Integriertes Zufriedenheitsmanagement in Franchisingnetzwerken: Theoretische Fundierung und empirische Analyse (Unternehmenskooperation und Netzwerkmanagement) (German Edition) 3824483262, 9783824483266

Kundenzufriedenheit gilt als wesentliche Voraussetzung für den Erfolg und Verbleib von Franchisingnetzwerken im Markt. A

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German Pages 277 [221] Year 2005

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Integriertes Zufriedenheitsmanagement in Franchisingnetzwerken: Theoretische Fundierung und empirische Analyse (Unternehmenskooperation und Netzwerkmanagement) (German Edition)
 3824483262, 9783824483266

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Martin Ahlert, GUnther Blaich, Jan Spelsiek Vernetztes Wissen

GABLER EDITION WlSSENSCHAFT

Unternehmenskooperation und Netzwerkmanagement

Distribution&Handel

Herausgeber: Prof. Dr. Dieter Ahlert Universit~t M~inster Inhaber des Lehrstuhls ~r Betriebswirtschaftslehre, insb. Distribution und Handel, Gesch~ftsffihrender Direktor des Internationalen Centrums f~ir Franchising & Cooperation Prof. Dr. Utho Creusen Gesch~iftsffihrer Media-Saturn-Holding GmbH, Ingolstadt Honorarprofessor an der Universit~t M~inster Prof. Dr. Thomas Ehrmann Universit~t M~inster Direktor des Instituts f~ir Unternehmensgr~indung und -entwicklung und des Internationalen Centrums f~ir Franchising & Cooperation Prof. Dr. G~inter Olesch Direktor des Internationalen Centrums f~ir Franchising & Cooperation, Honorarprofessor an der Universit~t zu KSIn

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet [iber abrufbar.

1. Auflage November 2006 Alle Rechte vorbehalten 9 Deutscher Universit~its-Verlag I GWV Fachverlage GmbH,Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Sabine SchSIler Der Deutsche Universit~its-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de ~

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Das Werk einschliel~lich aller seiner Teile ist urheberrechtlich gesch~Jtzt. JedeVerwertung aul~erhalbder engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verla.~s unzul~issig und strafbar. Das gilt insbesondere f~ir Vervielf~iltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen,Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w~iren und daher von jedermann benutzt werden d[irften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf s~iurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN- 10 3-8350-0615-0 ISBN-13 978-3-8350-0615-7

Geleitwort der Herausgeber Kooperafive Unternehmensnetzwerke verk5rpern die weltweit am st~rksten wachsende Organisationsform f0r unternehmerische Aktivit~ten sowohl im Business-toConsumer-Bereich als auch im. Business to Business-Bereich. Die bekanntesten Beispiele sind Franchisesysteme, Gewerbliche Verbundgruppen und Vertragliche Selektivvertriebssysteme zwischen Industrie und Handel, hierbei insbesondere die Vertragsh~indler-, Shop-in-Shop-, Lizenz-und Depotsysteme. Neuerdings gewinnen auch Systemdienstleistungs- und Servicenetzwerke auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage (z. B. als Aktiengesellschaft konfiguriert), ferner Efficient Consumer Response (ECR)-Wertsch5pfungspartnerschaften und die so genannten virtuelle Netze zunehmend an Bedeutung. Unter den differenten Unternehmenskooperationen erweisen sich offenbar diejenigen als besonders erfolgreich, die 0ber ein professionelles Netzwerkmanagement verf0gen. Sie kennzeichnen sich durch eine spezifische Form der Koordination verteilter Aktivit~iten bei der Erstellung und Vermarktung des Leistungsangebots f0r die Nachfrager aus. Ihr Erfolgspotenzial besteht darin, dass sie marktliche und hierarchische Steuerungskomponenten sinnvoll kombinieren: Untemehmensnetzwerke mit Systemkopf verbinden das Prinzip der Kooperation zwischen eigenst~indig handelnden Akteuren mit den Vorteilen einer systematischen Steuerung durch eine Systemzentrale. Ein erstes Anwendungsfeld f0r Unternehmensnetzwerke sind r~umlich verteilte Aktivit~ten: Die geografisch verstreut angesiedelten Nachfrager, seien es Konsumenten, gewerbliche Abnehmer oder seien es institutionelle Haushalte, erwarten eine individuelle Betreuung durch r~iumlich nahe, station~re Leistungsanbieter. F0r das kundennahe, flexible Agieren ,,vor Ort" sind hoch motivierte Unternehmer mit hoher Eigenst~ndigkeit pr~destiniert, die jedoch durch effizient gesteuerte Hintergrundsysteme entlastet werden. Ein zweites Anwendungsfeld sind sachlich verteilte Aktivit~ten arbeitsteilig operierender Unternehmungen, die gemeinsam eine komplexe, z. B. aus differenten Waren, Service-, Handwerks- und/oder Dienstleistungen zusammengesetzte ProblemlSsung f0r den Verbraucher anbieten. Im Idealfall ist die Arbeitsteilung derart konfiguriert, dass jeder Netzakteur diejenigen Aufgaben 0bernimmt, die er vergleichsweise am besten beherrscht. Ein weiteres Anwendungsfeld sind parallele, miteinander konkurrierende Akfivit~ten, die durch Kartellierung in monopol~hnliche Leistungsangebote 0berf0hrt werden sollen. Horizontale Unternehmensnetzwerke dieses Typs gehSren allerdings nicht zu den hier weiter betrachteten Unternehmenskooperationen.

VI

Geleitwort

Die in der vorliegenden Reihe publizierten Forschungsarbeiten entstehen 0berwiegend aus einer engen Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis. Sie sollen theoretisch vorgebildeten Praktikern in Bezug auf den oben angesprochenen Restrukturierungsprozess Hilfestellung leisten, indem mit einzelnen Beitr~igen die Grundz~ige einer praxisorientierten Theorie des Netzwerkmanagements erarbeitet werden. Hierbei werden im Wesentlichen vier Forschungslinien verfolgt:

(1)

Institutionelle Aspekte von Unternehmensnetzwerken Arbeiten innerhalb dieses Forschungsfeldes besch~iftigen sich mit Fragen der typologischen Erfassung und Explikation der Funktionsweise von Netzwerken. Realtypen von Netzwerkarrangements sollen identifiziert und deren Entstehung und Entwicklung erkl~irt werden. Dabei wird auch die Konversion von Netzwerken - v o n einer eher dezentralen hin zu einer eher zentralen Steuerung - als Antwort auf ver~inderte Marktbedingungen eingehenden Analysen unterzogen. Vorgelagert sind Netzwerke kontextabh~ingig zu definieren sowie Netzwerkph~inotypen zu charakterisieren.

(2)

Benchmarking von Unternehmensnetzwerken Die Arbeiten im Bereich des Benchmarkings sind 0berwiegend empirisch und international ausgerichtet. In Form von Studien, die zugleich die Erfolgsfaktorenforschung integrieren, wird - neben der Identifikation vorbildlicher Netzwerk(Teil)Konzeptionen und deren Erfolgsursachen - herausgearbeitet, ob im L~indervergleich unterschiedliche Evolutionsstadien von Netzwerkarrangements auszumachen und zu erkl~iren sind. Mit Blick auf die 0bertragbarkeit sowie Verbreitung exzellenter Netzwerkpraktiken sollen potenzielle Anwendungsbarrieren identifiziert werden, die eine Expansion beeintr~chtigen kSnnten.

(3)

Managementkonzeptionen zur FLihrung yon Unternehmensnetzwerken Arbeiten dieses Bereiches sollen zur Gestaltung geeigneter Managementkonzeptionen fer die differenten Erscheinungsformen von Netzwerken beitragen. Im Mittelpunkt stehen der wertorientierte Managementansatz, das integrierte Markenmanagement, das Customer Value Management, das Customer Relationship Management, das Customer Trust Management und das Customer Satisfaction Management. Induktiv sollen dabei die Managementkonzepte (vermeintlich) vorbildlich betriebener Netzwerke im Rahmen des Benchmarkings (vgl. Punkt 2) identifiziert und analysiert sowie deduktiv idealtypische Managementkonzeptionen f(~r differente Netzwerkauspr~igungen abgeleitet werden.

(4)

Controlling, Evaluation und Zertifizierung yon und in Unternehmensnetzwerken In diesem Bereich sind Arbeiten angesiedelt, die anhand unterschiedlicher Kriterien und aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven die Performance (z. B.

Geleitwort

VII

in Form der Effizienz oder Effektivit~it) yon Unternehmenskooperationen beurteilen und bewerten. Die Reihe ,,Unternehmenskooperation und Netzwerkmanagement" wurde durch das Team in der festen 0berzeugung initiiert, dass im Systemwettbewerb den hybriden Systemen, die den kundenindividuellen, flexiblen Marktauftritt der Netzakteure im Front-End-Bereich (Unternehmertum ,,vor Ort") mit einer zentralisierten, effizienzorientierten Gestaltung und Steuerung des Back-End-Bereichs (Aussch0pfung der neuesten Technologien) verbinden, die Zukunft der G0terdistribution geh0rt. Das vorliegende Buch von Dr. Martin Ahlert, Dr. G0nther Blaich und Dr. Jan Spelsiek liefert einen weiteren Beitrag zum Verst~indnis der den Unternehmensnetzwerken inh~irenten Vorteile im Wettbewerb der Systeme. Gleichzeitig werden der Managementpraxis wertvolle Hinweise zur AusschOpfung dieser Potenziale gegeben. Auf Grund der dezentralen Aktivit~iten besitzt der Unternehmer ,,vor Ort" (z. B. der Franchisenehmer) einen Wissensvorsprung gegen0ber der Systemzentrale, er entfaltet aber auch einen spezifischen Informationsbedarf, der m(Sglicherweise von der Zentrale des Unternehmensnetzwerkes (z. B. der Franchisegeber) besonders effektiv und effizient gedeckt werden k0nnte. Wie nun der erfolgskritische Transfer des marktnahen Wissens zur Systemzentrale zu gestalten ist und umgekehrt, wie dem Unternehmer ,,vor Oft" das zur Marktbearbeitung nOtige Wissen vermittelt werden kann, diesen for das 0berleben eines Unternehmensnetzwerkes entscheidenden Fragen wird in dem vorliegenden Buch systematisch und praxisnah nachgegangen. Das Buch verdankt seine Entstehung dem Verbundprojekt ,Motivationseffizienz in wissensintensiven Dienstleistungsnetzwerken" (MOTIWDI), das in Zusammenarbeit zwischen den Universit~ten Duisburg-Essen und MOnster sowie der Unternehmenspraxis in den Jahren 2002 bis 2005 durchgef0hrt wurde. N~here Hinweise zu diesem durch das Bundesministerium for Bildung und Forschung (BMBF) gefOrderten Verbundprojekt kOnnen dem Abschlussbericht entnommen werden, der im letzten Jahr in demselben Verlag (Deutscher Universit~its-Verlag: GABLER EDITION WISSENSCHAFT) verOffentlicht wurde. 1 Aus diesem Forschungsprojekt sowie aus einem weiteren, an der Universit~it Basel durchgef0hrten Projekt zum ,Analytic Hiererchy Process im Relationship Marketing" fasst das vorliegende Buch die in kooperativen Unternehmensnetzwerken praktisch umsetzbare Quintessenz dreier Doktorarbeiten zusammen: Martin Ahlert 2003, Genther Blaich 2004 und Jan Spelsiek 2005. Die vorliegende DUV-Schriftenreihe ,Untemehmenskooperation und Netzwerkmanagement" wird durch das Bundesministerium for Bildung und Forschung (BMBF), das

1

Vgl. Zelewski et al. (2005).

VIII

Geleitwort

Internationale Centrum for Franchising und Cooperation (F&C) an der Universit~t MOnster und den Deutschen Franchise-Verband (DFV) gef0rdert. Diesen Institutionen, aber insbesondere auch dem Deutschen Universit~ts-Verlag, danken wir for das vielf~iltige Engagement.

Prof. Dr. Dieter Ahlert Prof. Dr. Utho Creusen Prof. Dr. Thomas Ehrmann Prof. Dr. G0nter Olesch

Vorwort Allen Teammitgliedern des Verbundprojektes ,Motivationseffizienz in wissensintensiven Dienstleistungsnetzwerken" (MOTIWDI) an den Universit~iten Duisburg-Essen und MOnster sowie in der Unternehmenspraxis mSchten wir f0r die vielf~iltigen, interessanten Diskussionen sowie f0r ihre wertvollen Anregungen herzlich danken. Dies gilt insbesondere f0r die Herren Prof. Dr. Dieter Ahlert, Prof. Dr. Stephan Zelewski, Dr. Peter Kenning sowie Dr. Reinhard Sch0tte, die als Leiter des Forschungsprojektes fungiert haben. Dem Bundesministerium f(Jr Bildung und Forschung (BMBF) danken wir for die groBz0gige finanzielle FSrderung dieses Forschungs-, Entwicklungs- und Transferprojekts, die innerhalb des Rahmenprogramms ,,Wissensintensive Dienstleistungen" erfolgte. Insbesondere Herrn Dr. Ernst geb0hrt ein herausragendes ,,Dankeschbn". Er war auch in schwierigen Situationen immer darum bem0ht, das Team durch konstruktive Problemlbsungen zu unterst0tzen. AuBerdem bedankt sich das MOTIWIDITeam bei Herrn Dr. Schmied und Herrn Knips fOr den unerm0dlichen Einsatz bei der Administration des Forschungsauftrages. Der besondere Dank der Autoren geb0hrt Herrn Dipl.-Kfm. Markus Blut for die intensive Betreuung der Autoren bei der Erstellung dieses Buches. Allen Lesern wonschen wir eine anregende und kurzweilige Lektere. Kritik und Verbesserungsvorschltige sind jederzeit herzlich willkommen.

Dr. Martin Ahlert Dr. G(3nther Blaich Dr. Jan Spelsiek

Inhaltsverzeichnis

A b b i l d u n g s v e r z e i c h n i s ....................................................................... XV Tabellenverzeichnis ........................................................................... XVll Abk~irzungsverzeichnis ..................................................................... XlX A.

W i s s e n s m a n a g e m e n t in U n t e r n e h m e n s n e t z w e r k e n .................... 1

B.

W a r u m es ein idealtypisches W i s s e n s m a n a g e m e n t nicht gibt...5

1.

Einfehrung - Vision eines idealtypischen W i s s e n s m a n a g e m e n t s ....................... 5

2.

1.1

Fallbeispiel ................................................................................................

1.2

Skizzierung eines idealtypischen W i s s e n s m a n a g e m e n t s ......................... 11

Barrieren des W i s s e n s m a n a g e m e n t s ...............................................................

10

22

2.1

Raster zur Identifikation der Barrieren ...................................................... 22

2.2

Kooperationsbedingte Barrieren ............................................................... 23

2.3

Technologische Barrieren .........................................................................

24

2.4

Kognitive Barrieren ...................................................................................

28

2.5

Motivationale Barrieren .............................................................................

30

C.

W i s s e n s m a n a g e m e n t aus N e t z w e r k p e r s p e k t i v e ........................ 34

1.

Wissen ..............................................................................................................

35

1.1

Wissen in der Wissenschaft .....................................................................

35

1.2

Wissensbegriff im 5konomischen Kontext ................................................ 39

2.

3.

Unterscheidungen verschiedener Wissensarten ............................................... 43 2.1

Implizites vs. explizites Wissen .................................................................

2.2

Individuelles vs. organisationales Wissen ................................................ 48

W i s s e n s m a n a g e m e n t .......................................................................................

44

53

Xll

Inhaltsverzeichnis

3.1

Modelle des Wissensmanagements ........................................................ 53

3.2

Wissensspirale ......................................................................................... 57

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements ................ 62 4.1

4.2

Bestehende Arbeiten zur Wissenstransferproblematik ............................ 63 4.1.1

Differenzierung nach Wissensart ................................................... 65

4.1.2

Differenzierung nach Fokussierung ............................................... 67

Wissenstransferverst~indnis ..................................................................... 69

D.

U n t e r n e h m e n s n e t z w e r k e u n t e r W i s s e n s a s p e k t e n .................... 74

1.

Typologien von Unternehmensnetzwerken ...................................................... 74

2.

Wissen als Ressource in Netzwerken .............................................................. 85 2.1

Koordination vs. Transfer von Wissen als Aufgabe des Wissensmanagements ............................................................................. 89

2.2

Wissensbasierte Systematisierung von Unternehmensnetzwerken in Abh~ngigkeit v o n d e r erbrachten Leistung ............................................... 93

3.

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken ...................................... 101

Ell

Gestaltung des W i s s e n s m a n a g e m e n t s in U n t e r n e h m e n s n e t z w e r k e n .........................................................

106

Koordinationsm~ngei-Diagnose-Konzept (KMDK) als Ausgangspunkt .......... 106 Transferm~ingeI-Therapie-Konzept (TTK) ....................................................... 108 Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK .... 110 3.1

Wissenstransferclub als struktureller Rahmen ....................................... 110

3.2

0berwindung des Kognitionsproblems ................................................... 123 3.2.1

Ber0cksichtigung der Einflussfaktoren bei der Gestaltung von Wissenstransferprozessen .......................................................... 123

3.2.1.1

Ber0cksichtigung der Wissensart ................................. 123

3.2.1.2

Ber0cksichtigung von Modellierungseinfl0ssen ............ 126

3.2.1.3

Ber0cksichtigung der Empf~ngercharakteristika ........... 127

Inhaltsverzeichnis

Xlll

3.2.20rganisatorische Aspekte zur Gestaltung von Wissenstransferprozessen ........................................................... 128 3.2.3 Gestaltung des dauerhaften Informations- und Wissensaustausches ................................................................... 131 3.2.3.1

Etablierung eines systematischen Beziehungsmanagements ............................................. 132

3.2.3.2

Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ....................................... 133

3.3

Anreizsystemgestaltung auf Basis der Wissenstransfereinstellung zur 0berwindung der motivationalen Barrieren ....................................... 136

3.4

Technologische Unterst0tzung der Wissensmanagementprozesse durch intelligente Agentensysteme ......................................................... 148 3.4.1 Aufgaben der IT im Wissensmanagement ................................... 148 3.4.2 AIDOS KAI I Box als innovative Wissensmanagementl5sung ...... 152 3.4.3 Besondere Eignung der AIDOS KAI I Box f0r Unternehmensnetzwerke ............................................................. 155

.

