller erkennbaren, mehr als geringwertigen Belange dient,175 sind die Erfordernisse des Kilsten- und Hochwasserschutzes, sofern das aufzustellende Ziel fur diese von raumlicher oder sachlicher Relevanz ist, neben anderen potentiell betroffenen Belangen herauszuarbeiten und fur die Abwagung zu rekrutieren. In der Phase der Einstellung werden die einzelnen Belange nach ,,Lage der Dinge"176 in die Abwagung einbezogen. Hier erfolgt die Begutachtung der Beachtlichkeit der Belange sowie der Konsequenzen, die sich bei Bevorzugung oder Zuruckstellung ergeben wiirden.177 Auf dieser Stufe akzentuieren die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes ihre Widerstandskraft gegenuber konfligierenden Interessen, da ihnen bei der nachfolgenden Gewichtung rechtlich, wie auch faktisch, erhebliche Bedeutung zukommt. Auf Stufe der Gewichtung ist jedem Belang das ihm rechtlich und tatsachlich zukommende objektive Gewicht beizumessen.178 Die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes entfalten in dieser Phase ihre maBgebliche Relevanz. Ihnen kommt faktisch eine hohe Bedeutung zu, da sich Hochwasserereignisse aufgrund ihrer klimatischen Entstehungsursachen durch grundsatzliche anthropogene Unbeeinflussbarkeit auszeichnen.179 Die Standortgebundenheit der Auswirkungen er171 172 173 174 175

176 177 178 179

Vergleiche 2. Kapitel § 7 C. I. 1. a. BVerwG in st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 30.04.1969 - 4 C 6.68 - BRS 22 Nr. 3; BVerwG, Urteil vom 20.10.1972 - 4 C 14.71 - BVerwGE 41, S. 41 (43 f). Pafilick, Ziele, S. 135; von Dressier et al., BfN, Weiterentwicklung, S. 146. Siehe dazu ausflihrlicher 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b. Alle Belange, die durch die angestrebte Zielfestlegung gefbrdert oder beeintrachtigt werden, einschlieBlich des Gegenstromprinzips und aller offentlichen und privaten Belange, vgl. von Dressier et al., BiN, Weiterentwicklung, S. 147; Pafilick, Ziele, S. 136. Siehe 2. Kapitel § 7 C. I. 2. a. und Fn. 60. von Dressier et al., BfN, Weiterentwicklung, S. 147. Hoppe, DVB1. 93, S. 575; ders., NVwZ 04, S. 907, von Dressier et al., BfN, Weiterentwicklung, S. 147. Siehe 1. Kapitel § 4 C.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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hoht das Gewicht.180 Rechtlich erfahrt der vorbeugende Hochwasserschutz auf bundesgesetzlicher Ebene mit § 3 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG als einziger Grundsatz eine Vorgewichtung, die ihn als relativen Vorrang gegeniiber alien anderen Belangen zunSchst privilegiert.181 In der Phase des Ausgleichs miissen die betroffenen Belange gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden.182 Die objektive Gewichtimg der einzelnen Belange soil zu einer verhaltnismaBigen Ausgleichsentscheidung fuhren.183 Trotz des auf dieser Stufe vorhandenen Freiraumes an planerischer EntschlieBungsfreiheit184 wirken die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes proportional ihrer herausragenden Gewichtung nach. Diese Gesichtspunkte konnen zwar iiberwunden werden, gleichwohl bedarf es dazu anderer Belange mit einem derart erheblichen Gewicht, dass ein Zuriickstellen des vorbeugenden Hochwasserschutzes nur im Ausnahmefall moglich sein diirfte. Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass den Interessen des vorsorgenden Hochwasserschutzes in der raumordnerischen Abwagung eine starke Position zugewiesen ist. Das fiihrt einerseits zur Unterstiltzung von Zielfestlegungen, die vorbeugende Schutzstrategien bezwecken. In Zukunft diirfte damit die vermehrte Aufnahme hochwasserschutzbezogener Zielfestlegungen in Raumordnungsplanen verbunden sein. Andererseits ist zu erwarten, dass die geplante Aufstellung konfligierender Ziele erheblichen Schwierigkeiten begegnet. Im Ergebnis werden Raumordnungsplane, die sich - obwohl Veranlassung dafur besteht - nicht griindlich mit den Erfordernissen vorsorgender Hochwasserschutzstrategien auseinandersetzen und diesen weitgehend gerecht werden, als abwagungsfehlerhaft zu charakterisieren sein.185 Der vorbeugend Kustenschutz wird aufgrund seiner okologischen Ausrichtung zukunftig durch die Umsetzung der SUP-Richtlinie186 durch das EAG-Bau187 in das deutsche Raumordnungsrecht u.a. auf Stufe der Abwagung eine Starkung er-

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Zur Bedeutung von standortgebundenen Belangen vgl. ausfuhrlicher 2. Kapitel § 7 C. II. 3. Vergleiche dazu ausftihrlich 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. bb. Vergleiche z.B. Hoppe, DVB1. 93, S. 575; ders., NVwZ 04, S. 907. von Dressier et al., BfN, Weiterentwicklung, S. 148. BVerwG, Urteil vom 12.02.1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, S. 301 (309). Siehe dazu auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 694. Trotz des hier gefundenen Ergebnisses sei darauf verwiesen, dass die Kodifikation bestimmter Belange als Ziele der Raumordnung nur ein erster Schritt auf dem Wege der Realisierung ist. Von entscheidender Bedeutung fur die Verwirklichung der Zielvorstellungen sind nicht nur weitere RechtmaBigkeitsvoraussetzungen, sondern insbesondere die Bindungswirkungen, die Ziele in der Rechtswirklichkeit entfalten. Zu letzterem vgl. ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. I. 2. und im folgenden 2. Kapitel § 7 C. III. Richtlinie 2001/42/EG iiber die Pruning der Umweltauswirkungen bestimmter Plane undProjekte vom 72.06.2001 (AB1. EGNr. L 197, S. 30 vom 21.07.2001). Europarechtsanpassungsgesetz vom 20.07.2004 (BGB1.1 S. 1359).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

fahren.188 Unabhangig davon, ob mit der Umsetzung der SUP-RL die Abwagungsdogmatik in Richtung einer starkeren Berilcksichtigung der okologischen Belange stattfinden wird189 oder nicht190, wird das faktische Gewicht der Umweltbelange steigen. Derm die in die Abwagung einzustellende Umweltsituation wird um die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen der gesamten Plandurchfuhrung erganzt (vgl. § 7 Abs. 5 ROG). Hinzu kommt das Uberwachungsgebot nach § 7 10 ROG. In Verbindung mit der Starkung der Offentlichkeitsbeteiligung in § 7 ROG durch die Richtlinie 2003/35/EG191 steht zu erwarten, dass die Umweltbelange kraft Existenz sorgfaltig zu ermittelnder Umweltdaten und -auswirkungen sowie gesteigerter Transparenz befordert werden und dass es zumindest zu einem hoheren Begriindungsaufwand beim Uberwinden der Umweltbelangen kommen wird.

b. Konfliktbereinigung Landesplanerische Ziele konnen die o. g. Bindungswirkungen192 nur dann hervorrufen, wenn sie untereinander nicht in Zielkonflikt stehen.193 Dazu miissen potentielle Widerspriiche ausgetragen und bereinigt sein.194. Flachenfreihaltende Festlegungen stehen naturgemaB haufig in Konkurrenz zu Zielen, welche die Entwicklung von Siedlungs-, Infrastruktur- und Wirtschaftsvorhaben forcieren sollen. Die Austragung der hier bestehenden Antagonismen und die Formulierung widerspruchsfreier Zielvorgaben muss innerhalb der landes- und regionalplanerischen Abwagung erfolgen und kann an dieser Stelle nicht weiter erortert werden. Hinzuweisen bleibt darauf, dass den Belangen des defensiven Hochwasserschutzes im Rahmen des raumordnerischen Abwagungsvorgangs erhebliche Bedeutung zukommt. Freiraumschutz als Komponente alternativer Ktistenschutzstrategien ist sachlich auf vorbeugenden Hochwasserschutz gerichtet und geographisch auf den unmittelbaren (uberflutungs- oder landverlustgefahrdeten) Kiistenbereich bezogen. Dabei entspringt gerade der Freiraumsicherung im Interesse des Kustenschutzes 188 189

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192

193 194

Zur SUP-Pflicht von Raumordnungsplanen: Krautzberger/Stiier, DVB1., 04, S. 917. Zum Ganzen: Erbguth, NuR 04, S. 92 f. Davon ging Stiler in einem milndlichen Beitrag im Rahmen der Jahrestagung der GfU 2004 - jedenfalls fur den Bereich der baurechtlichen Abwagung - aus. Dies bereits andeutend: Krautzberger/Stiier, DVB1., 04, S. 923 f. So offenbar: Hoppe, NVwZ 04, S. 907 ff. Vom 25.06.2003 iiber die Beteiligung der Offentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Plane und Programme und zur Anderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61 EG des Rates in Bezug auf die Offentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (AB1. EG Nr. L 156, S. 17). Allgemeine Voraussetzungen fur die Festlegung von Zielen ausfuhrlich (mit Anforderungskatalog) bei: Runkel, in: Bielenberg /Erbguth/Runkel, K § 3 Rn. 22 ff.; Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 362 ff.; vgl. auch Halama, in: FS Schlichter, S. 216 ff. Hennecke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 408; ausfuhrlich dazu: Wahl, Rechtsfragen, § 16, S. 209 f. Hoppe/Appold in: Kimminich et al., HdUR, Bd. II, S. 1676; Hennecke, Landwirtschaft und Naturschutz, S. 408; Wahl, Rechtsfragen, § 16, S. 210.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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besondere Relevanz flir die langfristige Sicherung des Kilstenraumes vor den Einwirkungen des Meeres. Bei der abschlieBenden Abwagung und Festlegung sowie Kennzeichnung nach § 7 Abs. 1 S. 3 ROG als Ziel sind die Planungsbehorden aufgerufen, der Relevanz der Kilstenschutzbelange durch konkrete und widerspruchsfreie Zielformulierungen gerecht zu werden. Um unverhaltnismaflige Beschrankungen195 zu vermeiden, ist es denkbar, die gefahrdeten Bereiche je nach konkretem Gefahrdungsgrad entweder mittels Zielfestlegungen oder nur durch Grundsatzregelungen zu sichern. Uberlagerungen von Vorranggebieten nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ROG konnen ebenfalls Zielkonflikte hervorrufen. Es ist daher anerkannt, dass Vorrangkollisionen generell ausgeschlossen sein mussen.196 Allerdings sind Vorrangiiberlagerungen dann eingeschrankt moglich, sofern sich die gesicherten Belange komplementar oder neutral zueinander verhalten. Ahnlich wie bei Vorbehaltsgebieten kann es durchaus wiinschenswert und zweckmaBig sein, etwaige Vorrangflachen fur vorbeugenden Hochwasserschutz an der Kiiste mit Vorranggebieten fur Naturschutz und Landschaftspflege zu koppeln. Anderslautende Auffassungen, die eine Uberlagerung eines Vorranggebietes Hochwasserschutz mit einem Vorranggebiet Naturschutz aufgrund des hier bestehenden Konfliktpotentials fur unzulassig erachten,197 liegt noch das traditionelle, okologiewidrige Hochwasserschutzverstandnis zugrunde. Durch die Okologisierung des Hochwasserschutzes in § 2 II Nr. 8 ROG 98 erscheint eine Verbindung der jeweils eigenstandigen Kategorien nunmehr moglich. Ein Zielwiderspruch erscheint durch die dem vorbeugenden Hochwasserschutz innewohnende okologische Ausrichtung, wenn iiberhaupt, nur eingeschrankt moglich. Mit der teilweisen Uberlagerung ware i. d. R. eine Starkung der Naturschutzbelange moglich.198

c. Ziele als Grundsatzkonkretisierung Landesplanerische Zielsetzungen entfalten nur dann Bindungswirkungen, wenn sie vom Aufgabenbereich der Raumordnung umfasst und Konkretisierungen der gesetzlichen Grundsatze sind.199 Zielfestsetzungen im Interesse vorbeugender Kiisten- und Hochwasserschutzstrategien waren Ausdruck einer nachhaltigen Raumentwicklung nach § 1 Abs. 2 S. 1 ROG und konnen von der Aufgabenstellung des § 1 Abs. 1 ROG als erfasst angesehen werden. Sie waren Konkretisierungen des raumlichen Freiraumgrundsatzes aus § 2 Abs. 2 Nr. 3 ROG und des fach195 196

197 198 199

Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 36. Hoppe/Spoerr, Bergrecht u n d Raumordnung, S. 65. Vgl. dazu auch weiterfuhrend Wahl, Rechtsfragen, Bd. I, S. 209 f. Einschrankend Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3, Rn. 80. Die Ansicht von Pafilick, Ziele, S. 118, Zielkonflikte interpretativ auszuraumen, wirft im Hinblick auf strikte Formulierung und Durchsetzungsfahigkeit der Ziele hingegen Zweifel auf. So noch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3, Rn. 80. Durch Steigerung der Akzeptanz, vgl. 1. Kapitel § 2 C. a.E. Runkel, in: Bielenberg /Erbguth/Runkel, K § 3 Rn. 22 ff.; Gierke, in: Brilgelmann , BauGB, § 1 Rn. 368.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

lichen Grundsatzes des vorbeugenden Hochwasserschutzes aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 ROG sind Festlegungen, die den Grundsatz der Freiraumstruktur konkretisieren, zwingend in den Raumordnungsplanen zu verankern.200 Darstellungsmoglichkeiten zugunsten des vorbeugenden Hochwasserschutzes ergeben sich zwar nicht direkt aus § 7 Abs. 2, 3 ROG, diirften aber insoweit geboten sein, als es sich bei den kodifizierten Festlegungen um ,,Insbesondere-Regelungen" handelt und Raumordnungsplane diejenigen Ziele der Raumordnung und Landesplanung enthalten miisssen, die raumlich und sachlich zur Verwirklichung der einzelnen Grundsatze des § 2 Abs. 2 ROG erforderlich sind.201 Fur die Verwirklichung des Grundsatzes ilber den vorbeugenden Hochwasserschutz heiBt das nichts anderes, als dass in den von diesem Grundsatz betroffenen Gebieten die Raumfunktionen durch entsprechende Zielfestlegungen gesichert werden miissen.202

d. Verbindliche Formulierung Raumordnerische Aussagen in Raumordnungsplanen konnen nur dann als Ziele der Raumordnung qualifiziert werden, wenn sie tatsachlich verbindliche Vorgaben enthalten.203 Die Verbindlichkeit ist letztlich Ausdruck des Bestimmtheitsgebotes. Zielfestlegungen sind daher strikt zu formulieren204 und nunmehr gemafi § 7 Abs. 1 S. 3 ROG als solche zu bezeichnen205. Die Verwendung unklarer Begrifflichkeiten und vager Formulierungen kann als eine wesentliche Ursache fur die begrenzte Verbindlichkeit raumordnerischer Vorgaben angesehen werden. Ziele 200 201 202

203

204 205

Rimkel,NuR9S, S. 451. Hoppe, FS Weyreuther, S. 96. So geht Corell, U P R 96, S. 248 aufgrund des Wortlautes von § 5 II R O G a.F. (jetzt § 7 I ROG) von der Pflicht zur Aufnahme von Gewasser- und Bodenschutz als Ziel der Landesplanung in Raumordnungsplane aus. In Anbetracht der nunmehr veranderten Grundsatze u n d der Vorgewichtung des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 II Nr. 8 R O G durfte dies jetzt auch flir die Sicherung von natilrlichen Retentionsflachen gelten. Darauf weist das BVerwG, Urteil vom 20.01.1984 - 4 C 43.81 - BVerwGE 68, S. 311 (317) = N V w Z 8 4 , S. 367 (368 f.), ausdrucklich hin. Ahnlich BVerwG, Urteil v o m 20.01.1984 - 4 C 70.79 - BVerwGE 68, S. 319 (320 f.). Siehe auch Krautzberger, in: Battis/Krautzber/Lohr, § 35 Rn. 72. V G H Mannheim, Urteil vom 28.03.1980 -VIII 1272/79 - D O V 8 1 , S. 269 (270); Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 25. Die Kennzeichnungspflicht, mag sie in der Praxis auch von nicht unerheblicher Bedeutung sein, spielt rechtlich eine nur untergeordnete Rolle. Die Regelung dient hauptsachlich der Ubersichtlichkeit in den Planwerken und der Kenntlichmachung der mit ho'herer Durchsetzungskraft als die anderen Erfordernisse der Raumordnung ausgestatteten Ziele. Die Norm wird aber auch zukiinftig nicht dazu flihren, dass alle als Ziele gekennzeichneten Vorgaben Ziele im materiellrechtlichen Sinne sind. Fur letzteres kommt es auch weiterhin auf die konkrete Ausgestaltung im Hinblick auf Striktheit der Formulierung und Bestimmbarkeit an.

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der Raumordnung sind deutlich von bloBen Erlauterungen, Empfehlungen oder Grundlagen, aber auch von den Grundsatzen der Raumordnung abzugrenzen.206 Eine wirksame Steuerung anderer Planungen und Einzelvorhaben ist nur moglich, wenn die Raumordnungsziele, bezogen auf den Regelungsgegenstand, raumlich, d.h. geographisch207 und sachlich hinreichend konkretisiert und somit einer gerichtlichen Nachpriifung zuganglich sind.208 Ftir die Beeinflussung kommunaler Planungsentscheidungen mogen dafur haufig gemeindescharfe oder uberortliche Zielaussagen ausreichen, einzelentscheidungsbindende Wirkungen z.B. im AuBenbereich nach § 35 BauGB bediirfen dagegen in der Regel gebiets- oder parzellenscharfe Zielkonkretisierungen.209 Ftir die sachliche Konkretisierung soil grundsatzlich geniigen, wenn z.B. innerhalb von Vorrangfestlegungen einem Gebiet ein konkreter Zweck oder eine bestimmte Nutzung zugewiesen wird.210 Unklar ist, mit welchen Formulierungen Zielfestlegungen ausgestattet sein mtissen, um die geforderten strikten Bindungswirkungen zu entfalten. Im Mittelpunkt der Diskussion steht hier die Frage, ob ,,Soll-Formulierungen" in der Lage sind, wirksame Zielbindungen zu vermitteln.211 Ftir eine ausreichende Verbindlichkeit wird angefuhrt, dass Soil- und Mussvorschriften im materiellen Verwaltungsrecht weitgehend gleichgestellt sind.212 Aus der materiellen Natur der Ziele folge, dass fur die Klassifikation als verbindliches Ziel die inhaltliche Aussage der Vorgabe und nicht die Formulierung der Beachtenspflicht im einzelnen aus-

206

207 208 209

210 211

212

Diese Forderung kann nicht deutlich genug wiederholt werden, siehe auch Folkerts, DVB1. 89, S. 738. Pafilick, Ziele, S. 115. Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 31 f.; Schmidt, I., DVB1. 98, S. 671; Pafilick, Ziele, S. 115 f.; Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 35 Rn. 72. Schmidt, I., DVB1. 98, S. 671, unter Verweis auf BayVGH, Urteil vom 09.08.1994 - 20 B 92.3893 - BayVBl. 95, S. 662 (663). Kritisch Schmidt-Afimann, D O V 81, S. 243. Zur Zulassigkeit gebiets- oder grundstiicksscharfer Festlegungen vor dem Hintergrund der gemeindlichen Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG vgl. ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II. 3. Schmidt, I., DVB1. 98, S. 671. Dies verneinend: Erbguth, L K V 94, S. 92; Schroeder, U P R 00, S. 53; im Ergebnis wohl ebenso: Hoppe, DVB1. 04, S. 481 unter Verweis auf BVerwG, Urteil 18.09.2003 - 4 C 2 0 . 0 2 - N V w Z 0 4 , S. 226 (226 ff). Befurwortend: O V G Lilneburg, Urteil v o m 16.06.1982 - 1 A 194.80 - ZfBR 83, S. 4 1 ; V G Ansbach, Urteil vom 02.11.1983 -AN 9 K 83 A 0114 - BayVBl. 84, S. 602 (603); Gierke, in: Briigelmann , § 1 Rn. 392; Goppel, BayVBl. 98, S. 292; ders., Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 3 1 ; Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebeiet, S. 107. Differenzierend Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 26. Offen gelassen BVerwG, Beschluss vom 07.11.1996 - 4 B 170.96 - N u R 97, S. 397 (397). Im Ergebnis gleichfalls nicht eindeutig, tendenziell einen Zielcharakter von Sollvorschriften aber wohl fur moglich haltend O V G Mtinster, Urteil vom 11.01.1999 - 7 A 2377/96 - N u R 99, S. 704 (709) = U P R 99, S. 359 (nur LS). Goppel, BayVBl. 98, S. 292; ders., Festlegung, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 31.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

schlaggebend sei.213 Dagegen wird eingewandt, dass ,,Soll-Formulierungen" dem Verpflichteten in bestimmten Ausnahmefallen, die vom Normgeber nicht vorhergesehen worden sind, ein eigenstandiges Abweichen von der Vorgabe eroffhen.214 Diese Ausnahmemoglichkeit wiirde die Zielbindung relativieren und ware mit der strikten Verbindlichkeit von Raumordnungszielen schwer vereinbar.215 AuBerdem wiirde mit den immanenten eigenstandigen Abweichungsmoglichkeiten das Zielabweichungsverfahren nach §§ 11, 23 ROG umgangen.216 In einer Gesamtschau sprechen erhebliche Argumente gegen die Zulassigkeit von Soll-Vorschriften in Raumordnungszielen. Ihre Verwendung kann aufgrund der ihnen grundsatzlich innewohnenden unbestimmten217 Ausnahmeoptionen zumindest als problematisch bezeichnet werden.218 Unabhangig von einer erschopfenden Erorterung an dieser Stelle ist davon auszugehen, dass soll-formulierte Ziele jedenfalls dann nicht der rechtlichen Zielqualitat entsprechen, wenn innerhalb einer fachlichen Zielvorgabe unterschiedliche Aspekte teils als Muss-, teils als Sollvorschriften ausgestaltet sind. Hier wiirde ein unterschiedliches Gewicht der Teilbelange entstehen, die der Natur von Raumordnungszielen als abschlieBend abgewogene Letztentscheidung widersprache. Im Ergebnis hat die Untersuchung unter 2. Kapitel § 7 C. I. 2. gezeigt, dass die materiellen Voraussetzungen gegeben sind, den vorbeugenden Hochwasserschutz als landesplanerische Zielfestlegungen zu konkretisieren.219. 213

214 215 216 217

218 219

So wohl Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 392 unter Berufung auf BVerwG, Beschluss v o m 20.08.1992 - 4 N B 2 0 . 9 1 - dieser Passus ist u.a. abgedruckt in N V w Z 93, S. 167 (169). Ahnlich von Dressier, BfN, Weiterentwicklung, S. 134. Maurer, Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 11; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25 Rn. 28. Dies erkennt auch Goppel, BayVBl. 98, S. 292 ausdriicklich an. Erbguth, L K V 94, S. 92. Schroeder, U P R 00, S. 53. Durch diese Unbestimmtheit unterscheiden sie sich von Muss-Zielen, auch wenn letztere mit dem Zusatz versehen sind, dass v o n ihnen unter besonderen Voraussetzungen (,,in unabweisbaren Fallen") abgewichen werden kann, vgl. dazu ausfuhrlich: Hoppe, DVB1. 04, S. 481 unter Verweis auf BVerwG, Urteil 18.09.2003 - 4 C 20.02NVwZ 04, S. 226 (226 ff.). Ausdrucklich Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 3 Rn. 26. Die Bestimmtheit der Zielformulierung sowie formliche Voraussetzungen wie deren Kennzeichnung als solche nach § 7 I S. 3 ROG und die Begriindungspflicht aus § 7 VIII ROG sind hier nicht zu behandeln, da diese zielspezifisch im Einzelfall zu priifen waren. Zu gemeindlichen Mitwirkungsrechten nach § 7 V ROG sei darauf verwiesen, dass mit der hier vertretenen verstarkten Bindung der gemeindlichen Planungshoheit an die Vorgaben der Landes- und Regionalplaming die gemeindlichen Beteiligungsrechte wirkungsvoller ausgestaltet werden sollten. Siehe insoweit schon den Wortlaut von § 9 Abs. 2 S. 2 ROG und Dolderer, NVwZ 98, S. 348. Kritisch zur Verschiebung materieller Beteiligungsrechte zugunsten solcher verfahrensrechtlicher Art: Spannowsky, DOV 97, S. 766 f. Grundsatzlich zum Recht der Kommunen auf Verfahrensbeteiligung BVerwG, BVerwGE 56, S. 110. Siehe auch Buchner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 1256 f; Birk, NVwZ 89, S. 910.

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//. Raumordnungsziele und gemeindliche Planungshoheit Materielle Voraussetzung fur die Wirksamkeit raumordnerischer Zielbindungen ist die Wahrung hoherrangiger Rechtsnormen, insbesondere der der Verfassung. Obgleich die Frage nach einer Ubereinstimmung mit dem grundgesetzlichen Normenbestand geradezu auch nach einer Prufung am Maflstab von Art. 20a GG ruft, steht gemeinhin die Vereinbarkeit mit der gemeindlichen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG im Fokus der Betrachtung. Im Folgenden soil daher untersucht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Ziele des vorbeugenden Hochwasserschutzes gegeniiber den kommunalen Planungs- und Entscheidungstragern durchgesetzt werden konnen.

1. Allgemeines a. Die Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG Art. 28 Abs. 2 GG eroffhet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der ortlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Planung der weiteren ortlichen Entwickung wird nach ganz einhelliger Auffassung der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie zugerechnet.220 Unter Planungshoheit ist die Befugnis zu verstehen, durch raumliche Planung und ohne durchgangige und strikte Bindung an staatliche Vorgaben, nur aufgrund eines eigenen, politisch administrativen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraumes, ilber die bauliche und sonstige Verwendung und Nutzung von Grand und Boden im Gemeindegebiet eigenverantwortlich zu bestimmen.221 Als Bestandteil der Planungshoheit ist zugleich die Bauleitplanung in vollem Umfang in den Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG einbezogen.222 Die Selbstverwaltungsgarantie als Ganzes ist nur institutionell garantiert.223 Sie verbilrgt die Ausiibung des Selbstverwaltungsrechts nicht in alien Einzelheiten. Lediglich der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung wird, ebenfalls instituionell, als unantastbar angesehen, mit der Folge, dass generelle Eingriffe in

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222

223

BVerfG, Beschluss v o m 07.10.1980 - 2 B v R 584, 598, 599, 6 0 4 / 7 6 - BVerfGE 56, S. 298 (317 f.); BVerwG, Urteil v o m 19.03.1976 -VII C 7 1 / 7 2 - N J W 76, S. 2175 (2176); Koch/Hendler, Baurecht, S. 155; Appold, Freiraumschutz, S. 57; Biichner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 1255; Hermanns/Honig, N u R 0 1 , S. 27. Schink, Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 69 f.; ahnlich Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 27. Grundlegend dazu BVerwG, Urteil vom 12.12.1969-4 C 105.66-BVerwGE 34, S. 301 (304). Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 10; Schink, Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 7 0 Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 22; Spannowsky, D O V 97, S. 760; Hermanns/Honig, N u R 0 1 , S. 27. BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 826/83- BVerfGE 76, S. 107 (119); BVerfG, Beschluss vom 23.11.1983 - 2 BvR 1618, 1628/83 - {Rastede ) BVerfGE 79, S. 127(143).

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den Kern der Selbstverwaltung unzulassig waren.224 Solange der Kern der gemeindlichen Selbstverwaltung unbeeintrachtigt bleibt, sind Beschrankungen mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG grundsatzlich vereinbar.225 Aus der nur instiutionellen Gewahrleistung auch des Kernbereiches wird geschlossen, dass ein Eingriff in diesen nur dann vorliegen kann, wenn alle Gemeinden davon gleichermaBen betroffen waren.226 Nach diesem Verstandnis waren Beeintrachtigungen der Planungshoheit durch Vorgaben der Landes- und Regionalplanung schon aufgrund des einzelfallspezifischen Charakters raumordnerischer Festlegungen und damit, bezogen auf die jeweilige Gemeinde, ganzlich verschiedenartiger Eingriffsintensitaten kaum denkbar. SchlieBlich werden landesplanerische Festsetzungen, seien sie textlicher Art oder als Vorranggebiete gestaltet, konkret raumbezogen festgesetzt und schlieBen die Planungsbefugnis fur alle Gemeinden nicht gleichermaBen aus.227 Die wohl iiberwiegende Ansicht in der Literatur geht davon aus, dass auch einzelne Aufgaben individueller Gemeinden dem Kernbereich zugerechnet werden konnen und als solche jedenfalls die kommunale Planungshoheit in Gestalt der Bauleitplanung dem Kern der Selbstverwaltung unterfallt.228 Allerdings dilrften auch unter dieser Pramisse Beschrankungen des Kernbereiches als Folge zielformiger Festlegungen der Raumplanung weitgehend ausgeschlossen sein. Zum einen erscheint zweifelhaft, ob der Entzug einer einzelnen Hoheitsbefugnis das Essentielle der Selbstverwaltungsgarantie (iberhaupt beeintrachtigen kann.229 Zum anderen ware fur eine Kernbereichsverletzung ein vollstandiger Entzug der jeweiligen Hoheitsbefugnis, hier der individuellen Planungshoheit, notwendig.230 Dies erscheint durch Ziele der Landes- und Regionalplanung letztlich kaum moglich, da auch bei intensiver Uberformung des Gemeindegebiets durch raumordnerische Gebietsfestlegungen eine eigenstandige Planung nicht vollstandig verhindert wiirde.231 Nicht zuletzt aufgrund der nur institutionellen Gewahrleistung des Kernbereiches kann eine erschopfende Untersuchung dieses Problemkreises hier unter224 225

226 227 228

229 230 231

BVerfG, Beschluss vom 23.11.1983 - 2 BvR 1618, 1628/83 - {Rastede ) BVerfGE 79, S. 127(146). BVerfG, Beschluss v o m 07.10.1980 - 2 B v R 584, 598, 599, 6 0 4 / 7 6 - BVerfGE 56, S. 298 (312) und BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, S. 107(118). Schink, VerwArch 81 (90), S. 398; ders., Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 72. Schink, Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 72 f. Siehe Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 12; Koch/Hendler, Baurecht, S. 155 f.; Hoppe/Grotefels; Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 35; Spannowsky, D O V 97, S. 760 f. Ob die kommunale Planungshoheit zum Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zahlt, wurde vom BVerfG noch offen gelassen, vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, S. 107 (118 f.). Schink, Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 73. Wahl, Okologische Vorranggebiete, S. 8 1 ; Folkerts, Landervergleich, S. 4 3 ; Im Ergebnis auch Pafilick, Ziele, S. 84. So zutreffend Schink, Planungshoheit, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 73 f.

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bleiben.232 Eindeutig ist insoweit, dass durch raumordnerische Vorgaben jedenfalls der Kern der kommunalen Selbstverwaltung nicht tangiert wird. Als erstes Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die gemeindliche Planungshoheit durch hoherstufige Normen grundsatzlich Beschrankungen unterworfen werden kann.233 Legitimationsgrunde fur Eingriffe in die kommunale Planungshoheit sind in der Werteordnung des Grundgesetzes zu finden, und zwar neben den Grundrechten auch in den staatlichen Fundamentalprinzipien und Staatszielen.234 Dabei soil neben dem Grundsatz der Herstellung gleichwertiger Lebensverhaltnisse insbesondere dem Umweltschutzstaatsziel aus Art. 20a GG Bedeutung zukommen.235 Voraussetzung fur eine wirksame Einschrankung der Selbstverwaltungsgarantie aufierhalb der Kernzone, so auch der Planungshoheit, ist gleichwohl in jedem Falle die Rechtfertigung im Lichte von VerhaltnismaBigkeit und Willkiirverbot.236 Damit raumordnerische Zielvorgaben dem Vorbehalt des Art. 28 Abs. 2 GG ,,im Rahmen der Gesetze" gerecht werden, wird vertreten, dass zumindest die wesentlichen Fragen der uberortlichen Planung der Form einer parlamentarischen Ermachtigung bediirfen.237 Demgegeniiber soil es ausreichen, wenn lediglich die abstrakte Ermachtigung zur Einschrankung in Form eines Parlamentsgesetzes erfolgt, die eigentlichen Planungen dann aber durch untergesetzliche Rechtsnormen stattfmden.238 Ohne hier in die Tiefe gehen zu wollen, soil an dieser Stelle davon ausgegangen werden, dass die in den Landesplanungsgesetzen verankerte prinzipielle Ermachtigung zur Aufstellung von Raumordnungsprogrammen und Zielen sowie die bundes- wie landesgesetzliche Konkretisierung der allgemeinen Planungsleitlinien durch die Grundsatze der Raumordnung eine ausreichende Ermachtigungsgrundlage darstellen.239

b. Eingriffsqualitat vorsorgender Strategien Bei der Frage nach der Rechtfertigung von aus Griinden des Hochwasserschutzes motivierten Freiflachensicherungen, etwa durch Vorranggebiete gemaB § 7 Abs. 4

232

233 234 235 236

237 238 239

Auf die Untergeordnetheit des Problemkreises weist auch Appold, Freiraumschutz, S. 58. Im Ergebnis ahnlich Koch/Hendler, Baurecht, S. 154., sowie BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, S. 107 (119). BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 8 2 6 / 8 3 - BVerfGE 76, S. 107 (119 f., 122). Spannowsky, D O V 97, S. 762. Ebenda. Vergleiche etwa BVerfG, Urteil vom 04.08.1983 - 7 C 2 . 8 1 - DVB1. 83, S. 1152 (1153). Siehe auch Fn. 232 und Pafilick, Ziele, S. 73 f. Ahnlich Brohm, DVB1. 80, S. 658; Spannowsky, D O V 97, S. 761. Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 85; Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 38. BVerfG Beschluss vom 24.06.1969 - 2 BvR 446.64 - BVerfGE 26, S. 228 = N J W 69, S. 1843; Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 337. Zur gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie vgl. ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II.

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S. 1 Nr. 1 ROG, ist zunachst die prinzipielle Schwere der Beeintrachtigung auszuloten. Freiraumschiitzende Ziele bewirken in Bezug auf die meisten Nutzungen lediglich die Festschreibung eines status quo. Das Gemeindegebiet soil in bestimmten Teilen vorsorglich einer zukunftigen Flacheninanspruchnahme durch Bebauung, Infrastruktur und anderweitige Errichtung von Anlagen entzogen werden. Planung muss nicht auf die Umgestaltung bestehender Verhaltnisse abzielen, sondern kann bestimmte bestehende Situationen gegenilber drohenden Veranderungen unter Schutz stellen.240 Bezogen auf die Eingriffsschwere stellen landes- und regionalplanerische Vorgaben, die den Erhalt unbesiedelter Bereiche bewirken sollen, fur die Gemeinde nur eine Erhaltungsplanung dar. Insbesondere werden den Kommunen keine Handlungs- oder Duldungspflichten auferlegt. Okologische Freiraumsicherung begriindet stets nur die Pflicht eines zukunftigen Unterlassens.241 Eine Verletzung der gemeindlichen Planungshoheit soil nur dann in Betracht kommen, wenn eine hinreichend konkretisierte kommunale Planung durch iiberortliche Planungsvorgaben nachhaltig gestort wird.242 Eine Stoning durch okologische Freiraumsicherung ist daher nur dann zu erwarten, wenn diesbeztlgliche Planungen auf bereits verfestigte und konkretisierte kommunale Planungsvorstellungen treffen, die ihrerseits den status quo verandern sollen.243 Sofern solche Planungen nicht vorliegen, wiirden Beschrankungen der gemeindlichen Entwicklungsplanung durch freiraumsichernde Zielfestlegungen schon mangels Eingriffsobjekt keine Verletzung der Selbstverwaltungsgarantie nach sich ziehen. Auch bei Existenz entgegenstehender Planungsabsichten ist zu berucksichtigen, dass die mit okologischen Vorranggebieten verbundenen Eingriffe in die Planungshoheit der Gemeinden regelmafiig nicht die Schwere erreichen, die z.B. mit Entwicklungspflichtplanungen verbunden und gleichwohl zulassig waren.244 Solche Positivpla240 241

242 243

244

Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 384. Insofern sind die hier herausgearbeiteten Eingriffsvoraussetzungen auf die klassischen Konfliktfelder (vgl. dazu etwa Birk, N V w Z 89, S. 906 f.) zwischen kommunaler Planungshoheit und landesplanerischen Vorgaben nicht anwendbar. Vergleiche VerfGH N W , Urteil vom 11.02.1992 -VerfGH 6/91 - U P R 92, S. 313 (314). Unproblematisch ist dies sowohl bei alien noch keiner gemeindlichen Planung unterworfenen Flachen, als auch bei Darstellungen in Flachennutzungsplanen, die lediglich die schon gesetzlich zugewiesenen Bodenfbnktionen beinhalten. Vgl. zu den Anforderungen BVerwG, Urteil vom 15.05.2003 - 4 C N 9.01 - Z U R 04, S. 91 (93); BVerwG, Urteil vom 22.05.1987 - 4 C 5 7 . 8 4 - BVerwG 77, S. 300 (302); VerfGH N W , Urteil vom 18.06.1991 -VerfGH 5/90 - NWVB1. 9 1 , S. 371 (372 f.).VerfGH N W , Urteil vom 28.01.1992 -VerfGH 2 / 9 1 - U P R 92, S. 312 (313); VerfGH N W , Urteil v o m 11.02.1992 -VerfGH 6 / 9 1 - U P R 92, S. 313 (314). Siehe auch Busse, BayVBl. 9 8 , S. 299. Zum Vorliegen der Merkmale vgl. im Einzelnen Hermanns/Honig, NuROl, S. 28 f. Diese Einschatzung diirfte sich zumindest auf alle noch nicht auBenwirksam gewordenen Planungen beziehen. Zum Beispiel BVerwG, Urteil vom 15.05.2003 - 4 C N 9.01 - Z U R 04, S. 91 (93) zum Neubau eines Landesflughafens und Erweiterung einer Landesmesse im Regionalplan.

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nungen sind z.B. die regionalplanerische Zuweisung bestimmter Anlagen oder industrieller Vorranggebiete, z.B. fur Rohstoffsicherung245 an konkrete Gemeinden.246 Massive Einschrankungen der gemeindlichen Planungshoheit konnen sich ilberdies aufgrund landesgesetzlicher Erstplanungspflichten ergeben.247 An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass der Landes- und Regionalplanung jedenfalls bei der Durchsetzung freiraumsichernder Festlegungen im Interesse okologischer Vorrangbereiche im Vergleich zu den beschriebenen Aktivplanungen prinzipiell erweiterte Einwirkmoglichkeiten zusteht.248 Hinzuweisen bleibt indes darauf, dass sich die nachfolgenden Uberlegungen zur Rechtfertigung von Eingriffen in die kommunale Planungshoheit lediglich auf die Sicherung okologischer Freiraumstrakturen im Kiistenbereich beschranken. An die RechtmaBigkeit von Eingriffen durch Aktivplanungen waren demgegeniiber weitaus hohere Anforderungen zu stellen.249

2. Aufterhalb besiedelter Bereiche Landesplanerische Zielsetzungen im Interesse eines vorbeugenden Hochwasserschutzes entziehen Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren gemeindlichen Planung. In den von den Festsetzungen betroffenen Gebieten wird eine wei-

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Siehe dazu auch Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 39; iiberblicksartig ders., DVB1. 80, S. 653. Vergleiche etwa Busse, BayVBl. 98, S. 294. Als Beispiele sind hier die selbstandigen (oder als Ziele in die Raumordnungsplane ubernommenen) Ergebnisse der Standortvorsorgeplanung zu nennen. Vgl. dazu Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 10 f., 3 9 . Landesgesetzliche Erstplanungspflichten bestehen z.B. in Nordrhein-Westfalen u n d dem Saarland. So bestimmt z.B. § 2 1 LP1G N - W (Gesetz i. d. f. v o m 18.07.1996, GVB1. S. 285) eine gemeindliche Pflicht zur Aufstellung von Bauleitplanen entsprechend den Zielen der Raumordnung u n d Landesplanung, wenn diese zur Verwirklichung von Planungen mit hervorragender Bedeutung fur die uberortliche Wirtschaftsstruktur und Landesentwicklung erforderlich ist. Siehe auch Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 47 f. Gleichwohl sei hier darauf hingewiesen, dass diese nicht unumstrittene Abgrenzung 6'kologische Belange der Freiraumsicherung leicht ins Hintertreffen gelangen lasst. Wahrend namlich freiraumerhaltende Planungsvorstellungen der K o m m u n e n allzuoft als unbeachtliche Planungen gegenuber umweltbeeintrachtigenden tiberortlichen Planungen zuriicktreten mtlssen (siehe Nachweise in Fn. 243), genieBen freiraumzerstorende Planungen der Gemeinden, z.B. Bebauungsplane, gegenuber der Planung okologischer Vorrangflachen durch die Landes- und Regionalplanung den Vorrang (siehe dazu etwa die Empfehlungen von Busse, BayVBl. 98, S. 299 an die Gemeinden). Vgl. zu diesem Defiziten exemplarisch VerfGH NW, DVB1. 93, S. 428 ff. mit krit. Anm. Erbguth, DVB1. 93, S. 649. Erbguth verneint hier mit treffenden Argumenten die besondere Abwagungsrelevanz eines bestehenden Bebauungsplanes im Verhaltnis zu neuen, freiraumsichernden Zielvorgaben der Regionalplanung. Die gefundenen Ergebnisse sind daher auf andere als den status quo erhaltende (Negativ-)planungen nicht ubertragbar.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

tere Ausdehnung des besiedelten Raumes untersagt. Nach Fachrecht planfeststellungsbediirftige Vorhaben sind ebenfalls an die raumordnerischen Vorgaben gebunden.250 Vorranggebiete fur vorsorgenden Hochwasserschutz mit dem Ziel, Flachen als natiirliche Retensionsraume zu sichern, konnen so z.B. den Abbau oberflachennaher Bodenschatze verhindern, sofern, was zu erwarten ist, die Vorrangbelange dadurch beeintrachtigt wurden.251 Insgesamt kann durch kiistenschutzbezogene Ziele die gemeindliche Entwicklungsplanung insbesondere im AuBenbereich erheblich beeintrachtigt werden. Freiraumsichernde Vorgaben der Landes- und Regionalplanung, die vorbeugenden Hochwasserschutzstrategien dienen sollen, haben zunachst dafur Sorge zu tragen, dass noch vorhandene Freiflachen zwischen seewartiger Ortsgrenze und der Uferlinie erhalten bleiben. Bei unmittelbar an der Kustenlinie gelegenen Gemeinden soil die Ansiedlung neuer materieller Werte in einem kiistenparallelen Streifen verhindert werden. Diese Einschrankungen wirken ihrem sachlichen Regelungsanliegen nach nur im ufernahen Ktistenbereich. Im GroBteil des AuBenbereiches wird die kommunale Planung durch diese Vorgaben nicht beruhrt. So besteht fur Gemeinden, die nicht direkt an die Deich- oder Diinenlinie angrenzen, in Abhangigkeit von Entfernung und den konkreten natilrlichen Gegebenheiten, die Moglichkeit einer kiistenparallelen oder zumindest kustenschragen Ausdehnung. Die Expansion in Richtung des Kiistenhinterlandes ist regelmafiig weiterhin gegeben. Damit verbleiben selbst Kommunen, die sich direkt am Uferstreifen befinden, ausreichende Entwicklungsmoglichkeiten. Freiraumschiitzende Vorgaben dieser Art sind daher im Regelfall mit den Anforderungen an rechtmaBige Einschrankungen der kommunalen Planungshoheit vereinbar. In die Beurteilung der Zulassigkeit entwicklungbegrenzender Festlegungen muss zudem Beriicksichtigung finden, dass der Raumordnungsplanung bei der Beeinflussung unbesiedelter Flachen generell ein groBerer Gestaltungs- und Regelungsspielraum zuzubilligen ist als etwa im besiedelten Bereich.252 Sofern die Entwicklung der Gemeinde nach auBen hin zu groBen Teilen verhindert wtirde, etwa durch Festsetzungen, die eine weitere Ortsentwicklung auBerhalb z.B. mittels Ringeindeichungen gesicherter Siedlungsgebiete ausschlossen, waren prinzipiell weitergehende Beeintrachtigungsqualitaten in der Ausiibung der Planungshoheit zu erwarten. Allerdings diirften sich hier ebenfalls keine unzulassigen Begrenzungen ergeben. Ausgangspunkt bildet die Pramisse, dass das Recht auf Eigenentwicklung auch dann nicht eingeschrankt sein soil, wenn zwar eine weitraumige Ausdehnung in unbesiedelte Bereiche ausgeschlossen wird, hingegen im Ort und ortsnahen Bereich noch Entwicklungsmoglichkeiten bestehen.253 Ringein250 251 252 253

Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 166. Vgl. dazu weiter 2. Kapitel § 7 C. III. 2. Fur das Verhaltniss Vorranggebiet Natur und Landschaft und Nassauskiesung: Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 166. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 50. So zutreffend Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 71. Zuriickhaltend OVG Liineburg, Urteil vom 14.11.1968 - I A 11/68- abgedruckt in Cholewa/Dyong/von der Heide/Arenz, Synoptische Landesplanung, Abschn. 4. 3., S. 15 (16)

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deichungen lassen regelmaGig erheblichen Raum zwischen der Bebauungsgrenze und den Schutzanlagen. In vielen Fallen diirften innerortliche Freiflachen oder Sanierungsgebiete bestehen. Siedlungentwicklungen innerhalb der gesicherten Bereiche waren somit moglich. Insoweit sind auch in dieser Fallkonstellation unzulassige Planungsbegrenzungen kaum vorstellbar. Dies verdeutlicht eine weitere Uberlegung: Da bereits bei Beschrankungen der gemeindlichen Eigenentwicklung aus siedlungsstrukturellen Griinden in diesen Fallen der Verweis auf angemessene Moglichkeiten der qualifizierten Weiterentwicklung auf den vorhandenen Siedlungsflachen zulassig ist,254 muss dieses erst recht bei lage- oder situationsbedingten Einschrankungen, um die es beim vorsorgenden Hochwasserschutz geht, gelten.255 Letztlich folgt diese Einschatzung aus der gesetzlichen Uberformung, der der AuCenbereich unterworfen ist. In Wertung von § 35 BauGB als zentrale freiraumschiitzende Norm des BauGB ist von einer nur sehr zuriickhaltenden Moglichkeit zur Besiedelung des AuBenbereiches auszugehen.256 Angesichts der Bedeutung, die dem Freiraumschutz grundsatzlich zugebilligt wird,257 muss gefolgert werden, dass es ein Recht auf uneingeschrankte raumliche Ausdehnung als Teil des Rechts auf Eigenentwicklung nicht gibt.258 Als Zwischenergebnis lasst sich deshalb festhalten, dass selektive Begrenzungen der kommunalen Planungshoheit im unbesiedelten Bereich grundsatzlich unproblematisch zulassig sind, soweit fur die betroffenen Flachen noch keine verfestigten259 Planungen der Gemeinde bestehen. Umfanglichen Beschrankungen steht das Recht auf Eigenentwicklung dann nicht entgegen, soweit den Gemeiden innerortliche Entwicklungsmoglichkeiten verbleiben. Die fur die Rechtfertigung von Eingriffen notwendige Erforderlichkeit landesplanerischer Festsetzungen richtet sich nach den objektiven, naturraumlichen Bedingungen, mithin der Situationsgebundenheit.260 Damit ist fur die Zulassigkeit von freiraumsichernden Zielfestlegungen zum Zwecke eines vorbeugenden

= DOV 69, S. 643 (643 f.), indem auf die Gewahrleistung der Entfaltung einer eigengesetzlichen Entwicklung abgestellt wird. 254 Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 7 1 . 255 Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 23.11.1987 - 2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, S. 107 (112). 256 vergleiche dazu die gesetzliche Wertung des § 35 BauGB und erlauternd HessVGH, Urteil vom 07.09.1984 - 4 OE 53/81 - B R S 42, Nr. 92. 257 Siehe z.B. die gesetzlichen Wertungen im ROG, z.B. der Vorrang der Nutzung brachliegender Siedlungsflachen vor der Inanspruchnahme von Freiflachen gemaB § 2 II Nr. 2 S. 2 ROG. Siehe auch Appold, Freiraumschutz, S. 64: ,,evident staatliches Interesse". 258 Zutreffend Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 7 1 . 259 Siehe dazu schon Fn. 243. 260 BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987 - 2 BvR 8 2 6 / 8 3 - BVerfGE 76, S. 107 (123); Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 384. Zur Situationsgebundenheit ausfuhrlich 5. Kapitel § 14 C.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Hochwasserschutzes die Kustennahe der Gemeinden entscheidend.261 Zunachst ist anerkannt, dass sich ein Zugriff auf das Gemeindegebiet bei Flachensicherungen aus naturraumlichen Gegebenheiten regelmaBig rechtfertigen lasst. In diesen Fallen ist zudem ein hoheres MaB an Aussagescharfe und Konkretisierung der Ziele zulassig. Dies folgt zum einen aus dem landschaftsokologischen und situationsbezogenen Regelungsgegenstand der Ziel- und Vorrangfestlegungen.262 Zum anderen sind gebiets- und grundstiicksscharfe Festsetzungen Wirksamkeitsvoraussetzung, sofern es urn die Steuerung von Einzelvorhaben im AuBenbereich nach § 35 BauGB geht.263 Uberdies ist die Planung einer iibergreifenden Freiraumstruktur eine uberortliche Aufgabe, und Auswirkungen auf die ortlichen Gegebenheiten sind nicht Zweck, sondern allenfalls Nebeneffekt der Planung.264 Solche Nebenwirkungen sollen von den Kommunen grundsatzlich hinzunehmen sein.265 Stellt man nun auf die Situation im Kiistenbereich ab, zeichnen sich, gemessen am Erforderlichkeits- und RechtfertigungsmaBstab, erhebliche Einwirkmoglichkeiten durch Zielfestlegungen ab. Die Ermachtigung resultiert zunachst aus der originaren Bedeutung des Kilstenbereiches fur den Erhalt der Biodiversitat im Kilstenraum in seiner Eigenschaft als Vermehrungs- und Wandergebiet und in der Funktion der Kiistenlinie als Biotopvernetzung zum Zwecke des Artenaustausches. Okologische Vorrangflachen der Landes- und Regionalplanung waren schon aus diesem Grunde, nicht zuletzt unter Einbeziehung der Art. 20a GG entspringenden Wertung, zulassig. Das recht umfangliche MaB an sich zulassiger Zielbindungen findet zusatzliche Unterstiltzung, sofern man sich nochmals die aus den kustendynamischen Prozessen resultierende exponierte Siuationsgebundenheit der Kilstenflachen vergegenwartigt. Die permanente, grundsatzlich nicht beeinflussbare Gefahr von Flachenverlust und Uberschwemmung wohnt den Kiistengebieten wesensimmanent inne. Die Verhinderung der Ausdehnung des bebauten oder bebaubaren Gemeindegebietes in uberflutungsgefahrdete Areale des AuBenbereiches durch landesplanerische Zielsetzungen ist daher nur Ausdruck dieser besonderen objektiven Gegebenheiten. Insofern liegen den Entwicklungsbeschrankungen nicht grundsatzlich beeinflussbare siedlungsstrukturelle, sondern

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Z u situationsbedingten Lage- und Standortentscheidungen im Verhaltnis zum Willkilrverbot: Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 409, vgl. daruber hinaus auch BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (336) ) = D O V 93, 119 f. = N V w Z 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438. Schmidt-Afimann, D O V 8 1 , S. 245. Zutreffend weist Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 73 darauf hin, dass sich die Kontroverse u m die Aussagescharfe von an natiirliche Bedingungen ankniipfenden regionalplanerischen Festlegungen auBerhalb der bebauten Bereiche gar nicht stellt. Siehe schon 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d. und Fn. 209. Vergleiche dazu ausfiihrlicher 2. Kapitel § 7 C. II. 3. b. aa. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (336) ) = DOV 93, 119 f. = NVwZ 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438. Ausfiihrlicher dazu 2. Kapitel 8 7 C. II. 3.

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unbeeinflussbare lagebedingte Erwagungen zu Grunde.266 Im tieferen Sinne erfolgt daher eine Limitierung der gemeindlichen Entwicklungsmoglichkeiten nicht durch Festlegungen der Raumordnung und Landesplanung, sondern durch die natiirlichen Bedingungen, denen das ktistennahe Gemeindegebiet unterworfen ist. Damit diirften dem vorbeugenden Hochwasserschutz dienende freiraumsichernde Vorrangfestlegungen in von Landverlust betroffenen oder uberschwemmungsgefahrdeten Bereichen nur in Ausnahmefallen gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG verstofien.

3. Innerhalb besiedelter Bereiche Obgleich bei den Uberlegungen zur Flachenfreihaltung in potentiell iiberflutungsgefahrdeten Kiistenraumen zum Zwecke des vorbeugenden Hochwasserschutzes zweifellos unbesiedelte Flachen im Vordergrund stehen, die sich weitgehend als baurechtlicher AuBenbereich nach § 35 BauGB einordnen lassen, kann die Entwicklungssteuerung des besiedelten Bereiches nicht auBerhalb der Betrachtung verbleiben. Die Begrenzung der weiteren seewartigen und in Abrasionsgebieten auch kustenparallelen Ausdehnung der Kustengemeinden sowie die Limitierung des Risikopotentials in bestehenden Ansiedlungen ist letztlich auch mit Konsequenzen fur die Austibung der Planungshoheit verbunden. Daher gilt es zu untersuchen, inwieweit sich Zielfestlegungen freiraumsichernden und risikopotentialvermindernden Inhalts gegenilber der innerortlichen gemeindlichen Entwicklungshoheit durchsetzen konnen.267

a. Analyse der Konfliktlage Die Frage nach der Rechtfertigung von Eingriffen in die kommunale Planungshoheit stellt sich nur dann, wenn Vorhaben innerhalb besiedelter Bereiche raumbedeutsame Effekte verursachen. Dies erscheint moglich, wenn etwa regionalplanerisch festgesetzte Grunziige iiberbaut wurden268 oder durch das Vorhaben Auswirkungen ilber den innerortlichen Bereich hinaus verbunden waren. Zu denken ist hier z.B. an die Errichtung baulicher Vorhaben an exponierter Stelle von Kiistenansiedlungen, zu deren Schutze in absehbarer Zeit raumbedeutsame KiistenschutzmaBnahmen eingeleitet werden miissten. AnerkanntermaBen sind an die Rechtfertigung landes- und regionalplanerischer Eingriffe innerhalb besiedelter Ortslagen im Lichte der gemeindliche Planungsho-

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Christ, Raumordnungsziele, S. 20; Folkerts, Raumordnungsziele, S. 43; Spieker, Raumordnung, S. 72. Dabei ist vorrangig die Ebene der Regionalplanung von Interesse, da die hochstufige Landesplanung mangels raumlicher Konkretisierungsmoglichkeiten selten in der Lage sein dtirfte, etwa gebietsbezogene innerortliche Festlegungen zeichnerisch zu treffen. Allerdings sind textliche Vorgaben denkbar, die die innerortliche Gebietsstruktur bereits auf Ebene des Landesraumordnungsprogramms beeinflussen. Vergleiche HessVGH, Urteil vom 07.09.84 - 4 OE 53/81 - BRS 42, Nr. 92.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

heit hohere Anforderungen zu stellen.269 So habe die Raumordnungsplanung bei alien Zielfestlegungen, die das besiedelte Gemeindegebiet betreffen, aus Grilnden der gemeindlichen Planungshoheit grundsatzlich Zurilckhaltung zu iiben, da freiraumsichemde Ziele im besiedelten Gemeindebereich naturgemaB starker in die gemeindliche Planungshoheit eingreifen wiirden als etwa in unbesiedelten Bereichen.270 Daneben sind in diesem Bereich die ortlichen Interessen regelmaBig erheblich beruhrt, wahrend uberortliche Auswirkungen im Normalfall nur selten gegeben sein diirften. Daher soil der den Gemeinden einzuraumende Planungsspielraum um so groBer sein, je mehr die konkrete Planungsentscheidung lediglich ortliche Interessen beriihrt.271 Im Gegensatz zum unbesiedelten Bereich besteht im besiedelten Gebiet haufig die Gefahr, dass zum Zwecke der tatsachlichen Beachtung hochgradig konkretisierte Zielaussagen gebiets- oder bereichsscharfe Festlegungen, u.U. sogar parzellenscharfe Vorgaben enthalten. Angesichts des iiberortlichen Charakters der Raumordnung werden gemeindescharfe oder gar parzellenscharfe Regelungen nur sehr eingeschrankt als zulassig angesehen.272 Hier eroffhet sich ein grundsatzlicher Widerspruch. NaturgemaB greifen stark konkretisierte Zielvorgaben starker in die gemeindliche Planungshoheit ein als solche, die auf eine weitere Konkretisierung angelegt sind, da den Kommunen in diesen Fallen nur ein reduzierter Raum fur eigene Planungsentscheidungen verbleibt. Um die Entwicklung des relativ kleinraumigen besiedelten Bereiches wirksam beeinflussen zu konnen, sind demgegeniiber gerade fest umrissenene und genau bestimmbare Zielvorgaben notwendig. In der Folge resultiert daraus eine starke Einschrankung der kommunalen Entwicklungshoheit ausgerechnet auf einem Felde, welches aufgrund der ortlichen Bedeutung nur zuruckhaltend von uberOrtlichen Planungen beeinflusst werden soil. M.a.W.: Die Reduktion des Anpassungs- und Umsetzungsspielraume der Kommunen verhalt sich umgekehrt proportional zum jeweiligen Gewicht der Planungshoheit.

b. Ansatze zu Konfliktbewaltigung aa. Aufgabentheorie als Ankniipfung Zur Losung dieses grundsatzlichen Konflikts, der seine besondere Scharfe im besiedelten Bereich entfaltet, sind in der Vergangenheit verschiedenen Theorien entwickelt worden.273 Ohne diese einer weitlaufigen ErQrterung zu unterziehen, 269

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Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 50. Dies folgt schon aus dem daftir notwendigen hoheren Konkretisierungsgrad und der gesteigerten Ausweisungsscharfe der im besiedelten Bereich wirkenden Ziele. Vgl. z.B. Brohm, DVB1. 80, S. 653 f. Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 3 Rn. 50 f. O V G N W , Urteil vom 19.11.1991 - 7 A 7 9 9 / 9 0 - U P R 92, S. 3 1 4 ( 3 1 6 ) . Z u m Meinungsstand: Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 415 f.; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 53 f.; Scherer, Regionalplanung, S. 60; Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 4 3 ; Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 49. Vergleiche dazu Brohm, DVB1. 80, S. 657 f.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

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ist, wie bereits gezeigt,274 anerkannt, dass Eingriffe in die kommunale Planungshoheit aufgrund iiberortlicher Interessen grundsatzlich zu rechtfertigen sein milssen. Sie bediirfen einer besonderen Legitimation.Als Ausgangspunkt mag die Feststellung dienen, dass der Schutzbereich der gemeindlichen Planungshoheit nur die originaren ortlichen Interessen umfasst. Wenn flir die Raumordnung und Landesplanung weniger der raumliche Gegenstand kennzeichnend ist, da sich dieser regelmafiig auf denselben Raum bezieht,275 kann es zur Abgrenzung nur maBgeblich auf den Zweck der Planung ankommen.276 Die gemeindliche Planung ist deshalb ortlicher Natur, weil sie nicht nur darauf gerichtet ist, Aufgaben zu losen, die in der ortlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf diese einen spezifischen Bezug haben, sondern nur unter zusatzlicher Voraussetzung, dass sie von der ortlichen Gemeinschaft auch eigenverantwortlich und selbstandig bewaltigt werden konnen.277 Davon nicht erfasst sind folglich Sachverhalte, die die Belange anderer Gemeinden tangieren oder sonst mit Auswirkungen iiber das Gemeindegebiet hinaus verbunden sind. Demgegenuber ist die Landes- und Regionalplanung deshalb iiberortlich, weil der zu bewaltigenden Aufgabe eine uber das Gemeindegebiet herausreichende Bedeutung zukommt.278 Diese Beurteilung in Anlehnung an die Aufgabentheorie279 hat Folgen flir das zulassige MaB der Beeinfiussung ortlicher Interessen. Greifen landesplanerische Ziele aus tiberortlichen Erfordernissen in die kommunale Planung ein und beriihren so auch Interessen der ortlichen Gemeinschaft, kann damit eine Beeintrachtigung der kommunalen Planungshoheit einhergehen. Diese ware jedoch aufgrund der Uberortlichkeit der Aufgabenstellung jedenfalls spatestens dann gerechtfertigt, wenn sich ergibt, dass schutzwurdige uberortliche Interessen diese Einschrankung erfordern280 und die Beeintrachtigungen lediglich als Nebeneffekt der Wahrung eines qualifizierten uberortlichen Sachinteresses eintreten281. Dabei ist zu beachten, dass das Gewicht schutzwiirdiger iiberortlicher Interessen mit deren iiberortli-

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Siehe 2. Kapitel § 7 C. II. 1. und Fn. 233. Vergleiche dazu schon 2. Kapitel § 7 A. II. 2. So auch Halama, in: FS Schlichter, S. 218. Ahnlich Busse, BayVBl. 98, S. 294. Siehe schon die Ausfuhrungen im 2. Kapitel § 7 A. II. 2. und Fn. 42. Halama, in: F S Schlichter, S. 218. Zu den Voraussetzungen eines ,,landesplanerischen Durchgriffs": Schmidt-Afimann, D O V 81, S. 244. Nachweise bei Brohm, DVB1. 80, S. 657; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 2 Rn. 36; Ahnlich BVerfG, Beschluss vom 23.11.1983 - 2 BvR 1618, 1628/83 - (Rastede ) BVerfGE 79, S. 127(150). Grundsatzlich BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980-2 BvR 584, 598, 599, 604/76 ~ BVerfGE 56, 298 (314); OVG Ltineburg, Urteil vom 11.04.1986 - 6 C 17/83 - ZfBR 86, S. 287 (287). BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 329 (336) ) = DOV 93, 119 f. = NVwZ 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438; Pafilick, Ziele, S. 85.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

cher Relevanz wachst.282 Im Ergebnis dilrfte bereits der tiberortliche Charakter einer Planung im Regelfall die Rechtfertigung von Einschrankungen bewirken.283 Entscheidend ist, dass die Gesamtheit der auf die Kommune einwirkenden landesplanerischen Zielsetzungen in ihrer Dichte nicht dazu fuhrt, dass die Gemeinde im Rahmen ihrer Abwagung iiberhaupt keinen Spielraum mehr hat. Anders ausgedrilckt: Die Gemeinden diirfen nicht zum blofien Objekt iiberortlicher Gesamtplanung degradiert werden.284 Die Beschrankung auf iiberortliche Erfordernisse verhindert in diesem Zusammenhang, dass die Regionalplanung mittels Zielvorgaben die gemeindliche Planung vollstandig ersetzt. Grundsatzlich verbleibt auch im Rahmen stark konkretisierter Ziele die Umsetzung im konkreten Kontext Aufgabe der kommunalen Planung,285 obgleich die weitere Entwicklung scheinbar dahin geht, dass ein substantieller Raum fur eine konkretisierende Bauleitplanung jedenfalls im begrilndeten Ausnahmefall entbehrlich sein konnte.286 bb. Keine Reduktion des Konkretisierungsmaftstabes Der Auffassung, dass die Aufstellung von konkreten Zielen der Landesplanung fur den besiedelten Bereich generell nicht moglich ist,287 oder dass jede einzelne Zielfestlegung unbestimmt gehalten sein muss,288 ist deshalb eine Absage zu erteilen. Im Gegenteil, zur Wahrung iiberortlicher Interessen im besiedelten Bereich sind bereits stark konkretisierte Ziele nicht nur zulassig,289 sondern geradezu geboten. Hier miissen sich die Akteure der Landes- und Regionalplanung entscheiden: Wenn iiberortliche Belange nach einer zielformigen Steuerung des besiedelten Bereiches verlangen, so sind diese Belange durch konkrete Zielvorgaben gegenilber den Kommunen durchzusetzen. Unterstiltzung erfahrt die unbedingte Zielbindung durch den Charakter landesplanerischer Zielfestlegungen als ebenenspe-

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VerfGH N W , Urteil vom 09.02.1993 - 18/91, 2/92 - DVB1. 93, S. 428 (429 f.). So O V G N W , Urteil vom 19.11.1991 ~ 7 A 7 9 9 / 9 0 - U P R 92, S. 314 (316). Danach ist der gemeindliche Planungsspielraum bei landesplanerischen Vorgaben nur dann groBer zu bemessen, wenn ,,lediglich ortliche Interessen berilhrt" werden. Daraus geht hervor, dass, sofern nicht nur lediglich ortliche Interessen beruhrt, sondern in starkem Mafie iiberortliche Belange beeinflusst werden, eine Ausweitung des kommunalen Entscheidungsspielraums als Tribut an die gemeindliche Selbstverwaltung nicht notwendig ist. So ausdriicklich BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwG E 90, S. 329 (334) = D O V 93, 119 f. = N V w Z 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438 (1440); Hoppe, DVB1. 93, S. 686; Busse, BayVBl. 98, S. 299. Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 53 f. So, wenngleich kritisch, Hoppe, DVB1. 93, S. 687, in dortiger Fn. 44, in seiner Analyse von BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - Nachweis z.B. in Fn. 284. Ebenso Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 5 1 . In Abgrenzung zu O V G N W , Urteil vom 19.11.1991 - 7 A 799/90 - U P R 92, S. 314 (316) und Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 5 1 . So im Ergebnis jedenfalls auch BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 BVerwGE 90, S. 329 (337), D O V 93, 119 = N V w Z 93, 167 = DVB1. 92, S. 1439.

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zifische Letztentscheidung290. Eine relativ vage Formulierung als Tribut an die Selbstverwaltungsgarantie ist nach diesem Verstandnis ausgeschlossen, da eine solche weder mit der gesetzlichen Wertung in § 3 Nr. 2 ROG, noch mit dem Verbindlichkeitsanspruch der Ziele selbst vereinbar ware.291 Sollen demgegentiber iiberortliche Erfordernisse nicht strikt, sondern abwagungsoffen vermittelt werden, stellen dafiir Grundsatze, relative Vorrange und Vorbehaltsgebiete ein abgestuftes System dar, innerhalb dessen sich die beabsichtigten Bindungswirkungen individuell verwirklichen lassen.292 cc. Raumbedeutsamkeit als Korrektiv In die Beurteilung der Art und des Umfanges tiberortlich motivierter Eingriffe in die gemeindliche Planimgshoheit darf gleichfalls nicht unberiicksichtigt bleiben, dass durch die sachliche Beschrankung auf tatsachlich raumbedeutsame Vorhaben den Kommunen im innerortlichen Bereich bereits ein erheblicher Schutz erwachst. SchlieBlich entfalten die Ziele der Raumordnung und Landesplanung gemaB § 4 Abs. 1 S. 1 ROG nur dann Bindungswirkungen, wenn es sich um raumbedeutsame Vorhaben handelt. Der besiedelte Bereich hat insoweit ein hohes MaB an Vorstrukturierung erfahren. Die Raumbedeutsamkeit von Vorhaben innerhalb von Ortslagen dtirfte daher nur eingeschrankt gegeben sein, landesplanerisch wird dieser durch weitere bauliche Vorhaben haufig nicht mehr maBgeblich beeinflusst.293 Ist die Raumbedeutsamkeit hingegen zu bejahen, ist unter vorgenannter Argumentation ein planerischer Durchgriff der Landes- und Regionalplanung auf Teile des Gemeindegebiets moglich.294 Namentlich keine Rolle spielen fachgesetzliche Raumordnungsklauseln, die eine bodenrechtliche Wirkung von Zielen der Raumordnung begrunden sollen.295 Diese Transformationen dienen gesetzessystematisch nur der Wirksamkeit von Zielfestsetzungen gegeniiber Privaten oder bereits der Steigerung nach dem ROG bestehender Zielbindungen offentlicher Stellen296. In

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Grundlegend dazu Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 53. BVerwG, Beschluss v o m 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - B V e r w G E 90, S. 329 (333 f.) = D O V 9 3 , 119 = N V w Z 9 3 , 168 = DVB1. 92, S. 1440; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, S. 75, § 3 Rn. 16; Hoppe, DVB1. 93, S. 681 f. Vergleiche zur Gegenauffassung: OVG Munster, Urteil vom 19.11.1991 - 7 A 799/90 UPR92,314(316). Siehe dazu schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 B . BVerwG, Urteil v o m 11.02.1993 - 4 C 1 5 . 9 2 - D O V 9 3 , S. 914 (915) = DVB1. 93, S. 658 (660 f.) = N V w Z 93, S. 167. So im Ergebnis auch BVerwG, Beschluss v o m 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - B V e r w G E 90, S. 329 (335) = DOV 93, 119 = NVwZ93, 168 = DVB1. 92, S. 1440. Ebenso Schmidt-Afimann, DOV 81, S. 244; ders., in: VerwArch 71 (80), S. 136 f. Das ergibt sich schon aus § 4 I S. 1 ROG, der die vorhabenplanende 6'ffentliche Stelle direkt an die Ziele der Raumordnung bindet. Etwa durch § 1 Abs. 4 BauGB, wonach fur die Bauleitplanung als Teilbereich des Bodenrechts eine Regelung lex specialis getroffen ist, welche die Beachtenspflicht in eine Anpassungspflicht steigert. Vgl. dazu Halama, in: FS Schlichter, S. 201, m.w.N. und

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Bezug auf die Bindung der gemeindlichen Planungstrager an raumordnerische Vorgaben wird § 4 I ROG als unmittelbar geltende Norm297 prinzipiell dem verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt aus Art. 28 Abs. 2 S. 1, 2 GG gerecht, weitergehender bundesgesetzlicher Umsetzungsnormen bedarf es nicht.298

c. Ergebnis Zunachst ist als Zwischenergebnis zu konstatieren: Greifen landesplanerische Ziele in einen Teilbereich der innerortlichen kommunalen Planung dergestalt ein, dass aufgrund holier Konkretisierung nur ein sehr eingeschrankter Umsetzungsspielraum verbleibt, kann sich die Zulassigkeit aus dem jeweiligen Gewicht der iiberortlichen Erfordernisse ergeben.299 Voraussetzung ist eine entsprechende Beteiligung der Gemeinden.300 Demzufolge ist das Spannungsverhaltnis zwischen gemeindlicher Planungshoheit und uberortlicher Raumplanung auch im besiedelten Gemeindebereich grundsatzlich zugunsten einer umfassenden Bindung an landes- und regionalplanerische Zielfestlegungen zu losen. Die angestellten Uberlegungen erlauben nun auch Riickschliisse auf den zulassigen Genauigkeitsgrad landesplanerischer Zielvorgaben. Danach waren hochgradig aussagescharfe Zielfestlegungen dann rechtmaBig, wenn die Aufgabe der Raumordnung, die (iberfachliche und iiberortliche Ordnung und Entwicklung des Raumes, ohne dergestalt konkretisierte Vorgaben nicht durchsetzbar ware. Es ist daher weitgehend anerkannt, dass gemeinde- und teilweise auch gebietsscharfe Festsetzungen im Interesse des Erhalts und der Entwicklung der Raumstruktur gerechtfertigt sein konnen. Gebiets- und parzellenscharfe Festsetzungen lassen sich insbesondere dann durchsetzen, wenn sich die zu regelnden Belange an natiirlichen Gegebenheiten zu orientieren haben.301 So wird die Moglichkeit parzellen-

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Brohm, DVB1. 80, S. 656. Die unmittelbare Geltung des § 4 I ROG betrifft auf Ebene des Bodenrechts mithin nur planfreie Vorhaben. Dafur spricht die erweiterte Zielbindung auch auf Private im ROG 98, vgl. aber das Gegenargument bei Dtirr, in: Brilgelmann, BauGB, § 34 Rn. 49. In Bezug auf eine entbehrliche landesgesetzliche Umsetzung Koch/Hendler, Baurecht, S. 45 (Vorauflage). Halama, in: FS Schlichter, S. 201. BVerfG, Beschluss v o m 23.06.1987 - 2 BvR 8 2 6 / 8 3 - BVerfGE 76, S. 107 (119); BVerfG, Beschluss vom 07.10.1980 - 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 - BVerfGE 56, 298 (314); OVG Ltlneburg, Urteil v o m 11.04.1986 - 6 C 17/83 - ZfBR 86, S. 287 (287). Ebenso Pafilick, Ziele, S. 84; vgl. auch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 47. Fur eine dementsprechende Wirkung spricht auch der Terminus des Planungsleitsatzes als starkste Form der Planbindung, vgl. Schrodter, in: SchrSdter, BauGB, § 1 Rn. 47, 76 undBVerwG, Beschluss vom 20.08.1992-4NB 20.91 -BVerwGE 90, S. 329(335). Die Bindungswirkungen fur die Gemeinden entstehen erst, wenn diese an der Aufstellung der Ziele beteiligt worden sind. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 2 0 . 9 1 - BVerwG E 90, S. 329 (333 f.) = D O V 9 3 , 119 f. = N V w Z 9 3 , 168 f. DVB1. 92, S. 1439. Siehe weiter Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 48a. Weitere Nachweise in Fn. 219. BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 NB 20.91 - BVerwG E 90, S. 329 (336) = DOV 93, 119 f. = NVwZ 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438 (1440); Pafilick, Ziele, S. 84;

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

187

scharfer Festsetzungen fur ortsgebundene Positivplanungen weitgehend bejaht302, sofern ubergemeindliche Auswirkungen die ortlichen Aspekte iiberwiegen303. Anerkannt ist die Rechtfertigung u.a. fur Talsperren und Kernkraftwerke.304 Zum gleichen Ergebnis kommt man bei standortgebundenen Unterlassungsplanungen in unbesiedelten Bereichen, wie die von Qkologischen Vorranggebieten. Auch diese sind an bestimmte landschaftliche und naturraumliche Gegebenheiten gebunden,305 die entsprechend konkrete Festlegungen bereits auf Ebene der Landes- und Regionalplanung notwendig werden lassen.306 Gleiches muss dann auch fur gebiets- oder parzellenscharfe Negativplanungen307 innerhalb oder in der unmittelbaren Nahe des besiedelten Bereiches gelten, die aus situationsbedingten Griinden308 erforderlich sind. Aufgrund der bereits beschriebenen hohen Bedeutung des vorbeugenden Hochwasserschutzes konnten solche Flachen von der Landes- und Regionalplanung entsprechend konkret festgesetzt werden.

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Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 7 3 ; Spieker, Raumordnung, S. 71 f. In dieser Richtung auch Halama, in: F S Schlichter, S. 218 ff. Nachweise bei Gierke, in: Briigelmann, B a u G B , § 1 Rn. 4 1 5 ; Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 39; Pafilick, Ziele, S. 90 (,,situationsbedingte Parzellenscharfe"); Spiecker, Rauomordnung, S. 71 f.; Folkerts, Raumordnungsziele, S. 83; Christ, Raumordnungsziele, S. 20. Insgesamt kritisch, primar i m Hinblick a u f Gliederungs- u n d Entwicklungsschwerpunkte: Schmidt-Afimann, VerwArch 71 (80), S. 136 f; kritisch wohl auch Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- u n d Landesplanungsrecht, Rn. 54. Ahnlich Schrodter, B a u G B , § 1 Rn. 49. Schmidt-Afimann, DOV 8 1 , S. 244. So etwa Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 39. Halama, in: F S Schlichter, S. 220; Schmidt-Afimann, D O V 8 1 , S. 245. Deren Zulassigkeit wird von Wahl, Festlegungen, in: H o p p e et al., Verwirklichung, S. 73 mangels Bezug z u m innerortlichen Bereich problemlos angenommen. Der Begriff der Negativplanung darf hier nicht in seiner Bedeutung als Verhinderangsplanung verstanden werden, die unzulassig ware. Siehe BVerwG, Urteil v o m 06.10.1989 - 4 C 28.86 - ZfBR 90, S. 41 (42 f.). Negativplanungen im hier gemeinten Sinne stellen auf die Erhaltung des gegebenen Zustandes in Bezug auf die Freiraumstruktur ab u n d sollen nur die geringere Schwere von Eingriffen in die gemeindliche Planungshoheit im Verhaltnis zu aktiven Positivplanungen verdeutlichen. Tatsachlich ist die Bewahrung von Freiflachen immer auch okologisches Anliegen und sollte durch entsprechende Gebietskategorien in den Raumordnungsplanen gesichert werden. D e r Erhalt okologischer Freiflachen mit planungsrechtlichen Instrumenten stellt dann gerade keine unzulassige Negativplanung dar. Vgl. fur die Bauleitplanung B a y V G H , Urteil v o m 03.03.1998 - 27 N 93.3748 - (92/98) - AgrarR 99, S. 99 (100). Vergleiche dazu BVerfG, Beschluss vom 23.06.1987-2 BvR 826/83 - BVerfGE 76, S. 107 (123) und BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 ~ 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, S. 229 (336) = DOV 93, 119 f. = NVwZ 93, 168 f. = DVB1. 92, S. 1438; Spieker, Raumordnung, S. 72.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

4. Fazit Zusammenfassend lasst sich feststellen: Die kommunale Planungshoheit lasst sich zur Durchsetzung der Belange ernes vorbeugenden Hochwasserschutzes durch Ziele der Raumordnung wirksam einschranken. Der verfolgte Zweck ist in der Regel von iiberortlichen Erfordernissen gedeckt. Die Instrumente der Landesplanung konnen in diesem Zusammenhang grundsatzlich als geeignet, erforderlich und angemessen angesehen werden, um Freiraumstrukturen gegeniiber der ortlichen Planung zu sichern und zu entwickeln.309 Dabei hangt die Bindungswirkung landesplanerischer Ziele nicht davon ab, ob eine bodenrechtliche Transformation durch fachgesetzliche Vorgaben erfolgte. Insoweit steht die kommunale Planungshoheit der Beeinflussung raumbedeutsamer Vohaben im besiedelten Bereich, prinzipiell bis hin zum unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB, nicht entgegen. Entscheidend ist alleinig die tatsachliche Bedeutung der Ziele zur Verwirklichung uberortlicher Erfordernisse und ihr dementsprechender Konkretisierungsgrad. Damit konnen gerade auch okologische Zielfestlegungen in Raumordnungsplanen entsprechend ihrem status quo sichernden Charakter wirksam gegentiber der kommunalen Planungshoheit geltend gemacht werden. Die sich hier ergebenden inhaltlichen Impulse fur eine Siedlungssteuerung im Sinne eines alternativen Kiistenschutzkonzeptes sind bei weitem noch nicht ausgeschopft.310 Dazu mtissen bereits auf Ebene der hochstufigen Landesplanung unter Berilcksichtigung des landesilbergreifenden erhohten Rahmencharakters verbindliche Regelungen getroffen werden, die die wesentlichen Schwerpunkte gegentiber der Regionalplanung setzen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Grundziige der Landesplanung ihre Verwirklichung in situ tatsachlich erreichen.311 Kritisch ist in diesem Zusammenhang das in § 1 Abs. 3 ROG verankerte Gegenstromprinzip zu betrachten. Die bisher verfolgte Kompromissstrategie insbesondere zwischen Regionalplanung und kommunaler Planung fuhrt dazu, dass schon bei Aufstellung von Regionalplanen die kommunalen Planungsvorstellungen weitgehend aufgegriffen und regionalplanerisch nachgezeichnet werden. Dies gilt im besonderen MaBe in Landern, in denen die Regionalplanung kommunalen Planungsverbanden obliegt.312 Treten tatsachlich einmal kontroverse Zielvorstellungen auf, ist ein Verlassen der Kompromisstrategie politisch schwer vermittel309 310

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Dazu austihrlich Appold, Freiraumschutz, S. 59 ff. Siehe dazu insbesondere 2. Kapitel § 8 . Hingewiesen sei darauf, dass bei der Vorbereitung und Anderung von Raumordmmgsplanen nach § 64 I LNatG M-V die anerkannten Naturschutzverbande zu beteiligen sind. Vgl. dazu m.w.N. Wilrich, N u R 00, S. 679. Die fachlichen Voraussetzungen fur eine Beriicksichtigung auch okologischer Belange sind nicht zuletzt dadurch eroffhet. Die Gewahrleistung einer okologischen Entwicklung durch das System der Raumordnung mit erheblichen Argumenten insgesamt kritisch betrachtend, auch im Hinblick auf die Reform des R O G 98: Czybulka, Vorrangflachen, S. 172. Dies gilt u m so mehr in Mecklenburg-Vorpommern, w o die Regionalplanung von kommunalen Verbanden ubernommen wird.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

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bar.313 Das Gegenstromprinzip sollte daher nicht als Rechtsprinzip, sondern lediglich als ein auf Kompromissfmdung ausgerichteter Programmsatz betrachtet werden.314 Diesem sollte schwerpunktmaBig durch Beteiligungsrechte der Gemeinden Gehor verschafft werden, materielle Mitwirkungsrechte hingegen auf erhebliche Eingriffe in die Planungshoheit beschrankt werden.315 Sofern auf Ebene der Landesplanung (und erst recht bei der Regionalplanung) zuviel Anpassungspielraum gelassen wird, besteht nicht nur die Gefahr, dass die Vorgaben ins Leere laufen, sondern dass der Konfiikt zwischen Kiistenschutz, Naturschutz und den Siedlungsinteressen auch im gemeindlichen Planungsprozess nicht gelost wird.316 Im Verlaufe der vorstehenden Erorterung ist deutlich geworden, dass, sofern mit Planungen und MaBnahmen iiberortliche und raumbedeutsame Wirkungen verbunden sein konnen, eine Bindung der kommunalen Stellen an die Vorgaben der Raumordnung unerlasslich ist, will man eine Raumordnung, die tatsachlich in der Lage ist, den Raum zu ordnen. Gleichzeitig zeigt die unverminderte Zersiedelung der Landschaft durch Planungen und Vorhaben der Gemeinden die Unzulanglichkeit des bisherigen rechtlichen Verstandnisses und wohl auch den mangelnden politischen Willen, eine effektive Steuerung der Raumfunktionen zu bewerkstelligen. Entweder gelingt der Raumordnung, insbesondere mit Hilfe der durch das ROG 98 geanderten Rahmenbedingungen, kiinftige Raumnutzungen gegeniiber den Kommunen im Verstandnis der Nachhaltigkeit zu beeinflussen, oder Raumordnung und Landesplanung stagnieren weiter auf dem Niveau rechtlich mehr oder weniger verbindlicher Absichtserklarungen. Eine nachhaltige Raumentwicklung mit einer Verbesserung der okologischen Situation ist dann allerdings nicht zu erwarten. Insoweit fuhrt, bei aller Betonung konsensualen Handelns,317 kein Weg an einer auch administrativ in die kommunale Planungstatigkeit hineinwirkenden Landes- und Regionalplanung vorbei.

///. Raumordnerische Zielbindungen 1. Das bisherige Verstandnis Nach wohl vorherrschendem Verstandnis soil Zielen der Raumordnung als planerischen Letztentscheidungen aus kompetenziellen und adressatenbedingten Griinden keine unmittelbare bodenrechtliche Wirkung zukommen.318 Bei der raumord313 314 315 316 317 318

David, in: Jenkins, Raumordnungspolitik, S. 90. David, in: Jenkins, Raumordnungspolitik, S. 90. Vergleiche Fn. 219. So bereits fur das Themenfeld Naturschutz-Erholung: Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 132. Siehe etwa die IKZM-Defmition von Lampe, Nachweis bei Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 685. G.h.M.: BVerwG, Urteil vom 20.01.1984-4 C 43.81 - BVerwGE 68, S. 311 (313 £); Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 5; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 25; Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 272; Hoppe, in: FS Weyreuther, S. 89 f.; Weidemann, NVwZ 83, S. 443; Hoppe/Grotefels, Offentliches

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

nerischen Zielbindung im § 4 Abs. 1 ROG soil es sich um eine Blankettnorm handeln, die erst durch Ausfullung in den Fachgesetzen inhaltlich an Kontur gewinnen kann; deshalb bedtirfe die bodenrechtliche Wirksamkeit raumordnerischer Ziele zwingend eines Umsetzungsaktes. Damit ware es Raumordnungszielen verwehrt, private Planungstrager bei Bodeninanspruchnahmen direkt zu beeinflussen.319 Sofern ein gesetzlich festgeschriebener direkter Durchgriff in Form einer Raumordnungsklausel nicht besteht, konne die Umsetzung nur durch Bebauungsoder Fachplane erfolgen.320 Bereits seit langerem wird die mangelnde Bodenrelevanz und deren Folge, die Beschrankung von Zielbeachtenspflichten auf offentliche Stellen, bezweifelt.321. Die nur selektive Bindung bestimmter Adressaten stunde dem Anspruch eines umfassenden, alle Planungen und Vorhaben erfassenden Planungssystems diametral entgegen.322 Lediglich mittelbare Koppelung privater Vorhaben ilber fachgesetzliche Normen sowie die zusatzliche Moglichkeit weitreichender Freizeichnungen lassen sich mit den Anforderungen an ein durchsetzungsfahiges Planungssystem, gerade auch vor den Anforderungen eines IKZM, nicht vereinbaren.323 Gerade im Ktistenbereich besteht die Gefahr, dass die Errichtung von Einzelvorhaben an ungeeigneten Stellen nicht nur mit landschaftsasthetischen Beeintrachtigungen verbunden ist, sondem angesichts der kustendynamischen Prozesse Eingriffe heraufbeschworen konnen, die weit iiber das hinausgehen, was die Errichtung der baulichen Anlage selbst mit sich bringt. In der Folge ware die Verwirklichung der dem Planungssystem zugrundeliegenden Planvorstellungen gefahrdet. Im Interesse eines effektiven Planungssystem ist daher eine moglichst umfangliche Bindung an die Ziele der Landes- und Regionalplanung gefragt. Deswegen soil im Folgenden untersucht werden, inwieweit sich aus der Neuregelung der Bindungswirkun-

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Baurecht, § Rn. 17; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 67; Vgl. auch Runkel, UPR 97, S. 97, S. 3. A.A. wohl Jade in: Jade/Dirnberger/Weiss, BauGB, § 35 Rn. 212, der zutreffend von einer normativen Geltung der Ziele der Raumordnung ausgeht, die daher einer Geltungsvermittlung durch das Bauplanungsrecht generell nicht bediirfen. Bedeutsam wird diese Ansicht bei gebundenen Genehmigungsentscheidungen, sofern keine fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln eingreifen. Vgl. auch Hartwig, NVwZ 85, S. 10. Die h. A. bereits seit Jahren mit berechtigten Argumenten kritisierend: Bliimel, DVB1. 77, S. 317 ff.; ders. VerwArch 84 (93), S. 135 ff. SieheFn. 318. Siehe etwa Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 5; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- u n d Landesplanungsrecht, Rn. 25; Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 272; Hoppe in: F S Weyreuther, S. 89 f; Weidemann, N V w Z 83, S. 443; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § Rn. 17; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 67. M i t unterschiedlichen Begrilndungen, vgl. z.B. Jade, in: Jade/Dirnberger/Weiss, BauGB, § 35 Rn. 212, Hartwig, N V w Z 85, S. 10; Bliimel, DVB1. 77, S. 317 ff; ders., VerwArch 84 (93), S. 135 ff; Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 195; ders., IKZM, ZfgW 00, S. 689. Exemplarisch Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 195. So auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 689.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

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gen von Zielen der Raumordnung Impulse fur eine Starkung der Landes- und Regionalplanung ergeben konnen.

2. Die geltende Rechtslage Die Neuregelung des § 4 ROG erweitert die raumordnerische Zielbindung in zweifacher Weise. Zunachst unterfallen nicht mehr nur die offentlichen Planungstrager der Zielbeachtenspflicht,324 sondern alle offentlichen Stellen. Dariiber hinaus wird die Beachtenspfiicht gemaB § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG auch auf bestimmte private Vorhabentrager ausgeweitet.

a. Bindung offentlicher Stellen nach § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 ROG Ziele der Raumordnung und Landesplanung sind gemaB § 4 Abs. 1 S. 1 ROG bei alien Entscheidungen iiber raumbedeutsame Planungen und Maflnahmen offentlicher Stellen zu beachten. Damit sind alle raumbedeutsamen Planungen der offentlichen Hand und alle raumbedeutsamen MaBnahmen, die von offentlichen Stellen durchgefuhrt werden, von der Zielbindung erfasst. Unter Planungen und MaBnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG sind zunachst solche Tatigkeiten zu verstehen, die eine offentliche Stelle in Wahrnehmung eigener Aufgaben durchfuhrt,325 sowie Entscheidungen, die eine offentliche Stelle iiber die Zulassigkeit eigener MaBnahmen oder Planungen fallt.326 Demgegeniiber soil der Regelungsgegenstand von § 4 Abs. 1 S. 1 ROG keine irgend gelagerten behordlichen Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen oder andere Kontrollvorgange umfassen.327 Damit ware § 4 Abs. 1 S. 1 ROG nur anwendbar bei originaren Entscheidungen der Behorden selbst uber die Zulassigkeit eigener raumbedeutsamer Vorhaben, d.h. bei Identitat von planender oder ausfuhrender und genehmigender Behorde. Ob auch behordliche Zulassungsentscheidungen iiber von anderen offentlichen Stellen durchgefuhrte raumbedeutsame Planungen oder MaBnahmen von § 4 Abs. 1 S. 1 ROG erfasst sind,328 verlangt an dieser Stelle keiner Erorterung,329 da Zulassungsentscheidungen iiber offentliche Planungen oder MaBnahmen nunmehr ausdrucklich durch § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG als raumbedeutsame Mafinahmen bezeichnet werden.330 Im Ergebnis wird durch § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG klargestellt, dass nicht nur die planende offentliche Stelle, sondern auch jede iiber die

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Vergleiche § 5 Abs. 4 i.V.m. §§ 4 V, 3 Abs. 3 R O G 93. Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 73 ff. 326 Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 109. 327 Exemplarisch fur die wohl g. h. A. Grootehorst, D O V 86, S. 4 2 1 ; m.w.N., a.A. Hartwig, N V w Z 85, S. 9, beide allerdings zur alten Rechtslage. Z u m geltenden Recht Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 107, 110. Siehe dazu auch ausflihrlich 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b. aa. 328 Vergleiche zustimmend nur Hartwig, NVwZ 85, S. 9. 329 Diese Thematik spielt hingegen im Rahmen der Bindung Privater eine erhebliche Rolle. siehe dazu insbesondere 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b. aa. 330 Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 95. 325

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Zulassigkeit der MaBnahme entscheidende Behorde einer Zielbeachtenspflicht unterworfen wird.331

b. Mittelbare Bindung Privater nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG aa. Zulassungsentscheidungen als raumbedeutsame Mafinahmen Filr die Beurteilung von Zielbindungen Privater ist zunachst notwendig, den sachlichen Bedeutungsgehalt der raumbedeutsamen Planungen und MaBnahmen zu klaren. Zielbindungen mit Wirkung gegeniiber Privaten kame man, ungeachtet spezieller Normen, dann naher, wenn die in § 4 Abs. 1 S. 1 ROG genannten MaBnahmen der offentlichen Hand auch Zulassungsentscheidungen tiber private raumbedeutsame Vorhaben umfassen wiirden.332 Dazu mtissten die behordlichen Entscheidungen tiber die Zulassigkeit von Vorhaben zunachst als raumbedeutsame MaBnahmen i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 1 ROG defmiert werden.333 Zuerst ist festzustellen, dass behordliche Entscheidungen prinzipiell als raumbedeutsame MaBnahmen gemaB § 4 Abs. 1 S. 1 ROG eingeordnet werden konnen. Dies ist anerkanntermaBen der Fall, wenn die planende oder ausfuhrende Behorde mit der genehmigenden Stelle identisch ist.334 Dann namlich soil sich die Zulassungsentscheidung als raumbedeutsame MaBnahme nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG beurteilen.335 Deutlicher wird dieses Verstandnis nunmehr aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG. Danach werden nicht nur das Vorhaben selbst, sondern auch alle behordlichen Entscheidungen ilber die rechtliche Zulassigkeit eines raumbedeutsamen Vorhabens offentlicher Planungstrager einer Zielbindung nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG unterworfen. Insoweit korrespondiert die Zielbeachtenspflicht der Genehmigungsbehorde nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG mit der Zielbeachtenspflicht der planenden offentlichen Stelle nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG.336 Die Bindung betrifft nicht nur bauaufsichtsrechtliche Zustimmungsverfahren, sondern auch alle gebundenen Entscheidungen nach Fachgesetzen ohne Raumordnungsklausel.337 Als Zwischenergebnis deutet somit viel darauf hin, dass behordliche Zulassig-

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Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 110; Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 95. So jedenfalls Hartwig, N V w Z 85, S. 9. Demgegenuber ablehnend die wohl g. h. A., vgl. die Nachweise in Fn. 320 sowie Pafilick, Ziele, S. 187 ff.; Spiecker, Raumordnung, S. 113 und Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 73 ff. Ausdriicklich offenlassend Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 95. An dieser Stelle sei angemerkt, dass tiber die Einordnung behordlicher Entscheidungen tiber die Zulassigkeit privater Vorhaben als raumbedeutsame MaBnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 R O G noch nichts fiber die kompetenzielle Rechtmafiigkeit einer etwaigen Zielbindung ausgesagt werden soil. So aber missverstandlich Pafilick, Ziele, S. 187 ff. in Kritik zu Hartwig, N V w Z 85, S. 9. Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 109. Siehe dazu 2. Kapitel § 7 C. III. 2. a. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 146. Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 52.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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keitsentscheidungen prinzipiell auch raumbedeutsame Maflnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG sein konnen. Etwas anderes konnte nur dann gelten, wenn durch § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG lediglich die Zielbeachtungspflicht ausgedehnt werden sollte, ohne hingegen die behordlichen Entscheidungen selbst als raumbedeutsame MaBnahmen zu qualifizieren. Ein solches Normverstandis begegnet jedoch Zweifeln. Offensichtlich handelt es sich bei der Beachtenspflicht aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG nur um eine klarstellende Regelung338 in der Absicht, nunmehr das Verhaltnis von raumbedeutsamem Vorhaben und dessen behordlicher Genehmigung einheitlich zu gestalten.339 Insoweit ist § 4 Abs. 1 S. 1 ROG als generelle Regelung zu verstehen, wahrend sich die Konstellationen in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ROG als Unterfalle darstellen.340 Regelungszweck von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG ware folglich nicht eine isolierte Ausdehnung der Zielbindung, sondern die systematische Einordnung behordlicher Zulassungsentscheidungen iiber raumbedeutsame MaBnahmen in das grundsatzliche System der raumbedeutsamen Planungen und MaBnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG. Diese Auslegung wird durch den Wortlaut des § 4 Abs. 4 S. 1,2 ROG gestiitzt. Die Regelungen legen die Berucksichtigungspflicht der Erfordernisse der Raumordnung (Ziele, Grundsatze, sonstige Erfordernisse) bei alien Formen der Entscheidungen (Genehmigungen, Planfeststellungen und sonstige behordliche Entscheidungen) iiber die Zulassigkeit von MaBnahmen Privater nach MaBgabe des Fachplanungsrechts fest. Ausnahme bleiben die von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG erfassten Falle. Der Verweis auf das Fachplanungsrecht wiirde materiell nur dann einen Sinn ergeben, wenn die Planungen und MaBnahmen ohne den entsprechenden Verweis keiner Berucksichtigungspflicht unterfielen. Durch fachgesetzliche Raumordnungsklauseln (und die meint § 4 Abs. 4 S. 1, 2 ROG) folgt jedoch seit jeher die Koppelung an die Erfordernisse der Raumordnung. Der materielle Regelungsgehalt von § 4 Abs. 4 S. 1, 2 ROG muss folglich in einer anderen Bedeutung zu suchen sein. Eine solche ergibt sich nur, wenn die in Frage stehenden behordlichen Entscheidungen ohne diesen Verweis einer Zielbindung unterfielen, die vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt ist. Diese (nicht gewollte) Zielbindung kann fur andere als in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG genannte Planfeststellungen und Plangenehmigungen aber nur aus § 4 Abs. 1 S. 1 ROG folgen. Eine derartige Bindung gelange indes nur, wenn die in Rede

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B/R/S, J 630, Anm. 3. 2; Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 15. Unterschieden werden soil nur nach den Erfordernissen der Raumordnung (Ziele, Grundsatze und sonstige Erfordernisse) und den Verpflichteten (offentliche Stellen, offentliche Aufgaben wahrnehmende Private und Private an sich), vgl. BTDrs. 13/7589, S. 22. Dementsprechend durfte es auf die Unterscheidung von raumbedeutsamen Mafinahmen und Zulassungsentscheidungen wohl nicht ankommen. So ausdriicklich Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 52 f.; ahnlich Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 15. A.A. offenbar Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 109 ff.; Spiecker, Raumordnung, S. 113.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplammg

stehenden Zulassungsentscheidungen gleichfalls raumbedeutsame MaBnahmen i. S. v. § 4 Abs. 1 S.I ROG darstellen wiirden. Waren hingegen von § 4 Abs. 1 S.I ROG die in § 4 Abs. 4 S. 1 ROG genannten Zulassungsentscheidungen nicht erfasst, ginge der Verweis auf das Fachplanungsrecht ins Leere, da sich die Berucksichtigungspflicht von nicht durch § 4 Abs. 1 ROG erfasste Entscheidungen sowieso und wie bisher schon aus dem Fachplanungsrecht ergibt.341 Unter der Pramisse, dass § 4 Abs. 4 S. 1 ROG eine materielle Privilegierung von raumordnerischen Zielbindungen gewahren soil und in Bezug auf die Zielbeachtenspflicht den Regelungsgehalt nicht verliert, ist davon auszugehen, dass die in § 4 Abs. 1 S. 1 ROG genannten raumbedeutsamen Mafinahmen grundsatzlich alle behordlichen Entscheidungen iiber die Zulassigkeit raumbedeutsamer Vorhaben, auch solche Privater, umfassen. Damit sind alle behordlichen Entscheidungen uber die Zulassigkeit raumbedeutsamer Vorhaben offentlicher Stellen ebenfalls als raumbedeutsame MaBnahmen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 ROG zu klassifizieren. Dafur spricht uberdies der Sinngehalt von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG. Wenn einfache Genehmigungen uber die Zulassigkeit raumbedeutsamer MaBnahmen von offentlichen Stellen MaBnahmen im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 1 ROG sein konnen, muss dies prinzipiell auch fur Genehmigungen zugunsten Privater gelten.342 Es kann fur die Beurteilung einer MaBnahme als raumbedeutsam nicht darauf ankommen, wer diese durchfuhrt. Die Beachtenspflicht wird damit lediglich insoweit eingeschrankt, als dass offentliche Stellen in anderen als den dort aufgenommenen behordlichen Akten die Ziele der Raumordnung jedenfalls nicht nach § 4 Abs. 1 ROG zu beachten haben. Hier korrespondiert die Zielbeachtenspflicht der offentlichen Stelle zwar nicht mehr mit der eines privaten Vorhabentragers.343 Uber die Eigenschaft der behordlichen Entscheidung als raumbedeutsame MaBnahme kann dieser Ausnahme hingegen nichts entnommen werden. Von § 4 Abs. 1 S. 1 ROG werden so prinzipiell alle Genehmigungen, Planfeststellungsbeschlusse und andere Gestattungen erfasst. Unter raumbedeutsamen MaBnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG sind daher im Ergebnis alle raumbedeutsamen Einzelakte Qffentlicher Stellen zu verstehen.344 Deshalb kann aus der Beschrankung der mittelbaren Zielbindung gegeniiber Privaten auf Planfeststellungen und Genehmigungen mit der Wirkung einer Planfeststellung gemaB § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG nicht der Schluss gezogen werden, dass andere Zulassungsentscheidungen gegeniiber Privaten keine raumbedeutsamen MaBnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG waren. Beachtenspflichten lassen sich 341 342

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Folgerichtig halt Dyong, in: Cholewa et al., ROG, § 4 Rn. 33, mit der a.A. § 4 Abs. 4 S. 1 R O G denn auch fur ttberflussig. Hier bietet sich der Vergleich zur baurechtlichen Nachbarklage an. Verletzt eine Baugenehmigung nachbarschutzende Normen, so wird bereits mit Erteilung der Genehmigung und nicht erst mit Baubeginn in die Rechte des Nachbarn eingegriffen. Vgl. dazu Hartwig, N V w Z 85, S. 10. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 146. Hartwig, N V w Z 85, S. 9.

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angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 4 Abs. 4 S. 1, 2 ROG daraus jedoch nicht herleiten. Im Ergebnis legen die beiden Unterfalle des § 4 Abs. 1 S. 2 ROG mithin nicht fest, welche behordlichen Entscheidungen als raumbedeutsame MaBnahmen zu qualifizieren sind, sie bestimmen allerdings den Umfang der konkreten Beachtenspflichten. bb. Die mittelbare Zielbindung Privater im Einzelnen Fur private Adressaten bestimmt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG abschlieflend den Umfang raumordnerischer Zielbeachtenspflichten. Danach haben offentlichen Stellen bei Planfeststellungen oder Genehmigungen mit der Rechtswirkung einer Planfeststellung tlber die Zulassigkeit raumbedeutsamer MaBnahmen von Personen des Privatrechts die Ziele der Raumordnung zu beachten. Die Zielbindung wurde auf diesem Wege personell erweitert und erstmals auf private Vorhabentrager ausgeweitet. Damit konnen Ziele der Raumordnung auch Privaten lediglich mit Verweis auf § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG entgegengehalten werden.345 Der Durchgriff gilt gemaB § 4 Abs. 4 S. 2 ROG unabhangig von fachgesetzlichen Transformationsnormen. Damit sind alle planfeststellungs- oder plangenehmigungspflichtigen Vorhaben Privater nunmehr zusatzlich zu den bestehenden Zulassungsvoraussetzungen einem Planungsvorbehalt unterworfen.346 Die damit einhergehenden Wirkungen auf die Freiheitsgrundrechte der potentiell Betroffenen lassen deshalb bereits auf Ebene der Landes- und Regionalplanung eine Berucksichtigung individueller Freiheitgrundrechte notwendig werden.347 Die Intensitat der Beeinflussung privater Vorhabentrager findet folglich ihre Grenze, sofern in diese Rechte unverhaltnismSBig eingegriffen wurde. Bisher wurde die Notwendigkeit einer Transformation damit begriindet, dass Ziele der Raumordnung privaten Vorhabentragern direkt nicht entgegengehalten werden konnen.348 Der Gesetzgeber hat sich zutreffend entgegen dieser Auffassung dafur entschieden, dass die planfeststellende Behorde als Trager einer Abwagungsentscheidung auch an gesetzlich ermachtigte Planungsleitlinien gebunden ist.349 Die Bindung behordlicher Entscheidungen ilber Vorhaben Privater an die

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Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 96; Spiecker, Ziele, S. 129; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 153, 165 f.; ders., NuR 98, S. 451. Vorsichtig, noch zur alten Rechtslage, Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 33 (Vorauflage). Siehe auch im 3. Kapitel § 10 und dort Fn. 529. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 33 (Vorauflage). Mit der Bindung Privater an die Ziele der Raumordnung ist die Notwendigkeit einer Beteiligung zumindest derjenigen Personen verbunden, die nach Aufstellung der Ziele von ihnen betroffen waren. vgl. Weidemann, NVwZ 83, S. 443. Diesem Anspruch wird durch die Anweisungsnorm des § 7 V ROG Rechnung getragen, siehe dazu ausfuhrlich Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnungsrecht, S. 80. Vergleiche Fn. 318. Runkel, NuR 98, S. 451. Kompetenzrechtlich ergibt sich das zum einen aus einer Zustandigkeit kraft Natur der Sache zur Bestimrmmg der Rechtswirkungen der verschie-

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Ziele der Raumordnung aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG zieht nunmehr eine bodenrechtliche Wirkung nach sich, die mit der von Transformationsklauseln im Wesentlichen vergleichbar ist.350 Eine Bindung ergibt sich faktisch aus der Beachtenspflicht der iiber die Zulassigkeit entscheidenden Behorde. Auch fachgesetzliche Raumordnungsklauseln manifestieren sich dem Einzelnen gegeniiber regelmaBig erst in Form konkreter Behordenentscheidungen. Insofern erzeugen Raumordnungsziele ihren bodenrechtlichen Einfluss erst uber die Beeinflussung behordlicher Entscheidungen, etwa bei der Erteilung von Baugenehmigungen im AuBenbereich ilber § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB.351 Insoweit ist ihre Wirkung mit der von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG vergleichbar.352 Die Wirkungsweise kongruiert hingegen nicht vollstandig mit fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln. Durch § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB wird der private Vorhabentrager subjektiv an die Ziele der Raumordnung gebunden, wahrend § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG fur den Privaten selbst keine direkten Beachtenspflichten erzeugt. Das Raumordnungsrecht bindet uber die Behorde sozusagen nur das Vorhaben direkt, nicht aber dessen privaten Trager. Insoweit begrundet § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG eine originare Zielbeachtenspflicht der Planfeststellungsbehorde, die im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG nicht mit einer Zielbeachtenspflicht des privaten Mafinahmetragers korrespondiert.353 Im Ergebnis stellt sich § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG dennoch als self-executing dar. Die Norm selbst transformiert raumordnerische Belange zu einer zwar nicht unmittelbaren und finalen, so aber zu einer faktischen bodenrechtlichen Wirkung, die den einzelnen iiber die behordliche Zulassigkeitsentscheidung bindet.354 Damit

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dener Planungen (im Einzelnen strittig) und zum anderen aus der Kompetenz zur Regelung des jeweiligen Fachrechts. Vgl. dazu BTDrs. 13/7589, S. 23. Insoweit hat der Gesetzgeber die ihm zustehende Befiignis zur Verankerung von Raumordnungsklauseln in den Fachgesetzen auf die Ebene der Raumordnung ,,gehoben". Siehe dazu auch Spiecker, Ziele, S. 129 f. (,,vor die Klammer gezogene Raumordnungsklausel"). Hier allerdings inkonsequent Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 154. Obwohl Runkel, a.a.O., Rn. 24 einen bodenrechtlichen Durchgriff entschieden ablehnt, gesteht er a.a.O., Rn. 154 der Regelung des § 4 I S. 2 Nr. 2 R O G einen § 35 III S. 2 Hs. 1 BauGB vergleichbaren Gehalt zu, und zwar in materieller Hinsicht. Da § 35 III S. 2 Hs. 1 BauGB gemeinhin als Transformationsnorm verstanden wird, welche den Zielen der Raumordnung bodenrechtliche Wirkung verleihen soil, ergabe sich genau diese Wirkung nach Auffassung Runkels, a.a.O., Rn. 154 nunmehr auch fur § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG. Damit wird die bodenrechtliche Wirkung von Zielen der Raumordnung aber faktisch bejaht. Grundsatzlich, wenngleich zu § 5 Abs. 4 R O G a.F.: Bliimel, VerwArch 84 (93), S. 135. Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 97; Spiecker, Ziele, S. 129 f. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 146. Im Ergebnis ahnlich und insoweit zutreffend bereits schon zur alten Rechtslage: Bliimel, VerwArch 84 (93), S. 135; ders., DVB1. 77, S. 317 ff. A.A. Goppel, BayVBl. 98, S. 290, der trotz ausdrilcklicher Anerkennung der Beachtenspflicht weiterhin eine direkte Bindungswirkung fur den einzelnen verneint. Ebenso Dyong, in: Cholewa et al.,

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wirkt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG direkt, da keine weitere gesetzliche Transformation notwendig ist, und mittelbar, da die Bindung ilber eine Behordenentscheidung erfolgt. AuBerhalb der in § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG erfassten Falle nimmt sich die Koppelung privater Vorhaben an die Ziele der Raumordnung auBerst schwach aus. So bestimmt die gesetzgeberische Einschrankung des § 4 Abs. 4 S. 1 ROG, dass bei alien Gestattungen zugunsten Privater, die nicht unter § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG fallen, die Erfordernisse der Raumordnung nur nach MaBgabe der fur die Entscheidung relevanten fachgesetzlichen Bestimmungen lediglich zu beracksichtigen sind. Damit werden nicht nur alle Zielbeachtenspflichten der fachgesetzlichen Disposition iiberlassen, sondern auch die geringeren Berucksichtigungspflichten.355 Insoweit hat sich das Raumordnungsrecht in diesen Fallen in die voile Abhangigkeit des Fachrechts begeben. Im Interesse der Rechtsklarheit und einheitlichkeit ware es demgegeniiber wilnschenswert gewesen, wenigstens die Berucksichtungspflichten einheitlich auszugestalten und so das Raumordnungsrecht tendenziell zu starken.356

3. Erweiterte Zielbindungen de lege ferenda ? Nachdem nunmehr erstmalig eine Bindung privater Vorhabentrager an die Ziele der Raumordnung im ROG kodifiziert wurde, stellt sich die Frage, ob sich Beachtenspflichten auch fur weitere, bisher nicht von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG erfasste Falle, etwa im Bereich des Bodenrechts, begriinden lassen. Diese Uberlegungen sind insbesondere fur die Durchsetzung eines IKZM mit Hilfe des tradierten Planungssystems interessant, da planungsfreie Raume im Kustenbereich die Wirksamkeit eines IKZM erheblich beeintrachtigen konnten. Der Ausschluss unmittelbarer raumordnerischer Zielbindungen und die Notwendigkeit einer bodenrechtlichen Transformationsnorm wird in erster Linie mit kompetenzrechtlichen Erwagungen begriindet.357 Der Bund kann fur das Bodenrecht die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG herleiten.358 Unter Bodenrecht sind samtliche nicht privatrechtlichen Regelungen zu verstehen, nach denen sich die rechtlichen Beziehungen des Menschen zu Grund und Boden bestimmen, wobei die die stadtebauliche Planung mit umfasst ist.359 Fiir das Recht der Raumordnung besitzt der Bund lediglich eine Rahmenkompetenz nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG.360 Da der Bundesgesetzgeber die stadtebauliche Planung abschlieBend im BauGB geregelt hat,361 soil demnach eine un-

ROG, § 4 Rn. 41, wo nicht zwischen direkter und unmittelbarer Wirkung unterschieden wird. 355 Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 104. 356 Kritisch auch Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 104. 357 Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 5. 358 Vergleiche dazu auch schon die Ausfuhrungen im 2. Kapitel § 6 A. II. 359 Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1 im 2. Kapitel § 6 , S. 424 f. 360 Siehe dazu schon 2. Kapitel § 6 A. II. 361 BVerfG, Beschluss vom 09.12.1987 - 2 BvL 16/84 - BVerfGE 77, S. 288 (301 f.).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

mittelbare Steuerung bodenrechtlicher Sachverhalte durch die Materie des Raumordnungsrechts ausscheiden.362 Diese Ansicht kann in ihrer Generalitat jedoch nicht vollstandig uberzeugen.363 Grundsatzlich ist dem Bundesgesetzgeber auch weiterhin gestattet, innerhalb seiner Rahmenkompetenz auch Vollregelungen und solche mit unmittelbarer Wirkung fur Teilbereiche der Materie zu erlassen.364 Eingeschlossen sind Rechtsvorschriften, die nicht nur den Landesgesetzgeber, sondern auch Private unmittelbar binden.365 Dies wird durch die Neufassung des Art. 75 Abs. 2 GG herausgestellt,366 obwohl durch dessen Verscharfung dem tendenziellen Verlust von Gesetzgebungszustandigkeiten der Lander zugunsten des Bundes entgegengesteuert werden sollte.367 MaBgeblich fur die Zulassigkeit unmittelbarer Regelungen ist, ob die Ausnahmen des Art. 75 II GG vorliegen.368 Dariiber hinaus sind unmittlebare Regelungen ohne Einfluss des Landesgesetzgebers nur dann zulassig, wenn den Landern in der Gesamtmaterie substantieller Entscheidungsspielraume in Form eigener politischer Gestaltung von substantiellem Gewicht verbleiben369 und die bundeseinheitliche Vollregelung in einigen Punkten nur insoweit erfolgt, als dass sie zur Erreichung des ttbergeordneten Zieles unumganglich ist.370 Von Bedeutung diirfte auch weiterhin sein, ob nicht nur die einzelne Norm, sondern ob das Gesetz

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Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 24 f.; so wohl auch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 24. Zur alten Rechtslage so auch BVerwG, Beschluss vom 07.11.1996 - 4 B 170.96 - NuR 97, S. 397 (397). So ist anerkannt, dass in den Fallen des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG Ziele gegenuber offentlichen Stellen auch dann wirken, wenn es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, deren gesetzliche Grundlage mit keiner Raumordnungsklausel ausgestattet ist. Damit konnen Ziele auch ohne Transformation nur aufgrund der gesetzlichen Ermachtigung aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG unmittelbar bodenrechtlich wirken. Vgl. dazu Abschnitt 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b. aa. und Fn. 337. In standiger Rechtsprechung ebenso das BVerfG, vgl. Urteil vom 05./06.10.1977 - 1 BvF 1/76- BVerfGE 43, S. 291 (343); Beschluss vom 16.10.1984 ~ 2 BvL 1 / 8 3 BVerfGE 67, S. 382 (387); siehe auch Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., § 75 Rn. 8. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 75 Rn. 7; Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., § 75 Rn. 7. Grundsatzlich auch: BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 (1234). Ausflihrlich zur Reform: Pestalozza, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 75 Rn. 41 ff., 77. Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BTDrs. 12/6000, S. 1 ff., 32. Grundsatzlich auch: BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 (1234). BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2 / 0 2 - DVB1. 04, S. 1233 (1234), BVerfG, Urteil vom 01.12.1954 - 2 BvG 1/54 - BVerfGE 4, S. 115 (115 ff, 126 ff); vgl. auch in Bezug auf § 4 I ROG: David, in: Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 77. Hasche, U T R 49 (99), S. 163 f., m.w.N.

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in seiner Gesamtheit den Rahmencharakter wahrt.371 In vorliegender Konstellation muss auch eine Rolle spielen, ob es sich um abschliefiende materielle Inhalte handelt, zu denen die Lander durch den Bund angewiesen werden, oder blofie Rechtswirkungen von Handlungen, die die Lander selbstandig und mit eigenen Inhalten erlassen konnen. Bei der Festlegung der Bindungswirkungen von Zielen der Raumordnung gegeniiber Dritten geht es um die Rechtswirkungen, die landesplanerischen Zielen zukommen und damit um die Frage von Verbindlichkeit oder Unverbindlichkeit ubergeordneter Planungszwecke fur den Einzelnen. Einiges spricht dafiir, dass sofern der Bundesgesetzgeber sich entschlieBen sollte, weitergehende rechtliche Bindungen zu statuieren - eine bundeseinheitliche Regelung (wie schon bei den Bindungen bisher) insbesondere zur Wahrung der Rechtseinheit372 entsprechend Art. 75 Abs. 2 GG auch zuktinftig erforderlich ware.373 Das Erfordernis substantieller Gestaltungsspielraume der Lander diirfte ebenfalls erfullt sein, denn bei der Frage von Rechtswirkungen von Raumordnungszielen handelt es sich um nur eine Teilregelung des Gesamtsachgebietes der Raumordnung. Dies zeigt sich u.a. daran, dass die Lander tiber die materiellen Inhalte der Zielfestlegungen selbst entscheiden. Dementsprechend ist dem Bundesgesetzgeber schon in der Vergangenheit die Befugnis zugesprochen worden, die Fragen der Rechtwirkungen von raumbedeutsamen Planen durchgehend zu regeln.374 Nicht zuletzt wiirden vorliegend den Landern nicht wie im Falle der Einfuhrung einer Juniorprofessur375 etwa inhaltliche Handlungspflichten kraft unmittelbarer Regelungen auferlegt, sondern lediglich Rechtswirkungen von in eigener Verantwortlichkeit der Lander stehenden Handlungen ohne Inhaltsbezug bestimmt. Wenn nun mit der wirkungsvollen Steuerung der Planung raumbedeutsamer Vorhaben durch die Raumordnung bodenrechtliche Konsequenzen einhergehen, waren diese dann gerechtfertigt, wenn die beabsichtigte Regelungsmaterie vom Aufgabenbereich der Raumordnung gedeckt ist.376 Raumordnung und Landesplanung beschranken sich sachlich auf die Steuerung raumbedeutsamer Vorhaben, wahrend das Baurecht die Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen des Menschen

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Von Bedeutung waren in diesem Zusammenhang u.a. Fragen der Rechtssicherheit und von Behinderungen fur den landeriibergreifenden Rechtsverkehr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.01.1969 - 2 BvL 11/64 - BVerfGE 25, S. 142 (152); Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., § 75 Rn. 7. BVerfG, Urteil vom 24.10.2002 - 2 BvF 1/01 - D O V 03, S. 119 (121). Strittig, vgl. Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 100 f.; Spiecker, Ziele, S. 130. Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1 im 2. Kapitel § 6 , S. 428. BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 ff. Hier bietet sich eine Parallele zur Eingrenzung der kommunalen Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 G G innerhalb des besiedelten Bereiches an, vgl. dazu ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. II. 3.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

zum Boden regelt.377 Insoweit kann das Recht der Raumordnung als lex specialis bezilglich der Steuerung raumbedeutsamer Vorhaben bezeichnet werden. Eine Transformation ware demnach nur dann notwendig, wenn tatsachlich bodenrechtliche Sachverhalte von der Raumordnung final geregelt werden sollen.378 Da raumordnerische Festlegungen jedenfalls mittelbar immer auch auf die Bodennutzung Einfluss nehmen, kann zur Abgrenzung nur der Zweck der landesplanerischen Vorgaben dienen.379 Entscheidend ist die diesbeztigliche Intention des Planungstragers. Im Ergebnis sollten bodenrechtliche Durchgriffe der Landes- und Regionalplanung dann liber die Rahmenkompetenz gerechtfertigt sein, wenn diese sich nur als Nebeneffekt und nicht als Primaranliegen der eigentlichen Planung darstellen. Selbst wenn man unterstellte, die Regelung des bodenrechtlichen Durchgriffs sei von der Rahmengesetzgebungskompetenz nicht erfasst, lieBe sich ein solcher aus den einzelnen Fachtiteln herleiten. Dabei ist es unerheblich, ob der Bundesgesetzgeber die Regelungsmaterie eines Titels der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis bereits abschliefiend geregelt hat. Die bundesgesetzliche Betatigung ruhrt lediglich zu einem Verbot diesbeziiglichen landesgesetzlichen Tatigwerdens. Nicht gesperrt ist hingegen ein weiteres Gebrauchmachen des Bundesgesetzgebers.380 Dies gilt selbstverstandlich fur das eigentliche Gesetz, welches die Materie regelt, als auch fur weitere Regelungen in anderen Gesetzen. Die Regelungen eines Gesetzes konnen sich auf unterschiedliche Kompetenztitel stiitzen.381 So kann der Bund auch in Gesetzen, die eigentlich nur Rahmengesetze nach Art. 75 GG sind, unmittelbare Regelungen treffen, wenn sich eine Kompetenz fur den konkreten zu regelnden Bereich aus einem entsprechenden Kompetenztitel der aus-

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Vergleiche dazu das Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1 im 2. Kapitel § 6 , S. 424 f. D a sich die Regelungsmaterie auf die Planung solcher Vorhaben beschrankt, durften direkte bodenrechtliche Auswirkungen in der Regel nicht gegeben sein. So auch Halama, in: F S Schlichter, S. 218. Siehe dazu ausfiihrlich 2. Kapitel § 7 C. II. 3. Das ergibt sich aus der abschliefienden Wirkung der Sperre: ,,Ein Gebrauchmachen des Bundes fuhrt zum Verlust der Zustandigkeit der Lander - nicht weniger, aber auch nicht mehr". Vgl. dazu Pestalozza in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, § 72 Rn. 290 ff. Die Rahmenkompetenz sagt damit aus, dass in den in Art. 75 GG geregelten Materien den Landern die eigentliche Gesetzgebungszustandigkeit verbleibt, siehe BVerfGE 4, S. 115 (129). Der Verweis auf die Unzulassigkeit bundesgesetzlicher Vollregelungen kann hingegen nur greifen, wenn die beanstandeten Regelungen Titel betreffen, die dem Bund iiber Art. 73, 74 GG nicht sowieso schon zugewiesen sind. Das ist hier aber nicht der Fall. Kloepfer et al., UGB E S. 198; Kloepfer, JZ 92, S. 820 f.; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 17. Ausfuhrlich zur kompetenziellen Einordnung des Bodenrechts: Czybulka, UPR97, S. 15 ff.

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schlieBlichen oder konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 73, 74 GG ergabe.382 Deshalb kann aus der abschliefienden Regelung des Bodenrechts im BauGB nicht gefolgert werden, dass es dem Bund verwehrt ware, in anderen Gesetzen ebenfalls bodenrechtliche Sachverhalte zu regeln, sofern er sich dabei auf den entsprechenden Kompetenztitel stutzen kann. Diese Option besteht damit auch ftlr das ROG. So waren selbst im ROG bodenrechtliche Regelungen durch den Bund zulassig, da sowohl die Rahmenkompetenz fur die Raumordnung als auch die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis fur das Bodenrecht dem Bund zugewiesen ist. Sofern eine bodenrechtliche Regelung des entsprechenden Sachverhaltes gemaB Art 72 Abs. 2 GG erforderlich ware, stilnde einer Regelung dieser Materie im ROG nichts entgegen.383 Fur weitergehende Bindungsmoglichkeiten Einzelner spricht zudem der Bedeutungsgehalt von § 4 Abs. 5 ROG. Dazu wird vertreten, dass die MQglichkeit einer Statuierung tiber die Beriicksichtigungspflicht hinausgehender Bindungswirkungen zugleich die Option gesteigerter Bindungen Einzelner, jedenfalls durch fachgesetzliche Klauseln, impliziert.384 Mithin waren auch Bestimmungen iiber den bodenrechtlichen Durchgriff von Instrumenten der Raumordnung nicht zu beanstanden und prinzipiell zulassig, gerade weil es sich nicht mehr um das Recht der Raumordnung, sondern um das des Bodens handelt.385 Im Hinblick auf die sachliche Einwirktiefe wird vertreten, dass sich die Beeinflussung privater Vorhaben im Wesentlichen in den Fallkonstellationen des § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG erschopfen wiirde, da eine Steuerung privater Vorhaben durch Ziele der Raumordnung nur innerhalb von Abwagungsentscheidungen moglich sei.386 Im Gegensatz dazu seien namentlich Genehmigungen mit behordlichen Ermessen und gebundene Entscheidungen einem raumordnerischen Durchgriff nicht zuganglich.387 Es scheint allerdings, dass diese Auffassung den Charakter einer Vielzahl von Behordenentscheidungen auBerhalb der in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG 382

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So zumindest Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 25 fur offentliche-zugangliche Abfallbeseitigungsanlagen gemafl § 4 Abs. 4 S. 3 ROG, allerdings wird fur diese lediglich eine Berucksichtigungspflicht statuiert. Auf diese Moglichkeit geht das BVerwG, B e schluss vom 07.11.1996 - 4 B 170.96 - N u R 97, S. 397 (397), siehe Fn. 362, hingegen gar nicht ein. S o i m Ergebnis auch Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 99 f.; Spiecker, Ziele, S. 130. Dementsprechend zog der Bund zur Begriindung der privaten Zielbindungen aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 R O G hilfsweise die entsprechenden Fachkompetenzen heran, vgl. BTDrs. 13/7589, S. 23 und Fn. 349. BTDrs. 13/6391, S. 82; B/R/S, ROG, J 630, Abschn. 3.5; Spiecker, Ziele, S. 134. Kompetenzielle Einschrankungen konnen sich lediglich bei Privatrechtssubjekten ergeben, die nicht dem Verwaltungsprivatrecht unterfallen oder anderweitig grundrechtsfahig sind, sofern Zielbindungen in Fachmaterien vermittelt werden sollen, fur die die Lander die ausschliefiliche Gesetzgebungsbefugnis innehaben., vgl. dazu ausfuhrlich Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 97 ff. So jedenfalls Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 145. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 146.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

genannten klassischen Abwagungen ungentigend beriicksichtigt. Uber Planfeststellungen und Plangenehmigungen hinaus sind namlich auch andere Entscheidungen einem wertenden Ausgleich zuganglich, innerhalb dessen sich offentliche Belange Geltung verschaffen konnen.388 Als entscheidend fur die Moglichkeit raumordnerischer Zielbeachtung ist daher die Existenz eines gewissen behordlichen Vertretbarkeitsspielraumes389 anzusehen. Ein derartiger Spielraum bietet sich der Verwaltung grundsatzlich bei alien Formen von Ermessenszubilligung und bei Beurteilungsspielraumen mit der Folge, dass auch diese Entscheidungen einem nachvollziehenden Abwagungsvorgang eroffhet sind.390 Gerade innerhalb Ermessensentscheidungen geht es um Interessen- und Giiterabwagungen.391 Ermessensvorgangen sind, vergleichbar mit Abwagungserscheinungen, Elemente des Wertens, Abwagens und Vergleichens immanent.392 Daher kann die planerische Abwagungsdogmatik dem Grundsatz nach auch auf komplexere Verwaltungsentscheidungen iibertragen werden.393 Es ist daher nicht einsichtig, weshalb raumordnerische Zielbindungen lediglich bei Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungen wirken sollen, nicht jedoch bei anderen Entscheidungen mit abwagungserheblichen Einschlagen. In Auflosung dieses Widerspruches ist davon auszugehen, dass alle behordlichen Entscheidungen iiber die Zulassigkeit privater Vorhaben, denen nach den bisherigen Uberlegungen Abwagungselemente innenwohnen, einer mit § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG vergleichbaren raumordnerischen Zielbindung unterstellt werden konnen. Damit ist die Zulassigkeit eines umfassenden gesetzlichen Planungsvorbehaltes prinzipiell gegeben394 und kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden.395 Lediglich bei gebundenen Entscheidungen treten diesbezuglich Grenzen auf, die gleichwohl ebenfalls nicht unumstofilich erscheinen.396 Im Ergebnis ware, ungeachtet der Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Vorgaben, daher eine umfassende Bindungswirkung Privater auch bei anderen behordlichen Entscheidungen als die in § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG enumerativ aufgezahlten grundsatzlich moglich.

4. Fazit Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass alle behordlichen Entscheidungen iiber raumbedeutsame Vorhaben offentlicher und privater Planungstrager raumbe388 389 390 391 392

393 394 395 396

Zur wichtigen Genehmigung nach §§ 4 ff. BImSchG vgl. 2. Kapitel § 7 C. V. 2. b . Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 50. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 50, 58 ff. Zippelius, Methodenlehre, § 17 lit. b). BVerwG, Urteil vom 26.02.1980 - 1 C 90.76 - BVerwGE 60, S. 75 (76); BFH, Beschluss vom 10.11.1971 - I B 14/70 - BFHE 104, S. 39 (42). So im Ergebnis auch Zippelius, Methodenlehre, § 17 lit. b). Zum Ganzen vgl. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 60 ff. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 57. Ebenso Hartwig, NVwZ 85, S. 10. In Abgrenzung zu Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 146. In Bezug auf gebundene Entscheidungen vgl. zustimmend Hartwig, N V w Z 85, S. 10.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

203

deutsame MaBnahmen nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG darstellen. Die konkrete Pflicht zur Beachtung von Zielen der Raumordnung erstreckt sich parallel dazu auf alle behordlichen Entscheidungen ilber die Zulassigkeit von MaBnahmen der offentlichen Hand, bei Vorhaben Privater umfasst sie lediglich die in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG aufgefuhrten Entscheidungen. Bei anderen Genehmigungen und Gestattungen sowie Ermessensentscheidungen bleiben gemaB § 4 Abs. 4 S. 1 ROG die Regelungen des Fachplanungsrechts maBgeblich. Damit wird deutlich, dass die Notwendigkeit einer fachgesetzlichen Transformation weiterhin dann besteht, wenn Ziele der Raumordnung und Landesplanung privaten Vorhabentragern im Rahmen von einfachen Genehmigungen und Gestattungen sowie bei Ermessensentscheidungen entgegengesetzt werden sollen. Im Ergebnis ist die erstmalige Ausdehnung raumordnerischer Zielbindungen auf Private nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG als ein Schritt zur Starkung der Raumplanung anzusehen, dem allerdings im Interesse einer effektiven und nachhaltigen Raumsteuerung durch die Landes- und Regionalplanung weitere folgen miissen. Insoweit ist fur die Etablierung einer rechtlich wie sachlich umfassenden Kiistenplanung die Ausdehnung der raumordnerischen Zielbindungen auf alle Raumnutzer und der von ihnen angestrebten raumbedeutsamen Vorhaben notwendig. In diesem Zusammenhang ware zunachst die Kodifizierung einer allgemeinen Zielberucksichtigungspflicht in § 4 Abs. 4 ROG anstelle des Verweises auf fachrechtliche Klauseln hilfreich. Weiterfuhrend sollte zukiinftig uber die Bindung aller behordlichen Abwagungs- und Ermessenentscheidungen an die Ziele der Raumordnung nachgedacht werden. Untiberwindbare verfassungsrechtliche Hindernisse, die einer solchen Bindung entgegenstehen, sind nach der hier vertretenen Auffassung397 jedenfalls nicht ersichtlich.

IV. Zieltransformation

durch das BauGB

1. Zielbindung bei Existenz von Transformationsnormen a. Grundsatzliche Zielbindung aa. Ziele im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes Im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB richtet sich die Zulassigkeit von Vorhaben Privater ausschlieBlich nach den Festsetzungen im Bebauungsplan.398 Dies folgt aus der Wertung des § 4 Abs. 4 S. 1 ROG, wonach sich Zielbeachtenspflichten fur nicht unter § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG fallende Vorhaben Privater allein nach den fachgesetzlichen MaBstaben beurteilen sollen. Insoweit besteht fur die Ziele der Raumordnung und Landesplanung im Rahmen der Bauleitplanung ein absolutes Durchgriffsverbot. Mittelbare Bindungswirkung gegeniiber privaten Vorhaben entfalten die Ziele der Raumordnung und Landesplanung aber uber die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 397 398

Siehe 2. Kapitel § 7 C. III. 4. BVerwG DOV 93, S. 914 (916) = DVB1. 93, S. 658; Busse, BayVBl. 98, 299 f.

204

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

BauGB.399 Adressat der Bindung sind zwar nur die gemeindlichen Planungstrager, ilber die Ausrichtung der einzelnen Plane an den Zielvorgaben der Landes- und Regionalplanung erfolgt jedoch zugleich eine Koppelung der zulassigen privaten Vorhaben. Durch § 1 Abs. 4 BauGB werden zunachst und grundsatzlich alle Bauleitplane, d.h. Flachennutzungs- und Bebauungsplane,400 unabhangig davon, ob sie raumbedeutsame Wirkungen entfalten oder ihnen dieses Kriterium fehlt, an die Ziele der Raumordnung gebunden.401 Die sich daraus ergebende umfangreiche Koppelung der Bauleitplane an die Ziele der Raumordnung wird gegeniiber der planenden Gemeinde durch den Begriff der Anpassung noch gesteigert.402 Damit bewirkt § 1 Abs. 4 BauGB eine quantitative wie qualitative Ausweitung iiber die schon aus § 4 Abs. 1 ROG resultierenden Beachtenspflicht hinaus.403 Die Ausnahme- und Befreiungsmoglichkeiten des § 31 BauGB dilrften bei korrekter Anwendung durch die Verwaltung die raumordnerischen Bindungen weitgehend unangetastet lassen. Ausnahmen nach § 31 Abs. 1 BauGB sind nur dann zulassungsfahig, wenn sie im Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdriicklich vorgesehen sind. Sie nehmen damit umfassend an der Zielbindung aus § 1 Abs. 4 BauGB toil. Plane, die in ihren Ausnahmen den Zielen der Raumordnung widersprechen, wurden das Anpassungsgebot verletzen und waren insoweit nichtig.404 Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB stehen unter der Bedingung, dass die Grundziige der Planung nicht beriihrt

399

Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 29; Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 274. 400 pinfolded m : Koppitz/Schwarting/Finkeldei, Flachennutzungsplan, Rn. 6, 73. 401 Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 289; Finkeldei, in: Koppitz/Schwarting/Finkeldei, Flachennutzungsplan, Rn. 6. 402 Goppel, BayVBl. 98, S. 290; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 79; Erbguth, DVB1. 93, S. 650; Schmidt-Afimann, D O V 86, S. 994; Spannowsky, D O V 97, S. 762; Koppitz, in: Koppitz/Schwarting/Finkeldei, Flachennutzungsplan, Rn. 282 ff.; Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 5, mit der Begrundung, dass sich aus der Anpassungspflicht, anders als durch die Beachtensregelung, auch die Pflicht zur Aufstellung von Bauleitplanen ergibt, und zwar auch ohne dementsprechende landesrechtliche Regelungen in den jeweiligen LPLG. Auf die fortlaufende Anpassungspflicht abstellend O V G Liineburg, Urteil v o m 09.07.1976 - I A 1 0 / 7 6 DVB1. 77, S. 212 (212 f.). Ebenso V G H Mannheim, Urteil vom 28.03.1980 -VIII 1 2 7 2 / 7 9 - D O V 81, S. 269 (270 f. und l.LS): ,,fortlaufende materielle Ubereinstimmung". A.A. Koch/Hendler, Baurecht, S. 45 in dortiger Fn. 45 (Vorauflage). Offen gelassen BVerwG, Beschluss vom 20.08.1992 - 4 N B 20.91 - BVerwGE 90, 329 (332 f.) = D O V 93, 118 f. = N V w Z 93, 167 = DVB1. 92, S. 1439. Nicht eindeutig auch O V G Minister, Urteil vom 11.01.1999 - 7 A 2 3 7 7 / 9 6 - N u R 99, S. 704 (707) = U P R 99, S. 359 (nur LS). Zur Bedeutung von Ubergangszeiten vgl. O V G Ltlneburg, Urteil vom 16.06.1982 - 1 A 194/80 - BauR 82, S. 557 (557 f.). 403 Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 278 ff. 404 Allgemein zu Bauleitplanen, die unter Zielwiderspruch erlassen wurden: Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1, Rn. 42, m.w.N.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

205

werden.405 Sofern Befreiungen dazu fuhren wiirden, dass ansonsten zielkonforme Bebauungsplane sich zielwidrig veranderten, ist davon auszugehen, dass auch die Grundziige der Planung einer Veranderung unterfielen. Solche Abweichungen konnen hingegen nicht auf dem Wege der Befreiung von den Planfestsetzungen gewahrt werden. Dies widersprache den gesetzlichen Wertungen, da ansonsten das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB und die unmittelbare Bindung der entscheidenden offentliche Stelle durch § 4 Abs. 1 ROG leerliefen. Im Ergebnis unterwirft die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB, entsprechende Zielqualitaten vorausgesetzt, die gesamte Bauleitplanung und damit die in ihr geplanten privaten Vorhaben einem weitreichenden Planvorbehalt,406 der der Intention nach durchaus geeignet erscheint, der im Rahmen eines IKZM zu schaffenden Ktistenplanungszone die notwendige strikte Form der Planbindung zu vermitteln.407 bb. Ziele im Aulienbereich Raumbedeutsame Vorhaben408 im AuBenbereich nach § 35 BauGB werden durch die besondere Raumordnungsklausel des § 35 Abs. 3 S. 2, 3 BauGB an die Ziele der Raumordnung und Landesplanung gebunden.409 Ohne an dieser Stelle erschopfend auf die Differenzierung nach privilegierten und nicht privilegierten Vorhaben einzugehen,410 ist zu konstatieren, dass jedenfalls nicht privilegierte Vorhaben im 405 406

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Vergleiche dazu Jade in: Jade/Dirnberger/Weiss, § 3 1 , Rn. 14. D i e Darstellung der Umsetzung raumordnerischer Zielfestlegungen in den einzelnen Festsetzungsmoglichkeiten von Flachennutzungs- und Bebauungsplan wiirde den U m fang der Arbeit uberdehnen. A n dieser Stelle sei als Einstieg dazu auf die Ausfuhrungen in der Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 12 ff. verwiesen. Weitergehende Nachweise sind neben der einschlagigen baurechtlichen Kommentarliteratur z.B. bei Liters, Baurechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 70 ff; ders., U P R 96, S. 242 ff; MM, U P R Ola, S. 213 ff. sowie bei Bohm et al., Anforderungen, S. 52 ff. zu finden. Fur die im Rahmen des Hochwasserschutzes primar interessierenden Darstellungsmoglichkeiten der Flachennutzungsplanung aus § 5 Abs. 2 Nr. 5, 6, 7 B a u G B bietet sich ein Ruckgriff auch auf Kotulla, ZfBR 95, S. 125 f. an. Siehe auch die Bodenschutzklausel in § 9 Abs. 1 Nr. 2 0 B a u G B . Z u Defiziten u n d notwendigen Weiterentwicklungen des bauleitplanerischen Instrumentariums ausfuhrlich Bohm et al., a.a.O., S. 224 ff. In B e z u g auf den vorbeugenden Hochwasserschutz i m Ergebnis gleichlautend: Leitfibel, S. 11. Das Merkmal der Raumbedeutsamkeit in § 35 III S. 2 B a u G B hat insoweit nur deklaratorische Wirkung, da gemafl § 3 Nr. 6 R O G als Legaldefinition ohnehin nur raumbedeutsame Vorhaben umfasst, zutreffend Jade, in: Jade/Dirnberger/Weiss, B a u G B , § 35 Rn. 2 1 1 . Z u r unmittelbaren u n d mittelbaren Raumbedeutsamkeit von Planungen vgl. Dyong, in: Cholewa et al., R O G , § 3 Rn. 45 ff. Vgl. dazu exemplarisch BVerwG, Urteil vom 20.01.1984-4 C 43.81 - BVerwGE 68, S. 311 (314 f.) = NVwZ 84, S. 367 (368 f). Z u r differenzierten Bindungswirkung bei privilegierten (Abs. 1) und sonstigen (Abs. 2 ) Vorhaben siehe Krautzberger, in: B/K/L, B a u G B , § 35 Rn. 72; Sofker, in: Bielen-

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

AuBenbereich nach § 35 Abs. 2, 3 S. 2 BauGB nur dann zulassig sind, sofern sie den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Diese Vorhaben sollen im AuBenbereich grundsatzlich nicht ausgefuhrt werden.411 Demnach ist weitgehend gewahrleistet, dass in den Zielen ausgeschlossene sonstige Vorhaben im AuBenbereich nicht verwirklicht werden konnen.412 Fur privilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB hat der Gesetzgeber eine dem beplanten und unbeplanten Innenbereich vergleichbare Planersatzregelung geschaffen, welche die Zulassigkeit von bestimmten Vorhaben im AuBenbereich umschreibt.413 Gleichwohl ist, anders als in den §§ 30, 34 BauGB, noch nicht iiber den konkreten Standort entschieden.414 Fiir raumbedeutsame Vorhaben bestimmt § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB, dass diese, unabhangig von ihrer Privilegierung, den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen diirfen. Damit konnen sich die Ziele der Raumordnung prinzipiell auch gegeniiber privilegierten Vorhaben im AuBenbereich durchsetzen.415 Das soil fur privilegierte Vorhaben allerdings dann nicht gelten, wenn deren Belange bereits in den Planen der Raumordnung beriicksichtigt wurden. Auch fur letztere bleibt die Zielbindung allerdings dann erhalten, wenn nach § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB fur bestimmte Vorhaben durch Ziele der Raumordnung eine Standortzuweisung an anderer Stelle erfolgte.416 Insbesondere zu letzterem hat das BVerwG seine Rechtsprechung, die maBgeblich die Ansiedlung von Windkraftanlagen betraf, prazisiert und (einschrankende) regionalplanerische Zielfestlegungen gegeniiber privilegierten Vorhaben unter der Voraussetzung eines schliissigen Gesamtkonzepts, welches zugleich sicherstellt, dass die betroffenen Vorhaben im Plangebiet iiberhaupt verwirklicht werden konnen, fur zulassig

411 412 413

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berg/Erbguth/Sofker, BauGB, Rn. 384; Jade, in: Jade/Dirnberger/Weiss, BauGB, § 34 Rn. 210; Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 272 sowie Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 325 ff. Zum Ganzen auch Stuer/Vildomec, BauR 98, S. 434. BVerwG, Urteil von 25.10.1967 - 4 C 86.66 - BVerwGE 28, S. 148 (148ff., 150 f.). Christ, Raumordnungsziele, S. 85. BVerwG, Urteil von 25.10.1967 - 4 C 86.66 - BVerwGE 28, S. 148 ( 151); BVerwG, Urteil vom 20.01.1984 - 4 C 43.81 - BVerwGE 68, S. 311 (314) = N V w Z 84, S. 367 (367 f.); Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 404; Brohm, Offentliches Baurecht, § 2 1 Rn. 19; Pafilick, Ziele, S. 193; Krautzberger, in: Battis/Krautzber/Lohr, § 3 5 Rn. 72; Christ, Raumordnungsziele, S. 85. SieheFn.413. BVerwG, Urteil vom 20.01.1984 - 4 C 4 3 . 8 1 - BVerwGE 68, S. 311 (314 f.) = N V w Z 84, S. 367 (368 f.); HessVGH, Urteil vom 07.09.1984 - 4OE 53/81 - BRS 4 2 Nr. 92; V G H Mannheim, Urteil vom 21.11. 2000 - 10 S 1322/99 - in: Ule/Laubinger, BImSchG Rechtsprechung, § 13 Nr. 9; Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 35 Rn. 72. Grundsatzlich auch BVerwG, Urteil vom 06.10.1989 - 4 C 2 8 . 8 6 - ZfBR 90, S. 41 (42). Sehr ausfuhrlich dazu Pafilick, Ziele, S. 212, 214, 216. Siehe auch V G H Mannheim, Urteil v o m 21.11. 2000 - 1 0 S 1 3 2 2 / 9 9 - in: Ule/Laubinger, BImSchG Rechtsprechung, § 13 Nr. 9, S. 3. Ausfuhrlicher zur Geltung der Raumordnungsziele bei immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen siehe im 2. Kapitel § 7 C. V. 2. b.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

207

erachtet.417 Allerdings sieht sieht sich das Erfordernis eines schlussigen Gesamtkonzeptes jedenfalls auf Ebene der Flachennutzungsplanung nunmehr Zweifeln ausgesetzt, da § 5 Abs. 2b BauGB die Aufstellung von sachlichen Teilflachennutzungsplanen ermoglicht. Fraglich ist allerdings die Qualitat der behordlichen Bindung an die Ziele der Raumordnung. Wahrend sich uber § 4 Abs. 1 S. 1 ROG eine strikte Beachtenspflicht ergibt, bestimmt § 4 Abs. 4 S. 1 ROG fur behordliche Zulassungsentscheidungen zugunsten Privater lediglich Berilcksichtigungspflichten nach MaBgabe des Fachrechts. Indem in der fur Aufienbereichsvorhaben privilegierter und sonstiger Art einschlagigen Raumordnungsklausel418 des § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB festgestellt wird, dass diese Vorhaben den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen durfen, statuiert die Norm unter der Voraussetzung, dass bei der Festsetzung der regionalplanerischen Zielvorgaben gemaB § 7 Abs. 7 S. 2 ROG die einschlagigen privaten Belange gepriift wurden,419 nicht nur eine Berucksichtungs-, sondern eine Beachtenspflicht.420 Der Auffassung, wonach die Genehmigungsbehorde im Rahmen einer nachvollziehenden Abwagung zu entscheiden habe, inwieweit und wie intensiv das Ziel der Raumordnung wirkt und ob dieses Ziel dem Vorhaben als offentlicher Belang entgegensteht bzw. ob das Vorhaben das Ziel beeintrachtigt, mit der Folge, dass die offentlichen und privaten Belange zu gewichten und vergleichend zu bewerten waren,421 ist angesichts der augenscheinlichen Form der Neufassung des § 35 Abs. 3 BauGB mit Zuriickhaltung zu begegnen. Mit Blick auf die Neugliederung des § 35 Abs. 3 S. 2, 3 BauGB spricht viel dafur, dass die Ziele der Raumordnung textlich von den in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB genannten offentlichen Belangen abgekoppelt werden sollten.422 Jedenfalls lasst die Trennung zwischen den offentlichen Belangen einerseits und dem strikten Widerspruchsverbot andererseits wenig Raum fur eine Abwagung existenter raumordnerischer Ziele mit priva417

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BVerwG, Urteil vom 13.03.2003 - 4 C 4.02 - N u R 03, S. 493 (496 f.); BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 1 5 . 0 1 - N u R 0 3 , S. 365 (368); O V G Milnster, Urteil vom 19.05.2004 - 7 A 3368/02 - N u R 04, S. 690 (691); von Nicolai, Z U R 04, S. 75. So zutreffend die g . h . M , vgl. etwa Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 404 und Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 325. Kritisch Pafilick, Ziele, S. 226. Vergleiche dazu Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 457 und weiter Halama, in: FS Schlichter, S. 221 f. Ebenso Schmaltz, in: Schrodter, BauGB, § 35 Rn. 98; Diirr, in: Briigelmann, BauGB, § 35 Rn. 103; Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 8 Rn. 84: ,,Schranke fur die Genehmigung"; im Ergebnis so auch Schroeder, U P R 00, S. 56. A.A. BVerwG, Urteil vom 19.07.2001 - 4 C 4.00 - N u R 02, S. 49 (52 f.) BVerwG, Urteil vom 19.07.2001 - 4 C 4 . 0 0 - N u R 0 2 , S. 49 (51 f.); Schmidt, I., DVB1. 98, S. 672; ahnlich Battis, Offentliches Baurecht, S. 160 f. Fur privilegierte Vorhaben so auch Lehners, Raumordnungsgebiete, S. 84. Schmaltz, in: Schrodter, BauGB, § 35 Rn. 98. Diese Moglichkeit sieht BVerwG, Urteil vom 19.07.2001 - 4 C 4.00 - N u R 02, S. 49 (52 f.), lehnt sie aber ab. Differenzierend nunmehr: O V G Koblenz, Urteil vom 20.02.2003 - 1 A 11406/01 - N u R 03, S. 558 (561).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

ten Interessen,423 wenn diesen im Verfahren der Zielaufstellung gebtlhrend Rechnung getragen worden ist424. Das Verbot zielwidersprechender Vorhaben muss im Ergebnis als strikter Versagungsgrund angesehen werden mit dem Ergebnis, dass die entscheidende Behorde zielwidersprechende Vorhaben nicht zulassen darf. Ermessen besteht insoweit nicht.425 Im AuBenbereich kann gemaB § 35 Abs. 3 BauGB mithin grundsatzlich von einer direkten Wirkung landes- und regionalplanerischer Zielfestsetzungen auf die Steuerung der Raumstruktur ausgegangen werden.426 Diese Einschatzung soil im besonderen MaBe fur die Beeinflussung der Zulassungsfahigkeit von Vorhaben gelten, die vorsorgenden Belangen, so auch denen des vorbeugenden Hochwasserschutzes, etwa im Rahmen von Vorranggebieten, zuwiderlaufen wiirden.427

b. materielle Lockerungen und verfahrensrechtliche Anbindung Die in § 1 Abs. 4 BauGB normierte Anpassungspflicht der Bauleitplanung an die Ziele der Raumordnung erscheint auf den ersten Blick umfassend. Diese betrifft hingegen unmittelbar nur Flachennutzungsplane nach § 5 BauGB und Bebauungsplane nach § 8 Abs. 1 BauGB.428 Mit umfasst ist gleichfalls der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach §12 BauGB.429 Fur stadtebauliche Satzungen nach §34 Abs. 4 BauGB und § 35 Abs. 4 BauGB, die gleichfalls der Bauleitplanung zuge423

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Schmaltz, in: Schrodter, BauGB, § 35 Rn. 98. Im Ergebnis auch Schroeder, U P R 00, S. 56. A m MaBstab der Konkretisierung hier differenzierend: Schrodter, in: Schrodter, B a u G B , § 1 Rn. 4 8 . Insbesondere zu letztgenanntem Erfordernis: BVerwG, Urteil v o m 19.07.2001 - 4 C 4.00 - N u R 02, S. 4 9 (52 f.); O V G Koblenz, Urteil v o m 20.02.2003 - 1 A 11406/01 N u R 03, S. 558 (560 f.). Die absolute Ablehnung des B V e r w G im o.g. Urteil fmdet sich im erwahnten Urteil des O V G Koblenz zur neuen Rechtslage nicht mehr. Zur Frage einer strikten Zielbindung stellt es mehr auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Abwagung der privaten Eigentiimerbelange auf Ebene der Zielfestlegung ab. So im Ergebnis, eine entsprechende Konkretisierung der Ziele vorausgesetzt, schon zur alten Rechtslage Hartwig, N V w Z 85, S. 12, im Ergebnis so wohl auch Christ, Raumordnungsziele, S. 249, in dortiger Fn. 357. A.A. offenbar Pafilick, S. 226 ff: ,,keine rechtssatzmaBige Verbindlichkeit der Ziele." Ablehnend auch, allerdings ebenfalls noch zu § 35 III B a u G B a.F. (1987) und insoweit wenig Ruckschliisse auf das geltende Recht erlaubend: BVerwG, Urteil v o m 06.10.1989 - 4 C 2 8 . 8 6 - ZfBR 9 0 , S . 4 1 (42) u n d BVerwG, Urteil v o m 19.07.2001 - 4 C 4.00 - N u R 02, S. 4 9 (52 f ) , ebenfalls BauGB a.F. (1987). Siehe schon die Nachweise in Fn. 413 und weiter Gierke, in: Brugelmann, B a u G B , § 1 Rn. 272; Stiier/Vildomec, BauR 98, S. 432 ff, m.w.N.; Busse, BayVBl. 9 8 , S. 300, mit einem Katalog einschlagiger Zielbindungen. Zur rechtlichen Wirkung von Eignungsgebieten auf die Zulassigkeit von Vorhaben im AuBenbereich vgl. Erbguth, DVB1. 9 8 , S. 213 f. und Stiier/Vildomec, a.a.O. Allgemein fur Folgewirkungsvorsorge Christ, Raumordnungsziele, S. 248 f. Vergleiche § 1 II BauGB; Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 266; Dirnberger, in: Jade/Dirnberger/WeiB; § 1 Rn. 4, 8. Dirnberger, in: Jade/Dirnberger/WeiB; § 1 R n . 14.

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rechnet werden miissen, ist § 1 Abs. 4 BauGB nicht direkt anwendbar.430 Im einzelnen betrifft das die Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB, die Entwicklungssatzung § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB und die Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB431 sowie die AuBenbereichssatzung nach § 35 Abs. 6 BauGB432. Verfahrensrechtliche Lockerungen gelten nach § 10 Abs. 2 BauGB auch fur Bebauungsplane, die gemaB § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB aus einem rechtswirksamen Flachennutzungsplan entwickelt wurden. Fur die Einheit der Planung im Rahmen vorbeugender Kiistenschutzkonzepte und die Etablierung einer IKZM-Planungszone ist von Bedeutung, ob fur nicht unter § 1 Abs. 4 BauGB fallende Satzungen eine entsprechende Anwendung der Anpassungspflicht kraft ausdriicklicher Verweisung in Frage kommt oder zumindest Beteiligungsrechte der Landesplanungsbehorden bestehen. aa. Das System von Genehmigung, Anzeige und Unterrichtung

Prinzipiell ist zwischen verschiedenen Beteiligungsformen der Landesplanungsbehorde zu unterscheiden. Baurechtlich kann iiber die Genehmigungspflicht nach § 10 Abs. 2 BauGB oder die Anzeigepflicht aus § 246 la BauGB i.V.m. entsprechenden landesrechtlichen Regelungen eine Beteiligung erfolgen. Raumordnungsrechtlich kommen landesrechtliche Anzeige- und Unterrichtungspflichten in Ausfullung von § 14 S. 2 ROG in Betracht. Baurechtlich bedilrfen nach § 10 Abs. 2 BauGB nur noch Bebauungsplane, die nicht aus einem rechtswirksamen Flachennutzungsplan entwickelt wurden, zu ihrer Wirksamkeit zwingend einer Genehmigung durch die hohere Verwaltungsbehorde. Innerhalb dieses Verfahrens erfolgt eine obligatorische Beteiligung der Landesplanungsbehorde.433 Die Genehmigung ist sowohl Verwaltungsakt434 als auch Mitwirkungsakt im Rechtssetzungsverfahren.435 Daneben besteht fur die Lander die Moglichkeit, nunmehr nach § 10 Abs. 2 BauGB genehmigungsfreie

430 431 432

433 434 435

Ebenda. Terminologie nach Schink, DVB1. 99, S. 369 ff. und Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, zu§34. Anders als die Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB vermittelt die Aufienbereichssatzung keine Baurechte. Durch sie werden ausschliefilich nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilende Vorhaben begiinstigt. Die AuBenbereichssatzung modifiziert nur deren Zulassigkeitsvoraussetzungen. Z u m Ganzen Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 35 Rn. 118 ff. D i e verfahrensmaBige Anbindung der AuBenbereichssatzung entspricht weitgehend der der Einbeziehungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB. Vgl. den gleichlautenden Wortlaut in § 35 Abs. 4 S. 4, 5, 6 BauGB mit § 34 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 S. 1, 2 BauGB. Insoweit sei auf die Ausfuhrungen im Rahmen der Einbeziehungssatzung verwiesen. Vergleiche dazu Lohr, in: B/K/L, BauGB, § 10 Rn. 26 f.; Biichner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 877 f. BVerwG, Urteil vom 12.12.1969-4 C 105.66-BVerwGE 34, S. 301 (301). Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 10 Rn. 10. Ausfuhrlich zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle: Lohr. in: B/K/L, BauGB, § 10 Rn. 13.

210

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Bebauungsplane436 sowie Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 BauG einer Anzeigepflicht437 nach § 246 la S. 1 BauGB gegenilber der hoheren Verwaltungsbehorde zu unterwerfen. Diese optionale Anzeigepflicht kann als vereinfachtes Genehmigungsverfahren mit Genehmigungsfiktion betrachtet werden.438 Im Rahmen des Genehmigungs- und Anzeigeverfahrens priift die Aufsichtsbehorde die rechtlichen Schranken des Bebauungsplanes bzw. der Satzung nach § 34 Abs. 5 S. 1 BauGB in Form einer praventiven Rechtskontrolle.439 Raumordnungsrechtlich konnen landesrechtlich bestimmte Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten der Landesplanungsbehorden kodifiziert werden. Dies ist in Mecklenburg-Vorpommern durch die §§ 17, 21 LP1G M-V und in SchleswigHolstein durch die §§ 16, 19 LP1G S-H geschehen. Die Beteiligungsrechte dienen in erster Linie nur der praventiven Kenntniserlangung iiber geplante MaBnahmen der Gemeinden. Eine Berechtigung zum Einschreiten der Planungsbehorde bei VerstoBen, z.B. gegen die Ziele der Raumordnung, ist damit im Vorfeld nicht verbunden. Allerdings ist die unterrichtete Planungsbehorde aufgefordert, rechtliche Mangel der Gemeinde anzuzeigen. Hilft die Kommune solchen Defiziten nicht ab, ergibt sich nach Erlass des Bebauungsplanes die Moglichkeit einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle.440 Fiir einen Antrag auf Normenkontrolle durch eine Behorde nach § 42 Abs. 2 VwGO soil das Rechtsschutzbedurfhis nur dann gegeben sein, wenn die Behorde mit dem Vollzug des Bebauungsplanes befasst ist.441 Die Antragsbefugnis wurde u.a. fur die genehmigende hohere Verwaltungsbehorde,442 die Baugenehmigungsbehorde443 sowie die Fachaufsichts- und Widerspruchsbehorde444 bejaht. Obwohl die zustandige Landesplanungsbehorde zwar nicht direkt mit dem Vollzug des fraglichen Bebauungsplanes befasst ist, sie aber die Raumentwicklung anhand der landesplanerischen Programme gewahrleisten soil, wird man auch ihr ein Rechtsschutzbedurfhis zusprechen miissen.445

436

437 438 439 440 441 442 443 444 445

Zum Beispiel Bebauungsplane, die gemaB § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB aus einem rechtswirksamen Flachennutzungsplan entwickelt wurden. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. b. cc. Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 246 Rn. 4 ff. Ausfuhrlich dazu Bielenberg, in: B/K/S, BauGB, Rn. 142 f. Biichner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 878. Lohr, in: B/K/L, BauGB, § 10 Rn. 10a; Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 34 Rn. 59. Jade, in: Jade/DirnbergerAVeiB, BauGB, § 30 Rn. 73 f. V G H BW, Beschluss vom 10.12.1976 - III 1149/76 - N J W 77, S. 1469 (1470). O V G Bremen, Beschluss vom 03.07.1979 - 1 T 2/78 - DVB1. 80, S. 369 (369). O V G Sachsen, Urteil vom 31.07.1997 - 1 S 567/94 - BRS 59, Nr. 257. Fur einen Regionalverband: OVG NW, Beschluss vom 31.03.1978 -Xa ND 8/77DVB1. 79, S. 193 (193 f.). Das Rechtsschutzbedurfhis von Fachbehorden ohne auBenwirksame Befugnisse (z.B. LUNG in M-V) wird demgegeniiber schwerlich zu bejahen sein.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

211

bb. Genehmigungfreie Bebauungsplane nach § 10 Abs. 2 BauGB Da nach § 10 Abs. 2 BauGB alle nicht aus einem rechtswirksamen Flachennutzungsplan entwickelte Bebauungsplane von der Genehmigungspflicht durch die nachsthohere Verwaltungsbehorde befreit sind, bleiben nur noch der selbstandige, der vorzeitige und der vorzeitig bekanntgemachte Bebauungsplan genehmigungspflichtig. Auf die Pflicht zur Durchftthrung einer SUP hat die Befreiung keine Auswirkungen. Obgleich die allgemeine Rechtsaufsicht iiber die kommunale Bauleitplanung von dieser Anderung nicht beriihrt wird, fuhrt die Befreiung von der Genehmigungspflicht in materieller Hinsicht zu einer geringeren Konrolldichte.446 Insoweit ist die Befurchtung, die mit dem Dispens beabsichtigte Starkung der kommunalen Selbstverwaltung konnte vor dem Hintergrund intensiver Interessen an Expansion und geringer an Freiraumschutz447 zu einer Schwachung des Freiraumschutzes fuhren,448 nicht von der Hand zu weisen. Fur die genehmigungsfreien Bebauungsplane und Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB erreichten die Lander im Vermittlungsverfahren die Moglichkeit, dass sie Anzeigeverfahren nach § 246 la BauGB entsprechend § 11 Abs. 3 BauGB a.F. wieder einfuhren konnen.449 Mit § 5 AG-BauGB M-V450 i.V.m. § 1 AnzVO451 wurde von der Ermachtigung aus § 246 la BauGB Gebrauch gemacht. Danach sind alle genehmigungsfreien Bebauungsplane und Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB der hoheren Verwaltungsbehorde zur Anzeige vorzulegen, soweit die Satzungen von Gemeinden erlassen werden, deren Einwohnerzahl weniger als 10.000 betragt. Zustandige Behorde fur die Anzeige ist gemaB § 6 AG-BauGB M-V bei amtsangehorigen Gemeinden der Landkreis, in alien anderen Fallen das Ministerium fur Arbeit und Bau.452 Die Anzeigepflicht war zeitlich zunachst bis zum 31.12.2000 beschrankt453 und wurde nunmehr bis zum 31.12.2003 verlangert.454 Raumordnungsrechtlich unterliegen alle Bebauungsplane, sowohl die genehmigungspflichtigen wie auch die genehmigungsfreien der landesrechtlichen Anzei446 447 448 449

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453 454

Franz, Freiraumschutz, S. 189. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 7 A. I. So jedenfalls Fra«z, Freiraumschutz, S. 190. Lohr in: B/K/L, BauGB, § 10 Rn. 28. Gesetz zur Ausflihrung des Baugesetzbuches (AG-BauGB M-V) vom 30.01.1998 (GVOB1. M-V 1998, S. 110). Verordnung zur Einfuhrung der Anzeigepflicht nach d e m Baugesetzbuch (AnzVO) vom 05.02.1998 (GVOB1. M - V 1998, S. 124). Vormals Ministerium fur B a u , Landesentwicklung u n d Umwelt. V g l . den LandesEinfuhrungserlass z u m Bau- u n d Raumordnungsgesetz 1998 (Einfuhrungserlass) v o m 18.06.1998 (AmtsBl. M - V 1998, S. 145), Abschnitt 2.4.6. i.V.m. dem Amtlichen Verzeichnis der Landesbehorden, Bekanntmachung vom 11.08.2000 (AmtsBl. M - V 2000, S. 1158). GemaB § 3 Abs. 2 A n z V O in der urspriinglichen Fassung v o m 05.02.1998. § 3 II A n z V O geandert durch Verordnung v o m 10.10.2000 (GVOB1. M - V 2000, S. 530).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplammg

gepflicht gemaB § 17 Abs. 1 LP1G M-V. Die im Gesetzentwurf55 der Landesregierung noch vorgesehene Anzeigepflicht fur Vorhaben- und ErschlieBungsplane sowie die dahingehende Unterstellung im Anzeige-Erlass456 wurde offensichtlich verworfen. Die bisher vorhandene isolierte Anzeigepflicht fur Flachennutzungsplane gemaB § 21 Abs. 3 LP1G M-V 92457 fand in der Neufassung des LP1G M-V ebenfalls keine Beriicksichtigung. In Schleswig-Holstein unterfallen nach § 16 LP1G S-H Bauleitplane sowie Vorhaben- und ErschlieBungsplane einer Anzeigepflicht. Von der raumordnungsrechtlichen Anzeigepflicht aus § 17 LP1G M-V werden auch die Bauleitplane erfasst, die aufgrund ihrer Entwicklung aus einem rechtswirksamen Flachennutzungsplan baurechtlich genehmigungsfrei gestellt sind. Bei aus dem Flachennutzungsplan entwickelten Bebauungsplanen erfolgt durch den Bebauungsplan die endgtiltige auBenwirksame Konkretisierung der im Flachennutzungsplan enthaltenen Planvorstellungen. Gleichzeitig erfahrt die rechtsverbindliche Beachtung der Raumordnungsziele hier ihre letzte Stufe. Baurechtliche Genehmigungspflichten waren deshalb zwingend angebracht. Das raumordnungsrechtliche Anzeigeverfahren gewahrleistet demgegeniiber lediglich ein Mindestniveau an Beteiligung. Materielle Einwirkrechte der fur die Landesplanung Verantwortlichen waren demgegeniiber geboten, da die konkrete Ausgestaltung der Raumordnungsziele auf Ebene des Bebauungsplanes erfolgt und nur Genehmigungsvorbehalte oder wenigstens Genehmigungsfiktionen absehbare Fehlentwicklungen wirkungsvoll verhindern konnten. cc. Die Klarstellungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB Die Klarstellungssatzung dient der Gemeinde zur rechtlich verbindlichen Festlegung der Grenze zwischen Innen- und AuBenbereich. An sich wohnt ihr daher nur klarstellende Funktion inne, sie beschreibt die rechtliche Zuordnung der Grundstiicke nach MaBgabe der dafiir rechtlich relevanten Situation.458 Gegen eine konstitutive Wirkung spricht insbesondere, dass diese Satzung keinen baugesetzlichen Verfahrensvorschriften unterliegt.459 Gleichwohl ist die Grenzziehung zwischen Innen- und AuBenbereich gesetzlich nicht definiert460 und daher haufig nicht eindeutig.461 Insoweit eroffnet sich der Gemeinde ein begrenzter normativer Entscheidungsspielraum aufgrund der faktischen Unmoglichkeit, tatsachlich nur klar455 456 457 458 459

460 461

LTDrs. 2/3272, S. 59. Anzeige-Erlass (Verfahren bei der Anzeige von raumbedeutsamen Planungen, Mafinahmen und Einzelvorhaben) vom 06.05.1996, AB1. M-V, S. 530, Nr. 2. Gesetz vom 31.03.1992, GVOB1. M-V 1992, S. 242. Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB; § 34 Rn. 39 f.; Battis, Offentliches Baurecht, S. 153. So wohl auch Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 64; Schlichter, in: Schlichter/Stich, B K , § 34 Rn. 61 (Vorauflage), Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 8 Rn. 52. Schink, DVB1. 99, S. 369. Siehe BayVGH, Urteil vom 28.05.1993 - 1 N 92.537- BauR 93, S. 573 (574 f.) = ZfBR 94, S. 49; Diirr, in: Briigelmann, BauGB, § 34 Rn. 114; Schink, DVB1. 99, S. 369; Jeand' Heur, NVwZ 95, S. 1175 f. m.w.N.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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stellend tatig zu werden. Mit einer Klarstellungssatzung ist iiber die eigentliche rechtliche Zuordnung von Flachen hinaus somit immer auch eine Wertung verbunden, die konstitutive Ziige tragt. Fiir die Klarstellungssatzung bestehen mangels Verweisung keine materiellen462 und aufgrund mangelnder Verfahrensvorschriften auch keine formellen Bindungen an die Ziele der Raumordnung. Im Ubrigen existieren keine landesgesetzlichen Anzeige- und Unterrichtungspflichten gegeniiber den Landesplanungsbehorden.463 Baurechtliche Genehmigungsvorbehalte sind angesichts des Wortlautes von § 34 Abs. 5 BauGB nicht ersichtlich. Auf eine Anzeigepflicht aus der Ermachtigung des § 246 la BauGB wurde verzichtet.464 Die raumordnungsrechtliche Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 LP1G M-V erfasst lediglich Bauleitplane, nicht aber Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB. Materielle Zielbindungen waren hingegen nicht nur aufgrund des begrenzt rechtsbegrilndenden Charakters dieses Satzungstyps wtinschenswert, sondern auch durch die Tatsache, dass raumlicher Gegenstand der Satzung die auBerst sensiblen Grenzflachen zwischen Innen- und AuBenbereich sind. Festlegungen in diesem Bereich bediirften zumindest einer eingeschrankten Riickkoppelung. Die Moglichkeit, dass durch eine Klarstellungssatzung Vorhaben die Privilegierung des Innenbereichs erfahren, die aufgrund ihrer Nahe zum AuBenbereich raumbedeutsame Effekte nach sich ziehen, erscheint jedenfalls nicht abwegig.465 Diese Einschatzung diirfte speziell auf den Kiistenraum zutreffen. Die Klarstellungssatzung ist gemaB § 34 Abs. 5 BauGB nicht SUP-pflichtig.466

462

463

464

465 466

Eine eingeschrankte Zielbindung ergabe sich nur tiber das Merkmal der Vereinbarkeit mit einer geordneten stadtebaulichen Entwicklung gemaB § 34 Abs. 4 S. 2 1. H S BauGB, vgl. Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 71 a.E. Die Klarstellungssatzung ist aufgrund ihres vordergriindig deklaratorischen Charakters von diesem Erfordernis hingegen befreit. Vergleiche § 17 LP1G M-V und Anzeige-Erlass (Verfahren bei der Anzeige von raumbedeutsamen Planungen, MaBnahmen und Einzelvorhaben vom 06.05.1996, AmtsBl. M-V, S. 530, geandert durch Erlass vom 02.06.1998, AmtsBl. M-V S. 1399) Nr. 2.1.1; §§ 16 1, 19 LP1G S-H und Erlass der Ministerprasidentin (Planungsanzeigen nach § 16 sowie Unterrichtungen nach § 19 LP1G) vom 09.08.1994, AmtsBl. S-H, S. 441 Nr. II, 3; III. Dabei soil an dieser Stelle unerortert bleiben, ob sich die Ermachtigung nur auf Erganzungssatzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB bezieht (so Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 246 Rn. 24), oder dem Wortlaut nach auf alle Formen der Innenbereichssatzungen, da die Anzeigepflicht zeitlich befristet ist, vgl. Fn. 453 f. Landesrechtliche Anzeigepflichten durften gleichwohl dann rechtlich zulassig sein, sofern man im Zuge der Wortlautauslegung zu einer weiten Anwendbarkeit des § 246 la BauGB kame. Ahnlich Schink, in: Mitschang, U P R 99, S. 6 1 . Krautzberger/Stuer, DVB1. 04, S. 785; Battis/Krautzberger/Lohr, N J W 04, S. 2557.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

dd. Die Entwicklungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB Durch eine Entwicklungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB konnen AuBenbereichsgrundstiicke im Gegensatz zur Klarstellungssatzung final und konstitutiv dem Innenbereich zugeordnet werden. Voraussetzung dafiir ist, dass im AuBenbereich zusammenfassend bebaute Bereiche existieren, denen es nur noch an der Ortsteileigenschaft fehlt467 und der zu entwickelnde Bereich im Flachennutzungsplan bereits als Bauflache dargestellt ist. Beide Voraussetzungen miissen kumulativ vorliegen.468 Der Wortlaut des § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 BauGB deutet auf eine restriktive Begrenzung des raumlichen Geltungsbereicb.es bin. Seine Hauptbedeutung sollte in der Einbeziehung von Bauliicken bestehen, da eine Ausdehnung der Bauflachen iiber den vorgegebenen Gebietszusammenhang bei ordnungsgemaBer Anwendung nicht moglich ist.469 Allerdings zeigte sich in der Vergangenheit, dass Entwicklungssatzungen in besonders nachteiliger Weise zur Verfestigung baulicher Fehlentwicklungen in Gestalt unorganischer Splittersiedlungen missbraucht wurden und den Freiraumschutz erheblich schwachten.470 Ziele der Raumordnung entfalten bei diesem Satzungstyp ihre Bindungswirkung zunachst mittelbar nach § 6 Abs. 1 BauGB iiber die Notwendigkeit einer Entwicklung aus dem Flachennutzungsplan. Eine eigenstandige Bindung der Satzung selbst erfolgt durch die Bindung an eine geordnete stadtebauliche Entwicklung, innerhalb derer die Anpassungspflicht des 1 Abs. 4 BauGB sinngemaB anzuwenden ist.471 Trotz dieser positiv zu bewertenden Zielbeachtenspflicht sind Defizite zu befurchten, da die verfahrensmaBige Anbindung der Entwicklungssatzung nur sehr eingeschrankt gegeben ist. Die Entwicklungssatzung unterliegt gemaB § 34 Abs. 5 BauGB keiner Genehmigungspflicht der hoheren Verwaltungsbehorde.472 Eine Unterrichtungspflicht der Landesplanungsbehorde, wie auch anderer Verwaltungstrager, deren Aufgabenbereiche beriihrt werden473, ergibt sich bundesrechtlich nur aus § 4 Abs. 1 BauGB. Danach sind die Stellungnahmen der Trager offentlicher Belange bei der Abwagung zu beriicksichtigen.474 Die Landesplanungsbehorden sollten als Trager iiberortlicher Belange grundsatzlich nach § 4 Abs. 1 BauGB beteiligt werden.475

467 468 469 470 471

472 473 474 475

Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 68 m.w.N.; Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 34 Rn. 42; Schink, DVB1. 99, S. 370. Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, B a u G B , § 34 Rn. 4 3 . Schink, DVBl. 99, S. 371. Franz, Freiraumschutz, S. 203f., m.w.N. Krautzberger, in: B/K/L, B a u G B , § 3 4 Rn. 71 a.E. Verwiesen sei aber darauf, dass durch den Wegfall des im § 34 Ha BBauGB enthaltenen Merkmals einer besonderen Wohnstruktur gleichwohl eine Zersiedelung des Aufienbereichs nunmehr begunstigt wird. Vgl. dazu Schlichter, in: Schlichter/Stich, BK, § 34 Rn. 63 (Vorauflage). Vergleiche auch Einfuhrungserlass M-V, Nachweis in Fn. 452, Abschnitt 2.4.6. So im iiberschwemmungsgefahrdeten Kxistenbereich die untere Wasserbehorde. Die Ziele der Raumordnung sind dem entgegen weiterhin zu beachten. Grauvogel, in: Brugelmann, B a u G B , § 4 Rn. 15.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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Die bundesrechtliche Anbindung der Landesplanungsbehorden lediglich durch das Beteiligungsrecht der Trager offentlicher Belange birgt trotz der materiellen Bindung an die Ziele der Raumordnung die Gefahr, dass diese von den Gemeinden bewusst oder unbewusst umgangen werden. Eine wirkungsvolle Bindung kann nur durch Kontrollbefugnisse der Landesplanungsbehorden gewahrleistet werden. Da nur durch eine ausdriickliche und zwingende Normierung eine effektive Beteiligung der Landesplanungsbehorden zu gewahrleisten ist, ware zumindest baurechtlich ein Anzeigeverfahren gemaB § 246 la S. 1 BauGB geboten. Das Anzeigeverfahren fur die Entwicklungssatzung erscheint, abgesehen vom Umfang der Ermachtigung aus § 246 la S. 1 BauGB,476 jedenfalls vor dem Hintergrund, dass § 34 Abs. 5 S. 1 BauGB die Entwicklungssatzung dem vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB unterwirft, zulassig. Dies folgt vor allem daraus, dass das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB auf die Entwicklungssatzung gemaB § 34 Abs. 5 S. 1 BauGB nur teilweise und entsprechend anzuwenden ist. Die Ausnahme der im vereinfachten Verfahren geanderten Bauleitplane von der landesrechtlichen Ermachtigung zur Anzeige beschrankt sich auf die Tatbestande der Anderung oder Erganzung selbstandiger, vorzeitiger oder vorzeitig bekanntgemachter Bauleitplane.477 Ware die Privilegierung des § 246 la 2. HS BauGB hingegen gleichfalls auf die Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 BauGB anwendbar, wiirde die Regelung des § 246 la 1. HS 2. Alt. BauGB weitgehend leerlaufen. Raumordnungsrechtlich werden die Entwicklungssatzungen weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Schleswig-Holstein landesrechtlichen Anzeigepflichten unterworfen, da sich § 17 LP1G M-V und § 16 LP1G S-H dem Wortlaut nach nur auf Bauleitplane, nicht hingegen auf Satzungen nach § 34 Abs. 4 BauGB beziehen. Fur Entwicklungssatzungen kommen Anzeigepflichten nur nach MaBgabe von Mitteilungs- und Auskunftspflichten478 in Betracht, wonach die Trager der Qffentlichen Verwaltung die wesentlichen raumbeanspruchenden oder raumbeeinflussenden Planungen, MaBnahmen und Einzelvorhaben der unteren Planungsbehorde mitzuteilen haben.479 In Schleswig-Holstein ergeben sich Unterrichtungs-

476

A.A. Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 246 Rn. 24, wonach von § 246 la BauGB nur Erganzungssatzungen umfasst sein sollen. Siehe dazu schon Fn. 464.