Verfahren des Analytical Hierarchy Process (AHP) zur Umsetzung des Transferm~ngeI-Therapie-Konzepts (TTK) ..................................................... 159 4.1

Ziele und Aufgaben des AHP ................................................................. 159

4.2

Konzeption einerexemplarischen AHP-Hierarchie ................................. 161 4.2.1

Relationship Management Balanced Scorecard als Ergebnis des AHP ....................................................................................... 162

4.2.2 Instrument der Entscheidungsfindung .......................................... 166 4.2.3 Instrument der internen Kommunikation ....................................... 167 4.2.4 Instrument des strategischen Wissenscontrollings ...................... 168 Fill

Zusammenfassung der Ergebnisse ........................................... 177

Literaturverzeichnis ............................................................................ 179

Abbildungsverzeichnis Abb. B-l:

Die Partner im Projekt MOTIWIDI ...................................................... 5

Abb. B-2:

Das Organisationsproblem .............. ................................................... 7

Abb. B-3:

Beratungsprozess ............................................................................ 14

Abb. B-4:

Barrieren des Wissensmanagements .............................................. 23

Abb. B-5:

Todesspirale eines Wissensmanagementsystems ........................... 27

Abb. C-1:

Unterscheidung von Daten, Zeichen, Informationen und Wissen .... 41

Abb. C-2:

Differenzierungen zwischen implizitem und explizitem Wissen ........ 47

Abb. C-3:

Schichtenmodell der organisationalen Wissensbasis ....................... 49

Abb. C-4:

Bausteine des Wissensmanagements ............................................. 56

Abb. C-5:

Der Wissensmanagementprozess ................................................... 56

Abb. C-6:

Praxisbeispiel: Wissensmanagement bei der Dr~gerwerk AG ......... 57

Abb. C-7:

Spirale der Wissensschaffung .......................................................... 58

Abb. C-8:

Vier Formen der Wissensumwandlung ............................................ 59

Abb. C-9:

Transferierbarkeit von Wissen ......................................................... 66

Abb. C-10:

Grundmodell des Wissenstransferprozesses ................................... 71

Abb. C-11:

Wissenstransferprozesse im Franchisenehmerlebenszyklus ........... 72

Abb. D-l:

Systematik der skizzierten Netzwerkans~itze ................................... 75

Abb. D-2:

Netzwerke zwischen Markt und Hierarchie ...................................... 80

Abb. D-3:

Ressourcenabh~ingigkeit und Machtverteilung im Netzwerk ............ 83

Abb. D-4:

Netzwerke mit Systemkopf ............................................................... 85

Abb. D-5:

VergrOl3erung der Lernoberfl~iche in Unternehmensnetzwerken ..... 87

Abb. D-6:

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken ........................ 88

Abb. D-7:

Phasenbetrachtung des Dienstleistungserstellungsprozesses ........ 94

Abb. D-8:

Wissensintensit~it von (Dienst)Leistungen ....................................... 96

Abb. E-l:

Vorgehen im Rahmen des TTK ...................................................... 109

Abb. E-2:

Konfiguration eines Wissenstransferclubs ..................................... 113

Abb. E-3:

Evolution eines Wissenstransferclubs ............................................ 122

XVl

Abb. E-4:

Abbildungsverzeichnis

Mbglichkeiten zum Wissenstransfer in Abh~ngigkeit vonder Art des Wissens ............................................................................. 124

Abb. E-5:

Organisatorische Aspekte der Gestaltung von Wissenstransferprozessen ............................................................ 129

Abb. E-6:

Vorgehensmodell zur Anreizsystemgestaltung .............................. 136

Abb. E-7:

Priorisierung der Gestaltungsziele ................................................. 139

Abb. E-8:

Parameter eines Anreizsystems .................................................... 141

Abb. E-9:

Postulierte Wirkung der Motivationsinstrumente auf die Wissenstransfereinstellung ............................................................ 145

Abb. E-10:

Unterst0tzungspotenzial von luK-Systemen .................................. 148

Abb. E-11:

Einordnung von Wissensmanagementwerkzeugen hinsichtlich Ansatz und Phase im Wissensmanagementzyklus ....................... 150

Abb. E-12:

Darstellung der Suchergebnisse in hyperbolischen B~iumen ......... 153

Abb. E-13:

Grundstruktur einer im AHP verwendeten Zielhierarchie am Beispiel einer Hierarchie mit drei Ebenen ...................................... 160

Abb. E-14:

Ablaufschritte der AHP-Methodik ................................................... 161

Abb. E-15:

Mbgliche Stakeholder von Dienstleistungsnetzwerken .................. 162

Abb. E-16:

Kriterienhierarchie for den AHP ..................................................... 164

Abb. E-17:

Stakeholder in Dienstleistungsnetzwerken .................................... 166

Abb. E-18:

Prozessschritte des Wissenscontrollings ....................................... 169

Abb. E-19:

Exemplarische Typologie von Ans~itzen der Datengewinnung qualitativer Zielgrbl~en ................................................................... 172

Abb. E-20:

,,Integrated Approach" der Datengewinnung for die strategische Planung im Wissensmanagement ................................................. 175

Abb. F-l:

Management Summary ................................................................. 178

T abel lenv e rzeic h n is Tab. C-1: Tab. C-2:

Ausgew~ihlte Modelle des Wissensmanagements ........................... 55 0berblick 0ber ausgew~ihlte Arbeiten zur Wissenstransferproblematik ............................................................. 64

Tab. D-l: Tab. D-2:

Typologien interorganisationaler Netzwerke .................................... 78 Bedeutung des Informations- und Wissensaustausches in unterschiedlichen Franchisesystemen ........................................... 100

Tab. E-l:

Ausgew~hlte Motivationsinstrumente ............................................. 147

Tab. E-2:

Skala for Paarvergleichsurteil ........................................................ 163

Tab. E-3:

Beispielhafte Berechnung des Priorit~itenvektors ........................... 164

Tab. E-4:

Lokale Priorit~ten mit dem Ziel ,,Auswahl der Perspektiven". ......... 165

Tab. E-5:

Globale Alternativenbewertungen und R~inge ................................ 165

Abk~irzu n g s v e r z e i c h n i s A b b ......................................... A b b i l d u n g AHP

........................................ Analytical Hierarchy P r o c e s s

Aufl ......................................... A u f l a g e BMBF

..................................... B u n d e s m i n i s t e r i u m for Bildung und F o r s c h u n g

b s p w ....................................... b e i s p i e l s w e i s e bzgl ......................................... bez~3glich b z w ......................................... b e z i e h u n g s w e i s e d. h ......................................... das heiBt DLFI Erfa

....................................... Di enstl ei stungen f0r F i n a n z d i e n s t l e i s t e r ......................................... E r f a h r u n g s a u s t a u s c h

et al ........................................ et alii etc .......................................... et cetera f .............................................. f o l g e n d e ff ............................................. fort f o l g e n d e ggf .......................................... g e g e b e n e n f a l l s GmbH

..................................... G e s e l l s c h a f t mit b e s c h r ~ n k t e r Haftung

Hrsg ........................................ H e r a u s g e b e r i. d. R ...................................... in der Regel

i. e. S ...................................... im e n g e r e n Sinne Jg ........................................... J a h r g a n g Kap ......................................... Kapitel Lop

......................................... Letter of proposal

m. a. W ................................... mit a n d e r e n Worten MNU

....................................... Multinationale U n t e r n e h m u n g

MOTIWIDI

............................... Motivati onseffi zienz in w i s s e n s i n t e n s i v e n Dienstleistu n g s n e t z w e r k e n

n e u b e a r b ................................ n e u b e a r b e i t e t e No ........................................... N u m b e r Nr ...........................................

Nummer

S ............................................. Seite sog .........................................

so g e n a n n t e ( n )

Tab ......................................... Tabelle u. a ......................................... unter a n d e r e m , und a n d e r e s

XX

u. ,~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

AbkOrzungsverzeichnis

und ,~,hnliches

u. U . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

unter Umst~nden

vgl ...........................................

vergleiche

Vol ..........................................

Volume

vs ............................................

versus

z. B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

zum Beispiel

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken

All

Eine Einf0hrung in den Problemkreis der Untersuchung von Dieter Ahlert und Markus Blut In der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Literatur werden h~iufig eine zunehmende Dynamisierung der Unternehmensumfelder sowie die Terti~irisierung der Wirtschaft konstatiert. 2 Diese beiden Entwicklungen haben wohl ma~geblich dazu beigetragen, dass zahlreiche Autoren die Bedeutung von Wissen for den Unternehmenserfolg und, damit verbunden, einen zunehmenden betrieblichen Wissensbedarf akzentuieren. 3 Herkbmmliche Produktionsfaktorsystematiken - beispielsweise aus Betriebsmitteln, Werkstoffen und Arbeitsleistung - haben eine Erweiterung um den Produktionsfaktor Wissen erfahren, so dass die klassische Managementlehre um die Teildisziplin Wissensmanagement erweitert wurde. 4 So oder so ~ihnlich beginnen die meisten Publikationen zum Thema Wissensmanagement, nat0rlich auch dieses Buch. Zudem ist den meisten bisherigen Verbffentlichungen gemein, dass sie die bereits vielfach diskutierten Modelle und Praktiken des Wissensmanagements aufgreifen, der gro~e Wurf for einen zus~itzlichen Erkenntnisgewinn jedoch ausbleibt. Der Mut, neue Erkenntnisse durch ein grunds~itzlich neues Herangehen an ein Thema zu gewinnen, fehlt den meisten Autoren, nicht jedoch den Autoren dieses Buches. Dennoch zeigen die vielen Verbffentlichungen zum Wissensmanagement die gestiegene theoretische und praktische Relevanz des Themas. Viele Unternehmen tragen dem zutreffend Rechnung, n~imlich indem sie sich um effiziente Lbsungen von Wissensmanagementproblemen bem0hen. Eng verbunden mit der Notwendigkeit zur Effizienz ist als Faktum zu beobachten, dass Wissensmanagement prim~ir als informationstechnologisches Problem angesehen wird. Diese Perspektive verkennt aber, dass der Erfolg eines Wissensmanagementsystems nicht nur durch die effiziente Infrastruktur, sondern auch und insbesondere durch die Menschen, die mit dem System arbeiten, bestimmt wird. 5 Die in der Praxis weit verbreitete Annahme, Probleme des Wissensmanagements seien durch geeignete IT-Konzepte zu Ibsen, ist ~ihnlich naiv wie die Vorstellung, durch eine Verbesserung des Stral3ennetzes s~mtliche Unf~lle verhindern zu kbnnen. Vielmehr handelt es sich in beiden F~illen um sozio-technische

2

Vgl. Beckett-Camarata/Camarata/Barker(1998); Probst/B0chtel(1998); North (2002).

3

Vgl. Dohr (1999); Rode(2001).

4

Vgl. Albrecht (1993).

5

Vgl. G01denberg/Helting(2004).

2

Wissensmanagernent in Unternehmensnetzwerken

Systeme, deren Verbesserung eine LOsung sowohl sozialer als auch technischer Probleme impliziert. M. a. W.: Die Integration sozialer Aspekte bildet die notwendige Bedingung eines effizienten Wissensmanagements, die Technik kann hier nut die Rolle der hinreichenden Bedingung spielen. Provokativ k0nnte man auch behaupten, dass Wissensmanagement auch ohne Informationstechnologie m0glich ist. Jeder, der dieses Buch in den H~inden h~ilt und den vorliegenden Text liest, wird dieser These zustimmen. Richtet man sein Augenmerk demzufolge auf die soziale Problematik, so ist unseres Erachtens insbesondere die Frage ungel0st, wie man Individuen dazu bewegen kann, ihr Wissen zu explizieren. Damit verbunden ist die Frage nach einem geeigneten Motivationskonzept des Wissensmanagements. In Anbetracht dieser in einer Einf0hrung nur rudiment~ir darstellbaren Komplexit~it des Themas Wissenstransfer (in Unternehmensnetzwerken), ist es nicht verwunderlich, dass das Management der Ressource Wissen in vielen Unternehmen bereits als Teil der Unternehmensf0hrung verankert ist und damit der Forschung wieder einmal vorauseilt. Nichtsdestotrotz bedarf es dessen theoretischen Fundierung, da nut so, auf der Basis exzellenten und aktuellen Wissens, die erforderliche Wettbewerbsf~ihigkeit erreicht werden kann. 6 Belege for die Relevanz finden sich in zahlreichen empirischen Untersuchungen. 7 Best~itigt wird dies u. a. in L~ingsschnittuntersuchungen, die eine starke Zunahme tier Qualifikationsanforderungen an Erwerbst~itige nachweisen. 8 Zudem kOnnen auch Vorhersagen for ein exponentielles Wachstum des Marktes for Knowledge Management-L0sungen - auch wenn diese bereits nach unten korrigiert wurden oder als zu optimistisch gelten - als ein Indiz for die wachsende Bedeutung des Managements der Ressource Wissen herangezogen werden. 9 Zahlreiche renommierte Unternehmen verf0gen mittlerweile 0bet Wissensmanagementabteilungen, beispielhaft kOnnen die Daimler Chrysler AG, die Volkswagen AG, die Siemens AG, T-Systems, die Commerzbank, Novartis, s~mtliche gro~e Unternehmensberatungen, Skandia, HP oder CSC genannt werden. Abet nicht nur in Grol~konzernen, sondern auch in kleinen und mittleren Unternehmen, in Beh0rden und wissenschaftlichen Einrichtungen und nicht zuletzt sowie immer wichtiger werdend in der unternehmens0bergreifenden Zusammenarbeit von Unternehmen in Unterneh-

6

Vgl. SchreyOgg/Geiger(2002), S. 2 f.

7

Eine 0bersicht findet sich bei: Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 58. Irn Berufsbildungsbericht 2004 des Bundesrninisteriumsfor Bildung und Forschung sind irn Kapitel zur Beruflichen Bildung, speziell im Kapitel 5.4, ebenfalls zahlreiche Ergebnisse empirischer Erhebungenaufgef0hrt, welche die hohe Relevanz der Wissensmanagernent-Thematikin der Unternehmenspraxisverdeutlichen. Vgl. BMBF (2004).

8

Vgl. Behringer(2002), S. 11 ft.

9

Vgl. Meta Group (2001); Motsenigos (2003); Knop (2004).

Einf0hrung in den Problemkreisder Untersuchung

3

mensnetzwerken ist das Management der Ressource Wissen zunehmend etabliert. Insbesondere Unternehmensnetzwerke, die als die Organisationsform der Zukunft angesehen werden 1~ stehen auch in diesem Buch im Fokus der Betrachtung. Dies ist nicht nur darin begr0ndet, dass die Organisationsform des Unternehmensnetzwerks eine immer grSl~ere Bedeutung im Wettbewerb erlangt, sondern dass sich Unternehmen immer mehr zu ,,(Jberregionalen Netzwerken von Kompetenzzentren, deren Gestaltung und F(Jhrung zum Teil neuartige Fragen aufwerfen" entwickeln. 11 Eine den Trend zur unternehmens0bergreifenden Zusammenarbeit in Netzwerken best~itigende Schlagzeile im Handelsblatt 2004 lautete beispielsweise: ,,IBM gibt einige seiner grSI3ten Geheimnisse preis". Der Grund for diese Schlagzeile war die Ank0ndigung von IBM, sein technologisches Know-how an andere Unternehmen weiterzugeben und basierend auf diesem Wissen gemeinsam mit den unterschiedlichen Kooperationspartnern neue innovative L5sungen und Produkte mit IBM Chips und basierend auf dem Know-how von IBM zu entwickeln. Es wird somit sehr deutlich, wie im eingangs aufgef0hrten Zitat aufgezeigt, dass die Nutzung und der Austausch von Wissen innerhalb und zwischen Unternehmen und auf diesem Wege auch die Weiterentwicklung des vorhandenen Wissens einen zentralen Erfolgsfaktor for Unternehmen und Unternehmensnetzwerke darstellen. Wissen erlangt seine besondere Bedeutung sowohl f(3r die Unternehmenspraxis als auch for die Wissenschaft auf Grund der Tatsache, dass es im Gegensatz zu anderen Ressourcen nach der Weitergabe sowohl vom Wissenssender als auch vom Wissensempf~nger weiter genutzt werden kann. Es gilt: ,,Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen". 12

Die Teilung von Wissen ist die Grundlage der Entstehung neuen Wissens und der Wissensnutzung durch den Wissensempf~nger. Diese Teilung erfordert aber den Transfer von Wissen. Dieser Wissenstransfer kann jedoch nicht wie der Austausch anderer Ressourcen behandelt werden. 13 Wissen gilt als personengebunden und liegt ,im Kopf des Menschen" vor. 14 Folglich ist mit einem Wissenstransfer eine Explikation des Wissens auf Seiten des Wissenstr~gers, die 0bermittlung des Wissens und die Integration des Wissens auf Seiten des Empf~ngers verbunden. Im Zuge

10 Vgl.Ahlert/Evanschitzky(2003). 11 Picot/Reichwald/Wigand(2004), S. 24. 12 Vgl. Helmst~idter/Widmaier(2001), S. 119; siehe auch Helmst~tdter(2000). 13 Vgl. Shariq (1999), S. 244. 14 Vgl.Teubner (2003), S. 22.

4

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken

dieses Transferprozesses sind vielf~iltige motivationale, kognitive und in Bezug auf die reine 0bermittlung auch informationslogistische, technologische Aspekte zu ber0cksichtigen. Diese aus den Besonderheiten der Ressource Wissen resultierenden Probleme des Wissenstransfers wurden in der wissenschaftlichen Forschung bislang nur unzureichend thematisiert. 15 So ist for die wissenschaftliche Besch~ftigung mit dem Problembereich des Wissensmanagements und speziell des Wissenstransfers zu konstatieren, dass sich bisherige Arbeiten der Thematik bisher zu undifferenziert gen~ihert haben16 und dass bis dato nur wenige empirische Arbeiten die Argumentationen und Ausf0hrungen st0tzen. 17 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Thematik des VVissensmanagements sowohl for die Wissenschaft als auch for die Unternehmenspraxis hochaktuell ist. Die wesentlichen detaillierter zu erforschenden Bereiche, die sowohl vonder Unternehmenspraxis als auch von der Wissenschaft gesehen werden, kOnnen wie folgt auf den Punkt gebracht werden:18 9

Integration des Wissensmanagements in die Gesch~iftsprozesse;

9

Erforschung und Gestaltung des Wissenstransfers, insbesondere die Identifikation von Wissenstr~gern und die Fbrderung der Bereitschaft, diese zur Wissensteilung zu motivieren und gleichzeitig Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein reibungsloses Erlernen und Anwenden des Wissens auf Empf~ngerseite ermbglichen;

9

0berwindung organisationaler, technologischer und emotionaler Probleme hinsichtlich des Wissenstransfers und Etablierung einer wissensfreundlichen Unternehmenskultur respektive eines den Wissensaustausch fbrdernden Managementstils; Evaluation des Erfolgs von VVissensmanagementinitiativen und Analyse des Beitrags von Mal~nahmen des Wissensmanagements zum bkonomischen Erfolg von Unternehmen und Unternehmensnetzwerken.

15 Vgl.Argote/McEvily/Reagans(2003). 16 Vgl. hierzu ausf0hrlich Blaich (2004); Spelsiek (2005). 17 Vgl.van der Bij/Song/Weggeman(2003), S. 163; Jacob/Ebrahimpur(2001), S. 75. 18 Vgl. Delphi Studie ,,The Future of Knowledge Management". Siehe hierzu die Ausf0hrungen yon Scholl/Kbnig/Meyer (2003), die im Rahmen einer Delphi-Studie zur Zukunft des Wissensmanagements die menschliche Wissensverarbeitung im organisatorischen Kontext als Mi~elpunkt zuk0nftiger Forschungsbem0hungenidentifizieren.

Sll

Warum es ein idealtypisches Wissensmanagement nicht gibt EinfOhrung - Vision eines idealtypischen W i s s e n s m a n a g e m e n t s

Der Vision, welcher wir als Autoren dieses Buches und Partner des Forschungsteams MOTIWIDI verfolgten, war die Rahmenbedingungen und insbesondere die motivationalen Facetten zu untersuchen, um herauszuarbeiten wie sich Unternehmen einem idealtypischen Wissensmanagement ann~ihern kSnnen, das sodann die Basis von dauerhaften Wettbewerbsvorteilen bildet. Das MOTIWIDI-Projekt, welches vom Bundesministerium for Bildung und Forschung gef0rdert wird, ist ein Verbundprojekt von Partnern aus der Wissenschaft und der Unternehmenspraxis. Im Einzelnen arbeiten daran das Institut for Handelsmanagement und Netzwerkmarketing der Westf~ilischen Wilhelms-Universit~it MOnster unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Ahlert, das Institut for Produktion und Industrielles Informationsmanagement der Universit~it Duisburg-Essen, Campus Essen unter Leitung von Prof. Dr. Stephan Zelewski mit der Dohle-Handelsgruppe Service GmbH & Co. KG aus Siegburg und der AIDOS Software AG aus Berlin/Meil3en zusammen.

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Innovative Arbeitsgestaltung - Zukunfl der Arbeit"

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Abb. B-l:

V

Die Partner im Projekt MOTIWIDI Eigene Darstellung.

Das Team hat es sich zur Aufgabe gemacht zu untersuchen, inwiefern die motivationalen Aspekte des Wissenstransfers, den Transfer von Wissen beeinflussende Faktoren und auch technologische Aspekte zusammengef0hrt werden k0nnen, um somit eine Basis for die systematische Gestaltung des Wissenstransfers nicht nur innerhalb

6

Warum es ein idealtypischesWissensmanagement nicht gibt

yon Unternehmen, sondern insbesondere for den unternehmens0bergreifenden Wissenstransfer in Unternehmensnetzwerken zu entwickeln. Ausgehend vonder herausragenden Wichtigkeit der Ressource Wissen wurde in den ersten Phasen des Projekts das Management von Wissen in Unternehmen und Unternehmensnetzwerken und insbesondere die Kombination von Wissen zwischen Akteuren analysiert. Die motivationalen Aspekte der Wissensweitergabe, Wissensaufnahme und Wissensnutzung in Unternehmensnetzwerken sind herausgearbeitet worden und bilden die Basis for die weitere im Projekt vorgesehene Entwicklung einer Relationship Management Balanced Scorecard zur Gestaltung und Evaluierung des Wissenstransfers in Unternehmensnetzwerken. In Ankn0pfung an die bereits konstatierten Problembereiche und in 0bereinstimmung mit der aktuellen Auseinandersetzung mit den Themen Wissensmanagement und Wissenstransfer in der Betriebswirtschaftslehre basieren die weiteren AusfQhrungen auf einem organisafionstheoretischen Paradigma. 19 Dieses Paradigma erm0glicht es zum einen, sowohl die motivationalen Aspekte auf Seiten eines Wissenstr~igers und potenziellen Wissenssenders als auch die motivationalen und kognitiven Aspekte auf Seiten eines Wissensempf~ingers zu integrieren und zum anderen, den Wissens-

transfer so zu modellieren, dass leistungsf~hige organisationswissenschaftliche Analyse- und Gestaltungskonzepte eingesetzt werden k5nnen. Ziel eines organisationstheoretischen Transferverst~indnisses ist es, Gestaltungsempfehlungen for eine effektive und effiziente Organisation des Wissenstransfers abzuleiten. Das allgemeine Organisationsproblem - d a s ebenfalls for die Organisation des Wissenstransfers vorliegt- besteht darin, die Strukturen der Arbeitsteilung und der Abstimmung so zu gestalten, dass die daraus resultierende Differenz aus produktivit~itsinduzierten Ertr~igen der Arbeitsteilung und Abstimmungskosten maximiert wird. 2~ Nach Milgrom/Roberts kann das Organisationsproblem, wie in Abb. B-2 dargestellt, zur L0sungsvereinfachung in zwei analytisch trennbare Problembereiche untergliedert werden: ein Koordinations- und ein Motivationsproblem. 21

Vgl. hierzu bspw. die Arbeiten yon Heppner (1997); Wagner (2000); Thiel (2002); SchrOder (2003); Thobe (2003); Westenbaum (2003). Zudem ist eine organisationstheoretische Perspektive auf das Wissensmanagement zielf0hrend, weil sich die Organisationstheorie fr0her und umfassender als andere Disziplinen mit dem Konstrukt Wissen besch~iftigt hat. Vglo hierzu Burmann (2002), So 187 f. Vgl. zu organisationstheoretischen Ans~itzen des Informationsmanagements auch Ahlert/Olbrich (1996), S. 5 ft. Vgl. Jost (2000a), S. 176 f. und Picot/Dietl/Franck (2002), S. 6. Vgl. hierzu Milgrom/Roberts (1992), S. 25 ft.

Einf0hrung - Vision eines idealtypischen Wissensmanagements

7

Organisationsproblem

I

I

Koordinationsproblem

Motivationsproblem

I

I

Abb. B-2:

I Kognitionsaspekt (Lernen)

Logistikaspekt

Das Organisationsproblem Eigene Darstellung in Anlehnung an Thiel (2002), S. 40 ff.

Das

Koordinationsproblem kann

pointiert als ein Problem des Nichtwissens der Or-

ganisationsteilnehmer 22 bezeichnet werden. 23 Die Organisationsteilnehmer m0ssen Informationen dar0ber erhalten, welche Aufgaben ihnen im Rahmen des Wissenstransfers zukommen, um die angestrebten Transferziele erreichen zu kOnnen. 24 Jedoch soil in dieser Arbeit das Koordinationsproblem nicht nur als ein Problem der Informationslogistik verstanden werden, zu dessen LOsung die relevanten Informationen identifiziert und zum Empf~nger transportiert werden m0ssen. 25 Zus~tzlich sollen die kognitiven Barrieren der Organisationsteilnehmer ber0cksichtigt werden, die aus deren begrenzter Rationalit~t 26 resultieren und sowohl bei der Wissensartikulation des Senders als auch bei der Wissensintegration des Empf~ngers for die L5sung des Koordinationsproblems von Relevanz sind. 27 Das Koordinationsproblem umfasst 22

Die Begriffe Organisationsteilnehmer und Organisationsmitglied werden hier synonym verwendet. Vgl. ausf0hrlich zum Begriff des Organisationsmitglieds Kieser/Walgenbach (2003), So 12 ft.

23 Vgl. Picot/Dietl/Franck (2002), S. 8. 24

Milgrom/Roberts beschr~nken das Koordinationsproblem auf die Informationsversorgung der Organisationsteilnehmer 0ber die Arbeitsteilungs- und Abstimmungsmodalit~iten. Vgl. hierzu Milgrom/Roberts (1992), S. 25. Dieses Verst~indnis fokussiert auf die Koordination i. e. S. und beinhaltet ausschliel31ich die zielkonforme Abstimmung arbeitsteiliger Entscheidungsaktivit~iten. Im Gegensatz hierzu subsumieren Frese und Jost unter dem Koordinationsproblem zus~itzlich die der Abstimmung vorgelagerte Aufgabe der Arbeitsteilung und Delegation. Vgl. hierzu Frese (2000), So 14 f.; Jost (2000b), S. 455 f.; Jost (2000c), S. 24.

25

Das Logistikproblem beinhaltet den Aspekt der Informationsversorgung. Es soil in dieser Arbeit um den zur Realisierung der Informationsversorgung notwendigen Ressourcenaspekt erweitert werden. Vgl. zu dieser Erweiterung auch Wolff (1999), S. 45; Thiel (2002), S. 40.

26 Vgl. zum Konzept der begrenzten Rationalit~t ausf0hrlich March/Simon (1976), S. 129 ff. 27 Vgl. zur Erweiterung des Organisationsproblems um das Kognitionsproblem Heppner (1997), S. 32 f.; Scheuble (1998), S. 5; Thiel (2002), S. 40.

8

Warum es ein idealtypisches Wissensmanagement nicht gibt

somit einen Logistik- und einen Kognitionsaspekt (vgl. Abb. B-2). Die Unterteilung des Koordinationsproblems in einen Logistik- und einen Kognitions- bzw. Lernaspekt ermbglicht es, fruchtbare Ans~itze des Iogistik- und lernorientierten Transferverst~indnisses in die organisationstheoretische Modellierung des Wissenstransfers zu integrieren. Das Motivationsproblem kann in Analogie zum Koordinationsproblem als ein Problem des Nichtwollens der Akteure bezeichnet werden. 28 Hier geht es um die Frage, wie die Akteure motiviert werden kbnnen, ihren Beitrag zur Erf011ung der Aufgaben im Rahmen des Wissenstransfers zu erbringen. 29 Der einzelne Wissenstr~ger muss motiviert sein, damit er sein Wissen preisgibt und dem Unternehmensnetzwerk zur Verf0gung stellt, gleichzeitig muss der Wissensempf~inger motiviert sein, Wissen zu erwerben und anzuwenden. Der Lbsung des Motivationsproblems ist folglich das Koordinationsproblem vorgelagert. Bei einer isolierten Lbsung der Problembereiche mQssen die Interdependenzen des Koordinations- und des Motivationsproblems berQcksichtigt werden, da sonst suboptimale Strukturen der Arbeitsteilung und Abstimmung die Folge sind. 3~ Zudem sind in Anbetracht des 0berwiegend in organisationstheoretischen Arbeiten zum Wissenstransfer vertretenen Wissensbegriffs situative und personale Einfl0sse zu ber0cksichtigen. 31 Die situativen und personalen Einfl0sse auf den Wissenstransfer herauszuarbeiten und auf dieser Basis den Wissenstransfer mbglichst effektiv und effizient zu gestalten, stellt die spezifische Herausforderung eines organisationstheoretischen Problemzugangs dar und war eine wesentliche Aufgabe im Rahmen des MOTIWIDI-Projekts. Ziel dieses Buches ist es somit, Antworten und Lbsungen for die oben angef0hrten Problembereiche systematisch herzuleiten und Gestaltungsempfehlungen fi3r das Wissensmanagement von dezentral operierenden Einheiten zu liefern. Das hier gew~hlte Vorgehen zeichnet sich dadurch aus, dass zun~ichst an einem idealisierten Praxisbeispiel ein idealtypisches Wissensmanagementmodell for Unternehmensnetzwerke skizziert wird, um basierend auf dieser ,,Vision" Defizite, welche die Verwirklichung verhindern, zu analysieren und Mbglichkeiten zu deren 0berwindung aufzuzeigen. 28 Vgl. Picot/Dietl/Franck (2002), S. 8. 29

Vgl. Jost (2000a), S. 177 ft.; Jost (2000b), S. 454 ft.

30 Vgl.zur Interdependenzproblematik Frese (2000), S. 7 f.; Jost (2000b), S. 459 ft. 31 Siehezu den theoretischen Grundlagen das Kapitel C. Eine Analyse von Dissertationen, die den Wissenstransfer mit einem organisationstheoretischen Problemzugang analysieren, ergab eine klare Dominanz des konstruktivistischen Ansatzes. Dieses Wissensverst~ndnis impliziert, dass ein Transfer identischer Wissensinhalte nicht mbglich ist und situative und personale EinflQsse auf den Wissenstransfer besondere Ber0cksichtigung finden m0ssen.

Einf0hrung - Vision eines idealtypischenWissensmanagements

9

Im Einzelnen widmet sich dieses Kapitel in einem ersten Abschnitt der Skizzierung eines optimalen Wissensmanagements in einem Unternehmensnetzwerk. In einem zweiten Teil werden die Barrieren und Defizite, die Umsetzung des idealtypischen Wissensmanagement verhindern, vorgestellt und daraus resultierende Implikationen f0r die Konzeption und Einf0hrung von Wissensmanagementkonzepten in Unternehmensnetzwerken abgeleitet. Im Kapitel C werden die grundlegenden Aspekte des Wissensmanagements vorgestellt. Die Ausf0hrungen zum Wissen, zum Wissensmanagement und zum Wissenstransfer erfolgen dabei aus dem Blickwinkel von Unternehmensnetzwerken, d. h. unter besonderer Ber0cksichtigung der f0r Unternehmensnetzwerke relevanten Aspekte. Das Kapitel D gibt einen 0berblick 0ber Ans~itze zur Analyse und Erforschung von Unternehmensnetzwerken. Ein f0r das Buch relevantes Verst~ndnis von Unternehmensnetzwerken wird ebenfalls vorgestellt. Entsprechend dem Kapitel C erfolgen die Ausf0hrungen in diesem Kapitel unter Wissensaspekten, d. h., dass die Themen der Netzwerkforschung aus der Perspektive des Wissensmanagements besonders fokussiert werden. Das Kapitel E widmet sich der Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken, wobei mit dem Transferm~ngeI-Therapie Konzept ein Instrument vorgestellt wird, mit dem eine Bew~ltigung bestehender Probleme des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken mSglich sein sollte. Bereits an dieser Stelle sei erw~hnt, dass es sich bei diesem Instrument weniger um ein Tool zum direkten Management der Ressource Wissen, welches es nach Auffassung der Autoren nicht gibt, handelt, sondern um ein Konzept zur Gestaltung der Rahmenbedingungen des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken. Dieses Konzept soil den barrierefreien Umgang mit der Ressource Wissen in Unternehmensnetzwerken ermSglichen und die Grundlagen zur Entwicklung einer beispielhaften Relationship Management Balanced Scorecard sein, deren Entwicklung mittels des AHP-Prozess vorgestellt wird. Kapitel F fasst die wesentlichen Erkenntnisse des Buchs zusammen und gibt einen Ausblick auf zuk0nftigen Forschungsbedarf.

10

1.1

Warum es ein idealtypisches Wissensmanagement nicht gibt

Fallbeispiel

Das von den Autoren betrachtete Netzwerk DLFI (Dienst/eistungen for Finanzdienstleister) 32 erstellt Marketingdienstleistungen f0r Finanzdienstleistungsunternehmen und besteht aus sechs Unternehmen. Der Zweck der Netzwerkgr0ndung bestand in der B0ndelung der einzelnen Dienstleistungsangebote, um ein breites Spektrum an Marketingproblemlbsungen f0r Finanzdienstleistungsunternehmen aus einer Hand anbieten zu kbnnen. Das DLFI-Netzwerk kann bspw. den gesamten Markteintritt eines ausl~indischen Finanzdienstleistungsunternehmens - beginnend mit der Marktanalyse, 0ber die Marketingstrategie und die Werbekonzeption, bis hin zur systemischen Umsetzung der Marktbearbeitung in Customer Relationship Management-Systeme - aus einer Hand begleiten. Nachfolgend werden die Unternehmen des DLFI-Netzwerks kurz vorgestellt. Alle Unternehmen erbringen ihre Dienstleistungen vorwiegend f0r Finanzdienstleistungsunternehmen. 9

Research Services GmbH: Marktforschungsinstitut mit zehn Mitarbeitern und Standort Frankfurt.

9

Strategy Partners GmbH' Unternehmensberatung mit 20 Mitarbeitern und Standorten in Frankfurt und London.

9

Classic Communications GmbH" Werbe- und PR-Agentur mit 30 Mitarbeitern und Standort Wiesbaden. Direkt Access GmbH: Direktmarketingagentur mit f0nf Mitarbeitern und Standort Mainz. HR Services GmbH: Anbieter von Sales Management Trainings mit zehn Mitarbeitern und Standort Frankfurt.

9

IT Solutions GmbH, Entwicklung und -implementierung von Contentmanagementund CRM-Systemen mit 20 Mitarbeitern am Standort Darmstadt.

Die Kooperationsaktivit~ten innerhalb des DLFI-Netzwerks reichen von der Beschaffungspolitik bis hin zur gemeinsamen Projektabwicklung. Es handelt sich bei den Kooperationsaktivit~iten primer um m0ndlich fixierte Kooperationsvereinbarungen zwischen den Gruppengesellschaften, die das operative Gesch~ift betreffen und einen unmittelbaren Mehrwert f0r die kooperierenden Unternehmen generieren.

Das DLFI-Netzwerk ist ein reales Unternehmensnetzwerk, das die Autoren bei der Entwicklung ihrer Wissensmanagement-Aktivit~iten begleitet haben. Aus Vertraulichkeitsgr0nden wurden die Namen ge~indertund die Inhalte leicht modifiziert.

Einf0hrung -Vision eines idealtypischenWissensmanagements

11

Das DLFI-Netzwerk hat bis zum Jahr 2001 keine netzwerkweiten Wissensmanagementaktivit~iten etabliert, da diese riskante Vorleistungen der Netzwerkunternehmen erfordert h~itten, beispielsweise die Preisgabe von Spezialwissen oder die Investition in Infrastruktur, und der Nutzen erst im Zeitablauf realisiert worden w~ire. Die zunehmende Wettbewerbsintensit~it in den relevanten M~irkten des DLFI-Netzwerks bewog die Gesch~ftsf0hrer jedoch Ende 2001, einen Workshop zur Evaluierung der Nutzenpotenziale gemeinsamer Wissensmanagementaktivit~iten zu veranstalten. Moderiert wurde der Wissensmanagementworkshop von zwei Mitarbeitern des MOTIWIDIForschungsteams. AIs Ergebnis des Workshops wurde die Entwicklung einer Wissensmanagementkonzeption fQr das DLFI-Netzwerk beschlossen. Mit der Entwicklung der Wissensmanagementkonzeption wurde das MOTIWIDI-Forschungsteam beauftragt, das zwei Mitarbeiter f0r dieses Projekt abgestellt hat.

1.2

Skizzierung eines idealtypischen Wissensmanagements

Im ersten Schritt entwickelte das MOTIWIDI-Projektteam die Vision eines idealtypischen Wissensmanagements f0r das DLFI-Netzwerk. Hierf0r unterstellte das Projektteam, dass alle Wissensmanagementprozesse friktionsfrei ablaufen. Die Vision eines idealtypischen Wissensmanagements sollte als anzustrebender Endzustand fOr die Wissensmanagementaktivit~iten des DLFI-Netzwerks dienen, um das Wissensmanagement sukzessive an dieser Vision auszurichten. Gesucht wurde eine erste Antwort auf die Frage, wie ein Wissensmanagement konzipiert w~ire und aussehen w0rde, wenn keinerlei individuelle, organisationale oder auch in der Natur der Ressource Wissen bedingte Probleme wirksam sind. Das nachfolgend skizzierte idealtypische Wissensmanagement orientierte sich am Modell der Wissensbausteine von Probst, Raub und Romhardt. 33 Durch die Darstellung der Wissensmanagementkonzeption nach diesem deskriptiven Modell wird gew~hrleistet, dass alle Aspekte des Wissensmanagements beleuchtet werden. 34 Die nachfolgenden Ausf0hrungen stellen zuerst die wesentlichen Aufgaben vor, die der jeweilige Wissensmanagementbaustein erf011en soil und skizzieren im Anschluss daran die idealtypische Konzeption des Wissensmanagementbausteins.

33 Vgl. Probst/Raub/Romhardt(1999). 34 Vgl. BeckerlBlaichlMihmlSpelsiek(2004).

12

Warum es ein idealtypisches Wissensmanagement nicht gibt

(1) Wissensziele- alle ziehen an einem Strang Wissensziele formulieren die Vorgaben for die Konzeption und Implementierung des Wissensmanagements und kbnnen in eine normative, strategische und operative Ebene unterteilt werden. 3~ Um Wissensziele definieren zu kbnnen, muss for eine Organisation festgelegt werden, was diese wissen sollte. 3B Hierzu m0ssen organisationale und individuelle Kompetenzanforderungen formuliert werden. Zudem mOssen aktuelle Kompetenzen der Organisation gemessen werden, um die LOcke zwischen Zielkompetenzen und Ist-Kompetenzen evaluieren zu kbnnen. Grunds~itzlich kOnnen drei Ebenen von Wissenszielen unterschieden werden. Normative Wissensziele fokussieren auf die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen for das Wissensmanagement, strategische Wissensziele bestimmen das organisationale Kernwissen und operative Wissensziele brechen die normativen und strategischen Wissensziele auf Ma~nahmenebene herunter. Idealtypisch sollten die Gesch~iftsf0hrer der Gesellschaften des DLFI-Netzwerks einen konstituierenden Wissensmanagementworkshop einberufen, um die normativen Wissensziele festzulegen. AIs Ergebnis des Workshops sollten die Gesch~iftsf0hrer folgende Inhalte festlegen: 9

Definition und Freistellung der notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen for die Konzeption, die Installation und den Betrieb des Wissensmanagements.

9

Verabschiedung von Mal~nahmen zur Schaffung einer wissensbewussten Unternehmenskultur, die durch das Top-Management getragen wird und durch Verhaltensleitlinien for die Zusammenarbeit im Netzwerk reflektiert wird. Beauftragung eines unternehmens0bergreifenden Projektteams zur Erarbeitung und Implementierung einer Wissensmanagementkonzeption. Wesentlich hierbei ist, dass das Projektteam mit den erforderlichen Kompetenzen for die Installation des Wissensmanagements betraut wird und die notwendige Akzeptanz bei allen Netzwerkunternehmen erf~ihrt.

Kernbestandteil der zu definierenden strategischen Wissensmanagementziele im DLFI-Netzwerk ist die Definition des angestrebten organisationalen Kernwissens. Dieses Kernwissen sollte das gesamte for die erfolgreiche Zusammenarbeit der Netzwerkunternehmen erforderliche Wissen enthalten und durch Interviews mit den

Vgl. Romhardt (1998), S. 95. Es sei an dieser Stelle bereits angemerkt, dass es aus Sicht der Autoren nur bedingt mbglich erscheint, ex ante festlegen zu kbnnen, was man wissen muss und dementsprechend Wissensziele festlegen zu kbnnen. Vgl. die Ausf0hrungen zur Ressource Wissen im Kapitel C.

Einf0hrung - Vision eines idealtypischenWissensmanagements

13

Gesch~iftsfQhrern der Netzwerkunternehmen vom Projektteam identifiziert werden. Die Herausforderung for das Projektteam besteht darin, die Meinungen der Gesch~iftsf0hrer (~ber das erforderliche Kernwissen so zu konsolidieren, dass ein gemeinsames Verst~ndnis in den Netzwerkunternehmen entsteht und dieses von allen Beteiligten getragen wird. Um ein von allen Unternehmen des DLFI-Netzwerks geteiltes Verst~indnis zu erlangen, sollte die strategischen Planung der Netzwerkaktivit~iten als Referenzpunkt herangezogen werden. W0rde die Planung for das DLFI-Netzwerk bspw. vorsehen, neben der Zielgruppe der Finanzdienstleister ebenfalls Telekommunikationsunternehmen mit Marketingdienstleistungen zu bedienen, w~ire der Aufbau von Wissen f3ber die Telekommunikationsbranche essenziell und stQnde im Fokus der gemeinsamen Wissensmanagementaktivit~ten. Die Definition operativer Wissensziele sollte konkrete Ma~nahmen zur Erreichung der strategischen Wissensmanagementziele beinhalten und die operativ t~itigen Mitarbeiter der Netzwerkunternehmen in die Wissensmanagementaktivit~ten einbeziehen, indem diese for die Erreichung dieser Ziele verantwortlich gemacht werden. Hierbei gilt es fQr das Projektteam zu ber0cksichtigen, dass die operativen Wissensmanagementziele an den Gesch~iftsprozessen ausgerichtet sind und hinsichtlich Inhalt, Ausmal~ und Zeitbezug hinreichend konkret sind und den Mehrwert for die Mitarbeiter erkennen lassen. Bspw. ist der Inhalt des strategischen Zieles ,,Bildung eines Kompetenzzentrums Mobile Payment" vom Projektteam im DLFI-Netzwerk auf Verantwortlichkeitsebene herunterzubrechen und an verschiedene Netzwerkakteure zu delegieren, die klare Vorgaben 0ber die Wissensinhalte und Aktualisierungszyklen erhalten sollten. (2) Wissensidentifikation - proaktives A n z e i g e n von Wissen

Kernaufgabe der Wissensidentifikation ist es, Transparenz 0ber bereits im Netzwerk bestehendes Wissen der Akteure zu erlangen, um die LOcke zwischen angestrebtem Wissensstand und dem aktuellen Wissensstand bemessen zu k~nnen. AIs methodische Unterst0tzung zur Identifikation des aktuellen Wissens kann bspw. der Ansatz des Knowledge Mappings angewendet werden. Weitere Interventionsans~tze sind bspw. das Explizieren geheimer Spielregeln oder die Installation von Wissensbrokern. 37 Techniken des Knowledge Mappings befassen sich mit der Erstellung yon Wissenskarten. Wissenskarten sind grafische Verzeichnisse yon Wissenstr~igern, Wissensquellen, Wissensstrukturen oder Wissensanwendungen. Ausgangspunkt der Erstellung yon Wissenskarten sind wissensintensive Gesch~ftsprozesse, die den Entdeckungszusammenhang der relevanten Wissensbest~inde und -tr~iger bilden. Die auf diese Weise identifizierten Wissensbest~inde und -tr~iger werden in grafischer 37 Vgl. Romhardt(1998), S. 146.

14

Warum es ein idealtypischesWissensmanagement nicht gibt

Form kodiert und 0ber ein Navigationssystem den Mitarbeitern, die in einen Gesch~ftsprozess involviert sind, zur Verf0gung gestellt. Die Aktualisierung der Wissensbest~inde und -tr~iger sollte von den die Wissenskarten nutzenden Mitarbeitern 0bernommen werden, da diese 0ber das beste Metawissen verf0gen und f0r sie der Pflegeaufwand am geringsten ist. Idealtypisch sollten die wesentlichen Gesch~iftsprozesse des DLFI-Netzwerks vom Projektteam aufgenommen werden. Nach der Aufnahme der Gesch~iftsprozesse soilten Interviews mit den jeweils involvierten Mitarbeitern gef0hrt werden, in denen mit diesen erarbeitet wird, welches Wissen f0r die Dienstleistungserstellung notwendig ist. Im DLFI-Netzwerk wurde als Kerngesch~iftsprozess ein Beratungsprozess festgelegt (vgl. Abb. B-3).