477

Allgemein zu den von § 13 BauGB erfassten Konstellationen: Lohr, in: B/K/L, BauGB, § 13 Rn. 3. 478 Zum Beispiel § 20 LP1G M-V. 479 Die Formulierung der Neufassung ist zu kritisieren. Einerseits ist sie aufgrund der vagen Begriffe sprachlich ungenau und bereitet Subsumtionsprobleme. Andererseits wird verkannt, dass den Merkmalen raumbeanspruchend und raumbeeinflussend fur die Beurteilung der Raumbedeutsamkeit nur Indizwirkung zukommen kann. SchlieBlich wird die Auslegung dieser Merkmale den planenden Kommunen tiberlassen, die im Zweifel wenig Interesse an der Beteiligung der Landesplanungsbehorde haben diirften, sofern sich die Planung an der Grenze der Raumbedeutsamkeit bewegt und von dort Schwierigkeiten zu erwarten sind.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

pflichten fur raumbedeutsame Planungen, MaBnahmen und Einzelvorhaben aus § 19Abs. 3LP1GS-H. Trotz der materiellen Bindung an die Ziele der Raumordnung stellt sich die verfahrensmaBige Anbindung der Entwicklungssatzung und damit die praventiven Kontrollmoglichkeiten als nur sehr eingeschrankt dar. Tendenziell bergen die schwachen Beteiligungsformen die Gefahr in sich, okologische Aspekte der Raumentwicklung ins Hintertreffen geraten zu lassen.480 Analog dazu ist davon auszugehen, dass das Zuriickdrangen der verfahrensmaBigen Beteiligung der Landesplanungsbehorden auch eine Aushohlung raumordnerischer Zielbindungen mit sich bringt. Daher waren wenigstens ausdriickliche landesrechtliche Anzeigepflichten nach § 246 la S. 1 BauGB als verfahrensmaBiger Mindeststandard geboten. Unter der Voraussetzung, dass eine Zulassigkeit von UVP-pflichtigen Vorhaben nicht begrilndet wird, ist die Entwicklungssatzung gemafi § 34 Abs. 5 Nr. 2 BauGB von der Durchfuhrung einer SUP freigestellt.481 Damit kann im Interesse der Europarechtskonformitat u.U. die Notwendigkeit einer im Einzelfall restriktiven Handhabung des Instruments der Entwicklungssatzung einhergehen.482 ee. Die Erganzungssatzung nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB Die Erganzungssatzung483 nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB ermoglicht die Einbeziehung einzelner AuBenbereichsflachen in im Zusammenhang bebaute Ortsteile und uberfuhrt die Regelung des § 4 Ha BauGB-MaBnahmegesetz in Dauerrecht. Voraussetzung fur den ErlaB einer Erganzungssatzung ist, dass die einzubeziehenden Flachen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Ortsbereichs entsprechend gepragt sind.484 Der Erganzungssatzung kommt konstitutive Wirkung zu. Sie soil es den Gemeinden durch den Verzicht auf das Merkmal des Abrundens485 und der entfallenen Beschrankung auf Wohnbebauung486 erleichtern, Bauland zu schaffen.487 Erganzungssatzungen werden wie Entwicklungssatzungen in zweifacher Hinsicht materiell an die Ziele der Raumordnung gebunden: Sie mtissen einerseits mit der stadtebaulichen Entwicklung vereinbar sein. Sofern sie aus einem rechtswirk-

480 481 482 483

484 485 486 487

So auch das Umweltbundesamt, Jahresbericht 1997, S. 55. Krautzberger/Stuer, DVB1. 04, S. 785; Battis/Krautzberger/Lohr, N J W 04, S. 2557. Uechtritz in einem milndlichen Beitrag im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft fur Umweltrecht (GfU) 2004. Begrifflichkeit zum Zwecke der Abgrenzung von der bisherigen Abrundungssatzung gemafi § 4 Abs. 2a BauGB-MafinahmenG nach Krautzberger in: B/K/L, BauGB, § 13 Rn. 3. Softer, in: Bielenberg/Erbguth/Sofker, Rn. 356; Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 70. So noch § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB a.F. Siehe § 4 Abs. 2a BauGB-MafinahmeG. Hoppe/Grotefels, Offentliches Baurecht, § 8 Rn. 54.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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samen Flachennutzungsplan entwickelt wurden, erfolgt andererseits durch den Flachennutzungsplan eine raumordnerische Zielbindung.488 Die Erganzungssatzung kann, anders als die Entwicklungssatzung, auch entgegen den Festsetzungen des Flachennutzungsplanes aufgestellt werden. Dies ergibt sich aus dem Umkehrschluss des § 34 Abs. 5 S. 3 BauGB. Allerdings ist dann gemafi § 34 Abs. 5 S. 2 BauGB die Genehmigung der hoheren Verwaltungsbehorde notwendig. Insoweit wurde die verfahrensmaBige Anbindung der Erganzungssatzung mit der von Bebauungsplanen gleichgestellt, die nicht nach § 10 Abs. 2 BauGB genehmigungsfrei sind, allerdings mit der MaBgabe der Anwendbarkeit des vereinfachten Verfahrens nach § 13 BauGB. Die praventiven baurechtlichen Kontrollmoglichkeiten entsprechen fiir aus dem Flachennutzungsplan entwickelten Erganzungssatzungen denen der Entwicklungssatzungen. Landesplanungsrechtliche Anzeigepflichten existieren fur derartige Erganzungssatzungen nicht,489 so dass die im Rahmen der Entwicklungssatzungen aufgezeigten Defizite ihre Gultigkeit behalten. Diese dtirften hier allerdings noch starker wirken, da mittels der Erganzungssatzung weitreichenderes Baurecht geschaffen werden kann.490 Okologische Belange erfahren demgegeniiber eine Starkung, da kraft entsprechender Verweisung in § 34 Abs. 4 S. 5 BauGB die fur Naturschutz und Landschaftspflege zustandigen Behorden zu beteiligen sind.491 Im Ergebnis ermoglicht wenigstens die baurechtliche Genehmigungspflicht fur selbstandige, d.h. nicht aus einem rechtskraftigen Flachennutzungsplan entwickelte Erganzungssatzungen wirksame preventive Kontrollmoglichkeiten, da die Landesplanungsbehorden Mitwirkungsrechte geltend machen konnen.492 Unter der Voraussetzung, dass die Entwicklungssatzung keine Zulassigkeit von UVPpflichtigen Vorhaben begriindet, ist diese gemaB § 34 Abs. 5 Nr. 2 BauGB von der Durchfuhrung einer SUP freigestellt.493 Hinsichtlich einer etwaigen restriktiven Anwendung wird auf die Ausfuhrungen zur Entwicklungssatzung verwiesen.

2. Zielbindung in unbeplanten Gebieten nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB Landes- und regionalplanerische Ziele, welche die Gewahrleistung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien zum Gegenstand haben, wirken flachenhaft primar im 488 489

490 491 492

493

Insofern gilt das im 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. b. dd. zur Entwicklungssatzung Ausgeflihrte. In Schleswig-Holstein statuierte fur die vergleichbaren Ortsabrundungssatzungen nach § 4 Ha BauGB-Mafinahmegesetz der Erlass der Ministerprasidentin (Planungsanzeigen nach § 16 sowie Unterrichtungen nach § 19 LP1G) vom 09.08.1994, AB1. S-H, S. 441 Nr. 1 III allerdings wenigstens eine ausdriickliche Unterrichtungspflicht. In Mecklenburg- Vorpommern stellt die Erganzungssatzung keine nach § 19 LP1G M-V unterrichtungspflichtige Planung dar, vgl. Anlage I zum Anzeige-Erlass (Nachweis in Fn. 456). Ahnlich Franz, Freiraumschutz, S. 204. Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 75 a.E. Selbige Einschatzung gilt fur AuBenbereichssatzungen nach § 34 V I BauG, da eine Aufienbereichssatzung gema'B § 35 Abs. 4 S. 7 BauGB in jedem Fall die Genehmigung der nachsthoheren Verwaltungsbehorde bedarf. Krautzberger/Stiier, DVB1. 04, S. 785; Battis/Krautzberger/Lohr, N J W 04, S. 2557.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

AuBenbereich. Im Hinblick auf Risikoverminderung und Planungsstringenz kommt allerdings auch dem Innenbereich eine nicht unerhebliche Bedeutung zu, da hier die maBgeblichen materiellen Werte im Kilstenbereich angesiedelt sind. Die damit verbundenen Schutzerfordernisse ziehen die Notwendigkeit der Errichtung und standigen Unterhaltung von Kiistenschutzanlagen nach sich, die ihrerseits die Kustendynamik nachhaltig storen konnen.494 Gleichzeitig benotigt wirksamer Ktlstenschutz kustenparallele Freiflachen. Diese waren um so dringlicher, je hoher das Schadenspotential ist. Viele Kiistengemeinden, deren geschlossene Besiedlung noch nicht bis Dune und Deich vorgedrungen ist, begehren nach einer seewartigen Ausdehnung. Grundstilcke in exponierter Kustennahe stellen sich fur Wohnbebauung und Tourismus am attraktivsten dar. Ausgehend vom Anspruch eines IKZM, alle Entscheidungsebenen einer strikten Planbindung zu unterwerfen,495 soil in diesem Abschnitt untersucht werden, ob raumordnerische Zielfestlegungen mit entsprechenden Inhalten zur Verhinderung seewartiger Ausdehnungen der Ortslagen beitragen und damit zugleich risikopotentialbegrenzend wirken konnen.496 In einem ersten Schritt ist auszuloten, inwieweit Ziele der Landes- und Regionalplanung ihrem Wesen nach ilberhaupt geeignet sind, Effekte im Innenbereich zu erzeugen. Wenn deren prinzipielle Tauglichkeit bejaht werden kann, muss in einem zweiten Schritt gepruft werden, ob die gesetzliche Normierung des Innenbereiches in § 34 Abs. 1, 2 BauGB Zielbindungen in rechtlicher Hinsicht ermoglichen.497

a. Prinzipielle Tauglichkeit zur Wirkung im Innenbereich aa. Meinungsstand Im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB sollen nach fast einhelliger Ansicht landes- und regionalplanerische Zielfestsetzungen regelmafiig keine Bindungswirkung gegenilber Privaten entfalten.498 Die prinzipielle Nichtgeltung von

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498

Siehe die Darstellung im 1. Kapitel § 4 B. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 687. Vgl. auch 1. Kapitel § 5 C. II. 4. Obschon durch die restriktive Bestimmung des Innenbereiches ein gewisser Schutz vor kiistenwartiger Ausdehnung erreicht werden kann, bestehen bei der Abgrenzung Spielraume und Unsicherheiten, die nachteilige Siedlungsentwicklungen begtinstigen konnen. Zur Abgrenzung siehe ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. c. bb. Die erste Frage betrifft somit die zielbezogene tatsachliche Fahigkeit zur Beeinflussung, die zweite Frage hingegen die innenbereichsbezogene rechtliche Einwirkungsmoglichkeit. Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § 34 Rn. 53; Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 273; Runkel, in B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 50; Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 29; Sofker, in: B/K/S, BauGB, Rn. 346; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 390; BGH, Urteil vom 30.06.83 - III ZR 73/82 - = D O V 84, S. 213 ZfBR 84, S. 42 = BauR 84, S. 49 allerdings im Hinblick auf § 34 Abs. 1 BauGB a.F. als ,,sonstige offentliche Belange"; ebenso O V G Luneburg, Entscheidung vom 16.06.1982 - 1 A

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

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Zielen wird dabei mit deren Natur begriindet. Ziele der Raumordnung und Landesplanung seien regelmafiig viel zu unbestimmt, urn im innerortlichen Bereich iiberhaupt wirken zu konnen.499 Danach waren landes- und regionalplanerische Ziele schon ihrem Charakter nach ungeeignet, Bindungswirkungen im unbeplanten Innenbereich zu verursachen. Diese Ansicht kann nur so verstanden werden, dass Ziele der Raumordnung sachlich und raumlich nur in Planungsraumen ab einer gewissen GroBenordnung wirken konnen. Die kleinraumige Beeinflussung von Siedlungsstrukturen im Innenbereich sollen offensichtlich nicht dazu gehoren.500 Einer anderen Ansicht nach konnen Ziele der Raumordnung prinzipiell auch im unbeplanten Innenbereich wirken. Allerdings habe die Raumordnungsplanung bei alien Zielfestlegungen, die das besiedelte Gemeindegebiet betreffen, schon aus Grilnden der gemeindlichen Planungshoheit Zuruckhaltung zu iiben, da freiraumsichernde Ziele im zentral besiedelten Gemeindebereich, insbesondere im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB, naturgemaB starker in die gemeindliche Planungshoheit eingreifen wiirden als etwa in unbesiedelten Bereichen.501 Das konne aber nicht dazu fiihren, dass es der Landesplanung verwehrt ist, auch fur innerortliche Bereiche Zielvorgaben zu formulieren. Diese milssten dann aber relativ unbestimmt sein, um der gemeindlichen Selbstverwaltung durch ein hohes MaB an Konkretisierungfahigkeit der Ziele gerecht zu werden.502 bb. Diskussion und Stellungnahme Das Verstandnis von der prinzipiellen Nichtgeltung von Zielen der Raumordnung im Innenbereich wirft erhebliche Fragen auf. Die Annahme einer generellen Untauglichkeit landes- und regionalplanerischer Ziele im unbeplanten Innenbereich kann schon angesichts der Rechtslage in faktischen Baugebieten nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 11 Abs. 3 BauNVO wenig uberzeugen. In faktischen Baugebieten, d.h. in bebauten Bereichen, die einem in der BauNVO klassifizierten Baugebiet entsprechen, sollen sich landesplanerische Zielfestsetzungen iiber § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO jedenfalls bei der Ansiedlung groBflachiger Einzelhandelsgebiete, wenngleich sehr eingeschrankt, auswirken konnen.503 Die Relevanz von

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194/80 - BauR 82, S. 557 (560 f.). Ahnlich das BVerwG, vgl. Urteil vom 11.02.1993 4 C 15.92 - DOV 93, S. 914 (915) = DVB1. 93, S. 658 (660) = NVwZ 93, S. 167. So ausdriicklich Weidemann, NVwZ 83, S. 443. Insoweit ergibt sich auch durch § 3 Nr. 2 R O G 98 keine Anderung. Zwar wird hier nunmehr die raumliche u n d sachliche Bestimmbarkeit von Zielen gefordert, allerdings kann die Bestimmtheit v o n Zielen angesichts der Beeinflussung unterschiedlicher Raumkategorien variieren. D a j e d o c h nach vorgenannter Auffassung Zielfestsetzungen regelmaBig zu unbestimmt seien, u m i m innerortlichen Bereich zu wirken, wird diese Ansicht nicht schon durch die neue gesetzliche Vorgabe des § 3 Nr. 2 ROG obsolet. Vergleiche im 2. Kapitel § 7 C. II. 3. und Fn. 270. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 51; ahnlich UVG Minister, Urteil vom 19.11.1991 7 A 799/90 - UPR 92, S. 314 (316). Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 49 a.E.; Diirr, in: Brugelmann, BauGB, § 34 Rn. 49; Schroeder,UPR 00, S. 57. Dies bejaht grundsatzlich wohl auch BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 - 4 C 15.92- DOV 93, S. 914 (915) = DVB1. 93, S. 658 (660 f.) =

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

(raumordnungsrechtlichen) Femwirkungen fur die (bau-)planungsrechtliche Zulassigkeit zeigt § 34 Abs. 3 BauGB. Insgesamt ergibt sich, dass Ziele der Raumordnung ihrem Wesen nach in der Lage sein miissen, in faktischen Baugebieten nach § 34 Abs. 2 BauGB zu wirken. Gebiete nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB stellen sich bei objektiver Betrachtung aufierlich gleich dar. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Gebiete nach § 34 Abs. 2 BauGB zufallig mit denen in der BauNVO vergleichbar sind.504 Die wesentliche Ungleichbehandlung der Gebiete nach § 34 Abs. 1 BauGB § 34 Abs. 2 BauGB in Bezug auf raumordnerische Zielwirkungen wird folglich trotz deren objektiver Vergleichbarkeit hingenommen. Dies verwundert zwar, lasst sich formal aber noch iiber § 11 Abs. 3 BauNVO herleiten. Erstaunlich ist hingegen, dass der grundsatzlichen Geltungsmoglichkeit der Ziele in faktischen Baugebieten weder deren prinzipielle Untauglichkeit, mangels Bestimmtheit im Innenbereich wirken zu konnen,505 noch ein erhohtes Mafl an gemeindlicher Selbstverwaltung entgegengehalten wird, obwohl sich aus diesen Vorhalten die prinzipielle Unwirksamkeit in Gebieten nach § 34 Abs. 1 BauGB ergeben soil. Entweder sind landes- und regionalplanerische Ziele in der Lage, im Innenbereich zu wirken, oder man muss ihnen diese Fahigkeit prinzipiell absprechen. Wenn einerseits Ziele in den Fallen des § 11 Abs. 3 BauNVO bestimmt genug sein konnen, um in faktischen Baugebieten Bindungen zu entfalten, wird man ihre prinzipielle Fahigkeit, auch in Gebieten nach § 34 Abs. 1 BauGB wirken zu konnen, nicht mit der Argumentation einer zu hohen Unbestimmtheit verneinen konnen. Wenn zudem als Tribut an die gemeindliche Planungshoheit Ziele bewusst vage formuliert werden sollen,506 die daraus resultierende Unbestimmtheit jedoch als ein Grund fur die Unanwendbarkeit im Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB angesehen wird,507 erfolgt zudem ein Zirkelschluss.508 Im Ubrigen erschlieBt sich

504 505 506 507 508

NVwZ93, S. 167, indem die Funktion der Ziele als ,,Auslegungshilfe" betont wird. Abgesprochen wird ihnen hingegen, iiber § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO ein Vorhaben nach § 11 III ROG in Gebieten nach § 34 Abs. 1 BauGB verhindern zu konnen. Das andert aber nichts an der prinzipiellen Tauglichkeit einer Zielgeltung. Die landesplanerische Zielbindung innerhalb von Gebieten nach § 34 Abs. 2 BauGB ganzlich ablehnend: Gierke, in: Brugelmann , BauGB, § 1 Rn. 273. Zum Verhaltnis von § 341 und§ 34 Abs. 2 BauGB: Gelzer, Innenbereich in: FS Ernst, S.149 ff.; Brohm, Offentliches Baurecht, S. 361 ff. Grootehorst, D O V 86, S. 426. Hier wird im Gegenteil dazu die ausreichende Bestimmtheit landesplanerischer Ziele unproblematisch unterstellt, vgl. Knaup/Stange, BauNVO, § 11 Rn. 57. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 5 1 . Vergleiche Fn. 498. Dariiber hinaus konnen landesplanerische Vorgaben nur dann Bindungswirkungen entfalten, wenn sie dem Grandsatz der Bestimmtheit gentigen. Vgl. dazu schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d. Raumlich oder sachlich unbestimmte oder vage Festsetzungen widersprechen dem Zielcharakter und konnen so schon per se keine Bindungen entfalten. Dies wird nunmehr durch § 3 Nr. 2 R O G ausdriicklich herausgestellt. Damit scheitert der Versuch, dem erhohten MaB an gemeindlicher Planungshoheit im zentral besie-

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aus der Neufassung des § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 ROG nunmehr, dass Ziele der Raumordnung gegeniiber offentlichen Planungstragern bei alien raumbedeutsamen Planungen und Maflnahmen, und zwar ohne Ausschluss des unbeplanten Innenbereiches, zu beachten sind.509 Damit wird deren prinzipielle Tauglichkeit auch zur Steuerung von Innenbereichsvorhaben unterstellt.510 Demzufolge sind Ziele der Raumordnung und Landesplanung ihrer Natur nach grundsatzlich geeignet, auch im Innenbereich nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB zu wirken. Jb. Allgemeine rechtliche Bindungswirkungen aa. Analyse und Bewertung de lege lata

(a) Keine Zielbindung im Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB Wie soeben gezeigt, sind Raumordnungsziele ihrem Charakter nach in der Lage, im Innenbereich nach § 34 BauGB zu wirken. Fraglich bleibt, ob diese tatsachliche Fahigkeit ihren Niederschlag in einer rechtlich angeordneten Beachtenspflicht findet. In kurzer Ruckbesinnung auf die allgemeinen Bindungswirkungen der Raumordnungsziele ist festzustellen, dass nach § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 ROG die Ziele der Raumordnung und Landesplanung bei alien von offentlichen Stellen durchgefuhrten Planungen und MaBnahmen zu beachten sind.511 Bei den hier in Rede stehenden Vorhaben handelt es sich primar um MaBnahmen privater Trager, die aufierhalb der in § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 ROG aufgeflihrten Abwagungsentscheidungen zu verorten sind. Damit gilt fur die meisten Vorhaben § 4 Abs. 4 S. 1, S. 2 ROG, wonach bei alien anderen behordlichen Entscheidungen iiber die Zulassigkeit raumbedeutsamer MaBnahmen Privater die Erfordernisse der Raumordnung nach MaBgabe des Fachrechts zu beriicksichtigen sind.512 Wahrend somit iiber § 4 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 ROG Vorhaben und Zulassigkeitsentscheidungen offentlicher Stellen auch im unbeplanten Innenbereich einer Zielbeachtenspflicht unterworfen werden,513 richtet sich die Zulassigkeit von Vorhaben Privater gemaB § 4 Abs. 4 S. 1, S. 2 ROG ausschlieBlich nach den in § 34 Abs. 1 BauGB aufgefuhrten Tatbestandsmerkmalen.514 Diese werden maBgeblich durch das Merkmal des sich Einfligens in die bereits vorhandene Bebauung gekennzeichnet. In der Regel ftigt sich ein Vorhaben nach Art und MaB der baulichen Nutzung dann ein, wenn es sich im Sinne einer Nahbetrachtung im Rahmen

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delten Bereich durch relativ vage Formulierungen gerecht zu werden, schon am Grundsatz der Bestimmtheit und § 3 Nr. 2 ROG. Siehe dazu auch schon die Ausfuhrungen im 2. Kapitel § 7 C. II. 3. Runkel, in: B/R/S, R O G K § 4 Rn. 132. Zu VerhaltnismaBigkeitserwagungen bei solchen Bindungen Hartwig, N V w Z 85, S. 11. Siehe dazu schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. III. 2. a. Siehe dazu schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b. Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 4 Rn. 132. Bielenberg, in: B/K/S, BauGB, § 34 Rn. 346; Brohm, Offentliches Baurecht, § 20, Rn. 1; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 249; Schroeder,XJPR 00, S. 57.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

der vorhanden Bebauung halt.515 Kennzeichnend von § 34 Abs. 1, 2 BauGB ist das Fehlen einer etwa mit § 35 Abs. 3 S. 2 BauGB vergleichbaren Raumordnungsklausel. Die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB bezieht sich nur auf Bauleitplane, die im unbeplanten Innenbereich gerade nicht vorliegen. Mangels Transformation und in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts von § 4 Abs. 4 ROG scheidet eine bodenrechtliche Adaption landes- und regionalplanerischer Ziele im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1,2 BauGB bei alien, nicht von § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG erfassten Behordenentscheidungen im Verhaltnis zu privaten Vorhabentragern aus. Im Ergebnis hat der Gesetzgeber, nicht zuletzt durch den Ausschluss jeglichen Planungsvorbehaltes, mit § 34 BauGB eine echte Planersatzregelung geschaffen.516 Dem Inhalt nach stellt § 34 BauGB die positiv-rechtliche Kodifikation des situationsbedingten Rechts517 aus Art. 14 Abs. 1 GG auf Bebaubarkeit des Grundeigentums dar.518 Damit wurde bereits auf Ebene des Gesetzes eine Interessenabwagung vorgenommen und dem Bauwilligen eine Rechtsposition eingeraumt, die der derjenige innehat, der im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes entsprechend dessen Festsetzungen bauen will.519 Unabhangig von der prinzipiellen Moglichkeit der Geltung von Zielen im Innenbereich scheitert die rechtliche Gelrung von Zielen in Gebieten nach § 34 Abs. 1, 2 BauGB somit am Fehlen einer vermittelnden Norm, welche die bodenrechtliche Wirkung landes- und regionalplanerischer Ziele gegenilber privaten Vorhabentragern herstellen wurde. (b) Kritik Das Rechtsregime des Innenbereiches ist in Bezug auf die rechtliche Bindung an die Ziele der Raumordnung Ungereimtheiten ausgesetzt. Zum einen wird eine tendenziell widersprilchliche Behandlung der Baugebiete nach § 34 Abs. 1 BauGB und § 34 Abs. 2 BauGB fur nicht unter § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG fallende MaBnahmen ohne Existenz eines sachlichen Grundes hingenommen. Wahrend eine Zielbindung im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB kategorisch abgelehnt wird und angesichts der geltenden Rechtslage auch nicht hergeleitet 515

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Vereinfachte Definition nach BVerwG, Urteil vom 26.8.75 - 4 C 9.77 - = BVerwGE 55, S. 369 (370 ff., 381 f.); vgl. Battis, Bau- und Raumordnungsrecht, S. 154; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 249; Schroeder, U P R 00, S. 57. BVerwG, Urteil v o m 11.02.1993 - 4 C 1 5 . 9 2 - D O V 93, S. 914 (916) = DVB1. 93, S. 658 (661) = N V w Z 93, S. 167; Brohm, Offentliches Baurecht, § 20, Rn. 2; Btichner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 6 9 1 ; Hartwig, N V w Z 85, S. 11. Weidemann, NVwZ 83, S. 443; Hartwig, NVwZ 85, S. 11; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 42. So hatten Ziele der Raumordnung und Landesplanung nicht geniigend Gewicht, sich im Innenbereich gegen die Belange des Eigentums durchzusetzen, vgl. BGH, Urteil v o m 30.06.83 - III Z R 73/82 - = D O V 84, S. 213 = ZfBR 84, S. 42 = BauR 84, S. 49; B G H Z 88, S. 51 (55); Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 29. Ausdriicklich BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 - 4 C 15.92 - D O V 93, S. 914 (916) = DVB1. 93, S. 658 (661) = N V w Z 93, S. 167. Ebenso Weidemann, N V w Z 83, S. 443. Siehe dariiber hinaus die weitergehenden Nachweise in Fn. 498.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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werden kann, existiert eine solche, wie bereits gezeigt,520 zumindest tendenziell fur faktische Baugebiete ilber § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO. Eine derartige, selbst ansatzweise Differenzierang, kann angesichts des tatsachlichen Charakters der Gebiete hingegen kaum iiberzeugen. SchlieBlich stellen sich unbeplante Innenbereiche und faktische Baugebiete auBerlich gleich dar.521 Zum anderen ist diese Unterscheidung nach Sinn und Zweck522 der Raumordnungsziele nicht gerechtfertigt. Die Geltung uberortlicher Zielvorgaben kann nicht lediglich von ortlichen Zufalligkeiten abhangen.523 Eine sachgerechte Ubereinstimmung im Sinne eines umfassenden Planungsvorbehaltes ware nur dann gegeben, wenn Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowohl in § 34 Abs. 1 BauGB als auch § 34 Abs. 2 BauGB zu beachten waren.524 Weiterhin kann es nicht darauf ankommen, wer die entsprechende Planung durchfuhrt. Ware eine offentliche Stelle Vorhabentrager einer raumbedeutsamen Mafinahme, zoge dies eine Zielbindung nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG nach sich.525 Wird das Vorhaben hingegen von einem Privaten geplant und ausgefuhrt, unterfallt es weder selbst nach § 4 Abs. 1 S. 1 ROG noch die zulassende Behorde nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ROG einer raumordnerischen Bindung.526 Trotz dieser Widerspruchlichkeiten lasst die gegenwartige gesetzliche Regelung des § 4 Abs. 4 S. 1 ROG i.V.m. § 34 Abs. 1, 2 BauGB eine Bindung raumbedeutsamer Vorhaben im Innenbereich an die Ziele der Landesplanung nicht zu.527 Eine Beeinflussung der Entwicklung des Innenbereichs durch Erfordernisse der Raumordnung ist mangels Transformationsregelung folglich nicht moglich.528 Theoretisch kommt zwar ilber § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauNVO eine mittelbare Zielgeltung in faktischen Baugebieten in Betracht, praktisch ist sie sowohl in ihrer Beschrankung auf Einzelhandelsbetriebe als auch in der Form ihres rechtlichen Verstandnisses fur die Steuerung im Sinne vorbeugender Hochwasserstrategien von nur untergeordneter Bedeutung. Nach der gegenwartigen Rechtslage stellt sich der Innenbereich bei Vorhaben Privater somit als resistent gegeniiber Planungsvorbehalten dar. Dies muss fur die Etablierung alternativer Kiistenschutzstrategien sowie im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Kilstenplanungszone im Rahmen eines IKZM als defizitar angesehen werden.

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Siehe 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. a. bb. Vergleiche Fn. 504. Zur teleologischen Auslegung Larenz, Methodenlehre; S. 313 ff.; Zippelius; Juristische Methodenlehre; S. 46. Grootehorst, D O V 86, S. 426. Ahnlich Grootehorst, D O V 86, S. 426. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 132. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 249. Bis auf die Ausnahme des § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG. BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 - 4 C 15.92- DOV 93, S. 914 (915) = DVB1. 93, S. 658 (660 f.) = NVwZ 93, S. 167; Schroeder, UPR 00, S. 57.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

bb. Fazit und Ausblick: Zielbindung de lege ferenda ? Die vorstehenden Ausfiihrungen haben gezeigt, dass eine Beeinflussung von Vorhaben im Innenbereich durch Ziele der Raumordnung de lege lata regelmafiig nicht moglich ist. Dabei sind Zielfestlegungen ihrem Wesen nach grundsatzlich geeignet, Bindungswirkungen im Innenbereich zu entfalten. Gleichwohl verschliefit sich § 34 BauGB als Planersatzregelung ohne Ankniipfungspunkt an 6ffentliche Belange jeglicher landes- und regionalplanerischer Lenkung. Damit ist eine Steuerung des Risikopotentials im Sinne vorbeugender Kustenschutzkonzepte im Innenbereich auch nur ansatzweise nicht moglich. Gleichzeitig werden auch der Etablierung eines IKZM und einer durchsetzungsfahigen Kiistenplanungszone Grenzen gesetzt, die die Funktionsfahigkeit nachhaltiger Strategien insgesamt in Frage stellen diirften. Eine langfristig vorausschauende, Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gerecht werdende Entwicklung des Innenbereichs ist durch die Tatbestandsmerkmale des sich Einfugens und der gesunden Wohn- und Arbeitsverhaltnisse in § 34 Abs. 1 BauGB nicht moglich. So ist anerkannt, dass die Planersatzregelung des § 34 Abs. 1,2 BauGB allenfalls drastische stadtebauliche Fehlentwicklungen verhindern kann, fur eine gestaltende Steuerung der Stadtentwicklung jedoch untauglich ist.529 Der Grundsatz der freien Bebaubarkeit des Grundeigentums ist auBerhalb des Innenbereiches deshalb schon lange einem Planvorbehalt gewichen, der ernsthaft nicht mehr in Zweifel gezogen wird.530 Der unbedingte Planersatzcharakter von § 34 BauGB bedarf daher einer Modifikation in Richtung eines Planungsvorbehaltes, mit dessen Hilfe die Art der Bebauung unter uberortlichen Gesichtspunkten gesteuert werden kann. Dies gilt verstarkt in den Gebieten, die, wie die sandigen Kiisten, anthropogen unbeeinflussbaren naturraumlichen Veranderungen ausgesetzt sind.531 Wunschenswert ware eine Koppelung des Merkmals des sich Einfugens nicht nur an den vorhandenen Bebauungszusammenhang, sondern auch an die Vereinbarkeit mit der angestrebten Siedlungsstruktur, an uberortliche Planungsvorstellungen und nicht zuletzt an okologische Rahmenbedingungen, die den Innenbereich beeinflussen. Da sich die gegenwartige Fassung von § 34 Abs. 1 BauGB einer Orientierung an zukiinftigen Entwicklungen verschlieBt, kommt hier nur eine entsprechende Gesetzesanderung in Frage. Eine solche ware gleichwohl auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten zulassig.532 Inhaltlich begegnete die Bindung von Innenbereichsvorhaben an Ziele 529 530 531 532

Vergleiche Brohm, Offentliches Baurecht, § 20 Rn. 2. Siehe schon Czybulka, NuR 88, S. 215. Zu den moglichen Inhalten von Zielfestlegungen in Bezug auf vorsorgende Kiistenschutzstrategien vgl. 2. Kapitel § 7 D. I. Kompetenzrechtlich ist die Gesetzgebungsmaterie des Bodenrechts dem B u n d als konkurrierende Befugnis nach Art. 74 Nr. 18 GG zugewiesen. Die bodenrechtliche Transformation raumordnerischer Erfordernisse ware daher n u r d e m Bundesgesetzgeber moglich. Vgl. Baurechtsgutachten des BVerfG, Nachweis in Fn. 1 im 2. Kapitel § 6 S. 424 f.; Erbguth/Wagner, Bauplanungsrecht, Rn. 5; Koch/Hendler, Baurecht, S. 31;

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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der Raumordnung keinen Bedenken. Selbst vor dem Hintergrund des § 34 Abs. 1, 2 BauGB als Ausdruck des grundstticksimmanenten Rechts auf Bebaubarkeit533 miissten solche Beschrankungen situationsgebunden als gerechtfertigt angesehen werden.534 Zudem betrafe der raumordnerische Planungsvorbehalt nur die zukunftige Errichtung und wesentliche Anderung von Vorhaben im Innenbereich. Die Modifizierung jedenfalls noch nicht ausgeiibter Grundstiicksnutzungen stellt sich regelmSBig im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums als verhaltnismaBig dar.535 Insoweit kann ebenfalls nicht von einem rechtlich relevanten Vertrauensschutz ausgegangen werden, Innenbereichsgrundstiicke auf Ewigkeit losgelost von iiberortlichen Planungserfordernissen bebauen zu konnen.536 Da von einer Koppelung an iiberortliche Planungsvorstellungen alle Grundstiicksinhaber gleichermafien betroffen waren, wiirde die Eigentumsgarantie auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht unzulassig verkurzt.537 SchlieMch traten selbst bei Einfuhrung eines umfassenden Planungsvorbehaltes eigentumsrechtlich bedeutsame Baubeschrankungen nur in auBerst begrenzten Fallkonstellationen auf, da der iiberwiegende Teil der das Planungskonzept storenden Vorhaben bereits tiber das Merkmal des sich Einfugens nicht genehmigungsfahig ware.538 Daftir, dass eine Bindung privater Vorhaben im Innenbereich an die Ziele der Raumordnung prinzipiell moglich ist, spricht iiberdies die nunmehr geltende Rechtslage. So begegnen Zielbindungen privatniitziger Planfeststellungen im Innenbereich keinen Bedenken. Eine solche folgt bereits aus der Unbe-

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Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 99. Siehe auch die Ausfuhrungen im 2. Kapitel § 7 C. III. 3. Siehe dazu exemplarisch BVerwG, Urteil v o m 11.02.1993 - 4 C 1 5 . 9 2 - D O V 9 3 , S. 914 (916) = DVB1. 93, S. 658 (661) = N V w Z 93, S. 167 sowie allgemein 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. b. aa. Z u situationsbedingten Eigentumsbeschrankungen siehe ausftthrlich 5. Kapitel § 14 C. BVerwG, Urteile v o m 15. 02.1990 - 4 C 4 7 . 8 9 - BVerwGE 84, S. 361 (370 f.) u n d vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (10), Beschlusse vom 10.05.1995 - 4 B 90/95 - N J W 96, S. 409 (409) u n d vom 18.07.1997 - 4 B N 5.97 - N u R 98, S. 37 (39 f.), sowie die Entscheidung vom 17.01.2000 - 6 B N 2.99 - N u R 00, S. 267, Fundstelle in: Juris, C D Verwaltungsrecht (CD05V13). Erganzend ist danach zu fragen, ob Baurecht immer eine auf Ewigkeit gerichtete Bestandskraft entfalten muss. Vorsichtige, aber zutreffende Uberlegungen zur zeitlichen Begrenzung von Planfeststellungsbeschlussen formuliert Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 60. Ahnliche Erwagungen wird man vor dem Hintergrund des Rekapitalisierungsgedankens von Lampe, Nachweis in Fn. 3 im 1. Kapitel § 4 C. III. , auch bei Baugenehmigungen an Abrasionskilsten anstellen mtissen. Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 1 BvL 81/79 - N u R 88, S. 185 (187); BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - N u R 99, S. 572 (575). Im Umkehrschluss zu BVerwG, Urteil vom 11.02.1993 - 4 C 15.92 - DOV 93, S. 914 (915) = DVB1. 93, S. 658 (660 f.) = NVwZ 93, S. 167, wo die Nichtgeltung von Zielen im Innenbereich mit der sehr begrenzten Reichweite innerortlicher Vorhaben begrundet wird.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

achtlichkeitsregelung in § 4 Abs. 4 S. 2 ROG, welche fachgesetzliche Bindungen zugunsten der generellen Beachtenspflicht in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG entfallen lasst.539 Insoweit wird nicht nur klargestellt, dass durch die Raumordnung bodenrechtliche Wirkung auch gegeniiber Privaten, sondern prinzipiell auch rechtliche Beeinflussungen von Vorhaben im Innenbereich durch Ziele der Raumordnung moglich sind.

c. Exkurs: Zielbindungen im Ausnahmefall aa. Zielbindung kraft bodenrechtlicher Spannungen Ziele der Raumordnung konnen im Einzelfall Bindungswirkungen gegeniiber gebundenen Genehmigungsentscheidungen entfalten, wenn verbindliche und standortbezogene Ziele als stadtebauliche Belange i. S. d. § 1 Abs. 5 BauGB eine solches Gewicht erlangen, dass ein im Widerspruch zu den Vorgaben zugelassenes Vorhaben bodenrechtliche Spannungen auslosen wiirde. Hier ergeben sich dann Beriicksichtigungspflichten bei der Abwagung innerhalb des Merkmals des sich Einfugens.540 Die Berucksichtigung der stadtebaulichen Belange in § 1 Abs. 5 BauGB bestimmt sich nach den Erfordernissen des Einzelfalls.541 Ein Vorhaben ware dann unzulassig, wenn es trotz des auBerlichen Einfugens mit erheblichen stadtebaulichen Verschlechterungen verbunden ist.542 Zudem konnen Vorhaben an der Grenze des sich Einfugens dann nicht mittels einfacher Baugenehmigung zugelassen werden, wenn deren Zulassigkeit nur durch komplexe Abwagungsentscheidungen zu beurteilen ware, da die Abwagung der stadtebaulichen Belange des § 1 Abs. 5 BauGB zur Beurteilung bodenrechtlicher Spannungen nicht der Baugenehmigungsbehorde, sondern der Bauleitplanung vorbehalten sein sollen.543 Landesplanerische Beeinflussungen von Bauvorhaben im Innenbereich kamen demnach nur bei Existenz verbindlicher und genau bestimmbarer Ziele in Frage, die aufgrund ihrer Konkretisierung und hohen Bedeutung fur die stadtebauliche Entwicklung im Rahmen der Belange des § 1 Abs. 5 BauGB zwingend zu beriicksichtigen sind. Dies durfte dann der Fall sein, wenn mit der Nichtberilcksichtigung erhebliche stadtebauliche Nachteile verbunden waren. 539

540 541 542 543

Gleichwohl gelange die Herleitung raumordnerischer Zielbindungen auch iiber die fachgesetzliche Regelung des § 38 BauGB, der fur Planfeststellungen mit tiberortlicher Bedeutung die Normen ilber die Bauleitplanung, so auch die Planersatzfunktion des § 34 BauGB, fur nicht anwendbar erklart. Tatsachlich aber bedtirfte es dafur, wie eben gezeigt, der Freistellungsnorm des § 38 BauGB nicht. Der Sinn des § 38 BauGB ist auch nicht die Bindung bestimmter Planfeststellungen an die Ziele der Raumordnung, sondern die Privilegierang der Fachplanungen gegeniiber der Bauleitplanung. Alle MaBnahmen offentlicher Stellen und behordlichen Entscheidungen ilber privatntltzige Planfeststellungen erfahren ihre Zielgebundenheit direkt iiber § 4 I S. 2 Nr. 2 ROG. Abweichend offensichtlich Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 252. Vergleiche nur Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 29 a.E. Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 1 Rn. 49. BVerwG, Urteil vom 26.05.78-4 C 9.77 = BVerwGE 55, 370 (383). BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, S. 370 (383 f).

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

227

Bezogen auf den vorbeugenden Kiistenschutz konnten derartige Nachteile auftreten, wenn regionalplanerische Ziele eine Bebauung der kiistenwartigen Ortslagen in Abrasionsgebieten fur unzulassig erklaren,544 und wenn in besonders gelagerten Fallen, z.B. bei dauerhaft angelegten und investitionsintensiven Projekten, eine absehbar notwendige Rtickverlagerung des Gemeindegebietes erschwert und damit die stadtebauliche Entwicklung beeintrachtigt wiirde. Uberdies lasst das Merkmal des Einfiigens nicht nur die Subsumtion okologischer Belange zu,545 es stellt auch auf die Dichte und Konzentration der Bebauung ab. Nachverdichtungen sollen sich z.B. dann nicht einfugen, wenn das Gebiet durch eine bestehende Durchgrilnung sowie aufgelockerte Bauweise charakterisert ist.546 Obgleich durch das Merkmal des sich Einfiigens Ansatze zum Freiraumschutz und zur Risikopotentialbegrenzung insoweit zumindest denkbar sind,547 erscheint eine nachhaltige und plankonforme Beeinflussung von Innenbereichsvorhaben im Sinne eines IKZM allerdings eher unwahrscheinlich. bb. Restriktive Bestimmung des Innenbereichs

Eine Ausdehnung kiistennaher Gemeinden zum Ufer lieBe sich verhindern, sofern sich die neue Bebauung nicht mehr als Bestandteil des Bebauungszusammenhanges darstellen wiirde und sich deren Zulassigkeit folglich nach § 35 BauGB zu beurteilen hatte. Angesichts des Charakters von § 34 Abs. 1 BauGB als echte Planersatzregelung sind die Grenzen des Innenbereichs restriktiv auszulegen.548 Nur eindeutig vom Siedlungszusammenhang gepragte Grundstiicke sollen der Privilegierung des § 34 I BauGB unterfallen. Der Bebauungszusammenhang endet daher grundsatzlich hinter dem letzten noch zum Bebauungszusammenhang gehorenden Gebaude.549 Fur die Beurteilung der Innenbereichsgrenzen ist die genehmigte aber noch nicht verwirklichte Bebauung unbeachtlich.550 Die Zuordnung unbebauter Randlagengrundstiicke zum Innenbereich lasst sich auch dann nicht rechtfertigen, wenn eine Bebauung dieser Flache den vorhandenen Bebauungszusammenhang abrunden wiirde.551 Im Interesse des AuBenbereichsschutzes ist selbst eine vielfach abgewinkelte Innenbereichsgrenze hinzunehmen.552 Der Innenbereich ist dementsprechend auch nicht dahingehend abzurunden, dass in Fortschreibung eines in 544

545 546 547 548 549

550 551 552

In Anlehnung an den Rekapitalisierungsgedanken von Lampe, Erdkundeunterricht 96, S. 371 f, wonach in einer sich wandelnden Kustenlandschaft keine dauerhafte Gewinnerzielung mittels einmal getatigter Investitionen, sondern nur eine zeitlich befristete Rekapitalisierung der eingesetzten Aufwendungen im Vordergrund stehen sollte. Siehe auch 1. Kapitel § 5 mit weiteren Ausftihrungen. BTDrs. 10/4630, S. 87; Franz, Freiraumschutz, S. 197. V G H Kassel, Urteil vom 04.09.1987 - 4 U E 1048/85 - BRS 47, Nr. 65, S. 180. So jedenfalls fur die Sicherung von Freiraumen: Franz, Freiraumschutz, S. 197 f. Brohm, Offentliches Baurecht, § 20 Rn. 5. Siehe aach Battis, Baurecht, S. 152. BVerwG, Urteil v o m 2 9 . 1 1 . 1 9 7 4 - 4 C 10.73 - BVerwG, DVB1. 75, S. 509 (510 f ) ; OVG Minister, Urteil vom 03.10.1968 -X A 989/67 - BRS 20 Nr. 39. Buchner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 695. O V G Bremen, Entscheidung vom 03.12.1985 - 1 B A 66/85 - BauR 86, S. 184 (185). Im Ergebnis BVerwG, Urteil vom 06.11.1968 - 4 C 47.68 - BRS 20 Nr. 38.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

den AuBenbereich hineinragenden Bebauungsvorsprungs das Auffiillen mit einer weiteren Bauzeile moglich ware.553 Befinden sich zwischen Gemeinden und Uferlinie nach diesen Kriterien ermittelte AuBenbereichsflachen, konnen diese landes- und regionalplanerischen Vorgaben unterzogen werden. Denkbar waren hier Zielformulierungen wie etwa: ,,Die seewdrtige Ausdehnung der besiedelten Bereiche der Kiistengemeinden ist zu unterbinden. Eine weitere Siedlungsentwicklung ist nur landseitig, lediglich in Ausnahmefdllen bei entsprechenden Abstdnden zur Kiistenlinie auch kiistenparallel zuzulassen. Kiistengemeinden sind alle Orte, deren im Zusammenhang bebaute Bereiche innerhalb eines kiistenparallelen Streifens von 5 km, gemessen von Wasserlinie bei MW, liegen." Einer Erhohung des Schadenspotentials auf kiistennahen Freiflachen im Innenbereich kann regionalplanerisch uberdies dann begegnet werden, wenn es sich bei den zu bebauenden Flachen um sog. AuBenbereichsinseln handelt.554

V. Raumordnungsziele und Fachrecht 1. Wahrung des Aufgabenbereiches der Fachplanung Ahnlich dem Spannungsverhaltnis zwischen Raumordnung und gemeindlicher Planungshoheit ist das Verhaltnis von Raumordnung und Fachplanung von sachlich-rechtlichen Aufgaben und Funktionsiiberschneidungen gekennzeichnet.555 Die Raumordnung dient primar der Koordinierung der verschiedenen raumbedeutsamen Fachplanungen. Dabei greift sie auf die fachlichen Vorgaben der Fachplanungen zuriick und stimmt diese nach Abwagungsgrundsatzen aufeinander ab, und gleicht damit die zwischen den einzelnen Planungen bestehenden Raumkonflikte aus.556 Dem Normalfall nach bringen die Fachplanungen somit die Belange ein, welche die Grundlage fur die Abwagungsentscheidungen auf Ebene der Raumplanung bilden. Die Fachressorts sind zudem bestrebt, der Raumordnung ihre Nutzungsansprtlche zuzuleiten. Raumt die Landesplanung fachplanerischen Nutzungsansprtichen Vorrang vor anderen Nutzungen ein, so sind diese Belange gesichert oder zumindest mit einem Abwagungsvorrang versehen, welcher die Durch553 554

555

556

BVerwG, Urteil von 6.12.1967 -VI C 94.66 = DVB1. 68, S. 515, = D O V 68, S. 581; vgl. dazu auch Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB; BauGB, § 34 Rn. 18. Vergleiche dazu Krautzberger, in: B/K/L, BauGB, § 34 Rn. 2; Brohm, Offentliches Baurecht, § 20 Rn. 5; Buchner/Schlotterbeck, Baurecht, Rn. 695. Zur GroBe und Abgrenzung siehe BVerwG, Urteil vom 01.12.72 - 4 C 6.71 = BRS 25 Nr. 36 = DVB1. 73, S. 6 4 1 ; BVerwG, Urteil vom 14.11.1991 - 4 C 1.91 - BRS 52 Nr. 146. Siehe dazu ferner BVerwG, Urteil vom 1 7 . 0 2 . 1 9 8 4 - 4 C 55/81 - N J W 84, 1576 (1576 f). Vergleiche die Darstellung des sich wiederum aus dem Kompetenzgefuge zwischen Art. 7 5 Nr. 4 GG und den einzelnen fachgesetzlichen Kompetenzzuweisungen nach Art. 74 Nr. 11, 17, 2 1 , 22 u.a. GG ergebenden Konfliktpotentials bei Thurn, Gewasserfunktionen, S. 292. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 119; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 46.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

229

setzung gegenuber anderen Raumanspriichen wesentlich erleichert.557 Die Aufnahme fachlicher Vorgaben in die Raumordnungsprogramme steht daher im vordergriindigen Interesse der Fachplanungstrager. Prinzipiell ist die Raumordnung daher auf Vorgaben der Fachplanung angewiesen. Die Raumordnungsplanung soil daher die Fachplanungen regelmaBig nicht ersetzen konnen.558 Demgegeniiber ist die Raumordnung in bestimmten Fallen befugt, auch rein fachliche Ziele feszusetzen, ohne die fachlichen Grenzen der sektoralen Planungen beachten zu milssen.559 Derartige Befugnisse konnen zunachst ausdriicklich aus gesetzlichen Ermachtigungen folgen.560 Daruber hinaus kommt der Raumordnung ein eigener gesetzlicher Vorsorgeauftrag fur Natur und Landschaft zu,561 sofern es um iiberfachliche und uberortliche Erfordernisse geht. Vor diesem Hintergrund soil sich die Raumordnung z.B. nicht nur mit der Ubernahme fachgesetzlicher Schutzgebiete als Vorranggebiete begniigen konnen. Vielmehr kann es Aufgabe der Raumordnung sein, fachrechtlich noch nicht gesicherte Gebiete aus spezifisch raumordnungsrechtlichen Gesichtspunkten562 mit den Instrumenten der Raumordnung zu sichern und damit fachgesetzliche Unterschutzstellungen vorzubereiten.563 Eine Ersetzung des fachplanerischen und ordnungsrechtlichen Schutzes darf damit freilich nicht verbunden sein.564 Ein Tatigwerden der Raumordnung zur Regelung fachplanerischer Fragen ist weiterhin dann zulassig, wenn entweder fur bestimmte Sachverhalte keine Fachplanung vorgesehen ist oder die Fachplanung von Teilen der ihr zugewiesenen Regelungsmaterie keinen Gebrauch gemacht hat.565 SchlieBlich muss eine fachliche Planung durch die Raumordnung auch dann in Frage kommen, wenn an sich bestehende fachgesetzliche Planungsinstrumente der Fachplanung mangels kon557

Wahl, Festlegungen, in: Hoppe et al., Verwirklichung, S. 77. Schlarmann/Erbguth, Durchsetzung von Umweltbelangen, S. 23; Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 293. Unzulassig ware es, wenn die Raumordnung zugleich die Funktion eines Fachplanes erfullen sollte oder den Vollzug von Fachgesetzen an sich zoge, vgl. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 120. 559 Verwiesen sei nochmals darauf, dass die Fragestellung selbstverstandlich nicht unterstellt, der Einsatz des raumordnerischen Instrumentariums sei bei entsprechenden fachgesetzlichen Festsetzungen ausgeschlossen. Die Sicherang und Unterstutzung sektoraler Interessen gegenuber konfligierenden Belangen ist eine der Hauptaufgaben der Raumordnung. Im Gegensatz dazu ist an dieser Stelle zu klaren, warm die Raumordnung selbstandig zur Aufgabenerfullung befahigt ist. 560 Diese ergibt sich z.B. fur die Landschaftsplanung als naturschutzrechtliche Fachplanung aus der Moglichkeit der Primarintegration nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 ROG. 561 Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 204. 562 Siehe dazu BVerwG, Urteil vom 30.01.2003 - 4 CN 14.01 - NuR 03, S. 489 (492). 563 Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 204. 564 Die Grenze ware erreicht, wenn die Regionalplanung ,,im Gewande uberortlicher Gesamtplanung" verbindliche fachliche Regelungen durch eigene Zielfestlegungen iiberlagern oder ersetzen wurde, vgl. BVerwG, Urteil v o m 30.01.2003 - 4 C N 14.01 — N u R 03, S. 489 (491 f.) 565 Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 122 f. 558

230

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

kreter gesetzlicher Ermachtigungen in bestimmten Fallen entzogen sind. Somit waren eigenstandige Zielfestlegungen durch die Landes- und Regionalplanung jenseits des Koordinationsauftrages dann moglich, wenn nicht bereits diesbeztigliche fachgesetzliche Regelungen getroffen wurden oder die Fachplanung solche Ermachtigungen noch nicht wahrgenommen hat. Die unter Kollisionsgesichtspunkten zunachst moglich erscheinenden Uberschneidungen mit der wasserwirtschaftlichen Planung sind zwar denkbar, aber letztlich nicht zu befurchten.566 Die Inhalte der Fachplanungen werden regelmaBig in den raumordnerischen Entscheidungsprozess eingebunden. Aus diesem Grunde kann die anschlieBende Integration fachplanerischer Vorstellungen in die Raumordnung und die Formulierung von Zielen schon deshalb die fachplanerische Kompetenz nicht verletzen, weil diese durch den Planungstrager bereits in Anspruch genommen wurde.567 Uberdies ist die wasserwirtschaftliche Planung im Kilstenbereich mit Ausnahme der Ktistenschutzplanung gegenwartig nicht aktiv.568 Konflikte diirften auch deshalb nicht auftreten. Gleiches gilt fur die Ktistenschutzplanung und die Planung von Uberschwemmungsgebieten. Zusatzlich zum grundsatzlich bestehenden Koordinationsauftrag resultieren weitergehende Planungsbefugnisse der Raumordnung aus rechtlichen Hindernissen dieser Planungen, bestimmte Festsetzungen in Bezug auf den vorbeugenden Hochwasserschutz zu treffen, sowie aus teilweiser Untatigkeit. So wirft die Festsetzung von Uberschwemmungsgebieten an der Kiiste nach der gegenwartigen Rechtslage erhebliche Schwierigkeiten auf.569 Zudem sind die territorialen Festsetzungsmoglichkeiten raumordnerischer Gebietskategorien weiter gefasst als die der formellen Ausweisung von Uberschwemmungsgebieten.570 Die Kustenschutzplanung selbst ist sachlich weniger auf den Erhalt von Freiraumstrukturen, als primar auf die technische Planung von Kilstenschutzanlagen gerichtet.571 In Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein, begegnet die Zielfestsetzung freiraumschutzender Vorgaben an der Kiiste durch die Landes- und Regionalplanung im Hinblick auf fachgesetzliche Flachensicherungen daher keinen Bedenken.

566 567 568 569 570 571

Appold, Freiraumschutz, S. 78. Ebenda. Erbguth, N u R 99, S. 493 und Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 690. Siehe dazu ausflihrlich 4. Kapitel § 12 A. Vergleiche 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. aa. Siehe 4. Kapitel § 11 C. I. 2.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

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2. Zielbindungen a. Zielbindung und fachgesetzliche Raumordnungsklauseln In der Vergangenheit setzte sich die Fachplanung gegeniiber der Raumordnung in der Regel durch572, und zwar trotz der materiellen Bindung573 an die Zielbeachtenspflicht des § 5 Abs. 4 S. 1 ROG 93. Da fachgesetzliche Raumordnungsklauseln gegentiber den allgemeinen Regelungen der Bindungswirkungen im ROG als die spezielleren betrachtet wurden,574 sollten Privilegierungen in den Fachnormen die generelle Koppelung aus § 5 Abs. 4 S. 1 ROG 93G modifizieren konnen. Viele Fachgesetze enthalten noch heute Privilegierungen gegeniiber den Vorgaben der Raumordnung. So relativieren einige Raumordnungsklauseln575 die Beachtenspflicht der Raumordnungsziele zu verfahrensrechtlichen Benehmensregelungen, wie in § 16 Abs. 1 S. 1 FStrG,576 oder lediglichen Beriicksichtigungspflichten, z.B. in § 29 Abs. 5 S. 1 KrW-/AbfG577. Die Bedeutung der Raumordnung wurde auf Ebene der Fachplanung so tendenziell zuruckgedrangt. Aus der Neufassung des § 4 Abs. 1, 4 S. 2 ROG und der Konkretisierung der Bindungswirkungen folgt nunmehr eine strikte Koppelung des Fachplanungsrechts an die Ziele der Raumordnung.578 Zwar verharren die Vielzahl der in den Fachgesetzen existierenden Raumordnungsklauseln auch heute noch in unterschiedlichster sprachlicher Vielfalt und tragen wenig zur Erhellung der konkreten Bindungswirkungen bei.579 Die generalisierende Wirkung des § 4 ROG setzt hingegen einen Mindeststandard, der alle Raumordnungsklauseln mit einer gegeniiber § 4 Abs. 1, 4 S. 2 ROG verminderten Pflicht zur Zielbeachtung der Unwirksamkeit aussetzt. Materiellrechtlich von Bedeutung sind gegenwartige zielbezogene Fachplanungsklauseln demnach nur noch, wenn sie bereits jetzt iiber den Standard des § 4 ROG hinausgehen.580 Der Gegenauffassung, die davon ausgeht, dass fachgesetzliche Raumordnungsklauseln nicht nur aufgrund von Erganzungen nach § 4 Abs. 4 ROG, sondern auch aus Spezialitatsgriinden einen Vorrang gegeniiber § 4 ROG beanspruchen konnten, ist nicht zu folgen.581 Diese Annahme geht angesichts des insoweit eindeutigen Wortlautes von § 4 Abs. 5 ROG zumindest dann 572 573 574 575

576 577 578 579 580 581

Brohm, Offentliches Baurecht, § 37 Rn. 605; Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691. Cholewa et al, R O G 93, 3. Auflage, Vorbem. VII Rn. 35. Siehe nur Wagner, 1 , DVB1. 90, S. 1025 f., m.w.N. A u f deren Systematik als planungs- oder vorhabenbezogene bzw. verfahrens- oder materiellrechtliche Klauseln wird hier nicht eingegangen. Vgl. dazu ausftihrlich: Erbguth/Schoenberg, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, Rn. 58. Gesetz vom 19.04.1994, BGB1.1 S. 845. Gesetz vom 27.09.1994, BGB1.1 S. 2705. Zutreffend Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 2 6 1 . Zur Ubersicht der einzelnen Raumordnungsklauseln vgl. die Nachweise unter Fn. 586. So im Ergebnis auch Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 260 ff. Dies wird durch § 4 Abs. 5 R O G nochmals ausdriicklich herausgestellt. So aber offenbar Hendler, Aspekte, in: Jarass, Raumordnungsgebiete, S. 92. Missverstandlich auch Kloepfer, Umweltrecht, § 10 Rn. 38, wenn dort festgestellt wird, ,,durch Raumordnungsklauseln werden die Fachplanungen an die Raumplanung angebunden".

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

fehl, wenn mit dem Argument der Spezialitat hinter § 4 ROG zuriickbleibende Bindungswirkungen konstituiert werden sollten. Die Intention des Gesetzgebers nach Vereinheitlichung und stringenterer Bindung ist insoweit unlibersehbar.582 Trotz des allumfassenden Regelungsgehalts des § 4 ROG ist es dem Gesetzgeber auch weiterhin nicht verwehrt, neue fachgesetzliche Raumordnungsklauseln zu kreieren. Diese sind allerdings nur dann materiell rechtmaBig, wenn sie nicht hinter den in § 4 Abs. 1 und Abs. 4 S. 2 ROG kodifizierten Bindungen zuriickbleiben.583 Dies folgt schon aus der Tatsache, dass in § 4 Abs. 5 ROG eine Offnungsbestimmung zugunsten weniger verbindlicher fachgesetzlicher Regelungen fehlt. Zielbezogene Klauseln, deren Inhalt den Regelungen des § 4 Abs. 1, 4 S. 2 ROG entsprechen, sind zwar materiell zulassig, wirken allerdings nur deklaratorisch.584 Raumordnungsklauseln, die eine starkere Bindung an die raumordnerischen Erfordernisse bezwecken, sind ohne weiteres zulassig und wirken gemaB § 4 Abs. 5 ROG konstitutiv. Grundsatze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind gemaB § 4 Abs. 2 ROG weiterhin nach MaBgabe der fachgesetzlichen Regelungen zu beriicksichtigen. Gleiches gilt nach § 4 Abs. 4 ROG fur alle behordlichen Entscheidungen iiber raumbedeutsame MaBnahmen und Planungen Privater, sofern sie nicht in Form einer Planfeststellung oder -genehmigung ergehen.585 Die durch § 41, Abs. 5 ROG geschaffene Mindestgeltung der Ziele der Raumordnung gegeniiber den Fachplanungen muss im Hinblick auf die damit verbundene quantitative und vor allem qualitative Ausweitung der Moglichkeiten raumordnerischer Einflussnahmen als positiv bewertet werden. Zu begriiBen ist insbesondere die Vereinheitlichung der Bindungswirkungen bei Planungen und MaBnahmen offentlicher Stellen. Nunmehr existieren lediglich Bindungen nach § 4 Abs. 1 ROG oder, sofern weitergehend, erganzende nach Fachgesetz. Die Bindung zumindest privatniitziger Planfeststellungen direkt durch § 4 Abs. 1, 4 S. 2 ROG ist als ein Schritt in die richtige Richtung zu werten. Die Handhabung der immerhin 46 fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln586 wird ohne Beeintrachtigungen der Steuerungsmoglichkeiten der Raumordnung sachgerecht vereinfacht.587 Werden somit im Interesse des vorbeugenden Hochwasserschutzes kilstennahe Freiflachen durch textliche Zielfestlegungen oder Vorranggebiete gesichert, ist 582 583 584 585 586

SchlieBlich spricht filr eine einheitliche Bindung der Vorrang des neueren Gesetzes (lex-posterior-Grundsatz). Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 260. Diese Klauseln sind demnach rechtlich unbeachtlich, sie werden durch § 4 Abs 1 bis Abs. 4 R O G verdrangt. Z u m Sinn oder Nichtsinn deklaratorischer Klauseln: Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 264. Siehe 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b. bb. Genaue Nachweise bei Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 276 ff. (Planungen Offentlicher Stellen), Rn. 310 ff. (MaBnahmen offentlicher Stellen), Rn. 324 ff. (MaBnahmen Privater), Rn. 391 ff. (Forderbestimmungen). Ferner Dyong, in: Cholewa et al., ROG, § 4 Rn. 41 f., 49.

587

Z u Einschrankungen in Bezug auf die Landschaftsplammg und die wasserwirtschaftliche Planung vgl. 3. Kapitel § 9 B. IV. und 4. Kapitel § 11 B. III. 1.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

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zunachst eine weitreichende Geltung gegeniiber konkurrierenden Fachplanungen gegeben. Als Rechtsfolge der Bindung unterfallen alle von § 4 Abs. 1 ROG erfassten Planungen und MaBnahmen, die Zielfestlegungen widersprechen, einem Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG i.V.m. § 5 Abs. 6 LP1G M-V oder § 4 Abs. 3 LP1G S-H. Damit steht der Landesplanungsbehorde ein umfangreiches Mitwirkungsrecht zu, welches durch die Einvernehmensregelung in beiden Landern588 recht effektiv erscheint.589

b. Zielbindung und Immissionsschutzrecht Die vorangegangenen Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl raumbedeutsamer Planungen und MaBnahmen entweder ilber § 4 Abs. 1 ROG oder durch das Bauplanungsrecht nach § 1 Abs. 4 BauGB oder § 35 Abs. 3 BauGB an die Ziele der Raumordnung gebunden werden. Eine Zielbindung besteht jedoch nicht fur Vorhaben innerhalb des unbeplanten Innenbereichs nach § 34 BauGB und bei nach Fachrecht zu beurteilenden privaten Projekten, die nicht ilber ein Planfeststellungsverfahren oder eine Plangenehmigung zugelassen werden (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 ROG). Wenngleich letztere kaum noch dem Fachplanungsrecht zugerechnet werden konnen, ist deren Beeinflussung durch Ziele der Raumordnung von ganz aufierordentlicher Bedeutung, um eine den naturraumlichen Verhaltnissen des Kiistenraumes angepasste Ktistenentwicklung zu gewahrleisten. Fur planfeststellungsfreie Anlagen beurteilt sich die Anwendbarkeit landesplanerischer Rechtssatze nach den jeweiligen Vorgaben des Fachrechts. Von besonderer Bedeutung sind hierbei Vorhaben, die nach den §§ 4 ff. BImSchG zu genehmigen sind. Liegen die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf Erteilung der Ge588 589

Rahmenrechtlich zulassig waren auch lediglich Benehmensregelungen, siehe Dyong, in: Cholewa et a l , ROG, § 11 Rn. 8. Nach § 5 Abs. 6 LP1G M - V mussen effentliche und private Planungstrager, die bei Konflikten mit den Zielen der Raumordnung von den Zielen abweichen wollen, zuerst die oberste Landesplanungsbehorde daruber unterrichten. Im Einvernehmen mit den jeweils beruhrten Fachministerien kann sie die geplante MaBnahme dann von der Zielbindung nach § 4 Abs. 1 R O G i.V.m. § 5 Abs. 1 LP1G M - V ausnehmen. Voraussetzung fur eine Zielabweichung ist, dass diese nach raumordnerischen Gesichtspunkten aufgrund veranderter Tatsachen oder Erkenntnisse geboten und die Raumordnungsprogramme in ihren Grundsatzen nicht beriihrt werden. Die verfahrensmSBige Anbindung dilrfte die Entscheidungsbefugnis der Landesplanungsbehorde insgesamt sicherstellen. Die materiellen Grenzen der Zielabweichung scheinen die Einheit und Wirkung der Gesamtplanung nicht zu stdren. SchlieBlich mussen die Abweichungen raumordnerisch geboten und raumvertraglich sein. Problematisch diirfte in diesem Zusammenhang wieder die tatsachliche Beteiligung der Landesplanungsbehorde sein. Voraussetzung fur ein Zielabweichungsverfahren sowie eine Untersagung nach § 12 ROG ist in jedem Fall die Kenntnis der Landesplanungsbehorde. Die Moglichkeit der Kenntniserlangung erscheint hingegen oft defizitar. Vgl. dazu Abschnitt 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. b. Insgesamt kritisch zur Abweichungsoption des § 5 Abs. 6 LP1G M-V Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 176.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

nehmigung.590 Entsprechend der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG erfasst die immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch die Entscheidung iiber die bauplanungsrechtliche Zulassigkeit des Vorhabens.591 Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die Genehmigung nur dann zu erteilen, wenn offentlichrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Da die bauplanungsrechtlichen Vorschriften des BauGB im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren Anwendimg finden,592 erfolgt zugleich eine Bindung an die Ziele der Landesplanung nach Mafigabe des Bauplanungsrechts.593 Soil das Projekt im Rahmen eines Bauleitplanes genehmigt werden, findet eine Zielbindung iiber § 1 Abs. 4 BauGB start. Im AuBenbereich kommen die Vorschriften des § 35 BauGB zur Anwendung.594 Damit entfalten die Ziele der Raumordnung gegenilber immissionsschutzrechtlichen Vorhaben ihre Wirkung nach § 35 Abs. 3 BauGB.595 Fur die Zulassigkeit raumbedeutsamer Projekte nach den §§ 4 ff. BImSchG kommt es somit ganz erheblich darauf an, ob es sich um nach § 35 Abs. 1 BauGB im AuBenbereich privilegierte oder um nichtprivilegierte Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB handelt.596 Da § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BauGB ftir letztere, unabhangig von ihrer Raumbedeutsamkeit, eine Beeintrachtigung offentlicher Belange bereits dann fmgiert, wenn das Vorhaben den Darstellungen eines Landschaftsplanes nach § 16 BNatSchG widerspricht,597 konnen nicht privilegierten Vorhaben auch rein okologische Planungen entgegengesetzt werden. Viele im Kilstenbereich geplante Projekte liegen im AuBenbereich und sind durch die 4. BImSchV598 einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht unterworfen. Typische Anlagen sind solche zur Gewinnung von Warme und Elektrizitat (1.1), Holzverarbeitung und Spanplattenherstellung (6.3), Fischverarbeitung und Fischmehlproduktion (7.16), um nur einige zu nennen. Vorhaben sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB vor allem dann im AuBenbereich privilegiert, wenn sie an die besonderen Gegebenheiten im AuBenbereich gebunden sind. Ortsgebundenheit soil dann vorliegen, wenn die betreffende Anlage nach ihrem Wesen und ihrem Gegenstand - nicht nur aus Grunden der Rentabilitat - nur an der fraglichen Stelle betrieben werden kann, weil ein Betrieb dieser Art, soil er nicht seinen Zweck verfehlen, auf die geographische oder geologische Eigenart dieses Standor-

590

Dorr,, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 6 Rn. B 1. Es handelt sich folglich u m eine Kontrollerlaubnis. 591 Kloepfer, Umweltrecht, § 14 Rn. 163; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 35. 592 BayVGH, Urteil vom 27.11.1975 - 61 VI 74 - in: Ule/Laubinger, BImSchG Rechtsprechung, § 13 Nr. 4. 593 Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 113. 594 Dorr, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 6 Rn. C 18. 595 Sellner, Immissionsschutzrecht, Rn. 113. Siehe schon 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. bb. 596 Vergleiche zu den Unterschieden schon 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. bb. 597 Diirr, in: Brugelmann, B a u G B , § 35 Rn. 82. 598 Vierte Verordnung zur Durchfuhrung des Bundesimmissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.03.1997 (BGB1.1 S. 504).

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

235

tes angewiesen ist.599 Fur die Kustennahe kommt hinzu, dass sich die Ortsgebundenheit auf die Errichtung in Wassernahe beziehen muss. Fiir die genannten Beispiele wird eine gewisse Bindung an die naturraumlichen Besonderheiten der Kiisten nicht ganzlich zu verleugnen sein. Kraftwerke benotigen Wasser, Fischverarbeitung und Fischmehlproduktion Wasser und Hafen zur Anlandung der Produktionsgrundlage. Ahnliches gilt fur die holzverarbeitende Industrie, die ihren Rohstoff mit Schiffen aus Skandinavien und der GUS bezieht und fiir den Produktionsprozess viel Wasser benotigt. Obgleich eine Ansiedlung direkt an der Uferlinie in vielen Fallen vermeidbar sein wird, ohne die Ortsgebundenheit zu negieren,600 entfallt die prinzipielle Bindung an die Nahe zur Kilste wohl nicht. Als solche sind derartige Betriebe auch in der Vorstellung eines IKZM grundsatzlich an die Kiiste zu verorten.601 Dies andert jedoch nichts daran, dass die Standortwahl im Kustenraum im Sinne nachhaltiger Strategien zu erfolgen hat. Um die Steuerungswirkung der Raumordnung nicht zu gefahrden, kommt es daher primar darauf an, die entsprechenden Zielvorgaben und Gebietskategorien ausschlieBlich zu gestalten und zugleich Alternativzuweisungen an geeignete Standorten vorzunehmen. Nur so kann verhindert werden, dass nach Immissionsschutzrecht zu beurteilende privilegierte Vorhaben in Gebieten errichtet werden, die fur vorsorgende Kiistenschutzstrategien oder fiir die okologische Entwicklung des Kustenraumes von Bedeutung sind. In eine Kiistenplanungszone gehoren daher auch Eignungsgebiete (mit weitreichender Ausschlusswirkung nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG), die kustengebundene, aber potentiell konzeptwidrige Projekte auf naturvertragliche Standorte verweisen konnen, um zu verhindern, dass diese dem Planungssystem entgleiten.

3. Fachplanerische Privilegierungen a. Einschrankungen der Bindungswirkungen aufgrund § 5 ROG Die strikte Bindung aller offentlicher Stellen an die Ziele der Raumordnung nach § 4 Abs. 1 ROG erfahrt durch § 5 ROG eine einschrankende Modifizierung. Adressat der Regelung sind ausschlieBlich offentliche Stellen des Bundes, andere offentliche Stellen, wenn sie im Auftrag des Bundes tatig sind, und Personen des Privatrechts nach § 4 Abs. 3 ROG, die fur den Bund offentliche Aufgaben durchfiihren. Sachlicher Gegenstand sind zunachst raumbedeutsame Planungen und MaBnahmen, die kompetenzrechtlich dem Bund zugeordnet sind.602 Da jedoch die Aufzahlung der privilegierten Fachgesetze in § 5 Abs. 1 Nr. 3 ROG analogiefahig sein und § 5 Abs. 1 Nr. 1 ROG als Auffangtatbestand fungieren soil,603 erscheint § 5 ROG beziiglich der genannten fachgesetzlichen Verfahren nicht abschlieBend.

599

BVerwG, Urteil v o m 07.05.1976, N J W 77, S. 119; Sellner, Immissionschutzrecht, Rn. 102. 600 p u r Kraftwerke z.B. durch Kiihlwasserleitungen. 601 Siehel.Kapitel§5C. II. 3. 602 Runkel, in: B/R/S, R O G , K § 5 Rn. 5. 603 Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 5 Rn. 16 f., 26.

236

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

In § 5 Abs. 1 lit. a) bis c) ROG werden verfahrensmaBige Hiirden aufgestellt, die den planenden Behorden erweiterte Beteiligungsrechte gewahrleisten. Danach tritt die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung gegeniiber den Stellen des Bundes nur ein, wenn diese bei der Zielaufstellung nach § 7 Abs. 5 ROG beteiligt wurden, das Konsensfindungsverfahren nach § 5 Abs. 2 ROG zu keiner Einigung gefuhrt hat und die Stelle oder Person dem rechtswirksamen Ziel nicht innerhalb von zwei Monaten widerspricht. Der Widerspruch selbst ist ausweislich § 5 Abs. 3 S. 2 ROG insbesondere dann materiell berechtigt und suspendiert die Stelle oder Person von der Zielbindung, wenn das Ziel mit der Zweckbestimmung des Vorhabens nicht im Einklang steht. Dariiber hinaus kann die planende Stelle trotz eines nicht geltend gemachten Widerspruchs gemaB § 5 Abs. 4 ROG auch noch nachtraglich den Zielen der Raumordnung widersprechen, wenn eine veranderte Sachlage dies notwendig erscheinen lasst.604 Die formellen und materiellen Griinde fur die Nichtgeltung der Raumordnungsziele gegentiber BundesmaBnahmen sind in ihrer Gesamtheit negativ zu bewerten. Durch die erweiterten Beteiligungsrechte der Bundesbehorden wird die Aufstellung von Zielen verfahrensmaBig erschwert. Fehler bei der Beteiligung, deren Auftreten mit steigender Komplexitat des Verfahrens wahrscheinlicher werden dtirften, lassen die Bindungswirkung ebenfalls entfallen. In materieller Hinsicht wird die Zielbindung ausgerechnet fur die Falle ausgeschlossen, die im Interesse der Raumordnung gerade nicht zuzulassen waren. Damit erfolgt nicht nur eine partielle Privilegierung der einschlagigen BundesmaBnahmen, sondern eine absolute Freistellung, die geeignet ist, langfristig orientierte Raumkonzepte zunichte zu machen. SchlieBlich befreit der in § 5 Abs. 4 ROG enthaltene „ clausula rebus sic stantibus "-Vorbehalt605 trotz der geforderten Beschrankung auf schwerwiegendere Gesichtspunkte606 die Stelle oder Person selbst dann von einer Zielbindung, wenn den sowieso schon hohen Anforderungen an eine wirksame Bindung dieser Behorden nach § 5 Abs. 1 bis Abs. 3 ROG entsprochen wurde.607 § 5 Abs. 4 ROG verbrieft den begiinstigten Fachplanungstragern mithin das Recht, sich unter dem Deckmantel einer geanderten Sachlage tiber alle Ziele der Raumordnung hinwegzusetzen. Aufgrund dieser zeitlich unbegrenzten Moglichkeit des Widerspruchs unterliegt die Raumplanung dauerhaft dem ,,Damoklesschwert" des nachtraglichen Widerspruchs. Mit Nachdruck ist darauf hinzuweisen, dass bereits ein einziges vom Planungskonzept abweichendes Einzelvorhaben dieses schwerwiegend beeintrachtigen kann.608 Besondere Relevanz ergibt sich dabei nicht nur fur den vorbeugenden Hochwasserschutz, sondern auch den Schutz des Kiistenraumes als Ganzes. Allein schon die Erkenntnis, dass bauliche MaBnahmen in Abrasions- oder uberflutungs604

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Dazu ausfuhrlich Dyong, in: Cholewa et al., R O G , § 5 Rn. 28 ff..; Runkel, in: B/R/S, ROG,K§5Rn. 81 ff. Brohm, Offentliches Baurecht, 1999, § 37 Rn. 605; Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691. Dyong, in: Cholewa et al., ROG, § 5 Rn. 29. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691. Ahnlich Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

237

gefahrdeten Bereichen friiher oder spater mit Sicherheit nicht nur raumbedeutsame, sondern im Ktistenbereich gleichfalls garantiert raumbeeintrachtigende Schutzmaflnahmen nach sich ziehen, verlangt nach einer entsprechenden Bindung.609 Ganz abgesehen sei hier vom Charakter der in § 5 Abs. 1 ROG privilegierten Bundesmafinahmen als in der Regel selbst die Raumstruktur beeintrachtigend. Im Ubrigen erscheint eine Privilegierung, die sich nicht an der Qualitat einer MaBnahme, sondern an der sie durchfuhrenden Person bemisst, generell wenig sachgrecht.610 MaBgebliches Kriterium fur materielle wie verfahrensmaBige Privilegierungen sollte die tatsachliche Schwere der mit der MaBnahme zu erwartenden Beeintrachtigungen aller Interessen sein. Die Freistellung bestimmter MaBnahmen und Planungen in Abhangigkeit davon, welche Behorde zustandig ist, kann einem groBraumigen und wirkungsvoll ausgestalteten Planungskonzept nur zuwiderlaufen.

b. Privilegierung von Planfeststellungen nach § 38 BauGB Durch § 38 BauGB bleiben Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit der Wirkung von Planfeststellungen mit uberortlicher Bedeutung von den bauplanungsrechtlichen Zulassigkeitsvorschriften des Dritten Teils des BauGB611 unberiihrt.612 Damit werden die Vorhaben der Fachplanung nicht nur von der Notwendigkeit des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB, sondern auch von den Vorgaben des materiellen Bauplanungsrechts befreit.613 Die in den §§29 ff. BauGB geschutzten Belange sind daher nur noch in der Abwagung im Rahmen der Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsentscheidung zu beriicksichtigen.614 § 38 BauGB statuiert mithin einen umfangreichen Vorrang der Fachplanungen gegeniiber der gemeindlichen Bauleitplanung,615 und zwar auch und

609 610

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615

Siehe z.B. die Ausfuhrungen in Abschnitt 2. Kapitel § 7 A. I. Ein ahnliches Problem tritt etwa bei der Ermachtigung zur Freistellung bestimmter KustenschutzmaBnahmen von der Eingriffsregelung gemaB § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG MV auf, vgl. 6. Kapitel § 16 B. I. 1. c. §§ 29 bis 37 BauGB. Die Beschrankung auf einzelne Fachplanungsgesetze ist nunmehr entfallen. Ziel war die erleichterte Anwendung der Vorschrift, vgl. Meifiner, BauGB 97, S. 110. Kirchberg, U P R 0 0 , S. 13 ff. mit ausftihrlichen Uberlegungen zum Begriff der Uberortlichkeit im Rahmen von § 38 BauGB. Jade, in: Jade/Dirnberger/Weifi, BauGB, § 38 Rn. 6. Kraft, U P R 0 1 , S. 297, ( Weichmacher"); Kloepfer, Umweltrecht, § 18 Rn. 166 (Vorauflage). Eine Berilcksichtigung stadtebaulicher Belange schreibt nun auch § 38 BauGB vor. Ausfuhrlich zum gesamten Problemkreis Kraft, a.a.O., S. 296 ff. Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 26, bezeichnet § 38 BauGB als markante Vorrangstellung zugunsten der Fachplanung. Ahnlich Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691. Einen Vorrang ebenfalls bejahend: Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 38 Rn. 6; Erbguth/Schoeneberg, Raumordnungs- u n d Landesplanungsrecht, Rn. 47; Erbguth, N V w Z 8 9 , S. 613; Birk, N V w Z 89, S. 909. Einschrankend Schlichter, in: Schlichter/Stich, BK, § 38 Rn. 7, 8 ff (Vorauflage).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplammg

gerade vor den entgegenstehenden Festsetzungen rechtswirksamer Bebauungsplane _616

Die Nichtanwendbarkeit der materiellrechtlichen Zulassungsvorschriften des Bauplanungsrechts hat zugleich Folgen fur die Bindung der Planfeststellungen an die Ziele der Raumordnung. SchlieBlich fmdet die endgiiltige und vollstandige auBenwirksame Konkretisierung der landes- und regionalplanerischen Ziele auf Ebene der Bauleitplanung statt.617 Da die bauplanungsrechtlichen Festsetzungen gegeniiber den Planfeststellungen der Fachplanungen gemaB § 38 BauGB jedoch keine Wirkung entfalten, konnen sich die konkretisierten Ziele der Raumordnung ebenfalls keine Geltung verschaffen. Damit privilegiert § 38 BauGB die Fachplanungen nicht nur gegentiber der Bauleitplanung, sondern auch gegeniiber der Landes- und Regionalplanung. Das heiBt indes nicht, dass die Ziele der Raumordnung keine Beachtung finden. Die Zielbindung folgt nunmehr direkt aus § 4 Abs. 1, Abs. 4 S. 2 ROG618 in Verbindung mit u.U. weiterreichenden fachgesetzlichen Raumordnungsklauseln.619 Anknupfungspunkt sind hingegen nur die in der Regel noch konkretisierungsbedurftigen Zielfestlegungen der Landes- und Regionalplanung.620 Der damit verbundene weitreichende Gestaltungsspielraum der Fachplanungen stellt nicht nur eine effektive Zielverwirklichung in Frage. Da auf Gemeindeebene bereits eine Prazisierang der Ziele erfolgte, besteht zudem die Gefahr, dass diesselben Ziele durch erneute Konkretisierung seitens der Fachplanung mehrfach ausgestaltet werden. Dabei sind nicht nur Konflikte mit den Gemein-

616

617 618

619 620

S o ausdrucklich Lohr, in: B/K/L, B a u G B , § 38 Rn. 7. Z u m verfahrensmaBigen Vorgehen beim Aufeinandertreffen wirksamer Bebauungsplane u n d Planfeststellungen nach § 38 BauGB siehe weiter ausfuhrlich Erbguth, NVwZ 89, S. 613. Interessant insoweit auch die Uberlegungen von Diirr, in: Brugelmann, § 38 Rn. 24. Vgl. statt alter Brohm, Offentliches Baurecht, § 37, Rn. 26. Auf die Frage, ob § 38 BauGB nur gemeinnutzige oder auch privarniitzige Planfeststellungen privilegiert, soil hier nicht weiter eingegangen werden. In Anbetracht der problematischen Einschrankung der gemeindlichen Planungshoheit durch auBenwirksame Rechtssatze und die einseitige Bevorzugung vor allem von Wirtschafts- und InfrastrukturmaBnahmen gegentlber der dahinter zurilckbleibenden Durchsetzung okologischer Belange erscheint eine restriktive Anwendung des § 38 BauGB zumindest wtinschenswert. Zum Streitstand: Erbguth, NVwZ 89, S. 613; Diirr, in: Brugelmann, BauGB, § 38 Rn. 5; ferner Jade, in: Jade/Dirnberger/WeiB, BauGB, § 38 Rn. 8 und Gaentzsch, BauGB, § 38 Rn. 2. Siehe dazu die Abschnitte 2. Kapitel § 7 C. III. 2. und 2. Kapitel § 7 C. V. 2. a. Allerdings formell nur im R a h m e n der Zielausgestaltung im Flachennutzungsplan nach § 38 S. 2 BauGB i.V.m § 7 BauGB. Vgl. dazu Sofker, in: B/K/S, BauGB, Rn. 412 a.E.

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

239

den,621 sondern aufgrund der unbedingten AuBenwirkung von Planfeststellungsbeschliissen auch Defizite in Bezug auf die Einheit der Planung zu befurchten.622 Die Beschrankung auf in der Regel die Neuerrichtung baulicher Anlagen bezweckende Planfeststellungssbeschliisse beeintrachtigt im Ubrigen auch die okologische Entwicklung der Gemeinden. Nutzungsregelungen des Naturschutzes und der Landschaftsplane, insbesondere Schutzgebietsausweisungen, aber auch Nutzungsbeschrankungen mit okologischen Nebenwirkungen, wie etwa wasserrechtliche Trink- und Grundwasserschutzgebiete, werden regelmaBig als Rechtsverordnung erlassen623 und nehmen an der Privilegierung des § 38 BauGB nicht teil.624 Diese Planungen (i.w.S) konnen sich nur nach MaBgabe des § 7 BauGB auf Ebene der Flachennutzungsplanung gegeniiber der Gemeinde durchsetzen. Ihr im Verhaltnis zur Bebauungsplanung geringer Stellenwert, verglichen mit Planfeststellungen, schwacht die Durchsetzung okologischer Belange im Gemeindegebiet betrachtlich. Dies gilt um so mehr, weil selbst okologische Planungen der Gemeinden durch die privilegierten Fachplanungen nivelliert werden konnen. c. Fazit Insgesamt wurde die in der Vergangenheit kritisierte Schwache der Raumordnung gegeniiber der Fachplanung625 durch die Neufassung des ROG nicht beseitigt. Zwar kann die Untersagungsmoglichkeit nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 ROG sowie die Kodifaktion der Vorrang- und Eignungsgebiete als tendenziell richtiger Schritt auf dem Wege einer sich auch gegeniiber Fachplanungen durchsetzungsfahigen Raumplanung verstanden werden.626 Materielle Freizeichnungen wie die ,,clausula rebus sic stantibus"-V orbehalte des § 5 ROG und die §§ 7, 38 BauGB diirften in der konkreten Planungspraxis allerdings das starkere Gewicht behalten. Damit bleibt zu befurchten, dass sich trotz der direkten und umfassenden Bindung des Fachplanungsrechts aus § 4 ROG auch zuktinftig die fachlichen Interessen gegeniiber den Entwicklungsvorstellungen der Raumordnung durchzusetzen vermogen. Die tendenzielle Privilegierung von InfrastrukturmaBnahmen durch § 5 ROG und § 38 BauGB muss als politisch gewollt angesehen werden.627 Gleichwohl ist zu konstatieren, dass eine solcherart einseitige Bevorteilung sektoral ausgerichteter 621

622 623 624

Das in § 38 BauGB festgeschriebene Beteiligungsrecht soil lediglich als Erfordernis eines rechtmaBigen Verfahrens, nicht aber als Anwendungsvoraussetzung anzusehen sein. Vgl. Jade, in: Jade/Dirnberger/Weifi, BauGB, § 38 Rn. 6. Dementsprechend soil die Beteiligung in Form eines Anhorungsrechts ausreichen, siehe Diirr, in: Briigelmann, BauGB, § 38 Rn. 10. So im Ergebnis auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691. Diirr, m:Briigelmann, B a u G B , § 38 Rn. 18. Allerdings konnen hier u.U. auch Befugniserweiterungen auftreten, und zwar gegentlber alien fachplanerischen Aufgaben mit nur ortlicher Bedeutung, vgl. ausflihrlich Kirchberg, UPR 00, S. 14 f.

625 626 627

Siehe beispielhaft Folkerts, Raumordnungsziele, S. 169; Erbguth, Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 2. So jedenfalls Beaucamp, Sustainability-Konzept, G. II. 2. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 691.

D O V 98, S. 674;

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Interessen der Fachplanungen in Gestalt einer weitreichenden Freizeichnung vom raumordnerischen Planungsvorbehalt dem integrierten Ansatz eines IKZM diametral entgegensteht.

D. Zusammenfassung /. IKZM, Kustenplanungszone und Gebietskategorien Zukunftige Voraussetzung nachhaltiger Flachenvorsorge- und freihaltung innerhalb eines IKZM im Zusammenspiel mit der Festschreibung des vorbeugenden Hochwasserschutzes als gesetzlicher Grundsatz der Raumentwicklung wird die Schaffung entsprechender Raumkategorien sein. Fur vorsorgende Kiistenschutzstrategien ist die Kreation spezieller Vorbehalts- und Vorranggebiete von herausragender Bedeutung.628 Die bisherige Nichtsicherung der Ktistenschutzbelange durch territoriale Gebietskategorien, insbesondere die mangelnde Existenz strikter Festlegungen in Gestalt entsprechender Vorranggebiete, ist in diesem Zusammenhang als schweres Defizit anzusehen. Die Ausweisung von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten im Interesse defensiver Schutzstrategien ist nicht nur aufgrund des von Allumfassenheit gekennzeichneten, vorausschauenden und koordininativen Planungsauftrages der Raumordnung zu beanstanden, sondern auch deshalb, weil fachgesetzlich jedenfalls gegenwartig keine oder nur eingeschrankte Sicherungsmoglichkeiten bestehen.629 Ebenfalls von Bedeutung ist, dass, wie bereits gezeigt, landesplanerische Darstellungen raumlich iiber die Abgrenzungen gesetzlicher Uberschwemmungsgebiete hinausreichen konnen und raumordnerische Festsetzungen mit geringerem Aufwand realisierbar sind.630 Uberdies sind insbesondere Vorgaben der Landesund Regionalplanung im Interesse der langfristigen Planung zukunftiger Raumstrukturen schlechthin unabdingbar. Nicht ganz einfach erscheint die Entwicklung einer speziellen IKZMKiistenplanungszone mit bestehenden raumordnerischen Gebietskategorien. Eine solche Konzeptzone milsste einerseits uniiberwindbare Rahmenbedingungen setzen, die als vor die Klammer des Abwagungsvorgangs gezogene Regeln nicht mehr zur Disposition durch anderen Planungen stehen.631 Andererseits muss innerhalb dieser Grenzen Raum fur differenzierte, dem Anspruch der Nachhaltigkeit gerecht werdende Abwagungsentscheidungen verbleiben. Vorbehaltsgebiete kom628

629 630 631

Siehe schon die Nachweise in Fn. 138 im 2. Kapitel § 6 . Zur Ausgestaltung bereits existierender Vorranggebiete fur Hochwasserschutz im Binnenland vgl. m.w.N. Bohm et al., Anforderungen, S. 109 ff. Siehe dazu neben 2. Kapitel § 7 C. V. 1. vor allem 4. Kapitel § 12 A. Ahnlich Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 204. Vergleiche 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. aa. Also keine unbegrenzte Abwagung gegeneinander und untereinander, vgl. § 3 S. 2 LP1G M-V.

§ 7 Kiistenschutz in den Planungsinstrumenten

241

men dafur, wie bereits gezeigt,632 nur eingeschrankt in Betracht. Prinzipiell erscheint deshalb die Kategorie des Vorranggebietes fur die Festsetzung der Planungszone tauglich. Fragen bleiben aber auch hier offen. Zunachst handelt es sich bei einem IKZM nicht um einen bestimmten Belang, der nach dem klassischen Verstandnis durch Vorranggebiete gesichert wird. Weiterhin dient ein IKZM ausdriicklich der allseitigen Abwagung aller mit einer nachhaltigen Kiistenentwicklung vereinbarer Raumanspriiche. Gerade eine solche Abwagung ist absoluten Vorrangfestlegungen hingegen ffemd. SchlieBlich erscheint die Bezugnahme auf die Erfordernisse eines IKZM angesichts des bisherigen Verstandnisses zu unbestimmt.633 Einzig gangbarer Weg ist wohl die Schaffung einer eigenstandigen, den Vorrang- und Vorbehaltsgebieten iibergeordneten Raumkategorie, die die Rahmenbedingungen fur die in ihrem Geltungsbereich festzusetzenden raumordnerischen Erfordernisse definiert. Ohne die Moglichkeit, ein IKZM mittels herkommlicher Gebietskategorien entwickeln zu konnen, hier abschlieBend ablehnen zu wollen, bote sich in einem ersten Schritt die Errichtung einer Kiistenplanungszone mit Hilfe von textlichen Festlegungen an. Notwendig waren Bestimmungen, wonach sich in einem kustenparallelen Raum mit einer Breite von mind. 3 km634, besser 5 bis 10 km635 alle Raumnutzungen an den entsprechend naher definierten Erfordernissen eines IKZM im Hinblick auf Standort, Nutzungsart, konkrete Ausfuhrung u.s.w. zu orientieren haben.636 Die weitere Feinsteuerung der Raumnutzungen konnte dann in Abhangigkeit von den natiirlichen Gegebenheiten mit den herkommlichen Instrumenten und Gebietskategorien der Raumordnung erfolgen. Die Kodifizierung von Planungs- oder Konzeptzonen als Instrument der Raumordnung637 ware fur die Etablierung spezieller Raumnutzungsstrategien gleichwohl hilfreich. 632 633

634 635 636

637

Siehe 2. Kapitel § 7 B. III. 2. b. Im Ergebnis z5ge die Sicherung eines kustenparallelen Streifens als Vorranggebiet IKZM die Notwendigkeit nach sich, innerhalb der Planungszone, j e nach konkretem Standort, zur Feinsteuerung wiederum Vorrang- und Vorbehaltsgebiete zu entwickeln. Die Existenz von Vorbehaltsgebieten innerhalb grofiraumiger Vorranggebiete wirft angesichts der Rolle von Vorranggebieten als relativ kleinraumige und abschliefiend konkretisierte Gebietskategorien, die in der Regel zur Prazisierung von groBflachigeren Vorbehaltsgebieten eingesetzt werden, zumindest Fragen auf. In Anlehnung an die HELCOM-Empfehlungen 15/1 und 16/3. U m den Ktistenbereich umfdnglich zu erfassen und letztlich aufgrund der (noch) geringen Detailgenauigkeit und der prinzipiellen GroBraumigkeit der Raumordnung. Verwiesen sei darauf, dass das I K Z M als spezieller Ausdruck der Nachhaltigkeit im Kustenraum anzusehen ist. Daran haben sich alle an den Kiistenbereich gestellten Anspruche zu orientieren. Vgl. zu den Inhalten eines IKZM und der entsprechenden Planungszone i. ii. 1. Kapitel § 5 C. Die Schaffung neuer oder fortentwickelter raumplanerischer Instrumente zum Zwecke der Verhinderung der weiteren baulichen Inanspruchnahme von Uberschwemmungsgebieten wird denn auch vereinzelt gefordert, siehe z.B. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 8.

242

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Als Vorranggebiete fur vorbeugenden Hochwasserschutz waren innerhalb der Kiistenplanungszone zunachst alle bei BHW von Uberflutung gefahrdeten Bereiche festzulegen, also die Flachen, die auch wasserrechtlich als Uberschwemmungsgebiet festgesetzt sind, sich in Ausweisung befinden638 oder als solche ausgewiesen werden konnten. Durch Vorranggebiete sollten gleichfalls solche Flachen gesichert werden, die sich ihren natiirlichen Gegebenheiten nach anbieten, zukiinftig zu natiirlichen Uberschwemmungsgebieten zuriickentwickelt zu werden.639 Das betrifft neben kiinstlich gesicherten uberflutungsgefahrdeten Flachen, die eine geringe Standortdegeneration aufweisen oder sich fur eine Revitalisierung anbieten, vor allem solche Gebiete, die durch irreversible Prozesse dauerhaft nicht vor Uberflutung zu schutzen sind. Zu letzterem gehoren insbesondere von Abrasion bedrohte Bereiche. Im Rahmen angestrebter Revitalisierungen kommt vorrangig eine Koppelung mit den Belangen von Natur und Landschaft in Betracht.640 Vorranggebiete waren auch bei hochwassersicher eingedeichten Flachen angebracht, in denen extreme Schaden durch auflergewohnliche Hochwasserereignisse und Deichbruche nur durch Fernhaltung von Siedlungen und Anlagen verhindert werden konnen.641 In diesen Gebieten ist den Belangen des vorsorgenden Kiistenschutzes absoluter Vorrang vor alien anderen Raumanspruchen zuzumessen. Vorranggebiete sind insoweit das strengste Instrument, welches die Raumordnung als Gebietskategorie zu bieten hat.642 Als solches kann es die Durchsetzung vorsorgender Schutzstrategien forcieren. Widersprechende Nutzungen konnen dauerhaft und unbedingt untersagt werden. Derzeitige, mit den Belangen des vorbeugenden Kiistenschutzes nicht vereinbare Nutzungen waren in naturvertragliche und naturnahe extensive Bewirtschaftungsformen umzugestalten.643 Die territorialen Abgrenzungen mussten eindeutig und detailliert dargestellt werden, gegebenenfalls sind zusatzliche Themenkarten mit groBeren MaBstaben einzusetzen.644 638 639 640

641 642 643

644

Nach Bohm et a l , Anforderungen, S. 219. Ebenda. Vgl. zu den diesbeziiglichen Vorstellungen im Rahmen des Entwurfs zu einem Hochwasserschutzgesetz Fn. 19 im 4. Kapitel § 12 A. Im Zusammenspiel mit dem Gebietsschutz nach FFH- und VRL sind derartige Vorrangfestsetzungen zum Teil zwingend raumordnerisch zu sichern, will man nicht eine Abwagungsfehlerhaftigkeit der Zielvorgaben riskieren. Hier sind nachhaltige Impulse fur eine okologische Kiistenentwicklung bereits auf Ebene der Raumordnung zu erwarten. Vgl. zum Ganzen ausfuhrlich 3. Kapitel § 10 C. und insbesondere 3. Kapitel § 10 C. II. l . a . bb. Bohm et al., Anforderungen, S. 219. Zu den Chancen und Grenzen siehe weiter: Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 209 f. Bohm et al., Anforderungen, S. 219 f. Allgemein zur Bedeutung von Zielen der Raumordnung fur den Umweltschutz: Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 7 Rn. 32 ff. Z u m Beispiel 1:50.000, vgl. Bohm et al., Anforderungen, S. 220. Die Mehrbelastung der Raumordnungsplane durch detaillierte fachplanerische Aussagen waren im Interesse wirkungsvoller landesplanerischer Steuerangsmoglichkeiten hinzunehmen. Vgl. dazu Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 301 sowie in dieser Darstellung 3. Kapitel

§ 7 Kustenschutz in den Planungsinstrumenten

243

Demgegeniiber bieten sich Vorbehaltsgebiete ftir die Gesamtheit der potentiell von Uberflutung bedrohten Bereiche an, und zwar unabhangig vom Vorhandensein von Schutzanlagen. Ein Uberwinden der flachenfreihaltenden Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes ware hier in den Fallen moglich, in denen ein dauerhafter Hochwasserschutz zu vertretbarem Aufwand moglich ist und eine siedlungs- oder infrastrukturelle Vorbelastung existiert, die eine Riickentwicklung in natiirliche oder naturnahe Uberschwemmungsgebiete weitgehend ausschlieCt. Immerhin konnen auch Vorbehaltsgebiete als raumordnerische Grundsatze besonderer Qualitat rahmensetzend wirken.645 Dariiber hinaus konnen Vorbehaltsgebiete zur Begrenzung von Investitions- und Sachvermogenskonzentrationen, etwa in Form eines Flachenmanagements,646 oder zur Gewahrleistung bauordnungsrechtlicher Hochwasservorsorge dienlich sein. Grenzen finden abwagungsoffene Festsetzungen der Landes- und Regionalplanung hingegen dort, wo, bedingt durch anthropogen nicht beeinflussbare Naturvorgange, z.B. Abrasionsgebiete, eine dauerhafte Sicherung nicht moglich ist.647 In Vorbehaltsgebieten fur vorsorgenden Kustenschutz sind alle konkurrierenden Raumnutzungen in Richtung des vorbeugenden Hochwasser- und Kiistenschutzes zu optimieren. Dazu ist zunachst eine einzelfallbezogene Prufung der Auswirkungen von Planungen auf den Hochwasser- und Kustenschutz vorzunehmen. Werden die Belange des vorbeugenden Hochwasserschutzes iiber Gebilhr beeintrachtigt, waren die Vorhaben nur im Ausnahmefall zuzulassen. Im Ubrigen sind alle Moglichkeiten zur Minimierungen der Auswirkungen auszuschopfen.648 Neben dem direkten vorbeugenden Schutz vor Hochwassergefahren durch Flachenfreihaltungen ist raumplanerisch ebenfalls daflir Sorge zu tragen, dass bestehende materielle Werte in gefahrdeten Bereichen in Zukunft verlagert werden konnen. Zu diesem Zwecke sind bereits heute mit den raumordnerischen Instrumenten geeignete Ausweichstandorte freizuhalten.649 Zudem ist an die flachendeckende Ausweisung hochwassergefahrdeter Risikozonen zu denken, die schon durch ihre Bezeichnung den Gefahrdungsgrad der Flachen deutlich werden lassen und helfen, die gesellschaftlich-politische Akzeptanz fur Beschrankungen zu vergroBern.650 Eignungsgebiete nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 ROG, die Infrastrukturund Wirtschaftsprojekten aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geeignete Standorte in der Kiistenzone ausschliefilich zuweisen, runden die Planungszone ab.651

645 646 647 648 649 650 651

§ 9 B. III. mit den Nachweisen in dortiger Fn. 123. In diesem Kontext ist z.B. an gesonderte fachliche Themenkarten zu denken, vgl. Bohm et al, a.a.O. Zu Recht kritisch, wenn es um die Ubernahme ganzer Fachplane geht, jedoch Erbguth, UPR 83, S. 141. Ausdrucklich Kment, N V w Z 04, S. 156; siehe auch schon 2. Kapitel § 7 B. I. 2. a. Ahnlich Bohm et al., Anforderungen, S. 220. Vergleiche zu den entsprechenden Planungsgrundlagen: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 25. Siehe auch Bohm et al., Anforderungen, S. 106. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 49. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 11. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 7 C. V. 2. b.

244

2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

//. Resumee Die Steuerungseffizienz der Landes- und Regionalplanung wird immer noch, gerade im Hinblick auf die Durchsetzung okologischer Belange, als unzureichend angesehen. Die Grande fur diese wohl zutreffende Einschatzung sind, wie bereits gezeigt, vielfaltig. Ursache diirften neben gesetzlichen Planungsdispensen, der Unbestimmtheit und der Gleichgewichtung gesetzlicher Vorgaben auch der unter dem Oberbegriff des Gegenstromprinzips652 verstandene Kompromisscharakter der Raumordnung und Landesplanung sein.653 Nicht zuletzt sind organisationsrechtliche Defizite zu nennen. Dementsprechend sind erhebliche rechtliche Defizite zu konstatieren, welche der Etablierung eines IKZM und vorbeugender Kilstenschutzstrategien entgegenstehen. Wahrend die prinzipielle Planbindung fur Vorhaben im Bereich eines Bebauungsplanes und im AuBenbereich zumindest ein MindestmaB an Planungseinheitlichkeit gewahrleisten kann, ist die nahezu vollstandige Planungsresistenz von Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB als schwerwiegendes Defizit auf dem Wege zu einem wirkungsvollen Planungssystem anzusehen. Konflikttrachtig erscheinen auch einige verfahrenstechnische Freistellungen. In diesem Zusammenhang sind auch die Dispensoptionen in § 5 Abs. 4 ROG zu nennen, wodurch trotz der relativ weitreichenden Bindung der Fachplanungen in § 4 ROG die Einheitlichkeit und Stringenz der Planung erheblich gefahrdet werden kann. Auf Ebene der Bauleitplanung konnen ahnliche Wirkungen mit den §§ 7, 38 BauGB verbunden sein.654 Ungeachtet der noch vorhandenen Defizite bleibt als Essenz der Ausfuhrungen aber auch festzuhalten, dass das Raumordnungsgesetz des Bundes beachtliche Durchsetzungsmoglichkeiten fur vorsorgende Kiistenschutzstrategien im Rahmen eines IKZM bietet. Aus der prinzipiell gesamtraumlichen Wirkung von Zielen der Raumordnung und Landesplanung resultiert grundsatzlich ein umfassender Auftrag und folglich eine weitreichende Befugnis der Landes- und Regionalplantrager, vorbeugende Kiistenschutzkonzepte gegeniiber den gemeindlichen Planungen durchzusetzen. Hier sei nochmals darauf verwiesen, dass die raumordnerische Abwagung und das Erstellen der Plane und Programme nicht im Belieben der Planungsbehorden stehen. Die dem vorbeugenden Hochwasserschutz schon gesetzlich zugemessene Bedeutung nach § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG und die regelmaBige Standortbezogenheit der Hochwasserschutzbelange stellen besondere rechtliche und tatsachliche Gegebenheiten bei der Gewichtung der Belange im Rahmen von Abwagungsprozessen dar655 und verlangen daher nach einer umfassenden Beriick652 653

654 655

Vergleiche § 1 III ROG. David, in: Jenkis, Raumordnung und Raumordnungspolitik, S. 90. Vgl auch 2. Kapitel § 7 C. II. 4. Vergleiche zum Ganzen auch Czybulka, ZfgW 00, S. 691, m.w.N. Zur Phase der Gewichtung innerhalb des raumordnerischen Abwagungsvorganges: von Dressier, BfN, Weiterentwicklung, S. 147 f. Allgemein siehe auch 2. Kapitel § 7 B. I. 2. b.

§ 7 Ktistenschutz in den Planungsinstrumenten

245

sichtigung in der Raumordnungsplanung selbst, sowie in den Bauleit- und Fachplanen. Raumordnungsprogramme, die iiberflutungs- und erosionsgefahrdete Bereiche nicht umfassend durch raumordnerische Gebietskategorien sichern, werden zukilnftig als abwagungsfehlerhaft zu bewerten sein.656 Unterstiitzung wird die Beriicksichtigung okologischer Belange zudem durch die Plan-UVP-RL657 erfahren, die auf Raumordnungsplane und -programme Anwendung findet.658 Das 1998 geanderte Raumordnungsrechts bietet daher erhebliche Potentiale ftir die Entwicklung vorbeugender Kiistenschutzkonzepte.659 Das raumordnerisch.es Instrumentarium stellt dafur ein abgestuftes System von einfachen und gewichteten Grundsatzen iiber Optimierungsgebote bis hin zu absoluten Vorrangfestlegungen bereit.660 In kritischer Betrachtung des Gegenstromprinzips ist zu fordern, dass die Einflussnahme der Kommunen auf die iiberortliche Gesamtplanung zu begrenzen ist.661 Letztlich ist deshalb auch von einer Inkommunalisierung des Kiistenmeeres Abstand zu nehmen.662 Die beschriebenen Defizite des Landes- und Regionalplanungssystems lassen sich bis zu einem gewissen MaB durch konsequentere Anwendung der Rechtsgrundlagen, durch Motivationssteigerungen sowie durch organisatorische Einbindungen und Akzeptanzbildung663 beheben.664 Vor diesem 656

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Als vorteilhaft stellen sich iiberdies die im Vergleich zu fachgesetzlichen Ausweisungen einfacheren Voraussetzungen u n d grofieren Festsetzungsspielraume raumordnerischer Gebietssicherungen dar. Richtlinie 2001/42/EG des Europaischen Parlaments u n d des Rates v o m 27.07.2001 iiber die Prufung der Umweltauswirkungen bestimmter Plane und Programme, AB1. Nr. L 197/30. Vergleiche zur SUP ausfiihrlicher 4. Kapitel § 11 C. I. 2. c. Im Ergebnis fur den vorbeugenden Hochwasserschutz an FlieBgewassern ebenso: Bohm et al., Anforderungen, S. 244. Ahnlich Schmidt, C, Instrumentarien, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 210. Vergleiche das Prinzip der Gegendruckminimierung bei Lubbe-Wolf, Umweltordnungrecht, S. 56 f., 58; ausfiihrlich dazu auch Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 240. Instruktiv Ballschmidt-Boog, Ktlstenokosysteme, S. 240; Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 693; Petersen, Kiistenrecht, Rn. 110 f.; a.A. Erbguth, DVB1. 95, S. 1271; ders., Rechtsfragen, in: Koch/Lagoni, Meeresumweltschutz, S. 298 ff., 300. Bohm et al., Anforderungen, S. 244. Dabei verlangt der ungebremste Flachenverbrauch u n d die damit verbundene kontinuierliche Verschlechterung der okologischen Situation, gerade auch i m Kiistenbereich, zunachst nach der Formulierung restriktiver Ziele, die auch rechtlich gegenilber den untergeordneten Planungstragern realisiert werden konnen. Vorlaufige Schwierigkeiten und Widerstande beim Adressaten sind in Anbetracht der unbedingten Notwendigkeit eines einheitlichen und bindenden Planungssystems hinzunehmen und zu tiberwinden. Keinesfalls sollte sich die Raumordnung aus Furcht vor Widersetzlichkeiten und Gegendruck verstarkt darauf orientieren, informell zu wirken. (So aber Kiemstedt/Horlitz/Ott, Umsetzung, S. 147.) Das der Raumordnung zugewiesene rechtliche Instrumentarium zeichnet sich bei entprechender Anwendung und Motivation trotz Defiziten durch ein relativ hohes MaB an Durchsetzungsstarke und Effektivitat aus. Die informel-

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplammg

Hintergrund scheint die Etablierang einer Kiistenplanungszone im Rahmen eines IKZM mit Mitteln der bundesdeutschen Raumordnung prinzipiell und zumindest teilweise moglich. Der Gesetzgeber bleibt auGer bei Fragen der Weiterentwicklung des raumordnerischen Instrumentariums665 hingegen vor allem bei der Einschrankung von Ausnahmen in der Bauleitplanung und bei den Privilegierungen der Fachplanungen gefragt. Notwendig ist die gesetzliche Ausdehnung des raumordnerischen Planungsvorbehaltes auf Vorhaben im Innenbereich nach § 34 BauGB und die AblQsung ungerechtfertigter Planfreistellungen. Ausgehend von der Erkenntnis, dass bereits ein vom Planungskonzept abweichendes Vorhaben das Konzept als Ganzes in Frage stellen kann, ist innerhalb einer auf die besonderen naturraumlichen Bedingungen der Kuste abgestellte Planungszone kein Raum fur planungsfreie Vorhaben.666 Dies ist insbesondere im Innenbereich von Bedeutung, da hier ein GroBteil der materiellen Werte angesiedelt ist, die zukunftig weiterentwickelt werden. Eine Strategic der Risikobegrenzung kann nur dann erfolgversprechend sein, wenn die Ansiedlung aller Werte planungsrechtlich steuerbar ist.667

665 666

667

le Ubermittlung der Planungsvorstellungen durch die Bereitstellung von Fakten in der Hoffhung auf Einsicht erfolgte bereits in der Vergangenheit zur Gentige. Die damit erzielten Erfolge sind gerade im Hinblick auf die Durchsetzung unpopularer okologischer Erfordernisse als unzureichend anzusehen und lassen den Ruckschluss einer generellen Ungeeignetheit dieser Art von Steuerung zu. So auch Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 8; vgl. m.w.N. ebenfalls Bohm et al., Anforderungen, S. 243. Differenzierend ist in diesem Zusammenhang auch der Baurechtskompromiss zu bewerten, aufgrund dessen das R O G und das BauGB geandert wurden. Die aus dem R O G 98 resultierenden positiven Impulse fur die Starkung von Umweltbelangen dttrften auf Ebene der Bauleitplanung einen schweren Stand haben. Dies verdeutlichen etwa verfahrensrechtliche Erleichterungen und die Ubernahme von Regelungen des Investitionsmafinahme- und Wohnbaulandgesetzes in Dauerrecht. Solchen Tendenzen wird sich auch der vorbeugende Hochwasserschutz trotz der besonderen Gewichtung in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 R O G nicht verschliefien konnen. Verwiesen sei nochmals auf die Notwendigkeit einer Kodifikation der Option zur Errichtung v o n Sonderplanungszonen, die der Verwirklichung bestimmter Raumnutzungskonzepte dienen, siehe schon 2. Kapitel § 7 D. I.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

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§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern Der nun folgende Abschnitt dient der Untersuchung, inwieweit die Festsetzungen des Landesraumordnungsprogrammes und der Regionalen Raumordnungsprogramme in Mecklenburg-Vorpommern rechtliche und inhaltliche Impulse fur die Verwirklichung vorbeugender Hochwasser- und Kustenschutzstrategien sowie eines IKZM erkennen lassen.1

A. Landesplanung I. Das Landesraumordnungsprogramm Das Landesraumordnungsprogramm Mecklenburg-Vorpommern vom 16.07.19932 enthalt als Ziele bezeichnete fachliche Festlegungen3 hinsichtlich des Ktisten- und Hochwasserschutzes. Es heiBt wortlich: (1) An der Ostseekuste (...) sind insbesondere besiedelte Rdume vor Hochwasserschdden zu sichern. Mafinahmen des Hochwasserschutzes sind planmdfiig fortzufiihren. In Uberschwemmungsgebieten diirfen die natiirlichen Retentionsfldchen und die schadlose Abfuhrung von Hochwasser durch Baumafinahmen nicht beeintrdchtigt werden. (3) Die Bodden- und Haffkiiste an der Ostsee soil im Rahmen der natiirlichen Entwicklung erhalten werden. Schreitet man zur Bewertung dieser Vorgaben, so fallt zunachst deren relative Unbestimrntheit auf. Obgleich der Rahmencharakter der hochstufigen Landesplanung regelmaBig einen geringeren Konkretisierungsgrad als bei Zielfestlegungen auf Ebene der Regionalplanung bedingen soil,4 haben auch diese Festlegungen dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot zu gentigen.5 Ausreichend ist jedoch, wenn nur die unmittelbar nachgeordnete Planungsebene in der Lage ist, die Vorgaben zu prazisieren.6 Unbeachtlich sind unzureichende Prazisierungen von Zielen der hochstufigen Landesplanung fur die Ebene der kommunalen Planung, sofern sie fur die Trager der Regionalplanung bestimmbar bleiben.7 Insofern wohnt den Zielfestlegungen auf hochstufiger Ebene ein Kompromisscharakter inne. Neben einer zulassigen Grobmaschigkeit8 mussen Festlegungen mit Zielcharakter auf oberster Ebene der Landesplanung folglich ein solches MaB an Aussa1

2 3 4 5 6 7 8

Eine Zusammenstellung raumordnerischer Festlegungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz enthalt die Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 11 und Bohm et al., Anforderungen, S. 48 f., 106 ff., insbesondere S. 108. GVOB1. M-V 1993, S. 733. LROP M-V, S. 79. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 52. Halama, in: FS Schlichter, S. 221. Insoweit ist die Bestimmtheit lediglich ebenenvertikal und einstufig zu beurteilen. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 42. Halama, in: FS Schlichter, S. 221.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

gescharfe beinhalten, dass diese als Handlungsanweisungen zumindest fllr die nachgeordnete Regionalplanung bestimmbar sind.9 Dementsprechend ist gegen die relative Unbestimmtheit der genannten Festlegungen im LROP MecklenburgVorpommern dem Grundsatz nach nichts einzuwenden. In Einzelbetrachtung fallt zunachst die Insbesondere-Regelung in Punkt (1) S. 1 auf. Daraus lasst sich eine positive Bindungswirkung ftir die Regionalplanung herleiten, jedenfalls die besiedelten Gebiete vor Hochwasserereignissen zu sichern. Zusatzlich wird suggeriert, es konnten auch dariiber hinaus Schutzpflichten bestehen. Allerdings wird auf eine weitere Prazisierung sowohl des besiedelten Bereiches wie auch etwaig dariiber hinausgehender schutzpfiichtiger Bereiche verzichtet. Auch wenn man davon ausgehen will, dass sich die Unklarheiten in Bezug auf die besiedelten Raume noch im Rahmen der relativen Unbestimmtheit hochstufiger Planungsvorgaben halten und durch die Regionalplanung prazisierbar sind,10 lasst die Formulierung die entscheidende Frage nach dem zu schiltzenden Bereich offen, so dass die Zielqualitat fraglich ist. Letztlich wird sich Klarheit wohl nur durch eine Fortschreibung des Landesraumordnungsprogrammes mit entsprechender Prazisierung erreichen lassen. Ebenfalls nicht eindeutig ist die raumliche Geltung der Einschrankungen in Uberschwemmungsgebieten gemafl Punkt (1) S. 3. Das Gebot der raumlichen Bestimmtheit verlangt, dass die Ziele der Raumordnung und Landesplanung geographisch auf einen bestimmten, abgrenzbaren Raum zu beziehen sind.11 Eine explizite geographische oder kartographische Abgrenzung kann jedoch dann entbehrlich sein, wenn der in Bezug genommene Raum aufgrund seiner Bezeichnung bestimmbar ist.12 Die ohne Schutzanlagen uberschwemmungsgefahrdeten Flachen unterscheiden sich von der Gesamtheit der uberflutungsgefahrdeten Bereiche erheblich. Wahrend ungesicherte Uberschwemmungsgebiete an der mecklenburgisch-vorpommerschen Kilste nur noch in geringem MaBe vorhanden sind, stellen sich grofie Teile des Kilstenbereiches und des Kiistenhinterlandes als potentiell uberflutungsgefahrdet dar.13 Aus der apodiktischen Formulierung und der Bezugnahme auf das Retentionsvermo'gen ist jedoch davon auszugehen, dass es sich bei den in Frage stehenden Gebieten um ungesicherte, mithin natiirlichen Uberflutungszyklen ausgesetzte Flachen i. S. d. Abgrenzungen von § 32 Abs. 1 S. 1 WHG handeln soil. Insoweit ist diese Vorgabe im LROP M-V geographisch abgrenzbar und kann Bindungswirkungen auf landesplanerische Zielsetzung entfalten. 9 10 11

12 13

Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 52. Vergleiche insbesondere die Beschrankung des staatlichen Schutzauftrages auf im Zusammenhang bebaute Gebiete in § 83 I LWaG M-V. Gierke, in: Brugelmann, BauGB, § 1 Rn. 393; Hoppe, DVB1. 93, S. 682. So fordert Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 31, fur die Zulassigkeit der Gebietskategorie ,,Uberschwemmungsgebiete an Fliissen" eine durch allgemeine Kriterien bestimmbare Gebietsabgrenzung. Ahnlich Hoppe, DVB1. 93, 682, wenn es um bestimmbare Flachenkategorien geht. Siehe den Kartenteil der Generalplanes Kiisten- und Hochwasserschutz M-V.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

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Demgegeniiber erscheinen die Vorgaben in Punkt (3) problematisch, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Sofern diese Zielsetzung tatsachlich Bindungswirkungen fur nachgeordnete Planungsebenen entfalten sollte, waren den Kommunen an der Bodden- und Haffkuste alle Planungen versagt, welche die natilrliche Entwicklung der Kiiste beeintrachtigen wiirden. Diese sehr weitgehende Regelung stiefie auf erhebliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich des VerhaltnismaBigkeitsgrundsatzes. Allerdings ist die Festlegung sehr vage formuliert. Ganz offensichtlich soil die Vorgabe keine strikten Bindungswirkungen fur den gesamten Bereich der Bodden- und Haffkuste entfalten. Das wird einerseits aus der Formulierung „ im Rahmen" deutlich, andererseits aus den verwendeten sog. Soll-Formulierungen. Diese sind zwar grundsatzlich in Raumordnungsplanen zulassig,14 allerdings ergeben sich Probleme, wenn innerhalb einer Zielfestlegung strikte Formulierungen wie ,,sind" und ,,miissen" mit Soll-Formulierungen kollidieren. In diesen Fallen konnen letztere nicht mehr als Ziele angesehen werden, da die sprachliche Abstufung eine unterschiedliches MaB an Verbindlichkeit ausdriickt oder zumindest suggeriert.15 Damit dtirften den Vorgaben in Punkt (3) der rechtliche Gehalt eines landesplanerischen Ziels abzusprechen sein. Selbst wenn die Zielqualitat von Punkt (3) zu bejahen ware, miisste eine Bindungswirkung aufgrund offensichtlich nicht ausgetragener Konflikte16 mit den Vorgaben in Punkt (1) S. 2 entfallen. Die Vorgaben in Punkt (3) stehen inhaltlich im Widerspruch zu der Zielsetzung in Punkt (1) S. 2, wonach die planmaBige Fortfuhrung der MaBnahmen des Hochwasserschutzes zu gewahrleisten ist. Die Bezugnahme auf die planmaBige Fortfuhrung des Hochwasserschutzes kann nur so verstanden werden, dass damit die Verwirklichung der im Generalplan Kustenund Hochwasserschutz in M-V geplanten MaBnahmen gemeint ist.17. Diese beeinflussen hingegen auch die Bodden- und Haffkuste in ihrer natiirlichen Entwicklung.18 Damit wurde zwischen diesen Zielfestlegungen ein Zielwiderspruch bestehen, der die Bindungswirkung beider Ziele fur nachgeordnete Planungstrager entfallen lieBe19. 14 15 16

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19

Vergleiche im 2. Kapitel § 7 die Nachweise in Fn. 211. Siehe dazu ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d. Zur Notwendigkeit der Konfliktbereinigung siehe ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. I. 2. b. sowie Erbguth, LKV 94, S. 92; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 82; Gierke, in: Briigelmann , BauGB, § 1 Rn. 393; Hoppe/Spoerr, Bergrecht, S. 55. Die Bezugnahme auf andere Regelwerke ist zulassig und steht der Bestimmbarkeit an sich nicht im Wege, Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 38. Eine Beeinflussung kaum oder nicht besiedelter Bereiche der Bodden- und Haffkilste kann durch die geplanten MaBnahmen bei Lieschow (Insel Rugen) erfolgen, vgl. Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 94 sowie bei StagnieB-Konker Berg bei Pudagla (Achterwasser Insel Usedom), a.a.O., S. 97 und Gristow/Kalkvitz (Greifswalder Bodden), a.a.O., S. 95. Vgl. auch das Kartenwerk im Anhang des Generalplanes Kusten- und Hochwasserschutz in M-V. Erbguth, LKV 94, S. 92; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 3 Rn. 82; Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 1 Rn. 393; Hoppe/Spoerr, Bergrecht, S. 55.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Ein latenter Zielwiderspruch konnte auch zwischen dem hauptsachlichen Schutz besiedelter Bereiche aus Punkt (1) S. 1 und der planmaBigen Fortfuhrung der Hochwassersicherang aus Punkt (1)S. 2 bestehen. Die Fortfuhrung betrifft partiell zugleich den Schutz unbesiedelter Gebiete .20 Da es sich bei Punkt (1) S. 1 allerdings um eine wohl noch zulassige Insbesondere-Regelung handelt, welche die Sicherung unbesiedelter Flachen nicht generell ausschlieBt, muss von einem unbeachtlichen Zielwiderspruch ausgegangen werden. Inhaltlich fuhrt diese zielerhaltende Auslegung gleichwohl dazu, dass KustenschutzmaBnahmen zugunsten unbesiedelter Flachen raumordnerisch nicht ausgeschlossen werden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die im LROP MecklenburgVorpommern aufgestellten fachlichen Ziele in Bezug auf Vorgaben in Uberschwemmungsgebieten, den Vorgaben zur Sicherung besiedelter Bereiche und der planmaBigen Fortfuhrung der Hochwassersicherung den materiellen Anforderungen an landesplanerische Festsetzungen mit Zielcharakter geniigen. Die planmaBige Fortfuhrung der Hochwassersicherung stiinde aber im Zielkonflikt zur Forderung des Erhaltes der naturlichen Entwicklung der Bodden- und Haffkiiste. Letztere ist hingegen zu unbestimmt, um Zielbindungen zu vermitteln. Diese Vorgabe gleicht einem ,,allgemeinen Ziel" und ist daher als Grundsatz der Landesplanung zu betrachten, wobei die rechtliche Klassifizierung als relative Vorrangregelung oder Optimierungsgebot naheliegt.21 Die Vorgaben im LROP Mecklenburg-Vorpommern sind allerdings sachlich kaum geeignet, vorsorgende Kiistenschutzkonzepte zu unterstiitzen. Landesplanerische Festlegungen mit dem Ziel, kiistennahe Freiraumstrukturen zu erhalten, sind allenfalls im Ansatz zu erkennen. Die mit einem hohen Verbindlichkeitsgrad ausgestattete Sicherung von Uberschwemmungsgebieten wirkt im Kilstenbereich nur auf einem Bruchteil der von Uberflutung bedrohten Flachen. Dariiber hinaus werden keine weiteren Moglichkeiten geboten, Siedlungstatigkeiten in iiberflutungsgefahrdeten Bereichen zu beeinflussen. Defizitar ist die Nichtbeachtung der Uberflutungsgefahr an der AuBenkiiste. Aufgrund der hier stattfindenden kiistendynamischen Prozesse waren differenzierte Vorgaben hinsichtlich bestehender und beabsichtigter Raumnutzungen notwendig. In Anbetracht der grundsatzlichen Unbeeinflussbarkeit dieser Prozesse ist gerade an der AuBenkiiste eine vorausschauende Raumplanung unabdingbar. Dringend erforderlich sind landesplanerische Regelungen wenigstens zur Steuerung von Siedlungstatigkeiten in Abrasionsgebieten. Die Insbesondere-Regelung aus Punkt (1) S. 1 kann vor dem Hintergrund von Punkt (1) S. 2 KustenschutzmaBnahmen auBerhalb besiedelter Bereiche nicht verSo soil die geplante Verstarkung des Seedeiches Sundische Wiese-Pramort (in der Kernzone eines Nationalparkes!) auf die fur den BHW notwendigen MaBe in einem Bereich stattfinden, in dessen Hinterland keine Besiedelung vorhanden ist. Hier kommt allenfalls in zweiter Stufe der Schutz von Boddengemeinden auf dem Festland in Betracht. Gleiches giltfilrden Ausbau des Seedeiches stldlich von Neuendorf auf der Insel Hiddensee, vgl. Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, S. 92. Vergleiche dazu 2. Kapitel § 7 B. I. 2. a.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

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hindern. Insoweit bleibt das LROP nicht nur hinter der schon gesetzlich festgeschriebenen Begrenzung des Schutzauftrages in § 83 LWaG M-V zuriick,22 sondern setzt sich gleichzeitig in Widerspruch zum sachlichen Regelungsgehalt und zum rechtlichen Gewicht des in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG verankerten vorbeugenden Hochwasserschutzes. Das LROP Mecklenburg-Vorpommern stellt der nachgeordneten Regionalplanung nur unzureichende Vorgaben fur vorsorgende Kiistenschutzstrategien zur Verfugung. Die Regelungen bleiben nicht nur hinter den landesplanerischen Festsetzungsmoglichkeiten zuriick, die bereits das ROG 9323 bot. Durch die Kodifizierung des vorbeugenden Hochwasserschutzes in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG 98 und die Verpflichtung gemafi § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ROG 98, Festlegungen zu anzustrebenden Freiraumstrukturen in die Raumordnungsplane aufzunehmen, diirften die Aussagen zum Kilsten- und Hochwasserschutz im LROP MecklenburgVorpommern den gesetzlichen Anforderungen des ROG 98 nicht mehr geniigen.

//. Das Raumentwicklungsprogramm (Entwurf) Im Unterschied zum bisherigen Landesraumordnungsprogramm starkt der Entwurf des Raumentwicklungsprogrammes Mecklenburg-Vorpommern24 zunachst den vorbeugenden Kiisten- und Hochwasserschutz, wenngleich sich die ,,Vorbeugung" ausweislich der Uberschrift in Abschnitt 5.3 dem Wortlaut nach nur auf den Hochwasserschutz, nicht hingegen auf den Kustenschutz beziehen soil.25 In Punkt 5. 3. (2) und (3) wird erstmals ausdriicklich auf die Moglichkeit hingewiesen, die fur den Kiistenschutz bedeutsamen Bereiche durch raumordnerische Gebietskategorien sichern zu konnen. Wahrend sich der Entwurf zum Raumentwicklungsprogramm selbst soldier Festsetzungen an den Kiisten enthalt, wird die Regionalplanung aufgerufen, faktische und potentielle Uberschwemmungsgebiete als Vorbehalts- und Vorranggebiete fur den Kustenschutz festzusetzen. In der Begriindung zu Abschnitt 5. 3 wird angeregt, bei Festsetzung der Gebiete auf die im Generalplan Kiistenschutz dargestellten potentiellen Uberfiutungsraume zuriickzugreifen.26 Da diese Darstellung alle Bereiche erfasst, die bei Nichtexistenz von Kiisten- und Hochwasserschutzanlagen tiberflutet wiirden, ist die Moglichkeit einer territorial umfassenden Regelung eroffhet. Entscheidend fur deren Wirksamkeit wird aber die Festlegung der jeweiligen Gebiete und Kategorien durch die Regionalplanung einschlieBlich zulassiger Ausnahmen27 sein. Hier ware es denn auch 22 23 24 25 26 27

Schutzpflicht lediglich fur im Zusammenhang bebaute Bereiche, vgl. dazu u.a. ausfuhrlich 5. Kapitel § 13 A. Vergleiche § 2 I Nr. 8 ROG 93. Stand August 2004. Wortlaut: ,,5.3 Kustenschutz und vorbeugender Hochwasserschutz". Zum Generalplan Kustenschutz M-V siehe ausfuhrlich im 4. Kapitel § 11 C. I. 2. a. Diese waren auch bei strikten Festsetzungen mit Zielqualitat zulassig, vgl. Hoppe, DVB1. 04, S. 481 unter Verweis auf BVerwG, Urteil 18.09.2003 - 4 C 20.02NVwZ 04, S. 226 (226 ff.).

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

durchaus wiinschenswert gewesen, die Regionalplanung im Raumentwicklungsprogramm starker dahingehend zu verpflichten, von den raumordnerischen Instrumenten im beschriebenen Sinne Gebrauch zu machen. Positiv ist, dass in der o. g. Begrundung erstmals auf ein mangelndes Risikobewusstsein derjenigen hingewiesen wird, die in den potentiellen Uberfiutungsraumen leben, wirtschaften oder dieses beabsichtigen. Damit und mit der in der Begrundung weiterhin enthaltenen Vorstellung, eine hochwasserangepasste und schadensminimierende Planung und Gestaltung bestehender und zuktinftiger Siedlungsnutzungen und Infrastruktureinrichtungen erreichen zu wollen, geht der Entwurf des Raumentwicklungsprogrammes in die richtige Richtung. Aufgrand der konkreten Formulierung von Punkt 5. 3. (2) und (3) und weil die genannten Festlegungen nur Anweisungen an die Regionalplanung sind, wird man eine Zielqualitat verneinen miissen. Die weiteren Festlegungen im Abschnitt 5. 3 des Entwurfes sind allerdings iiberwiegend kritisch zu bewerten. Nach Punkt 5. 3. (4) S. 1 so lien die noch funktionstuchtigen natiirlichen Uberschwemmungsgebiete erhalten bleiben, in ihnen ist nach S. 2 eine Bebauung moglichst zu vermeiden. Ausweislich Punkt 5. 3. (5) sind insbesondere die besiedelten Bereiche durch Kustenschutzbauten zu sichern. Punkt 5. 3. (6) bestimmt weiter, dass im Zusammenhang bebaute Gebiete vor Uberflutung zu sichern sind. Aufierhalb dieser Gebiete ist eine natiirliche Kiistendynamik weitestgehend zuzulassen. Unbeschadet der Prazisierung der Begrifflichkeit gegentiber dem alten Landesraumordnungsprogramm wird durch die Verwendung von Soll-Formulierungen fur den Schutz der natiirlichen Uberschwemmungsgebiete in Punkt 5. 3. (4) S. 1 gegentiber Muss-Formulierungen beim Schutz der Siedlungen und von im Zusammenhang bebauten Gebieten in Punkt 5. 3. (5) die Nachrangigkeit des Schutzes natilrlicher Uberschwemmungsgebiete begriindet. Zudem ware es inhaltlich als ein Minimum angezeigt gewesen, eine Bebauung noch funktionstiichtiger naturlicher Uberschwemmungsgebiete strikt und nicht nur ,,moglichst" (Punkt 5. 3. (4) S. 2 auszuschlieBen. Hier ist fraglich, welche Grilnde eine (weitere) Versiegelung intakter naturlicher Uberschwemmungsgebiete an der Kiiste zu rechtfertigen in der Lage waren. Schon vor dem Hintergrund des herausgearbeiteten Verhaltnisses gleichzeitig verwendeter Muss- und Sollziele28 ist die Zielqualitat von Punkt in Punkt 5. 3. (4) S. 1, 2 iiberaus zweifelhaft. Spatestens die Relativierung der an sich verbindlichen Formulierung mit Moglichkeitsaspekten diirfte rechtlich die Zielqualitat entfallen lassen. Gleiches gilt fur die lediglich ,,weitestgehende" Gewahrleistung der natiirlichen Ktistendynamik in Punkt 5. 3.(6) S. 2, die durch die genannte Relativierung ein abwagungsoffenes Element enthalt, welches Zielfestlegungen fremd ist. Inhaltlich wirkt auf den ersten Blick schwerwiegend, dass die Festlegung in Punkt 5. 3. (5) ohne Not und immer noch iiber den staatlichen Schutzauftrag in § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V, der sich nur auf im Zusammenhang bebaute Gebiete

Siehe dazu schon das 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

253

beschrankt,29 hinausgeht. Verscharft wird das Defizit durch die wieder verwendete ,,Insbesondere-Regelung". Die Formulierungen entsprechen im Wesentlichen denen im alten Landesraumordnungsprogramm. Der Planersteller hat damit offenbar deutlich machen wollen, dass er sich bei seinem Schutzumfang tatsachlich nicht an die Bereiche aus § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V gebunden ftihlt. Die ,,Insbesondere-Regelung" suggeriert, dass auch auBerhalb des schon gegeniiber § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V weiter gezogenen Kreises Verbindlichkeiten fur KtistenschutzmaBnahmen bestehen konnen. Inhaltlich kann Punkt 5. 3. (5) als Ganzes fur den Kustenschutz als Einfallstor fur qualitativ und sachlich fremde Belange wirken, in dessen Folge die Begrenzung des Schutzauftrages aus § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG MV auf Ebene der Raumordnung ausgehebelt wiirde. Dessen hatte es nicht bedurft. Dass Punkt 5. 3. (5) insoweit auch die Festlegungen aus Punkt 5. 3. (2) und (3) konterkarieren konnte, liegt auf der Hand. Allerdings diirfte Punkt 5. 3. (5) wenigstens im Hinblick auf die wieder verwendete ,,Insbesondere-Regelung" die mangelnde Bestimmtheit, an der bereits die Vorgangernorm litt, zum Verhangnis werden. Die rechtlichen Wirkungen von Punkt 5. 3. (5) sind daher (ungewollt) zweifelhaft und sollten nicht ilberwertet werden. Der Versuch, den Schutzauftrag moglichst weit auszudehnen und die Beschrankungen aus § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V mit den Mitteln der Landesplanung zu umgehen, dtirfte im Ergebnis daher gescheitert sein. SchlieMch ist das Verhaltnis der Festsetzungen in Punkt 5. 3. (5) und 5. 3. (6) nicht ganz einsichtig. Insgesamt fallt auf, dass alle auf vorsorgende Strategien oder die Durchsetzung okologischer Belange gerichteten Passagen im Abschnitt 5. 3. enrweder nur durch Soll-Formulierungen oder durch relativierte Muss-Formulierungen gesichert werden, wahrend die die eigentlichen Kustenschutzmafinahmen betreffenden Passagen in strikten Muss-Formulierungen auftreten konnen. Dies lauft in letztgenannten Sachbereichen wenigstens der Intention nach auf eine einseitige Forcierung des Kilstenschutzes alter coleur hinaus, mit der eine okologische oder auch nur ausgewogene Kiistenschutzkonzeption nicht zu verwirklichen ist.

B. Regionalplanung /. Planungsverband Westmecklenburg Das RROP Westmecklenburg vom 9.12.199630 bestimmt in Punkt 4.1.4. (2) S. 1, dass die Uferbereiche der Kiistengewdsser einschliefilich von Strdnden, Diinen, Strandwdllen und Kustenwdldern aufierhalb bebauter Ortslagen von Bebauung freizuhalten sind, soweit rechtliche Bestimmungen nicht Ausnahmen zulassen?1 Diese verbindlich formulierte Vorgabe ist grundsatzlich geeignet, Bindungswir29 30 31

Dazu ausfuhrlich im 5. Kapitel § 13 A. GV0B1. M-V, 1996, Nr. 20. RROP Westmecklenburg, S. 45.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

kung zu entfalten. Die Nichtgeltung fur bebaute Ortslagen deutet darauf hin, dass diese den im Zusammenhang bebauten Gebieten gemafi § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V entsprechen sollen. Damit wilrden, im Gegensatz zum LROP MecklenburgVorpommern, auch Splittersiedlungen und Einzelbebauungen dem Freihaltungsziel unterfallen. Allerdings ist die raumliche Begrenzung des Uferbereiches unklar. Es ist wohl davon auszugehen, dass darunter zunachst der direkte Uferbereich, vergleichbar mit den Bauverbotsbereichen in § 89 Abs. 1 LWaG M-V32 und § 19 Abs. 1 LNatG M-V,33 zu verstehen ist. Durch die Einbeziehung von Kustenwaldern erscheint demgegemiber eine weiterreichende Geltung des regionalplanerischen Bauverbotes moglich. Die nach § 89 Abs. 2 LWaG M-V und § 19 Abs. 2, 3 LNatG M-V zulassigen Ausnahmen werden zwar nicht erwahnt, waren aber tiber die dynamische Verweisung auf rechtliche Bestimmungen ebenfalls regionalplanerisch zulassig. Ein anderes Bild ergibt sich, abgesehen von der territorialen Unbestimmtheit, wenn man die raumliche Geltung dieser Zielvorgabe auch landwarts, auBerhalb der wasser- und naturschutzrechtlichen Kilstenschutzstreifen, unterstellt. Dort kann sich die Zulassigkeit von Vorhaben, die auBerhalb von im Zusammenhang bebauten Gebieten liegen, nur nach § 35 BauGB beurteilen. Wie bereits gezeigt,34 stellen die nach § 35 BauGB zulassigen Vorhaben selbst eine Ausnahmeregelung dar, da das Bauen im AuBenbereich dem Grundsatz nach prinzipiell unterbleiben soil.35 Die Genehmigungsfahigkeit jedenfalls von nicht privilegierten Vorhaben ist von den Zielen der Raumordnung abhangig. Danach konnen Vorhaben im AuBenbereich nur dann zulassig sein, wenn sie gemaB § 35 Abs. 3 S. 1 1. HS BauGB den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen. Wenn jedoch, wie im Punkt 4.1.4.(2) S. 1 des RROP Westmecklenburgs, die Ziele der Raumordnung ihrerseits auf pauschale gesetzliche Ausnahmen verweisen, erfolgt ein Zirkelschluss, der die Wirksamkeit der Zielfestlegung in Frage stellt. Nach Punkt 4.1.4.(6) des RROP Westmecklenburg soil an der westmecklenburgischen Ostseekiiste eine naturliche Kustenentwicklung grundsatzlich zugelassen werden. Kustenschutzmafinahmen sollen aufeinige und territorial abgrenzbare Bereiche36 beschrdnkt werden. Touristische und Siedlungsentwicklungen sind nach Moglichkeit so zu gestalten, dass sie keine neuen Kiistenschutzerfordernisse begrimden}1 Die sachlichen Vorgaben dieser Zielsetzungen sind im Hinblick auf 32

33 34 35

36 37

100 m landwarts von der oberen Bdschungskante der Steilkiisten und 200 m landwarts von der Mittelwasserlinie an Flachkilsten, mindestens jedoch 50 m v o m landseitigen Fuflpunkt von Deichen und Dunen. 200 m land- und seewarts der Mittelwasserlinie. Siehe 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. bb. BVerwG, Urteil vom 30.06.1964 - 1 C 80.62 - BVerwGE 19, S. 75 (76) = DVB1. 64, S. 956 (957) in st. Rechtsprechung, vgl. auch Jade, in: Jade/DirnbergerAVeiB, BauGB, § 35 Rn. 3 f. Timmendorf und Schwarzer Busch, Wismar und der Ktlstenbereich zwischen Tarnewitz und Redewitz. RROP Westmecklenburg, S. 46.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

255

vorsorgende Kustenschutzstrategien positiv zu bewerten. Die ausdriickliche Benennung der zu schiitzenden Siedlungsbereiche diirfte Ausschlusswirkung fur KiistenschutzmaBnahmen auBerhalb dieser Bereiche zukommen. Indem neue Ansiedlungen nur dort zuzulassen sind, wo keine neuen Kiistenschutzerfordernisse geschaffen werden, wird einem Leitgedanken vorbeugender Ktistenschutzmodelle entsprochen. Die Formulierungen sind allerdings sehr vage gehalten. Die verwendeten Soll-Vorschriften sowie relativierende Zusatze wie ,,grundsatzlich" und ,,nach Moglichkeit" stehen einer umfassenden Bindungswirkung dieser Zielsetzung entgegen.38 Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass der Regionale Planungsverband Westmecklenburg den Schwerpunkt auf die Flachenfreihaltung des unmittelbaren Kiistenbereiches legt und KtistenschutzmaBnahmen nur auf bestimmbare Ausnahmen beschrankt werden. Die an sich problematischen Soll-Vorschriften werden mit wenigen Ausnahmen sowohl im Rahmen der zu erhaltenden Freiraumstruktur als auch im Hinblick auf den Uberflutungsschutz verwandt. Damit erfolgt zwar keine Forderung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, MaBnahmen des herkommlichen Kiistenschutzes entfalten aber auch keine erhohten Bindungswirkungen. Bemerkenswertes folgt aus der Synthese zwischen natiirlichen Uberschwemmungsgebieten und den Vorsorgeraumen fur Natur und Landschaft. Nach Abschn. 4.1.4 (5) sollen die natiirlichen Uberschwemmungsgebiete an den FlieBgewassern und ,,an der westmecklenburgischen Ostseekiiste erhalten bleiben. Sie sind Vorsorgeraume fur Naturschutz undLandschaftspflege". Vorsorgeraume, die inrechtlicher Hinsicht als Vorbehaltsgebiete einzuordnen sind,39 sollen damit ausdriicklich auch dem Schutz natiirlicher Uberschwemmungsgebiete dienen.40 Hiermit wurde bundesweit einmalig ein Vorbehaltsgebiet zugunsten des vorbeugenden Hochwasserschutzes an der Kilste, wenngleich auch nur inzident, festgesetzt.41 Eine Abgrenzung ist im Falle des RROP Westmecklenburg anhand der in den Planen eingezeichneten, natiirlichen Uberschwemmungsgebiete mOglich. Allerdings sollten die Grenzen des Teilfunktionsraumes fur natiirliche Uberschwemmungen grundsatzlich von der iibergreifenden Kategorie der Vorsorgeraume unterschieden werden.42 Den Belangen des vorbeugenden Hochwasserschutzes liegen ganz wesentliche wasserwirtschaftliche Interessen zu Grande, so dass eine eigenstandige Vorbehaltskategorie jedenfalls dann wiinschenswert ware, wenn die einzelnen Belange einer Trennung zuganglich sind.43 Das andert aber nichts daran, dass die Schutzinhalte beider Gebietskategorien im Wesentlichen kongruent laufen. 38 39

40 41 42 43

Vergleiche 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d. und dort insbesondere Fn. 2 1 1 . So z.B. Bohm et al, Anforderungen, S. 107 in dortiger Fn. 35. Siehe auch O V G Liineburg, Urteil vom 29.08.1995 - 1 L 894/94 - BauR 96, S. 348 f. = N V w Z 96, 271 sowie die Erlauterungen im 2. Kapitel § 7 in der Fn. 87. R R O P Westmecklenburg, S. 46. So die wohl zutreffende Einschatzung von Bohm et al, Anforderungen, S. 107. Bohm et al, Anforderungen, S. 107. Siehe zu diesen Uberlegungen schon 1. Kapitel § 2 C.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

Abschnitt 4.1.4. (5) S. 3 enthalt den Auftrag, nach Priifung ehemalige Uberschwemmungsgebiete zu revitalisieren. Auffallend ist die Regelung in Abschnitt 4.1.4. (5) S. 4, wonach „ die Errichtung von baulichen Anlagen in solchen potentiellen Uberschwemmungsgebieten unterbleiben (soil)". Das im Gegensatz zur Revitalisierung priifungsunabhangige Bauverbot erfiillt eine der wichtigsten Komponenten vorsorgender Kustenschutzstrategien und ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Sicherstellung eines tiefengestaffelten Kustenschutzes, sondern fur eine nachhaltigen Entwicklung des Kilsteraumes uberhaupt. Die Zielqualitat dieser Festlegung wird trotz der verwendeten Soll-Formulierung in Anbetracht ihrer fast durchgangigen Benutzung innerhalb des Abschnitts 4.1.4. wohl im Ergebnis zu bejahen sein.

//. Planungsverband Mittleres Mecklenburg und Rostock Das Regionale Raumordnungsprogramm Mittleres Mecklenburg und Rostock vom 18.10.199444 befasst sich in Abschnitt 10.2.3 mit dem Kiisten- und Hochwasserschutz. In Punkt (1) wird festgeschrieben, dass die Aufien- und Boddenkiiste speziell im Bereich bebauter Ortschaften zu schiitzen ist. Ausdrilcklich wird die Notwendigkeit ortsubergreifender Hochwasserschutzsysteme betont.45 Die Formulierung des Schutzauftrages fur bebaute Ortschaften ,,im speziellen" dtirfte der Insbesondere-Regelung im LROP Mecklenburg-Vorpommern entsprechen. Der Trager der Regionalplanung hat somit darauf verzichtet, die unklare landesplanerische Vorgabe zu prazisieren.46 Damit begegnet diese Regelung erheblichen Zweifeln im Hinblick auf die Wahrung des Bestimmtheitsgebotes.47 Unter Einbeziehung von Punkt (1) S. 2 wird allerdings deutlich, dass der Trager der Regionalplanung MaBnahmen des Kiistenund Hochwasserschutzes gerade nicht nur auf bebaute Ortschaften beschranken wollte. SchlieBlich verlangen ,,ortsiibergreifende Hochwasserschutzsysteme" zwingend auch nach BaumaBnahmen auBerhalb bebauter Bereiche. Daraus lasst sich wohl nur der SchluB ziehen, dass Kustenschutzmafinahmen nicht nur zum Schutz der besiedelten Bereiche, sondern zugleich zum Zwecke der Sicherung landwirtschaftlich genutzter Flachen regionalplanerisch zulassig sein sollen. Unterstiitzung erfahrt diese Auslegung wiederum durch S. 2, wonach Hochwasserschutzsysteme auch aufierhalb von Ortschaften angelegt werden konnen. SchwerpunktmaBig letztere Regelung kann zur Begriindung des weiteren Erhalts ausgedehnter Deichtrassen herangezogen werden. Die Vorgabe ist daher geeignet, angestrebten Ringeindeichungen von Ortschaften mit dem Ziel, Deichverkiirzungen und Revitalisierungen ehemaliger Uberflutungsflachen zu erreichen, zugunsten flachenhafter Sicherungssysteme entgegenzuwirken. 44 45 46 47

GVOB1. M-V, 1994, S. 1022. Die Teilfortschreibung vom 8.3.1999 (GVOB1. M-V, 1999, S. 242) enthalt keine Aussagen iiber den Kiisten- und Hochwasserschutz. R R O P Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 129. Vergleiche dazu 2. Kapitel § 8 A. Siehe schon 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

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Die Formulierungen sind verpflichtend gestaltet, so dass der Zielcharakter der Vorgaben in Punkt (1) wohl zu bejahen ist. Sie sind allerdings Ausdruck der bisherigen Kustenschutzstrategien, Akzente zur Unterstiltzung vorsorgender Kiistenschutzkonzepte sind ihnen nicht ansatzweise zu entnehmen. In Abschnitt 10.2.3 Punkt (3) wird festgeschrieben, dass dem Schutz von Menschenleben gegenuber dem von Natur und Landschaft der Vorrang einzurdumen ist. Uberschwemmungsgefahrdete Wohngebiete sind speziell an den Flachkusten der Aufienkuste, aber auch an den Boddenkiisten, z.B. durch Deiche, zu sichern.™ Damit wird der raumordnerische Vorrang des Schutzes von Menschenleben nicht auf die besiedelten Bereiche begrenzt. Demzufolge wilrde jede Form der kustennahen menschlichen Besiedlung der Vorrangregelung unterfallen, auch Einzelgrundstucke und nur zeitweise bewohnte Gebiete, wie etwa Wochenendsiedlungen. Uber die Vorrangregelung kann die Zulassigkeit von Ktisten- und HochwasserschutzmaBnahmen in weiten Bereichen der Kiiste hergeleitet werden. Uberdies ist den Inhalten in Punkt (3) zu entnehmen, dass die uberschwemmungsgefahrdeten Bereiche, zu denen grofle Teile der AuBenkiiste zahlen, auch weiterhin mit festen Bauwerken geschiitzt werden sollen. Ist die Uberflutungsgefahr an der AuBenktiste bereits im LROP MecklenburgVorpommern ganzlich unbeachtet geblieben, erfolgt im RROP Mittleres Mecklenburg und Rostock eine Prazisierung dergestalt, dass dieser Gefahrdung ausschlieBlich in Sinne herkommlicher Schutzstrategien zu begegnen ist. Andere Ansatze tiber dieses Leitbild hinaus, etwa der Begrenzung der Risikopotentiale zumindest in akut gefahrdeten Bereichen, sind ganz offensichtlich nicht beabsichtigt. Die strikte Formulierung in Punkt (3) konkretisiert die Zielsetzung aus Punkt (1) in Richtung der Starkung herkommlicher Schutzkonzepte. Der Zielcharakter der Vorgaben ist daher gegeben. Demgegeniiber muss den Vorgaben, welche die Minimierung anthropogener Eingriffe in den Kiistenraum bezwecken und damit teilweise Gedanken vorbeugender Hochwasserstrategien enthalten, die Zielqualitat abgesprochen werden. Dies ist vom Regionalplantrager anscheinend auch so gewollt, denn im Unterschied zu den verbindlichen Formulierungen in den Punkten (1) und (3) sind die okologische Belange artikulierenden Zielfestsetzungen in Abschnitt 10.2.3., Punkt (2) und (4) uberaus vage ausgestaltet. So pollen" gemaB Punkt (2) S. 1 die ilbrigen Kustenbereiche naturbelassen bleiben, kiinstliche Meliorationsflachen ,,sollten" entsprechend Punkt (4) S. 1 ,,nach Priifung" wieder in ihren ursprunglichen Zustand versetzt werden. In Anbetracht dieser dehnbaren Formulierungen ist ein Zielwiderspruch zu den Zielen in Punkt (1) und (3) auszuschlieBen. Letztere beanspruchen eindeutig strikte Zielqualitat, wahrend die Vorgaben zu defensiven Kustenschutzstrategien bestenfalls allgemeine Zielqualitat entfalten konnen. Sie konnen daher lediglich als relative Vorrangfestlegungen oder gewichtete Grundsatze betrachtet werden.49 Die okologischen Vorgaben in den Punkten (2) und (4)

48 49

R R O P Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 129. Siehe dazu 2. Kapitel § 7 B. I. 2. a.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

werden kaum in der Lage sein, in der Abwagung gegeniiber den bisherigen Konzepten Bestand zu haben. Daran andern auch die gewasserschutzbezogenen Ziele zum Zwecke des Schutzes von Natur und Landschaft in Abschnitt 4.1.3 wenig.50 In Punkt (6) wird zwar die Sicherung und Rtickgewinnung natiirlicher Uberschwemmungsgebiete eingefordert. Diese Vorgaben dtirften aber schon aufgrund ihrer systematischen Stellung gegenuber den konkreten Zielfestlegungen zum Ktistenschutz in Abschnitt 10.2.3 aus Spezialitatsgrunden ins Hintertreffen geraten. Zudem birgt die Beschrankung auf noch natiirliche Uberschwemmungsgebiete Abgrenzungsschwierigkeiten und die Gefahr zu weitgehender Ausnahmen.51 Uberdies erfolgen keine siedlungsstrukturellen Beschrankungen in uberschwemmungsgefahrdeten Bereichen.52 Aufgrund der Ziele, die jegliche Ansatze eines vorbeugenden Ktistenschutzes vermissen lassen, und der sehr zuruckhaltenden und vagen Formulierung naturschiitzender Vorgaben muss das RROP Mittleres Mecklenburg und Rostock im Hinblick auf die Starkung neuer Kustenschutzstrategien als vollkommen ungeeignet eingeschatzt werden.53 Nach Ende der Anpassungsverpflichtung des Landesrechts gemaB § 22 ROG waren die kustenschutzbezogenen Aussagen des RROP Westmecklenburg vor dem Hintergrund der eindeutigen Wertung in § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG daher als rechtswidrig einzuschatzen.

///. Planungsverband Vorpommern Im Regionalen Raumordnungsprogramm Vorpommern vom 29.9.199854 werden die Ziele fur den Kiisten- und Hochwasserschutz in Abschnitt 10.2.3 wie folgt umrissen55: Gema'fi Punkt (2) sind in hochwassergefdhrdeten Rdumen Kiisten- und Uferschutzmafinahmen planmdfiig dort zu ergreifen, wo der Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten vor Hochwasser und Kustenruckgang dies erfordert. In diesen Bereichen ist dem Schutz von Menschenleben vor den Belangen von Natur und Landschaft der Vorrang einzurdumen. Die Beschrankung der KiistenschutzmaBnahmen auf im Zusammenhang besiedelte Gebiete entspricht den Vorgaben in § 83 S. 3 LWaG M-V. Die Einraumung des Vorrangs der menschlichen Gesundheit ist insoweit konsequent. Insgesamt werden durch die ersten bei-

50 51 52 53

54 55

R R O P Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 36 f. Siehe als postives Gegenbeispiel R R O P Vorpommern, Abschnitt 4.2.3., Punkt (6), ausfuhrlicher dazu im 2. Kapitel § 8 B. III. Siehe RROP Mittleres Mecklenburg und Rostock, Abschnitt 5.2. Hier hatte in einer Fortschreibung nicht zuletzt deshalb eine Anpassung an die Wertungen des § 2 Abs. 2 ROG bis spatestens zum 31.12.2001 erfolgen milssen. (§ 23 ROG), siehe auch Schwdter, in: Schrodter, BauGB, § 1 Rn. 37. GVOB1. M-V, 1998, S. 833. RROP Vorpommern, S. 187 f.