Problem Solving ~ D o

cumentation

Client Development

StudyStart-up

LOP Abb. B-3:

Beratungsprozess Eigene Darstellung.

Dieser beginnt mit der Angebotserstellung (LOP: Letter of proposal), geht dann in den forschungsintensiven Start des Beratungsprojekts 0ber (Study Start-up), bis er in den intellektuellen Kern des Beratungsprojekts- das Problem Solving -m0ndet. Abgeschlossen wird der Beratungsprozess durch die Dokumentation der Projektergebnisse f0r den Klienten und die Ablage in der internen Projektdatenbank des DLFINetzwerks. Durch Ideen zur Weiterentwicklung des Klienten (Client Development) werden neue Ansatzpunkte f0r Beratungsprojekte generiert, die wiederum die Erstellung eines LOP zur Folge haben. In jeder Phase dieses Beratungsprozesses ist spezifisches Wissen zur Aufgabenerf011ung notwendig. Bspw. ist bei der Erstellung des

Einf0hrung -Vision eines idealtypischen Wissensmanagements

15

LOP umfangreiches Wissen 0ber die Erstellung von Projektstrukturpl~inen und Projektkalkulationen sowie lessons learned Qber bereits durchgef0hrte Projekte erforderlich. Tr~iger des Wissens sind hier insbesondere Projektleiter in den verschiedenen Unternehmen des DLFI-Netzwerks. Ihre Mitarbeit ist erforderlich, um einen aktuellen Status quo des Wissensstands erheben zu kSnnen. FOr einen erfolgreichen Study Start-up sind z. B. umfangreiches Markt- und Klientenwissen notwendig, das oftmals durch Interviews beim Klienten erhoben werden muss - for das Problem Solving hingegen prim~ir Methodenwissen, 0ber das einzelne Berater verf0gen. Die skizzierten Beispiele zeigen auf, wie durch den Erstellungsprozess von Wissenskarten wesentlichen Wissensbest~inde und -tr~iger identifiziert werden. Im Ergebnis ist es die Aufgabe des Wissensmanagementprojektteams, for das DLFI-Netzwerk Wissensstrukturkarten zu erstellen, um Transparenz 0ber den materiellen Umfang des Wissens zu gewinnen. (3) W i s s e n s e r w e r b - bewusstes Lernen von Externen Wissenserwerb hat die Beschaffung von neuem organisationalen Wissen am Markt zum Gegenstand. Dies ist sinnvoll, wenn das Unternehmen bestimmtes erfolgskritisches Wissen nicht aus eigener Kraft generieren kann. 38 Dieses externe Wissen kann 0ber nachfolgende Quellen bezogen werden: 39

9

Qber den Erwerb von Wissen externer Wissenstr~iger (z. B. Einkauf von Expertenwissen oder Einstellung von Experten),

9

0ber den Erwerb von Wissen anderer Firmen (z. B. durch Kauf oder Fusion),

9

0ber den Erwerb von Stakeholderwissen (z. B. durch oder eine Aktivierung der Beziehungen zu Kunden) oder

9

0ber den Erwerb von Wissensprodukten (z. B. durch Einkauf von Beratungs- oder Informationsdienstleistungen).

Idealtypisch sollte im DLFI-Netzwerk der grS~te Teil des erfolgskritischen Wissens in Projektinteraktion mit den Kunden erworben werden. Dies gilt in besonderem Ausma~ for die Unternehmensberatung Strategy Partners. In Beratungsprojekten wird insbesondere Kunden-, Markt- und Projektwissen generiert, das fi3r nachfolgende Beratungsprojekte eingesetzt werden kann. Bei der Integration des auf diese Weise erworbenen Wissens ist die Integration in die organisationale Wissensbasis unproblematisch, da dieses Wissen in Interaktion mit dem Kunden erworben wurde und somit bereits bei der Generierung von den Mitarbeitern des DLFI-Netzwerks geteilt

38 Vgl. Romhardt (1998), S. 158. 39 Vgl. hierzu auch Probst/Raub/Romhardt(1999), S. 150.

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Warum es ein idealtypischesWissensmanagementnicht gibt

wurde. FOr die Optimierung des VVissenserwerbs sollte die Interaktion mit Kunden intensiviert werden, um den Prozess des Client Development zu verbessern. AIs Mal~nahme hierzu bietet sich an, nach Abschluss eines jeden Beratungsprozesses einen standardisierten Feedback-Prozess mit dem Klienten zu durchlaufen. Ferner sollten am Markt frei zug~ingliche Informationen fQr die T~itigkeitsbereiche des DLFI Netzwerks zentralseitig beschafft werden. Zudem wurde vom Projektteam empfohlen, durch das Marktforschungsinstitut des DLFI-Netzwerks regelm~il~ige Testk~ufe und Storechecks in deutschen Retail und Privatbanken durchzufQhren, um diese Daten auch for L~ingsschnittanalysen nutzen zu k0nnen. Methodenwissen sollte bei Strategy Partners durch projektweise Kooperation mit anderen Dienstleistungsunternehmen oder wissenschaftliche oder finanzdienstleistungsmarktspezifische Ver0ffentlichungen erworben werden. Das Projektteam schlug deshalb vor, die Verantwortlichkeit zur Beschaffung relevanter Ver5ffentlichungen direkt bei den Leitern der Kompetenzzentren anzusiedeln. Des Weiteren schl~igt das Projektteam in Zusammenarbeit mit den Gesch~iftsf0hrern vor, ein Beiratsmodell fQr das DLFI-Netzwerk zu installieren, um for die Entscheidungsprozesse des Netzwerkmanagements ein hinreichendes Ausmal~ an externem Wissen zur Verf0gung zu stellen. AIs Mitglieder for den Beirat wurden ausgew~hlte Experten und Entscheider aus der Financial Services Industrie vorgeschlagen.

(4) Wissensentwicklung - i m Vordergrund steht das erfolgskritische Wissen Wissensentwicklung umfasst die Generierung yon neuem organisationalen Wissen. Dies kann zum einen Wissen sein, das auFoerhalb der Organisation bereits vorliegt, jedoch for diese neu ist. Zum anderen kann es sich auch um Wissen handeln, das sowohl unternehmensintern als auch -extern noch nicht existent ist.4~ Die Wissensentwicklung steht in komplement~irer Beziehung zum Wissenserwerb. Die zentrale Okonomische Frage lautet: Welches Wissen sollte intern entwickelt werden, wenn es extern zugekauft werden kann? C)konomisch macht eine Eigenentwicklung Sinn, wenn die Kosten der internen Wissensentwicklung geringer sind als die Beschaffung dieses Wissens 0ber den Markt oder die Organisation aus strategischen Gr0nden die Kontrolle 0ber die Wissensentwicklung aus0ben mOchte. Idealtypisch stehen im DLFI-Netzwerk zwei Felder for die Wissensentwicklung im Vordergrund: die Weitentwicklung yon Wissen 0ber Kunden und die Erarbeitung yon Wissen zur LOsung komplexer Kundenprobleme. Zur Weitentwicklung yon Wissen 0ber Kunden wurde vom Projektteam empfohlen, im DLFI-Netzwerk regelm~il3ige Client Development Group-Meetings abzuhalten, in denen sich die Key Account Manager der jeweiligen Kunden treffen, um das individuelle Kundenwissen auszutau40 Vgl.hierzu und im folgenden Romhardt(1998), S. 187 ft.

Einf0hrung -Vision eines idealtypischenWissensmanagements

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schen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Um Wissen zur LSsung komplexer Kundenprobleme weiterzuentwickeln, wurde im DLFI-Netzwerk eine Corporate University eingerichtet, in der die Projektleiter der Unternehmen des DLFI-Netzwerks monatlich zusammenkommen, um 0ber Querschnittsthemen auf Basis eines ErSffnungsreferats zu diskutieren. FOr Themen, die sich auf Grund der Diskussionen in der Corporate University als besonders gesch~iftsrelevant erh~irten, sollten Kompetenzzentren gebildet werden, die jeweils von einem Projektleiter gef0hrt werden. Ein Kompetenzzentrum k5nnte bspw. zum Thema Vertriebsaktivierung gegr0ndet werden, das als Querschnittsthema for das DLFI-Netzwerk von gro6er Bedeutung w~ire. Strategy Partners zeichnete z. B. for die Erstellung der konzeptionellen Grundlagen for eine Vertriebsaktivierung verantwortlich, Classic Communications w0rde die interne Kommunikation erarbeiten, HR Services die Vertriebstrainings und IT Solutions ein CRM-System implementieren. (5) Wissensverteilung - Hol- und Bringschuld werden gelebt Die Wissensverteilung befasst sich mit den Fragen, wer was in welchem Umfang wissen sollte und wie die Prozesse der Wissensverteilung optimal zu gestalten sind. 41 Insbesondere for den Prozess der Wissensverteilung m0ssen motivationale Aspekte Ber0cksichtigung finden, da ohne die Bereitschaft der Netzwerkakteure ein Wissenstransfer nicht m5glich ist. In diesem Kontext sind sowohl extrinsische als auch intrinsische Anreize sowie deren Koordination von Bedeutung. 42

Idealtypisch sollte die Wissensverteilung im DLFI-Netzwerk durch eine Unternehmenskultur gest0tzt werden, die dem Wissenstransfer einen entscheidenden Stellenwert beimisst und eine Kultur des Vertrauens herstellt. Der wesentliche Anreiz for die Netzwerkakteure, am Wissenstransfer teilzunehmen, sollte im Austausch von n0tzlichem Wissen liegen. Zur F5rderung des Wissensaustauschs sollten verbindliche Regeln for die Netzwerkakteure definiert werden, die sich in einer Hol- und Bringschuld niederschlagen. Jeder Netzwerkakteur hat hiernach zum einen eine Holschuld, wenn es darum geht, fQr die Aufgabenerf011ung notwendiges Wissen im Netzwerk zu erlangen. Ben5tigt ein Mitarbeiter von Strategy Partners bspw. Wissen 0ber Marktforschungsinhalte, so ist er auf Grund der Holschuld angehalten, diese beim Netzwerkpartner Research Services anzufragen. Zudem obliegt jedem Netzwerkakteur die Bringschuld, Wissen, das for andere Netzwerkakteure relevant sein kSnnte, an diese zu Qbermitteln. Hat z. B. HR Services in einem Sales Training erfahren, dass ein Teilnehmer Bedarf nach PR-Leistungen hat, so hat der Mitarbeiter von HR Services die Verpflichtung, dieses Wissen an die Gesch~iftsf0hrung der Classic 41 Vgl.hierzu auch Romhardt(1998), S. 216. 42 Vgl.hierzu ausfQhrlicherFrey/Osterloh (2000), S. 19 ft.

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Warum es ein idealtypischesWissensmanagementnicht gibt

Communications weiterzugeben. Die Kombination von Hol- und Bringschuld nimmt bewusst Redundanzen in Kauf und versucht hierdurch, den Wissensaustausch der Netzwerkakteure zu fbrdern. Durch die explizite Formulierung der Hol- und Bringschuld haben die Netzwerkakteure die Mbglichkeit, innerhalb des DLFI-Netzwerks Wissen legitim einzufordern und Akteure, die Wissen bewusst vorenthalten, auf die Verletzung der Bringschuld hinzuweisen. Eine wiederholte Verletzung der Bringschuld kbnnte dann mit Sanktionen belegt werden. Die Kombination von Hol- und Bringschuld erscheint zwingend notwendig zu sein, weil ein Mitarbeiter oder ein Netzwerkunternehmen nur bedingt weirS, was er/es nicht weirS, d. h., welches Wissen zur Verbesserung der Wettbewerbsf~ihigkeit aufgebaut werden sollte. Gleichzeitig kbnnen Wissenstr~iger nur bedingt entscheiden, welches Wissen andere Mitarbeiter des Netzwerks oder andere Unternehmen innerhalb des Netzwerks benbtigen. Diese Unkenntnis ist im Wesentlichen in der Subjektivit~it und der Personengebundenheit der Ressource Wissen begr0ndet, die im Kapitel C ausf0hrlich thematisiert wird.

(6) Wissensnutzung- Lernen vom Anderen Wissensnutzung befasst sich mit der Frage, wie das organisationale Wissen im Sinne der Zielsetzung des Unternehmens effizient genutzt werden kann. In der Praxis ist es oftmals zu beobachten, dass kostenintensiv generiertes Wissen von den Mitarbeitern nicht in die Gesch~ftsprozesse eingebracht wird. 43 Stattdessen behalten diese ihre vertrauten ProblemlOsungen bei. In einem idealtypisch umgesetzten Wissensmanagement sind die Mitarbeiter und Netzwerkunternehmen jederzeit bereit und willens Problemlbsungen, so deren Uberlegenheit erwiesen ist, yon Partnern zu erlernen und anzuwenden. Der Wissenstransferprozess wird nicht von motivationalen, organisationalen oder technischen Barrieren beeinflusst und die Mitarbeiter haben die MOglichkeit, mittels technologischer Unterst0tzung oder durch ein ,,Learning by Doing" und/oder ein Lernen durch Beobachtung die benbtigten F~ihigkeiten innerhalb des Netzwerks zu erwerben. 44 Dies f0hrt dazu, dass Netzwerke einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil, der in der Vernetzung der Wissensbasen der einzelnen Netzwerkunternehmen liegen kann, nutzen kbnnen. Im Gegensatz zu Industrieunternehmen sind die Unternehmen des wissensintensiven DLFI-Netzwerks mit der regelm~irsigen Anwendung von neuem Wissen vertraut, da nur eine permanente Innovation der Dienstleistungen die 0berlebensf~higkeit je-

43 Vgl. Romhardt (1998), S. 247. 44 ExpliziteWissensbestandteile kbnnen mittels technologischer Unterst0tzung transferiert werden, for implizite Wissensbestandteile bietet sich das Lernen am Modell bzw. das Lernen durch Beobachtung an. Siehe hierzu ausf0hrlich die Ausf0hrungen im Kapitel C, sowie bei Blaich (2004).

Einf0hrung -Vision eines idealtypischen Wissensmanagements

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des einzelnen Netzwerkunternehmens sicherstellt. Bei wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen hat die Anwendung von neuem Wissen eine direkte 5konomische Wirkung. 45 Somit ist eine extrinsische Motivation zur Wissensnutzung oftmals gegeben, wenn es sich um im Dienstleistungserstellungsprozess verwertbares Wissen handelt. ,~,hnliches gilt for Kundenwissen, das auf der Ebene der Gesch~iftsf0hrer generiert wird. Die Nutzung dieses akquisitionsrelevanten Wissens erfolgt qua selbstinduzierter Akquisitionsmotivation durch die Gesch~iftsf0hrer. Um die Nutzung von neuem organisatorischem Wissen in netzwerkweiten Beratungsprojekten sicherzustellen, hat der jeweilige Projektleiter daf0r Sorge zu tragen, dass die im Team arbeitenden Mitarbeiter neues projektrelevantes organisatorisches Wissen for ihre Beratungst~itigkeit einsetzen. Diese Aufgabe ist allerdings im Idealzustand als leicht zu charakterisieren, da der Nutzen des neuen Wissens der neuen Probleml5sung bereits in der Anwendung demonstriert wurde oder anderweitig offensichtlich ist und zudem auf Grund der reibungslosen Wissensverteilung das Wissen auch f(3r jeden Einzelnen zug~ingig ist. Angesichts des antizipierten Nutzens der Wissensanwendung erfolgt der Erwerb und die Nutzung des neuen Wissens somit quasi v o n selbst. 46 AIs Coach steht der Projektleiter zur Anwendung des individuell neuen Wissens zur Verf0gung. Der Projektleiter wiederum ist gegen0ber den Gesch~iftsf0hrern for die inhaltliche Weiterentwicklung des Wissens verantwortlich. Die Nutzung von bestehendem organisationalen und for den einzelnen Mitarbeiter neuem Wissen wird somit durch das Learning by doing innerhalb der Projektteams sichergestellt.

(7) Wissensbewahrung -implizites Wissen einbeziehen Aufgabe der Wissensbewahrung ist die Selektion bewahrungsw0rdiger Teile der organisationalen Wissensbasis sowie deren Speicherung und regelm~il~ige Aktualisierung. 4~ Die Wissensbewahrung betrifft nicht nur Wissen des deklaratorischen Ged~chtnisses, das kodiert werden kann. Auch implizites Wissen erfordert Ma~nahmen der Bewahrung. Nur (kodiertes) explizites Wissen ist Informations- und Kommunikationssystemen (luK-Systemen) zug~nglich. Der wesentliche Teil der organisatorischen Wissensbasis des DLFI-Netzwerks hingegen liegt als implizites Wissen vor. Dieses Wissen ist an die Netzwerkakteure gebunden und kann nur durch pers~nliche Interaktion for andere Netzwerkakteure verf(~gbar gemacht werden. F(3r die Wissensbewahrung hat

45 Vgl. Mingers (2001), S. 150 f. 46 Siehe hierzu auch die Ausf0hrungen bei Blaich (2004), der in einer empirischen Erhebung in Franchisenetzwerken den positiven Einfluss des antizipierten Nutzens auf den Wissenstransfererfolg nachweisen konnte. 47 Vgl. Romhardt (1998), S. 273.

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Warum es ein idealtypischesWissensmanagement nicht gibt

dies zur Konsequenz, dass es im DLFI-Netzwerk in erster Linie darum geht, implizite Wissensbestandteile im gesamten Netzwerk verf0gbar zu machen, indem die Wissenstr~iger identifiziert werden k0nnen. Zur Identifikation der Wissenstr~iger sollten Wissenstr~gerkarten erstellt werden. Wissenstr~igerkarten werden in der Unternehmenspraxis oftmals auch als ,,Gelbe Seiten" oder Expertenverzeichnisse bezeichnet. Um Wissenstr~igerkarten erstellen zu k0nnen, ist es zum einen erforderlich, das Wissen, das die Wissenstr~iger anzeigen sollen, zu strukturieren. Hierf0r m0ssen Kategorien von Wissen gebildet werden - bspw. Fach-, Methoden- oder Kundenwissen sowie deren Auspr~igungen definiert werden. Zum anderen ist die Mitarbeit der Wissenstr~iger gefordert. Denn nur wenn die Mitarbeiter des DLFI-Netzwerks ihr implizites Wissen in den Wissenstr~igerkarten anzeigen, kann dieses identifiziert werden. Bei der Speicherung von explizitem Wissen sollte im DLFI-Netzwerk beachtet werden, dass zus~itzlicher Kodifizierungsaufwand weitestgehend vermieden wird, da dies die Bereitschaft der Mitarbeiter, Wissen zur Verf0gung zu stellen, zur0ckdr~ngt. Denn einem Mitarbeiter entstehen kurzfristig zwei Nachteile: Zum einen gibt er sein Wissensmonopol durch die Weitergabe des Wissens auf. Zum anderen f~llt bei ihm Aufwand f0r die Neuerfassung des bereits in expliziter Form vorliegenden Wissens an. Zus~tzlicher Kodifizierungsaufwand kann vermieden werden, indem prim~ir auf bereits erstellte Dokumente fokussiert wird und diese um Metainformationen erg~nzt werden, die eine strukturierte Dokumentenverwaltung erm(~glichen. Um allen Netzwerkakteuren Zugriff auf die Wissenstr~lgerkarten und das in elektronischer Form verf(3gbare Wissen zu erm5glichen, sollten s~mtliche Daten in einem intranetbasierten Wissensportal konsolidiert werden.

(8) Wissensbewertung- Basis fLir eingriffs-und lernorientiertes Controlling Aufgabe der Wissensbewertung ist es, den Erfolg des Wissensmanagements messbar zu machen. Hierzu sind spezielle Methoden erforderlich, um den Zielerreichungsgrad auf Ebene der normativen, strategischen und operativen Wissensziele evaluieren zu kOnnen. Die Erfolgsmessung ist Teil des Wissenscontrollings und die komplexeste Aufgabe des Wissensmanagements. Theoretisch m0sste eine objektive Messung der kontextgebundenen Ressource Wissen erfolgen und diese somit aus ihrem zeitlichen, situativen und persOnlichen Kontext herausgelOst werden. 48 Jedoch ist eine objektive direkte Messung von Wissen nach heutigem Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung nicht mOglich, so dass die Messmethoden oftmals eine indirekte Messung ~3ber Indikatoren vornehmen. 49 Trotz der Probleme der Wissensmessung gilt: Nur wenn sich Unternehmen um aussagef~hige Indikatoren und Bewer,,

48 Vgl. hierzu Romhardt (1998), S. 299. 49 Vgl. North/Probst/Romhardt(1998), S. 158.

Einf0hrung -Vision eines idealtypischenWissensmanagements

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tungsmal~st~be ihres Wissens bem0hen, kSnnen sie Wissensmanagement auch effektiv betreiben. Zudem ist es wesentlich, die wissensorientierten Bewertungskriterien direkt in den Anreizsystemen der Organisation zu verankern, um Verhaltens~nderungen bei den Mitarbeitern induzieren und steuern zu kSnnen. Um die Wissensmanagementaktivit~ten im DLFI-Netzwerk zu steuern, hat das Projektteam Richtlinien fQr die Wissensbewertung entwickelt. Diese sollen helfen zu beurteilen, ob die Wissensmanagementaktivit~iten den geplanten Erfolg erzielt haben, erheben jedoch nicht den Anspruch, den Erfolg des Wissensmanagements objektiv bewerten zu k5nne. Zum ersten gilt es, die Wissensmanagementaktivit~iten nach der Bedeutung der angestrebten Ziele zu bewerten. Auch wenn die Bestimmung von Zielerreichungsgraden for normative Wissensziele schwierig ist, so sollten dennoch Indikatoren hierf0r entwickelt werden. Ein einfacher Indikator sind bspw. die wissensmanagementspezifischen Investitionen. FOr die Messung der Zielerreichung der strategischen Wissensziele sollten pro Wissensbaustein Indikatoren entwickelt werden. Bspw. k5nnten for den Baustein der Wissensentwicklung die Anzahl der installierten Kompetenzzentren als Indikator herangezogen werden. Auf der operativen Ebene k5nnte wiederum for den Baustein der Wissensentwicklung gemessen werden, welche Wissensmanagementaktivit~ten stattgefunden haben. Hierbei ist jedoch zu berQcksichtigen, dass durch diese Indikatoren lediglich das quantitative Ausmal3 des Wissensmanagements bestimmt wird. Die Bewertung der Qualit~it des Wissens ist hingegen problematisch, da dessen Wert adressatenspezifisch ist. Standardisierte Befragungen (3ber den Nutzen des Wissensmanagements for die einzelnen Netzwerkakteure k5nnten hier ein Ansatzpunkt sein, um die adressatenspezifische Bewertung des Wissensmanagements n~herungsweise vornehmen zu kSnnen und f(3r das gesamte Netzwerk zu aggregieren.

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Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Barrieren des Wissensmanagements 2.1

Raster zur Identifikation der Barrieren

Drei Jahre nach der Entwicklung der idealtypischen Wissensmanagementkonzeption hat das MOTIWIDI-Projektteam den Erfolg der Wissensmanagementeinf0hrung im DLFI-Netzwerk evaluiert. Die Evaluation hat ergeben, dass die idealtypische Konzeption eines Wissensmanagements nicht umgesetzt werden konnte. Es erscheint nach bisherigem Forschungsstand problematisch, einen Idealzustand for ein Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken definieren zu kSnnen. Vielmehr besteht der Gestaltungsansatz darin, Barrieren zu identifizieren, die den Erfolg der Wissensmanagementaktivit~iten verhindern. 5~ Ziel des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken, wie auch in Organisationen generell, kann es nicht sein, ex ante einen Zielzustand zu definieren, sondern die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich quasi von selbst die optimale Generierung, Verteilung, Nutzung und Bewahrung von Wissen. einstellt. Das MOTIWIDI-Projektteam hat in der Folge auf Basis theoretischer und weiterer empirischer Forschungsergebnisse ein Raster zur Diagnose von Barrieren des Wissensmanagements entwickelt. Mit diesem Raster ist es mSglich, die Barrieren, die bei der Implementierung von Wissensmanagementl5sungen auftreten und die Erreichung des Optimalzustands verhindern k5nnen, vor der Einf0hrung zu diagnostizieren und in der Wissensmanagementkonzeption zu ber0cksichtigen. Das Diagnoseraster wurde aus der Struktur des Organisationsproblems abgeleitet, das in der Einleitung in Kapitel B vorgestellt wurde. Das Koordinationsproblem wird durch die kognitiven und technologischen Barrieren repr~sentiert. Das Motivationsproblem findet in den motivationalen Barrieren seine Entsprechung. Die kooperationsbedingten Barrieren erg~nzen das Diagnoseraster, um Barrieren erkennen zu k5nnen, die aus der Zusammenarbeit in der Organisationsform eines Netzwerks resultieren. Die nachfolgende Abb. B-4 stellt die Struktur des Diagnoserasters grafisch dar. Wie Abb. B-4 zeigt, unterscheidet das Diagnoseraster die Barrieren des Wissensmanagements nach der Ebene, auf der sie auftreten. Die kooperationsbedingten und die technologischen Barrieren sind auf der Ebene der Netzwerkorganisation angesiedelt und bed0rfen zu ihrer Diagnose keiner Individualanalyse, d. h., sie sind weitgehend unabh~ngig von den Eigenschaften einzelner Mitarbeiter wirksam. Zur Diagnose der

Vgl. hierzu auch die Ausf0hrungen in Kapitel E.1, in dem vorgestellt wird, wie das KoordinationsM~ngeI-Diagnosekonzept von Grossekettler als Ausgangspunkt der Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerkengenutzt wird.

Wissen

23

kognitiven und motivationalen Barrieren hingegen ist eine Individualanalyse erforderlich. Nur durch die Analyse der individuellen Vorg~nge bei der Verarbeitung von Wissen oder der Analyse des Entscheidungsprozesses, am Wissenstransfer teilzunehmen oder nicht, kSnnen die richtigen Ansatzpunkte zur Beeinflussung des individuellen Verhaltens identifiziert werden.

I Barrierendes I Wissensmanagements

I

I

]

I Organisationsebene I I

I

I KooperationsbedinIgte Barrieren

Abb. B-4:

I I

I TechnologischeI Barrieren

I

Kognitive Barrieren

Individualebene

I

I

I I Motivationale Barrieren

Barrieren des Wissensmanagements Spelsiek (2005).

2.2

Kooperationsbedingte

Barrieren

Die kooperationsbedingten Barrieren ergeben sich allgemein aus der Notwendigkeit, die Zusammenarbeit im Netzwerk bewusst abzustimmen und so zu regeln, dass diese auf ein Ziel hin ausgerichtet sind. Hieraus ergeben sich die aus der Kooperationstheorie bekannten Probleme. 51 In Bezug auf das Wissensmanagement hat das MOTIWIDI-Forschungsteam nachfolgende Probleme identifiziert, die von besonderer Relevanz fi3r den Erfolg des Wissensmanagements sind und als kooperationsbedingte Barrieren bezeichnet werden sollen: 9 ,,Hannemann-geh-Du-voran"-Problem (Installationsbarriere): Kein Netzwerkakteur macht den ersten Schritt und investiert spezifisch in gemeinsame Wissensmanagementaktivit~ten, da diese Investitionen riskante Vorleistungen darstellen und der hieraus resultierende Nutzen vom Verhalten der anderen Netzwerkakteure abh~ngt. Investiert ein Netzwerkunternehmen bspw. in den Ausbau einer gemeinsamen Wissensmanagementinfrastruktur und stellt sich nach dieser Investition heraus, dass sich die (3brigen Netzwerkakteure nicht (3ber die Modalit~ten eines gemeinsamen Wissensmanagements einigen kSnnen, verliert diese Investition einen Grol~teil des geplanten Wertes. Die Investition in gemeinsame Wissensmanagementaktivit~ten birgt f(3r den einzelnen Netzwerkakteur somit das Risiko des

51

Vgl. zu den Problemfeldern im Rahmen einer Kooperation Ahlert (1994), S. 27 ft.

24

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

vollst~ndigen Untergangs, solange keine Sicherheit 0ber das Verhalten der anderen Netzwerkakteure besteht. Das ,,Hannemann-geh-Du-voran"-Problem wird umso starker ausgepr~gt sein und gemeinschaftliche Wissensmanagementaktivit~ten verhindern, je geringer das gegenseitige Vertrauen der Netzwerkakteure ausgepr~gt ist. 9 Trittbrettfahrerproblem (Betriebsbarriere): Wurde ein funktionierendes Wissensmanagement installiert, versuchen die Netzwerkakteure, dieses zu nutzen, ohne einen Beitrag for die gemeinsamen Wissensmanagementaktivit~iten zu erbringen. Dieses Problem tritt insbesondere dann auf, wenn die Netzwerkakteure nicht von den Wissensmanagementaktivit~ten ausgeschlossen werden kSnnen, da es sich bei den Infrastrukturinvestitionen oder dem neu generierten Wissen um ein 5ffentliches Gut handelt. 9 Verteilungsproblem (Verteilungsbarriere: Verteilung des Ergebnisses der Installation und des Betriebs): Haben die Netzwerkakteure ein funktionierendes Wissensmanagement installiert und erste Nutzungserfolge realisiert, stellt sich die Frage, wie der erzielte Kooperationsgewinn verteilt werden soil. Insbesondere wenn das gemeinsam generierte Wissen nur durch gemeinschaftliche Leistungen der Netzwerkakteure erzielt werden kann und es sich somit um eine Teamproduktion handelt, besteht die Gefahr, dass ein Netzwerkakteur die anderen Akteure erpresst, um einen ungerechtfertigt hohen Anteil am Kooperationsgewinn for sich zu beanspruchen. 52 Die MSglichkeit der Erpressung resultiert hierbei aus der Tatsache, dass das Netzwerk das gemeinsame Wissen ohne die Mitarbeit dieses Netzwerkakteurs nicht hervorbringen kann. Nur wenn alle drei Arten kooperationsbedingter Barrieren 0berwunden worden sind, sind die organisatorischen Voraussetzungen for ein erfolgreiches Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken gegeben.

2.3

Technologische Barrieren

Wurde das Thema Wissensmanagement in seinen Urspr0ngen haupts~chlich von Softwareherstellern und der Informatik vorangetrieben, so r0ckt auf Grund vielf~ltiger R0ckschl~ige rein technikzentrierter Projekte zunehmend der Mensch in den Fokus des Wissensmanagements. Damit wird die Informationstechnologie auf den zweiten Platz im Wissensmanagement verwiesen. Dennoch darf die Rolle der Technologie bei der Unterst0tzung von Wissensmanagementkonzeptionen nicht untersch~tzt 52 Vgl.zum Erpresserproblemauch Ahlert (1994), S. 46.

wissen

25

werden, insbesondere im Rahmen organisatorischer Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Wissensmanagementsystemen (WMS). WMS sollen den Austausch von Informationen unterst0tzen und die Kommunikation zwischen Wissenstr~gern fSrdern. Aus der Vielzahl von Fehlschl~gen lassen sich Implikationen for die IT-Unterst0tzung des Wissensmanagements ableiten. Damit wird die Bedeutung derjenigen Technologien unterstrichen, die den kommunikativen Kontakt zwischen den Wissenstr~igern herstellt. Auch bei Technologien, die nicht prim~ir auf die Vermittlung zwischen Menschen abstellt, muss der Kommunikationsaspekt ber0cksichtigt werden. Neben der Forcierung von pers5nlichen Kontakten m0ssen die Inhalte der Systeme dynamisch auf den jeweiligen Benutzer zugeschnitten werden. Sowohl hinsichtlich seiner Vorbildung als auch bei der Darstellung ist die Personalisierung umso bedeutender, je komplexer die unterst0tzenden Technologien sind. Da Wissensmanagement und der Einsatz von Technologie keinen Selbstzweck darstellen, gilt es konkrete Ziele bei der Entwicklung von Instrumenten zu berecksichtigen. Der Einsatz sollte ganzheitlich sowohl die for die Unternehmensziele wesentlichen Wissensprozesse unterst0tzen als auch dem Anwender konkreten Nutzen stiften. Daher ist die Technologie in vorhandene Systeme und Arbeitsabl~ufe zu integrieren nicht nur um die Effizienz der Arbeitsabl~ufe, sondern auch um die Akzeptanz der Wissensmanagementl5sungen zu steigern. F0hrt die Nutzung der Systeme zu einem deutlichen Mehraufwand, ist der potenzielle Anwender nur schwer zur Nutzung zu bewegen. Damit ergibt sich die Implikation, dass neue Systeme m5glichst in vorhandene Umgebungen zu integrieren sind. Zusammenfassend k5nnen eine mangelnde Ber0cksichtigung des Nutzers, eine damit einhergehende Bedienerunfreundlichkeit sowie die Separierung von Wissensmanagementaktivit~ten von den regul~ren Gesch~ftsprozessen als technologischbedingte Barrieren des Wissensmanagements konstatiert werden. Die Informationstechnologie hat in der Vergangenheit zur Beschleunigung zahlreicher Prozesse im Unternehmen gef0hrt. Teilweise geht der Beitrag der IT aber 0ber diese Effizienzvorteile hinaus. So ergeben sich grunds~tzlich neue Herangehensweisen an Aufgaben der Informationssuche, -analyse und -interpretation durch Kombination von Verfahren des Text Minings, Clusterings und der Visualisierung. Daher wird in Zukunft der Wert der Technologie in den Verfahren liegen, die fundamental neue Arbeitsweisen ermOglichen. Informationstechnologie ist dann als Enabler zu verstehen.

26

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Eine weitere Herausforderung an die IT ist die Verwendung einer gemeinsamen Sprache im Unternehmen, 53 sowohl hinsichtlich der Verwendung einheitlicher Begriffe als auch technisch einheitlicher Metadaten und Klassifikationsschemata. Eine besondere Herausforderung ist in diesem Zusammenhang die automatisierte Identifikation von semantisch ~ihnlichen Begriffen, mittels derer sowohl die Qualit~t der Verschlagwortung von Dokumenten als auch die Qualit~it der Suche in externen Datenbanken erh5ht wird. Die Anforderungen des Wissens mQssen im Unternehmen erkannt werden. Damit gilt es, nicht s~mtliche Datenquellen wahllos anzubinden, sondern diejenigen Arten von Wissen technologisch zu unterstQtzen, die strategische Relevanz besitzen. Da ansonsten ein nicht unerheblicher Kategorisierungsaufwand anfiele und Suchergebnisse den Anwender mit irrelevanten Inhalten Qberlasten. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Absch~itzung der Relevanz von Wissen auf individueller Ebene bereits problembehaftet ist, aber auf Unternehmens- bzw. auf Netzwerkebene unmSglich erscheint, kSnnen eine automatische Klassifizierung und thematische Analyse das Problem mindern. Wissen bedarf einer Struktur. AIIgemein wird dieser Forderung im Rahmen von Wissensmanagementsystemen durch die Verwendung von Metadaten und Klassifikationsschemata versucht, gerecht zu werden. Insbesondere fQr I~ingere Texte existieren interessante Alternativen der automatischen Klassifizierung, wohingegen kQrzere Texte, wie sie in E-Mails vorzufinden sind, sich diesen Verfahren naturgem~iB sperren. Auch Methoden der kQnstlichen Intelligenz versprechen Fortschritte. Hinsichtlich der Strukturiertheit von Wissen bedarf es vor allem standardisierter Formate. Damit die Wissensbasis auch stets aktuelle Suchergebnisse fQr den Anwender liefert, mQssen die verwendeten Technologien einer 0beralterung der Informationen entgegenwirken. Es sollte eine automatische Bereinigung der Systeme von veralteten Dokumenten erfolgen. Da ansonsten eine Spirale abnehmender Qualit~t und der Nutzung der Systeme angestoBen wird. Die nachfolgende Abb. B-5 verdeutlicht durch einen sich selbst verst~irkenden Prozess, der in einer Todesspirale endet, welche gravierenden Konsequenzen ein mangelhafter Aktualisierungsprozess fQr den Erfolg eines Systems haben kann. 54 Typischerweise durchl~uft dieser Spiralprozess nachfolgende Schritte: Abnehmendes Vertrauen in die Datenqualit~it des Wissensmanagementsystems bewirkt bei den Mitarbeitern eine zurQckgehende Nutzung dieses Systems. Das Management, das

53 Siehehierzu auch die AusfQhrungen bei Blaich (2004), Kapitel C. 54 Vgl. hierzu auch Probst/Raub/Romhardt(1999), S. 316 f.

Wissen

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dessen Nutzung regelm~l~ig evaluiert, schliel~t aus der unbefriedigenden Nutzung auf eine abnehmende Bedeutung des Wissensmanagementsystems for die Gesch~iftsprozesse und somit den Unternehmenserfolg, weshalb es die Systeminvestitionen zur0ckf~hrt. Hiervon betroffen sind u. a. notwendige Investitionen in die Verbesserung der Zugriffsfreundlichkeit und in die Einf0hrung zielf0hrender Anreizsysteme for die Nutzung des Wissensmanagementsystems. Die aus Mitarbeitersicht unbefriedigenden Anreizstrukturen und/oder Zugriffsfreundlichkeit haben zur Folge, dass die Mitarbeiter noch weniger bereit sind, Datenaktualisierungen vorzunehmen, worunter die Datenqualit~it leidet. Auf Grund der sinkenden Datenqualit~it geht das Vertrauen in die Datenqualit~it, insbesondere deren Aktualit~it, zunehmend verloren, wodurch die Systemnutzung noch weiter zur0ckgeht. Dieser Effekt verst~rkt sich umso mehr, je geringer die Halbwertszeit der kodierten Wissensinhalte ist. Die Todesspirale endet, wenn das System von der Unternehmensf0hrung abgeschaltet wird. ... geht weiter zur0ck

... nimmt weiter ab .J "l

Nutzung des WJssensportals

1

Anreizsysteme und internes Marketing

Vertrauen in die Daten

J ... wird noch schlechter

Abb. B-5:

"1

Datenqualit~t

[..,

]"

... werden nicht entwickelt

Todesspirale eines Wissensmanagementsystems

In Anlehnung an Probst/Raub/Romhardt(1999), S. 316. 0berdies ist die Nutzerfreundlichkeit der Systeme sicherzustellen. Diese Forderung ist insofern problematisch, als dass der Nutzer bei der Verwendung von Suchmaschinen i. d. R. lediglich ein oder zwei Suchbegriffe eingibt und daher hohe Anforderungen an die M~ichtigkeit der Suche gestellt werden. Weiterhin kann durch die Benutzerf0hrung im System die zielf0hrende Formulierung von Anfragen erreicht werden. Die Teilnahme an der Nutzung von Wissensmanagementsystemen wird zudem durch die vorliegenden Machtverh~iltnisse im Unternehmen begrenzt. Nicht s~imtlichen Anwendern sollte s~mtliches Wissen zug&nglich sein, weshalb die Systeme dezidierte

28

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Rollen unter den Anwendern verteilen m0ssen, nach denen der Zugang zu den Datenquellen bestimmt wird.

2.4

Kognitive Barrieren

Kognitive Barrieren sind in mangelnden F~ihigkeiten der einzelnen f0r das Netzwerk agierenden Individuen begr0ndet. Zu unterscheiden sind hier Barrieren auf Seiten eines Wissenstr~igers, die einer Weitergabe seines Wissens im Wege stehen und zwischen Barrieren auf Seiten des Wissensempf~ngers, die der Aufnahme, Verarbeitung und Anwendung der 0bermittelten Informationen im Wege stehen. Auf Seite des Wissenstr~igers ist generell die mangelnde F~ihigkeit, das Wissen mitzuteilen ein Problem, welches im Normalfall insbesondere bei impliziten Wissensbestandteilen zum Tragen kommt. Die ber0hmte Feststellung von Polanyi, dass wir mehr wissen als wir zu sagen wissen, umschreibt diese Barriere in ausgezeichneter Weise. Das unseren Handlungen zu Grunde liegende Wissen ist vielfach so umfassend und komplex und teilweise impliziter Natur, 55 dass der Wissenstr~iger nicht in der Lage ist, dieses Wissen in Worte zu fassen und auf diese Weise anderen Personen zu vermitteln. Selbst wenn dieser UnmSglichkeit Rechnung tragend versucht wird, Wissen durch Demonstration und im Zuge eines Lernens durch Beobachtung zu vermitteln, ist der Erfolg eines Wissenstransfers von den F~higkeiten der Veranschaulichung und Demonstration des Wissenstr~gers abh~ingig. Nach Bick, Hanke und Adelsberger beruht eine mangelnde Teilungsf~higkeit neben dieser mangelnden Kommunikations- und Interaktionsf~higkeit auch auf fehlender Gewohnheit und fehlender Wissensstreuung. 56 In diesem Zusammenhang ist auch die Unkenntnis von Wissenstr~igern zu ber0cksichtigen, welches Wissen f0r andere Netzwerkakteure sinnvoll sein kSnnte, welches Wissen dementsprechend geteilt werden sollte und welches nicht. AIs kognitive Barriere auf Seiten des Wissenstr~igers ist somit eine mangelnde F~higkeit zur Demonstration oder Beschreibung des zu 0bermittelnden Wissens in Kombination mit einer Unkenntnis, der Relevanz von Wissen f0r andere Netzwerkmitglieder zu konstatieren. Von wesentlich gravierenderer Bedeutung erscheinen jedoch die kognitiven Barrieren auf Seiten eines Wissensempf~ingers. Eine mangelnde Aufnahmef~ihigkeit kann hier

Zur Unterscheidung impliziter und expliziter Wissensbestandteile sei an dieser Stelle auf die grundlegenden begrifflichen Erl~uterungenin Kapitel C verwiesen. Vgl. Bick/Hanke/Adelsberger(2003).