§ 8 Analyse der Programme in Mecklenburg-Vorpommern

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den Satze von Punkt (2) die zu sichemden Bereiche auch ohne die Benennung konkreter Gebiete56 abgrenzbar und abschlieBend umschrieben. In Punkt (2) S. 3 wird auBerdem festgelegt, dass Vorhaben, die von Uberschwemmungen oder Uberflutungen gefahrdet werden konnen, nur im Innenbereich oder in Gebieten zuzulassen sind, wo es zu ihrem Schutz keiner aufierplanmdfiigen Kiistenschutzanlagen bedarf und die Vorhaben notwendige Umgestaltungen von Schutzanlagen nicht behindern. S. 4 bestimmt weiter, dass Eingriffe in die Kustendynamik der iibrigen Kusten- und Uferbereiche zu unterbinden sind. Wahrend sich S. 1 und S. 2 von Punkt (2) auf bereits bestehende bauliche Anlagen beziehen, regeln die S. 3 und S. 4 die Errichtung neuer Vorhaben. MaBstab fur deren Zulassigkeit ist die Nichtverursachung neuer Kiistenschutzerfordernisse und die Nichtbeeintrachtigung notwendiger Umgestaltungen. Damit entspricht die Vorgabe in S. 3 weitgehend den risikobegrenzenden Anforderungen vorbeugender Hochwasserschutzkonzepte. Die Freistellung von Vorhaben im Innenbereich geht mit der generellen Nichtgeltung der in § 89 Abs. 1 LWaG M-V und § 19 Abs. 1 LNatG M-V festgelegten Schutzstreifen im Innenbereich konform und erkennt gleichzeitig die Grenzen raumordnerischer Beeinflussung in Gebieten nach § 34 BauGB entsprechend der geltenden Rechtslage an57. Die Zielsetzungen in Punkt (2) sind insgesamt verbindlich formuliert und stehen untereinander nicht im Widerspruch. Eindeutig geregelt sind die territoriale und sachliche Erforderlichkeit von KiistenschutzmaBnahmen und die Voraussetzungen, unter denen bauliche Vorhaben im Kustenbereich zulassig sind. Die Zielsetzungen sind geeignet, die Durchsetzung von Positionen eines vorsorgenden Kustenschutzkonzeptes zu unterstiitzen. Die Punkte (3) und (4) regeln ein Beeintrdchtigungsverbot und ein Erhaltungsgebot natiirlicher Uberschwemmungs- und Uberflutungsgebiete und entsprechen weitgehend den Vorgaben des LROP Mecklenburg-Vorpommern. Positiv zu bewerten ist auch hier die bindende Formulierung der Vorgaben, deren Zielcharakter daher bejaht werden kann. Unterstiitzung erfahren vorbeugende Kilstenschutzstrategien durch die gewasserbezogenen Ziele zum Schutz von Natur und Landschaft im Abschnitt 4.2.3 des RROP.58 Nach Punkt (6) sollen natiirliche, naturnahe und ungestorte Uberschwemmungsgebiete erhalten oder naturnah wiederhergestellt werden. An Stelle intensiver landwirtschaftlicher Nutzung soil zukunftig die Bewirtschaftung als Extensivgriinland treten. Eine Ackernutzung ist in Uberschwemmungsgebieten auszuschliefien. Positiv zu bewerten ist hierbei der Verzicht auf die Beschrankung des Erhaltungsauftrages auf nur naturliche Uberschwemmungsgebiete.59 Durch die zusatzliche Bezugnahme auf naturnahe und ungestorte Gebiete lassen sich Beeintrachtigungen auch auf degradierten Standorten verhindern. Zudem diirften Auslegungsschwierigkeiten vermieden und der Erfolg von Ausnahmebestrebungen ein56 57 58 59

Siehe schon R R O P Westmecklenburg, S. 46. Siehe dazu 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. b. R R O P Vorpommern, S. 54 f. Siehe als Gegenbeispiel etwa R R O P Mittleres Mecklenburg/Rostock, Abschnitt 4.1.3 Punkt (7), S. 37 und die kurze Einschatzung hier im 2. Kapitel § 8 B. II.

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2. Kapitel Raumordnung und Landesplanung

gegrenzt werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass die in Punkt (6) verwendeten ausschlieBlichen Soll-Formulierungen gegenuber ,,muss-formulierten" konkurrierenden Belangen ins Hintertreffen geraten. Das in Abschnitt 4.2.3 in Punkt (7) festgeschriebene Bauverbot innerhalb gesetzlich vorgeschriebener Kiistenschutzund Gewasserschutzstreifen wiederholt hingegen lediglich die geltende Rechtslage und ist daher von untergeordneter Bedeutung.

C. Zusammenfassung Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die fachlichen Ziele in den Raumordnungsprogrammen des Landes Mecklenburg-Vorpommern trotz einiger positiver Ansatze nur teilweise den Anforderungen entsprechen, die an vorsorgende Kiistenschutzkonzepte zu stellen sind. Die Vorgaben leiden neben unprazisen Formulierangen vor allem an weitreichenden Ausnahmen, die die 6'kologischen Komponenten des Kilstenschutzes im Vergleich mit solchen, die den herkommlichen Schutzstrategien verhaftet sind, tendenziell benachteiligen. Inhaltlich ware daher eine Uberarbeitung der Planwerke unter dem Primat vorbeugender Hochwasserschutzstrategien notwendig. Die Raumordnungsplanung als maflgebliches iibergeordnetes Steuerungsinstrument zukunftiger Raumnutzungen hat zu realisieren, dass eine Kiistenentwicklung nur im Einklang mit den natilrlichen Prozessen erfolgen kann. Diese von § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG gestiitzte Wertung ist durch Privilegierungen der Belange des vorsorgenden Kustenschutzes vor anderen Raumnutzungen sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist die den Zielen innewohnende Synthese von Muss- und Sollvorschriften als besonders problematisch zu erachten. Hier ist es geboten, die unantastbaren Kerninhalte verbindlich zu formulieren und fur berechtigte Ausnahmen hinreichend bestimmte Festlegungen zu treffen.60 Im Ubrigen sind zeichnerische Darstellungen, etwa der noch vorhandenen natilrlichen Uberschwemmungsgebiete61 in Gegenuberstellung zum gesamten iiberflutungsgefahrdeten Bereich und den Flachen, die fur ein natiirliches Uberflutungsregime zurilckgewonnen werden konnen oder sollen, unabdingbar. SchlieBlich ist die Errichtung von Vorbehalts- und Vorranggebieten fur defensiven Kilstenschutz, u.U. in Koppelung mit solchen, die den Schutz von Natur und Landschaft bezwecken, notwendig.62

60 61 62

Runkel, in: Bielenberg /Erbguth/Runkel, K § 3, Rn. 26. Bisher nur im RROP Westmecklenburg, siehe 2. Kapitel § 8 B. I. Die Raumentwicklung der letzten Jahrzehnte hat insbesondere im Ktlstenbereich gezeigt, dass eine wirkungsvolle Steuerung der Rauminanspruchnahmen unter Kiistenschutzgesichtspunkten mit rein textlichen Vorgaben nicht mOglich ist.

3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

§ 9 Landschaftsplanung Die folgenden Abschnitte gelten der Untersuchung, ob die planungsrechtlichen Instrumente des Naturschutzrechts in der Lage sind, vorsorgende und naturnahe Kiistenschutzkonzepte zu unterstutzen. Wahrend die naturschutzrechtlichen Regelungsauftrage weitgehende Kongruenzen mit den Anforderungen an vorbeugende Schutzstrategien aufweisen diirften, stellen sich die rechtlichen Durchsetzungsmoglichkeiten der jeweiligen Umsetzungsinstrumente sehr differenziert dar. Dementsprechend sollen einige Defizite, die einer okologischen Entwicklung des Kiistenraumes entgegenstehen, aufgezeigt und LQsungen vorgeschlagen werden.

A. Allgemeines /. Sachanliegen und Aufgabenstellung Die Landschaftsplanung ist das zentrale Planungsinstrument zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne einer umfassenden und flachendeckenden okologischen Planung. 1 Sie dient der Umsetzung der in den § § 1 , 2 BNatSchG und den entsprechenden landesrechtlichen Normen enthaltenen Ziele und Grundsatze des Naturschutzrechts, 2 die so ihr besonderes Gewicht entfalten.3 Inhalt und Aufgabe der Landschaftsplanung ist die Bewaltigung von

Zum Ganzen Gassner, NuR 86, S. 192; Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 134; Ramsauer, NuR 93, S. 109; Buchwald, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 390 ff. Vergleiche etwa § 11 I Nr. 2 LNatG M-V. Zum normtheoretischen Charakter der Ziele und Grundsatze des Naturschutzes und der Landschaftspflege vgl. Berendt, Zweck- und Zielbestimmungen, S. 94 ff., 99 f., passim. Zur Unterscheidung von Zielen und Grundsatzen der Raumordnung siehe Bohm et ah, Anforderungen, S. 61. Ausfuhrlich Gruehn/Kenneweg, Landschaftspflege in der Flachennutzungsplanung, S. 20; Hartmann, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 440.

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3. Kapitel Instramente des Naturschutzrechts

Umweltbelastungen und Vorbeugung gegeniiber neuen Beeintrachtigungen im Sinne einer vorausschauenden Planung.4 Zum Vorfeld der Landschaftsplanung gehort die okologische Umweltbeobachtung (Monitoring). Das Monitoring soil gemaB § 9 Abs. 2 LNatG M-V die Grundlage fur die gesamte Landschaftsplanung sein.5 Die Landschaftsplanung entwickelt unter Verwendung der Erkenntnisse der okolgischen Umweltbeobachtung aus den auf der jeweiligen Planungsebene ermittelten Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie unter Konkretisierung etwaiger konfligierender Naturschutzanspruche ein abgestimmtes Konzept von Erfordernissen und Mafinahmen mit Aussagen zu Gewichtungen einzelner Belange, die eine planerische Bewaltigung in Fach- und Raumplanungen erst ermoglichen.6 Gegenstand ist nach § 11 Abs. 1 LNatG M-V7 die Darstellung der Erfordernisse und MaBnahmen8 zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung bestimmter Teile von Natur und Landschaft einschlieBlich der Biotope, Biotopverbundsysteme und Lebensgemeinschaften.9 Ftir den Naturschutz im Kiistenraum bestimmen die Grundsatze in § 2 Abs. 1 BNatSchG und in § 2 Abs. 2 LNatG M-V weitreichende Gestaltungsauftrage der Landschaftsplanung. Gegenstand der Landschaftsplanung sind nicht nur die terrestrischen Kustenbereiche, sondern auch die Kustengewasser.10 Nach § 2 Abs. 1 Nr. 11 BNatSchG sind unbebaute Bereiche wegen ihrer Bedeutung fur den Naturhaushalt und fur die Erholung insgesamt und auch im Einzelnen in der dafur erforderlichen GroBe und Beschaffenheit zu erhalten. Natiirliche und naturnahe Gewasser sowie deren Uferzonen und naturliche Riickhalteflachen sind gemaB § 2 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG zu erhalten, zu entwickeln oder wiederherzustellen; der Ausbau von Gewassern soil so naturnah wie moglich erfolgen. Daraus ergibt sich , dass Aktivitaten des Gewasserausbaus, insbesondere zum Zwecke des Hochwasserschutzes, entgegen rein technischer Losungen naturfreundlich durch biologische MaBnahmen realisiert werden sollen.11 Der Schutz vor Verunreinigungen 4 5 6

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Gassner, Recht der Landschaft, S. 91. Siehe auch § 12 BNatSchG und im Einzelnen dazu BTDrs. 14/6378, S. 78 f. Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 27; Louis, BNatSchG, Einf §§ 5-7, Rn. 1; Bohm et ah, Anforderungen, S. 61 f., mit ausdriicklicher Bezugnahme auf den Hochwasserschutz. Die Darstellung soil sich hier hauptsachlich auf das Landesrecht MecklenburgVorpommerns beziehen. Die Anforderungen, die durch die Naturschutzbehorden selbst zu verwirklichen sind, kOnnen dabei als MaBnahmen, durch andere Verwaltungsbereiche zu realisierende Vorstellungen als Erfordernisse bezeichnet werden. Vgl. Gruehn/Kenneweg, Landschaftspflege in der Flachennutzungsplanung, S. 20. Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 180; ahnlich Salzwedel, in: Erdmann/Kastenholz, Umwelt- und Naturschutz, S. 123. In der Begrenzung des Ktistenmeeres, siehe Louis, BNatSchG, § 2 Rn. 18; Erbguth, NuR 99, S. 494. So schon zur alten Rechtslage: Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 2 Rn. 27 (Stand 41. Lfg.).

§ 9 Landschaftsplanung

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wird durch das Abwasserregime aus § 7a WHG gesteuert.12 In der Neufassung von § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG wird nunmehr auch die Erhaltung der Prozessdynamik festgeschrieben, eine Schutzrichtung, die insbesondere auch fur den Ablauf kilstendynamischer Prozesse von Bedeutung sein dtlrfte. Fur naturschutzfachliche MaBnahmenkonzepte im Kustenraum entfaltet § 2 Abs. 2 Nr. 5 LNatG M-V gesteigerte Relevanz. Nach S. 1 der Vorschrift ist die natiirliche Kilstendynamik zu erhalten, soweit keine Siedlungen und Sachgiiter entgegenstehen. Hier kommen zwei Aufgabenzuweisungen an die Landschaftsplanung zum Ausdruck. Erstens und grundsatzlich ist die Funktionsfahigkeit der geomorphologischen Prozesse kustenweit sicherzustellen. Die Ausnahme von Siedlungen und Sachwerten ist durch anthropogene Nutzungsinteressen bedingt und Ergebnis eines Abwagungsprozesses, in dem diesen Anspruchen lokal der Vorrang eingeraumt wurde. Zweitens ist die Landschaftsplanung ebenfalls verantwortlich dafiir, dass die Ansiedlung von Wohnbebauung und materiellen Werten in Bereichen zu unterbleiben hat, in denen durch spatere SchutzmaBnahmen eine Stoning der natilrlichen Kustendynamik einhergehen wiirde. Neben der naturschutzfachlichen Anweisung zur Wiederherstellung13 von Kustenuberflutungsraumen bezweckt auch § 2 Abs. 2 Nr. 5 S. 2 LNatG M-V den Schutz dieser Flachen vor Besiedlung und risikopotentialschaffender wirtschaftlicher und naturraumunangepasster Nutzungsformen, da nur unter der Pramisse der Flachenfreihaltung eine Wiederherstellung moglich ist. Eine ahnliche Bedeutung diirfte dem Grundsatz in § 2 Abs. 2 Nr. 10 LNatG MV in Bezug auf Brachflachen in Kilstennahe zukommen. Hier eroffnet das Tatbestandsmerkmal der in der Nutzung beschrankten Flachen Impulse fur die okologische Entwicklung uberschwemmungsgefahrdeter Bereiche, da dieses Kriterium auf solchen Flachen regelmaBig erfullt sein diirfte. Die Verhinderung auBerortlicher Siedlungstatigkeit zugunsten innerortlicher Entwicklung verlangt zudem § 2 Abs. 2 Nr. 2 LNatG M-V. Regelungsauftrage fur landschaftsplanerische Vorgaben resultieren im weiteren aus § 2 Abs. 2 Nr. 9 LNatG M-V, da speziell dem Kustenbereich neben der Rolle eines wichtigen Lebensraumes zugleich die einer Briickenfunktion im Sinne eines Verbundsystems zum Artenaustausch zukommt. SchlieBlich verweist § 2 Abs. 2 Nr. 12 LNatG M-V nochmals auf die Schutzbediirftigkeit geomorphologischer Erscheinungsformen und einzelner Geotope. SchlieBlich betont § 3a LNatG die besondere Bedeutung und Verantwortung des Landes fur den Kiistenbereich. Die Kiistenlandschaft ist folglich ein wichtiges Objekt der Landschaftsplanung. Dabei stimmen die von der Landschaftsplanung zu verwirklichenden Ziele und Grundsatze weitgehend mit den fachlichen Vorstellungen eines alternativen Kilstenschutzkonzeptes ilberein und enthalten somit wichtige Anregungen fur vorbeugendeHochwasserschutzstrategien.

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Gassner, in: Gassner et al. BNatSchG § 2 Rn. 57. Und damit selbstverstandlich auch der Bewahrung von Kustenilberflutungsraumen.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

//. Das System der Landschaftsplanung 1. Uberblick Die Landschaftsplanung ist vom Bundesgesetzgeber rahmenrechtlich in den §§ 13-17, BNatSchG geregelt worden. Diese Normen gelten in den Landern im Gegensatz zu den Bestimmungen iiber die Ziele und Grundsatze des Naturschutzes und der Landschaftspflege in §§ 1,2 BNatSchG nicht unmittelbar.14 Da § 5 BNatSchG a.F. im Unterschied zur Neufassung (§ 15 i.V.m. § 14 BNatSchG) keine inhaltlichen und formalen Vorgaben fur die Landschaftsprogramme und rahmenplane formulierte, ist die Landschaftsplanung in den Landern sehr unterschiedlich ausgestaltet.15 Ahnliches gilt trotz bereits bisher existierender konkreter Anforderungen in § 6 Abs. 2 BNatSchG a.F. fur die Landschaftsplane.16 Der Katalog aus § 6 Abs. 2 BNatSchG a.F. findet sich in modifizierter und erweiterter Version in der aktuellen Fassung von § 14 BNatSchG fur die gesamte Landschaftsplanung wieder. Rahmenrechtlich wird grundsatzlich von einer dreistufigen Landschaftsplanung ausgegangen (§ 141, § 16 BNatSchG). Ausweislich § 15 Abs. 1 BNatSchG ist dabei auf uberortlicher Ebene zwischen den Landschaftsprogrammen fur das gesamte Landesgebiet und Landschaftsrahmenplanen fur Teilgebiete eines Bundeslandes zu unterscheiden. Die Landschaftsplanung ist in bewusster Parallele zum System des Raumordnungsrechts konzipiert.17 Mecklenburg-Vorpommern folgt gemaB § 12 Abs. 1 LNatG M-V dem zweistufigen Konzept auf uberortlicher Ebene durch Erlafi des Gutachtlichen Landschaftsprogramms und vier Gutachtlicher Landschaftsrahmenplane.18 Auf ortlicher Ebene erfolgt die Aufstellung von Landschafts- und Grilnordnungsplanen.19 Die

Eckert, in: Kimminich et al., HdUR, Bd. I, S. 974; Louis, BNatSchG, Einf §§ 5-7, Rn. 1. Der Sachverstandigenrat fur Umweltfragen bei der Bundesregierung (SRU) sieht diese verfahrens- und inhaltsmaBige Unbestimmtheit der bundesgesetzlichen Regelungen als Hauptursache fur das Vollzugsdefizit der Landschaftsplanung an, vgl. Umweltbericht 1990, BTDrs. 11/7168, S. 201. DemgemaB erfolgte in § 14 BNatSchG eine Prazisierung der an die Landschaftsplanung gestellten Anforderungen. Louis, BNatSchG, Einf §§ 5-7, Rn. 3. Zur inhaltlichen Ausgestaltung vgl. weiter Louis, BNatSchG, § 6 Rn. 5, Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 42 ff; Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 11; Hahn, Landschaftsplanung, S. 16 ff.; Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 226 ff. m.w.N. BTDrs. 7/3879, siehe auch Hendler, NuR 81, S. 42, Hahn, Landschaftsplanung, S. 20; Grofi, NuR 98, S. 125 und die Schemata bei Buchwald, in Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 391 ff. Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S 503; Becker in: Redslob et al, Ostseekiiste, S. 35. GemaB § 13 LNatG M-V in Ausfiillung von § 6 BNatSchG a.F. Landschaftsplane dienen der Vorbereitung eines Flachennutzungsplanes, Grunordnungsplane der eines Bebauungsplanes, siehe Bugiel, NordOR 98, S. 416.

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Inhalte der jeweiligen Plane imd Programme ergeben sich aus § 11 LNatG M-V. Die einzelnen Planungsebenen sollen untereinander verkniipft werden.20

2. Funktionsweise der Landschaftsplanung Wie bereits erwahnt, ist die Einordnung der Landschaftsplanung in das Gesamtplanungssystem nicht unumstritten. Sie ist einerseits Fachplanung21 des Naturschutzes und andererseits querschnittsorientierte Planung, deren Vorgaben von alien offentlichen Stellen angemessen zu berucksichtigen sind.22 Die Doppelfunktion wird durch die Trennung der Aufgaben in § 10 LNatG M-V zusatzlich verdeutlicht.23 Als Fachplanung24 ermittelt die Landschaftsplanung anhand einer Bestandsaufnahme die Qkologischen Erfordernisse des Arten- und Flachenschutzes und beschreibt die methodisch-wissenschaftlichen Grundlagen fur den Schutz und die Entwicklung der Okosysteme.25 Als fachlich-begutachtende Instanz programmiert und koordiniert sie fachspezifische eigene MaBnahmen und bildet die Grundlage fur konkretisierende und vollziehende MaBnahmen der Naturschutzfachbehorden.26 Wichtige Aufgabe der Landschaftsplanung ist auch die Entwicklung von Schutz- und Erhaltungsszielen fur FFH- und Vogelschutzgebiete.27 Auf Grundlage der okologischen Bestandsaufhahme werden in den Landschaftsprogrammen und rahmenplanen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fur den konkreten Planungsraum formuliert.28 Die Ziele sind das Ergebnis dieses Prozesses und beschreiben nicht nur, was im Sinne der allgemeinen Ziele machbar, sondern was im Hinblick auf die konkrete Situation an einem bestimmten Ort getan wer-

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Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 31a; Stadler, Naturschutz u n d Erholung, S. 135. EinschlieBlich der Erholungsvorsorge. So unterscheidet auch Bugiel, NordOR 98, S. 415. Differenzierend ebenfalls Czybulka, in: Manssen/Schiltz, S. 503; Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 144 f.; Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 6; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 27 ff.; Riedel, in: Czybulka, Naturschutzrecht und Landschaftsplanung, S. 27; Schmidt-Afimann, DOV 90, S. 171; Gassner, UPR 88, S. 321. Fur die Qualifizierung jedenfalls der tiberortlichen Landschaftsplanung als besonderen Typus der Gesamtplanung: Erbguth, UPR 83, S. 138, hingegen fur die Einordnung als Fachplanung Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 65, Hahn, Landschaftsplanung, S. 28 f. Bugiel, NordOR 98, S. 415. Gleichzeitig kann noch nach Adressatenorientierung unterschieden werden. Vgl dazu ausfuhrlich Schutze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 58 ff. und ebenfalls Gruehn/Kenneweg, Naturschutz in der Flachennutzungsplanung, S. 63 ff. Zur Differenzierung in drei Aufgabenfelder vgl. Wagner, S., RdL 99, S. 4. § 10 Abs. 1 LNatG M-V. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 29. Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 153. Vergleiche § 14 Abs. 1 Nr. 4 lit. d) BNatSchG; Schink, NuR 01, S. 254. Vergleiche § 11 Abs. 1 Nr. 2 LNatG M-V.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

den soil.29 AuBenwirksame Bedeutung erlangt die sektorale Landschaftplanung im Form des Gebiets-, Objekt- und Artenschutzes.30 Die Landschaftsplanung wirkt querschnittsorientiert, wenn die Ziele und Grundsatze der Landschaftsplanung in die Plane des allgemeinen Planungssystems integriert werden. Als solche soil sie den okologischen Beitrag nicht nur fur die Landes-, Regional- und Bauleitplanung, sondern auch ftlr die raumlichen Fachplanungen liefern.31 Die Landschaftsplanung ist als Querschnittsplanung auf das Vertreten der okologisch-gestalterischen Aspekte gerichtet und dient der Uberpriifimg von Nutzungsanspriichen der Fachplanung an die Landschaft im Hinblick auf ihre okologischen Auswirkungen.32 Als Leitplanung des raumbezogenen Umweltschutzes bilndelt sie die einzelnen Fachbeitrage zu einer Gesamtaussage und sucht damit die Landes- und Regionalplanung zu durchdringen.33 In diesem Kontext kommt den in der Landschaftsplanung formulierten Anspriichen des europaischen Habitatschutzes besondere Bedeutung zu. Diese sind aufgrund der hohen Gewichtigkeit der Belange zwingend in die Planwerke der Raumordnung zu integrieren, um sich dort als Vorranggebiete fur Naturschutz und Landschaftspflege zu manifestieren.34 Dementsprechend hat die Landschaftsplanung darzulegen, welche Risiken dem Schutzgut Natur und Landschaft drohen und wie diese Gefahrdungen vermieden oder wenigstens gemindert werden konnen.35 Als informierende Planung formuliert die Landschaftsplanung das notwendige okologische Gegengewicht gegeniiber den von alien anderen Planungs- und Vorhabentragern gestellten Raumanspriichen.36 Die sich aus der Bestandsaufnahme und der Zielbeschreibung ergebende Differenz wird durch die Erfordernisse und MaBnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege formuliert.37 Diese wenden sich daher an samtliche

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Gassner, Recht der Landschaft, S. 100. So jedenfalls Stadler, Naturschutz u n d Erholung, S. 146 m.w.N. O b es sich bei der Ausweisung von Schutzgebieten u m hoheitliche Planung oder u m ,,normale" Entscheidungen mit EntschlieBungs- oder Auswahlermessen handelt, ist umstritten. Nutzungsregelungen der hoheitlichen Planung zuordnend: Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 30 ff. m.w.N., a.A. Erbguth, N u R 99, S. 491 f. Ohne diesen Streit entscheiden zu wollen, wird die Schutzgebietsfestsetzung in einem gesonderten Abschnitt behandelt, vgl. 3. Kapitel § 10 A. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 3 1 . Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 152. Kritisch zur Rolle der Landschaftsplanung als Querschnittsplanung Ramsauer, N u R 93, S. 109. Kiemstedt/Horlitz/Ott, Umsetzung, S. 16. Nach § 12 Abs. 3 LNatG M-V i.V.m. mit der hohen Gewichtung der Belange des europaischen Habitatschutzes, vgl. zu letzterem ausfuhrlich 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. sowie insg. Schink, NuR 01, S. 254. Gassner, Recht der Landschaft, S. 97. Schmidt-Afimann, DOV 90, S. 171. Vergleiche § 11 Abs. 1 Nr. 4 LNatG M-V.

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offentliche Stellen, die durch ihre Planungen und Mafinahmen die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege berilhren konnen.38 Die rechtliche Durchsetzung der beiden Funktionen der Landschaftsplanung kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise erfolgen. Entscheidend fur den Erfolg der Landschaftsplanung sind zwei Kriterien: das MaB der Berticksichtigung der von der Landschaftsplanung ermittelten 6'kologischen Erfordernisse und die rechtliche Verbindlichkeit daraufhin entwickelter Vorgaben.

3. Gutachtlichkeit Nach § 12 Abs. 1 LP1G M-V ist die iiberortliche Landschaftsplanung in Mecklenburg-Vorpommern gutachtlich ausgestaltet.39 Gutachtlichkeit der Landschaftsplanung bedeutet, dass die uberortlichen Planwerke als rein okologische Fachgutachten zu betrachten sind.40 Sie enthalten ausschliefilich naturschutzfachliche Belange, die lediglich im Sinne eines nachhaltigen Schutzes der einzelnen Naturguter zu einem internen Ausgleich gebracht werden.41 Zutreffende Uberlegung fur die Einfuhrung der Gutachtlichkeit war die Erkenntnis, dass die Grundlage einer fachlich fundierten Abwagung nur durch die rechtzeitige Bereitstellung der naturschutzfachlichen Interessen als Abwagungsmaterial zu erreichen ist.42 Der Landschaftsplanung geht es mithin um die von anderen gesellschaftlichen Anspruchen unabhangige Darstellung der Erfordernisse und MaBnahmen des Naturschutzes. Damit kann der Unterschied zwischen den tatsachlichen okologischen Erfordernissen und den spater erzielten Kompromisslosungen nachgewiesen werden. Dies ist unabdingbar fur eine objektive Erfolgskontrolle dahingehend, inwieweit sich okologische Belange durchsetzen konnten. Voraussetzung fiir die Formulierung unverfalschter okologischer Belange ist gleichzeitig eine eigene, unabhangige Naturschutzverwaltung, die in der Lage ist, unbeeinflusst von okonomischen Zwangen die naturschutzfachlichen Interessen ihrem objektiven Gewicht nach zu artikulieren.43

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Gassner, Recht der Landschaft, S. 103 f. Damit soil bundesweit ein neuer Weg beschritten worden sein, vgl. Rabius in: Hubler/Cassens, Naturschutz in den neuen Bundeslandern, S. 3 1 . A.A. offenbar Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 179. LTDrs. 2/3443, S. 109. Ebenso Becker, in: Redslob et al., Ostseektiste, S. 32; Zimmermann, in: Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 278; Rabius, in: Hubler/Cassens, Naturschutz in den neuen Bundeslandern, S. 3 1 . 5«g;e/, NordOR, S. 416. Bag/e/, NordOR, S.416. Zimmermann, in: Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 279; Bugiel, NordOR, S. 416.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

B. Die uberortliche Landschaftsplanung in M-V /. Die Planungsinstrumente 1. Das Landschaftsprogramm a. Funktion und Struktur Das Gutachtliche Landschaftsprogramm (GLP) enthalt, auf groBraumigen Analysen beruhend,44 die iiberortlichen Erfordernisse und MaBnahmen des Naturschutzes und der Landschaftpflege fur den Bereich eines Bundeslandes.45 Die sich aus § 11 LNatG M-V und nunmehr aus § 14 BNatSchG ergebenden Inhalte der Landschaftsplanung konnen im Rahmen eines Landschaftsprogramms46 aufgrund seines iiberortlichen Charakters in erster Linie nur als groBraumige und grundsatzliche Aussagen formuliert werden.47 Diese bedilrfen in der Regel einer Konkretisierung im regionalen und ortlichen Bereich. Damit kommt den Vorgaben im Landschaftsprogramm hauptsachlich die Rolle von freiraumschtitzenden Darstellungen zu.48 Demgegeniiber kann die Festsetzung unmittelbar umsetzbarer Ziele und MaBnahmen dann moglich sein, wenn bestimmte Belange eine landes- oder regionenweite Tragweite beinhalten.49 Aufgrund der besonderen Bedeutung und des speziellen Charakters der AuBen- und Binnenkuste Mecklenburg-Vorpommerns sowie deren groBraumige Gliederung dlirfte die landesweite Landschaftsplanung daher nicht unbedingt auf regional- oder ortsbezogene Konkretisierungen angewiesen sein. Die ilbergreifende Landschaftsplanung ist insbesondere wegen der kiistendynamisch bedingten Wechselwirkungen in territorialer Hinsicht gefragt. Im Kiistenbereich bestehen so auch bereits auf Ebene des Landschaftsprogramms direkt formulierbare Regelungsmoglichkeiten. Das Gutachtliche Landschaftsprogramm wird gemaB § 12 Abs. 2 LNatSchG von der obersten Naturschutzbehorde des Landes erarbeitet und veroffentlicht. Damit ist das Umweltministerium als das fur den Naturschutz zustandige Fachmi44 45

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Bohm et al, Anforderungen, S. 63. GemaB § 15 Abs. 1 B N a t S c h G i.V.m. § 12 Abs. 1 L N a t G M - V . Erfordernisse sind dabei alle Anforderungen, die aus Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege an andere Plammgstrager zu stellen sind, deren Planungen und MaBnahmen ihrerseits d i e Belange d e s Naturschutzes u n d der Landschaftspflege beruhren konnen. Unter MaBn a h m e n werden d i e fachinternen Schutz-, Pflege- u n d EntwicklungsmaBnahmen zugunsten d e s Naturschutzes selbst verstanden. Definition nach Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 2. Z u den inhaltlichen Anforderungen an ein Landschaftsprogramm siehe Louis, B N a t S c h G , § 5 Rn. 3 f.; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 1 8 Rn. 34 ff.; Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 7; Hahn, Landschaftsplanung, S. 15 f.; Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 218 ff. m.w.N. Mitschang, UPR 94, S. 208; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 27. Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 139 f. Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 219.

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nisterium Trager des Landschaftsprogrammes.50 Bei der Vorbereitung des Landschaftsprogramms, wie auch bei der Erstellung der Landschaftsrahmenplane, sind die anerkannten Naturschutzverbande nach § 60 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG und § 64 Nr. 2 LNatG M-V zu beteiligen.51

b. Inhalte des Landschaftsprogramms Das Vorlaufige Gutachtliche Landschaftsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (VGLP) vom Januar 1992 benennt als naturschutzfachliche Anforderungen an den Kiistenschutz, dass aktive und passive MaBnahmen des Kilstenschutzes auf ein Minimum beschrankt52 und die Belange des Naturschutzes allumfassend beachtet werden. Sofern keine akruellen Schutzerfordernisse bestehen, sollen Hochwasserund Kilstenschutzanlagen zurilckgebaut werden. Individuelle Mafinahmen der Gebaudesicherung werden gegeniiber der Errichtung von Deichen praferiert.53 Kiistenschutzanpflanzungen sollen auf eine MindestmaB beschrankt werden und mit einheimischen Arten erfolgen. An die Landwirtschaft wird die Forderang gestellt, dass Eingriffe in den nattirlichen Wasserhaushalt in Form von Be- und Entwasserung vermieden werden und auf entwasserten Niedermoorstandorten eine Wiederherstellung des natiirlichen Wasserregimes anzustreben ist.54 Im Rahmen des Programms zur naturschutzgerechten Griinlandnutzung soil zur Erhaltung und schrittweisen Regenerierung eine Beweidung mit Rindern, Pferden und Schafen unter der Voraussetzung, dass Standweide betrieben wird, keine Diingung stattfindet und die alten Prielsysteme wiederhergestellt werden, finanziell forderungsfahig sein.55 Das neue Gutachtliche Landschaftsprogramm56 nimmt in seinen Grundlagen u.a. die kiistenschutzrelevanten Empfehlungen der HELCOM auf und transformiert so die Inhalte insbesondere der Empfehlung 16/3 als Basis der naturschutzfachlichen Anforderungen an den Kustenschutz.57 Als starkste Beeintrachtigung fur alle Lebensraumtypen der Kiistenlandschaft werden Eingriffe in die naturliche Dynamik der Kiiste durch Kiistenschutzmafinahmen, Bebauung durch Hafen sowie die Unterhaltung und der Ausbau von Fahwaasern benannt.58 Gleichzeitig wird festgehalten, dass die Kiistenzone zu den landschaftlich attraktivsten Bereichen des Landes zahlt. Teil davon sind auch die durch noch ungehindert ablaufen50 51 52

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Bugiel, NordOR9S, S. 416. Wilrich, NuR 00, S. 679. Und zwar nur auf Ruckgangskusten, die im Zusammenhang bebaut sind und auf durchbruchsgefahrdete Bereiche, sofern sich hinter ihnen See- oder Landverkehrsverbindungen befinden, die gefahrdet werden konnen. Vgl. VGLP M-V, S. 75. VGLP M-V, S. 74 f. VGLP M-V, S. 68. VGLP M-V, S. 60. Gutachtliches Landschaftsprogramm Mecklenburg-Vorpommern (GLP M-V), Schwerin, 2003. GLP M-V, S. 26. GLP M-V, S. 42.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

den kiistendynamische Prozesse entstandenen Formationen.59 Als Entwicklungskonzeption werden der Erhalt der natiirlichen Kiistendynamik, die Vermeidung zusatzlicher Kilstenschutzerfordernisse infolge weiterer Bebauung in tiberflutungs- bzw. abbruchgefahrdeten Bereichen sowie die Erhaltung von natiirlichen Strandkomplexen, der letzten natiirlichen WeiBdiinen, der Kliffkiisten und die Erhaltung und Wiederherstellung der Kusteniiberflutungsmoore benannt.60 Diese Schutzgiiter sollen durch entsprechende MaBnahmen geschiitzt werden.61 Weiterhin werden die Grundsatze der guten fachlichen Praxis durch standortgerechte Landnutzungen defmiert.

2. Die Landschaftsrahmenplane a. Funktion und Struktur Die Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane (GLRP) dienen der Darstellung der Ziele und Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege ftir die einzelnen Regionen des Landes.62 Als untere Stufe der iiberortlichen Landschaftsplanung ist Aufgabe der Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane die nahere Ausformung und Prazisierung der Landschaftsprogramme.63 Landschaftsrahmenplane fungieren insoweit als naturschutzfachliches Pendant zur Regionalplanung.64 Weiterer Auftrag der Landschaftsrahmenplane ist die Steuerung der ortlichen Landschaftsplanung und die {Coordination der sonstigen MaBnahmen des Naturschutzes.65 Angesichts dieses Aufgabenbereichs sollten die Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane der Kiistenregionen allumfassend die naturschutzfachlichen Anforderungen enthalten, die vor dem Hintergrund der sensiblen Okosysteme und der geomorphologischen Prozesse an die Bewahrung und Qkologische Entwicklung des Kustenraumes zu stellen sind. Dazu sollten diejenigen Fachbelange, die nach einer Ubernahme in die Regionalplanung verlangen, hinreichend prazisiert und mit dem erforderlichen Nachdruck formuliert sein.66 Insbesondere die Landschaftsrahmenplanung ist das geeignete Planungsinstrument, urn die Belange des europaischen Habitatschutzes einschlieBlich noch zu schaffender Vernetzungs59 60 61 62

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GLPM-V, S. 90. GLP M-V, S. 134. GLPM-V, S. 171. Z u den inhaltlichen Anforderungen der Landschaftsrahmenplane siehe Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG, § 15 Rn. 12 ff; Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 5; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 1 8 Rn. 38 ff.; Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 8; Hahn, Landschaftsplanung, S. 16; Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 221 ff., ebenfalls m.w.N.; Jordan, Bewerten, in: Wiegleb/Broring, Implementation, S. 46 ff. Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 5; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 38. Vergleiche § 15 II BNatSchG i.V.m. § 12 III LNatG M-V; weiter Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 222. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 38. Ebenso Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 222.

§ 9 Landschaftsplanung

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raume nach Art. 10FFH-RL gegeniiber anderen Raumnutzungen zu etablieren.67 Die ilbrigen Inhalte miissten ebenfalls deutlich und nachvollziehbar festgeschrieben werden, da die in den Landschaftsrahmenplanen erfolgte Bewertung von Natur und Landschaft als MaBstab fiir die Beurteilung der Umweltvertraglichkeit anderer Planungen, MaBnahmen und Vorhaben dient.68 In Mecklenburg-Vorpommern werden die Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane gemaB § 12 Abs. 2 LNatG M-V von der oberen Naturschutzbehorde erarbeitet und veroffentlicht. Obere Naturschutzbehorde ist gegenwartig das Landesamt fiir Umwelt, Natur und Geologic69 b. Inhalte der Landschaftsrahmenplane An dieser Stelle sollen beispielhaft die Landschaftsrahmenplane der drei Kiistenregionen Mecklenburg-Vorpommerns auf ihre inhaltliche Ubereinstimmung mit den Anforderungen vorbeugender Kiistenschutzkonzepte hin untersucht werden. Der Gutachtliche Landschaftsrahmenplan Westmecklenburg enthalt als kiistenbezogene Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege den Erhalt der marinen Lebensraume, die Sicherung der Lebensraumfunktion fiir die Vogelwelt, den Schutz und die ungestorte Entwicklung der unverbauten Flachkiisten mit ausgedehnten Kiisteniiberflutungsmooren, Strandbildungen, Hakensystemen und Inseln, den Erhalt der Kiistenvogelkolonien und deren sonstigen Brutgebiete sowie den Erhalt der natiirlichen Kiistendynamik und die Vermeidung zusatzlicher Kiistenschutzerfordernisse durch den Verzicht der Bebauung in iiberflutungs- und abbruchgefahrdeten Bereichen. Weiter wird die erhaltende Bewirtschaftung des Salzgraslandes und die regional beschrankte Wiederherstellung natiirlicher Uberflutungsverhaltnisse auf gepolderten Salzgrasstandorten gefordert.70 Die daraus abgeleiteten Erfordernisse und MaBnahmen werden wie folgt umschrieben:71 •

• •

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Verhinderung weiterer Siedlungsentwicklungen in hochwassergefahrdeten Bereichen auBerhalb bebauter Siedlungsgebiete auch auf gegenwartig durch Hochwasserschutzanlagen gesicherten Flachen, Wiederherstellung des natiirlichen Uberflutungsregimes im Rahmen von Neubau und Rekonstruktion von Kiistenschutzanlagen, Vorrangige Verwendung von Baggersanden vor der Nutzung mariner Sedimente, Vermeidung von Sandentnahmen aus besonders sensiblen Meeresbereichen.

Schink, NuR01,S. 254. Vergleiche § 12 Abs. 5 LNatG M-V. 69 GemaB § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LNatG M-V ist zukiinftige obere Naturschutzbehorde das noch zu schaffende Landesamt fur Forsten, Naturschutz und GroBschutzgebiete, vgl. auch Bugiel, NordOR 98, S. 416. Bisher erfolgt ist die Fusion des Landesamtes fur Umwelt und Natur mit dem Landesamt fur Umwelt und Geologie zum Landesamt fur Umwelt, Natur und Geologie als z.Zt. obere Naturschutzbehorde. 70 G L R P Westmecklenburg, S. Ill-15. 7 ' G L R P Westmecklenburg, S. Ill-151 f. 68

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Die Ziele, Erfordernisse und MaBnahmen des GLRP Westmecklenburg erfassen die wesentlichen Anforderungen einer okologischen Entwicklung des Kiistenraumes und formulieren diese relativ unbeeinflusst von anderen Raumanspriichen.72 Kompromisse, wie z.B. die Verhinderung weiterer Bebauung in potentiell uberflutungsgefahrdeten Bereichen lediglich aufierhalb bestehender Siedlungen, entsprechen der geltenden Rechtslage.73 Im Ergebnis unterstutzen die textlichen Festlegungen des GLRP Westmecklenburgs okologisch orientierte Kiistenschutzstrategien. Obgleich die fast gleichlautenden ktistenorientierten fachlichen Ziele der beiden Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane der Regionen Mittleres Mecklenburg und Rostock sowie Vorpommern demgegenilber nicht so prazise erscheinen,74 wird zum Ausdruck gebracht, dass zur Begrenzung des Risikopotentials und zur Renaturierung potentieller Uberflutungsraume eine Errichtung baulicher Anlagen in den zu revitalisierenden Bereichen unterlassen werden soil.75 Innerhalb der an die Wasserwirtschaft gestellten Erfordernisse und MaBnahmen liegt das Schwergewicht auf der regional begrenzten Wiederherstellung natiirlicher Uberflutungsflachen.76 Hier zeigen sich beide GLRP allerdings zuruckhaltender. Indem im GLRP Vorpommern die Renaturierung natiirlicher Uberflutungsflachen nicht nur von der Nichtexistenz von Schutzerfordernissen fur Menschenleben, sondern auch undifferenziert von Sachgiitern77 abhangig sein soil,78 wird der Kompromisscharakter eines Fachgutachtens tiberdehnt. Dagegen bewegt sich das GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock mit der Festlegung, dass neue bauliche Anlagen zu vermeiden sind, wenn dadurch Schutzanforderungen uber das jetzige MaB hinaus geschaffen wilrden, im Sinne vorsorgender Strategien.79. Zur Durchfuhrung von KiistenschutzmaBnahmen bestimmen beide GLRP, dass Strand- und Dunenaufsptilungen soweit wie moglich mit Baggersanden erfolgen sollen.80 Zwar wird fur marine Sandentnahmen ein Umweltmonitoring gefordert, der Schutz sensibler Meeresbereiche wird jedoch nicht festgeschrieben. Im Hinblick auf die Steuerung der Siedlungstatigkeit sehen beide Rahmenplane ein Vermeidungserfordernis neuer Bebauung in uberflutungsfahrdeten Bereichen und in den Raumen 72 73 74

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Siehe erganzend die Kartenwerke des GLRP. Vergleiche § 83 Abs. 1 LWaG M-V. Im Hinblick auf die Bebauungstatigkeit im Ktistenbereich wird zunachst lediglich auf die allgemeine Aussage des § 7 1. LNatG M - V verwiesen. Siehe GLRP Mittleres Mecklenburg, S. III-l 1 f. und GLRP Vorpommern, S. III-9. GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. Ill-12 und GLRP Vorpommern, S. III10. Vergleiche GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 111-79 und GLRP Vorpommern, S. 111-95. Im GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 111-79 wird stattdessen auf die Existenz von Siedlungen abgestellt. GLRP Vorpommern, S. 111-95. GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 111-79. GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 111-79; GLRP Vorpommern, S. 111-95.

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mit herausragender Bedeutung fur den Naturhaushalt vor.81 Eine mit dem GLRP Westmecklenburg vergleichbare ausdruckliche Bezugnahme auch auf potentiell uberflutungsgefahrdete Bereiche fehlt dagegen.82 Insgesamt durften auch die beiden GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock sowie Vorpommern weitgehend den Anspriichen einer okologischen Kustenentwicklung und vorsorgender Kiistenschutzstrategien entsprechen. Demnachst anstehende Uberarbeitungen83 und Fortschreibungen konnten allerdings fur Klarstellungen genutzt werden. Neben den textlichen, speziell auf den Kustenschutz bezogenen Anforderungen an die Wasserwirtschaft und Kommunen in Bezug auf die weitere Planung ihrer Siedlungstatigkeiten stellen die von der Landschaftsplanung eingeforderten Vorsorge- und Vorrangraume fur Naturschutz und Landschaftspflege den Schwerpunkt und die Zusammenfassung der landschaftsplanerischen Belange dar. Diese sind darauf angelegt, in die Raumordnungsplanung als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete ilbernommen zu werden und konnen nach Integration84 risikopotentialbegrenzende und hinsichtlich der Errichtung von Kustenschutzanlagen eingriffsminimierende Wirkungen entfalten.85 Nach alledem ist zu konstatieren, dass die Inhalte der Landschaftsrahmenplane trotz einiger Schwachen weitgehend den Anforderungen vorsorgender Kustenschutzkonzepte entsprechen. Die Klassifizierung grofier Teile des Kustenbereiches als Gebiete mit herausragender Bedeutung fur den Naturhaushalt86 setzt die Raumordnung unter Zugzwang, sich ihrerseits mit den gebietsbezogenen Anspriichen der Landschaftsplanung eingehend auseinanderzusetzen. In ihrer Bedeutung fur raumordnerische Abwagungsentscheidungen ist in den landschaftsplanerisch herausgestellten Bereichen einer der wichtigsten Ansatze fur Qkologische Kustenentwicklung zu sehen.

//. Rechtswirkungen der uberortlichen Landschaftsplanung 1. Autarke Rechtswirkungen Nach § 15 Abs. 2 BNatSchG sind die Inhalte der Landschaftsplanung in Planungen und Verwaltungsverfahren zu beriicksichtigen. In Mecklenburg-Vorpommern 81

GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, S. 111-82 und GLRP Vorpommern, S. III98: ,,Die Neuausweisung von Bauflachen ist in diesen Bereichen zu vermeiden."

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Daftir existiert eine solche nunmehr im Regionalen Raumordnungsprogramm Vorpommern, siehe 2. Kapitel § 8 B. I. Um der Vorgabe des § 12 Abs. 2 LNatG M-V zu entsprechen, ergibt sich die Pflicht, die Anforderungen der Landschaftsplanung an andere Raumnutzungen gesondert in den Regionalen Raumordnungsprogrammen darzustellen. Siehe dazu ausfuhrlich 3. Kapitel § 9 B. II. Mittelbar wirken auch allgemeine Aussagen ohne ausdriicklichen Hochwasserschutzbezug, wie z.B. die Erhaltung der Bodenfunktionen, die Erhaltung und Extensivierung von Dauergriinland und der Artenschutz, in Richtung vorbeugender Ktistenschutzstrategien. Siehe dazu Bohm et ah, Anforderungen, S. 129. Siehe dazu die entsprechenden Kartenwerke in den GLRP.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

bezieht sich diese Berucksichtigungspflicht auf die raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung, d.h. deren mit Raumbezug ausgestatteten Ziele, Erfordernisse und MaBnahmen, die von alien offentlichen Stellen gemaB § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V angemessen berucksichtigt werden sollen.87 MaBgeblich dafiir ist nicht die Raumbedeutsamkeit der Planung oder MaBnahme, sondern die der inhaltlichen Vorgabe der Landschaftsplanung. Indem auch die nichtintegrierten raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung bei alien Planungen und MaBnahmen zu beriicksichtigen sind, bewirken § 15 Abs. 2 BNatSchG und § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V im Ergebnis eine Gleichstellung der nicht in die Raumordnungsplane aufgenommenen raumbedeutsamen Belange der Landschaftsplanung mit einfachen Grundsatzen der Raumordnung. Sofern es um die Einschatzung der Umweltvertraglichkeit von Planungen, MaBnahmen und Vorhaben geht, sollen nach § 12 Abs. 5 S. 4 LNatG M-V landschaftsplanerische Bewertungen, unabhangig von ihrer Raumbedeutsamkeit,88 einen BeurteilungsmaBstab bilden. Die pauschale Berucksichtigungspflicht aller raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung, unabhangig von ihrer raumordnerischen Integration, ist prinzipiell positiv zu bewerten. Bei naherer Betrachtung kommt den nicht nach § 12 Abs. 3, 5 S. 1, 2 LNatG M-V integrierten raumbedeutsamen Inhalten mit Blick auf das raumordnerische Instrumentarium allerdings nur eine untergeordnete Rolle zu. Im Vergleich mit strikten Zielfestlegungen, Optimierungsgeboten und relativen Vorrangregelungen sowie einer Vielzahl legislativer und landesplanerisch erzeugter einfacher Grundsatze diirfte sich die Bedeutung nichtintegrierter raumbedeutsamer Inhalte an der unteren Grenze der rechtlich relevanten Beriicksichtigungsskala bewegen.89 Angesichts der allgemeinen Berucksichtigungspflicht aus § 15 Abs. 2 BNatSchG diirfte zudem die Beschrankung auf raumbedeutsame Inhalte in § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V nicht vereinbar sein. Ob sich aus der nicht auf raumbedeutsame Inhalte abstellenden MaBstabsregelung des § 12 Abs. 5 S. 4 LNatG M-V fur der Landschaftsplanung iiberhaupt eine rechtlich relevante Berucksichtigungspflicht herleiten lasst, diirfte indes fraglich sein. SchlieBlich sollen die Inhalte der Landschaftsplanung lediglich im Rahmen der Umweltvertraglichkeitsbeurteilung herangezogen werden und flieBen daher nur mittelbar in die Verwaltungsentscheidungen ein. Der Gehalt dieser Regelung diirfte daher - vor allem auch wegen mangelnder Begrundungspflichten - an der Schwelle zur vollstandigen

So auch Bugiel, NordOR 98, S. 416. Dabei kommt es schon wie in § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V nicht auf die Raumbedeutsamkeit der Planungen, MaBnahmen und Verwaltungsentscheidungen an. Einschrankend offenbar Bugiel, NordOR 98, S. 416, der die Anwendung von § 12 Abs. 5 S. 4 LNatG M-V a.F. auf raumbedeutsame und umweltrelevante Entscheidungen beschrankt sehen will. Berucksichtigungspflichten, etwa der Fachplanungen, bestehen ohnehin nur dann, wenn die fachgesetzlichen Tatbestande uberhaupt AbwagungsspielrSume vorsehen und diese fur Belange des Natur- und Umweltschutzes geofmet sind. Vgl. dazu Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 797. Beispiele waren § la WHG oder § la BauGB.

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rechtlichen Bedeutungslosigkeit anzusiedeln sein.90 tjberdies bestehen unabhangig davon in Mecklenburg-Vorpommern Begrilndungspflichten bei Abweichungen von den Inhalten der Landschaftsplanung, die ein ,,MindestmaB an Respektierung" schaffen konnten, nur gegeniiber der Raumordnung, nicht aber gegenuber den und § 12 Abs. 4 S. 3, 4 LNatG M-V genannten Verwaltungstatigkeiten.91 Damit diirfte gegen die Anordnung einer - zu begriiBenden - allgemeinen Begrilndungspflicht in § 15 Abs. 2 S. 3 BNatSchG verstofien werden.92 In einer Gesamtschau ist zu konstatieren, dass sich die rechtlichen Bindungswirkungen der autarken Inhalte der Landschaftsplanung als auBerst schwach darstellen.

2. Bindungswirkungen kraft Raumordnung a. Integration Eine aufierhalb der Naturschutzfachverwaltung liegende Verbindlichkeit erlangen die Inhalte der iiberortlichen Landschaftsplanung entweder durch auBenrechtliche Konkretisierungen, wie z.B. Schutzgebietsausweisungen,93 oder durch Integration in die entsprechenden Ebenen der Raumordnungsplanung.94 Die Integration der raumbedeutsamen Inhalte der iiberortlichen Landschaftsplanung in die Plane der Raumordnung ist gemaB § 15 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 12 Abs. 3 LNatG M-V unter Abwagung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und MaBnahmen ausdriicklich gefordert. Im Rahmen der landesplanerischen Abwagung sind die raumbedeutsamen Vorgaben der Landschaftsplanung mit besonderem Augenmerk zu gewichten.95 Dies soil durch die explizite Begriindungspflicht in MecklenburgVorpommern aus § 12 Abs. 4 LNatG M-V, die nunmehr durch § 14 Abs. 2 BNatSchG unterstrichen wird, hervorgehoben werden.96 Die damit einhergehende

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In diesem Kontext ist nicht ganz einsichtig, weshalb andere Verwaltungsentscheidungen nur die raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung zu berucksichtigen haben. SchlieBlich sollten die Belange von Natur und Landschaft bei alien Tatigkeiten der offentlichen Hand einflieBen, unabhSngig davon, ob sich die Belange oder das jeweilige Verwaltungshandeln raumbedeutsam auszeichnen. Wiinschenswert ware zumindest ein ungewichteten Grundsatzen der Raumordnung u n d Landesplanung entsprechender rechtlicher Gehalt und damit eine Berucksichtigungspflicht. Diese ist in MecklenburgVorpommern fur nicht raumbedeutsame Inhalte der Landschaftsplanung aus § 12 V S. 3 LNatG M-V schon deshalb nicht herleitbar, weil sich die Norm nur auf raumbedeutsame Vorgaben bezieht. Bei Annahme einer allumfassenden Berucksichtigungspflicht liefe dagegen der Regelungsgehalt von § 12 V S. 4 LNatG M - V leer. Gemafl § 12 Abs. 4 LNatG M-V, siehe dazu auch 3. Kapitel § 9 B. II. 2. a. Gassner, Recht der Landschaft, S. 111. Vergleiche dazu 3. Kapitel § 10 A. Die Integration der okologischen Belange aus den Landschaftsplanen in die Raumordnungsplanung ist fur die flachendeckende Durchsetzung dieser Belange von hoher Relevanz, da nur so eine strikte Bindungswirkung erfolgen kann. Hahn, Landschaftsplanung, S. 42 f. Gassner, Recht der Landschaft, S. 111.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Erhohung der Transparenz des Abwagungsvorgangs kann faktisch, jedenfalls der Tendenz nach, zur starkeren Beriicksichtigung von Naturschutzbelangen fiihren.97 Werden die Ziele, Erfordernisse oder MaBnahmen der Landschaftsprogramme und -rahmenplane als Ziele der Raumordnung festgesetzt, nehmen sie an deren strikten Behordenverbindlichkeit und mittelbaren AuBenwirkung teil.98 Inhalte, die als Grandsatze in Raumordnungsprogramme transferiert werden, entwickeln die jeweiligen raumordnerischen Berucksichtigungspflichten. Da die raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung schon gema'B § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V einer einfachen Berucksichtigungpflicht unterfallen," kommt insbesondere die Ubernahme als konkretisierte oder gewichtete Grundsatze in der Form von Optimierungsgeboten in Betracht.100.

b. Integrationsmodelle Die Integration der Inhalte der Landschaftsplanung ist landesrechtlich uneinheitlich ausgestaltet und in Primar- und Sekundarintegration zu unterscheiden.101 Kennzeichnend fiir die Primarintegration (unmittelbare Integration) ist die Nichtaufstellung eines nach auBen hin selbstandigen Landschaftsplanwerkes. Dieses entsteht als unmittelbarer Bestandteil der Raumordnungsprogramme auf Landesund Regionalebene. Bei der Sekundarintegration erfolgt zunachst die Aufstellung eines Landschaftsprogramms bzw. -rahmenplans, deren raumbedeutsamen Inhalte

So jedenfalls Bugiel, NordOR 98, S. 416; zuriickhaltender, aber im Ergebnis wohl ahnlich Gassner, Recht der Landschaft, S. 111. Zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit landesplanerischer Erfordernisse soil darilber hinaus der ausdruckliche Auftrag in § 7 Abs. 3 ROG verhelfen, der die Integration fachplanerischer Festlegungen als Ziele der Raumordnung vorschreibt. Durch verbindliche Formulierung der Norm werden die Planungsbehorden angehalten, nach Moglichkeit die Belange der Landschaftsplanung durch Zielfestsetzungen zu sichern. Vgl. dazu Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 76. Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 9; Schenk, in: Peters/Schenk/Schlabach, Kapitel V C Rn. 37; Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 15. Und zwar gegenilber alien Planungen, MaBnahmen und anderen Verwaltungsverfahren der offentlichen Hand, vgl. dazu schon 3. Kapitel § 9 B. II. 1. Hier ist wohl in erster Linie an eine besondere Gewichtung im Rahmen von Vorbehaltsgebietsfestlegungen zu denken, vgl. dazu 2. Kapitel § 7 B. II. Vergleiche ausfuhrlich zur Ausgestaltung in den neuen Bundeslandern: Oehler, Landschaftsplanung, UTR 21 (93), S. 117 ff. Zur Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern siehe Czybulka, in: Manssen/Schiltz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 504; Riedel in: Czybulka, Naturschutzrecht und Landschaftsplanung, S. 32 ff. und Bugiel, NordOR S. 416. Instruktiv weiter Erbguth, UPR83, S. 140 f; Hendler, NuR81, S. 45; Louis, BNatSchG § 5 Rn. 10 ff.; Gassner, Recht der Landschaft, S. 112 ff. Siehe auch Siegel, NuR03, S. 327 f; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltschutzrecht, § 18 Rn. 37; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 76 f.; Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 136 f. Ausfuhrlich zu den Vor- und Nachteilen der Integrationstechniken auch Hahn, Landschaftsplanung, S. 243 ff.

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dann durch einen besonderen Transformationsakt nach Abwagung in die Raumordnungsprogramme iibernommen werden.102 Die Primarintegration ermoglicht eine direkte Integration der Inhalte der Landschaftsplanung in die Raumordnungsplanung. Sie hat den Vorteil einer engen Verkniipfung beider Planarten und einer friihzeitigen Abstimmung der Belange des Naturschutzes mit anderen Anspruchen an die Raumnutzung. Den unmittelbar integrierten Inhalten der Landschaftsplanung kommt per ErlaB des Raumordnungsplanes dessen jeweilige Verbindlichkeit zu.103 Die Sekundarintegration gewahrleistet dann eine fruhzeitige und sachinhaltliche Verkniipfung, wenn die Landschaftsplanung vor dem raumlichen Gesamtplanungskonzept erstellt wird. Verbindlichkeit entsprechend den Erfordernissen der Raumordnung erlangen die Inhalte der Landschaftsplanung hingegen erst nach der Integration in die Raumordnungsprogramme.104 Dafur in Frage kommen nur die raumbedeutsamen Inhalte105, die erst nach Abwagung aller Raumanspriiche Bestandteil der raumlichen Gesamtplanung werden. Angesichts der geringen autarken Rechtswirkungen der Landschaftsplanung ist es der Sekundarintegration immanent, dass ein nicht unbetrachtlicher Teil der Landschaftsplanung in weitgehender rechtlicher Unverbindlichkeit verharren bleibt.106 Innerhalb der Primarintegration ergibt sich bei naherer Betrachtung rechtlich ein ahnliches Bild, allerdings tauchen hier die nicht in die Raumordnungsplanung iibernommenen Belange des Naturschutzes erst gar nicht auf.

c. Diskussion und Stellungnahme Der Vorteil der Primarintegration ist daher in der sofortigen Verbindlichkeit der direkt integrierten Inhalte der Landschaftsplanung zu sehen. Dem stehen indessen strukturell bedingt Nachteile gegenilber. AnerkanntermaBen kann die Landschaftsplanung ihre Aufgabe nur durch die Gliederung von Bestandsaufnahme, Zielkonkretisierung und Ableitung der Erfordernisse und MaBnahmen gerecht werden.107 Die Ermittlung aller Ableitungsstufen in einem geschlossenen Werk und die Gesamtbetrachtung des Ursachen- und Wirkungszusamrnenhanges ist fur eine funktionsfahige Landschaftsplanung unverzichtbar.108 Die der Primarintegration immanente vorzeitige Transformation unterbricht den Ableitungszusammenhang. Sie ist zudem mit der Gefahr belastet, dass die fachspezifischen Kriterien der Landschaftsplanung aus § 13 BNatSchG nicht erfullt werden konnen.109 102

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Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 136 f.; ausfuhrlich Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 790 ff.; Erbguth, UPR 83, S. 40 f. Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 790 f. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 76 f. Vergleiche § 12 Abs. 3 LNatG M-V; Erbguth, UPR 83, S. 141. Anders BMU UGB E § 252 Abs. 3 S. 1: Die Inhalte der Naturpflegeplane sollen von alien offentlichen Stellen zu beachten sein. Ausnahmen sind nur in besonderen Fallen zulassig und einer Begrundungspflicht unterworfen, vgl. dort § 252 Abs. 3 S. 2. Siehe 3. Kapitel § 9 A. II. 2. Zutreffend Gassner, Recht der Landschaft, S. 106. Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG § 15 Rn. 8.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Die Sekundarintegration kann demgegeniiber gewahrleisten, dass die Belange von Natur und Landschaft nicht mehr nur als Annex anderer Planungen vorkommen, sondern in Zustandigkeit, Verfahren und Form der Hauptgegenstand eigener Planung werden.110 Nicht oder nur modifiziert iibernommene Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind in den Planwerken der Landschaftsplanung weiter (mahnend) gegenwartig und konnen trotz ihrer geringen Verbindlichkeit als isolierte Inhalte111 ggf. eine uber die Raumordnung hinausgehende Beriicksichtigung im Rahmen von Fachplanungsverfahren und Einzelentscheidungen entfalten.112 Voraussetzung datur ist gleichwohl, dass die Inhalte der Gutachtlichen Landschaftsplanung bei Behorden und in der Offentlichkeit bekannt sind.113 Der Nachteil einer verzogerten Ubernahme in die Raumordnungsplanung ist angesichts transparenter Transformationsprozesse insoweit hinzunehmen.114 Ist die Landschaftsplanung gutachtlich ausgestaltet, kommt zur Erfullung des Planungsauftrages nur das Modell der Sekundarintegration in Betracht, da nur eine selbstandige okologische Planung in der Lage ist, die jeweiligen Belange gutachtlich darzustellen.115 Die Neufassung der Landschaftsplanung im BNatSch geht der Konzeption nach erkennbar vor einer Sekundarintegration aus, die sich an den MaBstaben der Gutachtlichkeit orientiert.116

///. Fazit Zusammenfassend ist festzustellen, dass die raumbedeutsamen Inhalte der iiberortlichen Landschaftsplanung und mit ihnen die okologischen Vorgaben der kustennahen Flachenfreihaltung sowie die naturschutzfachlichen Anforderungen an den Kiistenschutz selbst mittels § 12 Abs. 5 S. 3 LNatG M-V Eingang in die Abwagungsentscheidungen der planenden wie auch genehmigenden Behorden finden sollten.117 Effektive planungsrechtliche Bindungswirkungen auBerhalb der Naturschutzverwaltung sowie in begrenztem Umfang gegeniiber Privaten sind davon 110 111 112

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Ramsauer, NuR 93, S. 115. Siehe auch 3. Kapitel § 9 B. II. 1. Vergleiche schon Fn. 97 sowie Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 791. Zum Ganzen auch Balzer, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 152 und Bergstedt, Biotopschutz, Abschn. II-5, S. 6 (3. These). Dies ist nicht immer der Fall. Es ist deshalb auch ein Anliegen dieser Arbeit, die Inhalte der Landschaftsrahmenplane der Ktistenregionen im Mecklenburg-Vorpommern u.a. durch die Aufhahme von Kartenausschnitten einer grofieren Publizitat zuzufuhren. So auch Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 362 f. Gutachtlichkeit und Primarintegration schliefien sich weitgehend aus. Vgl. dazu Bugiel, NordOR98, S. 416. Wenngleich die Primarintegration weiter zulassig sein soil, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 76. Von Vorteil durften in diesem Prozess insbesondere die sachlich umfassenden und prazise formulierten Ziele und Erfordernisse des GLRP Westmecklenburg sein, vgl. 2. Kapitel § 8 B. I.

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abhangig, dass die Naturschutzbelange durch das ,,Nadelohr der Abwagung"118 zu Zielen der Raumordnung transformiert wurden.119 Voraussetzung fur ein in sich geschlossenes und nach auBen wirkendes Konzept der Landschaftsplanung ist hierbei die moglichst unverfalschte Aufhahme der okologischen Belange in die Planwerke der Raumordnung. In diesem Prozess diirften die hochwasserschutzbezogenen Inhalte der Landschaftsplanung im Zusammenspiel mit der raumordnerischen Vorgewichtung des vorbeugenden Hochwasserschutzes120 erhebliche Durchsetzungkrafte entfalten. Hinzu kommen die zwingenden Vorgaben des europaischen Gebietsschutzes, die insbesondere tiber die noch zu entwickelnden Vernetzungsraume121 flacheniibergreifenden Freiraumschutz gewahrleisten konnen. In diesem Zusammenhang wird die Befurchtung geauBert, dass die Ubernahme wesentlicher Inhalte der Landschaftsplanung aufgrund der unterschiedlichen Darstellungsgenauigkeiten,122 etwa von Landschaftsrahmenplanen im Verhaltnis zu Regionalplanen, zu sehr detaillierten Aussagen der Regionalplanung fuhren und den Umfang der Planwerke erheblich erweitern konnte.123 Ohne diese Thematik hier ausfuhrlich behandeln zu wollen, ist davon auszugehen, dass fur eine moglichst wirksame Durchsetzung landschaftsplanerischer Inhalte gewisse Aufstockungen der Plane in Kauf zu nehmen sind.124 Eine gesteigerte Konkretisierung der in den Regionalplanen festgesetzten Ziele ist im Hinblick auf deren notwendige verbindliche Formulierung gemaB § 3 Nr. 2 ROG generell nicht zu umgehen. SchlieBlich stellt sich die mangelnde Bestimmtheit als eine Hauptursache bisheriger Zielbindungsdefizite dar.125 118

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Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 792; Hahn, Landschaftsplanung, S. 36; von Dressier, BfN, Weiterentwicklung, S. 141. Gesteigerte Ubernahmepflichten ergeben sich allerdings dann, wenn es sich um Erfordernisse des europaischen Habitatschutzes handelt. Siehe dazu schon ausfuhrlich 0 Art. 10FFH-RL. Zum Beispiel unterschiedliche MaBstabe der Kartenwerke. Dahingehende Bedenken auBert jedenfalls Erbguth, UPR 83, S. 141. Siehe weiter dazu Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 300 f. sowie Hendler, NuR 81, S. 41. Einer Vollintegration der Inhalte der Landschaftsplane in die Raumordnungsplane stehen gleichwohl zwei Hindernisse im Wege: Zum einen enthalten Landschaftsprogramme auch nicht raumbedeutsame Aussagen, z.B. zum Artenschutz, deren Aufhahme in Raumordnungsprogramme schon de lege lata unzulassig ware. Zum anderen sind die Erfordernisse der Raumordnung zwingend das Produkt einer Abwagung. Letztere hat auch bei Integration landschaftsplanerischer Inhalte stattzufinden; eine pauschale Vollubernahme wilrde diesem Anspruch nicht gerecht. Vgl. dazu schon Erbguth, a.a.O., S. 141 sowie Gassner, Recht der Landschaft, S. 114. So im Ergebnis wohl auch Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 301; Appold, Freiraumschutz, S. 78. Kritisch Erbguth, UPR 83, S. 141 und Wahl, Festlegungen, in: Hoppe, Verwirklichung, S. 55, 69 f. Vgl. auch 2. Kapitel § 7 D. I. und die dortigen Nachweise in Fn. 644 mit der Option zur Schaffung fachlicher Themenkarten. Siehe z.B. 2. Kapitel § 7 C. I. 2. d.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Insbesondere das neue Gutachtliche Landschaftsprogramm und die Landschaftrahmenplane der drei Kustenregionen in Mecklenburg-Vorpommern enthalten (letztere trotz einiger Defizite) wichtige Vorgaben, die fur naturvertragliche Kiistenschutzkonzepte herangezogen werden konnen.126 MaBstab fur deren rechtliche Verbindlichkeit ist primar, inwieweit diese Vorgaben Beriicksichtigung in landesplanerischen Festlegungen, namentlich als Ziele der Regionalplanung, finden. Diesbezilgliche Ansatze sind im RROP Westmecklenburg und im RROP Vorpommern erkennbar, wahrend die Integration im RROP Mittleres Mecklenburg/Rostock als unzureichend bezeichnet werden muss.127 Von besonderer Bedeutung sind die von der Landschaftsplanung eingeforderten Vorsorge- und Vorrangraume fur Naturschutz und Landschaftspflege. Diese umfassen weite Teile des Innen- und AuBenkiistenbereichs128 und konnen nach Integration in die Regionalplanung konkurrierende Nutzungsanspriiche im Sinne eines alternativen Kustenschutzkonzeptes tendenziell zurilckdrangen. Ebenso wichtig erscheint die von groBflachigen Vorrang- und Vorbehaltsgebieten ausgehenden Erleichterungen der naturschutzfachlichen Planungen selbst,129 insbesondere die Ansatze, die sich fur konkrete Schutzgebietsausweisungen ergeben. Die Verwaltungspraxis zeigt immer wieder, dass die erfolgreiche Errichtung neuer Schutzgebiete maBgeblich mit der vorherigen raumordnerischen Festsetzung als Vorrangoder Vorbehaltsgebiet fur Naturschutz und der Landschaftspflege verbunden ist. In einer Gesamtschau ist davon auszugehen, dass der Bedeutung der Landschaftsplanung als eigenstandiges Planungsinstrument zur Entwicklung umfassender Naturschutzkonzeptionen nicht entsprochen wird.130 Als wesentliche Ursache lasst sich die ausgepragte rechtliche Unverbindlichkeit der autarken Inhalte der Landschaftsplanung benennen und - damit zusammenhangend - die Abhangigkeit von einer Ubernahme in die Landes- und Regionalplanung, urn wenigstens ein gewisses MaB an Rechtsverbindlichkeit erlangen zu konnen. Allerdings dilrfte die relative Unverbindlichkeit die wichtigste Voraussetzung fur eine mit konsequenter Gutachtlichkeit ausgestatteten Landschaftsplanung sein.131

IV. Einfluss der Raumordnung auf die Landschaftsplanung Wahrend innerhalb der Differenzierung nach Primar- und Sekundarintegration die Frage nach der verfahrensmaBigen tJbernahme der von der Landschaftsplanung entwickelten Inhalte geklart wurde, gilt es noch zu untersuchen, welche Inhalte die Landschaftsplanung von sich aus, d.h. unbeeinflusst von bereits existierenden 126 127 128 129 130 131

Vergleiche nur GLRP Westmecklenburg, S. Ill 15 und III 151 f. Die Gefahr einer Uberfrachtung oder zu grofien Detailgenaugikeit wurde bisher nicht gesehen. Siehe etwa die kartographischen Darstellungen in den entsprechenden Kartenwerken der GLRP. Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 177. BMU UGB E, S. 885. Dazu mehr im 3. Kapitel § 9 B. IV.

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Vorgaben der Raumordnung, iiberhaupt formulieren kartn. Betrifft ersteres eher das quantitative AusmaB der Transformation, geht es hier um die qualitative Ausgestaltung der landschaftsplanerischen Aussagen.

1. Gutachtlichkeit und Bindung an die Raumordnung a. Grundsatzliche Unvereinbarkeit Wahrend § 4 Abs. 1 ROG132 alle raumbedeutsamen Planungen der offentlichen Hand, so auch die Landschaftsplanung, an die Ziele der Raumordnung binden soil,133 statuiert § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG eine generelle Beachtenspflicht der Ziele sowie eine Berucksichtigungspflicht der Grundsatze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung, unabhangig von ihrer Raumbedeutsamkeit. Die umfangreiche Koppelung der Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung wird gemeinhin befurwortet.134 Die Landschaftsplanung kann sich folglich im Stadium existenter Raumordnungsplane nicht mehr iiber die darin enthaltenen Ziele hinwegsetzen.135 Im Rahmen der Fortschreibung der Raumordnungsplane ware die Landschaftsplanung demnach gehindert, von den bestehenden Raumordnungszielen abweichende Planvorstellungen zu formulieren. Diese Bindung erscheint fur die Wirkungsweise der Landschaftsplanung in mehrfacher Hinsicht problematisch und wird bisweilen kritisiert.136 Eine Aufgabe der Landschaftsplanung ist es, die Erfordernisse und MaBnahmen des Naturschutzes unabhangig von anderen gesellschaftlichen Ansprilchen darzustellen.137 Die Bindung der Landschaftsplanung an fachfremde Belange wiirde jedoch die Relativierbarkeit der objektiven Bedingungen suggerieren.138 Uberhaupt ist eine strikte Zielbindung und die Koppelung an gewichtete raumordnerischer Vorgaben mit 132 133

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Landesrechtlich in Mecklenburg-Vorpommern aus § 5 Abs. 1 LP1G M-V. § 5 Abs. 1 S. 2 BNatSchG als deklaratorische fachgesetzliche Norm. Vgl. dazu Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 261 und hier 2. Kapitel § 7 C. V. 2. a. Vergleiche z.B. Erbguth, UPR 83, S. 139 f.; Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 261; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 75, wenngleich hier (noch) nur von Berilcksichtigung ausgegangen wird; Oehler, Landschaftsplanung, UTR 21 (93), S. 121 f.; Hahn, Landschaftsplanung, S. 29 ff. Im Ergebnis so wohl auch Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 176 f. Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 176 f. Marzik/Wilrich, BNatSchG, § 15 Rn. 6; Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7. Ahnlich wohl auch Hendler, NuR81, S. 44 und Schiitze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 57. Siehe schon 3. Kapitel § 9 A. II. 3. Ohne an dieser Stelle ins Detail gehen zu wollen, ist festzuhalten, dass das Wesensmerkmal der Landschafts- wie auch der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung die Formulierung 6'kologischer oder wasserwirtschaftlich bedeutsamer Belastungsgrenzen, die als Elemente einer okosystemar verstandenen Tragfahigkeit (carrying capacity) jenseits anthropogener Einwirkmo'glichkeiten liegen. Siehe zur Problematik in Bezug zur wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung ausfuhrlich 4. Kapitel § 11 B. III. und zur Landschaftsplanung 3. Kapitel § 9 B. IV.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

dem Wesen einer gutachtlichen, rein naturschutzfachlichen Belangen verpflichteten Landschaftsplanung139 nicht vereinbar.140 Raumordnerische Modifikationen im Fachplan wilrden die tatsachlich bestehenden Qkologischen Anspriiche und Notwendigkeiten verwassern.141 In der Folge waren gutachtliche Planungsauftrage nur unter Beeintrachtigungen des fachplanerischen Auftrages durchfuhrbar.142 Auf der anderen Seite ist die raumliche Gesamtplanung auf die moglichst unverfalschte Formulierung der Belange des Naturhaushaltes durch okologische Fachplanungen als Informations- und Entscheidungssubstrat angewiesen. Eine zu friihe Koppelung der Planungsergebnisse an die bereits bestehenden Erfordernisse der Raumordnung durch Beachtens- und Beriicksichtigungspflichten birgt nicht nur die Gefahr von Zirkelschlussen, sondern auch die einer fachlich nicht ausreichend fundierten Raumplanung in sich.143 Damit kann die Koppelung selbst fur die Raumordnung kontraproduktiv wirken.144 Zur Vermeidung der genannten Defizite wird vertreten, dass § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG die Landschaftsplanung, wenn iiberhaupt,145 nur an die ubergeordneten, nicht hingegen an die gleichgeordneten Raumordnungsprogramme bindet.146 Die Freistellung der Qkologischen Planungsinhalte von den ebengleichen Erfordernissen der Raumordnung ist konsequent. Es macht in der Tat keinen Sinn, die Landschaftsplanung zuerst an die Ziele der gleichgeordneten Raumordnungs-

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Vergleiche zum rein okologischen Anspruch der Gutachtlichen Landschaftsplanung 3. Kapitel § 9 A. II. 3. So ausdriicklich und folgerichtig Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7 a.E., Rn. 9. Die g.h.M. ist offensichtlich anderer Ansicht, siehe Fn. 134. Die Verwaltungspraxis in MecklenburgVorpommern geht davon aus, dass auch die Gutachtliche Landschaftsplanung an die Zielbeachtenspflicht des § 5 Abs. 1 LP1G M-V gebunden ist, und zwar an hoherrangige als auch an gleichgeordnete Raumordnungsprogramme, siehe GLRP Westmecklenburg, S. 1-4; GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock, 1-3; GLRP Vorpommern, S. 1-3. Siehe zur Bedeutung unverfalschter Inhalte schon 3. Kapitel § 9 B. II. 2. c. a.E. Zutreffend auch die allgemeine Einschatzung von Fuchs, NuR 99, S. 450, die hier Bedeutung erlangt: ,,Dass Kompromisse erforderlich sind, ist unbestreitbar, es fragt sich nur von welchem Ausgangsniveau ausgehend der Konsens gesucht wird." Die Beurteilung der Gutachtlichen Landschafts- und der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung als raumbedeutsam i.S.v. § 3 Nr. 6 ROG und deren konsequente Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung dtirfte schon deshalb nicht unerhebliche Probleme aufwerfen. Fur die Landschaftsplanung instruktiv Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7. Marzik/Wilrich, BNatSchG, § 15 Rn. 6. Schiitze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 57 und Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7 halten die Bindung der Gutachtlichen Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung entgegen dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 BNatSchG als Ganzes, leider ohne nahere Begrundung, fur entbehrlich. Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7. Das Zuriicksetzen der Zielbeachtung in eine Beriicksichtigung (so Hendler, NuR 81, S. 44 f.) begegnet allerdings Bedenken, da der Wortlaut des § 5 Abs. 1 S. 2 BNatSchG nunmehr eindeutig ist und kaum Raum fur Relativierungen lasst. Vgl. dazu Erbguth, UPR 83, S. 139; Hahn, Landschaftsplanung, S. 29 ff.

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planung zu binden, um sie dann spater als fachliche Grundlagen in die Abwagung eben dieser Raumordnung wieder einzubeziehen.147 Ein Dispens von den ebenengleichen Raumordnungsplanen lost hingegen nicht die anderen angesprochenen Probleme. Weder die Storungen fur die Funktionsweise der Gutachtlichen Landschaftsplanung, noch die fehlerhafte Vorstellung von der grundsatzlichen Relativierbarkeit naturraumlicher Gegebenheiten sind damit befriedigend zu losen. Deshalb kann an dieser Stelle nur verteten werden, die Landschaftsplanung von der sich aus §4 Abs. 1 ROG i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG ergebenden Bindungswirkung generell freizustellen. Bevor daher untersucht werden soil, ob die bestehende Gesetzeslage tatsachlich eine derartige Koppelung erfordert, lohnt ein Blick in die Entwiirfe des Umweltgesetzbuches. Der Vorschlag der Unabhangigen Sachverstandigenkommission fiir die den Landschaftsplanen entsprechenden Naturpflegeplane verzichtet gemaB § 252 Abs. 2 UGB E auf eine Beachtens- oder Beriicksichtigungspflicht zugunsten der Erfordernisse der Raumordnung. Die Naturpflegeplane werden anstelle dieser problematischen Bindung einer obligatorischen, auf Gegenseitigkeit beruhenden Harmonisierungspflicht unterworfen.148 Dagegen normiert der Professorenentwurf in § 21 Abs. 2 S. 1 UGB E eine Zielbeachtenspflicht. An dieser sei trotz gewisse Einschrankungen des okologischen Abwagungsgebotes wegen der Bedeutung der Ziele als Schlusselbegriffe des gesamten Raumordnungsrechts festzuhalten.149 Allerdings eroffnet § 21 Abs. 2 S. 2 UGB ProfE die Moglichkeit, dass abweichende Vorstellungen, die aus besonderen Grilnden des Umweltschutzes notwendig werden, als solche in den Umweltplanen zu kennzeichnen und zu begriinden sind. Von solchen Kennzeichnungen sollen formliche Ansatzpunkte fur eine Diskussion mit den Landesplanungsbehorden und damit AnstoBe zur entsprechenden Anderung der Raumordnungsziele ausgehen.150

b. Gutachtlichkeit und das Verschlechterungsverbot aus Art. 20a GG Unzweifelhaft wird den Vorgaben der Landes- und Regionalplanung zukunftig eine groBere Rolle bei der planungsrechtlichen Zulassigkeit von Raumnutzungen zukommen. Dies zeigt sich neben den erweiterten Bindungswirkungen der Erfordernisse der Raumordnung151 auch durch die Kodifikation der Raumkategorien (Vorrang-, Vorbehalts- und Eignungsgebiete) im ROG 98. Es ist daher davon auszugehen, dass in Zukunft die Inhalte der Landschaftsplanung haufiger auf relativ verbindliche Vorgaben der Raumordnung treffen. Die Koppelung der Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung wurde die Landschaftspla147

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Vergleiche Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7. Das landesweite Landschaftsprogramm unterfiele mithin keiner Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung. Vergleiche BMU UGB E, S. 890 m.w.N. Kloepfer et al, UGB E, S. 210 f. Erbguth, DVB1. 92, S. 1124; Kloepfer et al, UGB E, S. 211. Allgemein zum UGB Entwurf: Sendler, DVB1. 92, S. 1118 ff.; zur Umweltleitplanung S. 1120; Kloepfer, JZ 92, S. 817, zur Umweltleitplanung S. 826. Kritisch Erbguth, NuR 95, S. 445 f. Vergleiche § 4 Abs. 1 bis 3 ROG.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

nung zunehmend einengen und ihre Gutachtlichkeit zerstoren. Damit waren Konflikte mit dem Verschlechterangsverbot des Art. 20a GG und dessen Entsprechungen in den Landesverfassungen zu erwarten. Das Verschlechterangsverbot verlangt nach einer umfassenden Bestandsaufhahme (Biomonitoring) aller noch vorhandenen geeigneten Lebensraume fur die Erhaltung der Biodiversitat, auch derzeit noch nicht unter formlichem Schutz stehender Gebiete.152 Dauerhaft und flachendeckend kann diesem Anspruch, gerade vor dem Hintergrund zunehmender raumordnerischer Regelungsdichten, nur die Landschaftsplanung als eine rein okologischen Interessen verpflichtete Fachplanung153 Durchsetzung verschaffen. Die Erfullung dieses Erfordernisses riickt hingegen in die Nahe des Illusorischen, wenn die schon der gegenwartigen okologischen Bewertung innewohnenden Defizite einer weiteren Relativierung durch fachfremde Belange zuganglich gemacht werden.154 Zudem ist das Merkmal der Gutachtlichkeit einfachgesetzlich in § 12 LNatG M-V verankert und nimmt in der Gesetzesbegrilndung einen wesentlichen Stellenwert ein155. Nur durch eine raumordnungsunabhangige Gutachtlichkeit ware langfristig gewahrleistet, dass die Landschaftsplanung insgesamt funktionsfahig bleibt und so vor Art. 20a GG wie auch vor § 12 LNatG M-V Bestand hat.

2. Analyse bestehender Beachtenspflichten a. Raumbedeutsamkeit nach § 4 Abs.1, 2 ROG? Zunachst kommt die Bindung der raumbedeutsamen Inhalte der Gutachtlichen Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung durch § 4 Abs. 1 , Abs. 2 ROG in Betracht.156 Danach haben alle raumbedeutsamen Planungen der offentlichen Hand den Erfordernissen der Raumordnung zu entsprechen, wobei Ziele strikt zu beachten sind. Diese Bindung wiirde nur dann entfallen, wenn die gutachtliche Landschaftsplanung als nicht raumbedeutsam i. S. v. § 3 Nr. 6 ROG klassifiziert werden konnte. Bei naherer Betrachtung erscheint dies in der Tat nicht ausgeschlossen.157

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Czybulka, NuR 99, S. 564. Vgl. auch die Nachweise im 2. Kapitel § 6 in Fn. 99. Balzer, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 152 und Bergstedt, Biotopschutz, Abschn. II-5, S. 6 (3. These). So ist zu befllrchten, dass aufgrund dieser Defizite bei der Erfassung der Biodiversitat laufend Elemente vernichtet werden, bevor sie wissenschaftlich, politisch und rechtlich iiberhaupt zur Kenntnis genommen werden, vgl. Czybulka, NuR 99, S. 564. LTDrs. 2/3443, S. 109. Die Bindung der raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftschaftsplanung an die Ziele und Grundsatze der Raumordnung wiirde durch § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG nur deklaratorisch erfolgen, da § 4 ROG als unmittelbar geltende Norm die Fachplanungstrager direkt bindet. Vgl. Gassner, in: Gassner et al., § 15 Rn. 4 und die Darstellungen im 3. Kapitel § 9 B. IV. 2. b. und im 2. Kapitel § 7 C. V. 2. a. Dagegen wird in der Literatur die Raumbedeutsamkeit der Landschaftsplanung offenbar als Allgemeingut begriffen, vgl. neben den Nachweisen in Fn. 134 z.B. Thurn, Oko-

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Raumbedeutsam konnen nach § 3 Nr. 6 ROG nur solche Planungen sein, die dem Gegenstand nach sachliche Raumrelevanz entfalten und deren rechtliche oder faktische Wirkungen eine Veranderung der Raumstruktur iiberhaupt bewirken konnen.158 Ein GroBteil der von der Gesamtheit der Landschaftsplanung formulierten Inhalte zeichnen sich sachlich nicht durch Raumbedeutsamkeit aus. Insbesondere die naturschutzinternen Maflnahmen, aber auch der gesamte fachliche Artenschutzbereich sind von raumbedeutsamen Effekten im Sinne von § 3 Nr. 6 ROG weit entfernt. Soweit es sich um fachliche Vorstellungen zum Flachenschutz handelt, sind die Inhalte der Landschaftsplanung hingegen unzweifelhaft auf die Beeinflussung der raumlichen Entwicklung eines Gebietes gerichtet.159 Hier bleibt allerdings zweifelhaft, ob die autarken, nicht in andere Planwerke mit hoherer Rechtsverbindlichkeit ilbernommenen Inhalte rechtlich oder faktisch tauglich sind, die fur eine Raumbedeutsamkeit notwendigen Wirkungen zu entfalten. Zunachst ist festzustellen, dass die Absicht des Planungstragers, raumbedeutsame Wirkungen hervorzurufen, fur sich noch nicht ausreicht, eine Planung als raumbedeutsam zu klassifizieren.160 Aus der gewollten Beeinflussung der Raumstruktur kann eine Raumbedeutsamkeit der Landschaftsplanung daher nicht hergeleitet werden. Die Landschaftsplanung ware nur dann als unmittelbar raumbedeutsame Planung den Bindungswirkungen von § 4 ROG ausgesetzt, wenn ihre beabsichtigten Effekte mit direkt ableitbaren Auswirkungen auf die Raumstruktur und entwicklung verbunden sind.161 Die Planungsergebnisse nach Art eines Sachverstandigengutachtens, wie bei der Gutachtlichkeit der Fall, werden primar als Informationsgrundlage in den Planungsprozess uberfuhrt.162 MaBgebliche Wirkung entfalten sie durch die Uberzeugungskraft der angesammelten Daten und der enthaltenen fachlichen Argumente.163 Die fachlichen Beurteilungen der autarken Inhalte der gutachtlichen Landschaftsplanung wirken lediglich tlber gesetzlich angeordnete Berucksichtigungspfiichten in Abwagungsvorgange hinein.164 Raumbedeutsame Wirkungen treten daher nur ilber Zwischenschritte ein, wobei deren Re-

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logische Gewasserfunktionen, S. 361. Siehe auch die dementsprechenden gesetzlichen Wertungen in § 15 Abs. 2 BNatSchG, § 12 Abs. 3 LNatG M-V. Vergleiche zu den allgemeinen Voraussetzungen der Raumbedeutsamkeit und diesbezilglichen Einschrankungen bei naturraumlichen Planungen schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 A. II. 1. Nur fur diese selektiven Inhalte kommt eine Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung nach § 4 Abs. 1, 2 ROG tlberhaupt in Betracht. Siehe Eusterbrock, Raumvertraglichkeitspriifung, S. 80 ff. und Brummund, DVB1. 88, S. 81 f. Eusterbrock, Raumvertraglichkeitspriifung, S. 83; Brummund, DVB1. 88, S. 81 f. Und zwar bevor eine raumordnerische Abwagung stattfindet, vgl. dazu Szekely, Biotopverbundsysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 62. Schiitze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 84. Vergleiche zu den auBerst begrenzten Rechtswirkungen der isolierten Inhalte der Landschaftsplanung schon 3. Kapitel § 9 B. II. 1.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

alisierung in vielen Fallen ungewiB ist.165 Eine Unmittelbarkeit ist schon deshalb zu verneinen.166 Zwar nehmen die landschaftsplanerischen Beitrage auch an den aus dem Abwagungsgebot herruhrenden grundlegenden rechtsstaatlichen Sicherungen teil,167 dies wiederum allerdings nur mittelbar und partiell. Die als Beriicksichtigungsgebote ausgestalteten Mitwirkungsrechte stellen sich ohnehin als auBerst schwach dar168 und konnen kaum raumbedeutsame Effekte verursachen. Da die Belange von Natur und Landschaft bei alien planerischen Entscheidungen der offentlichen Hand, unabMngig davon, welche rechtliche Auspragung sie erfahren haben, zu beriicksichtigen sind,169 gehen die Rechtswirkungen der Landschaftsplanung in der Regel nicht iiber das MaB hinaus, mit welchem diese Belange innerhalb von nicht an Mangeln leidenden Abwagungsentscheidungen zu beriicksichtigen waren.170 Insoweit folgt eine Beriicksichtigung der Belange schon aus den naturraumlichen Gegebenheiten, nicht erst aufgrund ihrer Formulierung in formlichen Rechtssatzen oder internen Planungen. SchlieBlich wirkt z.B. ein Kiesabbau auf schutzenswerten Trockenrasenstandorten okologisch beeintrachtigend, unabhangig davon, ob fur diesen Bereich regionalplanerisch ein Vorranggebiet fur die Forderung oberflachennaher Rohstoffe festgesetzt ist und auch unbeeindruckt davon, ob entsprechende Inhalte im Landschaftsrahmenplan formuliert wurden. Der landesplanerische Vorrang soil hier, eine gerechte Abwagung vorausgesetzt, nicht in Frage gestellt werden. Gleichwohl bleiben die okologischen Belange existent und sollten aus diesem Grunde auch in der Landschaftsplanung formulierbar sein. Es ware aber nicht einsichtig, weshalb die Darstellung naturschutzfachlicher Bedingungen rechtlich raumbedeutsam sein soil. Als mittelbar auf die Raumstruktur einwirkende Planung ware die Landschaftsplanung allenfalls dann als raumbedeutsam einzuordnen, wenn die beabsichtigten Wirkungen aller Wahrscheinlichkeit eintreten wurden.171 Dazu milssten die okolo165

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Ob z.B. ein landschaftsplanerisches Gebiet mit herausragender Bedeutung fur den Naturhaushalt als raumordnerisches Vorranggebiet fur Naturschutz und Landschaftspflege oder als fb'rmliches Schutzgebiet festgesetzt wird, ist zunachst vo'llig offen. Obgleich sich Ubernahmepflichten zwar aus dem europaischen Habitatschutz ergeben konnen, grilnden sich diese Pflichten gleichwohl nicht auf die rechtlichen oder faktischen Wirkungen der Landschaftsplanung, sondern auf dem Verbindlichkeitsgrad, den die FFH- und VRL vermitteln. Siehe dazu ausfUhrlich 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. So jedenfalls Gruehn/Kenneweg, Naturschutz in der Flachennutzungsplanung, S. 79 f. Ahnlich Brohm, DVB1. 80, S. 655 fur das Verhaltnis der Landschaftsplanung zur Bauleitplanung. Nachweise auch bei Schiitze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 85. Siehe dazu Brohm, DVB1. 80, S. 655. So ausdrucklich BVerwG, Beschluss 26.06.1992 - 4 B 1-11.92- NVwZ 93, S. 574 (576). Vergleiche zur allgemeinen Beriicksichtigung im Rahmen von Abwagungsentscheidungen BVerwG, Beschluss vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - NVwZ 93, S. 565; BVerwG, Beschluss 26.06.1992 - 4 B 1-11.92 - NVwZ 93, S. 574 (576 f.). Vergleiche 2. Kapitel § 7 A. II. 1.

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gischen Erfordernisse der Landschaftsplanung ein solches tatsachliches Gewicht innehaben, dass die rechtliche Verwirklichung und tatsachliche Ausfuhrung schon mit der Formulierung im Landschaftsprograrnm- oder rahmenplan im Wesentlichen gesichert ist. Demgegeniiber hangt die Verwirklichung von weiteren Abwagungsentscheidungen ab, deren Ausgang vollig offen ist. Der Gutachtlichen Landschaftsplanung ist es immanent, dass sich nur ein Bruchteil ihrer Anforderungen an andere Raumnutzungen auBenwirksame Geltung verschaffen.172 Im Gegensatz zu anderen Fachplanungen, denen eine faktische Raumbedeutsamkeit zugesprochen werden kann,173 ist die Verwirklichung der Erfordernisse der Landschaftsplanung mithin keine Selbstverstandlichkeit, sondern von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhangig.174 Eine faktische Raumbedeutsamkeit besteht somit nicht. Aus der Tatsache, dass die Landschaftsplanung gemafi § 11 Abs. 2 LNatG M-V prinzipiell raumbedeutsame Erfordernisse an andere Planungen zu stellen in der Lage ist, kann daher nicht geschlossen werden, die den Erfordernissen zugrunde liegende Planung sei schon raumbedeutsam im Sinne von § 3 Nr. 6 ROG. Zwar zielen die Inhalte der Landschaftsplanung auf die raumliche Entwicklung eines Gebietes ab, zur wirksamen Beeinflussung hingegen taugen sie kaum.175 Der Landschaftsplanung wohnen deshalb bestenfalls raumbedeutsame Vorstellungen, in ihrer isolierten Auspragung jedoch kaum raumbedeutsame Wirkungen inne. Eine Bindung aus § 4 ROG wurde daher entfallen.176 Die Pflicht zur Koppelung an die Erfordernisse der Raumordnung folgt auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit und Widerspruchsfreiheit der Planungsentscheidungen. Der Konfliktlosungscharakter der Raumordung ware nur dann in Frage gestellt, wenn konkurrierende Anspriiche auf schon abgewogene landesplanerische Vorgaben stoBen und die Rechtswirkungen miteinander konfligieren. Zwar konnen Aussagen der Landschaftsplanung immer dann, wenn sie nicht schon von vorn herein einer raumordnerischen Anpassungspflicht unterfallen, auch in Widerspruch zu den Vorgaben der Raumordnung treten. Eine solche Konkurrenz wohnt jedoch haufig den Interessen von Natur und Landschaft inne, die wie bereits erwahnt, unabhangig von ihrer rechtlichen Festschreibung von den Planungstragern zu berilcksichtigen sind. Treten nun die Inhalte der Landschaftsplanung auf entgegenstehende Erfordernisse der Raumordnung, werden sie von 172

Diesen Fakt verdeutlicht schon der Begriff ,,Nadel6hr der Abwagung", siehe Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 792; Hahn, Landschaftsplanung, S. 36. 173 Zum Beispiel den in den Generalplanen fur Kiistenschutz verankerten Vorhaben, vgl. schon Fn. 38 im 2. Kapitel § 7 A. II. 1. 174 Siehe etwaFn. 165. 175 Im Ergebnis ebenso Brohm, DVB1. 80, S. 655 zum Verhaltnis der ortlichen Landschaftsplanung zur Bauleitplanung. 176 Zur Biotopverbundplanung mit ahnlichem Ergebnis: Szekely, Biotopverbundsysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 62, wonach es sich bei der Biotopverbundplanung „... um keine verbindliche, sondern eine gutachtliche Rahmenplanung (handelt), die im Vorfeld einer raumordnerischen Abwagung die aus naturschutzfachlichen Grttnden bedeutsamen Flachen ausweist."

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

diesen nach MaBgabe der rechtlichen Wirkungen jeweiligen Festsetzungen iiberlagert. Insoweit kommt den Erfordernissen der Raumordnung selbstverstandlich ein Geltungsvorrang zu. Widerstreitende Interessen der Landschaftsplanung bleiben so fur die Durchsetzung der raumordnerischen Planungsentscheidung unschadlich. Dass demgegeniiber die Belange von Natur und Landschaft als mahnendes Beispiel in den Landschaftsprogrammen verbleiben, ist in diesem Zusammenhang gewollt. Im Ergebnis ist festzustellen, dass die schwache Verbindlichkeit und die daraus resultierende geringe rechtliche Wertigkeit sowie mangelnde faktische Bedeutung der Gutachtlichen Landschaftsplanung einer Raumbedeutsamkeit nach § 3 Nr. 6 ROG entgegensteht. Es wird daher an dieser Stelle vertreten, dass die Gutachtliche Landschaftsplanung keiner pauschalen Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung aus § 4 ROG unterfallt. b. Bindung kraft § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG ? Allerdings konnte sich fur die iiberortlichen Inhalte der Landschaftsplanung eine Pflicht zur Zielbeachtung und Grundsatzberiicksichtigung aus § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG ergeben. Obgleich es fachgesetzlich unproblematisch moglich ist, auch nicht raumbedeutsame Vorhaben und Planungen einem Raumordnungsvorbehalt zu unterstellen,177 ist davon auszugehen, dass durch die Beschrankung auf die Uberortlichkeit nur die vermeintlich raumbedeutsamen Inhalte der Landschaftsplanung an die Raumordnung gebunden werden sollten. Denn der Gesetzgeber wollte mit § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG offenkundig keine Regelung schaffen, die ilber die Bindungswirkungen von § 4 Abs. 1, 2 ROG hinausgeht.178 Hierzu wird zutreffend vertreten, dass § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG insoweit nur deklaratorischen oder appellativen Charakter hat.179 Abgesehen von der mangelnden unmittelbaren Geltung von § 15 BNatSchG180 spricht schon das im 3. Kapitel § 9 B. IV. 2. a. Ausgefuhrte gegen eine Bindungspflicht. Fiir die Zulassigkeit einer von den Erfordernissen der Raumordnung freigestellten Landschaftsplanung streitet auch die immer noch generelle Zulassigkeit der Primarintegration. Da bei der Primarintegration die Landschaftsplanung erst mit ihrer Aufnahme in die Raumordnungsplanung sichtbar wird, besteht fur die vorhergehenden naturschutzfachlichen Uberlegungen keine Pflicht zur Bindung an die Raumordnung.181 Bezogen auf die sekundarintegrierte Landschaftsplanung, die gutachtlich ausgestaltet sein soil, kann sich nichts anderes ergeben. Denn der Un177 178 179 180 181

Zum Beispiel § 1 Abs. 4 BauGB, vgl. 2. Kapitel § 7 C. III. Gassner, in: Gassner et al., § 15 Rn. 4. Gassner, in: Gassner et al., § 15 Rn. 4. Vergleiche § 4 S. 3 BNatSchG. In der Tat werden sich die wissenschaftlich-fachlichen Untersuchungen zur Erstellung des landschaftsplanerischen Beitrages zunachst nicht an den Erfordernissen der Raumordnung orientieren. Dieser Abgleich erfolgt spater. Entscheidend ist insoweit, dass die als Teil der Raumordnungsplanung veroffentlichten landschaftsplanerischen Inhalte den Erfordernissen der Raumordnung entsprechen.

§ 9 Landschaftsplammg

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terschied zur Primarintegration besteht nur darin, dass die behordeninternen naturschutzfachlichen Einschatzungen offentlich gemacht werden. Im Ergebnis begrundet somit auch § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG keine zwingende Bindung der Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung.182

c. Abwagungsgebot aus § 1 Abs. 2 BNatSchG als Einfallstor? Die Pflicht zur Beachtung bzw. Bertlcksichtigung raumordnerischer Vorgaben konnte aus dem naturschutzrechtlichen Abwagungsgebot des § 2 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 LNatG M-V folgen. Den Normen kann allerdings nicht entnommen werden, dass bereits im Rahmen der Landschaftsplanung eine pauschale Abwagung mit anderen Nutzungsanspriichen zu erfolgen hat. Insbesondere diese Abwagung ist Aufgabe der Raumordnung und kann auch nur von ihr innerhalb der Integration wahrgenommen werden. Sollte sich eine solche Abwagungspflicht der Landschaftsplanung aus den genannten Normen herleiten lassen, waren nicht nur die Vorgaben der Raumordnung zu beachten bzw. zu berucksichtigen, sondern zugleich alle anderen fachplanerischen Anspriiche an Natur und Landschaft. Dieses ist hingegen in der Gutachtlichen Landschaftsplanung anerkanntermaBen nicht der Fall.183 Der Abwagungsklausel kommt vielmehr nur insoweit Bedeutung zu, als dass lediglich die Belange zu beriicksichtigen sind, die durch die Mafinahmen des Naturschutzes betroffen sein konnen. Einer Abwagung haben sich die okologischen Belange nur bei der Aufnahme in die Raumordnung sowie bei rechtsverbindlichen Mafinahmen der Landschaftsplanung selbst zu stellen. Insoweit unterfallen etwa die Eingriffs- und Ausgleichsregelung des § 18 BNatSchG oder auGenwirksame Schutzgebietsausweisungen nach § 22 ff. BNatSchG dem Abwagungsgebot, da hier die Abwagung Entscheidungsrelevanz fur betroffene Grundrechte besitzt und insoweit Ausdruck des verfassungsmaBigen VerhaltnismaBigkeitsprinzips ist.184 Derartige Wirkungen sind mit den naturschutzfachlichen Aussagen der Landschaftsplanung gerade nicht verbunden. Eine Kollision mit anderen grundrechtlich geschiitzten Positionen ist durch die mit der Gutachtlichkeit einhergehenden geringen Rechtswirkungen nicht denkbar. Die nicht auBenrechtlich wirksamen Inhalte der Landschaftsplanung sind folglich von § 2 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 LNatG M-V nicht erfasst.

3. Die landesrechtlichen Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern a. Grundsatz: Keine Bindungen an die Raumordnung Eine Pflicht zur Beachtung von Zielen der Raumordnung und der Beriicksichtigung der Grundsatze und sonstiger Erfordernisse der Raumordnung nach § 5 Abs. 1 LP1G M-V scheitert an der fehlenden Raumbedeutsamkeit der iiberb'rtli-

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So auch das eindeutige Ergebnis von Louis, BNatSchG, § 5 Rn. 7 a.E., 9 a.E. Vergleiche 3. Kapitel § 9 A. II. 3. Insofern missverstandlich Erbguth, NuR 99, S. 495. Zum naturschutzrechtlichen Abwagungsgebot vgl. ausfuhrlich Gassner, Recht der Landschaft, S. 44 f.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

chen Landschaftsplanung.185 Naturschutzrechtlich beschranken sich raumordnerische Ziel- und Grundsatzbindungen gemafi § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V nur auf die Erfordernisse und MaBnahmen der Raumordnung, welche an andere Raumnutzungen gestellt werden.186 Wenn hingegen schon generelle Beachtens- und Beriicksichtigungspflichten zugunsten der Erfordernisse der Raumordnung bestiinden, ginge der materielle Gehalt des § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V ins Leere. Von einer nur deklaratorischen Wirkung des § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V ist im Hinblick auf die offensichtliche Beschrankung auf die Fallgestaltung des § 11 Abs. 2 LNatG M-V gleichwohl nicht auszugehen. Vor dem Hintergrund, dass in § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V raumordnerische Bindungen ausdriicklich fur die § 11 Abs. 2 LNatG M-V genannten Konstellationen statuiert werden, ein entsprechender Hinweis fur alle anderen Falle jedoch fehlt, lasst sich folglich nur schlieBen, dass derartige Bindungen auBerhalb von § 11 Abs. 2 LNatG M-V nicht gewollt waren. Damit unterfallen alle Inhalte der Landschaftsplanung, die keine Anforderungen an andere Raumnutzungen stellen, keinen raumordnerischen Bindungen.187 Eine gegenteilige Auffassung wtirde auch vor der in § 12 Abs. 4 LNatG M-V verankerten Begriindungspflicht Fragen aufwerfen. Nach § 12 Abs. 4 LNatG M-V ist bei Integration der Landschaftsplanung in die jeweiligen Raumordnungsprogramme darzulegen, aus welchen Griinden von den raumbedeutsamen Inhalten der Landschaftsplanung abgewichen wurde. Ziel dieser Regelung ist die Beurteilung der Umweltvertraglichkeit der Raumordnungsprogramme, die Erhohung der Abwagungstransparenz und die Starkung der Naturschutzbelange.188 Die Landschaftsplanung soil insoweit formell (Begriindungspflicht) und materiell (Funktionswahrung) ,,umweltvertraglich wirtschaftsfordernd"189 wirken. Durch eine vorgezogene Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung konnte die Landschaftsplanung weder eine Begriindungspflicht auslosen noch diese Funktionen erfullen. Ein Beispiel: Die Erfordernisse der Landschaftsplanung treffen auf entgegenstehende raumordnerische Festlegungen, etwa der landschaftspflegerische Anspruch eines Vorranggebietes fur Naturschutz und Landschaftspflege auf ein existentes Vorranggebiet fur Rohstoffsicherung. Sollten sich hier die bergbaulichen Belange weiterhin (etwa bei Fortschreibungen des Raumordnungsplanes) durchsetzen, wurde die Begriindungspflicht aus § 12 Abs. 4 LNatG M-V ausgelost. Ware nun die Landschaftsplanung an die Vorgaben der Raumordnung gebunden, waren Konflikte mit den Festsetzungen bestehender Raumordnungspro185 186 187

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Siehe dazu schon die Ausfiihrungen zu § 4 Abs. 1, 2 ROG im 3. Kapitel § 9 B. IV. 2. a. Ausdriicklich a.A. Oehler, Landschaftsplanung, UTR 21 (93), S. 122. Ausftihrlich zu § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V siehe sogleich im 3. Kapitel §9 B. IV. 3. b. Dieses Ergebnis scheint auf den ersten Blick auch sachgerecht, da mit der Raumbedeutsamkeit und der rechtlichen Wirkung als Beriicksichtigungspflicht gegeniiber anderen Raumnutzern eine gesteigerte Relevanz der landschaftspflegerischen Inhalte einhergehen konnte. Bugiel, NordOR98, S. 416. Riedel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 34.

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gramme gar nicht mehr moglich, da die Landschaftsplanung ihre konfligierenden Nutzungsanspriiche iiberhaupt nicht benennen dtlrfte.190 Die Begriindungspflicht liefe ins Leere, die Landschaftsplanung konnte auch nicht mehr die ihr zugewiesenen okologischen Funktionen (s. o.) erfiillen. Damit ware der Sinngehalt von § 12 Abs. 4 LNatG M-V insgesamt obsolet. Die in diesem Fall auftretende materielle und formelle Funktionslosigkeit von § 12 Abs. 4 LNatG M-V deutet deshalb darauf hin, raumordnerische Bindungspflichten fur die Gutachtliche Landschaftsplanung in Mecklenburg-Vorpommern zu verneinen. Filr die uberortliche Landschaftsplanung in Mecklenburg-Vorpommern besteht angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlautes mithin keine generelle Pflicht, die Ziele der Raumordnung zu beachten oder deren Grundsatze und sonstigen Erfordernisse zu beriicksichtigen. Die in Mecklenburg-Vorpommern durch die Verwaltungspraxis verfolgte pauschale Bindung der Gutachtlichen Landschaftsrahmenplane an die Erfordernisse der Raumordnung kann daher nicht ilberzeugen und widerspricht der eindeutigen Regelung der §§ 11, 12 LNatG M-V, da sich eine generelle Verpflichtung weder aus dem LNatG M-V, noch aus anderen Rechtsnormen herleiten lasst.

b. Ausnahme: Anspruche an andere Raumnutzungen Die grundsatzliche Unbeachtlichkeit raumordnerischer Vorgaben fur die uberortliche Landschaftsplanung wird nunmehr durch die Neufassung des § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V eingeschrankt.191 Danach sind im Rahmen der naturschutzfachlichen Erfordernisse und Mafinahmen nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 LNatG M-V, welche die Landschaftsplanung an andere Raumnutzungen stellt, die Ziele der Raumordnung zu beachten und die Grundsatze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung zu beriicksichtigen.192 Dieser Bindung mag die Uberlegung zugrunde liegen, dass es den einzelnen Fachplanungen nicht zugemutet werden kann, einer Vielzahl von teilweise konfligierenden Belangen ausgesetzt zu sein. Vielleicht wird auch die durch Raumordnung und Landesplanung angestrebte Einheit der Planungsentscheidungen als gefahrdet angesehen. AuBerdem gewanne bei einer gutachtlichen Formulierung der landschaftsplanerischen Erfordernisse und MaBnahmen an anderen Raumnutzungen der dortige Abwagungsprozess an Komplexitat.193 190

191 192

193

Damit wilrde sich die Begriindungspflicht auf die Falle reduzieren, in denen sowohl Landschaftsplanung als auch eine konkurrierende Nutzungsanforderung gleichzeitig ein Gebiet belegen wollten, welches raumordnerisch noch keiner Gebietskategorie unterworfen wurde. Durch dahingehende Anwendungsbeschrankung des § 12 Abs. 4 LNatG M-V konnte die Norm die mit ihrer Einfiihrung bezweckten Zielsetzungen (siehe 3. Kapitel § 9 B. II. 1.) kaum ansatzweise erflillen. Zu § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V siehe schon 3. Kapitel § 9 B. IV. 3. a. Diese Einschrankung der Gutachtlichkeit war mit § 15 1. LNatSchG M-V (Gesetz vom 10.01.1992, GVOB1. S. 3), der dem Regelungsgehalt von § 11 LNatG M-V entsprach, nicht vorgesehen. Leider schweigt sich die Begriindung der Landesregierung zum Gesetzentwurf des LNatG M-V, LTDrs. 2/3443 zu den Griinden aus, die zur Einfiihrung des § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V fuhrten.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Audi wenn der differenzierten Koppelung von Anforderungen an andere Raumnutzungen an die Erfordernisse der Raumordnung nicht alle Griinde entgegengehalten werden konnen, die gegen eine Bindung der Landschaftsplanung als Ganzes sprechen,194 erfolgt durch die Einschrankung der Gutachtlichkeit ein Ruckschritt, der im Ergebnis zu kritisieren ist. Den fachplanerischen Abwagungsentscheidungen ist es immanent, dass diese sich mit einer Vielzahl von relevanten Belangen auseinanderzusetzen haben. Dabei dilrfte die Kenntnisnahme rein okologischer Erfordernisse kein wesentliches Hindernis darstellen, sondern eher inhaltlich zum Vorteil gereichen.195 Die Koppelung an die Erfordernisse der Raumordnung entspricht dem Wortlaut nach den einschlagigen Bindungen in § 4 ROG und ist schon daher zielbezogen absolut, grundsatzbezogen tendenziell auf die Anpassung anderer Planungen an ihre Vorstellungen196 und eben nicht auf Auseinandersetzung im Sinne eines wechelseitigen Verhaltnisses gerichtet. Die notwendigen planerischen Auseinandersetzungen von Inhalten der Landschaftsplanung mit konkurrierenden und konfligierenden Ansprilchen anderer Fachplanungen sind so nicht moglich.197. Dies ware nur dann der Fall, wenn sich die Raumordnungsklausel in § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V durch Ergebnisoffenheit auszeichnen wiirde. Die Koppelung in § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V verhindert uberdies, dass sich die Planungen anderer Raumnutzer iiber die Vorgaben der Raumordnung hinaus teilweise mit den okologischen (und in der gutachtlichen Naturschutzplanung verankerten) Maximalforderungen identifizieren.198 Die Einheit der Planung ware schon deshalb kaum gefahrdet, da sich die fachplanerischen Entscheidungen innerhalb des von der Raumordnung vorgegebenen Rahmens halten sollten. Daran

194 195 196

197 198

Siehe 3. Kapitel § 9 B. IV. 3. a. Vergleiche selbst die Begriindung zum Gesetzentwurfdes LNatG M-V, LTDrs. 2/3443, S. 109. Ziele der Raumordnung sind als strikt zu beachtende und unbedingte, dem Abwagungprozess vorgelagerte Regelungen anzusehen. Als solche sind sie einer planerischen Auseinandersetzung gerade nicht mehr zuganglich. Ziele der Raumordnung sind daher das Produkt bzw. das Ergebnis eines KonfiiktlSsungsprozesses, mithin einer Auseinandersetzung, und nicht das Material eines so gearteten Prozesses. Siehe dazu schon 2. Kapitel §7 C.I.I, a. Eine ahnliche Einschatzung erfahrt die in § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V statuierte Pflicht zur Beriicksichtigung von Grundsatzen der Raumordnung. Diese sind ebenfalls haufig das Ergebnis einer landesplanerischen Abwagung, die, wenngleich nicht abschlieBend, ihren Ausfluss in Form von relativen Gewichtungen findet. Ausfiihrlich zur Gewichtung landes- und regionalplanerischer Grundsatze vgl. bereits 2. Kapitel § 7 B., insbesondere 2. Kapitel § 7 B. I. Die Notwendigkeit einer Konfliktkarte als Funktion der Landschaftsplanung sieht jedenfalls Bergstedt, Biotopschutz, III-4, S. 4. So auch Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 796 fur die iiberschieBenden Inhalte der Raumordnungsplane, d.h. Inhalte die nicht Bestandteil der Raumordnung geworden sind. Siehe dazu ebenfalls schon 3. Kapitel § 9 B. II. 2. c. a.E.

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konnten auch die Berucksichtigung von den Vorgaben der Raumordnung unbeeinflusster Erfordernisse der Landschaftsplanung wohl schwerlich etwas andern.199 Wie bereits erwahnt, kann eine strikte Bindung aller raumbedeutsamen Planungen und MaBnahmen an die Erfordernisse der Raumordnung, so notwendig sie im Normalfall fur eine stringente und durchsetzungsfahige Planung ist,200 dann zu Fehlschltissen fiihren, wenn diese Pflichten auf naturraumliche Planungen iibertragen werden.201 Der entgegenstehenden Auffassung liegt offensichtlich das Verstandnis zugrunde, dass auch die natiirlichen Prozesse bis in die Endkonsequenz durch anthropogene MaBnahmen zielgerichtet zu steuern seien. Ohne diesen Problemkreis hier vertiefen zu wollen und ein solches Verstandnis in seiner Globalitat kritisch zu hinterfragen, kann regelmaBig nur von einer begrenzten Steuerungsfahigkeit okologischer Entwicklungen ausgegangen werden. Hier sei nochmals auf die naturraumlichen Verhaltnisse sandiger Kusten verwiesen.202 Die dort existierenden natiirlichen Ursachen- und Wirkungszusammenhange sind als Rahmenbedingungen anzuerkennen, die durch politische Opportunitatserwagungen, denen die Erfordernisse der Raumordnung verhaftet sind, nicht beeinfiussbar sind. Eine wirkungsvolle Rilckkoppelung ist jedenfalls weder durch die Ubernahmeklausel in § 15 Abs. 2 BNatSchG und § 12 Abs. 3 S.I LNatG M-V, noch durch die Begriindungspflicht bei Abweichungen aus § 12 Abs. 4 Nr. 1 LNatG M-V erreichbar, da die zugrunde liegenden Inhalte bereits durch die allgemeine Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung relativiert sind.203 Die festgestellte grundsatzliche Unbeeinflussbarkeit kilstendynamischer Prozesse verlangt nach einer Entsprechung bei der Gesetzgebung und im Normvollzug. Eine zufriedenstellende Verknupfung von uberortlicher Gesamtplanung und naturschutzrechtlicher Fachplanung lieBe sich nur durch Mitwirkungsregeln erreichen, die unter Berucksichtigung der Einwirkgrenzen gegenseitige Beeinflussungen ermoglichen wiirden. Dafiir kame z.B. eine Einklangregelung, wie sie in § 36 Abs. 2 S. 2 WHG a.F. enthalten war,204 in Betracht. Die gegenwartige Verkniip199

200 201 202 203

204

Durch eine von der Raumordnung unabhangige Landschaftsplanung waren seitens der betroffenen Fachplanungen keine weiteren Bindungswirkungen zu befurchten. SchlieBlich folgt die fachbehordentibergreifende Bindung mafigeblich aus den als Zielen der Raumordnung festgesetzten Erfordernissen der Landschaftsplanung. Siehe dazu ausflihrlich z.B. 2. Kapitel § 7 D. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 7 A. II. 1. Siehe insbesondere 1. Kapitel § 4 C. Durch die Bindung der Landschaftsplanung an die Raumordnung sind negative Auswirkungen auch auf vorsorgende Kustenschutzstrategien zu befurchten. Im Extremfall konnte dies dazu fuhren, dass die Landschaftsrahmenplanung fur bestimmte Ktistenbereiche keine okologischen Inhalte mehr formulieren diirfte. Sollten sich etwa die Aussagen des GLRP Mittleres Mecklenburg und Rostock an den verbindlichen Zielen im entsprechenden Regionalplan orientieren miissen, ware die Formulierung von okologischen Inhalten im Geiste alternativer Kustenschutzstrategien wohl kaum noch moglich. Gefahren negativer Verknilpfungen sind in den GLRP jedenfalls erkennbar. Siehe dazu Zeitler, in Siedler/Zeitler/Dahme, WHG, § 36 Rn. 9b, und ausflihrlich noch 4. Kapitel § 1 IB. III. 1.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

fling von Landschaftsplanung und Raumordnung nach § 11 Abs. 2 LNatG M-V wird den Anforderungen einer ergebnisoffenen planerischen Konfliktlosung jedenfalls nur eingeschrankt gerecht.205

V. Resumee Die iiberortliche Landschaftsplanung kann wichtige Beitrage fur die Etablierang vorsorgender Kustenschutzkonzepte leisten. Grundsatzlich stimmen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspfiege mit den Belangen vorbeugender Hochwasserschutzstrategien iiberein.206 Insbesondere der Schutz, die Wiederherstellung und die Neuschaffung von naturlichen Uberschwemmungsgebieten entspricht als Anliegen der Landschaftsplanung auch den originaren Interessen vorsorgender Kustenschutzkonzepte.207 Voraussetzung ist jedoch, dass neben den Zielen der Verbesserung des naturlichen Hochwassergeschehens spezielle Naturausstattungen oder -potentiale das Tatigwerden der Landschaftsplanung rechtfertigen.208 Als Beispiel dafur kommt die Beweidung von Salzwiesen, die einem natilrlichem Uberflutungsregime augesetzt sind, in Betracht. Naturschutzfachlich kann eine Beweidung angezeigt sein, um die typische Salzgrasvegetation zu erhalten und Verbuschungen entgegenzuwirken. Ktistenschutzfachlich wird durch Salzwiesen wertvolles Vorland geschaffen, welches dem Schutz vor Sturmhochwassern dient. Zudem wird durch die Beweidung eine Bodenverdichtung erreicht, die ein Abschwemmung von Bodenbestandteilen bei periodischen (normalen) Uberflutungen und bei Uberschwemmungen bei Extremereignissen verhindert.209 Auf die fur die Verwirklichung bedeutsame moglichst unverfalschte Prasentation der naturschutzfachlichen Erfordernisse des jeweiligen Planungsraumes sei hier 205

206 207 208 209

Letztlich betrifft die Koppelung der landschaftsplanerischen Anforderungen an andere Raumnutzer nur einen geringen Teil der Inhalte der Landschaftsplanung, wenngleich auch einen bedeutenden. Allerdings bleibt es der Landschaftsplanung unbenommen, auch Inhalte fur die Bereiche zu formulieren, die mit entgegenstehenden Vorgaben der Raumordnung belegt sind. Die Erfordernisse der Raumordnung miissten dann lediglich in der Landschaftsplanung benannt und die Abweichung von den Erfordernissen im Umkehrschluss zu § 12 Abs. 4 LNatG M-V begriindet werden. So blieben die Schwerpunkte der Landschaftsplanung, die okologische Begutachtung und die Mahnfunktion, im Wesentlichen gewahrt. Die beschrankten behordeninternen Rechtswirkungen wilrden in diesen Fallen gleichwohl nicht entstehen. Bei einer zumindest zurilckhaltenderen Bindung der Landschaftsplanung an die Ziele der Raumordnung besteht in Mecklenburg-Vorpommern immer noch die Hoffhung, dass die Landschaftsplanung aufgrund der gegenwaitig noch guten gesetzlichen Ausgangslage und trotz der in § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V begriindeten Ausnahmeregelung ihre rein gutachtliche Wirkungsweise im Wesentlichen beibehalten kann. Bohm et al., Anforderungen, S. 229. Bohm et al., Anforderungen, S. 229 f. Bohm et al., Anforderungen, S. 228 f. Nehmen die Weidetiere bei solcherart Uberflutungen Schaden, konnen aus Billigkeitserwagungen Ersatzleistungen angezeigt sein. Vgl. zum Ganzen 5. Kapitel § 14 C.

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nochmals hingewiesen. Die immer beklagte Schwache der Landschaftsplanung und ihre mangelnde Wirksamkeit210 sind auch darauf zuriickzufuhren, dass bestimmte okologische Fachbelange mit Rticksicht auf politische Befindlichkeiten gar nicht ausgedrilckt werden konnen.211 Als Einfallstor fur solche Modifizierungen im Rahmen der eigentlich nur naturschutzfachlichen Interessenwahrnehmung dienenden Landschaftsplanung sind in erster Linie Raumordnungsklauseln anzusehen.212 Die Bindung der Gutachlichen Landschaftsplanung an die Erfordernisse der Raumordnung raubt dieser ihren Charakter als rein okologischen Interessen verpflichtete Fachplanung des Naturschutzes.213 Zudem wird die Verwertbarkeit der landschaftsplanerischen Inhalte fur die Raumordnung eingeschrankt. Gesetzliche Bindungswirkungen erfassen die Gutachtliche Landschaftsplanung hingegen nicht. Die Anwendbarkeit von § 4 ROG scheitert aufgrund zu geringer Rechts- und Tatsachenwirkungen an der mangelnden Raumbedeutsamkeit der landschaftsplanerischen Inhalte. Die Raumordnungsklausel des § 15 Abs. 1 S. 2 BNatSchG bindet die Lander nicht unmittelbar, so dass landesrechtliche Freizeichnungen moglich sind. Dementsprechend bestehen in Mecklenburg-Vorpommern bis auf die Ausnahmen nach § 11 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V keine raumordnerischen Bindungen der Landschaftsplanung. Entscheidender Vorteil einer wirklichen Gutachtlichkeit ist damit die auf Dauer gewahrte Transparenz von Abwagungsentscheidungen auf alien Ebenen, die sich so fortlaufend den festgestellten okologischen Belangen zu stellen haben und damit die Moglichkeit zu stetiger Ruckkoppelung eroffnet. Vor diesem Anspruch sind geringere Rechtswirkungen der Landschaftsplanung grundsatzlich hinzunehmen, um die bei erhohter Rechtsverbindlichkeit regelmaBig auftretende Gefahr einer Verwasserung der okologischen Inhalte zu vermeiden. Modifikationen durch fachfremde Belange, auch solche der Raumordnung, sind der Landschaftsplanung fremd und sollten erst bei der Integration in die Landes- und Regionalplanung erfolgen.214 210

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212 213

214

Siehe exemplarisch die Einschatzung des Sachverstandigenrates fur Umweltfragen bei der Bundesregierung (SRU) im Umweltbericht 1987, BTDrs. 11/1568, Rn. 411, die Landschaftsplanung sei bereits 10 Jahre nach ihrer gesetzlichen Etablierung ein ,,gescheitertes Vorhaben". Siehe auch Gassner, NuR96, S. 380 f. Weiter Fuchs, NuR 99, S. 450, der es fur die Kompromissfindung entscheidend halt, von welchem Ausgangspunkt der Konsens gesucht wird. Vgl. dazu auch Schiitze, Landschaftsplanung im Planungssystem, S. 86. Zimmermann, in: Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 279, Becker, in: Redslob et al., Ostseekiiste, S. 33. Dies gilt fur die Gutachtliche Landschaftsplanung im besonderen MaBe. Allgemein kritisch und sehr instraktiv zum politisch gewollten vorauseilenden Anbieten von Kompromissen durch den Naturschutz Fuchs, NuR 99, S. 449 f. Die hier gefuhrte Auseinandersetzung ist einem der Hauptprobleme bei der Durchsetzung okologischer Belange geschuldet und lasst sich angesichts diametraler Ansichten lediglich eingeschrankt losen. Die Thematik ist schon von der Frage nach der Primaroder Sekundarintegration her bekannt und stellt sich auch innerhalb der ortlichen Landschaftsplanung. Es geht um die Frage nach der Wirkung okologischer Vorgaben in der

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Aufgrund der geringen Rechtswirkungen der uberortlichen Landschaftsplanung ist ihre Rolle in erster Linie in der Bereitstellung naturwissenschaftlicher Daten und deren Aufbereitung zu sehen. Entscheidend ist hier, dass die naturschutzfachlichen Anforderungen nicht zuletzt aufgrund der faktischen Wirkungen der Landschaftsplanung Eingang in die Plane und Programme der Raumordnung, z.B. als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete, finden. Von besonderer Bedeurung ist daneben, dass die Inhalte der Landschaftsplanung als Grundlage fur naturschutzrechtliche Gebietsausweisungen herangezogen werden. Gerade letzteres ist maBgeblich fur die unbedingte und auBenwirksame Konkretisierung und damit der dauerhaften Verwirklichung der okologischen Anspriiche.

C. Die ortliche Landschaftsplanung /. Funktion, Inhalt und Struktur Nach § 16BNatSchG sind i.V.m. § 13 LNatG M-V die ortlichen Erfordernisse und MaBnahmen zur Verwirklichung der Ziele und Grundsatze des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf Grundlage des Landschaftsprogrammes oder der Landschaftsrahmenplane in Landschaftsplanen flachendeckend darzustellen. Dies erfolgt in Landschafts- und Griinordnungsplanen mit Text, Karte und Begrilndung.215 Bundesrechtlich wird nunmehr - wie schon § 13 Abs. 1 LNatG M-V in Mecklenburg-Vorpommern - eine Pflicht zur Aufstellung und Fortschreibung ortlicher Landschaftsplane begriindet. Von dieser Pflicht eroffhen § 16 Abs. 2 S. 3 BNatSchG und § 13 Abs. 2 S. 1 LNatG M-V Ausnahmemoglichkeiten.216 Die Aufstellungspflicht dient in Mecklenburg-Vorpommern ausweislich § 13 Abs. 1 S. 1 LNatG M-V der Vorbereitung von Flachennutzungs- und Bauleitplanen und gewahrleistet materiell, daB, mit Ausnahme der Absehensgriinde, vor jeder Aufstellung eines solchen Planes eine landschaftsplanerische Begutachtung

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rechtlichen Wirklichkeit. Die mit einem hohen Mal3 an rechtlicher Verbindlichkeit ausgestatteten okologischen Planungen weisen regelmafiig nur reduzierte, tatsachlich durchsetzungfahige Inhalte auf und verharren haufig in Unbestimmtheit. Demgegeniiber zeichnen sich rechtlich unverbindliche Uberlegungen und Gutachten haufig durch eine hohe Dichte okologisch wirksamer Inhalte aus. Der Verfasser sieht als grundlegende Voraussetzung fur die Formulierung okologischer Anforderungen zunachst die fachliche, wissenschaftlichen Anforderungen geniigende, flachendeckende Erfassung und Bewertung der naturraumlichen Ausstattung. Erst in einem zweiten Schritt sollten die hier gefundenen Ergebnisse in rechtliche Verbindlichkeit iiberfuhrt werden. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltschutzrecht, § 1 8 Rn. 4 2 ; Louis, B N a t S c h G , § 6 Rn. 2; Hahn, Landschaftsplanung, S. 16. Ausfuhrlich zur ortlichen Landschaftsplanung Baumeister, Landschaftsplanung, S. 53 ff. D i e Ausnahmetatbestande mtissen kumulativ vorliegen. S o u n d weiter ausfuhrlich zu den Ausnahmen Bugiel, N o r d O R 9 8 , S. 416 f.

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erfolgt.217 Nur so kann die Bauleitplanung ihre auf Natur und Landschaft sowie die naturlichen Lebensgrundlagen bezogenen Aufgaben erfullen.218 Dabei resultiert gerade aus der Verlagerung der naturschutzrechtlichen Einriffsregelung auf die gemeindliche Bauleitplanung flir die ortliche Landschaftsplanung ein neuer Stellenwert.219 Die Aufstellung eines Landschafts- oder Griinordnungsplanes wird in der Regel geboten sein, da die stadtebaulichen Planungen meistens eine Komplexitat erlangen, bei der die Belange von Natur und Landschaft nur durch eine umfassende planerische Gesamtschau zu wiirdigen und damit in die Abwagung einzustellen sind. Wilnschenswert ware zudem eine Ausweitung der Aufstellungspflicht entsprechender Landschaftsplane auch bei Bauleitplananderungen.220 VerfahrensmaBig ist in der Nichtaufstellung ein Indiz fur sachliche Abwagungsfehler zu sehen, die zu einem Rechtsmangel fuhren,221 der die Wirksamkeit des Bauleitplanes in Frage stellt.222 Landschafts- und Grilnordnungsplane werden von der Gemeinde in eigenem Wirkungskreis aufgestellt.223 Nach § 13 Abs. 3 LNatG M-V sind sie der unteren Naturschutzbehorde vorzulegen. Diese sind fur kreisangehorige Gemeinden bei den jeweiligen Landraten bzw. den Oberburgermeistern der kreisfreien Stadte angesiedelt.224 Fur Landschaftsplane zur Vorbereitung eines Flachennutzungsplanes ist in § 13 Abs. 3 LNatG M-V zusatzlich die Vorlage bei der zustandigen Fachbehorde fur Naturschutz225 vorgeschrieben. Die Vorlagepflicht dient der Beurteilung der Planwerke aus fachlicher Sicht und der Pruning, ob die Inhalte der tiberortlichen Landschaftsplanungen angemessen berucksichtigt wurden.226 Anerkannte Naturschutzverbande sind nach § 60 Abs. 2 S. 2 BNatSchG, § 64 Nr. 2 LNatG MV zu beteiligen.227 217

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Damit handelt es sich in Mecklenburg-Vorpommern u m eine selbstandige Parallelplanung in Form der vorlaufenden Landschaftsplanung. Vgl. Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 11 a.E. Stich, ZfBR 89, S. 11. Louis, BNatSchG, § 6 Rn. 7. So z.B. § 6 Abs. 1 LNatG S-H. Diese Regelung ebenfalls positiv hervorhebend: Gassner, Recht der Landschaft, S. 107. BTDrs. 12/6378, S. 40, 44; Siegel, N u R 03, S. 329; Bugiel, N o r d O R 98, S. 417. Etwa tiber die nicht hinreichende Beriicksichtigung okologischer Belange, woraus ein Abwagungsdefizit resultiert, vgl. O V G Koblenz , Urteil v o m 22.08.1993 - 10 C 12502/92 - N u R 94, S.300 (300 f.) = U P R 94, S. 234 (234 f.). Ahnlich auch O V G Luneburg, Beschluss vom 23.12.1998 - 1 M 4466/98 D O V 99, S. 346 (347); sowie Gassner, N u R 96, S. 382 und Siegel, N u R 03, S. 329. Zur Frage, ob die ortliche Landschaftsplanung damit der gemeindlichen Selbstverwaltung zuzurechnen ist und welche Konsequenzen daraus fur die mit § 9 Abs. 4 BauGB neu geschaffene Moglichkeit der regionalen Flachenutzungsplanes folgen vgl. ausfuhrlich Grofi, N u R 98, S. 125 ff. Vergleiche § 52 Abs. 2 LNatG M-V. Nach § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 LNatG M - V die Staatlichen Amter fur Umwelt und Natur. Bugiel, NordOR 98, S. 417. Wilrich, NuR 00, S. 679.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Durch den Landschaftsplan hat eine sachgerechte Aufbereitung der die Natur und Landschaft beruhrenden Interessen als Abwagungsmaterial zu erfolgen.228 Aufgabe der Landschaftsplane auf ortlicher Ebene ist daher das Entwerfen eines widerspruchsfreien, auf die einzelnen Flachen und ortlichen Gegebenheiten abgestimmten Konzepts zum Schutz und zur Entwicklung von Natur und Landschaft im ortlichen Bereich.229 Aus den Anforderungen der naheren Darstellung in § 16 II i.V.m. § 14 BNatSchG und die Aufhahme der Aussagen in die Bauleitplanung nach § 16 Abs. 2 S. 2 BNatSchG i.V.m. § 13 Abs. 4 LNatG M-V ergibt sich die Notwendigkeit konkreter Festsetzungen.230 Landschafts- wie auch Griinordnungsplane sind damit prinzipiell in der Lage, Flachen im Bereich eines Bauleitplanes von Bebauung freizuhalten. Dies gelingt indes nur, wenn der ortliche Landschaftsplan die entsprechend konkretisierten Anspriiche des Naturschutzes und der Landschaftspflege einfordert und dabei deren besondere Bedeutung fur den Naturhaushalt herausgestellt wird. NaturgemaB kommt den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege in Kiisten- und Gewassernahe haufig ein hoheres Gewicht zu als auf der reinen Landflache. Dieser besonderen Relevanz wird rechtlich durch eine Vielzahl von Normen, die Gewasser- und Uferstreifen schiitzen, Rechnung getragen.231 Insofern durfte es der ortlichen Landschaftsplanung nicht schwerfallen, gewasser- und uferschtitzende Vorgaben in ihren Planen zu artikulieren und ihren steuernden Einfluss gerade auch fur den Schutz dieser Gebiete verwenden. Zu denken ist etwa an die Lenkung von Bauleitplanen, die noch unbebaute Flachen in relativer Kiistennahe iiberplanen sollen. Hier ware es Aufgabe der Landschafts- und Griinordnungsplane, angesichts der okologischen Wertigkeiten der ufernahen Flachen die Bebauung in ruckwartigeren Bereichen anzusiedeln, wahrend die Uferzonen z.B. als okologische Ausgleichsflachen zu entwickeln sind.

//. Rechtliche Bindungswirkungen Innerhalb der rechtlichen Natur der Landschafts- und Griinordnungplane kann im Hinblick auf Rechtsform und Integration in die Bauleitplanung bundesweit dreifach differenziert werden.232 Wie bei der uberortlichen Landschaftsplanung erfolgt zunachst die Unterscheidung zwischen Primar- und Sekundarintegration. Die 228

229 230 231 232

Gassner, N u R 86, S. 192, Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 227. Die Aufstellung von ortlichen Landschaftsplanen ist mit der uberortlichen Landschaftsplanung vergleichbar. Sie erfolgt grundsatzlich in zwei Schritten: Erstens der Analyse des gegenwartigen Zustandes von Natur und Landschaft und zweitens den raumbezogenen Aussagen zu anzustrebenden Zielen und erforderlichen MaBnahmen. Thurn, Natiirliche Gewasserfunktionen, S. 227. Dazu im Einzelnen ausfuhrlich Jordan, Bewerten, in: Wiegleb/Broring , Implementation, S. 50 ff. Vergleiche z.B. § 19 Abs. 1 LNatG M-V und § 89 Abs. 1 LWaG M-V. Ausfuhrlich Pielow, N u R 86, S. 60 f.; Hahn, Landschaftsplanung, S. 113 ff.; Hendler;, N u R 8 1 , S. 45; Siegel, N u R 03, S. 330.

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Landschaftplane der Primar- und Sekundarintegration erfahren regelmaBig keine AuBenwirksamkeit und verharren, ahnlich der uberortlichen Landschaftsplanung, aus sich selbst heraus in rechtlicher Unverbindlichkeit. Als dritte Ausgestaltungsmoglichkeit folgt die ortliche Landschaftsplanung der Form der Nichtintegration233 oder strikten Parallelplanung234. Sie ist in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg sowie als einzigem Flachenland in Nordrhein-Westfalen vertreten.235 Zur Beurteilung der Primar- und Sekundarintegration konnen die Ausfuhrungen zur uberortlichen Landschaftsplanung entsprechend herangezogen werden.236 Die Nichtintegration bzw. Parallelplanung hat tendenziell den Vorteil, dass durch einen rechtssatzmaBigen ErlaB der ortlichen Landschaftsplane237 eine Allgemeinverbindlichkeit geschaffen werden kann. Gleichwohl sind diese selbstandigen Landschaftsplane sachlich haufig derart beschrankt, dass eine wirkungsvolle, von der Bauleitplanung unabhangige Naturschutzplanung, trotz ihres Charakters als Rechtsnorm, nicht erfolgen kann.238 Mecklenburg-Vorpommern folgt innerhalb der Landschaftsplanung dem Modell der nichtgutachtlichen Sekundarintegration.239 Durch die Integration der Landschaftsplane in die Flachennutzungs- und Bebauungsplane nehmen die iibernommenen Inhalte an den Rechtwirkungen des jeweiligen Planes teil. In den Flachennutzungsplan aufgenommene Inhalte fuhren lediglich zu einer Selbstbindung der planenden Gemeinde.240 Sie hat eigene Planungen und MaBnahmen an den in den Flachennutzungsplan transferierten Inhalten der Landschaftsplanung zu orientieren. Die Bindung fremder Behorden ist nicht uneingeschrankt gegeben.241 AuBenwirksame Allgemeinverbindlichkeit konnen die Festsetzungen eines Flachennutzungsplanes nicht erreichen. AuBenwirksamkeit erlangen die Inhalte der Landschaftsplanung nur durch die Aufhahme in einen Bebauungsplan.242

233 234 235 236 237 238

239 240 241 242

Terminus nach Hahn, Landschaftsplanung, S. 113. So bezeichnet von Stadler, Naturschutz und Erholung, S. 138. Vergleiche § 10 NatSchBln, § 8 BremNatSchG, § 7 HmbNatSchG, § 17 L G N W . Vergleiche dazu oben 3. Kapitel § 9 B. II. 2. Siehe Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 79.; Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG, § 16Rn. 11 ff. In Nordrhein-Westfalen ist z.B. der Anwendungsbereich der selbstandigen Landschaftsplane nach § 16 Abs. 1 S. 1 LG N W auf den Aufienbereich bezogen, so dass dem Landschaftsplan Festsetzungen im gesamten Innenbereich nicht moglich sind. Fur diese Bereiche kann sich eine landschaftsplanerische Steuerung nur tiber die Darstellungen im Flachennutzungsplan ergeben. Ausflihrlich dazu Hahn, Landschaftsplanung, S. 113. 5«gfe/, NordOR 98, S. 416. Pielow, N u R 86, S. 62 f. Vergleiche § 7 S. 1 BauGB. M.w.N. dazu Pielow, N u R 86, S. 60 f.; Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 796; ferner Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 45. Ausflihrlich Pielow, N u R 86, S. 64 f.; weiter auch Pfeifer/Wagner, DVB1. 89, S. 796, Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 12. Fur Mecklenburg-Vorpommern ausdriicklich LTDrs. 2/3443, S. 111.

300

3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

In Frage kommen dafur in der Regel nur Festsetzungen,243 die Raumbezug haben und sich als Festsetzungen oder MaBnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB qualifizieren lassen.244 Allerdings erweitert § 13 Abs. 4 S. 2 LNatG M-V diese iiber die Vorgaben des § 9 Abs. 1 BauGB hinaus. Damit sollen MaBnahmen zum Schutz, der Pflege und zur Entwicklung der natiirlichen Lebensgrundlagen sowie zur Erhaltung des Orts- und Landschaftsbildes in der Bauleitplanung festgelegt werden konnen.245 Allerdings ist die Giiltigkeit der Festsetzungen fur Fachplanungstrager durch § 38 BauGB nur eingeschrankt gegeben.246

///. Fazit Resiimierend ist festzustellen: Auf Ebene der das ganze Gemeindegebiet betreffenden Flachennutzungsplanung kann der Landschaftsplanung in ihrem Bestreben, okologische Wirkungsbeziehungen im Gesamtzusammenhang zu erfassen, eine wirkungsvolle Rolle zufallen.247 Hier ist prinzipiell an die Festsetzung von unbebauten Bereichen zu denken, die der Risikobegrenzung im Kiistenbereich dienen. Einschrankend wirkt die mangelnde AuBenverbindlichkeit dieser Darstellungen.248 Wahrend die der Flachennutzungsplanung anhaftende GroBraumigkeit potentielle Steuerungsmoglichkeiten der Landschaftsplane, nicht zuletzt auch wegen § 35 Abs. 3 Nr. 2 BauGB, gegenilber nicht privilegierten Vorhaben,249 noch als gegeben erscheinen lassen,250 und sich mittelbar iiber § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB Beeinflussungsmoglichkeiten auch fur privilegierte Vorhaben ergeben, zeigt sich mit Blick auf die Bebauungsplanung ein anderes Bild. Durch die interne Beeinflussung von sich bereits in Aufstellung befmdlichen Bebauungsplanen dtirfte eine groBflachige Freiraumsicherung kaum zu erreichen sein. Obwohl Bebauungsplane auch zum alleinigen Zweck des okologischen Flachenschutzes erlassen werden konnen,251 erfolgt haufig die Uberplanung bisher unbebauter Flachen zum Zwecke 243

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Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern § 13 Abs. 1 LNatG M-V nicht ausdriicklich wie § 16 Abs. 2 S. 2 BNatSchG von Darstellungen oder Festsetzungen spricht, soil darunter eben diese Form der Ubernahme und nicht etwa eine bloBe Beriicksichtigung in der bauleitplanerischen Begriindung zu verstehen sein. Vgl. dazu Bugiel, NordOR 98, S.416. Ausfuhrlich Baumeister, Landschaftsplanung, S. 79 ff. Vergleiche Gassner, Recht der Landschaft, S. 118 m.w.N. Siehe dazu die vergleichbare Problemlage im Hinblick auf die Geltung der Ziele der Raumordnung im 2. Kapitel § 7 C. V. 3. b. So auch Gassner, N u R 86, S. 193; ders., Recht der Landschaft, S. 121 f. Bergstedt, Biotopschutz, III-3, S. 11. Siehe dazu auch schon 2. Kapitel § 7 C. V. 2. b . Kritisch ist allerdings die fehlende Beteiligung anerkannter Naturschutzverbande im Rahmen der Flachennutzungsplanung zu bewerten. Siehe Wilrich, N u R 00, S. 679 m.w.N. BVerwG, Beschluss vom 27.07.1990 - 4 B 156/89 - NVwZ 91, S. 62 (63) = NuR 91, S. 72 f. In diese Richtung auch BayVGH, Urteil vom 03.03.1998 - 2 7 N93.3748-

i 9 Landschaftsplanung

301

der Ansiedlung baulicher Anlagen. Tendenziell erfolgt damit zunachst immer eine Flacheninanspruchnahme fur naturschutzfremde Zwecke.252 Bezieht sich der Bebauungsplan auf schon bebaute Gebiete, sind von der Griinordnungsplanung okologische Impulse auf die Neuplanung zwar denkbar, bemerkenswerte Effekte durften aufgrund der den Flachen anhaftenden Vorbelastungen und des Bestandsschutzes aber nur selten zum Tragen kommen. Jedenfalls bleiben die durch Bebauungsplane Verbindlichkeit erlangenden Inhalte der Naturschutzplanung in beiden Fallen primar auf die bebauten Bereiche der Gemeinde beschrankt. Die in der Regel okologisch wertvolleren und insbesondere auch fur den naturnahen Kilstenschutz notwendigen Freiflachen unterfallen lediglich den begrenzten Einwirkmoglichkeiten der Flachennutzungsplanung.253 Die Landschaftsplanung muss sich im ortlichen Bereich somit primar mit den Folgen von eigentlich konkurrierenden Planungen beschaftigen und fungiert hauptsachlich als reagierende Abwehrplanung. Die prinzipiellen Steuerungsmoglichkeiten zumindest der Griinordnungsplanung sind daher sehr begrenzt.254 Bei konsequenter Anwendung von Flachenpoollosungen ergeben sich nunmehr iiber § 200a BauGB Moglichkeiten offensiv ausgerichteter Planungskomponenten.255 Hier wird erst die Zukunft zeigen, inwieweit es dadurch der ortlichen Landschaftsplanung gelingt, die bisherige Reduzierung auf eine reine Abwehrplanung zu iiberwinden. Der Beitrag der Bebauungsplanung zu alternativen Kilstenschutzkonzepten wird sich zunachst auf eine Nichtplanung beschranken. Partiell eroffnet sich iiber entsprechende Festsetzungen im Flachennutzungplan auch bei der Bebauungsplanung prinzipiell die Moglichkeit der Flachenfreihaltung einiger Kiistenabschnitte.256 Angesichts des Siedlungsdrucks in Richtung Kiiste, den kommunalen Akteuren und weitreichenden Deregulierungsbestrebungen erscheinen defensive Hochwasserschutzstrategien auf Kommunalebene allenfalls in Ansatzen erfolgreich zu sein. Positive Impulse konnte auch hier § 200a BauGB i.V.m. § 135a BauGB mit sich bringen, wenn zur Kompensation fur Eingriffe an anderer Stelle kustennahe Flachen festgesetzt werden.

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(92/98)- AgrarR 99, S. 99 (100). Siehe auch Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 503. So auch Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 175 f. Verstarkt wird dieser Effekt, wenn die Landschaftsplanung auf ortlicher Ebene ganz ausgesetzt wird, vgl. in Mecklenburg-Vorpommern die Freistellung der Bebauungsplanung von der der Griinordnungsplanung bis 31.12.2001 gem. § 74 Abs. 3 LNatG M-V. Bergstedt, Biotopschutz, III-3, S. 11. Kritisch auch Gassner, Recht der Landschaft, S. 121; Gruehn/Kenneweg, Naturschutz in der Flachennutzungsplanung, S. 75. Integrierte und medientibergreifende okosystemare Ansatze vermissen Erbguth/Wiegand, Landschaftsplanung als Umweltleitplanung, S. 59 und Niederstadt, Okosystemschutz, S. 130. Wobei erst die tatsachliche Inanspruchnahme als Kompensationsflache die Wirksamkeit der im Pool befindlichen Flachen sicherstellt. Siehe dazu schon die Nachweise in Fn. 406 im 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. aa.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

An der strukturellen Schwache der Griinordnungsplanung kann auch die Allgemeinverbindlichkeit der in Festsetzungen des Bebauungsplanes transferierten Inhalte der Landschaftsplanung nichts wesentliches andern. Hier wird das grundsatzliche Dilemma deutlich, welchem die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege schon konzeptionell ausgesetzt sind.257 GroMachig angelegte planerische Aussagen konnen insgesamt zwar weitgehende okologische Inhalte aufweisen, ihre Rechtsverbindlichkeit ist jedoch nur iiberaus schwach. Sobald rechtlich auch aufienverbindliche Festsetzungen getroffen werden konnen, ist die sachliche Tiefe hingegen nur unzureichend gegeben. Da es der Landschaftsplanung meistens nur ubrig bleibt, auf Planungen mit negativen Umweltauswirkungen zu reagieren, ist eine offensive Naturschutzplanung nicht zu realisieren. Als Ausblick offeriert der Landschaftsplan die Moglichkeit einer Beurteilung der Darstellungen im Flachennutzungsplan im Sinne einer Umweltvertraglichkeitspriifung. Vielleicht konnte der Griinordnungsplan durch Zusammenfuhrung mit der Eingriffsregelung neue Impulse fur die Okologisierung der Bebauungsplanung schaffen.258

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Vergleiche dazu schon 3. Kapitel § 9 B. V. Ausfuhrlich Erbguth, N u R 95; S. 447 f. Vgl. auch, allerdings zuriickhaltender, Stick, ZfBR89, S. 12 f.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz Die die Instrumente des naturschutzrechtlichen Flachenschutzes1 sowie der gesetzliche Biotop- und Geotopschutz2 sind prinzipiell in der Lage, alternative Kiistenschutzstrategien in zweifacher Hinsicht zu unterstiitzen.3 Zum einen kann mit ihnen eine Beschrankung der Ansiedlung neuer Werte durch den Ausschluss von Vorhaben in und in der Nahe von Schutzgebieten erreicht werden. Hier wirken Schutzgebietsausweisungen risikopotentialvermindernd. Zum anderen sind sie geeignet, die Errichtung konkreter Kustenschutzanlagen zu steuern und damit Eingriffe in den Kilstenraum zu minimieren. Entscheidend fur eine diesbeziigliche Wirksamkeit naturschutzrechtlicher Gebietsausweisungen sind neben der Frage, warm und wie iiberhaupt eine Auswahl und Unterschutzstellung stattfmdet, der rechtliche Schutzstatus der Gebiete4. Aufgrund der besonderen Relevanz des europaischen Habitatschutzes, der in naher Zukunft zweifellos weiter an Bedeutung gewinnen wird, ist diese Darstellung schwerpunktmafiig dem Schutzregime des okologischen Netzes Natura 2000 gewidmet.

A. Der klassische nationale Gebietsschutz /. Grundsatzliches zur Ausweisung von Schutzgebieten Der Flachen- und Objektschutz ist das klassische Instrumentarium des deutschen Naturschutzrechts. Gegenuber den Festlegungen der Landschaftsplanung, die aus sich selbst heraus nur eingeschrankte, behordeninterne Wirkungen entfalten, stellen Schutzgebietsausweisungen qualifizierte Plane dar, die gegenuber jedermann wirken. Aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 21 Abs. 2 LNatG Wahrend die Planung von Schutzgebieten durch die Landschaftsplanung als planungsrechtliches Instrumentarium des Naturschutzes und der Landschaftspflege anzusehen ist, wird die konkrete Festsetzung der Schutzgebiete als Form des besonderen Objektund Flachenschutzes mehr als Verwaltungsvollzug, denn als Planung verstanden. Vgl. zum Ganzen: Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 30 ff. mit ausfuhrlichen Nachweisen. Ahnlich Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 35; Erbguth, NuR 99, S. 492, BVerwG, Beschluss vom 16.06.1988 - 4 B 102.88 - UPR 88, S. 445 = NuR 89, S. 37 und VGH Mannheim, Urteil vom 11.04.2003 - 5 S 2299/01 - NuR 03, S. 627(628). Vergeiche insb. den umfangreichen Schutz mariner Formationen durch den landesrechtlichen Geotopschutz nach § 20 Abs. 2 LNatG M-V und die Anlage 2. So sind Eingriffe in marine Haken, die die Kilstenausgleichsprozesse storen, untersagt, vgl. Anlage 2 LNatG M-V, Pkt. 4.2. Allgemein zur Bedeutung des naturschutzrechtlichen Gebiets- und Biotopschutzes fur den Hochwasserschutz: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 17 und Bohm et ah, Anforderungen, S. 65. D. h. die Zulassigkeitsvoraussetzungen fur konkrete Gebietsbeeintrachtigungen.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

M-V, wonach Teile von Natur und Landschaft einschlieBlich mariner Flachen zu bestimmten Schutzkategorien erklart werden konnen, folgt, dass die Sicherung von Landschaftsteilen mittels formlicher Schutzkategorien im Ermessen der entsprechenden offentlichen Stellen liegt.5 Anders als die Inhalte der Landschaftsplanung, die von den Landesplanungsbehorden nach entsprechender Abwagung in die Plane und Programme der Raumordnung zu transferieren sind, besteht fur die Verwaltung daher keine Pflicht zur Ausweisung von Schutzgebieten. Eine Schutzgebietsanordnung ist regelmSBig nur dann rechtmaBig, wenn sie fur den Schutz des entsprechenden Gebietes unter den festgelegten Gesichtspunkten geeignet und erforderlich ist,6 wobei die Erforderlichkeit nicht erst dann gegeben ist, wenn eine Ausweisung unabweisbar, sondern sobald sie vernunftigerweise geboten erscheint.7 Die daraus resultierende Schutzwiirdig- und Schutzbedilrftigkeit eines Gebietes im Hinblick auf die Ziele und Grundsatze des Naturschutzes ist Voraussetzung fur die Ausweisung eines Schutzgebietes nach den in den §§22 ff BNatSchG festgelegten Gebietskategorien. Hat sich die Verwaltung zur Aufstellung eines Schutzgebietes entschlossen, weil es objektiv schutzwiirdig und -bedurftig ist, stellt die konkrete Ausgestaltung der Gebietsgrenzen eine Abwagungsentscheidung8 mit recht weit gefasstem gestalterischen Ermessen9 dar. Dieser wird haufig durch konkurrierende offentliche und private Belange in Richtung eines moglichst geringen Schutzes gedriickt, da ein Mindeststandard nicht besteht. Ein hohes MaB an Entscheidungsspielraum besteht auch bei der nachtraglichen Wiederaufhebung oder Beeintrachtigung des Schutzstatus.10 Wenn sich die Verwaltung hingegen fur die Ausweisung eines Schutzgebietes in den entsprechenden Grenzen entschieden hat, ist sie an die gesetzlich normier-

Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel V II Rn. 46 f.; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 159. BVerwG, Urteil vom 24.05.1996 - 4 A 16.95 -NuR 97, S. 38 (40); VGH Baden-Wiirttemberg, Beschluss vom 28.07.1986 - 5 S 2110/85 - UPR 87, S. 392 (393), Winter, NuR 92, S. 21; Schmidt, J., NVwZ 99, S. 367. Kritisch zum sog. Verordnungsermessen Hofmann, NuR 80, S. 66 und Czybulka, Rechtspflichten, UTR Bd. 36 (96), S. 238 ff.; ders., in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 39 ff. Etwas anderes gilt freilich fur die Ausweisung eines koharenten okologischen Netzes (Natura 2000), siehe § 19a bis f BNatSchG. Vgl dazu 3. Kapitel § 10 C. Als Ausdruck des Verhaltnismafligkeitsgrundsatzes, siehe Kloepfer, Umweltecht § 11 Rn. 160, 191 ff.; Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 67; ders., DVB1. 90, S. 881; vgl. auch Wortlaut der §§ 12 I, 15 I BNatSchG. Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 46; Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18.07.1997 - 4 BN 5.97 - NuR 98, S. 37 (38), wonach eine abstrakte Gefahrdung ausreicht. Siehe weiter BVerwG, Beschluss vom 14.05.1993 - 6 B 91.92 - BayVBl. 94, S. 57. Kloepfer, Umweltrecht § 11 Rn. 160. VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 28.07.1986 - 5 S 2110/85 - UPR 87, S. 392 (393); Kloepfer, Umweltecht § 11 Rn. 160. BVerwG, Beschluss vom 21.07.1997 - 4 BN 10.97 -NuR 98, S. 131 (132).

§ lODerGebiets-undLebensraumschutz

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ten Schutzanforderungen gebunden und hat diese dann auch durchzusetzen.11 Dennoch konnen Ermessen und Abwagung begrenzt sein. Fehlerhaft sind Abwagung bzw. Ermessenausiibung bei Festlegung des Schutzzweckes oder nachtraglicher Veranderungen der Gebietsgrenzen, wenn das Schutzgebiet derart beeintrachtigt wurde, dass eine Schutzanordnung mangels tauglichen Schutzobjekts nicht mehr erforderlich ware.12 Gleiches kann gelten, wenn in ein Schutzgebiet bestimmte Flachen ausgespart wurden, obwohl eine Einbeziehung vernunftigerweise geboten ware.13 Weiterhin konnen sich Ausweisungs- und Beibehaltungspflichten bei sog. Ermessensreduzierungen auf Null ergeben. Dies ist denkbar, wenn Gebiete mit tiberragender Bedeutung ohne Schutzanordnung erheblich beeintrachtigt oder zerstOrt wurden.H Abstrakte Ausweisungspflichten werden durch den Biotopverbund aus § 3 I, Abs. 4 BNatSchG begriindet.15 Derartige Abwagungs- und Ermessensreduzierungen werden in MecklenburgVorpommern durch den Wortlaut der Staatszielbestimmung Umweltschutz in Art. 12 LVerf M-V gestiitzt16. Nach Art. 12 Abs. 1 LVerf M-V schiitzen und pflegen das Land, die Gemeinden und Rreise, jeweils im Rahmen ihrer Zustandigkeiten, die naturlichen Grundlagen jetzigen und kiinftigen Lebens sowie nach Art. 12 Abs. 2 LVerf M-V u.a. die Kiiste mit den Haff- und Boddengewassern. Da die verfassungsrechtliche Ausgestaltung auf ein weites Ermessen begriindendes ,,konnen" verzichtet, sind die in Art. 12 LVerf M-V genannten offentlichen Stellen gehalten, MaBnahmen zu ergreifen, mit denen einer Verschlechterung der Schutzguter begegnet werden kann. Zur Verhinderung weiterer Siedlungstatigkeit und KiistenschutzmaBnahmen bieten sich naturschutzrechtliche Schutzgebiete an. In Verbindung mit der subjektiv-rechtlichen Dimension17 des Art. 12 Abs. 3 LVerf M-V ergeben sich damit hier nicht zu iibersehende Ansatze, die fur ein individuelles Recht auf Einklagbarkeit bestimmter Umweltentscheidungen stehen.18 Letztend-

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Soweit etwa ein NSG festgesetzt wurde, ist fur dessen besonderen Schutz auch zu sorgen. Vgl. Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 23 Rn. 6. VGH Baden-Wiirttemberg, Beschluss vom 28.07.1986 - 5 S 2110/85 - UPR 87, S. 392 (393). OVG Bremen, Beschluss vom 29.08.1989 - 1 N 2 / 8 8 - und OVG Ltineburg, Urteil vom 07.12.1989 - 3 OVG A 198/87, beide Fundstellen in JURIS-online. Einschrankend VGH Mannheim, Beschluss vom 28.07.1986 - 5 S 2110/85 - NuR 86, S. 340 (342). Zutreffend Czybulka, Rechtspflichten, UTR Bd. 36 (96), S. 240 f.; ders. in Czybulka, Landschaftsplanung, S. 41; Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 565; ders., DVB1. 90, S. 801. Nach § 3 Abs. 1 BNatSchG ,,schaffen" die Lander ein Netz verbundener Biotope von mind. 10% der Landesflache, gemaB § 3 Abs. 4 BNatSchG ,,sind die erforderlichen (Flachen) durch Ausweisung geeigneter Gebiete rechtlich zu sichern". Siehe zum Biotopverbundsystem weiter die Darstellung im 3. Kapitel § 10 A. IV. 1. Zur Bedeutung der Staatszielbestimmung Umweltschutz vgl. auch die Nachweise in Fn. 99 im 2. Kapitel § 6 B. II. l.b. Westphal, NordOR 99, S. 142. Ausfuhrlich dazu Erbguth/Wiegand, DVB1. 94, S. 1325 ff. und Westphal, NordOR 99, S. 142, beide m.w.N.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

lich dilrften damit auch Begrenzungen der Einschatzungsprarogative zur Schutzgebietsausweisung und zum Gebietserhalt einhergehen.

//. Schutzgebietsausweisungen im Spiegel anderer Planungen Rechtswirksam erlassene Schutzverordnungen sind aufgrund ihres Rechtssatzcharakters mit Allgemeinverbindlichkeit ausgestattet und haben die Wirkung einer AuBenrechtsnorm. Sie binden als solche sowohl die Verwaltung, als auch den Einzelnen. Entscheidend fur die materiellrechtlichen Wirkungen eines Schutzgebietes ist der Inhalt der jeweiligen Schutzverordnung. Hier sollen in der gebotenen Kurze die rechtlichen Wirkungen im Verhaltnis zu den beiden wichtigsten Feldern konkurrierender Nutzungen, der Planfeststellung und der Bauleitplanung, dargestelltwerden.19 Treffen formliche Planfeststellungen auf rechtswirksam ausgewiesene Schutzgebiete, etwa in Form des Durchschneidens eines Natur- oder Landschaftsschutzgebietes mittels einer geplanten Verkehrstrasse oder der nach den §§ 84 I, 72 Abs. 1 LWaG M-V planfeststellungspflichtigen Errichtung eines See- oder Boddendeiches in einem formlich geschiitzten Feuchtgebiet, gehen die Schutzgebietsfestsetzungen der Planfeststellung vor. Zwar ist mit der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses gemaB § 75 Abs. 1 VwVfG die Ersetzung auch einer naturschutzrechtlichen Befreiung nach § 66 LNatG M-V verbunden.20 Diese Ersetzung ist gleichwohl nur formeller Art,21 da die Konzentration lediglich eine verfahrensmaBige, nicht aber materielle Biindelung betrifft.22 In Bezug auf die naturschutzrechtlichen Dispense gilt fur die in § 13 BImSchG angeordnete Konzentrationswirkung das gleiche.23 Die Ge- und Verbote der Schutzgebietsfestsetzung wirken insoweit unmittelbar bodenrechtlich und sind als Rechtsnormen24 einer Abwagung nicht zuganglich. Die planfeststellende oder iiber die immissionsschutzrechtliche Zulassigkeit befmdende Behorde hat deshalb etwaige Schutzgebietsfestsetzungen zu beachten.25 Damit kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung oder ein Planfeststellungsbeschluss nur dann materiell rechtmaBig sein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer Ausnahme (§ 66 LNatG M-V) vorliegen oder die Schutzgebiets-

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Zu anderen (Fach-)planungen vgl. ausfiihrlich Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 31 ff. Vergleiche z.B. BVerwG, Urteil vom 26.03.1998 - 4 A 7.97 - (Planfeststellung zur A 241) N u R 98, 605 (606); Louis, BNatSchG, § 31 Rn. 2 1 ; Breuer, ZfW 20 (77), S. 109. Busch, in: Knack, VwVfG, § 75 Rz. 3.1.1; Breuer, ZfW 20 (77), S. 109. Busch, in: Knack, VwVfG, § 75 Rz. 3.1.2; Louis, BNatSchG, § 31 Rn. 21. Louis, BNatSchG, § 31 Rn.21. Louis, BNatSchG, § 31 Rn. 21; Breuer, ZfW 20 (77), S. 109. BVerwG, Beschluss vom 26.06.1992 - 4 B 11.92 - NuR 93, S. 22 (26). Die Ansiedlung der Zustandigkeit fur naturschutzrechtliche Befreiungen bei der i.d.R. naturschutzfremden Fachbehorde birgt gleichwohl die Gefahr von naturschutzrechtlichen Umsetzungsdefiziten.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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verordnung fur den jeweiligen Einzelfall die Moglichkeit von Ausnahmen oder Befreiungen vorsieht.26 Im Ergebnis genieBen naturschutzrechtliche Gebietsausweisungen daher gegentiber Planfeststellungen Genehmigungen nach den §§ 4 ff. BlmSchG prinzipiell Bestand, gleichwohl mit der Einschrankung, dass die planfeststellende Behorde iiber etwaige Ausnahmetatbestande, die sich auch nach der konkreten Schutzverordnung beurteilen, selbst entscheiden kann. Umgekehrt sind Schutzgebietsfestsetzungen nicht befahigt, sich iiber bereits rechtswirksame Planfeststellungen hinwegzusetzen.27 Im Verhaltnis zur gemeindlichen Bauleitplanung kommt bereits rechtswirksamen Schutzanordnungen ebenfalls die Wirkung hoherrangiger Rechtsnormen zu.28 Die Gemeinde kann naturschutzrechtlich gesicherte Bereiche nur dann iiberplanen, wenn die Darstellungen im Flachennutzungsplan und die Festsetzungen im Bebauungsplan den Inhalten der Schutzanordnung nicht widersprechen.29 Mit Schutzanordnungen nicht vereinbare Bauleitplane sind materiell rechtswidrig.30 Die damit verbundene Beschrankung der kommunalen Planungshoheit auf den von naturschutzrechtlichen Festsetzungen betroffenen Teilen des Gemeindegebietes -also mangels Inkomrnunalisierung31 nicht in den Kiistengewassern- kann Konflikte mit der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG

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BVerwG, Beschluss vom 26.06.1992-4 B 11.92-NuR93, S. 22(26).

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Breuer, ZfW 20 (77), S. 109; Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 31. Schuhmacher/Fischer-Hiiftle, BNatSchG § 26 Rn. 29; Walter, Naturschutz, S. 95. Oder die zu bebauenden Flachen aus dem Geltungsbereich der Schutzverordnung herausgelost wurden, vgl. Franz, Freiraumschutz, S. 380. Zum Hineinplanen in eine Befreiungslage von LSG: BVerwG, Beschluss vom 09.02.2004 - 4 BN 28/03 - NuR 04, S. 661 (Unwirksamkeit der Festsetzungen des Bebauungsplans, fur die keine Befreiungslage vorliegt); BVerwG, Beschluss vom 20.05.2003 - 4 NB 57.02- NuR 03, S. 624 (Herauslosung von Flachen aus dem LSG durch Bebauungsplan, wenn diese Rechtsfolge in der LSG-Verordnung angeordnet ist). Im Weiteren: BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01- NuR03, S. 365 und Schuhmacher/Fischer-Hiiftle, BNatSchG § 26 Rn. 31, § 62 Rn. 2, 10, 17 m.w.N. Fur Bebauungsplane mit Nichtigkeitsfolge BVerwG, Beschluss vom 14.08.1995 - 4 NB 43/94 - UPR 95, S. 443 (444) = NVwZ-RR 96, S. 141 (142). Unwirksamkeit wegen der Unfahigkeit widersprechender Bebauungsplane, die planerische Nutzung der Gemeinde zu leiten, BVerwG, Beschluss vom 28.11.1988 - 4 B 212/88 - NVwZ 89, S. 662 (663). Fur qualifizierte Bebauungsplane einschrankend VGH Kassel, Beschluss vom 05.07.1989 - 4 N 1064/88 - NuR 90, S. 468 (469). Fur Flachennutzungsplane: BVerwG Urteil vom 21.10.1999-4 C 1.99 - NuR 00, S. 321; a.A. OVG Munster, Urteil vom 11.01.1999 - 7 A 2377/96- NuR 99, S. 704 (705). Die Entscheidung des OVG ist inhaltlich nicht nachvollziehbar und daher zutreffend vom o.g. Urteil des BVerwG aufgehoben worden. Siehe dazu auch Hermanns/Honig, NuR 01, S. 31, mit ahnlicher Einschatzung. Siehe schon 2. Kapitel § 7 D. II.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

verursachen. Ohne den Themenkreis hier erschopfend darstellen zu wollen,32 kann festgehalten werden, dass zur Disposition naturschutzrechtlicher Gebietsfestsetzungen grundsatzlich alle Teile des Gemeindegebietes stehen, auf denen sich entgegenstehende Nutzungskonzepte der Kommune planungsrechtlich noch nicht verfestigt haben.33 Aufierortlich soil die gemeindliche Planungshoheit selbst dann nicht unverhaltnismaBig eingeschrankt sein, wenn erhebliche Flachen naturschutzrechtlich ilberformt werden34 oder wenn in bestimmten Himmelsrichtungen stadtebauliche Entwicklungen fast vollstandig ausgeschlossen werden, sofern weiteres Siedlungswachstum in andere Richtungen moglich bleibt35 oder innerhalb des besiedelten Bereiches ausreichende Freiflachen vorhanden sind.36 Im Ergebnis bleibt somit festzuhalten, dass Schutzgebietsausweisungen, die im Einklang mit den §§22 ff. BNatSchG ergehen und von tiberortlicher Bedeutung getragen sind, jedenfalls dann mit Art. 28 Abs. 2 GG vereinbar sind, wenn sie das unbesiedelte und nicht mit bereits verfestigten entgegenstehenden Planungen uberformte Gemeindegebiet betreffen.37 Nachtragliche Schutzanordnungen im Geltungsbereich wirksamer, d.h. auch unter Berilcksichtigung der Beteiligungsrechte in § 7 BauGB in Kraft getretener Flachennutzungsplane, kommen zunachst nur dann in Betracht, wenn die Schutzanordnung mit dessen Darstellungen in Einklang steht.38 Mit dem Flachennutzungsplan nicht vereinbare Schutzanordnungen strikter und umfassender Art39 konnen sich gemafl § 7 BauGB nur im Einvernehmen mit der Gemeinde40 oder bei

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Siehe zur vergleichbaren Problemlage bei Zielfestlegungen durch die Raumordnung: 2. Kapitel § 7 C. II. 2. Allgemein dazu Franz, Freiraumschutz, S. 380 f.; Walter, Naturschutz, S. 107 ff. Etwa in Flachennutzungs- oder Bebauungsplanen, vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 11.01.1995 - 5 S 227/94 - NuR 96, S. 152 (153), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht(CDO5V13). Zum Beispiel wenn mehr als ein Viertel des Gemeindegebietes von einer Naturschutzverordnung erfasst wird. Vgl. dazu OVG Ltineburg, Urteil vom 24.07.1995 - 3 K 2909/93 - NuR 97, S. 203 (204 f); Schmidt, J., NVwZ 99, S. 369. VGH Mannheim, Urteil vom 11.01.1995 - 5 S 227/94 - N u R 96, S. 152 (155 f), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). In Parallelitat zu Fn. 254 im 2. Kapitel § 7 C. II. 1. b. Siehe zum Themenkreis auch Hermanns/Honig, NuR 01, S. 29. Naturschutzrechtliche Gebietsfestsetzungen durften folglich im Regelfall zulassig sein. Vergleiche Louis, BNatSchG § 12 Rn. 21. Siehe auch VGH Mannheim, Urteil vom 08.07.1991 - 5 S 271/90 - UPR 92, S. 70 (70) (Darstellung eines Parkgelandes im Flachennutzungeplan und beabsichtigter Schutz einer Streuobstwiese durch eine Landschaftsschutzverordnung). Zum Beispiel Naturschutzverordnungen. Vergleiche dazu m.w.N. V G H Mannheim, Beschluss vom 28.07.1986 - 5 S 2110/85 N u R 86, S. 340 (341), V G H Mannheim, Beschluss vom 09.05.1995 - 5 S 2 1 5 3 / 9 4 N V w Z - R R 96, S. 17 (17). Siehe auch Walter, Naturschutz, S. 98.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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einer geanderten Sachlage41 nach § 7 S. 3 BauGB42 durchsetzen.43 Ausnahmen sind bei schwacheren Gebietssicherungen, z.B. Landschaftsschutzverordnungen, moglich.44 Die Anpassungspflicht an den Flachennutzungsplan kann hingegen nach § 7 BauGB entfallen, wenn die Naturschutzbehorde entweder nicht ordnungsgemafi beteiligt wurde oder dem Flachennutzungsplan widersprochen hat. Parallel zur Konstellation in der Flachennutzungsplanung sind Schutzanordnungen auf dem Gebiet von rechtwirksamen Bebauungsplanen bei Schutzgebietsvertraglichkeit der mit dem Bebauungsplan eroffheten Baurechte moglich.451st der Bebauungsplan aus einem Flachennutzungsplan entwickelt worden, bestimmt sich die Zulassigkeit einer Schutzanordnung im Ergebnis wieder nach § 7 BauGB.46 Liegt dagegen ein selbstandiger Bebauungsplan vor, ist der ErlaB einer Schutzverordnung bei entgegenstehenden Festsetzungen kaum moglich.47 Da naturschutzrechtliche Schutzgebietsplanungen an der Privilegierung des § 38 BauGB nicht teilhaben, findet hier eine Benachteiligung zugunsten anderer Fachplanungen statt.48 Naturschutzrechtliche Schutzkategorien konnen nicht nur risikopotentialvermindernd wirken, sondern prinzipiell auch die Durchiuhrung konkreter KiistenschutzmaBnahmen verhindern oder modifizieren. Allerdings gelten Klistenschutzbelange regelmaBig als wichtige Gemeinwohlbelange. Als solche lassen sie sich innerhalb festgesetzter Schutzgebiete grundsatzlich tiber eine Befreiung rechtfertigen.49 Erweitert werden Dispense hier haufig noch durch einschlagige Befreiungsregelungen in den Schutzverordnungen.50

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Allgemein zur geanderten Sachlage: BVerwG, Beschluss vom 14.08.1995 - 4 NB 43/94 - UPR 95, S. 441 (442 f). Vergleiche ausffihrlich Gierke, in: Briigelmann, BauGB, § 7 Rn. 149 ff. Ausffihrlich Hermanns/Honig, N u R O l , S. 29 f. Im Ergebnis ebenso Walter, Naturschutz, S. 96. Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 86; VerfGH N W , Beschluss vom 30.10.1987 - 19/86 - N u R 88, S. 136 (136 f ) : Landschaftsschutzverordnung auf Teilbereichen von i m Flachennutzungsplan als Bauflachen dargestellten Gebieten. Zum Verhaltnis von Wasserschutzgebieten und gemeindlicher Planungshoheit vgl. uberdies O V G Koblenz, Urteil vom 09.03.2000 - 1 C 12087/98 - N u R 00, S. 388 (388). Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 24; V G H Mannheim, Urteil vom 11.01.1995 - 5 S 227/94 N u R 96, S. 152 (154), fur die Einbeziehung eines als Gartenhausgebiet uberplanten Bereiches in eine Landschaftsschutzverordnung. Siehe oben und m.w.N., Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 24. So im Ergebnis auch Hermanns/Honig, N u R 0 1 , S. 30. Gleiches gilt prinzipiell aufgrund des unbedingten Planersatzcharakters fur die Einbeziehung des unbeplanten Innenbereichs nach § 34 BauGB. Siehe zum Wesen von § 34 BauGB schon ausffihrlich 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. Siehe oben ausffihrlich 2. Kapitel § 7 C. V. 3. b. Allgemein dazu Sohnlein, ZUR 94, S. 287. Siehe dazu 3. Kapitel § 10 A. IV.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

///. Schutzgebiete und Erfordernisse der Raumordnung Die naturschutzrechtliche Unterschutzstellungen nach den §§23 ff. BNatSchG sind im Regelfall raumbedeutsame MaBnahmen nach § 3 Nr. 6 ROG und daher an die Vorgaben der Raumordnung nach § 4 Abs.l, 2 ROG gebunden.51 Dies ist in Anbetracht der raumlichen AuBenwirkung auch nicht zu beanstanden, zeigt aber nochmals den Unterschied zu den isolierten oder intern gebliebenen Inhalten der Landschaftsplanung auf.52 Die Bindung der Schutzgebietsausweisungen an die Erfordernisse der Raumordnung unterstreicht die Bedeutung raumordnerischer Festsetzungen von Vorrang- und Vorbehaltsgebieten ftir Naturschutz und Landschaftspflege zur Vorbereitung von Unterschutzstellungen. Durch das absolute Relativierungsverbot des in einem Vorranggebiet gesicherten Belanges drangt sich die naturschutzrechtliche Sicherung von Vorranggebieten ftir Naturschutz und Landschaftspflege geradezu auf. Ein Automatismus besteht freilich nicht. Auch fur andere okologische Belange, die durch Vorranggebiete etwa zugunsten des Trink- oder Grundwasserschutzes festgelegt wurden, bieten sich (zusatzliche) Sicherungen durch naturschutzrechtliche Gebietskategorien an. Wenngleich der mit Vorbehaltsgebieten fur Naturschutz und Landschaftspflege verbundene Abwagungsvorrang lediglich relativer Art ist, diirften Schutzgebietsausweisungen, etwa als Landschaftsschutzgebiet oder Biospharenreservat, erleichert werden, da den gesicherten Naturschutzbelangen landesplanerisch ein besonderes Gewicht beigemessen wurde. Konkurrierende Nutzungsanspriiche, die bei der Abwagung der Schutzgebietsfestsetzung zu berilcksichtigen sind, milssten, urn eine Gebietsfestsetzung zu verhindern, eine besondere Wertigkeit aufweisen.53 Treffen geplante naturschutzrechtliche Gebietssicherungen auf entgegenstehende Erfordernisse der Raumordnung, z.B. Vorranggebiete fur Rohstoffsicherung oder zielformige Infrastrukturfestlegungen, gehen letztere grundsatzlich vor. Konfiigierende Grundsatz- und Vorbehaltsgebietsfestlegungen konnen durch ein Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG grundsatzlich iiberwunden werden.54 Damit im Raumordnungsverfahren die konfligierenden Raumanspriiche zuriickgestellt werden konnen, ist eine besondere Wertigkeit der naturschutzfachlichen Interessen notwendig.55 Demgegeniiber ist eine Uberwindung entgegenlaufender Zielfestsetzungen kaum moglich. Konkurrierende Zielfestlegungen sind durch ein Raumordnungsverfahren regelmaBig nicht tiberwindbar.56 Ein Zielabweichungs51 52 53 54

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Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 19. Insoweit zutreffend auch VGH Mtinchen, Urteil vom 17.12.1998 - 9 N 93.1261 -NuR 99, S. 393 (395). Siehe dazu schon 3. Kapitel § 9 B. IV. Zum Charakter von Vorbehaltsgebieten und deren Einordnung als Optimierungsgebote vgl. ausfuhrlich oben 2. Kapitel § 7 B. II. 2. Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 20 sowie VGH Miinchen, Urteil vom 17.12.1998 - 9 N 93.1261 - N u R 9 9 , S. 393 (395). Der Verordnungsgeber hat das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens zu beriicksichtigen, vgl. VGH Munchen, Urteil vom 17.12.1998 - 9 N 93.1261 - NuR 99, S. 393 (395). Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 20.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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verfahren nach § 11 ROG zugunsten naturschutzrechtlicher Gebietsfestsetzungen kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Grundziige der Planung nicht berilhrt werden.57 Raumbedeutsame Schutzanordnungen diirften allerdings die Grundztige der Planung fast immer beriihren. Ausnahme erscheinen hingegen bei kleinraumigen Gebieten, geringen Schutzniveaus58 oder bei Vernetzungsflachen zwischen grofiraumigen, die Raumstruktur dominierenden Schutzgebieten moglich.59 Bei Vernetzungsraumen nach Art. 10 FFH-RL60 haben sich die Grundziige der Planung zudem an den Belangen des europaischen Habitatschutzes zu orientieren.61 Begegnen neue raumordnerische Festlegungen bereits existierenden naturschutzrechtlichen Schutzgebieten, ist dies fur den Gebietsschutz ohne Belang. Schutzgebietsverordnungen sind als auBenwirksame Rechtsnormen durch entgegenstehende, dem Wesen nach behordeninterne Rechtssatze nicht beeinflussbar. Etwaige Anpassungspflichten bestehen nicht.62 Da mangels Inkommunalisierung der Kustengewasser und wegen (bislanger) Inaktivitat der Raumordnung im marinen Bereich ein GroBteil der beschriebenen rechtlichen Hindernisse in den Kiistengewassern (noch) nicht existieren, durfte sich die Festsetzung mariner Schutzgebiete im Kustenmeer gegenwartig einfacher darstellen als an Land.

IV. Die Schutzgebietskategorien GroBe Teile des Kiistenbereiches in Mecklenburg-Vorpommern, vornehmlich der AuBenkilste, unterfallen einem Regime unterschiedlicher Schutzgebietskategorien.63 In den folgenden Abschnitten soil analysiert werden, welche Effekte die bundesdeutschen Schutzgebietskategorien auf die Verwirklichung alternativer Kilstenschutzstrategien nach sich ziehen konnen. Dabei wird darauf einzugehen sein, welche speziellen Gegebenheiten im Kilstenraum die Festsetzung von Schutzgebieten rechtfertigen konnen. Im Ergebnis gilt es herauszufmden, inwie-

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Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 20. Etwa bei kleinflachigen Naturschutzgebieten oder ilber formliche Schutzgebiete hinausgehende Flachen, die einem Naturpark oder u.U. einem Biospharenreservat zugeordnet sind. Insoweit ist eine Beeintrachtigung der Planungsgrundzuge schwerlich zu erwarten, da mit § 3 BNatSchG ein Biotopverbundsystem geschaffen werden soil und diese Wertung bei der Planung zu beriicksichtigen sein wird. Z u m Biotopverbund vgl. auch 3. Kapitel § 10 A. IV. 1. Naher 3. Kapitel § 10 A. IV. 1. Siehe dazu im Einzelnen 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. Im Gegensatz zur eindeutigen Regelung in § 1 Abs. 4 BauGB, siehe dazu auch die Nachweise in Fn. 402 im 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. aa. Vergleiche erganzend die kartographische Darstellung bei Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, Anlage.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

weit der formliche Gebietsschutz zur Freiraumsicherung und zur Minimierung von KiistenschutzmaBnahmen beitragen kann.64

1. Naturschutzgebiete Rechtsverbindlich festgesetzte Naturschutzgebiete (NSG) nach § 23 BNatSchG i.V.m. § 22 LNatG M-V bewirken den starkstmoglichen Schutz von Natur und Landschaft vor anthropogenen Beeintrachtigungen.65 Sie werden in MecklenburgVorpommern gemaB § 22 Abs. 1 LNatG M-V vom Umweltministerium als oberste Naturschutzbehorde66 durch Rechtsverordnung errichtet. GemaB § 22 Abs. 1 Nr. 1 LNatG M-V dienen NSG primar der Erhaltung oder der Entwicklung von Lebensgemeinschaften oder Lebensraumen bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten. Eine Festsetzung ist daneben auch aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Griinden oder aufgrund ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schonheit moglich. Nicht zulassig ware die Errichtung ausschlieBlich aus Griinden der menschlichen Erholung, da eine solche Zielrichtung innerhalb von NSG regelmaBig ausgeschlossen ist.67 NSG sind raumlich parzellenscharf abgegrenzte Flachen der Erdoberflache. Den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege soil in diesen Gebieten im Rahmen des jeweiligen Schutzzwecks dem Idealbild nach ein absoluter Vorrang eingeraumt werden.68 Rechtsfolge ist ein prinzipielles Veranderungsverbot durch die in der Schutzverordnung festgelegten Ge- und Verbote.69 Die natiirlichen Prozesse sollen so weit wie moglich anthropogen unbeeinflusst ablaufen. Ein NSG ist somit gekennzeichnet von weitreichenden Verbotstatbestanden, die in der Schutzverordnung konkretisiert werden und als repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt nach § 66 LNatG M-V zu qualifizieren sind.70 RegelmaBig verboten sind u.a. die Errichtung baulicher Anlagen und die Lagerung von Abfallen.71 Die weitreichenden Verbotstatbestande konnen einen wirksamen Beitrag zur Flachen64

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Um den Umfang der Darstellung nicht zu (iberdehnen, wird sich auf drei klassische Gebietskategorien (Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet und Nationalpark) beschrankt. Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 4 3 ; Czybulka in: Manssen/Schtitz, Staats- u n d Verwaltungsrecht, S. 514. Siehe § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LNatG M-V. Eindringlich Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 65 (Vorauflage); Louis, BNatSchG, § 13 Rn. 17. Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 1 3 Rn. 2 ( 4 1 . Lfg.). In der Rechtswirklichkeit wird dieses Idealbild freilich kaum erreicht. Kritisch auch: Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 128. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 127; Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 514; Schmidt, R., Umweltrecht; § 6 Rn. 4 3 ; Sanden, Umweltrecht, § 12 Rn. 37; Hartmann, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- u n d Umweltschutz, S. 446. Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 515. Siehe auch z.B. OVG Koblenz, Urteilvoml2.11.1986- IOC l/86-NuR87, S. 271 (272). Vergleiche die Aufstellung bei Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 37.

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freihaltung und -vorsorge leisten. Das Verbot der Errichtung baulicher Anlagen kann auch MaBnahmen des Kiistenschutzes erfassen mit der Folge, dass diese prinzipiell unzulassig sind. Die von einem NSG ausgehende Ausstrahlungswirkung kann gleichfalls Handlungen auBerhalb der Gebietsgrenzen verhindern, wenn sie geeignet sind, den Schutzzweck zu gefahrden.72 Diese Moglichkeit ist in § 22 Abs. 3 LNatG M-V nunmehr gesetzlich normiert.73 Ob ein Kiistenbereich durch ein NSG gesichert werden kann, richtet sich danach, inwieweit die Flache nach MaBgabe von § 22 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. § 22 Abs. 1 LNatG M-V schutzwiirdig und -bediirftig ist.74 Dafur kommen in erster Linie die Kiistenabschnitte in Betracht, die sich durch relativen Artenreichtum auszeichnen,75 endemische Arten beherbergen oder gefahrdeten Tier- und Pflanzenarten als Lebensraum dienen.76 Der Lebensraum umfasst dabei sowohl die Orte der Fortpflanzung und Aufzucht, als auch Rast-, Ruhe- oder Futterplatze. Schutzzweck kann auch die Erhaltung haufiger und deswegen besonders typischer Lebensgemeinschaften an einem bestimmten Ort oder in einer besonderen Auspragung sein.77 Nicht notwendig ist, dass die im Gebiet vorkommenden Tier- und Pflanzenarten selten sind.78 Es reicht, wenn bestimmte Faktorenkombinationen in ihrer Gesamtheit naturschutzfachlich zu einer bestimmten Wertigkeit fiihren. Schutzauslosend sollen auch unbelebte Formationen wie geomorphologische Prozesse sein konnen.79 Dagegen findet der Schutz unbelebter Teile der Natur im Gesetz keine ausdruckliche Entsprechung. Solche Unterschutzstellungen konnen gegenwartig allenfalls durch asthetische Komponenten, wie sie ihren Ausdruck z.B. in § 22 Abs. 1 Nr. 3 LNatG M-V fmden,80 bewerkstelligt werden. Obgleich der Ruckgriff auf asthetische Grilnde lediglich eine Hilfe auf dem Weg zur Unterschutzstellung sein kann und der Normwortlaut insoweit einer Novellierung dahingehend bedarf, dass ahnlich dem Geotopschutz auch Teile der unbelebten Natur geschiitzt werden konnen, ist bereits heute davon auszugehen, dass auch § 22 LNatG M-V schon zu derartigen Schutzgebietsfestsetzungen ermachtigt. Eine Naturschutzgebietsausweisung ist somit nicht nur an die Schutzbedurftigkeit biologischer Komponenten der Natur gekniipft, sondern auch an Formationen der unbelebten Natur. Diese konnen selbst von Bedeutung fur den Artenschutz sein, 72

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V G H Munchen, Urteil vom 25.07.1995 - 22 C 95.2313 - Z U R 96, S. 30 (mit krit. Anmerkung von Schoeneck); zustimmend Schuhmacher/Fischer-Huftle, BNatSchG § 23 Rn. 4 1 ; Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 37; Soell, N u R 80, S. 7. Vergleiche auch Bugiel, NordOR 99, S. 8. Siehe dazu 3. Kapitel § 10 A. I. Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 233. Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 23 Rn. 14. Louis, BNatSchG, § 13 Rn. 6; Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 13 Rn. 14. So im Ergebnis :Lorz/Miiller/Stdckel, BNatSchG, § 23 Rn. 10. Der Prozessschutz wird durch die Formulierung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gestarkt. Nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 LNatG M-V konnen Teile von Natur und Landschaft wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder hervorragenden Schonheit gesichert werden.

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wie etwa kiistendynamische Prozesse, die durch Neulandbildungen die Voraussetzung zum Uberleben sandbriltender Limikolen schaffen. Ktistendynamische Prozesse erfahren ihre Schutzbedtirftigkeit auch aufgrund der ihnen anhaftenden besonderen Eigenart. Als NSG konnen demnach auch Bereiche unter Schutz gestellt werden, die sich durch starke Sedimentbewegungen, Anlandungszonen, Diinenverwehungen oder Kliffabbruche auszeichnen. In diesem Kontext zeigt sich die besondere Bedeutung des AuBenschutzes, sofern der Erhalt der naturlichen Kustendynamik, die Ungestortheit von Akkumulationsprozessen oder die Lebensraumsicherung von auf Neulandbildungen angewiesenen Arten zum Schutzzwecke des Gebietes gehoren. Eingriffe in die Kustendynamik im Luvbereich von Naturschutzgebieten beeintrachtigen die geomorphologischen Prozesse im Ktistenbereich des Schutzgebietes erheblich.81 Dadurch waren erosionsvermindernde Kilstenschutzmafinahmen in Kustenabschnitten, die den Schutzzweck des Naturschutzgebietes in einer mit § 23 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 22 Abs. 2 LNatG M-V nicht mehr vereinbarenden Weise beeintrachtigen wiirden, auch auBerhalb der Schutzgebietsgrenzen unzulassig.82 Der AuBenschutz muss sich dann konsequenterweise auch auf die Verhinderung kustennaher Bebauung auBerhalb des Naturschutzgebietes beziehen, wenn die dortigen Abrasionsprozesse die Notwendigkeit zukunftiger erosionsbeeinflussender Kiistenschutzanlagen nach sich zogen.83

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Siehe 1. Kapitel § 4 B. II. Kritisch zum umfassenden AuBenschutz Schoeneck, Fundstelle in Fn. 72, S. 32 f. Die vorgetragene Ansicht, ein weitreichender AuBenschutz zoge eine zu absolute Vorrangstellung des Naturschutzes auch auBerhalb von Schutzgebieten nach sich, kann so nicht iiberzeugen. Hier ist auch zu beachten, dass die Beeintrachtigung der Erhaltungsziele einer gewissen Erheblichkeit (nachhaltige Stoning) bedarf. Diese wird in vielen Fallen nicht zu bejahen sein. Liegen hingegen die Tatbestandsmerkmale des § 23 Abs. 2 BNatSchG vor, gibt es keinen Grund, solche Beeintrachtigungen nicht dem Verbotsvorbehalt zu unterstellen. Eine Vielzahl von Zulassungsentscheidungen unterliegen einer Abwagung. Im Rahmen dieser und auch bei naturschutzrechtlichen Befreiungen in Planfeststellungsverfahren kann zumindest auf eine Minimierang der StOrungsquellen hingewirkt werden. Ebenso sei auf das VerhaltnismaBigkeitsprinzip verwiesen, welches gewisse Lockerungen moglich werden lasst, vgl. Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 4 3 . Eine restriktive Auslegung der Befreiungsmoglichkeiten folgt auch aus der Vielzahl von stofflichen und nichtstofflichen Beeintrachtigungen, denen ein N S G generell schon ausgesetzt ist. Im Ubrigen ist an einem weitreichenden AuBenschutz in Anbetracht des absoluten Schutzcharakters eines Naturschutzgebietes und nicht zuletzt angesichts des dominierenden kleinraumigen Charakters (50 ha bis unter 1 ha) sowie des geringen Flachenanteils (rund 1% der bundesweiten Landflache) festzuhalten. Die Gesellschaft sollte in der Lage sein, (wenigstens) fur derartig selektive Gebiete einen wirkungsvollen Schutz zu gewahrleisten. Z u r rechtlichen Moglichkeit vgl. Schuhmacher/FischerHuftle, BNatSchG § 23 Rn. 4 1 . Mindestvoraussetzung fur auBenwirksame Schutzverordnungen ist freilich zunachst eine stringente und bestimmte Formulierung des Schutzzweckes und der dafur notwen-

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Dem Schutzgegenstand der Erhaltung und Entwicklung der Lebensgemeinschaften und Lebensraume unterfallen auch Arten auf Sekundarbiotopen.84 Damit konnen natiirliche Diinenformationen gesichert werden, auch wenn sie urspriinglich kiinstlich zu Hochwasserschutzzwecken angelegt worden sind. Dies folgt an sich schon aus den geomorphologischen Prozessen, denen sie ausgesetzt waren und deren Teil sie sind. Taugliches Schutzobjekt ware zudem die sich im Laufe der Zeit auf ihnen entwickelte wildwachsende Vegetation. Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass NSG rechtlich umfassenden Schutz vor Veranderung, Zerstorung sowie vor nachhaltigen Storungen entfalten konnen. Damit kann einer Erhohung des Gefahrdungspotentials innerhalb der Gebietsgrenzen wirksam begegnet werden. Die weitreichenden Veranderungsverbote sind zugleich geeignet, naturschutzfachlich nicht angebrachte landwirtschaftliche Nutzungsanderungen, soweit in NSG iiberhaupt betrieben, zu verhindern.85 Extensiv genutzte, noch periodischen Uberschwemmungen ausgesetzte Salzgrasflachen konnen somit vor einer Umwandlung zur intensiven Gras- oder gar Getreidewirtschaft bewahrt werden.86 Grundsatzlich unzulassig sind ebenfalls KustenschutzmaBnahmen innerhalb und luvseitig der Schutzgebietsgrenzen. Kiistenschutzaktivitaten werden sich aber haufig als uberwiegende Grunde des Gemeinwohls nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 LNatG M-V darstellen, die Befreiungen von den naturschutzrechtlichen Beschrankungen rechtfertigen. Angesichts des hohen Schutzgrades muss der Befreiungsvorbehalt bei Naturschutzgebieten allerdings eng ausgelegt87 und in der Schutzverordnung einschrankend prazisiert werden.88 Ein instrumentelles Defizit des Naturschutzgebietes ist die Art der Errichtung, nicht in erster Linie in rechtlicher, sondern in koordinativer Hinsicht. Die mehr oder weniger einzelfallbezogene Ausweisung von Naturschutzgebieten lasst ein

digen Ge- und Verbote. Zu den hier bestehenden Defiziten siehe weiter unten in diesem Abschnitt. Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII, Rn. 37. BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76/80- NVwZ 85, S. 41 (41 f.), vgl. auch Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 43. Siehe nunmehr zu den Anforderungen an eine standortangepasste Bewirtschaftung § 5 Abs.4 5. SpStBNatSchG. Das vesteht sich eigentlich von selbst, unabhangig welche Befreiungsmoglichkeit begehrt wird. So etwa die optimistische Beurteilung des Befreiungsvorbehaltes noch nach § 31 BNatSchG von Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 180, als ,,nahezu unuberwindlichen Planungsleitsatz". Die Verwaltungspraxis sieht hingegen anders aus, vgl. die bei Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 65 (Vorauflage) und Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 43 genannten Defizite. Gesetzliche Defizite, wie das allgemeine Betretungrecht nach Art. 7 Abs. 3 S. 2 BayNatSchG, verstarken diesen Befund. Den durch ungerechtfertigte Ausnahmen bedingten ,,schleichenden Funktionsverlust" beklagt der SRU bereits im Umweltgutachten 1987, BTDrs. 11/1568, Rn. 1238. Zu Nachweisen aus Schutzgebietsverordnungen siehe 3. Kapitel § 10 A. IV. 3.

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schliissiges, auf das Landesgebiet bezogenes Gesamtschutzkonzept vermissen.89 Die Landschaftsplanung kann hier zwar fachlich koordinativ wirken und die Voraussetzungen fur ein an okologischen Kriterien orientiertes zusammenhangendes Schutzsystem schaffen. Die rechtswirksame Errichtung und Ausgestaltung ist allerdings immer noch maflgeblich von anthropogenen Nutzungsinteressen abhangig.90 In Folge dessen regiert oftmals der Zufall, ob sich bei der konkreten Festsetzung der Schutzgebiete tatsachlich die okologische Wertigkeit durchsetzt. Gegenwartig ergeben sich weitere Defizite aus der Formulierung der Schutzverordnungen selbst. Die Zustandsanalyse existierender Verordnungen hat gezeigt, dass als Schutzguter iiberwiegend Biotopkomplexe, Landschaftstypen oder vergleichbare Kategorien angegeben werden, wobei eine Zuordnung haufig nicht eindeutig erfolgen kann, da es an der Aktualisierung alterer Schutzgebietsverordnungen mangelt oder ungenaue wissenschaftliche Bezeichnungen Verwendung finden.91 Die in den Verordnungen verankerten Ge- und Verbote zeichnen sich dariiber hinaus durch Defizite im Hinblick auf Formulierung und Schutzzielbezogenheit aus.92 Dazu gehoren insbesondere unbestimmte Defmitionen von Einschrankungen der Land- und Forstwirtschaft sowie der Jagd.93 Gerade schutzzweckrelevante Regelungen zur Landwirtschaft fehlen haufig, mit dem Ergebnis, dass z.B. der schutzzweckunvertragliche Einsatz anorganischer Diingemittel auf Feuchtwiesen oft erlaubt bleibt.94 Problematisch stellt sich zudem die oftmals vorherrschende Kleinraumigkeit95 und der nur sehr geringe Flachenanteil96 am Kiistenbereich dar. Nicht zuletzt deshalb sind NSG trotz positiver rechtlicher Ansatze97 wohl lediglich begrenzt geeignet, vorsorgende Kiistenschutzstrategien auf der Flache zu unterstiltzen. Perspektivisch scheinen einige der Defizite iiberwindbar. Filr eine Aufwertung der Gebietskategorie konnen die diskutierte Anpassung der Schutzstandards an die international anerkannten IUCN-Richtlinien sowie die bundeseinheitliche Defmi89

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So im Ergebnis auch Scheurlen, Situationsanalyse, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 139. Ahnlich SRU, Jahresgutachten 2000, BTDrs. 14/3363, Rn. 338 und BTDrs. 14/6378, S. 66 f. Kritisch auch Niederstadt, Okosystemschutz, S. 158. Scheurlen, Situationsanalyse, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 138 f. Dies ist als ein Grand fur den ,,schleichenden Funktionsverlust" anzusehen, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 128. Ausftthrlich Scheurlen, Situationsanalyse, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 139 f. Kritisch auch Kolble, Instrumente, in: FS Ernst, S. 267 f. Scheurlen, Situationsanalyse, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 140. D a s Problem der zu geringen GroBe der Gebiete steht in Mecklenburg-Vorpommern nicht im Vordergrund. In Mecklenburg-Vorpommern mit 2,94% (nach Rabius/Holz, Naturschutz in M - V , S. 209) der Landflache immerhin fast das dreifache des Bundesdurchschnitts, gleichwohl fur einen flachenhaften Schutz selbstverstandlich vollig unzureichend. Vgl. dartiber hinaus auch die Zahlen in Fn. 82. So ist z.B. die Kleinraumigkeit ein ausschlieBliches Vollzugsproblem.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

317

tion von Mindestniveaus hilfreich sein.98 Zukunftig lasst auch die in § 3 BNatSchG verankerte Pflicht zur Schaffung eines Biotopverbundsystems auf mindestens 10% der Flache" eines Bundeslandes Anderungen in koordinativer Hinsicht erhoffen. Das Verbundsystem soil der Verinselung von Schutzgebieten entgegenwirken100 und der nachhaltigen Sicherung heimischer Arten, Populationen und Lebensraume durch die Errichtung eines Netzes von Kern- und Verbindungsflachen sowie Verbindungselementen dienen. Kernflachen sind Bereiche, die durch ihre Naturraumausstattung geeignet sind, Arten, Biozonosen und Lebensraume nachhaltig zu sichern.101 Verbindungsflachen und -elemente sollen Wechselwirkungen zwischen den Kernflachen gewahrleisten und so Austauschund Wanderungsprozesse ermoglichen.102 Obgleich § 3 BNatSchG noch Fragen offen lasst,103 statuiert der funktionale Ansatz im Ergebnis den Auftrag an die Lander, isolierte NSG wieder in das okologische Gesamtsystem einzubinden.104 Da der Kiistenbereich als klassischer Vernetzungsraum anzusehen ist, ergeben sich hier nicht zu iibersehende Impulse zur Erganzung bestehender Schutzgebiete und damit der Minimierung von Eingriffen im direkten Ktlstenstreifen. Letztlich diirften damit positive Effekte auch auf die Begrenzung des Risikopotentials und die Reduzierung von KustenschutzmaBnahmen einhergehen. Die wohl nachhaltigsten Impulse lassen sich immer noch aus dem Netz Natura 2000 herleiten. Die Mitgliedstaaten werden erstmals zu Errichtung von koharenten Schutzgebieten mit definierter Schutzqualitat gezwungen.105 Da die Gebietsabgrenzungen nur rein naturschutzfachlichen Kriterien entsprechen diirfen, ergeben sich Chancen zu okologisch sinnvolleren Grenzziehungen der Naturschutzgebiet e 106 Y)ies dtirfte insbesondere ftlr kleiraumige Gebiete von Bedeutung sein. Unterstiitzend wirkt gleichfalls der den FFH-Gebieten immanente Schutz vor Storun98 99 100

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So Scheurlen, Situationsanalyse, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 145. SRU, Sondergutachten 1985, BTDrs. 10/3613, Rn. 1215 ff. Zur Notwendigkeit hier gegenzusteuern: SRU, Jahresgutachten 2000, BTDrs. 14/3363, Rn. 338. Weitere Nachweise bei Szekely, Biotopverbundsysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 50 f. BTDrs. 14/6378, S. 67. BTDrs. 14/6378, S. 66 f. Zum Beispiel die rechtliche Schutzintensitat der Gebietssicherung. Landschaftsschutzgebiete etwa durften hier nur eingeschrankte Wirkungen entfalten. Zu den Defiziten siehe 3. Kapitel § 10 A. IV. 2. Das Verbundsystem konnte z.B. das Netz Natura 2000 in qualitativer und quantitativer Hinsicht erweitern. Eine qualitative Erweiterung lage in der Integration von nicht unter die FFH-Richtlinie fallenden Arten und Lebensraumtypen in das Verbundsystem. Die quantitative Erweiterung bestunde in der Beriicksichtigung der Gebiete, die mit Arten und Lebensraumtypen von nationaler/regionaler Relevanz nach der FFH-Richtlinie ausgestattet sind, die jedoch wegen ihrer spezifischen Bedeutung keine Aufhahme in das Netz Natura 2000 fanden. Siehe dazu ausfiihrlich 3. Kapitel § 10 C. Balzer, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 152.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

gen von auBen. SchlieBlich sollte auch die Schaffung von verbindenden Landschaftselementen nach Art. 10 FFH-RL nicht ohne Folgen fur die Gebietsabgrenzungen sein.107 Indessen bleibt zu befurchten, dass bei und nach dem europaischen ,,Kraftakt"108, im Augenschein der Grundeigentumerinteressen,109 weitere Ausweisungen auch zukilnftig erheblichen Widerstanden ausgesetzt sind und daher politisch schwer durchsetzbar bleiben.110 Diese Einschatzung dtirfte insbesondere auf den Kiistenbereich zutreffen, da hier eine Vielzahl widerstreitender Interessen aufeinandertreffen, die zu erheblichen Nutzungskonflikten fuhren.111 Gleichwohl bieten sich NSG aufgrund ihres hohen Schutzniveaus neben Nationalparke grundsatzlich als primarer Ankniipfungspunkt fur die Errichtung des okologischen NetzesNatura2000an. 112 Eines bleibt jedoch deutlich: Letztlich lassen sich die unkoordinierten und unzureichenden Gebietsausweisungen sowie deren unzulangliche Schutzverordnungen auf gesellschaftliche Akzeptanzprobleme zuruckfuhren. Diese Defizite sind gerade bei Naturschutzgebieten nur dann anderbar, wenn den Interessen der Grundeigentiimer und denen anderweitig Betroffener gewichtige Argumente entgegengesetzt werden konnen, die ihre Legitimation aus elementaren menschlichen Interessen herleiten. Ob die Bezugnahme auf das Naturerbe hier Abhilfe schaffen kann,113 diirfte indes fraglich bleiben. Forderlicher scheint jedenfalls das partielle Ausweichen auf fachgesetzliche Schutzanordnungen, sofern diese vom entsprechenden Fachrecht gedeckt sind.114 Der Rtickgriff auf fachgesetzliche Schutzkategorien wurde die Belange kenntlich machen, die tatsachlich primar zur Unterschutzstellung gefuhrt haben und naturschutzrechtliche Akzeptanzprobleme vermindern.115. Insoweit sollten die Moglichkeiten einer vorrangigen Festsetzung mittels fachgesetzlicher Anordnungen mehr als bisher ausgeschopft werden und die Sicherung durch naturschutzrechtliche Gebietskategorien auf die Falle beschrankt bleiben, in denen ein Schutz tatsachlich durch naturschutzfachliche Erwagungen gerechtfertigt ist oder sich dieser als zusatzliche Sicherung anbietet.

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Baker, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 153. Der selbstverstandlich kein einmaliger ist, gleichwohl von den politisch Verantwortlichen oft so verstanden wird (oder werden mochte). Vgl. zutreffend Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 188. Zum Verhaltnis fb'rmlicher Unterschutzstellungen zu Art. 14 GG vgl. ausfuhrlich 5. Kapitel § 14 C. II. Sohnlein, ZUR 94, S. 287. Siehe schon 1. Kapitel § 1 B. Fisahn, Umsetzung, in: BBN, Leitbild, S. 195, unter Einschrankung einer Anpassung der Befreiungsmoglichkeiten. So jedenfalls Sohnlein, ZUR 94, S. 287. Zum Beispiel Trinkwasserschutz- und Uberschwemmungsgebiete, aber auch fachgesetzliche Betretungs- und Nutzungsbeschrankungen. Vergleiche schon 1. Kapitel § 2 C. a.E.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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2. Landschaftsschutzgebiete Landschaftsschutzgebiete (LSG) nach § 26 BNatSchG i.V.m. § 23 LNatG M-V sind wie NSG parzellenscharf abgegrenzte Flachen, die einem besonderen Schutzzweck dienen. Im Gegensatz zu Naturschutzgebieten nehmen sie in der Regel eine Vielfaches deren Flache ein. Ihr rechtliches Schutzregime ist im Vergleich zu dem der NSG jedoch weit abgeschwacht.116 Zustandig fur die Errichtung und Anderung von Landschaftsschutzgebieten sind in Mecklenburg-Vorpommern nach § 23 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LNatG M-V als untere Naturschutzbehorde die territorial zustandigen Landrate oder Oberbiirgermeister der kreisfreien Stadte.117 Die Errichtung mariner Landschaftsschutzgebiete erfolgt hingegen nach § 21 Abs. 2 S. 3 LNatG M-V durch die oberste Naturschutzbehorde, da innerhalb der Kustengewasser keine kommunalen Zustandigkeiten existieren118. Schutzzweck eines Landschaftsschutzgebietes ist die Erhaltung und Entwicklung119 des okologischen, asthetischen und erholungsmaBigen Gesamtwertes des betreffenden Gebietes.120 Als solches dient die Errichtung eines Landschaftsschutzgebietes in erster Linie dem Schutz der Kulturlandschaften.121 Daher sind land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Nutzungen iiber den Verweis des § 26 Abs. 2 auf § 5 Abs. 1 BNatSchG prinzipiell zulassig, aber auch einschrankbar122. Die vermutete Zielkonformitat ist insoweit widerlegbar.123 Obgleich als Schutzzweck ebenfalls die Erholungsfunktion des Gebietes in Betracht kommt,124 ist zu realisieren, dass die Erholungsnutzung an sich kein Anliegen des Landschaftsschutzes ist und daher auch innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes immer die Sicherung oder Wiederherstellung der Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes primares Anliegen bleiben sollte.125 Die die Leistungsfahigkeit des Naturhaushal-

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Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, §18 Rn. 84; Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 516; Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 46. Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 518. Czybulka, in: Manssen/Schtitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 518. Vgl. weiter Petersen, Kustenrecht, Rn. 110 f.; Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 693. Eine Inkommunalisierung als m5glich erachtend: Erbguth/Stollmann, DVB1. 95, S. 1271. Vergleiche dazu das wohl einschrankende Verstandnis von Wolff, NuR 98, S. 298. Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 26 Rn. 33. Czybulka, in: Manssen/Schtitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 516; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 68. Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 26 Rn. 48; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. \A\;Sanden, § 12 Rn. 43. Die Bedeutung dieser Nutzungsformen fur die Kulturlandschaft sind bei MaBnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen dem Wortlaut von § 15 Abs. 2 BNatSchG nur zu berucksichtigen, da § 2 Abs. 3 BNatSchG auch nur eine Berucksichtigung verlangt. Louis, BNatSchG, § 15 Rn. 14. Vergleiche § 26 I Nr. 3 BNatSchG und weiter Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 26 Rn. 30 ff. Hartmann, in: Steubing/Buchwald/Braun, Natur- und Umweltschutz, S. 447.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

tes beeintrachtigende Erholungsnutzungen kann daher nicht iiber das naturschutzrechtliche Instrument des Landschaftsschutzgebietes privilegiert werden. Die nach Intention des Schutzzweckes erlassenen Verbotstatbestande sind im Gegenzug zu denen im NSG nicht absoluter, sondern in der Regel nur relativer Natur. Es handelt sich folglich meistens um relative Veranderungsverbote mit Erlaubnisvorbehalt.126 Die Erforderlichkeit zur Festsetzung eines Landschaftsschutzgebietes ist bereits dann gegeben, wenn auf einer in den weiten Grenzen des § 26 Abs. 1 BNatSchG schutzwiirdigen Flache die zukiinftige Entwicklung mit einer Verordnung gesteuert werden soil, anstatt auf Nutzungsansprilche ausschlieBlich mit Hilfe der Eingriffsregelung reagieren zu miissen.127 Trotz der moglichen Vielzahl von Schutzzwecken und den daraus folgenden unterschiedlichsten Nutzungseinschrankungen wird durch das in § 26 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 23 Abs. 2 LNatG M-V enthaltene Verbot von Handlungen, die den Charakter des Gebietes verandern konnen, deutlich, dass der Hauptzweck eines Landschaftsschutzgebietes in der Bewahrung der typischen Gestalt eines Gebietes und einer dieser Pramisse entsprechenden Entwicklung liegt.128 Ein LSG dient daher auch der Konservierung oder konservierenden Entwicklung, jedoch unter Einschluss der menschlichen Nutzungen, die die Landschaft geformt haben und deren Produkt sie jetzt ist. Den Charakter konnen etwa landwirtschaftliche Nutzungswechsel verandern, die zu einer anderen Vegetationsart ftihren. Dementsprechend ist die Erstaufforstung von Nass-und Feuchtgebieten, insbesondere Niedermoor und Streuwiesen, als eine den Charakter des Gebietes verandernde MaBnahme in Landschaftsschutzgebieten grundsatzlich als unzulassig anzusehen.129 Dies gilt erst recht fur bauliche Vorhaben, die das typische Landschaftsbild oder das durch bereits bestehende Bebauung geschaffene Gesamtbild beeintrachtigen wilrden. Selbst der Wechsel der Baustoffart einer bestehenden Anlage kann unzulassig sein.130 Von besonderer Bedeutung ist, dass Landschaftsschutzverordnungen selbst nach § 35 Abs. 4 BauGB privilegierte bauliche Anlagen regeln und untersagen konnen.131 Somit waren sogar ortsgebundene Vorhaben unzulassig, sofern darin ein VerstoB gegen die Landschaftsschutzverord-

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Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 140; Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 516; Schmidt, R., Umweltrecht; § 6 Rn. 46. Carlsen/Fischer-Huftle, NuR 93, S. 314. Zum Charakter des Gebietes vgl. die ausfuhrliche Darstellung durch OVG Munster, Urteil vom 13.03.1991 - 7 A 486/89 - NuR 92, S. 346 (374). BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76/80 -NVwZ 85, S. 41 (41 f.). VGH Kassel, Urteil vom 29.03.1985 - 4 OE 18/83 - N u R 86, S. 79 (80). Vgl. auch die Zusammenstellung der Kasuistik bei Louis, BNatSchG, § 15 Rn. 10, 12, 13. Ahnlich Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 39. VGH Kassel, Urteil vom 20.06.1996 - 6 UE 1513/95 - NuR 97, S. 148 (149); Roeser, in: Schlichter/Stich/Driehaus/Paetow, BK, § 35 Rn. 73. Zu diesbeziiglichen Grenzen, wenn das gesamte Gemeindegebiet als LSG ausgewiesen ist: OVG Munster, Urteil vom 19.05.2004 - 7 A 3368/02 - NuR 04, S. 690 (693 f.).

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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nung zu sehen ist.132 Dabei sind auch generelle, d.h. repressive Verbote dann moglich, sofern der geschiltzte Landschaftsteil so beschaffen ist, dass die untersagten MaBnahmen, z.B. Bauvorhaben, in jeder denkbaren Ausgestaltung und Zweckbestimmung die Landschaft in nicht mit dem Schutzzweck zu vereinbarender Weise beeintrachtigen.133 Bundesweit stehen etwa 25%, in Mecklenburg-Vorpommern 23% der Landflache unter Landschaftsschutz. In Mecklenburg-Vorpommern unterfallt fast der gesamte Bereich der Aufien- und Binnenkuste dieser Schutzkategorie. Die damit verbundenen Schutzwirkungen konnen pauschal kaum bewertet werden, da dieser sich aufgrund der sehr vagen gesetzlichen Vorgaben maBgeblich nach der konkreten Schutzverordnung richtet. Die erschopfende Darstellung der daraus resultierenden Moglichkeiten fur Flachenfreihaltung und sonstiger Eingriffsminimierung wurde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Festzuhalten bleibt, dass sich fast der gesamte Kustenbereich auBerhalb geschlossener Ortschaften tatsachlich als ein Gebiet darstellen diirfte, welches die Tatbestandsmerkmale des § 26 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 LNatG M-V weitgehend erfullt. Die daraus resultierende naturschutzfachliche Wertigkeit sollte eine Ausweisung als LSG daher regelmafiig rechtfertigen konnen. Zu konstatieren ist, dass Landschaftsschutzgebiete prinzipiell in der Lage sind, das Gefahrdungspotential im Kustenbereich zu begrenzen. Das gilt primar fur die Verhinderung weiterer Siedlungstatigkeiten, sekundar aber auch fur risikopotentialerhohende, weil mit einer hoheren Wertschopfung verbundene, wesentliche Anderungen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsformen.134 Aufgrund des gegenwartigen Landwirtschaftsprivilegs sind positive Ansatze auf intensive Produktionsmethoden in potentiellen Uberschwemmungsgebieten allerdings nur begrenzt zu erwarten.135 Konkrete KiistenschutzmaBnahmen konnen, sofern die natiirliche Kustendynamik oder abhangige biotische Faktoren vom Schutzzweck erfasst sind, ebenfalls unzulassig sein. Allerdings dilrfte die Gemeinwohlklausel in § 66 Abs. 2 Nr. 2 LNatG M-V haufig erfullt sein, zumal im Rahmen eines Land-

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So BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 21.79 - DVB1. 83, S. 895 (895) = BRS 40, Nr. 242 fur Nassauskiesungen. Grundsatzlich BVerwG, Urteil vom 12.07.1956, - I C 81.51- BVerwGE 4, S. 57 (58 f.); VGH Mtlnchen, Urteil vom 01.08.1988 - 9 N 87.01708 -NuR 89, S, 182 (183); einschrankend OVG Munster, Urteil vom 13.03.1991 - 7 A 486/89 - NuR 92, S. 346 (346). Vgl. zur Frage von repressiven Verboten in LSG ausfuhrlich Carlsen/FischerHiiftle,NuR93,S. 316 ff. Dabei kommt Landschaftsschutzgebieten besonders auf Flachen, denen die fur die Ausweisung als NSG erforderliche herausragende Naturausstattung fehlt, Bedeutung zu, vgl. Bohm et al., Anforderungen, S. 230. So auch Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 240. Kritisch zur derzeitigen Praxis auch Bohm et al., Anforderungen, S. 230. Positive Ansatze sind durch die §§ 5 Abs. 2, 18 Abs. 2 BNatSchG zu erwarten, da die gute fachliche Praxis unter Okologischen Anspriichen praziser defmiert wird.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

schaftsschutzgebietes Befreiungstatbestande grundsatzlich nicht so restriktiv beurteilt werden konnen wie in Naturschutzgebieten. Grundlegende Defizite zeigen sich hauptsachlich im Rahmen der Umsetzung. Die rechtlichen MOglichkeiten, welche die Schutzkategorie LSG fur okologische Belange eroffnet, wurden in der Vergangenheit bei weitem nicht ausgeschopft.136 Trotz der Ausweisung als LSG ist die Gebietsentwicklung im Vergleich zu nicht geschiitzten Bereichen in vielen Fallen kaum beeinflusst worden.137 Haufig bieten Schutzverordnungen keine Handhabe gegen negative Veranderungen des Landschaftsbildes und des okologischen Potentials.138 Die Griinde fur diese unerfreuliche Bewertung aber ausschliefilich in den Formulierungen der Schutzanordnungen selbst, in unzweckmaBigen Ge- und Verboten sowie zu weitreichenden Ausnahmetatbestanden suchen zu wollen, griffe hingegen zu kurz.139 Die Ursachen liegen tiefer. Nicht zuletzt findet sich nur das in den Verordnungen wieder, was vom Verordnungsgeber politisch gewollt ist. Das LSG scheint fur die verantwortlichen Akteure auf Kreis- und Gemeindeebene eher der eigenen okologischen Gewissensberuhigung, als der Natur selbst zu dienen. Insofern kann die grofiflachige Ausweisung des Kustenbereichs als LSG nicht daruber hinwegtauschen, dass die tatsachlichen Effekte eher gering sind140 und sich die hehre Bezeichnung bei naherer Betrachtung allzuoft als Trugbild darstellt.141 Obwohl die gesetzlichen Vorgaben relativ unbestimmt ausfallen, ermachtigen sie zum ErlaB wirkungsvoller Schutzverordnungen, um das LSG als das zu etablieren, was es ist, namlich ein Schutzgebiet.142 Uberdies ist die Verwaltung verpflichtet, das mit der Bezeichnung geforderte gesetzliche Schutzniveau einzuhalten143 und nicht berechtigt, unter dem Schein klingender Begriffe Blendwerke zu 136 137 138 139 140

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Niederstadt, Okosystemschutz, S. 159. Im Ergebnis auch Carlsen/Fischer-Huftle, NuR93,S. 319. Darauf weisen Carlsen/Fischer-Huftle, NuR 93, S. 319 zutreffend hin. Nachweise bei Carlsen/Fischer-Huftle, NuR 93, S. 319. So aber Carlsen/Fischer-Huftle, NuR 93, S. 319, ahnlich Niederstadt, Okosystemschutz, S. 159. Wenngleich die erhofften Wirkungen in der Folge von Unterschutzstellungen als Landschaftsschutzgebiet haufig nicht eintraten, konnen selbst weiche Schutzverordnungen, die kaum iiber den normalen Schutz der Landschaft auBerhalb von Schutzgebieten hinausgehen, okologische Wirkungen nach sich ziehen. Die Landschaftsschutzverordnung ist fur die Verwaltung manchmal das einzige Mittel, den z.B. durch § 8 BNatSchG und § 35 BauGB vermittelten ubiquitaren Flachenschutz tiberhaupt oder effektiv durchzusetzen. Die Degradierung des Landschaftsschutzgebietes als Vollzugshilfe enttauscht gleichwohl und lasst Ruckschlusse auf die Wirksamkeit der normalen naturschutzrechtlichen Instrumente zu. Leider wird das Sein in diesem Fall nicht vom Schein bestimmt. Carlsen/Fischer-Huftle, NuR 93, S. 319 a.E. Siehe oben 3. Kapitel § 10 A. I. Zu beachten ist auch, dass Landschaftsschutzgebiete haufig als Pufferzonen fur Naturschutzgebiete fungieren. Daher besteht die Gefahr, dass die den Landschaftsschutzgebieten anhaftenden Defizite zugleich die Naturschutzgebiete in Mitleidenschaft ziehen.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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pflegen. Die fur die Landschaftsschutzgebiete zustandigen unteren Naturschutzbehorden, die Kommunalverwaltungen, nehmen in Mecklenburg-Vorpommern die Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege gemaB § 52 Abs. 2 S. 2 LNatG M-V als Pflichtaufgaben nach Weisung wahr, sie unterliegen damit der Fachaufsicht der obersten Naturschutzbehorde.144 Als solche sollte das Umweltministerium das notwendigen Schutzniveau einfordern. In Erfullung internationaler Ubereinkommen konnen Landschaftsschutzgebiete zukiinftig die Sicherung groflflachiger Bereiche ubernehmen,145 die nach keinem sehr strengen Schutz verlangen oder in denen ein mit Nationalparken vergleichbares Schutzregime aufgrund der Vorbelastungen nicht notwendig erscheint. In Betracht kommt auch die Sicherung groBraumiger Verbundflachen in Biotopverbundsystemen. Schwerpunkt konnte hier zunachst die konsequente Anwendung des Bauverbotes im AuBenbereich sein. Insoweit mogen risikobegrenzende Wirkungen im AuBenbereich durch Landschaftsschutzgebiete bereits heute realisierbar sein.146 Diese Aufgaben werden zukunftig ohne verbindliche Schutzstandards jedoch nicht zu losen sein.147 Das folgt schon aus den Vorgaben des europaischen Gebietsschutzes. Zur exekutiven Umsetzung von VRL und FFH-RL stehen nach § 33 Abs. 2 BNatSchG prinzipiell alle Schutzkategorien des § 22 Abs. 1 BNatSchG zur Verfugung. Fiir das europarechtlich geforderte Schutzniveau reicht das bisherige Verstandnis vom Schutzgehalt eines Landschaftsschutzgebietes nicht aus.148 Das gilt sowohl fur die Schutzintensitat als auch fur den nicht vorhandenen AuBenschutz.149 Andererseits folgt der europarechtliche Schutzstatus schon direkt aus den Regelungen der FFH-RL und des BNatSchG, und zwar unabhangig von nationalen Schutzkategorien.150 Wurde die Sicherung der Natura 2000 Gebiete mittels Landschaftsschutzverordnungen erfolgen, wiirde dies zu unterschiedlichen Schutzniveaus innerhalb der Kategorie LSG fuhren, was wiederum als unbefriedigende Losung angesehen werden muss.151 Letztlich schon deshalb erscheinen 144 145 146 147

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§ 53 Nr. 2 LNatG M-V. Zu denken ist etwa an die Feuchtgebiete gemaB Ramsar-Konvention sowie an das Berner und Bonner Ubereinkommen, vgl. dazu Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 214. Daruber hinaus sind Modellregionen fur die Anwendung der guten fachlichen Praxis in Land-, Forst- und Fischwirtschaft denkbar. Die Verpflichtung zu Mindeststandards ergibt sich etwa daraus, dass in MecklenburgVorpommern viele auf Internationale Vereinbarungen grimdene Schutzgebiete (z.B. Wismarbucht als Vogelschutzgebiet nach der VRL) lediglich als LSG geschiitzt sind. Fisahn, Umsetzung, in: BBN, Leitbild, S. 196. Siehe zu den europarechtlichen Auswirkungen auf Befreiungstatbestande Louis, DOV 99, S. 380 f. Zu den Anforderungen des europarechtlichen Gebietsschutzes vgl. ausfuhrlich 3. Kapitel § 10 C. III. Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 518. Spatestens die Sicherung der IBA-Gebiete nach der VRL als LSG (z.B. der Wismarbucht) zieht erhebliche Anforderungen an den materiellen Inhalt der Schutzverordnungen nach sich. Fisahn, Umsetzung, in: BBN, Leitbild, S. 195 f. Dies befreit selbstverstandlich nicht von richtlinienkonformer Umsetzung in nationales Recht. Fisahn, Umsetzung, in: BBN, Leitbild, S. 196.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Landschaftsschutzgebiete, legt man das bisherige Verstandis zugrunde, ftir die Sicherung der Gebiete des okologischen Netzes Natura 2000 kaum geeignet. 3. Nationalparks Die Schutzkategorie des Nationalparkes152 ist in Deutschland noch relativ neu. Ihr ging eine Empfehlung der IUCN aus dem Jahre 1969 voraus.153 MaBgebliches Gewicht und Bedeutung erlangte Idee und Rechtsinstitut bundesweit erst durch die Ausweisung von 14 GroBschutzgebieten, davon 5 Nationalparke, durch die DDR.154 In einer historischen giinstigen Stunde sicherte der DDR-Ministerrat wenige Tage vor dem Ende der DDR unter wesentlicher Mitwirkung von M. Succow diese Gebiete und brachte sie damit zum Zeitpunkt des Beitritts in die Bundesrepublik ein.155 Der nach Zahl und Flache groBte Anteil der Gebiete befindet sich heute in Mecklenburg-Vorpommern.156 Die Schutzverordnungen blieben nach Art. 9 Abs. 1 Einigungsvertrag als Landesrecht erhalten und wurden spater in das Naturschutzrecht der jeweiligen Lander integriert.157 In Mecklenburg-Vorpommern wurden die Schutzgebietserklarungen gemaB § 75 LNatG M-V inkorpiert, allerdings mit der MaBgabe, dass die Verordnungen durch die oberste Naturschutzbehorde geandert werden konnen.158 Neue Nationalparke konnen nur noch durch Gesetz errichtet werden.159 Nationalparke sind ihrem Wesen nach NSG besonderer Art.160 Ziel ist eine okosystemiibergreifende okologische Unversehrtheit.161 Wichtige Tatbestandsmerk152 153

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Ausfiihrlich zur gesamten Schutzkategorie: Scharinger, Nationalparke, S. 37 ff. International Union for Conservation of Nature and Natural Resources, Bekanntmachung vom 06.01.1969, BAnz Nr. 3. Siehe auch Lorz/Muller/Stbckel, BNatSchG, § 24 Rn. 1. Stock, ZUR 00, S. 203 m.w.N.; Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 130. Siehe auch die differenzierte Aufstellung bei Louis, BNatSchG § 12, Rn. 14. Die mit der Einigung einhergegangene Bedeutungszunahme wird durch die noch auf das alte Bundesgebiet beschrankten Einschatzungen von Thurn, Natiirliche Gewasserfunktionen, S. 241 und Lorz, Naturschutzrecht, § 14 Anm. 4 (1. Auflage), deutlich, wonach Nationalparke in der BRD keine groBe praktische Bedeutung erlangen wurden. Auch gegenwartig noch zweifelnd Peters, Umweltverwaltungsrecht, Kapitel VII Rn. 38 a.E.; ahnlich Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 44. Czybulka, in: Manssen/Schtitz, Staats- und Verfassungsrecht, S. 515. Die Einbeziehung in den Einigungsvertrag erfolgt iiber Art. 3 S. 1 der Vereinbarung zur Durchftihrung und Auslegung des Einigungsvertrages vom 18.09.1990 (BGB1. II1990, S. 1293). Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 123. Ausfiihrlich zur Wirksamkeit der DDR-Schutzverordnungen im bundesdeutschen Recht: Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 8 ff. und Stock, ZUR 00, S. 203. Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 515. Kritisch zu dieser Regelung: Stock, ZUR 00, S. 203. Siehe die differenzierte Wertung bei Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 180 f. So auch Thurn, Naturliche Gewasserfunktionen, S. 241. Sanden, Umweltrecht, § 12 Rn. 41.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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male sind ihre GroBraumigkeit, das Erfullen der Voraussetzungen eines Naturschutzgebietes im ilberwiegenden Teil, der neu aufgenommene Prozessschutz162 und ein vom Menschen nicht oder nur unwesentlich beeinflusster Zustand.163 Insbesondere letzteres hat sich in der Vergangenheit allerdings als im besonderen Mafie problembehaftet fur die Errichtung neuer Nationalparke erwiesen. Obwohl der Begriff der Naturschutzes in § 1 Abs. 1 BNatSchG bereits schon rruher den Entwicklungsgedanken beinhaltete,164 bestand infolge der gerichtlichen Auslegung165 des § 15 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG die Notwendigkeit, auch die Entwicklungsfahigkeit hier noch einmal zu konkretisieren.166 Durch die Neufassung des § 24 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist nunmehr klargestellt, dass auch solche Flachen als Nationalpark ausgewiesen werden konnen, die zwar wesentlich beeinflusst sind, die aber geeignet sind, sich in einen Zustand zu entwickeln, der einen moglichst ungestorten Ablauf der Naturvorgange gewahrleistet. Bevorzugt sollen Nationalparke dem Schutz der von Natur aus in den vom Schutzzweck erfassten Okosystemen vorkommenden Arten im Sinne von Pflege, Entwicklung und Wiedereinbtirgerung167 dienen.168 Die GroBraumigkeit der Nationalparke, nach internationalem Standard wohl mindestens 1.000 ha,169 lasst Zo-

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Dazu: Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 131. Vergleiche § 24 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG. 164 Siehe 1. Kapitel § 2 C. und Stock, ZUR 00, S. 199. Zum Entwicklungsgedanken weiter Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG, § 1 Rn. 16 und, wohl einschrankend, Wolff, NuR 98, S. 298. 165 Rechtsprechung zum geplanten Nationalpark Elbtalaue: erstinstanzlich OVG Ltineburg, Urteil vom 22.02.1999 - 3 K 2630/98 - NuR 99, S. 470 ff. = ZUR 99, S. 156 ff. mit krit. Anm. Fisahn und BVerwG, Beschluss vom 10.09.1999 - 6 BN 1.99- NuR 00, S. 43 f. = ZUR 00, S. 224. 166 Vergleiche zur Kritik an o.g. Urteilen und zu friiheren Reformvorschlagen des § 14 BNatSchG a.F. den sehr instruktiven wie interessanten Beitrag von Fuchs, NuR 99, S. 446, insbesondere S. 448 f. Im weiteren Stock, ZUR 00, S. 198 ff. mit vorgeschlagener Neufassung des § 14 BNatSchG a.F. auf S. 210; Kolodziejcok, NuR 00, S. 251 ff.; Sanden, Umweltrecht, § 12 Rn. 41. 167 Die aus wirtschaftlichen Grtinden gleichwohl erheblichen Widerstanden ausgesetzt ist. Als Beispiel sei die in einem dreijahrigen Projekt vom BfN vorbereitete Auswilderung von Robben im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft genannt, die in letzter Minute am Widerstand der Fischereiwirtschaft scheiterte. 168 Kolodziejcok/Recken/Apfelbacher/Iven, BNatSchG, § 24 Rn. 43 ff. 169 Vergleiche zur GrOBe ausfuhrlich Scharinger, Nationalparke, S. 27 und dortige Fn. 10. Zur in der Literatur haufig angenommenen MindestgroBe von 10.000 ha siehe z.B. Schmidt, R., Umweltrecht, § 6 Rn. 44. In Deutschland sind 0,5 % der Landflache (168.200 ha) bzw. 2% des Geamthoheitsgebietes (Land und Kiistenmeer, 700.000 ha) als Nationalpark ausgewiesen, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 131 (und Rn. 66 der Vorauflage). Die Nationalparkflache in Mecklenburg-Vorpommern betragt insg. 142.300 ha bei einem Landanteil von 41.800 ha, vgl. tabellarische Ubersicht bei Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 126. 163

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

nierungskonzepte mit unterschiedlichen Schutzniveaus notwendig erscheinen.170 Zur Erfullung des Tatbestandsmerkmals nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG ist das tatsachliche Vorliegen der Voraussetzvmgen eines NSG, nicht dessen rechtlicher Schutz als NSG entscheidend.171 Gleichwohl sind diese Bereiche NSG-konform zu schiitzen.172 Sie werden als Kernzone I oder II gesichert. Obwohl Nationalparke keine wirtschaftliche Nutzungen bezwecken, sind in Kemzone II in der Regel Besucher zugelassen, in den Entwicklungszonen auch die dem Pflege- und Entwicklungsplan entsprechende wirtschaftliche BetStigung.173 Die Wirkungen der Nationalparke auf alternative Kustenschutzstrategien sind mit denen von Naturschutzgebieten vergleichbar. Weitreichende Impulse ergeben sich hingegen aus ihrer GroBraumigkeit. Dadurch konnen grofiere Kiistenabschnitte von Bebauung freigehalten und der natiirlichen Entwicklung uberlassen werden. KtistenschutzmaBnahmen sind in diesen Bereichen langfristig entbehrlich. Zudem verringern sich die Fernwirkungen bestehender Ktistenschutzanlagen auBerhalb des Schutzgebietes mit zunehmender Entfernung vom Einsatzort. Damit besteht die Moglichkeit, in Teilbereichen der Nationalparke die ungestorte und vom Menschen weitgehend unbeeinflusste Gesamtheit der geomorphologischen Prozesse zu erleben. Der Erhalt der natiirlichen Kiistendynamik ist in den Schutzverordnungen der beiden Nationalparke und in der des Biosparenreservates Siidost-Riigen als Schutzzweck174 festgeschrieben. So dient etwa der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gemaB § 3 NPVO175 der Sicherung und Forderung der Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes z.B. in Gestalt einer durch menschliche Eingriffe nicht gestorten Entwicklung der Oberflachenformen und der Lebensgemeinschaften natiirlicher Neulandbildungen und des Ablaufs der natiirlichen Prozesse in den Flachwassergebieten der Bodden. § 3 Abs. 1 Nr. 2 NPVO176 Jasmund bestimmt den ungestorten Ablauf der Naturprozesse einschliefilich den der Kusten-

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Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 515, Rabius/Holz, Naturschutz in M-V, S. 140, passim.; Hoppe/Beckmarin/Kauch, Umweltrecht, § 18 Rn. 82. Ausfiihrlich dazu Schumacher/Fischer-Hiiftle, BNatSchG, § 24 Rn. 22 ff.; Scherfose, Umsetzung, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 219 f. Schumacher/Fischer-Hiiftle, BNatSchG, § 24 Rn. 37. Kloepfer, Umweltrecht, § 11 Rn. 66 (Vorauflage). Czybulka, in: Manssen/Schiitz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 515. Zu den einzelnen Nutzungsregeln in den deutschen Nationalparken vgl. ausfuhrlich Scharinger, Nationalparke, S. 77 ff. Verordnung iiber die Festsetzung von Naturschutzgebieten und einem Landschaftsschutzgebiet von zentraler Bedeutung mit der Gesamtbezeichnung Biospharenreservat Sudost-Rugen vom 12.09.1990, GB1. der DDR vom 01.10.1990, SDr. 1471. Verordnung tiber die Festsetzung des Nationalparkes Vorpommersche Boddenlandschaft vom 12.09.1990, GB1. der DDR vom 01.10.1990, SDr. 1466. Verordnung ilber die Festsetzung des Nationalparkes Jasmund vom 12.09.1990, GB1. der DDR vom 01.10.1990, SDr. 1467.

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dynamik als Schutzzweck.177 Nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 NPVO Vorpommersche Boddenlandschaft ist es verboten, die Kiisten zu verandern. Darunter fallen auch KtistenschutzmaBnahmen. GemaB § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 NPVO Jasmund werden KiistenschutzmaBnahmen ausdrilcklich untersagt. Ausgenommen von den Verboten sind nach § 7 der jeweiligen Verordnung unaufschiebbare MaBnahmen zum Schutz der Bevolkerung und zur Abwehr von Gefahren fur Leib und Leben und dem Schutz erheblicher Sachwerte. Hier erfolgt durch die zeitliche und materielle Begrenzung eine recht wirksame Einschrankung der Ausnahmen auf Katastrophenfalle, die zumindest im unbewohnten GroBteil der Gebiete nicht zur Gefahrdungen von Menschenleben fuhren dilrften.178 Befreiungen konnen gemaB § 8 Nr. 2 beider Verordnungen im Einzelfall zugelassen werden, wenn iiberwiegende Griinde des Gemeinwohls dies erfordern. Kiistenschutzbedingte Befreiungen zugunsten benachbarter Ortschaften sind prinzipiell denkbar, waren allerdings nur im Leebereich des betreffenden Nationalparkabschnittes iiberhaupt erforderlich. Aus der restriktiven Formulierung wird deutlich, dass MaBnahmen innerhalb der Nationalparke nur bei entsprechender anderweitiger Unmoglichkeit der Sicherung zulassig sind. Die Beschrankung auf EinzelfallmaBnahmen macht deutlich, dass regelmaBig wiederkehrende KiistenschutzmaBnahmen,179 davon grundsatzlich nicht erfasst sind. Will man, dass die Ausnahmen nicht leerlaufen, werden die Befreiungsoptionen eng auszulegen sein und sich am Regelungsgehalt der strengen Ausnahmen orientieren miissen. Massive bauliche Anlagen, die dauerhaft wirken und im Widerspruch zu den Schutzzielen dergestalt stehen, dass sie diese wesentlich beeintrachtigen,180 konnen nur unter erhohten Voraussetzungen genehmigungsfahig sein. Zusammenfassend ist festzustellen, dass den Naturschutzbelangen im Kiistenbereich durch Nationalparke das im Verhaltnis von Intensitat und raumlicher Ausdehnung groBtmogliche Schutzniveau zukommt. Die in den untersuchten Nationalparkverordnungen enthaltenen Ausnahmen und Befreiungen sind rechtsstaatlich geboten und sollten bei konsequenter Durchsetzung die Schutzziele der Nationalparke nicht gefahrden konnen. Nationalparke stellen somit einen der wichtigsten Beitrage zur okologischen Entwicklung des Kustenraumes dar und unterstiitzen vorsorgende Kiistenschutzkonzepte ganz erheblich.

Schutzzweck des Biospharenreservates Sudost-Rtigen ist fur Naturschutzgebiete in der Kernzone nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 der Schutzverordnung die Sicherung der Eigendynamik der Naturprozesse. Der Begriff der erheblichen Sachwerte bedarf angesichts des strikten Schutzniveaus des Nationalparkes einer engen Auslegung. Zum Beispiel Sandaufspillungen auf Vorstrand, Strand oder gar Dtinen. Zum Beispiel Deichbauten oder Ufermauern in sensiblen Bereichen.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

B. Exkurs: Eingriffsregelung und gesetzlicher Biotopschutz /. Die Eingriffsregelung nach § 18 BNatSchG Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nach § 18 BNatSchG kann im Rahmen der Errichtung von Kustenschutzanlagen in erster Linie eingriffsminimierend wirken. Bei entsprechender Anwendung kommt durch die Biindelung verschiedener KompensationsmaBnahmen auch die Anlage von Retentionsraumen in Betracht.181 Hier konnten sich Flachenpoollosungen als hilfreich erweisen. Im IJbrigen wird vertreten, dass die Eingriffsregelung nur eingeschrankte Moglichkeiten zur Entwicklung vorbeugender Ktisten- und Hochwasserschutzstrategien bietet.182 Unabhangig von der tats&chlichen Bedeutung der Eingriffsregelung wtirde die erschopfende Darstellung dieses Themenfeldes den Umfang dieser Arbeit tiberdehnen. Angesichts deutlich gewordener Defizite der gangigen Verwaltungspraxis wird in dieser Arbeit lediglich die generelle Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auf die Unterhaltung von Kustenschutzanlagen problematisiert.'83

//. Der gesetzliche Biotopschutz nach § 30 BNatSchG Betrachtet man den gesetzlichen Biotop- und Geotopschutz, fallt zunachst auf, dass eine Vielzahl mariner und terrestrischer Kiistenlandschaften diesem Schutz unterfallen.184 Der auf den ersten Blick strikt anmutende gesetzliche Schutz ist gleichwohl durch weitreichende Ausnahmemoglichkeiten gekennzeichnet, die ahnlich dem Gebietsschutz nach nationalem Recht im Ermessen der zustandigen Behorden stehen.185 Innerhalb des gesetzlichen Biotopschutzes sind zunachst alle direkten und indirekten Einwirkungen unzulassig, die potentiell geeignet sind, zu erheblichen oder nachhaltigen Beeintrachtigungen der bezeichneten Biotope zu fflhren. Die Lage und Entstehung der Biotope ist unerheblich. Geschutzt sind neben den Kilstenbiotopen im AuBenbereich auch solche innerhalb bebauter Ortschaften, etwa im unbeplanten Innenbereich sowie Sekundarbiotope.186 Der Schutzumfang begrenzt grundsatzlich jegliche bauleitplanerische und fachplanerische Abwagungsentscheidung187.188 Von den landesrechtlich vorgesehenden Le181 182 183 184 185 186 187

Bohm et al, Anforderungen, S. 69. Bohm et al., Anforderungen, S. 68 f. Siehe dazu 6. Kapitel. Vergleiche 1. Kapitel § 3 C. und 6. Kapitel § 16 B. II. sowie zum Geotopschutz ausfuhrlich Fn. 2 f. Sohnlein, ZUR 94, S. 287. Schmidt- Mntsch, J., in: Gassner et al., BNatSchG, § 30 Rn. 7, 12. Fur die Bauleitplanung: OVG Greifswald, NuR95, S. 149 (151); fur die Fachplanung VG Schleswig, NuR 94, S. 408. Allgemein Schmidt- Mntsch, J., in: Gassner et al. , BNatSchG, § 30 Rn. 12. Dies wird auch durch die Streichung des alten § 5 VI BBauG von 1976 deutlich.

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gal- oder Einzelausnahmen aus iiberwiegenden Griinden des Gemeinwohls sind Hochwasser- und Kiistenschutzmafinahmen regelmaBig umfasst.189 In der Praxis durften sich daher alle Kiistenschutzmafinahmen, fur die sich, und das ist wohl der Regelfall, ein iiberwiegendes Gemeinwohlinteresse nach bundesdeutschem Verstandnis herleiten lasst, gegeniiber den Belangen des Biotopschutzes durchsetzen. Der gesetzliche Biotopschutz entfaltet hinsichtlich risikopotentialerhohender Planungen der Bauleit- und Fachplanung ein gewisses Schutzregime, welches sich bei entsprechender verfahrensmaBiger Ausgestaltung auf Berucksichtigungspflichten im Rahmen von Abwagungsentscheidungen reduzieren kann.190 Bei gebundenen Entscheidungen erfolgt eine Relativierung u.a. aufgrund der Anerkennung iiberwiegender Eigentiimerinteressen.191 Uber die Vermeidbarkeitsprufung als Inhalt von § 30 BNatSchG lasst sich im Rahmen der Entscheidung iiber konkrete Kilsten- und Hochwasserschutzmafinahmen eine Eingriffsminimierung erreichen, sofern weniger beeintrachtigende Planungsalternativen vorhanden sind.192

C. Europarechtlicher Gebietsschutz /. Das koharente okologische Netz Natura 2000 Aus der Erkenntnis, dass dem unvermindertem Riickgang zahlreicher wildlebender Tier- und Pflanzenarten nur mit europaweiten koordinierten Schutzmafinahmen begegnet werden kann, hat sich der Rat der Europaischen Union entschlossen, ein koharentes europaisches okologisches Netz besonderer Schutzgebiete unter dem Namen Natura 2000 zu errichten.193 Das okologische Netz soil durch die Ausweisung von Schutzgebieten und Vernetzungsraumen der Schaffung von

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Dies soil jedoch nicht im Rahmen fSrmlicher Planfeststellungsverfahren gelten. Die Konzentrations- und Substitutionswirkung (Vgl. dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 75 Rn. 6 f.; Busch in: Knack, VwVfG, § 75 Rz. 3 ff.; ferner Breuer, RdW 20 (77), S. 109.) des § 75 Abs. 1 VwVfG der planfeststellenden BehOrde erfasst alle sonstigen Genehmigungen, Ausnahmen und Befreiungen, so auch die Ausnahme nach § 20c Abs. 2 BNatSchG. Der gesetzliche Biotopschutz ware der bauleitplanerischen Abwagung dann zuganglich, wenn die von den Landern festzusetzenden Ausnahmen gemaB § 30 Abs. 2 BNatSchG in die Bauleitplanung integriert wurden. Vgl. dazu ausfuhrlich SchmidtRantsch, J., in: Gassner et al, BNatSchG, § 30 Rn. 12. Zum Verhaltnis BiotopschutzBauleitplammg allgemein Walter, Naftirschutz, S. 103 ff. Schmidt- Rantsch, J., in: Gassner et al., BNatSchG, § 30 Rn. 20. SieheFn. 188. Zum Verhaltnis des Gebiets- und Biotopschutzes zu Art. 14 GG vgl. ausfuhrlich 5. Kapitel § 14 C., insbesondere 5. Kapitel § 14 C. II. Siehe dazu VG Oldenburg, Beschluss vom 21.06.1996 - 3 B 1858/96 - ZUR 97, S. 89 (90) mit Anm. Burmeister. Praambel der FFH-RL, Nachweis im 1. Kapitel § 2 in Fn. 17.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Riickzugsraumen und dem genetischen Austausch dienen.194 Das Schutzgebietssystem besteht prinzipiell aus zwei Gebietskategorien. Darunter fallen die durch ein detailliertes Auswahlverfahren festgelegten Gebiete gemeinschaftlicher Bedeutung nach der FFH-RL einschl. der nach Art. 10 der Richtlinie zu schaffenden Vernetzungsraume sowie nach Art. 7 FFH-RL die nach der Vogelschutzrichtlinie195 ausgewiesenen Gebiete.196 Die FFH-RL kniipft wesentlich an das Berner Ubereinkommen197 an und erweitert dessen rechtliches Instrumentarium um das des Lebensraumschutzes.198 Die VRL ist als europarechtliche Adaption des Ramsar-Abkommens anzusehen.199 Fur alle in das Natura 2000-Netz aufgenommenen Gebiete haben die Mitgliedstaaten im Hinblick auf das Schutzziel nach Art. 2 FFH-RL sowohl rechtliche als auch adminstrative MaBnahmen zu treffen, um den giinstigen Erhaltungszustand der dort vorkommenden Lebensraume sowie der Tier- und Pflanzenarten sicherzustellen.200 Im Gegensatz zum nationalen Recht, wo die Ausweisung von Schutzgebieten im Ermessen der zustandigen Stelle steht, statuieren FFH- und VRL Ausweisungspflichten.201 MaBgebliche, den Schutzstatus auslosende Kriterien sind nach der FFH-RL die zu schtitzenden Arten nach Anlage II sowie Lebensraumtypen nach Anhang I der Richtlinie. Innerhalb der jeweiligen Anhange kann nach prioritaren und nichtprioritaren Arten und Lebensraumtypen unterschieden wer-

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Ausfuhrlich Freytag/Iven, N u R 95, S. 109 f.; Gellermann, N u R 96, S. 548; Ssymank et al., Natura 2000, S. 11 £; Rodiger-Vorwerk, FFH-Richtlinie, S. 1. Richtlinie 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 tlber die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, AB1. E G 1979 Nr. L 103 S. 1 ff.(VRL). Ausfuhrlich Ssymank et al, Natura 2000, S. 17 ff.; Czybulka, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 48. Ubereinkommen tlber die Erhaltung der europaischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natiirlichen Lebensraume vom 19.09.1979, BGB1. II 1984, S. 618. Wagner, J., N u R 90, S. 396 z u m Entwurf der FFH-RL; ferner Gebhard, N u R 99, S. 361. Czybulka, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 48, m.w.N. Im Gefolge der RamsarKonvention wurde in der BRD, anders als in der DDR, eine eigenstandige Kategorie ,,Geschiitztes Feuchtgebiet" nicht geschaffen. Der rechtliche Status der mit in dieser Form von der D D R geschtitzten Feuchtgebiete ist nach dem Beitritt aufgrund des Fehlens einer vergleichbaren Schutzkategorie im BNatSchG nicht unumstritten. Vgl. dazu ausfuhrlich Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 165; Zimmermann, Naturschutzarbeit in M-V, 1/95, S. 6, 9. Sanden, Umweltrecht, § 12 Rn. 29. Die Richtlinie verpflichtet damit schon wie die V R L die Gesetzgeber der Mitgliedstaaten zur legislativen Umsetzung der Richtlinieninhalte und die Verwaltung zur Ausweisung und z u m Schutz der fur Erreichung des Richtlinienziels notwendigen Schutzgebiete. Ausfuhrlich z u m Ausweisungsprozedere Freytag/Iven, N u R 95, S. 100 f.; Muller-Terpitz, N V w Z 99, S. 27. Ausdrilcklich Jarass, DOV 99, S. 666 f.

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den.202 An der sildostlichen Ostseekuste ist eine erhebliche Anzahl der in Anhang I aufgefuhrten ,,Lebensraume in Kilstenbereichen und halophytische Vegetationen" vertreten, davon auch einige prioritare Typen.203 Die geschtitzten Arten nach Anhang II beschranken sich in dieser Region auf Tierarten, primar auf den Fischotter, ferner auf Kammolch, Rotbauchunke, Kegelrobbe, Seehund und Schweinswal. Hinzu kommen Fischarten wie Lachs, Fluss- und Bachneunauge, Steinbeifier und Finte.204 Die Vogelschutzrichtlinie betrifft nach Art. 1 die Erhaltung samtlicher wild lebenden Vogelarten, die im europaischen Gebiet der Mitgliedstaaten heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt deren Nutzung.205 Diverse Arten der in Schutzgebieten zu schiltzenden Vogelarten nach Anhang I der VRL kommen im Ktlstenbereich als Brutvogel oder Durchziigler vor. Dementsprechend wurden in MecklenburgVorpommern bereits 1992 fiinfzehn groBflachige Naturraume mit insgesamt 11 % der Landesflache benannt, die bei der Europaischen Kommission notifiziert wurden.206 Die legislative Umsetzung der FFH-RL erfolgte in der Bundesrepublik verspatet207 in den §§ 19a ff. BNatSchG a.F., in Mecklenburg-Vorpommern durch die §§ 18,28 LNatG M-V. Eigentlich schon abgeschlossen sein sollten die Gebietsmeldungen208 an die Europaische Kommission; diese erfolgt bundeslandspezifisch, lief ilber mehrere Jahre sukzessive weiter und ist immer noch nicht abgeschlossen. Aus den gemeldeten Gebieten erstellt die Europaische Kommission eine Liste mit

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Wie in ganz Deutschland spielen auch in Mecklenburg-Vorpommern fur die Gebietsauswahl weniger die Arten nach Anhang II, sondern die geschtitzten Lebensraumtypen nach Anhang I die wesentliche Rolle. 203 Vergleiche dazu die Zuordnungen in Teil I 1. Kapitel § 3 C. 204 Vergleiche dazu schon 1. Kapitel § 3 C. I. 1. und Fricke, Fischarten, in: Petersen et al., Umsetzung der FFH-Richtlinie, S. 117 ff. 205 EuGH, Urteil vom 17.05.2001 -C-159/99 - (Kommission./.Italien), 2. Grund (Fundstelle in EUR-lex). 206 Die Gebietserklarung gegentiber der Kommission ist als vorbildlich zu bezeichnen, Defizite bestehen allerding noch im Hinblick auf den nationalen Schutzstatus. Vgl. dazu weiter Czybulka, in: Manssen/Schutz, Staats- und Verwaltungsrecht, S. 518; ders., Vorrangflachen, S. 22; Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 95 ff.; Zimmermann, Naturschutzarbeit in M-V, 1/95, S. 6 ff. mit tabellarischen Auswertungen zur Umsetzung der V R L in Mecklenburg-Vorpommern unter besonderer Berilcksichtigung des Ramsar-Ubereinkommens. 207 Die Umsetzungsfrist endete am 05.06.1994. Vgl. die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland durch den E u G H vom 11.12.1997 - Rs. C-83/97 - N u R 98, S. 194 wegen der legislativen Nichtumsetzung. Siehe auch Niederstadt, N u R 98, S. 516 u n d Ballschmidt-Boog, Ktlstenokosysteme, S. 180 f. 208 Innerhalb von drei Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie am 05.06.1992, also bis 04.06.1995. Weitere Vertragsverletzungsverfahren drohen, vgl. Spannowsky, U P R 0 0 , S. 4 1 .

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, die so schnell wie moglich, spatestens aber binnen sechs Jahren als besondere Schutzgebiete auszuweisen sind.209 Das Schutzgebietssystem bietet durch seine Komplexitat und das einheitliche, recht hohe Schutzniveau wichtige Impulse fur eine naturvertraglichere Entwicklung des Kustenraumes und die Etablierung vorsorgender Kiistenschutzstrategien. Fast der gesamte Kiistenbereich der sudostlichen Ostsee unterfallt den nach der FFH-Richtlinie zu schiitzenden Lebensraumtypen. Die fachlichen Voraussetzungen der Unterschutzstellung sind daher reichlich gegeben.210 Die dadurch gebotene Unterschutzstellung bietet die erfolgversprechendsten Ansatze zur nachhaltigen Flachenfreihaltung. Dies gilt nicht nur in den landwartigen, sondern auch in den marinen Bereichen der Kustenzone. Nach Art. 299 Abs. 1,4EGV gilt das Gemeinschaftsrecht im Hoheitsbereich der Mitgliedstaaten, so auch im Kustenmeer bis zu 12 sm, sofern der Mitgliedstaat es seiner Hoheit unterstellt hat.211 Gleiches gilt fur die AWZ in Bezug auf die Rechte, die den Kilstenstaaten durch das SRU zugewiesen sind.212 Insoweit beanspruchen FFH- und VRL auch in der AWZ Geltung.213 Die konsequente Durchsetzung des Schutzregimes an den Kiisten konnte weitraumige Begrenzungen des Risikopotentials bewirken, da die Errichtung neuer baulicher Anlagen in fast alien durch Natura 2000 geschtitzten Flachen zukiinftig nicht mehr moglich sein diirfte. Aufierdem kann von einer Minimierung konkreter Kiistenschutzanlagen ausgegangen werden. Der von der FFH-RL vermittelte AuBenschutz sollte gleichfalls die Zulassigkeit erosionsbeeinflussender Kustenschutzanlagen auBerhalb der Schutzgebiete beeinflussen.214 Die mit den Anlagen einhergehenden Beeintrachtigungen nicht nur in situ, sondern in entfernten Kustenabschnitten, zoge erstmals die Pflicht ganzlicher Neubewertung der bisherigen Konzepte und deren Ausrichtung auf nachhaltige Strategien nach sich. Entscheidende Faktoren fur den Bau und den Erhalt von Kiistenschutzanlagen waren dann nicht mehr ausschlieBlich die Finanzausstattung der 6'ffentlichen Hand, politische Zweckm&Bigkeiten und das technisch Machbare, sondern maBgeblich die Vereinbarkeit der MaBnahmen mit den naturraumlichen Gegebenheiten. Uberdies konnte sich die zwingende Vertraglichkeitsprufung als Planvorbehalt im Sinne eines IKZM zur 6'kologischen Steuerung von alien, das Schutzgebietssystem potentiell beeintrachtigenden Planen und Projekten entwickeln lassen. Inwieweit Natura 2000 die okologische Entwicklung des Kustenraumes und damit vorsorgender Kiistenschutzstrategien tatsachlich intensivieren kann, hangt freilich davon ab, unter welchen Voraussetzungen die Schutzgebiete auszuweisen 209 210 211 212 213 214

Vergleiche Art. 4 Abs. 2, 3, 4 FFH-RL. Siehe oben in diesem Abschnitt und 1. Kapitel § 3 C. Vergleiche dazu Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 11, m.w.N. Ausflihrlich zum Schutz des Kustenmeeres und der AWZ: Czybulka, N u R 99, S. 562 ff. Siehe erganzend 1. Kapitel § 2 A. Czybulka, N u R 0 1 , S. 19 ff. in der Analyse des London High Court, Urteil vom 05.11.1999-Az C O 1 3 3 6 / 1 9 9 9 - . Siehe Fn. 175 ff.

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sind und wie stark sich das Schutzregime nach Festetzung darstellt. Diese Arbeit widmet sich daher zwei Schwerpunkten. Ausgehend von der Bedeutung 6'kologischer Freiraume fur vorsorgende Kiistenschutzkonzepte soil zuerst die Rolle naturschutzfremder Planungen215 auf die Ausweisung der Schutzgebiete untersucht werden. Danach erfolgt die Beurteilung der durch FFH-RL und VRL vermittelten Schutzniveaus. Dazu wird untersucht, unter welchen Voraussetzungen Gebietsbeeintrachtigungen durch risikopotentialerhohende Plane und Projekte sowie durch Kustenschutzanlagen zulassig sein konnen.

//. Gebietsauswahl und -meldung 1. Normative Umsetzung In diesem Abschnitt soil gekart werden, welche Auswirkungen bereits existierende naturschutzfremde Planungen, z.B. Raumordnung und Bauleitplanung, auf Gebietsauswahl und Gebietsmeldung haben konnen. Die Kriterien fur Gebietsauswahl und -meldung von FFH-Gebieten richten sich materiell nach Art. 4 FFH-RL, die Ausweisung von Vogelschutzgebieten nach Art. 4 Abs. 1, 2 VRL216.217 Lediglich verfahrensrechtlicher Art sind § 33 BNatSchG und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen218.219 Zustandig sind die Bundeslander.220 Aus der Benehmensregelung des § 33 Abs. 1 S. 2 BNatSchG, welche die die Entscheidung iiber die Gebietsauswahl fur andere Fachbelange 6'ffnet, schlieBt eine Ansicht in der Literatur221, dass die Auswahlentscheidung an die Erfordernisse der Raumordnung gebunden ist. In Mecklenburg-Vorpommern statuierte § 28 Abs. 1 S. 2 LNatG M-V a.F. ausdrucklich eine Zielbeachtens- und Grundsatzberiicksichtigungspflicht nach MaBgabe des ROG.222 Wurde es sich bei der Ge215

Gegenstand sind hier nicht die im 2. Kapitel untersuchten Moglichkeiten raumordnerischer Risikopotentialverminderang, da eine Beeintrachtigung von FFH-Gebieten nach § 7 Abs. 7 S. 3 ROG durch solche Zielvorgaben nicht moglich sein diirfte. Vgl. dazu Runkel, NuR 98, S. 453; Hoppe/Spoerr, Bergrecht und Raumordnung, S. 81. 216 D a s ergibt sich a u s Art. 7 F F H - R L , der d i e ausgewiesenen Vogelschutzgebiete d e m Schutzregime des Art. 6 FFH-RL unterstellt, nicht aber den die Ausweisung regelnden Art. 4, 5 FFH-RL. So auch EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - R s . C-44/95 - {Lappel Bank) NuR 97, S. 36 (38). 217 Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 65; Spannowsky, UPR 00, S. 42; ders., in: Schon, EG-Naturschutzrecht, NuR 00, S. 146; Jarass, NuR 99, S. 487. 218 Z u m Beispiel § 28 L N a t G M - V . 219 Spannowsky, UPR 00, S. 42; ders., in: Schon, EG-Naturschutzrecht, NuR 00, S. 146. 220 vergleiche den Wortlaut § 33 Abs. 1 S. 1 BNatSchG; Spannowsky, UPR 00, S. 46; Miiller-Terpitz, NVwZ 99, 27 f. 221 Goppel, in: Schon, NuR 00, S. 147. Grundsatzlich auch Schink, NuR 01, S. 252; Spannowsky, UPR 00, S. 48f., 51; ders., in: Schon, NuR 00, S. 146. 222 Der Sinngehalt von d e m sich mit d e m Schutzgebietssystem beschaftigenden § 7 Abs. 7 S. 3 ROG betrifft allerdings nur die Wirkungen, die von den Schutzgebieten auf die Erstellung der Raumordnungsplane ausgehen, nicht hingegen die Wirkungen der Erfor-

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

bietsauswahl- oder meldung um raumbedeutsame MaBnahmen nach § 6 ROG handeln, kame auch gegenwartig die unbedingte Beachtenspflicht des § 4 Abs. 1 ROG in Betracht. Im Ergebnis wtirde die Gebietsauswahl und -meldung von den Erfordernissen der Raumordnung abhangig gemacht. Die Schutzgebiete konnten folglich nur dann der Europaischen Kommission ubermittelt werden, wenn die Flachen nicht bereits mit konkurrierenden Nutzungsanspriichen raumordnerisch belegt sind. Die Zulassigkeit raumordnerischer Bindungen (und Einflussnahmen durch andere Planungen, z.B. der Bauleitplanung) ware indes nur dann gegeben, wenn die Mitgliedstaaten andere als naturschutzfachliche Erwagungen in die Gebietsauswahl einbeziehen konnten oder ihnen anderweitig ein Auswahlermessen zusteht. Diese Frage ist fur die Durchsetzung alternativer Ktistenschutzkonzepte gerade im Hinblick auf die Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung von auBerordentlicher Bedeutung. Da zumindest in Mecklenburg-Vorpommern die Meldung der Vogelschutzgebiete bereits 1992 erfolgte,223 stellt sich diese Frage nunmehr vor allem fur die Auswahl der FFH-Gebiete.224

a. Konditionierung an Erfordernisse der Raumordnung? aa. Gebietsmeldung als raumbedeutsame Maflnahme ? In Untersuchung des Verhaltnisses von Raumordnung und Gebietsmeldung ist zunachst danach zu fragen, ob es sich bei der nationalen Auswahlentscheidung um eine raumbedeutsame Planung oder MaBnahme nach § 3 Nr. 6 ROG handelt.225 Bei mangelnder Raumbedeutsamkeit wilrden jedenfalls die Bindungswirkungen aus § 4 ROG und daraus resultierende Konflikte entfallen. Allerdings sind naturschutzrechtliche Unterschutzstellungen regelmaBig als raumbedeutsame MaBnahmen zu klassifizieren.226 Ebenso wird man der Errichtung des okologischen Netzes Natura 2000 als Ganzes raumbedeutsame Wirkungen nicht ernsthaft absprechen konnen. Differenzierungen konnen sich jedoch aus dem gestuften Verfahren der Unterschutzstellung, das sich in Auswahl der Gebiete, Meldung an die Kommission, Aufhahme in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung und eigentliche Unterschutzstellung gliedert, ergeben. Auf den ersten Blick konnte man zunachst die Gebietsauswahl und die anschlieBende Meldung an die Europaische Kommission als raumbedeutsame MaB-

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dernisse der Raumordnung auf die Gebietsauswahl. Damit erfolgt trotz Verweis auf das ROG keine bundesrechtliche Modifizierung der landesrechtlichen Bindung an die Erfordernisse der Raumordnung. Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 48. Und zwar mit einer hoheren Intensitat, als es die lange verstrichenen normativen und administrativen Umsetzungsfristen an sich erwarten lieBen. Die Gebietsmeldung hatte bereits bis spatestens 10.06.1995 abgeschlossen sein mtissen, vgl. dazu den Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. 67, 7 1 , 220/99, Rn. 135. Ausfuhrlich zur Raumbedeutsamkeit 2. Kapitel § 7 A. II. 1. und 3. Kapitel § 9 B. IV. Siehe schon 3. Kapitel § 10 A. III.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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nahme begreifen.227 Fur eine Raumbedeutsamkeit der Gebietsmeldung jedenfalls spricht die Bindung, die der Mitgliedstaat durch die Meldung eingeht. Denn nach Meldung der FFH-Gebiete228 hat der Mitgliedstaat aus der europarechtlichen Pflicht, den Richtlinienzweck durch die Schaffung von Fakten nicht zu untergraben, wesentliche Beeintrachtigungen der Gebiete zu unterlassen.229 SchlieBlich hat der Mitgliedstaat durch die Meldung der Gebiete die besondere Wertigkeit im Hinblick auf das okologische Netz Natura 2000 anerkannt und sich so einer Selbstbeschrankung zu unterwerfen. Wahrend des Zeitraumes zwischen erfolgter Aufhahme in die Kommissionsliste und Unterschutzstellung kommt das Schutzregime der Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL durch Art. 4 Abs. 5 FFH-RL zum Tragen. Insoweit wilrden der Gebietsmeldung wesentliche raumbedeutsame Wirkungen zukommen. Moglicherweise treten die mit der Gebietsmeldung verbundenen Wirkungen aber schon vor der Meldung an die Kommission ein. Die Meldung hatte dann lediglich deklaratorischen Charakter und konnte keine Raumbedeutsamkeit begriinden. Dies ware dann der Fall, wenn bereits die Gebietsauswahl raumbedeutsame Effekte nach sich zieht. Dies ist jedoch kaum anzunehmen. Der innerstaatlichen und verwaltungsinternen Notifikation der fur die Meldung in Frage kommenden Gebiete diirfte kaum das fur eine MQglichkeit der Raumbeeinflussung notige Gewicht beizumessen sein. Raumbedeutsame Wirkungen konnten allerdings schon im Vorfeld der Auswahlentscheidung auftreten. Dies ware denkbar, wenn die Gebiete ihre mafigeblichen Rechtswirkungen direkt aus den Richtlinien, unabhangig vom mitgliedstaatlichen Handeln, herleiten konnten. Hier gilt es zu differenzieren. Gebiete, die die fachlichen Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 1 VRL erflillen und fur die Koharenz des Netzes unverzichtbar sind, entfalten als faktische Vogelschutzgebiete die Schutz- und Erhaltungspflichten nach Art. 4 Abs. 4 VRL.230 Die mit formlichen Schutzausweisungen verbundenen AuBenwirkungen und die daraus resultierenden raumbedeutsamen Effekte entwickeln faktische Vogelschutzge227

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Durchaus auch auf den zweiten Blick: So jedenfalls Runkel, in: E r b guth/Bielenberg/Runkel, ROG, K § 4 Rn. 9; H A M K R O , DVB1. 99, S. 970. Im Ergebnis ahnlich Spannowsky, U P R 00; S. 47; Goppel, in: Schon, N u R 00, S. 147; Schink, N u R 0 1 , S. 253. A.A. Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6. Und vor Aufhahme in die Kommissionsliste. Fur die Anwendung des Schutzregimes von Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL (bzw. analog § 34 BNatSchG) in diesen Fallen: Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 72 f.; Schink, GewArch 98, S. 48; Erbguth, N u R 00, S. 136; Niederstadt, N u R 98, S. 519 ff.; Iven, N u R 96, S. 376. Einschrankend Rengeling, U P R 99, S. 285 f. Siehe auch Fn. 250 ff. Das Schutzsystem nach § 33 Abs. 5 BNatSchG greift direkt hingegen erst mit Bekanntmachung der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung im Bundesanzeiger, also nach Erstellung der Gebietsliste durch die Europaische Kommission. EuGH, Urteil vom 02.08.1993 - R s C 3 5 5 / 9 0 - (Santoiia) N u R 94, S. 521 (522) = Z U R 9 4 , S. 305; ebenso Erbguth, N u R 00, S. 136; Spannowsky, U P R 00, S. 46; Fischer-Hiiftle, ZUR 99, S. 7 1 ; Schink, GewArch 98, S. 47; Gellermann, N u R 96, S. 549; Louis, D O V 99, S. 374; Zeichner, N V w Z 99, S. 33. Differenzierend Iven, N u R 96, S. 380. Ablehnend Goppel, in: Schoen, N u R 00, S. 146.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

biete folglich aus sich selbst heraus. Die Benennung gegeniiber der Kommission dient im Wesentlichen nur der Erftillung der Ubermittlungspflicht aus Art. 4 Abs. 3 VRL, nicht hingegen der Sicherstellung des zukiinftigen formellen Schutzregimes. Dafur ist der Mitgliedstaat selbst verantwortlich, ein Ermessen der Kommission besteht nicht.231 Die raumbedeutsamen Wirkungen sind mithin nicht Folge der Gebietsbenennung oder der formlichen Unterschutzstellung, sondern schon primar Ausdruck der naturraumlichen Verhaltnisse.232 Da die Wirkungen von faktischen und ausgewiesenen Vogelschutzgebieten auf die Raumstruktur und -entwicklung im Wesentlichen vergleichbar sein durften und vor diesem Hintergrund kaum anzunehmen ist, dass ein und dieselbe Sache mehrfach konstitutive Raumbedeutsamkeit entfalten konnte, wird man weiteres raumbedeutsames Handeln der Mitgliedstaaten folglich als unmoglich bezeichnen miissen.233 Ahnliche Konstellationen entfalten sich bei FFH-Gebieten mit prioritaren Gebietsbestandteilen. Hier soil sich ein materieller Schutzstatus nach Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL allein daraus ergeben, dass bestimmte naturraumliche Gegebenheiten eine spatere Aufnahme in das okologische Netz nahelegen.234 So wird vertreten, dass die Erstarkung der Rechtsposition des Naturgebietes aus der Tatsache erwachst, dass die fachlichen Voraussetzungen des europaischen Rechts vorliegen, und zwar unabhangig von Richtlinienumsetzung und Kommissionsmeldung.235 Gleiches soil prinzipiell fur Gebiete gelten, die zwar keine prioritaren Arten oder Habitate beherbergen, die aber aufgrund wissenschaftlicher Kriterien auf der nationalen Liste verzeichnet sein sollten,236 zumindest aber Gebiete, denen national eine herausragende Bedeutung zukommt.237

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Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 17. Etwas anders kann n u r dann gelten, wenn sich der richtlinienkonforme formliche G e bietsschutz in materieller Hinsicht vom unmittelbar durch die Richtlinien vermittelten Schutzregime erheblich unterscheiden wiirde. Das erscheint angesichts der engen Richtlinienbindung allerdings eher unwahrscheinlich. 233 Diese Einschatzung korrespondiert mit dem eingeschrankten, auf rein fachliche Belange bezogenen Auswahlermessen bei der Meldung der Gebiete. Je kleiner sich der individuelle Entscheidungsspielraum im Rahmen der Gebietsmeldung darstellt, um so gewichtiger wirkt die Macht des Faktischen, d.h. der naturraumlichen Situation des Gebietes und desto geringer ist die mitgliedstaatliche Moglichkeit der EinfliBnahme auf die Anwendbarkeit des Natura-2000-Schutzregimes zu beurteilen. Vgl. zum Auswahlermessen 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. 234 Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR99, S. 72; Erbguth, NuR 00, S. 136; Rengeling, UPR99, S. 284 f. Die Moglichkeit potentieller FFH-Gebiete ganzlich ablehnend: Schink, GewArch 98, S. 47 f.; Gellermann, NuR 96, S. 550; HA MKRO, DVB1. 99, S. 971; Goppel, in: Schoen, NuR 00, S. 146. Einschrankend, aber im Ergebnis wohl ebenfalls ablehnend Iven, NuR 96, S. 380. Die Annahme potentieller FFH-Gebiete noch kritisierend: Zeichner, NVwZ 99, S. 33, 35. 235 Fur prioritare Gebiete: Czybulka, Voriiberlegungen, in: GS Jean'd Heur, S.96. 236 Weihrich, DVB1. 99, S. 1698, m.w.N. 237 So jedenfalls Erbguth, NuR 00, S. 136. 232

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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In Anerkennung potentieller FFH-Gebiete238 auch bei Nichtvorliegen qualifizierender Merkmale ist von einem generellen Verschlechterungsverbot auszugehen, dem alle Gebiete, die fur die Gebietsmeldung in Frage kommen, unterfallen.239 Nach Umsetzungsfrist folgt dieses aus der unmittelbaren Geltung240 hinreichend bestimmter Richtlinien gegeniiber den Tragern der offentlichen Verwaltung241 und mittelbar gegeniiber Privaten.242 Der Schutzstatus muss im Wesentlichen die Stringenz wie bei prioritaren FFH-Gebieten aufweisen und mit entsprechenden Vorwirkungen verbunden sein.243 Nur so kann sichergestellt werden, dass die Gebiete nicht durch MaBnahmen der Mitgliedstaaten dergestalt beeintrachtigt werden, dass ihre Aufhahme in das Schutzgebietssystem mangels qualitativer Ausstattung nicht mehr moglich ist. Ob eine Beschrankung des vorgezogenen Schutzes 238

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Die prinzipielle Moglichkeit potentieller FFH-Gebiete auch beim Nichtvorliegen prioritarer Merkmale zutreffend befflrwortend: BVerwG, Urteil v o m 19.05.1998 - 4 A 9.97 DVB1. 98, S. 900 = N o r d O R 98, S. 312 f. mit krit. Anm. Zeichner, N V w Z 99, S. 3 3 , 35. BVerwG, Urteil v o m 27.01.2000 - 4 C 2 . 9 9 - Z U R 00, S. 331 (333); BVerwG, B e schluss vom 24.08.2000 - 6 B 23.00 - N u R 0 1 , S. 382 (384); V G Oldenburg, Beschluss v o m 26.10.1999 - 1 B 3319/99 - N u R 00, S. 398 (402); ahnlich O V G Bremen, Urteil v o m 05.10.2000 - 1 D 4 7 2 / 9 9 - N o r d O R 0 1 , S. 77 (81). So auch Fischer-Huftle, Z U R 99, S. 72 und Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 197; Gellermann, Natura 2000, S. 55 f. Grundsatzlich so auch Hoppe, U P R 99, S. 427. Ahnlich Czybulka, Vorrangflachen, S. 4 2 f. Ablehnend Rengeling, U P R 99, S. 283. Einschrankend Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 72; Kochenburger/Estler, U P R 0 1 , S. 56. Differenzierend Ewers, N u R 00, S. 364. Im Ubrigen siehe z u m Meinungsstand auch Fn. 234. Erbguth,NuR 00, S. 136. Siehe dazu BVerwG, Urteil v o m 19.05.1998 - 4 A 9 . 9 7 - DVB1. 98, S. 900 = Nord O R 98, S. 312 f. Den Schutz auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist nur aus dem Gebot der Vertragstreue herleitend und eine unmittelbare Richtliniengeltung verneinend: ausdrucklich Rengeling, U P R 99, S. 285; ahnlich wohl auch Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 269; Erbguth, N u R 00, S. 137. EuGH, Urteil vom 11.08.1995 - R s . C-431/92- (Grofikrotzenburg) NuR 96, S. 102 (104). Siehe auch zustimmende Anm. Iven, NuR 96, S. 105. Ebenso Gassner, NuR 99, S. 82; Fischer-Huftle, ZUR 99, S. 71 f.; Louis, Anm. zum Urteil des VGH Milnchen vom 14.06.1996 (Nachweis in Fn. 263), NuR 97, S. 361 (362); Freytag/Iven, NuR 95, S. 116; Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 100 f.; Gellermann, NuR 96, S. 556 f.; Schrodter, NuR 01, S. 9. Einschrankend Niedobitek, VerwArch 92 (01), S. 72 f. Die Richtlinienbindung trifft nicht nur die ilber die Zulassigkeit von Eingriffen in Natur und Landschaft entscheidenden Behorden, sondern neben alien staatlichen auch offentliche Aufgaben wahrnehmende private Vorhabentrager. Siehe dazu ausflihrlich Gellermann, Beeinflussung, S. 187, und Erbguth/Stollmann, DVB1. 97, S. 455 f. Die Vorwirkung kann nur dann entfallen, sobald alle offensichtlich in Frage kommenden Gebiete gemeldet wurden, zutreffend Fischer-Huftle, ZUR 99, S. 72. Im Ergebnis so wohl auch Rengeling, UPR 99, S. 283, in Bezug auf die weitere Existenz faktischer Vogelschutz- und potentieller FFH-Gebiete. Ausdrucklich Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 194 f. Erbguth, NuR 00, S. 136.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

auf ein blofies Zerstorungsverbot,244 das bis an die Grenze der Meldegeeignetheit reichen konnte,245 richtlinienkonform ist, darf bezweifelt werden.246 Es spricht viel dafiir, dass sich das Gebot der Vertragstreue des Art. 10 Abs. 2 (ex Art. 5) EGV i.V.m. Art. 249 Abs. 3 (ex Art. 189) EGV247 am materiellen Schutzstatus der nicht umgesetzten Richtlinien zu orientieren hat248 und insoweit fur alle Gebiete, die die fachwissenschaftlichen Meldekriterien erfullen,249 Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL zur Anwendung gelangen zu lassen.250 Dieses ist auch zumutbar, da die Vorwirkung 244

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So aber BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 1 8 . 9 9 - DVB1. 0 1 , S. 386 ff; ebenso Halama, N V w Z 0 1 , S. 509. D a v o n geht Schink, D O V 02, S. 52, aus. Kritisch auch Kirchhof, N u R O l , S. 666 ff.; Nebelsieck, Windenergieanlagen, S. 40; Mecklenburg, U P R 02, S. 128. Vergleiche dazu EuGH, Urteil v o m 18.12.1997 {Inter-Environnement-Wallonie) -Rs. C-129/96 - Slg. 1997 I S. 7411 (I 7449); BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 DVB1. 98, S. 900 = N o r d O R 9 8 , S. 312 f.; Spannowsky, U P R 98, S. 168. Siehe auch Gellermann, Natura 2000, S. 125 fff. SchlieBlich folgt eine solche Vorwirkung aus dem Grundsatz des venire contra factum propium. A.A. Koch, N u R 00, S. 377. Offen gelassen: E u G H , Urteil v o m 13.01.2005 - Rs. 117/03 {Miindung des Timavo) Rn. 25 ff. D e n n alle Gebiete, d i e diese Kriterien erfullen, sollen gemeldet werden, vgl. E u G H , Urteil vom 07. 12. 2000 - R s . C-371/98- {Severn-Miindung), Rn. 22, DVB1. 00, S. 1841 (1842) = ZUR 01, S. 78 (79) mit Anm. Maafi. Ausfuhrlich dazu auch der Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. C- 67, 71, 220/99. Ebenso Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 5, und Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 13. In dieser Richtung - aber unheitlich - nun auch BVerwG, Urteil vom 31.01.2002 4 A 15.01 - DVB1. 02, S. 993 und BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 - 4 A 28.01 -NVwZ 02, S. 1243 ff. Ebenso: Schlussantrag der Generalanwaltin Kokott vom 08.07.2004 in der Rs. 117/03 (Miindung des Timavo), Rz. 31. Die unmittelbare Geltung des Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFHRL wurde vom EuGH im Urteil vom 13.01.2005 zu o.g. Rechtssache unter Verweis auf den Wortlaut von Art. 4 Abs. 5 FFH-RL abgelehnt (Rz. 24). Allerdings stellte der EuGH unmissverstandlich fest, dass der Gebietsschutz der FFH-RL mit Vorwirkungen verbunden ist (Rz. 26 f.) und dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Gebiete, die als solche von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden konnten, angemessen zu schiltzen, um die Verwirklichung der mit der FFH-RL verfolgten Ziele der Erhaltung der naturlichen Lebensraume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen nicht zu gefahrden (Rz. 27). In diesem Zusammenhang erinnert der EuGH daran, dass die nationalen Listen alle Gebiete auffiihren mtissen, denen auf nationaler Ebene eine erhebliche okologische Bedeutung im Sinne der FFH-RL zukommt (Rz. 28). Angesichts der Auffassung der Kommission und der bisherigen Rechtsprechung (vgl. dazu Fn. 249 und die Darstellung im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. cc. (b)) ist davon auszugehen, dass diese Bedeutung fur alle Gebiete, die die fachwissenschaftlichen Kriterien des Anhangs III Phase 1 FFH-RL erfullen, zu bejahen ist. Wenn die Mitgliedstaaten nach o.g. Urteil daher verpflichtet sind, im Hinblick auf die Erhaltungsziele der FFH-RL fur alle Gebiete, die als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung bestimmt werden konnten und die in den der Kommission zugeleiteten nationalen Listen aufgefuhrt sind, geeignete Schutzmafi-

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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zeitlich bis zur Erstellung der Kommissionsliste begrenzt ist und die Mitgliedstaaten den Zeitraum bis dahin durch richtlinienkonformes Verhalten verkiirzen konnen. Wenn bei potentiellen FFH-Gebieten das Schutzregime des Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL, ahnlich wie bei faktischen Vogelschutzgebieten, unabhangig von Auswahl und Benennung allein durch die naturraumliche Gebietsausstattung ausgelost wird, kann von einer raumbedeutsamen Wirkung der Meldung wohl kaum ausgegangen werden. Die wesentlichen raumbedeutsamen Wirkungen werden damit durch die faktische Situation des Gebietes bestimmt und resultieren nur in geringem MaBe aus der Meldung.251 Uberdies spricht das der Kommission zustehende Auswahlermessen252 bei der Aufhahme in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung gegen eine Raumbedeutsamkeit der Gebietsmeldung. Erst mit der Aufhahme wird der Mitgliedstaat verpflichtet, die entsprechenden Gebiete nach Art. 4 Abs. 4 FFH-RL als besonderes Schutzgebiet dauerhaft und rechtswirksam zu sichern. Wollte man folglich auf die Schutzgebietserklarung abstellen, trifft aufgrund der strikten Bindung an die Kommissionsentscheidung im Ergebnis die Europaische Kommission durch Auswahl und nicht der Mitgliedstaat durch Benennung die raumbedeutsame Entscheidung.253 Unbeachtlich ist, ob die Kommission wirklich eine Auswahl trifft, oder ob sie, weil z.B. fur eine Auswahlentscheidung nicht gentigend Gebiete gemeldet wurden, alle Gebiete in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung ubernimmt.254 Entscheidend ist alleine die dann den Mitgliedsstaat treffende Unterschutzstellungspflicht.

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nahmen zur Wahrung der erheblichen okologischen Bedeutung zu ergreifen, heiBt das nichts anderes, als dass die daraus resultierenden Anforderungen an das materielle Niveau des vorgezogenen Schutzes im Wesentlichen denen von Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFHRL entsprechen durften, und zwar sowohl fur gemeldete wie pflichtwidrig nicht gemeldete Gebiete mit der Folge, dass mit o.g. Urteil eine wesentliche Abschwachung des hier beschriebenen Schutzniveaus nicht verbunden ware. Ahnlich Ewers, N u R 00, S. 365, indem er feststellt, dass der Charakter eines potentiellen FFH-Gebietes aus den objektiven Gegebenheiten und nicht aus der Beurteilung von Naturschutzbehorden folgt. In diese Richtung konnen auch die Uberlegungen des BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 1 8 . 9 9 - internet-document, Fundstelle bei http://lexetius.eom/2001/l/327, 1. LS und Abschn. 50, gedeutet werden. Bei nicht qualifizierten Gebieten oder prioritSren Gebieten, sofern die 5%-Grenze des Art. 4 Abs. 2 FFH-RL iiberschritten ist. Zutreffend insoweit Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6. Missverstandlich erscheint hingegen die Annahme, nur die pflichtwidrige Nichtmeldung bewirke die Gleichstellung mit Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung, die Meldung hingegen nicht. Die Wirkung der Meldung liegt in einer gesteigerten Verbindlichkeit und damit einem hoheren Schutzniveau, da der Mitgliedstaat den Wert der Gebiete anerkannt hat. Richtig ist allerdings, dass die mafigebliche Raumrelevanz weder aus der Meldung, noch aus der Nichtmeldung, sondern aus der den Gebieten innewohnenden naturschutzfachlichen Bedeutung erwachst. Vergleiche auch Fn. 334.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Irrelevant ist weiter, dass der potentielle Schutz lediglich Stillhalteverpflichtungen vermittelt, wohingegen erst die spatere meldungsbedingte Unterschutzstellung aktive Schutz- und Managementpflichten erzeugt. Derartige Unterschiede stehen der Annahme von raumbedeutsamen Effekten kraft unmittelbarer Richtliniengeltung nicht entgegen, weil insoweit raumbedeutsame Effekte auf zwei Ebenen eintreten, wobei die Raumbedeutsamkeit der einen Stufe nicht die Raumbedeutsamkeit anderen Ebene beeinflusst. Die Wirkungen von Stillhalteverpflichtungen konnen in der Tat gfinzlich andere sein, als solche aktiver Gebietspflege. Beeinflussen beide jedoch auf ihre (unterschiedliche) Weise die Raumstruktur und -entwicklung, wird man als Konsequenz beiden MaBnahmen Raumbedeutsamkeit i.S.v. § 3 Nr. 6 ROG zubilligen miissen. Nach alledem handelt es sich bei der Gebietsmeldung zwar um eine MaBnahme, die eine gewisse Raumrelevanz besitzen kann, die sich hingegen nicht als raumbedeutsame MaBnahme gemaB § 3 Nr. 6 ROG darstellt. Dies folgt maBgeblich aus dem Anknupfen des rechtlichen Schutzregimes an faktische Gegebenheiten. Bindungswirkungen aus § 4 ROG entfallen mithin. Gleichwohl kann der Gesetzgeber auch andere Planungen und MaBnahmen im Interesse der Einheitlichkeit der Planung dem Raumordnungsrecht unterstellen.255. Einschlagig waren hier die bereits genannte Benehmensregelung des § 33 Abs. 1 S. 2 BNatSchG und die Raumordnungsklausel in § 28 Abs. 1 S. 2 LNatG M-V a.F. Inwieweit nationale Normen, die Beachtens- oder Benehmenspflichten statuieren, vor VRL und FFHRL Bestand haben, Mngt jedoch vom Umfang des Beurteilungsspielraumes ab, der den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gebietsmeldung zusteht.256 bb. Wirkungen auf die Raumordnung

Obgleich die Gebietsmeldung in dieser Untersuchung nicht als raumbedeutsame MaBnahme eingeordnet wurde, ziehen die Schutzregime aus VRL und FFH-RL raumbedeutsame Wirkungen nach sich. Fraglich ist deren Bedeutung fur bereits existierende oder in Aufstellung befindliche Ziele der Raumordnung. In Anbetracht der generellen Bedeutungslosigkeit raumplanerischer Erfordernisse auf die Gebietsmeldung wird in der Literatur vertreten, dass fur Ziele der Raumordnung, die dem Schutz der Gebiete entgegenstehen, eine Anpassungspflicht an die Belange des Habitatschutzes besteht.257 Nach einer weitergehenden Auffassung sollen solche Ziele tendenziell abwagungsfehlerhaft entstanden und daher unwirksam sein.258 Dagegen steht die Ansicht, dass bestandskraftige widersprechende Ziele grundsatzlich nicht abwagungsfehlerhaft oder anpassungspflichtig seien, sondern ihre Wirkungen weiterhin in nachgeordneten Planungsentscheidungen entfalten.259

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So wird z.B. durch § 1 Abs. 4 BauGB die Zielbeachtenspflicht auf Bauleitplane ausgedehnt, unabhangig von deren Raumbedeutsamkeit. Siehe dazu sogleich. Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6. Erbguth, N u R 00, S. 136 f. mit Differenzierungen in Bezug auf einfache Meldegebiete. *, N u R 0 1 , S. 253.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

341

Die Losung konnte in einer differenzierten Betrachtung zu finden sein. Zielfestlegungen, die trotz Kenntnis der Belange des Habitatschutzes und einer notwendig werdenden Gebietsmeldung entgegenstehende Ziele formulieren, sind abwagungsfehlerhaft zustande gekommen und beziiglich der Gebietsmeldung unbeachtlich. Fur Ziele, die in Unkenntnis der Schutzanforderungen festgesetzt wurden, besteht eine Anpassungspflicht. Bis zur Anpassung konnen sie gegeniiber den zu meldenden Schutzgebieten keine Wirkung entfalten, da sie die gegenwartige Interessenlage nur unzureichend widergeben. Demgegeniiber ist von Anpassungpflichten des Habitatschutzes erst dann auszugehen, wenn sich Raumordnungsziele in Gestalt von tatsachlichen Vorbelastungen manifestiert haben.260 cc. Umfang des Beurteilungsspielraumes im einzelnen (a) Vogelschutzrichtlinie Im Rahmen der Ausweisung von Vogelschutzgebieten zum Schutz von Arten des Anhangs I der VRL ist mittlerweile weitgehend anerkannt, dass den Mitgliedstaaten nur sehr begrenzte Auswahlspielraume zustehen. Die Berucksichtigungsfahigkeit der in Art. 2 VRL genannten wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernisse bei der Gebietsauswahl wird verneint.261 Wirtschaftliche Erfordernisse sollen auch nicht als den Schutzzweck uberragende Gemeinwohlbelange klassifiziert werden konnen.262 Auch nach Inkrafttreten der FFH-RL miissen die Griinde nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, die Beeintrachtigungen gemeldeter Vogelschutzgebiete rechtfertigen konnen, bei der Meldung der Gebiete auBer Betracht bleiben.263 Im Ergebnis durfte es mit Art. 4 Abs. 1 S. 4 VRL daher nicht vereinbar sein, ornitho-

260 261

262 263

Siehe dazu 3. Kapitel § 10 C. II. 1. b. EuGH, Urteil vom 02.08.1993 - R s C 355/90- {Santona) NuR 94, S. 521 (522) = ZUR 94, S. 305 (305) mit Anm. Winter, S. 308 ff.; EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - Rs. C-44/95 - {LappelBank) NuR 97, S. 36 (37) in Konkretisierung des EuGH, Urteil vom 28.02.1991 (Leybucht) - R s C-57/89 - Slg. 1991, I 930 = NuR91, S. 249 (250) erwahnten Ermessenspielraumes. Insofern verdrangt die speziellere Norm des Art. 4 Abs. 1, 2 VRL die allgemeinere Vorschrift des Art. 2 VRL, vgl. auch Fisahn/Cremer, NuR 97, S. 270; Duppenbecker/Greiving, UPR 99, S. 173. EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - Rs. C-44/95 - {LappelBank) NuR 97, S. 36 (37). Auch nach Ablauf der (legislativen) Umsetzungsfrist der FFH-RL am 21.05.1994 richtet sich die Ausweisung von Vogelschutzgebieten weiter nach Art. 4 Abs. 1, 2 VRL, da Art. 7 FFH-RL nur Art. 4 Abs. 4 S. 1 VRL modifiziert. Vgl. EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - Rs. C-44/95 - (Lappel Bank) NuR 97, S. 36 (38); BVerwG, Urteil vom 19.05.1998-4 A 9.97 - NordOR 98, S. 309 (312). A.A. VGH Munchen, Urteil vom 14.06.1996 - 8 A 94.40125/40129 NuR 97, S. 45 (47 f.). Siehe dazu auch Anm. Louis, NuR 97, S. 361 (362 f.); ders., DOV 99, S. 375. Bemerkenswert ist die Feststellung des EuGH im Urteil vom 02.08.1993 - Rs C 355/90 - {Santona) NuR 94, S. 521 (522) = ZUR 94, S. 305 (305), dass ein Mitgliedstaat sowohl gegen die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 1 VRL durch die Nichtausweisung als auch gleichzeitig gegen Art. 4 Abs. 4 VRL verstoflen kann, indem eine Beeintrachtigung des Gebietes geplant wird.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

logiefremde Erwagungen in die Gebietsauswahl einzustellen.264 Dies gilt fur alle Gebietsarten, d.h. auch fiir die nach Art. 4 Abs. 2 VRL zu sichemden Gebiete fur Zugvogel265 und international geschiltzte Feuchtgebiete nach der RamsarKonvention266.267 Das grundsatzlich aus Art. 4 Abs. 1 VRL folgende Ermessen268 der Mitgliedstaaten, die zahlen- und flachenmaBig geeignetsten Gebiete269 auszuwahlen, bezieht sich demnach nicht auf die Gebietsauswahl, sondern nur auf die Auswahlkriterien zur Bestimmung der Gebiete. Der Beurteilungsspielraum ist folglich gleichzusetzen mit der quantitativen und qualitativen Bewertung der in Frage kommenden Flachen. Entsprechen die Gebiete dem Schutzzweck der VRL, besteht eine Ausweisungspflicht.270 BeurteilungsmaBstab fur die richtlinienkonforme Gebietsmeldung sind ausschlieBlich die von sachverstandigen Verbanden und der Europaischen Kommission erarbeiteten IBA-Listen271.272 MaBgeblich ist dabei nicht die Anzahl oder der Flachenanteil, sondern die Erfullung der Schutzerfordernisse, die an das gemeinschaftsweite Netz von Vogelschutzgebieten gekniipft sind.273 Zwingend sind daher die Flachen auszuweisen, die nach der fachlichen Gesamtwertung auch im Vergleich mit anderen Gebieten zu den arten-, zahlen- und flachenmaBig geeignetsten, d.h. zu den hochwertigsten gehoren.274 In alien anderen Fallen soil 264

265

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273 274

E u G H in standiger Rechtsprechung, zuletzt Urteil vom 07.12.2000 -C-374/98 - (Basses Corbieres) ZUR 0 1 , S. 75 (75 f.), mit Anm. Maafi, S. 80. Zutreffend schon Winter, N u R 92, S. 2 1 . Ebenso Iven, N u R 96, S. 374; Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 173; Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 270; Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 277. EuGH, Urteil vom 02.08.1993 - R s C 3 5 5 / 9 0 - (Santoha) N u R 94, S. 521 (523) = ZUR 94, S. 305 (306); EuGH, Urteil vom 11.07.1996 - Rs. C-44/95 - (Lappel Bank) N u R 97, S. 36 (37); Winter ZUR 94, S. 308; ders. Z U R 96, S. 254. So jedenfalls Winter, Z U R 94, S. 308; ebenso Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 277, 280 f. Zum Ganzen Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 280 f. Die drei Gebietsarten miissen selbstverstandlich nicht kumulativ vorliegen, vgl. Mauerhofer, a.a.O., S. 286. Der E u G H unterscheidet nicht zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum, die Begriffe sind hier dann auch synonym als tatbestands- oder rechtsfolgenseitiger Oberbegriff ,,Entscheidungsspielraum" zu verstehen. Siehe auch Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174. Ausfuhrlich zur besonderen Geeignetheit: Maafi, U P R 00, S. 126 ff. Der Mitgliedstaat kann insbesondere nicht eigene Schutzmafinahmen bestimmen, vgl. EuGH Urteil vom 19.05.1998 - R s C 3 / 9 6 - (Niederlande) N u R 9 8 , S. 538 (539) = Z U R 98, S. 141 (143); Iven, N u R 98, S. 529; Spannowsky, U P R 00, S. 43. Auflistung der Important Bird Areas. Die Listen werden vom EuGH in zunehmendem MaBe herangezogen, vgl. Urteil vom 07.12.2000 - C - 3 7 4 / 9 8 - Z U R 0 1 , S. 75 (76) mit Anm. Maafi, S. 8 1 . Iven, N u R 99, S. 529 f. Iven, N u R 98, S. 539. Maafi, N u R 00, S. 129. Insoweit enthalt Art. 4 Abs. 1 S. 4 V R L bereits eine Abwagung und ein entsprechendes Ergebnis: Die geeignetsten Gebiete zum Schutz der Anhang IArten sind auszuweisen, vgl. Winter, N u R 92, S. 2 1 .

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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eine Nichtausweisung nur dann in Betracht kommen, wenn die fraglichen Flachen einen so niedrigen Qualitatsstandard aufweisen, dass sie nicht mehr den arten-, zahlen- und flachenmaBig geeignetsten zugerechnet werden konnen.275 Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Mitgliedstaaten bei der Auswahl von Vogelschutzgebieten einer auBerst weitgehenden Ermessensreduzierung276 ausgesetzt sind, innerhalb der ausschlieBlich rein fachlich-ornithologische Kriterien Beriicksichtigung finden konnen. (b) FFH-Richtlinie Eine Koppelung der FFH-Gebietsmeldung wurde dann ausscheiden, wenn die strengen Anforderungen aus Art. 4 Abs. 1, 2 VRL auf Art. 6 Abs. 1, 2 FFH-RL iibertragbar waren. Fur eine Ubertragbarkeit spricht zunachst die parallele Struktur hinsichtlich des Richtlinienaufbaus, die sachlichen Auswahlvorgaben sowie die korrespondierendenRegelungsziele.277 Allerdings eroffhet das Prozedere der Gebietsauswahl in Anhang III der FFHRL ausdriicklich verschiedene Beurteilungsspielraume. Vereinzelt wird daher vertreten, die FFH-RL biete weitergehende Entscheidungsfreiheiten als die VRL.278 Fur die mitgliedstaatliche Auswahlentscheidung ist alleine Anhang III Phase 1 der FFH-RL entscheidend.279 Die dort festgelegten Kriterien enthalten aber ausschliefilich fachliche Vorgaben.280 Der Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten 275 276

277

278 279 280

EuGH, Urteil vom 18.03.1999 - R s C 1 6 6 / 9 7 - (Seine-Miindung) N u R 99, S. 501 (503); Spannowsky, U P R 00, S. 43. Im Urteil vom 07.12.2000 - R s . C - 3 7 4 / 9 8 - (Basses Corbieres) Z U R 0 1 , S. 75 (76), zieht der E u G H die ansonsten formelhaft gebrauchte Klausel des mitgliedstaatlichen Ermessens nicht mehr zur Entscheidungsfindung heran. In der Tat kann angesichts der Rechtsprechungspraxis des EuGH von einem Ermessen bei der Auswahlentscheidung von Vogelschutzgebieten, letztlich nochmals reduziert durch E u G H Urteil v o m 19.05.1998 - R s . C - 3 / 9 6 - (Niederlande) N u R 98, S. 538 (539) = Z U R 98, S. 141 (143), kaum noch die Rede sein. Vgl. dazu auch Maafi, Anm. zum Basses CorbieresUrteil, a.a.O. Zutreffend h e n , N u R 96, S. 376; ders., N u R 99, S. 530; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 65. Ebenso Bugiel, NordOR 99, S. 424; Rodiger-Vorwerk, FFH-Richtlinie, S. 34, 35 passim; Louis, D O V 99, S. 375. Ahnlich Gellermann, N u R 96, S. 549; ders., Natura 2000, S. 53 f.; Jarass, D O V 99, S. 666. So im Ergebnis ebenfalls die Europaische Kommission in: Gebietsmanagement, S. 13. Mittlerweile hat auch der E u G H die Nichtberiicksichtigungsfahigkeit anderer als naturschutzfachlicher Erwagungen festgestellt, vgl. EuGH, Urteil vom 07.11.2000 - Rs. C-371 /98 - (Severn-Miindimg oder First Corporate Shipping) DVB1. 00, S. 1841 (1842) = Z U R 0 1 , S. 78 (79) mit Anm. Maafi. Vergleiche z.B. Spannowsky, U P R 00, S. 47; M K R O , DVB1. 99, S. 970. Adressat von Anhang III Phase 2 der FFH-RL ist die Kommission. Rodiger-Vorwerk, FFH-Richtlinie, S. 36; Ssymank et al, Natura 2000, S. 23. Ein gewisser Spielraum in fachlicher Hinsicht erscheint notwendig, da die FFH-Richtlinie nicht nur wie die VRL selektiv den Vogelschutz bezweckt, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Wirbeltierarten und Lebensraume sichern soil. Aufgrund der differierenden naturraumlichen Voraussetzungen der Mitgliedstaaten konnen naturschutzfachliche

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

kann sich daher nur im Wesentlichen darauf beschranken, ob die Gebiete in fachlicher Hinsicht fur die Aufhahme in das Netz Natura 2000 in Frage kommen.281 Ergibt sich somit aus der fachlichen Beurteilung anhand der Kriterien des Anhangs III Phase 1 der FFH-RL, dass ein Gebiet diese Merkmale erfullt, ist es als zwingende Rechtsfolge zu melden.282 Nach Auffassung der Kommission haben die nationalen Gebietsmeldungen daher so umfassend wie moglich zu sein, um den Richlinienzweck zu erfullen.283 Die Kommission geht inzwischen so weit, dass eine Gebietsliste nur dann als vollstandig anzusehen ist, wenn fur ausgenommene Gebiete der Nachweis erbracht wurde, dass diese Gebiete die Erhaltung der von der Richtlinie erfassten Arten und Habitate nicht ermoglichen.284 In Konsequenz waren alle Gebiete zu melden, die sich positiv auf den Erhaltungszustand der zu schutzenden Arten und Lebensraume auswirken. Raum fur uber die Kriterien des Anhangs III Phase 1 der FFH-RL hinausgehende selbstandige Uberlegungen des Mitgliedstaates, etwa ilber die ortliche Belegenheit des Netzes und dessen Verknupfungspunkte, verbleibt dann nicht mehr.285

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Differenzierungen notwendig werden. Lediglich diese soil der Beurteilungsspielraum in A n h a n g III der F F H - R L gewahren. Damit andert sich hingegen nichts an d e m nur fachlich gewahrten Spielraum. Winter, N u R 97, S. 268. O b insoweit noch von einem Raum fur eine fachliche Beurteilung in einer gewissen Bandbreite, w i e v o m BVerwG, Urteil v o m 19.05.1998 - 4 A 9.97 - DVB1. 98, S. 900 = N o r d O R 98, S. 312 f. u n d von BVerwG, Beschluss v o m 24.08.2000 - 6 B 23.00 - N u R 0 1 , S. 382 (384), unterstellt, ausgegangen werden kann, erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung des E u G H Urteil vom 07.11.2000 - Rs. C - 3 7 1 / 9 8 - {Severn-Mundung), Rn. 22, Nachweis in Fn. 277, u n d insbesondere des Schlussantrages des Generalanwalts Leger v o m 03.05.2001 in d e n R s . C-67, 7 1 , 220/99, Rn. 114, iiberaus fraglich. Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 5. So auch Gellermann, Natura 2000, S. 34, wenn von der Meldung aller denkbaren FFH-Gebiete gesprochen wird. Ausdriicklich Generalanwalt Leger im Schlussantrag v o m 03.05.2001 zu den Rs. 67, 7 1 , 220/99, Rn. 111 f., 114, unter Bezugnahme a u f EuGH, Urteil v o m 07.11.2000 - R s . C - 3 7 1 / 9 8 - {SevernMundung), Nachweis in Fn. 277. Ahnlich Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 65. A.A. Gebhard, N u R 99, S. 364; Schink, GewArch 9 8 , S. 46; Goppel, in: Schoen, N u R 00, S. 146. Auffassung der EuropSischen Kommission, Nachweis i m Schlussantrag des Generalanwalts Leger v o m 03.05.2001 in den Rs. C- 67, 7 1 , 220/99, Rn. 86. Bereits im Vorfeld stellt die Kommission fest, dass die in wissenschaftlicher Hinsicht den Kriterien des Anhangs III der F F H - R L entsprechenden Gebiete ,,ebenfalls auf der Landerliste zu finden sein sollten", vgl. dazu , Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 13. E benso: Gellermann, Natura 2000, S. 50. Auffassung der Europaischen Kommission, Nachweis i m Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. C-67, 7 1 , 220/99, Rn. 87. Ahnlich E u G H , Urteil v o m 07.11.2000 - R s . C - 3 7 1 / 9 8 - {Severn-Mundung), Rn. 22, Nachweis in Fn. 277. So im Ergebnis auch EuGH Urteil vom 07.11.2000 - R s . C-371/98- {SevernMundung), Rn. 23, Nachweis in Fn. 277, wenn auf die Beurteilungsbefugnis der Kom-

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

345

Ebensowenig taugt das in Art. 4 Abs. 2 FFH-RL verankerte Einstimmigkeitserfordernis im Rahmen der Erstellung der Kommissionsliste, entgegen einer vielfach vertretenen Meinung,286 zur Begrundung eines erweiterten Beurteilungsspielraumes bei der Auswahl und Meldung der Gebiete oder zur Nichtannahme potentieller FFH-Gebiete287. Zunachst ist dazu festzustellen, dass das Einstimmigkeitserfordernis nur Gebiete ohne prioritare Lebensraume oder Arten betrifft.288 Fur diese Gebiete mag die Einstimmigkeitsregelung in der Tat als Indiz dafflr angesehen werden, dass gegen den erklarten Willen eines Mitgliedstaates eine Aufhahme von Gebieten in das okologische Netz Natura 2000 nicht erfolgen solle.289 Allerdings bezieht sich das Einstimmigkeitserfordernis lediglich auf die Einbeziehung der fraglichen Gebiete in die Kommissionsliste und gerade nicht auf die Auswahlentscheidung.290 Fur letztere ist das Einstimmigkeitserfordernis aus Art. 4 Abs. 2 FFH-RL schon dem Wortlaut nach ohne Belang.291 Unterstiitzung erfahrt das bier vertretene Verstandnis von einer Reduzierung des mitgliedstaatlichen Beurteilungsspielraumes, wenn man sich die Rolle der Europaischen Kommission bei der Schaffung des Schutzgebietssystems vergegenwartigt. Die Gebietsmeldungen stellen die fachliche Grundlage der Kommissionentscheidung dar, sie fungieren als materielle Substanz, aus der als Essenz die Listengebiete herausgefiltert werden sollen.292 Zur Einschatzung des transnationalen Wertes293 der Gebiete ist daher lediglich die Europaische Kommission in Form einer gemeinschaftsweiten Gesamtschau der gemeldeten Gebiete anhand moglichst umfangreicher und detaillierter Meldungen in der Lage.294 Nur durch dieses Prozedere ist sichergestellt, dass Gebiete mit endemischen Arten, Gebiete, die einen GroBteil einer Population enthalten sowie solche Areale, die besondere mission mit Blick auf die europaweite Bedeutung abgestellt wird. A.A. Gebhard, NuR 99, S. 364, von und im Ergebnis wohl auch Goppel, in: Schoen, NuR 00, S. 146. Die von Gebhard vorgebrachten Argumente, Mehrarbeit und Subsidiaritatsprinzip, greifen nicht durch, da letztlich nur die Europaische Kommission in einer Gesamtschau in der Lage ist, die fur die Koharenz des Netzes notwendigen Gebiete festzulegen, vgl. dazu 3. Kapitel § IOC. II. I.e. 286 vergleiche Nachweise in Fn. 302. 287 Zum letzten vgl. schon 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. aa. 288 Ausfuhrlich Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 293. 289 Vergleiche Nachweise in Fn. 302. 290 Dieses Verstandnis unterstutzt gleichzeitig die Auffassung iiber die Existenz potentieller FFH-Gebiete, vgl. schon 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. aa. 291 Dies folgt schlieBlich auch daraus, dass die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren durchfuhren kann, wenn ihrer Auffassung nach ein geeignetes Gebiet nicht gemeldet wurde. 292 Nach Anhang III Phase 2 der FFH-RL. 293 So nunmehr auch EuGH, Urteil v o m 07.11.2000 - C - 3 7 1 / 9 8 (Severn-Miindung) DVB1. 00, S. 1841 (1842) = ZUR 01, S. 78 (79) mit Anm. Maafi. In diese Richtung fernerRodiger-Vorwerk, FFH-Richtlinie, S. 38. VI. 294 Vergleiche Anhang III Phase 2, Nr. 2 der FFH-RL, wonach Aufgabe der Kommission die Bewertung des Gebietes fur die Gemeinschaft ist.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Auspragungen von Arten oder Lebensraumtypen bzw. spezielle qualitative Merkmale aufweisen, bei der Erstellung der Liste die ihnen zukommende Bedeutung entfalten. Damit kann im Umkehrschluss nur ein auBerst begrenzter fachlicher Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Gebietsauswahl einhergehen, da eine objektive Gewichtung der fur die Koharenz von Natura 2000 bedeutsamen Gebiete nur unter der Pramisse moglichst umfangreicher Datengrundlagen geleistet werden kann. Die Auffassung, die FFH-RL bote auch aufgrund der Einvernehmensregelung aus Art. 4 Abs. 2 FFH-RL erweiterte Auswahlspielraume,295 wiirde demgegeniiber zu einer Vorverlagerung des Einstimmigkeitserfordernisses auf die Ebene der Gebietsmeldung filhren, ein Ergebnis, welches in Anbetracht des insofern eindeutigen Wortlautes von Art. 4 Abs. 2 FFH-RL vom Richtliniengeber kaum beabsichtigt gewesen sein durfte. Im Ubrigen liefe das Mitbestimmungsrecht des betroffenen Mitgliedstaates im Rahmen der Erstellung der Gebietsliste als Ganzes leer, erfuhren schon bei Auswahl und Meldung lediglich die Gebiete Beriicksichtigung, deren spatere Integration in das Schutzgebietssystem nach Ansicht des Mitgliedstaates politisch oder fachlich opportun erscheint. Im Ergebnis eroffnet Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang III der FFH-RL keine ilber reine naturschutzinterne Belange hinausgehenden Einschatzungsprarogativen. Der grundsatzliche fachliche Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung, ob die Gebiete die Voraussetzungen des Anhangs III Phase 2 FFH-RL erfullen, entfallt weitgehend bei Gebieten mit prioritaren296 Arten oder Lebensraumtypen.297 Bei Uberschreiten der 5%-Grenze des Flachenanteils prioritarer Gebiete wird die strikte Bindung der Kommission zur Aufhahme dieser Gebiete in die Gemeinschaftsliste gelockert.298 Daraus folgt im Umkehrschluss, dass auch der fachliche Spielraum der Mitgliedstaaten bis zum Erreichen dieses Flachenanteils stark eingeengt ist.299 Im Ubrigen setzt Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 FFH-RL die Meldung von Gebieten, die 5% der Gesamtflache des Hoheitsgebietes uberschreiten, voraus und betrifft daher nur die zweite Phase des Auswahlverfahrens auf Ebene der Kommission. Die Meldepflicht auf Ebene der Mitgliedsstaaten wird daurch gerade nicht tangiert.300 Die den prioritaren Arten und Lebensraumtypen zugemessene besondere Bedeutung wird zudem durch das Konzertierungsverfahren in Art. 5 FFH-RL herausgestellt. Nicht zuletzt deshalb kann das im Rahmen des Konzertierungsverfahrens anzustrebende Einvernehmen zwischen Mitgliedstaat und Europaischer Kommission wiederum nicht zur Begriindung eines prinzipiell groBeren Beurteilungsspielraumes301 der Mitgliedstaaten bei der Benennung der 295 296 297 298 299 300 301

SieheFn. 278. In Anhang I und II mit einem Sternchen gekennzeichnet. Siehe insbesondere den Wortlaut von Anhang III Phase 2, Nr. 1. Vergleiche Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Phase 2 FFH-RL. Spannowsky, U P R 00, S. 48; Czybulka, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 48. Gellermann, Natura 2000, S. 50. Und damit auch nicht zur Ablehnung der Moglichkeit potentieller FFH-Gebiete. Vgl. auch oben 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. aa.

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FFH-Gebiete herangezogen werden.302 Das Verfahren stellt ein eigenes Prozedere nur filr den (Ausnahme-)Fall der Nichtmeldung eines eigentlich pflichtgemaB zu meldenden Gebietes mit prioritaren Bestandteilen auf.303 Damit unterstreicht das Konzertierungsverfahren im Gegenteil die eingeschrankte Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl priortarer Gebiete.304 Im Ergebnis ist es den Mitgliedstaaten, auch in Anbetracht der in Art. 2 Abs. 3 FFH-RL genannten soziookonomischen Zielsetzungen verwehrt, in der Phase der Gebietsauswahl einschrankende Kriterien, etwa wirtschaftlicher oder infrastruktureller Art, in die Entscheidung einzubeziehen.305 Die generelle Nichtberucksichtigungsfahigkeit derartiger Erwagungen resultiert schon daraus, dass wie bei Art. 2 VRL die Spezialregelung des Art. 4 Abs. 1 FFH-RL die allgemeine Norm des Art. 2 Abs. 3 FFH-RL verdrangt.306 Zudem beinhaltet das Auswahlprozedere 302

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S o aber Iven; N u R 96, S. 380; Gellermann, NuR 96, S. 550; Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 72; Schink, GewArch 98, S . 4 7 ; Erbguth, NuR 00, S. 136. I m Ergebnis ebenso Schrb'dter, N u R 0 1 , S. 10. Z u m Meinungsstand weiter Stiiber, N u R 98, S. 531 ff. Ausfuhrlich Fisahn/Cremer, NuR 97, S. 275 f. Ebenso Fischer-Huftle, Z U R 99, S. 7 1 ; Wegener, in: Beaucamp, Rostocker Umweltrechtstag, DVB1. 1346. Siehe z u m Konzertierungsverfahren auch Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 299 f. Fischer-Huftle, Z U R 99, S. 7 1 . S o i m Ergebnis wohl auch Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 16; Spannowsky, UPR 00, S. 48, differenzierend Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 192 f. Ahnlich, wenngleich etwas zuriickhaltender BVerwG, Beschluss v o m 24.08.2000 - 6 B 23.00 - NuR 0 1 , S. 382 (384). Unzutreffend allerdings Schink, N u R 0 1 , S. 253, wenn festgestellt wird: ,,Soweit die Mitgliedstaaten bereits 5 % ihrer Flachen gegenuber der EU-Kommission benannt haben, konnen andere mitgliedstaatliche Belange als Naturschutzaspekte i m Einvernehmen mit der Kommission bei der Gebietsbenennung Beriicksichtigung finden" und weiter davon ausgegangen wird, dass dieser Flachenanteil ,,in nahezu alien Bundeslandern angestrebt wird." Unabhangig davon, ob Uber Art. 5 F F H - R L tatsachlich naturschutzfremde Aspekte in die Gebietsauswahl einflieBen konnen, iibersieht Schink, dass die Privilegierung des Art. 5 F F H - R L nur dann greift, wenn der Flachenanteil von 5 % der Landesflache von Gebieten mit prioritaren Bestandteilen erreicht wird. Keineswegs ist, wie Schink unterstellt, der Flachennateil aller gemeldeten FFH-Gebiete dafiir entscheidend. Die M e l dung von prioritaren Gebieten, die mehr als 5 % der Landesflache einnehmen, ist jedenfalls in Deutschland illusorisch. BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97- DVB1.98, S. 900 = NordOR 98, S. 312 f.; BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - internet-document, Fundstelle bei http://lexetius.eom/2001/l/327, Abschn. 50: ,,Politische oder wirtschaftliche Gesichtspunkte haben ebenso auBer Betracht zu bleiben wie sonstige ZweckmaBigkeitserwagungen." Vgl. statt aller: Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 65; Jarass, DOV 99, S. 667. Ein politisches Auswahlermessen ebenfalls verneinend Louis, DOV 99, S. 375; Fischer-HUftle, ZUR 99, S. 72 in dortiger Fn. 30. Diese Auffassung machte sich der EuGH ausdriicklich zu eigen: EuGH, Urteil vom 07.11.2000 - R s . C-371/98 - (Severn-Mundung) DVB1. 00, S. 1841 (1842) = ZUR 01, S. 78 (79). Spannowsky, UPR 00, S. 48.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

nach Anhang III der FFH-RL keine Offhungsklausel fur die Beriicksichtigungsfahigkeit soziookonomischer Belange. Eine auf wirtschaftlichen oder solzialen Griinden beruhende Nichtmeldung muss folglich als richtlinienwidrig eingeschatzt werden.307 Ebenso ist eine Konditionierung der Gebietsmeldung von der Schatzung iiber eine fmanzielle Beteiligung der Gemeinschaft nach Art. 8 Abs. 1 FFH-RL nicht mit Art. 4 Abs. 1 FFH-RL vereinbar.308 Insofern ist § 33 Abs. 1 S. 4 BNatSchG richtlinienkonform auszulegen. Eine Bindung der Gebietsmeldung an eine vorherige Kostenschatzung, wie durch § 33 Abs. 1 S. 4 BNatSchG suggeriert, hat vor der unbedingten Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 1 FH-RL keinen Bestand.309 SchlieBlich ware es auch nicht einzusehen, weshalb innerhalb des Netzes Natura 2000 grundsatzlich unterschiedliche materielle Auswahlkriterien fur Vogelschutz- und FFH-Gebiete gelten sollten, hingegen alle anderen Regelungen vereinheitlicht werden. Fur eine Offhung ist auch deshalb sachlich kein Raum, da Art. 6 Abs. 4 FFH-RL fur ausgewiesene Vogelschutzgebiete, wie auch fur FFHGebiete, nicht nur eine einheitliche, sondern eine, verglichen mit den Beeintrachtigungsverboten aus Art. 4 Abs. 4 VRL, mit geringeren Anforderungen an die Zulassigkeit von Beeintrachtigungen geknilpfte Regelung beinhaltet. Es ist daher davon auszugehen, dass das materielle Auswahlverfahren von FFH-Gebieten dem der Vogelschutzgebiete entspricht und damit naturschutzfremde Belange nicht zu berucksichtigen sind.310 (c) Vernetzungsraume nach Art. 10 FFH-RL Die Mitgliedstaaten sollen sich nach Art. 10 FFH-RL zur Verbesserung der 6'kologischen Koharenz des Netzes Natura 2000 bemilhen, die Pflege von verbindenden Landschaftselementen zu fordern. Der Kiistenraum vermag in diesem Zusammenhang durch seine besondere geophysikalische Ausstattung und groBflachige Unzerschnittenheit einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung der Biotopstrukturen verschiedener Schutzgebiete im Kiistenbereich zu leisten.311 Langfristig wird der genetische Artenaustausch, insbesondere zwischen kleineren Schutzgebieten, fur den Erhalt eines Teils der zu schiitzenden Arten notwendig sein. Ohne diese Thematik hier ausftihrlich darstellen zu konnen, sei darauf verwiesen, dass die Vernetzungsraume weder im BNatSchG noch in den bisherigen Gebietsmeldungen beriicksichtigt wurden.312 Auch wenn diese nicht der Ausweisungverpflichtung nach 307 308 309

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Apfelbctcher/Adenauer/lven, N u R 99, S. 65. Zutreffend Apfelbacher/Adenauer/lven, N u R 99, S. 66, m.w.N. Inwieweit die sich aus landesrechtlichen Ausgleichsanspriichen, die ilber verfassungsrechtliche Entschadigungspflichten hinausgehen (Billigkeitsentschadigungen), durch eine europarechtliche Kofinanzierung iiberhaupt unterstutzungstahig sind, soil hier offenbleiben. Siehe auch Fn. 277. So auch in Bezug auf FlieBgewasser: Balzer, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 161. Balzer, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S.161.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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Art. 6 FFH-RL unterfallen,313 diirfte die ganzliche Nichtbeachtung schwerlich mit dem okologischen Anspruch an die Koharenz des Netzes zu vereinbaren sein.314 (d) Fazit Nach alledem ist festzustellen, dass naturschutzfremde Erwagungen, sei es auf Zulassungs- oder Planungsebene, keinen Eingang in die mitgliedstaatliche Auswahlentscheidung und Gebietsmeldung finden dtirfen. Insoweit bedurfte die Zielbeachtenspflicht aus § 28 Abs. 1 S. 2 LNatG M-V a.F. keiner weiteren Diskussion. Diese Konditionierung der Gebietsmeldung ist mit Art. 4 Abs. 1 FFH-RL nicht vereinbar.315 Die Benehmensregelung des § 33 Abs. 1 S. 2 BNatSchG kann, entgegen der teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung,316 ebenfalls nicht zur Begrundung einer Beriicksichtigungspflicht von Festsetzungen der Raumordnung und der Belange anderer Planungen herangezogen werden. Unabhangig davon, ob aus einer Benehmensregelung iiberhaupt die Pflicht zur Modifizierung fachlicher Entscheidungen hergeleitet werden kann, beruht diese Ansicht auf einer Uberbe-

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So jedenfalls Baker, Internationale Schutzgebietssysteme, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 161, in dortigerFn. 10. Nunmehr wird durch § 31 BNatSchG u.a. die Schaffiing von Vernetzungsraumen an oberirdischen Gewassern durch die Lander gefordert, w a s auch der Umsetzung der F F H - R L dienen soil, vgl. BTDrs. 14/6378, S. 96. Allerdings wird nicht deutlich, ob die Bezugnahme auf oberirdische Gewasser auch d i e Kustengewasser einschliefien soil. Zweifel ergeben sich in erster Linie aus dem wasserrechtlichen Verstandnis, wonach gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1, l a W H G den oberirdischen Gewassern die Kustengewasser nicht unterfallen. Andererseits soil der Gewasserbegriff in § 31 BNatSchG weiter sein als der in § 3 0 Abs. 1 N r . 1 BNatSchG, siehe BTDrs. 14/6378, S. 95. Dessen Anwendungsbereich erstreckt sich durch die Bezugnahme auf flieBende oder stehende Binnengewasser aber schon im Wesentlichen auf die Gesamtheit der oberirdischen Gewasser nach Definition des § 1 Abs. 1 Nr. 1 W H G . Wenn folglich der Gewasserbegriff in § 30 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG prinzipiell mit d e m in § 1 Abs. 1 Nr. 1 W H G ubereinstimmt, § 31 BNatSchG aber eine weitergehenderes Verstandnis zugrundeliegen soil, spricht einiges dafttr, dass von den oberirdischen Gewassern in § 31 BNatSchG auch (Teile der) Kustengewasser umfasst sind (ablehnend Marzik/Wilrich, BNatSchG, § 31 Rn. 3). Fur einen Einbezug deutet auch der Rilckgriff auf die W R R L , die grundsatzlich auch fur d i e Ktistengewasser gelten soil, in d e r Gesetzesbegrundung h i n (siehe BTDrs. 14/6378, S. 96). Zutreffend: Gellermann, Natura 2000, S. 144. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht Erbguths, NuR 00, S. 137, Meldegebiete ohne qualifizierende Merkmale seien raumordnerischen Zielfestlegungen zuganglich. Damit wiirde nicht nur die Beurteilung, welche Gebiete tatsachlich in die Gemeinschaftsliste auf genommen werden, in die Hand der Mitgliedstaaten gelegt. Angesichts der zogerlichen und unzureichenden Gebietsmeldungen ist tiberdies fur den Mitgliedstaat nicht ersichtlich, welche Gebiete ohne qualifizierende Merkmale fur die Koharenz des Netzes von Bedeutung sind. Siehe dazu auch Urteil vom 07.11.2000 - Rs. C-371/98 - (Severn-Miindung), Rn. 23, Nachweis in Fn. 277. Siehe dazu ausdrucklich Goppel, in: Schoen, NuR 00, S. 146.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

wertung nationaler Rechtsnormen im Vergleich zu europarechtlichen Vorgaben. Entscheidend ist insoweit, dass weder die VRL, noch die FFH-RL nichtfachliche Beurteilungsspielraume im Rahmen der Gebietsauswahl eroffhen. Im Lichte europarechtlicher Vorgaben sind rationale Rechtsnormen prinzipiell nicht geeignet, deren Regelungsgehalt abzuschwachen. Wesen der europaischen Richtlinien ist es gerade, dass wesentliche Inhalte einer mitgliedstaatlichen Modifikation nicht mehr zuganglich sind. Die Umsetzungsverpflichtung ist nach der Rechtsprechung des EuGH in dem Sinne unbedingt, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Bestimmungen, Ubungen und Umstande des innerstaatlichen Rechts berufen kann,317 um damit die Nichtbeachtung von Verpflichtungen oder Fristen zu rechtfertigen, die in den Richtlinien der Gemeinschaft festgelegt sind.318 Dieser Anwendungsvorrang319 des Gemeinschaftsrechts flihrt dazu, dass kollidierendes nationales Recht im konkreten Anwendungsfall nicht mehr angewendet werden darf.320 Die Beschrankung des Beurteilungsspielraumes bei der Auswahlentscheidung auf rein fachliche Belange ist wesentlicher Regelungsinhalt der beiden Richtlinien und insoweit vom EuGH, wie bereits gezeigt, mehrmals als maflgeblich eingeschatzt worden. Die im gegenlaufigen Sinn verstandene Benehmensregelung lauft letztendlich auf eine intensive Einflussnahme anderer Ressorts, die haufig selbst die Verursacher des Arten- und Lebensraumriickganges sind, hinaus und ist daher nicht zulassig.321 Eine Beriicksichtigung naturschutzfremder Belange iiber § 33 Abs. 1 S. 2 BNatSchG muss folglich auscheiden. Dies fuhrt gleichwohl zu dem

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EuGH, Urteil vom 26.02.1976 - R s . 5 2 / 7 5 - (Kommission./.Italien) Amtl. Slg. 1976, S. 277 (285); EuGH, Urteil vom 07.12.2000 -C-374/98 - {Basses Corbierres) Z U R 0 1 , S. 75 (75) = N u R 0 1 , S. 210 (210), sowie Urteil in der Rechtssache - Rs. C-423/99 vom gleichen Tage, Amtl. Slg. 2000, S. 11167, Rn. 10. Rengeling in: Rengeling et al., E U D U R § 28 Rn. 15. Die Frage, ob sich die Wirkung des Gemeinschaftsrechts in der nationalen Rechtsordnung als Geltungs- oder Anwendungsvorrang manifestiert, ist umstritten. Vgl. Niedobitek, VerwArch 92 (01), S. 60 ff. Niedobitek, VerwArch 92 (01), S. 62. Ssymank et al., Natura 2000, S. 23. Kritisch ebenfalls Louis, DOV 99, S. 375. Dies gilt auch fur Beteiligungsrechte auf lokaler Ebene, vgl. Auffassung der Europaischen Kommission, Nachweis im Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. 67, 71, 220/99, Rn. 88. Genau genommen stellt sich die Benehmensregelung § 33 Abs. 1 S. 2 BNatSchG selbst als nicht richtlinienwidrig dar. Sie kann richtlinienkonform als blofie Informationsquelle ausgelegt werden. Nicht mit der FFH-RL vereinbar ist jedoch das an diese Regelung gekoppelte Verstandnis sowie die daraufaufbauende Verwaltungspraxis. So schatzt der NABU, dass z.B. in Niedersachsen 40% der Gebietsmeldungen durch unzulassige naturschutzfremde Erwagungen beeinflusst wurden. (Quelle: Niederstadt in einem Vortrag auf dem 5. Warnemiinder Naturschutzrechtstag 2001). Gleiches wird man angesichts der Schattenlisten und Kartenwerke der Umweltverbande auch in Mecklenburg-Vorpommern erwarten konnen, wo in der Gebietskulisse z.T. recht willkurliche Gebietsabgrenzungen deutlich werden.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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etwas merkwiirdigen Ergebnis, dass sich die Stellungnahmen der zu beteiligenden Ressorts auf lediglich naturschutzfachliche Belange zu beschranken haben.322 Die Erfordernisse der Raumordnung stellen regelmaBig naturschutzfremde Kriterien dar, die als solche bei der Ausweisung von Vogelschutz- und FFH-Gebieten angesichts der Richtlinienzwecke sowie der restriktiven und konsequent naturschutzfreundlichen Rechtsprechung des EuGH323 keine Berilcksichtigung finden konnen.324

b. Erfordernisse anderer Planungen als Vorbelastungen? Grundsatzlich spielen bei der Einschatzung der okologischen Wertigkeit auch anthropogene Vorbelastungen eine Rolle, und zwar dann, wenn diese den Erhaltungszustand beeintrachtigen und dadurch die Gebiete nicht mehr den Rriterien des Anhangs III Phase 1 A oder B entsprechen oder einen wesentlich schlechteren Erhaltungszustand als mehrere andere Gebiete derselben Lebensraumtypen oder Arten aufweisen.325 In diesem Kontext wird vertreten, dass nicht nur bestehende anthropogene Belastungen den Wert eines Gebietes schmalern konnen, sondern bereits Planungen, deren Durchfiihrung eine zukiinftige Beeintrachtigung erwarten lassen.326 Dieser Auffassung nach sollen bestehende Erfordernisse der Raumordnung, aber auch die Vorgaben anderer Planungen, wie z.B. der Bauleitplanung327 oder der wasserwirtschaftlichen Planung, als Vorbelastung in die Gebietsauswahl einfliefien, da sie den relativen okologischen Wert der Gebiete nach Anhang III Phase 1 C. beeinflussen wilrden. Eindeutig ist zunachst, dass noch nicht rechtsverbindliche Planungen, wie z.B. in Aufstellung befindliche Bauleit- oder Regionalplane, nicht als anthropogene Vorbelastung gewertet werden konnen.328 Das folgt schon daraus, dass hier noch eine Anpassungsmoglichkeit an die okologischen Erfordernisse von Natura 2000 moglich ist, ohne dass in Rechtsansprixche Dritter eingegriffen wird. Verwiesen sei zusatzlich darauf, dass Planungsabsichten auch nicht im Rahmen des fachlichen Entscheidungsspielraumes beriicksichtigt werden konnen, etwa dass schutz322 323 324

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Maafi, Z U R 0 1 , S. 83 (Urteilsanmerkung); Louis, D O V 99, S. 375. So die Einschatzung von Fisahn/Cremer, NuR 97, S. 270; Spannowsky, UPR 00, S. 45. Gleiches gilt fur andere fachfremde Planungen, wie z.B. Bauleitplanung oder Kiistenschutzplanung. Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174; Spannowsky, U P R 00, S. 48; Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 2 1 , § 19b Rn. 4; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 65. Iven, N u R 96, S. 374; Schink, GewArch 98, S. 46; ders., N u R 0 1 , S. 2 5 3 . Spannowsky, U P R 00, S. 4 5 , 49; Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174. H A M K R O , DVB1. 99, S. 970 f. fur Vogelschutzgebiete mit Verweis auf das eingeschrankte Auswahlermessen u n d fur F F H Gebiete mit Verweis auf die Benehmensregelung in § 33 I S. 2 BNatSchG auch Goppel, in: Schoen, N u R 00, S. 146. Einschrankend Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 288. Zur Beteiligung der Kommunen vgl. Diippenbecker/Greiving, UPR 99, S. 175. Ausdrilcklich Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174. E b e n s o Gellermann, Natura 2000, S. 33. So wohl im Ergebnis auch Spannowsky, UPR 00, S. 21, indem er auf den Bestandsschutz abstellt.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

wtirdige Gebiete um Gemeinden, die im hoheren Mafie die Neuansiedlung baulicher Anlagen vorantreiben, als weniger geeignet zur Meldung angesehen werden, als um Gemeinden, die zurtickhaltendere Planungsmentalitaten aufweisen.329 Ein ahnliches Bild ergibt sich bei bereits rechtsverbindlichen Planungen.330 Das gilt zunachst fur noch nicht realisierte, aber bereits rechtswirksame Vorgaben der Landes- und Regionalplanung. Diese konnen zwar Nutzungsmoglichkeiten mit Konsequenzen fur die nachfolgende Zulassungsebene eroffhen331 sowie Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren iiber raumbedeutsame Vorhaben Privater beeinflussen.332 Gleichwohl vermitteln sie i. d. R. keine individuelle Rechtsposition des Einzelnen auf Zulassung eines Prqjektes.333 Der Existenz einer Konfliktsituation bereits bei Meldung kann nicht entgegengehalten werden, dass nicht alle Gebiete, die gemeldet werden, auch tatsachlich in die Gemeinschaftsliste aufgenommen werden mussen334 und ein AuBerachtlassen der nationalen Planungsvorgaben folglich zu eine Uberspannung des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts fuhre.335 Festsetzungen der Raumordnung konnen nur in dem MaBe Beachtung verlangen, wie sie sich nicht in Normenkonflikt zum mit Anwendungsvorrang ausgestattetem Gemeinschaftsrecht setzen.336 Dieser Konflikt tritt allerdings nicht erst nach Aufhahme des Gebietes in die Kommissionsliste nach Anhang III Phase 2 der FFH-RL, sondern bereits vor der Meldung ein.337 Zudem darf nicht (ibersehen werden, dass der Entscheidungsspielraum ilber die Aufhahme der Gebiete letztlich der Europaischen Kommission und nicht dem Mitgliedstaat zusteht.338 Da zum Zeitpunkt der Meldung noch unklar ist, welche Gebiete nach Einschatzung der Kommission als unverzichtbar fur die Koharenz des Netzes eingestuft werden, liegt es auf der Hand, dass alle in Frage kommenden Gebiete bis zur Kommissionsentscheidung einem den Richtlinienzweck ge329

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Eine solche Vorgehensweise ware nicht nur Einfallstor fiir okologiefremde Belange innerhalb der Gebietsauswahl. Uberdies wiirden Gemeinden, die umfangreiche Planungsabsichten geltend machen und sich damit tendenziell naturbeeintrachtigender entwickeln wurden, gegenuber bedachtiger planenden Kommunen ungerechtfertigt privilegiert. Zutreffend: Gellermann, Natura 2000, S. 34, in Bezug auf die Raumordnungsplanung ebenso: Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6; Spannowsky, U P R 00, S. 49; Schink, GewArch 98, S. 46. Siehe auch Fn. 326. Erbguth, N u R 00, S. 136; Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 105. Erbguth, N u R 00, S. 136. Siehe dazu ausftthrlich 2. Kapitel § 7 C. I. 2. Auch nicht als privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB, vgl. § 35 Abs. 2 S. 2 BauGB und zum Ganzen 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. a. bb. Angesichts der zOgerlichen u n d insgesamt sehr zuruckhaltenden Meldepraxis in Deutschland ist kaum zu erwarten, dass die Europaische Kommission nochmals eine selektive Auswahl trifft. Vgl. zudem die Schattenlisten der Umweltverbande im Anhang. Eine derartige Uberspannung nimmt hingegen Spannowsky, U P R 00, S. 49, an. Zutreffend Spannowsky, U P R 00, S. 49. BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 1 8 . 9 9 - internet-document, Fundstelle bei http://lexetius.eom/2001/l/327, Abschn. 50. A.A. Spannowsky, U P R 00, S. 49. Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6.