Wissen

29

einerseits motivational bedingt sein, insbesondere k6nnen aber eine mangelnde Aufnahme- und eine mangelnde Anwendungsf~ihigkeit den Wissenserwerb und die Wissensanwendung beeintr~ichtigen. 57 Ein Individuum muss eine Vielzahl von Reizen der Umwelt verarbeiten, es konstruiert sich aus diesen ein individuelles Abbild seiner Umgebung. Dutch die Subjektivit~t dieses Konstruktionsprozesses kann es zu unterschiedlichen Defiziten im Hinblick auf den Wissenstransfer kommen. Grunds~itzlich besteht die Gefahr, dass ein Wissensempf~nger auf Grund von 0berlastung und/oder physiologisch bedingter Eigenschaften an ihn gerichtete Informationen und Nachrichten nicht wahrnimmt und dementsprechend kein Wissen rekonstruieren und somit auch die darauf basierenden F~ihigkeiten nicht anwenden kann. 58 Information Overload

Beim Mensch als ,,Informationsfresser" ist der potenzielle Wissenshunger wesentlich gr61~er als seine Verarbeitungsf~ihigkeiten. s9 Angesichts der eingangs erl~uterten Entwicklungen im Bereich moderner Informationstechnologien und dem in diesem Zuge scheinbar unendlichen Informationsangebot, kommt es zu einer zunehmenden 0berlastung des Individuums. Diese ist in der sich weitenden Schere zwischen gleich bleibender Aufnahme- und Verarbeitungskapazit~t einerseits und dem exponenziellen Wissenswachstum, kognitiver Komplexit~it und semantischer Umweltverschmutzung andererseits begr0ndet. Allein die t~iglich zu bew~iltigende Flut von E-Mails, welche durch die beliebte Funktion des Weiterleitens an cc: und durch eine gro~e Menge von ungew0nschten Werbebotschaften extrem gesteigert wird, kann als eine wesentliche Grundlage des Scheiterns eines Wissenstransfers gesehen werden. Dies best~itigten zahlreiche F0hrungskr~fte in pers6nlichen Gespr~ichen, die einen enormen Anteil ihrer Arbeitszeit mit der Bearbeitung von E-Mails zubringen. In Bezug auf den Wissenserwerb sind letztlich auch die Intelligenz und Lernf~ihigkeit sowie das Vorwissen des Empf~ingers zu ber0cksichtigen. Die Intelligenz und Lernf~higkeit ist neben der Wahrnehmung der entscheidende Faktor for die Verarbeitung aufgenommener Informationen und damit auch for deren Anwendung. In Bezug auf das Vorwissen ist festzuhalten, dass die bestehenden Wissensstrukturen einen Einfluss auf den Wissenserwerb des Empf~ngers haben k6nnen. 6~ Ein Wissensempf~inger, der bisher in keinster Weise wirtschaftliche Grundkenntnisse erworben hat, wird sich ungleich schwerer mit der Verarbeitung von Informationen ~3bervolkswirtschaftli57 Vgl.SchOppel(1996), S. 124 ft.; Bick/Hanke/Adelsberger(2003); Blaich (2004). 58 Vgl. Sch0ppel (1996), S. 124 f. 59 Ein ~hnliches Beispiel findet sich bei Sch0ppel (1996), S. 127. 60 Zum Einfluss des Vorwissens siehe die Ausfi3hrungen bei Blaich (2004).

30

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

che Zusammenh~inge tun als ein in wirtschaftlichen Zusammenh~ingen zumindest grundlegend geschulter Empf~inger. Die Bedeutung des Vorwissens darf allerdings nicht 0bersch~itzt werden und kann in gewissen Konstellationen auch einen negativen Einfluss auf den Erfolg eines Wissenstransfers aus0ben. 61 AIs weiteres Problem auf Seiten des Wissensempf~ingers wird die mangelnde F~ihigkeit zur Bewahrung des Wissens angef0hrt. Derjenige, der Wissen erworben hat, der Wissen anwenden kann, kann dieses schnell wieder verlernen mit dem Effekt, dass die Probleml5sungsf~higkeit dem Netzwerk nicht mehr zur Verf0gung steht. Eine mangelnde Anwendbarkeit bzw. fehlende Gelegenheiten zur Anwendung von Wissen k5nnen dementsprechend auch als eine Barriere des nachhaltigen Erfolgs eines Wissenstransfers angesehen werden.

2.5

Motivationale Barrieren

Das Motivationsproblem besteht darin, die Netzwerkakteure zur Erf011ung der Wissenstransferaufgaben zu bewegen, was nicht notwendigerweise kongruent zu deren individuellen Zielen sein muss. 62 Grunds~itzlich besteht das Motivationsproblem beim Wissenssender und -empf~nger. Von gr513erer praktischer Bedeutung ist jedoch die 0berwindung des Motivationsproblems des Senders, da hier im Gegensatz zum Empf~inger wesentlich h5here motivationale Barrieren auftreten. Denn der Sender muss Wissen abgeben, wohingegen der Empf~inger Wissen erh~ilt. Jedoch wird auch der Wissensempf~inger nicht automatisch motiviert sein, Wissen zu erlernen und insbesondere dieses Wissen auch anzuwenden. 63 Ein Wissenstransfer ist aber nur dann als erfolgreich zu bezeichnen, wenn das erlernte Wissen auch angewendet wird. Hierbei wird der Wissensempf~nger das transferierte Wissen umso wahrscheinlicher anwenden, je h5her dessen antizipierter Nutzen ist und die Wahrscheinlichkeit, dieses auch erfolgreich anwenden zu k~nnen. 64 Der sendende Netzwerkakteur, der in den nachfolgenden AusfQhrungen im Vordergrund steht, wird nur dann am Wissensmanagement teilnehmen, wenn ihm das Netzwerk Anreize for die Teilnahme in einem Ausmal~ gew~ihrt, das den in seiner Wahrnehmung geleisteten Beitr~igen mindestens entspricht. Die wesentlichen Beitr~i-

61 Siehe hierzu ausf0hrlich die empirische Untersuchung zum Wissenstransfer in Franchisenetzwerken bei Blaich (2004). 62 Vgl. Heppner(1997), S. 7 ff.; Thiel (2002), S. 3. 63 VgloBandura (1986), S. 68: ,,Peopledo not enact everythingthey learn". 64 Vgl. Blaich (2004), S. 91 ft.

Wissen

31

ge, die die Netzwerkakteure vonder Teilnahme am Wissenstransfer abhalten, k0nnen auf Grund von Untersuchungen des MOTIWIDI-Forschungsprojekts auf zwei motivationale Barrieren reduziert werden: 65 9

Zeitverlust, der durch die Teilnahme am Wissenstransfer entsteht,

9

Machtverlust, der mit der Preisgabe von Wissen einhergeht.

Die 0berwindung dieser motivationalen Barrieren ist for den Erfolg des Wissensmanagements essenziell, da ein wesentlicher Teil des Netzwerkwissens in Form von implizitem Wissen an die Netzwerkakteure gebunden ist und ohne deren Transferbereitschaft nicht for das Netzwerk genutzt werden kann. In Unternehmensnetzwerken gewinnt die motivationsorientierte Steuerung im Vergleich zu hierarchischen Organisationen noch an Bedeutung, da das Netzwerkmanagement eber ein geringeres Ausmal~ an Weisungsbefugnissen gegenQber den Netzwerkakteuren verfQgt. 66 Die Netzwerkakteure k0nnen eigenst~:indig entscheiden, ob sie am Wissenstransfer teilnehmen oder nicht. Bei Zieldivergenzen zwischen dem Netzwerkmanagement und den Netzwerkakteuren kann dieser diskretion~re Handlungsspielraum dazu fQhren, dass sich die Netzwerkakteure opportunistisch verhalten. Halten Netzwerkakteure bspw. ihr pers0nliches Wissen zur0ck oder blockieren gemeinsame Wissenstransferaktivit~ten, kann das Unternehmensnetzwerk die Nutzenpotenziale des Wissenstransfers nicht realisieren und vergibt eine Profilierungschance im Wettbewerb. 67 Die L5sung von Motivationsproblemen erfolgt oftmals isoliert aus einer 5konomischen oder einer psychologischen Perspektive. 68 Vertreter der 5konomischen Perspektive fokussieren auf die Induzierung extrinsischer Motivation und empfehlen eine Steuerung auf Basis extrinsischer Anreize. AIs geeignete Anreize zur F5rderung des Wissensmanagements werden Sach- oder Geldpr~mien angesehen. Vertreter der psychologischen Perspektive stellen prim~ir auf intrinsische Anreize ab und setzen auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen zur F0rderung der intrinsischen Motivation. 69 Intrinsische Anreize resultieren unmittelbar aus der HandlungsausfQhrung. Extrinsische Anreize sind weniger tt:itigkeitsbezogen und stehen in einer MittelZweck-Beziehung zur Handlung. Die Handlung (Mittel) wird vom Netzwerkteilnehmer

65 Vgl. hierzu Spelsiek (2005), S. 112 ft. 66 Vgl. hierzu Ahlert (2001), S. 45 ft.; Ahlert/Evanschitzky (2003), S. 410. 67 Vgl. hierzu Ahlert (2001), S. 47 f. 68 Vgl. hierzu Frey (1997); Frey/Osterloh (1997), S. 308 ft.; Frey/Jegen (2001), S. 589 ft.; Benabou/Tirole (2003), S. 489; Sliwka (2003), S. 293 ft. 69 Vgl. Frey (1997); Frey/Osterloh (1997), S. 308 ff.; Frey/Jegen (2001), S. 589 ft.

32

VVissensmanagement aus Netzwerkperspektive

auf Grund des extrinsischen Anreizes (Zweck) ausgef0hrt. ~~ Insbesondere for den Transfer von Handlungswissen ist intrinsische Motivation bedeutend, da dieses Wissen auf Grund seiner impliziten Bestandteile nicht vollst~indig expliziert werden kann, was zu Bewertungsproblemen f0hrt und in der Konsequenz eine Steuerung durch extrinsische Motivation nahezu unmbglich werden I~isst.~1 Fraglich ist letztendlich, welche Motivationsinstrumente in welcher Kombination zur Anreizsystemgestaltung eingesetzt werden sollten, um die Netzwerkakteure zum Transfer ihres persbnlichen Wissens zu motivieren. Mit personellen und strukturellen Motivationsinstrumenten stehen hierzu grunds~tzlich zwei Arten von Instrumenten zur Anreizsystemgestaltung zur Verf0gung. Personelle Motivationsinstrumente werden eingesetzt, um eine 0berbr0ckung von Zieldivergenzen zwischen dem Netzwerkmanagement und den Netzwerkakteuren durch eine personenindividuelle Gew~hrung von extrinsischen Anreizen zu erreichen. Hierbei kbnnen positive und negative extrinsische Anreize unterschieden werden. 72 Personelle Motivationsinstrumente zielen somit auf den einzelnen Netzwerkakteur ab. Sie stellen oftmals das ausschlie~liche Instrumentarium zur Gestaltung von Anreizsystemen d a r - strukturelle Motivationsinstrumente werden vielfach nicht ber0cksichtigt. 73 Strukturelle Motivationsinstrumente gew~ihren den Netzwerkakteuren im Gegensatz zu personellen Motivationsinstrumenten keine direkten (extrinsischen) Anreize, sondern entfalten eine indirekte motivationale Wirkung, indem sie eine Arbeitssituation schaffen, die zur Attribution intrinsischer Motivation bei der Aufgabenerf011ung f0hrt. Strukturelle Motivationsinstrumente beziehen sich auf die generelle Arbeitssituation (bspw. Erhbhung der Handlungsautonomie) und adressieren eine Vielzahl von Organisationsteilnehmern. Sie wirken Iosgelbst von einzelnen Netzwerkakteuren als grunds~itzliche institutionelle Regelungen. TM Nur wenn es gelingt, die richtigen personellen und strukturellen Motivationsinstrumente zur 0berwindung der motivationalen Barrieren einzusetzen, kbnnen die Netzwerkakteure zur Teilnahme an den Wissensmanagementaktivit~ten bewegt werden. Gelingt dies nicht, f0hrt der von den Netzwerkakteuren wahrgenommene Zeit- und Machtverlust dazu, dass Wissenstransferaktivit~ten unterbleiben. FOr die 0berwindung der motivationalen Barrieren gilt es, die bkonomische und psychologische An70 Vgl. Schiefele/Kbller (2001), S. 304 ft. 71 Vgl. Frey/Osterloh (2000), S. 36 f. 72 Negative extrinsische Anreize kbnnen auch als Sanktionen bezeichnet werden. Vgl. hierzu Frey/Osterloh (1997), S. 308. 73 Vgl. hierzu die Kritik von Frese (2000), S. 182. 74 Vgl. Jost (2000b), S. 523.

Wissen

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reizperspektive zu integrieren, um eine optimale Kombination von extrinsischen und intrinsischen Anreizen zu erzielen. Beachtet werden muss bei der Zusammenstellung geeigneter Motivationsinstrumente die potenziell negative Wirkung extrinsischer Anreize auf die intrinsische Motivation der Netzwerkakteure, die in der Literatur auch als Korrumpierungseffekt bezeichnet wird. ~5 Oftmals wird das Motivationsproblem auch insofern vereinfacht, als dass lediglich die Anreize, die die Netzwerkakteure f0r die Teilnahme am Wissenstransfer erhalten, thematisiert werden. Die zu leistenden Beitr~ige (bspw. Zeitaufwand oder Machtverlust) werden bei der Anreizsystemgestaltung vernachl~issigt, obwohl ihnen for die Teilnahmeentscheidung eine wesentliche Bedeutung zukommt. 76 Resultiert das Motivationsproblem prim~ir aus den vom Wissenssender zu entrichtenden Wissenstransferbeitr~igen, ist es nicht effektiv, bei der Mal~nahmenentwicklung auf die Anreize zu fokussieren. Zudem sind f0r die 0berwindung der motivationalen Barrieren situative und personelle Spezifika zu beachten, die eine empirisch abgesicherte Entwicklung von Anreizsystemen erfordern. ~ Letztlich kann nur durch einen verhaltenswissenschaftlichen Problemzugang der Entstehungszusammenhang von Motivation hinreichend erkl~rt und das Steuerungsproblem gelbst werden, z8 Die Herausforderung besteht darin, verhaltenswissenschaftlich abgesicherte Gestaltungsempfehlungen zur motivationsorientierten Steuerung des Wissenstransferverhaltens ableiten zu kbnnen. Nicht nur in der Praxis bleibt diese Anforderung in vielen F~illen unber0cksichtigt, was zur Anwendung von vermeintlichen Patentrezepten f0hrt, die ihre intendierte Motivations- respektive Steuerungswirkung nicht entfalten. ~'9

75 Vgl. zum Verdr~ngungseffekt Wiersma (1992), S. 101 ft.; Tang/Hall (1995). 76 Vgl. hierzu Adelsberger/Bick/Hanke (2002), So 531 ft.; Willke (2002), S. 54 f. 77 Vgl. Winter (1997), S. 626; Frese (2000), S. 155. 78 Vgl. Steinmann (1997), S. 588; Kniehl (1998), S. 3 ft.; Frey/Benz (2001), S. 25 f. 79 Vgl. hierzu Kohn (1993), S. 54 ft.; Gneezy/Rustichini (2000), S. 791 ft.; Fehr/Falk (2002), S. 687 ft.

C.

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Ziel der Systemf0hrung von Unternehmensnetzwerken muss es sein, die im vorherigen Kapitel aufgezeigten Barrieren zu beseitigen. Ausgehend davon, dass ein funktionierendes Wissensmanagement ein, wenn nicht der Erfolgsfaktor for Unternehmensnetzwerke ist, erscheint es verwunderlich, dass die tats~ichliche Verbreitung von Wissensmanagementsystemen in der Unternehmenspraxis und speziell in Unternehmensnetzwerken bisher eher gering ist. Es stellt sich die Frage, ob Defizite im Wissensmanagement der Hauptgrund sind, warum die eigentlich zu erwartende Verbreitung von Unternehmensnetzwerken unterbleibt.

Wissensmanagement als Bestandteil der Unternehmensf(ihrung In einer empirischen Untersuchung des Instituts for Handelsmanagement und Netzwerkmarketing im Marketing Centrum MOnster an der Wesff~ilischen WilhelmsUniversit~it MQnster im Jahre 2002 wurden mehrere tausend Unternehmen des Dienstleistungssektors hinsichtlich ihres internen Wissensmanagements befragt. Bei den antwortenden Unternehmen aus verschiedenen Dienstleistungsbereichen wurde festgestellt, dass die Ressource Wissen in diesen Unternehmen bisher eher stiefm0tterlich behandelt wird. Die Frage ,,Verf0gt Ihr Unternehmen 0bet ein Gesamtkonzept for das Management der Kenntnisse und Ft:ihigkeiten der Mitarbeiter" beantworteten nur gut dreil~>ig Prozent der Unternehmen mit ,,Ja". In Anbetracht der Tatsache, dass mehr als 75 % der befragten Unternehmen ihre Leistung nicht eigenst~indig sondern in einer Kooperation mit anderen Unternehmen erbringen, bieten die Ergebnisse auch einen R0ckschluss hinsichtlich der Verbreitung yon Konzepten zum Wissensmanagement in Untemehmensnetzwerken. In Franchisenetzwerken stellt das Management der Ressource Wissen ein wesentliches Standbein des Gesch~iftskonzepts dar, Franchising wird sogar als Kapitalisierung von Wissen bezeichnet. Dennoch kann festgestellt werden, dass einige Systeme der Gestaltung des Wissensmanagements nicht die entsprechende Bedeutung beimessen: ,,Unsere Franchisenehmer m0ssen nichts wissen, sie sollen unser Konzept eins zu eins umsetzen und sich an unsere Vorgaben halten." (,~,ul~erung eines Expansionsleiters eines Franchisesystems im Rahmen eines Expertengespr~ichs). Eine Einstellung, die nach Ansicht der Autoren nicht zum Erfolg dieses Netzwerks in der Zukunft beitragen wird. Die aufgezeigten Barrieren sind sicherlich als ein wesentlicher Grund for die geringe Verbreitung von Wissensmanagementl5sungen anzusehen. Dar(3ber hinaus ist zu vermuten, dass die Bedeutung der Ressource Wissen for die Leistungserstellung in Netzwerken vielfach unbekannt sind.

Wissen

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Ziel der folgenden Ausf0hrungen ist es deshalb, die begrifflichen Grundlagen des Wissensmanagements eingehend zu erl~iutern und aufzuzeigen, welche Aufgaben ein Wissensmanagement allgemein und in Unternehmensnetzwerken zu erf011en hat. Die Erl~uterungen bilden zusammen mit den Ausf0hrungen in Kapitel E die Basis f0r die Vorstellung und das Verst~ndnis der MSglichkeiten zur 0berwindung der Barrieren des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken.

1.

Wissen

1.1

Wissen in der Wissenschaft

AIs Basis einer eingehenden Analyse der organisatorischen, technologischen, motivationalen und kognitiven Einflussfaktoren des Wissenstransfers ist es notwendig, eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, was unter Wissen zu verstehen ist. 8~ Anschliel~end kann gekl~rt werden, was unter dem Management der Ressource Wissen und was unter dem Wissenstransfer als wesentlichem Bestandteil des Wissensmanagements zu verstehen ist. Insofern wird im Folgenden, aufbauend auf einer Vorstellung verschiedener Perspektiven und bestehender Begriffsverst~ndnisse, ein f0r die weiteren Ausf0hrungen grundlegendes Wissensverst~ndnis entwickelt. In Anbetracht von mehreren tausend B0chern und einer noch wesentlich grSI3eren Menge von Aufs~itzen und Beitr~gen in wissenschaftlichen sowie praxisorientierten Zeitschriften zum Thema Wissensmanagement ist es zu erwarten, dass sich ein allgemein g01tiges Verst&ndnis des Wissensbegriffs gebildet hat. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall. 81 Ganz im Gegenteil wird ein Problem des Wissensmanagements darin gesehen, dass das Kernelement ,,Wissen" bis dato nicht verstanden wurde. 82 Manche Forscher sind gar 0berrascht, ,,wie wenig Wissen selbst zum Gegenstand der Debatte gemacht wird. ''83 Scheinbar haben die Forscher Schwierigkeiten, das zu konkretisieren, was inhaltlich unter dem f0r die Arbeiten zum Management der Ressource Wissen zentralen Begriff zu verstehen ist. 84

80 Leser mit fundierten Kenntnissen im Bereich des Wissensmanagements und von Unternehmensnetzwerken k5nnen das Kapitel C und D dementsprechend querlesen oder 0berspringen und nur im Bedarfsfall bei der Lekt0re des Kapitels E zur0ckbl~ittern. 81 Vgl.AI-Laham (2003), S. 23 ft.; Pawlowsky (1994), S. 184; Aulinger/Fischer (2000), S. 644. 82 Vgl. Lueg (2002), S. 4: ,,It does not come as a big surprise that it is difficult to manage something we haven't understood yet." 83 Schreyt~gg/Geiger(2003), S. 8. 84 Vgl.Alvesson/Kt=irreman(2001), S. 998.

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Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissen in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen 85

In der Philosophie besch~iftigt sich insbesondere die Episternologie 86 rnit der Theorie des Wissens. 87 Wissen wird rnit wahrer Erkenntnis oder Einsicht gleichgesetzt, s8 Den Kern der Diskussion bilden dabei die Fragen des Sokrates: Wozu sollen wir wissen, was Wissen ist? Wie k~nnen wit wissen, was Wissen ist? Was wissen wit vorn Wissen? s9 Dabei wird Wissen vorn Meinen und Glauben dadurch unterschieden, dass das, was eine Person glaubt, den Tatsachen entsprechen muss, urn als Wissen zu gelten. 9~ Nicht jeder Glaube, sondern lediglich der wohlbegrOndete Glaube wird als Wissen gewertet. In der Nachfolge Sokrates begr0ndeten Platon (427-347 v. Chr., Sch01er des Sokrates) rnit dern Rationalisrnus und dessen Sch01er Aristoteles (384322 v. Chr.) rnit dern Empirisrnus die zwei vorherrschenden erkenntnistheoretischen Paradigrnen der westlichen Episternologie. Nach der Auffassung des Rationalisrnus existiert ein apriorisches Wissen, das durch Iogisches Denken erschlossen wird und nicht dutch Sinneswahrnehmungen. Der Ernpirisrnus hingegen sieht die Sinneswahrnehmung als einzige Quelle des Wissens. 91 In der Psychologie wird der Wissensbegriff weniger erkenntnistheoretisch gesehen, sondern irn Zusarnrnenhang mit der Erforschung des rnenschlichen Denkens, F0hlens und Verhaltens benutzt. Unter definitorischen Aspekten stehen eine Abgrenzung von Wissen und Inforrnationen, die Anwendungsorientierung yon Wissen sowie der Zusarnrnenhang yon Wissen, Wahrnehrnung und Sprechen irn Vordergrund psychoIogischer Bem0hungen. 92 Soziologen besch~ftigen sich mit der Thematik des Wissens im Zusammenhang mit der Analyse sozialer Systeme. 93 Untersucht wird die Beeinflussung des individuellen Konstrukts ,,Wissen" durch den sozialen Kontext.

Vgl. Blaich (2004), S. 21 ft. sowie die dort angegebenen Quellen, insbesondere Neumann (2000), S. 53ff. 86 Die Wissenschaftslehre, Erkenntnistheorie. 87 Vgl.Weissenberger-Eibl (2000), S. 21. 88 Vgl.Albrecht (1993), S. 34 f.; Br0ggen (1974), S. 1723 fro 89 Vgl. Romhardt (1998), S. 48, dort zitiert Platon (1989). 90 Vgl. Neumann (2000), S. 54. 91 Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 32 ft.; siehe auch Spelsiek (2005), S. 9. 92 Vgl. Mandl/Spada (1988); Mandl/Friedrich/Hron (1998), S. 123 ff. 93 Vgl.Willke (1998); Willke (2001); Romhardt (1998), S. 48.

Wissen

37

Auf soziologische Urspr0nge ist auch die Ausweitung des Wissensbegriffs Qber ,,wissenschaftliches" Wissen hinaus sowie der Aspekt der Verkn0pfung von Wissen und Handeln zur0ckzuf0hren. 94 In der Informatik wird in einer weit gefassten Wissensdefinition unter Wissen die Gesamtheit der im menschlichen Gehirn fixierten Inhalte verstanden (Objekte, Ereignisse, Personen, Handlungsanweisungen etc.). 95 Bevor Wissen for eine automatisierte informationstechnologische Verarbeitung genutzt werden kann, muss dieses Wissen vom Wissenstr~iger expliziert werden. Angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Verst~indnisse und Zug~inge zum Wissen innerhalb und zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wird deutlich, dass es kein disziplin0bergreifendes Wissensverst~ndnis gibt, nicht einmal innerhalb einzelner Wissenschaftsdisziplinen herrscht Einigkeit. Eine Gemeinsamkeit I~isst sich allerdings hinsichtlich der jeweils vertretenen wissenschaftstheoretischen Grundposition erkennen. Es kann hier zwischen einer kognitivistischen und einer konstruktivistischen Grundposition unterschieden werden. 96 97

Die kognitivistische Perspektive geht von einer objektiv gegebenen Realit~t aus. Wissen wird als Repr~isentation dieser Realit~it aufgefasst. Aufgabe des Gehirns ist es, diese objektive Realit@t m5glichst exakt wahrzunehmen und zu speichern. 98 Diese kognitivistische Position I~sst sich zur0ckf0hren auf die wissenschaftstheoretische Grundposition des Empirismus, der die Erfahrung einer gegebenen Welt als Grundlage von Wissen sieht. 99 Wissen ist universell und weil eine einzige objektive Realit&t existiert, kann somit auch nur eine einzige korrekte Abbildung dieser Realit~t existieren. 1~176 Im Sinne eines kognitivistischen Verst~ndnisses liegt Wissen explizit vor oder kann kodifiziert werden und ist leicht transferierbar. 1~

Im Sinne des Konstruktivismus ist die Umwelt, die wir wahrnehmen, unsere Erfindung. 1~ AIs Argument gegen den Realismus und den daraus abgeleiteten Kogniti-

94

Vgl. hierzu ausf0hrlich Neumann (2000), S. 56 ft.

95 Vgl. Teubner (2003), S. 16 und die dort angegebenen Quellen. 96 Vgl. von Krogh (1998), S. 134. 97 Vgl. Thiel (2002), S. 19. 98 von Krogh (1998), S. 134; siehe auch von Krogh/Roos (1995), S. 12 ft. 99 Vgl. Scherer (2002), S. 6. 10o Vgl. von Krogh (1998), S. 134; Thiel (2002), S. 10. 101 Vgl. Thiel (2002), S. 10. 102 Vgl. von Foerster (1973).

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Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

vismus fOhrt von Glaserfeld an, dass es keinen Test gibt, der Sicherheit gibt, dass die wahrgenommenen Abbildungen der tats~ichlichen Realit~it entsprechen. 1~ Der Konstruktivismus ist eine Theorie des Wissens und nicht eine Theorie des Seins; es ist nicht Ziel des Konstruktivismus, eine Aussage zu treffen, ob etwas existiert oder nicht. 1~ Nach Maturana und Varela nimmt das Gehirn keine Informationen aus der Umwelt direkt auf, sondern generiert selbst die Informationen, die es verarbeitet. 1~ Wissen ist stets nur eine modellierte bzw. konstruierte Wirklichkeit, ist prinzipiell immer unvollst~indig und ist immer nur Wissen 0ber etwas oder jemanden. 1~ Wissen ist die Summe aller Vorstellungsinhalte, die ein Individuum 0ber sich und die umgebende Umwelt besitzt und ist daher immer vorl~iufig. 1~ Wissen im konstruktivistischen Sinn ist somit personengebunden, nicht einfach zu verbalisieren und dementsprechend schwierig transferierbar.

Praxisbeispiel kognitivistisches vs. konstruktivistisches Wissensverst~indnis Zwei Analysten in einer Research-Abteilung eines Bankhauses sind mit einigen gesamtwirtschaftlichen Indikatoren konfrontiert und sollen eine Erkl~irung der Ver~inderungen dieser Indikatoren und eine Prognose der zuk0nftigen Entwicklung erstellen. Einem kognitivistischen Wissensverst~indnis folgend sollten die beiden - vergleichbare Ausbildung und Verf0gbarkeit gleicher Tools vorausgesetzt- zu identischen Ergebnissen kommen. Ihr Wissen 0bet die Zusammenh~inge und die darauf basierende Prognose ist ein Spiegel der Realit~it und wird somit unabh~ingig vom beobachtenden Subjekt iclentisch sein. Nach konstruktivistischer Interpretation hingegen ist es wahrscheinlich, class die beiden Analysten zu unterschiedlichen Interpretationen und Prognosen gelangen, weil sie basierend auf den gegebenen Daten individuell ein Erkl~rungsmodell konstruieren. Diese subjektiven Erkl~irungsmodelle werden sich auf Grund individuell unterschiedlicher Wahmehmungen und Denkprozesse unterscheiden. Bei einer Betrachtung vieler allt~iglicher Situationen irn Tagesgesch~ift wird es auffallen, class es immer wieder zu unterschiedlichen Interpretationen und ,,Unstimmigkeiten" bei der Bewertung von Sachverhalten durch verschiedene Personen kommt, was letztlich nur durch das konstruktivistische Wissensverst~indnis begrQndet werden kann.

103 Vgl. von Glaserfeld (1998), S. 189. lO4 Vgl. Schmidt (1992), S. 10; Eberl (2001), S. 43. lo5 Vgl. MaturanaNarela (1987). lo6 Vgl. Schneider(1996), S. 18 ff.; Steinm011er(1993), S. 236 f. lo7 Vgl. Hartlieb (2002), S. 50.

Wissen

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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bis dato keine disziplin0bergreifende Wissensdefinition existiert. Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch hinsichtlich der wissenschaftstheoretischen Grundpositionen ausmachen. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob sich in der Okonomie ein allgemeines Wissensverst~indnis herausgebildet hat, welches als Grundlage der weiteren Ausf0hrungen verwendet werden kann.

1.2

Wissensbegriff im 6konomischen Kontext

AIs einer der ersten Wirtschaftswissenschaftler behandelte Wittmann im Jahre 1959 Information und Wissen als Faktoren des wirtschaftlichen Handelns. 1~ Im Zeitablauf gab es einige weitere Autoren, die sich mit der Wissensthematik auseinander gesetzt haben. 1~ Seine grol~e Popularit~it gewann der Wissensbegriff aber erst im Zuge der Fokussierung des strategischen Managements auf interne Ressourcen im Rahmen des Ressource Based View 11~ und insbesondere der Weiterentwicklung im Rahmen des Knowledge Based View. 111 Die zunehmende Verbreitung und Akzeptanz der Forschungsergebnisse zur Thematik des Wissensmanagements verdeutlicht die exponentiell gestiegene Anzahl von Ver0ffentlichungen und die Auflegung spezifischer Journals und Special Issues renommierter wirtschaftswissenschaftlicher Zeitschriften.112 Einhergehend mit der Vielfalt von Ausf0hrungen zum Wissensmanagement haben sich unterschiedlichste Wissensdefinitionen etabliert, wobei sich nach Schrey0gg und Geiger zwei grunds~tzliche Varianten herausgebildet haben. 113 Dies ist zum einen

108 Vgl. Wittmann (1959). AIs weiterer ber0hmter Okonom sei in diesem Kontext auch Hayek erw~ihnt; vgl. Hayek (1945). lo9 Anzuf0hren sind beispielsweise Machlup (1962), (1980); Arrow (1969); Teece (1977), (1981); Nelson/Winter (1982); Winter (1987); von Hippel (1988); Grant (1996); Spender (1996). 110 Zur Darstellung des Ressourced Based View sei an dieser Stelle auf die Arbeiten von Evanschitzky (2003), S. 87 ft.; sowie Burmann (2002), S. 139 ft. verwiesen. Zur Entwicklung des Knowledge Base View aus dem Resource Based View siehe Itami/Roehl (1987); Hall (1992), (1993); Mahoney/Pandian (1992); Kogut/Zander (1992), (1993) und (1995). 111 Vgl. Hoskisson et al. (1999), S. 418 sowie ausf0hrlich zum Knowledge Based View S. 441 ft. 112 In Zeitraum von 1995 bis 2002 gab es mehr als 1000 selbstst~ndige Ver0ffentlichungen zum Thema Wissensmanagement allein im deutschsprachigen Raum, hinzukommen zahllose Zeitschriftenaufs~tze. Vgl. Schick (2002), S. 433. 113 Vgl. SchreyOgg/Geiger (2003). 0bersichten verschiedener Wissensdefinitionen finden sich beispielsweise bei AI-Laham (2003), S. 25-27; Burmann (2002), S. 188-198; Hartlieb (2002), S. 44 f.; Roehl (2000), S. 11 ft. und Romhardt (1998), S. 53-64.

40

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

ein informationstheoretisch inspiriertes Wissensverst~indnis, zum anderen ein kompilativ pragmatisches Wissensverst~indnis. 114 Im informationstheoretisch inspirierten Verst~indnis wird Wissen von Zeichen, Daten und Informationen abgegrenzt. 115 Zeichen (Symbole) stellen die unterste Ebene dieser Unterscheidung dar. 1~6 Zeichen sind die kleinsten Elemente von Daten, als Beispiele lassen sich hier die Ziffer ,1" oder die Ziffer ,,8" anf0hren. Werden einzelne Zeichen oder Kombinationen von Zeichen beobachtet, so ergeben sich Daten. Wichtig ist zu erkennen, dass Daten durch Beobachtung konstruiert werden. 117 Instrumente der Beobachtung sind Ideen, Konzeptionen, Vorurteile, Ideologien oder Theorien. Die Ergebnisse der Beobachtung m0ssen codiert werden, um zu existieren. MOgliche Codierungsformen sind dabei die Codierung in Zahlen, die Codierung in Text bzw. Sprache oder die Codierung in Bildern. 118 Die Menge an zur Verf0gung stehenden Daten ist quasi unbegrenzt, aber Daten sind lediglich ein Rohstoff, der wenig bedeutet, wenig kostet und wenig wert ist. Werden Daten in einen Kontext von Relevanzen eingebunden, so entstehen Informationen. 119 Somit ist jede Information eine systemrelative Information. ~2~ In Abh~ngigkeit vom Kontext, den ein Empf~nger den erhaltenen Daten zuordnet, entsteht eine spezifische nur for diesen Zustand ,,g01tige" Information. 121 Aus diesen Informationen wird Wissen, indem diese Informationen in einen

114 Vgl. SchreyOgg/Geiger (2003). SchreyOgg/Geiger betrachten diese Ans~itze allerdings kritisch und bem@ngeln die fehlende Trennsch~irfe und damit einhergehende Beliebigkeit der Definitionen. Auf Grund der in beiden Varianten gegebenen Kontextgebundenheit gibt es keinerlei Qualifikations-, Selektions- bzw. Ausschlusskriterien, mit denen Wissen von Nichtwissen abgegrenzt werden kOnnte. Die g@ngigen Wissensdefinitionen sind somit nach der Ansicht der Autoren nicht zielfQhrend, da es letztlich der WillkQr 0berlassen bleibt, was Wissen ist. Die Kritik I~isst sich letztlich auf eine Ablehnung der konstruktivistischen Grundposition bzw. deren Eignung for wissenschaftliche Arbeiten zur0ckf0hren. 115 Diese Unterscheidung geht auf Kerr zur0ck und wurde im deutschsprachigen Raum von Reh~iuser/Krcmar gepr~igt. Vgl. Kerr (1991); Reh~iusedKrcmar (1996), S. 3 ft. Siehe hierzu auch Teubner (2003), S. 13 ft. 116 Vgl. hier und im Folgenden Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 32 f. 117 Vgl. Willke (2001), S. 7. 118 Vgl. Willke (2001), S. 7. 119 Vgl. Vicari/Troilo (1998); von Krogh/KOhne (1998), S. 236. 120 Vgl. ausf0hrlich Willke (2001), S. 8. 121 Vgl. Wittmann (1959). Eine ausf0hrliche Diskussion zum Begriff ,,Information" und verschiedene Interpretationen dieses Begriffs finden sich bei Teubner (2003). Ein 0berblick 0ber die in Forschung und Lehre aktuell diskutierten Inhalte des Informationsmanagements findet sich bei Teubner/Klein (2002).

Wissen

41

weiteren spezifischen Kontext aus Erfahrungsmustern

der beobachtenden

Person

integriert werden. ~22

...........................................................................................................................................................................................................................

1!

9Einbindung von Informationen in einen individuellen Kontext aus i Erfahrungsmustern ! , .Verkn0pfung z. B. aktuelles Datum 2002, Kreditkarte nicht mehr i J g01tig,,,Karte nicht mehr akzeptieren" j I..................................................................................................................................................................................................... J

i Relevanzkriterien; Ein beobachtbares Individuum (System) ! schreibt beobachteten Daten eine spezifische Relevanz Z M . i . . . . . . !9 G(Jlt~gkeltsdatum Kredltkarte, Prelsmformatlon etc. 9Verkn(Jpfung von Zeichen

ij 9Syntax, z. B. 18.12.

s

! i i i

i

I

i

[........................................................................................................................................................................................................................... ]

Zeichen

I

i

,Kleinstes Datenelement

J 9Zeichenvorrat, z. B., 18", ,,12" i

Abb. C - 1 :

i

!

i s

Unterscheidung von Daten, Zeichen, Informationen und Wissen Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 32.

Bei den kompilativ pragmatischen Definitionen von Wissen steht weniger die Unterscheidung von Wissen und Information im Vordergrund, sondern die Bedeutung von Wissen als Grundlage von Handlungen. 123 Beispielhaft wird die Wissensdefinition von von Krogh/KShne angefi3hrt. Wissen umfasst demnach ,,s~mtliche Kenntnisse und F~higkeiten, die Individuen zur LSsung von Aufgaben einsetzen und welche Handlungen sowie Interpretationen u. a. von Informationen erm5glichen; Wissen beinhaltet einen Sinngebungsprozess sowie normative und emotionale Elemente und ist sowohl kontext- als auch zeitabh~ngig. ''124 Die bei diesen Definitionen in den Vor-

122 Vgl. von Krogh/KOhne (1998), S. 236. 123 Vgl. SchreyOgg/Geiger (2003), S. 9. 124 von Krogh/KOhne (1998), S. 236. Ahnliche Definitionen verwenden beispielsweise Kriwet (1997), S. 83; Probst/Raub/Romhardt (1999), S. 46; Romhardt (1998), S. 64 f. Allerdings ist auch in diesen Definitionen die Abgrenzung von Wissen und Informationen enthalten.

42

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

dergrund gestellte Handlungsorientierung 18sst sich auf die Arbeiten von Ryle und Polanyi zur0ckfQhren. ~25 AIs Fazit kann festgehalten werden, dass im 0konomischen Kontext 9

die konstruktivistische Grundposition vorherrschend ist,

9

Wissen immer mit Handlungen, mit einer Nutzenstiftung fQr Organisationen verbunden ist und

9

Informationen und Wissen zu unterscheiden sind, wobei Informationen die Basis von Wissen bilden.

Die bisherigen AusfQhrungen zusammenfassend k0nnen folgende Merkmale yon Wissen festgehalten werden: 9

Wissen ist fQr ein Unternehmensnetzwerk nur von Bedeutung, wenn es einen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Netzwerks leistet. Demnach ist ein handlungsorientiertes Verst~indnis von Wissen zu w~ihlen. Wissen bildet die Grundlage von Handlungen, von Probleml0sungen zur Erreichung der Ziele der einzelnen Netzwerkorganisation, die optimalerweise mit den Zielen des gesamten Netzwerks 0bereinstimmt. Nicht s~imtliches Wissen 0ber Fakten oder Ereignisse, Qber welches einzelne Mitarbeiter oder Netzwerkpartner verfQgen, ist von Bedeutung, sondern nur das Wissen, welches von den Netzwerkakteuren eingesetzt wird, um Kundenprobleme zu IOsen.

9

Die ProblemlOsef~ihigkeit ist an Individuen gekoppelt, da nur Individuen allein oder in Zusammenarbeit mit anderen die MOglichkeit haben, Probleme zu IOsen. Wissen ist daher personengebunden. 126

9

Wissenssoziologischen Arbeiten folgend stellt Wissen eine subjektive Konstruktion der Wirklichkeit durch ein Individuum dar. 127 Betrachtungsgegenstand ist nicht ein objektives, wahres Wissen, sondern die individuelle Repr~isentation von Gegebenheiten durch Individuen. ~28 Es ist ein Kennzeichen von Entscheidungen im

125 Vgl. SchreyOgg/Geiger (2003), S. 9; Polanyi (1962), (1966); Ryle (1949). 126 Vgl. Maturana (1980): ,,Yet knowledge as an experience is something personal and private...". 127 Vglo Berger/Luckmann (1966): ,,The sociology of knowledge understands human reality as socially constructed reality", S. 210s Die Entscheidung for die konstruktivistische Grundposition stellt eine dogmatische Entscheidung dar. Es kann und muss hier somit kein Beweis gefQhrt werden, ob es eine objektive Realit~it gibt oder nicht. Eine solche wissenschaftstheoretische, philosophische Diskussion d(3rfte ergebnislos bleiben und for diese Arbeit auch nicht zielf0hrend sein. Vgl. Sch0tte/Kenning/Peters (2003), S. 4 und die dort angegebene Literatur. 128 Eine Beschr~inkung auf objektives, explizites Wissen als Gegenstand des Wissensmanagements wQrde zu kurz greifen.

Wissen

43

betriebswirtschaftlichen Kontext, dass diese unter Unsicherheit stattfinden und in der Regel ein grol3er Interpretationsspielraum f(3r den Entscheider bleibt. Insofern kbnnte ein auf objektives, wahres Wissen fokussiertes Wissensmanagement keine Hilfestellung im unternehmerischen Kontext bieten. 9 Wissen unterscheidet sich von Daten, Zeichen und Informationen und besteht aus impliziten und expliziten Bestandteilen. Wissen ist niemals vollst~indig explizierbar und kann somit auch nicht gleich einer Information transferiert werden. Den weiteren Ausf0hrungen liegt, diese Punkte zusammenfassend, folgendes Wissensverst~ndnis zu Grunde: Wissen entsteht aus der individuellen VerknOpfung von Informationen und wird zur LOsung von Problemen eingesetzt. Wissen st(Jtzt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu Daten jedoch immer an Personen gebunden (Erfahrungshintergrund). Wissen besteht aus impliziten und expliziten Bestandteilen.

44

@

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Unterscheidungen verschiedener Wissensarten

Bevor die for diese Arbeit relevante Wissensdefinition entwickelt werden kann, ist es notwendig, auf zwei hinsichtlich der Transferierbarkeit von Wissen bedeutsame Unterscheidungen von Wissensarten einzugehen. Zur Konkretisierung von allgemeinen Wissensdefinitionen ist eine Vielzahl von Wissenskategorisierungen und Wissensdichotomien entwickelt worden. 129 Unterschieden werden kOnnen diese Kategorisierungen in solche, die eine Differenzierung anhand der Eigenschaften des Wissens anstreben und solche, die Wissen anhand der Inhalte differenzieren. ~3~ Die grundlegende Unterscheidung im Hinblick auf die Transferierbarkeit von Wissen stellt die Frage dar, ob Wissen an die Person gebunden ist (embodied) oder auch v o n d e r Person IosgelOst existieren kann (disembodied). 131 Diese Frage ist einerseits eng verkn0pft mit der Unterscheidung des impliziten 132 und expliziten Wissens und damit zusammenh~ingenden Ans~tzen, 133 andererseits mit der Unterscheidung von individuellem und organisationalem Wissen.