§ lODerGebiets-undLebensraumschutz

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fahrdenden Verschlechterangsverbot unterfallen.339 Dieses kann auch nicht vor den Erfordernissen der Raumordnung Halt machen.340 Ungeachtet dessen sind Vorbelastungen durch noch nicht ausgeilbte Nutzungen der Raumordnung lediglich rechtlicher, d.h. potentieller Natur. Sie beeintrachtigen das Gebiet im Zeitpunkt der Meldung noch nicht. Der rein naturschutzfachlichen Beurteilung nach Anhang III Phase 1 FFH-RL, wie auch nach Art. 4 VRL, ist eine Beracksichtigung zukiinftig moglicher Beeitrachtigungen hingegen fremd. Dies resultiert eindeutig aus dem Zweck des Gebietsschutzes nach der VRL und FFHRL.341 Ziel der Richtlinien ist es ja gerade, zukiinftige Verschlechterungen von Gebieten, denen eine bestimmte okologischen Wertigkeit innerhalb des Netzes Natura 2000 zukommt, zu verhindern.342 Wiirden diese Planungen nun als vorgezogene wertmindernde Belastungen bei der Gebietsauswahl zu berilcksichtigen sein, fuhrte das zu einem Widerspruch. AuBerdem bestunde auf diesem Weg die Moglichkeit des EinflieBenlassens soziookonomischer Belange in die Auswahl der Gebiete, was gerade nicht zulassig ist.343 Rechtsverbindliche Planungen, die dem Einzelnen einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Zulassungsentscheidung vermitteln, wie etwa Bebauungsplane, sind prinzipiell genauso zu beurteilen. Solange Nutzungsbeschankungen im Interesse der Schutzgebietsauswahl das VerhaltnismaBigkeitsprinzip344 nicht verletzen, konnen auch einen Rechtsanspruch begrundende Planungen nicht als Vorbelastung gewertet werden.345 Berucksichtigungfahig waren allenfalls bestandsgeschiitzte Rechte, die im Falle einer Ausweisung als Schutzgebiet derart entzogen wiirden, dass eine Enteignung vorliegt. Dies dilrfte bei Nutzungsbeschrankungen

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Siehe schon 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. aa. und BVerwG, Urteil vom 2 7 . 1 0 . 2 0 0 0 - 4 A 18.99 - internet-document, Fundstelle bei http://lexetius.eom/2001/l/327, Abschn. 50. Grundsatzlich dazu 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. Z u m Vorrang der teleologischen Auslegung des primaren u n d sekundaren Gemeinschaftsrechts und des darin enthaltenen Grundsatzes des effet utile siehe instruktiv Meyer, Jura 94, S. 456 f. Im Ergebnis so auch BVerwG, Urteil vom 27.10.2000 - 4 A 18.99 - internet-document, Fundstelle bei http://lexetius.eom/2001/l/327, Abschn. 50, fur Bedarfsplanungen: ,,Die Feststellung des Gesetzgebers, dass in einem bestimmten R a u m fur ein Verkehrsprojekt ein Bedarf besteht, ist nicht geeignet, den raumlichen Umgriffbei der Auswahlentscheidung zu beeinfrussen". Siehe 3. Kapitel § 1 0 C. II. 1. a. cc. (b) Zutreffend auch Gellermann, Natura 2000, S. 34. A u f das VerhaltnismaBigkeitsprinzip verweist auch Spannowsky, U P R 00, S. 4 5 , freilich mit anderem Ergebnis. So auch, wenngleich geringfugig differenzierend: Diippenbecker/Greiving, UPR 99, S. 174, die bei Vogelschutzgebieten eine Berucksichtigung bei mehreren gleichwertigen Gebieten und unterschiedlichen Planungen gewahren wollen. Im Hinblick auf die FFH-Gebietsauswahl werden von Diippenbecker/Greiving, a.a.O., S. 175 hingegen planungsrechtliche Vorbelastungen weitgehend anerkannt. A.A. Diippenbecker/Greiving, UPR 99, S. 175; Spannowsky, UPR 00, S. 45; Schink, GewArch 98, S. 46; ders., NuR 01, S. 253 f.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

durch Regelungen des Naturschutzes hingegen nur in Ausnahmekonstellationen der Fall sein.346 Die Charakterisierang planerischer Vorgaben als Vorbelastungen lasst sich auch nicht ilber das Kriterium der Wiederherstellungsmoglichkeit in Anhang III Phase 1 lit. A. c) oder B. b) herleiten.347 Die Berucksichtigung der Wiederherstellung348 im Rahmen der fachlichen Beurteilung dient einerseits der Klarstellung des Entwicklungsgedankens, andererseits der Ausweitung der in Frage kommenden Gebiete. Entgegengewirkt werden soil einer zu geringen Gebietsmeldung, indem die Mitgliedstaaten sich nicht darauf berufen konnen, dass die Mehrzahl ihrer Gebiete die naturlichen Lebensraumfunktionen nur noch unzureichend erfullen und aus diesem Grund nicht benannt zu werden brauchten.349 Das Charakteristikum der Wiederherstellung ist folglich ungeeignet dafUr, um durch entgegestehende Planungen noch unbelastete Gebiete, in denen nach Mafigabe der Anhange I und II der FFH-RL Erhaltungsziele formuliert werden sollten, einer die Gebietsmeldung ausschlieBenden Vorbelastung zuzufiihren. Hier wird die Argumentationsrichtung verfehlt. Die Wiederherstellungsmoglichkeit soil sicherstellen, dass auch bereits beeintrachtigte Gebiete in die Gebietsauswahl einbezogen werden und somit einer Erweiterung der Richtlinienanwenbarkeit dienen. Keinesfalls soil sie den Ausschluss gering belasteter Flachen aus der Auswahl erleichtern und damit eine Richtlinieneinschrankung bewirken. Im Ergebnis konnen Erfordernisse anderer Planungen weder als Vorbelastungen, noch als negative Kriterien innerhalb der Wiederherstellungsmoglichkeit gewertet werden. c. Entbehrlichkeit der Gebietsmeldung bei Hochwassergefahren? Der EuGH hat in der Z,eyZ>wcfe-Entscheidung350 uberragende Gemeinwohlbelange, die dem Schutz der menschlichen Gesundheit, etwa dem Schutz vor Hochwassergefahren351, dienen sollen, als Rechtfertigung fur die Verkleinerung eines bestehenden Schutzgebietes gelten lassen. Daraus wurde im Schrifttum teilweise der SchluB gezogen, dass Ziele der Raumordnung sowie Vorgaben anderer Planungen bei der Gebietsauswahl beriicksichtigt werden konnen, sofern diese Festsetzungen

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Vergleiche die Rechtsprechung zur Verhaltnismafligkeit von naturschutzrechtlichen Nutzungsbeschrankungen im 5. Kapitel § 14 . Berucksichtigung finden sollten b e standsgeschtitzte Rechte hingegen bei der Ermittlung des Finanzierangsbedarfes nach Art. 8 Abs. 1 FFH-RL (§ 33 I S. 4 BNatSchG). A.A. Spannowsky, U P R 00, S. 48. Allgemein zum Wiederherstellungsaspekt: Gellermann, Narura 2000, S. 43 f. Dies wird auch durch die Formulierung des Art. 4 Abs. 4 FFH-RL deutlich, in dem die Mitgliedstaaten auf gerufen sind ,,die Wiederherstellung eines giinstigen Erhaltungszustandes" zu betreiben. Nachweis in Fn. 2 6 1 . Zum Beispiel eine Zielvorgabe in einem Regionalplan, die fur nach ornithologischen Kriterien als Vogelschutzgebiet zu sichernde Flachen HochwasserschutzmaBnahmen anordnet, die beeintrachtigend wirken.

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treffen, die sich als uberragede Gemeinwohlinteressen im oben genannten Sinne darstellen.352 Eine solche Adaption des Leybucht-Urteils begegnet allerdings erheblichen Zweifeln. Der EuGH hat die iiberragenden Gemeinwohlbelange ausschlieBlich im Rahmen von Gebietsbeeintrachtigungen nach Art. 4 Abs. 4 VRL und nicht bei der Gebietsauswahl nach Art. 4 Abs. 1 VRL angewandt. Auswahl und Beeintrachtigung unterfallen ganzlich unterschiedlichen Rechtsregimen und sind daher strikt zu trennen.353 Die Relevanz von Gemeinwohlbelangen fur die Gebietsauswahl ist vom EuGH erst in der Lappel 5a«&-Entscheidung behandelt worden.354 Weder dort, noch in anderen Entscheidungen355 stellte der EuGH jedoch fest, dass Gemeinwohlbelange bei der Gebietsauswahl von Vogelschutzgebieten Beriicksichtigung fmden konnten. Im Gegenteil, in der Lappel-Bank Entscheidung werden ausdriicklich die aus Art. 6 Abs. 4 FFH-RL resultierenden Eingriffsrechtfertigungen als nicht beriicksichtigungsfahige Erwagungen im Rahmen der Gebietsauswahl bezeichnet.356 Gebietsauswahl und -meldung sind jedoch von der Unterschutzstellung zu unterscheiden. Da mit dem nicht differenziernden Verweis auf 352

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Iven, N u R 9 6 , S. 375; Rodiger-Vorwerk, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, S. 4 4 f.; Spannowsky, U P R 00, S. 4 4 ; Jarass, N u R 99, S. 486 f.; im Ergebnis ahnlich Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 286. Insoweit instruktiv Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 2 7 1 . Deren Berilcksichtigungsf&higkeit wurde in der Lappel-Bank Entscheidung (Nachweis in Fn. 261), Rz. 31 a.E. offen gelassen: ,,Insoweit braucht nicht geprilft zu werden, ob (!) vorrangige Griinde des Gemeinwohls gegebenfalls (!) bei der Klassifizierung eines Gebietes als besonderes Schutzgebiet erheblich sein konnen." (Hervorhebungen durch den Verf.). Durch das gerichtliche Offenlassen der Beriicksichtigungsfahigkeit in einer spateren Entscheidung ist fllr eine Annahme einer solchen durch Auslegung einer friiheren und thematisch entfernteren kein R a u m mehr. Im Ergebnis zutreffend, allerdings auch nur auf das Leybucht-Urteil eingehend: Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174. S o auch nicht in der v o n Iven, N u R 96, S. 375 angefuhrten 5a»torca-Entscheidung (Nachweis in Fn. 261). In dieser Entscheidung geht es gleichzeitig um die Auswahl und den Schutz der Marismas de Santona als Vogelschutzgebiet nach Art. 3 und 4 VRL. Der Verweis auf die Leybucht-Entscheidmig befindet sich hingegen nicht in den Erwagungen zur Gebietsauswahl nach Art. 4 Abs. 1, 2 VRL, sondern in den allgemeinen Voriiberlegungen zur Auslegung der Art. 3 und 4 VRL. Das Gericht nimmt in den das Leybucht-Urteil betreffenden Passagen (18) und (19) auch nur pauschal Bezug auf Art. 4 VRL und nicht explizit auf Art. 4 Abs. 1, 2 VRL. Der Verweis auf das LeybuchtUrteil dient im Wesentlichen lediglich dazu, der spanischen Regierung zu verdeutlichen, dass bei der Umsetzung ein Abweichen nach Gutdtlnken ausgeschlossen ist. Da dabei keine ausdriickliche Adaption der Kriterien der Leybucht-Entscheidvmg auf die Gebietsauswahl erfolgt, ist nicht davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung auf die Gebietsauswahl ausgedehnt werden sollte. Dies beriicksichtigen Winter, ZUR 94, S. 308, und Rodiger-Vorwerk, Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, S. 44 f., nur unzureichend. Unterstutzt wird das hier vertretene Verstandnis durch die Lappel-BankEntscheidung, vgl. dazu Fn. 354. Nachweis in Fn. 261, Rz. 39 a.E.

356

3. Kapitel Instrumente des Natorschutzrechts

Art. 6 Abs. 4 FFH-RL auch die in Anlehnung an das Leybucht-XJrteil formulierten Ausnahmen357 aus iiberragenden Gemeinwohlbelangen in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL erfasst sind, ist davon auszugehen, dass diese fur die Gebietsauswahl unbeachtlich sein sollen. Unterstutzung erfahrt diese Ansicht letztlich durch das Interesse an einer moglichst wirkungsvollen Durchsetzung der Richtlinienziele.358 Im Ergebnis verbietet sich mithin eine entsprechende Anwendung der tiberragenden Gemeinwohlbelange auf die Auswahlentscheidung.359 Unterstellte man in Ausnahmefallen eine Beriicksichtigungsfahigkeit tiberragender Gemeinwohlbelange bei der Auswahl, kamen daftlr iiberhaupt nur Belange in Frage, die zwingend zum Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit in concreto notwendig sind. Als solche sind HochwasserschutzmaBnahmen sowieso nur dann zu klassifizieren, wenn es wirklich um den Schutz von im Zusammenhang besiedelten Gebieten geht und der Schutz der korperlichen Unversehrtheit nicht anders zu gewahrleisten ist.360 Ungeachtet dessen, ist es dem Mitgliedstaat, und das ist das Entscheidende, aber zuzumuten, ein ornithologisch wertvolles Gebiet oder eines, dessen Aufhahme in das Netz sich geradezu aufdrangt, trotz solcher u.U. notwendig werdenden MaBnahmen erst einmal zu melden und so die KoMrenz des Netzes zu wahren. Nur die Meldung an die Europaische Kommission schafft die Transparenz zur objektiven Beurteilung des gegenwartigen Standes der Umsetzung des Netzes Natura 2000.361 DemgemaB eroffhet auch erst Anhang III Phase 2 FFH-RL ein Auswahlermessen zugunsten der Europaischen Kommission.362 Erst nach der Meldung sind Beeintrachtigungen und Flachenverkleinerungen aufgrund tlberragender Gemeinwohlbelange zulassig. Aus diesen Griinden kann eine Gebietsmeldung selbst dann nicht unterbleiben, wenn die beabsichtigte MaBnahmen, z.B. des Hochwasserschutzes, die okologische Wertigkeit des Gebietes dergestalt beeintrachtigt, dass nach deren Abschluss eine Aumahme in das Netz nicht mehr sinnvoll erscheint.363 Auch hier ist es dem Mitgliedstaat zuzumuten und angesichts des Zwecks der Gebietsmeldung auch geboten, der Europaischen Kommission das Gebiet bekanntzugeben und dann eine Schutzgebietsbeeintrachtigung oder -verkleinerung nach MaBgabe von Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL durchzufuhren.364 Die der entgegenstehenden Auffassung 357 358 359 360

361 362 363 364

Siehe dazu 3. Kapitel § 10 C. III. 3. b. aa. und 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. bb. (b) . EuGH, Urteil vom 07.09.2004 - Rs. C-127/02 - (Herzmuschelfischerei) Eurlex, S. Rz. 44. So im Ergebnis auch Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174. A m Grundsatz des strict minimum (franz.) nur zu einer geringstmOglichen Verkleinerung fuhrendend. Vgl. Wortlaut des Leybucht-XJrteils (Nachweis in Fn. 261, S. I 931) sowie die Anm. Winter, N u R 92, S. 22. Siehe dazu schon ausfuhrlich die Darstellung im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 5. A.A. offenbar Gebhard, N u R 99, S. 364. Zur ausdrilcklichen Gegenauffassung vgl. Spannowsky, UPR 00, S. 49; Iven, NuR 96, S. 374 f. So im Ergebnis auch zutreffend Schink, GewArch 98, S. 46, fur die Bestimmung der GebietsgroBe. Diese an sich begruBenswerte Auffassung verwundert hingegen, da

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

357

offensichtlich zugrunde liegende Aimahme, eine Gebietsverschlechterung sei bis zur Meldung von den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL freigestellt, geht schon in Anbetracht von faktischen Vogelschutz- und potentiellen FFHGebieten fehl.365 Zudem ist der Mitgliedstaat nach Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL verpflichtet, bei negativem Ausgang der Vertraglichkeitspriifiing AusgleichsmaBnahmen vorzusehen, so dass die Koharenz des Schutzgebietssystems erhalten bleibt. Durch eine Nichtmeldung umginge der Mitgliedstaat nicht nur diese Verpflichtung,366 sondern auch das speziell in Art. 9 FFH-RL geregelte Verfahren zur Gebietsaufhebung unter Beteiligung der Europaischen Kommission.367 Letztlich konnte in der Frage nach Meldung oder Nichtmeldung ein Konflikt zwischen der durch Natura 2000 geschaffenen sekundarrechtlichen Pflicht zum Naturschutz und Wertungen des primaren Gemeinschaftsrechts gesehen werden.368 Auftreten kann ein solcher Widerstreit in Gebieten, die potentiell-abstrakten Gefahrdungslagen ausgesetzt sind und daher in unterschiedlichen Zeitspannen Schutzmafinahmen unterworfen werden, die mit einer Beeintrachtigung der sekundarrechtlichen Schutzziele einhergehen. Diese Konfliktlage ist nach einer Auffassung in der Literatur im Verhaltnis von Naturschutz und Kiistenschutz uneingeschrankt gegeben. Die Losung bestiinde danach wiederum nur in der Nichtausweisung der gefahrdeten Gebiete.369 Obgleich der EuGH die Relevanz iiberragender Gemeinwohlbelange als Ausdruck primaren Gemeinschaftsrechts fur die Gebietsauswahl zwar nicht fur unmoglich gehalten hat,370 konnten solche Belange jedenfalls nur dann beriicksichtigt werden, wenn ihnen die Gebietsauswahl tatsachlich zuwiderlauft. Konfiikte

365 366 367

368

369 370

Schink schon fllr eine generelle Berucksichtigung der Raumordnungsplanung bei der Gebietsauswahl eintritt, siehe Fn. 326 und 330. Die Unbeachtlichkeit tiberragender Gemeinwohlbelange erscheint vor diesem Hintergrund inkonsequent, denn wenn schon einfache Belange der Raumordnung die Gebietsauswahl beeinflussen konnen sollen, so miisste dies erst recht fur die Berucksichtigung vitaler menschlicher Interessen gelten. Siehe 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. aa. Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 2 7 1 ; Duppenbecker/Greiving, U P R 99, S. 174, 175. So auch Generalanwalt Fennelly im Schlussvortrag zur Lappel-Bank-ErAschzi&ang (Nachweis bei Winter, Anm. zur o.g. Entscheidung, Z U R 96, S. 254 (254)). Nicht zugestimmt werden kann hingegen der Auffassung Winters, a.a.O., S. 254 a.E. und dort Fn. 7, eine formale Unterschutzstellung ware dann entbehrlich, wenn man wie hier von einer Direktwirkung der Richtlinien ausgeht. D a s Schutzregime greift zwar bei einigen Gebieten auch ohne Ausweisung, gleichwohl sind die Mitgliedstaaten zur Gebietsmeldung europrechtlich verpflichtet. Nur durch Meldung und Ausweisung kann auBenverbindlich der Schutzstatus der Gebiete verdeutlicht und das Schutzregime des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL eindeutig belegt werden. Meldung und Ausweisung sind daher kein formalistischer Akt, sondern europarechtlich geboten und praktisch notwendig. Diesen Konflikt sieht Spannowsky, UPR 00, S. 49, und meint mit den Wertungen des Gemeinschaftsrechts vorrangige Gemeinwohlbelange. Siehe auch Winter, ZUR 94, S. 308. Spannowsky, U P R 00, S. 49. Siehe Fn. 354.

358

3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

waren erst dann emsthaft zu befurchten, wenn die mit der Richtlinie verfolgten Ziele auch in zeitlicher Hinsicht mit den Gemeinwohlbelangen des Primarrechts kollidieren wiirden. Dazu miissten die Zeitverzogerungen der Vertraglichkeitsprufung von KilstenschutzmaBnahmen zu einer Gefahrdung der menschlichen Unversehrtheit fuhren oder die dringende Gefahr der Vernichtung erheblicher371 Sachwerte bestehen. Dabei handelte es sich dann aber urn unaufschiebbare MaBnahmen der Gefahrenabwehr,372 z.B. DeichverstarkungsmaBnahmen oder selektive Diinenaufsptllungen unmittelbar vor einem drohenden oder kurz nach einem Sturmhochwasser handeln, die unabhangig vom Schutzstatus des Gebietes zulassig waren.373 Unter Beriicksichtigung der Sturmfluthaufigkeit, der Unterhaltungszeitraume von Kilstenschutzanlagen (Aufsptilungen ca. alle sieben bis zehn Jahre, Buhnenbauten hochstens alle 30 Jahre) und den verfahrensmaBigen Anforderungen an die Errichtung von Deichen374 ist eine gefahrbegiinstigende Verzogerung durch die Vertraglichkeitsprufung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL wohl kaum anzunehmen. Deshalb diirfte bis auf die MaBnahmen des unmittelbaren Katastrophenschutzes keine Konfliktlage gegeben sein, die zu Lasten der Zielsetzungen der FFH-RL, hier in Form der Nichteinbeziehung potentiell-abstrakt gefahrdeter Gebiete in die Richtliniengeltung, zu losen ware.375 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass tiberragende Gemeinwohlbelange fur die Gebietsauswahl und -meldung unbeachtlich sind. Anstehende MaBnahmen des Kustenschutzes konnen weder fur ein Unterlassen der Gebietsmeldung, noch 371 372 373

374 375

Im Vergleich zu den durch die FFH-RL hochgewichteten Naturschutzbelangen. Vergleiche dazu weiter 3. Kapitel § 10 C. III. 3. Die von Spannowsky, U P R 00, S. 49, befllrchtete (Er-)Duldung von Flutkatastrophen mit Risiken fur Leben und Gesundheit als Folge einer zwingenden Vertraglichkeitsprufung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL wirkt dann doch ubertrieben. Auf unaufschiebbare MaBnahmen stellt wohl auch Fischer-Huftle, Z U R 99, S. 72 in dortiger Fn. 30 ab, ,,allenfalls (...) Gefahren fur die offentliche Sicherheit und Gesundheit eine Rolle spielen (konnten)". Vgl. auch Carlsen, Umsetzung und Vollzugsprobleme, in: Entwicklungen, S. 205. Vergleiche § 72 LWaG M-V: Planfeststellungsverfahren mit Umweltvertraglichkeitspriifung. Dafur spricht nunmehr auch, dass fur gemeldete Vogelschutzgebiete das im Vergleich zur V R L leichtere Schutzregime von Art. 6 Abs. 4 F F H - R L gilt. Es ware unzweckmaBig, wenn ein Mitgliedstaat die Nichtmeldung eines Gebietes angesichts der restriktiven Rechtsprechung des E u G H mit iiberragenden Gemeinwohlbelangen zu rechtfertigen sucht, obwohl an Gebietsbeeintrachtigungen nach Meldung viel geringere Anforderungen gestellt werden. Ziel der FFH-Richtlinie ist somit, die Staaten zu einer moglichst umfangreichen Gebietsmeldung zu veranlassen. Die schleppende Umsetzung der VRL hat insoweit die Erkenntnis gebracht, dass sehr strenge Schutzniveaus die Gebietsmeldungen insgesamt in Frage stellen. Dementsprechend ist derjenige, der ausreichend Gebiete meldet, durch eine groBziigigere Behandlung von Ausnahmen (zu Recht) privilegiert. Da diese Kautelen uneingeschrankt auf die Auswahl von FFH-Gebieten ubertragbar sind, ist auch bei absehbar notwendig werdenden Mafinahmen des Gemeinwohls Konsequenz eine vorherige Gebietsmeldung.

§ lODer Gebiets-und Lebensraumschutz

359

fiir ein Umgehen der Beeintrachtigungsverbote aus Art. 4 Abs. 4 VRL bzw. Art. 6 Abs. 4 FFH-RL herangezogen werden.376 Sie waren in Anbetracht unmittelbarer Richtliniengeltung mit Ausnahme unaufschiebbarer MaBnahmen der Gefahrenabwehr nur unter den jeweils einschlagigen Ausnahmetatbestanden zulassig.

d. Ergebnisse Die Meldung von FFH-Gebieten an die Europaische Kommission stellt keine raumbedeutsame MaBnahme dar. Raumbedeutsame Wirkungen entfalten FFHund Vogelschutzgebiete aufgrund ihrer rechtlichen Vorwirkungen aus sich selbst heraus. Ftlr den Mitgliedstaat bedeutet die endgilltige Aufhahme eines gemeldeten Gebietes in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung durch die Europaische Kommission die bindende rechtliche Verpflichtung, diese durch geeignete auBenwirksame Schutzkategorien zu sichern.377 Daher stellt sich die Entscheidung der Kommission als eigentlicher raumbedeutsamer Akt gegenilber den Mitgliedstaaten dar.378 Ein Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten, der Europaischen Kommission iiberhaupt Gebiete fur das okologische Netz Natura 2000 zu benennen, ist auf Null reduziert. Hier besteht eine europarechtliche Verpflichtung. Das Auswahlermessen ist auf rein fachliche Erwagungen beschrankt und stark eingegrenzt. Naturschutzfremde Belange konnen die Gebietsauswahl nur mittelbar durch die Berucksichtigung anthropogener Vorbelastungen beeinflussen. Voraussetzung dafiir ist, dass diese Belange die okologische Wertigkeit der Gebiete tatsachlich und zum Zeitpunkt der Meldung geformt haben. Rechtliche Einwirkungen sind regelmaBig unbeachtlich. Daher sind alle Planungen, einschliefilich der raumlichen Gesamtplanung, deren konkrete Vorhaben sich noch nicht in der Realisierungsphase befinden und sich noch nicht in einer pragenden tatsachlichen Beeintrachtigung des Gebietes manifestiert haben, fur die Meldung der Gebiete ohne Belang.379 Das Schutzziel beeintrachtigende uberragende Gemeinwohlbelange rechtfertigen diirften ebenfalls kein Unterlassen der Gebietsmeldung oder ein Absehen von den Ausnahmetatbestanden der VRL bzw. FFH-RL zu Folge haben. In Verantwortung der naturraumlichen Verhaltnisse des Kiistenbereiches und geschuldet der Tatsache, dass ein GroBteil der Kiistenbiotope dem Schutz der FFH-RL und der VRL unterfallt, ist eine richtlinienkonforme Gebietsauswahl nur dann moglich, wenn weite Teile der zu schiltzenden Bereiche der Kommission gemeldet werden. Besonderer Ankntipfungspunkt sind die durch Kiistenschutz376 377 378 379

Zur jeweiligen Anwendbarkeit siehe 3. Kapitel § 10 C. III. 1. c. Spatestens bis 04.06.2004, siehe Czybulka, in: Czybulka, Naturschutz und Landschaftsplanung, S. 5 1 . So auch Louis, BNatSchG, § 19b Rn. 6. Wenn in diesem Zusammenhang vereinzelt Planungsunsicherheiten befurchtet werden (z.B. von Zeichner, N V w Z 99, S. 35), ist darauf hinzuweisen, dass diese nicht durch die Unbedingtheit des europarechtlichen Schutzregimes, erwa in der Annahme potentieller FFH-Gebiete, sondern durch die selbstverschuldete verzdgerte Umsetzung der FFH-RL in nationales Recht sowie durch die zogerlichen Gebietsmeldungen entstanden sind.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

maBnahmen gefa'hrdeten prioritaren Lebensraumtypen der Dunengesellschaften sowie Strandseen.380 Richtlinienkonforme Gebietsmeldungen wurden insbesondere im Ktistenbereich umfangreiche Beeintrachtigungsverbote auch auf der Fla'che nach sich ziehen, welche KiistenschutzmaBnahmen und die Schaffung neuer Ktistenschutzerfordernisse auf ein Minimum begrenzen konnen.

2. Vollzugsdefizite Ein (Ruck)Blick in die Praxis zeigt, dass die materiellen Auswahlvorgaben des Art. 6 Abs. 1, 2 FFH-RL durch die Verwaltung weithin ignoriert werden. Insbesondere den Kautelen des rein naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraumes und der ausdriicklichen Nichtberiicksichtigungsfahigkeit wirtschaftlicher, politischer und sozialer Erwagungen werden im Rahmen der Gebietsauswahl kaum entsprochen.381 Fur Mecklenburg-Vorpommern erschlieBt sich das vor allem bei Betrachtung des bisherigen Auswahlprozesses sowie der einzelnen Gebietsbestimmungen und -abgrenzungen.382 Defizite des Auswahlprozesses auf Landesebene offenbaren sich bei Vergegenwartigung der Geschichte der aktuellen Gebietskulisse.383 Nachdem die Landesregierung der zweiten Legislaturperiode am 28.04.1998 dem Bundesministerium fur Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) eine erste Liste mit Gebietsbenennungen iibersandt hatte, deren Gesamtflache lediglich 1,5% der Landesflache entsprachen, war es in der dritten Legislaturperiode an der Reihe der zwischenzeitlich gewechselten Landesregierung, die Gebietsmeldungen zu vervollstandigen. Dazu sollte im Januar 1999 zunachst der Entwurf einer Tranche von 43 weiteren Gebieten dienen, die jedoch den Anforderungen der Gebietskoharenz und der Reprasentativitat nur unzureichend gerecht wurden und deren Gebiete

380 381

382

Siehe 1. Kapitel § 3 C. II. Bundesweit waren z.B. mit Stand Anfang 2001 lediglich ca. 4,2% der Gesamtlandesflache als Schutzgebiete gemeldet worden. Tatsachlich meldefahig gewesen waren, legt man die einschlagigen Schattenlisten der Umweltverbande zugrunde, ca. 13%. Mit Stand 30.09.2004 wurden bislang immerhin 7,4% der Landesflache gemeldet. Der europaische Durchschnitt betragt 12,4% der Landesflache (Quelle: BfN, Internet). Die Diskrepanz wird ferner durch das bisherige Vorgehen bei der qualitativen Aufteilung deutlich. So wurden z.B. von 81 in der kontinentalen Region Deutschlands vorkommenden Habitattypen nach Anhang I von den deutschen Beho'rden in der Vergangenheit (bis Mai 2001) nur 28 in den der Kommission zugeleiteten Listen berucksichtigt. Ahnliches gait flir die anderen biogeographischen Regionen, vgl. dazu Auffassung der Europaischen Kommission (Nachweis im Schlussantrag des Generalanwalts Leger vom 03.05.2001 in den Rs. 67, 71, 220/99, Rn. 73), wobei Deutschland lange Zeit der einzige Mitgliedsstaat war, der in den Beratungstreffen 2000 keine erganzenden Gebietslisten vorlegte (siehe das Schreiben von Mien, Abteilungsleiter in der GD XI, D.2 an den Kreisbauernverband Werra-Meifiner e. V. vom 13.06.2000).

Wobei letzteres zunachst nicht so offensichtlich ist wie eine augenscheinlich europarechtswidrige Normsetzung. 383 Vergleiche zum Ganzen m.w.N.: BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 6 ff.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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insgesamt zu kleinraumig waren.384 Nach umfanglicher Beteiligung der Umweltverbande legte das Landesamt fur Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) am 25.03.1999 einen aktualisierten Entwurf vor, in dem nunmehr 122 Gebiete verzeichnet waren und in dem fur die in Mecklenburg-Vorpommern vorkommenden Lebensraumtypen zumindest eine Gebietsbenennung fur jede naturraumliche Haupteinheit erfolgte. Dieser von den Umweltverbanden fur den terrestrischen Bereich als Minimalkonsens bezeichnete Entwurf wurde zunachst ressortintern im Umweltministerium geringfugig und nach Veroffentlichung ressortiibergreifend grundlegend modifiziert. Die Beteiligung naturschutzfremder Ressorts und Verbande fiihrte erwartungsgemaB zu keiner Verbesserung der Gebietsvorschlage, sondern zu einer zahlen- und flachenmaBigen Reduzierung und Zerstuckelung, Die daraufhin veroffentlichte Gebietskulisse vom 23.12.1999 wies gegeniiber dem Minimalkonsens eine Flachenreduzierung von 264.140 ha385 auf 181.815 ha, d.h. um fast 30%, auf. Der Gebietsanteil an der Landesflache verringerte sich von 11,1% auf 7,8%, wobei ein erheblicher Teil davon auf marine Gebiete entfallt. Die Landflache wurde zu weniger als 5% geschiltzt.386 Da Mecklenburg-Vorpommern durch seine deutschlandweit wohl herausragendste Naturausstatrung und die noch recht grofien unzerschnittenen Raume eine Kompensationsfunktion fur die gesamte BRD zukommt,387 war die Meldung von nicht einmal 5% der Landflache vollkommen unzureichend. Das gilt um so mehr, wenn man sich vergegenwartigt, dass schon der Durchschnittswert der europaweit zu sichernden Flachen zwischen 10 und 20% betragen soil.388 Im Hinblick auf die Gebietsauswahl fuhrte die beschriebene Modifikation dazu, dass fast nur Gebiete gemeldet wurden, die sowieso schon einen nationalen Schutzstatus besaBen. Der damaligen Klirzung selbst fielen insgesamt 4 Gebiete vollstandig zum Opfer, zusatzlich 20 Gebiete mussten zum Teil erhebliche Flachereduktionen hinnehmen, mit der Folge, dass einige im Lande vorkommenden Lebenstraumtypen, fur die Deutschland oder MecklenburgVorpommern zum Teil eine besondere Verantwortung tragen, nicht mehr geschutzt werden und eine Koharenz nicht erreicht wird. Durch die Nichteinordnung der Bodden als FFH-Lebensraumtyp ,,Strandseen (Lagunen)" (Code *1150) war Mecklenburg-Vorpommern zudem seiner Verpflichtung aus Art. 5 FFH-RL nicht nachgekommen.389 Rechtliche Brisanz folgte zudem daraus, dass alle Gebietsreduzierungen ausschlieBlich soziookonomischen Erwagungen geschuldet waren.390 In die Beurtei384 385

386 387 388 389 390

BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 5. Ohne Flachen nach Art. 10 FFH-RL. Zu den Zahlen: BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 8. BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 12. BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 12, m.w.N. Vergleiche dazu schon 1. Kapitel § 3 C. I. 2. Die jeweiligen naturschutzfremden Erwagungen zu benennen, wilrde die Arbeit tiberfrachten. N u r soviel: Bei d e n an sich unzulassigen Grunden fur unzureichende G e bietsmeldungen finden sich Belange aller Coleur, von Militar, Verkehr, Rohstoffabbau iiber Siedlungsentwicklung, Industrialisierung bis z u m Tourismus. Einen umfanglichen

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

lung wurden insbesondere auch Festlegungen der Raum- und Fachplanung eingestellt. Im Ergebnis ist daher genau das passiert, was durch die FFH-RL verhindert werden sollte:391 Die Koppelung der Gebietsauswahl an naturschutzfremde Belange. Durch die vorsorgliche Beriicksichtigung soziookonomischer Belange wurden in Mecklenburg-Vorpommern zudem die Beeintrachtigungsverbote nach Art. 6, Abs. 3, 4 FFH-RL ausgehebelt. Die Gebietsauswahl in Mecklenburg-Vorpommern zeichnete sich insgesamt durch eine ganz erhebliche Europarechtswidrigkeit aus. Es wurden fast alle materiellen Vorgaben der FFH-RL zum Prozedere der Gebietsauswahl verletzt. So war es nur folgerichtig und absehbar, dass nach entsprechendem Druck durch die Kommission,392 eine den Vorgaben der FFH-RL entsprechende Nachmeldung der vernachlassigten Gebiete auf den Weg gebracht wurde393 und mit der nunmehr 4. Tranche u.a. auch marine Flachen miteinbezogen wurden.394 Die auffalligsten Defizite scheinen nunmehr iiberwunden. Insgesamt bleibt jedoch festzuhalten, dass die bisherige Verwaltungspraxis bei der Gebietsauswahl kaum geeignet war, die mit der FFH-RL verfolgten Ziele des europaischen Habitataschutzes auch nur ansatzweise zu gewahrleisten.

///. Schutzgebietsbeeintrachtigungen innerhalb Natura 2000 Im Folgenden werden die Impulse untersucht, die im Falle eines negativen Ergebnisses der Vertraglichkeitsprufung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL auf vorsorgende Kustenschutzkonzepte in Gestalt von Flachenfreihaltung, Risikobegrenzung und Eingriffsminimierung ausgehen konnen. Die Untersuchung dient primar dazu, die Wirkungen der FFH- und VRL auf die Zulassigkeit direkt beeintrachtigender Projekte und Planungen darzustellen395 und bezieht deshalb das allgemeine Verschlechterungsverbot aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL nur am Rande mit ein. Wie bereits gezeigt wurde, ziehen fast alle Formen von KustenschutzmaBnahmen eine

391 392 393

394 395

Uberblick dazu bietet die BUND/NABU, Defizitanalyse, S. 13 f. sowie ausfiihrlich im Einzelnen dort S. 21 ff. Zum Beispiel durch Vorranggebiete fur Rohstoffsicherung und FernstraBenplanungen, vgl. dazu die Nachweise in Fn. 390. EinschlieBlich eines moglichen Konzertierungsverfahrens nach Art. 5 FFH-RL aufgrund der Nichtmeldung der Bodden. Die damalige Vorstellung bei der Landesregierung, derartige Nachmeldungen seien entbehrlich, haben sich angesichts der Defizite nicht halten lassen. Vgl. dazu die Defizitanalyse von BUND/NABU, S. 8. Marine Gebiete waren im Minimalkonsens nicht enthalten. Gerade in einem mit relativ hohem Anteil gefahrdeter Lebenraumtypen nach der FFHR L ausgestattetem Naturraum, wie die siidwestliche Ostseekuste, sind auch in der Nahe von bereits besiedelten Bereichen Konflikte mit den Belangen des gemeinschaftsrechtlichen Habitatschutzes nicht vermeidbar. Sollte aus teleologischen Griinden eine restriktive Auslegung der moglichen Ausnahmetatbestande notwendig sein, waren zukilnftig ein Teil der bisher durchsetzbaren Vorhaben nicht mehr durchfuhrbar. Damit wurden die europarechtlichen Vorgaben risikopotentialvermindernd wirken.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

363

lange Wirkungskette nach sich, die selbst entferntere Schutzgebiete zu beeintrachtigen in der Lage sind. Innerhalb der Vertraglichkeitsprufung muss zugleich eine Zurechnung von Kustenschutzmaflnahmen erfolgen, die zur langfristigen Sicherung zunachst nicht erheblich beeintrachtigender Planungen und Einzelvorhaben friiher oder spater notwendig werden.396

1. Das Schutzregime des Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL a. Vertraglichkeitsprufung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL aa. Gegenstand der Vertraglichkeitsprufung Ziel der FFH-RL ist es, nach Moglichkeit alle negativen und erheblichen Einwirkungen auf die Schutzgebiete des okologischen Netzes Natura 2000 zu verhindern.397 Die Verpflichtung zum Gebietsschutz aus Art. 6 Abs. 1 FFH-RL, das Verschlechterungsverbot aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL und das projekt- und planbezogene Schutzregime aus Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL konnen nur dann voll zu Wirkung kommen, wenn das Schutzregime moglichst fruhzeitig einsetzt, damit rechtliche und faktische Bindungen, die zu Beeintrachtigungen fuhren konnen, bereits im Vorfeld verhindert werden. Nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL sind alle Plane und Projekte, die das Gebiet einzeln oder im Zusammenwirken398 mit anderen Planen und Projekten erheblich beeintrachtigen konnten und nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes zusammenhangen, einer Prufung auf ihre Vertraglichkeit399 mit den festgelegten Erhaltungszielen zu unterwerfen.400 Dabei ist es unerheblich, 396

397 398 399

400

Das Einbeziehen negativer Auswirkungen zukilnftiger Kiistenschutzanlagen in die Beurteilung der sie notwendig machenden Plane und Projekte ist gefragt, u m deren Wirkungen im Sinne eines allumfassenden Ansatzes zu begreifen. Der nachfolgenden Untersuchung liegen diese Pramissen zugrunde. Schink, GewArch 98, S. 4 3 . Zur Summationswirkung ausflihrlich Kochenburger/Estler, U P R 0 1 , S. 55 f. Die FFH-Vertraglichkeitsprufung unterscheidet sich damit wesentlich von Eingriffsregelung u n d U V P , vgl. Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 304. Gleichwohl kann eine U V P auf die Ziele der Vertraglichkeitsprufung ausgeweitet werden. Vgl. Schrodter, in: Schrodter, B a u G B , § l a Rn. 127; Erbguth/Stollmann, DVB1. 97, S. 457; Gellermann, N u R 96, S. 552; Rohlf, in: Beudt, Grundwasser- und Bodenschutz, S. 25. Zur Vertraglichkeitsprufung im Einzelnen siehe Freytag/Iven, N u R 95, S. 112 £ ; Gellermann, N u R 96, S. 552 f.; Iven, N u r 9 6 , S. 378; Fischer-Huftle, Z U R 99, S. 69 f.; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 773 ff.; Muller-Terpitz, N V w Z 99, S. 28 f.; Schrodter, in: Schrodter, B a u G B , § l a R n . 127; Europaische Kommission, in: Gebietsmanagement, S. 35 ff., 39 ff. Speziell zur raumordnerischen Vertraglichkeitsprufung nach § 7 Abs. 7 R O G : Erbguth, N u R 00, S. 131 ff.; zur Vertraglichkeitsprufung in der Bauleitplanung Schink, GewArch 9 8 , S. 4 8 f; Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 175 ff. m.w.N. sowie zur Vetraglichkeitspriifung ftlr Vorhaben nach den §§ 34, 35 B a u G B ausfilhrlich Diippenbecker/Greiving, DVB1. 99, S. 1015 ff. I m Rahmen dieser Darstellung wird bei den Problemkreisen der Vertraglichkeitsprufung und der Prufung der Ausnahmetatbestande aus Art. 6 Abs. 4 F F H - R L nicht mehr zwischen gemeldeten u n d pflichtwidrig nichtgemeldeten Gebieten unterschieden. D i e

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

ob solche Beeintrachtigungen von Vorhaben ausgehen, die innerhalb des Schutzgebietes erfolgen sollen oder von aufien an dieses herangetragen werden.401 Projekte sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 11 BNatSchG zunachst alle Vorhaben und MaBnahmen innerhalb des Schutzgebietes. Dariiber hinaus sind alle anzeige- oder genehmigungspflichtigen sowie von einer Behorde durchgefuhrten Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 18 BNatSchG, alle genehmigungsbediirftigen Anlagen nach dem BImSchG und erlaubnis- bzw. bewilligungsbedurftige Gewasserbenutzungen nach dem WHG, und zwar unabhangig von ihrer ortlichen Belegenheit, als Projekte i.o.g.S. zu klassifizieren.402 Fur den unbeplanten Innenbereich, der von der Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung grundsatzlich ausgenommen ist,403 erfolgt eine ortlich unbeschrankte Bindung an die Vertraglichkeitsprufung des § 34 BNatSchG iiber § 29 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 37 Abs. 1 BNatSchG.404 Obwohl die richtlinienkonforme nationale Umsetzung des Projektbegriffes umstritten ist,405 werden wohl alle risikoerhohenden baulichen Vorhaben von ihm erfasst. Zu denken ist hier vor allem an Vorhaben im AuBenbereich nach § 35 BauGB. Alle Arten von KustenschutzmaBnahmen innerhalb der Gebietskulisse sind regelmaBig als Projekte nach § 10 Abs. 1 Nr. 11 lit. a) BNatSchG zu klassifizieren, da fur sie entweder eine wasserrechtliche Genehmigungspflicht besteht und die MaBnahmen durch Behorden oder in Verantwortung von Behorden durchgefuhrt werden.406 AuBerhalb der Natura 2000 Gebiete beurteilt sich das Erfordernis einer Vertraglichkeitspriifung nach § 10 Abs. 1 Nr. 11 lit. b) und c) BNatSchG.407 Danach unterfallen KustenschutzmaBnahmen dann dem AuBenschutz nach Art. 6 Geltung o.g. Anforderungen ab Gebietsmeldung ist insoweit, mit verschiedenen Begriindungen, weitgehend unbestritten. Vor Gebietsmeldung ergibt sich deren Anwendung aus der Existenz potentieller FFH-Gebiete bzw., folgt man der zuriickhaltenderen Auffassung, aus dem allgemeinen Verschlechterungsverbot. Siehe auch 3. Kapitel § 10 C. II. La. aa. 401 BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 - DVB1. 98, S. 900 = N o r d O R 98, S. 309 (311); Fischer-Hiiftle, Z U R 99, S. 68; Rohlf, in: Beudt, Grundwasser- und Bodenschutz, S. 24 f.; Iven, N u R 96, S. 378. 402 Ausfllhrlich zum Projektbegriff: Louis, D O V 99, S. 377 f. 403 Kritisch dazu Blume, N u R 96, S. 385 f., noch zur alten Rechtslage. Allgemein zur N o vellierung des § 8a BNatSchG a.F.: Krautzberger, N u R 98, S. 457; Schink, ZfBR 00, S. 163 ff.; ferner ders., U P R 00, S. 130. 404 Schink, GewArch 98, S. 42 f.; Diippenbecker/Greiving, DVB1. 99, S. 1014; Lohr, in: B/K/L, BauGB, § 29 Rn. 27 m.w.N.; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § la Rn. 137. 405 Vergleiche dazu nunmehr ausdriicklich die Bedenken der Europaischen Kommission in ihrem Ersuchen um Stellungnahme der Bundesregierung vom 04.04.2000, abgedruckt in N u R 00, S. 625. Kritisch ebenfalls Gassner, N u R 99, S. 82; Fischer-Hiiftle, Z U R 99, S. 68; Niederstadt, N u R 98, S. 523, 525; Gellermann, Natura 2000, S. 156 ff.; Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 29; Fisahn, ZUR 0 1 , S, 253 f. 406 Vergleiche dazu ausftihrlich 6. Kapitel § 16 A. 407 Sowie fur emittierende Anlagen nach dem BImSchG nach § 36 BNatSchG. Vgl. zur Abgrenzung ausfuhrlich Gellermann, Natura 2000, S. 158 f., 224.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

365

Abs. 3 FFH-RL, wenn es sich bei den Vorhaben um Eingriffe in Natur und Landschaft nach § 18 BNatSchG handelt.408 Entscheidend fur die AuBenschutz ist mithin die Qualifizierung der jeweiligen MaBnahmen als Eingriff im Sinne des § 18 BNatSchG.409 Plane i.S.v. Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL sind ausweislich § 10 Abs. 1 Nr. 12 BNatSchG alle Plane und Entscheidungen in vorgelagerten Verfahren, die bei behordlichen Entscheidungen zu beachten oder zu berilcksichtigen sind und die einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Planen oder Projekten410 ein Gebiet des Natura 2000 Netzes erheblich beeintrachtigen konnen. Alle bundesrechtlich geregelten Verfahren zur Lininienbestimmungen werden tiber § 35 Nr. 1 BNatSchG der Vertraglichkeitsprufung nach § 34 BNatSchG unterworfen.411 Sonstige Plane gemafi § 35 Nr. 2 BNatSchG sind landesrechtlich einer Vertraglichkeitsprufung zu unterstellen.412 Auch vorbereitende Planungen, die fur nachfolgende Zulassungsentscheidungen uber Bodennutzungen von Relevanz sind, haben sich einer Uberprilfung anhand der Schutzziele der FFH-RL zu unterziehen.413 Dem unterfallen alle Planungen, deren Vorgaben auf nachfolgende Zulassungsverfahren wenigstens Abwagungsrelevanz ausstrahlen.414 Folglich sind auch die Festsetzungen der Landes- und Regionalplanung geeignet, Schutzgebiete des Netzes Natura 2000 zu beeintrachtigen.415 Dementsprechend statuieren § 7 Abs. 7 ROG bzw. § la Abs. 1 Nr. 4 BauGB fur Raumordnungs- und Bauleitplane sowie fur stadtebauliche Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB die Pflicht zur Vertraglichkeitsprufung.416 408

Zur Anwendung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auf KiistenschutzmaBnahmen vgl. ausfuhrlich 6. Kapitel § 16 B. I. 409 Wobei landesrechtliche Abweichungen keine Rolle spielen sollen, vgl. Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 29. Zu den hier bestehenden Defiziten, die sich aus der zweifelhaften Einordnung von einigen KtistenschutzmaBnahmen als solche der Unterhaltung ergeben, vgl. ausfuhrlich 6. Kapitel § 16 B. 410 Siehe dazu Europaische Kommission, in: Gebietsmanagement, S. 37 f; Jarass, ZUR 00, S. 185; Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 105 f. 411 Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 9 9 , S. 78; Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 193. 412 Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 78. Zur Abgrenzung zu bloBen politischen Absichtserklarungen vgl. Europaische Kommission in: Gebietsmanagement, S. 34. 4B Freytag/Iven, NuR 95, S. 112; Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 193; Schink, GewArch 9 8 , S. 44; Erbguth, NuR 00, S. 136; Louis, BNatSchG § 19dRn. 1 f. 414 Schink, GewArch 98, S. 44; Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 193. 415 Siehe dazu Iven, N u R 96, S. 378 und dortige Fn. 40; Erbguth, N u R 00, S. 136 und die bereits beschriebenen Wirkungen von Festsetzungen der Raumordnung auf die Projektzulassung im 2. Kapitel § 7 C. V. und auf Schutzgebiete im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. b. 416 Im Einzelnen strittig, vgl. dazu Ssymank et ah, Natura 2000, S. 38 f; Louis, D O V 99, S. 378 m.w.N.; Diippenbecker/Greiving, DVB1.99, S. 1014; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 78; Muller-Terpitz, N V w Z 99, S. 29; Fischer-Hiiftle, Z U R 99,

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

bb. Regelungsgehalt

Der Ausgang der Vertraglichkeitsprufung ist fur die Zulassigkeit der Plane und Projekte von entscheidender Bedeutung. Ergibt die Priifung, dass keine negativen Auswirkungen, d.h. keine erheblichen Beeintrachtigungen auf Erhaltungsziele des Gebietes zu erwarten sind, ist das Projekt zulassig bzw. kann der Raumordnungsund Bauleitplan abwagungsfehlerfrei in Kraft gesetzt werden.417 Folgt aus dem Ergebnis der Vertraglichkeitsprufung418, dass ein Plan oder Projekt zu erheblichen Beeintrachtigungen eines Natura 2000 Gebietes in seinen fur die Erhaltungsziele maBgeblichen Bestandteilen fuhren kann, ist es nach § 34 Abs. 2 BNatSchG grundsatzlich unzulassig.419 Der FFH-Gebietsschutz kann in diesen Fallen daher sowohl innerhalb wie auch aufierhalb der Schutzgebiete risikopotentialbegrenzend und eingriffsminimierend wirken. Entscheidend ist, dass in die Beurteilung, ob nach Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL eine erhebliche Beeitrachtigung eintreten kann und bei der Frage nach einer Beeintrachtigung des Gebiets als solchem nach Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL jeweils das Vorsorgeprinzip zur Anwendung gelangt.420 Dass heiBt fur die Vorprufung (Screening) nach Art. 6 Abs. 3 S. 1 FFH-RL, dass bei jeder Moglichkeit einer erheblichen Gebietsbeeintrachtigung vor Zulassung des Planes oder Projekts vor-

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S. 68 f.; Schink, U P R 00, S. 130; Erbguth, N u R 00, S. 132; Schrodter, N u R 0 1 , S. 11 f. Siehe auch die Differenzierungen bei Louis, BNatSchG § 19a Rn. 32. Eingehend zum Streitstand Erbguth, N u R 00, S. 132 und Gellermann, Natura 2000 ( 1 . Aufl.), S. 133 ff.; ferner Schink, N u R 0 1 , S. 255. Nach Ansicht der Europaischen Kommission wird die plangebundene Vertraglichkeitsprufung in Gebieten mit Bebauungsplanen nach § 30 BauGB den Anforderungen der F F H - R L nicht gerecht, da u.U. auch den Festsetzungen der Bebauungsplane entsprechende Vorhaben zu Gebietsbeeintrachtigungen fuhren konnen. Diese Einschatzung scheint zumindest fur einfache Bebauungsplane zutreffend, da hier fur den Bauherren erhebliche Spielraume bestehen. Wenn tiberhaupt, kame eine Befreiung von der Vertraglichkeisprufung nur fur Vorhaben i m Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes in Frage, sollte eine richtlinienkonforme Umsetzung in den Bereich des Moglichen rticken. Erbguth, N u R 00, S. 133; Hoppe, U P R 99, S. 427. Die Vertraglichkeitsprufung wird durch § 3 4 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 11 BNatSchG umgesetzt. Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 75. Wobei die in § 34 Abs. 2 BNatSchG geforderte erhebliche Beeintrachtigung hinter den Anforderungen des Art. 6 III S. 2 F F H - R L zuriickbleibt. Nach zutreffender Ansicht ist die Intensitat der in § 34 Abs. 2 BNatSchG geforderten Beeintrachtigungen nur bei sonstigen Gebietsteilen fur ein negatives Ergebnis maBgeblich. Hinsichtlich der schutzwiirdigen Gebietsbestandteile stellen jegliche negativen Auswirkungen Versagungsgrtinde dar. Vgl. Gellermann, Natura 2000, S. S. 65; Erbguth, N u R 00, S. 133. Das ist insbesondere der Fall, wenn die gebietsspezifischen Erhaltungsziele betroffen sind oder verletzt werden. EuGH, Urteil vom 07.09.2004 - Rs. C-127/02 - (Herzmuschelfischerei) Eurlex, S. Rz. 44, 59.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

367

sorglich eine Vertraglichkeitsprufung durchzufuhren ist.421 Fur die Vertraglichkeitsprufung selbst (Art. 6 Abs. 3 S. 2 FFH-RL) folgt daraus, dass sich die Behorde Gewissheit ilber das Nichteintreten nachteiliger Auswirkungen verschafft haben muss. Konnen vernunftige Zweifel bei der Feststellung der Nichtbeintrachtigung nicht ausgeraumt werden, darf das Vorhaben nicht zugelassen werden.422 Entgegengetreten werden muss in diesem Zusammenhang der Auffassung, wonach in den Ausgang der Vertraglichkeitsprufung AusgleichsmaBnahmen einflieBen konnten, mit der Folge, dass eine an sich negative Beurteilung der Vertraglichkeit in eine neutrale oder positive wandelbar ware.423 Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL bestimmt ausdriicklich, dass bei beeintrachtigenden Planen oder Projekten AusgleichsmaBnahmen zu ergreifen sind und die Kommission uber diese zu unterrichten ist. Verknilpft man hingegen Eingriff und Ausgleich wird die Rechtsfolge einer Beeintrachtigung in den Tatbestand erhoben. Uberdies wiirde auf diesem Wege die Unterrichtung der Kommission umgangen, da bei positivem Ausgang der VertraglichkeitsmaBnahmen das Rechtsregime des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nicht mehr griffe.424 Gleichwohl eroffnet die FFH-RL durch Art. 6 Abs. 4 FFH-RL die Moglichkeit der Ausnahmen vom Vertraglichkeitsgrundsatz des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL. Diese sollen im Folgenden naher untersucht werden.

b. Beeintrachtigungen von FFH-Gebiete aa. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL Ergibt die Vertraglichkeitsprufung, dass Gebietsbeeintrachtigungen zu erwarten sind,425 kann in Gebieten ohne prioritare Bestandteile der Plan oder das Projekt aus zwingenden Griinden des iiberwiegenden offentlichen Interesses, einschlieBlich solcher soziookonomischer Art zugelassen werden, sofern keine Alternativlosungen vorhanden sind und die globale Koharenz von Natura 2000 geschiltzt ist. Uber AusgleichsmaBnahmen ist die Europaische Kommission zu unterrichten. Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL setzt die in Art. 2 Abs. 3 FFH-RL genannten soziookonomischen Belange in Bezug auf Gebietsbeeintrachtigungen um und verdrangt 421 422

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So im Ergebnis: EuGH, Urteil vom 07.09.2004 - Rs. C-127/02 (Herzmuschelfischerei) Eurlex, S. Rz. 44. EuGH, Urteil vom 07.09.2004 - Rs. C-127/02 - (Herzmuschelfischerei) Eurlex, S. Rz. 59. Jedenfalls nicht ohne Ruckgriff auf das Ausnahmeverfahren nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. Dies Moglichkeit sehen offenbar Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 75. Vgl dazu auch den Wortlaut in § 36 BNatSchG. Kritisch zu § 36 BNatSchG: Louis, BNatSchG, § 19e Rn. 9; Fischer-Hiiftle, Z U R 9 9 , S. 69. Zuruckhaltender wohl Fisahn, Z U R 0 1 , S. 256. Ablehnend: BVerwG, Urteil vom 27.02.2003 - 4 A 5 9 . 0 1 - N u R 0 3 , S . 687 (689 f.). Diese Einschatzung gilt freilich nicht bei Vermeidungs- und MinimierungsmaBnahmen, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.02.2003 - 4 A 59.01 - N u R 0 3 , S. 687 (689 f.); Hoppe, U P R 99, S. 427. Z u den konkreten BeeintrSchtigungsqualitaten vgl. ausfuhrlich Gellermann, Natura 2000, S. 79f, 85.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

somit als lex specialis die allgemeine (und ausnahmslose) Regelung des Art. 2 Abs. 3 FFH-RL. Aus Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL wird ersichtlich, dass nicht jegliche, sondern nur besonders gelagerte offentliche Belange eine Gebietsbeeintrachtigung rechtfertigen konnen.426 Die gegenlaufigen Interessen miissen die Belange des Habitatschutzes dazu gewichtsmaBig uberlagern und langfristiger Natur sein.427 In der hier notwendigen Abwagung ist neben dem an sich haufig zu pauschal gebrauchten Grundsatz, dass Ausnahmen eng auszulegen sind,428 die besondere Bedeutung des gemeinschaftsrechtlichen Habitatschutzes zu beriicksichtigen.429 Die Beurteilung ist gerichtlich voll iiberprufbar.430 Schwerpunkt der Ausnahmeprufung wird die Charakterisierung der gegenlaufigen Interessen als solche zwingender und iiberragender Art sowie die Suche nach Alternativen sein. bb. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL

Kommen im Schutzgebiet prioritare Lebensraumtypen oder priortare Arten vor, so werden durch Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL verscharfte Zulassungsbedingungen fur Beeintrachtigungen aufgestellt. Danach konnen erhebliche Beeintrachtigungen der Schutzgebiete zunachst nur durch Erwagungen im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit und der Qffentlichen Sicherheit oder mit maBgeblichen giinstigen Auswirkungen fur die Umwelt gerechtfertigt werden. (a) Maligeblich gunstige Umweltauswirkungen Festsetzungen der Raumordnung, die in Richtung weiterer Siedlungsentwicklung gehen und somit der Vorbereitung der Bauleitplanung dienen, wirken flachenverbrauchend und risikopotentialerhohend. Gleiches gilt fur die Bauleitplanung selbst. MaBnahmen des Kiistenschutzes stellen erhebliche Eingriffe in die Okologie des Kustenraumes dar. Daher dilrften die hier in Rede stehenden Einwirkungen 426

Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 2 7 1 ; Iven, N u R 96, S. 379; Europaische Kommission, G e bietsmanagement 2000, S. 4 8 ; Erbguth, N u R 00, S. 133; Schink, GewArch 9 8 , S. 50. Ausfuhrlich zu Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL: Gellermann, Natura 2000, S. 91 ff. 427 Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 4 8 . 428 N u r wenn sich aus dem Normzweck ergibt, dass die Grundnorm denkbar weit gefasst sein soil und die Ausnahme dementsprechend eng, hat der Satz eine inhaltliche Berechtigung. E r besagt dann aber nichts, weil die Auslegung der Ausnahmevorschrift schon zur engen Auslegung fiihrt. Sie ist das Ergebnis des Auslegungsvorgangs selbst u n d nicht eines abstrakten Satzes iiber die Auslegung von Ausnahmevorschriften. Vgl. dazu ausfuhrlich Franzen, Privatrechtsangleichung, S. 449 f. D i e Voraussetzungen fur eine enge Auslegung der Ausnahmen aus Art. 6 Abs. 4 F F H - R L liegen hingegen hier durch den uberragenden und weit ausholenden Anspruch des Habitatschutzes und der hohen Anforderungen, die dem Wortlaut nach an die Ausnahmen gestellt werden, vor. 429 Iven, N u R 96, S. 379; Schrddter, N u R 0 1 , S. 15; Schink, GewArch 98, S. 5 1 . 430 Diese Uberprufung am MaBstab des Habitatschutzrechts wird das BVerwG, Urteil v o m 15.01.2004 - 4 A 1 1 . 0 2 - Rz. 43 (Juris) N u R 04, S. 366, indem es nur auf das ,,Wie" der Beurteilung durch die Behorde abstellt (siehe dazu 3. Kapitel § 10 C. III. 3. a. aa. und auf eine inhaltliche Pruning der Ausnahmengrilnde nach § 34 III Nr. 1 BNatSchG vollstandig verzichtet, nicht gerecht.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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regelmaBig weder mit maBgeblich giinstigen Umweltauswirkungen verbunden, noch von der Privilegierung des Gesundheitsschutzes erfasst sein. Im Einzelfall erscheint durch planerische Vorgaben die Variante der maBgeblich giinstigen Umweltauswirkungen erfullbar zu sein. Allerdings ist auch diese Ausnahme im Lichte der Zweckbestimmung von Natura 2000, dem europaischen Habitatschutz zur Sicherung des gemeinschaftlichen Naturerbes, eng auszulegen.431 Die Umweltauswirkungen miissen deshalb dem Erhalt und der Schaffung von Riickzugs- und Vernetzungsraumen zur Sicherung der Biodiversitat und des genetischen Austausches dienen432 und mit positiven Wirkungen auch auf das beeintrachtigte Schutzgebiet selbst verbunden sein. Diskutiert wird in diesem Kontext z.B. die Ausweisung von Klarwerkstandorten durch die Regionalplanung mit dem Ziel einer Minimierung von Abwasserbelastungen und damit der Reduzierung der Schadstoffeintrage in die Schutzgebiete.433 Mittelbare Verbesserungen der Umweltssituation, wie etwa der Bau einer Eisenbahntrasse zur Minimierung des Individualverkehrs, konnen negative Auswirkungen auf prioritare Gebiete nicht rechtfertigen.434 Gleiches gilt fur regionalplanerisch festgesetzte Standorte fur Windenergieanlagen435 oder andere (technisch) umweltfreundliche Industrieanlagen. (b) Soziookonomische Belange als Ausnahmen? Eine Abschwachung erfuhre der Schutzstatus, sofern auch im Rahmen von Art. 4 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL Gebietsbeeintrachtigungen durch wirtschaftliche und soziale Erwagungen gerechtfertigt werden konnten. Dieses Verstandnis vermittelt die Umsetzung in § 34 Abs. 4 S. 2 BNatSchG, indem auf die in nichtprioritaren Gebieten einstellungsfahigen Belange des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG verwiesen wird, verbunden mit der verfahrensmaBigen Koppelung an die Stellungnahme der {Commission. Demgegenilber wird die Auffassung vertreten, dass sich durch wirtschaftliche oder soziale Belange bedingte Beeintrachtigungen von Gebieten mit prioritaren Arten oder Lebensraumtypen nicht ilber Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFHRL rechtfertigen lassen.436 Letzteres Verstandnis erscheint im Hinblick auch auf unterschiedliche Auslegungsmethoden zwingend. 431 432

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Siehe Fn. 428 f. Ausfflhrlich Freytag/Iven, N u R 95, S. 109 f.; Gellermann, N u R 96, S. 548; RodigerVorwerk, FFH-Richtlinie, S. 1. Erbguth, N u R 00, S. 134; Schrodter, N u R 0 1 , S. 15. Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 76. Etwa durch Eignungsgebiete, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 R O G . Gerade bei Anlagen der Windenergieerzeugung, insbesondere bei Windparks, ist v o n erheblichen Fernwirkungen auf Schutzgebiete auszugehen. Zustimmend Winter, Z U R 94, S. 309; Gellermann, N u R 96, S. 555; ders., Natura 2000, S. 105 ff.; Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 272, Erbguth, N u R 00, S. 134; Ssymank et al, Natura 2000, S. 40; Ramsauer, N u R 00, S. 609 f.; Schrodter, in: Schrodter, B a u G B , § l a Rn. 131; Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 307 f. Ablehnend Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 53 f.; Rengeling, U P R 99, S. 286; Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 76; Schink,

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Rechtssystematisch ist zu konstatieren, dass aus der Nichtnennung soziookonomischer Belange in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL vor dem Hintergrund der ausdriicklichen Benennung dieser Griinde sowohl in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFHRL, als auch im fast wortgleichen Art. 16 Abs. 1 Nr. c) FFH-RL deren Unbeachtlichkeit folgen muss.437 Sollte, wie nunmehr durch § 34c Abs. 4 S. 2 BNatSchG suggeriert, lediglich eine verfahrensmaBige Beteiligung der Europaischen Kommission statuiert werden, ware eine einfache, diesbeziigliche Erganzung in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL ausreichend gewesen. Historisch resultiert ein solches Ergebnis aus der Anlehnung der Formulierungen in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFHRL an die vom EuGH in der Leybucht-Entscheidung*3* aufgestellten Grundsatze.439 Die Auffangklausel der zwingenden Griinde des tiberwiegenden offentlichen Interesses ist gleichlautend mit der Passage im Urteil.440 Die so formulierte Urteilsbegrilndung diente gerade dem Ausschluss wirtschaftlich oder sozial motivierte Gebietsbeeintrachtigungen. Durch den Riickgriff der Richtliniengebers auf diese insoweit eindeutigen Sequenzen des Leybucht-Urteils kann nur geschlussfolgert werden, dass ein vergleichbarer Inhalt in Art. 6 UAbs. 2 FFH-RL bezweckt war. Auch in teleologischer Auslegung ist kaum anzunehmen, dass den gemeinschaftsrechtlich einer besonderen Verantwortung unterliegenden Gebieten mit prioritaren Arten und Lebensraumtypen vom Richtliniengeber materiell nur ein Schutzstatus gewahrt werden sollte, der das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 VRL nicht nur abschwachend modifiziert, sondern faktisch ganzlich aushebelt.441 Das gilt um so mehr, als nunmehr auch deklarierte Vogelschutzgebiete gemaB Art. 7 FFH-RL dem Rechtsregime der Art. 6 Abs. 4 FFH-RL unterliegen. Selbst wenn man von der Zulassigkeit soziookonomisch bedingter Beeintrachtigungen in Gebieten mit prioritaren Bestandteilen ausginge, bleibt die Regelung

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GewArch 98, S. 52; Jarass, ZUR 00, S. 188; Miiller-Terpitz, NVwZ 99, S. 29; Schrodter, NuR 01, S. 16; Louis, BNatSchG § 19c Rn. 24, allerdings mit der Begriindung, dass ,,es wenig Sinn macht, in diesem Punkt eine von der Kommission abweichende Auffassung zu vertreten". Das eine gegenteilige Auffassung durchaus Sinn haben kann, zeigt hingegen die Rechtsprechung des EuGH zur Anwendbarkeit von Art. 7 FFH-RL, vgl. dazu 3. Kapitel § IOC. III. I.e. Vergleiche dazu instruktiv Fisahn/Cremer, N u R 97, S. 272, m.w.N. Ahnlich Erbguth, N u R 00, S. 134; ders., in: Schoen, N u R 00, S. 147; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § l a Rn. 131. A.A. Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177 in dortiger Fn. 45. Nachweis u.a. in Fn. 261. Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 53; Winter, Z U R 94, S. 309; Gellermann, N u R 96, S. 554; Wils, JoEL 94, S. 233. Winter, Z U R 94, S. 309. Gellermann, NuR 96, S. 555. Zudem weist Ramsauer, NuR 00, S. 610, zutreffend auf die Folgen eines anderen Verstandnisses hin: In letzter Konsequenz wurde immer der private Investor iiber die Beeintrachtigungen selbst von prioritaren Gebieten entscheiden konnen, sofern sein wirtschaftliches Engagement groB genug ist und damit nur ausreichende soziale und wirtschaftliche Gemeinwohlinteressen geschtirt wiirden. Als Beispiel fur eine Entwicklung in diese Richtung muss die DASA Erweiterung in HamburgFinkenwerder angesehen werden.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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des § 34 Abs. 4 S. 2 BNatSchG zweifelhaft Der Degradierung des Regelungsgehaltes von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL zu einem bloGen Verfahrenserfordernis vermag, insbesondere angesichts der von dieser Meinung ins Felde gefuhrten Stellungnahmen der Europaischen Kommisssion zur Querung von Trebel und Recknitz sowie der Peene durch die Bundesautobahn A 20, nicht zu iiberzeugen.442 Diese, vermeintlich die hier abgelehnte Ansicht unterstiitzenden Stellungnahmen, sprechen bei naherer Betrachtung keineswegs for eine richtlinienkonforme Umsetzung des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL durch § 34 Abs. 4 S. 2 BNatSchG. Die Kommission stellt in ihrer Stellungnahme zur Querung des gemeinsamen Tals von Trebel und Recknitz namlich fest, dass die von der Bundesregierung zur Rechtfertigung herangezogenen wirtschaftlichen und sozialen Erwagungen ,,im Prinzip keine Eingriffe in ein besonderes Schutzgebiet rechtfertigen" konnen.443 Lediglich in besonderen Ausnahmefallen konnten im Rahmen von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL soziookonomische Belange als andere zwingende Grunde des offentlichen Interesses geltend gemacht werden.444 Zwar geht die Europaische Kommission in ihrer separaten Stellungnahme zur Querung des Peentetals445 nicht noch einmal explizit auf diesen Problemkreis ein, gleichwohl kann die oben genannte Auffassung weiter als existent angesehen werden, da mehrfach auf die Ausfuhrungen zur Stellungnahme des Recknitz-/Trebeltales verwiesen wird. Durch diese Stellungnahmen kristallisiert sich das Verstandnis der Europaischen Kommission zum Charakter von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL deutlich heraus: Bei Gebieten mit prioritaren Gebietsbestandteilen wird als Normalfall die Unzulassigkeit wirtschaftlich oder sozial motivierter Beeintrachtigungen angesehen. Das schlieBt nicht aus, dass in seltenen, ganz besonders gelagerten Einzelfallen, so wie es die Bundesrepublik der Kommission zumindest glaubhaft machen konnte, auch einmal soziookonomische Belange Gebietsbeeintrachtigungen zu rechtfertigen vermogen. Gleichwohl unterstreicht diese Ausnahme im Einzelfall im Gegenzug die Bedeutung des prinzipiellen Beeintrachtigungsverbotes. Keinesfalls jedoch erschopft sich die Bedeutung von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL in einem bloBen Verfahrenserfordernis,446 innerhalb dessen nach Lesart des § 34c Abs. 4 S. 2 BNatSchG alle denkbaren wirtschaftlichen oder sozialen Interessen von gewisser Bedeutung als Grunde fur Gebietsbeeintrachtigungen geltend gemacht werden konnten. Hier ist es zukiinftig Aufgabe der Kommission, die Anwendung der Ausnahmen an ihren selbstgestellten Anforderungen zu messen und so einem Missbrauch durch die erforderlichen Stellungnahmen entgegenzuwirken. Im Ergebnis bleibt nochmals festzustellen, das soziookonmische Grunde grundsatzlich keine Beeintrachtigungen prioritarer Gebiete rechtfertigen konnen. 442

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A.A. Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 76 und Rengeling, U P R 99, S. 285 in dortiger Fn. 54. Ahnlich auch Schink, GewArch 98, S. 52. Kritisch mit ausfuhrliche Analyse: Scherfose, Umsetzung, in:Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 231 ff. AB1. E G vom 13.07.1995, N r . C 178/5, Pkt. 4.1. AB1. E G vom 13.07.1995, Nr. C 178/5, Pkt. 4.1. AB1. E G vom 09.01.1996, Nr. L 6/17. So auch Fisahn/Cremer; N u R 97, S. 272.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Selbst wenn man der Gegenauffassung folgte, lassen sich aus den restriktiven Formulierungen der Kommissionsstellungnahmen weitreichende Impulse fur Flachenfreihaltung und Risikobgrenzung innerhalb und auBerhalb prioritarer FFHGebiete ableiten. Mit diesem Verstandnis wird man in naturschutzfachlicher Hinsicht, auch vor dem Hintergrund der herausragenden Bedeutung des prioritaren Habitatschutzes fur die Bewahrung des gemeinschaftlichen Naturerbes, daher leben konnen. Zudem wird dem eingangs geschilderten Disput die Scharfe genommen. Voraussetzung ist und bleibt hingegen eine strikte Handhabung der in Frage kommenden Ausnahmetatbestande.447 Sollte die Reduktion des Sinngehaltes von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL in Richtung einer bloBen verfahrenstechnischen Bedeutung fortschreiten, diirfte damit eine nicht unerhebliche Reduktion des europaischen Habitatschutzes einhergehen und sich dessen Gewicht fur die Risikobegrenzung im Kiistenraum defizitar abschwachen.

c. Einwirkungen auf Vogelschutzgebiete Zur Beurteilung der Zulassigkeit von Einwirkungen auf Vogelschutzgebiete ist noch zu klaren, welche Beeintrachtigungsregelungen auf Vogelschutzgebiete Anwendung finden. Interessant ist hier insbesondere, ob und inwieweit sich das Rechtsregime aus Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL bei Vogelschutzgebieten Geltung verschaffen kann. Fur Vogelschutzgebiete gait bis Inkrafttreten der FFH-RL das Schutzregime nach Art. 4 Abs. 4 VRL, welches weitaus strengere Beeintrachtigungsverbote aufstellte.448 Fur erklarte oder anerkannte Vogelschutzgebiete tritt an diese Stelle gemaB Art. 7 FFH-RL die erleichterten Beeintrachtigungsregelungen der Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL. Die Zulassigkeit von Einwirkungen auf erklarte oder anerkannte Vogelschutzgebiete beurteilt sich nunmehr unbestritten nach der Vorgaben der FFH-RL. Fraglich ist der Schutzstatus von Vogelschutzgebieten, die pflichtwidrig nicht ausgewiesen wurden. In diesem Zusammenhang wird vertreten, dass Art. 6 Abs. 3,4 FFH-RL nach Inkrafttreten der FFH-RL fur alle Vogelschutzgebiete gelten soil.449 Ohne hier ins Detail gehen zu wollen muss diese Auffassung als 447 448

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Dafur pladiert auch Schink, GewArch 98, S. 5 1 . Vergleiche dazu die Rechtsprechung des EuGH, insbesondere die LeybuchtEntscheidung und das Santona-Urteil mit Anm. Winter, S. 308 ff. (beide Nachweise in Fn. 261); O V G Ltineburg, Urteil vom 14.12.1997 - 7 1155/97 - U P R 98, S. 299 (300). Ebenso Erbguth, N u R 00, S. 135. Insoweit noch zutreffend auch V G H Miinchen, Urteil vom 14.06.1996 - 8 A 9 4 . 4 0 1 2 5 / 4 0 1 2 9 - N u R 1997, S. 45 (48) mit Anm. Louis, N u R 97, S. 361 (362). Dieser Ansicht folgend: Freytag/Iven, N u R 95, S. 117; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 71 f.; Rengeling, U P R 99, S. 285 f.; h e n , N u R 96, S. 380; Louis, BNatSchG § 19c Rn. 7; Erbguth/Stollmann, DVB1. 97, S. 458; Koch, N u R 00, S. 375; Thyssen, DVB1. 98. S. 885; Muller-Terpitz, N V w Z 99, S. 29; Niederstadt, N u R 98, S. 519; Schrodter, N u R 0 1 , S. 17; O V G Munster, Beschluss vom 11.05.1999 - 20 B 1464/98 Z U R 00, S. 155 (157), mit Anm. Maafi. Differenzierend Schink, GewArch 98, S. 47. Ebenso Europaische Kommission in: Gebietsmanagement, S. 12. Der Wortlaut des § 19a Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG lasst allerdings keine eindeutige Stellungnahme zu.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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unzutreffend abgelehnt werden.450 Der Richtliniengeber kann die gewollte Beschrankung auf anerkannte oder erklarte Gebiete kaum deutlicher als in der Formulierung des Art. 7 FFH-RL zum Ausdruck bringen.451 Aufierdem wiirde ein anderes Verstandnis dazu fuhren, dass das richtlinienwidriges Unterlassen der Umsetzung zur selben Privilegierung fuhrte, wie ein richtlinienkonformes Verhalten eines Mitgliedstaates. SchlieBlich greift auch das von der Gegenmeinung angefuhrte Argument, die Beschrankung des Art. 7 FFH-RL bewirke das merkwiirdige Ergebnis, dass gesicherte Vogelschutzgebiete einem geringeren Schutzregime ausgesetzt waren, als nichtgesicherte Gebiete, nicht durch.452 Der Sinn von Art. 7 FFH-RL ist sowohl in der Vereinheitlichung der Schutzvorgaben der in den Biotopverbund von Natura 2000 integrierten Gebiete zu sehen,453 als auch gleichzeitig darin, richtlinientreue Mitgliedstaaten zu honorieren. SchlieBlich unterstellten diese Staaten mit der Umsetzung der VRL Teile ihres Territoriums dem strengen Schutzstatus von Art. 4 Abs. 4 VRL. Ein anderes Verstandnis konnte hingegen dazu fuhren, dass die Mitgliedstaaten auch zukiinftig unliebsame Richtlinien

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Gleichwohl konnte sich in Verbindung mit § 33 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG der Eindruck ergeben, von § 19a Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG seien nur ausgewiesene Vogelschutzgebiete umfasst. So jedenfalls vorsichtig Rengeling, a.a.O., S. 286 f. So i m Ergebnis auch BVerwG, Urteil v o m 19.05.1998 - 4 A 9.97 - DVB1. 98, S. 900 (901) = N o r d O R 9 8 , S. 312. Ebenso Ssymank et al, Natura 2000, S. 37; Gellermann, N u R 96, S. 549; ders., Natura 2000, S. 83 f.; Erbguth, N u R 00, S. 135 f.; Schrodter, in: Schrodter, B a u G B , § l a Rn. 133; Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 289 f., 294 ff. S o wohl im Ergebnis auch Fisahn/Cremer, N u R 97, S, 2 7 1 . Dieser Ansicht hat sich, entgegen der Kommissionsauffassung (siehe dazu Fn. 449) auch der E u G H angeschlossen. Vgl. dazu Urteil vom 07.12.2000 -C-374/98 - (Basses Corbieres) N u R 0 1 , S. 210 (212) = Z U R 0 1 , S. 75 (77) mit Anm. Maafi, S. 8 1 . Gellermann, NuR 96, S. 549; BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 C 11/96 - NuR 98, S. 649 (651); OVG Luneburg, Beschluss vom 04.12.1997 - 7 M 1155/97 - NuR S. 275 (280). So aber Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 71 f; Rengeling, U P R 99, S. 286. Die Begrilndung dieser Auffassung von Rengeling, a.a.O., S. 286, damit, dass die Situation faktischer Schutzgebiete innerhalb der F F H - R L nicht bedacht worden sei, kann nicht tiberzeugen. Die Ausweisungsfrist der Vogelschutzgebiete war gemafi Art. 18 V R L bereits a m 02.04.1981 abgelaufen; die Problematik pflichtwidrig nicht ausgewiesener Schutzgbebiete aufgrund der zogerlichen Umsetzungspraxis folglich bekannt. Merkwilrdig im Lichte dieser Ansicht erscheinen auch die Ergebnisse von Schink, GewArch 98, S.47, und wohl auch hen, N u R 96, S. 380, welche die F F H - R L fur nicht ausgewiesene Vogelschutzgebiete dann anwenden mochten, wenn diese v o n so uberragender Bedeutung sind, dass eine Auswahlermessensreduzierung auf Null vorliegt (etwa bei Gebieten mit v o m Aussterben bedrohten Arten, in Anlehnung an das Sa«fona-Urteil des E u G H , Nachweis in Fn. 261), Art. 4 Abs. 4 V R L jedoch dann weiter gelten soil, wenn die Gebiete nicht so schutzwurdig sind. Konsequenz ware dann, dass gerade die wertvollsten Gebiete leichter zu beeintrachtigen sind, als Gebiete mit untergeordneter B e deutung. Gellermann, NuR 96, S. 549.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

einfach aussitzen, bis sie sich durch Zeitablauferledigen oder durch modifizierende neue Richtlinien einer Umsetzung entziehen konnen.454 Fiir eine Privilegierung der nichtumsetzenden Staaten ist somit kein Raum. Damit konnen Beeintrachtigungen nichtausgewiesener Vogelschutzgebiete nur durch MaBnahmen gerechtfertigt sein, die sich an den Kriterien der Leybucht-Entscheidung orientieren455 und nunmehr weitgehend in Art. 6 Abs. 4 UAbs.2 FFH-RL formuliert sind.456 Unklar ist ebenfalls die Behandlung der in Anhang I der VRL aufgefuhrten Vogelarten vor dem Hintergrund der nunmehr fur ausgewiesene Vogelschutzgebiete geltenden Ausnahmevorschriften des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. Probleme ergeben sich dabei aus der Tatsache, dass in Anhang II FFH-RL keine Vogelarten aufgefuhrt sind und innerhalb der Vogelschutzrichtlinie nicht zwischen prioritaren und nicht prioritaren Vogelarten unterschieden wird. Dazu wird vertreten, dass fur ausgewiesene Vogelschutzgebiete deshalb nur die erleichterten Beeintrachtungsverbote des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL gelten sollen.457 Diese Auffassung wird ilberwiegend458 und zu recht abgelehnt. Die Gegenmeinung geht davon aus, dass alle in Anhang Abs. 1 VRL enthaltenen Vogelarten i.d.S. prioritare Arten seien und die zur Bewahrung dieser Arten ausgewiesenen Schutzgebiete nach der VRL dem strengeren Rechtsregime des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL unterfallen.459 Vermittelnd wird vertreten, dass zumindest fur die Vogelarten, welche ei454

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Z u d e m konnte das mitgliedstaatliche Berufen auf Art. 6 Abs. 3, 4 F F H - R L durch den nichtumsetzenden Staat ein vom Grundsatz des venire contra factum propium umfassten Verbotstatbestand darstellen. Werden an sich als Vogelschutzgebiete auszuweisende Gebiete lediglich als FFH-Gebiete gemeldet, wird vertreten, trotzdem die Beeintrachtigungsregeln aus Art"4 Abs. 4 S. V R L , u n d nicht die aus Art. 6 Abs. 4 F F H - R L anzuwenden, vgl. Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 290. S i e h e d a z u s c h o n 3 . Kapitel § 1 0 C. II. I . e . u n d i n s b e s o n d e r e 3 . Kapitel § 1 0 C. III. 3. b . Dies gilt freilich nicht fur die Anhanger der Meinung, die von Art. 6 Abs. 4 U Abs. 2 F F H - R L mit § 3 4 Abs. 4 S. 2 BNatSchG auch soziookonomische Beeintrachtigungen gerechtfertigt sehen wollen, siehe 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. bb. ( b ) , denn diese sind durch Art. 4 Abs. 4 V R L gerade nicht gedeckt, vgl. nur die LeybuchtEntscheidung, Nachweis in Fn. 2 6 1 , Amtl. Slg., S. I 931 = N u R 9 1 , S. 249 (250). Wenn auch z u m Problemkreis a.A., so doch hier konsequent: Rengeling, U P R 99, S. 287. Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 76 f.; Jarass, NuR 99, S. 489; Muller-Terpitz, NuR99, S. 29; Schink, GewArch 98, S. 52, Jarass, ZUR 00, S. 188; Koch, NuR 00, S. 378 in dortiger Fn. 50. Ebenso OVG Munster, Beschluss vom 11.05.1999 - 2 0 B 1464/98 - ZUR 00, S. 155 (158 f.). Ahnlich die Einschatzung der Europaischen Kommission in einem Schreiben vom 26.04.1995, Nachweis bei Gellermann, NuR 96, S. 555 in dortiger Fn. 56. Einschatzung von Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § la Rn. 131 a.E. Ssymank et al, Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, S. 40; Fisahn/Cremer, NuR 97, S. 273; Gellermann, NuR 96, S. 555; ders., Natura 2000, S. 103 f.; Winter, ZUR 94, S. 309; ders., ZUR 96, S. 255; Schrodter, in: Schrodter, BauGB, § la Rn. 131 a.E.; Freytag/Iven, NuR 95, S. 114; Erbguth, NuR 00, S. 134; ahnlich auch Iven, NuR 96, S. 373; ausfuhrlich Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 308 ff. Inhaltlich ebenso Louis, DOV 99,

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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nem vergleichbaren Gefahrdungsgrad ausgesetzt sind wie die prioritaren Arten der FFH-RL, das strengere Schutzregime des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL gelten solle. Demnach ware innerhalb der in Anhang Abs. 1 VRL genannten Arten nochmals zu differenzieren:460 Die generelle Nichtgeltung des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL fur die nach der VRL zu schiitzenden Vogelarten wird damit begrilndet, dass in der VRL keine Selektion prioritarer Vogelarten erfolgte und solche auch nicht in der FFH-RL aufgenommen wurden. Obgleich diese ,,formalistisch anmutende Argumentation"461 durch ihre Einfachheit besticht, kann sie vor dem Hintergrund des materiellen Schutzanspruchs der Vogelarten nicht ilberzeugen. Der Regelungszweck der FFH-RL bietet keine Anhaltspunkte dafiir, dass ehedem durch die VRL gewahrleistete strenge Schutzregime undifferenziert in das niedrigste Schutzniveau, welches die FFH-RL bietet, zu uberfuhren.462 Zudem verweist Art. 7 FFH-RL nicht nur auf Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL, sondern allgemein auf Art. 6 Abs. 4 FFH-RL und somit zugleich auf die Anwendbarkeit der Beeintrachtigungsregeln fur Gebiete mit prioritaren Bestandteilen.463 Sollte hier die Intention des Richtliniengebers in Richtung der Unanwendbarkeit des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL gegangen sein, ware der Verweis auf Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL nicht nur ausreichend, sondern auch zweckmafiiger gewesen. Nicht zuletzt daraus kann geschlossen werden, dass der Richtliniengeber von einem ornithologischen Schutzregime ausging, welches dem des Art. 6 Abs. 4 FFHRL entspricht, auch im Hinblick auf die Differenzierung nach unterschiedlichen Gefahrdungen. Das entsprache gleichfalls der mit der FFH-RL verfolgten Vereinheitlichung der Schutzgebietssystems.464 Damit nicht vereinbar ware dann allerdings die pauschale Abqualifizierung aller Anhang I-Arten der VRL als nicht prioritar im Sinne der FFH-RL. Offengelassen werden kann an dieser Stelle, ob nun alle Vogelarten des Anhangs I der VRL oder im Lichte der FFH-typischen Differenzierungen nur selektive Arten des Anhang Abs. 1 VRL den prioritaren Arten der FFH-RL gleichgestellt werden sollten.465 Eindeutig ist insoweit, dass es auch prioritare Vogelarten gibt.

460 461 462 463 464 465

S. 378; wenngleich verwaltungspraktisch die Gegenansicht vertretend, siehe dazu ders., BNatSchG, § 19a Rn. 24. Freytag/Iven, N u R 95, S. 114; Winter, Z U R 96, S. 255, ders., Z U R 94, S. 309. Ausfuhrlich zum Meinungsstand: Bugiel, in: Czybulka, Landschaftsplanung, S. 107 f. Gellermann; N u R 96, S. 555. Winter, Z U R 94, S. 309; Gellermann, N u R 96, S. 555. Freytag/Iven, N u R 95, S. 114; Erbguth, N u R 00, S. 134. Vergleiche die ahnlichen Ausfuhrungen im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. und die vergleichsweise heranziehbaren Nachweise in Fn. 277. An eine Differenzierung ist denken, da Anhang I der V R L ein Vielfaches der Arten in Anhang II der FFH-RL enthalt (und damit erst recht der prioritaren Arten), siehe Freytag/Iven, NuR 95, S. 114. Allerdings werden von der FFH-RL langst nicht alle gefahrdeten Arten erfasst, insoweit konnt man zur Angleichung der Artensystematik beider

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Es spricht aber viel dafiir, zuniichst alle Arten des Anhangs Abs. 1 der VRL als prioritar einzustufen.466 Sollte eine Differenzierung erwtinscht sein, milsste diese erst noch erfolgen, eine Ausdiinnung der zunachst als prioritar zu klassifizieren Anhang I-Arten ist, wenn ilberhaupt, erst im Anschluss daran durchfuhrbar. Beeintrachtigungen von zum Schutz der Arten aus Anhang I der VRL augewiesenen Vogelschutzgebieten kann daher nur unter den Ausnahmetatbestanden des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL erfolgen. Das strenge Schutzregime und die relative Grofiraumig- und Haufigkeit der im Kustenbereich Mecklenburg-Vorpommerns zu Vogelschutzgebieten erklarten Areale lassen daher eine wirkungsvolle Steuerung des mit wirtschaftlichen oder sozialen Erwagungen467 begriindeten kiistennahen Flachenverbrauchs zu und damit eine Verminderung der Risikopotentials durchfuhrbar erscheinen.

2. Risikopotentialerhohende Plane und Projekte a. Gebietsbeeintrachtigungen Ausgehend von der Vorverlagerung europarechtlicher Schutzanforderungen der Natura 2000 Gebiete auf die vorbereitende Zulassungsebene sind sowohl die Festsetzungen der Raumordnungsplanung, als auch die anderer verbindlicher Planungsentscheidungen mit moglichen negativen Auswirkungen auf die Schutzgebiete, am Schutzregime der FFH-RL zu messen.468 Den Beeintrachtigungsverboten des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL sind daher neben Raumordnungsplanen469 und Fachplanen sowie planerischen Verwaltungsentscheidungen470 insbesondere auch Bebauungsplane sowie Vorhaben- und ErschlieBungsplane zu unterwerfen.471 Dies gilt wegen ihrer Relevanz fur die nachfolgende Bauleitplanung sowie der Zulassigkeit von Vorhaben, etwa nach § 35 BauGB, auch fur Flachennutzungsplane.472 Glei-

466 467 468 469

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Richtlinien auch umgekehrt an eine quantitative Erweiterung der Anhang II Arten der FFH-RL (prioritar und nichtprioritar) vertreten, so jedenfalls Winter, ZUR 94, S. 309. Wohl alle der Anhang I genannten Vogelarten sind bereits vom Aussterben bedroht, sie dtlrften daher per se als prioritar einzustufen sein, vgl. Winter, ZUR 94, S. 309. Also bei der ganz iiberwiegenden Mehrzahl der Vorhaben. Gellermann, Natura 2000, S. 89 f.; Schink, GewArch 98, S. 44; Erbguth, N u R 00, S. 131 ff.; ders., in: Schoen, N u R 00, S. 147; Schink, N u R 0 1 , S. 256. Das ist, im Gegensatz zur Anwendung der Vertraglichkeitspriifung, unstreitig, vgl. Erbguth, N u R 00, S.131; Schink, N u R 0 1 , S. 256. Siehe auch Schrodter, N u R 0 1 , S. 12, m.w.N. Siehe dazu Thyssen, DVB1. 98, S. 877 ff., m.w.N. und Hosch, N u R 04, S. 218. Und zwar unabhangig von ihrer ortlichen Belegenheit. Siehe dazu ausftihrlich Erbguth, N u R 00, S. 131; Schink, GewArch 98, S. 44; ders., N u R 00, S. 256 f., sowie Schrodter, N u R 0 1 , S. 11. Europaische Kommission in: Gebietsmanagement, S. 34; Louis, BNatSchG, § 19d Rn. 8.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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ches gilt fur Vorhaben im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB473 und im AuBenbereich nach § 35 BauGB.474 Prinzipiell gilt fur Beeintrachtigungen durch Raumordnung und Bauleitplanung das allgemeine Schutzregime der Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL. Auf die vorhergehenden Ausfuhrungen zum Umfang und zur Starke des Schutzregimes kann somit uneingeschrankt verwiesen werden. Die mit Art. 6 Abs. 3 FFH-RL verbundene generelle Unzulassigkeit der raumordnerischen Planung bei festgestelltem negativen Ergebnis der Vertraglichkeitsprufung zieht die Modifikation der raumordnerischen Abwagungsdogmatik nach sich. Lasssen sich gewQhnlich betroffene Belange im Rahmen des Abwagungsvorgangs auf der Stufe des Ausgleichs iiberwinden, kann dies im Hinblick auf die Unbedingtheit der europarechtlichen Vorgaben, die beim negativen Ausgang der Vertraglichkeitsprufung eingreifen, nicht mehr moglich sein.475 Das Ergebnis, ein Verbot der beeintrachtigenden Planung tiberhaupt, la'sst sich innerhalb der Raumordnung nur dann begrunden, wenn man den betroffenen Belangen des Habitatschutzes die Rechtwirkungen von Planungsleitsatzen476 zubilligt.477 Im Ergebnis haben sich raumordnerische Einwirkungen auf Schutzgebiete daher dem Schutzregime des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als abwagungsresistenten Planungsleitsatz zu stellen. Entgegenstehende Ziele sind, vorbehaltlich der Ausnahmen aus Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1, 2 FFH-RL (§ 34 Abs. 3, 4 BNatSchG) als unzulassig anzusehen.478 Ziele, die ohne Rucksicht auf die Belange des Habitatschutzes festgesetzt werden, sind abwagungsfehlerhaft.479 Bauleitplanerisch besteht bei negativer Vertraglichkeitsprufung, bis auf die entsprechenden Ausnahmentatbestande, ein Planungsverbot.480 Insbesondere der restriktive Schutz von Gebieten mit prioritaren Gebietsbestandteilen zieht somit die prinzipielle Unzulassigkeit beeintrachtigender siedlungs- und wirtschaftsfordender Entwicklungsplanung auf Ebene der Raumordnung und Bauleitplanung nach sich. Da die FFH-Gebietsmeldungen vor allem im Kustenbereich mafigeblich auch von prioritaren Lebensraumtypen bestimmt werden, erfolgt durch Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL mithin eine weitreichenden Begrenzung des Risikopotentials in Schutzgebieten des okologischen Netzes Natura 2000 sowie in deren Einzugsbereich. Erwahnenswert bleibt im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage nach der Begrenzung des Risikopotentials im 473

474 475 476

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Auf die Relevanz von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich fur Planung von Kiistenschutzanlagen wird schon im 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. hingewiesen. D i e Ausstrahlung auf den FFH-Gebietsschutz schildern auch Diippenbecker/Greiving, DVB1. 99, S. 1016. Ausfflhrlich Diippenbecker/Greiving, DVB1. 99, S. 1016 f. Erbguth, N u R 00, S. 133. Z u m Charakter von Planungsleitsatzen als auBere (Ermessens- oder) Abwagungsschranken vgl. auch Brohm, Offentliches Baurecht, § 12 Rn. 3 4 f. Zutreffend Erbguth, N u R 00, S. 133, 136. I m Ergebnis so wohl auch Miiller-Terpitz, NVwZ 99, S. 29. A.A. Diippenbecker/Greiving, UPR 99, S. 178. Erbguth, NuR 00, S. 133; Schink, NuR 01, S. 256. Siehe dazu Erbguth, NuR 00, S. 136. Schink, GewArch 98, S. 49.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

unmittelbaren Ktistenbereich der Umfang der Alternativenpriifimg fur alle schadenspotentialerhdhenden Planungen und MaBnahmen.481

b. Alternativenpriifung aa. Grundsatzliches Die Suche nach Standort- und Ausfuhrungsalternativen und deren rechtliche Kontrolle ist im nationalen Recht allenfalls rudimentar ausgebildet. Altemativen sind nur dann bei der Planungsentscheidung zu beriicksichtigen, wenn sie sich geradezu aufdrangen oder sich zumindest nach Lage der Dinge anbieten.482 Dagegen schreibt Art. 6 Abs. 4 FFH-RL eine umfassende Priifung von Altemativen bei negativem Ausgang der Vertraglichkeitsprufung zwingend vor.483 Erhebliche Gebietsbeeintrachtigungen konnen mithin nur dann zulassig sein, wenn vorher eine Suche nach Altemativen stattfand,484 und zwar im Wege der Amtsermittlung485. Diese Pflicht zur Untersuchung und zwingender Beriicksichtigung moglicher Altemativen sollte dem deutschen Recht nachhaltige neue Impulse verleihen. Mit Hilfe der Alternativprufung konnten Planungen in Kiistennahe mit Ausstrahlungswirkungen auf Schutzgebiete in okologisch weniger sensible sowie in hochwasser- und abrasionssichere Bereiche verlagert werden.486 Voraussetzung dafur ist jedoch eine offensive, nach alien Seiten offene und aufgeklarte Art der Alternativenprufung.487 481

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Sowohl im Rahmen von Infrastruktur- u n d Anlagenplanungen als auch der Raumplanung sowie insbesondere der Bauleitplanung einschliefilich der Vorhabenzulassung nach § 35 B a u G B . Z u m Verstandnis i m nationalen Recht: BVerwG, Urteil vom 26.03.1998 - 4 A 7.97 (Planfeststellung zur A 241) N u R 98, 605 (606 f.); BVerwG, Urteil vom 15.01.2004 - 4 A 1 1 . 0 2 - Rz. 21 (Juris) N u R 04, S. 366; Thorwarth, ZfW 9 1 , S. 85 f.; Ramsauer, N u R 00, S. 606; Gellermann, N u R 96, S. 554; Fischer-Hiiftle, Z U R 99, S. 70. Die Unterschiede zwischen FFH-Alternativenprilfung und der Alternativenpriifung i m nationalen Fachplanungssrecht sowie nach dem U V P G stellt Hoppe, U P R 99, S. 247 f., heraus. Zur erweiterten Alternativensuche siehe auch Ssymank et al, Natura 2000, S. 39. BVerwG, Urteil v o m 17.05.2002 - 4 A 28.01 - B V e r w G E 116, S. 254 (259 f.); Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177; Louis, BNatSchG § 19c Rn. 2 1 ; Hoppe, U P R 99, S. 427. § 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG begrenzt diese auf die Untersuchung von Standort- und Ausfuhrungsalternativen, vgl. Weihrich, DVB1. 99, S. 1702. Beckmann/Lambrecht, Z U R 00, S. 7. Vergleiche den Wortlaut von § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG. D e n n u n folgenden Uberlegungen sei vorausgeschickt, dass d e m Habitatschutz nicht u m jeden Preis, wohl aber mit den rechtlich zu Gebote stehenden Moglichkeiten Gelrung verschafft werden sollte. Z u realisieren ist, dass die Alternativenpriifung nach Art. 6 Abs. 4 F F H - R L bzw. § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG eine ganzlich andere Gewichtung als die bis dato im deutschen Recht bekannte voraussetzt und sich daher der Blick von der bisherigen Priifungspraxis losen sollte. Vgl. zu den Unterschieden Maafi, ZUR 00, S. 165; ahnlich Hosch, NuR 04, S. 576. Es muss daher, nicht zuletzt im Interesse des Habitatschutzes, zunachst davor gewarat werden, die FFH-Alternativenprtifung einfach in den allgemeinen deutschen

§ lODer Gebiets-und Lebensraumschutz

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bb. Umfang der Alternativenpriifung Entscheidend fur das Vorhandensein von Alternativen ist, ob sich der hinter der geplanten MaBnahme stehende tatsachliche Zweck, d.h. die der Planung zugrundeliegende Zielrichtung oder Absicht, durch andere Losungen erreicht werden kann.488 Dazu mussen die in Frage kommenden Alternativen in ihrer Wirkung nicht immer der zur Durchsetzung des tatsachlichen Planungsziels beabsichtigten MaBnahme entsprechen. Orientierungspunkt ist nicht das technische Projekt, mit dem die Planvorstellung verwirklicht werden soil, sondern die im Qffentlichen Interesse liegende Planvorstellung selbst. Soil etwa zur Verbesserung der Trinkwassersituation oder zur Vermeidung von Hochwasser ein Fluss mittels einer Talsperre gestaut werden,489 stellen die Belange des Trink- und Hochwasserschutzes die zugrundeliegende Planvorstellung dar. Die Talsperre selbst ist dagegen nur der bautechnische Ausdruck des Planungsziels. Wenn die genannten Belange durch weniger beeintrachtigende MaBnahmen, wie z.B. Klaranlagen, Wassereinsparungen, Brauchwassernutzung oder Deicherhohungen, Schaffung von Polder- und natilrlichen Uberflutungsflachen sowie Renaturierungen zu realisieren waren, wiirden diese MaBnahmen als Alternativen zum Bau einer Talsperre anzusehen sein, die dann als solche Beriicksichtigung erfahren miissten.490 Das fur das Projekt herangezogene offentliche Interesse muss zudem auch in seiner raumlichen Dimension bei der Alternativenpriifung Wirkung entfalten. Streiten fur ein Projekt iiberortliche oder gesamtstaatliche offentliche Interessen wird sich auch die Alternativenpriifung darauf beziehen mussen, ob diesen Interessen z.B. an einem anderen Ort verwirklicht werden konnen. Wenn es insoweit z.B. um die Wiederherstellung der deutschen Einheit in verkehrlicher Hinsicht geht, greifen Planungsalternativen, die sich lediglich im unmittelbaren Bereich einer mit diesen Erwagungen plangerechtfertigten Trasse befinden, zu kurz.491 Hier ware vielmehr der gesamte Abwagungsvorgang adaptieren zu wollen. Zu leicht konnten die strengen Anforderungen verwassert werden. Besser erscheint die getrennte, vor die Klammer gezogene Pruning der Alternativen auf Tatbestandsseite, so ebenfalls Beckmann/Lambrecht, Z U R 00, S. 6 f. A.A. Erbguth, B., DVB1. 99, S. 590; Hoppe, U P R 99, S. 429. 488 Dabei kann es eben nicht darauf ankommen, o b das urspriinglich geplante Projekt noch realisiert werden kann, sondern ob der dahinter stehende Zweck, die Planrechtfertigung des Projektes, alternativ erreichbar ist. Dies tlbersehen Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 9 9 , S. 75, u n d Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 305: ,,Alternativlosungen nach Art. 6 Abs. 4 Uabs. 1 F F H - R L sind durch den Mitgliedstaat zu eruieren." Mit Blick auf die Stelhmgnahmen der Kommission zur A 2 0 vertritt Mauerhofer, a.a.O. S. 305, die Auffassung, auch bei prioritaren Gebieten sei es ,jedoch nicht ersichtlich, dass die Kommission die Notwendigkeit des Projektes an sich priift...". Zutreffende a.A.: Beckmann/Lambrecht, Z U R 00, S. 7; Epiney, DVB1. S. 308. 489 U n d sind damit erhebliche Auswirkungen auf FFH-Gebiete verbunden. 490 Vergleiche dazu das ahnliche Beispiel bei Ssymank et al, Natura 2000, S. 39, u n d

3. Kapitel§ IOC. III. 3. 491

Insofern kann mit der Aufhahme eines Projektes in einen Verkehrswegeplan noch nicht abschlieBend daruber befunden worden sein, dass sich das fur dieses Projekt streitende offentliche Interesse nur durch das konkrete Projekt am jeweiligen Ort und nicht auch

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Einzugsraum, der von diesem Interesse profitieren soil, in die Alternativenpriifung miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang gibt ein Teil der bisherigen Rechtsprechung AnlaB zur Sorge. Zunachst ist die Beschrankung der Alternativenpriifung auf das Projekt nicht nachvollziehbar.492 Hierbei wird nicht ausreichend beriicksichtigt, dass das jeweilige Projekt haufig nur eine technische Losungsmoglichkeit fur den Zweck einer MaBnahme ist. Insoweit lieBen schon in der Vergangenheit die Nichtanerkennung anderer Trassenfuhrungen493 und der Vorzug einer schutzgebietsbeeintrachtigenden Variante vor der Zerschneidung eines Gewerbegebietes494 auf ein noch sehr eingeschranktes Verstandnis vom Umfang der Alternativenpriifung schliefien. Vor dem Hintergrund des iiberragenden Richtlinienzwecks greift etwa der lapidare Hinweis des BVerwG, eine Nordvariante stelle keine Alternative zu einer Stidumgehung dar, da die Variante andere Verkehrsstrome aufhahme,495 zu kurz.496 Hier waren, auch im Interesse zukunftiger Alternativenpriifungen, prazisere Begriindungen notwendig gewesen. Auch die neuere Rechtsprechung muss sich Kritik gefallen lassen. Die Beschrankung der gerichtlichen Alternativenpriifung auf nur eine vom Klager vorgeschlagene Alternative - und dass in einem Verfahren, in der die beklagte BehQrde noch nicht einmal die Eigenschaft des fraglichen Gebiets als ein potentielles FFH-Gebiet erkannte und eine solche Priifung schon deshalb gar nicht vornehmen konnte - steht mit der von Amts wegen zu ermittelnden Tiefe der Alternativenpriifung nicht im Einklang.497 Immerhin wird sich ab und zu mit Qkologischen Alternativplanungen zumindest dem Grande nach auseinandergesetzt. So fuhrt das VG Oldenburg in seiner Entscheidung zum Emssperrwerk498 aus, dass es aus Griinden des Kilstenschutzes der weniger beeintrachtigenden Variante Deicherhohung den Vorzug gegeben hatte, waren mit dem in Rede stehenden Sperrwerk nicht auch noch weitere Gemeinwohlbelange verbunden. Alternativen zu diesen Gemeinwohlbelangen werden

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durch Alternativen verwirklichen lasst, a.A. Hosch; NuR04, S. 215. Jedenfalls stellen die offentlichen Belange keine ,gesetzlichen Vorgaben im Verkehrswegeplan" dar (so aber unzutreffend Hosch, a.a.O.), da letztere nicht mit Gesetzeskraft ausgestattet sind. BVerwG, Urteil vom 15.01.2004 - 4 A 11.02 - Rz. 42 (Juris) N u R 04, S. 366: (,,Lauft eine Alternative auf ein anderes Projekt hinaus, kann von einer Alternative nicht mehr gesprochen werden."). Nichtanerekennung einer Nordumfahrung als Alternative zur Siidtrasse: BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 -, DVB1. 98, S. 900 = NordOR 98, S. 312 f. Anders aber BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 - 4 A 28.01 - BVerwGE 116, S. 254 (259 f.). O V G Miinster, Beschluss vom 11. 05.1999 - 20 B 1464/98 - Z U R 00, S. 155 (161 f.), mit kritischer Anmerkung Maafi, vom BVerwG zu Recht aufgehoben. Vergleiche nur BVerwG, Urteil vom 19.05.1998 - 4 A 9.97 - DVB1. 98, S. 900 = NordOR 98, S. 312 f. Letztlich werden die meisten Alternativen auch anderen Verkehrsstromen zu Gute kommen. So aber BVerwG, Urteil vom 15.01.2004 - 4 A 11.02 - Rz. 42 (Juris) N u R 04, S. 366. Diese Entscheidung wird im o.g. Punkt zutreffend kritisiert von Hosch, N u R 04, S. 576. V G Oldenburg, Beschluss vom 26.10.1999 - 1 B 3319/99 - N u R 00, S. 398 (404).

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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wenigstens angeprilft und freilich mit Blick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Papenburger Werft abgelehnt. Dies ist umso bedauerlicher, als sich die vom Klager vorgebrachten Alternativlosungen (Rtickdeichung, Ruckhaltung, Ruckbau sowie Verzicht auf Unterhaltungsbaggerungen und Kombinationslosungen) wie Vorschlage zu einem vorsorgenden Ktistenschutzkonzept lesen. Interessant ist weiter, dass diesen Varianten vom Gericht nicht etwa ungeniigender Hochwasserschutz unterstellt wird. Die Nichtberiicksichtigung stiitzt sich allein auf die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Papenburger Werft. Die vom Klager praferierten HochwasserschutzmaBnahmen werden in fachlicher Hinsicht insoweit anerkannt. Dem europaischen Habitatschutz kann nur dann wirksam zur Durchsetzung verholfen werden, wenn alle realisierbaren Alternative^ mit denen das Planungsziel nur bedingt oder eingeschrankt erreicht werden kann, priifungsrelevant bleiben, sofern von ihnen geringere oder gar keine Beeintrachtigungen auf FFHGebiete ausgehen.499 Vor dem Hintergrund der iiberragenden Bedeutung des okologischen Netzes Natura 2000 und dem Charakter von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als strikt zu beachtendes Vermeidungsgebot500 kann es durchaus angezeigt sein, bestimmte Nachteile bei der Planverwirklichung in Kauf zu nehmen,501 solange die Planungsessentialia im Wesentlichen gewahrt bleiben. Voraussetzung ist, dass der gegeniiber dem eigentlichen Planungsziel mit der Alternative auftretende Nachteil im Vergleich zum beabsichtigten Schutz der FFH-Gebiete nicht auBer Verhaltnis steht.502 Schutzgebietsbeeintrachtigungen sind im Ubrigen nur mit iiberragenden Belangen des offentlichen, nicht aber des privaten Interesses zu rechtfertigen, sofern die privaten Belange nicht gleichzeitig dem offentlichen Interesse dienen.503 Bei der Rechtfertigung von privatwirtschaftlich motivierten Gebietsbeeintrachtigungen ist daher nur mafigeblich, ob sich die mit diesem Vorhaben einhergehenden offentlichen Interessen als alternativlos auszeichnen.504 Rein private Interessen des Vorhabentragers wie Gewinnerwartung, giinstige Absatzchancen oder ersparte 499

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Beckmann/Lambrecht, ZUR 00, S. 7. A.A. Jarass, ZUR 00, S. 186; Hoppe, U P R 9 9 , S. 429; Apfelbacher/Adenauer/lven, N u R 99, S. 75; BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 4 A 28.01 - BVerwGE 116, S. 254 (259 f.); BVerwG, Urteil vom 15.01.2004 - 4 A 11.02 - Rz. 42 (Juris) N u R 04, S. 366. So auch schon O V G Munster, Beschluss vom 11.05.1999 - 20 B 1464/98 - ZUR 00, S. 155 (159). BVerwG, Urteil vom 17.05.2002 - 4 A 28.01 - BVerwGE 116, S. 254 (259 f.). BVerwG, Urteil vom 15.01.2004 - 4 A 11.02 - Rz. 43 (Juris) N u R 04, S. 366. Beckmann/Lambrecht, ZUR 00, S. 7. Im Beispiel Nord- oder Sudumfahrung ist die Aufhahme (auch) anderer Verkehrsstrome unbeachtlich. Entscheidend kann nur sein, ob dem Nutzen der Stidtrasse fur die erwarteten Verkehrsstrome- wenn auch mit Abstrichen - ebenfalls durch eine Nordumfahrung gedient werden kann. Zusatzlich ist aber zugleich der iibergeordnete Planungszweck zu beriicksichtigen (s.o.). Vergleiche dazu nSher: Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 47 f.; Hoppe, UPR99, S. 429. Dem Grundsatz nach ahnlich Schrodter, NuR 01, S. 15, wenngleich mit vielen Ausnahmen. Ahnlich Hoppe, UPR 99, S. 429.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Aufwendung scheiden bei der Beurteilung von vorn herein aus.505 So kann das offentliche Interesse etwa in der Sicherung und Starkung der regionalen Wirtschaftskraft506 oder in der Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplatzen gesehen werden,507 sofern in Anbetracht der Bedeutung des europaischen Habiatschutzes von einer gewissen Wertigkeit der Belange auszugehen ist.508 Allerdings sind die (einzig) relevanten Offentlichen Belange gleichfalls alternativenoffen. Sie konnen nur dann erhebliche Gebietsbeeintrachtigungen rechtfertigen, wenn die mit dem privaten Vorhaben verbundenen Allgemeinwohlbelange nicht auch auf andere Weise erreichbar sind.509 Alternativen, etwa zu einer Mastanlage mit Einwirkungen auf FFH-Gebietsteile und dem offentlichen Interesse der Arbeitsplatzschaffung, haben sich ausschliefilich an letzterem Interesse zu messen. Dabei werden haufig Standortalternativen in Betracht kommen, denn beschaftigungsfordende Wirkungen sollten sich auch an anderer Stelle der Gemeinden oder Regionen entfalten. Zudem sind insgesamt umweltfreundlichere Erwerbsquellen am geplanten Standort gleichfalls zu berticksichtigen, sofern sie ahnlich arbeitsplatzrelevant wirken.510 Innerhalb der Formulierung des Planungsziels kann es nicht auf die Einschatzung des offentlichen oder privaten Vorhabentragers oder gar des Ausfuhrenden, sondern, wie bereits gezeigt, nur auf die sachgerechte Beurteilung des fachgesetzlichen Planungsziels ankommen. Ansonsten ware der Vorhabentrager in der Lage, durch die Formulierung der Planungsziele erheblichen Einfluss auf die Alternativenpriifung zu nehmen.511 Da ein solcher Einfluss hingegen nicht immer auszuschlieBen sein wird, milssen im Interesse des Habitatschutzes Korrekturen ilberzogener Planungsziele in Richtung sachgerechterer Beurteilungen oder auf Grundlage von Optimierungsgeboten moglich sein.512 Das Ergebnis waren dann Zielmodifikationen, die dem tatsachlichen Inhalt der dem Planungsziel zugrunde liegenden Vorstellung, bereinigt auf Gemeinwohlbelange, entsprechen. Das hier vertretene Verstandnis ist tiberdies mit Auswirkungen auf Zulassigkeit sog. Nullvarianten verbunden. Unabhangig vom modifizierungsbediirftigem nationalen Verstandnis, die Nichtausflihrung des Vorhabens sei an sich nicht als Al505 506 507 508

509 510

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Siehe start aller Erbguth, B., DVB1. 99, S. 592. Zur Differenzierung bei der Bestimmung des Projektzwecks siehe Louis, DOV 99, S. 379. VG Oldenburg, Beschluss vom 26.10.1999 - 1 B 3319/99 -NuR 00, S. 398 (404). Weihrich, DVB1. 99, S. 1703. O b das wirtschaftliche Wohlergehen von Zulieferbetrieben eine weniger beeintrachtigende Alternativlosung tatsachlich zu verhindern vermag, so wie von V G Oldenburg, Nachweis in Fn. 506, angenommen hat, muss bezweifelt werden. Dies erkennt, wie gezeigt, auch das V G Oldenburg, Nachweis in Fn. 506, an. Unter Zugrundelegung dieser Kautelen kann auch das oben erwahnte Urteil des VG Oldenburg, Nachweis in Fn. 506, im Ergebnis nicht uberzeugen. Das Abstellen der Alternativensuche auf die Region um Papenburg gerat territorial zu klein und der privatwirtschaftliche Einfluss auf die beschriebenen Gemeinwohlvorteile wird tiberdehnt. Auf diese Gefahr weisen Beckmann/Lambrecht, ZUR 00, S. 7, zutreffend hin. A.A. Erbguth, B., DVB1. 99, S. 591; Hoppe, UPR 99, S. 429.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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ternativlosung zu bewerten,513 konnen sich Nullosungen sehr wohl als Alternativlosung herauskristallisieren. Dies ware der Fall, sofern sich der Planungszweck nicht durch Standort- oder Ausfuhrungsalternativen, sondern mittels ganzlich anders gearteter MaBnahmen erreichen lieBe.514 Die zwingende Berucksichtigung von Null-Losungen soil sich demnachst hingegen aus der SUP ergeben konnen.515 cc. Territoriale Ankniipfung (a) Raumordnerische Alternativensuche Auf Ebene der Raumordnung kommt der Alternativenpriifung besondere Bedeutung zu.516 Das Nichtvorhandensein von Standortalternativen richtet sich neben qualitativen Anforderungen, die die Alternative zu erfullen hat, um als solche zu gelten, maBgeblich nach der GroBe des Gesamtplanungsraumes in Bezug zur beabsichtigten Raumnutzung. Ohne hier auf Einzelprobleme einzugehen,517 ist die Beschrankung der Alternativensuche auf bestimmte Teilgebiete des Gesamtplanungsraumes in Anbetracht des Schutzanspruchs von Natura 2000 nicht angebracht. Naturschutzbelange sind im Unterschied zu den meisten wirtschaftlichen und sozialen Planungen sowie InfrastrukturmaBnahrnen absolut standortgebunden.518 Die Suche eines alternativen Standortes, selbst fur ortsgebundene Planungen, wie z.B. die Rohstoffsicherung, hat sich auf Ebene des Landesraumordnungsprogrammes, auch unter Beachtung des insoweit richtlinienkonform auszulegenden Zumutbarkeitskriteriums519 in § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, auf das gesamte Landesgebiet zu beziehen. Auf Ebene der Regionalplanung gilt dies bezogen auf die entsprechende Gesamtflache der Region. Dieses Verstandnis folgt aus dem Charakter von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL als strikt zu beachtendes Vermeidungsgebot, das aus Griinden des Ausnahmecharakters der Norm einer restriktiven, an der Bewah513

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519

So jedenfalls Gellermann, N u R 9 6 , S. 554; ders., Natura 2000, S. 89 f.; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 75; Schink, GewArch 9 8 , S. 50; Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 2 3 ; Thyssen, DVB1. 98, S. 882; Ramsauer, N u R 00, S. 607; Erbguth, B., DVB1. 99, S. 590; Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 305; Schrodter, N u R 0 1 , S. 14. Ausdriicklich a.A. u n d insoweit zutreffend Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 46: ,,Auch die Nulloption sollte in Erwagung gezogen werden". Ahnlich Weihrich, DVB1. 99, S. 99, S. 1702. Siehe dazu auch BVerwG, Urteil v o m 10.04.1997 - 4 C 5.96 - DVB1. 97, S. 1115 = N V w Z 98, S. 508 = N u R 97, S. 4 4 1 . Ahnliches meint wohl auch die Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 46, wenn von ,,alternative(n) Prozesse(n)" gesprochen wird. Insoweit greift die Umsetzung in § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG zu kurz. Hierbei die Null-Variante anerkennend: Schink, in einem mtlndlichen Beitrag i m Rahmen der Jahrestagung der GfU 2004. Schink, NuK 0 1 , S. 256, m.w.N. Siehe auch schon die Ausfuhrungen im vorhergehenden Abschnitt. Zur besonderen Bedeutung der Standortgebundenheit von Naturschutzbelangen: Fischer-Hiiftle, ZUR 99, S. 70. Siehe dazu Fn. 540.

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rung des gemeinschaftlichen Naturerbes orientierten Interpretation unterliegt.520 Gebietseinschrankungen fiir die Alternativensuche kommen nur dann in Betracht, wenn iiber das eigentliche fachliche Ziel hinaus im Einzelfall weitere (offentliche) Belange bezweckt werden, z.B. die Schaffung von Arbeitsplatzen in einer bestimmten (Teil-)Region oder die Entlastung festgelegter Orte von den Emmissionen des StraBenverkehrs durch Trassenfreihaltungen.521 Allerdings mussen auch beim Nichtvorhandensein von Alternativen die raumordnerischen Festlegungen vor den hohen Schutzanforderungen der FFH- und VRL Bestand haben. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn bei der Abwagung der kollidierenden Belange ein eindeutiges Uberwiegen der mit den raumordnerischen Festsetzungen verfolgten 6'ffentlichen Interessen gegeniiber den Belangen des Habitatschutzes einhergeht.522 (b) Bauleitplanerische Alternativensuche Wahrend innerhalb der Landes- und Regionalplanung prinzipiell der gesamte Planungsraum als moglicher Standort fiir Alternativen zur Verfiigung steht,523 ist die territoriale Auswahlmoglichkeit im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung aufgrund der relativen Kleinraumigkeit des gemeindlichen Planungsgebiets haufig stark eingeschrankt.524 Es besteht die Gefahr, dass erheblich beeintrachtigende Planungen sowie auch Einzelvorhaben nach §§ 34, 35 BauGB mangels Vorliegens weniger beeintrachtigender Alternativen zur Ausfiihrung kommen und so den Habitatschutz in der Flache aushebeln.525 Vorwegzuschicken ist, dass zumindest bei Infrastruktureinrichtungen und anderen Vorhaben mit tiberortlicher Bedeutung nicht nur der Planungsraum der jeweiligen Kommune, sondern auch der von angrenzenden Kommunen in die Alternativenprlifung einzubeziehen ist.526 Mit dem Habitatschutz schwer vereinbar erscheint demgegeniiber die Ansicht, bei nach §§ 34, 35 BauGB zu genehmigenden Vorhaben Privater527 sei die Prii520

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Gellermann, N u R 9 6 , S. 554. Ebenso Freytag/Iven, N u R 9 5 , S. 113 f.; Iven, NuR 96, S. 378; insgesamt einschrankend Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 75. Allerdings streiten dann auch nur die territorial beschrankten offentlichen Belange fiir die Ausnahmegriinde in § 34 III Nr. 1 BNatSchG, siehe dazu auch unten 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. aa. und 3. Kapitel § 10 C. III. 3. a. Ahnlich, im Umkehrschluss, Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 75 f. Erbguth, NuR 00, S. 134. Ebenso wohl auch Gellermann, Natura 2000, S. 72. Ausfiihrlich und differenzierend Apfelbacher/Adenauer/Iven, NuR 99, S. 76, sowie Ramsauer, NuR 00, S. 605. Vergleiche dazu Erbguth, B., DVB1. 99, S. 592 f., und Thyssen, DVB1. 98, S. 882. Darauf weist auch Schrodter, NuR 0 1 , S. 15. Diese Befilrchtung hegen ebenfalls Duppenbecker/Greiving, UPR 99, S. 177. A.A. Erbguth, B., DVB1. 99, S. 590. Duppenbecker/Greiving, UPR 99, S. 177. Dies folgt auch aus der Standortgebundenheit der Naturschutzbelange und deren daraus resultierenden besonderen Gewichtung a m jeweiligen Ort. (Konnexitat von territorialer Bedeutung der Planung und Alternativenpriifungsraum, vgl. schon 3. Kapitel § 10 C. III. 2. b. aa). Die gleichzeitig i m offentlichen Interesse stehen.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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fling von Standortalternativen regelmaflig nur auf das Grundstiick des Vorhabentragers beschrankt. Daher kamen lediglich Ausfuhrungsalterantiven im Sinne einer moglichst schonenden Bauausfuhrung in Betracht.528 Zunachst ist festzustellen, dass die Bindung privater Vorhabentrager an die Beeintrachtigungsregelungen der FFH-RL bzw. des § 34 BNatSchG uneingeschrankt gegeben ist.529 Die Belange des Habitatschutzes stellen in diesem Zusammenhang ebenfalls o'ffentliche Interessen gewichtiger Art dar. Das diirfte die Bewertung der einwirkenden Vorhaben als im tiberwiegenden offentlichen Interesse530 stehend zunachst erschweren. Die Koppelung an das offentliche Interesse erhoht gleichzeitig die Mitwirkungsrechte der offentlichen Hand. Zudem kann es im Interesse des Habitatschutzes angebracht sein, einem privaten Vorhabentrager, dessen Investitionen zugleich im offentlichen Interesse stehen, Ersatzgrundstucke anzubieten, von denen aus Schutzgebietsbeeintrachtigungen nicht mehr zu erwarten sind.531 AuBerdem sollte der hohe Schutzstatus der FFH-Gebiete generell nicht von Zufalligkeiten abhangen, die den konkreten Eigentumsverhaltnissen und den Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten entspringen. Beim Nichtvorhandensein kommunaler Alternativflachen hat sich der private Investor vorrangig um den Landerwerb an weniger beeintrachtigenden Standorten zu bemiihen.532 Schwierigkeiten traten dann auf, 528

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Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177; dies., DVB1. 99, S. 1015. Ahnlich Schrodter, N u R O l , S. 14. Demgegenuber Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 2 1 , u n d Ramsauer, N u R 00, S. 606 f. Diese Moglichkeit folgt nicht zuletzt aus dem Charakter der Natura 2000-Belange als Planungsleitsatz, siehe Fn. 476 f. Damit sind zumindest planfeststellungspflichtige Vorhaben zusatzlich zu den bestehenden Zulassungsvoraussetzungen auf Genehmigungsebene bereits einem Planungsvorbehalt aus § 4 I S. 2 Nr. 2 R O G unterworfen. Vgl. z u m Planungsvorbehalt zu Lasten privater Vorhaben schon 2. Kapitel § 7 C. III. 2. b . bb. sowie Kloepfer, Umweltrecht § 5 Rn. 35. Unabhangig davon kann die Vornahme einer Alternativenprilfung bei privaten Vorhabentragern im Anblick europarechtlich vorgeschriebener Notwendigkeit generell nicht mit nationalen Zulassungsanforderungen entbehrlich gemacht werden. Vgl. schon die Ausfuhrungen im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. a. bb. u n d F n . 317 ff. Insoweit statuiert Art. 6 Abs. 4 F F H - R L i.V.m. § 34 Abs. 3, 4 BNatSchG einen iiber § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 R O G hinausgehenden Planungsvorbehalt fur alle erheblichen Beeintrachtigungen, sofern im Rahmen einer Abwagung entschieden wird, vgl. § § l a Abs. 2 Nr. 4 B a u G B , 7 Abs. 7 R O G . Zur Gemeinschaftrechtswidrigkeit der Umsetzung in Bezug auf gebundene Entscheidungen siehe Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 194; Gellermann, Natura 2000, S. 138. Siehe auch Louis, DOV 99, S. 380. Hier kfinnten zukunftig die §§ 135a, 200a BauGB eine bedeutende Rolle spielen, vgl. schon 3. Kapitel § 9 C. III. Ramsauer, NuR 00, S. 606 f., m.w.N. So kann schon zur Abarbeitung der naturschutzrechtlichen Eingriffregelung nicht nur eine Bereitstellung kommunaler Ausgleichsflachen, sondern auch solcher privater Eigentiimer erfolgen. Vgl. dazu ausfuhrlicher Hiinnekens, AgrarR 00, S. 320 f. Im Rahmen der FFH-Alternativenprufung dienen derartig gesicherte Ausgleichsflachen hingegen nicht der Eingriffskompensation, sondern dem

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

wenn der Eigentiimer der potentiellen Alternativflachen nicht bereit ist, diese zu verauBern. In der Literatur wird dazu vertreten, dass selbst solche Fallgestaltungen nicht zur Alternativlosigkeit des Projektes fiihren konnen.533 Unabhangig davon, ob man letzterer Auffassung folgen mochte, greift die prinzipielle Begrenzung der Alternativensuche auf das Grundstilck des Vorhabentragers jedenfalls zu kurz. Weiterhin wird vertreten, dass planungsrechtliche Vorgaben, etwa Festsetzungen des Flachennutzungsplanes oder der Regionalplanung, die Alternativenprufung begrenzen konnen, so dass im Falle entgegenstehender Planungen weniger beeintrachtigende Alternativen verhindert wiirden.534 Hier ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Konflikt nicht iiber eine schutzgebietsvertragliche Anpassung der hoherstufigen Planungen gelost werden kann. Treffen Alternativlosungen auf entgegenstehende andere Planungsvorgaben, ist in Anerkennung des hohen Schutzzweckes535 des okologischen Netzes Natura 2000 primar an eine Anpassung der widersprechenden Planungen zu denken. Die Anderung bereits existenter Planungsvorstellungen im Interesse des gemeinschaftlichen Habitatschutzes ist insoweit auch vor dem Hintergrund der an sich als fur die Einheitlichkeit des Planungskonzeptes536 erforderlichen strikten Bindung in Kauf zu nehmen. Hier setzen die okologischen Inhalte der FFH-RL einer unbedingten Durchsetzung verbindlicher Planungsvorstellungen Grenzen, die durch die iiberragende Bedeutung des Schutzgebietssystems fur die Bewahrung des europaischen Naturerbes als gerechtfertigt angesehen werden mtissen. Nur wenn eine entsprechende Abanderung der Planungsvorgaben nicht moglich ist, etwa weil bestandsgeschiitzte Rechte Dritter zu wahren sind, konnen entgegenstehende Festsetzungen der Regional- oder Flachennutzungsplanung die Alternative unzumutbar werden lassen. Um Abweichungen von bereits existenten Planungsvorgaben gering zu halten, wird mit Recht darauf verwiesen, dass auch die regionalen Belange des Habitatschutzes ihren Niederschlag in den gemeinde- und gebietsiibergreifenden Planungen wie der Flachennutzungs- und Regionalplanung finden.537 Hier kQnnte das vielgeriihmte, aber auch nicht unberechtigter Kritik ausgesetzte Gegenstromprinzip nach § 1 Abs. 3 ROG538 tatsachlich Impulse fur

533 534 535

536 537 538

Vorhaben selbst. Die Flachen des urspriinglich geplanten Standortes boten sich dann als Ausgleichsflachen fur das Projekt an, zumal diese sich, was ein negativer Ausgang der Vertraglichkeitspriifung nahelegt, in relativer Nahe zu FFH-Gebieten befinden. Dazu ausfuhrlich und mit zutreffenden Argumenten Ramsauer, N u R 00, S. 606 f. A.A. Schrodter, N u R 0 1 , S. 14. So aber Schink, GewArch 98, S. 50, und Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177. Der Problemkreis ahnelt den schon im 3. Kapitel § 10 C. II. 1. b. behandelten Fragen. Mafigeblich innerhalb von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL sind die Erhaltungsziele. Anhand derer ist jedoch auch der Schutzzweck zu bestimmen, so dass hier weitgehende Kongruenz bestehen sollte. Vgl. dazu weiter Louis, DOV 99, S. 379. Siehe dazu 2. Kapitel § 7 D . Insofern zutreffend: Schink, GewArch 98, S. 50, und Diippenbecker/Greiving, U P R 99, S. 177. Siehe schon 2. Kapitel § 7 C. II. 4. und dort Fn. 313.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

387

eine Okologisierung des Planungssystems leisten. De lege ferenda ist dariiber hinaus an regionalplanerische VorsorgeflSchen und entsprechende Festsetzungen in den Flachennutzungsplanen zu denken, die einzig dem Zweck der Flachenfreihaltung fur zum Schutz der FFH-Gebiete notwendig werdende Alternativstandorte dienen.539 Dies ware ein Beitrag dazu, den Habitatschutz nicht durch mangelnde Alternativlosungen zu entkraften und gleichzeitig die durch Anderungen verursachte Unordnung in den Planungsebenen zu vermindern, mit dem Ergebnis, dass die Einheitlichkeit des Planungssystems gewahrt bleibt. Die Umsetzung der von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL vorgeschriebenen Alternativenpriifung in nationales Recht durch § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG begrenzt das sowieso schon eigeschrankte nationale Verstandnis bei der Suche von Alternativen auf solche zumutbarer Art. Vor diesem Hintergrund erscheint es zweifelhaft, ob das Zumutbarkeitskriteriurn uberhaupt als richtlinienkonform bezeichnet werden kann.540 Geht man von einer richtlinienkonformen Interpretation aus, bedeutet dies eine konsequente und streng am Richtlinienwortlaut orientiertes Alternativenverstandnis.541 Die sich bislang haufig im Ergebnis durchsetzende restriktive Interpretation wird diesen Anforderungen nicht gerecht.542 Der Sinngehalt des Zumutbarkeitskriteriums wiirde sich im Falle der gebotenen europarechtlicher Interpretation freilich auf die lediglich deklaratorische Wiederholung des primarrechtlichen VerhaltnismaBigkeitsprinzips aus Art. 5 Abs. 3 (ex Art. 3b) EGV erschopfen.

3. Beeintrachtigungen durch Kustenschutzmaftnahmen Konkrete KustenschutzmaBnahmen, die Schutzgebiete erheblich beeintrachtigen wiirden, sind am Schutzregime nach Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL bzw. § 34 Abs. 3 539

540

541

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In diese Richtung geht auch vorsichtig Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 34, der eine verfeinerte (hochstufige) Standortplanung fur notwendig erachtet. Diese Planungsvorgaben mtissen selbstverstandlich das VerhaltnismaBigkeitsprinzip wahren, etwa durch die planerische Bereitsstellung von Alternativen. Das Zumutbarkeitskriterium in § 19c Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG ist, u m uberhaupt als rechtmaBig angesehen zu werden, richtlinienkonform zu interpretieren, da der Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL eine solche Einschrankung nicht hergibt. Eine Begrenzung findet die Alternativensuche deshalb nicht am Limit des deutschen Zumutbarkeitsverstandnisses, sondern erst am gemeinschaftsrechtlichen Verhaltnismafiigkeitsgrundsatz. Gleichwohl begegnet das Zumutbarkeitkriterium erheblichen Bedenken, da eine richtlinienkonforme Interpretation nationaler Normen ihre Grenze dann findet, wenn die Normenwortlaute die theoretische Gefahr einer Abweichung vom Regelungsgehalt der Richtlinie in sich bergen. Vgl. E u G H Slg. 1987, S. 1733 (1742£, Tz. 7-14); von Danwitz, VerwArch 84 (93), S. 77. Aufgrund des deutschen Alternativenverstandnisses (MaBstab des sich Aufdrangens, siehe Fn. 482) und mit Blick auf die mittlerweile vorhandene Kasuistik (vgl. insbesondere die Nachweise im 3. Kapitel § 1 0 C. III. 2. b. bb. und dort in Fn. 508) ist eine solche Gefahr nicht leicht zu verneinen. Czybulka, Vorrangflachen, in: Ssymank, Schutzgebietssysteme, S. 194; Gellermann, Natura 2000, S. 140; Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 9 9 , S. 75, siehe auch Fn. 519. Zu den Grenzen richtlinienkonformer Auslegung vgl. Fn. 540. Ebenso Hosch, N u R 04, S. 576.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

BNatSchG zu messen. Das betrifft nicht nur MaBnahmen in den oder in unmittelbarer Nahe der Gebiete, sondern aufgrund der Femwirkungen auch abgelegenere Vorhaben. Die Ausstrahlungswirkung der FFH-RL kann daher ausgedehnte Kiistenraume betreffen und so die Zulassigkeit einer nicht unerheblichen Anzahl von Kiistenschutzanlagen beeinflussen. Bedingt durch die faktischen Wirkungen, die mit der Kiistenschutzplanung verbunden sind, liegt es zudem nahe, auch die Generalplane fur Kusten- und Hochwasserschutz der FFH-Vertraglichkeitsprufung zu unterstellen.543 Wesentliche Einwirkungen durch konkrete Kiistenschutzvorhaben auf Gebiete mit nichtprioritaren Arten oder Lebensraumtypen sind nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) statthaft, sofern keine Alternativen vorhanden sind und zwingende Griinde des iiberragenden offentlichen Interesses die konkrete MaBnahme erfordern. Ktistenschutzplanungen, die dem Schutz besiedelter Gebiete dienen, werden von der Europaischen Kommission als solche zwingenden Griinde angesehen, die als Erwagungen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen selbst in Gebieten mit prioritaren Bestandteilen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) zulassig sein sollen.544 Diese Annahme begegnet in ihrer Pauschalitat indes erheblichen Zweifeln.

a. Kiistenschutz als Ausnahme nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL aa. Tatbestandliche Voraussetzungen Erfordernisse des Kustenschutzes wilrden dem Ausnahmetatbestand der zwingenden Griinde des iiberragenden offentlichen Interesses545 nur dann entsprechen, wenn ihnen eine besondere Gewichtung und die Offensichtlichkeit ihrer besonderen Bedeutung innewohnen wilrde.546 In zeitlicher Hinsicht sollen Vorhaben die543

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545 546

Die Plane sind in rechtlicher Hinsicht fur die Zulassigkeit konkreter Projekte an sich nicht bedeutsam, vgl. zur rechtlichen Unverbindlichkeit ausfuhrlich 4. Kapitel § 11 C. I. Entscheidend sind aber nicht alleine die Rechtswirkungen der Planungen, sondern dariiber hinaus auch deren faktisches Gewicht, das sie in der Verwaltungspraxis entfalten. Die faktischen Wirkungen der kustenschutzbezogenen Generalplanung ist als auBerordentlich hoch einzuschatzen, siehe Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 690. In der Tat stellen sich die Generalplane als Vorhabenplane mit detaillierter Angabe der benotigten Finanzmittel dar, die die Finanzzuweisungen an den Kiistenschutz nicht unerheblich beeinflussen. Zudem ist die Verwirklichung der darin enthaltenen Vorhaben unter empirischen Gesichtspunkten iiberaus wahrscheinlich (vgl. z.B. das augenscheinliche Realisierungsmafl der im Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M - V auf gefuhrten Projekte). A.A. Landesregierung Schleswig-Holstein, Nachweis Generalplan Kiistenschutz (Entwurf), S. 18. Z u m Verhaltnis von Kiistenschutzplanen zur SUP-RL vgl. ausfuhrlich 4. Kapitel § 11 C. I. 2. c. Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 53. Ebenso Schrodter, N u R O l , S. 15. Die Ausnahmetatbestande des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL konnen nach einhelliger Auffassung erst recht Beeintrachtigungen von Gebieten mit nicht prioritaren Bestandteilen rechtfertigen, vgl. z.B. Gellermann, N u R 96, S. 554. Zur Begrifflichkeit siehe schon 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. aa. Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. S. 76, Beckmann/Lambrecht, Z U R 00, S. 5.

10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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sem Anspruch dann nicht gerecht werden, wenn aus kurzfristigen Interessen nur zeitlich befristete Vorteile fur das Allgemeinwohl resultieren, dagegen das naturschutzrechtlich langfristig orientierte europaische Erhaltungsinteresse dauerhaft beeintrachtigt wird.547 Insofern ist von einer gegenuber dem herkommlichen Verstandnis548 stark eingeschrankten Einschatzungsprarogative der Verwaltung auszugehen. Zudem setzt das Kriterium der zwingenden Griinde fur die Rechtfertigung eines Vorhabens fur die Art und Weise der Beurteilung nicht nur das Uberwinden einer, bezogen auf die Planungsbehorde, subjektiven Stufe, sondern einer objektiven Hiirde, gemessen an der Bewertung einer objektiven und kompetenten Person, voraus.549 Verlangt wird ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstein geleitetes staatliches Handeln.550 Dies betrifft zugleich die objektive Beurteilung der Erfolgsaussichten der konkreten Ausflihrung, gemessen am zugrunde liegenden, beabsichtigten Planungsziel. Zu erwahnen ist an dieser Stelle weiter, dass aus der Planrechtfertigung eines planfeststellungsbedurftigen Vorhabens nicht der SchluB gezogen werden darf, das Projekt sei gegenuber den europaischen Habitatschutzbelangen aus zwingenden Griinden erforderlich.551 Dies folgt, neben den oftmals sehr vagen und zuriickhaltenen Formulierungen fachgesetzlicher Zielvorstellungen,552 aus der in der nationalen Judikatur vorherrschenden weiten Plausibilitatskontrolle im Rahmen des Bedarfsnachweises, an der bisher kaum ein Vorhaben gescheitert sein diirfte. Ob die bisherigen Kiistenschutztechniken den eben genannten Anforderungen gerecht werden, die europarechtlich an das Vorliegen von zwingenden Griinden des iiberragenden Gemeinwohls geknupft werden, darf daher bezweifelt werden. So entscharfen Sedimentaufsptilungen die Sandbilanz in Abrasionsgebieten nur punktuell und zeitlich sehr begrenzt. Dem stehen u.U. langfristige Beeintrachtigungen der okologischen Situation gegenuber, sowohl im marinen FOrdergebiet als auch am Ufer an der Spillstelle sowie in den extrem sensiblen Akkumulationsgebieten. Eindeichungen bewirken zunachst einen relativ sicheren Hochwasserschutz, den Kiistenruckgang kQnnen sie hingegen nicht beeinflussen. Damit redu547

Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S.48; Beckmann/Lambrecht, Z U R 00, S. 5. 548 Vergleiche dazu Badura, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 39 Rn. 28 und insbesondere BVerwG, Urteil v o m 26.03.1998 - 4 A 7 . 9 7 - (Planfeststellung zur A 241) N u R 9 8 , 605 (606 f.) 549 Beckmann/Lambrecht, ZUR 00, S. 5. 550 BVerwG, Urteil v o m 15.01.2004 - 4 A 1 1 . 0 2 - Rz. 4 3 (Juris) N u R 0 4 , S. 366; BVerwG, Urteil vom 27.01.2000-4 C 2.99- BVerwGE 110, S. 302 (314) NuR 00, S. 449=ZUR 00, S. 331 mit Anm. Fisahn. 551 Beckmann/Lambrecht, ZUR 00, S. 5. Die Planrechtfertigung im Planfeststellungsverfahren ist primar wegen der enteignungsrechtlichen Vorwirkungen von Bedeutung. Die Planrechtfertigung kann daher die naturschutzrechtliche Vermeidbarkeitspriifung nicht ersetzen. Letztere erfordert noch ausdrucklicher die Geeignetheit des Eingriffs in Bezug auf die Erreichung des gesteckten Ziels und eine 6'kologisch ausgerichtete Alternativenpriifung. Vgl. dazu Burmeister, ZUR 97, S. 93, Nachweis in Fn. 192. 552 Grofi, VerwArch 88 (97), S. 95.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

ziert sich langfristig ihre sichernde Funktion bei gleichzeitiger und haufig dauerhafter Zerstorung geschiitzter Lebensraumtypen. Insgesamt ist die auf Sicherung der Kuste vor Landabtrag und Uberflutung gerichtete Planvorstellung, gemessen an der Wirksamkeit von Kustenschutzanlagen,553 durch die bisherigen Schutzkonzepte nur unzureichend durchsetzbar. Dies gilt umso mehr, da fur viele der herkommlichen Kustenschutzelemente in Gestalt vorsorgender Kustenschutzkonzeptionen weniger oder gar nicht beeintrachtigende Alternativen vorhanden sind. Nicht zuletzt sprechen Kostengesichtspunkte554 tendenziell gegen die Vereinbarkeit bisheriger Kustenschutzanlagen555 mit dem FFH-Schutzregime und mehr fur eine langfristige Etablierung der neuen Strategien. bb. Schutzauftrage als gesetzliche Vermutung Die gesetzliche Planrechtfertigungen in § 83 LWaG M-V sowie in § 63 Abs. 2 S. 3 LWaG S-H556 beschranken den staatlichen Schutzauftrag auf im Zusammenhang besiedelte Gebiete.557 Bei wortlautgetreuer Auslegung der Normen und eine dahingehende restriktive Anwendung durch die Verwaltung kann damit einer flachenhaften Inanspruchnahme des Kustenraumes durch Kustenschutzanlagen recht wirksam entgegengesteuert werden. Dies andert allerdings nichts an der prinzipiellen Untauglichkeit, mittels herkommlicher Strategien die Kiiste langfristig zu sichern. Da sich der Zweck der durch die § 83 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 3 LWaG S-H forcierten MaBnahmen aber lediglich auf die Sicherung erheblicher materieller Werte und den Schutz der menschlichen Gesundheit erstreckt, wird man, solange ein gewisses Schutzniveau zu halten ist, KustenschutzmaBnahmen, die sich im Rahmen des Schutzauftrages bewegen und sich auf das Allernotwendigste beschranken, als zwingende Griinde des iiberragenden offentlichen Interesses im Sinne von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) ansehen konnen, die in der Lage sind, erhebliche Beeintrachtigungen nichtprioritarer Gebiete zu rechtfertigen. Insofern konnen die wasserrechtlichen Schutzauftrage als - widerlegbare - gesetzliche Vermutung fur das Vorliegen zwingender Griinde des iiberwiegenden Qffentlichen Interesses fruchtbar gemacht werden und wenigstens temporar als Richtlinienkonformitat schaffendes Korrektiv wirken. Demgegenuber sind Kustenschutzmafinahmen, die den durch § 83 LWaG M-V oder § 63 Abs. 2 S. 3 LWaG S-H gesteckten Rahmen verlassen, mit den von der FFH-RL verfolgten uberragenden Belangen grundsatzlich nicht vereinbar.558 Ak553 554 555 556 557 558

Siehe auch 1. Kapitel § 4 C. Die von der Verwaltung grundsatzlich zu beriicksichtigen sind, vgl. BVerwG, Beschluss 30.09.1998 - 4 V R 9.98 - N u R 99, S. 633 (633), in standiger Rechtsprechung. Vergleiche zur Effizienz von Kustenschutzanlagen 1. Kapitel § 4 C. Mit der zusatzlichen Beschrankung auf SicherungsmaBnahmen, die im Interesse des Allgemeinwohls erforderlich sind, vgl. § 63 Abs. 2 S. 1 L W a G S-H. Ausfuhrlich zur Rechtsnatur und zum Umfang der Schutzpflicht im 5. Kapitel § 13 A. Das resultiert auch aus dem Verstandnis der zwingenden Griinde als solche verpflichtender Art. Der Schutz iiber den Auftrag des § 83 L W a G M-V hinaus ist lediglich fakultativer Art. Damit entfillt der verpflichtende Charakter. Vgl. dazu auch 5. Kapitel

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tuelles Beispiel ist die Weiterfuhrung von KiistenschutzmaBnahmen vor dem Gellen am unbewohnten siidlichen Ende Hiddensees. Da durch neuere Studien belegt wurde, dass diese MaBnahmen flir die Sturmflutsicherheit der boddenseitig gelegenen Kustengemeinden der Insel Rugen ohne Belang sind,559 nehmen sie an der Vermutung des § 83 LWaG M-V nicht teil. Gehen, was nicht zuletzt durch die Fernwirkungen zu erwarten ist, mit den KustenschutzmaBnahmen erhebliche Beeintrachtigungen von FFH- oder Vogelschutzgebieten einher, lieBe sich deren Rechtfertigung jedenfalls nicht auf die gesetzliche Vermutung von § 83 LWaG MV stiitzen.560 Dies gilt erst recht fur das Abschieben ganzer Dunenkomplexe mit geschiitzten Lebensraumtypen nach der FFH-RL (z.B. Sanddorn- und Kriechweidengebtische auf Kiistendiinen, Code 2160, 2170) aus touristischen Erwagungen.561 Letzteres lauft nicht nur den Vorgaben der FFH-RL, sondern neben den wasserrechtlichen Schutzauftragen zugleich den originaren Interessen des Hochwasserschutzes zuwider. Zwingende Griinde des offentlichen Interesses sind in diesen Fallen nicht einmal im Ansatz erkennbar. cc. Fazit Das Schutzregime der FFH-RL entfaltet in Bezug auf KustenschutzmaBnahmen primar Minimierungswirkungen in den Grenzen wasserrechtlicher Schutzauftrage. Als Tribut an das gemeinschaftsrechtlich vorgegebene Verschlechterungsverbot von Gebieten des okologischen Netzes Natura 2000 haben sich alle beeintrachtigenden MaBnahmen auf das zu beschranken, was unbedingt notwendig ist, urn den verfolgten offentlichen Interessen gerecht zu werden.562 Eingriffe, die sich auf private Belange griinden, sind von den Ausnahmetatbestanden in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 1 FFH-RL nicht erfasst und daher grundsatzlich unzulassig. Sollten privatniitzige Interessen im Einzelfall kongruent zu offentlichen Interessen laufen, ist zuerst zu untersuchen, ob sich die in Rede stehenden offentlichen Belange auf anderem Wege mit geringeren Gebietsbeeintrachtigungen erfullen lassen.563 So ist z.B. einer weniger beeintrachtigenden Deicherhohung der Vorrang vor der Errichtung eines Sperrwerks dann zuzumessen, wenn die maBgeblichen offentlichen Interessen durch die Alternative gewahrleistet werden und die privatwirtschaftlich bedingten Gemeinwohlvorteile anderweitig erfullt werden konnen.564

kultativer Art. Damit entfallt der verpflichtende Charakter. Vgl. dazu auch 5. Kapitel §13 A. 559 vergleiche Methling, Kiistenschutz Hiddensee, Rede auf der 49. Tagung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 16.11.2000. 560 Wobei zu bemerken ist, dass andere Rechtfertigungen kaum ersichtlich sind. 561 So geschehen vor Warnemtinde. 562 So auch Weihrich DVB1. 99, S. 1703. 563 Vergleiche dazu ausffihrlich die Ausffihrungen im 3. Kapitel § 10 C. III. 3 . 564 Dies stellt VG Oldenburg, Nachweis in Fn. 506, heraus, vgl. schon die Bemerkungen in Fn. 509.

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b. Kustenschutz und prioritare Gebietsbestandteile aa. Ausnahmen nach die Leybucht- Entscheidung des EuGH Die pauschale Klassifizierung der Europaischen Kommission, Erfordernisse des Kiistenschutzes seien als Rechtfertigungsgriinde fur Eingriffe in Gebiete mit prioritaren Bestandteilen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL (§34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) anzusehen, griindet sich auf die Leybucht-Entscheidung des EuGH.565 In dieser stellte der EuGH fest, dass Uberschwemmungsgefahr und Kustenschutz gewichtige Griinde darstellen, die MaBnahmen zur Eindeichung und zur Verstarkung der Kustenschutzanlagen rechtfertigen, solange sie sich auf das Allernotwendigste beschranken.566 Aufgrund der Orientierung des Wortlauts von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL an die vorgenannte Entscheidung sollen diese Grundsatze auf den Schutz prioritarer Gebiete nach der FFH-RL ilbertragbar sein, und zwar in Gestalt der Unterfalle ,,Gesundheit des Menschen" und ,,6ffentliche Sicherheit".567 Der EuGH nimmt im Leybucht-Urteil bei Formulierung dieser Grundsatze hingegen nicht noch einmal Bezug auf das von der Kommission vorgetragene Erfordernis einer ,,Gefahr fur Leib und Leben der Gesundheit von Menschen". Daher wird nicht deutlich, ob der EuGH die vorgenannten MaBnahmen des Kiistenschutzes pauschal als Beeintrachtigungsgrunde gerechtfertigt sehen will oder ob es dazu erganzend der Pramisse des Gesundheitsschutzes bedarf. Der konkrete Kontext des Urteils lasst letzteren SchluB zu. Immerhin stellte die Europaische Kommission in ihrem Vortrag dieses Erfordernis auf, und Deutschland verwies in seinen Einlassungen zur Rechtfertigung ebenfalls auf eine diesbeziigliche Intention des Vorhabens.568 SchlieBlich geht aus den Ausfuhrungen des EuGH zur Greetsieler Fischereiflotte hervor, dass jedenfalls wirtschaftliche Erwagungen eine Schutzgebietsverkleinerung nicht hatten rechtfertigen konnen.569 Im Ergebnis ist das Leybucht-Urteil so zu verstehen, dass KustenschutzmaBmahmen Beeintrachtigungen prioritarer Gebiete dann rechtfertigen konnen, wenn sie dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. bb. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1., 2. Alt. FFH-RL Unabhangig von der damaligen Auffassung des EuGH postuliert Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 in der 1. und 2. Alt. FFH-RL nunmehr ausdrilcklich die Bedingungen fur Beeintrachtigungen, die in prioritaren Gebieten ohne vorherige Stellungnahme der Europaischen Kommission zulassig sind. Danach konnen nur der Gesundheitsschutz, die offentliche Sicherheit und giinstige Umwelteinwirkungen zur Rechtfer565 566 567 568

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Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 53; Winter, ZUR 94, S. 309. Siehe auch 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. bb. (b) Nachweis in Fn. 261, S. Amtl. Slg., S. I 931. Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 53. Siehe das Vorbringen der Europaischen Kommission i m Rahmen d e s LeybuchtVerfahrens, Nachweis in Fn.261, Amtl. Slg., S. I 892 und dort auch die Einlassungen der Bundesrepublik, S. I 894. Nachweis in Fn. 2 6 1 , S. Amtl. Slg, S. I 930; Mauerhofer, Nationalparkrecht, S. 275; Winter, NuR 92, S. 21 f.; Soell, NuR 93, S. 307 in dortiger Fn. 101.

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tigung von Einwirkungen herangezogen werden. Aufgrund dieser insoweit eindeutigen Tatbestandsmerkmale des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL dtirfen Kiistenschutz- und DeichsicherungsmaBnahmen nur dann als vom Erfordernis der Kommissionsstellungnahme befreit angesehen werden, wenn diese tatsachlich den Schutz der menschlichen Gesundheit oder die offentliche Sicherheit bezwecken. Beeintrachtigungen durch wirtschaftlich oder sozial motivierte Anlagen der Kustensicherung, auch wenn sie sich gleichzeitig als ilberragende Gemeinwohlbelange darstellen, sind nach der hier vertretenen Auffassung auch weiterhin generell unzulassig bzw. konnen, wenn tlberhaupt, nur in extremen Ausnahmefallen, verbunden mit einer Stellungnahme der Europaischen Kommission, als zulassig erachtet werden.570 (a) Schutz der menschlichen Gesundheit Der Begriff der Gesundheit des Menschen scheint auf den ersten Blick recht weit gefasst zu sein. Aus dem absoluten Ausnahmecharakter von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL und der Verbindung mit der offentlichen Sicherheit wird hingegen deutlich, dass der menschlichen Gesundheit ein restriktives Verstandnis zugrunde liegt. Zudem ergibt sich aus der Systematik von Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, dass nur zwingende Erwagungen im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit AnlaB zur Relativierung des Schutzes prioritarer Gebiete geben konnen.571 Insoweit ist eindeutig, dass nicht jedes Vorhaben, welches sich als irgendwie fur die menschliche Gesundheit forderlich erweist, von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL gedeckt sein kann.572 In der Rechtsprechung des EuGH ist insoweit anerkannt, dass die Berufung auf Gesichtspunkte des Gesundheitsschutzes nur unter engen Voraussetzungen moglich sein soil.573 In der Konsequenz bedeutet dies nichts anderes, als dass das Schutzregime von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL nur durch MaBnahmen durchbrochen werden darf, deren Zweck gerade in der Verwirklichung des jeweiligen Schutzgutes liegt. Erwagungen im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit miissen folglich ein mit dem Projekt verfolgter wesentlicher Zweck und nicht nur begleitende Nebenzwecke sein.574 KiistenschutzmaBnahmen werden dem nur gerecht, wenn der 570 571

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Siehe dazu schon ausfuhrlich 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. bb. (b) . Gellermann, Natura 2000, S. 103. Auf den zwingenden Charakter stellt auch BVerwG, Urteil vom 27.01.2000 - 4 C 2.99 - N u R 00, S. 449 (451)=ZUR 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn, ab. BVerwG, Urteil vom 27.01.2000 - 4 C 2.99 - N u R 00, S. 449 (451)=ZUR 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn; Gellermann, Natura 2000, S. 103. Zur diesbezuglichen Auslegung von Art. 30 (ex Art. 36) EGV und Art. 39 Abs. 3 (ex Art. 48 III) EGV vgl. etwa EuGH, Urteil vom 01.06.1994 -C 317/92 - Slg. 1994, I2054 Tz. 18. BVerwG, Urteil vom 27.01.2000 - 4 C 2.99 - NuR 00, S. 449 (452)=ZUR 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn. Kaum nachvollziehbar dagegen Schink, GewArch 98, S. 48, der bereits Teilaspekte des Gesundheitsschutzes innerhalb der Gesamtplanung fur ausreichend erachtet, da insoweit das Schutzregime fur prioritare Gebiete drastisch vermindert wiirde. SchlieGlich kann man in fast alien Planungen, insb. fur Infrastrukturein-

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Gesundheitsschutz im Mittelpunkt steht, und nicht etwa touristische oder asthetische Uberlegungen.575 Uberdies mussen an die Qualitat der Gesundheitsgefahrdungen, die durch KilstenschutzmaBnahmen vermindert werden sollen, hohe Anforderungen gestellt werden. Anerkannt ist, dass gesundheitliche Allgemeinbelange, die es vielfaltig gibt, dafur nicht geniigen.576 In weiterer Konsequenz konnen fur eine Rechtfertigung von Beeintrachtigungen prioritarer Gebiete auch keine Gesundheitsgefahrdungen herangezogen werden, die sich durch Sozialadaquanz auszeichnen, da diese lediglich Ausdruck des allgemeinen Lebensriskos sind. Zur Rechtfertigung von KiistenschutzmaBnahmen sind folglich Unwohlerscheinungen, z.B. Schnupfen als Folge ,,nasser FuBe", oder vorilbergehende Bagatellerkrankungen akuter Art, z.B. grippale Infekte oder Bronchialkatarrhe, nicht dienlich. (b) Offentliche Sicherheit als Rechtfertigungsgrund Weiterhin ist fraglich, was unter der Qffentlichen Sicherheit im europarechtlichen Sinne zu verstehen ist. Die Einordnung der offentlichen Sicherheit in eine Reihe mit zwingenden Griinden des ilberwiegenden offentlichen Interesses lasst auf ein exzeptionelles Verstandnis dieses Merkmals schlieBen.577 Der EuGH hat als Belange der offentlichen Sicherheit bisher nur MaBnahmen zur Existenzsicherung des Staates578 oder die Bekampfung von Gewalt nach innen und auBen579 angesehen.580 Ubertragt man dieses restriktive Verstandnis auf das nationale Recht, wird man den SchluB ziehen mussen, dass nicht alle Erwagungen im Sinne des allumfassenden Begriffs der offentlichen Sicherheit als Beeintrachtigungsgrunde in Frage kommen konnen581. SchlieBlich beinhaltet die offentliche Sicherheit, selbst reduziert auf das polizeirechtliche Verstandnis,582 noch den Bestand des Staates,

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richtungen, irgendwelche gesundheitsfb'rdernde Wirkungen erblicken, und seien es fur den jeweiligen bisherigen Anlieger geringere Gerausch- und Abgasemmissionen. Unterstellte man dies, wiirde das Schutzniveau der FFH-RL faktisch hinter dem des nationalen Rechts zuruckfallen, wobei dann fraglich ware, was die FFH-RL ilberhaupt bezwecken sollte. Vergleiche zu letzterem die bereits erwahnten Dtlnenabschiebungen (Nachweis in F n . 561) auch 3. Kapitel § 10 C. III. 3. b. bb. ( c ) . BVerwG, Urteil vom 27.01.2000 - 4 C 2.99 - NuR 00, S. 449 (451)=ZUR 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn. Erbguth, NuR 00, S. 134. So auch Ramsauer, NuR 00, S. 609. EuGH, Urteil vom 10.07.1984 {Campus Oil) - Rs. 72/83 - Amtl. Slg. 1984, S. I 2727. EuGH, Urteil vom 04.10.1991 (Richardt) - Rs. C-367/89 - Amtl. Slg. 1991, S. I 4621 (14652). Die in der Richtlinie nicht vorgesehene Ausnahme der Landesverteidigung in § 19c Abs. 4 BNatSchG dtlrfte denn auch nur vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH Bestand haben. Landesverteidigung kann sich nur auf MaBnahmen mit Ernstfallbezug, nicht jedoch auf jedes Manover zu spannungsfreien Friedenszeiten beziehen. Siehe auch Fisahn, Umsetzung, in: BBN, Leitbild, S. 198. Ramsauer, NuR 00, S. 609. Darauf stellt jedenfalls Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 26, ab. Den polizeirechtlichen Ordnungsbegriff ebenfalls fur zu umfangreich haltend: Ramsauer, NuR 00, S. 609.

§ lODer Gebiets-undLebensraumschutz

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seiner Einrichtungen, die objektive Rechtsordnung, andere Rechtsgtiter der Allgemeinheit sowie die Rechte und Rechtsgiiter des Einzelnen, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermogen.583 Als Beschrankung von nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) zulassigen MaGnahmen der Qffentlichen Sicherheit bietet sich demgegeniiber die Koppelung an das Vorliegen einer konkreten Gefahrdungslage an. Polizeirechtlich ist unter konkreter Gefahr eine Sachlage zu verstehen, die bei ungehindertem Ablauf des Geschehens in absehbarer Zeit und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen Schaden an einem der Schutzgtiter der offentlichen Sicherheit eintreten lasst.584 Der Schaden muss dabei in iiberschaubarer Zukunft und nicht nur als entfernte Moglichkeit erfolgen.585 Die Annahme einer konkreten Gefahr im polizeirechtlichen Sinne bei der turnusmafiigen und vorausschauenden Planung von Kustenschutzanlagen, sowohl hinsichtlich Erhaltung, als auch Neuerrichtung, begegnet Zweifeln. An der tidenfreien Kuste ist das ,,Ob" und das ,,Wann" eines Schadenseintritts nicht bestimmbar.586 Wenn iiberhaupt, kann nur von einer abstrakten und potentiellen Gefahrdungslage ausgegangen werden. KustenschutzmaBnahmen wahrend und zur Beeinflussung der hydrodynamischen und geomorphologischen Normalsituation587 lassen sich somit nicht als durch Erwagungen der offentlichen Sicherheit rechtfertigen.588 Wenn Voraussetzung fur die Annahme einer Gefahrdung der offentlichen Sicherheit nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL das Vorliegen einer konkreten Gefahr ist,589 kann davon z.B. unmittelbar vor und nach Extremereignissen ausgegangen werden.590 Gegen eine Einbeziehung ordnungsrechtlicher Gefahrdungslagen spricht weiter der Wortlaut des § 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG. Die dort aufgefuhrten Unterfalle der Landesverteidigung und des Zivilschutzes sprechen fllr eine sehr restriktive Auslegung der offentlichen Sicherheit auf konkrete Gefa'hrdungen erheblicher Schwere. (c) Fazit Die eindeutige Beschrankung auf die Gesundheit des Menschen sowie vorstehende Uberlegungen zur offentlichen Sicherheit zeigen, dass die Ansicht der Europai583 584 585 586 587 588

589 590

Schoch, JuS 94, S. 570. Schoch, JuS 94, S. 667. Schoch, JuS 94, S. 667. Vergleiche dazu schon 3. Kapitel § 10 C. II. 1. c. Siehe dazu schon ausfuhrlich 1. Kapitel § 2 B. I. und 1. Kapitel § 3 B. Das wiirde selbstverstandlich das Einschreiten der zustandigen Ordnungsbehorden an sich nicht hindern. Die hier erfolgte Abgrenzung dient hingegen auschliefilich der Einschatzung von zulassigen MaBnahmen in Anbetracht des europaischen Habitatschutzes. Diesem restriktive Verstandnis nur einschrankend folgend Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 26. A.A. Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 26. Louis, BNatSchG, § 19c Rn. 26, benennt Katastrophen oder ahnliche die Allgemeinheit gefahrdende Ereignisse. A.A. BVerwG, Urteil vom 27.01.2000 - 4 C 2.99 - Z U R 00, S. 331 (332 f.).

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

schen Kommission, Kiistenschutz- und DeichsicherungsmaBnahmen seien prinzipiell uber Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. AltFFH-RL ohne vorherige Stellungnahme gerechtfertigt, den Regelungsgehalt dieser Norm iiberdehnt. Die Auffassung der Kommission muss daher vor dem Hintergrund einer Gesamtschau der Grundsatze des Leybucht-Urteils sowie der Tatbestandsmerkmale von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL als unzulassige Vereinfachung der darin aufgestellten Kautelen angesehen werden.591 Uber Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL (§34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) konnen nur solche KiistenschutzmaBnahmen gerechtfertigt werden, die sowohl der menschlichen Gesundheit, als auch der offentlichen Sicherheit dienen. Damit wird zugleich einer zu extensiven Auslegung dieser Freistellungsoption entgegengewirkt. Mafinahmen des Kilstenschutzes, die nicht oder nur untergeordnet diesen Anspriichen dienen sollen und somit primar anderen Interessen folgen, lassen sich daher nicht mit Hilfe von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) unter Befreiung vom Erfordenis der Kommissionsstellungnahme durchsetzen. Entscheidend fur die Beurteilung ist somit die genaue Zielsetzung des Vorhabens. Der Gefahr einer zu groBziigigen, nicht mehr von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL gedeckten Gewahrung von Ausnahmen durch die Mitgliedstaaten kann nur mit einer erhohten Nachweispflicht dergestalt begegnet werden, dass die geplanten MaBnahmen schwerpunktmaBig tatsachlich dem Schutz der menschlichen Gesundheit vor Uberflutung, und nicht primar wirtschaftlichen Interessen dienen. Dies ist im konkreten Fall eine wasserwirtschaftliche Fachfrage, die hier trotz der Darstellung im 4. Kapitel kaum erschopfend geklart werden kann. Eindeutig ist jedoch, dass ErhaltungsmaBnahmen oder gar die Errichtung von Kiistenschutzanlagen, z.B. Deichbauten zur Sicherung landwirtschaftlich genutzter Flachen, diesen Pramissen nicht gerecht werden. Ein ahnliches Bild ergibt sich bei Deichtrassen zur Verhinderung binnenlandseitiger Uberschwemmungen mit selbst im Extremfall nur geringen Wasserstanden. Gleiches gilt fur Strandaufsptilungen, die in erster Linie touristischen Zwecken, namlich der Verbreiterung der nutzbaren Strandflache592 oder gegenteilig dem Abschieben von geschiitzten Dunenkomplexen aus Grunden der Asthetik,593 dienen. Streng genommen ist damit auch nicht mehr der Schutz bebauter Gebiete vor Uberflutung und Landabtrag von der Privilegierung des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL umfasst. Die Anknupfung an bebaute Gebiete bezweckt primar die Sicherung der den Bauten innewohnenden materiellen Werte und dient 591

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Gleiches gilt far die Einschatzung des VG Oldenburg, Beschluss vom 26.10.1999 - 1 B 3319/99 - NuR 00, S. 398 (404), in dem davon ausgegangen wird, dass ,,Kustenschutzgriinde stets herausragend wichtige Belange" waren. Zudem sind solche, auf die gezeitenunterworfene Nordseekiiste bezogenen Einschatzungen, auf die Kiiste der Ostsee nicht tibertragbar. Allerdings ging es diesem Urteil nicht um prioritare Gebiete. So haben die bisherigen Untersuchungen gezeigt, dass jedenfalls einige Strandaufsptilungen in der Vergangenheit hauptsachlich aus touristischen Interessen erfolgten und Hochwasserschutzbelange allenfalls eine untergeordnete Rolle spielten. Siehe schon 3. Kapitel § 10 C. III. 3. a. bb. a.E. und dortige Fn. 561.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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nur mittelbar der Bewahrung der korperlichen Unversehrtheit der Bewohner.594 Solche MaBnahmen diirften zukiinftig der Privilegierung des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. AltFFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) nicht mehr unterfallen. Entgegen der Kommissionsdefinition konnen sie nur, wenn tiberhaupt, iiber Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 3. Alt FFH-RL als andere zwingende Grande des offentlichen Interesses betrachtet werden, fur deren Zulassigkeit die Stellungnahme der Kommission erforderlich ist. Entscheidend fur die Abgrenzung nach zulassigen und unzulassigen Anlagen gemaB Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) muss daher eine Formel sein, die danach fragt, ob die konkrete MaBnahme zum Planungszeitpunkt auch alleine durch Belange der Gesundheit in der geplanten Form und im beabsichtigtem AusmaB gerechtfertigt ware. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass sozioQkonomische Interessen nicht schon im Rahmen von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL die Oberhand behalten. cc. Ausnahmen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 3. Alt. FFH-RL

In den Fallen, in denen sich erheblich beeintrachtigende KustenschutzmaBnahmen nicht nach o. g. MaBstaben mit Erwagungen der menschlichen Gesundheit und der offentlichen Sicherheit rechtfertigen lassen, sind sie bei prioritaren Gebieten nach der hier vertretenen Meinung grandsatzlich unzulassig. Folgt man der Auffassung der Kommission, konnen sie im Einzelfall aus zwingenden Griinden des iiberragenden Gemeinwohls zulassig sein, wobei vor den Gebietsbeeintrachtigungen eine Stellungnahme der Kommission einzuholen ist. dd. Alternativenpriifung in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 FFH-RL

Die hier vertretene Ansicht uber die Notwendigkeit einer restriktiven Auslegung der Ausnahmetatbestande in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL595 ist auch mit 594 595

Vergleiche dazu die weiteren Ausfiihrungen im 3. Kapitel § 10 C. III. 3. b. dd. Die Notwendigkeit streng begrenzbarer Ausnahmemoglichkeiten zeigt sich nunmehr in der bisherigen okologischen Entwicklung des Leybucht-Areals selbst. Vor Eindeichung befand sich hier mit 1.500 BP der groBte Brutplatz flir Sabelschnabler in Europa. Trotz eines bereits vor Beginn der Baumafinahmen in den 80er Jahren erkennbaren leichten Bestandsriickganges deutet die gegenwartige Population nach Beendigung der BaumaBnahmen von nur noch 350 BP auf schwerwiegende Beeintrachtigungen wahrend der Bauphase und einen flachenhaften, nicht im Ansatz wirksam kompensierbaren Lebensraumverlust hin. Damit hat sich die Argumentation des Landes Niedersachsens und der Bundesregierung, fur den Bestand des Sabelschnablers sei nicht nur mit keinen erheblichen Beeintrachtigungen zu rechnen, sondern es seien sogar Bestandserhohungen aussichtsreich (so im Schreiben an die Europaische Kommission vom 06.09.1988, Nachweis in Fn. 261 , S. I 888), im nachhinein als falsch erwiesen. Auch vom EuGH sind aufgrund dieser Einlassungen die Beeintrachtigungen fur die Sabelschnabler unterschatzt und die zu Rechtfertigung herangezogenen (auch) gilnstigen Umweltauswirkungen uberschatzt worden. Hatte der EuGH bereits damals diese dramatischen Entwicklungen gesehen, ware die Leybucht-Entscheidung sicherlich anders ausgefallen. Im Zuge dieser negativen Bilanz ist zukiinftig nicht davon auszugehen, dass der EuGH seine Anforderungen an die Zulassigkeit von Ausnahmen liber das durch die FFH-RL bereits

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Auswirkungen auf die Alternativenpriifung verbunden. Fiir die Zulassigkeit von Vorhaben sind, wie bereits gezeigt, die jeweils zugrandeliegenden Erwagungen entscheidend. Im Rahmen der hier ermittelten Zielsetzungen der Planung muss deutlich werden, dass sich zumindest ein mit dem Vorhaben beabsichtigtes Primarziel durch Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL (§ 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) begriinden lasst. Als Nebeneffekt sind derartige Wirkungen nicht ausreichend.596 Die Prufung von Standort- oder Ausfuhrungsalternativen ist dabei mit dem entsprechenden Rechtfertigungstatbestand in Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL bzw. § 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG in Bezug zu setzen.597 Insoweit strahlen die in diesen Tatbestanden aufgefuhrten Kriterien zur Uberwindung der Unzulassigkeit auf die Altemativenpriifung dergestalt aus, dass diese durch die tatbestandlichen Wertungen eine Mitpragung erfahrt.598 Daher bedarf das herkommliche Verstandnis iiber die Art und Weise der Alternativenpriifung einer Korrektur. Die Alternativenuntersuchung losgelost von Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL zu sehen, obwohl prioritare Gebiete beeintrachtigt werden sollen, kann deren ilberragendem Schutzregime nicht gerecht werden. Wenn etwa eine DeichverstarkungsmaBnahme mit der Sicherung der korperlichen Unversehrtheit der durch den Deich geschiltzten Bewohner einer Siedlung gerechtfertigt wird, muss in die Altemativenpriifung zugleich einbezogen werden, wie der Gesundheitsschutz anderweitig gewahrleistet werden kann. Das Interesse am Schutz der Bauwerke selbst ist wirtschaftlicher oder sozialer Natur und kann mangels Eingriffsrechtfertigung in prioritaren Gebieten konsequenterweise auch nicht zum Ausschluss von Alternativen fuhren. Zur Gewahrleistung der hier einzig relevanten Belange, des Lebens- und Gesundheitsschutzes, sind vorrangig defensive MaBnahmen in die Alternativensuche einzustellen. Zu denken ist an funktionsfahige Hochwasserwamdienste, Sicherungswarften und hochwassersichere Bebauung, im Einzelfall auch an dauerhafte Umsiedlungen der betroffenen Burger auf hochwassersichere Standorte. Die Beriicksichtigungsfahigkeit solcher Alternativen resultiert aus den engen Voraussetzungen, unter denen Beeintrachtigungen nach Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt FFH-RL zulassig sind und an denen sich auch die Altemativenpriifung zu messen hat. Insoweit kQnnen alternative MaBnahmen im Ergebnis durchaus zu einer Nullvariante599 fiihren. Auf jeden Fall werden sich

596

597 598 599

gewahrte Mafi hinaus noch erweitert. Vgl. auch WWF-Pressemeldung vom 01.10.2000. Erinnert sei auch daran, dass Nichtwissen ilber okologische Zusammenhange nicht zu einer Freistellung von Umweltnormen, sondern zu erhohten Monitoring- und Vorsorgepflichten fiihrt (Ignoranzthese). Siehe dazu Czybulka, NuR 99, S. 563. BVerwG, Urteil vom 27. 0 1 . 2000 - 4 C 2.99 - Z U R 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn = N u R 00, S. 448 (452); ders., U P R 00, S. 337. In der Tendenz zuriickhaltend Schrodter, N u R 0 1 , S. 15, zur Gegenansicht Schink, GewArch 98, S. 48. Vergleiche demgegentiber etwa Freytag/Iven, N u R 95, S. 113 f.; ablehnend wohl auch Apfelbacher/Adenauer/Iven, N u R 99, S. 75; Schink, GewArch 98, S. 48. Insoweit zutreffend Hoppe, U P R 99, S. 429. Siehe schon 3. Kapitel § 10 C. III. 2. b. bb. und Fn. 514 sowie die Europaische Kommission, Gebietsmanagement, S. 46.

§ 10 Der Gebiets- und Lebensraumschutz

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auch MaBnahmen zum Schutz besiedelter Bereichen hoheren RechtfertigungsmaBstaben zu stellen haben.600 Uber die prinzipielle Berucksichtigungsfahigkeit solcher Altemativen hinaus haben die Varianten selbstredend dem Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit zu entsprechen. Eine MaBnahme ist mit dem Grundsatz der VerhaltnismaBigkeit nicht vereinbar, wenn sie die Grenzen dessen ilberschreitet, was zur Erfullung der mit der gemeinschaftlichen Regelung verfolgten Ziel weder angemessen noch erforderlich ist.601 Das zumutbare MaB an Vermeidungsanstrengungen darf nicht auBerhalb jedes vernilnftigen Verhaltnisses zu dem damit erzielbaren Gewinn fur Natur und Umwelt stehen.602 Das VerhaltnismaBigkeitsprinzip wirkt innerhalb von Natura 2000 mehrschichtig. Zunachst begrenzt es die Restriktionsbefugnisse des Habitatschutzes. Danach wird sich die Siedlungsaufgabe ganzer Ortschaften schon wegen der soziokulturellen Komponeneten wohl nur bei erheblicher Gefahrerhohungen rechtfertigen konnen. Die Begrenzungen der staatlichen Schutzauftrage in § 83 LWaG M-V oder § 63 Abs. 2 S. 3 LWaG S-H auf im Zusammenhang bebaute Ortschaften sind als Ausdruck solcher VerhaltnismaBigkeitserwagungen zu verstehen. Damit diirften die Ausnahmetatbestande des Art. 6 Abs. 4 UAbs. 2 l.AltFFH-RL (§34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG) grundsatzlich auch auf KiistenschutzmaBnahmen anzuwenden sein, sofern diese dem Schutz von Ortslagen dienen sollen und sich auf das Allernotwendigste beschranken. Auf einer anderen Ebene wirkt das VerhaltnismaBigkeitsprinzip auch gegenilber demjenigen, der seine Planungen den Vorgaben des Habitatschutzes anpassen soil. Gerade in diesen Konstellationen ist es anerkannt, dass auch finanzielle Erwagungen die VerhaltnismaBigkeit beeinflussen konnen.603 Es liegt jedoch auf der Hand, dass unerhebliche Mehrkosten, die durch Standort- oder Ausfuhrungsalternativen anfallen, vor dem Hintergrund der iiberragenden Belange des europaischen Naturschutzes noch nicht zur einer Unzumutbarkeit der Altemativen ftihren. Hier kann die VerhaltnismaBigkeit von Altemativen nur in einer Einzelfallbetrachtung ermittelt werden, wozu auf Kostenseite auch gehort, eine etwaige Unzumutbarkeit von Mehrbelastungen nicht absolut,604 sondem im Verhaltnis zum Gesamtinvestitionsvolumen zu sehen.605 600 601 602 603 604

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Dieses Ergebnis hat gleichwohl nur in den Fallen des Ait. 6 Abs. 4 UAbs. 2 1. Alt. FFH-RL bei Gebieten mit prioritaren Bestandteilen Geltung. EuGH, Urteil vom 21.01.1992 -C 319/90 - Slg. 1992,1-203 Rn. 12. BVerwG, Urteil vom 27. 0 1 . 2000 - 4 C 2.99 - Z U R 00, S. 331 (332) mit Anm. Fisahn = N u R 00, S. 448 (450). BVerwG, Urteil vom 27. 0 1 . 2000 - 4 C 2.99 - Z U R 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn = NuR00,S. 448(451). So aber BVerwG, Urteil v o m 27. 0 1 . 2000 - 4 C 2.99 - Z U R 00, S. 331 (333) mit Anm. Fisahn = N u R 00, S. 448 (452), wenn Mehrkosten in zweistelliger Millionenhohe pauschal als unzumutbar qualifiziert werden, ohne dass die Gesamtinvestitionssumme genannt und zu den Mehrkosten in Beziehung gesetzt wird. Solche Bezugnahmen sind unumganglich, um Argumentationen zu entkraften, die z.B. das Nichtvorhandensein von Altemativen zum Bau eines beeintrachtigenden Kraftwer-

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

Das soeben gefundene Ergebnis, die ausnahmsweise Zulassigkeit an sich unzulassiger MaBnahmen als Folge von VerhaltnismaBigkeitserwagungen, kann selbstverstandlich dann nicht gelten, wenn die Voraussetzungen der Ausnahme nicht erfullt sind. Zu denken ist hier etwa an Einzelbebauungen an exponierten Stellen, die infolge notwendig werdender KiistenschutzmaBnahmen erhebliche Schutzgebietsbeeintrachtigungen nach sich zogen. Hier ist eine Neuansiedlung auf ungefahrdeten Standorten grundsatzlich ins Auge zu fassen, wenn durch Anlagen des Kustenschutzes die Erhaltungsziele der Gebiete erheblich beeintrachtigt werden und nur eine unvollstandige Kompensation moglich ist. Insofern kann dem europaischen Habitatschutz prioritarer Gebiete kein geringeres Gewicht als dem Grundrecht auf Eigentum zufallen.606 Diese These wird durch die naturraumlichen Verhaltnisse der sandigen Osteseekusten verstarkt. Insbesondere die im vorpommerschen Kustenbereich gemeldeten Kiistennationalparke beinhalten als einen der wichtigsten Schutzzwecke den Erhalt der natilrlichen Kustendynamik.607 Die ungestorte Prozessdynamik ist gleichzeitig Grundlage fur prioritare Biotope nach der FFH-RL, z.B. von Strandseen (Natura 2000 Code *1150),608 verschiedenen Dtinengesellschaften (Natura 2000 Code *2130, *2140, *2150)609 und rur die Reproduktion einer ganzen Anzahl von Vogelarten des Anhangs I der VRL610. Die Kustendynamik in den Schutzgebieten kann durch Ktistenschutzanlagen im Einzugsbereich der FFHGebiete, etwa in deren Luvbereich, nachhaltig gestort werden.6" Daher sind bei der Gewahrleistung der menschlichen Gesundheit auch o.g. passive MaBnahmen in die Untersuchung miteinzubeziehen. In die hier notwendige Abwagung miissen sich auch die Erkenntnisse zur Effektivitat und die Effizienz von Ktistenschutzanlagen an gefahrdeten Abschnitten Geltung verschaffen.612 Insofern konnen sich Umsiedlungen an Stelle erheblich beeintrachtigender SchutzmaBnahmen vor dem Hintergrund dieser Gesamtbeurteilung und des europaischen Anspruchs an den Habitatschutz im Einzelfall als verhaltnismaBig darstellen.

4. Resiimee Ansatzpunkt fur die Errichtung des okologischen Netzes Natura 2000 war die Erkenntnis, dass dem fortschreitenden Verlust von Arten und Lebensraumen durch die bisherigen mitgliedstaatlichen Instrumente des Naturschutzes, namentlich des

606 607 608 609 610 611 612

kes mit einer Investitionssumme von 300 Millionen € direkt an der Kustenlinie damit begriinden, dass die an weniger beeintrachtigenden, weil kustenferneren Standorten notwendig werdende Ktihlwasserpipeline mit Kosten von 50.000 € unzumutbar sei. Zutreffend Ramsauer, N u R 00, S. 610. Zu Art. 14 GG vgl. im 5. Kapitel § 14 ausfuhrlicher. Siehe naher im 3. Kapitel § 10 A. IV. 3. Siehe dazu ausfflhrlich 1. Kapitel § 3 C. II. Vergleiche 1. Kapitel § 3 C. II. 2. Vergleiche 1. Kapitel § 3 C. I. 3. Ausfiihrlich 1. Kapitel § 4 B. Siehe 1. Kapitel § 4 C.

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Flachenschutzes, nicht wirksam begegnet werden konnte.613 Zur Behebung dieser Defizite ist eine Modification der herkommlichen Strategien notwendig. Diesem Anspruch kann das Projekt Natura 2000 nur dann gerecht werden, wenn die in der Vergangenheit deutlich gewordenen Mangel weitestgehend vermieden werden.614 Die Darstellung in den vorhergehenden Abschnitten geht daher von einem sehr restriktiven Verstandnis der zulassigen Gebietsbeeintrachtigungen aus. Die enge Auslegung der Ausnahmetatbestande griindet sich dabei auf dem in der VRL und der FFH-RL statuierten iiberragenden Schutzauftrag zur dauerhaften Erhaltung und Wiederherstellung des europaischen Naturerbes. Dem Qkologischen Netz Natura 2000 kommt substantielle Bedeutung fur den gemeinschaftsweiten Habitatund Artenschutz zu. Die Relevanz des Schutzgebietssystems fur den Naturschutz in ganz Europa verbietet daher MaBnahmen, die die Koharenz und damit die Funktionsfahigkeit des Netzes unterbrechen oder gefahrden.615 Der Gebietsschutz innerhalb Natura 2000 wird auf lange Sicht der strengste sein, der innerhalb der Europaischen Union naturschutzrechtlich durchsetzbar ist. Defizite bei der Vermeidung von Beeintrachtigungen des Netzes wilrden langfristig nicht nur die Richtlinienziele der VRL und der FFH-RL gefahrden, sondern auch zur Herabsetzung der Schutzniveaus aller, auch nicht zu Natura 2000 gehorenden Gebiete fuhren. Natura 2000 sollte als ein wichtiges Instrument des Flachennaturschutzes in der EU begriffen werden. Vor dem Hintergrund einer europaweiten unverminderten Verschlechterung der okologischen Situation sind deshalb ilber das herkommliche mitgliedstaatliche Verstandnis hinausgehende Beeintrachtigungsverbote gefordert. In diesem Zusammenhang muss man sich iiber eines im klaren sein: Im Falle des Scheiterns von Natura 2000 waren weder die Mitgliedstaaten noch die Europaische Union in der Lage, dem dann einsetzenden Artensterben und Lebensraumverlust in absehbarer Zeit wirksam zu begegnen. Insofern postuliert die FFH-RL ein ganz auBerordentliches Verantwortungsbewusstsein, welches sich gerade auch in der grofltmoglichen Beschrankung von Ausnahmemoglichkeiten zeigen muss. Wie bereits erwahnt,616 sind bei der Beurteilung von Schutzgebietseinwirkungen im Rahmen der Vertraglichkeitsprufung auch in naher oder ferner Zukunft notwendig werdende KustenschutzmaBnahmen und ihre Fernwirkungen zu beriicksichtigen. In Anbetracht dessen ist in einer summarischen Gesamtschau davon auszugehen, dass die Mehrzahl kiistennaher Vorhaben luvseitig von FFH- und Vogelschutzgebieten fruher oder spater schon aufgrund von Ktistenschutzerfordernissen zwingend die Gefahr erheblicher Beeintrachtigungen der Schutzgebiete nach sich ziehen werden. Letzteres ist strikt zu vermeiden. Deshalb muss das Schutzregime der Natura 2000 Gebiete, einschlieBlich der um die Berucksichtigung von Folgewirkungen aufgewerteten Vertraglichkeitsprufung, gekoppelt mit 613 614 615 616

Siehe schon 3. Kapitel § 10 C. I. Dazu gehort insbesondere die fehlende Durchsetzungfahigkeit okologischer Belange gegeniiber solchen soziookonomischer Art. Siehe dazu auch 3. Kapitel § 10 A. IV. Louis, D O V 99, S. 380. Siehe 3. Kapitel § IOC. III.

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3. Kapitel Instrumente des Naturschutzrechts

einer komplexen Alternativensuche, gegeniiber risikopotentialerhohenden Vorhaben und Planungen im Kilstenbereich weitreichende Beschrankungen entfalten. In restriktiver Auslegung der Ausnahmemoglichkeiten sollten die Vorgaben von Art. 6 Abs. 3, 4 FFH-RL daher wirksame Beitrage zur okologischen Entwicklung des Kustenraumes liefern. Positiv ist dabei zu vermerken, dass die Minimierung ihre maBgeblichen Resultate in einem Bereich des Kiistenareals zeigen wird, der sich sowohl in okologischer, als auch in wasserbaulicher Hinsicht als der sensibelste und dynamischste darstellt: der unmittelbare Kiistensaum. Alternativstandorte zu geplanten ufernahen, nicht wassergebundenen Vorhaben werden sich regelmaBig auf okologisch weniger sensiblen Flachen im landwartigen Kiistenbereich oder dem Kiistenhinterland befinden. Die Vorgaben des europaischen Habitatschutzes sind folglich in gleichem MaBe in der Lage, sowohl okologisch wertvolle Retentionsraume zu sichern, als auch fur den Ktlstenschutz unabdingbare Riickzugsflachen zu erhalten. Damit bleibt zu konstatieren, dass trotz der hier vertretenen restriktiven Ansicht die Entwicklungsplanung der Kommunen ebensowenig in Gefahr ist wie die im Rahmen der Gesetze gewahrte Baufreiheit. Es geht hier lediglich urn eine territoriale Verlagerung der Aktivitaten in naturschutzfachlich, wasserwirtschaftlich, 6konomisch und schlieBlich auch fur den Menschen weniger gefahrdete Bereiche. Unter Anerkennung dieser Pramissen sollte zukiinftig eine angepasstere Nutzung des Kustenraumes gewahrleistet werden konnen. Daruber hinaus nehmen Planungen und MaBnahmen des Kiistenschutzes selbst grundsatzlich am spezifischen Verschlechterungsverbot der FFH-RL teil. Die Koppelung von Eingriffsrechtfertigung und Alternativenprufung an § 34 Abs. 4 S. 1 BNatSchG bei prioritaren Gebieten kann zu einer umfassenderen Sichtweise und damit zu durchsetzungsfahigen Impulsen fur vorsorgende Ktistenschutzkonzepte fuhren. Die obligatorische Vertraglichkeitsprufung vermittelt faktisch eine Art Planvorbehalt, der die weitere Ktistenentwicklung in wesentlichen Bereichen an die okolgischen Erfordernisse der Richtlinien bindet. Dieser sog. Planvorbehalt beschrankt sich sachlich nicht nur auf raumbedeutsame MaBnahmen, sondern erfasst das gesamte Plan- und Entscheidungsmanagement mit Auswirkungen auf die zu schutzenden Gebiete. Er wirkt insoweit sachlich umfassender als die Bindung an die Raumordnung, territorial hingegen auf die Schutzgebiete und deren Umgebung begrenzt.617 Diese Planbindung entspricht in rechtlicher Sicht der im Rahmen eines IKZM geforderten allumfassenden Bindung aller Planungen und Vorhaben im Kilstenbereich. Fachlich findet durch das Erfordernis der Vertraglichkeit mit den Zielen von Natura 2000 in naturschutzfachlich sensiblen Kiistenbereichen eine besondere Gewichtung der okologischen Belange start, und zwar in Ubereinstimmung mit den grundsatzlich zu akzeptierenden naturraumlichen Verhaltnissen. 617

Infolge der hohen Anzahl und der erheblichen raumlichen Ausdehnung der nach VRL und FFH-RL auszuweisenden Ktlstenflachen sollte auch rechtssicher gewahrleistet werden, dass alle wichtigen Teile des Ktistenbereiches diesem Planvorbehalt unterfallen. Voraussetzung wSrefreilicheine richtlinienkonforme Auswahl und ein richtliniekonformer Schutz der Gebiete.

§ 10 Der Gebiets-und Lebensraumschutz

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Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist dem okologischen Netz Natura 2000 erne nicht zu unterschatzende Bedeutung beizumessen.

4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

Der folgende Abschnitt dient der Untersuchung, inwieweit mit Hilfe der wasserrechtlichen Instrumente ein naturnahes Kustenschutzkonzept umgesetzt werden kann. In einem ersten Schritt erfolgt dazu die Betrachtung derjenigen Komponenten der wasserwirtschaftlichen Planung, deren sachliche Regelungsgehalte sich uberhaupt auf die Kiistengewasser und deren Uferzonen beziehen konnten. Dies diirften in erster Linie die wasserwirtschaftlichen Rahmenplane nach § 36 WHG und die Bewirtschaftungsplane nach § 36b WHG sein. In diesen Zusammenhang lassen sich auch die eigentlichen Kiistenschutzplanungen in Gestalt der Generalplane und ferner das Planungsinstrument der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes verorten. In einem gesonderten Abschnitt werden die gesetzlichen Uberschwemmungsgebiete nach § 32 WHG behandelt.

§11 Wasserwirtschaftliche Planting A. Kompetenzrechtliche Zuordnung des Wasserrechts Die Gesetzgebungskompetenzen innerhalb des Wasserrechts richten sich nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG, Kompetenzzuweisungen fur den Kiistenschutz folgen aus Art 74 Nr. 17 und Art. 91a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GG.1 Im Bereich des Wasserverkehrs- und Wasserwegerechts aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG hat der Bund gemafi Art. 87 Abs. 1 GG fur die BundeswasserstraBen und die Schifffahrt auch die Verwaltungskompetenz inne. Sachlich tangiert die Materie des Kiistenschutzes sowohl das Wasserwegerecht aus als auch das Wasserhaushaltsrecht aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG. Selbst wenn Kustenschutzaktivitaten durch Auswirkungen auf die Schiffbarkeit der Gewasser teilweise wasserwegerechtliche Bezlige aufweisen wttrden, blieben sie in der Regel MaBnahmen zur Beeinflus1

Die Befugnis zur ausschlieBlichen Gesetzgebung aus Art. 73 Nr. 1 GG zum Schutz der Zivilbevolkerung ist nicht einschlagig, da dieses Materie der Landesverteidigung zugeordnet wird und folglich nicht auf den Hochwasserschutz anwendbar ist. Vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 73 Nr. 4.

§ 11 Wasserwirtschaftliche Planung

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sung des Wasserhaushaltes.2 Denn auch wenn BundeswasserstraBen in wasserwirtschaftlicher Hinsicht berilhrt werden, soil ein Fall der Rahmenkompetenz aus Art. 75 Abs. 1 Nr. 4 GG vorliegen.3 Unter den Begriff des Wasserhaushaltes fallen keine rechtlich nicht fassbaren Prozesse wie der Wasserhaushalt eines Gebietes als Naturvorgang.4 Wasserhaushalt im Sinne von Art. 75 Nr. 4 GG meint die allgemein verbindliche Normierung der menschlichen Einwirkungen auf das Oberflachen- und Grundwasser5 und zwar - da territorial nicht eingeschrankt - an alien Gewasserarten, d.h. an oberirdischen Gewassern, dem Grundwasser und den Kiistengewassern. Die rechtliche Ordnung des Wasserhaushaltes umfasst daher die beiden prinzipiell moglichen menschlichen Beeinflussungen auf das Wasse: Einwirkungen auf die Gewassergtite und auf die Wassermenge.6 Die Ausfullung des gesetzlichen Rahmens des WHG und die Verwaltungskompetenz obliegen den Landern.7 Hochwasserschutz an Binnengewassern steuert regelmaBig direkt oder mittelbar das Abfiussverhalten oberirdischer Gewasser.8 Die MaBnahmen sind nicht nur singular auf die Abwehr steigen2

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Zu den Seewasserstrafien i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 21 GG gehoren nach § 1 Abs. 2 S. 1 BWaStrG nicht nur einzelne Fahrrinnen, sondern die Gesamtheit der Wasserflachen zwischen der Kustenlinie bei mittlerem Hochwasser oder der seewartigen Begrenzung der BinnenwasserstraBen und der seewartigen Begrenzung des Kilstenmeeres; folglich das Kustenmeer in der Definition des § 1 Abs. 1 Nr. la WHG, vgl. Friesecke, BwaStrG, § 1 Rn. 13. Zur Begriindung siehe auch BTDrs. 5/1469, S. 2 und ausfuhrlich Friesecke, BundeswasserstraBen, S. 54. KilstenschutzmaBnahmen seeseitig der Uferlinie stellen i.d.R. keine Aktivitaten dar, die in die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes oder gar dessen Verwaltungskompetenz nach Art. 89 Abs. 2 GG fallen, da diese MaBnahmen in den seltensten Fallen wasserwegerechtlicher Art sein durften {Friesecke, BWaStrG, § 1 Rn. 14). Erganzend bestimmt § 1 Abs. 2 S. 2 BWaStrG den Ausschluss von Kiistenschutz- und Landgewinnungsbauwerken aus den SeewasserstraBen. BVerfG, Urteil vom 30.10.1962 - 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61 - BVerfGE 15, S. 1 (15 f.); Breuer, Wasserrecht, Rn. 4; Bull, in: Wassermann, AK-GG, Art. 89 Rn. 12 f. BVerfG, Urteil vom 30.10.1962-2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61-BVerfGE 15, S. 1(14). BVerfG, Urteil vom 30.10.1962 - 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61 - BVerfGE 15, S. 1 (14); Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 61 m.w.N. Daher entspricht die grundgesetzliche Begrifflichkeit des Wasserhaushaltes dem der Wasserwirtschaft, vgl. BVerfG, Urteil vom 30.10.1962 - 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61 BVerfGE 15, S. 1 (15); Kunig, in: von Miinch/Kunig, GG, Art. 75 Rn. 35; Breuer, Wasserrecht, Rn. 2; Kloepfer, Umweltrecht, § 13 Rn. 1 f. So nunmehr auch Maunz, in: Maunz/Dilrig, GG, Art. 75 Rn. 143. GemaB Art. 70 GG bzw. Art. 30, 83 GG. Siehe auch Hasche, UTR 49 (99), S. 160, 163 f. Das Abstellen auf eine tatsSchliche Beeinflussung des Hochwasserabflusses, um als von der Wassermengenwirtschaft bzw. von § 31 Abs. 2 S. 2 WHG erfasst zu sein, trifft auf erhebliche Schwierigkeiten. So kommt man zu dem befremdlichen Ergebnis, dass die Lander prinzipiell Vollregelungen iiber Deiche an oberirdischen Gewassern treffen konnten, nicht aber fur Deiche, die wasserwirtschaftlich bedeutsame Auswirkungen

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

der Pegelstande gerichtet, sondern beinhalten durch flankierende Aktivitaten zur Wasserregulierung, dem aktiven Management der Hochwasserwellen und der Sorge ilber die Situation flussabwarts gelegener Flachen echte mengenwirtschaftliche Elemente. Hochwasserschutz im Binnenland ist daher in Ganze typische Wassermengenbeeinflussung9 und unterfallt als solche uneingeschrankt dem Begriff des Wasserhaushaltes aus Art. 75 Nr. 4 GG. Kiistenschutz dient ebenfalls dem Schutz vor Uberflutung, sei es durch Extremereignisse oder durch Abrasion. Das Management beschrankt sich hingegen isoliert auf Abwehr des Wassers. Eine Wassermengenbeeinflussung in Gestalt von Bewirtschaftung erfolgt mit Ausnahme von Polderflachen nicht. Allerdings vermogen die menschlichen Aktivitaten an der Kilste die Wassersituation zumindest so zu beeinflussen, dass Wasser(mengen) von bestimmten Landflachen ferngehalten werden. Insoweit erfolgt gleichfalls eine, wenngleich relativ grobe, Mengensteuerung in Form einer Schutzwasserwirtschaft,10 die der Zuordnung des Kustenschutzes zur Wassermengenwirtschaft und damit zum Wasserhaushalt nicht entgegensteht. Demgegeniiber ist die Wassermengenwirtschaft im Kiistenbereich und auch der Kiistenschutz11 von den Regelungen des WHG nicht erfasst. Dies wurde urpriinglich damit begriindet, dass die Ausdehnung des territorialen Geltungsbereiches des WHG durch die 3. Novelle in § 1 Abs. 1 Nr. la WHG lediglich um ihrer Reinhaltung Willen erfolgte.12 Die allgemeinen Bestimmungen fur Gewasser in den §§ la bis 22 WHG sind daher nur dann anwendbar, wenn dies fur deren Reinhaltung erforderlich ist.13 Eine Ausdehnung der Bestimmungen der §§ 28 bis 31 WHG kommt nicht in Betracht, da sich der 2. Teil des Gesetzes, welnach sich ziehen, da diese wegen § 31 Abs. 2 S. 2 WHG der Rahmenkompetenz nach Art. 75, 72 GG unterfallen. Das Deichrecht wilrde so in verschiedene Kompetenzbereiche aufgespaltet, wobei eine Differenzierung nur einzelfall- und ereignisbezogen moglich ware. Wie soil z.B. die wassermengenbeeinflussende Wirkung hintereinanderliegender Deichlinien, etwa von Sommer- und Winterdeichen, erfasst werden? SchlieBlich ist deren Wirkung abhangig von der konkreten Hochwasserhohe. Wann beeinflusst ein Riegeldeich den Hochwasserabfluss? Insoweit eine differenzierende Abgrenzung im Hinblick auf die Gesetzgebungszustandigkeiten vornehmen zu wollen, erscheint weder durchfuhrbar noch sinnvoll. SchlieBlich werden mit alien Deichen, entsprechende Hochwasserstande vorausgesetzt, wasserwirtschaftliche Effekte verbunden sein, sofern man den Schwerpunkt auf den Zweck von Hochwasserschutzdeichen und deren mittelbare Wirkungen legt. Tatsachlich sind alle Deiche darauf gerichtet, in bestimmten Konstellationen der Wasserabwehr zu dienen und damit auf eine Beeinflussung von Wassermengen. Diese Aufgabe sollte entscheidend fur die legislative Zuordnung des Deichrechts zum Recht des Wasserhaushaltes sein. Vgl. zu den verschiedenen Deicharten Czychowsky, WHG, § 31 Rn. 23, (6. Aufl.). 9

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A.A. Czychowski/Reinhard, WHG, §31 Rn. 34; Zeitler in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 31 Rn. 23 ff.; Petersen, Kiistenrecht, Rn. 803. Vergleiche dazu von Munch, in: von Munch, GG, Art. 75 Rn. 31. (2. Aufl.). Ausdriicklich Czychowski/Reinhard, WHG, § 31 Rn. 34. Czychowski, WHG, § 1 Rn. 34 (6. Auflage). Czychowski/Reinhard, WHG, § 1 Rn. 38.

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cher diese Normen enthalt, ausschlieBlich auf oberirdische Gewasser im herkommlichen Sinne, nicht aber auf Kustengewasser bezieht und § 32c WHG nur die §§ 25a bis d WHG Sir entsprechend anwendbar erklart.14 Kiistenschutz unterfallt der im Verhaltnis zum Wasserhaushaltsrecht nach Art. 75 Nr. 4 GG spezielleren Regelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG. Danach ist der Kiistenschutz der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zugeordnet.15 Als Kiistenschutz werden, wie bereits an anderer Stelle ausgefiihrt, Maflnahmen zur Erhohung der Sicherheit an den Kilsten der Nord- und Ostsee sowie an den flieBenden oberirdischen Gewassern im Tidegebiet gegen Sturmfluten16 bzw. der Gesamtheit der Einwirkungen des Wassers17 defmiert.18 Die Zuweisung des Kustenschutzes zur konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis betrifft ausschlieBlich den Schutz der Kuste einschlieBlich der tideunterworfenen Teile von FlieBgewassern im Einzugsbereich der Kuste.19 Gleichwohl hat der Bund von der ihm zugewiesenen Ermachtigung ersichtlich keinen Gebrauch gemacht,20 so dass der Ktlstenschutz gegenwartig in die alleinige Gesetzgebungskompetenz der Lander fallt.21 Ob der Bund bei entsprechender Regelungsabsicht die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis vor dem Hintergrund der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG22 und der jiingsten Judikatur des BVerfG23 geltend machen konnte, soil hier nicht gepriift werden.24 Ausgeschlossen scheint dies jedoch nicht.25 14 15 16 17 18

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Exemplarisch fur die Planfeststellungspflicht in § 31 WHG: Petersen, Ktistenrecht, Rn. 801. Rozek, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 74 Rn. 154. Siehe schon Fn. 46 im 1. Kapitel § 2 B. II. und § 1 Abs. 1 Nr. 4 GAKG. Vergleiche dazu Fn. 47 im 1. Kapitel § 2 B. II. Diese Unterscheidung zieht gleichfalls Konsequenzen fur die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach sich. Sollte sich der Inhalt des Kiistenschutztitels nur auf MaBnahmen gegen Sturmfluten beschranken, entfiele fur den allgemeinen Schutz vor Abrasion wahrend der hydrodynamischen Normalsituation schon sachlich eine Bundeskompetenz. Vgl. Petersen, Ktistenrecht, S. 319. Ausdrticklich Oeter, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 74 Rn. 154. BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE 24, S. 367 (385 f.). Petersen, Ktistenrecht, Rn. 802. Die Gesetzgebungskompetenz fur den Kustenschutz in der ehemaligen D D R lag bis zur Auflosung der Landerordnung im Jahre 1952 beim Land Mecklenburg. Danach war der Kustenschutz weiterhin eine offentliche Aufgabe des (Gesamt-)Staates und wurde von der Wasserwirtschaftsdirektion (WWD) Nord wahrgenommen. Durch das 42. Gesetz zur Anderung des Grundgesetzes vom 27.10.1994, BGB1.1 1994, S. 3146: Reduzierung der Bedtirfhis- in eine Erforderlichkeitsklausel, vgl. dazu Stettner, in: Dreier, GG, 1. Aufl., Art. 72 Rn. 3 ff. BVerfG, Urteil vom 27.07.2004 - 2 BvF 2/02 - DVB1. 04, S. 1233 ff. Das jahrzehntelange Wahrnehmen der Legislativkompetenz durch die Lander (Unbertihrtheitsklausel fur landesrechtliche Vorschriften tiber das Deich- und Sielrecht, siehe auch Sticker, in: MtiKo, Bd. 11, § 66 Rn. 1) und der Vorbehalt des Deichrechts aus

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

In jedem Falle kann ein Bediirfhis des Bundes an der Mitwirkung des Kiistenschutzrechtes iiber die Beteiligung aus Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG geltend gemacht werden. Durch die in Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG festgelegte Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der Agrarstruktur und des Kustenschutzes wirkt der Bund bei der Erfflllung von Landeraufgaben mit. Diese Mitwirkung kann fachlicher oder organisatorischer Natur sein, reduziert sich jedoch haufig, jedenfalls im Rahmen der Verbesserung des Kustenschutzes, auf eine finanzielle Beteiligung. Mit Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG wird, wenngleich nicht konstituiert, so doch bekraftigt, dass es sich beim Kiistenschutz um eine Aufgabe der (Kiisten-)lander handelt.26 Die grundgesetzliche Kompetenzverteilung wird durch Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG nicht bertihrt, es verbleibt bei den durch die Art. 70 ff. GG zugewiesenen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen.27 Die Form der Bundesbeteiligung kann durch Ziel- und MaBnahmenplanung oder eine Synthese aus beidem erfolgen und unterscheidet innerhalb der einzelnen Forderbereiche erheblich.28 Insgesamt bietet die (Mit-)Planungskompetenz aus der Gemeinschaftsaufgabe dem Bund die M6glichkeit, auf die Kustenschutzstrategien der Lander steuernd Einfluss zu nehmen.29 Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Obgleich sich die Materie des Kustenschutzes als Form der Wasserwirtschaft darstellt und insoweit thematisch von Art. 75 Nr. 4 GG erfasst wird, ist sie aus Spezialitatsgriinden in die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis aus Art. 74 Nr. 17 GG zu verorten. Der Bund ist hier bislang nicht tatig geworden; die Lander haben jedenfalls schon deswegen das Recht, die Materie zu regeln. Allerdings besteht eine (Mit-)Planungkompetenz des Bundes aus Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG.

B. Wasserwirtschaftsrecht als Wasserokosystemrecht /. Der Grundsatz der okologischen Gewasserbewirtschaftung Mit § 1 a WHG hat der Gesetzgeber dem WHG einen okosystemar ausgerichteten Leitgedanken30 vorangestellt.31 Derm nach § la Abs. 1 WHG sind die Gewasser

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§ 66 EGBGB (Einfuhrungsgesetz zum Biirgerlichen Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.09.1994 (BGB1. I S. 2494) als Teil des Kustenschutzes lassen eine Kompetenz des Bundes nicht unproblematisch erscheinen. Petersen, Kiistenrecht, Rn. 802. Richter/Fctber, in: Wassermann, AK-GG, Art. 91a/b Rn. 22; einschrankender Maunz, in: Maunz/Durig, GG, Art. 91a Rn. 24 f. Maunz, in: Maunz/Dtlrig, GG, Art. 91a Rn. 7 ff. Vergleiche dazu Richter/Faber, in: Wassermann, AK-GG, Art. 91a/b Rn. 19. Siehe 4. Kapitel § 11 C. II. Auch programmatische Leitnorm genannt, siehe Breuer, Wasserrecht, Rn. 159, der normsystematisch als Grundsatz zu behandeln sein diirfte, vgl. dazu Berendt, Zweckund Zielbestimmungen, S. 98.

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als Bestandteil des Naturhaushaltes so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit dienen und jede vermeidbare Beeintrachtigung der okologischen Funktionen und der direkt von ihnen abhangigen Landokosysteme und Feuchtgebiete unterbleiben und damit eine nachhaltige Entwicklung gewahrleistet wird. Einen gegenwartigen Hohepunkt in den Bemiihungen um eine Qkologische und nachhaltige Gewasserbewirtschaftung stellt die Wasserrahmenrichtlinie der EU32 dar. Diese wurde durch die 7. Novelle des WHG auf Bundesebene fristgemaB umgesetzt.33 Durch die Anderung des WHG soil die Umsetzung einer gesamtschauartigen Betrachtung der Gewasser, vor allem aus okologischer Sicht, gewahrleistet werden.34 Die WRRL und damit nun auch das WHG verfolgen einen konsequent naturraumlich bezogenen, flachenhaften Ansatz, indem die Gewasser flachendeckend in Flussgebietseinheiten eingeteilt werden (§ lb Abs. 1 WHG).35 Ziel ist es, eine einheitliche und koordninierte Bewirtschaftung der Flussgebietssysteme einschlieBlich der Astuare zu erreichen. Mecklenburg-Vorpommern wurde mit dem System Warnow/Peene eine nicht bundeslanderiibergreifende Flussgebietseinheit zugeordnet. Auf dem Gebiet von Schleswig-Holstein befinden sich drei Flussgebietseinheiten (Eider, Elbe, Schlei/Trave), wovon sich die Flussgebietseinheit ,,E1be" iiber mehrere Bundeslander erstreckt. Den einzelnen Flussgebietseinheiten werden gemafi § lb Abs. 3 WHG (Art. 4 Nr. 15 WRRL) auch die jeweiligen Bereiche der Kiistengewasser zugeordnet.36 Die okologischen Qualitatsziele beziehen die Kiistengewasser gemafi § lb Abs. 3 WHG (Art. 2 Nr. 1 WRRL) bis in eine Breite von 1 sm seewarts ausdrucklich mit ein; fur die chemische Beschaffenheit ist das gesamte Kustenmeer von Bedeutung.37 Der Leitsatz aus § 1 a WHG gibt in seiner Weite und Offenheit38 die Zielrichtung fur den Vollzug des gesamten WHG an und beansprucht als Auslegungs- und Anwendungsmafistab Geltung bei alien Ermessens-, Abwagungs- und Planungsentscheidungen.39 Das Ziel der Vermeidung weiterer Verschlechterung, der Schutz 31

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Die Einfiihrung des § la WHG durch die 5. und insb. durch die 6. Novelle des WHG und dessen Erganzung durch die 7. Novelle zur Umsetzung der WRRL (Wasserrahmenrichtlinie, Nachweis in der Fn. sogleich) war primar okologischen Aspekten geschuldet, vgl. Sieder/Zeitler/Dahme, W H G , § l a Rn. 3. Richtlinie 2000/60/EG des Europaischen Parlaments u n d des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens fur MaBnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, AB1. EG L 327/1. Czybulka/Luttmann, WRRL, in Lozan et al, Genug Wasser?, S. 325. Vergleiche dazu ausfiihrlich Beaucamp, UPR 01, S. 423 ff.; Ruchay, ZUR 01, S. 117 f. B M U , Wasserrahmenrichtlinie, S. 1.; Begriindung z u m W H G E , S . I . Zu den 10 Flussgebietseinheiten, an denen Deutschland beteiligt ist, sind fur die Ostsee die Gebiete der Schlei/Trave, Warnow/Peene und die Oder von Bedeutung. Vergleiche § 32c S. 2 WHG, siehe auch Reinhard, NuR 04, S. 84. Breuer, Wasserrecht, Rn. 161; so auch schon zur a.F.: Breuer, NuR 87, S. 50. Knopp, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § la Rn. 3. Einschrankend Viertel, ZfW 98, S. 419. Zuruckhaltend zur direktiven Kraft von § la WHG: Breuer, Wasserrecht, Rn. 161.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

und die Verbesserung der aquatischen Okosysteme und der direkt von ihnen abhangenden Landokosysteme und Feuchtgebiete (§ la Abs. 1 WHG) ist dabei von besonderer Bedeutung fur die Kiistenschutzplanung. Aus der Bewirtschaftung als Bestandteil des Naturhaushaltes unter Einschluss der direkt von den Gewassern abhangigen Landokosysteme und Feuchtgebiete geht hervor, dass die Gewasser nicht nur wegen ihrer klassischen wasserwirtschaftlichen Nutzungen, sondern auch vor allem auch wegen ihrer Funktionen in der iibrigen Umwelt, insbesondere fur den Naturhaushalt und -kreislauf, schutzwurdig und schutzbediirftig sind. Davon umfasst sind die okologischen Gewasserfunktionen einschlieBlich ihrer Bedeutung als Lebensraum und Lebensgrundlage fur die Pflanzen- und Tierwelt.40 Unter Bewirtschaftung sind alle mittelbaren und unmittelbaren menschlichen Einwirkungen auf die Gewasser zu verstehen.41 Zur Beurteilung der konkreten okologischen Relevanz und der mit der Bewirtschaftung verbundenen Auswirkungen sollte auf die innerhalb der Landschaftsplanung aufgezeigten naturschutzfachlichen Anforderungen zuriickgegriffen werden.42 Regelungsinhalt von § 1 a WHG ist auch die Minderung der Auswirkungen von Uberschwemmungen und Diirren.43 Damit sind auch die Mafinahmen des Kiisten- und Hochwasserschutzes unproblematisch vom Regelungsbereich erfasst. Wie schon in 1. Kapitel dargestellt, sind mit den bisherigen KustenschutzmaBnahmen wenigstens zum Teil schwerwiegende Auswirkungen auf die aquatischen Lebensraume und die wasserbeinflussten terrestrischen Okosysteme verbunden. Schon aus dieser Wertung heraus ist die Verwaltung zur moglichst naturnahen Planung und Durchfuhrung von MaBnahmen des Kiisten- und Hochwasserschutzes auch an den Kiistengewassern verpflichtet. Durch die Umsetzung der WRRL gewahrleistet das Wasserhaushaltsrecht nunmher im Ubrigen auch gewassertypische, schadstoffbezogene sowie einzelstoff- und gruppenparameterbezogene Ansatze.44 Verstarkung erfahrt die okologische Ausrichtung aus einer neuen, okosystembezogenen Herangehensweise. Insgesamt ist der Vollzug des wasserwirtschaftlichen Planungsinstrumentariums - auch in den Kiistengewassern entprechend § 32c WHG - an die (verstarkte) okologische Ausrichtung des § la WHG gebunden.

//. Die Bewirtschaftungsziele des § 25a WHG Die in Art. 4 WRRL genannten Umweltziele werden in § 25a WHG (Bewirtschaftungsziele) aufgenommen und sollen durch das fur jedes Flussgebietssystem aufzustellende MaBnahmenprogramm gemaB § 36 Abs. 1 WHG (Art 11 WRRL) und 40 41 42 43 44

Schilling, Okosystemare Gewasserschutzstrategie, S. 128 f.; Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 113 f. Zu den ersten Ansatzen in Richtung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien in der bisherigen wasserwirtschaftlichen Planung vgl. Geiler, Z U R 97, S. 75. In Mecklenburg-Vorpommern § 12 Abs. 4 S. 2 LNatG M-V. Art 1 lit. e) WRRL. BMU, Wasserrahmenrichtlinie, S. 1.

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den Bewirtschaftungsplan nach § 36 b WHG (Art. 13 WRRL) verwirklicht werden.45 Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, zeichnet sich die Novellierung der Planungsinstrumente durch weitergehende und umfassendere Regelungsauftrage als die bisherigen wasserwirtschaftlichen Rahmen- und Bewirtschaftungsplane aus.46 Entsprechend Art. 11 Abs. 6 WRRL statuiert § 25a WHG ein Verbot der Verschlechterung des jeweils erreichten Gewasserzustandes47 sowie ein Gebot zu dessen Erhaltung und Verbesserung.48 Sofern die angestrebten Qualitatsziele nicht erreicht werden, ist dafur zu sorgen, dass die Mafinahmenprogramme weiterentwickelt und effektiviert werden.49 Die Sonderregelungen des § 25b WHG fur ktinstliche und erheblich veranderte oberirdische Gewasser diirften fur die Kustengewasser mit Ausnahme von § 25b Abs. 2 Nr. 1 lit. b WHG (Schifffahrt einschl. Hafenanlagen) in der Regel nicht zutreffen. Insbesondere scheint § 25b Abs. 2 Nr. 1 lit. e WHG, soweit auf den Hochwasserschutz abgestellt wird, kaum einschlagig zu sein, da durch die weitgehende Kongruenz von vorsorgenden Ktistenschutzstrategien mit den okologischen Erfordernissen der Kustengewasser ein Zielwiderspruch, wie ihn § 25b Abs. 2 WHG verlangt, kaum eintreten sollte. Gleiches gilt fur die Ausnahmen nach § 25d Abs. 1 WHG. Weder sind die Kustengewasser im ganz uberwiegenden Teil durch menschliche Tatigkeiten so beeintrachtigt, dass eine Zielerreichung unmoglich oder unverhaltnismaBig ist, noch konnen die okologischen oder soziookonomischen Erfordernisse, denen die menschlichen Tatigkeiten dienen, nicht durch weniger beeintrachtigende verhaltnismaBige Alternativen ersetzt werden. Vorsorgende Kustenschutzstrategien sind Ausdruck einer prinzipiell nicht beeinflussbaren naturraumlichen Situation und eroffhen als angepasste Nutzungsform dem Kustenraum dauerhafte Entwicklungspotentiale.50 Etwaige, auf den ersten Blick und im Einzelfall bestehenden UnverhaltnismaBigkeiten lassen sich durch langfristige Anpassungen vermeiden.51

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Das wasserrechtliche Planungsinstrumentarium wurde grundlegend modifiziert. Die bestehenden Planungsinstrumente nach § 18a Abs. 3 WHG (Abwasserbeseitigungsplane), § 27 WHG (Reinhaltordnung) sowie die in dieser Arbeit untersuchten wasserwirtschaftlichen Rahmenplane und Bewirtschaftungsplane nach den §§ 36, 36b WHG sind mit der Neueinfuhrung des MaBnahmenprogramms nach Art. 11 WRRL in § 36 WHGE und des Bewirtschaftungsplanes nach Art. 13 WRRL in § 36b WHGE aufgehoben worden. Begrundung zum WHGE (BTDrs. 14/7755, S. 20 f). Siehe auch Ruchay, ZUR01, S. 118. Czychowski/Reinhard, WHG, § 25a Rn. 8. Czychowski/Reinhard, WHG, § 25a Rn. 9; Czybulka/Luttmann, WRRL in Lozan et al, Genug Wasser?, S. 328; Reinhard, NuR 04, S. 84. Art. 11 Abs. 5 W R R L , § 32 Abs. 5 W H G E . Siehe dazu 1. Kapitel § 5 . Insbesondere dazu ausfuhrlicher im 5. Kapitel § 14 C. I. 3.

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///. Die allgemeinen Planungsinstrumente 1. Das Maftnahmenprogramm nach § 36 WHG Nach § 36 Abs. 1 WHG ist fur jede Flussgebietseinheit ein MaBnahmenprogramm aufzustellen. Es enthalt als Herzstilck der Bewirtschaftungsplammg die zwingend zu integrierenden grundlegenden und ggf. fakultativ aufzunehmenden erganzenden MaBnahmen, um die einschlagigen Bewirtschaftungsziele fur die jeweilige Flussgebietseinheit zu erreichen. Hierbei wird ilberwiegend vertreten, dass das MaBnahmenprogramm als Bindeglied zwischen den konkretisierten Bewirtschaftungszielen im Bewirtschaftungsplan und den Einzelfallentscheidungen der Wasserbehorden fungieren52 und das handlungsbezogene Gegenstiick zum Bewirtschaftungsplan nach § 36b WHG darstellen soil.53 Die Aufstellung mehrerer MaBnahmenprogramme fur eine Flussgebietseinheit soil moglich sein.54 Die Gegensansicht betrachtet das MaBnahmenprogramm eher als ein Instrument der wasserwirtschaftlichen Makrosteuerung, aus dem der oder die Plane zur Bewirtschaftung abgeleitet werden.55 Danach waren es die Bewirtschaftungsplane, die als Transmissionsriemen in die Handlungsebene hineinwirken, wahrend das MaBnahmenprogramm eher auf die Ebene der Gesetz- und Verordnungsebene zu verorten sein soil.56 Dieser Disput kann und soil an dieser Stelle nicht gelost werden.57 Unabhangig davon: Da die Erstellung von MaBnahmenprogrammen zwingend vorgeschrieben ist und zu den Flussgebietseinheiten auch die jeweiligen Kiistengewasser -jedenfalls vollumfanglich bis zu 1 sm seewarts - gehoren, wird die wasserwirtschaftliche Planung zukilnftig und erstmals an den Kilstengewassern relevant werden.58 Folgt man der erstgenannten Ansicht,59 konnten MaBnahmenprogramme, entsprechende Bewirtschaftungsziele im Bewirtschaftungsplan vorausgesetzt, wichtige Handlungsanweisungen fur den Kiistenschutz formulieren und insoweit helfen, vorsorgende Strategien zu etablieren. Chemische und 6'kolgische Qualitatsziele 52

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Czychowski/Reinhard, WHG, § 36 Rn. 5; Czybulka/Luttmann, WRRL, in Lozan et al, Genug Wasser?, S. 325; a.A. Breuer, Wasserrecht, Rn. 605 ff. Seidel/Rechenberg, ZUR 04, S. 219; a.A. Breuer, Wasserrecht, Rn. 605 ff. Seidel/Rechenberg, ZUR 04, S. 218. Eindringlich Breuer, Wasserrecht, Rn. 605 ff. Breuer, Wasserrecht, Rn. 608. Dieser Streit kann eigentlich nicht dahinstehen, ist er doch grundlegender Natur. Eine Auseinandersetzung soil an dieser Stelle gleichwohl nicht gefuhrt werden. Klar ist, dass eines der Planinstrumente mehr hochstufiger Natur sein und ein anderes eher einzelfallssteuernd wirken muss. Die hier gefundenen materiellen Ergebnisse diirften sich im Wesentlichen insoweit bei Bedarf jeweils ubertragen lassen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Positionierung nicht zwingend geboten. Wenn der nachfolgenden Darstellung die erstgenannte Auffassung zugrunde liegt, soil damit keine Wertung verbunden sein. Ahnlich Beaucamp, UPR 01, S. 424. Beachte die Anm. in Fn 57.

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konnten z.B. Ansatze zur Rilckverlegung von Deichen eroffhen, da mit der Schaffung von Uberflutungsflachen das Selbstreinigungsvermogen der Bodden steigt60 und eine Verbesserung der Gewassergiite zu erreichen ware. Eine mittelbare risikobegrenzende Verhinderung von Industrieansiedlungen erscheint durch ein aus dem MaBnahmenprogramm ggf. abzuleitendes Verbot jeglicher weiterer Abwassereinleitung moglich.61 Kustenmeerbezogene Festsetzungen in MaBnahmenprogrammen ohne direkten Bezug zum terrestrischen Kilstenbereich konnten den Kiistenschutz ebefalls positiv beeinflussen. So ware etwa eine aus wasserwirtschaftlicher Sicht notwendige Beschrankung mariner Sedimentextraktionen mit einer Verknappung forderbarer Kiese und Sande verbunden, die ihrerseits zur Beschrankung von AufspulungsmaBnahmen fiihren konnten. Gelingt durch MaBnahmenprogramme umgekehrt die Begrenzung kiistenschutzintensiver Siedlungsaktivitaten an der AuBenkiiste, wird der Bedarf an marinen Sanden und Kiesen gedrosselt. Dies zoge seinerseits Fordermengenverringerungen und in der Folge Eingriffsminimierungen innnerhalb des Benthos sowie Reduzierungen von Verschmutzungen des Pelagials durch Triibungsfahnen und ,,sediment plume" nach sich. Nicht zu unterschatzender Nebeneffekt von MaBnahmenprogramrnen in Kustengewassern unter gleichzeitiger Bezugnahme auf die Belange des Kustenschutzes ware die Durchsetzung okologischer Belange mit Mitteln des naturschutzfremden (wasserrechtlichen) Fachrechts und eine dadurch erhohte Akzeptanz von Beschrankungen. AuBerdem konnte die flachendeckende und einheitliche Koppelung weiterer Siedlungs- und Industrieentwicklung an die Belange der Wasserwirtschaft das Ausweichen der Planungstrager auf Standorte in anderen Gemeinden im selben Flussgebietssystem verhindern62 und damit die Argumentation von der Gefahrdung der Arbeitsplatze obsolet werden lassen.63 Starkung ist daneben auch von anderer Seite zu erwarten: (Gesamt-) MaBnahmenprogramme oder sektorale Programme in den Kiistengewassern erscheinen zugleich fur die Umsetzung von internationalen Bemiihungen zur Reinhaltung der Meere dienlich. So bezwecken z.B. HELCOM-Empfehlungen64 als Vollzug des insoweit bindenden Helsinki-Ubereinkommens die Reinhaltung der Ostsee.65 Auch wenn den Empfehlungen als sog. ,,soft-law" selbst keine staateninternen

60 61 62 63 64 65

Siehe dazu ausflihrlich die Darstellung im 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Schilling, Okosystemare Gewasserschutzstrategie, S. 148. Instrumente dafur sind vorhanden: z. B. die Veranderungssperre gemaB § 36a WHG. Schilling, Okosystemare Gewasserschutzstrategie, S. 148. Z u m Beispiel H E L C O M 19/1 in Bezug auf marine Sedimentextraktionen. Vgl. weiter von Nordheim, N u L 94, S. 213. Zur Helsinki-Konvention siehe Ehlers, Helsinki-Ubereinkommen, in: Koch/Lagoni, Meeresumweltschutz, S. 105 ff; ders. in: Lozan et al., Warnsignale, S. 291; Louis, in: Buchwald/Engelhardt, Schutz der Meere, Bd. 6/2, S. 113; Gerlach, in: Rheinheimer, Meereskunde, S. 289 ff; Knapp/Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, in: Rheinheimer, Meereskunde, S.297 ff.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

Rechtsbindungen zuzuschreiben sind,66 waren ein oder mehrere MaBnahmenprogramme im Zusammenspiel mit Bewirtschaftungsplanen auch hier in der Lage, nachhaltige Impulse zu setzen. Insoweit konnte den Planen und Programmen jeweils mit entsprechenden Qualitatszielen oder MaBnahmen - kilnftig eine gesteigerte Durchsetzungskraft zuwachsen. Die Etablierang wasserwirtschaftlicher Planungsinstrumente in den Kiistengewassern wird sich auch deshalb nur schwer umgehen lassen. Aus dem Verbot zusatzlich verschmutzender grundlegender MaBnahmen in § 36 Abs. 6 WHG folgt, dass jedenfalls Neueindeichungen, die die Selbstreinigungskraft des kustennahen Wasserkorpers beeintrachtigen wiirden, keine Gegenstande von grundlegenden MaBnahmen im MaBnahmenprogramm sein diirfen. Problematisch erscheint in § 36 Abs. 1 WHG insbesondere die Bindung der MaBnahmenprogramme an die Ziele der Raumordnung.67 Obwohl die Raumordnung in den Kiistengewassern bisher erst in Ansatzen aktiv war, ist die Frage nach der Art der Raumordnungsbindung auch fur die Kustengewasser von Bedeutung. Abgesehen davon, dass mittlerweile alle Kiistenbundeslander eine Ausweitung ihrer Raumordnung auf das Kustenmeer vollziehen, sind auch mit rein landbezogenen Vorgaben der Raumordnung, wie z.B. Energieerzeugung und damit verbundene Kilhlwassererfordernisse Effekte auf die unterschiedlichsten Komponenten der Flussgebietseinheiten als Ganzes und damit auch auf die Kustengewasser verbunden. Festlegungen in den terrestrischen Raumordnungsplanen wirken hierbei teilweise direkt, z.B. durch Bestimmungen, wonach Fischerei einschlieBlich Aquakultur68 zu fordern ist und ihre Belange besonders zu beriicksichtigen sind.69 Dass solcherart Nutzungen mit erheblichen Folgen fur die okologischen und chemischen Gewasserfunktionen auch an der Kilste verbunden sein konnen und damit fur die flussgebietsspezifischen Qualitatsziele von Relevanz sind, liegt auf der Hand. Anders als noch § 36 Abs. 2 S. 2 WHG a.F., wonach die Inhalte der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung und die Erfordernisse der Raumordnung miteinander ,,in Einklang zu bringen" waren mit der Folge, dass eine gegenseitige Abstimmung der beider Planungen im besonderen Interesse des Wasserhaushaltes moglich gewesen sein soil und dass die Inhalte der wasserwirtschaftlichen Planung von den Erfordernissen der Raumordnung abwichen konnten,70 statuiert § 36 66

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Vergleiche dazu z.B. Czybulka/Kersandt, Relevanz, S. 13 f.; Ehlers, N u R 9 3 , S. 203; Erbguth, ZAU 96, S. 483. Allgemein zur Bedeutung vo'lkerrechtlicher Empfehlungen Kunig, Verwaltungshandeln, in: FS Doehring, S. 532 ff. Die Konfliktlage sehen auch Knopp, NVwZ 03, S. 279; Czybulka/Luttmann, WRRL, in Lozan et al, Genug Wasser?, S. 330. So jedenfalls R R O P Westmecklenburg, S. 73 f. R R O P Vorpommern, S. 83; R R O P Westmecklenburg, S. 73 f.; R R O P Mittleres Mecklenburg/Rostock, S. 70. Befilrwortend Czychowski, W H G , § 36 Rn. 7 ff. (6. Auflage); Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, W H G , § 36 Rn. 19b; Roth/Hofinann, W H G , § 36 Rn. 2: ,,Bindeglied zwischen Wasserwirtschaft und Raumordnung"; Breuer, Wasserecht, Rn. 597 (ausfuhrlicher in der 2. Auflage, Rn. 397); Peters, U P R 88, S. 326; Appold, Freiraumschutz,

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Abs. 1 WHG fur die MaBnahmenprogramme eine unbedingte Bindung an die Ziele der Raumordnung. Die genannte Einklangregelung konnte als Ausdruck der Akzeptanz der wasserwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Kraft des Faktischen nicht durch entgegenstehende, anthropogen bedingte Erfordernisse der Raumordnung uberwindbar sein sollten, angesehen werden. Damit konnte verhindert weden, dass sich bestehende, aber ilberzogene Anforderungen der Raumordnung an den Wasserhaushalt durchsetzen und dass diese die wasserwirtschaftliche Planung selbst beeinflussen. Die wasserwirtschaftliche Planung dient nach Konzeption der WRRL dazu, den okologischen und chemischen Zustand der Gewasser zu verbessern. Dazu ist es erforderlich, dass die MaBnahmenprogramme anderen Planungen, so auch der Raumordnung, das vor diesem Hintergrund wasserwirtschaftlich Notige und Erreichbare aufzeigen. Die mit der 7. Novelle des WHG in § 36 eingefugte unbedingte Bindung an die Ziele der Raumordnung kann daher der Verwirklichung der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Qualitatsziele entgegenstehen, etwa dann, wenn bestehende Ziele der Raumordnung Teilbereiche des Flussgebietssystems in einer nicht mit Art. 4 Abs. 1 WRRL zu vereinbarenden Weise tiberplanen.71 Ob sich in solchen Fallen iiber einen Vorrang der wasserwirtschaftlichen Ziele im Zielabweichungsverfahren nach § 11 ROG eine Gemeinschaftsrechtskonformitat wird erreichen lassen,72 darf bezweifelt werden. Die Rechtsnatur vom MaBnahmenprogrammen ist noch weitgehend ungeklart.73 Auch wenn aus der WRRL nicht geschlossen werden kann, dass die Programme eine bestimmte Rechtsform aufzuweisen haben, folgt aus dem Grundsatz der effektiven Verwirklichung, dass die handlungsbezogenen Elemente der MaBnahmenprogramme mit einem MindestmaB an Verbindlichkeit ausgestattet sein miissen.74 Unabhangig davon, ob diese Verbindlichkeit schon aus sich heraus besteht,75 spricht im Interesse der Rechtsklarheit viel dafur, sie als Rechtsverordnung zu erlassen. MaBnahmenprogramme sind Plane i. S. v. Art. 2 lit. a), 3 SUP-RL und unterliegen als solche der Pflicht zur Durchfuhrung einer Plan-UVP.76

2. Der Bewirtschaftungsplan nach § 36b WHG Nach § 36b WHG muss fur jede Flussgebietseinheit ein Bewirtschaftungsplan aufgestellt werden.77 Die notwendigen Inhalte des Bewirtschaftungsplanes finden sich in § 36b Abs. 2, 3 WHG. Der Bewirtschaftungsplan soil im Unterschied zum

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S. 78. Ahnlich wohl auch Bohm et al, Anforderungen, S. 100 ,,Bindeglied zwischen Raumordnung, Landschaftspflege und Wasserwirtschaft". A.A. Runkel, in: B/R/S, ROG, K § 4 Rn. 305; Schmidt-Aftmann, DOV 86, S. 989; Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 352 f. Bogardi et al, DVWK, Wasserwirtschaftliche Planung, S. 17. Vergleiche dazu auch Knopp, NVwZ 03, S. 279. So Czybulka/Luttmann, WRRL, in Lozan et al, Genug Wasser?, S. 330. Vergleiche die Darstellung bei Czychowski/Reinhard, WHG, § 36 Rn. 6 ff. Ahnlich Czychowski/Reinhard, WHG, § 36 Rn. 8. Ausflihrlich: Seidel/Rechenberg, Z U R 04, S. 220. Vergleiche auch Anlage 3 Nr. 1.6 zu § 14b Abs. 1 U V P G (neu) gemaB Entwurf des SUPG. Siehe allgemein zu § 36b WHG auch Appel, ZUR 01, S. 136; Knopp, ZUR 01, 375.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

MaBnahmenprogramm im Wesentlichen dokumentarischen Charakter haben und vor allem der Publizitat und Transparenz der staatlichen Flussgebietsbewirtschaftung dienen. Er benennt und konkretisiert in erster Linie die flussgebietsbezogenen spezifischen Bewirtschaftungsziele.78 Hinzu kommt die Funktion einer Kontrolle durch die Europaische Kommission dahingehend, wie die mitgliedstaatliche Gewasserbewirtschaftung stattfindet und welche Erfolge oder Misserfolge mit ihr verbunden sind.79 Von besonderer Bedeutung ist, dass Bewirtschaftungsplane ausweislich Anhang VII mit Verweis auf Anhang IV80 der WRRL Verkniipfungen mit anderen Schutzkategorien herstellen sollen. So sind in den Bewirtschaftungsplanen die Gebiete aufzunehmen, die fur den Schutz von Lebensraumen und Arten ausgewiesen wurden81 sowie nahrstoffsensible Gebiete,82 Trinkwasserschutzgebiete,83 Gebiete zum Schutz wirtschaftlich bedeutender aquatischer Arten84 sowie Bade- und Erholungsgewasser85. Zudem sollen vor allem Aspekte des Hochwasserschutzes verstarkt Eingang in die Planungen fmden.86 Anders als beim MaBnahmenprogramm wird mit § 36b Abs. 4 WHG ausdriicklich herausgesetellt, dass auch weitere Programme und Plane fur Teilbereiche und fur bestimmte Sektoren und Aspekte der Gewasserbewirtschaftung sowie Gewa'ssertypen aufgestellt werden konnen. Den Bewirtschaftungsplanen kann in Bezug auf die Festschreibung der erforderlichen Handlungen im MaBnahmenprogramm besondere Bedeutung zukommen. Dies ware der Fall, wenn Bewirtschaftungsplane, die unter Einschluss der Uferbereiche erstellt werden,87 auch Stellung zu kustenschutzrelevanten Bewirtschaftungszielen nehmen. Vieles spricht dafur, dass innerhalb der Bewirtschaftungsplane - soweit die Kustengewasser betroffen sind bei der Konkretisierung der Bewirtschaftungsziele die relevanten Auswirkungen des Kiistenschutzes miteinzubeziehen sind. Denn KiistenschutzmaBnahmen konnen den oklogischen und chemischen Zustand der Gewasser beeinflussen und sind fur dessen Erhaltung und Verbesserung von Belang. Dabei haben KiistenschutzmaBnahmen nicht nur okologische Auswirkungen auf die von den Gewassern beeinflussten Okosysteme und Feuchtgebiete. Eindeichungen landwirtschaftlicher 78

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Beaucamp, UPR01, S. 425; Czychowski/Reinhard, WHG § 36b Rn. 3. Zur Gegenansicht: Breuer, Wasserrecht, Rn. 605 ff. Siehe auch schon die Darstellung im 4. Kapitel § 11 B. III. 1. und den Hinweis in Fn. 57. Czychowski/Reinhard, WHG § 36b Rn. 3. Vergleiche Anhang VII Nr. 3 der WRRL. GemaB Anhang IV 1. lit. v): Sofern die Erhaltung oder Verbesserung des Wasserzustandes ein wichtiger Faktor fur den Schutz der Gebiete ist, einschlieBlich der ausgewiesenen Natura-2000-Standorte. Gemafi Anhang IV 1. lit. iv). Nach Art. 7 WRRL gemaB Anhang IV 1. lit. i). Anhang IV 1. lit. ii). GemaB Anhang IV 1. lit. iii). Greiving, Aufgaben, in: Wasserbewirtschaftung, Bd. I, S. 38; Bohm et ah, UBA, Anforderangen, S. 33. Vergleiche zur Aufstellung solcher Bewirtschaftungsplane die ausfuhrliche Darstellung bei Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 138 f., 140 ff.

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Flachen konnen durch Beeintrachtigungen des Selbstreinigungsvermogens auch eine Verschlechterung der chemischen und physikalischen QualitSt des kiistennahen Wasserkorpers bewirken.88 Nicht zuletzt beeinflussen diese MaBnahmen die Entwicklung des Wasserdargebotes durch Grundwasserabsenkungen und Melioration. Im Kustenmeer und der AWZ sind uberdies Sedimentextraktionen und aufspiilungen mit zum Teil erheblichen physikalischen Verunreinigungen verbunden. Denkbar ist es auch, dass der Kiistenschutz als eigenstandiger Planungsgrund fur Bewirtschaftungsplane fungieren kann. Ausgehend von dem tendenziell nur beschreibenden Charakter der Bewirtschaftungsplane89 wird vertreten, dass diese lediglich ein ,,publiziertes Verwaltungsinternum" seien und mithin nur eine behordenintern und nicht auBenwirksame Verwaltungsvorschrift zu sein brauchten.90 Allerdings soil auch ein Erlass als Rechtsverordnung nicht ausgeschlossen sein.91 Gegenwartig ist nicht vorgesehen, Bewirtschaftungsplane einer SUP-Pflicht zu unterstellen.92

3. Fazit Die bisher insgesamt zuruckhaltende Anwendung der allgemeinen wasserwirtschaftlichen Planungsinstrumente auf die Kustengewasser hat durch die Umsetzung der WRRL neue Impulse erhalten. Dieser Befund gilt ungeachtet einiger noch bestehender rechtlicher Unklarheiten ilber das Verhaltnis von MaBnahmenprogramm und Bewirtschaftungsplan.93 Von besonderer Bedeutung fur die Ktistenschutzplanung ist u.a. die ausdruckliche Einbeziehung von Feuchtgebieten in den Geltungsbereich des WHG. Die neuen wasserwirtschaftlichen Programme und Plane beziehen die fur den vorsorgenden Kustenschutz vor allem relevanten kustennahen Gewasserteile (bis zu 1 sm) uneingeschrankt in ihre Geltung ein. Insgesamt bieten die Planinstrumente Impulse fur die Durchsetzung alternativer Kustenschutzstrategien. Letzteres lieBe sich durch ein effektives Zusammenspiel von MaBnahmenprogrammen und Bewirtschaftungsplanen recht gut verwirklichen. Denn die Interessen des Ktistenschutzes und die des verstarkt zu beriicksichtigenden Okosystemschutzes weisen nicht unerhebliche Kongruenzen in Bezug auf die weitere Entwicklung und Gestaltung des Kustenraumes auf.94 Mittels naturnaher Konzepte wiirde selbst der Kustenschutz als wasserwirtschaftliche Aufgabe effektiviert. SchlieBlich ist eine alle wasserbezogenen Belange beeinflussende Planung durch die nunmehr um88 89 90 91 92

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Ausfflhrliche Darstellung im 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Entsprechend der erstgenannten Ansicht im 4. Kapitel § 11 B. III. 1. Kritisch: Breuer, Wasserrecht, Rn. 605 ff. Czychowski/Reinhard, W H G § 36b Rn. 6. Dafur pladierend: Beaucamp, U P R 0 1 , S. 425. Bewirtschaftungsplane sind bislang nicht in Anlage 3 § 14b I, II U V P G (neu) gemafl Entwurf des SUPG aufgenommen. Ablehnend zur SUP-Pflicht: Czychowski/Reinhard, W H G § 36b Rn. 3, 6. Siehe Fn. 57. A.A. in Bezug auf das Binnenland offensichtlich Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 115.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

fangreiche Verantwortung fur okologische Funktionen einer isolierten, nur auf die vordergrtodigen Kiistenschutzbelange gerichteten Planung, wie z.B. der Generalplanung, iiberlegen, und zwar auch und gerade im Hinblick auf die originaren Interessen des Hochwasserschutzes. Die vorhandenen Zielparallelen dilrften naturnahere Strategien befordern. Die MaBnahmenprogramme konnten insoweit die Funktion eines Strategiepapiers erflillen, welches die Grundsatze eines naturnahen Ktlstenschutzkonzeptes formuliert, diese in die raumordnerische Abwagung einbringt und als Richtlinie auch auBerhalb der Raumordnung Impulse setzt, wahrend General- oder Sonderplane als Synthese von TeilmaBnahmenprogrammen und Teilbewirtschaftungsplanen der planerischen Konkretisierung und Umsetzungsvorbereitung dienen. Das neue wasserrechtliche Instrumentarium ist folglich geeignet, zukiinftige Kiistenschutzstrategien in groBraumiger und vorausschauender Sicht im Zusammenspiel mit anderen Belangen des Wasserhaushaltes in Richtung einer Verminderung der Einwirkungen auf die Qkologischen Gewasserfiinktionen zu beeinflussen.

C. Planungsinstrumente mit Kiistenschutzbezug /. Wasserwirtschaftliche Sonderplane 1. Rechtliche Einordnung Das wasserwirtschaftliche Planungsinstrumentarium wird landesrechtlich um die Aufstellungsmoglichkeit von Sonderplanen erweitert, sofern eine derartige Planung fur die Erfullung wasserwirtschaftlicher Aufgaben erforderlich ist.95 Diese Moglichkeit besteht auch nach Novellierung des WHG.96 Teilplane konnen z.B. als Synthese von § 36b Abs. 4 WHG mit entsprechenden MaBnahmenprogrammen angesehen werden. In Abgrenzung zum flussgebietsweiten MaBnahmenprogramm und dem allgemeinen Bewirtschaftungsplan, die grundsatzlich einer umfassenden Betrachtung der wasserwirtschaftlichen Ursachen- und Wirkungszusammenhange, der Bewirtschaftungsziele und daraus resultierenden Handlungen zu dienen bestimmt sind, konnen Sonderplane die Umsetzung sektoraler Ansprilche an den Wasserhaushalt forcieren. Dieserart Sonderplane wurden in der Vergangenheit haufig als Generalplane bezeichnet.97

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Vergleiche z.B. § 131 Abs. 1 LWaG M-V. Siehe auch Erbguth, NuR 99, S. 494. Seidel/Rechenberg, ZUR 04, S. 218. Die Bezeichnung Generalplan wurde informell bereits fur eine gemeinsame, aus den Jahren 1938/39 stammende, relativ grobe Vorplanung des Reichernahrungsministeriums und der Wasserbauamter in Gtistrow und Schwerin zum Ausbau der Ktlstenschutzanlagen in Mecklenburg verwendet. Vgl. dazu Cordshagen, Kiistenschutz, S. 227. MaBgebliche Bedeutung erlangte das Instrument des Generalplanes hingegen erst durch seine inhaltliche Pragung, die von einem hohen Mafi an rechtlicher Durchsetzbarkeit gekennzeichnet war. Geburtsstunde war daher die gesetzliche Definition des General-

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Tats&chlich diirfte zwischen beiden Begrifflichkeiten unter Anerkennung der gegenwartigen wasserwirtschaftlichen Planungsebenen kein Unterschied mehr bestehen.98 Sonder- wie Generalplane beziehen sich heute regelmaBig entweder auf einzelne, generelle wasserwirtschaftliche Sachaufgaben oder auf territorial wie sachlich beschrankte Aufgabenkreise einzelner Wasserverbande." Insbesondere als Generalplane bezeichnet werden solche Planungen, die einen zur Ausftihrung bestimmten -nicht baureifen- technischen Entwurf zum Gegenstand haben.100 Ein Generalplan besteht in der Regel aus konkreten Einzelanweisungen, die in ihrer Gesamtheit die sektorale, oder im Zusammenhang mit anderen Sonderplanen, die groBraumige Bewirtschaftung des Wassers in den maBgeblichen Facetten ermoglichen sollen. Generalplane benennen die zur Zweckerreichung ihrer sektoralen Aufgabenstellung notwendigen weiteren Planungen ebenso wie konkrete MaBnahmen einschlieBlich der von der Verwaltung durchzusetzenden Ge- und Verbote.101 Ein Generalplan gibt somit an, wie die hoherstufig formulierten wasserwirtschaftlichen Ziele im einzelnen verwirklicht werden konnen.102 Dadurch werden jedoch keine Zulassigkeitsschranken ilberwunden und etwa Baurecht oder Eingriffsrechtfertigungen geschaffen.103 Im Gegenteil, die fllr die Verwirklichung der

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planes. Diese geht auf § 1 der mit Gesetzeskraft ausgestatteten Verordnung ilber vordringliche Aufgaben der Wasser- und Energiewirtschaft vom 30.03.1944, RGB1.1 S. 75 zurilck. Der Generalplan sollte die Nutzung des Wasserschatzes nicht nur schlicht unternehmensiibergreifend regeln, da Einzelplane angeblich „ nicht mehr ausreichten" (so geflissentlich Ebert, RdW 22 (79), S. 76), sondern primar den Gewasserausbau und die Gewinnung von Wasserkraftenergie durch Baubeschleunigung unter weitreichendem Ausschluss von Rechtsschutz der Betroffenen (z.B. § 26 der Durchfuhrungsverordnung, RGBL. I 1944, S. 77) und Erleichterung von Enteignungen kriegsbedingt forcieren. Allgemein zur Begriindung der Generalplane Friesecke, Wasserwirtschaft 57, S. 236; Ebert, a.a.O., und zuletzt Czybulka, IKZM, S. 690 in dortiger Fn. 50. Erbguth, NuR99, S. 494; Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 104. Ahnlich bereits Beermann, ZfW 67, S. 27 f. Anderes gait fur Generalplane, die vor Inkrafttreten des WHG angefertigt wurden. Damals wurden alle wasserwirtschaftlichen Grofiraumplane als Generalplane bezeichnet, da der Begriff des Rahmenplans in Deutschland zu diesem Zeitpunkt noch nicht gebrauchlich war. Vgl. Bogardi et al, Wasserwirtschaftliche Planung, S. 34. Siehe auch Fn. 97. Eingrenzender Zeitler in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 36 Rn. 4. Thurn, Okologische Gewasserfunktionen, S. 104. Ahnlich Bogardi et al, Wasserwirtschaftliche Planung, S. 35. Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, W H G , § 3 6 Rn. 4 ; Friesecke, Wasserwirtschaft 57, S. 235. Friesecke, Wasserwirtschaft 57, S. 235. Denkbar ist grundsatzlich auch eine Riickkoppelung derart, dass Generalplane fur besonders dringende Sachverhalte vor der Rahmenplanung aufgestellt werden und diese so umgekehrt beeinflussen konnen. Siehe dazu Bogardi et al, Wasserwirtschaftliche Planung, S. 35. Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 36 Rn. 4. Ahnlich Czychowski, § 36 Rn. 3c a. E (6. Auflage)., wonach mit Generalplanen ,,eine Entscheidung im Rechtsinne nicht gemeint sein kann".

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

MaBnahmen notwendigen rechtlichen Verfahren wie Planfeststellungen oder Bewilligungen sind gewahrt und werden in keiner Weise prajudiziert. So kann z.B. ein Generalplan ,,Abwasser" die notwendigen technischen MaBnahmen zur Behandlung des Abwassers enthalten, um eine Abwasserqualitat zu erreichen, die den chemischen und physikalischen Gtltemerkmalen entspricht, welche von der Bewirtschaftungsplanung fur die Einleitung in das betreffende Gewasser als noch vertretbar angesehen wird, um die von der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung angestrebte Gewassergiite zu gewahrleisten. Weiterhin wiirde ein solche Plan die wasserwirtschaftliche Infrastruktur wie Pumpanlagen, Rohrleitungen und KJarwerke sowie deren Kapazitat benennen. Die Ausffihrung der dafur notwendigen BaumaBnahmen richtet sich hingegen weiter nach den fachgesetzlichen Bestimmungen. Die wasserwirtschaftlichen Sonderplane, so auch die Generalplane, teilten aufgrund ihrer Nahe zur ehemaligen wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung deren rechtliche Unverbindlichkeit. Dies folgte insbesondere aus dem Nichtvorhandensein einer bundesgesetzlichen Grundlage104 und der zuriickhaltenden landesgesetzlichen Ausgestaltung105.106 Damit stellten sich Generalplane lediglich als informelle Fachplane dar, auf dessen Grundlage keine formlichen Rechtsakte erlassen werden konnen.107 Zukunftig erscheint es denkbar, dass wasserwirtschaftliche Sonderplane als eine Form von TeilmaBnahmenprogrammen auch in rechtlich verbindlicher Weise erlassen werden. Aus der bloBen Erwahnung der Sonderplane in § 131 Abs. 1 LWaG M-V kann gegenwartig noch nicht geschlossen werden, dass gesteigerte Rechtswirkungen beabsichtigt sind. Fiir den Verweis des § 131 Abs. 1 LWaG M-V auf § 130 Abs. 3 LWaG M-V gilt insoweit das innerhalb der wasserwirtschaftlichen Rahmenplanung festgestellte.108 Andere Behorden sind lediglich als Trager Qffentlicher Belange nach § 130 Abs. 2 S. 3 LWaG M-V zu beteiligen. Die Bundeslander Schleswig-Holstein109 und Mecklenburg-Vorpommern110 steuern die maBnahmenbezogene Entwurfsplanung ihrer Kustenschutzanlagen zum Teil seit langerem mittels Generalplanen. Trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit sind die Generalplane des Kiistenschutzes raumbedeutsame Plane im Sinne von § 3 Nr. 6 ROG, da sie schon sachlich darauf angelegt sind, auf die durch die Raumordnung angestrebte Siedlungsentwicklung zu reagieren. Insoweit korrespondiert der Umfang des staatlichen Schutzauftrages aus § 83 LWaG M-V bzw. § 63 LWaG SH mit den Vorgaben in der Landes- und Regionalplanung. Auf der anderen Seite konkretisiert die kilstenschutzbezogene Generalplanung die hydrodynamischen 104 105 106 107 108 109 110

So wohl auch Thurn, Okologische Gewasserftmktionen, S. 103, 107 ff. In Schleswig-Holstein ist die wasserwirtschaftliche Sonderplanung nicht geregelt. So im Ergebnis Erbguth, NuR 99, S. 494; Czybulka, IKZM in: ZfgW 00, S. 690. Im Gegensatz dazu wird ihre rechtliche Bedeutung in der Praxis oftmals bei weitem iiberschatzt, vgl. Czybulka, IKZM, in: ZfgW 00, S. 690. Siehe 4. Kapitel § 11 B. III. Generalplan ,,Deichverstarkung, Deichverkiirzung und Kustenschutz", 1963; Generalplan Ktistenschutz, 2001. Generalplan Kilsten-und Hochwasserschutz, 1994.

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tisiert die kustenschutzbezogene Generalplanung die hydrodynamischen und geomorphologischen Verhaltnisse projektbezogen. Hier bietet sie der Raumplanung fachlich-wissenschaftliches Abwagungsmaterial, wobei die in den Generalplanen formulierten Rahmenbedingungen kraft der Macht des Faktischen auch fiir die Raumordnung verbindlich sind.

2. Analyse und Bewertung der kustenschutzbezogenen Generalplanung a. Der Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V Der Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz in Mecklenburg-Vorpommern wurde 1994 vom Ministerium fur Bau, Landesentwicklung und Umwelt veroffentlicht.111 Er enthalt neben der generellen sachlichen und rechtlichen Einordnung des landesweiten Kiistenschutzes zunachst die Beschreibung der naturraumlichen Verhaltnisse des Osteseekilstengebietes zwischen Trave und Swine. Dazu gehort auch eine kartographische Darstellung der Gesamtheit der beim BHW ohne die Existenz von Kusten- und Hochwasserschutzanlagen ilberflutungsgefahrdeten Bereiche. Benannt werden weiter die BHW fiir die einzelnen Kiistenabschnitte und die daraus resultierenden generellen Anforderungen an die einzelnen Kttstenschutzelemente. Darauf aufbauend werden die technischen Entwurfsgrundsatze herausgearbeitet. Schwerpunktmafiiger Planinhalt ist die detaillierte Darstellung der vorhandenen112 und die unkommentierte ilbersichtsartige Wiedergabe der mit vordringlichem Bedarf angesehenen geplanten Kilstenschutzbauwerke und -anlagen einschlieBlich des dafiir notwendigen Finanzierungsbedarfes. Angesichts dieser Inhalte ist der Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz als ein auf rein kustenschutzbezogene Interessen ausgerichteter technischer Entwurfsplan zu charakterisieren. Belange von Naturschutz und Landschaftspflege werden lediglich in der Einflihrung iiberblicksartig genannt.113 Der Plan bedient damit ausschlieBlich die an den Kiistenschutz herangetragenen gesellschaftlichen und politischen Interessen. Dementsprechend beschranken sich die Planungsaussagen auf den Aus- und Neubau von Kusten- und Hochwasserschutzanlagen und deren Finanzierung. Okologischen Belangen kommt bei den Planungsentwtirfen keine Bedeutung zu.114 Die Planinhalte sind folglich rein fachlich-technischer Natur. Der Generalplan ist nicht darauf angelegt, Freiflachen zum Zwecke des

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Gegenwartig sind die Wasserbehorden im Umweltministerium M-V angesiedelt. Stand 1994. Die okologischen Beitrage auf beschranken sich hier Detailfragen, wie z.B. die Materialwahl. Vgl. Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V, S. 7. Ein Grand dafilr diirfte in der schwachen Beteiligungsform aus § 130 Abs. 2 S. 3 LWaG M-V zu suchen sein, vgl. schon 4. Kapitel § 11 C. I. 1.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

Hochwasserschutzes zu sichern,115 verfolgt keine integrierten Ansatze116 und kann somit nicht als umweltschutzbezogener Plan charakterisiert werden.117 Insoweit ist der Generalplan ausnahmslos den herkommlichen Schutzstrategien verhaftet.118 Altemativen werden nicht gepriift, Uberlegungen zur Begrenzung des Schadenspotentials nicht angestellt. Eine Beriicksichtigung von AusdeichungsmaBnahmen, Deichrtickverlegungen und Deichverktirzungen findet nicht statt. So werden die zum Teil ausgedehnten Boddendeiche keiner Prilfung auf ihre tatsachliche Notwendigkeit hin unterzogen. Erwagungen zu Ringeindeichungen von hochwassergefahrdeten Ortschaften in den Boddenlagen gehen selbst angesichts der langen und damit schadens- und unterhaltungsanfalligen Deichtrassen nicht in die Planungen ein. Eine Untersuchung der okologischen Folgen der geplanten MaBnahmen erfolgt nicht. DemgemaB sind auch Eingriffsminimierungen augenscheinlich nicht Gegenstand der Betrachtung. Ungepruft bleiben selbst die wasserwirtschaftlichen Auswirkungen der zu Ausfuhrung bestimmten Kustenschutzbauwerke und -anlagen. In rechtlicher Hinsicht griinden sich die Inhalte des Generalplanes auf dem staatlichen Auftrag zum Schutz der Kusten aus § 83 Abs. 1 LWaG M-V.119 Danach erstrecken sich Schutzpflichten nur auf im Zusammenhang bebaute Gebiete. Dieser Begrenzung schlieBen sich die als von vordringlichem Bedarf gekennzeichneten Planungen hingegen nicht an. Infolge der durch Seedeiche mittelbar zu schiitzenden Boddengemeinden werden, im Zusammenhang mit den Boddendeichen, gleichzeitig weite Flachen an den Boddengewassern hochwasserfrei gehalten. Die Erhaltung und der Ausbau der Seedeiche sichert dariiber hinaus zum Teil groMachig unbesiedelte Bereiche der AuBenkiiste und verhindert so die Entwicklung natiirlicher Uberflutungsregime, sowohl an der AuBen-, wie auch an der Boddenkiiste. Angesichts des territiorial restriktiv ausgestalteten Schutzauftrages aus § 83 Abs. 1 LWaG M-V waren demgegeniiber nur kleinraumige Ringeindeichungen erforderlich. Im Ergebnis bleibt zu konstatieren, dass der gegenwartige Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern zur Etablierung vorsorgender Kustenschutzstrategien nicht herangezogen werden kann.

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Vergleiche nur Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V, siehe dazu ausfuhrlich 4. Kapitel § 11 C. I. 2. Czybulka, ZfgW 00, S. 690. Trotz der rechtlichen Unverbindlichkeit ist die tatsachliche Wirkung des Generalplanes in der Verwaltungspraxis erstaunlich hoch, siehe schon Fn. 543 im 3. Kapitel § 10 C. III. 3. Zwar wird auf noch zu schaffende, zukunftsorientierte Entwicklungskonzepte mit integrierten Losungsansatzen verwiesen, siehe Generalplan Kusten- und Hochwasserschutz M-V, S. 27. Dabei wird aber auch deutlich, dass solche Strategien jedenfalls im gegenwartigen Generalplan noch nicht berucksichtigt werden. Generalplan Ktlsten- und Hochwasserschutz M-V, S. 8.

§ 11 Wasserwirtschaftliche Planung

423

b. Der Generalplan Kustenschutz Schleswig-Holstein Der Generalplan Kustenschutz Schleswig-Holstein120 stellt sich im Vergleich zum Generalplan im Mecklenburg-Vorpommern als eher programmatische Handlungsanweisung dar. Nur am Rande wird auf die in nachster Zeit anstehenden konkreten Kiistenschutzmafinahmen eingegangen.121 Im Mittelpunkt stehen Uberlegungen zur weiteren Entwicklung des Kilstenschutzes unter Zugrundelegung der gesellschaftlichen Anspriiche. Ausgehend von einem Leitbild werden die Entwicklungsziele benannt. Das Leitbild soil sich aus dem maximal moglichen Sicherheitsstandard fur den Kustenraum ohne Beriicksichtigung anderer Leitbilder und Ziele ergeben. Dabei wird die Nutzung der Kiistengebiete durch den Menschen und damit das Recht, sich gegen die Angriffe des Meeres zu verteidigen, vom Leitbild ausdriicklich bejaht.122 Das Leitbild erfahrt seine Konkretisierung durch die Entwicklungsziele.123 Das erste Entwicklungsziel bestimmt, dass dem Schutz der Menschen und ihrer Wohnungen durch Deiche und Sicherungswerke oberste Prioritat zufallt. Der Schutz von Landflachen und anderweitigen Sachwerten wird als wichtige Grundlage fur die Vitalisierung der landlichen Raume eine sehr hohe Bedeutung beigemessen. Konsequent soil denn auch eine Aufgabe von Deichen, d.h. Deichrtlckverlegungen, nur in Ausnahmefallen moglich sein. Selbst bisher unbedeichte Kiisten sollen zukunftig gesichert werden, wenn Siedlungen oder Infrastruktureinrichtungen vom Kilstenabbruch bedroht sind. Aus der Formulierung folgt weiter, dass Inseln und Halligen in ihrem Bestand unbedingt erhalten werden sollen. Zukunftsvorsorge erschopft sich in der Forderung, die naturraumlichen Entwicklungen zu beobachten.124 Natur und Landschaft sollen zwar so weit wie moglich geschont werden, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Entwicklung und Umsetzung anderer berechtigter Anforderungen an den Kustenraum ermoglicht wird. Ohne auf die Handlungsziele und MaBnahmen an dieser Stelle einzugehen, wird bereits durch die Formulierung des Leitbildes und der Entwicklungsziele deutlich, dass trotz des programmatischen Charakters des Planwerkes vorsorgende Kiistenschutzstrategien nicht beabsichtigt sind. Die Entwicklungsziele stellen den Erhalt der gegenwartigen Kilstenlinie und die ungestorte anthropogene Nutzung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Uberlegungen zur Flachenvorsorge und freihaltung werden nicht angestellt. Trotz des Erkennens der Rolle des Schadenspotentials fur das Gesamtrisiko im Kilstenbereich erfolgt kein Aufgreifen gefahr-

120

Aus dem Jahre 2001. Der aktuelle Generalplan ist eine Fortschreibung des aus dem Jahre 1963 stammenden Generalplanes ,,Deichverstarkung, Deichverkilrzung und Kustenschutz" in Schleswig-Holstein". 121 Vergleiche dazu die in tabellarischer Form gehaltenen Anlagen 5 und 6 des Generalplanes Kustenschutz S-H.. 122 Generalplan Kustenschutz S-H, S.6. 123 Siehe dazu die 10 Entwicklungsziele im Generalplan Kustenschutz S-H, S. 6 f. 124 Vergleiche das 8. Entwicklungsziel des Generalplans, S. 7.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

potentialbegrenzender oder gar -verringemder Strategien.125 Indem die bestehenden Werte als eine wesentliche Komponente des Risikopotentials der Disposition durch zukiinftige Planungen entzogen sind, ist ein Risikomanagement nur unzureichend moglich. Defensive Schutzkonzeptionen, tiefengestaffelte Schutzsysteme und Renaturierungen werden in keiner Weise praferiert. Riickzugsstrategien finden ebenfalls keinen Eingang in die Entwicklungsziele. Einzig im Vorlandmanagement werden naturnahe Konzepte propagiert.126 Im Ergebnis ist der Generalplan Kustenschutz als untauglich fur die Durchsetzung alternativer naturnaher Ktistenschutzstrategien anzusehen. c. Fazit und Ausblick Zukunftig wird sich das fast vollige Ausblenden okologischer Erwagungen in den Generalplanen fur Kustenschutz nicht mehr durchhalten lassen. Stattdessen steht zu erwarten, dass diese von zwei Seiten um Qkolgische Aspekte angereichert werden milssen. Auf der einen Seite werden die okologischen und chemischen Bewirtschaftungsziele und darauf aufbauenden MaBnahmen, wie sie in Bewirtschaftungsplanen und MaBnahmenprogramme, die unter Berucksichtigung der Kiistengewasser aufzustellen sind, eine bedeutende Rolle auch in den Generalplanen spielen. Auf der anderen Seite konnen die okologischen Belange gestarkt werden, wenn die Generalplane als Plane im Sinne der SUP-RL einzuordnen waren. Die SUP-RL fmdet gemaB Art. 3 Abs. 2 SUP-RL127 Anwendung auf alle Plane, die in bestimmten Sektoren angesiedelt sind und die einen Rahmen fur nachfolgende Genehmigungen von Projekten aus dem Anhang Abs. 1 oder Abs. 2 der SUPRL128 setzen. Generalplane fur den Kustenschutz sind regelmaBig als sektorale Plane gemaB Art. 3 Abs. 2 SUP-RL zu klassifizieren. Die geplanten KiistenschutzmaBnahmen stellen wenigstens zum Teil auch UVP-pflichtige Vorhaben dar.129 Fraglich ist hingegen, ob Generalplane den entsprechenden rechtlichen Rahmen fur die entworfenen Kiistenschutzanlagen setzen. Die Einordnung der Generalplane als wasserwirtschaftliche Sonderplane und die damit verbundene mangelnde rechtliche Verbindlichkeit sprechen zunachst dagegen. Allerdings soil es auf eine echte prajudizielle Wirkung fur die Zulassigkeit von Vorhaben nicht ankommen.130 Entscheidend sei vielmehr die strategische Vorbereitungswirkung131 und die faktische Steuerungskraft. Dafur spricht, dass ausgehend von empirischen Ergebnissen bei den meisten Planen die durch fachliche Uberzeugung vermittelte 125 126 127 128 129 130

131

Ausfuhrlich Generalplan Kustenschutz S-H, S. 45 f. Wirklich bedauerlich ist, dass aus dieser Einsicht keine Schlilsse gezogen werden. Generalplan Kustenschutz S-H, S. 44 f. Nachweis in Fn. 657 im 2. Kapitel § 7 D. II. Fundstelle siehe Fn. 21 im 6. Kapitel § 16 A. Siehe dazu ausfuhrlich 6. Kapitel § 16 A. Ginzky, UPR 02, S. 49. Im Ergebnis ahnlich, wenngleich in Bezug auf die Standortrelevanz differenzierend: Schmidt-Eichstaedt, UPR 00, S. 404. Vgl. zur SUP-RL auch Falfe,ZUR01,S. 390. Darauf stellt auch Schmidt-Eichstaedt, UPR 00, S. 406 ab.

§ 11 Wasserwirtschaftliche Planung

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Durchsetzung im Vordergrund steht.132 Gerade letztere ist den Generalplanen in besonderer Weise eigen.133 Dies gilt um so mehr, als dass in den bisherigen Generalplanen zugleich die konkreten Standorte der jeweiligen Anlagen des Ktistenschutzes festgeschrieben worden sind.134 Insoweit sind sie z.B. mit dem Bundesverkehrswegeplan vergleichbar, der ausweislich § 14b UVPG-Entwurf zwingend einer Plan-UVP zu unterziehen ist.135 Es ist folglich davon auszugehen, dass kiistenschutzbezogene Generalplane von Art. 3 Abs. 2 SUP-RL erfasst sind. Zweifel bestehen indes, ob sich die kiistenschutzbezogenen Generalplane als Plane darstellen, die nach Art. 2 lit. a) SUP-RL136 von der Verwaltung erstellt werden miissen. Ausdriickliche Verpflichtungen wie z.B. innerhalb der MaBnahmenprogramme nach § 36 WHG existieren auf den ersten Blick nicht. Allerdings schreibt § 131 Abs. 1 LWaG M-V vor, dass die Instrumente der wasserwirtschaftlichen Sonderplane dann zu bemiihen sind, wenn dafur ein Erfordernis besteht. Ein Erfordernis fur die Kiistenschutzplanung besteht ganz offensichtlich.137 Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, auch in der bisherigen Verwaltungspraxis eine Erforderlichkeit im Sinne von Art. 2 lit. a) SUP-RL erblicken zu konnen.138 Schliefilich ergibt sich aus der Verankerung der wasserwirtschaftlichen Sonderplanung im Gesetz, dass die Generalplane jedenfalls keine informellen Plane darstellen, fiir die eine Plan-UVP entbehrlich sein soil.139 Diese Erwagungen tauschen gleichwohl nicht dariiber hinweg, dass eine eindeutige Verpflichtung zur Erstellung der Plane, wie sie Art. 2 lit. a) SUP-RL eigentlich fordert, nicht besteht. Vor diesem Hintetrgrund wirkt die Anwendbarkeit der SUP-RL auf die Generalplane Kiistenschutz im Sinne einer Erstellungspflicht zwar nicht ausgeschlossen, uneingeschrankt bejaht werden kann eine solche Verpflichtung an dieser Stelle hingegen nicht.140 Auch hier bietet sich aber sachlich ein Vergleich mit dem Bundesverkehrswegeplan an. Auch wenn fur diesen keine Aufstellungspflicht besteht, soil er konsequenterweise in die Pflicht zur Plan-UVP einbezogen werden (s. o.). Unabhangig davon, ob sich vor dem Hintergrund der SUP-RL fur die Kilstenschutzplane eine SUP-Pflicht ergibt, ist es ausgehend vom Richtlinienzweck dringend geboten, fur diese eine Plan-UVP einzufuhren. 132 133 134

135 136

Ginzky, UPR 02, S. 49. Siehe oben sowie die Nachweise in Fn. 543 im 3. Kapitel § 10 C. III. 3. Die Standortbezogenheit als maBgebliches Anwendbarkeitskriterium herausstellend: Schmidt-Eichstaedt, UPR 00, S. 404.

GemaBEntwurfdesSUPG.

Nach Art. 2 lit. a) SUP-RL sollen nur solche Plane der SUP-RL unterfallen, deren Erstellung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften angeordnet ist. 137 Das zeigt schon die Geschichte der Kustenschutzplanung, vgl. Cordshagen, Kiistenschutz, S. 227. 138 A.A. Ginzky, UPR 02, S. 48; Hendler, DVB1. 03, S. 231 f. 139 So fur informelle Plane jedenfalls Ginzky, UPR 02, S. 48. 140 Vgl. zur allgemeinen Abgrenzung: Hendler, DVB1. 03, S. 231 f. Letztendlich bleibt die endgiiltige Umsetzung der Richtlinie durch den Gesetzgeber und u.U. diesbezugliche Rechtsprechung durch den EuGH abzuwarten.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

//. Kustenschutz in der Gemeinschaftsaufgabe des Art. 91a GG 1. Umfang und Funktion In Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GG wird eine Beteiligung des Bundes bei der Planung von Maflnahmen, die der Erfullung besonders bedeutender Aufgabenfelder staatlichen Handelns dienen, statuiert. Dieser als Gemeinschaftsaufgabe bezeichneten Regelung unterfallt nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG auch die Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes.141 Die Zuordnung der in Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GG genannten Materien zur Planungskompetenz hat, bis auf die Befugnis zur Konkretisierung der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a Abs. 2 bis Abs. 4 GG, keinen weitergehenden Einfluss auf die in den Art. 70 ff. GG festgeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen.142 Obgleich Art. 91a GG die grundsatzliche Zustandigkeit der Lander fur die Erfullung der dort genannten Aufgaben hervorhebt,143 werden durch die Mitwirkung des Bundes auf der Planungsebene innerhalb der Exekutive Sonderregelungen im Vergleich zur generellen Verantwortlichkeit der Lander nach Art. 30, 80 ff. GG aufgestellt.144 Die Beteiligung des Bundes besteht im Wesentlichen in einer Teilnahme bei der Aufstellung der Rahmenplane und in der Finanzierung der darin vorgeplanten MaBnahmen.145 Da die Kompetenz des Bundes aus Art. 91a GG nur die ilberregionale Rahmenplanung erfasst,146 verbleiben Detailplanung und Durchfuhrung bei den Landern.147 Die Gemeinschaftsaufgabe beinhaltet einen Verfassungsauftrag an Bund und Lander, sich der Erfullung der in Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 bis 3 GG niedergelegten Aufgabenbereiche anzunehmen.148 Obwohl die angeordnete Mitwirkung des Bundes daher als obligatorisch anzusehen ist, besteht ein politisches Gestaltungsermessen des Bundes.149 Art. 91a Abs. 2 S. 1 GG ermachtigt den Bundesgesetzgeber daher zur naheren Konkretisierung der Gemeinschaftsaufgaben. Die jeweiligen Gesetze umschreiben die Gemeinschaftsaufgaben naher, grenzen sie voneinander 141

Allgemein zur Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes": BMELF, Rahmenplan, S. 10 ff.; zur Bedeutung fur den Naturschutz: Schnurrbusch, Gemeinschaftsaufgabe in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 107 ff. 142 Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 126. So im Ergebnis auch Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 7. 143 Mager, in: von Miinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 6; Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91aRn. 20. 144 Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 128. Ausftihrlich Maunz, in: Maunz/Dtirig, GG, Art. 91a Rn. 11 ff. 145 Kruger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 3 1 . 146 Die damit den Landern Raum fur eigene Planung von substantiellem Gewicht belasst, vgl. Kruger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 31. 147 Kruger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 31. 148 Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 3; Mager, in: von Mtinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 7. 149 Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 23. So im Ergebnis auch Mager, in: von Mtinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 7.

§ 11 Wasserwirtschaftliche Planung

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ab und bestimmen das AusmaB des Zusammenwirkens zwischen Bund und Landern im Rahmen von Art. 91a Abs. 1 GG.150 Der Bund ist dabei befugt, bestimmte Aufgabenbereiche auszuklammern und der alleinigen Verantwortung der Lander zu uberlassen. Rechtsanspriiche auf finanzielle Beteiligung des Bundes bestehen nur bei einer rechtsmissbrauchlichen Verweigerung. Die Einschatzungsprarogative des Bundes geht insbesondere dahin, Finanzmittel fur von ihm als ungeeignet erscheinende Planungen oder Projekte abzulehnen.151 Die Mitwirkung setzt nach Art. 91a Abs. 1 S. 1 2. HS GG voraus, dass die Aufgaben fur die Gesamtheit bedeutsam sind. Dazu mussen die Aufgaben von besonderer Bedeutung sein. Das ist der Fall, wenn die Losung vordringlich und fur die Verbesserung der Lebensverhaltnisse erforderlich ist. Beide Voraussetzungen mussen kumulativ vorliegen.152 Bei der Aufgabenbeschreibung handelt es sich um (hochgradig) unbestimmte Rechtsbegriffe.153 Dem Bund soil bei der Aufgabenerfullung im Rahmen von Art. 91a Abs. 1 GG ein erheblicher Beurteilungsspielraum zustehen.154 Fur den Kiistenschutz konkretisierte der Bund seine Rahmenplanungskompetenz im Gesetz iiber die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes"155. In auf dieser Grundlage erstellten Vierjahresplanen regelt der Bund die finanzielle Forderung der von den Landern angemeldeten MaBnahmen. Da die Rahmenplane nicht als Vorhabenplane fungieren, beschranken sich die Planinhalte auf die Formulierung allgemeiner Fordergrundsatze. Der Bund erstattet den Landern die ihnen in Durchfuhrung der Rahmenplane entstehenden Kosten fur KiistenschutzmaBnahmen grundsatzlich in Hohe von 70% des insgesamt notwendigen Finanzbedarfes.156 Forderungsfahig sind Neubau, Verstarkung und Erhohung sowie der Bau von Buhnen und ahnlichen Anlagen.157 Als Planungs- und Finanzierungsinstrument sollen die Rahmenplane die Ziele der Raumordnung zu beachten und die Grundsatze sowie sonstigen Erfordernisse zu beriicksichtigen haben.158

2. Forderfahige Malinahmen Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GAKG betrifft die Mitwirkung des Bundes alle Planungen zum Schutz der Ktiste vor den Gefahren von Sturmfluten. Damit sind MaBnahmen 150 151 152 153 154 155 156 157 158

Kriiger, in: Sachs, GG (Vorauflage), Art. 91a Rn. 14. Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 50. Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 23. Mager, in: von Miinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 8; Maunz in: Maunz/Dilrig, GG, Art. 91a Rn. 23. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 3. A.A. Kruger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 27. Fundstelle in Fn. 48 im 1. Kapitel § 2 B. II. Hohere Zuwendungssatze sind moglich, vgl. BTDrs. 13/4349, S. 89, Pkt. 5.3. Siehe auch Liibbe, Ktlstenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 56 f. BTDrs. 13/4349, S. 10. Liibbe, Kiistenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 57 f. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 11; Liibbe, Kiistenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, S. 56.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

des Erosionsschutzes wahrend der hydrodynamischen Normalsituation von der Mitwirkungspflicht des Bundes, sowohl innerhalb der Planung, als auch der Finanzierung, per Definition befreit.159 Eine solche Einschrankung des Aufgabenbereiches durch einfachgesetzliche Regelungen erscheint vor dem Hintergrund des bereits erwahnten Konkretisierungsspielraumes, der politischen Einschatzungsprarogative und nicht zuletzt des Erforderlichkeitsvorbehaltes160 unproblematisch.161 SchlieBlich stellt sich die Abrasion als naturgegebener Prozess dar, der Planungsvorstellungen schon deshalb kaum zuganglich ist, weil es an wirksamen tatsachlichen Beeinflussungsmoglichkeiten fehlt. Zudem kommt dem Uberflutungsschutz vor Sturmhochwassern aufgrund des plotzlichen Auftretens und der freiwerdenden Naturgewalten eine hoherer Prioritat in Bezug auf die Gefahrdung von Menschen und Sachwerten zu, als dem normalen, stetig und langsam voranschreitenden Kiistenrilckgang, auf den sich die Kiistenbewohner standig einzustellen haben. Die Beschrankung auf den Hochwasserschutz kann insoweit auch als Ausdruck der Einschatzungsprarogative des Gesetzgebers im Hinblick auf geeignet erscheinende MaBnahmen162 gewertet werden. Daher ist der Bund iiber Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG prinzipiell nicht verpflichtet, an der Planung und Finanzierung erosionsbeeinflussender Maflnahmen teilzunehmen. Die Notwendigkeit der Einbeziehung von MaBnahmen des Erosionsschutzes in die Gemeinschaftsaufgabe kann allerdings dann bestehen, wenn die Sicherheit und Funktionsfahigkeit der Anlagen des Uberflutungsschutzes von der Unterstiltzung durch sedimentbeeinflussende Einbauten oder Aufsptilungen an Schorre und Strand abhangt. Die konkreten Fordergrundsatze in der Rahmenplanung nehmen daher auch erosionsbeeinflussende MaBnahmen in den Bereich der zuwendungsfahigen Vorhaben auf.163 Ungeachtet dessen besteht aber die Moglichkeit, die Finanzierungsinstrumente fur eine Uberpriifung der landerseitigen KilstenschutzmaBnahmen im Hinblick auf deren tatsachliche Erforderlichkeit fur den Uberflutungsschutz bei Extremereignissen zu nutzen. Der Formulierung des Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG nach zielt die Gemeinschaftsaufgabe auf die Verbesserung des Kustenschutzes. Die Mitwirkungspflicht des Bundes beschrankt sich daher auf Vorhaben, die das Schutzniveau an der Kiiste erhohen.164 MaBstab soil nur das mit den bisherigen Anlagen bei voller Funktionstiichtigkeit erreichbare Sicherungsniveau sein. Damit unterfallen einer Bundesbeteiligung nur der Neu- und Ausbau von Kustenschutzanlagen, nicht jedoch reine 159 160 161 162 163 164

In Beantwortung der bereits in Fn. 49 im 1. Kapitel § 2 B. II. aufgeworfenen Frage. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 3 stellt die Erforderlichkeit fur die Gesamtmaterie des Kustenschutzes in Frage. Allgemein zur Problemstellung schon 1. Kapitel § 2 B. II. Siehe dazu schon oben und Maunz, in: Maunz/Durig, GG, Art. 91a Rn. 50. BTDrs. 13/4349, S. 10, ausfuhrlich Liibbe, Kilstenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 58. So jedenfalls einhellig Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 45; Kriiger in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 13; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 9; Mager, in: von Mtinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 28.

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ReparaturmaBnahmen.165 Ebenso ist der gezielte Schutz einzelner Objekte kein Gegenstand der Gemeinschaftsaufgabe.166 Wahrend letzterer Ausschluss uneingeschrankt geteilt werden kann, uberzeugt die ausschlieBliche Bezugnahme auf den Neu- und Ausbau indes nicht vollstandig.167 In Anbetracht der erheblichen Bezuschussung dieser Mafinahmen durch den Bund werden die Lander versucht sein, auch bei an sich noch ausreichender Dimensionierung der Schutzanlagen die Grenze einer bloBen Reparatur zu ilberwinden, um so in den GenuB der Fordermittel zu kommen.168 Dies fiihrt nicht nur zur Ausweitung des Gesamtmittelbedarfes, sondern ist gleichfalls mit okologischen Konsequenzen verbunden. SchlieBlich geht der Ausbau bestehender Schutzanlagen in der Regel mit stiirkeren Eingriffen in den Naturraum einher, als die Reparatur auf bisherigem Niveau. Insoweit sollte bedacht werden, ob nicht auch die Wiederherstellung eines urspriinglichen vorhandenen und gegenwartig noch ausreichenden Schutzpegels als Verbesserung verstanden werden kann. Dariiber hinaus ist es notwendig, die Mittelbereitstellung an ein Schutzniveau zu koppeln, welches nicht auBerhalb jeglicher Relation und Eintrittswahrscheinlichkeit liegt. So sollte ein Bemessungshochwasserstand mit einrmndertjahrlicher Wiederkehrwahrscheinlichkeit nicht iiberschritten werden. Von der Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes sind reine MaBnahmen zur Natur- und Landschaftspflege nicht erfasst,169 deren Belange diirfen aber auch nicht auBer Acht gelassen werden.170 So bestimmt ein allgemeiner Grundsatz in § 2 GAKG, dass die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes zu beachten und den okologischen Erfordernissen Rechnung zu tragen ist. Daraus folgt, dass aus der ratio legis durchaus okologische Ansatze resultieren. Die verfassungsrechtliche Zielvorgabe, die Verbesserung des Kiistenschutzes, kann im Rahmen des Neubaus von Hochwasserschutzlinien nur dann eintreten, wenn gleichzeitig die Lange der bisherigen Linie erhalten oder verkurzt wird,171 da Deichverlangerungen grundsatzlich risikoerhohend und damit kustenschutzbeeintrachtigend wirken. Demgegentiber durften Deichverkiirzungen, die zum Verlust von Uberschwemmungsgebieten fuhren wtirden, angesichts der 165 166 167 168

169

170 171

Siehe Fn. 164. Auf die Schwierigkeiten der Kompetenzabgrenzungen hinweisend: Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 149. Maunz, in: Maunz/Dtirig, GG, Art. 91a Rn. 4 5 ; Kriiger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 24; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 9. Kritisch, wenngleich mit anderer Begriindung, Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 149. Die einseitig auf die Bereitsstellung von Finanzmitteln ausgerichtete und sich vom Bund selbst auferlegte Planungsbeschrankung kritisierend: Petersen, Ktistenrecht, Rn. 834. Fur die Teilaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und insoweit vergleichbar: Maunz, in: Maunz/Durig, GG, Art. 91a Rn. 41; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 91a Rn. 8; Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 148; Mager, in: von Miinch/Kunig, GG, Art. 91a Rn. 26; Kriiger/Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 91a Rn. 23. Maunz, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 91a Rn. 41. Dies spatestens dtirfte seit der Existenz von Art. 20a GG auch selbstverstandlich sein. Zutreffend Liibbe, Kiistenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Kustenschutz, S. 57.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

okologischen Belange in § 2 GAKG kaum forderfahig sein. Von Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG sind daher nur solche Deichverkiirzungen erfasst, die durch den Bau kurzer Deiche, Riegeldeiche oder Ringeindeichungen ausgedehnte Deichtrassen ersetzen. Dieserart Riickdeichungen sind allerdings nichts anderes als durch wasserwirtschaftliche Interessen bedingte, okologisch wunschenswerte Ausdeichungen. Insofern greift hier die prinzipielle Kongruenz von Belangen des Kilstenschutzes und des Naturschutzes durch.172 Prinzipiell sollten Mitwirkungspflichten nach Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 GG auch bei okologisch motivierten Ausdeichungsprojekten in Betracht kommen. Die Riickverlegung von Schutzanlagen dient neben einer Verbesserung der okologischen Situation auch originaren Interessen des Kiistenschutzes. Dariiber hinaus liegen die mit der Schaffung natiirlicher Uberflutungsflachen verbundenen positiven Effekte auf die Gewassergiite im Interesse der Wasserwirtschaft, die ebenfalls von der Gemeinschaftsaufgabe der Verbesserung der Agrarstruktur erfasst sind.173 Rtickdeichungen konnen daher im Interesse des Naturschutzes durchaus von der Gemeinschaftsaufgabe aus Art. 91 Abs. 1 Nr. 3 GG umfasst sein, sofern sich kiistenschutz- oder wasserbaubedingte Belange zur Rechtfertigung herangeziehen lassen. Wenn demgegenuber vertreten wird, naturschutzbedingte Riickdeichungen seien regelmaBig nicht tiber die Gemeinschaftsaufgabe forderfahig,174 so ist diese Beurteilung wohl mehr der Formulierung der konkreten Fordergrundsatze in den Rahmenplanen geschuldet175 und weniger der sich aus Art. 91a GG ergebenden Moglichkeiten. Nach den Grundsatzen in den Rahmenplanen sind MaBnahmen des Naturschutzes dann forderfahig, wenn sie infolge der Ausfuhrung von KustenschutzmaBnahmen notwendig werden und einen raumlichen Bezug zur der die Ausgleichspflicht begriindenden KustenschutzmaBnahme haben.176 Hier konnen sich Moglichkeiten fur Revitalisierungsprojekte ergeben, z.B. wenn durch Neueindeichung bisher ungeschtitzter Ortschaften oder der gleichfalls forderfahigen Verstarkung oder Erhohung von Kiistenschutzanlagen naturschutzrechtliche AusgleichsmaBnahmen177 notwendig werden. Der Neubau von Kustenschutzanlagen, unter Inanspruchnahme okologisch wertvoller Flachen, ist nach den Fordergrundsatzen nur dann bezuschussungsfahig, wenn die notwendige Sicherheit nicht durch Alternativlosungen erreichbar ist oder die eingedeichten Flachen zu wertvollen Ersatzbiotopen entwickelt werden konnen und dies planerisch festgeschrieben wurde.178 172 173 174 175 176 177

178

Filr das Verhaltnis Agrarstruktur und Naturschutz ebenso Rohlf, NuR 91, S. 477. Siehe z.B. im Rahmenplan 1996-1999, BTDrs. 13/4349 S. 9. Ebenso Bliimel, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 101 Rn. 148; ahnlich Bohm et al, Anforderungen, S. 72. So jedenfalls Liibbe, Kustenschutz in: Boedeker/von Nordheim, Ktistenschutz, S. 58; Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 219. Die solche Optionen in der Tat kaum zulassen dilrften. BTDrs. 13/4349, S. 87, Pkt. 2.1.2. Vgl.zur Anwendbarkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung auf UnterhaltungsmaBnahmen ausflihrlich 6. Kapitel § 16 B. I. BTDrs. 13/4349, S. 87 Pkt. 2.2.3.

11 Wasserwirtschaftliche Planung

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3. Fazit Insgesamt scheint sich die Gemeinschaftsaufgabe als ein, einer umweltschonenden Raumentwicklung zumindest konzeptionell zutragliches Forderprogramm darzustellen.179 Die konkrete Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe durch Bund und Lander lasst hingegen kaum diesbezugliche Ansatze erkennen. Darauf deutet die undifferenzierte Forderung okologisch nachteiliger Deichbauten, etwa in der Kernzone des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft, hin.180 Im Vordergrund der Rahmenplanung stehen regelmaBig die agrar- und finanzpolitischen Interessen.181 Anmeldungen der Lander, die den okologischen Fordergrundsatzen widersprechen, flihren nicht zu einer naturschutzfachlich wunschenswerten und rechtlich moglichen Versagung der Bundesmittel und damit zur Alleinfmanzierung der Vorhaben durch die Bundeslander.182 Die Lander konnen sich insoweit relativ sicher sein, dass der Bund die Mittel unabhangig von naturschutzfachlichen Details bereitstellt. Auch die beschriebenen positiven Ansatze in Richtung alternative Kiistenschutzstrategien, namentlich durch Ausdeichungen, durfen nicht dariiber hinwegtauschen, dass die Interessen des Naturschutzes nur ein Anhangsel an die in Art. 91 Abs. 1 GG genannten sektoralen Belange darstellen und nur dann zur Durchsetzung kommen, wenn dies fur die Erfullung der Fachaufgaben opportun erscheint. Deshalb wird seit langem gefordert, die Gemeinschaftsaufgabe ,,Verbesserung der Agrarstruktur und des Kustenschutzes" um einen FQrdergrundsatz ,,Naturschutz" zu erganzen und die bestehenden Fordergrundsatze entsprechend anzupassen.183

179 180

181 182 183

Zu dieser Einschatzung gelangen zumindest Holst/Matthes, Leitbilder II, S. 109. Ca. 6 km Deichneubau auf der Halbinsel Zingst, siehe Generalplan Kiisten- und Hochwasserschutz M-V, Karte 3. Ballschmidt-Boog, KtistencSkosysteme, S. 219. Ballschmidt-Boog, Kustenftkosysteme, S. 129. Rohlf, NuR 91, S. 477 f. Zur Verantwortlichkeit der Verbesserung der Agrarstruktur als Hauptkomponente aus Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GAK fur die wenig umweltvertragliche Landbewirtschaftung und die nachteiligen Veranderungen der Gewasser siehe z.B. Boettcher, Umweltplanung, in: Immendorf, Hochwasser, S. 140.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

§ 12 Der wasserrechtliche Flachenschutz A. Uberschwemmungsgebiete Nach § 32 WHG sind die Lander ermachtigt, Uberschwemmungsgebiete oder Teile davon zu gesetzlichen Uberschwemmungsgebieten zu erklaren. Die Festsetzung eines gesetzlichen Uberschwemmungsgebietes erfolgt in der Regel durch eine ordnungsbehordliche Rechtsverordnung.1 Es handelt sich um eine rechtliche gebundene Entscheidung ohne Planungsermessen.2 Die weitreichende Verpflichtung3 zur Ausweisung gesetzlicher Uberschwemmungsgebiete raumt nunmehr auch der Riickgewinnung von Retentionsflachen einen hoheren Stellenwert ein. Verstarkt wird der Schutzauftrag durch das Erhaltungsgebot faktischer Uberschwemmungsgebiete in § 32 Abs. 2 WHG. Die Festsetzung gesetzlicher Uberschwemmungsgebiete soil nicht nur dem Hochwasserschutz, etwa durch Beeinflussung des Wasserabflusses,4 sondern nunmehr gemaB § 32 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WHG ausdrilcklich auch dem Schutz der okologischen Strukturen der Gewasser dienen.5 Uberschwemmungsgebiete konnen daher zur Durchsetzung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien besondere Relevanz entfalten.6 Allerdings erreichen sie nicht das Ma8 an territorialer Festsetzungsbefugniss wie raumordnerischer Gebietssicherungen.7 Gleichwohl tiben bereits ausgewiesene Uberschwemmungsgebiete gegeniiber der Regional- und Bauleitplanung restriktivere Wirkungen aus.8 Uberschwemmungsgebiete konnen auch in Bereichen festgesetzt

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Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 23. So jedenfalls OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100/03 - NuR 04, S. 536 (537); bestatigt vom BVerwG, Urteil vom 22.07.2004-7 CN 1.04- PM Nr. 45/2004 vom 22.07.2004 = NuR 04, S. VII. Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 43; RothlHofmann, WHG, § 32, Rn. 4 a.E.; Czychowski/Reinhard, WHG, § 32, Rn. 13; Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 15. So noch § 32 WHG a.F., siehe dazu Giseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, 6. Aufl., § 32 Rn. 2. Czychowski/Reinhard, WHG, § 32 Rn. 5. So auch Bbhm et al., Anforderungen, S. 34, ebenso: Burgi/Deichmoller, DOV 03, S. 360 ff. m.w.N. Die Ermachtigung aus § 32 WHG bezieht sich, wie bereits gezeigt, nur auf die Uferbereiche, die bei Hochwasser tatsachlich iiberflutet werden. Hochwasserfrei eingedeichte Flachen konnen iiber § 32 Abs. 1 WHG kaum gesichert werden (beachte nun aber § 31c WHG). Da raumordnerische Gebietskategorien an diese Einschrankungen nicht gebunden sind, kommt in diesen Bereichen landes- und regionalplanerischen Festlegungen, etwa durch Vorbehalts- und Vorranggebieten eine hohe Bedeutung zu. Siehe dazu schon 2. Kapitel § 6 B. II. 2. b. aa. Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 23.

12 Der wasserrechtliche Flachenschutz

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werden, die sich stadtebaulich nach § 30 oder § 34 BauGB beurteilen.9 Die Festsetzung von Uberschwemmungsgebieten wird, obgleich mehr ordnungsrechtliches denn planungsrechtliches Instrument,10 mit der Integration der SUP-RL in das UVPG Plan-UVP-pflichtig.11 Die Festsetzung gesetzlicher Uberschwernmungsgebiete dient der allgemeinverbindlichen Durchsetzung von weitgehenden Nutzungsbeschrankungen. So bestimmt § 79 Abs. 2 Nr. 1 LWaG M-V das Verbot der Errichtung und Veranderung von Bauwerken und baulichen Anlagen, die nicht dem Hochwasserschutz oder der Schifffahrt dienen. Nach § 79 Abs. 2 Nr. 2 LWaG M-V ist der Umbruch von Griinland untersagt. Der Anbau von Ackerkulturen wird in § 79 Abs. 3 Nr. 3 LWaG M-V zudem einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt. § 79 Abs. 2 Nr. 3 LWaG M-V verbietet u.a. das Anlegen von Verkehrswegen. In Uberschwemmungsgebieten konnen auch Bereiche einbezogen werden, die sich bauplanungsrechtlich nach § 30 oder § 34 BauGB beurteilen.12 Obgleich das Erhaltungsgebot natiirlicher Uberschwemmungsgebiete gemaB § 32 Abs. 2 WHG nach uberwiegender Auffassung wohl nur die offentliche Hand und nicht den Einzelnen verpflichten soil,13 wirkt es im Rahmen von behordlichen Abwagungs- und Ermessensentscheidungen als Optimierungegebot14 und damit sowohl sachlich im Interesse des vorbeugenden Hochwasserschutzes als auch mittelbar gegenilber dem einzelnen Nutzer. Uberschwemmungsgebiete wirken - nicht zuletzt wegen ihrer Geltung auch im besiedelten Bereich - auf den festgesetzten Flachen risikopotentialbegrenzend und zugleich in Richtung okologischer Flachennutzung. Sie konnen daher als auBerst bedeutsames Instrument fur die Etablierung vorsorgender Hochwasserstrategien angesehen werden.15 Obgleich an der Ktiste die Steuerung des Abflussverhaltens und die Verminderung der Hochwasserscheitelwerte durch Schaffung von Uberflutungsflachen eine geringere Rolle spielen als an FlieBgewassern des Binnenlandes, dienen Uberschwemmungsgebiete auch hier ureigensten wasserwirtschaftlichen Interessen. Dazu gehort die Verhinderung von Anschwemmungen und wasserwirtschaftlich nachteiliger Bodenerosion16 sowie die Gewasserreinhaltung.17

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OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100/03 - NuR 04, S. 536 (537); bestatigt vom BVerwG, Urteil vom 22.07.2004 - 7 CN 1.04- PM Nr. 45/2004 vom 22.07.2004 = NuR 04, S. VII. Siehe OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100/03 -NuR 04, S. 536 (536). Vergleiche § 14b IUVPG-E in Artikel 1 und i.V.m. Anlage 3 Nr. 1.4 des SUPG-E. OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100/03 - NuR 04, S. 536 (536), bestatigt vom BVerwG, Urteil vom 22.07.2004 - 7 CN 1.04- PM Nr. 45/2004 vom 22.07.2004 = NuR 04, S. VII. Zum Streitstand: Burgi/Deichmoller, DOV 03, S. 365. Burgi/Deichmoller, DOV 03, S. 365 f. Bohm et al, Anforderungen, S. 203. Die Gefahr von Bodenabschwemmung gilt als Belang des vorbeugenden Hochwasserschutzes, VG Ansbach, Urteil vom 13.11.1996 -AN 13 K 96.00967 - AgrarR 97, S. 97.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

SchlieBlich konnen Uberschwernmungsgebiete auch an der Ktiste dem Schutz der okologischen Gewasserfunktionen dienen.18 Eine weitere Starkung wiirden diese bei Verabschiedung des Hochwasserschutzgesetzes, insbesondere durch die urspriinglich geplanten ausnahmlsosen Bauplanungs- und Ackemutzungsverbote in den statistisch einmal in hundert Jahren ilberfluteten Gebieten, erfahren.19 Aufgrund der systematischen Stellung von § 32 WHG im 2. Teil des Gesetzeswerkes ist dieser nur auf oberirdische, nicht aber auf Ktistengewasser anwendbar.20 Die Ermachtigung zur formlichen Ausweisung von Uberschwemmungsgebieten an der Kiiste ist daher dem Landesrecht vorbehalten. Das LWaG M-V enthalt keine dementsprechenden Vorgaben fur die Ktistengewasser. Die landesrechtliche Umsetzung der Festsetzung von Uberschwemmungsgebieten in § 78 LWaG M-V mit ausdriicklichem Verweis auf § 32 WHG befindet sich im Fiinften Teil des Gesetzes, der sich ausschlieBlich auf oberirdische, und nicht auf Kustengewasser bezieht. Auch die Bezugnahme des die Ktistengewasser betreffenden § 84 LWaG M-V auf Normen des Vierten und Funften Teils schlieBt die Anwendbarkeit der §§78, 79 LWaG M-V nicht mit ein.21 Uberschwemmungsgebiete an den Kiisten Mecklenburg-Vorpommerns konnen durch wasserrechtliche Instrumentarien somit gegenwartig nicht errichtet werden. Die Rechtslage stellt sich in Schleswig-Holstein grundsatzlich ahnlich dar. Gegenstand des die Errichtung von Uberschwemmungsgebieten regelnden § 57 LWaG S-H sind gemaB § 57 Abs. 1 Nr. 1 LWaG S-H nur die oberirdischen Gewasser.22 Mangels Erwahnung der Ktistengewasser im betreffenden Normab17 18 19

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VGH Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (258), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). Siehe § 32 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 WHG. Vergleiche dazu die §§ 31b und 31c, insb. § 31b Abs. 3, 4 im Artikel 1 des Entwurf zu einem Gesetz zur Verbesserung des Hochwasserschutzes (BTDrs. 15/3168). Zur Verkntipfung mit dem Bauplanungsrecht vgl. Artikel 2 des Entwurfes. Siehe auch Stiier, NuR 04, S. 415 f. Der dem 2. Teil des W H G zugeordnete § 32 W H G kann sich systematisch nur auf die oberirdischen Gewasser beschranken, zu denen die Ktistengewasser angesichts des ausdriicklich fur sie eingefligten dritten Teils nicht gehoren konnen. Ebenso Petersen, Ktistenrecht, Rn. 803; Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 258; a.A. offenbar Runkel, in: Bieleberg/Erbguth/Runkel, K § 4 Rn. 156. Czychowski/Reinhard, W H G , § 1, Rn. 38 beschrankt die Nichtanwendbarkeit des 2.Teils auf Ktistengewasser ausdriicklich nur auf die §§ 28 bis 31 W H G , ohne jedoch eine Geltung von § 32 W H G fur Ktistengewasser ausdrucklich zu bejahen. D e r Annahme von Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 258, der Begriff des Hochwassers in § 78 L W a G M-V schlieBt auch Sturmfluten mit ein, kann vor dem Hintergrund der systematischen Stellung nicht gefolgt werden. Zur alten Rechtslage a.A. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 262, wonach sich aus der Formulierung ,,in Gebieten, die bei Hochwasser oder Sturmflut uberschwemmt werden" in den § § 5 7 LWaG S-H a.F. auch eine Anwendbarkeit der Ermachtigung auf Uberschwemmungsgebiete an der Ktiste ergeben sollte. Allerdings ist die Bezugnahme auf Sturmfluten in der hier vorliegenden aktuellen Fassung des Gesetzes fallengelassen

§ 12 Der wasserrechtliche Flachenschutz

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schnitt des LWaG S-H wird an dieser Stelle daher vertreten, dass sich die Ermachtigung aus den §§57 ff. LWaG S-H lediglich auf die Errichtung von Uberschwemmungsgebieten an oberirdischen Gewassern, nicht aber an Kiistengewassern bezieht.23 Im Ergebnis konnen Uberschwemmungsgebiete im Kiistenbereich kaum festgesetzt werden. Moglichkeiten bestehen nur im Bereich von Astuaren, die noch den oberirdischen Gewassern zugerechnet werden konnen.24 Ansonsten ist das Nichtvorhandensein von Ausweisungsermachtigungen als defizitar zu beurteilen. Die wasserwirtschaftlichen Belange, die mittels Uberschwemmungsgebieten durchgesetzt werden konnen, sollten von der Rechtsmaterie gesichert werden, deren fachliche Aufgabe betroffen ist. Die ausschlieBliche Realisierung von Nutzungseinschrankungen im wasserwirtschaftlichen Interesse durch formliche Festsetzungen des Naturschutzrechts kann hier, gerade vor dem Hintergrund der Subsidiaritat naturschutzrechtlicher Beschrankungen,25 nicht befriedigen.26 Die mangelnde Ausweisungsermachtigung und die bisherige Beschrankung der Uberschwemmungsgebiete auf nicht gesicherte Bereiche27 unterstreicht die Bedeutung raumordnerischer Festsetzungen. Vorbehalts- und Vorranggebiete der Raumordnung sind ge-

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worden. (Zum Grand der Anderung siehe die folgende Fn.) Ob sich aber selbst aus der alten Regelung des § 57 LWaG S-H eine Ermachtigung zur Festsetzung von Uberschwernmungsgebieten an der Ktlste ergeben hat, darf bezweifelt werden. Die prinzipielle Beschrankung der § 57 ff. LWaG S-H alter und neuer Fassung auf oberirdische Gewasser legt einen ablehnenden Schluss nahe. Uberdies konnte ein Verweis auf Sturmfluten in diesem Kontext auch so verstanden werden, dass damit die Flachen gemeint sind, welche infolge von Sturmhochwassern an der Ktiste an oberirdischen Gewassern tiberflutet werden, die selbst keine Kustengewasser darstellen. Zu denken ist hier in erster Linie an den Rtickstaubereiche von Astuaren und Flussen. Angesichts der systematischen Stellung der §§ 57 ff. LWaG S-H im Gesetzeswerk spricht daher viel daflir, in der Differenzierung zwischen Hochwasser und Sturmfluten nach § 57 LWaG S-H a.F. ausschlieBlich die Trennung nach der Art der Uberschwemmungsursache zu verstehen. Bestrebungen, Uberschwemmungsgebiete auch an den Kiisten errichten zu konnen, werden mit einem neuen Kiistenschutzgesetz verfolgt, welches unter der Obhut des Landwirtschaftsministeriums S-H entstehen soil, mundliche Auskunft von Herrn Kollmann, Umweltministerium S-H (Telefonat vom 18.07.2001). Zur Abgrenzung vgl. ausfuhrlich Sieder/Zeitler/Dahme, W H G , § 1 Rn. 1 Id. Siehe dazu 1. Kapitel § 2 C. a.E. Insoweit sind die mit der 6. Novelle des W H G eingebrachten erweiterten Festsetzungsmoglichkeiten von gesetzlichen Uberschwernmungsgebieten an den Ktlstengewassern erst dann von Bedeutung, wenn landesrechtlich entsprechende Ermachtigungen geschaffen wurden. Zur Neufassung von § 32 W H G durch die 6. Novelle siehe im U b rigen Bohm et ah, Anforderungen, S. 244. Der durch das Hochwasserschutzgesetz in das WHG neu eingefugte § 3 lc tiberantwortet Mafinahmen zur Schadensminimierung in gesicherten, aber beim Versagen der Schutzanlagen uberflutungsgefa'hrdeten Bereichen (,,uberschwernrnungsgefahrdete Gebiete") den Landern.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

genwartig das einzige Instrument, um im Kiistenbereich Flachen im Interesse vorbeugender Hochwasserstrategien unter gleichzeitiger Benennung der wasserwirtschaftlichen Regelungszwecke zu sichern.28 In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass raumordnerische Festsetzungen ihrem Wesen nach nicht den Grad an Allgemeinverbindlichkeit erreichen wie formliche Gebietsausweisungen. Die gegenwartig noch unzureichende Planungsstringenz unterstreicht diesen Befund. Vorrang- und Vorbehaltsgebiete sollten primar als vorsorgliche Sicherungsmechanismen zu verstehen sein. Keinesfalls konnen sie die jeweiligen fachgesetzlichen Instrumente dauerhaft und vollstandig ersetzen.

B. Kustenschutzgebiete Weitergehende Ansatze zu Schadenspotentialsbegrenzungen und defensiven Kiistenschutzstrategien eroffhen sich in Mecklenburg-Vorpommern durch die Kategorie der Kustenschutzgebiete und -streifen. Die Kustenschutzgebiete wurden auf ca. 180 km der vom Rtlckgang betroffenen AuBenflachkuste durch Beschluss des Rates des Bezirkes Rostock aufgrund von § 36 Abs. 1 des 1. WaG DDR29 erlassen und mit § 37 des 2. WaG DDR30 weitergefuhrt.31 Durch § 136 Abs. 1 LWaG M-V erfolgte eine Uberleitung in das geltende Recht.32 Wirksamkeitshindernisse, etwa mangels Publizitat oder wegen unzureichender Bestimmtheit, sind nicht ersichtlich: Die Gebiete wurden in Tageszeitungen veroffentlicht,33 die konkreten Verbotstatbestande und die genauen Gebietsabgrenzungen weisen einen ausreichenden Prazisionsgrad auf. In den Ktistenschutzgebieten wurden die Errichtung von baulichen Anlagen, deren Veranderung oder Beseitigung, die Durchfuhrung von MeliorationsmaBnahmen, einige forstwirtschaftliche Tatigkeiten sowie die Anwendung von Herbiziden einem Genehmigungsvorbehalt der zustandigen Wasserbehorde unterworfen. In den Bekanntmachungen wurde zudem ein absolutes Bauverbot fur alle zwischen Dime und Deich befindlichen Flachen festgesetzt. SchlieBlich dienten die Kustenschutzgebiete der Errichtung eines durchgangigen Kustenschutzstreifens von 200 m an der Ostsee und 100 m an der Boddenkuste aufierhalb der Kustenschutzgebiete. Die Kiistenschutzstreifen sollten von weiterer Bebauung freigehalten werden. Angesichts der weitgehenden Bauverbote in den Ktistenschutzstreifen, die im Vergleich zu den Ktistenschutzgebieten als weniger gefahrdet eingeschatzt wurden, ist davon auszugehen, dass eine Genehmigung beeintrachtigen28 29 30 31 32 33

Ansonsten sind derartige Flachensicherungen nur durch das Naturschutzrecht moglich. Erstes Wassergesetz der DDR vom 17.04.1963, GB1. 1 Nr. 5, S. 77. ZweitesWassergesetzderDDRvom21.07.1982,GBl. 1 Nr. 26, S. 467. Vergleiche dazu ausfuhrlicher Paelchen, in: Oehler, Wasserrecht der DDR, § 34 Nr. 2.1 sowie § 55 der 1. DVO/WG vom 02.07.1982. Nach § 136 Abs. 1 2. Alt. L W a G M-V wurden auch die vor dem 02.07.1982 festgesetzten Schutzgebiete und -streifen rechtsverbindlich tibergeleitet. Siehe dazu die Regionalausgaben der Ostseezeitung vom 15./16.10.1977.

12 Der wasserrechtliche Flachenschutz

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der MaBnahmen innerhalb der Kiistenschutzgebiete bei sinnentsprechendem Normvollzug in der Regel ausgeschlossen werden sollte. Die Kiistenschutzgebiete selbst orientieren sich nicht an einer festen Grenze, sondern an natiirlichen Gegebenheiten.34 MaBstab fur die Festsetzung von Kiistenschutzgebieten waren die objektiven Bedingungen im Hinblick auf die Uberflutungsgefahr. Insoweit wurde differenzierten Gefahrdungslagen entsprochen und hydrologischen Besonderheiten Rechnung getragen. Die Rechtswirkungen sind im Gegensatz zu gesetzlichen Uberschwemmungsgebieten nach der bisherigen Rechtslage nicht auf bislang ungesicherte Bereiche beschrankt, sondern unabhangig vom Vorhandensein von Schutzanlagen. Sie gelten im gesamten Kilstenbereich und auch in den Ortslagen uneingeschrankt.35 Insoweit konnten sie die seewartige Ausdehnung besiedelter Bereiche flachendeckend und wirkungsvoll begrenzen. Die Kustenschutzgebiete und -streifen waren darauf gerichtet, Flachen fur zukiinftig notwendig werdende Kiistenschutzanlagen freizuhalten, namentlich auch zur Riickverlegung von Deichen. Die Gebiete sollten offensichtlich auch einer Erhohung des Schadenspotentials entgegenwirken. Obgleich die Kiistenschutzgebiete mit landwartigen Tiefen von 200 bis 300 m36 ftir einen langfristig wirkungsvollen und tiefengestaffelten Kiistenschutz vielerorts nur unzureichend dimensioniert sein diirften, kommt ihnen durch die dem Instrument zugrunde liegende Akzeptanz der naturlichen Prozesse und der Ausrichtung auf defensive und risikovermeidende Konzepte eine herausragende Bedeutung fur die Durchsetzung vorbeugender Hochwasserschutzstrategien zu. Da die wasserrechtlichen Verbote und Nutzungsbeschrankungen auch Ortslagen umfassen, bestiinde die Moglichkeit, die Errichtung von baulichen Anlagen, jedenfalls auBerhalb des Innenbereiches nach § 34 BauGB, im Geltungsbereich der Kustenschutzgebiete wasserrechtlich zu steuern. Die Genehmigungspflichtigkeit von MeliorationsmaBnahmen und Herbizideinsatzen37 beinhaltet zudem okologische Ansatze. Damit greifen die Festsetzungen defensive Kiistenschutzstrategien auf und wirken innerhalb ihres raumlichen Geltungsbereiches risikopotentialvermindernd. 34

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So wurde z.B. die gesamte Insel Hiddensee, die gesamte Schaabe auf Rtigen und das gesamte Niederungsgebiet der Wohlenberger Wiek als Ktistenschutzgebiet festgelegt, vgl. Ostseezeitung, Regionalausgaben fur Riigen und Bad Doberan/Grevesmtihlen, jeweilsvoml5./16.10.1977. Insbesondere aus letzterem ergeben sich keine Wirksamkeitshindernisse, da auch gesetzliche Uberschwemmungsgebiete bebaute Bereiche miteinbeziehen konnen, vgl. 4. Kapitel § 12 A. u n d O V G Koblenz, Urteil v o m 30.10.2003 - 1 C 1 0 1 0 0 / 0 3 N u R 04, S. 536 (537); bestatigt vom BVerwG, Urteil vom 22.07.2004 - 7 C N 1.04 P M Nr. 45/2004 vom 22.07.2004=NuR 04, S. VII. Eine Breite von 300 m z.B. von Hohe Dime bis Graal-Stromgraben (landseitig der Wasserlinie), von Graal-Mtiritz bis Neuhaus (landseitig des DtinenfuBes), siehe Ostseezeitung, Regionalausgabe Rostock-Land vom 15./16.10.1977 sowie die gesamte Ortslage Ahrenshoop (landseitig der Wasserlinie), siehe Ostseezeitung, Regionalausgabe Ribnitz-Damgarten vom 15./16.10.1977. Wobei die Beschrankung auf Herbizide und damit die Ausklammerung von Fungiziden und Insektiziden nicht recht einsichtig erscheint.

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4. Kapitel Instrumente des Wasserrechts

Wirkungsvolle Ansatze wiirden auch die Kilstenschutzstreifen vermitteln. Obgleich auch die Kilstenschutzstreifen nach § 136 LWaG M-V rechtsverbindlich in die Geltung des LWaG M-V iibergeleitet wurden und insofern wie die Kustenschutzgebiete weiterhin Geltung beanspruchen wurden, erfolgte mit § 89 LWaG M-V eine Modifikation der Materie. Diese nahm den Kustenschutzstreifen eine erheblichen Teil ihrer Stringenz, so dass die Wirkungen i. S. eines vorsorgenden Kiistenschutzkonzeptes nur noch als begrenzt einzuschatzen sind. Mangels Neuregelung der gesondert normierten Bauverbote zwischen Diine und Deich ist davon auszugehen, dass diese weiterhin gelten. Der Vollzug der wasserrechtlichen Beschrankungen war in der Vergangenheit nicht immer optimal. Auch gegenwartig ist man von einer konsequenten Gewahrleistung der in den Gebieten unzulassigen Grundstucksnutzungen weit entfernt. Gleichwohl bieten zumindest die festgesetzten Kilstenschutzgebiete sowie die Bauverbote zwischen Dune und Deich immer noch eine Rechtsgrundlage fur Nutzungs- und Baubeschrankungen im Ktlstenbereich und stellen damit prinzipiell ein wirksames Instrumentarium zur Flachenfreihaltung und Risikobegrenzung dar. Die geltende Rechtslage ermoglicht lediglich die statische Ubernahme und Fortgeltung bereits in der DDR festgesetzter Kustenschutzgebiete. Rechtsgrundlagen fur Anderungen oder Neuausweisungen bestehen im LWaG M-V nicht. Vordringliche Aufgabe des Landesgesetzgebers ist es daher, in zukunftigen Novellierungen des Landeswassergesetzes nicht nur die Moglichkeit der Festsetzung von Uberschwemmungsgebieten an der Kilste aufzunehmen, sondern auch die rechtlichen Voraussetzungen dafur zu schaffen, dass die bestehenden Kustenschutzgebiete an die sich verandernden Bedingungen der Ktlstenlandschaft angepasst und ausgeweitet werden konnen.

5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

§13 Schutz besiedelter Flachen Mafigeblich fiir die Beurteilung der Durchsetzungsmoglichkeiten vorsorgender Ktistenschutzstrategien, sowohl auf Planungsebene als auch im Rahmen des Einzelentscheidungsmanagements, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die offentliche Hand handlungsfahig ist. Wahrend sich die vorangegangenen Ausfuhrungen primar darauf konzentrierten, wie mit Mitteln des Planungsrechts risikopotentialbegrenzend auf den Kiistenraum eingewirkt werden kann, geht es in § 13 der Darstellung um staatliche Schutzauftrage zugunsten besiedelter Flachen und in § 14 um die Inanspruchnahme unbesiedelter Flachen fur die Durchsetzung defensiver Kustenschutzstrategien.

A. Rechtlicher Umfang der Schutzauftrage /. Schutz als Aufgabe Oder Pflicht? Die gesetzlichen Grundlagen des Kiistenschutzes fmden sich in § § 8 3 ff. LWaG M-V, 63 ff. LWaG S-H. Der rechtliche Umfang des staatlichen Schutzauftrages fur die Anlagen des Kiistenschutzes ist in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein gekennzeichnet durch eine die gesamte Kiiste und alle Schutzelemente betreffende offentliche Aufgabe 1 und eine Schutzpflicht zugunsten von im Zusammenhang bebauten Gebieten 2 .

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Siehe § 83 Abs. 1 S. 1 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 1 LWaG S-H. Siehe § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H. Die raumliche Geltung der Schutzpflicht ist angesichts der unilblichen Formulierungen in § 63 LWaG S-H nicht einfach zu bestimmen. Darauf weist Kollmann, LWaG S-H § 63 Anm. 1, ausdrucklich hin. In Wertung des § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Schutzpflicht auch in Schleswig-Holstein im Wesentlichen auf besiedelte Bereiche beschrankt. So auch das grundsatzliche Verstandnis von Herrn Kollmann, Umweltministerium S-H. (Telefonat vom 18.07.2001).

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

Fraglich ist, ob die Qffentliche Aufgabe zur Sicherung der Kiiste den gleichen rechtlichen Gehalt aufweist wie die Pflicht zum Schutze bebauter Bereiche. 3 Ein solches Verstandnis, nach dem die Aufgabenbestimmung Bau- und Unterhaltungslasten begriinden wilrde, wie sie auch aus offentlich-rechtlichen Verpflichtungen abbleitbar wa'ren,4 begegnet angesichts der unterschiedlichen Wortwahl allerdings Bedenken. Die Verwendung nicht bedeutungs- und sinngleicher Begrifflichkeiten, wie Verpflichtung einerseits und Aufgabe andererseits, deutet auf divergierende Regelungsintentionen des Gesetzgebers hin. Diese kann nur so aufgefasst werden, dass dem allgemeinen Schutz der Kiisten keine mit dem Ausbau oder der Unterhaltung oberirdischer Gewasser vergleichbare Verbindlichkeit zukommen sollte. 5 Mit der Aufgabenzuweisung 6 ubernimmt die offentliche Hand die Verantwortlichkeit fur den Kilstenschutz, und zwar in Abgrenzung zur bisherigen Verantwortlichkeit der Grundsruckseigentumer. 7 Eine offentlich-rechtliche Verpflichtung

Wa're das der Fall, wilrde sich die aus der Aufgabe zum Schutz der Gesamtkiiste entspringende Verpflichtung neben die auf besiedelte Gebiete begrenzte Schutzpflicht stellen. Das hatte zu Folge, dass im Ergebnis der gesamte Ktistenbereich einer Schutzpflicht unterfallt. Hochwasserschutz an oberirdischen Gewassern kann sachlich als Gewasserausbau oder Gewasserunterhaltung eingeordnet werden. Ftir beide Arten von MaBnahmen statuieren Bundes- als auch die landesrechtlichen Ausgestaltungen einheitliche Rechtspflichten im Gewande offentlich-rechtlicher Verbindlichkeiten. (Siehe dazu Breuer, Wasserrecht, Rn. 928, 964; Haaser, Haftungsfragen, UTR 31 (95), S. 270 f. Singular fur Gewasserunterhaltung: BGH, Urteil vom 25.02,1993 - III ZR 9/92 - UPR 93, S. 296 (296); fur Ausbau: Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, § 31 Rn. 30.) Wahrend sich Gewasserunterhaltung (§ 61 Abs. 1 LWaG M-V) und Gewasserausbau (§ 68 Abs. 1 LWaG M-V) schon dem Wortlaut nach als offentlich-rechtliche Verpflichtungen qualifizieren, bestimmen § 83 Abs. 1 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 LWaG S-H den Schutz der Kiisten lediglich als offentliche Aufgabe. Ein Ruckgriff auf die rechtlichen Wertungen des Bundes- und Landesrechts scheidet nicht nur angesichts der abweichenden Normwortlaute, sondern auch deshalb aus, weil sich die bundesrechtlichen Regelungen nur auf oberirdische Gewasser beziehen und sich die Materie des Kustenschutzes in den §§ 83 ff. LWaG M-V und §§ 62 ff. LWaG S-H gegentiber den anderen landesrechtlichen Regelungen in den Wassergesetzen als lex specialis darstellt. (Vgl. Peine, Pravention, UTR 31 (95), S. 258) Dementsprechend gelten die Regelungen uber die Sicherung des Hochwasserabflusses in den §§ 78 ff. LWaG M-V ausschliefllich fur Binnengewasser, vgl. LTDrs. 1/1266, S. 109. So wurde zur Verdeutlichung des Charakters der Gewassunterhaltung als offentlichrechtliche Verbindlichkeit die Verpflichtung ausdriicklich in § 61 LWaG M-V auf genommen, vgl. LTDrs. 1/1266, S. 103. Zur rechtlichen Bedeutung einer Aufgabenzuweisung siehe Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 30 Rn. 19. BVerfG, Urteil vom 1.12.1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE 24, S. 367 (410). Zur geschichtlichen Entwicklung im Hinblick auf die Umwandlung vormals privatrechtlicher Verantwortung in Staatsaufgaben vgl. Kollmann, LWaG S-H, 8 62 Anm. 4.

13 Schutz besiedelter Flachen

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ist damit jedoch (noch) nicht verbunden. Diese entspringt der Aufgabenbestimmung erst in einem zweiten Schritt. Schutzauftrage des Staates sind namlich nicht als die nur freigestellte Moglichkeit des Tatigwerdens aufzufassen.8 In verfassungsrechtlicher Wertung ist vielmehr davon auszugehen, dass der Staat von den ihm eingeraumten Befugnissen im Bedarfsfalle auch Gebrauch macht.9 Die Aufgabenzuweisung entspricht insofern einer hoheitlichen Tatigkeit der offentlichen Verwaltung, die gleichwohl erhebliche Einschatzungsprarogativen beinhaltet.10 Die Verwaltung ist demnach nicht objektiv verpflichtet, die gesamte Kiiste durch MaBnahmen des Erosions- und Uberflutungsschutzes zu sichern, sie ist allerdings dazu ermachtigt." Die Aufgabenzuweisimg bildet insoweit den auBeren Rahmen, innerhalb dessen sich Raume fur Pflichten ergeben, die zur Erfullung der Aufgabe notwendig sind. Insoweit ware eine Aufgabenzuweisung, der nicht auch Pflichten entwachsen, wie eine Hiilse ohne Inhalt. In diesem Falle mussten die Pflichten aus objektiven Wertungen hergeleitet werden. Demgegeniiber werden die zur Erfiillung der Aufgabenzuweisung fur notwendig erachteten Pflichten in Bezug auf besiedelte Bereiche in § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H abschlieBend benannt. Im Unterschied zur rahmenbildenden Aufgabenzuweisung stellen sie sich als Schutzpflichtkonkretisierung dar. Sie fullen den Torso der Aufgabenzuweisung und sind als echte offentlich-rechtliche Verbindlichkeiten zu klassifizieren,12 auf die sich die Untersuchung im vorliegenden § 13 beschranken soil. Der rechtliche Gehalt dieser Verpflichtung entspricht somit der von Gewasserausbau und -unterhaltung an oberirdischen Gewassern.13 8 9 10 11

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Dietlein, Schutzpflichten, S. 32. Dietlein, Schutzpflichten, S. 32. So im Ergebnis auch Dahme, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 29 Rn. 6. Eindringlich Scherenberg, Die Gemeinde 80, S. 406. Sind mit der Aufgabenerfullung Eingriffe in Rechte Dritter verbunden, folgt die Ermachtigung freilich nicht aus der Aufgabenzuweisung, sondern z.B. aus der Anordnungsbefugnis des § 66 LWaG M-V. Vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, § 30 Rn. 18. So im Ergebnis auch Methling, Kilstenschutz Hiddensee, Rede auf der 49. Tagung des Landtages Mecklenburg-Vorpommern am 16.11.2000. Ahnlich Kollmann, LWaG S-H, § 63 Anm. 3 f., 7; Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 256. Trager dieser Sffentlich-rechtlichen Verpflichtung sind nach MaBgabe von § 83 Abs. 2 S. 1 LWaG M-V eigentlich die noch zu schaffenden Kiistenschutzverbande. Eine Bildung der Verbande ist, nicht zuletzt aufgrund finanzieller Erwagungen, gegenwartig jedoch nicht beabsichtigt (Auskunft von Herrn Zarncke, Umweltministerium M-V, Telefonat vom 19.02.2002). Lediglich Deiche, die ausschlieBlich dem Schutz landwirtschaftlicher Flachen dienen, fallen in den Aufgabenbereich von Unterhaltungsverbanden (Wasser- und Bodenverbande), sofern diese Deiche im Amtsblatt bekanntgemacht wurden. Die materielle Verpflichtung zum Kilstenschutz folgt daher weiterhin aus § 83 Abs. 2 S. 2 LWaG M-V, wonach fur die Durchfuhrung des Kustenschutzes der bisher Verpflichtete verantwortlich ist. Die fruhere Verantwortliche war die WWD Ktiste. Als deren Funktionsnachfolger ist nunmehr die oberste Wasserbehorde und damit das Land Mecklenburg-Vorpommern Pflichtentrager. Demgegenuber begrundet § 108 Abs. 1

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

//. Einschatzungsprarogative und Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG Der Staat hat aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eine umfassende Pflicht dahingegend inne, sich schiitzend und fordernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen.14 Das Pflichtengebot des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verlangt, der korperlichen Unversehrtheit ein vor den anderen Verfassungsgiitern besonderes Gewicht einzuraumen.15 Die grundechtlichen Schutzpflichten, so auch die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, sind in erster Linie verfassungsrechtliche Gefahren- und Storungsabwehrpflichten, die alle Staatsgewalten treffen.16 Diese konnen sich, in Abhangigkeit von Gefahrverursachung und Gefahrdungsgrad, zu konkreten Handlungspflichten verdichten.17 Die Verwaltung ist an Schutzpflichten ilber ihre Bedeutung als Ermessensdetermination gebunden. Fraglich ist, ob und in welcher Weite sich Einschatzungsprarogativen der offentlichen Gewalt im Hinblick auf die die korperliche Unversehrtheit sicherstellende Funktion der Schutzmafinahmen ergeben. Als gesichert kann gelten, dass den Staatsorganen ein Spielraum bei der Umsetzung der Pflichten im Hinblick auf Zweckdienlichkeit und Gebotenheit eroffnet ist.18 Dies folgt schon daraus, dass auch der Schutz der Rechtsgiiter des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG eines wertenden Ausgleichs mit anderen schutzwiirdigen Interessen, sowohl der Betroffenen selbst, aber auch Dritter oder der Allgemeinheit und Beachtung der grundgesetzlichen Werteordnung bedarf.19 Insoweit steht dem Gesetzgeber und der vollziehenden Gewalt ein Einschatzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu.20 Dessen Weite erschlieBt sich daraus, dass nicht jegliche Gefahr ausschlieflbar ist. Gewisse Restrisiken21 sind unvermeidlich und vom Einzelnen hinzunehmen. Selbst wenn in bestimmten Bereichen ein Null-Risiko theoretisch denkbar ware, bestiinde flir dessen Gewahrleistung keine Verfassungspflicht.22 Da dies selbst bei vom Menschen geschaffenen technischen Gefahrenquellen gelten soil, die zudem mit ungleich hoheren Schadenspotentialen verbunden sein

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Nr. 1 lit. a) LWaG M-V ausschlieBlich die BehSrdenzustandigkeit der STAUN, vgl. dazu insb. 6. Kapitel § 15 A. Nach § 63 Abs. 2 LWaG S-H obliegt der Ktistenschutz in Schleswig-Holstein ebenfalls dem Land. BVerfG, Urteil vom 15.10.1977 - 2 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, S. 160 (164). Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 944, 952. Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 949 f. So beschreibt Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 952, dass "Handlungspflichten nicht ausgeschlossen sind". BVerfG, Urteil vom 15.10.1977 - 2 BvQ 5/77- BVerfGE 46, S. 160 (164); Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 950. Lorenz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 128 Rn. 45. BVerfG, Urteil vom 29.10.1987 - 2 BvR 624, 1080, 2029/83 - BVerfGE 77, S. 170 (171,2. LS). Siehe dazu etwa Wagner, H., NJW 87, S. 411 (416 f.) und Hermes, Schutzpflichten, S. 237 ff. Stern, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 952 f.

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konnen,23 miissen Freizeichnungen bei unbeeinflussbaren Naturereignissen erst recht moglich sein, und zwar im groBeren MaBe als bei vom Staat mitzuverantworteten Gefahrdungen. Dabei ist vor allem anzuerkennen, dass es, insbesondere wenn es um Schutzpflichten vor Naturgeschehnissen geht, einfachgesetzliche Kodifikationen - am MaBstab des durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG gesteckten Schutzrahmens - Mufig nicht nur pflichtenkonkretisierend, sondern vor allem pflichtenerweiternd wirken diirften. Die gemaB § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H von den Landern iibernommene Pflicht zum Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten geht uber die Schutzpflicht, die dem Staat durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG als MindestmaB auferlegt wird, hinaus.24 Tendenziell ist deshalb davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG der Verwaltung eine weite Einschatzungsprarogative im Hinblick auf den Umfang der Erfullung der wasserrechtlichen Schutzverpflichtungen zukommt.

///. Rechtsnatur der Schutzpflicht Fraglich ist, ob aus einer Verletzung der offentlich-rechtlichen Verpflichtung aus § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H zum Schutze von im Zusammenhang bebauten Gebieten Anspriiche Dritter folgen konnen. Dazu lohnt zuerst ein Blick auf die Hochwasserschadensproblematik an oberirdischen Gewassern. Weitgehend anerkannt ist doit, dass die im Wortlaut des Pflichtumfanges mit den § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H vergleichbaren offentlich-rechtlichen Verpflichtungen zur Gewasserunterhaltung und zum Gewasserausbau rein objektiver Natur sind und keine drittschutzende Wirkungen beinhalten.25 DemgemaB konnen Anlieger keine Anspriiche zur Vornahme bestimmter Unterhaltungs- und AusbaumaBnahmen geltend machen, da der offentlich-rechtlichen Verpflichtung kein subjektives Recht einzelner korrespondiert.26 Hochwasserschutz als offentlich-rechtliche Verbindlichkeit soil ebenfalls auschlieBlich dem Interesse der Allgemeinheit dienen.27 Die vorrangige Bedeutung des Allgemeinwohlschutzes auBert sich auf Ebene des Primarrechts darin, dass der Einzelne keinen Anspruch auf Bau oder Unterhaltung bestimmter Schutz-

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Hier sei nur auf die mit der Atomkraft einhergehenden Risiken verwiesen. Vgl. dazu u.a. die Nachweise bei Wagner, H., NJW 87, S. 411 (416 f.); Lorenz, in: Isensee/Kirchhof, HbStR VI, § 128 Rn. 54. Siehe auch BVerfG, NJW 79, S. 359 (363). Das ergibt sich schon aus der Geschichte der Schutzpflicht aus § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H, vgl. dazu Kollmann, LWaG S-H § 63 Anm. 2 ff. BGH, Urteil vom 25.02.1993 - III Z R 9/92 - U P R 93, S. 296 (296), Haaser, Haftungsfragen, U T R 31 (95), S. 270 f.; Peine, Prevention, U T R 31 (95), S. 260; Dahme, in: Sieder/Zeitler/Dahme, W H G , § 29 Rn. 10; Breuer, Wasserrecht, Rn. 928 ff., 964. Dahme, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 29 Rn. 10. So die g.h.A. der wasserrechtlichen Literatur, vgl. Zeitler, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 31 Rn. 30; Breuer, Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 50; Peine, Prevention, UTR 31 (95), S. 260; Kollmann, LWaG S-H, § 83 Anm. 8.

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5, Kapitel Staatliche Schutzauftrage

anlagen herleiten kann.28 Zivilgerichtlich wird hingegen davon ausgegangen, dass die Verpflichtung zum Hochwasserschutz zugleich Komponenten des Individualschutzes verkorpert.29 Die Sicherung besiedelter Bereiche komme namlich auch den Eigentilmern der anliegenden Grundstiicke sowie deren Gesundheit zugute.30 Zwar soil der individualschiitzende Charakter nicht in originare Rechtspflichten umschlagen, so dass der Einzelne wiederum keine Ansprilche auf konkrete MaBnahmen herleiten kann. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung zum Hochwasserschutz eine Drittbezogenheit31 auf Sekundarebene entwickelt. Genauso liegt es an der Kuste: In § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H sind Rechtsansprilche Einzelner auf ein Tatigwerden der Verwaltung gesetzlich ausgeschlossen. Es verbleiben daher lediglich Sekundaranspriiche auf Schadenersatz, denen durch die Bezugnahme auf im Zusammenhang bebaute Bereiche aber eine Drittbezogenheit innewohnen diirfte.32 Von Interesse fur die Durchsetzbarkeit vorsorgender Strategien ist an dieser Stelle vor allem, ob in einer ex post Beurteilung Betroffene vom offentlichrechtlichen Trager der Hochwasserschutzlast Ersatz fur Uberschwemmungsschaden verlangen konnen.33 Fur die Beurteilung des Schutzumfangs ist maBgeblich, welche MaBnahmen die offentliche Hand zu ergreifen gehabt hatte, um solchen Ersatzanspriichen zu entgehen. Prinzipiell kommen Ersatzanspriiche geschadigter Burger aus Amtshaftung gemaB § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG und Ansprilche aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht.34 Uberdies sind Ansprtiche aus § 823 Abs. 1 BGB in Folge einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten35 denkbar. 28

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Breuer, Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 50 fur § 87 L W a G N-W. Die Norm ist gleichfalls keine Aufgabenzuweisung, sondern statuiert, wie auch § 83 Abs. 1 S. 3 L W a G M - V fur besiedelte Bereiche, Pflichten. Vgl. dazu im Ubrigen auch den Wortlaut von § 83 Abs. 1 S. 2 L W a G M-V. Fiir § 63 L W a G S-H ebenso Kollmann, L W a G S-H, § 83 Anm. 8. In Ausnahmefallen einen Rechtsanspruch nicht ganzlich ausschlieBend O V G Milnster, Urteil vom 29.03.1990 - 20 A 943/88 - ZfW Schrifttum und Rechtsprechung 90, S. 40 (40). Vergleiche Peine, Pravention, U T R 31 (95), S. 260. Haaser, Haftungsfragen, UTR 31 (95), S. 271 f. Zur Drittbezogenheit vgl. auch Czybulka/Jeand' H e w , JuS 92, S. 398 f. Individualisierungsmoglichkeit der potentiell Betroffenen, vgl. Czybulka/Jeand' Heur, JuS 92, S. 398. So beschreibt auch Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 38, die Fragestellung. BayOLG, Urteil vom 09.10.1989 - RReg. 2 Z 354/88 - BayVBl. 90, S. 58 (60); B G H VersR 70, S. 953; B G H VersR 82, S. 436; LG Aachen, VersR 92, S. 2 4 1 ; Haaser, Haftungsfragen, U T R 31 (95), S. 270 f.; Peine, Pravention, U T R 31 (95), S. 260. Primar dann, wenn man Amtspflichtverletzungen und Anspruche aus enteignenden und enteignungsgleichen Eingriffen bei unterhaltungsbedingten Schaden verneint. Siehe dazu Breuer, Offentliches Baurecht, Rn. 777. Allerdings sollen, entgegen der soeben genannten Auffassung von Breuer, Anspruche aus Verkehrssicherungspflichtverletzungen auch neben ausbaubedingten Anspruchen aus Amtspflichtverletzungen treten konnen.

§ 13 Schutz besiedelter Flachen

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IV. Sachlicher Schutzumfang Bevor die einzelnen Haftungsinstitute untersucht werden, bedarf es letztlich noch der Klarung, auf welche Bereiche sich die Schutzpflicht iiberhaupt erstreckt. Es geht mithin um die Frage, was siedlungstechnisch als im Zusammenhang bebaute Gebiete i.S.v. § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H zu verstehen ist. Nach zutreffender Ansicht muss es sich dabei um einen Komplex von Bauten handeln, die tatsachlich aufeinander folgen und zueinander in enger Beziehung stehen.36 Der Terminus „ im Zusammenhang" deutet auf eine gewisse GroBe der Ansiedlung hin. Nicht ausreichend ist eine Abfolge loser Schuppen.37 Ob bereits eine Anzahl von fiinf Wohnhausern dem Erfordernis der zusammenhangenden Bebauung genugt,38 durfte ebenfalls zu bezweifeln sein. Obgleich sowohl § 83 Abs. 1 S. 2 LWaG M-V als auch § 63 LWaG S-H lediglich eine existente Bebauung voraussetzen, ist eine Ansammlung unbewohnter Gebaude fur die Begriindung der Schutzpflicht nicht ausreichend. Aus dem Sinn der Normen lasst sich schlieBen, dass die staatliche Schutzpflicht auf Sachverhalte mit einigem Gewicht beschrankt werden sollte. Dies ware bei dauerhaft unbewohnten Gebieten nicht der Fall.39 Bei nicht endgultig verlassenen, aber langere Zeit nicht benutzten Wohn-, wie auch Wirtschaftsansiedlungen ware danach zu entscheiden, ob Reaktivierungen noch moglich und dahingehende Bestrebungen erkennbar sind. Bis eine schutzwiirdige Ansammlung in nur zeitweilig bewohnten Gebieten, wie z.B. in solchen fur Sommer- und Wochendhausern, erreicht ist, bedarf es schon aufgrund des geringeren Schadenspotentials zahlenmaBig hoheren Anforderungen. Das Merkmal der im Zusammenhang bebauten Bereiche in den § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H bezieht sich offensichtlich auf die tatsachlich vorhandene Bebauung. Grundsatzlich unbeachtlich mussen demnach die planungsrechtlichen Bezeichnungen der Gebiete40 und Bebauungszusammenhange bleiben, die sich erst im Zustand der Planung befinden.41 Schwarzbauten, die materiell rechtswidrig sind, ist die Eignung abzusprechen, die Schutz-

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Diese Option ausdrucklich eroffhend B G H , Urteil vom 01.06.1970 - III Z R 210/68 VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 7 1 , S. 45 (47), ebenso Haaser, Haftungsfragen, U T R 31 (95), S. 272. Demgegentiber sollen Anspriiche aus § 823 Abs. 2 B G B nach Salzwedel, ZfW 7 1 , S . I If. aufgrund des mangelnden Schutzgesetzcharakters der offentlichrechtlichen Verpflichtung regelmaBig ausgeschlossen sein. Kollmann, L W a G S-H § 63 Anm. 7. Zutreffend Kollmann, L W a G S-H § 63 Anm. 7. So jedenfalls Kollmann, L W a G S-H § 63 Anm. 7. So geht die Gesetzesbegriindung zu § 83 L W a G M-V, LTDrs. 1/1266, S. I l l von geschlossen besiedelten Flachen aus. Die Bezeichnung als Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB eignet sich gleichwohl als Indiz dafttr, dass noch kein Bebauungszusammenhang nach § 83 Abs. 1 S. 3 L W a G M - V u n d § 63 Abs. 2 S. 2 L W a G S-H besteht. Die endgiiltige Beurteilung richtet sich hingegen nach den tatsachlichen Gegebenheiten am Ort. Siehe dazu 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. b.

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pflichten aus § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H auslosen zu konnen. Sie konnen auch nicht in die Beurteilung, ob ein im Zusammenhang bebauter Bereich vorliegt, einbezogen werden.

B. Haftungsrechtliche Auswirkungen Im Folgenden werden, ausgehend von der umfangreichen Kasuistik, die zur Haftung fur Uberschwemmungsschaden an oberirdischen Gewassern ergangen ist, die haftungsrechtliche Lage an den Ktistengewassern untersucht und die sich aus den differierenden hydrologischen und geomorphologischen Gegebenheiten resultierenden Unterschiede herausgearbeitet.

/. Amtspflichtverletzungen Zunachst besteht bei Uberflutungs- und Abrasionsschaden an Kiistengewassern durch die Pflicht zur Sicherung von im Zusammenhang bebauten Gebieten42 die MQglichkeit eines Amtshaftungsanspruchs.

1. Anspruchsvorausetzungen a. Anwendungsvoraussetzungen und rechtliche Einordnung Anspriiche aus Amtspflichtverletzung ergeben sich, wenn es zum Hochwasserschutz Verpflichtete angesichts konkreter Handlungspflichten unterlassen, geeignete Abwehrmafinahmen zu ergreifen, urn die Schutzpflicht zu erfullen.43 Der Anspruch verlangt die rechtswidrig-schuldhafte Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht.44 Voraussetzung fur einen Haftungsgrund ist daher das Vorliegen von Schutzpflichten. Derartige Schutzpflichten werden an den Ktistengewassern fur im Zusammenhang bebaute Bereiche durch § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H begrilndet.45 Der Anspruch auf Amtshaftung ist darauf gerichtet, die Vermogenslage wiederherzustellen, die bestehen wiirde, wenn das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten ware. Damit gewahrt die Amtshaftung als Rechtsfolge den - verglichen mit Enteignungsanspriichen46

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Vergleiche § 83 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 S. 2 LWaG S-H sowie 5. Kapitel § 13 A. So grundsatzlich BGH, Urteil v o m 01.06.1970 - I I I Z R 2 1 0 / 6 8 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 7 1 , S. 45 (47); ahnlich OLG Karlsruhe, Urteil v o m 07.03.1973 - 1 U 1/72 - VersR 73, S. 1073 (1073 f.). Ganz a.A. hingegen Sakwedel, ZfW 7 1 , S. 6. Vergleiche allgemein zu den Hafrungsvoraussetzungen Czybulka/Jeand' Heur, JuS 92, S. 396 ff. Siehe 5. Kapitel § 13 A. I. und 5. Kapitel § 13 A. III. Diese bieten lediglich Substanzschutz, vgl. dazu sogleich.

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und Anspriichen aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten47- umfanglichsten Schadenersatz. Problematisch ist die Einordnung von Schadenseintritten, deren Ursachen in natiirlichen Vorgangen zu suchen und gleichzeitig von Gewasserunterhaltungspflichten umfasst sind.48 Hier ist zu differenzieren: Ausgehend von der Erkenntnis, dass hochwasserschutzrelevante Unterhaltungspflichten Amtshaftungsansprilche nach sich ziehen konnen, sollten natiirliche Veranderungen, wie z.B. Verkrautungen, die einer Beseitigungspflicht durch den Trager der Unterhaltslast anheimfallen, als Amtspflichtverletzung aufgefasst werden.49 Dagegen waren vom Unterhaltstrager geschaffene Gefahrdungen, wie Wassereinbauten, Briickenpfeiler, Wehre und Schleusen, die ihrerseits das Abflussverhalten beeintrachtigen, als Anlagen zu charakterisieren, die Verkehrssicherungspflichten erzeugen.50 Tatbestandliche Beispiele fur Amtspflichtverletzungen konnen z.B. in einem nichterfolgten Ausbau eines Fliefigewassers zweiter Ordnung,51 in einem unzureichendem Ausbau in Zusammenhang mit einer unsachgemaflen Verdolung52 oder in einer fehlerhaften Errichtung bzw. in einer unzureichenden Dimensionierung eines (Abwasser-)Kanals53 zu sehen sein, mit der Folge, dass die Gewasser bei starken Niederschlagen tlber die Ufer treten und dadurch Schaden bei den Anliegern verusachen.54 Als klassischer Fall einer Amtspflichtverletzung stellen sich nicht vorgenommene Deicherhohungen an pflichtgemaB ausgebauten Flussabschnitten dar, sofern die anderen Uferstrecken des betreffenden Abschnittes be47 48

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Beschrankt auf den Schutz absoluter Rechte aus § 823 Abs. 1 BGB. Z u denken ist hier an Uberschwemmungen, d i e sich infolge von Verstopfungen oder Verkrautungen der Gewasser gebildet haben. Ahnlich BGH, Urteil vom 01.06.1970 - III ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (45 f). Siehe dazu auch die Aufstellung von UnterhaltungsmaBnahmen bei Peine, Prevention, UTR 31 (5), S. 255, der insoweit die an dieser Stelle einzuordnenden naturbedingten Unterhaltungspflichten anschaulich auflistet. Fur Durchlassverstopfungen an Brucken ebenso L G Aachen, Urteil v o m 14.03.1990 - 4 O 559/89 - VersR 92, S. 242 (242). Begreift man die Amtshaftung als Privileg der offentlichen Hand, sind auch unter Wertungsgesichtspunkten zutreffende Ergebnisse zu erwarten. Schliefilich erscheint eine Haftungsprivilegierung bei Unterlassenstatbestanden im Gegensatz zur Schaffimg von Gefahrdungslagen mehr als angebracht. OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.03.1973 - 1 U 1/72 - VersR 73, S. 1073 (1073 f.), allerdings mit dem Ergebnis mangelnder Vorwerfbarkeit der Pflichtverletzung. BGH, Urteil vom 12.01.1982-III ZR 111/80 - VersR 82, S. 436 (437), daneben aber auch die Option von Anspriichen aus enteignungsgleichem Eingriff offen haltend. BGH, Urteil vom 22.04.2004 -III ZR 108/03 - DVB1. 04, S. 948 (950), im Urteil verneint. Gleiches gilt fur das pflichtwidrige Dulden einer von dritter Seite bewerkstelligten unsachgemafien Bachverrohrung durch den eigentlichen Unterhaltspflichtigen, und zwar erst recht, wenn trotz mehrerer Uberschwemmungen die Storer nicht aufgefordert wurden, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Siehe OLG Milnchen, Urteil vom 25.01.1990 - 1 U 2558/89 - VersR 91, S. 776 (777) = Wasserwirtschaft 91, S. 605 (606).

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reits mit hoheren Freiborden ausgestattet wurden und sich das Hochwasser deshalb in Bereiche ergieBt, die mangels einzelner Aufstockungen zwangsweise tiberspiilt werden.55 Amtshaftungsansprtiche kommen ebenfalls dann in Betracht, wenn Uberschwemmungen auf unterdimensionierte Rtickhaltebecken oder abflussbeeintrachtigende Verkrautungen und Verschlammungen zuruckzufuhren sind.56 b. Das Haftungskorrektiv der Zumutbarkeit Hochwasserschaden sollen nur dann Ersatzanspriiche auslosen konnen, wenn die Errichtung und Unterhaltung von Schutzanlagen trotz prinzipiellem Bedurfnis fur den Verpflichteten zumutbar sind. Das setzt im Bereich des Unterlassens voraus, dass erkennbar gebotene, durchfuhrbare und wirtschaftlich zumutbare MaBnahmen des Hochwasserschutzes nicht oder verspatet ausgefuhrt oder dass verfehlte MaBnahmen vorgenommen wurden und dass dies schuldhaft, d.h. unter AuBerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, geschehen ist.57 Die Trager der Hochwasserschutzlast sind jedenfalls nicht verpflichtet, ein Sicherungsniveau zu schaffen, welches absoluten Schutz bietet.58 Im Grunde ist die Zumutbarkeit der Pflichterfullung nur Ausdruck des sog. Vorbehalts des Moglichen59 und letztlich nichts anderes als die Formulierung des VerhaltnismaBigkeitsprinzips auf Ebene der fmanziellen Leistungsfahigkeit des Staates. Die Begrenzung der Hochwasserschutzverpfiichtung auf ein vertretbares, den Zumutbarkeitskriterien entsprechendes MaB hat seine Ursache nicht zuletzt im Charakter der Pflichtigkeit als territorial weit ausholender Flachenschutz. GroBraumigen staatlichen Schutzverpfiichtungen ist eine wesensimmanente Schranke auf das vernilnftigerweise Gebotene eigen. Letzteres ist Voraussetzung dafur, dass die Verpflichtung, bezogen auf den zu schtitzenden Raum, in relativer Hinsicht iiberhaupt erfullbar ist. Zur Beurteilung der Zumutbarkeit ist von dem MaB der latenten Gefahrdung, der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit und des praktisch Moglichen60 auszugehen.61 In die Einschatzung soil eingestellt werden, dass es 55 56

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Fur ausgebaute Wildbachstrecken: OLG Munchen, Urteil v o m 23.11.1993 - 2 Z R R 153/92 - N u R 94, S. 366 (368) = N V w Z 94, S. 1139 (1140) = ZfW 95, S. 105 (108 f.). BGH, Urteil v o m 01.06.1970 - I I I Z R 2 1 0 / 6 8 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 7 1 , S. 45 (45 f.). In diese Fallgruppe waren ferner auch Schaden zu verorten, die infolge des pflichtwidrigen Unterlassens von Hochwasserwarnungen durch Mitarbeiter der Katastrophenschutzbehorde eintreten, BGH, Urteil v o m 27.01.1994 - I I I Z R 1 0 9 / 9 2 VersR 94, S. 935 (936 f.). Im konkreten Fall wurde ein Durchgreifen des Anspruchs mangels Pflichtwidrigkeitszusammenhangs allerdings abgelehnt. OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.03.1973 - 1 U 1/72 - VersR 73, S. 1073 (1074); OLG Munchen, Urteil vom 25.01.1990 - 1 U 2558/89- VersR 91, S. 776 (777) = Wasserwirtschaft 91, S. 605 (605). Grundlegend BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (956) = ZfW 71, S. 45 (51). OLG Celle, Urteil vom 19.05.1987 - 16 U 100/86 - VersR 89, S. 484 (485). Vergleiche zur Begrifflichkeit Kirchhof, HbStR III, § 59 Rn. 79. Siehe insbesondere OLG Karlsruhe, Urteil v o m 07.03.1973 - 1 U 1 / 7 2 - VersR 7 3 , S. 1073 (1074), vgl. dazu auch Fn. 80. OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.03.1973 - 1 U 1/72 - VersR 73, S. 1073 (1074).

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sich bei der Materie des Hochwasserschutzes urn eine schwierige, komplexe und verwickelte Aufgabenstellung handelt, die es gilt, nach alien Seiten abzuwagen.62 Insbesondere seien die Kosten der AbwehrmaBnahmen in Relation zum befurchteten Schaden zu setzen.63 Dem zum Schutz Verpflichteten steht innerhalb der Aufgabe, den Hochwasserschutz zu bewirken, mithin ein weiter Ermessensspielraum zu, in dem er die Gesamtheit der dafur notwendigen technischen, rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Anforderungen in Bezug zu den in dieser Hinsicht vertretbaren Losungsmoglichkeiten setzen kann. Dementsprechend wird davon ausgegangen, dass die hochstrichterliche Rechtsprechung seit dem bereits mehrfach zitiertem //fer-Urteil64 maBgeblich davon getragen ist, die Hochwasserschutzpflichtigkeit auf ein vertretbares MaB zu reduzieren.65 Dazu ist anhand der genannten Abwagungskriterien grundsatzlich zwischen tolerablen und intolerablen Hochwasserrisiken zu unterscheiden.66 Schutzanlagen mussen nach Art und Umfang nicht dem hochsten denkbaren Extremereignis entsprechen, sondern lediglich bestimmten Wiederkehrzeiten, die je nach Ausgestaltung des Einzelfalls zwischen 30, 50 oder 100 Jahren liegen.67 Von vornherein nicht hochwasserschutzpflichtig sind Uberschwemrnungen, die sich im Gefolge von Naturkatastrophen, Jahrhunderthochwassern oder ahnlichen Ausnahmesituationen ergeben.68 Schaden, die durch Hochwasser eintreten, deren Scheitelwerte ilber den Hochstwasserstanden der statistischen Maximalereignisse liegen, sind insoweit als tolerable Hochwassergefahrdungen hinzunehmen.69

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BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (956) = ZfW 71, S. 45 (50 f.). BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68- VersR 70, S. 953 (956) = ZfW 71, S. 45 (50 f.). Auf das wirtschaftlich Zumutbare stellt nochmals BGH, Urteil vom 28.01.1982 - III ZR 111/80 - VersR 82, S. 436 (438) ab. BGH, Urteil vom 01.06.1970 - III ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 ff. = ZfW 71, S. 45 ff. Ahnlich auch Salzwedel, ZfW 7 1 , S. 7. Salzwedel, ZfW 71, S. 8. Vergleiche dazu BayOLG, Urteil vom 09.10.1989 -RReg. 2 Z 354/88 - BayVBl. 90, S. 58 (59) und BayVGH, Urteil vom 19.02.1992 - 2 2 B 90.1322- ZfW 92, S. 499 (499 f.): MaBstab ist das 100-jahrliche Hochwasser. Dagegen geht das OLG Celle, Urteil vom 19.05.1987 - 16 U 100/86- VersR 89, S. 484 (485) von der MaBgeblichkeit eines 50-jahrlichen Hochwassers fur die Bemessung von Schutzanlagen aus. Der BGH, Urteil vom 28.01.1982 - III ZR 111/80 - VersR 82, S. 436 (437) tendiert wohl zu der Auffassung, dass die wasserwirtschaftlichen Plammgen jedenfalls nicht mehr einem 100-jahrlichen Hochwasserereignis zu entsprechen brauchten, im Ergebnis allerdings offen gelassen. Siehe auch weiter bei Salzwedel, ZfW 71, S. 8 ff.; Haaser, Haftungsfragen,UTR31(95), S. 272. BGH, Urteil vom 22.04.2004 -III ZR 108/03 - DVB1. 04, S. 948 (949); Salzwedel, ZfW 71, S. 8. Salzwedel, ZfW 71, S. 10. Wiederkehrzeiten von 1,5 bis 7, hochstens 14 Jahren konnen intolerabel sein, vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004 - III ZR 274/03 - DVB1. 04, S. 945 (946).

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

Zu den tradierten wirtschaftlichen Erwagungen gesellen sich zunehmend solche okologischer Art. Allerdings sollen die mittlerweile hohergewichteten Belange des Naturhaushaltes innerhalb der Wasserwirtschaft70 den Umfang der Hochwasserschutzpflichtigkeit selbst nicht einschranken.71 Aber ausgehend von der Erkenntnis, dass einerseits gerade der hochwasserschutzbezweckende Ausbau von FlieBgewassern die Anzahl und Schwere von Schadensereignissen maBgeblich negativ beeinflusste und andererseits naturbelassenen Fliissen eine herausragende Bedeutung fur den Naturhaushalt zukommt, wird okologischen Gesichtspunkten im Rahmen der Zumutbarkeit zukilnftig eine starkere Bedeutung beizumessen sein.

2. Anwendung auf die Kustengewasser a. Boddenkuste aa. Grundsatzliche Schutzpflicht An der Boddenkuste sind die hydrologischen Verhaltnisse wahrend der Normalsituation teilweise mit denen von langsam flieBenden oberirdischen Gewassern vergleichbar. Der Umfang der Schutzpflicht wird sich daher an dem des Binnenlandes orientieren konnen. Die Pflicht zur Sicherung bebauter Bereiche entspringt wirtschaftlichen, soziokulturellen und eigentumsrechtlichen Erwagungen. Im besiedelten Bereich ist ein GroBteil der materiellen Werte und damit des Risikopotentials konzentriert. Zudem lassen kulturelle und soziale Gilter einen umfanglichen Schutz notwendig erscheinen. Uberdies bergen tfberflutungen im besiedelten Bereich die grofiten Gefahren fur die menschliche Unversehrtheit. Ersatzanspriiche aus der Verletzung von Amtspflichten waren zunachst dann gegeben, wenn bei SchutzmaBnahmen der Verwaltung Unzulanglichkeiten auftreten. Dies ware etwa dann der Fall, wenn durchgefuhrte SchutzmaBnahmen nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Zu denken ist an unzureichende Dimensionierungen bei der Errichtung und Unterhaltung von Deichen sowie an Ringeindeichungen, bei denen Teile der Deichtrassen keine einheitiche Kronenhohe aufweisen wiirden und es daher zu Wassereinbrilchen kame. Amtshaftungsanspriiche griffen mithin regelmaBig unter der Pramisse, dass die Wasserbehorden zur Erfullung ihrer Verpflichtung tatig werden, bei der konkreten Ausfuhrung jedoch fehlerhaft handeln. Eine andere Frage ist es, ob und warm die Wasserbehorden iiberhaupt zum Tatigwerden verpflichtet sind. Jenseits des eben beschriebenen fehlerhaften Handelns unterliegt die Initiierung von KtistenschutzmaBnahmen und die konkrete Ausfuhrung umfangreichen Zumutbarkeitserwagungen. bb. Zumutbarkeitserwagungen Im Rahmen der grundsatzlichen Verpflichtung zum Schutz bebauter Bereiche ist auf ein verniinftiges Verhaltnis zwischen notwendigen Investitionen auf der einen Seite und den Schadensrisiken auf der anderen Seite zu achten.72 70 71

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Vergleiche dazu exemplarisch die Ausfuhrungen im 4. Kapitel § 11 B. V G H Kassel, Urteil vom 26.02.1997 - 7 U E 2907/94 - N V w Z - R R 97, S. 612 (613) in Bezug auf § 59 Abs. 1 HessWG. Salzwedel, ZfW 7 1 , S . 10.

§ 13 Schutz besiedelter Flachen

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Zunachst soil nochmals betont werden, dass der Schutz vor tolerablen, d.h. jenseits der hundertjahrlichen Wiederkehr liegenden Hochwasserereignissen grundsatzlich nicht der staatlichen Schutzpflicht unterfallt.73 Unter wertenden Gesichtspunkten konnten sich eingeschrankte Schutzauftrage jedoch dann ergeben, wenn infolge von katastrophenartigen Ereignissen erhebliche Rechtsguter, vor allem Leben und Gesundheit, wesentlich gefahrdet wlirden, und eine Gefahrminimierung moglich ist. Selbst bei intolerablen Jahrhundertereignissen wtirden an den Boddenkilsten aller Voraussicht nach keine dauerhaften Verluste an Grundeigentum zu beklagen sein. Abrasionsprozesse finden nicht statt. Nach Zuriickschwingen der Wassermassen werden uberflutete Bereiche wieder freigegeben.74 Ringeindeichungen konnen von u.U. eingeflossenem Wasser durch Abpumpen befreit werden. Der Schutz der korperlichen Unversehrtheit kann in Extremfallen schon im Vorfeld durch Warndienste und Evakuierungen sowie durch hohergelegene Schutzraume auch dann gewahrt werden, wenn bei ilberschweren Sturmfluten Deichanlagen ubersplilt wiirden.75 Im Ergebnis wird man davon auszugehen haben, dass sich auch bei Beriicksichtigung der hydrologischen Bedingungen an den Boddengewassern keine staatliche Pflicht zum Schutz vor schwerstmoglichen Sturmfluten folgt. Der Schutz vor intolerablen, d.h. unterhalb der Bemessungshochwasserstande liegenden Hochwasserereignissen kann ebenfalls nicht absolut, sondern nur unter wirtschaftlicher Kalkulation gewahrleistet werden.76 Ereignisbezogen statuiert die Pflicht zum Schutz von im Zusammenhang bebauten Ortschaften MaBnahmen des Hochwasserschutzes, die ein fiinzig- bis hundertjahrliches Hochwasserereignis abwehren konnen.77 Aufgrund des Nichtvorhandenseins geomorphologischer Prozesse an den Boddengewassern kommen fur die Erfiillung des Schutzziels ausschlieBlich Anlagen des Uberflutungsschutzes wie Deiche, Damme und Sperrwerke in Betracht. Teile der bebauten Gebiete an den Boddenkiisten - insbesondere seit alters her gefahrdete Ortschaften - sind bereits seit langerer Zeit durch Anlagen des Uberflutungsschutzes vor Sturmfluten geschiitzt.78 Die Schutzpflicht impliziert hier die Unterhaltung und den Ausbau auf die zur Sicherung von kleinen bis mittelschweren Schadensereignissen notwendigen BHW entsprechend der statistischen Wiederkehr von fiinzig bis einhundert Jahren.79 Eine Vielzahl von Boddengemeinden diirften durch die vorhandenen Anlagen gegen derartige Risiken bereits eine gewisse Grundsicherung erfahren. Die mit der Hochwasserschutzpflicht einhergehende Ausbauverpflichtung erfordert insoweit vorrangig Ausbesserungs73 74 75 76

Siehe den vorhergehenden Abschnitt und insbesondere Fn. 67 und 68. Ausfuhrlich im 1. Kapitel § 3 B. II. Siehe zu diesem Problemkreis schon die Ausfiihrungen im 3. Kapitel § 10 C. HI. 3. b. Vergleiche dazu das 7«er-Urteil des BGH, Nachweis in Fn. 64, und Salzwedel, ZfW 7 1 , S. 10.

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Entsprechend der Nachweise in Fn. 67. Vergleiche z.B. die Darstellung der vorhandenen Schutzanlagen im Generalplan Ktisten- und Hochwasserschutz M-V im dortigen Kartenwerk. Als ungefahrer Mittelwert entsprechend der Nachweise in Fn. 67.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

und VerstarkungsmaBnahmen. Bei noch ungesicherten Ortslagen kommt prinzipiell auch der Neubau von Deichanlagen in Betracht. Die Pflicht zur Sicherung reduziert sich in Ortschaften, deren Zentrum sich etwa durch Hafen- und Kaianlagen unmittelbar an der Kiistenlinie befindet und in denen die Errichtung von Deichsystemen an der Geschlossenheit der vorhandenen Bebauung scheitert bzw. maBgeblich erschwert wiirde. Wirtschaftliche und kulturelle Notwendigkeiten, wie z.B. der freie Zugang zu den Hafenanlagen, eigentumsrechtliche Hindernisse oder stadtebauliche Erwagungen wirken insoweit pflichtenbegrenzend. Der Pflichtenumfang wird hier durch die Macht des Faktischen begrenzt.80 Die unmittelbare Kiistenbezogenheit als Ausdruck einer situationsbedingten Vorbelastung sowie die damit verbundenen wirtschaftlichen und ideellen Vorteile implizieren insoweit das Hinnehmen groBerer Risiken. Vereinzelt wird vertreten, dass es geboten sein kann, bestimmte Bereiche von HochwasserschutzmaBnahmen ganz auszunehmen um stattdessen bei Schadenseintritt die am hartesten Betroffenen nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entschadigen.81 Im Widerschein der eben angestellten tiberlegungen und angesichts der territorial sehr umfanglichen Schutzverpflichtung sollte eine solche Vorgehensweise auch an den Kustengewassern moglich sein. Nicht zuletzt sind in die Erwagungen nach der Zumutbarkeit von HochwasserschutzmaBnahmen okologische Wertungen einzustellen. Die Boddenkiiste ist als unverbaut, d.h. in Ansehung der FlieBgewasser als relativ naturbelassen einzustufen. Naturgegeben ist der Umfang der staatlichen Schutzpflichten vermindert, sofern nur ein geringer Ausbaugrad vorherrscht.82 tFberdies haben sich die Errichtung und wesentliche Umgestaltung von Deichen im Interesse des Kustenschutzes ilber die Verweisungen in den §§84 Abs. 1, 72 Abs. 1, 68 Abs. 1 LWaG M-V an den Vorgaben des § 31 WHG und damit an § la WHG zu messen. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 LWaG M-V unterliegen auch MaBnahmen im Interesse des Allgemeinwohls der Wahrung der Funktionsfahigkeit des Wasserhaushaltes im Wirkungsgefuge des Naturhaushaltes.83 Kiistenschutz als Allgemeinwohlbelang hat 80

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83

So verneinte das O L G Karlsruhe, Urteil v o m 07.03.1973 - 1 U 1 / 7 2 - VersR 7 3 , S. 1073 (1074) die Moglichkeit einer Verminderung der Hochwassergefahr durch Verbreitern oder Vertiefen eines Flussbettes wegen einer engen Verbauung innerhalb der Ortslage. Salzwedel, ZfW 11, S. 10. Vergleiche dazu OLG Miinchen, Urteil vom 23.11.1993 - 2 Z RR 153/92 - NuR 94, S. 366 (368) = NVwZ94, S. 1139 (1140). In dem Urteil wird festgestellt, dass bei Schutzpflichten, die den Staat selbst treffen, der Schutz der Anlieger ,,jedenfalls bei ausgebauten Gewassern nicht geringer ausfallen kann, als bei Gewassern, an denen die Unterhaltung den Bezirken, Gemeinden oder anderen Personen obliegt". Diese anderen Gewasser sind nach § 62 BayWG nicht ausgebaute Gewasser. Im Umkehrschluss lasst die Aussage in der Tendenz eine Verminderung der Schutzpflicht bei naturbelassenen Gewassern zu. Zur Bedeutung okologischer Aspekte im Wasserrecht siehe insbesondere schon 4. Kapitel § 11 B. III.

13 Schutz besiedelter Flachen

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sich somit zugleich an den okologischen Grenzen der Gewasser zu orientieren. Insoweit ist vor allem an Ausfiihrungsalternativen zu denken. cc. Fazit Zusammenfassend sei angemerkt, dass man angesichts einer hohen Anzahl von potentiell uberflutungsgefahrdeten Boddengemeinden den staatlichen Schutzumfang zugunsten besiedelter Bereiche nicht iiberdehnen kann und in einen Flachenschutz umdeuten konnen wird. Die kommunalen Akteure sind daher gehalten, ihre Siedlungsentwicklung auf die bereits bebauten oder erschlossenen Flachen zu konzentrieren. MaBstab der weiteren Entwicklung muss die Praktikabilitat des Hochwasserschutzes sein. Insoweit ist die Errichtung neuer baulicher Anlagen vorrangig in Bereichen anzusiedeln, die bereits gegenwartig durch Deiche geschiltzt sind. Sollten Flachen dartiber hinaus erschlossen werden, kann dies nur unter strikter Beachtung eines effektiven Schutzes geschehen. Dazu gehort auch die Verlagerung zukiinftiger Siedlungstatigkeiten in haufig hoher iiber dem Meerespiegel gelegene riickwartige Ortslagen. Damit impiliziert die staatliche Verpflichtung zum Schutz bebauter Gebiete gleichzeitig Inhalte vorsorgender Kustenschutzstrategien. Die Gemeinden haben hier anzuerkennen, dass eine Uberstrapazierung der staatlichen Schutzpflicht sehr schnell zur Unzumutbarkeit ihrer Erfullung fuhren kann. Sie sind daher im eigenen Interesse gehalten, selbstandig ihre Entwicklung in Richtung eines vorbeugenden Hochwasserschutzes zu steuern. Jb.

Aulienkiiste

aa. Grundsatzlicher Schutzumfang Betrachtet man nun die hydrodynamischen und geomorphologischen Verhaltnisse an der AuBenkuste, werden erhebliche Unterschiede zu den Gegebenheiten an oberirdischen Gewassern des Binnenlandes, aber auch zu den inneren Kiistengewassern, deutlich. Zu den Gefahrdungen, die wie an den Bodden durch Uberflutung drohen, gesellen sich geomorphologische Veranderungen. Diese standig wirkenden Prozesse verursachen an iiber drei Viertel der AuBenkuste einen stetigen und unaufhaltsamen Rilckgang der Uferlinie von im Mittel 0,25 m im Jahrhundert.84 MaBnahmen zum Schutz vor Uberschwemmungen, etwa Deiche und Diinen, konnen ein gewisses MaB an Bestandigkeit nur durch gleichzeitige Sicherung der vor ihnen liegenden Uferzonen von Strand, Vorstrand und Schorre durch MaBnahmen des Erosionsschutzes entfalten.85 Damit uberlagern dauerhafte und unwiederbringliche Verluste von Landflachen an der AuBenkuste die Problematik des auf singulare Extremereignisse ausgerichteten Uberflutungsschutzes an den Boddengewassern. Die Schutzrichtung ist demgemaB nur sekundar auf die Verhinderung von reversiblen Uberfiutungsereignissen, sondern primar auf die Bewahrung der Landmasse gerichtet.

84 85

Siehe z u d e n Zahlen nochmals LTDrs. 1/1266, S. I l l u n d ausftihrlich 1. Kapitel § 3 B. I. 2. Ausflihrlich im 1. Kapitel § 4 B. III. 2.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

Zunachst gilt fur den Umfang der rechtlichen Schutzpflicht grundsatzlich das zu den besiedelten Bereichen an der Boddenkilste Ausgefuhrte. Namentlich kommen auch an der AuBenkuste Anspriiche aus Amtspflichtverletzungen aufgrund fehlerhafter MaBnahmen des Uberflutungsschutzes in Betracht. Zu den ebenfalls im Wesentlichen iibertragbaren Einschrankungen der Schutzpflicht, die sich an den Boddengewassern aus Zumutbarkeitserwagungen ergeben, treten an der Aufienkilste, geschuldet den besonderen natiirlichen Prozessen, weitere, den Schutzumfang begrenzende Faktoren hinzu. bb. Pflichtenbegrenzung kraft objektiver Situation An der AuBenkuste ist als unbedingte Voraussetzung fur die Gewahrleistung eines mittel- bis langfristig funktionierenden Uberflutungsschutzes zunachst ein in situ wirkender Schutz vor Erosion erforderlich. Wie bereits gezeigt,86 wohnt den MaBnahmen des Erosionsschutzes hingegen eine nur sehr geringe Effektivitat inne. Selbst die punktuelle Sicherung von Kiistenabschnitten mit negativer Sedimentbilanz stellt sich als auBerst aufwendig und kostenintensiv dar. Insoweit bedarf nicht nur der rechtliche Umfang der staatlichen Schutzpflicht an der AuBenkuste, sondern auch die Formulierung des Schutzziels weitergehenden Modifzierungen als an den Ufern der Boddengewasser. Anders als an der Binnenkuste kann es an den Abrasionsgebieten der AuBenkuste nur um die zeitlich begrenzte Erhaltung des status quo gehen. Insoweit wird die Pflicht zur Sicherung besiedelter Bereiche primar die kurz- bis mittelfristige Bewahrung der vitalen menschlichen Interessen in den vom Landabtrag unterworfenen Gebieten umfassen. An der AuBenkuste dilrfte sich die Pflicht des Landes daher hauptsachlich auf die Gewahrleistung der korperlichen Unversehrtheit der Bewohner beschranken. Der Schutz von Grund- und Sacheigentum muss hier an die zweite Stelle treten.87 Zwar verbinden SchutzmaBnahmen wie Sedimentaufspiilungen, Wellenbrecher, Dtoen und Deiche mittelfristig sowohl die vitalen, als auch die materiellen Interessen der Kustenbewohner. Das darf jedoch nicht dariiber hinwegtauschen, dass sich das gegenwartig vorhandene Schutzniveau mit vertretbarem Aufwand nicht dauerhaft halten lassen wird. Der Vorbehalt des Moglichen88 reduziert die Pflicht zur Kiistensicherung nicht nur aus finanziellen Zumutbarkeitserwagungen, sondern unabhangig davon schon aus den faktischen Gegebenheiten. Vorliegend geht es um ursachenseitig steuerungsunfahige und wirkungsseitig im Wesentlichen unbeeinflussbare Naturvorgange. Die Pflicht zur Erfullung einer Verbindlichkeit kann indes nur soweit gehen, wie das technisch Machbare Steuerungen ermoglicht. Durch Riickgriff auf staatliche Schutzpflichten lassen sich auch keine Bestandsschutztatbestande herleiten. Der in Art. 14 GG verbriefte Schutz des EigenAusfuhrlich im 1. Kapitel § 4 C. So im Ergebnis auch: OVG Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - NuR 98, S. 558 (560); bestatigt durch BVerwG, Beschluss vom 12.03.1998 - 6 B 10/98 - NuR 98, S. 543 f. Siehe schon den vorherigen Abschnitt und Fn. 59.

§ 13 Schutz besiedelter Flachen

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tumsbestandes vor staatlichem Zugriff schlieBt nicht die Pflicht zu bestimmten SchutzmaBnahmen fur faktische Bedrohungen des Eigentums Einzelner ein.89 Die staatlichen Schutzpflichten mtissen sich der Abwehrfunktion des Grundrechts zuordnen lassen.90 Bestandsgarantie und Abwehrrecht aus Art. 14 GG schiitzen nur vor staatlichen MaBnahmen.91 Auswirkungen des Naturhaushaltes sind hiervon gerade nicht erfasst.92 Damit konnen gegeniiber Beeintrachtigungen des Eigentums, die lediglich Ausfluss natiirlicher Prozesse sind, keine Bestands- oder Abwehrrechte geltend gemacht werden. Die konkreten Inhalte der staatlichen Schutzpflicht zur Sicherung besiedelter Bereiche lasst sich fur die AuBenkiiste mithin nur unter Anerkennung der langfristigen Unbeeinflussbarkeit der durch hydrologische und klimatische Faktoren vorgezeichneten Veranderungen der Ktistenlandschaft herleiten. Bereits jenseits von VerhaltnismaBigkeitserwagungen wirken daher die geomorphologischen Vorgange pflichtbegrenzend, und zwar absolut und ohne wertenden Betrachtungen eroffhet zu sein. cc. Zumutbarkeitserwagungen Neben der Kraft der objektiven Bedingungen wird die Pflicht zum Schutz der Gebiete vor den Einwirkungen des Meeres wiederum durch die Zumutbarkeit beschrankt. Zunachst beinhaltet eine offentlich-rechtliche Verbindlichkeit, wie die zur Sicherung der Kiiste, das Erfordernis einer bestmoglichen Erfullung im Rahmen dessen, was vertretbar ist. Daraus folgt, dass auch bei etwaiger Unzumutbarkeit einer allumfassenden Pflichterfullung versucht werden muss, der Aufgabenstellung wenigstens im Wesentlichen gerecht zu werden. Bezogen auf die AuBenkiiste bedeutet dies die vorrangige und moglichst langfristige Sicherung der bevolkerungsreichsten sowie kulturhistorisch und wirtschaftlich bedeutsamsten Siedlungen. Damit einher geht die Beurteilung nach der finanziellen Vertretbarkeit der SicherungsmaBnahmen. Im Interesse einer moglichst effektiven Pflichterfullung ist bei der Beurteilung konkreter SchutzmaBnahmen deren monetarer Aufwand zu beriicksichtigen. Insoweit ist es legitim, bestimmte SchutzmaBnahmen auf Siedlungen zu konzentrieren, deren Sicherung langfristig finanziell vertretbar erscheint. Demgegeniiber kann die Notwendigkeit bestehen, im Einzelfall den Schutz von Ansiedlungen zuriickzustellen, wenn ein dauerhafter Schutz in Anbetracht der Gesamtfinanzierangslage nicht vertretbar ist.93 In diesem Zusammenhang ist ferner zu beriicksichtigen, dass die Anlagen des Erosionsschutzes mit negativen Auswirkungen auf benachbarte Uferabschnitte verbunden sind. Fiihren erosionsbeeinflussende Einbauten an Vorstrand und 89

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Heidenreich/Tausch, N u R 92, S. 215. Im Ergebnis ahnlich: O V G Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - N u R 98, S. 558 (560); bestatigt durch BVerwG, B e schluss vom 1 2 . 0 3 . 1 9 9 8 - 6 B 1 0 / 9 8 - N u R 98, S. 543 f. Stem, Staatsrecht, Bd. HI/1, S. 728. Bohmer, NJW 88, S. 2563 f.; Heidenreich/Tausch, NuR 92, S. 215. Vergleiche Stem, Staatsrecht, Bd. III/l, S. 740 ff.; Heidenreich/Tausch, NuR 92, S. 215. So im Ergebnis auch Scherenberg, Die Gemeinde 80, S. 406 und Czybulka, NuR 88, S. 220. Siehe dazu Salzwedel, ZfW 71, S. 10.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftra'ge

Schorre, die den Schutz besiedelter Bereiche bezwecken, zu Eigentumsbeeintrachtigungen in nachfolgenden Uferabschnitten, konnten daraus u.U. eigentumsrechtliche Ersatzanspriiche erwachsen.94 Verursachen die Anlagen negative Auswirkungen auf benachbarte Siedlimgen im Leebereich, waren diese gemaB der Pflicht aus § 83 Abs. 1 LWaG M-V und § 63 Abs. 2 LWaG S-H ebenfalls prinzipiell zu schiitzen. Damit wiirden die luvseitigen Schutzanlagen jedoch die Schutzverpflichtung als Ganzes konterkarieren. SchlieBlich sind alle sedimentbilanzverandernde MaBnahmen mit erheblichen negativen Effekten auf das Okosystem der Kiiste verbunden.95 Wie schon mehrfach erwahnt, haben sich alle wasserwirtschaftlichen MaBnahmen auch an den Belangen von Natur und Landschaft zu orientieren und fiieBen in die Beurteilung der Zumutbarkeit von SchutzmaBnahmen ein.96 Zudem konnen die den Anlagen innewohnenden Fernwirkungen zu Beeintrachtigungen von im Leebereich liegenden Schutzgebieten des okologischen Netzes Natura 2000 fuhren. Das in diesem Fall eingreifende Rechtsregime der FFH-RL begrenzt die Ausgestaltung nationalrechtlicher Schutzpflichten in materieller Hinsicht.97 Letztlich wohnt auch den Grundstucken im besiedelten Bereich der AuBenkiiste jenseits vorubergehender Uberfiutungen die Gefahr des totalen Verlustes durch Abtragung inne. Insofern unterliegen die Flachen situativen Bindungen, die den Umfang der Verbindlichkeit reduzieren.98 dd. Fazit Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die staatliche Pflicht zur Sicherung der Kiisten im Bereich von im Zusammenhang bebauten Gebieten an der AuBenkiiste uneingeschrankt besteht. Rechtliche Vorgaben und tatsachliche Fakten begrenzen diese jedoch erheblich. Bei der Festlegung der zu schiltzenden Bereiche, sowohl in territorialer, als auch in sachlicher Hinsicht, eroffhet sich der Verwaltung somit eine weite Einschatzungsprarogative" dahingehend, den zumutbaren Umfang der Schutzpfiicht im Einzelnen zu bestimmen und die konkreten MaBnahmen zu deren vertretbaren Erfullung festzulegen. Damit liegt es auch an der AuBenkuste in der Hand der Kommunen, ihre weitere Entwicklung so zu steuern, dass der Schutz ihres Gemeindegebietes durch das Land moglichst lange vertretbar ist. Aufgrund der geomorphologischen Prozesse wird sich der langfristige Schutz von Gemeinden in Abrasionsgebieten nur dann als vertretbar oder zumutbar darstellen, wenn ihre kustenparallele Ausdehnung moglichst gering ist und so nur im Bereich kleiner Uferstrecken auf den Kustenruckgang eingewirkt werden muss. Die Kommunen der gesamten Abrasionskiiste sind daher aufgerufen, ihre zukiinf94 95 96 97 98 99

Vergleiche schon oben in diesem Abschnitt. Siehe 1. Kapitel § 4 B. II. und 1. Kapitel § 4 C. Siehe dazu insbesondere die Ausfuhrangen im 4. Kapitel § 11 B. III. Zum Rechtsregime der FFH-RL und deren Bedeutung fur die Durchfuhrung von Kustenschutzmaflnahmen siehe 3. Kapitel § 10 C. III. 3. Dazu im 5. Kapitel § 14 ausfuhrlicher. Zum Einschatzungs- und Entscheidungsspielraum im Rahmen der Schutzguter von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG vgl. schon 5. Kapitel § 13 A. II. und Fn. 19.

§ 13 Schutz besiedelter FlSchen

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tige Entwicklung ins Hinterland zu verlagern. Wahrend an den Boddenkusten solche Bestrebungen nur unter der Voraussetzung eines hoher gelegenen Hinterlandes sinnvoll erscheinen und ansonsten lediglich die Ausdehnung von Deichlinien zu verhindern ist, muss die allmahliche landwartige Verlegung der bebauten Bereiche der von Landverlust betroffenen Kommunen als Voraussetzung dafiir angesehen werden, dass die Erfiillung der staatlichen Schutzpflicht zukiinftig noch zumutbar bleibt. Nicht zuletzt schafft eine Rtickverlegung der besiedelten Bereiche die fur die Anlagen des Uberflutungsschutzes notwendige Flache. Fiir die Standfestigkeit von Deichen und die Lagestabilitat von Diinen ist unabdingbare Voraussetzung die Festigkeit des Untergrundes. Angesichts der geomorphologischen Veranderungen am Ufer ist langfristig ein wirksamer Schutz vor Uberschwemmung nur dann erreichbar, sofern sich Deiche und Diinen im ausreichendem Abstand von der Wasserlinie befinden.

//. Verletzung von Verkehrssicherungspflichten Schadenersatzanspruche aus der der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten konnen sich dann ergeben, wenn Anlagen der Wasserwirtschaft und des Hochwasserschutzes Gefahrdungen innewohnen, die besondere SicherungsmaBnahmen erfordern.100 Haufig gehen diese Vorfalle mit Amtspflichtverletzungen einher, da z.B. Verstopfungen technischer Anlagen durch Treibgut auch auf mangelnde Gewasserunterhaltung zuriickzufuhren sein konnen.101 Fur die Annahme von Verkehrssicherungspflichtverletzungen ist primar dann Raum, wenn sich Gefahrdungen an Wasserbauten realisieren, ohne dass dem Trager der Unterhaltslast Pflichtverletzungen vorgeworfen werden konnen, sich folglich das der Anlage immanente Risiko verwirklicht. Zunachst ist festzustellen, dass Verkehrssicherungspflichten nicht gegenuber Hochwasserereignissen selbst bestehen.102 Der der Verkehrssicherungspflicht zugrunde liegende Rechtsgedanke besagt, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle innehalt, zumutbare Vorkehrungen zu besorgen hat, um Schadigungen anderer

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So BGH, Urteil vom 01.06.1970 - III ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (47), mit Einschrankungen gegenuber Hochwasserschutzanlagen, die einen bislang nicht bestehenden Schutz vor Hochwasser bewirken sollen. Insofern ist auf den Schwerpunkt der Pflichtverletzung abzustellen. Bezieht sich dieser auf offentlich-rechtliche Schutzpflichten, ware ein Anspruch aus Amtshaftung zu prufen. Verwirklicht sich hingegen mafigeblich ein anlagenbezogenes Risiko, sollte auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu erkennen sein. BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (47). Ebenso VG Berlin, Entscheidung vom 22.07.1999 - 1 A 116.99 - Nachweis in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13) fur das naturliche Ansteigen von Grundwasser.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

abzuwenden.103 Insoweit erscheint die Einordnung von durch Anlagen der Wasserwirtschaft verursachten Schaden als solche der Verletzung von Verkehrssicherangspflichten einleuchtend, da diese Anlagen potentielle Abflusshindernisse darstellen. Demgegeniiber sind Uberschwemmungen wertfreie Naturphanomene. Hochwassergeschehnisse widersprechen daher dem Grandgedanken der Verkehrssicherungspflichten, da es sich bei Naturereignissen gerade nicht um eine vom Hochwasserschutzverpflichteten heraufbeschworene Gefahrdung handelt. Diese Einschatzung muss auch fur naturbelassene Gewasser selbst gelten. Diese konnen nicht pauschal als verkehrssicherungspflichtige Gefahrenquelle klassifiziert werden.104 Wer die Gewasserunterhaltspflicht nur als einen auf Gewasser bezogenen Unterfall allgemeiner Verkehrssicherungspflichten verstehen will,105 verwechselt originare Naturvorgange mit kilnstlich geschaffenen Gefahrenquellen.106 Dem Trager der Ausbau- und Unterhaltungslast konnen zivilrechtliche Verkehrssicherungspflichten nur dann zuwachsen, sofern an den Gewassern Risiken geschaffen wurden.107 Als Beispiele fUr Anspruche aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten kommen Schaden in Frage, die sich durch Verstopfungen an einer potentiellen Gefahrdung wie z.B. an Briicken oder anderen Durchlassen realisieren.108 Maflstab sind insoweit nicht die Materialien, die den Abfluss letztendlich verhinderten, sondern das Bauwerk, welches das Festsetzen der Stoffe ermoglichte. Anspruche aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten erscheinen nach der hier vorgenommenen Typisierung an den Kiistengewasssern weitgehend ausgeschlossen. Anlagen, denen ein hochwasserbegrundendes Risiko innewohnt, sind an der Kiiste schlechthin nicht vorhanden.109 Es fehlt insoweit grundsatzlich an der 103

BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68- VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (47). 104 Dies kann bei SchifffahrtsstraBen im Hinblick der Verkehrssicherheit anders zu beurteilen sein. Siehe dazu Czychowski/Reinhard, WHG, § 28 Rn. 33 ff. 105 So aber BGH, Urteil vom 25.02.1993 - III ZR 9/92 - UPR 93, S. 296 (296). Ahnlich Czychowski/Reinhard, WHG, § 28 Rn. 61. In der Argumentation dagegen zutreffende a.A.: BGH, Urteil vom 01.06.1970 - III ZR 210/68 - VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (45 f.). Fur ahnliche Uberlegungen im Rahmen des enteignungsgleichen Eingriffs siehe ferner Rinne/Schlick, NVwZ 97, S. 37. 106 So im Ergebnis wohl auch VG Berlin, Entscheidung vom 22.07.1999 - 1 A 116.99 Nachweis nur in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). 107 N u r g ese t z ij c he Unterhaltspflichten an naturbelassenen Gewassern, sofern sie sich auf diese tiberhaupt beziehen, wirken daher pflichtenbegriindend. 108 Im Ergebnis LG Aachen, Urteil vom 14.03.1990 - 4 0 559/89- VersR 92, S. 242 (242). 109 Als Anlagen der Wasserwirtschaft, die Uberschwemmungsgefahren heraufbeschworen konnten, kamen allenfalls Schopfwerke zur Melioration eingedeichter landwirtschaftlicher Flachen in Frage. Eine Stoning der Pumpprozesse k6nnte u.U. zur Uberflutung fuhren. Allerdings verwirklichte sich dann nicht das dem Schopfwerk innewohnende Risiko, sondern die Gefahr, zu deren Ausschluss die Anlage dient. Insoweit waren beim verschuldeten Ausfall Amtshafrungsanspriiche gegen den zustandigen Wasser- und Bo-

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fur diesen Haftungsanspruch notwendigen Voraussetzung von schadenstiftenden Ursachen.110

///. Enteignungsrechtliche Eingriffe 1. Anspruchsvoraussetzungen Ersatzanspruche aus enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffen konnen entstehen, wenn mit wasserwirtschaftlichen Einwirkungen unmittelbare Beeintrachtigungen von durch Art. 14 Abs. 1 GG geschutzten Rechtspositionen Dritter einhergehen.111 Anspruchsvoraussetzung ist ein Handeln der Verwaltung.112 Zwischen dem Verwaltungshandeln und dem eingetretenen Schaden soil zudem eine gewisse Unmittelbarkeit vonnoten sein, um Ersatzpflichten zu begriinden.113 Das Vorliegen der Unmittelbarkeit wird verneint, wenn die behordliche MaBnahme einen Zustand schuf, der zwar Gefahren in sich barg, der jedoch des Hinzutretens weiterer Umstande bedurfte, um zu einer Schadigung zu fuhren.114 Wahrend sich Anspriiche aus enteignenden, d.h. rechtmaBigen Eingriffen115 und solchen aus

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denverband zu priifen. Fraglich bliebe indes, ob die dann erhohten Wasserstande auf den Flachen als Meeresiiberflutung oder gestiegenes Grundwasser anzusehen sind. Hier sei nochmals auf die nahezu vollstandige Unbeeinflussbarkeit sowohl der hydrodynamischen Normal- wie auch der Extremsituationen durch den Menschen hingewiesen. BGH, Urteil vom 14.05.1987 - III ZR 159/86- VersR 87, S. 1038 (1039); Haaser, Haftungsfragen, UTR 31 (95), S. 272. Diese Anspriiche sollen nicht bei bloBen Unterlassungen greifen. Vgl. dazu BGH, Urteil vom 20.02.1992 - I I I ZR 188/90- DVB1. 92, S. 1089 (1090); Salzwedel, ZfW 71, S. 10 in dortiger Fn. 20, m.w.N. Ausfuhrlich und differenzierend, auch zum qualifizierten Unterlassen: Ossenbilhl, Staatshaftungsrecht, S. 255 ff.; einschrankender: Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 92. Siehe auch Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 420 ff., Sproll, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 28 ff. Zu Einzelfragen siehe ausfuhrlicher und kritisch: Ossenbuhl, Staatshaftungsrecht, S. 249 ff. Weiter dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 93; Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 425 ff.; Jacobs, in: Aust/Jacobs, Enteignungsentschadigung, S. 94 f.; Sproll, in: Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rn. 31 f. BGH, Urteil vom 20.02.1992 - I I I ZR 188/90- DVB1. 92, S. 1089 (1091 f.). Eine groBe raumliche Entfernung zwischen Eingriffs- und Schadensort alleine ist noch nicht in der Lage, das Merkmal der Unmittelbarkeit in Frage zu stellen, vgl. BGH, Urteil vom 26.02.1976 - III ZR 88/73 - VersR 76, S. 757 (758 f.); BGH, Urteil vom 14.05.1987 III ZR 159/86 - VersR 87, S. 1038 (1039). Zum Fortbestand des enteignenden Eingriffs vor dem Hintergund der Sozialbindung des Art. 14 GG im Gefolge des Nassauskiesungsbeschlusses des BVerfG, Beschluss vom 15.07.1981 - 1 BvL 77/78- BVerfGE 58, S. 300 (320); BGH, Urteil vom 25.03.1993 - III ZR 60/91 - NJW 93, S. 1700 (1700 f.). Vgl. insbesondere auch Ipsen, DVB1. 83, S. 1032 ff.; Jacobs, in: Aust/Jacobs, Enteignungsentschadigung, S. 72, 74 f.; Kimminich, NuR 94, S. 263; Maurer, Verwaltungsrecht, §27 Rn. 107. Speziell zu

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

Amtshaftung schon mangels Pflichtverletzung regelmaBig ausschlieBen, konnen Anspriiche aus Amtshaftung und aus enteignungsgleichem Eingriff prinzipiell nebeneinander stehen.116 Im Gegensatz zur Amtshaftung, die eine schuldhafte Pflichtverletzung voraussetzt und als Rechtfolge einen Schadenersatzanspruch bietet, haftet die offentliche Hand im Rahmen von Enteignungseingriffen zwar verschuldensunabhangig, allerdings nicht auf vollen Schadensausgleich, sondern nur auf Entschadigung nach Enteignungsgrundsatzen.117 Diese zielt darauf ab, dem Burger einen Ausgleich fur ein ihm abverlangtes Opfer zu gewahren, mithin Lastengleichheit herzustellen. Sie ist auf den Verkehrswert der entzogenen Substanz und nicht, wie der Schadenersatzanspuch, an einer hypothetischen Vermogensentwicklung auszurichten.118 Die Enteignungsentschadigung ist grundsatzlich durch den Wert des entzogenen Objekts bestimmt.119 Hauptanwendungsfall sind tatsachliche und haufig unbeabsichtigte Inanspruchnahmen Einzelner zugunsten der Allgemeinheit. Die Enteignungsanspriiche konnen bei der Verletzung drittschutzender Pflichten in Konkurrenz zu Amtshaftungsanspriichen treten. Sollten enteignungsgleiche Eingriffe auf (rechtswidrigen) Verletzungen drittschutzender Pflichten beruhen, erscheint es zweckmaBig, Entschadigungsbegehren vorrangig tiber das Institut der Amtshaftung zu verfolgen.120 Im Rahmen der Hochwasserschadensproblematik ist die verbleibende eigenstandige Relevanz eigentumsrechtlicher Ersatzanspriiche bei rechtmaBigem Handeln der Verwaltung und damit verbundenen Eigentumsbeeintrachtigungen zu suchen, sowie ferner bei rechtswidrigen MaBnahmen, die ohne die Verletzung drittschutzender Normen einhergehen. Aus dem Erfordernis des Verwaltungshandelns121

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Hochwasserschaden Krohn, Ersatzleistungspflichten, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 99 f. Ossenbuhl, Staatshaftungsrecht, S. 118; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 104. Nach Einschatzung des BGH, Beschluss vom 12.04.1954 - GSZ 1/154- BGHZ 13, S. 88 (93 fF.) gehoren beide Anspruchsgrundlagen ganz unterschiedlichen Rechtskreisen an und stehen zueinander weder im Verhaltnis der Spezialitat noch der Subsidiaritat. Auch die Verweisung in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB greift hier nicht, da Anspruchsgegner auch beim enteignungsgleichen Eingriff die offentliche Hand ist. Zur Problematik der Anwendbarkeit vorgenannter Haftungsinstitute bei planfestgestellten Vorhaben siehe Krohn, Ersatzleistungspflichten, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 100 f., 105 m.w.N. BGH, Urteil vom 11.03.2004 - III ZR 274/03 - DVB1. 04, S. 945 (946). Ossenbuhl, Staatshaftungsrecht, ausftihrlich S. 265 f. Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 447, 391 ff.; ausfiihrlich &uc\\Aust, in: Aust/Jacobs, Enteignungsentschadigung, S. 76 ff. Die gerichtliche Neigung zum Umsteigen auf eigentumsrechtliche Haftungstatbestande bei mangelndem Verschulden wird zu Recht kritisiert, vgl. Salzwedel, ZfW 71, S. 5 in dortiger Fn. 14, ebenfalls m.w.N. Nach dieser Systematik wiirden sich die im Urteil des BGH vom 14.05.1987, Nachweis in Fn. I l l , behandelten enteignungsgleichen Eingriffe eher als Falle von Amtspflichtverletzungen darstellen. Siehe dazu die Nachweise in Fn. 112.

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folgt, dass enteignungsrechtliche Eingriffe jedenfalls nicht durch reines Naturgeschehen bewirkt werden konnen.122 Als klassischen Fall enteignender oder enteignungsgleicher Eingriffe, die nicht auch gleichzeitig neben Anspriichen aus Amtshaftung stehen,123 sind wasserbauliche MaBnahmen anzusehen, die dem Schutz der Allgemeinheit dienen und gleichzeitig und direkt andere Grundstiickseigentumer einer erhohten Uberschwemmungsgefahr aussetzen.124 Eine Deicherhohung im Milndungsgebiet eines Flusses zum Zwecke der allgemeinen Hochwassersicherung dahinterliegender Grundstiicke soil einen enteignenden Eingriff in die Eigentumsrechte der Vorlandeigentiimer darstellen, wenn die Erhohung eine Steigerung der Hochwasserstande auf den seeseitig gelegenen, ungeschiitzten Flachen verursacht.125

2. Relevanz fur die Kiistengewasser Entschadigungsanspruche aus enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffen sind im Hinblick auf den Uberfiutungsschutz an den Kustengewassern zunachst schwer vorstellbar. Die Ursache dafiir findet sich in den differierenden hydrologischen Verhaltnissen. Sturmfiutereignisse entstehen auBerhalb menschlicher Beeinflussungsmoglichkeiten. Die auflaufenden Wasserstande werden, wenn sie auf die Kiiste treffen, nicht schon vorher durch anthropogene Einbauten gesteuert. AuBerdem geht es bei Extremereignissen an der Kuste nicht um den Wasserablauf, sondern um ein windgesteuertes Auflaufen. Wahrend an FlieBgewassern die Wasserstande neben der Menge des in kurzer Zeit ablaufenden Wassers maBgeblich vom Querschnitt des Gerinnes gesteuert werden, fungiert das gesamte Ostseebecken als Wasserbett. Aufgrund des, verglichen mit den Verhaltnissen an Fliissen, riesigen Querschnitts wirken Eindeichungen an der AuBenkilste nicht wasserstandserho122

Zutreffend VG Berlin, Entscheidung vom 22.07.1999 - 1 A 116.99 - Nachweis nur in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). 123 Vergleiche zu den Uberschneidungen die auf oberirdische Gewasser bezogene Kasuistik im Urteil des BGH vom 14.05.1987, Nachweis in Fn. 111. Die Abgrenzung offenhaltend BGH, Urteil vom 28.01.1982 - III ZR 111/80 - VersR 82, S. 436/437). Siehe dazu auch Krohn, Ersatzleistungspflichten, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 104 in dortiger Fn. 20, m.w.N. 124 Zum Beispiel HochwasserschutzmaBnahmen, die vom Trager der Ausbaupflicht am Oberlauf von FlieBgewassern getatigt wurden und die zu Erhohungen der Abflussgeschwindigkeiten und der Wasserstande am weiter entfernteren Unterlauf, mithin in nicht mehr von den AusbaumaBnahmen direkt betroffenen Flussabschnitten, fuhren und dort Uberschwemmungen vormals noch hochwasserfreier Flachen verursachen. Vgl. fur die Fallkonstellation exemplarisch BGH, Urteil vom 01.06.1970 - I I I ZR 210/68VersR 70, S. 953 (954) = ZfW 71, S. 45 (45 f.) in Bezug auf die dritte Begriindung des Klagebegehrens (Regulierung des Oberlaufs ohne die des Unterlaufs). 125 BGH, Urteil vom 30.06.1988 - III ZR 9/80 - BGHZ 80, S. 111 (113 ff.) = VersR 81, S. 573 (574); BGH, Urteil vom 30.06.1986 - III ZR 42/85 - UPR 87, S. 68 (68). Siehe auch OVG Hamburg, Entscheidung vom 22.03.2000 - 5 Bf 22/96 - NordOR 00, S. 366 (366 f.). Ferner BGH, Urteil vom 14.05.1987 - I I I ZR 159/86- VersR 87, S. 1038 (1039).

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

hend. Faktische Inanspruchnahmen von im Vordeichgebiet liegenden Grundstilcken durch Deicherhohungen sind schon deshalb kaum moglich. In Buchten und Bodden mogen Deichtrassen, die ausgedehnte Uberflutungsflachen absichern, in gewissem MaBe pegelstandserhohend wirken konnen. Gleichwohl waren die Erhohungen gegeniiber der naturgegebenen Hochwasserstande so gering, dass sich darauf gestiitzte Ersatzanspriiche kaum begrunden lassen durften. Die zur Erhohung von Seedeichen ergangene Entschadigungsrechtsprechung126 fur faktische Inanspruchnahmen der Vorlandeigentumer ist bei naherer Betrachtung denn auch den Verhaltnissen an FlieBgewassern geschuldet. In beiden Fallen ging es um Grundstucke im Hamburger Hafen und am Elbufer von Blankenese127. Auch wenn die Elbe in diesem Bereich noch tidebeeinfiusst ist, entspricht durch den sich trichterformig verengenden Querschnitt des Flussbeckens das Verhalten bei Extremereignissen weitgehend dem von FlieBgewassern. Nur deshalb wirken Verbauungen durch Deiche sowie deren Aufstockungen wasserstandserhohend und konnen eine Aufopferungsentschadigung begrunden. Enteignende Eingriffe waren an der AuBenkiiste allerdings durch negative Effekte erosionsbeeinflussender Kiistenschutzanlagen denkbar. Wie bereits gezeigt, bewirken den Sedimenttransport verzogernde Anlagen an Schorre und Vorstrand128 regelmafiig eine Verschlechterung der Sedimentbilanz im Leebereich der Einbauten. Die damit einhergehende Beschleunigung des Kustenruckganges konnte enteignend in die Befugnisse der Strandeigenttimer eingreifen. Dieser Problemkreis kann letztlich dahinstehen. Allgemein wurde der Strand unter Rilckgriff auf das Gemeine Recht als privatrechtsunfahig angesehen.129 Nach dieser Rechtsauffassung scheiden enteignende Eingriffe schon mangels tauglichen Eingriffsobjektes aus. Unterstellt man die Privatrechtsfahigkeit des Strandes, stiinde das Eigentum allenthalben dem jeweiligen Bundesland zu.130 DemgemaB bestimmt in Mecklenburg- Vorpommern § 85 Abs. 3 LWaG M-V, dass der Meeresstrand im Eigentum des Landes steht.131 Insofern waren Ersatzanspriiche aus enteignendem Eingriff aufgrund der Identitat von Schadiger und Geschadigtem ebenfalls nicht herleitbar. In Schleswig-Holstein unterliegt der Strand mangels ausdriicklicher gesetzlicher Zuordnung dem Aneignungsrecht des Landes. Hier ergibt sich aller126 127

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Vergleiche dazu schon das Beispiel im 5. Kapitel § 13 B. III. 1. mit den Nachweisen in Fn. 125. Die ortliche Belegenheit geht aus der Fundstelle von BGH, Urteil vom 30.06.1986 - III ZR 42/85 - in der UPR nicht hervor, vgl. dazu aber den Wortlaut der Entscheidung in Juris (Rechtsprechung des BGH, Stand 2000). Als Beispiele seien Buhnen und Uferlangswerke genannt. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1989 - I I I ZR 266/87- NJW 89, S. 2464 (2466). Nachweise auch bei Petersen, Kustenrecht, Rn. 989 ff., 1107 ff, insbesondere Rn. 990 und Rn. 1002. A.A. bei privatrechtsfahigem Grund und Boden, der zum Strand wird (durch Uferabsturz): OLG Schleswig, Urteil vom 14.12.2000 - 11 U 89/99 - NJW 01, S. 1073 (1073 f.). Ausfllhrlich Petersen, Kustenrecht, Rn. 1107. Vergleiche auch die Gesetzesbegrundung, LTDrs. 1/1266, S. 111.

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dings die Moglichkeit eines Eigentumserwerbes iiber § 928 Abs. 2 BGB. Enteigungsrechtliche Ersatzanspriiche sind gleichwohl in beiden Fallkonstellationen nichtersichtlich.132 Schreitet der Kiistenriickgang im Leebereich sedimenttransportverzogernder Kilstenschutzanlagen jedoch weiter und fuhrt dies zu Beeintrachtigungen von hinter Strand und Dime gelegenen Grundstiicken, erscheinen Ersatzanspriiche aus enteignendem Eingriff durchaus denkbar. Solche Beeintrachtigungen lagen z.B. dann vor, wenn es beschleunigt zu Landverlusten oder bei Extremereignissen zu Uberflutungen riickwartiger Gebiete kommt und diese Erscheinungen ihre Ursachen in der erosionsschutzbedingten Schwachung der Sedimentsituation an Schorre, Strand und Dime finden. Die hier vorliegende faktische Inanspruchnahme fremden Eigentums im Interesse der Allgemeinheit wiirde enteignungsrechtliche Ersatzanspriiche in der Tat nahelegen. Die betroffenen Eigentiimer brauchten sich expressiv verbis nicht auf die Situationsgebundenheit133 verweisen lassen, da dieser lediglich der natiirliche, nicht hingegen der kiinstlich beschleunigte Kiistenriickgang unterfallt.134 Dies gilt um so mehr, als dass die staatlichen MaBnahmen nicht auch den Schutz des betroffenen Eigentiimers, sondern nur den anderer Eigentiimer im Sinne einer Aufopferung bewirken.135 Probleme konnten sich im Einzelfall, insbesondere bei sturmflutbedingten Uberschwemmungen, im Rahmen der Unmittelbarkeit ergeben. Gleichwohl sei hier auf die prinzipielle Moglichkeit ersatzpflichtiger enteignender Eingriffe hingewiesen.

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Ob und inwieweit Inhaber von Strandnutzungsrechten auBerhalb von im Zusammenhang bebauten Gebieten Anspriiche geltend machen konnten, stellt hier allenfalls ein Randproblem dar, auf das im Rahmen dieser Bearbeitung nicht eingegangen werden kann. Zur Rechtslage im Hinblick auf Sedimentanlandungen vgl. BGH, Beschluss vom 22.06.1989 - I I I ZR 266/87- NJW 89, S. 2464 (2466); BGH, Beschluss vom 01. 06.1989 - III ZR 286/87 - NJW 89, S. 2467 (2468 f.) sowie ausfiihrlich Petersen, Kustenrecht, Rn. 1126 ff. Siehe zur Situationsgebundenheit noch ausfuhrlich 5. Kapitel § 14 C. Insoweit lage eine mit der Inanspruchnahme von Vorlandeigentumern vergleichbare Sachlage vor, vgl. dazu die beiden Urteile des BVerwG, Nachweis in Fn. 126. In Abgrenzung zu BVerwG, Beschluss vom 15.06.1992 - 7 B 122.91 - ZfW 92, S. 87 (88), wo es um die entschadigungslose Entfernung von zwei am DeichfuB stehenden Eichen aus Griinden der Deichsicherheit ging.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

§ 14 Schutzumfang gegenuber unbesiedelten Flachen A. Renaturierung als Element vorsorgender Strategien /. Bedeutung fiir den vorsorgenden Hochwasserschutz Im Gegensatz zur offentlich-rechtlichen Verpflichtung zum Schutz besiedelter Bereiche existieren keine gesetzlichen Pflichten zur Sicherung unbesiedelter Kustenflachen. 1 Damit scheiden nicht nur konkrete Handlungspflichten der Lander 2 zum Schutz bestimmter Gebiete aus, gleichzeitig entfallen mangels Schutzpflicht zudem Schadenersatzansprttche aus Amtspflichtverletzung, wenn infolge nicht realisierter KustenschutzmaBnahmen Uberschwernmungen auftreten. Auf den ersten Blick riickt dieser Befund die Moglichkeit, weite Flachen der AuBen- und vor allem der Boddenkiiste wieder einem natiirlichen Uberflutungsregime zuzuflihren, in greifbare Nahe. 3 Im Rahmen der Renaturierung von Salzwiesen und Kiistenilberflutungsmooren laufen die Interessen der Wasserwirtschaft und des Kiistenschutzes weitgehend parallel mit denen des Naturschutzes. Wie bereits erwahnt, ziehen Eindeichungen Verschlechterungen der Wasserqualitat in den Bodden nach sich.4 Ausdruckliche Aufgabe der Wasserwirtschaft ist nach § 32b WHG aber gerade auch die Reinhaltung der Kiistengewasser. Dem Kustenschutz forderlich sind unbedeichte VorDabei ist es unerheblich, ob man die Aufgabenbestimmung in § 83 Abs. 1 LWaG M-V und § 63 Abs. 1,2 LWaG S-H als nicht verpflichtend wirkende Aufgabenzuweisung oder ebenfalls als offentlich-rechtliche Verbindlichkeit ansieht. Eindeutig ist insoweit, dass die staatliche Schutzpflicht lediglich auf im Zusammenhang bebaute Bereiche konkretisiert wurde und sich in ihrem rechtlich verbindlichen Gehalt auch nur auf diese bezieht. Die Zustandigkeit fur die Durchfuhrung des Kiistenschutzes an Flachen auBerhalb von im Zusammenhang bebauten Bereichen liegt wie bei letzteren grundsatzlich bei den Landern. Die Verantwortlichkeit fur Bau, Unterhaltung und Wiederherstellung von Deichsystemen, die nicht den Schutz besiedelter Bereiche bezwecken, ist in Mecklenburg- Vorpommern allerdings den regional zustandigen Wasser- und Bodenverbanden iibertragen worden. Dies sind mit Ktistenbezug im Einzelnen die Unterhaltungsverbande Wallensteingraben/Kiiste (11), Hellbach/Conventer (12), Untere Warnow (13), Recknitz/Boddenkette (14), Riigen (17), Ryck/Ziese (18), Insel Usedom/Peenestrom (19), Uecker/Haffkilste (30); vgl. dazu die Anlage zu § 1 des Gesetzes tiber die Bildung von Gewasserunterhaltsverbanden (GUVG) vom 04.08.1992, GVOB1. M-V, S. 458. In Schleswig-Holstein behielt sich das Land nach § 63 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 i.V.m. § 64 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LWaG S-H die Zustandigkeit fur die erste Deichlinie und alle Uberlaufdeiche demgegemiber flachendeckend vor. Diese Erwartung bringt auch Ballschmidt-Boog, Ktistenokosysteme, S. 256 zum Ausdruck. Siehe ausfuhrlich 1. Kapitel § 4 B. III. 2.

§ 14 Schutzumfang gegentlber unbesiedelten Flachen

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landwiesen iiberdies durch wellenbremsende und auflaufhohenverringernde Wirkungen bei Sturmfluten.5 Das bessere Selbstreinigungsvermogen begilnstigt die Ansiedlung sedimentstabilisierender Makrophytenbestande.6 Die Zufuhrung ehemaliger Uberschwemmungsgebiete in periodisch uberflutete Bereiche stellen zudem Kerninhalte vorsorgender Kustenschutzstrategien dar.7 Fur eine Revitalisierung von Kustenuberflutungsmooren und natumahen Salzwiesen bieten sich prinzipiell alle potentiell hochwassergefahrdeten Flachen an8. An der AuBenkuste stellt sich die Sachlage angesichts einer differierenden Schutzrichtung zunachst anders dar. Zwar wilrde eine nur zum Teil abgetragene Dtine auch hier das Zuruckstromen des bei einer Sturmflut eingedrungenen Wassers verhindern. Im Vordergrund der Bemiihungen an der AuBenkuste steht jedoch primar die Zuriicknahme menschlicher Beeinflussungen, um die natiirlichen Kustenausgleichsprozesse wiederherzustellen. Dafiir ist zunachst das prinizipielle Einstellen von MaBnahmen des Erosionsschutzes ausreichend. Dies entsprache der Forderung der HELCOM, ,,...den dynamischen Charakter und die stdndige Verdnderung der Kilste ah einen natiirlichen Vorgang anzusehen und zu akzeptieren und neue Kiistenschutzmafinahmen aufierhalb von Ansiedlungen normalerweise nicht durchzufuhren".9 Erst als Folge dieser Entwicklung, wenn der naturliche Kiistenausgleichsprozess und die damit zusammenhangenden Landschaftsformen weitgehend wiederhergestellt sind, wiirden in bestimmten Bereichen Uberflutungen einsetzen. Ist an geeigneten Stellen die Revitalisierung von Kustenuberflutungsmooren beabsichtigt, konnten dann zur Gewahrleistung eines funktionierenden Systems periodischer Uberschwemmungen aktive Eingriffe notwendig werden. Da diese Entwicklungen allerdings nicht durch den menschlichen Riickbau der Schutzdtinen, sondern durch naturliche Prozesse eingeleitet werden, erfolgen die Veranderungen der Kustenlandschaft an der AuBenkuste sehr langfristig.10 Jenseits detaillierter verfahrenstechnischer Uberlegungen11 soil im Folgenden geklart werden, inwieweit passive MaBnahmen, wie das Einstellen erosionsbeein5 6 7 8

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Kunnemann, Salzwiesen, S. 169. Die herausragende Rolle von Salzwiesen fur die Okosysteme der Kusten wurde bereits im 1. Kapitel § 3 C. II. 3. ausruhrlich dargestellt. Darauf sei hier verwiesen. Siehe 1. Kapitel § 4 B. III. 2. und 1. Kapitel § 5 B. Eine okologische Rilckgewinnung von Uberschwemmungsgebieten setzt dabei einen vollstandigen Deichrilckbau voraus, da nur so auf den Flachen ein Austausch und im Falle von Uberflutungen ein AbflieBen des Wassers ermoglicht werden kann. Zur Bedeutung der Revitalisierung eingedeichter Flachen siehe schon ausruhrlich 1. Kapitel § 4 B. III. 2. und 1. Kapitel § 5 B. sowie dort insbesondere Fn. 48. HELCOM-Empfehlung 16/3 (BAnz. von 17.09.96, Nr. 175a, S. 7). So wird bei dem gegenwartig diskutierten Einstellen periodischer Sedimentaufsptilungen vor der Sudktiste Hiddensees mit landbezogenen Effekten erst in mehreren Jahrzehnten gerechnet (Ergebnis einer Diskussion auf einer Tagung zum Kiistenschutz in Greifswald, 1999). Die Beseitigung von Deichen kann im Wege einer Plangenehmigung zugelassen werden, sofern mit Einwendungen nicht zu rechnen ist. Zur Bedeutung der Plangenehmigung im Wasserrecht vgl. ausruhrlich, Miillmann, Plangenehmigung, passim.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

flussender Aktivitaten an der AuBenkiiste und Ausdeichungen oder Deichruckverlegungen sowie nachfolgende wasser- oder naturschutzrechtliche Festsetzungen,12 an den Boddenktisten vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Eigentum aus Art. 14 GG rechtlich moglich sind.

//. Rechtfertigung von RenaturierungsmaRnahmen 1. Wasserwirtschaftliche Planrechtfertigung Ftir die Schaffung von Retentionsflachen ist in wasserwirtschaftlicher Hinsicht zunachst die Ausdeichung der betreffenden Flachen notwendig. Die Beseitigung von Deichen sowie deren Verlegung13 bedarf nach §§84 Abs.l, 72 Abs. 1 LWaG M-V der vorherigen Durchfuhrung eines Planfeststellungsverfahrens. Sofern mit Einwendungen nicht zu rechnen ist, reicht gemafi § 72 Abs. 1 S. 3 LWaG M-V eine Plangenehmigung aus. Planfeststellungsverfahren bediirfen einer Planrechtfertigung. Eine Planung ist gerechtfertigt, wenn fur das beabsichtigte Vorhaben nach MaBgabe der vom jeweiligen Fachplanungsgesetz allgemein verfolgten Ziele ein Bedurfnis besteht; die geplante Maftnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist.14 Die Planrechtfertigung soil im Normalfall dann gegeben sein, wenn das Vorhaben aus nachvollziehbaren Grunden vernilnftigerweise geboten ist.15 Entsprechend der niedrigen Anforderungen an die Planrechtfertigung erfolgt deren gerichtliche Uberprufung nur kursorisch.16 Fiir Deichriickverlegungen wurde in der Vergangenheit das Vorliegen planrechtfertigender Momente vereinzelt bezweifelt.17 So wurde vertreten, dass es an

Zur Bedeutung fur den vorbeugenden Hochwasserschutz siehe Bohm et al., Anforderungen, S. 203. BVerwG, Urteil vom 06.12.1985 - 4 C 59.82- BVerwGE 72, S. 282 (286); OVG Hamburg, Entscheidung vom 03.08.1996 - Bs V 8/96 -NuR 97, S. 508 (509). BVerwG, Urteil vom 07.07.1978 - 4 C 79.76 - BVerwGE 56, S. 110 (118); BVerwG, Urteil vom 05.12.1986 - 4 C 13.85 - (Flughafen Mtlnchen II) BVerwGE 75, S. 214 (232 f.). BVerwG in standiger Rechtsprechung, siehe z.B. BVerwG, Urteil vom 06.12.1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, S. 282 (285); BVerwG, Urteil vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 BVerwGE 84, 123 (130) und die Nachweise in Fn. 14. Kritisch zur Bestimmung fachgesetzlicher Planrechtfertigungen: Grofi, VerwArch 88 (97), S. 95. Laskowski, NordOR 98, S. 36 (37). Sind mit der Fachplanung enteignungsrechtliche Vorwirkungen verbunden, wird die Planrechtfertigung einer tieferen Pruning unterzogen. Vgl. zur Abgrenzung die St. Rspr. des BVerwG, Beschluss vom 30.12.1996 - 11 VR 24.95 - Fundstelle in Juris (Umweltrecht CD12V08); BVerwG, Beschluss vom 18.04.1996 - 11 A 86.95 - UPR 96, S. 350 (350 f.). Weiter VGH Mannheim, Entscheidung vom 03.07.1998 - 5 S 1/98 - UPR 99, S. 80 (nur LS), ausfthrliche Fundstelle in Juris (Umweltrecht CD12V08). So jedenfalls OVG Hamburg, Entscheidung vom 03.08.1996 - Bs V 8/96- NuR 97, S. 508 (509 ff.) fur Deichriickverlegungen nach § 31 WHG a.F. von zum Gebiet von

§ 14 Schutzumfang gegenuber unbesiedelten Flachen

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einem wasserwirtschaftlichen Erfordernis dam fehle, wenn Deichriickverlegungen in Gestalt von landeinwarts verschwenkten Deichlinien zu einer Verlangerung der Deichtrassen ftihren und der Vorlandgewinn zu gering ist, um die Auflaufhohe des Hochwassers zu beeinflussen.18 An FlieBgewassern soil eine Planrechtfertigung fur die Schaffung von Riickhalteflachen bei einem Ausbau nach § 31 Abs. 5 S. 1 WHG nicht bestehen, wenn der Ausbau eine nur zeitlich und wasserstandlich geringfugige Erhohung bewirkt.19 Ungeachtet dessen werden durch Ausdeichungen landwirtschaftlicher Flachen die Voraussetzungen fur Deichverkurzungen geschaffen. Ringeindeichungen und Riegeldeiche reduzieren die Versagenswahrscheinlichkeit und damit die Gefahrdungslage. Zudem wird der Uberwachungsund Unterhaltungsaufwand vermindert sowie die Verteidigung bei Sturmfluten erleichtert.20 AuBerdem erfolgt durch die Schaffung von Vorland eine Schwachung der auf die Schutzanlagen einwirkenden Krafte des Seegangs.21 Damit dienen Ausdeichungen jedenfalls an der Ostseekuste den originaren Interessen des Hochwasserschutzes. Aus der wasserwirtschaftlichen Bedeutung der Renaturierung von Uberflutungsflachen muss denn auch eine entsprechende Planrechtfertigung folgen. So wird iiber den Verweis in § 72 Abs. 1 S. 2 auf § 68 Abs. 2 S. 2 LWaG M-V, der sich wiederum als Erganzung zu § 31 WHG sieht, herausgestellt, dass beim Kiistenschutz wie beim Gewasserausbau die Erhalrung und Verbesserung des Selbstreinigungsvermogens der Gewasser beachtet und eine Renaturierung befordert wird. In diesem Zusammenhang bietet sich § 31 Abs. 1 S. 1 WHG als direkte wasserwirtschaftliche Planrechtfertigung fur Renaturierungsmafinahmen an.22 Danach sind Gewasser, die sich in einem natiirlichen oder naturnahen Zustand befinden, als solche zu erhalten. Nicht naturnah ausgebaute Gewasser sollen nach Moglichkeit in einen naturnahen Zustand zuruckgefuhrt werden. Ausdeichungen und Revi-

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Hamburg gehorenden Elbdeichen (Grauerter Hauptdeich); mit zutreffender abweichender Anmerkung Laskowski, NordOR 98, S. 36 (38 f). OVG Hamburg, Nachweis in Fn. 17. Allerdings hat das Gericht die Verminderung der Auflaufhohe nur anhand des streitgegenstandlichen Polders ermittelt und ist nicht auf die Wasserstandsverringerung eingegangen, die das Gesamtprogramm der Ausdeichungen, in dem die streitige Mafinahme nur einen kleinen Teil einnahm, bewirkt hatte. Nunmehr zutreffend auf die Notwendigkeit einer Gesamtsichtweise abstellend, OVG Koblenz, Urteil vom 29.07.1999 - 1 C 12916/98 - NuR 00, S. 46 (46 f.). OVG Koblenz, Urteil vom 24.02.2000 - 1 A 11106/99 - NuR 00, S. 342 1. LS und S. 343. Im Umkehrschluss zu O V G Hamburg, Nachweis in Fn. 17. Wie Fn. 20. Auf eine Verminderung der Abflussspitzen kommt es an den Ktistengewassern insoweit nicht an, vgl. demgegeniiber O V G Koblenz, Urteil vom 24.02.2000 - 1 A 11106/99 - N u R 00, S. 342 (343). § 31 W H G ist, im Unterschied zu § 32 WHG, tiber die Verweisung in § 84 L W a G M - V auch auf die Kiistengewasser anwendbar.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

talisierungen von Salzwiesen und Kusteniiberflutungsmooren unterfallen unproblematisch letztgenannter Riickfuhrung in naturnahe Zustande.23 Weiterhin wird § 31 Abs. 1 a WHG a.F. wie nunmehr erst recht § 31 Abs. 5 WHG als Planungsleitsatz verstanden.24 Zwar beschranken sich beide Absatze des § 31 WHG auf Renaturierungsmaflnahmen im Gefolge eines Gewasserausbaus und bestimmen mithin lediglich die Modalitaten und nicht die Entstehungsgriinde des Ausbaus.25 Gleichwohl wohnt, wie bereits erwahnt, der Renaturierung von Uberflutungsflachen nicht nur wasserwirtschaftliche Nebenbedeutung in okologischer Hinsicht inne, sondern steht nicht zuletzt iiber die Anforderungen des vorbeugenden Hochwasserschutzes im ureigensten Interesse der Wasserwirtschaft selbst.26 Daher milssen sich die in Rede stehenden Mafinahmen des vorbeugenden Hochwasserschutzes auch iiber § 31 Abs. 5 WHG i.V.m. § 68 Abs. 2 LWaG M-V rechtfertigen lassen. Im Ergebnis bietet § 68 Abs. 2 S. 2 LWaG M-V sowohl i.V.m. § 31 Abs. 1 S. 1 WHG als auch i.V.m. § 31 Abs. 5 WHG eine gesetzliche Planrechtfertigung fur die Ausdeichung von landwirtschaftlichen Flachen an den Kustengewassern.27

2. Okologische Belange als Planrechtfertigung Daneben kommen naturschutzrechtliche Planrechtfertigungen in Betracht.28 Zwar sind die Belange des Naturschutzes grundsatzlich erst im Rahmen der Abwagung innerhalb des Planfeststellungsverfahrens zu beriicksichtigen.29 Gleichwohl konnen Deichriickverlegungen dann notwendig werden, wenn nur so die okologische Gesamtbilanz im Rahmen der Eingriffsprufung nach § 18 BNatSchG i.V.m. den landesrechtlichen Regelungen positiv gestaltet werden kann. Naturschutzrechtliche Planrechtfertigungen konnen sich demnach ergeben, wenn Revitalisierungen von Salzwiesen als Ausgleich fur beeintrachtigende KiistenschutzmaBnahmen

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Darauf geht das O V G Koblenz, Urteil vom 24.02.2000 - 1 A 1 1 1 0 6 / 9 9 - N u R 00, S. 342 (342 f.) nicht ein, da die Bezirksregierung die PoldermaBnahme ausschlieBlich auf § 31 Abs. 5 S. 1 W H G sttltzte. Aus § 31 W H G eine Planrechtfertigung herleitend: Laskowski, N o r d O R 9 8 , S. 38. Einem obiter dictum nach im Ergebnis wohl ebenso O V G Koblenz, Urteil v o m 24.02.2000 - 1 A 1 1 1 0 6 / 9 9 - N u R 00, S. 342 (343 a.E.). Im Ergebnis wohl ebenfalls bejahend, aber innerhalb der Tatbestande des § 31 W H G differenzierend: Breuer, Wasserrecht, Rn. 992. Einschrankend: Peine, Prevention, U T R 31 (95), S. 261 ff. Peine, Prevention, U T R 31 (95), S. 263. Einschrankend offenbar O V G Koblenz, Urteil vom 24.02.2000 - 1 A 1 1 1 0 6 / 9 9 N u R 00, S. 342 (343). Solcherart Planrechtfertigungen sieht das O V G Hamburg, Nachweis in Fn. 17, freilich nicht. Damit wird jedoch die Bedeutung von § 31 W H G , auf den das Gericht seine Entscheidung maBgeblich stiitzt, nur unzureichend gewiirdigt. So auch selbst fur die hamburgische Rechtslage Laskowski, NordOR 98, S. 38 f. A.A. wieder O V G Hamburg, Nachweis in Fn. 17. BVerwG, Beschluss vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - N V w Z 93, S. 565 und N V w Z 93, S. 574; BVerwG, Beschluss vom 30.10.1992 - 4 A 4.92 - N V w Z 93, S. 565.

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gedacht sind.30 Selbst wenn man die Mafinahmen des Kiistenschutzes pauschal als von der Eingriffsregelung nicht erfasst sieht,31 kann eine Planrechtfertigung aus okologischen Griinden folgen.32 Zudem bestimmt in Mecklenburg-Vorpommern § 2 Nr. 14 LNatG M-V, dass das Land intemationale Bemuhungen auf dem Gebiet des Naturschutzes und zum Schutz der Ostsee unterstiitzt. Die Norm dient als fachbezogene Konkretisierung von Art. 11 LVerf M-V und muss als Selbstverpflichtung33 betrachtet werden,34 die durch die Neueinftigung von § 3a LNatG M-V eine Steigerung erfahren haben dtirfte. Die Selbstverpflichtung bezieht sich mit einem Schwerpunkt ganz offensichtlich auf die Helsinki-Konvention. In der HELCOM-Empfehlung 16/3 wird der Erhalt und die Renaturierung von Ktistenfeuchtgebieten durch Deichentfernung und -riickverlegung gefordert. Die HELCOM-Empfehlungen bediirfen als sog. ,,soft law" zu ihrer Geltung der Umsetzung in nationales Recht.35 Dies ist durch § 2 Nr. 14 LNatG M-V grundsatzlich geschehen, so dass die Inhalte der HELCOM-Empfehlung 16/3 uber § 2 Nr. 14 LNatG M-V zur naturschutzrechtlichen Planrechtfertigung herangezogen werden konnen. Im Ergebnis begegnen Ausdeichungsprojekte durch Deichruckbau, Deichverlegung oder Deichverkiirzung im Hinblick auf die Planrechtfertigung keinen Bedenken. Dies gilt unabhangig davon, ob mit den Planungen enteignungsrechtliche Vorwirkungen verbunden sind. 3. Rechtfertigung von Nutzungsbeschrankungen Die ausgedeichten Flachen konnen zusatzlich zu faktischen Nutzungsbeschrankungen infolge Wiedervernassung und periodischen Uberflutungen weitergehenden normativen Nutzungsbeschrankungen unterworfen werden.36 In erster Linie wird es darum gehen, bestimmte Formen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, die mit wasserwirtschaftlichen oder naturschutzfachlichen Belangen auf den neugewonnenen Uberflutungsflachen nicht vereinbar sind, zu unterbinden. Naturschutzrechtlich konnen sich Ermachtigungen fur Nutzungsbeschrankungen primar aus formlichen Unterschutzstellungen durch Kategorien des natur-

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Vergleiche dazu O V G Koblenz, Urteil v o m 24.02.2000 - 1 A 1 1 1 0 6 / 9 9 - N u R 00, S. 342 (343). Wie das O V G Hamburg, Nachweis in Fn. 17 zur hamburgischen Gesetzeslage. Vergleiche dazu etwa im Hinblick auf Erwagungen des Immissionsschutzes BVerwG, Entscheidung vom 05.12.1986 (Flughafen Miinchen II) Nachweis in Fn. 14, S. 232 f. So auch Laskowski, NordOR 98, S. 39. Ausfflhrlicher Czybulka, Gewinnung, in: von Nordheim/Boedeker, Umweltvorsorge, S. 47. LTDrs. 2/3443, S. 102. von Nordheim, Empfehlungen, in: Boedeker/von Nordheim, Kilstenschutz, S. 11. Obgleich schon die mit der Ausdeichung verbundenen faktischen Nutzungsbeschrankungen eine erhebliche Verbesserung der okologischen Situation mit sich bringen diirften.

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schutzrechtlichen Flachenschutzes nach den §§22 ff. BNatSchG37 sowie aus dem gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 BNatSchG i.V.m. den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen ergeben38. Auch der Riickgriff auf die allgemeine naturschutzrechtliche Eingriffsermachtigung ist prinzipiell moglich.39 Gleichzeitig sind wasserrechtliche Nutzungseinschrankungen herleitbar. Neben den allgemeinen Bestimmungen zur Gewasserbenutzung, die nach den §§3 Abs. 1 Nr. 4a i.V.m. 32a Nr. 3 WHG in Bezug auf die Reinhaltung auch auf Ktistengewasser Anwendung finden, bietet sich als Rechtsgrundlage fur Nutzungsregelungen insbesondere die Festsetzung als Uberschwemmungsgebiet nach § 32 WHG an.40

///. Nutzungsoptionen nach Renaturierung Eingedeichte Flachen41 unterliegen heute fast vollstandig der landwirtschaftlichen Produktion. Die moglichen Nutzungsformen sind vielfaltig. Einen Schwerpunkt bildet die auf Futtermittelherstellung gerichtete Grunlandbewirtschaftung. Daneben wird Weidewirtschaft betrieben. Insbesondere die Grunlandbewirtschaftung erfolgt entsprechend der gangigen Praxis haufig in intensiv-industrieller Form. Ackerbau findet auf Polderflachen weniger statt. Werden geschtitzte Flachen ausgedeicht, sind prinzipiell zwei Szenarien denkbar. Jahrzehntelange Eindeichung kann ein Absinken der Oberflache nach sich gezogen haben. Nach Rilckbau der Deiche wurden dann auch nach Anlage eines naturnahen Prielsystems die tieferliegenden Bereichen uberschwemmt. Zwar blieben die Flachen, nicht zuletzt aufgrund einsetzender Sukzessionsprozesse, wohl nicht dauerhaft uberstaut. Ob und wann eine Bewirtschaftung jedoch wieder moglich ware, hangt im Einzelfall von der Regenerationsfahigkeit der degradierten Standorte ab. Zunachst schlossen Vernassung und haufige Uberflutung eine landwirtschaftliche Nutzung auf absehbare Zeit aus.42 Bereiche, die sich ihre Erhebung von 0,2 m bis 0,7 m iiber MW erhalten haben, sind auch nach Ausdeichung, u.U. 37 38 39 40

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Louis, Eigentum, in: BBN, Naturschutz zwischen Leitbild u n d Praxis, S. 188 f.; Schmidt, J., N V w Z 99, S. 369. Louis, Eigentum, in: BBN, Naturschutz zwischen Leitbild und Praxis, S. 190. V G H Mannheim, Urteil vom 21.04.1994 - 5 S 2 1 0 7 / 9 3 - VB1BW 95, S. 60 (61); Schmidt, J., N V w Z 99, S. 369. Dazu: O V G Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100 - N u R 04, S. 536 (538 f.). Allerdings sei hier nochmals darauf verwiesen, dass fur die Festsetzung von Uberschwemmungsgebieten an den Kilstengewassern momentan weder bundes- noch landesrechtliche Rechtsgrundlagen bestehen. Siehe schon 4. Kapitel § 12 A. und die Nachweise in dortiger Fn. 20 f. Im Zuge dieser Darstellung soil sich aufgrund der Relevanz des Themenkomplexes, der Uberschaubarkeit der Zeitspannen sowie des eindeutigeren wissenschaftlichen Kenntnisstandes primar auf die Ruckverlegung von Boddendeichen konzentriert werden und auf die Gegebenheiten an der Aufienkiiste nur am Rande eingegangen werden. Herrmann/Hob, Kustentiberflutungsraume, in: Boedeker/von Nordheim, Naturschutz und Ktistenschutz, S. 4 1 .

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mit mehrjahrigen Reaktivierungsfristen, grundsatzlich der landwirtschaftlichen Nutzung zuganglich.43 Periodische Uberflutungen treten nur bei entsprechenden Wasserstanden infolge von Sturmflutereignissen auf, wobei aufgrund der geringen Hohe iiber NN gelegentlich langere Verweilzeiten auftreten konnten. Landwirtschaftliche Nutzung ware in uberschwernmungsfreien Zeiten moglich, bliebe allerdings auf extensive Griinlandbewirtschaftung und Weidehaltung beschrankt.44

B. Rechtliche Einordnung von Ausdeichungen /. Landwirtschaftliche Nutzung als Rechtsgut des Art. 14 GG ? Um die eigentumsrechtlichen Problemkreise untersuchen zu konnen, ist zuerst zu priifen, ob durch Ausdeichungen Rechtsgilter des Art. 14 Abs. 1 GG betroffen sein konnen.45 Unter das Eigentumsgrundrecht fallt zunachst das Eigentum an Grund und Boden in seiner sachenrechtlichen Auspragung selbst.46 Darilber hinaus sind die aus dem Primareigentum abgeleiteten Rechte Gegenstand des Schutzbereiches.47 Dazu gehort insbesondere die freie Verfugungsgewalt48 iiber das Eigentum, dessen Erwerb49 und VerauBerung. Der Eigentilmer soil von seinem Recht umfassend Gebrauch machen, Nutzungen bestimmen und Ertrage ziehen konnen.50 Die landwirtschaftliche Produktion ist intensiv auf Bodennutzung angelegt und so untrennbar mit ihr verbunden. Sie stellt sich als eine Ausiibung vieler moglicher Verfugungsmoglichkeiten dar. Die bodenwirtschaftliche Nutzung ist insofern Ausdruck der grundstilcksimmanenten Rechte und an sich keine eigenstandige, 43

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Matthes/Matthes, Weidenutzung, in: Boedeker/von Nordheim, Kiistenschutz, Naturschutz u n d Kiistenschutz, S. 46. So im Ergebnis auch: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 20. Ahnlich: Leitfibel vorbeugender Hochwasserschutz, S. 20; differenzierend Kiinnemann, Salzwiesen, S. 173 ff., 176 f. Steinberg/Lubberger, Aufopferang, S. 61 f. Einfachgesetzlich begriindete Ersatzpflichten, die allzu oft als Billigkeitsentschadigungen zu klassifizieren sind, sollen nicht Gegenstand der Darstellung sein. Z u m Grundeigentum als geschtltztes Rechtsgut innerhalb Art. 14 Abs. 1 GG: BVerfG, Beschluss vom 08.04.1998 - 1 BvR 1680/93, 183, 1580/94 - BVerfGE 98, S. 35 unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 19.05.1985 - 1 BvL 57/79 - BVerfGE 70, 191 (199). Papier, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 14 Rn. 55. BVerfG, Beschluss vom 19.07.1969 - 1 BvR 353/67- BVerfGE 26, 215 (222); BVerfG, Urteil vom 08.07.1976 - 1 BvL 19, 20/75, 1 BvR 148/75- BVerfGE 42, S. 263 (294) in st. Rspr.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rn. 3d. Zu den geschtitzten vielfaltigen Nutzungen siehe auch Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 39 ff. Vergleiche dazu nur BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 - 1 BVR 169/63 - BVerfGE 21, S. 73(86). Detterbeck/Windhorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 14 Rn. 16.

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gesetzlich verbriefte Rechtsposition.51 Die Nutzung von Grund und Boden als Grundlage dient Mufig zugleich der individuellen Existenz der Landwirte. Insoweit gilt die Gewahrleistung des Eigentums auch als Auspragung der allgemeinen Handlungsfreiheit52 aus Art. 2 Abs. 1 GG und damit des Rechts auf freie Entfaltung der Personlichkeit.53 Die hier verankerte personale Funktion des Eigentumsschutzes soil von Bedeutung fur die Reichweite der Eigentumsgewahrleistung im konkreten Fall sein.54 Insofern kann die Bodennutzung iiber ihre die Eigenschaft als bestandsgeschiitzte Verfugungsgewalt55 auch eine, neben anderen, eigenstandige und abwehrfahige Rechtsposition vermitteln.56 Sofern man den eingerichteten und ausgeiibten Gewerbebetrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sehen will,57 unterfielen landwirtschaftliche Betriebe als solche ebenfalls dem eigentumsrechtlichen Schutz.58 Im Ergebnis ist die landwirtschaftliche Nutzung von eingedeichten Grundstucken an Kiistengewassern dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zuzuordnen. Die infolge von Ausdeichungen und Deichriickverlegungen zu erwartenden Beeintrachtigungen der bisher auf den Flachen ausgeiibten landwirtschaftlichen Anbauund Produktionsweisen fuhren somit zu einer Beeintrachtigung der vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfassten Rechtsgilter.59

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So konnen im Anschluss an BVerfG, Urteil vom 26.05.1983, S. 334 ff. (Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ) nur auf Grund von Gesetzen entstandene subjektive vermogenswerte Rechte Eigentum i.S.v. Art. 14 GG sein, vgl. dazu auch Rittstieg, in: Wassermann, AK GG, Art. 14/15 Rn. 151; Corell, UPR96, S. 250; Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 181. BVerfG, Beschluss vom 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 - BVerfGE 83, S. 366 (377). Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rn. 3d. Corell, U P R 96, S. 250; Bryde, in: von Miinch/Kunig, GG, Art. 14 Rn. 4. Vergleiche dazu ausfuhrlich Henneke, Landwirtschaft, S. 121 ff. Corell, U P R 96, S. 250. Tatsachlich macht die Unterscheidung zwischen Beschrankungen grundstucksimmanenter Rechte und dem Teilentzug subjektiver Rechtspositionen kaum nachweisbaren Sinn. Vgl. dazu Schwabe, Jura 94, S. 532. So im Ergebnis BGH, Urteil vom 07.07.1990 - I I I ZR 74/88- BGHZ 111, S. 349 (356); Papier, in: Maunz/Durig, GG, Art. 14 Rn. 95; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 43. Ausfuhrlich Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 76 ff. In Bezug auf Warenzeichen jedenfalls zweifelnd BVerfG, Beschluss vom 22.05.1979 - 1 BvL 9/75 - NJW 80, S. 383 (385 f.), offen gelassen ferner vom BVerfG, Beschluss vom 29.07.1991 - 1 BvR 868/90 - DVB1. 91, S. 1253 (1253). Siehe weiter Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rn. 3e; Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 68 ff. Niissgens/Boujong, Eigentum, Rn. 76. Und zwar in personaler AusprSgung, vgl. dazu m.w.N. Corell, UPR 96, S. 250.

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//. Enteignung oder Inhalt und Schranken des Eigentums ? 1. Definiton Wesensmerkmal der Enteignung im verfassungsrechtlichen Sinn ist der staatliche Zugriff auf das Eigentum des Einzelnen mit dem Ziel der vollstandigen oder teilweisen Entziehung konkreter subjektiver Rechtspositionen, die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschiitzt sind.60 Dazu muss von hoheitlicher Hand das Zuordnungsverhaltnis des Rechts gestort oder die Substanz des Rechts nicht gewahrleistet bleiben.61 Die entzogene Vermogensposition muss vom Enteignungsbegtinstigten wie von einem Eigentilmer genutzt werden konnen.62 Entscheidend ist nicht die tibertragung des entzogenen Objekts, sondern der durch den Entzug des Eigentums bewirkte Rechts- und Vermogensverlust.63 Sie kann nur in Erfiillung eines vom Wohl der Allgemeinheit geforderten Gemeinwohlzwecks betrieben werden.64 Sozialbindende Inhalts- und Schrankenbestimmungen zielen demgegeniiber auf die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgiiter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind.65 Inhalts- und Schrankenbestimmungen dienen dem Ausgleich der Privat- und Sozialniltzigkeit des Eigentums und modellieren somit gesetzlich die rechtliche und fassbare Ausgestaltung des Eigentumsgrundrechts.

2. Rechtliche Einordnung von Nutzungsbeschrankungen Die beschriebenen RenaturierungsmaBnahmen waren dann als Enteignung zu klassifizieren, wenn eine vollstandige oder teilweise Entziehung von konkreten Rechtspositionen stattfindet. Der rechtliche Gehalt dieser Positionen wird im Wesentlichen durch Privatniitzigkeit und grundsatzliche Verftlgungsgewalt iiber den Eigentumsgegenstand bestimmt.66 Sollte sich das Gebiet nach der Ausdeichung in absehbarer Zeit wieder in eine periodisch iiberflutete Salzwiese entwickeln, auf der bestimmte verschiedene Formen der Grilnland- und Weidewirtschaft moglich sind, liegt schon mangels eines irgend gearteten Verlustes von Rechtspostionen tatbesatndlich keine Enteig60 61 62 63

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BVerfG, Beschluss vom 30.11.1988 - 1 BvR 1 3 0 1 / 8 4 - BVerGE 79, S. 175 (189); BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 - 1 BvR 81/79 - BVerGE 72, S. 66 (76). Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel, Verfassungsrecht, § 10 Rn. 59. Stuber, NordOR 0 1 , S. 147 m.w.N. BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE, 24, S. 367 (394); BVerfG, Beschluss vom 09.01.1991 - 1 BvR 929/89 - BVerfGE 83, S. 201 (212 f.); Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rn. l l a ; Ipsen, DVB1. 83, S. 1031. Rittstieg, in: Wassermann, AK GG, Art. 14/15 Rn. 185. Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 14 Rn. 13, m.w.N. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 14 Rn. 208. BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE, 24, S. 367 (389); BVerfG, Beschluss vom 12.07.1979 - 1 BvL 1 9 / 7 6 - BVerfGE 52, 1 (30); BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 47.89 - BVerwGE 84, S. 361 (372); BGH, Urteil vom 30.06.1988 - I I I ZR 9 / 8 0 - B G H Z 80, S. I l l (115) = VersR 81, S. 573 (574 f.). Siehe dazu auch 5. Kapitel § 14 B. I.

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nung vor. Eine Nutzungsbeschrankung betrifft namlich nicht eine rechtlich erstarkte und verselbstandigte Rechtsposition, sondern lediglich den Ausfluss der dem Grundeigentum immanenten Rechte.67 Eine Rechtsposition vermittelt dem Inhaber nicht das Recht auf uneingeschrankten Gebrauch.68 Insoweit wird die landwirtschaftliche Bodennutzung nicht ausgeschlossen, sondern lediglich modifiziert. Individuelle Rechtspositionen werden selbst dann nicht entzogen, wenn infolge zeitweiliger Uberflutungen nur extensive Bewirtschaftungsformen verbleiben.69 Ausschlaggebend ist, dass sowohl der Grund und Boden als auch die Nutzungsmoglichkeiten in privatnutziger Hand verbleiben. Die Inkaufhahme gelegentlicher Uberschwemmungen70 und die Umstellung der Bodenbewirtschaftung71 stellen sich somit regelmafiig nicht als Enteignungen, sondern als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG dar.72

3. Klassifizierung von Nutzungsausschliissen Auf den ersten Blick erscheinen enteignungsrechtliche Wirkungen dann moglich, wenn es infolge vollstandiger Wiedervernassung der ehemals eingedeichten Flachen zu einem ganzlichen, aber zeitlich begrenzten Ausschluss der landwirtschaft67 68

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Core//, UPR 96, S. 250. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - NJW 98, S. 367 (368 f.), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13); BVerfG, Urteil vom 26.05.1983, S. 348 (Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ); BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (95). Zutreffend Corell, UPR 96, S. 250. Fiir i m Hochwasserfall an Fliefigewassern zu flutende Polderflachen siehe Breuer, N u R 96, S. 546; ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 58; ders., Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. Fur die Umstellung von Ackerbau auf Griinlandnutzung ausdrucklich VGH Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (257); Czychowski/Reinhard, WHG, § 32 Rn. 9. Ferner Breuer, Nachweise in Fn. 70. In standiger Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7.91 - NuR 99, S. 572 (574); BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84NJW 98, S. 367 (367), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13); BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (5); BVerwG, Entscheidung vom 17.01.2000 - 6 BN 2.99- NuR 00, S. 267, Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13); BVerwG, Beschluss vom 10.05.1995 - 4 B 90/95NJW 96, S. 409 (409). Siehe dazu auch Stiiber, NordOR 01, S. 147 f. Fur den vollstandigen Ausschluss fischereilicher Nutzung BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 47.89- BVerwGE 84, S. 361 (372). Zu Beschrankungen durch den gesetzlichen Biotopschutz, vgl. Hotzel, AgrarR 95, S. 363; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2000 - 2 0 / 0 0 - NuR 01, S. 146 (147 f). A.A. noch OVG Minister, Beschluss vom 15.08.1994 - 7 A 2883/92 - NuR 95, S. 301 (307 ff.) mit krit. Anmerkung Gellermann, NuR 95, S. 227. Der Beschluss wurde im Vorlageverfahren an das BVerfG allerdings aufgehoben, vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.09.1998 - 1 BvL 21/94NuR S. 99 (101). Fur Bauverbote BVerfG, Beschluss vom 15.01.1969 - 1 BvL 3/66 BVerfGE25, S. 112(117).

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lichen Nutzungfahigkeit kommt. Sollte sich die Nutzbarkeit nach vorlaufiger totaler Einstellung innerhalb einer zumutbaren Zeitspanne wieder eroffhen, lage allerdings schon mangels des Merkmals eines dauerhaften Entzuges der Rechtsposition keine Enteignung vor. Diese Fallgestaltung wird zutreffend als vergleichbar mit den Eigentumsbeschrankungen angesehen, die mit baurechtlichen Veranderungssperren73 einhergehen.74 Danach sind Baubeschrankungen bis zu vier Jahren entschadigungslos hinzunehmen.75 Begreift man die Bodennutzung lediglich als Ausfluss des Grandeigentums an sich,76 fehlt es auch bei einem dauerhaften Nutzungsausschluss am Entzug konkreter Rechtspositionen. Selbst wenn schlechthin alle mit dem Eigentum typischerweise verbundenen Nutzungs- und Verfugungsbefugnisse beschnitten werden, geht dies nicht mit dem Verlust formaler Rechtsinhaberschaft und rechtlicher Zuordnung einher.77 Nutzungsverbote und -beschrankungen stellen schon deshalb keine Enteignung dar, weil das Grundeigentum an sich nicht entzogen wird.78 Sachlich fehlt es an tatsachlich mit konkretem Eigentumsentzug vergleichbaren Folgen. Unterstellt man, die landwirtschaftliche Bodennutzung konne kraft Bestandsschutzes eine konkrete subjektive Rechtsposition vermitteln,79 wiirde die dauerhafte faktische Unmoglichkeit deren Ausubung als Entzug dieser Rechtsposition zu gelten haben. Gleichwohl begegnet eine derart pauschale Einschatzung nicht unerheblichen Bedenken. Dies verdeutlicht folgende Uberlegung: Die Erzwingung dinglicher Dienstbarkeiten entzieht konkrete Rechtspositionen und miisste einem solchen Verstandnis nach als Enteignung zu gelten haben, wahrend Nutzungsverbote mit vergleichbarem Resultat80 als Gebrauchssteuerungen lediglich als Inhaltsund Schrankenbestirnmungen zu klassifizieren waren.81 Die erheblich abweichenden Ergebnisse konnen kaum befriedigen.82 Wollte man hier zu einheitlichen und 73 74 75 76

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Vergleiche §§ 14ff.BauGB. Corell, U P R 96, S. 250. Papier, in: Maunz/Diirig, GG, § 14 Rn. 444, Engelhardt, N u R 9 1 , S. 106. Siehe dazu ausffihrlich BGH, Urteil vom 26.01.1984 - 3 Z R 216/82 - B G H Z 90, S. 17 (26 ff.). So vermittelt das Fischereirecht keine tiber das Gewassereigentum hinausgehende gesteigerte Rechtsposition, vgl. BVerwG, Urteil v o m 15.02.1990 - 4 C 4 7 . 8 9 BVerwGE 84, S. 361 (372). Siehe weiter die Aufstellung der geschtitzten eigenstandigen Rechtspositionen bei Niissgens/Boujong, Enteignung, Rn. 54; Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht, S. 155 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 43 ff. Immerhin blieben Verkauf und Schenkung dann immer noch moglich. Zuruckhaltend nunmehr Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 48. BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 B N 5/97 - N u R 98, S. 37 (38 f ) , Fundstelle in Juris, C D Umweltrecht (CD12V08). Zu den Schwierigkeiten, den Begriff der Rechtsposition im Rahmen von Art. 14 GG zu definieren: Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 184. Zu Recht bedenklich: Schwabe, Jura 94, S. 532 in dortiger Fn. 15. Im Ergebnis nach Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47. So jedenfalls Schwabe, Jura 94, S. 532; a.A. offenbar Maurer, Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 47. Ausffihrlich zum Streitstand: Kube, Naturgiiter, S. 59 ff.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

vertretbaren Resultaten gelangen, milsste man beide Falle entweder einheitlich als Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung klassifizieren. Die besseren Argumente sprechen hier fur die Annahme einer Inhalts- und Schrankenregelung. SchlieBlich ist der infolge von Nutzungshindernissen eintretende faktische Entzug einzelner rechtlicher Positionen dem Sinn und Zweck nach regelmaBig auf die situationsbedingte Gestaltung der Eigentumsordnung, nicht hingegen auf die Uberwindung dieser Ordnung auf dem Enteignungswege gerichtet.83 Wie bereits erwahnt, kann eine Enteignung nur dann vorliegen, wenn konkrete subjektive Rechtspositionen vollstandig und dauerhaft in ex-ante Sicht84 entzogen werden und dadurch eine Bestandsanderung des Eigentums bewirkt wird. Den Betroffenen bleibt hier aber weiterhin die Substanz des Grundeigentums erhalten, was gegen eine Enteignung spricht.85 Wenn Rechtspositionen lediglich eingeschrankt werden oder der Entzug von Rechtspositionen die Zuordnung des Eigentums selbst nicht verandert, muss vom Vorliegen einer eigentumsimmanenten Begrenzung ausgegangen werden,86 die als Inhalt und Schranken des Eigentums zu betrachten sind.87 Die Anforderungen an eine Enteignung sind hiernach jedenfalls nicht erfullt.88 Schliefilich bietet das Grundeigentum dem Berechtigten neben dem Bestandsschutz eine Vielzahl von subjektiven Rechtspositionen, von denen hier nur singulare entzogen wiirden. Der Entzug einzelner Rechtpositionen kann, bezogen auf die Gesamtheit der zur Disposition stehenden Rechte, die das Eigentumsobjekt an sich vermittelt, immer nur eine Teilentziehung darstellen.89 Zudem konnen Enteignungswirkungen nur dann eintreten, wenn schlechthin alle wesentlichen privaten Verwendungsarten ausgeschlossen wiirden. Im Umkehrschluss ist dies beim Entzug einzelner Nutzungsformen aber gerade nicht der Fall.90 Im Ergebnis konnen mit einer Enteignung vergleichbare Wirkungen solange nicht ein-

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BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (5). Ebenso Schwabe, Jura 94, S. 532. Ipsen, DVB1. 83, S. 1030. Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 - 1 BvL 81/79 - N u R 88, S. 185 (187). So etwa BVerfG, Beschluss vom 25.03.1998 - 1 BvR 1 0 8 4 / 9 2 - N V w Z 98, S. 725 (725 f.) = N u R 98, S. 597 (597) Fundstelle in Juris, C D Verwaltungsrecht (CD05V13). BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - N J W 98, S. 367 (368), Fundstelle in Juris, C D Verwaltungsrecht, (CD05V13); fur die Fischereinutzung BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 47.89 - BVerwGE 84, S. 361 (372 f.). BVerfG, Beschluss vom 08.03.1988 - 1 BvR 1 0 9 2 / 8 4 - BVerfGE 78, S. 58 (75); BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 B N 5/97 - N u R 98, S. 37 (38 f.), Fundstelle in Juris, C D Umweltrecht (CD12V08). A.A. offenbar Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47.

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Vergleiche BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 2 6 . 9 2 - BVerwGE 94, S. 1 (5), m.w.N. Schwabe, Jura 94, S. 532. Vergleiche dazu schon BGH, Urteil von 20.12.1956 - III Z R 82/55 - B G H Z 23, S. 30 (33) sowie Papier, in: Maunz/Diirig, GG, Art. 14 Rn. 424, 524; Engelhardt, N u R 9 1 , S. 105.

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treten, wie auch nur eine privatmitzige Verwendungsmoglichkeit beim Eigentiimer verbleibt.91 Der vollstandige Nutzungsausschluss auf Teilflachen wiirde selbst Angesichts des vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfassten eingerichteten und ausgeiibten Gewerbebetriebs nicht zu einer Enteignung fuhren, da diese Form der Eigentumsgewahrleistung dem Betriebsinhaber nicht das uneingeschrankte Recht vermitteln soil, alle Grundstiicke fur Betriebszwecke zu nutzen.92 AuBerdem bleibt auch in diesen Fallen die mafigebliche inhaltliche und formelle Zuordnung des Eigentums selbst unangetastet. Insofern sind mit Ausdeichungsprojekten, auch unter der Annahme, die Bodennutzung bote im Einzelfall subjektiv Abwehrrechte, keine enteignungrechtlichen Wirkungen verbunden.

///. Exkurs: Nutzungsausschlusse und Nichtkompensierbarkeit 1. Meinungsstand Immerhin sind Falle denkbar, in denen die Einflussnahme der offentlichen Hand auf die Verwendung des Eigentumsobjektes bei wirtschaftlicher Betrachtung tatsachlich dermaBen gravierend in die Substanz des Eigentums eingreifen, dass dem Eigentiimer eine Verwendung zu privatem Nutzen ganzlich verwehrt wird. In Abkehr von der Figur der materiellen Enteignung93 und in Anbetracht der jilngeren Verfassungsrechtsprechung sind solche Einschrankungen, auch bei Verfassungswidrigkeit der Beschrankungen, weder als Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG94 noch als enteignender Eingriff95 zu qualifizieren, sondern immer als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums anzusehen.96 Konnen derartige Eingriffe selbst durch die Gewahrung finanzieller Leistungen nicht kompensiert und somit einer Heilung zugefuhrt werden, soil dem offentlich-rechtlich Verantwortlichen nur die Moglichkeit verbleiben, die von ihm verfolgten Ziele des Allgemeinwohls in rechtlich zulassiger Art und Weise auf dem Wege einer formlichen Enteignung durchzusetzen.97 Damit erkennt das BVerfG98 nunmehr die von 91 92 93 94 95

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Engelhardt, NuR 91, S. 104. BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (96) So die fruhere Rechtsprechung des BGH, vgl. dazu die Nachweise bei Kimminich, NuR 94, S. 263. Grundlegend BVerfG, Nassauskiesungsbeschluss, Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ; ebenso Ipsen, DVB1. 83, S. 1030. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - NJW 98, S. 367 (368 f.), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD5V13). Ahnlich BVerfG, Beschluss vom 12.02.1999 - 1 BvR 165/90 - DVB1. 00, S. 350 (350 f.), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD5V13). BVerwG, Urteil vom 17.01.2000 - 6 BN 2/99 - Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13); Schmidt,!, NVwZ 99, S. 368. BVerfG, Urteil vom 28.04.1999 - 4 CN 5.99 - NuR 99, S. 576 (575) mit im Ergebnis gleichlautenden Stellungnahmen des BGH, ebenda, S. 573 und des BVerwG, ebenda. Ebenso BGH, Urteil vom 18.02.1993 - III ZR 20/92, NuR 93, S. 497 (498) = BGHZ

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

der Zivilrechtsprechung" eingefuhrte Figur der nichtkompensierbaren Inhalts- und Schrankenbestimmung an. Eingriffe konnten dann als nicht ausgleichsfahige und mithin rechtswidrige Eigentumsbeschrankungen, die nur auf dem Wege einer fb'rmlichen Enteignung durchsetzbar sind, angesehen werden, wenn die personale Funktion des Eigentums derart betroffen ware, dass das zur Verfugung stehende Grundeigentum die Ausiibung personlicher Freiheitsrechte in Ganze faktisch nicht mehr ermoglicht.100 Derartige Beschrankungen, die zu ihrer RechtmaBigkeit zwingend eines formlichen Enteignungsverfahrens bediirfen, hat die Verfassungsrechtsprechung im Einzelfall unter dem kumulativen Vorliegen folgender Pramissen angenommen: Die ursprilngliche Nutzimg wird ohne alternative Verwendungsmoglichkeiten hinfallig, so dass keinerlei sinnvolle Nutzungsmoglichkeit mehr besteht, es erfolgt ein weitgehender Ausschluss der Privatniitzigkeit, etwa durch die praktische Unmoglichkeit der WeiterverauBerung101 und dem Eigentumer werden Unterhaltungspflichten aufgebiirdet, die aus dem Eigentumsrecht eine im offentlichen Interesse liegende Last machen.102 Entscheidend ist neben der blofien heteronomen Inanspruchnahme eine folglich dariiber hinausgehende aktive Belastung des Eigentums mit substanzvernichtendem Charakter. Reine Nutzungsausschliisse, die lediglich dazu fiihren, dass der Grundstiickseigentumer zukilnftig nicht mehr in der Lage

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121, S. 328 (328 ff.) mit Anm. Schwabe, Jura 94, S. 529 ff; Kimminich, NuR 94, S. 267 f.; Engelhardt, NVwZ 94, S. 339. In diese Richtung auch BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 BN 5/97 - NuR 98, S. 37 (40), Fundstelle in Juris, CD Umweltrecht(CD12V08). BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, S. 572 (574 f.). Offen gelassen noch BVerfG, Beschluss vom 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84- BVerfGE 79, 174(192). BGH, Urteil vom 18.02.1993 - III Z R 20/92 - N u R 93, S. 457 (458 f.) = B G H Z 121, S. 328 (328 ff); Siehe auch Engelhardt, N V w Z 94, S. 339. Zustimmend Kimminich, N u R 94, S. 267; zu Recht kritisch: Schwabe, Jura 94, S. 533 f. Die Wende in der Verfassungsrechtsprechung mag aus rechtsstaatlichen Erwagungen gut begrundbar sein. Rechtsdogmatisch hingegen wirft sie Fragen auf: Wenn durch offentliche Lasten auf das an sich nicht von Art. 14 Abs. 1 GG geschiitzte Vermo'gen fur den Betroffenen derart eingewirkt wird, dass die Beeintrachtigungen erdrosselnd wirken (zum Begriff: BVerfG, Beschluss vom 27.10.1975 - 1 BvR 82/73 N J W 76, S. 101 (101)), d.h. die wirtschaftliche Existenz zu vernichten vermogen, kann daraus kaum auf die Notwendigkeit einer Enteignung geschlossen werden. SchlieBlich konnen nicht von Art. 14 GG geschiitzte Rechte nicht dadurch zu solchen werden, weil sie schwer betroffenen sind. Vgl. Steinberg/Lubberger, Aufopferung, S. 67. Auf das Kriterium des BVerwG, Nachweis in N u R 99, S. 573, es komme auch darauf an, ob der Erlos des Grundstiicks mit dem auf ihm befindlichen Gebaude geringer ausfallen wurde, als ohne Bebauung, ging das BVerfG in der in Fn. 97 genannten Entscheidung hingegen nicht mehr ein. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, S. 572 (574 f.). BloBe Unrentabilitat ist hingegen nicht ausreichend, vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (98) und 5. Kapitel § 14 C.

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ist, aus seinem Eigentumsobjekt Gewinne zu ziehen, konnen fur die Annahme einer nicht mehr ausgleichbaren Inhalts- und Schrankenbestimmung folglich nicht genugen.103 Demgegeniiber wird im Schrifttum vertreten, dass der blofie Ausschluss bodengebundener Nutzungsformen wie Land- und Forstwirtschaft die Aushohlung des Grundeigentums dergestalt nach sich ziehe, dass, auch wenn nur Teilflachen betroffen sind, im Ergebnis von einer Enteignung auszugehen ist.104 Begriindet wird diese Auffassung damit, dass eine dauerhafte Nutzungsunmoglichkeit die Riickverwandlung privatniitziger in sozialniitzige Verwendungen sei und so eine materielle und umfassende Inanspruchnahme durch den Staat erfolge. Die privatntitzige Eigentumsherrschaft werde durch die heteronome Grundstiicksnutzung sozusagen ,,ent-eignet".105 Schon im Augenblick der iiberwiegenden heteronomen Uberformung des Grundeigentums wiirde ein Zustand geschaffen, in welchem das Eigentum lediglich eine ,,leere Hiilse" sei106 und folglich ,,die Bezeichnung Eigentum" nicht mehr verdiene.107 Die Notwendigkeit einer weiteren, uber die allgemeinwohlorientierte Indienstnahme hinausgehenden zusatzlichen Belastung wird im Gegensatz zur Rechtsprechung des BVerfG nicht gesehen.108

2. Kritik und Stellungnahme Soeben wurde gezeigt, dass Belastungen des Eigentums im Einzelfall so schwer wiegen konnen, dass zu deren RechtmaBigkeit der Weg eines formlichen Enteignungsverfahrens beschritten werden muss. Gleichwohl ist der soeben erwahnten Ansicht im Schrifttum109 Folgendes entgegenzuhalten: Wenn davon ausgegangen wird, dass als unzumutbar klassifizierte Eigentumsbeschrankungen in eine Enteignung umschlagen konnen,110 ist zunachst anzuerkennen, dass sich Regelungen und MaBnahmen der offentlichen Hand auch dann nicht in eine Enteignung wandeln, wenn diese, trotzdem sie lediglich darauf gerichtet waren, inhaltsbestimmend zu

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Solche Beschrankungen sind vielmehr als entschadigungslose Inhaltsbestimmung hinzunehmen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - NJW 98, S. 367 (369), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht CD05V13. Ahnlich BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (98). Detterbeck/Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 1 6 Rn. 123; Breuer, N u R 9 6 , S. 546; ders., Instrumente, in Breuer, Hochwasserschutz, S. 49, 55; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. Wohl ahnlich Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 47 f. Auf die Bedeutung dieser Ansicht fur Ausdeichungen wird noch ausftthrlich im 5. Kapitel § 14 C. I. 3. eingegangen. Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 49 f. Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 48. SieheFn. 104. Jedenfalls wird auf ein solches Kriterium bei keinem der in Fn. 104 genannten Nachweise eingegangen. Siehe die Nachweise in Fn. 104 in diesem Abschnitt. So im Ergebnis jedenfalls Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 55 f.

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wirken, letztlich bestehende Rechte und Befugnisse abschaffen.111 Sie konnen von den Betroffenen ausschlieBlich auf dem Wege des Primarrechtsschutzes angegriffen werden. 112 Selbst die unverhaltnismaBige, durch Ausgleichszahlungen nicht heilbare Beschrankung der Eigentumsrechte vermag eine Enteignung nicht zu begrilnden, da diese Regelungen nichtig waren. 113 Eine Enteignung durch nicht ausgleichsfahige Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist damit schlechthin unmoglich. Dementsprechend schlieBt die Rechtsprechung einen solchen Automatismus gerade aus und betont ausdriicklich die Notwendigkeit eines Enteignungsverfahrens, urn in diesen Fallen eine wirksame Inanspruchnahme zu begrilnden. 114 Wenn nach vorgenannter Ansicht in der Literatur bereits alleinig die heteronome Inanspruchnahme von Grundstiicken oder Teilen davon in Gestalt von Nutzungsausschlussen geniigen soil, um von einer Enteignung auszugehen, 115 werden zudem die materiellen Anforderungen, nach denen eine Inhalts- oder Schrankenbestimmung nicht mehr ausgleichsfahig ist, uberdehnt. Damit ware nicht nur die Figur der ausgleichspflichtigen Inhalts- oder Schrankenbestimmung vollends beseitigt,116 selbst einige u.U. entschadigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmungen konnten sich bei genauerer Betrachtung im Lichte der o.g. Ansicht als enteignungspflichtige Beschrankungen herausstellen. 117 Im Ergebnis wiirde sich die Enteignung dann als Standardrepertoire zur Durchsetzung naturschutz- oder wasserrechtlicher Nutzungsausschlilsse etablieren. Dies ware nicht nur mit erheblichen Folgen fur die Finanzierbarkeit und damit die generelle Handlungsfahigkeit von Gesetzgebung und Verwaltung verbunden. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip der Enteignung ist ungeeignet, auf die vielfaltigen und 111

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BVerfG in st. Rechtsprechung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.03.1998 - 1 BvR 1084/92 - NVwZ 98, S. 725 (726) = NuR 98, S. 597 (597), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CDO5V13); BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997-1 BvR 310/84NJW 98, S. 367 (368), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CDO5V13); BVerwG, Beschluss vom 15.06.1992 - 7 B 122.91 -ZfW 93, S. 87 (88). Siehe bereits Ipsen, DVB1. 83, S. 1030 f., sowie die Nachweise in Fn. 111. Das gilt auch, wenn die Belastungen selbst bei Gewahrung fmanzieller Ausgleichsleistungen nicht hinnehmbar waren. Vgl. BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 BN 5/97NuR 98, S. 37 (40). Deutlich BVerfG, Entscheidung vom 10.10.1997, S. 368 (Nachweis in Fn. 111). Ebenso Kimminich, DVB1. 94, S. 267. BVerfG, Beschluss vom02.03.1999- 1 BvL7/91 - N u R 99, 572 (576). So jedenfalls Breuer, NuR 96, S. 546; ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 49, 55; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. Wobei genau das bezweckt werden soil, siehe dazu ausdriicklich: Breuer, NuR 96, S. 545; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 173. Vergleiche die Beispiele bei Breuer, NuR 96, S. 546; ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 49, 55; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175, wo etwa die Schaffung ungeregelter Uberflutungsflachen an Fliissen pauschal als nicht mehr ausgleichsfahige Eigentumsbegrenzung angesehen wird und mithin nur tiber ein formliches Enteignungsverfahren rechtmaBig sein kann. Demgegenuber a.A. Corell, UPR 96, S. 251. Dazu ausfuhrlich 5. Kapitel § 14 C.

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im MaB der Beeintrachtigung stark differierenden Eigentumsbeschrankungen einzelfallgerecht zu reagieren. Demgegenilber ist mit der ausgleichsfahigen Inhaltsund Schrankenbestimmung ein flexibles Instrument gefunden worden, sachlich unverhaltnismaBige Einwirkungen auf das Grundeigentum je nach individueller Schwere durch Ersatzleistungen oder Ubergangsfristen in entsprechender Hohe abzumildern und damit die Verhaltnism&Bigkeit wiederherzustellen.118 Letztlich wiirde nach dem hier kritisierten Verstandnis zur Abgrenzung von Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung wieder primar an die Wirkung, mithin an die Schwere oder das individuelle Opfer angekniipft. Damit ginge die Verwasserung der in der neueren Verfassungsrechtsprechung gefundenen Abgrenzungskriterien119 in Richtung der in diesem Kontext uberkommenen Schwereoder Aufopferungstheorien einher. Dogmatisch sollte die Klassifizierung als Enteignung jedoch weitestgehend an die rechtliche Gestalt des Eingriffs und die Intention des Normgebers gekoppelt werden.120 Auch wenn nach Auffassung des BVerfG Normen, die Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmen, grundsatzlich auch ohne finanziellen Ausgleich die Substanz des Eigentums wahren und Kompensationen durch Entschadigungen insoweit nachrangig sein sollen,121 will das Gericht die Notwendigkeit formlicher Enteignungen aufgrund von Unterschutzstellungen auf atypische Einzelfalle122 beschrankt sehen, namlich dann, wenn die Herstellung rechtmaBiger Zustande auf anderem Wege schier unmoglich ist. Insoweit erscheint das Kriterium einer uber die heteronome Grundstucksfunktion hinausgehenden materiellen Belastung des Eigentiimers als Voraussetzung fur die Annahme nicht kompensierbarer Eigentumsbegrenzungen sachgerecht. Dogmatisch spricht auch bei Betrachtung der neuesten Verfassungsrechtsprechung folglich viel dafur, die beschriebenen Ausdeichungskonstellationen im Interesse einer stringenten Abgrenzung von Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmung,123 prinzipiell als letztere zu verstehen124 und etwaigen Nachteilsaus118

Zu Ubergangsfristen als spezifische Ausgleichsregelung vgl. BVerfG, Nassauskiesungsbeschluss, Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 (S. 352); BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91- NuR99, S. 572 (575); BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 4 C 47.89 - BVerwGE 84, S. 361 (373); BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (6). Ahnlich auch BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, 572 (575). 119 Siehe dazu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15.07.1981, S. 330 (Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ). Einem solchen Verstandnis gerade im Hinblick auf seine neueste Rechtsprechung ausdriicklich eine Absage erteilend: BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 -NuR 99, S. 572 (574). 120 So schon zutreffend Ipsen, DVB1. 83, S. 1030 in Analyse des Nassauskiesungsbeschlusses des BVerfG (Nachweis in Fn. 115). 121 BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, 572 (575). 122 Als ,,Hartefalle", siehe BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, 572 (575). 123 Siehe dazu nochmals BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997-1 BvR 310/84 - NJW 98, S. 367 (368 f), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD5V13).

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

gleichen iiber fmanzielle Ersatzleistungen zu geniigen. Uberdies sind die materiellen Kriterien des BVerfG, unter denen eine nicht mehr kompensierbare Inhaltsund Schrankenregelung angenommen wird, weitaus strenger als die der bereits mehrfach zitierten Literaturmeinung. So soil es nach letzterer fur die Notwendigkeit einer formlichen Enteignung bereits ausreichen, wenn Teilflachen einer umfassenden Gemeinnutzigkeit unterworfen werden.125 Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, verlangt die Verfassungsrechtsprechung hingegen das Zusammentreffen verschiedener Belastungen, die im Ergebnis zu einem wirtschaftlichen Substanzverlust fuhren mussen.126 Beschrankungen im Interesse des Gemeinwohls, die erst zukunftig wirken und keine aktiven Lasten begriinden, erfullen diese Voraussetzungen im Gegensatz zur erwahnten Ansicht in der Literatur hingegen nicht. Innerhalb naturschutzrechtlicher Beschrankungen sind aktive Unterhaltungspflichten, die kumulativ mit anderen Beeintrachtigungen das Eigentumsrecht zu einer Last im offentlichen Interesse degradieren, wie es das BVerfG fur die Annahme nichtkompensierbarer Eigentumsbeschrankungen verlangt, alienfalls dann denkbar, wenn dem Eigentiimer zusatzlich zu weitgehenden Nutzungsausschlilssen die Durchfuhrung und Finanzierung von Schutz- und PflegemaBnahmen im Interesse des Naturschutzes aufgebiirdet werden sollten.127 Darum geht es hier jedoch nicht. Jenseits aktiver Pflegepflichten eroffhet auch die neueste Verfassungsrechtsprechung im Ergebnis keinen Raum fur die Annahme nichtkompensierbarer Eigentumsbeschrankungen durch naturschutz- oder wasserrechtliche Regelungen.

3. Relevanz fiir Ausdeichungen Unterstellt man die prinzipielle Moglichkeit nichtkompensierbarer Eigentumsbeschrankungen von landwirtschaftlichen Grundstiicksnutzungen,128 stellt sich, folgt man der Auffassung des BVerfG,129 die Frage, ob es innerhalb der Revitalisierung von Salzwiesen oder Kiistenuberflutungsmooren zu derart gravierenden Einschnitten kommen kann, dass von unzumutbaren und nicht kompensierbaren Beeintrachtigungen des Grundeigentums auszugehen ware. Dazu miissten die beschriebenen Wirkungen in einer Gesamtschau eintreten, etwa weil der Nutzer ausschliefilich auf die Bewirtschaftung der von Ausdeichungen erfassten Flachen angewiesen ist und vollstandige Nutzungsausschlusse den Kern der personalen Funktion des Ei124 125 126 127 128 129

BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 BN 5/97 - NuR 98, S. 37 (38 f.), Fundstelle in Juris, CD Umweltrecht (CD12V08). Breuer, NuR 96, S. 546; ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 55 f.; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999- 1 BvL 7.91-NuR 99, S. 572 (574 f.). Die Notwendigkeit einer tiber Eigentumsbegrenzungen hinausgehenden aktiven Belastung macht auch Stiiber, NordOR 01, S. 149, deutlich. Der vorgenannte Beschluss des BVerfG erging zu denkmalschutzrechtlichen Beeintrachtigungen. Zur Relevanz der hier abgelehnten Auffassung im Schrifttum siehe 5. Kapitel § 14 C. I. 3.

§ 14 Schutzumfang gegenuber unbesiedelten Flachen

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gentums entziehen,130 ein landwirtschaftlicher Betrieb seiner Existenz beraubt wird oder wenn diese Wirkungen im Zusammenspiel mit normativen Nutzungsbeschrankungen wasser- oder naturschutzrechtlicher Art erfolgen. Zunachst ist aus dem Ausschluss der landwirtschaftlichen Bodennutzung im zukiinftigen Retentionsraum kaum zu schlieBen, dass die Existenz der betroffenen Landnutzer generell gefahrdet ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Vollerwerbslandwirte in ihrer landwirtschaftlichen Produktion nicht ausschlieBlich auf die auszudeichenden Polderflachen angewiesen sind.131 Notwendig werdende Produktionsumstellungen oder unerhebliche Betriebsverkleinerungen sind jedenfalls nicht in der Lage, die fur die Rechtswidrigkeit von Eigentumsbegrenzungen notwendige Unzumutbarkeit zu bewirken.132 Ungeregelte Uberflutungen mogen zwar im Einzelfall die landwirtschaftliche Nutzung vorerst ganzlich ausschlieBen. Letzlich werden aber nicht alle Verfilgungsbefugnisse unterbunden.133 Rechtsgeschaftliche Verfiigungen wie VerauBerungen bleiben weiterhin moglich, die Teilnahme am Grundstiicksverkehr134 wird in keiner Weise limitiert. Betretungsrechte bleiben ebenfalls gewahrt. Touristische Nutzungen in Gestalt von Filhrungen oder Beobachtungen sind nach Sukzession moglich. Auch unter Anerkennung wertmaBiger EinbuBen fiihren RenaturierungsmaBnahmen nicht zur praktischen Unmoglichkeit einer WeiterverauBerung. SchlieBlich fehlt es an dem Merkmal der aktiven Lastentragung im Allgemeinwohlinteresse.135 Die dem Denkmalschutzrecht entflieBenden kostspieligen Gebaudeerhaltungspflichten sind wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Einwirkungen auf die Grundstiicke geradezu fremd. Im Gegenteil, durch die Schaffung von Uberflutungsflachen und deren naturschutzgerechter (Nicht-)Nutzung werden den Eigentiimern keine Unterhaltungspflichten mit finanziellem Einschlag aufgebiirdet.136 130

131 132 133

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135 136

So verneint der BGH, Urteil vom 19.09.1996 - III ZR 82/95 (56/97) - AgrarR 97, S. 95 (96), enteignende Wirkungen, wenn aufgrund von Wasserschutzgebietsfestsetzungen 40% der landwirtschaftlich verwertbaren Weideflache von der Nutzung ausgenommen werden. Vom BGH, Urteil vom 22.06.1962 - 4 C 226, 232/61- NJW 62, S.2171 (2173), wird eine Enteignung abgelehnt, obwohl eine Deichverstarkung die Inanspruchnahme eines Grundstucks von ehedem 26% auf 40% ausweitet. Ebenso Corell, UPR 96, S. 252. Corell, UPR 96, S. 252. BGH, Urteil vom 19.09.1996 - III ZR 82/95 (56/97) - AgrarR 97, S. 95 (97). Darauf stellt auch das BVerwG, Urteil vom 22.06.1962 - 4 C 226.61- NJW 62, S. 2171 (2173) ab, indem festgestellt wird, dass trotz des ganzlichen Entzuges der landwirtschaftlichen Bewirtschaftbarkeit Raum fur andere Nutzungen verbleibt (z.B. Wege und Bootssteg). Z u enteignungsrechtlichen Wirkungen v o n VerauBerungsverboten vgl. BVerfG, B e schluss v o m 12.01.1967 - 1 B v R 1 6 9 / 6 3 - BVerfGE 2 1 , S. 73 (82 f.); BVerfG, B e schluss v o m 19.07.1969 - 1 BvR 353/67 - BVerfGE 26, 215 (222). Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, S. 572 (574). Sind demgegenuber naturschutzfachlich extensive Beweidungen oder regelmaBige M a h d angezeigt, waren Schutz- und Pflegevereinbarungen zwischen den Naturschutzverwaltungen und den Nutzern moglich.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

Im Ergebnis zeigt sich, dass mit der Ausdeichung von Polderflachen keine Auswirkungen verbunden sind, die in ihrer materiellen Belastung und in volliger Unberiicksichtigung privater Interessen137 das Eigentumsgrundrecht derart iiberschreiten, dass zur RechtmaBigkeit der MaBnahmen formliche Enteignungsverfahren notwendig werden. Enteignungsrechtliche Wirkungen konnen auch nicht iiber Parallelen zur rechtlichen Einordnung enteignender Eingriffe bei der Erhohung von Deichen mit der Folge einer gesteigerten Uberflutungsgefahr von im Vordeichgebiet belegenen Grundstiicken hergeleitet werden.138 Enteignend im dort verstandenen Sinne wirken MaBnahmen, die dem Eigentumer unvertretbare Einschrankungen seines Eigentumsrechts zunachst entschadigungslos auferlegen.139 Mit dem Enteignungsbegriff in Art. 14 Abs. 3 GG hat dies nichts zu tun.140 Zugleich ist ein derartiger Vergleich auch sachlich wenig geeignet, die Notwendigkeit formlicher Enteignungsverfahren zu begriinden. In den beschriebenen Fallen ging es um eine kiinstliche Gefahrerhohung ftir die vor den Deichen liegenden Flachen im Interesse eines groBeren MaBes an Sturmflutsicherheit tur die Hinterlieger.141 Entscheidend ist, dass der durch die Deicherhohung geschaffene Zustand nicht von der Situationsgebundenheit erfasst wird. Derm die mit der Erhohung des Deichkorpers einhergehende faktische Belastung der ungesicherten Grundstucke folgt gerade nicht aus deren naturgegebenen landschaftsraumlichen Belegenheit,142 sondern aus der aktiven und kiinstlichen Veranderung ihrer Lage und Beschaffenheit, mithin der umgebenden und naturgegebenen Situation. Demgegeniiber dienen Ausdeichungen der Wiederherstellung der ursprilnglichen Einbettung in die Umgebung. Es geht um Reaktivierung, mithin um die Wiederzufuhrung des Grundstiicks in seinen wirtschaftlich, kulturhistorisch und naturvorgegebenen Gesamtkontext. Insofern erfolgt erst die Schaffung des Umfeldes, welches als MaBstab zur Bestimmung der Situationsgebundenheit herangezogen werden kann. Wahrend eine Enteignung darauf gerichtet ist, die situationsbedingte Ordnung ausnahmsweise zu iiberwinden, sind die mit dem Entzug konkreter Rechtspositionen verbundenen Nutzungsbeschrankungen nach ihrem objektiven Sinn und Zweck auf eine situationsbedingte Umgestaltung der Eigentumsordnung gerichtet und so als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren.143 Das Einstellen von KustenschutzmaBnahmen an der AuBenkiiste ist ebenfalls nicht als Enteignung anzusehen. Die Rechtspositionen und Nutzungsmoglichkei137 138 139 140 141 142 143

Die Schwere des Eingriffs ist nicht alleine von Bedeutung, vgl. BVerwG, Nachweis in: NuR 99, S. 573. Siehe dazu 5. Kapitel § 13 B. III. 2. BGH, Nachweis Fn. 97, S. 573; Engelhardt, NVwZ 94, S. 339. Engelhardt, NVwZ 94, S. 339. Siehe Nachweise in Fn. 125. Zur Definition der Situationsgebundenheit siehe z.B. BVerwG, Urteil vom 24.07.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (4). BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (5); kritisch Schwabe, Jura 94, S. 532.

§ 14 Schutzumfang gegenuber unbesiedelten Flachen

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ten der Eigentiimer des Diinenhinterlandes bleiben, bedingt durch die Langsamkeit der natiirlichen Prozesse, zunachst uneingeschrankt erhalten. Dariiber hinaus ist die Eingriffsqualitat bei der Nichtvornahme von SicherungsmaBnahmen nicht gegeben. Es fehlt an der zuordnungsverandernden Qualitat eines Eingriffs. Qualifizierte Unterlassungstatbestande144 liegen nicht vor, da sich die offentlichrechtliche Verpflichtung zum Kiistenschutz gerade nicht auf unbebaute Bereiche bezieht.145 Resumierend bleibt festzuhalten, dass Ausdeichungen an den Boddenkiisten und das Einstellen von KiistenschutzmaBnahmen an der Aufienkuste keine Enteignungen im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG sind.

IV. Das Fachrecht als Inhalts- und Schrankenbestimmung Die Festsetzung sozialbindender Inhalte und Schranken des Eigentums146 gemaB Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 GG bedarf eines formlichen Gesetzes oder darauf zuruckzufiihrender materieller Regelungen, innerhalb derer Privat- und Sozialniitzlichkeit in ein ausgewogenes Verhaltnis zu bringen sind.147 Derartigen Konkretisierungen tragt das Fach(-planungs)recht dadurch Rechnung, dass in den jeweiligen Gesetzen solche Zwecke formuliert werden oder sich als im Rahmen dieser Gesetze zulassigerweise verfolgbare Ziele erschlieBen.148 Die Vorhaben mussen zum Erreichen der jeweiligen Zielsetzungen vernunftigerweise geboten sein.149 Wie schon an anderer Stelle gezeigt, konnen Ausdeichungen auf gesetzlich normierte Planungsziele zuruckgefuhrt werden.150 Die auf Renaturierung gerichteten Normen des Wasserrechts sind daher als inhalts- und schrankenbestimmende Normen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zu begreifen. Eine Inhalt und Schranken bestimmende Konstituierung der Eigentumsordnung erhalt das Fachplanungsrecht weiterhin dadurch, dass es Beeintrachtigungen Dritter hinnimmt,

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Siehe dazu schon Fn. 112. Im Ergebnis ahnlich: OVG Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - NuR 98, S. 558 (560); bestatigt durch BVerwG, Beschluss vom 12.03.1998 - 6 B 10/98NuR 98, S. 543 f. Siehe zur Schutzpflicht ausfuhrlich im 5. Kapitel § 13 A. I. Eigentumsrechtliche Beeintrachtigungen infolge von Planfeststellungen und Plangenehmigungen lieBen sich, zumindest ihrem Wesen nach, auch als enteignende oder enteignungsgleiche Eingriffe klassifizieren. Dies ist aber letztlich unbeachtlich: Gegenstand der nachfolgenden Uberlegungen zur Vereinbarkeit der Mafinahmen mit Art. 14 GG ist maflgeblich der Topos der Situationsgebundenheit, der in beiden Fallen von erhohter Bedeutung ist. Vgl. zum gleichlautenden materiellen Verstandnis der Eigentumsbindungen: Kimminich, NuR 94, 261. Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 14 Rn. 208; Prall, NordOR01,S. 189. Kiihling/Hermann, Fachplanungsrecht, Rn. 274; Prall, NordOROl, S. 189. So im Ergebnis auch Diirr, in: Knack, VwVfG, § 75 Rn. 73. Vergleiche dazu die Nachweise in den Fn. 14 ff. Siehe 5. Kapitel § 14 A. II.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

die sich im Rahmen des Zumutbaren halten.151 Unzumutbare Beeintrachtigungen, die sich nicht als Enteignungen darstellen, verlangen zu ihrer Rechtfertigung nach Kompensationen,152 die das Fachrecht bereithalt.153 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass es sich bei auf Ausdeichungen und Deichriickbauten gerichteten formlichen Verfahren auch um Konkretisierungen wasserrechtlicher Normen und damit um inhalts- und schrankenausfullende MaBnahmen handelt, die auf wasserrechtliche Ermachtigungsgrundlagen zurilckgefuhrt werden konnen.154

C. Der Naturraum als objektiver Nutzungsrahmen /. Uberflutung als situationsgebundene Belastung Fraglich ist, ob sich Renaturierungsprojekte im Rahmen der Sozialpflichtigkeit aus Art. 14 Abs. 2 GG halten und daher als entschadigungslos hinzunehmende Inhaltsund Schrankenbestimmungen des Eigentums darstellen,155 oder ob die mit der Einstellung von KiistenschutzmaBnahmen und deren Rtickverlegung verbundenen Eigentumsbeeintrachtigungen so gravierend wirken, dass sie den Betroffenen ohne finanziellen Ausgleich nicht zugemutet werden konnen.156 Letzteres soil insbesondere dann moglich sein, wenn Nutzungen ohne finanziellen Ausgleich unterbunden werden, die bisher ausgeilbt worden sind oder die sich nach Lage der Dinge objektiv anbieten.157

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Insoweit existieren umfangreiche gesetzliche und untergesetzliche Regelungswerke, vgl. auch Prall, NordOR 01, S. 189. Prall, NordOR 01, S. 189. Zu § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG vgl. auch Diirr, in: Knack, VwVfG, § 75 Rn. 73. So ganz offensichtlich Corell, UPR 96, S. 250. Im Ergebnis gleicher Auffassung: Schwabe, Jura 94, S. 530. Ebenfalls in diese Richtung argumentierend: BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (4). Beide Begriffe werden synonym verwendet, vgl. BVerfG, Nassauskiesungsbeschluss, Nachweis in Fn. 94, S. 330 f.; Rittstieg, in: Wassermann, AK-GG, Art. 14/15 GG Rn. 160; a.A. Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 257 ff., 263 f. Siehe dazu z.B. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1981 - 1 BvL 24/78- BVerfGE 58, S. 137 (145 ff.); BVerfG, Beschluss vom 30.11.1988 - 1 BvR 1301/84 - BVerfGE 79, S. 174 (192); BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 - 4 C 47.89- BVerwGE 84, S. 361 (372). BVerwG, Beschluss vom 10.05.1995 - 4 B 90/95 - NJW 96, S. 409 (409); BVerwG, Urteil vom 15.02.1990-4 C 47.89 - BVerwGE 84, S. 361 (370 f); BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (10); Beschluss vom 18.07.1997 - 4 BN 5.97- NuR98, S. 37 (39 f); BVerwG, Entscheidung vom 17.01.2000 - 6 BN 2.99 - NuR 00, S. 267, Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CDO5V13).

§ 14 Schutzumfang gegenilber unbesiedelten Flachen

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1. Eigentum und faktische Situationsgebundenheit a. Situationsgebundenheit als Ausdruck wertfreier Naturprozesse Welche Nutzungen sich objektiv anbieten und ob bereits ausgeubte Nutzungen ersatzlos unterbunden werden konnen, richtet sich maBgeblich danach, in welcher naturgegebenen Lage sich das Grundstuck einbettet.158 Ein fmanzieller Ausgleichsanspruch entfallt insbesondere dann, wenn sich bestimmte gesetzesvollziehende Beeintrachtigungen als Ausdruck der Situationsgebundenheit darstellen.159 Der Topos der Situationsgebundenheit ist letztlich Auspragung der eigentumsrechtlichen Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG.160 Die Tatsache, dass das Grundeigentum seinem Wesen nach viel starkeren sozialen Bindungen als das bewegliche Eigentum unterworfen ist, soil seine Ursache in der fundamentalen Bedeutung des Eigentums an Grand und Boden fur die Entfaltung der gesamten Gesellschaft und die Sachnotwendigkeiten des Gemeinwohls finden.161 Aus dem Charakter von Grand und Boden als unvermehrbar und unentbehrlich folge das Verbot, seine Nutzung vollstandig dem Spiel der freien Krafte oder dem Belieben des Einzelnen zu iiberlassen. Die verfassungsrechtliche Eigentumsordnung schlieBe beim Grundeigentum den unbedingten Vorrang des Individualinteresses vor den Interessen des Gemeinwohls aus.162 Die Situationsgebundenheit wirkt insoweit als ortsbezogene Auspragung der Sozialpflichtigkeit und korrigiert die Nutzbarkeit des Grundeigentums nach seiner Belegenheit im Naturraum. Der Koppelung der mit dem Grandeigentum einhergehenden Rechte an das auBere Umfeld liegt die Uberlegung zugrande, dass Grandeigentum kraft seiner umschriebenen besonderen Situation, und zwar nicht erst kraft positivrechtlicher Normierang, sondern seiner Natur nach mit einer begrenzten Pflichtigkeit verbunden bzw. belastet ist, und dass sich diese zu einer Pflicht im Rechtssinne verdichten kann.163 Damit ist nichts anderes gemeint, als dass sich die naturlichen und landschaftsraumlichen Gegebenheiten eines Grandstiicks in einer Gestalt manifestieren, die eine Art immanenter, dem Grundstuck selbst anhaftender Beschrankung der Eigentumerbefugnisse nach sich zieht.164 Die konkreten Gegebenheiten konnen dabei sowohl faktischer, als auch normativer Art sein. Faktische Situationsgebun158 159 160 161 162

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BVerwG, Urteil vom 14.11.1975 - 4 C 2.74 - BVerwGE 49, S. 365 (368, 372). Badurct, in: Benda/Maihofer/Vogel, HbVerfR, § 10 Rn. 75. BVerwG, Urteil vom 14.11.1975 - 4 C 2.74 - BVerwGE 49, S. 365 (368); BGH, Urteil vom 20.02.1992 - III ZR 188/90 - DVB1. 92, S. 1089 (1092). Nawroth, Privateigentum, in: FS Ernst, S. 329. BVerfG, Beschluss vom 12.01.1967 - 1 BVR 169/63- BVerfGE 21, S. 73 (82 f.); BVerfG, Beschluss vom 12.07.1979 - 1 BvL 19/76- BVerfGE 52, S. 1 (32). Aus der Literatur vgl. statt vieler: Soell, DVB1. 83, S. 245. Grundlegend BGH, Urteil vom 20.12.1956 - I I I ZR 82/55 - BGHZ 23, S. 30 (33 f.); BVerwG, Urteil vom 22.06.1962 - 4 C 226, 232/61 -NJW 62, S. 2171 (2172). Kritisch Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 149 Rn. 159. Fur die normative Situationsgebundenheit: BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (4).

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

denheit bedeutet in diesem Zusammenhang die Bindung der Nutzungsformen an auBere, nicht oder nur eingeschrankt beeinflussbare natiirliche Vorgaben.165 Sie pragen das betroffene Grundeigentum mit einem wesensimmanenten ,,Minus" kraft naturraumlicher Situation.166 Unter normativer Situationsgebundenheit sind dagegen Bindungen zu verstehen, die die zulassigen Grundstiicksnutzungen zum Zwecke des Erhalts und des Schutzes bestimmter landschaftsokologischer Faktoren beschranken.167 Im Unterschied zu faktischen Beschrankungen sind die Bindungen nicht naturraumlich-absoluter, sondern gesellschaftlich-wertender Art. Wahrend die faktische Situationsgebundenheit folglich kraft ihrer blofien Existenz die Grundstticksnutzung aus sich heraus einschrankt, wirken normative Bindungen erst iiber den Schritt der wertenden Umsetzung von Vorstellungen der Allgemeinheit in Form von rechtlichen Regelungen. Normative Regelungen begegnen einem vor allem in Gestalt naturschutz- und wasserrechtlicher Nutzungsvorgaben. Insoweit kann die der normativen Situationsgebundenheit gegeniiber geauBerte Kritik,168 auf die zuruckzukommen sein wird,169 bei faktischen Bindungen nicht durchgreifen. Wenn zu normativen Bindungen beklagt wird, dass die Schutzwiirdigkeit kein natiirlicher Begriff sei, sondern das Ergebnis menschlicher Entscheidungen und der betroffene Grundeigentiimer sich daher mit diffusen unsicheren gesellschaftlichen Auffassungen auseinanderzusetzen habe,170 ist dies bei fakti-

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Dies konnte der BGH, Urteil vom 03.03.1983 - III ZR 93/81 - BGHZ 87, S. 66 (77 f.), gemeint haben, als er, losgelost von einer wertenden Schutzwurdigkeit, im Rahmen der Situationsgebundenheit davon sprach, dass ,,die naturgegebene Lage eines Grundstiicks (...) durch seine Nahe zu einem Fluss, (...) oder zum offenen Meer gepragt werden" kann. Siehe auch die Abgrenzung von Wasserschutzgebieten als Entscheidungen mit planerischem Einschlag und damit erhohten fmanziellen Ausgleichspflichten zu Uberschwemmungsgebieten, die ,,wesentlich starker an die tatsachlichen Verhaltnisse und das daraus resultierende Gefahrdungspotential anknupfen" bei VGH Mannheim, Entscheidung vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (258), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13); ebenso: OVG Koblenz, Urteil vom 30.10.2003 - 1 C 10100/03 - NuR 04, S. 536 (537); bestatigt vom BVerwG, Urteil vom 22.07.2004 - 7 CN 1.04- PM Nr. 45/2004 vom 22.07.2004 = NuR 04, S. VII. Ahnlich Engelhardt, NVwZ 94, S. 339, m.w.N.

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OVG Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - N u R 98, S. 558 (560) fur ein an der Kante eines aktiven Kliffs (gesetzlicher Biotopschutz) belegenes und mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstilck; bestatigt durch BVerwG, Beschluss vom 12.03.1998 - 6 B 10/98 - NuR 98, S. 543 f. BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (4). Vergleiche dazu z.B. Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 149 Rn. 159; ders., Eigentum, passim; Kutschera, Bestandsschutz, S. 130 f. Siehe ausfiihrlicher ii 5. Kapitel § 14 C. II. 1. So jedenfalls Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, § 149 Rn. 159. Gleichwohl ist auch die normative Bindung nicht als eine lose oder gar aufgesetzte zu begreifen, denn die naturraumlichen Gegebenheiten werden durch natur- oder wasserschutzrechtliche Regelungen lediglich nachgezeichnet. Einziger Unterschied ist der wertende Schritt im

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schen Bindungen gerade nicht der Fall. Die grundlegenden naturraumlichen Verhaltnisse als Ankniipfungspunkt sind eben kein Produkt gesellschaftlicher Wertentscheidungen und stehen schon ihrem Wesen nach nicht zur Disposition des Gemeinwesens. Die Unterscheidung beider Arten der Situationsgebundenheit ist letztlich deshalb von Interesse, da sich die Frage nach Entschadigungspflichten grundsatzlich nur bei normativen Nutzungseinschrankungen stellen kann. Nur hier erfolgt eine Inanspruchnahme des Grundeigentums im Interesse der Allgemeinheit, die Grundlage von Ausgleichsanspriichen sein kann. Demgegeniiber sind faktische Grundstucksbindungen wertneutral. Daraus resultierende Nutzungsbegrenzungen konnen zwar ebenfalls im Gemeinwohlinteresse liegen, verursacht werden diese hingegen durch unbeeinflussbare Naturvorgange. Entschadigungsanspriiche derjenigen, die solchen Bindungen unterworfen sind, durften daher regelmaBig ausscheiden. Wendet man sich nun der wohl wahrscheinlichsten Konstellation zu, der Ausdeichung von Polderfiachen mit der Moglichkeit, ggf. nach einer Revitalisierungsfrist, die ungeschutzten Gebiete wieder landwirtschaftlich zu nutzen, ergibt sich eigentumsrechtlich folgendes Bild: Der Deichriickbau zieht lediglich Nutzungsbeschrankungen nach sich. Die Landereien sind weiter einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung zuganglich, die sich gleichwohl an den Gegebenheiten periodischer Uberfiutungen zu orientieren hat. Die Nutzungsformen werden mithin durch die dann vorherrschenden faktischen Bedingungen diktiert. Es ist zu erwarten, dass bestimmte landwirtschaftliche Anbautechniken und Fruchtfolgen sowie die uneingeschrankte Weidehaltung aufgrund der nicht mehr vorhandenen Melioration durch Schopfwerke und der mit der Prielentwasserung verbundenen zeitweisen Uberstauung nicht mehr durchfuhrbar sind. Gleichwohl finden diese faktischen Auswirkungen ihren Ausdruck als bloBe Nutzungsbeschrankungen. Als solche kann schon das MaB der Beeintrachtigungen verfassungsrechtlich keine Entschadigungsanspriiche begriinden.171

171

Lichte des Allgemeininteresses. Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92BVerwGE 94, S. 1 (4). Faktische Begrenzungen der Eigentiimernutzungen sind insoweit erst recht so zu behandeln wie Beschrankungen normativer Art: als entschadigungslos hinzunehmende Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums. Vgl. dazu die st. Rechtsprechung des BVerfu und des BVerwG, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 15.01.1969 - 1 BvL 3/66- BVerfGE 25, S. 112 (117) (Bauverbote); BVerfG, Nassauskiesungsbeschluss, Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ; BVerwG, Urteil vom 14.11.1975 - 4 C 2.74 BVerwGE 49, S. 365 (368); BVerwG, Urteil vom 24.03.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (4); BVerwG, Entscheidung vom 18.07.1997 - 4 BN 5/97- NuR98, S. 38 (39 f). Siehe auch BGH, Urteil vom 18.02.1993 - 3 ZR 29/92- NuR93, S. 497 (497 ff.) = BGHZ 121, S. 328 (328 ff.). Gleiches gilt fur normative Beschrankungen, die faktische Nutzungsgrenzen im Wesentlichen lediglich nachzeichnen, z.B. das Verbot, die Nutzungsart von Dauergrunland auf Niedermoorstandorten zu verandern, vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 16 LNatG M-V.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

b. Das natiirliche Uberflutungsregime als Ausdruck der Situation Der Einordnung dieser Fallgestaltung als faktische Situationsgebundenheit mag man entgegenhalten, dass die Beschrankungen im engeren Sinne nicht nur naturbedingt, sondern durch die wertende Ausdeichung der Flachen im Interesse der Allgemeinheit verursacht werden. Dieser Einwand lasst sich entkraften, wenn man sich die naturgegebene Situation der Flachen vor Augen halt. Diese stellt sich namlich als uneingedeicht dar. Die Anknupfung des vorgegebenen Zustandes an die eingedeichte, kunstlich geschaffene Situation, bietet sich, auch vor dem Hintergrund von Bestandsschutzerwagungen, nicht an.172 Dafur sprechen verschiedene Erwagungen: Selbst nach den anerkannten Regeln der Technik errichtete und unterhaltene Hochwasserschutzanlagen bieten keine absolute Sicherheit.173 Dicht an der Uferlinie belegenen Grundstucken, durch Moorsackung unter NN liegenden Flachen und Bereichen an besonders exponierten Stellen wohnt die Verwirklichung des Gefahrdungspotentials trotz der Existenz von Schutzanlagen grandstucksimmanent inne. Der Einwand, langjahrige Eindeichungen bewirken schon aufgrund ihrer zeitlichen Komponente eine neue Form der Situationsgebundenheit,174 kann zumindest an den Kiistengewassern nicht iiberzeugen. Ftir die Beurteilung der Lage eines Grundstiickes im Naturraum kann nicht die Dauer einer kunstlich geschaffenen Situation maBgeblich sein, sondern nur, ob sich diese Situation in ihrer naturprozessualen Auspragung verfestigt hat. Trotz umfangreicher SicherungsmaBnahmen in der Vergangenheit bleiben Deichgrundstucke jedoch weiter von der Uberflutungsgefahr gepragt.175 Der anthropogen geschaffene Zustand ist gekennzeichnet von einem standigen Kampf gegen die naturgegebene Situation und erreicht deshalb keine eigene Dynamik, die als neue Situationsbindung betrachtet werden konnte. MaBstab fur die Beurteilung der Situationsgebundenheit von Deichgrundstilcken im Kustenbereich ist folglich die naturgegebene, nicht hingegen die kunstlich geschaffene Situation, in der sich die Grundstiicke befinden.176 Zeitlich ist dabei auf diejenigen EindeichungsmaBnahmen abzustellen, durch die die Moglichkeit 172

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Vergleiche dazu etwa BGH, Urteil vom 03.03.1983 - III ZR 93/81 - BGHZ 87, S. 66 (80), wonach zur Beurteilung der die Zulassigkeit eines Kiesabbaus beeinflussenden Situationsgebundenheit nicht der Zustand nach Ausbau eines Gewassers (Rheinstaustufe Iffezheim), sondern der vor der MaGnahme als maBgeblich erachtet wird. Corell, UPR96, S. 251. U.a. auf die Dauerhaftigkeit der SchutzmaBnahmen ab stellt auch OVG Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - NuR 98, S. 558 (560 f.); bestatigt durch BVerwG, Beschluss vom 12.03.1998 - 6 B 10/98 - NuR 98, S. 543 f. (Nachweis in Fn. 166) ab. So aber BGH, Urteil vom 20.02.1992-III ZR 188/90-DVB1. 92, S. 1089(1092). VGH Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (258), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). Corell, UPR 96, S. 251; Scherenberg, Die Gemeinde 80, S. 406. So im Ergebnis fur FlieBgewasser jedenfalls BGH, Urteil vom 03.03.1983 - I I I ZR 93/81 - BGHZ 87, S. 66 (80); im Unterschied dazu: BGH, Urteil vom 20.02.1992 - III ZR 188/90-DVB1. 92, S. 1089(1092).

§ 14 Schutzumfang gegenuber unbesiedelten Flachen

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periodischer tfberflutungen endgultig ausgeschlossen wurde.177 Durch die Bezugnahme auf die natiirliche Situation ist etwa ein Verbot, Feuchtgriinland zu entwassern und in Ackerflachen umzuwandeln, nicht nur dann entschadigungslos zu dulden, wenn es zukiinftige Nutzungen betrifft,178 sondern aufgrund des SituationsmaBstabes auch bei bereits ausgeiibten Bewirtschaftungen oder verfestigten Anspruchspositionen.179 Es ist deshalb da von auszugehen, dass Nutzungseinschrankungen infolge von Deichrlickbau oder Deichverlegungen als Ausdruck der natiirlichen Situation der Flachen in Kiistennahe zu betrachten sind.180 c. Bestandsschutz und faktische Situationsgebundenheit Insoweit scheitern auch Bestandsschutzerwagungen an der besonderen Gefahrdungslage der im Kiistengebiet belegenen Grundstiicke. In iiberflutungsgefahrdeten Lagen sind nur solche Nutzungsformen als den natiirlichen Bedingungen angepasst zu betrachten, die sich im Angesicht der Uberschwemmungsgefahr sinnvollerweise ausilben lassen. Denn im Uberflutungsfalle wird derjenige, der intensiven Grtinlandanbau oder gar Ackerbau betreibt, hohere Schaden zu beklagen haben als derjenige, der der Situation entsprechend angepasst wirtschaftet.181 Wer folglich im Vertrauen auf den Schutz von Anlagen der Kiistensicherung bewusst auf eine dem Hochwasser besser widerstehende Grunlandbewirtschaftung verzichtet, und stattdessen der geographischen Lage nicht gerecht werdende Wirtschaftsformen betreibt, nimmt ein hoheres Risiko sehenden Auges in Kauf. Rechtlich bedeutsame Vertrauensschutztatbestande sind in Kenntnis dieser Naturvorgange, die von jedem Landwirt zu erwarten sind, zu verneinen.182 Im Ubrigen ware es unbillig, den intensiv Wirtschaftenden und in der Vergangenheit hohere Ertrage erzielenden Nutzer gegenuber dem mit geringeren Erlosen auskommenden, aber angepasst Wirtschaftenden noch durch die Einraumung eines Bestandsschutzes zu belohnen.183 Die umfangreichen Eindeichungen der Vergangenheit waren anderen okonomischen Rahmenbedingungen als den heute vorherrschenden geschuldet.184 Es ist weitgehend anerkannt, dass die Grenzen von Eigentumsbeschrankungen nicht statisch und fur alle Zeiten festgelegt, sondern aus menschenrechtlichem Bezug185 177 178

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Siehe dazu auch erganzend das 5. Kapitel § 14 C. I. 4. Siehe dazu neben VGH Mannheim (Nachweis in Fn. 165) auch OVG Minister, Urteil vom 06.10.1988 - 11 A 372/87 - N u R 89, S. 188 (189); Engelhardt, NuR 91, S. 106. Siehe dazu auch 5. Kapitel § 14 C. I. 2. a.E. Fur oberirdische Gewasser so auch Corell, UPR 96, S. 251. Corell, UPR 96, S. 251. In Bezug auf oberirdische Gewasser a.A.: BGH, Urteil vom 20.02.1992 - I I I ZR 188/90 - DVB1. 92, S. 1089 (1092). Siehe dazu ausftihrlicher: 5. Kapitel § 14 C. III. Dies gilt fur Schleswig-Holstein wie fur Mecklenburg-Vorpommern gleichermaBen, wenngleich in letzterem der okonomische Wandel einer mit dem Anspruch von Selbstversorgung getragenen Landwirtschaft der DDR zu den heutigen Bedingungen dem Betrachter augenfalliger erscheinen mag. Rittstieg, Eigentum, S. 395 f.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

dynamisch sind.186 Sie sind daher veranderten Lebensbedingungen187 sowie gewandelten wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Verhaltnissen188 und Wertungen anzupassen.189 In Anbetracht grundlegender Veranderungsoffenheit des Eigentums konnen auch die Nutzer von Polderflachen, zumindest an der tidefreien Ostseekuste, nicht davon ausgehen, dass die temporaren Allgemeininteressen dienenden Deichanlagen auf Ewigkeit durch die Allgemeinheit erhalten werden.190 Uberdies steht dem Gesetz- und Verordnungsgeber gerade bei der Beurteilung, welche Hochwasserschutzstrategien er zum Schutze der Bevolkerung ergreift, ein weiter Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu beriicksichtigen sind.191 Die Verlagerung herkommlicher Konzepte in Richtung naturnaher und nachhaltiger Strategien ist insoweit auch vom Landeigentilmer zu akzeptieren. Zudem stellen sich in diesem Kontext fruhere Deichbauten als insoweit freiwillige Leistungen der offentlichen Hand dar, die grundsatzlich reversibel sind. Weder war der Bau,192 noch ist der dauerhafte Erhalt der Kiistensicherungsanlagen an landwirtschaftlichen Flachen von offentlich-rechtlichen Pflichten getragen.193 Zwar konnen auch freiwillige Leistungen des Staates unter bestimmten Voraussetzungen ein subjektives Verfassungsrecht auf positive Schutzgewahrung nach sich ziehen.194 Dennoch schliefit die Freiwilligkeit von Leistungen einen Rechtserwerb in Gestalt von Bestands- oder Vertrauensschutz grundsatzlich aus.195 Besondere Umstande, die ein schutzwilrdiges Vertrauen begrtlnden konnten, liegen durch die trotz Deichanlagen weiterhin bestehende Uberflutungsgefahr und die absehbare Endlichkeit des durch Deiche vermittelten relativen Schutzes nicht vor. 186

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So im Ergebnis Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 180; Rittstieg, Eigentum, S. 395 f. Ausdrucklich BGH, Urteil vom 25.01.1973 - I I I ZR 113/70 - BGHZ 60, S. 126 (135) unter Rtickgriff auf BGH, Urteil vom 13.07.1967 - I I I ZR 1/65- BGHZ 48, S. 193 (196). BVerfG, Beschluss vom 12.07.1979 - 1 BvL 19/76 - BVerfGE 52, S. 1 (30). Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 180. Eindringlich Rittstieg, Eigentum, S. 395 f.; ahnlich Sendler, DOV 74, S. 73 ff. Fur oberirdische FlieBgewasser einschrankend: Corell, UPR 96, S. 251. So ausdrucklich BVerfG, Beschluss vom 25.03.1998 - 1 BvR 1084/92- NVwZ 98, S. 725 (726) = NuR 98597 (597), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). Siehe dazu die Darstellung der historischen Entwicklung der Verantwortbarkeit fur den Ktistenschutz bei Kollmann, LWaG S-H, § 63 Anm. 4. Diese beschrankt sich gerade auf die besiedelten Bereiche, vgl. dazu 5. Kapitel § 13 A. I. Siehe auch Scherenberg, Die Gemeinde 80, S. 406. Dietlein, Schutzpflichten, S. 168. Ahnlich Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HbBStR, § 57 Rn. 152. VGH Mannheim, Beschluss vom 20.11.1998-4 S 2505/96 - Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13) = DOV 99, S. 924 (nur LS); Ahnlich BAG, Urteil vom 06.08.1998 - 6 AZR 458/96 - Nachweis in Juris. Dies ist im Einzelnen freilich nicht unumstritten, vgl. etwa Dietlein, Schutzpflichten, S. 166 ff, m.w.N.

§ 14 Schutzumfang gegentiber unbesiedelten Flachen

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An dieser Einschatzung andert sich auch nichts, wenn auf die langjahrige Bewirtschaftung der iiberflutungsfrei eingedeichten Flachen abgestellt wird.196 Die blofie, nicht durch eine behordliche Genehmigung gesicherte Nutzung kann nur eingeschrankte Vertrauensschutztatbestande konstituieren.197 Das Bestehen eines in rechtlicher Hinsicht schutzwiirdigen Vertrauens des Eigentiimers darauf, genehmigungsfreie Eigentumsausiibungen unbeschrankt fortsetzen zu konnen, muss daher grundsatzlich vemeint werden.198 Landwirtschaftliche Nutzer vertrauen gerade nicht auf behordliche Genehmigungen.199 Gesteigerte VertrauensschutzmaBstabe - wie sie durch behordliche Zulassungen gewahrte Rechtsstellungen denkbar waren - liegen deshalb nicht vor. Im Ubrigen sind nicht einmal behordliche Genehmigungen von vornherein geeignet, abwehrfahige oder entschadigungspflichtige Bestandsschutzrechte zu vermitteln.200 Letztlich hat sich die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flachen der Natur der Sache nach immer mit Naturprozessen auseinanderzusetzen, welche die Produktion positiv, wie auch negativ beeinflussen. Dies gilt um so mehr auf den permanent von Uberfiutung bedrohten Polderflachen, denn den Landwirten durfte die den Flachen innewohnende Gefahr bekannt sein. Diese Nutzer konnen daher schon von sich aus nicht ein auf die Ewigkeit der Nutzbarkeit gerichtetes Vertrauen entwickeln.201 Insgesamt ist ein Bestandsschutz fur Nutzer von Polderflachen aufgrund des Anknupfens der maBgeblichen Situation an den naturgegebenen Zustand vor Eindeichung zu verneinen. 196

Auswirkungen des Naturhaushaltes auf den Bestand ausgetlbter Nutzungen sind z u d e m ungeeignet, staatliche Abwehrrechte zu begriinden, vgl. schon 5. Kapitel §13 B. I. 2. b. bb. 197 VGH Kassel, Urteil vom 18.03.2004 - 4 N 348/99 - ZUR 04, 295 (98); VGH Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (258), Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 185; ders., BNatSchG, § 12 Rn. 92. 198 Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 185. 199 Ausdrucklich VGH Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2449/93 - NuR 95, S. 256 (258). 200 OVG Schleswig, Urteil vom 19.06.1997 - 1 L 283/95 - NuR 98, S. 558 (559) in Bezug auf den Schutz eines mit Baugenehmigung errichteten und erweiterten Wochendhauses vor Kliffabbriichen im Konflikt zum gesetzlichen Biotopschutz; bestatigt durch BVerwG, Beschluss vom 12.03.1998-6 B 10/98- NuR 98, S. 543 f. (Nachweis in Fn. 166). 201 In diesem Zusammenhang bietet sich eine weitere Analogie zu normativen Nutzungsbeschrankungen an. Uberwiegende Vertrauensschutztatbestande sollen dann nicht bestehen, wenn die rechtliche Moglichkeit der Unterschutzstellung des Gebietes (und damit die Option von Nutzungsbeschrankungen) schon nach der Rechtslage bestanden habe, mit der das Grundeigentum in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gelangte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84- NJW 98, S. 367 (369)). Eingedeichte Flachen diirften als naturliche Uberflutungsflachen urspriinglich die Voraussetzungen fur Unterschutzstellungen geboten haben. Diese Moglichkeit ist bei der Beurteilung der Existenz von rechtlich relevanten Vertrauensschutztatbestanden auch im Rahmen faktischer Beeintrachtigungen zu berucksichtigen.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

2. Kein Bestandsschutz fur situationsunvertragliche Nutzungen a. Situationsunvertraglichkeit der Polderwirtschaft Eigentumsnutzer sollen sich auch dann nicht auf Vertrauensschutztatbestande berufen konnen, wenn in der Nutzungsart schon die langfristige Unbrauchbarmachung des hauptsachlichen Produktionsmittels angelegt ist und unzulassige Beeintrachtigungen anderer Umweltgiiter erfolgen.202 Insoweit wird vertreten, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nur so weit gelten kann, wie die Nutzung der Natur auch die okologische Funktion des Eigentumsobjektes nicht missachtet.203 Vor diesem Hintergrund spricht gegen einen Bestandsschutz der Polderwirtschaft, dass sie weder okonomisch, noch okologisch als vertretbar angesehen werden kann.204 In okonomischer Hinsicht stellt sich die Polderwirtschaft als Substanzwirtschaft dar, die durch das mit den Eindeichungen verbundene Absinken der Nutzflachen substanzverbrauchend wirkt. Diese Substanzvernichtung wiirde schon fur sich etwaige Vetrauensschutztatbestande verhindern.205 Zudem wirken derartige Flachensenkungen insbesondere vor dem Hintergrund des befiirchteten Meeresspiegelanstiegs konterkarierend. Dauerhaft konnten diese Flachen nur durch immer hohere Deichanlagen gesichert werden, deren Bau und Unterhaltung bereits mittelfristig an Zumutbarkeitsgrenzen stofien und langfristig auch in tatsachlicher Hinsicht unmoglich werden konnen. SchlieBlich erhoht das Gefalle zwischen Wasserstand und Eindeichungsflache das Gefahrenpotential,206 und zwar nicht nur fur die Polderflachen selbst, sondern zugleich fur die Gesamtheit der tiberflutungsgefahrdeten Bereiche.207 Obgleich die Risikozuwachse auf den Polderflachen den Landnutzern zuzurechnen sind und hier Vertrauensschutztatbestande verhindern dtirften, beeintrachtigt die generelle Gefahrerhohung im Kiistenbereich iiberdies das Allgemeinwohlinteresse. 202

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So auch Czybulka, NuR 88, S. 216, 217; Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 182. Angesichts der Tatsache, dass die intensive landwirtschaftliche Bodennutzung im Bereich der Ackerbiotope etwa 7 5 % des ursprunglich vorhandenen Arteninventars fast vollstandig vernichtet hat, wird man sich zukilnftig ilber die Frage, welche land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsarten uberhaupt dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 G G unterfallen, verstarkt Gedanken machen mtlssen. Vgl. nunmehr die Ansatze in § 5 Abs. 3 BNatSchG. Zu den Wirkungen intensiver Bewirtschaftungsformen vgl. Heydemann, Landwirtschaft, in : BBN, Leitbild, S. 116 f. Siehe die Nachweise in Fn. 202. Vergleiche 1. Kapitel § 4 C. D i e Bestandsgarantie des Art. 14 G G erstreckt sich nicht auf die Substanzvernichtung von Natur. Zutreffend Czybulka, N u R 88, S. 218. Ebenso Louis, Eigentum, in: B B N , Leitbild, S. 188. Diesen G e d a n k e n greift jetzt auch § 5 Abs. 2 1. SpSt. B N a t S c h G a u f , wenn gefordert wird, dass die langfristige Nutzbarkeit der Boden durch d e n Bewirtschafter zu sichern ist, vor allem dadurch, dass ,,Bodenerosion u n d Bodenverdichtung vermieden u n d der standorttypische Humusgehalt erhalten wird". Siehe dazu 1. Kapitel § 4 B. III. 2. Proportionality von Potentialgefalle und Risikopotential.

§ 14 Schutzumfang gegeniiber unbesiedelten Flachen

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In okologischer und gewassergtitebezogener Betrachtung beeintrachtigen Eindeichungen u.a. schon durch den blofien Ausschluss periodischer Uberflutungen das Selbstreinigungsvermogen der Boddengewasser.208 Auf den Polderflachen betriebene intensive Bewirtschaftungsformen belasten die Gewassergtite zusatzlich, da die eingesetzten Diingemittel ilber die Schopfwerke in die Ktistengewasser getragen werden und die Eutrophierung verstarken.209 Hier ist in die Uberlegungen einzustellen, dass die Nutzung des Grundeigentums gerade nicht zur Verunreinigung von Gewassern berechtigt.210 Dies gilt nunmehr211 auch fur die Ktistengewasser. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4a WHG wird das Einleiten und Einbringen von Stoffen in Ktistengewasser dem Rechtsregime der nach den §§ 7, 8 WHG zulassungsbedtirftigen Gewasserbenutzungen unterstellt. Als Auffangtatbestand212 ist § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG auf alle Gewasserarten anwendbar.213 Danach stellen alle MaBnahmen, die geeignet sind, schadliche Veranderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Wassers herbeizufuhren, zulassungsbedurftige Benutzungen dar. Von § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG sind zugleich alle gewasserrelevanten Dungemafinahmen erfasst, soweit sie nicht schon § 3 Abs. 1 Nr. 4a WHG oder § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG zugeordnet werden konnen.214 Die intensive landwirtschaftliche Produktion mit unmittelbarem Gewasserbezug, wie die Polderwirtschaft, mtisste schon von der Aussaat an215 bis hin zur chemischen Behandlung mit Dungemitteln, Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden zumindest latent als erlaubnispflichtige Gewasserbenutzung angesehen werden.216 Zusatzliche MeliorationsmaBnahmen mit Schopfwerken, die das tiberschtissige Wasser von den Poldern in die Ktistengewasser pumpen, waren dartiber hinaus als Einleitungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4a WHG zu betrachten.217 Optionale Freistellungen von den Benutzungsregelungen des WHG greifen gleichfalls nicht durch, da eine Erlaubnisfreiheit in Mecklenburg-Vorpommern218 und Schleswig-Holstein219 nur dann gewahrt werden kann, sofern die Eigenschaf208 209 210

211 212 213 214 215 216 217 218 219

Siehel.Kapitel§4B. III. 2. Ebenda. Ahnlich V G H Mannheim, Urteil vom 20.04.1994 - 8 S 2 4 4 9 / 9 3 - N u R 9 5 , S. 256 (258). Ftir das Grundwasser grundlegend der Nassauskiesungsbeschluss des BVerfG, S. 337 (Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 ) Nach Anderung des § 3 Abs. 1 Nr. 4a W H G durch die 6. Novelle des W H G . Breuer, Schutz der Meere, in: Koch/Lagoni, Meeresumweltschutz, S. 222; Czychowski/Reinhard, WHG, § 3 Rn. 67. Czychowski/Reinhard, W H G , § 3 Rn. 67. Breuer, Schutz der Meere, in: Koch/Lagoni, Meeresumweltschutz, S. 222; Czychowski/Reinhard, WHG, § 3 Rn. 74. Bei gebeiztem Saatgut, vgl. Czychowski/Reinhard, W H G , § 3 Rn. 74. So im Ergebnis auch Volsch, Entschadigung, S. 105; Czychowski/Reinhard, WHG, § 3 Rn. 74. Im Umkehrschluss zum Abpumpen von Wasser aus Gewassern als Fall des Entnehmens in § 3 Abs. 1 Nr. 1 W H G , siehe dazu Czychowski/Reinhard, W H G , § 3 Rn. 15. Vergleiche § 23 L W a G M-V. Vergleiche § 16 Nr. 2 L W a G S-H.

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ten der Kustengewasser nicht nachteilig verandert werden. Dem Wortlaut der Freistellungen nach erfolgt hier lediglich eine mit den Voraussetzungen von § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG vergleichbare Regelung. Die landesrechtlichen Ermachtigungen konnen mithin nur das Einleiten unverschmutzten Wassers umfassen,220 was bei intensiver Landwirtschaft auf Polderflachen gerade nicht zu erwarten ist. Die mit der Polderwirtschaft verbundenen Gewassereinwirkungen, zu denen das Grundeigentum nicht berechtigt,221 verhindern folglich die Bildung von Vertrauensschutztatbestanden, so dass eigentumsrechtlich relevante Rechtspositionen aus Bestandsschutz nicht entstehen.

b. Nachhaltigkeit als Beurteilungsmaflstab Nicht in Abrede gestellt werden soil, dass Zivilisation immer mit Bedrangnis fur die naturlichen Lebensgrundlagen verbunden ist. Ein durchgangiges und starres Verbot, in die okologischen Lebensgrundlagen einzugreifen, kann ohne Verzicht auf das bisher erreichte zivilisatorische Niveau nicht durchgesetzt werden.222 Die Beurteilung, welche Nutzungen als dem Eigentumsrecht zugehorig angesehen werden konnen, bedarf deshalb eines Korrektivs. Dazu wird vertreten, Eingriffe nach MaBgabe des technisch Moglichen und rechtlich Zumutbaren unter Berticksichtung okologischer Folgekosten zu minimieren.223 Ausschlaggebend soil die richtige Mitte224 der Rechtszuteilung im Sinne der aristotelischen Ethik im okologischen Kontext sein.225 Als BeurteilungsmaBstab und Korrektiv gleichermaBen bietet sich im Rahmen der Abgrenzung zwischen bestandsgeschiitzten, okologisch vertretbaren Nutzungen von solchen, die infolge ihrer nachteiligen Wirkungen auf die naturlichen Lebensgrundlagen keinen Bestandsschutz begrilnden konnen, das Prinzip der Nachhaltigkeit an.226 In diesem Kontext konnten die Regeln eines okologischen Managements greifen. Danach sind nicht erneuerbare Ressourcen nur in dem Mafie zu nutzen, in dem gleichwertiger Ersatz durch erneuerbare Ressourcen geschaffen wird. Die Nutzungsrate erneuerbarer Ressourcen soil deren Regenerationsrate nicht ubersteigen.227 Ob und inwieweit bestimmte Naturnutzungen dem Anspruch der okologischen Komponente der Nachhaltigkeit im Einzelnen gerecht werden, kann nur in einer Gesamtschau erfolgen. Ein maBgebliches Kriterium wird auf jeden Fall sein, ob 220

Czychowski/Reinhard, W H G , § 32a Rn. 4. Vergleiche den Nassauskiesungsbeschluss des BVerfG, Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 1 3 . 222 Isensee, Ambivalenz, in: Ossenbiihl, Eigentumsgarantie, S. 16. 223 Isensee, Ambivalenz, in: Ossenbtihl, Eigentumsgarantie, S. 16. 224 Vergleiche dazu die Mittelwert-Theorie des BVerwG, Urteil vom 12.12.1975 - 4 C 71.73 -BVerwGE 50, S. 49 (54 f.). 225 Isensee, Ambivalenz in: Ossenbuhl, Eigentumsgarantie, S. 17. 226 Vergleiche auch die Bezugnahme auf das Merkmal der Nachhaltigkeit und der Langfristigkeit in § 5 Abs. 4 2. SpSt. BNatSchG, wonach Bewirtschaftung standortangepasst erfolgen und die nachhaltige Bodenfruchtbarkeit und langfristige Nutzbarkeit der Flachen gewahrleistet sein muss. Ausfuhrlicher dazu BTDrs. 14/6378, S. 70. 227 Siehe dazu ausfuhrlich Simonis, ZAU, 98, S. 63 f. 221

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die in Rede stehenden Nutzungen der Erhaltung oder Wiederherstellung der fur bestimmte natumahe Landschaftsformen typischen Biotopstrukturen und Arten dienlich sind oder wenigstens nicht storend wirken.228 So wird die Kahlschlagrodung eines Waldes diesen Anforderungen genauso wenig gerecht wie die Aufzucht von Monokulturen artfremder Geholze, die einheimischen Tier- und Pflanzenarten keine Lebensstatten bieten. Andererseits stellen Einzeleinschlage in naturnahen Waldern ebenfalls Eingriffe dar, hier konnen aber typische Biotope und Arten langfristig erhalten werden. Unter Zugrundelegung der eben gefundenen Pramissen wird jedenfalls deutlich, dass in nachhaltigkeitskonformer Auslegung des Grundrechts auf Eigentum schon die bloBe Existenz von Polderflachen an den Boddenkiisten der Ostsee kaum dem eigentumsrechtlichen Bestandsschutz unterfallen diirfte. Werden die auf den Flachen betriebenen intensiven Wirtschaftsformen mit den bereits mehrfach beschriebenen Auswirkungen der Substanzvernichtung des Eigentumsobjektes mitberiicksichtigt, zeigt sich, dass die Polderwirtschaft aufgrund der Vernichtung zukiinftiger Nutzungsoptionen fur nachfolgende Generationen selbst unter isolierter ressourcenokonomischer Sichtweise nicht nachhaltig sein kann.229 SchlieBlich wird man ein Vermogensgut im Allgemeinen nur so weit (aus)nutzen, wie sein Vermogenswert erhalten bleibt.230 Unter Einbezug der okologischen Nachhaltigkeitskomponente erhartet sich dieser Befund.231 Umweltgiiter sind insoweit grundsatzlich als Vermogensgiiter zu betrachten, die nur gebraucht, aber nicht verbraucht werden.232 Die Art und Weise der herkommlichen Polderwirtschaft ist somit auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit untauglich, Rechte aus Bestandsschutz zu begrilnden. Ausgehend vom Befund, dass nur okologisch vertretbare und damit nachhaltige Bewirtschaftungsformen vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst sind, bietet sich als Abgrenzungkriterium zwischen entschadigungslos und nur unter Kompensationsleistungen hinnehmbaren Eigentumsbeschrankungen die jeweilige Okologievertraglichkeit der ausgeubten und angestrebten Nutzungen an.233 Hier erweist sich die Definition, wonach fur Entschadigungspflichten die untersagte Nutzung sich der Verkehrsauffassung nach aus der gegebenen Situation aufdrangen muss, die Verkehrsauffassung diese Nutzung mithin geradezu vermisst,234

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Okologiepflichtigkeit des Eigentums als Teilaspekt der allgemeinen Sozialpflichtigkeit, vgl. Czybulka, Naturschutz und Verfassungsrecht, in: Vogl et al., HbdU, IV-3.6.1, S. 11. Siehe dazu auch 5. Kapitel § 14 C. II. 1. Siehe 1. Kapitel § 5 A. II. Zutreffend Simonis, ZAU 98, S. 65. Siehe dazu ausfuhrlich 1. Kapitel § 4 B. III. 2. und 1. Kapitel § 5 A. II. Simonis, ZAU 98, S. 65. Zutreffend Czybulka, Naturschutz und Verfassungsrecht, in: Vogl et al., HbdU, IV3.6.1, S. 11. Ahnlich bereits Soell, Schutzgebiete, in: UTR Bd. 20 (93), S. 149 f. BVerwG, Urteil vom 14.11.1975 - 4 C 2.74 - BVerwGE 49, S. 365 (372) = AgrarR 76, S. 187 (189); Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 92.

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hilfreich.235 Die Koppelung der zulassigen Nutzungen an die vorgegebene Situation und die Verkehrsauffassung lasst die Berucksichtung der Umweltauswirkungen nicht nur zu,236 sie verlangt geradezu danach. Nutzungsformen Bewirtschaftungsmethoden, deren naturraumliche Folgen iiber den MaBstab der Nachhaltigkeit hinausgehen, sind weder in der Lage des Grundstiicks angelegt, noch drangen sie sich der Verkehrsauffassung nach auf. Im Gegenteil, eine verniinftigen Grundsatzen verhaftete Verkehrsanschauung muss solche Nutzungen ablehnen, unabhangig davon, ob sie bereits ausgeiibt oder erst zukilnftig beabsichtigt werden.237

3. UnverhaltnismaBigkeit und Heteronomie Wie bereits an anderer Stelle erwahnt,238 artikulieren sich vereinzelt Stimmen, die schon im Mafi der mit der Schaffung ungeregelter Uberflutungsflachen im Normalfall verbundenen Beschrankungen Eingriffsqualitaten befurchten, die selbst ilber die Figur der ausgleichspfiichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht mehr zu heilen waren.239 Dazu erfolgt weniger ein Abstellen auf die Folgen der Ausdeichung fur die Bewirtschaftung der Flachen durch die jeweiligen Nutzer. Vielmehr wird aus dem allgemeinwohlorientierten Charakter periodisch uberfluteter Flachen eine ausschlieBliche heteronome Funktionszuweisung geschlossen.240 So solle die staatlich veranlaBte Rtickverlegung von Deichen zur Wiederherstellung naturbelassener Ruckhalteflachen ,,widmungsgemaB" den vollstandigen Verlust der Privatniitzigkeit der betroffenen Gebiete bewirken.241 Tatsachlich bedingt eine Flacheninanspruchnahme im Interesse der Allgemeinheit keinesfalls die ausschlieBliche Heteronomie. Entscheidend ist doch, welche Individualnutzungen innerhalb des gemeinnutzigen Rahmens verbleiben. Bisher landwirtschaftlich genutzte Flachen, die einer periodischen Uberfiutung ausgesetzt werden sollen, sind im Normalfall jedoch auch nach Ausdeichung noch einer privatnutzigen Verwendung zuganglich.242 Im Vorgriff auf die Problematik normativer Nutzungsbeschrankungen ist bereits hier festzustellen, dass den wasserwirtschaftlichen und naturschutzfachlichen Interessen eine extensive Graswirtschaft oder eine derartige Beweidung in den wenigsten Fallen entgegenstehen werden.243

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Czybulka, N u R 88, S. 217. Ahnlich Louis, BNatSchG, § 12 Rn. 92. So Czybulka, N u R 88, S. 217. Insoweit wird zugleich die von der Rechtsprechung vorgenommene Abgrenzung zwischen bereits ausgeiibten Nutzungen und solchen, die erst zukilnftig verwirklicht werden sollen, nivelliert. Siehe schon 5. Kapitel § 14 B. III. 1. Breuer, N u R 96, S. 546; ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 55; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. Erganzend vgl. dieNachweise inFn. 104. Siehe Nachweise in Fn. 239. So jedenfalls ausdrucklich Breuer, Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 55. Siehe 5. Kapitel § 14 A. III. Im Ergebnis ebenso Corell, U P R 96, S. 249, 250 f. Vergleiche Fn. 242.

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Demgegenilber konnte sich ein widmungsmaBiger Totalausschluss als problematisch darstellen. SchlieBlich diirfen Eigentumsbeschrankungen im Lichte des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG nicht iiber das hinausgehen, was zur Durchsetzung des Allgemeinwohlinteresses notwendig ist.244 Uber die Limitierung auf wasser- und naturvertragliche Bewirtschaftungsformen hinausgehende ,,widmungsmaBige" Nutzungsausschlilsse begegnen daher nicht unerheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Normalfall ist gleichwohl nicht davon auszugehen, dass die Schaffiing eines nattirlichen Uberflutungsregimes zu einer ausschlieBlich heteronomen Funktionszuweisung fuhren wird. Die Annahme, die Wiederherstellung naturbelassener Riickhalteflachen entzoge widmungsgemaB jegliche privatniitzige Verwendung, kann hier deshalb nicht geteilt werden. Abgesehen davon, dass sich das periodische Uberflutungsregime als maBgebliche Form der Situationsgebundenheit darstellt und schon deshalb keine Entschadigungsanspriiche in Betracht kommen,245 fuhren auch die konkreten Beeintrachtigungsintensitaten nicht zu irgend gelagerten Ersatzpflichten.246 Wenn - so wie hier - naturvertragliche Nutzungsoptionen verbleiben, wiegen die Eingriffe ihrer Qualitat nach grundsatzlich nicht so schwer, als dass sie in Form einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung kompensiert werden miissten. Keinesfalls geniigen die Eingriffe hingegen, um das Instrument der Enteignung bemiihen zu milssen.247 4. Fazit Im Ergebnis bemisst sich die Situationsgebundenheit von landwirtschaftlich genutzten Deichgrundstiicken an dem Zustand, der vor den die periodischen Uberflutungen ausschlieflenden Eindeichungen bestand. Dieser Zeitpunkt ist fur einen Grofiteil der Flachen in Mecklenburg-Vorpommern in die Meliorationswelle der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zu verorten.248 Als Folge stellen sich ausdeichungsbedingte Nutzungsbeschrankungen in der Gegenwart als Ausdruck der faktischen, mithin der naturgegebenen Situation dar. Das MaB der bestandsgeschiltzten ausgeiibten oder der noch in Betracht zu ziehenden Nutzungen kann sich nur an den Wirtschaftsformen orientieren, die unter Zugrundelegung des naturlichen Uberflutungsregimes tatsachlich moglich waren. Die intensive landwirtschaftliche Produktion auf Polderflachen widerspricht mithin den okologischen und wasserwirtschaftlichen Anforderungen ordnungsgemaBer Grundstiicksnutzungen sowie alien NachhaltigkeitsmaBstaben. Sie ist von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht gegen Veranderungen in Richtung einer Okologisierung geschiitzt. Uberschwemmungen infolge von Ausdeichungen sind lediglich als Ausdruck der durch Deichbau und Bewirtschaftung verursachten Situation zu begreifen, die Entschadigungs- und Ubernahmeanspriiche grundsatzlich 244

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Unstreitig, siehe etwa BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - N u R 99, S. 572 (574). Siehe schon z.B. 5. Kapitel § 14 C. I. 1. c. Vergleiche dazu 5. Kapitel § 14 C. I. 1. b. und insb. Fn. 171. Demgegentlber Breuer, Nachweise in Fn. 239. Siehe auch 5. Kapitel § 14 B. II. Siehe dazu auch Fn. 184.

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ausschlieBt. Im Umkehrschluss unterfallen dem Bestandsschutz nicht solche Nutzungen, die intensiv und ausschlieBlich nur deshalb betrieben werden konnen, weil die betreffenden landwirtschaftlichen Flachen eingedeicht sind. Diese Befiinde verschaffen sich erst recht an der AuBenkiiste Geltung. Zunachst bewirken die naturgegebenen kustendynamischen Veranderungen eine eigene Situationsgebundenheit, welche die durch kilnstlich geschaffene Veranderungen begriindete situative Bindung iiberlagert.249 Die an der AuBenkiiste stattfindenden kustendynamischen Prozesse verursachen in Abrasionsgebieten trotz standiger Unterhaltung der Schutzanlagen durch die Schorrevertiefung zunachst wasserseitig, im Ergebnis aber auch landseitig einen Sedimentverbrauch. Mittel- bis langfristig ist die Uberflutung landwirtschaftlicher Flachen in Abrasionsgebieten daher naturgegeben vorgezeichnet und selbst unter groBten technischen Anstrengungen in der Flache nicht verhinderbar. Grundstiicke an Abrasionskiisten bleiben vom Sedimentverlust schon aufgrund der tatsachlichen Unmoglichkeit einer nachhaltigen Steuerung der natilrlichen Prozesse gepragt. SchutzmaBnahmen in der Vergangenheit konnen daher weder eine neue Art der Situationsgebundenheit, noch einen eigentumsrechtlich relevanten Bestandsschutz bewirken.

//. Nutzungsbeschrankungen kraft normativer Uberformung 1. Normative Situationsgebundenheit Sofern die Bewirtschaftung ausgedeichter Flachen nicht schon aus sich selbst heraus auf extensive Formen der Grasproduktion und Weidehaltung hinauslauft, sondern theoretisch bestimmte Arten des intensiven Ackerbaus oder entsprechender intensiver Grunlandnutzung ermoglichen wiirde, ist fraglich, wie entsprechende normative Nutzungsbeschrankungen, etwa durch Festsetzungen des Naturschutzoder Wasserrechts, eigentumsrechtlich zu bewerten waren.250 Prinzipiell sind normative Nutzungsbeschrankungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen entschadigungslos hinzunehmen.251 Insoweit kann auf die Ausfuhrungen zur fakti-

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Dass kiinstlich geschaffene Situationen durch Naturvorgange derart verandert werden, dass eine neue Situationsgebundenheit entsteht, halt trotz abweichendem Ergebnis BGH, Urteil vom 20.02.1992 - I I I ZR 1 8 8 / 9 0 - DVB1. 92, S. 1089 (1092) grundsatzlich fur moglich. Solche Beschrankungen kOnnen sich naturschutzrechtlich aus der Uberformung durch formliche Schutzgebietskategorien (siehe 3. Kapitel § 10 A . ) oder durch die Verbote des gesetzlichen Biotopschutzes ergeben. Gerade letzteres erscheint von gesteigerter Relevanz, da Kusteniiberflutungsfla'chen wie Uberflutungsmoore und Salzwiesen nach § 20c Abs. 1 Nr. 1, 4 BNatSchG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 5 LNatG M - V geschtltzt sind. Wasserrechtlich konnen sich Beschrankungen, entsprechende Ermachtigungsgrundlagen vorausgesetzt, aus der Festsetzung von Uberschwemmungs- und Ktistenschutzgebieten ergeben. Siehe 5. Kapitel § 14 C. I. 1. b. und insbesondere Fn. 171. Fur Uberschwemmungsgebiete und Beschrankungen bereits ausgeiibter Nutzungen vgl. VGH Mannheim, Ent-

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schen Situationsgebundenheit verwiesen werden. Erinnert sei jedoch nochmals daran, dass als BeurteilungsmaBstab des Bestandsschutzes, namentlich verfestigter Anspruchspositionen oder sich nach der Verkehrsauffassung aufdrangender Nutzungen252, schwerpunktmaBig von der naturgegebenen Lage des Grundstiicks vor der hochwasserfreien Eindeichung auszugehen ist.253 Die bereits angesprochene Kritik an der Figur der normativen Situationsgebundenheit254 bemangelt die grundlegenden Ankniipfangen.255 So sollen staatliche Entscheidungen liber bestimmte Schutzwiirdigkeiten die Ausiibung des uneingeschrankten Eigentiimergebrauches beeintrachtigen, die vom Eigentiimer nicht immer vorhersehbar sind.256 Das Abstellen auf das, was ein vernunftiger, dem Naturschutz gegenuber aufgeschlossener Eigentiimer aus sich heraus anerkennen wiirde, sei zu subjektiv gefarbt und ungeeignet, Eigentumsbeeintrachtigungen auszulosen.257 Der Kritik ist soweit zuzustimmen, als dass die gefundenen Abgrenzungsattribute aufgrund ihrer Wertungsoffenheit nicht unproblematisch zu handhaben sind. Insbesondere die Figur des einsichtigen Eigenttimers ist in diesem Zusammenhang in der Tat wenig hilfreich.258 In Fortftthrung der Uberlegungen zur Abgrenzung von Inhalt und Schranken von einer Enteignung259 sowie aufgrund objektiver NachhaltigkeitsmaBstabe260 bediirfte es dieser zweifelhaften Figur hingegen kaum noch.261 Verfehlt ware es jedoch, die notwendigerweise auftretenden Ungenauigkeiten, mit denen die Definition des konkreten MaBes der Grundeigentumsgewahrleistung, d.h. der zulassigen Nutzungen an einer bestimmten Belegenheit und Zeit, zwingend verbunden ist, fur eine Fundamentalkritik an der Situationsgebundenheit nutzbar machen zu wollen.262 Derartigen Versuchen ist Folgendes entgegenzuhalten: Die Limitierung der Grundeigentumsnutzung auf das verntinftigerweise und

scheidung vom 20.04.1994 - 8 S 2449.93 - NuR 95, S. 256 (258), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CDO5V13). 252 BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (97). 253 Siehe 5. Kapitel § 14 C . I . l . b . 254 Siehe 5. Kapitel § 14 C. I. 1. a. und insbesondere die Nachweise in Fn. 168. 255 Es kann und soil nicht Aufgabe dieser Darstellung sein, die einzelnen Determinanten der Situationsgebundenheit als Korrektiv des Eigentumsgrundrechtes und die jeweils geauBerte Kritik bis in die Grundfesten der Auseinandersetzung zu erhellen. Insoweit wird sich auf einige augenfallige Themenkreise beschrankt, die im hier zu behandelnden Kontext von besonderem Interesse erscheinen. 256 Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 159. 257 Vergleiche Rinne/Schlick, N V w Z 97, S. 35. 258 Insoweit zutreffend Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 159, und Kutschera, Bestandsschutz, S. 130 f. 259 Vergleiche dazu oben Fn. 9 1 . 260 Siehe dazu 5. Kapitel § 14 C. I. 2. b. 261 Engelhardt, N u R 9 1 , S. 104. 262 Exemplarisch Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 159.

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verantwortungsvoll Vertretbare,263 auf das durch Schutzanweisungen hingewirkt werden soil, ist nur Ausdruck der verfassungsrechtlich verankerten Sozialpflichtigkeit.264 Die den Topos der Situationsgebundenheit als Ganzes kritisierende Ansicht verkennt insoweit, dass das Grundeigentum schon im Kontext des Art. 14 GG eine Stellung einnimmt, die mit der Garantie des beweglichen Eigentums nicht vergleichbar ist.265 Die normative Sozialgebundenheit ist nichts anderes als ein Widerschein der sozialen Natur des Menschen selbst.266 Wie schon erortert, ist das Eigentumsrecht in einer auch sozialen Gesellschaft denknotwendig an die Menschenrechte anderer gekntipft.267 Die Sozialpflichtigkeit ist deshalb nicht etwa eine von auBen aufgebilrdete Hypothek, sondern wohnt dem (Grund-)Eigentum wesensimmanent inne.268 SchlieBlich kann der Grundstiickseigentumer auf der anderen Seite auch Privilegierungen in Anspruch nehmen, die der Gleichbelastung aller Burger widersprechen. Zu nennen sind hier eine defizitare Besteuerung des Bodeneigentums durch Einheitswertfestlegungen und von Veraufierungsgewinnen, die gesetzliche Garantie spekulativer Bauerwartungslandwerte und die Privatisierung von Planungsgewinnen und die Sozialisierung von Planungsverlusten.269 Der Gleichheitsgrundsatz des in Art. 14 GG hineinwirkenden Art. 3 Abs. 1 GG270 gebietet jedoch, die Gleichheitsrelation zwischen Eigentumern und Nichteigentiimern dem Wesen nach herzustellen.271 Die vorbeschriebenen Begtinstigungen zu Lasten der Allgemeinheit rechtfertigen daher spiegelbildlich auch gewisse gemeinwohlbedingte Beschrankungen des Grundeigentums. Letztendlich lauft die hier vertretene Ansicht darauf hinaus, die naturliche Umwelt auch als ein gemeinschaftliches Gut zu verstehen, mit der Folge, dass ein geteiltes Eigentumsrecht an Umweltgiitern existiert, das wirtschaftliche Eigentum als individuelles Dominium und das gemeinschaftliche Patrimonium.272 Letzeres soil dabei als Erbgut betrachtet werden, das der Mensch nicht selbst geschaffen hat, und das die kiinftigen Generationen ebenso als Existenzgrundlage zwingend benotigen wie die jetzt lebenden.273 Infolgedessen ist es der menschlichen Verfu263 264 265 266 267 268 269 270 271

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Darunter kann insoweit die Verkehrsauffassung, siehe dazu 5. Kapitel § 14 C. I. 2. a.E., verstanden werden. Zutreffend Czybulka, Naturschutz u n d Verfassungsrecht, in: Vogl et al., HbdU, IV3.6.1, S. 11. Vergleiche Fn. 162. Nawroth, in: FS Ernst, S. 329; Rittstieg, Eigentum, 395 f.; Sendler, DOV 74, S. 73 ff. Siehe schon 5. Kapitel § 14 C. I. 1. c. und insb. Rittstieg, Eigentum, S. 395 f. Nawroth, in: FS Ernst, S. 329. Nawroth, in: FS Ernst, S. 320 f., 331 f. Vergleiche dazu BVerfG, Beschluss vom 12.03.1986 - 1 BvL 81/79 - NuR 88, S. 185 (187); BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - NuR 99, S. 572 (575). Rittstieg, in: Wassermann, A K G G , Art. 14/15 Rn. 166. In dieser Tendenz auch BVerfG, Beschluss vom 04.12.1985 - 1 BvL 23/84, 1/85 und - 1 BvR 439, 652/84BVerGE 71, S. 230(247). Nach Simonis, Z A U 98, S. 65. Simonis, ZAU 98, S. 67.

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gungsgewalt als entzogen zu betrachten.274 Insoweit ist es nicht ratsam, die privaten Eigentumsrechte umfassend zu konstruieren, urn sie nachtraglich wieder einzuschranken.275 Ausgangspunkt muss vielmehr die wesensimmanente Verbindung von Eigentum und offentlicher Ordnung sein.276 Im Ergebnis wohnt einer nachhaltigen und umweltgerechten Eigentumsordnung damit der Schutz der Umwelt als konstitutiver Bestandteil des Eigentums inne.277 Ohne diese Uberlegungen hier tiefgreifend fortflihren zu ko'nnen, wird jedenfalls deutlich, dass grundsatzlich keine rechtsstaatlichen Bedenken dagegen bestehen, den Eigentumer auf das vernunftige, auch nach wechselnden allgemeinen Anschauungen zu beurteilende MaB der Grundeigentumsnutzungen zu verweisen.278

2. Kumulation von Beschrankungen Prinzipiell besteht die Gefahr, dass normative Uberformungen bereits faktisch vorbelasteter Grundstucke in ihrer Kumulation zu einer Beschrankungsintensitat ftihren, die die Grenze der zumutbaren Duldung uberschreitet.279 Dies konnte etwa der Fall sein, wenn die ausgedeichten Flachen dem gesetzlichen Biotopschutz unterfallen oder formlichen Gebietskategorien des Naturschutzrechts unterworfen werden. Wasserrechtlich kamen, ausgehend von den moglichen Festsetzungen in Uberschwemmungsgebieten nach § 32 WHG, der Ausschluss bestimmter Wirtschaftsweisen auf den ausgedeichten Flachen in Betracht.280 Normgeber und vollziehende Behorden haben den privaten und sozialen Nutzen des Eigentumsgebrauchs in ein ausgewogenes Verhaltnis zu bringen.281 Das MaB der zulassigen Einwirkungen auf ein Grundstilck richtet sich demnach nicht nur nach der individuellen Bedeutung fur den Einzelnen, der sog. personalen Funktion,282 sondern spiegelbildlich auch nach der Relevanz, die das betreffende Grundeigentum fur den Natur- und Wasserhaushalt hat. Aus diesem Grande ko'nnen Eingriffe dann entschadigungslos rechtmaBig sein, wenn trotz einer gesteiger-

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Siehe dazu auch bereits die Uberlegungen zur Situationsunvertraglichkeit und Nachhaltigkeit im 5. Kapitel § 14 C. I. 2. b . 275 Simonis, Z A U 98, S. 67. 276 So bereits Jonas, Prinzip Verantwortung, passim. 277 Simonis, Z A U 98, S. 67. 278 Vergleiche die ahnliche Problematik im 5. Kapitel § 14 C. I. 2. A.A. freilich, Leisner in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 159. Im Ergebnis wohl auch ablehnend: Henneke, Landwirtschaft, S. 142. 279 Leisner, in: Isensee/Kirchhof, HdBStR, § 149 Rn. 154. Zuruckhaltend offenbar BVerfG, Beschluss vom 2 7 . 1 0 . 1 9 7 5 - 1 B v R 82/73 - N J W 76, S. 101 (101). 280 Z u m Beispiel die Umwandlung langjahriger Ackernutzung in (extensive) Griinlandwirtschaft, vgl. V G H Mannheim, Entscheidung v o m 20.04.1994 - 8 S 2 4 4 9 / 9 3 N u R 9 5 , S. 256 (258), Fundstelle in Juris, C D Verwaltungsrecht (CD05V13). 281 OVG Miinster, Entscheidung vom 21.09.1999 - 2 3 A 875/97- NJW 00, S. 754 (754 f.), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). 282 Siehe dazu 5. Kapitel § 14 B. I.

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ten personlichen Funktion iiberwiegende Belange des Naturhaushaltes ein starkeres Gewicht entfalten.283 Weithin anerkannt ist die besondere Bedeutung des Naturhaushaltes z.B. beim Erhalt von Streuobstwiesen, die mit ihren positiven Wirkungen auf den Naturhaushalt und damit auf die dauerhafte Sicherung der Land- und Forstwirtschaft jedenfalls in einem groBeren Besitz nicht nutzlos sind.284 Ahnliches gilt fur den Grundwasserschutz: Umfassende Untersagungen bereits ausgeubter Nutzungen auf 40% der dem Vollerwerbslandwirt zur Verfugung stehenden Gesamtflache sind - sofern noch eine irgend geartete Alternativbewirtschaftung moglich ist — zur Sicherung der Grundwasserqualitat vom Betroffenen entschadigungslos hinzunehmen.285 Dies gilt auch, wenn infolge der Beschrankungen die Aufrechterhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes im bisherigen Rahmen nicht mehr gewahrleistet werden kann. Insoweit belastet selbst eine Reduzierung der betrieblichen Produktion den Landwirt nicht in einer unzumutbaren Art und Weise.286 Die okologische Bedeutung naturnaher Uberflutungsflachen287 fuhrt im Regelfall zu einem erhohten MaB an naturschutzrechtlich zulassigen Nutzungsbeschrankungen.288 Wasserrechtliche Nutzungsausschlusse betreffen zudem haufig Einwirkungen auf andere Rechtsgiiter, zu denen das Grundeigentum nicht berechtigt.289 Nicht unberucksichtigt bleiben darf weiterhin, dass die zu faktischen Beschrankungen fuhrenden Ausdeichungen zwar durch die 6'ffentliche Hand im Interesse der Allgemeinheit vorgenommen werden, die Nutzungsnachteile letztlich aber nur Ausdruck der naturgegebenen Pragung als kustennahes und dem Wesen nach iiberflutungsgefahrdetes Land sind. Die Folgen des Deichrilckbaus und normative Nutzungseinschrankungen konnen deshalb nicht als gleichwertige Belastungen angesehen werden. M.a.W.: Bei Summierung der Nachteile sind die faktischen Beeintrachtigungen mit einer geringeren Wertigkeit anzusetzen. 283

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Der dem Natur- und Landschaftsschutz gesamtgesellschaftlich wie rechtlich zugebilligte hohe Rang lSsst sich mittlerweile auch an der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG ablesen. Siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 3 1 0 / 8 4 - N J W 98, S. 367 (369), Fundstelle in Juris, CD Verwaltungsrecht (CD05V13). BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 76.80 - BVerwGE 67, S. 93 (98). BGH, Urteil vom 19.09.1996 - III ZR 82/95 - AgrarR 97, S. 95 (97). BGH, Urteil vom 19.09.1996 - III Z R 82/95 - AgrarR 97, S. 95 (97). In Analogie zu BVerwG, Urteil vom 13.04.1983 - 4 C 7 6 . 8 0 - BVerwGE 67, S. 93 (98).

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Fur den gesetzlichen Biotopschutz u n d den formlichen Gebietsschutz nach §§ 12 ff. BNatSchG gleichermalten Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 188. Etwa Verunreinigungen durch ausgeschwemmte Pflanzenschutzmittel. Zur insoweit vergleichbaren Sachlage bei eingedeichten Flachen siehe schon den vorherigen Abschnitt und dort Fn. 210. Uberdies konnen Uberschwemmungen auf ausgedeichten Flachen zum Abschwemmen von wertvollem Mutterboden einerseits und in dessen Folge andererseits zur physikalischen Verunreinigung des Wassers durch Schwebestoffe und Bodenbestandteile fllhren. Siehe V G H Mannheim, Entscheidung vom 20.04.1994, Nachweis in Fn. 280. Ferner BGH, Urteil vom 19.09.1996 - III Z R 82/95 - AgrarR 97, S. 95 (96 f).

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Im Ergebnis fiihrt die kumulative Betrachtung zu dem Ergebnis, dass sich die Gesamtheit der auf die betreffenden Grundstiicke einwirkenden Belastungen im Rahmen der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG halt. Selbst wenn man von gewissen Vertrauenstatbestanden ausgeht, die das Vorhandensein von Anlagen der Ktistensicherung mit sich bringt, und Ausdeichungen als Synthese von faktischer und normativer Situationsgebundenheit begreifen wiirde, bleibt unberiihrt, dass auch bestandsgeschutzte Nutzungen entschadigungslos eingeschrankt werden konnen.290 SchlieBlich wiirde die Handlungsfahigkeit des Gesetzgebers unzulassig geschmalert, wollte man die Gestaltungsbefugnis lediglich auf die Ausgestaltung zukunftiger Rechtspositionen reduzieren.291 Deshalb ist es auch im Rahmen der normativen Situationsgebundenheit dem Grande nach unerheblich, ob auf zukiinftige Nutzungsoptionen verzichtet werden soil oder ob angesichts gesondert gelagerter und vorrangiger Allgemeinwohlbelange bereits ausgeiibte Nutzungen eine Beschrankung erfahren.292 Die Umstellung der Wirtschaftsweisen auf extensive, dungearme Grilnlandnutzung ware von den betroffenen Landwirten somit entschadigungslos hinzunehmen. Dabei ist eine geringere Gewinnausbeute ohne durchschlagende Relevanz, da der Eigentilmer kein Recht auf die profittrachtigste Bewirtschaftung seines Grundeigentums herleiten kann. Die Untersagung rentablerer oder eintraglicher Nutzungen ist vom Eigentiimer entschadigungslos zu dulden.293 Gleiches gilt fur durch die Beschrankungen moglicherweise verursachten Wertminderangen. Die Grandrechtsgarantie des Art. 14 GG dient nicht der Gewahrleistung von Marktpreisen.294 Entscheidend ist hier wiederum, dass die grundsatzliche Nutzungsmoglichkeit des Grundeigentums erhalten bleibt.295

3. Ausnahmen Angesichts des UbermaBverbotes296 und des Gleichheitsgebotes297 kann sich auch im Rahmen der Bestimmung des Eigentumsgrundrechts durch Inhalt und Schran290

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294 295 296

BVerfG in st. Rspr., siehe BVerfG, Beschluss vom 08.03.1988 - 1 BvR 1 0 9 2 / 8 4 BVerfGE 78, S. 58 (75); BVerfG, Urteil vom 08.07.1976 - 1 BvL 19, 20/75, 1 BvR 1 4 8 / 7 5 - BVerfGE 42, S. 263 (294); BVerfG, Beschluss vom 12.07.1979 - 1 BvL 1 9 / 7 6 - BVerfGE 52, S.I (30); BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 - 1 BvR 638, 673/64 und 200, 238, 249/65 - BVerfGE 24, S. 367 (389); BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (5); V G H Mannheim, Entscheidung vom 20.04.1994, Nachweis in Fn. 280. Zutreffend Kube, Naturgilter, S. 52. Dazu BVerfG, Urteil vom 08.07.1976 - 1 BvL 19, 20/75, 1 BvR 148/75 - BVerfGE 42, S. 263 (294). Siehe auch Fn. 290 und die Ausfuhrungen im 5. Kapitel § 14 C. I. 2. b. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - N u R 99, S. 572 (574). Ahnlich BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 3 1 0 / 8 4 - N J W 98, S. 367 (369). Siehe auch Engelhardt, N V w Z 94, S. 339. Louis, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 185. Z u m Pflegezwang und Bracheverbot vgl. die zutreffenden Ausfuhrungen bei Czybulka, N u R 88, S. 218 f. Siehe dazu Soell, Schutzgebiete, in: U T R Bd. 20 (93), S. 148 ff.

506

5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

ken die Pflicht zu finanziellen Kompensationsleistungen ergeben.298 Im Zusammenhang mit normativen Nutzungsbeschrankungen kommen Ersatzleistungen bei Hartefallen299 hauptsachlich im Hinblick auf Investitionen in Betracht, die im Vertrauen auf die weitere Nutzung in herkommlicher Art getatigt wurden. Dabei ist zu bedenken, dass sich der Bestandsschutz nur auf Werte bezieht, die der Eigentiimer im Vertrauen auf die weitere Bestandigkeit der Eigentumsordnung auf seinem Grundstiick geschaffen hat und diese durch eine Anderung der Ordnung entwertet wtirden.300 Ungeachtet der Tatsache, dass durch Nutzungsbeschrankungen die Eigentumsordnung selbst kaum tangiert sein diirfte, bezieht sich der Bestandsschutz nach dieser Definition jedenfalls nicht auf die Erlose zukiinftiger Nutzungen. In Betracht fur Ersatzleistungen kommen so z.B. allenfalls Aufwendungen ftir den bereits erfolgten Erwerb von nach Ausdeichung nicht mehr verwendbarem Saatgut, Dunger, nicht mehr benotigter Technik und fur die extensive Weidehaltung ungeeignete Tierarten und Rassen. Zwischen Planung der Deichruckverlegung und dem tatsachlichen Abschluss des Rilckbaus werden in der Regel mehrere Jahre vergehen, in denen die bisherigen Wirtschaftsformen weiterhin moglich bleiben. Ausdeichungsprojekte sind daher regelmaBig mit mafinahmebedingten Ubergangsfristen verbunden, die bei Vorhandensein vertrauensschutzbildender Investitionen abmildernd wirken und auf diesem Wege Entschadigungsanspruche verhindern diirften301.

///. Nutzungsunmoglichkeit 1. Grundsatzlich keine Ersatzpflicht Fraglich ist, ob sich auch die faktisch bedingte landwirtschaftliche Nutzungsunmoglichkeit302 als verhaltnismaBige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellen kann. Dies ware etwa der Fall, wenn infolge der Moorsackung auf eingedeichten Flachen diese Gebiete einer ungeregelten und mithin iiberwiegenden Uberflutung preisgegeben wurden. Die mittelfristig eintretende Vernassung schlosse sowohl Weidehaltung als auch Graswirtschaft weitgehend aus. Ftir eine Pflicht, solche Einschrankungen finanziell abzumildern, sprechen vor allem die erheblichen Nutzungseinschrankungen. Die privatmitzige Verwendbar297

Kube, Naturguter, S. 76. In Form der ausgleichspflichtigen Inhalts- u n d Schrankenbestimmung. Vgl. dazu ausfuhrlich Kube, Naturguter, S. 76 ff.; Nolden, Inhaltsbestimmung, passim; Maurer, Verwaltungsrecht, § 27 Rn. 79 ff. 299 BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (10). Vgl. zum Ausnahmecharakter und zur grundsatzlichen Freiwilligkeit von Ausgleichszahlungen: O V G Munster, Urteil vom 06.10.1988 - 11 A 372/87 - N u R 89, S. 188 (189 f.). 300 BVerfG, Nassauskiesungsbeschluss, Nachweis in Fn. 115 im 5. Kapitel § 13 , S. 349 f.; BVerwG, Urteil vom 24.06.1993 - 7 C 26.92 - BVerwGE 94, S. 1 (13). 301 Siehe schon die ausfuhrlichen Nachweise in Fn. 118. 302 Ganzliche Nutzungsuntersagungen normativer Art diirften im Zusammenhang mit R e naturierungsmaBnahmen kaum eintreten. 298

§ 14 Schutzumfang gegenilber unbesiedelten Flachen

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keit der Flachen ware infolge der Uberstauung nur noch in ganz geringem Mafie moglich. Tatsachlich kann daher von einer relativen ,Jint-eignung" der Grundstticke fur die bisher ausgeubten Nutzungen ausgegangen werden.303 Aus dem Blickwinkel der betroffenen Eigentiimerinteressen mogen sich diese Auswirkungen daher als vollstandige Indienstnahme der bisher relativ hochwasserfrei eingedeichten Grundstiicke zugunsten der Allgemeinheit darstellen.304 Leitet man die UnverhaltnismaBigkeit solcher Beschrankungen primar aus den mit Ausdeichungen verbundenen Folgen fur die Grundstucksnutzung ab,305 kann der weitgehende Verlust der Privatnutzigkeit, gekoppelt mit dem Ubergang in heteronome Grundstiicksfunktionen, die Unverhaltnism&Bigkeit ungeregelter Ausdeichungen bedingen. In dieser Einschatzung miissen allerdings die besonderen hydrologischen Bedingungen an den Kustengewassern Beriicksichtigung finden. Will man, entsprechend der vorerwahnten Ansicht, die mit den Ausdeichungen verbundenen Nutzungsausschlusse als ubermafiige, durch die sozialen oder okologischen Funktionen des Grundstiicks nicht mehr gebotene Begrenzungen der Eigentiimerbefugnisse qualifizieren306 und im Ergebnis daraus Entschadigungs- oder Ubernahmepflichten herleiten, miissen in die Uberlegungen zugleich die Rolle der vorhergehenden Bewirtschaftungsformen einbezogen werden. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG schiitzt namlich, wie bereits erortert, solche Grundstticksnutzungen nicht, die die soziale307 oder okologische Funktion des Eigentumsobjektes missachten.308 Vergegenwartigt man sich nochmals, dass das zur Uberflutung fuhrende Absinken der Oberflache Folge von Eindeichung und Melioration ist,309 und dass Nutzungsausschliisse aufgrund Wiedervernassung der degradierten Standorte ihre Ursache schon in der vorherigen Nutzung finden und nicht erst durch die Ausdeichung und der Revitalisierung des naturgegebenen Zustandes verursacht werden, liegt die Verantwortung dafur folglich bei den bisherigen Nutzern. Ersatzanspriiche fur Eigentumsschaden, die die Nutzer ihrem Eigentumsobjekt selbst beibrachten, erscheinen hingegen schwer vorstellbar. In die Beurteilung ist gleichfalls die Lage von Eigentumern nicht eingedeichter Grundstiicke einzustellen. Diese mussten bereits in der Vergangenheit eine der Situation angepasste extensive Wirtschaftweise betreiben und dafur EinkommenseinbuBen hinnehmen. Dem Ruckgriff der zukiinftig von Ausdeichungen betroffe303 304 305 306

307 308 309

Breuer, N u R 96, S. 546, ders., Wasserrechtliche Instrumente, in: Breuer, Hochwasserschutz, S. 49 f.; ders, Eigentum, in: BBN, Leitbild, S. 175. Siehe Fn. wie vor. In Abgrenzung zur im 5. Kapitel § 14 C. I. 3. kritisierten Vorgehensweise. Siehe dazu z.B. BVerfG, Urteil vom 08.07.1976 - 1 BvL 19, 20/75, 1 BvR 148/75 BVerfGE 42, S. 263 (294); BVerfG, Beschluss vom 12.07.1979 - 1 B v L 1 9 / 7 6 BVerfGE 52, 1 (32 f.) sowie Soell, DVB1. 83, S. 245. Vergleiche dazu BVerfG, Beschluss vom 04.12.1985 - 1 BvL 23/84, 1/85 und 1 BvR 439, 6 5 2 / 8 4 - B V e r f G E 7 1 , S. 230 (247). Soell, DVB1. 83, S. 245; Czybulka, N u R 88, S. 216, 218. Siehe auch ausffihrlich 5. Kapitel § 14 C. I. 2. Siehe 1. Kapitel § 4 B. III. 2.

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5, Kapitel Staatliche Schutzauftrage

nen Nutzer auf Vertrauensschutztatbestande stiinde hier die Unzulassigkeit ungerechter Privilegierung bisheriger Rechtsinhaber entgegen.310 Gegentiber Nutzern von ungesicherten Flachen ware es nicht zu rechtfertigen, diejenigen, die schon durch langjahrige profitablere Produktion Privilegierten und dabei substanzvernichtend Wirtschaftenden nun noch mit Entschadigungszahlungen weiter zu bevorteilen.311 Dem Grundsatz nach stellen sich durch Ausdeichungen bedingte faktische Nutzungsausschliisse folglich als verhaltnismaBige Eigentumsbeschrankungen dar, aus denen keine Entschadigungsanspriiche herleitbar sind. 2. Grenzen Die kilnftige Unmoglichkeit landwirtschaftlicher Bodennutzung durch faktische Beeintrachtigungen mit Allgemeinwohleinschlag, wie man diese Fallgestaltung bezeichnen konnte, kommt dem Entzug konkreter Rechtspositionen gleich. Obgleich auch die Umgestaltung oder Beseitigung eines Rechts nicht durchweg mit Entschadigungs- oder Ubergangsregelungen abzumildern ist,312 stellt die totale landwirtschaftliche Nutzungsaufgabe im Ergebnis allerdings einen ganz erheblichen Einschnitt dar. In der Bewertung kann nicht ganz unberiicksichtigt bleiben, dass die Renaturierung auch im Interesse der Allgemeinheit steht und von ihr initiiert wird. Deshalb ware in diesen Fallen Ersatz fur im Vertrauen auf die weitere Nutzbarkeit der Flachen getatigten Investitionen zu gewahren. Hier muss allerdings bedacht werden, dass der Bestandsschutz nur das vorhandene Eigentum, nicht hingegen Gewinn- und Umsatzchancen schiitzt.313 Fur das MaB der Eigentumsbelastung kann daher nicht der angestrebte VerauBerungserlos, sondern nur der Wert der Beeintrachtigung ausschlaggebend sein.314 In gewissen Grenzen konnen hier auch Ubergangsfristen abmildernd wirken.315 In Sonderfallen, etwa wenn die Existenz der Betriebe Schaden nahme oder ein Landwirt iiberwiegend oder ausschliefilich mittel- bis langfristig von Uberschwemmung bedrohte Flachen bewirtschaftet, kann fur die RechtmaBigkeit der Ausdeichungen auch die Zahlung von Wertersatz notwendig werden.316 Dieser ist hingegen aus Griinden der Gleichbehandlung mit Eigenttimern noch extensiv nutzbarer Grundflachen nicht am MaBstab der bisherigen intensiven Nutzung zu 310

311 312 313

Siehe zum Gleichheitsgebot im Rahmen von Art. 14 GG: Rittstieg, in: Wassermann, GG A K Art. 14/15 Rn. 176; BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 N u R 9 9 , S. 572 (575); BVerfG, Beschluss vom 01.07.1981 - 1 BvR 874/77, 322, 324, 472, 543, 694, 752, 754/78 und 1 BvL 33/80, 10, 11/81 - BVerfGE 58, S. 81 (120); BVerfG, Beschluss vom 04.06.1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 (113 f ) . So auch Corell, U P R 96, S. 251. BVerfG, Beschluss v o m 09.01.1991 - 1 BvR 9 2 9 / 8 9 - BVerfGE 83, S. 201 (213); BVerfG, Beschluss vom 10.10.1997 - 1 BvR 310/84 - N J W 98, S. 367 (369). BVerfG in st. Rechtsprechung, vgl. etwa BVerfGE 68, S. 193 (222 f.); BVerfGE 74, S. 129 (148); BVerfGE 77, S. 84(118).

314 315 316

Heidenreich/Tausch, N u R 92, S. 213. Siehe 5. Kapitel § 14 C. II. und Fn. 301. Aus Gesichtspunkten der Aufopferung und des Sonderopfers als dogmatische Grundlagen der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung.

§ 14 Schutzumfang gegeniiber unbesiedelten Flachen

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bemessen, sondern sollte sich an der wertmaBigen Differenz zwischen dem Ertrag aus einer der normativen und faktischen Situationsgebundenheit angepassten Bewirtschaftung und der vollstandigen Nutzungsaufgabe orientieren.317 In von Abrasion gekennzeichneten Abschnitten der AuBenkuste ist die Pflicht zum finanziellen Ausgleich vermindert. Hier bewirken bereits Naturprozesse einen dauerhaften Verlust an Landflache. Insoweit steht die faktische Komponente noch deutlicher im Vordergrund als an den Boddengewassern. Unterlassungen von SchutzmaBnahmen oder Riickbauten konnen die natiirlichen Prozesse allenfalls beschleunigen. Schaden, die auf unbeeinflussbare Naturprozesse zuruckzufuhren sind, konnen an sich keine Ersatzpflichten begrunden.318 Entschadigungsleistungen waren hier, wenn iiberhaupt zu tatigen, am Zeitfaktor zu bemessen.

IV. Resiimee Zusammenfassend stellt sich folgendes Bild dar: Die mit Ausdeichungsvorhaben verbundenen Folgen periodischer Uberflutung der betroffenen Flachen sind, unabhangig davon, ob man diese als Inhalts- und Schrankenbestimmungen oder als faktische Eigentumsbeeintrachtigungen ansehen mochte,319 als situationsbedingte Belastungen zu verstehen, die keine Entschadigungsanspriiche begrunden. Dabei ist grundsatzlich unerheblich, ob bereits ausgeiibte bzw. sich anbietende oder sich nicht aufdrangende, aber zukiinftig beabsichtigte Nutzungen begrenzt werden.320 Erfolgen auf den ausgedeichten Flachen normative Beschrankungen der an sich moglichen Wirtschaftsformen durch fSrmliche Festsetzungen des Wasser- oder Naturschutzrechts derart, dass zumindest einige naturvertragliche Nutzungsoptionen eroffhet bleiben, sind diese als Inhalts- und Schrankenbestimmung einzuordnen, die prinzipiell ebenfalls ausgleichslos hinzunehmen sind.321 Langerfristig vollstandige Bewirtschaftungsausschltisse, die ihre Ursachen in der Uberstauung der Flachen finden, miissen gleichfalls als Ausdruck der naturgegebenen Lage der Grundstucke angesehen werden.322 Insoweit scheitern Ausdeichungen mit solchen Folgen grundsatzlich nicht an VerhaltnismaBigkeitserwagungen. DafUr spricht insbesondere die Verantwortlichkeit der bisherigen Nutzer fur Flachenabsenkungen in den Poldergebieten. Kompensationsleistungen der offent317

318 319 320 321 322

Der Landeigentiimer hat, wie gezeigt, nicht das Recht auf die profittrachtigste Nutzung, vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1999 - 1 BvL 7/91 - N u R 99, S. 572 (575). Auszugehen ist deshalb von dem Gewinn, der aus einem Grundstiick gezogen werden kann, welches einer gerade noch zulassigerweise entschadigungslos hinnehmbaren Inhaltsund Schrankenbestimmung unterworfen ist. Siehe 5. Kapitel § 14 C. I. 1. c. und Fn. 92. Vergleiche dazu 5. Kapitel § 14 C. I. 1. Siehe Fn. 290 und 5. Kapitel § 14 C. I. 2. Vergleiche 5. Kapitel § 14 C. II. Die geplante grundsatzliche Untersagung der Ackernutzung in § 31b Abs. 3 des geplanten Hochwasserschutzgesetzes (BTDrs. 15/3168) ist zu begriiBen und vor dem Hintergrund der obigen Darstellung verfassungsrechtlich unbedenklich.

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5. Kapitel Staatliche Schutzauftrage

lichen Hand sind auch hier prinzipiell nicht notwendig und konnen gerade vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG in Anbetracht der Nutzer ungesicherter Flachen iiberhaupt nur in Hartefallen angebracht sein.323

Zum Ganzen 5. Kapitel § 14 C. III.

6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

§ 15 Allgemeine Eingriffe in den Kustenbereich Erganzend zum planungsrechtlichen Schwerpunkt der Arbeit soil noch auf einige genehmigungsrechtliche Fragen speziell im Landesrecht von MecklenburgVorpommern1 eingegangen werden. In Anbetracht der Thematik und des Umfangs der Gesamtdarstellung werden nur ausgewahlte Problemkreise betrachtet.

A. Wasserrechtliche Regelungen Mit § 86 LWaG werden alle Anlagen an der Kilste einem Genehmigungsvorbehalt durch die Wasserbehorde unterstellt. Zustandig fur die Kiistengewasser und die hier einschlagige Materie des Kustenschutzes sind nach § 108 Nr. 1 lit. b) LWaG die Staatlichen Amter fur Umwelt und Natur. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn durch die Anlage eine Beeintrachtigung des Allgemeinwohls oder der 6ffentlichen Sicherheit zu erwarten ist. Die Versagungsgrilnde sollen sich primar auf die Belange des Kustenschutzes beziehen.2 Obgleich reine Beeintrachtigungen des Naturhaushaltes demnach nicht erfasst sind, ist anerkannt, dass im Rahmen der Allgemeinwohlklausel auch okologische Belange zu beriicksichtigen sind.3 § 87 LWaG statuiert ausdriickliche Nutzungsverbote fur Strand-, Diinen- und Steilkustenbereiche. Sie sollen fur die Aufien- wie fur die Boddenkiisten gelten.4 Obwohl die Nutzungsverbote auch hier vorrangig den Interessen des Kustenschutzes dienen, bewirken insbesondere die Verbotstatbestande mit Vegetationsbezug naturschutzfachlich wunschenswerte Eingriffsminimierungen. Andere Regelbeispiele und der Verweis auf § 74 Abs. 1 bis Abs. 3 LWaG vermogen storende Einwirkungen auf die Kustenokosysteme zu vermindern.5 § 88 LWaG lasst als Ermessensnorm weitergehende Nutzungsbeschrankungen zu, die durch die Bezug1 2 3 4 5

Insoweit beziehen sich die genannten Gesetze in diesem Kapitel, sofern nichts anderes erwahnt wird, ausschliefilich auf Mecklenburg-Vorpommern. Gesetzesbegriindung zum LWaG M-V, LTDrs. 1/1266, S. 111. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 256. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 257. Vergleiche dazu ausftihrlich Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 256 f.

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6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

nahme auf den Meeresboden u.a. auch schadliche Einwirkungen auf Makrophytenbestande und damit auf den Erosionsschutz verhindern konnen.6 Die in § 89 LWaG normierten Bauverbote konnen sowohl eingriffs- als auch risikopotentialminimierend wirken. Nach § 89 Abs. 1 LWaG diirfen bauliche Anlagen in einem Streifen von 100 m landwarts der oberen BQschungskante von Steilufern und 200 m landwarts der Mittelwasserlinie an Flachktisten, mindestens jedoch 50 m landwarts des landseitigen FuBpunktes von Deichen und Diinen, auBerhalb eines Bebauungsplanes nicht errichtet oder verandert werden. Da die Bauverbote fur Bereiche zwischen Dilne und Deich rechtswirksam ubernommen wurden,7 kann sich der 50 m-Bereich bei Vorhandensein von Deich und Dilne nur auf die landwartige Sicherungslinie beziehen. Die Bauverbote gelten, abgesehen von der Pauschalausnahme fur Bebauungsplane, gemaB § 89 Abs. 2 LWaG nicht fur offentliche Hafen, planfeststellungspflichtige Vorhaben, schifffahrtspolizeiliche Anlagen, die Erweiterung landwirtschaftlicher Betriebe, Anlagen der offentlichen Sicherheit sowie standortgebundene Wirtschaftsbetriebe. Von den Beschrankungen des § 89 Abs. 1 LWaG M-V sind zudem bauliche Vorhaben im Innenbereich sowie Kiistenschutzanlagen ausgenommen. Ausnahmen konnen nach § 89 Abs. 3 LWaG ferner zugelassen werden, sofern diese mit den Belangen des Kiistenschutzes vereinbar sind. Danach waren auch nicht vereinbare Vorhaben zulassig, sofern sie zu besonderen Harten fuhren oder ein dringendes offentliches Interesse besteht. Die Ausnahmen konnen bei nach anderen Vorschriften genehmigungsbedurftigen Vorhaben von der entscheidenden Behorde nur im Einvernehmen mit der Wasserbehorde erteilt werden. Die Bauverbote sollen dem dringenden Bedurfhis nach verstarktem Schutz der AuBenkiiste vor Bebauung dienen.8 Dem Sinn nach beinhaltet die Vorschrift daher risikopotentialbegrenzende Komponenten und bezweckt zugleich die Freihaltung von Riickzugsflachen.

B. Naturschutzrechtliche Regelungen Fur das naturschutzrechtliche Entscheidungsmanagement im Ktlstenbereich ist neben dem allgemeinen Schutzregime der Eingriffsregelung nach § 18 BNatSchG, § 14 LNatG sowie dem gesetzlichen Biotopschutz nach § 30 BNatSchG, § 20 LNatG im speziellen der naturschutzrechtliche Kilsten- und Gewasserschutzstreifen gemaB § 19 LNatG von Bedeutung. Nach letzterem diirfen an den Kiistengewassern bauliche Anlagen in einem Streifen von 200 m land- und seeseitig der Mittelwasserlinie nicht errichtet oder wesentlich geandert werden.9 Im Rahmen eines umfangreichen Negativkatalogs gilt das Bauverbot u.a. nicht fur VorSo jedenfalls Ballschmidt-Boog, KustenOkosysteme, S. 257. Vgl. dort auch zu den weitergehenden seewartigen Nutzungsbeschrankungen in § 78 Abs. 3 LWaG S-H. Siehe 4. Kapitel § 12 B. Gesetzesbegrundung zum LWaG M-V, LTDrs. 1/1266, S. 112. § 19 Abs. 1 LNatG.

§15 Allgemeine Eingriffe in den Kilstenbereich

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haben, die innerhalb eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes errichtet oder wesentlich geandert werden, sowie im Innenbereich, wenn ein Anspruch auf Bebauung besteht10 sowie pauschal fur alle KiistenschutzmaBnahmen.11 Ausnahmen konnen durch die untere Naturschutzbehorde, z.B. ftir die Aufstellung, Anderung oder Erganzung von Bebauungsplanen und Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB sowie fur Vorhaben innerhalb des zukiinftigen Plangeltungsbereiches, wenn der Plan den Stand nach § 33 BauGB erreicht hat, zugelassen werden.12 Zielsetzung der Bauverbote ist der Erhalt der Gewasser und ihrer Umgebung in ihrer Funktion als Lebensstatte zahlreicher, oft bedrohter Pflanzen- und Tierarten. Die Schutzstreifen dienen zudem exemplarisch dem Umsetzungsauftrag aus Art. 12 Abs. 2 LVerf M-V, wonach der freie Zugang zu Naturschonheiten gewahrleistet werden soil.13 Die seewartige Ausweitung des Schutzstreifens folgt der HELCOM-Empfehlung 15/1 zur Errichtung eines geschtitzten Kiistenstreifens.14 Die Nichtgeltung der Verbotstatbestande im Innenbereich nach § 34 BauGB wird als sachlich vertretbar angesehen. Zum einen verlangt die HELCOM-Empfehlung 15/1 lediglich die Errichtung eines Schutzstreifens auBerhalb stadtischer Gebiete und bestehender Ansiedlungen. Zum anderen verbrieft § 34 BauGB als Planersatzregelung den Grundeigentumern das nahezu uneingeschrankte Recht zur Bebauung der Grundstiicke.15 Die Ausnahmetatbestande aus § 19 Abs. 3 LNatG sind eng auszulegen.16 Im Ergebnis wirkt § 19 LNatG eingriffsminimierend und weitgehend risikopotentialbegrenzend. Letzteres folgt vor allem aus der Beschrankung des § 19 Abs. 2 Nr. 3 LNatG auf bereits rechtsverbindliche Bebauungsplane und die Genehmigungsbediirftigkeit zukiinftiger Bebauungsplane und Satzungen nach § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB. Insoweit wird der HELCOM Empfehlung 15/1 fast mustergiiltig entsprochen.17 Die Nichtgeltung im Innenbereich ist im Wesentlichen verfassungsrechtlich bedingt. Hier lassen sich vertretbare Losungen, z.B. iiber die restriktive Bestimmung des Innenbereiches bewerkstelligen.18 Zu beriicksichtigen ist auch, dass das maBgeblich an die Situation und das Umfeld ankniipfende Merkmal 10 11 12 13 14

15

16 17 18

§ 19 Abs. 2 Nr. 2 LNatG. § 19 Abs. 2Nr. 1 LNatG. § 19 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 5 LNatG. Bugiel, NordOR 99, S. 5. Erbguth, ZAU 96, S. 491 f.; Herrmann, Naturschutzarbeit in M-V, 2/94, S. 9 f; Bugiel, NordOR 99, S. 5; Gesetzesbegrundung zum Entwurf des LNatG M-V, LTDrs. 2/3443, S. 126. Vergleiche dazu schon 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. und exemplarisch Weidemannn, NVwZ 83, S. 443. Etwaige Bauverbote zogen Entschadigungsanspruche nach § 40 ff.BauGB nach sich. Bugiel, NordOR 99, S. 6. Siehe zur Auslegung von Ausnahmevorschriften schon Fn. 428 im 3. Kapitel § 10 C. III. 1. b. bb. Errichtung des Kiistenstreifens auBerhalb bestehender Ansiedlungen. Siehe 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. c. bb.

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6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

des sich Einfilgens jedenfalls in akuten Abrasionsgebieten zulassungseinschrankend wirken kann.19 Entscheidend ist gleichwohl, dass die Beeinflussung von Innenbereichsvorhaben in diesem Zusammenhang weniger Aufgabe des Naturschutzrechts, sondern angesichts der risikopotentialerhohenden Wirkungen investitionsstarker Vorhaben primar eine Aufgabe des Kiistenschutzes sein diirfte. Als untere Naturschutzbehorde fungieren im terrestrischen Ktistenbereich die Landrate und Oberbilrgermeister der kreisfreien Stadte. Sie nehmen die Aufgaben des Naturschutzes und der Landschaftspflege als Pflichtaufgaben zur Erfullung nach Weisung wahr.20 Die Staatlichen Amter fur Umwelt und Natur (STAUN) sind Fachbehorden fur den Naturschutz. In den gemeindefreien Kiistengewassern fungieren die STAUN,21 vorbehaltlich spezieller Zuweisungen in den GroBschutzgebieten, als untere Naturschutzbehorde.22 In ausgewiesenen Schutzgebieten beurteilt sich die Zulassigkeit allgemeiner Eingriffe nach den entsprechenden Schutzverordnungen. Diese schliefien beeintrachtigende Eingriffe, z.B. die Errichtung baulicher Anlagen, im Regelfall aus.23 Abweichend von der generellen Zustandigkeitsverteilung sind in Naturschutzgebieten die STAUN24 und in Nationalparken und Biospharenreservaten die Nationalparkamter untere Naturschutzbehorden25.

C. Defizite Defizite ergeben sich hauptsachlich im Rahmen des wasserrechtlichen Entscheidungsmanagements. Die prinzipielle Nichtgeltung im Innenbereich verhindert eine Beeinflussung der baulichen Entwicklung durch wasserfachliche Belange. Die Einbeziehung der Wasserbehorden in die durch eine Genehmigungs- bzw. Einvernehmenspflicht von im 200 m-Bereich befindlichen Vorhaben im Innenbereich konnte die weitere Entwicklung des Schadenspotentials in Abrasionsgebieten zumindest steuern.26 Zu kritisieren sind ebenfalls die Ausnahmeoptionen in § 89 Abs. 3 S. 1 2. und 3. Alt. LWaG, nach denen Dispense auch bei Unvereinbarkeit mit den Belangen des Kiistenschutzes erteilt werden kQnnen. Noch gewichtiger beeintrachtigt die pauschale Nichtgeltung der wasserrechtlichen Bauverbote im Bereich von Bebauungsplanen vorsorgende Schutzkonzepte. 19 20 21

22 23 24 25 26

Vergleiche dazu i.U. 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. c. aa. Vergleiche § 52 Abs. 2 LNatG. Z u r Problematik der raumlichen Zustandigkeitsabgrenzungen zwischen den einzelnen STAUN in den Ktistengewassern siehe ausfuhrlich Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 237. Siehe die Sonderzuweisungen in § 56 Abs. 1 Nr. 2 LNatG. Siehe beispielhaft die Nationalparkverordnungen, Nachweise dazu im 3. Kapitel § 10 in denFn. 174 f. § 56 Abs. 1 Nr. 1 LNatG. § 5 5 LNatG. In Anbetracht der vorherrschenden Gefahrdungslagen lieBen sich solche Einschrankungen auch iiber den Tatbestand des § 34 Abs. 1 BauGB herleiten.

§ 15 Allgemeine Eingriffe in den Ktistenbereich

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Nach § 89 Abs. 1 LWaG wird mit der Uberplanung des Bauverbotsbereiches die Errichtung neuer baulicher Anlagen zulassig. Diese Freistellung widerspricht den Belangen des Kilstenschutzes in mehrfacher Hinsicht. Erstens konnen die Gemeinden auf diesem Wege notwendige Riickzugslinien verbauen und so defensive Kiistenschutzstrategien dauerhaft verhindern.27 Zweitens unterfallen die iiberplanten Flachen dem Schutzauftrag aus § 83 LWaG, so dass sich die Verpflichtungen zum Kiistenschutz territorial ausweiten.28 Das fiihrt nicht nur zu Kostensteigerungen, sondern steht auch im eklatanten Widerspruch zu risikopotentialvermindernden Strategien. Drittens werden die Wasserbehorden mangels Freiraum gezwungen, notwendige KiistenschutzmaBnahmen direkt an der Uferlinie zu ergreifen, was wiederum nicht nur kostenintensiver, sondern auch nur fiir einen begrenzten Zeitraum wirksam ist. Viertens konnen solche Anlagen die Sedimentbilanz im Leebereich verschlechtern und insoweit konterkariernd wirken. Zudem diirften MaBnahmen im direkten Uferbereich starker in den Naturraum eingreifen.29 Die Anforderungen an zukiinftige Gesetzesnovellierungen ergeben sich aus den angesprochenen Defiziten. liber allem steht die Notwendigkeit, Verwaltungsentscheidungen einer externen Kontrolle zufuhren zu konnen. Dies kann durch eine starkere Einbindung der Umweltverbande als Trager umfangreicher naturwissenschaftlicher Kenntnisse in die Verfahren und nicht zuletzt durch die Schaffung materieller Klagerechte zugunsten der Verbande bewerkstelligt werden. Bezogen auf die wasserrechtlichen Vorgaben sollte die Geltung der Kustenschutzstreifen innerhalb besiedelter Gebiete ausgeweitet werden, um den Wasserbehorden eine Mitentscheidungskompetenz einzuraumen. Dem sriinde § 34 BauGB als unbedingte Planersatzregelung und Ausfluss des situationsgebundenen Rechts aus Art. 14 Abs. 1 GG auf Bebaubarkeit von Innenbereichsgrundsrilcken dann nicht entgegen,30 wenn die Sufleren Rahmenbedingungen31 die Nutzbarkeit des Innenbereiches situationsgebunden einschranken. Zudem ist die Zulassigkeit von Ausnahmen in § 89 Abs. 3 LWaG zwingend an die Vereinbarkeit mit den Belangen des Kiistenschutzes zu koppeln. SchlieBlich milsste sich der Schutzauftrag aus § 83 Abs. 1 LWaG, ahnlich § 80 Abs. 1, 2 Nr. 4 LWaG S-H,32 an bestehenden Rechten orientieren. Er sollte daher auf bereits errichtete bauliche Anlagen innerhalb von rechtswirksamen Bebauungsplanen33 und existente Anspriiche auf Bebauung im Innenbereich begrenzt werden. 27 28 29 30 31 32

33

Zutreffend Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 258. Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 258. So im Ergebnis auch Ballschmidt-Boog, KiistenOkosysteme, S. 258, m.w.N. Vergleiche dazu schon ausfuhrlich 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. b. Hier in Gestalt von Uberflutungs- und Abrasionsgefahr. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 LWaG S-H gilt das Bauverbot nicht ,,fur bauliche Anlagen, die aufgrund eines bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtsverbindlichen Bebauungsplanes errichtet oder wesentlich geandert werden oder fur die im Bereich von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen (§ 34 BauGB) bei Inkrafttreten dieses Gesetzes ein Anspruch auf Bebauung besteht". Vergleiche dazu schon Ballschmidt-Boog, Kiistenokosysteme, S. 258.

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6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

§ 16 Kiistenschutzanlagen A. Wasserrechtliche Regelungen Die Errichtung, das Beseitigen oder das wesentliche Umgestalten von Deichen bedarf an den Kiistengewassern nach den §§ 84 Abs. 1,72 Abs. 1 LWaG der Durchfiihrung eines Planfeststellungsverfahrens.1 Uber den Verweis in § 72 Abs. 1 S. 2 LWaG ist dabei § 70 LWaG sinngemaB anzuwenden. Da § 70 Abs. 4 LWaG seinerseits eine Pflicht zur Umweltvertraglichkeitsprufung (UVP) statuiert, besteht eine solche auch fur die Falle des § 84 Abs. 1 LWaG.2 Das Errichten und wesentliche Umgestalten von Kiistendeichen ist somit UVP-pflichtig.3 Die Durchfuhrung des Planfeststellungsverfahren obliegt der obersten Wasserbehorde.4 Die Errichtung, wesentliche Anderung und Beseitigung aller anderen Anlagen des Kilstenschutzes sowie sonstiger Einrichtungen an der Kiiste wird durch § 86 LWaG einer Genehmigungspflicht durch die untere Wasserbehorde unterstellt. Soweit die Wasserbehorde selbst als Kustenschutzverpflichtete tatig wird und als solche KiistenschutzmaBnahmen betreibt, lauft diese Genehmigungspflicht ins Leere.5 Die Unterhaltung von Kiistenschutzanlagen ist gemaB § 84 Abs. 2 S. 1 LWaG generell genehmigungsfrei. Die Wiederherstellung von Anlagen des Kiistenschutzes ist tiber den Verweis zu § 72 Abs. 4 LWaG als Unterhaltungsmafinahme zu verstehen. Daher ist weder die Wiederherstellung von Deichen, noch die von Dtlnen, planfeststellungspflichtig.6 Allerdings konnen sich gemeinhin als (Deich-)Erhaltung angesehene MaBnahmen rechtlich zutreffender als solche des planfeststellungspflichtigen (Deich-)Ausbaus darstellen, sofern die MaBnahmen Auswirkungen auf die okologischen Verhaltnisse der Gewasser erwarten lassen.7 Probleme ergeben sich im Hinblick auf die Errichtung, Beseitigung und wesentliche Anderungen von Hochwasserschutzdiinen. Da sich § 84 Abs. 1 LWaG nur auf Deiche bezieht, scheidet eine Anwendung der Planfeststellungs- und UVPPfiicht auf Kiistendtinen aus. Damit unterfallen Aufspiilungen neuer Diinen, we1 2 3

4 5 6 7

Die Beseitigung nach § 72 Abs. 1 S. 3 LWaG kann ohne Planfeststellung genehmigt werden, wenn mit Einwendungen nicht zu rechnen ist. A.A. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 256. Da § 70 Abs. 4 LWaG an ein Planfeststellungsverfahren gekniipft ist, besteht eine UVP-Pflicht fur das Beseitigen von Deichen nur dann, wenn dazu ein Planfeststellungsverfahren durchgefuhrt wird. Vgl. dazu auch Erbguth/Schink, UVPG, § 3 Rn. 86. Zum Unterschied zwischen Planfeststellung und Plangenehmigung siehe ausfuhrlich Miillmann, Plangenehmigung, passim. § 107 Abs. 1 Nr. 2 a.E. LWaG. Ahnlich Krings, NuR 97, S. 129. Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 259 f. Zutreffend OVG Bautzen, Beschluss vom 03.01.2003 - 7 K 9/03 NuR 03, S. 222 (223) mit zustimmender Anm. von Gotze, ZUR 03, S. 223 ff.

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sentliche Anderungen und ihre Beseitigung, obgleich in § 86 LWaG nicht genannt, lediglich der einfachen Genehmigungspflicht aus § 86 LWaG.8 Diese Differenzierung dtirfte sachlich kaum zu rechtfertigen sein. SchlieBlich nehmen Kiistenschutzdtinen an vielen Abschnitten die Aufgabe von Deichen wahr.9 Ihre Wirkungen auf den Wasser- und Naturhaushalt sind iiberwiegend mit denen von Deichen vergleichbar.10 Uberdies bewirken insbesondere Wiederholungsaufspillungen die Vernichtung der sich auf den Altdiinen entwicklten Pflanzengesellschaften11 sowie die Zerstorung natiirlicher Sukzessionsprozesse12 und der geomorphologischen Strukturen. Kiinstliche Schutzdunen beanspruchen in der Regel mehr Raum als Deichbauten.13 Im Interesse einer einheitlichen Gesetzeslage spricht folglich viel dafiir, wenigstens die Errichtung und wesentliche Anderung von Ktistenschutzdunen dem Rechtsregime des § 84 Abs. 1 LWaG zu unterstellen. Bedenken ergeben sich uberdies hinsichtlich der fehlenden UVP-Pflichtigkeit im Rahmen der Errichtung und Anderung von Schutzdunen. Nach Art. 4 Abs. 2 UVP-RL14 sind die in Anhang II der Richtlinie aufgezahlten Klassen einer UVP zu unterziehen, wenn ihre Merkmale nach Auffassung der Mitgliedstaaten eine solche Priifung erfordern.15 Auch wenn die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck die konkreten Projektarten bestimmen sowie Kriterien und Schwellenwerte aufstellen konnen,16 soil der Mitgliedstaat das ihm durch Art. 4 Abs. 2 UVP-RL zugestandene Ermessen dann iiberschreiten, wenn die Konkretisierung der in Anhang II genannten Projekte dazu fuhrt, dass bestimmte Projektklassen ganzlich von der UVP-Pflicht ausgenommen werden17 oder die UVP-Pflicht durch Aufsplitterung der Projekte umgangen werden kann18. Zu den in Anhang II Nr. 10 lit. e) UVP-RL a.F. genannten Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten gehorten nach Auffassung des EuGH auch Arbeiten zur Eindammung von Wasser und zur Verhinderung von Uberschwemmungen.19 Insoweit waren auch Deichbauten von Anhang II Nr. 10 lit. e) UVP-RL a.F. erfasst.20 Die Anwendungsvoraussetzungen sind 8

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Offensichtlich aus Kompetenzgriinden beschrankt sich Nr. 6 der Anlage zu § 3 UVPG a.F. (Gesetz tiber die Umweltvertraglichkeitsprufung vom 12.02.1990, BGB1. I S. 205) auf Deich- und Dammbauten, die einer Planfeststellung nach § 31 WHG bedilrfen. Generalplan Ktlstenschutz M-V, S. 35; Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 259; Dette, Schutzbedarf, ZfgW 00, S. 655. Zur Mafigeblichkeit dieses Kriteriums fur die Durchfuhrung einer UVP vgl. exemplarisch Erbguth/Schink, UVPG, § 2 Rn. 47, § 3 Rn. 5. Siehedazul.Kapitel§3C. II. 2. Graudunen konnen sich nur im Schutze von WeiBdiinen entwickeln. Kronenbreiten von 40 bis 45 m, vgl. Generalplan Kiistenschutz M-V, S. 35. Richtlinie 85/337/EWG vom 27.06.1985. Im Gegensatz zur Regel-UVP nach Anhang I. Art. 4 Abs. 2 S. 2 UVP-RL a.F. EuGH, Urteil vom 24.10.1996-Rs. C-72/85- DVB1. 97, S. 40 (40 f.); Urteil vom 21.09.1999 -C 392/96 - ZUR 00, S. 284 (284 f.). EuGH, Urteil vom 21.09.1999 - C 392/96 - ZUR 00, S. 284 (285 f.). EuGH, Urteil vom 24.10.1996 - Rs. C-72/85 - DVB1. 97, S. 40 (40 f.). EuGH, Urteil vom 24.10.1996 - Rs. C-72/85 - DVB1. 97, S. 40 (40 f.).

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nunmehr gleichlautend in Anhang II Nr. 10 lit. f) UVP-RL aufgegangen, so dass die Rechtsprechung auf die novellierte UVP-RL ilbertragbar ist.21 Fur die Einordnung als UVP-pflichtige MaBnahme sind, entsprechend des Richtlinienzwecks, einzig die von dem Vorhaben ausgehenden Auswirkungen auf die Umwelt maBgeblich.22 Namentlich die Errichtung, die Verlegung, die Verstarkung und/oder Verbreiterung sowie die Ersetzung eines bestehenden Deiches durch einen neuen an der selben Stelle, sofern dieser gro'Bere Abmessungen aufweist, sollten eine UVP-Pflicht aus Anhang II Nr. 10 lit. e) UVP-RL a.F. begriinden.23 Da die UVP-RL flachendeckende Geltung beansprucht, sind von den in Anhang II Nr. 10 lit. f) UVP-RL (ex Nr. 10 lit. e)) genannten MaBnahmen gleichfalls Deiche an den Ktistengewassern erfasst.24 Die pauschale Freizeichnung von Kiistenschutzdunen kann angesichts der zur Begrandung der UVP-Pfiicht entwickelten Kriterien kaum iiberzeugen. Die mit der Aufspulung von Diinen verbundenen Beeintrachtigungen der Pflanzenwelt sowie die vergleichbaren wasserwirtschaftlichen Auswirkungen geben der Annahme Raum, dass die Errichtung und wesentliche Anderung von Kiistenschutzdiinen jedenfalls nicht generell von Anhang II Nr. 10 lit. e) UVP-RL a.F. ausgeschlossen waren. Wiirde man Dilnenbauten folglich in Ganze als nicht von § 89 Abs. 1 LWaG fixiert ansehen, ist in diesem Punkt die Europarechtskonformitat der Gesetzeslage zumindest fraglich. Die UVP-Anderungsrichtlinie weitete die Anzahl UVP-pfiichtiger Projekte erheblich aus. Nunmehr bestimmt Anhang II Nr. 10 lit. k) UVP-RL, dass Bauten des Kiistenschutzes zur Bekampfung der Erosion und meerestechnische Arbeiten, die geeignet sind, Veranderungen der Kiiste mit sich zu bringen, mit Ausnahme der Unterhaltung und Wiederherstellung, UVP-relevante Vorhaben sein konnen. In Anbetracht der Rechtsprechung wird man davon ausgehen konnen, dass alle Anlagen, welche die in der Richtlinie beschriebenen Auswirkungen auf die Kiistenlandschaft haben, einer UVP-Pflicht unterfallen. Aus den in Anhang II Nr. 10 lit. k) UVP-RL genannten Beispielen (Deiche, Molen, Hafendamme und sonstige Kiistenschutzbauten) folgt zunachst, dass ein Schwerpunkt der Kriterien zur Bestimmung einer UVP-Pflicht in der Beeinflussung der ktistendynamischen und geomorphologischen Prozesse zu sehen ist. Hiervon betroffen waren daher alle sedimentbeeinflussenden kiistenvertikalen und kilstenparallelen Anlagen des Erosionsschutzes.25 Der UVP-Pflicht werden dabei alle statischen Einbauten an Vorstrand und Schorre zu unterstellen sein, die die geomorphologischen Prozesse nicht nur unerheblich beeinflussen. Das betrifft vor allem Uferlangswerke und 21 22 23 24 25

Anderung der UVP-RL durch Richtlinie des Rates 97/11/EWG vom 03.03.1997. EuGH, Urteil vom 24.10.1996 - Rs. C-72/85 - DVB1. 97, S. 4 0 (40 f.). Siehe dazu ausfiihrlich EuGH, Urteil vom 24.10.1996 - Rs. C-72/85 - DVB1. 97, S. 4 0 (41 f.). Insoweit entsprach § 84 Abs. 1 L W a G in Bezug auf Deichbauten den Vorgaben der UVP-RL. Zum Beispiel massive Buhnenbauten oder ausgedehnte Buhnenfelder, Uferlangswerke oder Gerollpackungen.

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ausgedehnte Buhnenfelder. Ahnliches sollte fur den Austausch von stromungsoffenen Pfahlbuhnen durch Kastenbuhnen mit undurchlassigen Betoneinlagen gelten.26 AuBerdem dilrften Kilstenschutzdiinen als deicMhnliche Bauten des Uberflutungsschutzes mit sedimentbeeinflussenden Komponenten27 ebenfalls von Anhangll Nr. 10 lit. k) UVP-RL umfasst sein. Das folgt nicht zuletzt aus dem Schutzbediirfhis der Diinenbiotope und den erheblichen Auswirkungen von Dilnenaufspiilungen. Im Ergebnis ist davon auszugehen, dass zumindest Neuaufspiilungen von Diinentrassen auf die fur die Bemessunghochwasserstande notwendigen AusmaBe zukiinftig28 UVP-pflichtig sind.

B. Das naturschutzrechtliche Rechtsregime /. Die Eingriffsregelung Die Eingriffsregelung aus § 18 BNatSchG i.V.m. § 14 LNatG stellt den ubiquitaren naturschutzrechtlichen Mindestschutz dar. Prinzipiell unterfallen alle beeintrachtigenden Eingriffe in Natur und Landschaft diesem Rechtsregime. Nach § 18 Abs. 1 BNatSchG werden als Eingriffe Veranderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundfl&chen defmiert, die die Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeintrachtigen konnen.29 In Mecklenburg-Vorpommern stellt § 14 Abs. 1 LNatG auf die okologische Funktionsfahigkeit des Naturhaushaltes ab und zugleich klar, dass zu den Grundflachen auch

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So geschehen vor Ahrenshoop, w o offene Pfahlbuhnenreihen durch doppelreihige Buhnen mit Betonfaschinen ersetzt wurden. Vergleiche dazu 1. Kapitel § 4 A. II. 1. Mangels Umsetzung in nationales Recht gilt die geanderte UVP-RL seit dem 14.03.1999 unmittelbar. Vgl. EuGH, Urteil vom 19.01.1982 - C 8 / 8 1 - DVB1. 82, S. 294 (295); Urteil vom 23.02.1994 - C 236/92 - NVwZ 94, S. 885 (885 f.); SchmidtEichstaedt, UPR 00, S. 401; Gaentzsch, UPR 01, S. 290. Die Vorgaben der UVP-And. RL waren folglich ab dem 14.03.1999 bei der Errichtung und Umgestaltung von Ktistenschutzanlagen zu berucksichtigen gewesen. Die Europaische Kommission reichte beim Europaischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen Deutschland wegen mangelnder Umsetzung der Richtlinie tiber Umweltvertraglichkeitsprufungen (UVP-Richtlinie 85/337/EWG) ein. (Abl. EG 2001 C 28, 13). Falls Deutschland aus diesem Grande erneut vom EuGH verurteilt wilrde, droht die Kommission mit der Erhebung eines taglichen Zwangsgeldes von 237.600 EURO. Der Bundestag hat am 27.07.2001 eine Neufassung des UVPG (BGB1. vom 02.08.2001, S. 1950) beschlossen, das die Modifikationen durch die Anderungsrichtlinie beriicksichtigt. Aufgrand kompetenzrechtlicher Erwagungen wurde von einer Kodifikation des Kiistenschutzes in den Anlagen zum UVPG abgesehen. Zu den Einzelheiten der Regel- und Einzelfallpriifung vgl. Krautzforger, UPR 01, S. 243 f. Ausfuhrlich dazu u.a. Haber et al., Beurteilung von Eingriffen, S. 49 ff.

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6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

Wasserflachen zahlen.30 Ziel der Eingriffsregelung ist die Sicherung des status' quo. Sie ist Ausdruck des Vorsorgeprinzips und soil im Sinne eines Verschlechterangverbotes wirken.31 Die Eingriffsregelung gilt als eigenstandige naturschutzrechtliche Schutzkategorie32 territorial flachendeckend und sachlich allumfassend. Sie findet daher neben dem gesetzlichen Biotopschutz und dem Flachenschutz Anwendung33 und gilt auch auf Sekundarbiotopen34. Sie findet gemafi § 20 Abs. 1 BNatSchG auch Anwendung auf Vorhaben und Mafinahmen von Behorden, die weder anzeigepflichtig noch anderweitig zulassungspflichtig sind.35 Damit sind prinzipiell alle MaBnahmen des Kiistenschutzes, unabhangig von ihrer konkreten wasserrechtlichen Genehmigungs- oder Planfeststellungspflichtigkeit der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zuganglich. Die Errichtung und wesentliche Anderung von Kiisten- und Uferschutzanlagen wird in Mecklenburg-Vorpommern nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG als Eingriff in Natur und Landschaft benannt. Damit ist das erstmalige Tatigwerden der Wasserbehorden zum Zwecke des Kiistenschutzes regelmafiig als Eingriff zu verstehen. Die Neuanlage von Deichen, Diinen, Buhnen, Wellenbrechern, Uferlangswerken sowie Aufspiilungen an Strand, Vorstrand und Schorre in Kustenabschnitten, die solchen MaBnahmen bisher noch nicht ausgesetzt waren, unterfallen daher der Eingriffsregelung. Problematisch sind indes die Anwendungvoraussetzungen von § 14 LNatG bei UnterhaltungsmaBnahmen an Kiistenschutzanlagen. Hier stellt sich die Frage, wie Arbeiten an Kiistenschutzanlagen zu behandeln sind, die sich zwar als UnterhaltungsmaBnahmen darstellen, gleichzeitig aber andere Regelbeispiele der Positivliste in § 14 Abs. 2 LNatG erfullen oder anderweitig als erhebliche Eingriffe zu qualifizieren sind.

1. Erheblich beeintrachtigende UnterhaltungsmaBnahmen a. Bedeutung des Tatbestandskatalogs aus § 14 Abs. 2 LNatG Konfliktpotential36 ergibt sich, wenn die nicht in § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG genannten UnterhaltungsmaBnahmen an Kiistenschutzanlagen andere Eingriffstatbestande im Rahmen § 14 Abs. 2 LNatG erfullen.37 Dafttr kommen insbesondere § 14

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Dazu und zur Vergleichbarkeit beider Regelungen Bugiel, N o r d O R 98, S. 418. Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG, Vor § 18 Rn. 5; ders., N u R 99, S. 80. Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 3. Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 3. Gassner in: Gassner et al., BNatSchG, § 8 Rn. 10. BVerwG, Urteil vom 20.01.1989 - 4 C 15.81 - BVerwG 81, S. 220 (223); Gassner in: Gassner et al., BNatSchG, § 20 Rn. 7. Insoweit weist Bugiel insbesondere in diesem Zusammenhang auf Meinungsverschiedenheiten zwischen den Naturschutz- u n d Wasserbehorden hin, vgl. NordOR 98, S. 419. Zur Verwaltungspraxis siehe auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692. Keine Konflikte entstehen bei Unterhaltungsmafinahmen, die in ihrer isolierten Betrachtung keine Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen. Hier scheidet die Anwendung der Eingriffsregelung schon per Definition aus.

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Abs. 2 Nr. 2, 9, 12 LNatG 38 in Betracht. 39 In der Verwaltungspraxis wird haufig die Annahme geauBert, die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung auf KiistenschutzmaBnahmen beurteile sich ausschliefilich nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG, 40 so dass alle KilstenschutzmaBnahmen auBerhalb der Errichtung und wesentlichen Anderungen regelmafiig keine Eingriffe in Natur imd Landschaft darstellen wurden.41 Diese Auslegung begegnet bei naherer Betrachtung allerdings erheblichen Zweifeln. Zuna'chst ist kaum anzunehmen, dass die einzelnen Tatbestande im Positivkatalog untereinander abschliefiender Natur sind. § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG wirkt insoweit nicht als lex specialis fur die gesamte Materie des Ktistenschutzes, sondern benennt nur beispielhaft bestimmte Tatigkeiten, die auf jeden Fall als Eingriffe zu gelten haben. 42 Dies erschlieBt sich aus folgenden Uberlegungen: Die Befugnis der Landesgesetzgeber zur Erstellung von Positivnormierungen erstreckt sich gem. § 18 Abs. 4 S. 2 BNatSchG nur auf MaBnahmen, die regelmafiig Eingriffe nach § 18 Abs. 1 BNatSchG darstellen. Obgleich Positivtatbestande die Eingriffsqualitat bestimmter Mafinahmen fingieren43 und damit eine Genehmigungspflicht begriinden konnen, 44 diirften die konkreten Eingriffsdefinitionen im Positivkatalog daher in aller Regel lediglich deklaratorische Ziige tragen. Die 38

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Relevante Falle aus der Praxis sind Aufsptilungen an Strand- und Vorstrand sowie der Dtinenkorper, die regelmafiig die in § 14 Abs. 2 Nr. 2 LNatG genannten Flachen von 300 m 2 tiberschreiten oder Erweiterungen von Deck- und Unterwasserlangswerken die den Tatbestand aus § 14 Abs. 2 Nr. 12 LNatG (Versiegelung von Flachen von mehr als 300 m 2 ) erfullen. Die MaBnahmen konnen gleichzeitig die Ufer- und bisherige Dtinenvegetation nachhaltig beeintrachtigen und waren dann von § 14 Abs. 2 Nr. 9 LNatG erfasst. Hier jedoch kritisch Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 210, der die Aufnahme von schon nach § 20c BNatSchG bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen verbotenen Handlungen in die Eingriffsregelung fur wenig sinnvoll halt. Keinesfalls kann aus dem Ausschlusstatbestand in § 14 Abs. 2 Nr. 14 LNatG gefolgert werden, dass alle Kilstenschutzanlagen von der Eingriffsregelung ausgenommen seien. Die Regelung bezieht sich ausschliefilich auf Einfriedungen u n d Einzaunungen u n d kann daher nur auf Absperrungen der Ktistenschutzanlagen (vornehmlich der Diinen) Anwendung fmden. Vergleiche zur einschlagigen Verwaltungspraxis Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692. Als Beispiel sei die Wiederherstellung einer Sturmflutschutzdtine a m N S G Hutelmoor bei Rosenort genannt. Diese wurde durch das Sturmhochwasser v o m 03./04.11.1995 vollstandig abgetragen. Die Wiedererrichtung auf die erforderlichen AusmaBe entsprechend B H W erfolgte ohne naturschutzrechtliche Genehmigungen. Anzumerken bleibt, dass die neue Dune die AusmaBe der urspriinglich vorhandenen Dune bei weitem tiberschreitet. Vgl. dazu auch Ballschmidt-Boog, Kustenokosysteme, S. 259 f. So im Ergebnis auch Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692. Im Einzelnen strittig: Fur eine im Einzelfall widerlegbare Fiktion: BVerwG, Urteil vom 27.09.1990 - 4 C 44.87 - BVerwGE 85, S. 348 (354 f.); Gassner, in: Gassner et al., BNatSchG, § 18 Rn. 16; Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 207; Bugiel, NordOR 98, S. 418. Zur Gegenansicht und zum Streitstand Walter, Naturschutz, S. 60, in dortiger Fn. 130. /, NordOR 98, S. 418.

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bundesrechtliche Freistellungsermachtigung aus § 18 Abs. 4 S. 1 BNatSchG bezieht sich hingegen nur auf solche Vorhaben, denen im Regelfall keine Eingriffsqualitat zukommt. Wollte man § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG dagegen als abschlieBend ansehen, wiirden durch die Positivnormierang moglicherweise auch Vorhaben aus der Eingriffsregelung ausgenommen, die nach § 18 Abs. 1 BNatSchG die Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes oder das Landschaftsbild erheblich oder nachhaltig beeintrachtigen. Im Ergebnis bewirkte die Positivnormierung dann zugleich eine Negativregelung, die abgesehen davon, dass eine Positivliste vor dem Hintergrund der ausdrilcklichen Option eines Negativkatalogs in § 18 BNatSchG kaum fur einen solchen Regelungsgehalt missbraucht werden diirfte, jedenfalls materiell nicht von der eindeutigen inhaltlichen Vorgabe des § 18 Abs. 4 S. 1 BNatSchG gedeckt ware. Weiterhin ergibt sich die Anwendbarkeit der anderen Positivtatbestande auf nicht von § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG erfasste MaBnahmen des Kustenschutzes aus der ausdriicklichen Verordnungsermachtigung in § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG. Danach kann die oberste Naturschutzbehorde im Einvernehmen mit der obersten Wasserbehorde durch Rechtsverordnung bestimmte offentliche MaBnahmen zur Ordnung des Wasserhaushaltes, des Gewasser-, Hochwasser- und Kustenschutzes festlegen, die keinen Eingriff nach § 14 Abs. 1 LNatG darstellen. Diese bundesweit erste Negativregelung auf Ebene einer Rechtsverordnung45 soil sich in erster Linie auf UnterhaltungsmaBnahmen wie die Reparatur oder Erganzung von Kiistenschutzbauwerken beziehen, die keine Eingriffsqualitat erreichen und insoweit primar klarstellend wirken.46 Die in § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG genannte Errichtung und wesentliche Anderung ist nicht Gegenstand der Verordnungsermachtigung.47 Wenn eine Freistellung bestimmter KustenschutzmaBnahmen erst durch eine Verordnung erfolgen soil, ergibt sich im Umkehrschluss, dass diese Tatigkeiten jedenfalls dem Grundsatz nach der Eingriffsregelung unterfallen. Aus der Beschrankung der Verordnungsermachtigung lediglich auf die Bestimmung von solchen MaBnahmen, die keinen Eingriff nach § 14 Abs. 1 LNatG darstellen, konnte zwar der SchluB gezogen werden, dass Kustenschutzmaflnahmen, auBer in den ausdrucklich benannten Fallen, nicht von § 14 Abs. 2 LNatG umfasst sein sollen. Als Begriindung lieBe sich anfuhren, dass die Ermachtigung in Bezug auf § 14 Abs. 1 LNatG kaum Sinn machen wilrde, wenn die fraglichen MaBnahmen nach § 14 Abs. 2 Nr. 2, 9, 12 LNatG weiter eingriffsrelevant blieben. Demgegeniiber ware es moglich, dass die Beschrankung auf § 14 Abs. 1 LNatG die Tatbestande des Positivkataloges bewusst unberuhrt lassen sollte. Eine solche Auslegung ware damit zu begriinden, dass die § 14 Abs. 2 LNatG zugrunde liegenden speziellen Wertungen des Gesetzgebers keiner weiteren Disposition mehr zuganglich sein

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Bugiel, NordOR 98, S. 419. Vergleiche die Gesetzesbegriindung, LTDrs. 2/3443, S. 117; Bugiel, S.419. LTDrs. 2/3443, S. 117.

N o r d O R 98,

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sollen. Dafur sprache vor allem die Struktur und die rechtliche Anwendbarkeit des Positivkataloges. Der Struktur nach muss § 14 Abs. 2 LNatG als eine Auflistung bestimmter Beeintrachtigungstatbestande verstanden werden, bei deren Vorliegen die Eingriffsund Ausgleichsregelung abzuarbeiten ist. Wtlrden innerhalb der Auflistung naher konkretisierte Vorhaben ausschliefilich nach dem Tatbestand zu beurteilen sein, in dem sie aufgefuhrt sind, ware eine unilbersehbare Vielzahl von Sonder- und Ausschlussregelungen die Folge. Damit wiirde nicht nur der Positivkatalog weitgehend ausgehebelt, sondern zugleich die Rechtsanwendung nachhaltig verkompliziert und folglich gestort. Nicht zuletzt in Anbetracht dessen, dass gerade die Vereinfachung des Normvollzuges als Regelungsabsicht von § 14 Abs. 2 LNatG benannt ist,48 kann eine derartige Auslegung kaum iiberzeugen. Im Ergebnis ist aus der Beschrankung von § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG folglich nicht zu entnehmen, dass der Positivkatalog bis auf die Nennungen in § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG auf KustenschutzmaBnahmen keine Anwendung findet. Wenn jedoch die speziell auf Kustenschutzbelange zugeschnittene Verordnungsermachtigung schon keine kiistenschutzbezogene Modifikation des Positivkatalogs bezweckt, wird man eine solche Wirkung wohl kaum dem Positivtatbestand des § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG zubilligen konnen.49 Zusammenfassend ist daher zu konstatieren, dass § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG die Eingriffsqualitat von KustenschutzmaBnahmen nicht abschlieBend festlegt. Die dort nicht erfassten Tatigkeiten konnen nicht als von der Eingriffsregelung freigestellt angesehen werden. Der gesetzlichen Wertung nach § 14 Abs. 1, 2 LNatG haben sich folglich prinzipiell alle MaBnahmen des Kustenschutzes einer allgemeinen Priifung ihrer Eingriffsqualitat zu stellen. b. Ruckgriff auf die Eingriffsdefinition aus § 14 Abs. 1 LNatG? Fraglich bleibt noch, ob bei beeintrachtigenden MaBnahmen, die vom Positivkatalog entweder ganzlich oder aufgrund des Nichterreichens bestimmter kodifizierter Kriterien nicht erfasst werden, ein Ruckgriff auf die allgemeine Eingriffsdefinition aus § 14 Abs. 1 LNatG moglich ist. Wahrend aufgrund des InsbesondereCharakters50 der Positivliste fur erstere ein Ruckgriff insoweit unstreitig geboten ist,51 begegnet eine entsprechende Behandlung der zweiten Kategorie zunachst

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LTDrs. 2/3443, S. 117; ebenso Bugiel, NordOR 98, S. 419. Zugleich lasst sich aus d e r Beschrankung a u f MaBnahmen, d i e i m Regelfall keinen Eingriff darstellen, entnehmen, dass auch § 14 Abs. 2 Nr. 4 L N a t G kein uberschieBender Sinngehalt innewohnen kann. W e n n namlich selbst die speziell auf Ktistenschutzerfordernisse zugeschnittene Verordnungsermachtigung die Anwendbarkeitsvoraussetzungen der Eingriffsregelung nicht modifizieren soil, ist kaum anzunehmen, dass derartiges mittels der Positivbestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG gegentlber den Eingriffstatbestanden nach § 14 Abs. 2 LNatG beabsichtigt sein sollte. Vgl.dazu schon die Beschrankung der Freistellungsoption in § 18 BNatSchG. Die Positivliste ist nicht abschlieftender Natur, siehe Bugiel, NordOR 98, S. 418. Vergleiche dazu ausfuhrlicher Bugiel, NordOR 98, S. 418.

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6. Kapitel Einzelentscheidungsmanagement

Bedenken.52 Fur die Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Eingriffsdefinition in diesen Fallen konnte sprechen, dass sich der Gesetzgeber bei Festsetzung der Kriterien und Schwellenwerte mit den in Frage kommenden Vorhaben auseinandergesetzt hat und die Eingriffsqualitat somit abschlieBend an die gesetzlich geregelten Mindestanforderungen koppeln wollte.53 Gegen ein solches Verstandnis deutet die bereits erwahnte Systematik des § 14 Abs. 2 LNatG als nicht abschlieBende Aufzahlung hin. Zudem ist die Bestimmung der Eingriffsmerkmale in den Landern recht uneinheitlich,54 so dass landesgesetzliche Schwellenwerte kaum als absolute GroBe zu begreifen sein dtirften. Uberdies hatte eine derartige Regelungsabsicht besser innerhalb des Negativkatalogs ausgedriickt werden konnen.55 Die Verordnungsermachtigung aus § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG bezieht sich zwar ausdriicklich auf MaBnahmen, die keinen Eingriff nach § 14 Abs. 1 LNatG darstellen. Damit impliziert die Norm aber zugleich, dass ein Riickgriff generell moglich ist. Ware dieser schon per se ausgeschlossen, liefe der Regelungsgehalt von § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG demgegenuber vollstandig leer. Letztlich erschopft sich die Ermachtigung der Lander lediglich darauf, MaBnahmen von der Eingriffsregelung auszunehmen, die im Regelfall eine entsprechende Beeintrachtigungsqualitat nicht erreichen. Werden im konkreten Fall hingegen erhebliche Beeintrachtigungen durch MaBnahmen, die unterhalb der definierten Eingriffsschwelle liegen, verursacht, muss das Rechtsregime der Eingriffsregelung konsequenterweise Anwendung finden. Entscheidend sind insoweit die tatsachlichen Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Ein anderes Verstandnis ist auch vor dem Hintergrund des europaischen Habitatschutzrechts nicht vertretbar. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 11 lit. b)BNatSchG sollen nur solche Vorhaben dem AuBenschutz nach Art. 6 Abs. 2, 3 FFH-RL unterfallen56, die als Eingriffe in Natur und Landschaft zu qualifizieren und genehmigungs- oder anzeigepflichtig sind. Umfangreiche landesgesetzliche Freistellungen wurden dazu fuhren, dass die Pflicht zur Vertraglichkeitsprufung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ausgehebelt werden konnte.57 Solange die Vertraglichkeitsprufung an die Eingriffsregelung und -erschwerend- kumulativ an behordliche Genehmigungen oder Anzeigen gekoppelt ist, sollten im Hinblick auf die von der Kommis-

52 53 54

55 56 57

Zu denken ist hier an Aufspiilungen oder Abgrabungen, welche die Schwelle von 300 m2 nicht erreichen, z.B. bei selektiven Ausbesserungarbeiten. Swg;e/, NordOR 98, S. 418. Vergleiche dazu die Aufstellung bei Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 208. Die Eingriffstatbestande der in Fn. 38 als Beispiel genannten Abgrabungen und Abspillungen schwanken in den Bundeslander zwischen 30 m2 und 400 m2. 5 M g/e/, N o r d O R 98, S. 418. Vgl. dazu schon 3. Kapitel § 10 C. III. 1. a. aa. Abschwachend Louis, BNatSchG, § 19a Rn. 29, wenn er landesrechtliche Eingriffsdefinitionen fur unbeachtlich halt. Solange KustenschutzmaBnahmen von Behorden oder in Beauftragung durch Behorden durchgefuhrt werden, ergibt sich die Pflicht zur FFHVertraglichkeitsprilrung tiber § 10 Abs. 1 Nr. 11 lit. b) 3. Alt. BNatSchG.

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sion bereits benannten Umsetzungsdefizite Eingriffsfreistellungen auBerordentlich vorsichtig gehandhabt werden.58 Der Auffassung, dass auch unterhalb der in § 14 Abs. 2 Nr. 2 und 9 LNatG festgelegten Kriterien erhebliche oder nachhaltige Beeintrachtigungen des Naturhaushaltes moglich sind, ist insoweit zu folgen.59 Es bleibt daher festzuhalten, dass auch bei Unterschreiten der Schwellenwerte im Positivkatalog ein Rtickgriff auf die allgemeine Eingriffsdefinition nicht generell ausgeschlossen, sondern im Falle des Erreichens der Eingriffsqualitat vielmehr geboten ist.

c. Die Verordnungsermachtigung aus § 14 Abs. 4S.2 LNatG Im Zusammenhang mit der Verordnungsermachtigung aus § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG wird die Befurchtung geauBert, dass eingriffsrelevante KustenschutzmaBnahmen gegeniiber dem Naturschutz verfahrenstechnisch weiter privilegiert werden.60 Derartige Bedenken diirften angesichts der einschlagigen Verwaltungspraxis, die in der nur ein Bruchteil der KustenschutzmaBnahmen einer naturschutzrechtlichen Eingriffsprufung nach § 14 LNatG zugefuhrt wird, wohl nicht von der Hand zu weisen sein.61 Sofern eine solche Verordnung jedoch streng am Gesetzeswortlaut unter maBgeblicher Beteiligung der obersten Naturschutzbehorde62 entworfen wird, konnten sich zugleich Chancen fur eine Starkung des Naturschutzes ergeben. Da eine Verordnung auf Grundlage von § 14 Abs. 4 S. 2 LNatG nur dann rechtmafiig sein kann, wenn lediglich diejenigen MaBnahmen benannt werden, die im Regelfall keinen Eingriff in Natur und Landschaft darstellen, kommen dafur alle Tatigkeiten, die sich unter die Tatbestande der § 14 Abs. 1, 2 Nr. 1 bis 17 LNatG subsumieren lassen, schon dem Grande nach nicht in Betracht. Im Umkehrschluss werden alle nicht in der Verordnung aufgefuhrten MaBnahmen einer Regelvermurung zugefuhrt, wonach diese grundsatzlich Eingriffe darstellen und als solche einer Eingriffsprufung nach § 14 Abs. 1 LNatG zuzufuhren sind. Bei gesetzeskonformer Erstellung der Verordnung konnten sich folglich durchaus Impulse fur einen starker am Gesetzeswortlaut orientierten Gesetzesvollzug ergeben.63

2. Errichtung und wesentliche Anderung von Kiistenschutzanlagen Wahrend unter der Errichtung von Kiistenschutzanlagen nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG primar die Neuanlage von Einrichtungen des Erosions- und Uberflutungsschutzes zu verstehen ist, kann die Abgrenzung einer wesentlichen Anderung von bloBen UnterhaltungsmaBnahmen in concreto Schwierigkeiten bereiten.64 Die prazise Einordnung der jeweiligen MaBnahmen in die zutreffende Kategorie ist 58 59 60 61

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Siehe dazu schon 3. Kapitel § 10 C. III. 1. a. aa. So zutreffend Bugiel, N o r d O R 98, S. 418. Czybulka, Gewinnung, in: Boedeker/von Nordheim, Umweltvorsorge, S. 44 f. Insbesondere die Erfahrungen mit dem Agrarprivileg lehren , vorsichtig zu sein, wenn es u m Eingriffsprivilegierungen geht, vgl. zutreffend Czybulka, Gewinnung, in: Boedeker/von Nordheim, Umweltvorsorge, S. 52. Die Beteiligung ist als Einvernehmensregelung ausgestaltet. Eine kritische Begleitung des Verordnungsverfahrens ware gleichwohl erforderlich. Bugiel, NordOR 98, S. 418.

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dabei von einiger Bedeutung. Im Gegensatz zu UnterhaltungsmaBnahmen, deren Eingriffsqualitat im Einzelfall zu bestimmen ist, findet das Rechtsregime der Eingriffs- und Ausgleichsregelung auf wesentliche Anderungen zwingend Anwendung. In der Verwaltungspraxis ist zu beobachten, dass die Kiistenschutzverantwortlichen die von ihnen durchgeftihrten MaBnahmen nur iiberaus selten als wesentliche Anderungen, sondern im Regelfall als naturschutzrechtlich genehmigungsfreie UnterhaltungsmaBnahmen betrachten.65 Nach Auffassung von Umweltund Naturschutzverbanden sowie Naturschutzfachbeho'rden milsste demgegentiber ein nicht geringer Teil dieser MaBnahmen als wesentliche Anderungen der Eingriffsregelung unterfallen.66 Der Konflikt wird sich im Rahmen dieser Darstellung nicht abschlieBend losen lassen. Ohne hier ins Detail gehen zu wollen, sollen allerdings einige Differenzierungskriterien aufgestellt werden, die fur eine Abgrenzung herangezogen werden konnen. Das Kriterium der wesentlichen Anderung in § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG kann sich in Anlehnung an das Merkmal der Anderung der Gestalt oder Nutzung einer Grundflache in der allgemeinen Eingriffsdefinition auf unterschiedliche Eigenschaften beziehen. Unter bodenrelevante Anderungen fallen zunachst alle Deichund Diinenverstarkungen, die zu einer Verbreiterung des BauwerksfuBes fuhren, da sich hier sowohl die Gestalt der bisher nicht als Schutzanlage genutzten Grundflache,67 wie auch deren Nutzung verandert68. Von wesentlichen Anderungen ist gleichfalls dann auszugehen, wenn grundflachenrelevante Funktionsanderungen der Anlagen bezweckt werden. Dies ware z.B. der Fall, wenn die hydrodynamische Wirkungsweise von Erosionsschutzbauten Modifizierungen erfahrt. Zu denken ist z.B. an den Ersatz von Pfahlbuhnen zugunsten von Kastenbuhnen.69 Fraglich ist, ob die Erweiterung bisher unzureichend dimensionierter Dilnen oder Deiche auf die fur den Bemessungshochwasserstand notwendigen AusmaBe ohne eigentliche Anderung der Gestalt der betroffenen Grundflachen als wesentliche Funktionsanderung anzusehen ist. Dazu wird vertreten, dass gruppeninterne Anderungen oder Nutzungsintensivierungen keine fur § 18 Abs. 1 BNatSchG relevanten Anderungen darstellen sollen.70 Danach konnten Funktionsanderungen nur schwerlich die Anwendbarkeit der Eingriffsregelung begrunden. Anderungen von Kustenschutzanlagen bewegen sich regelmaBig innerhalb der fur Schutzanlagen festgelegten Nutzungsgruppe des Kiistenschutzes. Die Gegenauffassung stellt weniger auf die Einordnung in bestimmte Nutzungsgruppen ab, sonder primar auf die Erheblichkeit der mit den Anderungen verbundenen Beeintrachtigungen.71 65 66 67 68 69 70 71

Vergleiche die Nachweise bei Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692. Zur Konfliktlage Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 692; Bugiel, NordOR 98, S. 418. Veranderungen des Bodengefiiges, des Bodenvolumens oder des Bodenreliefs (z.B. Bodenanreicherungen), vgl. Haber et al., Beurteilung von Eingriffen, S. 64. Vergleiche zu den Tatbestanden Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 6. Veranderung des Stromungsverhalten des Wassers, Haber et al., Beurteilung von Eingriffen, S.64. Siehe auch Fn. 26. Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 8. Gassner, in: Gassner et al., § 18 Rn. 11.

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Demgemafi sollen grappeninteme Anderungen der Eingriffsregelung dann zuganglich sein, wenn bestimmte Schwellenwerte im Hinblick auf den Grad der Beeintrachtigung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes iiberschritten werden.72 Ausgehend von der prinzipiellen Schutzrichtung der Eingriffsregelung, die maBgeblich auf erhebliche oder nachhaltige Beeintrachtigungen des Naturhaushaltes abstellt,73 ist letztere Ansicht vorzuziehen. Damit kann auf Modifikationen der Schutzfunktion von Kiistenschutzanlagen prinzipiell die Eingriffsregelung angewandt werden. Fiir eine Relevanz der Anderungen spricht dabei der im Vergleich zum vorherigen Schutzanspruch geanderte Schutzauftrag der Anlagen. Wesentliche Anderungen sind in Anlehnung an die allgemeine Eingriffsdefinition iiberdies dann zu bejahen, wenn landschaftsbildverandernde Wirkungen verursacht werden. Derartige Beeintrachtigungen sind zu erwarten, wenn geomorphologische Gegebenheiten, wie Hiigel, Dtinen oder andere pragende Faktoren von Oberflachenstrukturen, nachteilig verandert werden.74 Diinenaufspulungen, welche die spezifische Gestalt sukzessierter Dunenformationen egalisieren, stellen somit eingriffsrelevante Handlungen dar. Gleiches kann fur grundflachenneutrale Erhohungen oder Verstarkungen von Schutzanlagen gelten, sofern dadurch mehr als nur graduelle Wahrnehmungsanderungen75 verbunden sind. Angesichts der Eingriffstatbestande in § 14 Abs. 2 LWaG werden sich in vielen Fallen die bereits erorterten UnterhaltungsmaBnahmen, die mit den beschriebenen Wirkungen auf den Naturhaushalt verbunden sind, bei naherer Betrachtung als wesentliche Anderung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG qualifizieren lassen.

//. Biotop- und Flachenschutz 1. Der gesetzliche Biotopschutz Durch § 30 BNatSchG sollen besonders wertvolle oder hochwertige Biotope vor unmittelbaren und mittelbaren Beeintrachtigungen geschutzt werden.76 Die Norm gilt in den Landern nicht unmittelbar. Als stark prazisierte Rahmenregelung verpflichtet § 30 BNatSchG die Lander jedoch, den Schutz der genannten Biotope in die Landesgesetze zu ubernehmen und gegebenenfalls zu konkretisieren. Landesrechtliche Kodifikationen einschl. der Ausnahmeregelungen wirken konstitutiv. Der gesetzliche Biotopschutz ist kein Sonderfall der Eingriffsregelung, sondern eigenstandige Regelung des Artenschutzes.77 Als solche sind die gesetzlichen Un-

72 73 74 75 76 77

Gassner, in: Gassner et al., § 18 Rn. 11. Vergleiche dazu Haber, et al., Beurteilung von Eingriffen, S. 51 f. Louis, BNatSchG, § 8 Rn. 30. Allgemein dazu O V G Milnster, N u R 99, S. 409 (410). Schmidt-Rantsch, J., in: Gassner et al., BNatSchG, § 30 Rn. 2. BVerwG, Beschluss vom 21.12.1994 - 4 B 2 6 6 . 9 4 - N u R 9 5 , S. 248 (248); ebenso: Kolodziejcok/Recken, BNatSchG, § 20c Rn. 4 (Vorauflage): lex specialis; a.A. Walter, Naturschutz, S. 90 f.

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terschutzstellungen nicht durch Befreiungsmoglichkeiten oder Negativkataloge der Eingriffsregelung modifizierbar.78 § 20 LNatG erweitert das Schutzregime auf nicht von § 30 BNatSchG erfasste Biotope und dehnt es auf verschiedene Geotoptypen aus. Nicht zuletzt deshalb entfaltet der gesetzliche Biotopschutz im Kiistenbereich besondere Bedeutung.79 Ein Blick in § 20 Abs. 1, 2 und in Anlage 1, Pkt. 5 LNatG zeigt, dass die Kiistenbio- und geotope einem recht umfanglichen Schutz unterstellt werden. Das Schutzregime bewirkt, z.B. bei UnterhaltungsmaBnahmen an Diinen, dass sich der Trager der Unterhaltungslast bei Nachfolgeaufsptilungen, Neubepflanzungen und anderen Anderungen der nattirlichen Auspragungen nicht darauf berufen kann, dass die Diinen urspriinglich fur Hochwasserschutzzwecke angelegt wurden.80 Vom gesetzlichen Biotopschutz sind gemaB Anlage 1, Pkt. 5.3 Abs. 3 LNatG M-V auch anthropogen tiberformte Diinen erfasst, sofern die natilrlichen Merkmale iiberwiegen. In diese Richtung geht auch die Erklarung in Anlage 1 Pkt. 5.3 Abs. 3 S. 2 LNatG M-V, wenn vom Biotopschutz als Regelbeispiel lediglich Diinen mit kiinstlich begriindeten einartigen Schutzpflanzungen ausgenommen werden. Im Falle des gleichzeitigen Vorkommens geschiitzter Pflanzen in signifikanter Anzahl waren die Voraussetzungen des gesetzlichen Biotopschutzes ebenfalls erfullt. Die besondere Rolle des Biotopschutzes besteht darin, innerhalb des Spannungsfeldes von hohen Schutz- und Beeintrachtigungsgraden den durch die Eingriffsregelung vermittelten Schutz zu verstarken und nicht der Eingriffsregelung unterfallende Beeintrachtigungen81 einem Genehmigungsvorbehalt zu unterstellen. In der Regel wird davon auszugehen sein, dass bis auf selektive Ausbesserungsarbeiten an Deichen alle Formen des Kiistenschutzes mit Auswirkungen auf die gesetzlich geschiitzten Ktistenbiotope und -geotope verbunden sein werden.82 Insoweit statuiert § 20 Abs. 1,2 LNatG einen umfangreichen Verbotstatbestand fur kiistenschutzbedingte Beeintrachtigungen. Ausnahmen vom gesetzlichen Biotopschutz konnen gemaB § 20 Abs. 3 LNatG nur durch die zustandige Naturschutzbehorde ergehen.83 Die Durchfiihrung beeintrachtigender KustenschutzmaBnahmen ohne naturschutzrechtliche Genehmigung ware folglich rechtswidrig. Der Einzelfallbezug in § 20 Abs. 3 LNatG verdeutlicht den absoluten Ausnahmecharakter der Genehmigung. Bei zugelassenen Ausnahmen finden die Vorschriften iiber die Ausgleichs- und ErsatzmaBnahmen aus § 15 Abs. 4 bis Abs. 6 LNatG zwingend Anwendung. Die erforderlichen KompensationsmaBnahmen sind - ab78 79 80 81 82 83

Schmidt-Rantsch, J., in: Gassner et al., BNatSchG, § 30 Rn. 17. Siehe dazu die ausfuhrliche Darstellung im 1. Kapitel § 3 C. Vergleiche allgemein dazu schon 1. Kapitel § 3 C. II. 2. a.E. und dort den Nachweis in Fn. 177. Z u m Beispiel fur Mafinahmen, die bestimmte Schwellenwerte nicht erreichen. Verwiesen sei auf die umfangliche Untersuchung im 1. Kapitel § 4 B . Die Ausnahmeregelung des § 20 Abs. 3 LNatG stellt in Bezug auf die iiberwiegenden Griinde des Gemeinwohls gegentiber des allgemeinen Befreiungstatbestandes aus § 66 Abs. 2 LNatG eine Spezialregehmg dar, die einen Rtickgriff aus § 66 Abs. 2 LNatG ausschlieBt. Bugiel, NordOR 99, S. 6.

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weichend von § 16 Abs. 2 LNatG - nicht von der fachlich zustandigen Genehmigungsbehorde, sondern von der fur die Ausnahmeentscheidung zustandigen Naturschutzbehorde festzulegen.84 Obgleich fur KiistenschutzmaBnahmen i.d.R. iiberwiegende Grande des Gemeinwohls streiten sollen,85 ist aufgrand des absoluten Ausnahmecharakters der Vorschrift eine pauschale Anwendbarkeit auf alle KiistenschutzmaBnahmen nicht gerechtfertigt. Es besteht vielmehr stets die Notwendigkeit einer einzelfallbezogenen Pruning. Erinnert sei in Anbetracht restriktiv auszulegender Ausnahmetatbestande daran, dass sich rein wirtschaftlich motivierte Kustenschutzmafinahmen auch gegenilber dem gesetzlichen Biotopschutz nicht oder nur unter hoheren Voraussetzungen durchsetzen konnen. Im Ergebnis bewirkt der gesetzliche Biotopschutz eine wichtige verfahrensrechtliche Beteiligung der Naturschutzbehorden und fuhrt zur naturschutzfachlichen Begutachtung der beabsichtigten Vorhaben. Dabei sollten die Naturschutzbehorden fruhzeitig in die wasserwirtschaftlichen Planungs- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden, um die Vorhaben schon im Vorfeld beeintrachtigungsminimierend beeinflussen zu konnen.

2. Kiistenschutz in Schutzgebieten Die Zulassigkeit von KustenschutzmaBnahmen richtet sich in Schutzgebieten zusatzlich zur Eingriffsregelung und zum gesetzlichen Biotopschutz nach den in den Schutzverordnungen festgelegten Ge- und Verboten.86 Insoweit wird die Eingriffsregelung im Sinne eines intensiveren Schutzregimes modifiziert.87 Die Rechtsfolgen, die sich im Rahmen der Eingriffsregelung primar in der Kompensation der Beeintrachtigungen erschopfen, stellen sich hier als absolute Ausschlusstatbestande dar. Verglichen mit dem Biotopschutz findet eine raumliche Ausweitung der unzulassigen Handlungen auf das gesamte Schutzgebiet start, wobei der Konzeption nach Ausnahmen und insbesondere Befreiungen nur unter strengeren Voraussetzungen moglich sind. In den Schutzverordnungen der Kustennationalparke und des Biospharenreservates Siidost-Rilgen sind von den Verboten nur unaufschiebbare Mafinahmen zum Schutz der Bevolkerung, zur Abwehr von Gefahren fur Leib und Leben von Menschen sowie fur erhebliche Sachwerte ausgenommen.88 Die Beschrankung auf solche uberragenden Gemeinwohlbelange wird auch bei Ausiibung des Ermessens im Rahmen von Befreiungen eine Rolle spielen. Abweichend von den Genehmigungserfordernissen der Eingriffsregelung in § 15 Abs. 2,6 Abs. 2 LNatG bediirfen auch UnterhaltungsmaBnahmen an Ktistenschutzanlagen, die keine Eingriffe nach § 14 Abs. 1, 2 LNatG darstellen, des Einvernehmens der Nationalparkverwaltungen. 84 85 86 87 88

Bugiel, NordOR 99, S. 65. So jedenfalls Schmidt-Rantsch, J., in: Gassner et al., BNatSchG, § 30 Rn. 20. VGH Mannheim, Urteil vom 21.04.1994 - 5 S 2107/93 - UPR 94, S. 360 (nur LS). OVG Luneburg, Urteil vom 14.05.1982 - 14 A 198/80 - NuR 82, S. 112 (112 f.), fur den Artenschutz. Vergleiche schon 3. Kapitel § 10 A. IV. 3.

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C. Fazit Zusammenfassend lasst sich feststellen, dass die wasserrechtlichen Genehmigungserfordernisse in Bezug auf Errichtimg, Beseitigung und wesentliche Anderung von Deichen als planfeststellungs- und UVP-pflichtige MaBnahmen sehr weitgehende verfahrensrechtliche Absicherungen erfahren haben, innerhalb derer die Belange von Natur- und Landschaft angemessen und europarechtskonform zu Geltung kommen sollten. Nicht tiberzeugen kann demgegeniiber die vollstandige Freistellung der o.g. MaBnahmen an Kustenschutzdiinen nach § 84 Abs. 1 LWaG. Die schon im Lichte der ursprtinglichen UVP-RL bedenkliche mangelnde UVPPflichtigkeit der Errichtung und wesentlichen Anderung von Dtinen lasst sich nach Inkrafttreten der UVP-AndRL nicht mehr aufrecht erhalten. Hier ist der Landesgesetzgeber dringend aufgefordert, die Vorgaben aus Anhang II Nr. 10 lit. k) UVPAndRL umzusetzen. AuBerdem ist bei Deichen und Dilnen die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Anderungen zu prazisieren, da bereits Verstarkungen bzw. Verbreiterungen der bestehenden Schutzbauwerke einer UVP-Pflicht unterfallen konnen.89 Die Forderung nach Ausweitung der UVP-Anwendungsvoraussetzungen andert gleichwohl nichts an der prinzipiellen Schwache des Instruments: Die bloBe Beriicksichtigungsfahigkeit der UVP-Resultate bei der Formulierung der okologischen Belange ist kaum geeignet, den aus der UVP ableitbaren Qkologischen Erfordernissen gerecht zu werden. Bei vielen gebundenen Entscheidungen90 scheidet eine Untersagung des Projektes mangels Versagungsermessens selbst dann aus, wenn die Umweltunvertraglichkeit durch die UVP festgestellt wurde.91 Zur Starkung ist der Gesetzgeber daher aufgerufen, durch Kodifizierung von Versagungsgrunden oder die Qualifizierung negativer UVP-Ergebnisse92 als entgegenstehende Belange im Rahmen der Zulassungstatbestande die UVP mit fassbaren Rechtsfolgen auszustatten.93 Naturschutzrechtlich kommen bei gesetzeskonformer Rechtsanwendung unterschiedliche Genehmigungserfordernisse in Betracht, die sich teilweise iiberschneiden. Zunachst sind von der Eingriffsregelung nach § 14 Abs. 2 Nr. 4 LNatG die Errichtung und wesentliche Anderung von Kiistenschutzanlagen erfasst. Aufgrund des nicht abschlieBenden Charakters der Norm ist die Eingriffsregelung auf alle UnterhaltungsmaBnahmen anzuwenden, die andere Tatbestande des Positivkatalogs oder die allgemeine Eingriffsdefmition aus § 14 Abs. 1 LNatG erfullen. Die Bedeutung der Eingriffsregelung fur KustenschutzmaBnahmen besteht weniger in der Verhinderung bestimmter Anlagen, sondern hauptsachlich in der naturschutzfachlichen Bewertung der mit den MaBnahmen einhergehenden Auswirkungen auf Natur und Landschaft sowie in der Pflicht zum Ergreifen von Aus89 90 91 92 93

Fur Deiche: EuGH, Urteil vom 24.10.1996 -C 72/95 - N u R 97, S. 536 (537 f.). Zum Beispiel § 6 Abs. 1 BImSchG, § 72 Abs. 1 S. 1 LBauO M-V. Bugiel, in: Kersandt, N u R 0 1 , S. 631. Ab einem bestimmten Gewicht der festgestellten Umweltunvertraglichkeit. Bugiel, in: Kersandt, NuR 01, S. 631.

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gleichs- und Ersatzmafinahmen. Die Untersuchung der von den Anlagen ausgehenden naturraumlichen Effekte ist, bedingt durch die Langfristigkeit der Prozesse und der mit den Einbauten des Erosionsschutzes verbundenen Fernwirkungen, dringend geboten. Zugleich ist kein Raum dafur, die in den sensibelsten Bereichen des Kilstenraumes angesiedelten KiistenschutzmaBnahmen vom Rechtsregime der Ausgleichsregelung auszunehmen. Die Anwendbarkeit des gesetzlichen Biotopschutzes eroffhet demgegenuber prinzipielle Versagensgriinde. Wenngleich diese durch die Gemeinwohlklausel aus § 20 Abs. 3 LNatG in der Regel iiberwindbar sein werden, begrilndet der gesetzliche Biotopschutz eine Wertung, mit denen sich die Kiistenschutzplanungen auseinanderzusetzen haben. Ahnliches gilt fur KiistenschutzmaBnahmen in Schutzgebieten, wobei zumindest in Naturschutzgebieten und den Grofischutzgebieten nach § 21 Abs. 1 LNatG schutzzweckbeeintrachtigende KilstenschutzmaBnahmen nur unter erhohten Voraussetzungen zulassig sein diirften. Insgesamt gewahrleistet die geltende Rechtslage fur die Mehrzahl kiistenschutzbezogener MaBnahmen die Berilcksichtigung der Belange von Natur und Landschaft. Legislative Defizite bestehen im Rahmen der Umsetzung der UVPRL und der HELCOM-Empfehlung 16/3. 94 Hier steht zu befurchten, dass sich die mangelnde Verwirklichung der (regional-)volkerrechtlichen Vorgaben mittelfristig auch kontraproduktiv fur die Entwicklung eines IKZM auswirken wird. Die mangelnde Beriicksichtigung naturschutzfachlicher Belange bei einem GroBteil von KiistenschutzmaBnahmen verhindert die Etablierung nachhaltiger Konzepte schon im Ansatz. 95 Letzteres gilt auch fur die gegenwartige Verwaltungspraxis, die eenfalls ein wesentliches Deflzit bei Etablierung des IKZM. Dariiber hinaus widerspricht das ilblicherweise Unterlassen jeglicher naturschutzrechtlicher Priifungs- und Genehmigungsverfahren schon der geltenden Rechtslage und muss als rechtswidrig qualifiziert werden. Vordringlich und fur ein IKZM unabdingbar sind daher neben Novellierungen der normativen Grundlagen und einer Verbesserung der organisatorischen Einbindung der Naturschutzbehorden vor allem kurzfristige Anderungen im Gesetzesvollzug.

Die HELCOM-Empfehlung 16/3 (BAnz. von 17. 09.96, Nr. 175a, S. 7) bestimmt u.a., dass fur Ktistenschutzanlagen nur natiirliche Baustoffe verwendet werden sollen. Entsprechende Vorgaben vermisst man im geltenden Wasser- und Naturschutzrecht Mecklenburg-Vorpommerns. Dies durfte ein Grund dafur sein, dass, entgegen der HELCOM-Empfehlung 16/3, bei der Wiederherstellung von Buhnenanlagen zwischen Althagen und Ahrenshoop Betonquader eingesetzt wurden, die nach dem Wortlaut der Empfehlung ausdriicklich vermieden werden sollten. Zu berticksichtigen ist, dass sich das Land mit § 2 Abs. 2 Nr. 14 LNatG eine Selbstverpflichtung und mit § 3a LNatG eine Steigerung derselben dahingehend auferlegt hat, die internationalen Bemuhungen zum Schutz der Ostsee zu untersrutzen. Vgl. dazu schon 5. Kapitel § 14 A. II. 2. Czybulka, IKZM, ZfgW 00, S. 693.

7. Kapitel Zusammenfassung

Die Betrachtung der naturraumlichen Verhaltnisse der sudwestlichen Ostseekiiste zeigt, dass eine wirkungsvolle und dauerhafte Steuerung der kiistendynamischen Prozesse mangels Ursachenbeeinflussung nicht moglich ist. Die vorgezeichnete Kustengenese mit Abrasion, Uberflutung und Landverlust, ist durch KustenschutzmaBnahmen nicht zu verhindern.1 Zudem zeichnet sich der Kilstenbereich als aufierst wertvolles und zugleich besonders fragiles Okosystem aus.2 Die unzureichende Effektivitat und Effizienz der herkommlichen Kiistenschutzkonzepte mit ihren erheblichen Beeintrachtigungen der okologischen Komponenten3 erfordern daher die Etablierung vorsorgender Strategien, welche die geomorphologischen Rahmenbedingungen und die okologischen Belastungsgrenzen anerkennen. Dazu wurde das Modell des vorsorgenden Kustenschutzes entwickelt,4 welches zukiinftig im Kontext eines IKZM eine nachhaltige Kiistenentwicklung gewahrleisten soil.5 Die in der Untersuchung der rechtlichen Vorgaben, welche als Anknupfungspunkte fiir die geforderten Strategien herangezogen werden konnten, gewonnenen Erkenntnisse offenbaren ein differenziertes Bild. Klar wurde, dass der Raumordnung bei der Etablierung vorsorgender Strategien eine besondere Bedeutung zufallt. Sie ist als zukunftsbezogene, raumnutzungssteuernde Planung verantwortlich fur die an den Kiistenschutz herangetragenen Schutz- und Nutzungsanspriiche. Die gebiihrende Wiirdigung der naturraumlichen Verhaltnisse des Kustenraumes und die konsequente Durchsetzung der insoweit integrierten Erfordernisse gegenilber alien Nutzern wird als wesentliche Voraussetzung fur die Realisierung okologischer Kustenschutzstrategien und einer im Ganzen als nachhaltig zu bezeichnenden Kiistenentwicklung angesehen. Die Klage uber die haufige Schwache der Raumordnung aufgreifend, wurde gezeigt, dass die Raumordnung uber ein abgestuftes System von Instrumenten und Gebietskategorien verfugt, das eine effektive Steuerung der Raumnutzungen gewahrleisten kann.6 Wahrend die gesetzlichen Vorgaben durch die Bezugnahme auf die nachhaltige Raumentwicklung in 1 2 3 4 5 6

1. Kapitel §4 C.III. 1. Kapitel § 3 C. 1. Kapitel § 4 B. Siehe dazu insb. 1. Kapitel § 5 B. l.Kapitel§5. 2. Kapitel § 7 B. III.

7. Kapitel Zusammenfassung

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§ 1 ROG und die Handlungsanweisung aus § 2 Abs. 2 Nr. 8 ROG relativ weit fortgeschritten sind,7 offenbaren fachgesetzliche Ausgestaltungen8 und insgesamt der Vollzug jedoch erhebliche Defizite.9 Auf legislativer Ebene gehoren verfahrensrechtliche10 und fachplanerische Privilegierungen auf den Priifstand. Das Vollzugsdefizit betrifft sowohl die konkrete Umsetzung in den Formulierungen der Plane und Programme als auch die generelle Durchsetzungsintensitat der Vorgaben gegeniiber den Raumnutzern." In Zukunft sind entscheidende Impulse fur eine starkere Durchsetzungsfahigkeit okologisch orientierter Entwicklungen und damit auch vorsorgeorientierter Kiistenschutzstrategien folglich in der Ausweitung der raumordnerischen Bindungswirkungen und in der strikteren Anwendung der gesetzlichen und planerischen Vorgaben zu suchen. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegeniiber einer starkeren Einbindung jedenfalls nicht.12 Die Rolle der Landschaftsplanung fur eine Okologisierung des Kiistenschutzes muss aufgrund ihrer geringen rechtlichen Bindungswirkungen weniger im juristischen, als vielmehr im tatsachlichen und wissenschaftlichen Bereich angesiedelt werden. Obwohl die moglichst umfangreiche und unterverfalschte Implementierung der landschaftsplanerischen Inhalte in die Raumordnungsplanung von besonderer Wichtigkeit ist, darf nicht iibersehen werden, dass nur eine unabhangige, von fremden Interessen unbeeinflusste Landschaftsplanung in der Lage ist, die daflir notwendigen (wissenschaftlichen) Grundlagen zu schaffen.13 Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist die Notwendigkeit, dass sich die Gutachtliche Landschaftsplanung frei von den Erfordernissen der Raumordnung konstituieren kann.14 Im Rahmen des Gebietsschutzes sollen zumindest in den europarechtlich zu schiitzenden Bereichen der Konzeption nach die Interessen des Naturschutzes denen der Soziookonomie grundsatzlich vorgehen. Belange des Kiistenschutzes konnen bei der GebietsauswahlAmeldung nicht berticksichtigt werden.15 Dessen Erfordernisse vermogen Beeintrachtigungen prioritarer Gebiete nur dann zu rechtfertigen, wenn die menschliche Gesundheit nicht durch andere, weniger beeintrachtigende Alternativen gesichert werden kann. Die Alternativenpriifung ist insoweit im Lichte der Ausnahmetatbestande zu betrachten.16 Die Bewahrung okologisch wertvoller Raume durch den naturschutzrechtlichen Gebietschutz liefle sich ohne ein striktes Regime ordnungsrechtlicher Instrumente kaum gewahrleisten. Als Teil eines gesellschaftlich akzeptierten Gesamtkonzeptes bedarf es auch

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16

2. Kapitel § 6 B. II. 2. c. 2. Kapitel § 7 C. V. 3. 2. Kapitel § 7 A. I. Dazu insb. 2. Kapitel § 7 C. IV. 1. b. 2. Kapitel § 7 C. III. 4., 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. Siehe etwa 2. Kapitel § 7 C. II., 2. Kapitel § 7 C. III. 3. , 2. Kapitel § 7 C. IV. 2. b. bb. Vergleiche etwa 3. Kapitel § 9 B. IV. 1. 3. Kapitel § 9 B. IV. 3. Kapitel § IOC. II. 1. a. 3. Kapitel § 10 C. III. 3.

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7. Kapitel Zusammenfassung

effektiver Verhaltenssteuerungen, um die naturschutzgerechte Entwicklung des Kiistenraumes in alien Komponenten zu befordern. Der Untersuchung im Rahmen der wasserwirtschaftlichen Planung konnte entnommen werden, dass die neuen Planungsinstrumente vor allem wegen ihrer okologischen Ausrichtung geeignet erscheinen, vorsorgende Kustenschutzstrategien zu transportieren. Bewirtschaftungsplane nach § 36b WHG konnen u.a. Qualitatsziele sowie Wirkungszusammenhange zwischen Kiistenschutzmafinahmen und hydrologischen Gewasserparametern darstellen.17 Mafinahmeplane eignen sich fur konkrete Handlungsanweisungen an die Behorden der Wasserwirtschaft und andere offentliche Stellen, deren Planungen und Entscheidungen fur den Kilstenschutz von Belang sein konnen.18 Die kiistenschutzbezogene Generalplanung zeigt sich in beiden Kustenlandern ausschlieBlich herkommlichen Schutzstrategien verhaftet und beinhaltet in der gegenwartigen Form keine Ansatze zur naturvertraglicheren Gestaltung von Kilstenschutzanlagen.19 Generalplane sind lediglich als technische Gutachten zu begreifen, die in ihrer isolierten Ausrichtung keine Rechtsqualitat beanspruchen. Als solche ist ihnen ist jegliche prajudizielle Wirkung abzusprechen.20 Die Generalplane eignen sich mithin weder sachlich noch rechtlich als Ausfuhrungsplanungen. Diese Unverbindlichkeit der Plane ist zukiinftig auch von der Verwaltung zu akzeptieren. Ungeachtet dessen besteht die Gefahr, dass die in einigen Planen erkennbaren Bestrebungen, die tradierten Konzepte als integrativ und nachhaltig zu bezeichnen, zu einer Verwasserung des Nachhaltigkeitsbegriffs fuhren und die Etablierung vorsorgender Strategien konterkarieren konnen.21 Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Kiistenschutzes nach Art. 91a GG kann durch die Ausrichtung auf die Verbesserung okologisch sinnvolle Deichverkurzungen und Ausdeichungen begunstigen. Sie ist daher tendenziell geeignet, Aspekte vorbeugender Strategien zu unterstiitzen. Eine Anreicherung der Fordergrandsatze um okologische Inhalte ware dennoch wiinschenswert.22 Die Rechtslage im Hinblick auf die Ausweisung von Uberschwemmungsgebieten an den Kustengewassern ist als defizitar zu beurteilen. Gegenwartig bestehen keine Moglichkeiten, das wichtigste Instrument vorsorgender Hochwasserschutzstrategien im deutschen Wasserrecht an der Kiiste anzuwenden. Hier ist auf eine kurzfristige Schaffung von entsprechenden Ermachtigungsgrundlagen zu drangen.23 Das Instrument der Kiistenschutzstreifen sollte in MecklenburgVorpommern gesetzlich gestarkt und in Schleswig-Holstein kodifiziert werden.24 Die staatlichen Pflichten zum Schutz besiedelter Bereiche lassen sich als drittschiitzende Normen qualifizieren, die zwar keine Anspriiche auf konkrete MaB17 18 19 20 21 22 23 24

4. Kapitel § 11 B. III. 2. 4. Kapitel § 11 B. III. 1. 4. Kapitel § 11 C.I. 2 4. Kapitel § 11 C.I. 1 Siehe dazu 1. Kapitel § 5 A. II. 4. Kapitel § 11 C. II. 4. Kapitel § 12 A. 4. Kapitel § 12 B.

7. Kapitel Zusammenfassung

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nahmen verbriefen, gleichwohl aber Entschadigungsanspriiche auf Sekundarebene auslosen konnen. Die Schutzpflichten stehen unter dem Vorbehalt des VerhaltnismaBigen und begriinden daher keine absoluten Schutzansprilche. Die staatlichen Schutzpflichten werden vielmehr durch Zumutbarkeitserwagungen begrenzt, die Entschadigungsanspriiche nur in besonders gelagerten Fallen entstehen lassen.25 Eigentumsrechtlich diirften sich konkrete Flachenausdeichungen i.d.R. als situationsgebundene Grundstilcksbelastungen darstellen. Die Gefahr von Uberflutung wohnt Deichgrundstiicken immanent inne und bildet eine Form faktischer Situationsgebundenheit, die Entschadigungsanspriichen der Eigentumer grundsatzlich entgegensteht.26 Die intensive landwirtschaftliche Produktion auf Polderflachen widerspricht zudem den okologischen und wasserwirtschaftlichen Anforderungen an eine ordnungsgemaBe Grundstiicksnutzung sowie alien NachhaltigkeitsmaBstaben. Sie kann auch deshalb von der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nicht auf Dauer geschutzt sein und daher grundsatzlich normativ entschadigungslos untersagt werden.27 Ersatzleistungspflichten kommen nur in Hartefa'llen und im Zusammenspiel von faktischen und normativen Nutzungsausschliissen unter der Voraussetzung eines vollstandigen Ausschlusses jeglicher Nutzungsoptionen in Betracht.28 Innerhalb des allgemeinen Einzelentscheidungsmanagements wurde als Defizit primar der weitreichende Ausnahmekatalog des § 89 Abs. 1 LWaG M-V identifiziert, wodurch vorsorgende Kustenschutzstrategien in mehrfacher Hinsicht behindert werden.29 Im Rahmen des kiistenschutzbezogenen Eingriffsmanagements fallt zunachst die mangelnde landesrechtliche Umsetzung der UVP-AndRL sowie die schon nach bisheriger nationaler Rechtslage wenig iiberzeugende UVP-Freiheit von Kiistenschutzdilnen auf.30 Mit Blick auf das Naturschutzrecht bleiben weniger legislative als vor allem exekutive Defizite zu konstatieren. Hier ist die Verwaltung aufgefordert, die Eingriffsregelung auf alle KustenschutzmaBnahmen anzuwenden, die dem Katalog in § 14 Abs. 2 LNatG M-V oder der Generalklausel in § 14 Abs. 1 LNatG M-V nach als Eingriffe zu qualifizieren sind. In diesem Zusammenhang ist kein Raum fur die Annahme von Eingriffsfreizeichnungen.31

25 26 27 28 29 30 31

5. Kapitel § 13 B. 5. Kapitel § 14 C. 5. Kapitel § 14 C. I. 4. Siehe dazu vor allem 5. Kapitel § 14 C. III. 6. Kapitel § 15 C. 6. Kapitel § 16 A. 6. Kapitel § 16 B.

Begriffserklarungen

Abrasion: abtragende Tatigkeit der Brandling an der Kuste Akkumulation: Anreicherung, Anhaufung von Sedimenten autotroph: sich selbst aus anorganischen Nahrstoffen ernahrend (Pflanzen) Beaufort: MaBeinheit fur Windstarken anhand der Windgeschwindigkeit Benthal: Lebensraum des Gewasserbodens Benthos: Pflanzen und Tiere in und am Gewasserboden Biozonose: Lebensgemeinschaft endemisch: einheimisch, nur in begrenztem Gebiet vorkommend Endofauna: im Boden lebende Tierwelt Epifauna: an der Bodenoberflache lebende Tiere Erosion: Abtragung von Gestein und Boden, z. B. durch flieBendes, turbulentes Wasser euhalin: ,,echt" an das Salzwasser des Meeres angepasst Eulitoral: Kiistenlebensraum direkt im Ubergangsbereich von Meer und Land (Litoral) Eustasie: durch klimabedingte Veranderungen bedingte Schwankungen des Meeresspiegels Eutrophierung: Prozess der reichlichen Nahrstoffversorgung eines Lebensraumes, haufig im Sinne von Hypertrophierung verwendet Extensivierung: Nutzungsanderung mit weniger Mitteleinsatz auf groBer Flache (in der Landwirtschaft i. d. R. naturvertraglicher als Intensivbewirtschaftung) gesetzliches/formlichesUberschwemmungsgebiet: i.S.v. § 32 Abs. 1 S. 2 WHG als Uberschwemmungsgebiet festgesetztes Gebiet

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Begriffserklarungen

halin: salzig, durch Salz bedingt Halokline: eng begrenzte Ubergangsschicht (Sprungschicht) zwischen zwei ubereinanderliegenden Wassermassen durch Unterschiede im Salzgehalt Halophyten: wortl. Salzpflanzen, d. h. Pflanzen, die an den Einfluss von Salz angepasst sind heterotroph: sich von organischer Substanz ernahrend (Tiere) hochwassergefahrdetes Gebiet: Gebiet, das bei Hochwasser naturlich oder durch Versagen von SchutzmaBnahmen tiberflutet werden kann Holozan: jiingster Abschnitt der Erdgeschichte, der mit dem Ende der letzten Eiszeit, begann (vor ca. 10.000 Jahren) Hypertrophierung: iibermafiige Versorgung eines Lebensraumes mit NShrstoffen (z. B. Dilngung) und daraus resultierende Belastungen z. B. Sauerstoffmangel) In situ: an Ort und Stelle Isostasie: durch Masseanderungen bedingte vertikale Bewegungen der Erdkruste durch unterschiedlich tiefes Eintauchen in den Erdmantel Klimax: Hohepunkt, Endstadium der Entwicklung von Biozonose unter den natiirlichen Standortbedingungen Lee: die dem Wind oder der Stromung abgewandte Seite Litorina: Kustenland, Kilstengenese Luv: die dem Wind oder der Stromung zugewandte Seite Makrophyten: groBe Pflanzen, z. B. Tang, Seegras, Laichkraut Melioration: Verbesserung der Ertragsfahigkeit landwirtschaftlich genutzter Boden durch Steuerung des Wasserhaushaltes (hier vorrangig als Entwasserung durch Drainage und Pumpwerke verstanden) natilrliches Uberschwemmungsgebiet: bei Hochwasser iiberflutetes, i.d.R. unbebautes Gebiet Nekton: zur Eigenbewegung fahige Lebewesen des Wassers (schwimmfahig) passim: mehrfach Pelagial: Lebensraum des freien Wassers in Abgrenzung zum Benthal

Begriffserklarungen

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Pleistozan: Eiszeitalter, altere Abteilung des Quarters Polderflachen: bis zu einer statistischen Wahrscheinlichkeit hochwasserfrei eingedeichte Flachen, die ohne Schutzanlagen periodisch iiberflutet wiirden und i. d. R. landwirtschaftlicher Nutzung unterliegen Potentielles Uberschwemmungsgebiet: Uberschwemmungsgebiet und damit im Zusammenhang stehende Flachen, die fur die Schaffung von Retentionsraumen geeignet sind Pradator: Beutegreifer, Raubtier Retention: temporarer Zuriickhaltung, an der Kilste auch Uberstauung Retentionsraum: zur temporaren Riickhaltung von Wasser dienender Raum (kunstlich oder naturlich), an der Ktiste auch als Stauraume Sakularanstieg: Trend des mittleren Wasserstandes iiber einen Zeitraum von 100 Jahren Salinitat: Salzgehalt Schorre: tieferer Unterwasserbereich des Vorstrandes Sublitoral: dauernd mit Wasser bedeckter Lebensraum flacher Gewasser submers: untergetaucht Sukzession: Abfolge; Entwicklung einer Lebensgemeinschaft Uberschwemmungsbereich: durch die Darstellung in Raumordnungsplanen alsVorrang-oder Vorbehaltsgebiet gesicherter BereicheinschlieBlich der planerisch einbezogenen Bereiche zurGewinnung von Hochwasserabflussgebieten und Retentionsraumen Uberschwemmungsgebiet (allgemein): a) derjenige Teil der Erdoberflache, der bei Hochwasser von dem ilber die Ufer tretenden Wasser eingenommen wird (vgl. DIN 4047,Teil 5) b) Gebiet zwischen oberirdischen Gewassern (hier: haufig Kiistengewassern) und Deichen oder Hochufern sowie sonstige Gebiete, die bei Hochwasser iiberschwemmt oder durchflossen oder fur die Hochwasserentlastung oder Rtickhaltung beansprucht werden (i.S.v. oder entsprechend § 32 Abs. 1 S. 1 WHG))

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