2.1

Implizites vs. explizites Wissen

Die Unterscheidung yon knowing that und knowing how wurde vom englischen Philosophen Ryle eingef0hrt. 134 Knowing how steht for die F~ihigkeit einer Person, etwas tun zu kOnnen, w~ihrend knowing that eher auf eine Art theoretisches Wissen, Wissen 0ber etwas abzielt. KOnnen stellt im Sinne von Ryle eine Art des praktischen

129

Vgl. beispielsweise AI-Laham (2003), S. 31 ft.; Amelingmeyer (2000), S. 43 ft." Hedlund/Nonaka (1993), S. 118 ft.; von KroghNenzin (1995), S. 421; Maier (2002), S. 56 ft.; Romhardt (1998), S. 51 f. Bei den Kategorisierungsans~tzen werden mehrere Gruppen gebildet, in die verschiedene Wissensarten eingeordnet werden. Eine Dichotomie ist die Gliederung eines Oberbegriffs in eihen darin enthaltenen Begriff und sein Gegenteil.

130 Unterscheidungen anhand der Wissensinhalte (zo B. Kunden-, Prozess-, Marktwissen...) erscheinen for den Transfer bzw. die Transferierbarkeit von Wissen weniger wichtig und werden somit im Folgenden nicht weiter thematisiert. Vgl. beispielsweise Becker et al. (2004). 131 Vgl. Grant (1996), S. 111; Polanyi (1966), S. 27; Schrey0gg/Geiger (2003), S. 14. 132 Das Wort ,,tacit" aus dem Englischen wird in den deutschen 0bersetzungen zumeist als ,,implizit" 0bersetzt, was im Wesentlichen auf die irref0hrende 0bersetzung des Buchtitels ,,The Tacit Dimension" in implizites VVissen zur0ckzuf0hren ist. Im Folgenden werden implizit und tacit synonym verwendet. Vgl. Neuweg (2001), S. 134. 133 Mit dieser Frage ist zudem eine Entscheidung for eine der bereits erw~hnten wissenschaftstheoretischen Grundpositionen zu fallen und im Hinblick auf Schrey0gg/Geiger eine Entscheidung, ob unter Wissen etwas objektiv 0berpr0fbares oder ein subjektives Konstrukt zu verstehen isto 134

Vgl. Ryle (1949) bzw. die deutsche 0bersetzung (1969).

Unterscheidungen verschiedener Wissensarten

45

Wissens dar. ~35 Im t~iglichen Leben kommt es mehr darauf an, welche F~ihigkeiten eine Person hat und weniger auf die Kenntnisse und Wahrheiten, die sie gelernt hat. 136 Auf Polanyi geht die grundlegende und f0r das Wissensmanagement sehr bedeutsame Unterscheidung in explicit und tacit knowledge zur0ck. 137 ,,What is usually described as knowledge, as set out in written words or maps, or mathematical formulae, is only one kind of knowledge; while unformulated knowledge, such as we have of something we are in the act of doing, is another form of knowledge. ''138 Ausgehend v o n d e r Erkenntnis ,,We know more than we can tell" sieht Polanyi tacit knowledge als von seiner Natur her nicht verbalisierbar und damit auch nicht formalisierbar an. 139 Charakteristisch for das tazite pers~nliche Wissen ist die Verbundenheit mit Handlungen, mit der F~ihigkeit etwas zu kOnnen. ~4~ Tacit knowledge kann somit als Erfahrungsschatz oder Intuition eines Individuums begriffen werden. ~4~ Somit ist tazites Wissen immer an ein Subjekt gebunden, es ist sehr persOnlich, entzieht sich dem formalen Ausdruck, umfasst subjektive Einsichten und ist tief verankert in der T~itigkeit und der Erfahrung des Einzelnen. 142 Tazites und explizites Wissen sind jedoch keine trennbaren und vOllig voneinander unabh~ingigen Wissensarten. ~43 Leonard und Sensiper haben die Unterscheidung von Polanyi aufgegriffen und wie folgt zusammengefasst: ,,Knowledge exists on a spectrum. At one extreme it is almost completely tacit, [...]. At the other end of the spectrum, knowledge is almost completely explicit [...]. Most knowledge, of course, exists in between the extremes. ''~44 Belegt wird dieses Verst~ndnis durch die Aussage Polanyis, dass ,,das Ideal der Beseitigung aller persOnlichen Elemente des Wissens de facto auf die ZerstOrung allen Wissens hinauslaufen" w0rde. ~45 Zusammenfassend sieht Polanyi Wissen als personenge-

135 Vgl. Ryle (1969), S. 26, Anmerkung des 0bersetzers. 136 Vgl. Ryle (1969), S. 30. 137 Vgl. Polanyi (1959), S. 12; Polanyi (1985), S. 14; Willke (2001), S. 12. Siehe in diesem Zusammenhang auch die Ausf0hrungen bei Ahlert/Blaich (2003). 138 Vgl. Polanyi (1959), S. 12. 139 Vgl Polanyi (1985), S. 14; Neuweg (2001), S. 16 ft.; Schrey0gg/Geiger (2003), S. 14. 140 Vgl Polanyi/Prosch (1975), S. 42: ,,We realize that all knowing is action". 141 Vgl Schrey0gg/Geiger(2003), S. 14. 142 Vgl Kumbruck (2003), S. 51. 143 Vgl Polanyi (1985), S. 27 ft. 144 Vgl Leonard/Sensiper (1998), S. 113. 145 Polanyi (1985), S. 27.

46

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

bunden, aus impliziten und expliziten Bestandteilen bestehend und nicht objektivierbar an, er vertritt ein konstruktivistisches Wissensverst~ndnis. 146 Der Kognitionspsychologe Anderson unterscheidet zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen. 14z Deklaratives Wissen entspricht dem expliziten Wissen, es ist bewusst und kann von Personen weitergegeben werden. 148 Prozedurales Wissen hingegen ist Wissen dar0ber, wie Dinge getan werden. Prozedurales Wissen ist h~iufig implizit, es liegt ProblemlSsungsprozessen, dem schlussfolgernden Denken, der Entscheidungsfindung oder auch dem Sprachverstehen und der Sprachproduktion zu Grunde. 149 Diese Unterscheidung ist vergleichbar mit der Trennung von Wissen und KSnnen bei Ryle, wobei Andersons Unterscheidung als eine anspruchsvollere Version der Unterscheidung von Ryle angesehen wird. 15~ Nonaka/Takeuchi ~51 beziehen sich in ihren Ausf0hrungen zur Wissensschaffung in Unternehmen auf die Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen bei Polanyi. ,,Implizites Wissen ist sehr persSnlich und entzieht sich dem formalen Ausdruck, es I~sst sich nur schwer mitteilen. ''1s2 Nonaka/Takeuchi z~hlen subjektive Einsichten, Ahnungen und Intuition zu dieser Wissenskategorie und sehen diese tief verankert in der Erfahrung des Einzelnen, seinen Idealen, Werten und Gefehlen. Implizites Wissen besteht aus einer technischen und einer kognitiven Dimension. Die technische Dimension umschreibt praktische F~higkeiten, die von Ryle mit dem Begrift Knowing-how umschrieben wurden, also ein KSnnen, welches nicht erkl~rt werden kann. Die kognitive Komponente des impliziten Wissens spiegelt die mentalen Modelle einer Person wider, die Wirklichkeitsauffassung und die Zukunftserwartungen. Die Artikulation dieser mentalen Modelle sehen Nonaka/Takeuchi als zentralen Faktor der Schaffung neuen Wissens an. Explizites Wissen ,,l~sst sich in Worten und Zahlen ausdr0cken und problemlos mit Hilfe von Daten, wissenschaftlichen Formeln, festgelegten Verfahrensweisen oder universellen Prinzipien mitteilen". 153

146 Vgl. Sveiby (1996), S. 380 ft.; Burmann (2002), S. 198. 147 Vgl. Anderson (2001), S. 238 sowie ausf0hrlich Anderson (1976); Cohen/Squire (1980); Schacter (1987). 148 Vgl. Anderson (2001), S. 238. 149 Vgl. Anderson (2001), S. 241. 150 Vgl. Nonaka et al. (1994), S. 339. 151 Hier und im Folgenden: Nonaka/Takeuchi (1997), S. 18 ft. u. S. 72 ft. 152 Nonaka/Takeuchi (1997), S. 18. 153 Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 18 f.

Unterscheidungen verschiedener Wissensarten

47

FOr Nonaka/Takeuchi ist Wissen ein dynamischer, menschlicher Prozess der Erkl~rung persOnlicher Vorstellungen 0ber die Wahrheit. Information ist ein Rohstoff von Wissen im Sinne eines Flusses von Botschaften, der im Zusammentreffen mit den Vorstellungen und dem Engagement eines Menschen Wissen erzeugt. Somit ist Wissen an das Individuum gekoppelt. 154 Festzuhalten bleibt, dass auch Nonaka, Takeuchi explizites und implizites Wissen nicht als getrennte, sondern als komplement~ire Wissensformen ansehen. 155 Die Unterscheidungen der verschiedenen Wissensarten ist in der Abb. C-2 im 0berblick dargestellt worden. Ryle I einfach J

Nonaka/

Anderson

Takeuchi

Deklaratives Wissen

Explizites Wissen

Knowing That

i Explizites / Wissen "

........... .; .......... ........

t~

j. Analyse I der ..i.

Verbalisierbarkeit des Wissens

',];0~~~a-~ lung

Knowing How (K0nnen) J komplex I ~,bb. C-2"

Polanyi

Kognitive o~ Dimension ~

/ /

.mentale

(n Modelle" G).............................. .N ~" Technische

Prozedurales Wissen

--

i

Dimension ,,K0nnen"

-

/ .i

/ " Implizites (,,tacit")

Wissen

Differenzierungenzwischen implizitem und explizitem Wissen Blaich (2004), S. 29.

AIs Ergebnis der Diskussion kann festgehalten werden, dass - entsprechend dem Verst~ndnis von P o l a n y i - individuelles Wissen immer aus impliziten und expliziten Bestandteilen besteht. Implizite Bestandteile kOnnen in gewissem Umfang expliziert werden, eine vollst~ndige Explikation ist jedoch nicht m0glich. Insofern ist Wissen auf Grund der impliziten Bestandteile immer personengebunden. Explizite Wissensbestandteile k5nnen anderen Personen mitgeteilt werden, implizite Bestandteile nicht.

154 Erg~inzend sei hinzugef0gt, dass das Modell von Nonaka/Takeuchi eine Erweiterung der Arbeiten von Anderson darstellt, weil die Wissensumwandlung als beidseitiger Prozess -implizit zu explizit, aber auch explizit zu implizit - angesehen wird, w~ihrend Anderson die Transformation von deklarativem zu prozeduralem Wissen analysiert. Vgl. Nonaka et al. (1994), S. 339. 155 Vgl. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 73.

48

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Der Brotbackautomat von Matsushita 156

Nonaka/Takeuchi erg~inzen in ihrem Buch ,,The Knowledge Creating Company" mit einer Vielzahl von Beispielen ihre konzeptionellen Ausf(~hrungen zur Wissensschaffung in japanischen Unternehmen. In einem dieser Beispiele erl~iutern sie den Prozess, der den Durchbruch in der Entwicklung eines Brotbackautomaten brachte. ,,Ein zentrales Problem in der Entwicklung eines Brotbackautomaten in den sp~ten achtziger Jahren war die Mechanisierung des Teigknetens. Der Knetprozess geh(~rt zum impliziten Wissensvorrat von B~ickermeistern, und so verglich man anhand von RSntgenaufnahmen den gekneteten Teig eines B~ickers mit dem eines Automaten, ohne zu irgendwelchen Erkenntnissen zu gelangen. [...] Um sich das implizite Wissen 0ber den Knetvorgang anzueignen, gingen [einige Mitarbeiter] beim Chefb~icker des Hotels in die Lehre. Es war nicht leicht, sein Geheimnis zu ergr0nden." Die LSsung, der B~icker dehnte den Teig nicht nur beim Kneten, sondern drehte ihn auch, wurde letztlich durch Beobachtung und eigenes Ausprobieren gefunden. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die F~ihigkeit des B~ickermeisters, einen Brotteig zuzubereiten und das dieser F~ihigkeit zu Grunde liegende Wissen nicht ohne weiteres 0bertragbar ist. Zwar k(~nnen explizite Wissensbestandteile, wie die Rezeptur oder die Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte, relativ problemlos expliziert und kommuniziert werden. Das implizite Wissen 0ber die konkreten Handgriffe beim Kneten des Teigs ist den impliziten Wissensbestandteilen zuzurechnen und kann nur bedingt expliziert werden.

2.2

Individuelles vs. organisationales Wissen

Neben der Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen ist im Kontext des Wissensmanagements die Unterscheidung von individuellem und organisationalem Wissen von Bedeutung. Es stellt sich zum einen die Frage, ob es 0berhaupt- angesichts der vorherigen Definition - organisationales Wissen gibt und wenn ja, was hierunter zu verstehen ist. Zum anderen ist im Hinblick auf das Management der Ressource Wissen zu 0berlegen, welche ,,Art von Wissen" im Fokus der Managementanstrengungen stehen soil, welches Wissen also Gegenstand des Wissensmanagements sein soil oder, ob nicht letztlich alle Bem0hungen sowohl auf individuelles und organisationales Wissen ausgerichtet sein sollten. Die Nutzbarmachung individuellen Wissens ist eine Kernf~ihigkeit von Organisationen. 157 Das Wissen jedes einzelnen Mitarbeiters ist for Unternehmen von Bedeutung.

156 Nonaka/Takeuchi(1997), S. 76.

Unterscheidungen verschiedener Wissensarten

49

Im Zuge der Spezialisierung und Arbeitsteilung zeichnen sich Organisationen dadurch aus, dass sie die speziellen F~ihigkeiten der einzelnen Mitglieder kombinieren. 1~8 Kein Individuum wird ~ber das Wissen verf0gen, welches heute notwendig ist, einen Computer, ein Auto oder ein Flugzeug zu bauen oder eine komplexe Dienstleistung zu erbringen. Neben dem individuellen Wissen erlangen somit auch die Verkn0pfungen und Beziehungen zwischen den einzelnen Wissenstr~igern Bedeutung. Die organisationale ProblemlSsungsf~ihigkeit basiert auf einer organisationalen Wissensbasis. 159 Zu kl~iren ist, in welchem Zusammenhang dieses organisationale zum individuellen Wissen steht. Die organisationale Wissensbasis stellt nach Pautzke den Wissensbestand dar, der der Organisation grunds~itzlich zur Verfegung steht. 16~ Da die Konkretisierung der Verfi3gbarkeit jedoch ein kaum 15sbares Problem darstellt, wurde das in Abb. C-3 dargestellte Schichtenmodell der organisationalen Wissensbasis entwickelt.

Aktuelle Wissensbasis Sonstiges kosmisches Wissen

Abb. C-3:

(5)

Latente Wissensbasis

Schichtenmodell der organisationalen Wissensbasis Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Pautzke (1989), S. 79.

157 Vgl. Burmann (2002), S. 204. Dies ist u. a. auch Ziel der Wissensspirale von Nonaka/Takeuchi oder der Arbeit zum Systemischen Wissensmanagement von Willke. 158 Vgl. Grant (1996), S. 113: ,,Given the efficiency gains of specialization, the fundamental task of organization is to coordinate the efforts of many specialists." 159 Definitionen des organisationalen Wissens finden sich insbesondere in wissenssoziologischen und neueren betriebswirtschaftlichen Arbeiten. Vgl. Berger/Luckmann (1966); Luhmann (1992); Willke (2001). 16o Pautzke geht bei seiner Analyse von einem sehr weiten Wissensverst&ndnis aus, welches unter Wissen all das versteht, was tats~chlich in Handlungen und Verhalten einfliel~t und dieses pr~igt. Vgl. Pautzke (1989), S. 66.

50

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Die Unterscheidung der Schichten erfolgt dabei nach der Wahrscheinlichkeit, mit der das in den einzelnen Schichten enthaltene Wissen bei organisationalen Entscheidungen verwendet wird. Die aktuelle Wissensbasis ergibt sich aus den Schichten 1 und 2, wobei die Schicht 1 das von allen Organisationsmitgliedern geteilte Wissen z. B. in Form von Organisationskultur, Weltbildern und Sinnmodellen liefert. Das Verst~indnis dieser Schicht 1 ~ihnelt den Ausf0hrungen von Willke, der organisationales Wissen ,,in den personenunabh~ingigen, anonymisierten Regelsystemen, welche die Operationsweise eines Sozialsystems definieren, sieht. ''161 Neben diesem von allen geteilten kollektiven Wissen geh0rt zur aktuellen Wissensbasis der Organisation auch das individuelle Wissen der Organisationsmitglieder, welches diese der Organisation zur Verf0gung stellen (Schicht 2). Von der aktuellen Wissensbasis der Organisation wird die latente Wissensbasis (Schicht 3-5) unterschieden, die das der Organisation nicht zug~ingliche individuelle Wissen (Schicht 3) sowie das Wissen der Umwelt, 0ber welches ein Metawissen vorhanden ist (Schicht 4), umfasst. Die organisationale Wissensbasis ist dementsprechend nicht mit der Summe der individuellen Wissensbasen identisch, da jedes einzelne Organisationsmitglied 0ber Wissen verf0gt, welches entweder for das einzelne Netzwerkunternehmen, aber auch for das gesamte Netzwerk nicht n0tzlich ist. Des Weiteren existieren vielf~ltige Motivations- und Kommunikationsprobleme, die den Zugriff auf vorhandenes individuelles Wissen for die Organisation verhindern. Nach Pautzke betont die Schicht 4 zudem, dass die organisationale Wissensbasis 0ber das Wissen ihrer Individuen hinausreicht, da die Mitglieder einer Organisation 0ber ein Metawissen verf0gen, mit dessen Hilfe sie weitere Wissensquellen erschliel~en und somit der Organisation zug~nglich machen kOnnen. Die organisationale Wissensbasis umfasst nach Pautzke sowohl den aktuellen Bestand an geteiltem und zur VerfQgung gestelltem individuellen Wissen (das gegenw~rtig tats&chlich die Entscheidungen in der Organisation pr~igt) als auch das Potenzial an latentem Wissen (0ber das ein Metawissen existiert bzw. das bereits Teil der individuellen Wissensbasis von Organisationsmitgliedern ist und mit einer mehr oder weniger grol~en Wahrscheinlichkeit irgendwann einmal for die Organisation nutzbar gemacht werden wird). 162 Die organisationale Wissensbasis st0tzt sich im engeren Sinn also auf zwei Pfeiler, auf das individuelle Wissen der Mitarbeiter, zum zweiten aber auch auf die Verkn0pfung einzelner Wissensbausteine. 163 In Bezug auf Unternehmensnetzwerke findet 161 Vgl. Willke (2001), S. 16. 162 Vgl. Pautzke (1989), S. 81. 163 Vgl. Zander/Kogut(1995), S. 77; Willke (2002), S. 17.

u nterscheidungen verschiedenerWissensarten

51

diese Vernetzung nicht nur innerhalb der Grenzen eines Unternehmens statt, sondern insbesondere unternehmens0bergreifend durch die Kombination der organisationalen Wissensbasen der einzelnen Mitgliedsunternehmen des Netzwerks. Letztlich sind auch beim organisationalen Wissen des Netzwerks sowie beim organisationalen Wissen der einzelnen Netzwerkunternehmen die Individuen die Wissenstr~iger. 164 Diese Individuen teilen allerdings Wissen, welches als gemeinsamer Kontext for die Individuen fungiert und zudem erlangt bzw. erschliel~t sich der Einzelne in der Interaktion neues Wissen. Das aus der Interaktion entstehende organisationale Wissen macht Organisationen und das Unternehmensnetzwerk insofern intelligenter, als das durch die Kombination der Kernkompetenzen der Mitgliedsunternehmungen ProblemlSsungen in Form von Produkten oder Dienstleistungen erstellt werden kSnnen, zu deren Erstellung keine der Netzwerkmitgliedsunternehmungen allein, geschweige denn ein einzelner Mitarbeiter einer der Netzwerkunternehmungen f~ihig ist. 165 Zusammenfassend kann for Unternehmensnetzwerke festgehalten werden, dass das individuelle Wissen der einzelnen Mitarbeiter und aggregiert das bei den einzelnen Netzwerkpartnern vorhandene Wissen einen Pfeiler des organisationalen Wissens des Unternehmensnetzwerks bildet. Erst durch die Kombination, die Verkn0pfung des individuellen Wissens und des organisatorischen Wissens der einzelnen Netzwerkpartner, durch den st~ndigen Wissensaustausch zwischen einzelnen Mitarbeitern des Netzwerks entsteht - als zweiter Pfeiler- das organisationale Wissen des Unternehmensnetzwerks, welches die Basis der Wettbewerbsf~ihigkeit bildet. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kommunikation und damit der Austausch von Wissen zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern allerdings auf individueller Ebene stattfindet, wird im weiteren Verlauf dieses Buchs Wissen auf einer individuellen Ebene betrachtet und der Wissensaustausch auf eben dieser Ebene modelliert und untersucht.

164 Vgl. Kenning/Sch0tte/Spelsiek(2003), S. 19. Siehe auch Nonaka/Takeuchi (1997), S. 71: ,,Eine Organisation kann ohne einzelne kein Wissen erzeugen." 165 Vgl. Willke (2002), S. 20. Siehe hierzu auch die Untersuchung von Weick/Roberts, die das Ph~nomen des Collective Mind untersuchen und letztlich zum Fazit kommen: ,,But when individual comprehension proves inadequate, one of the few remaining sources of comprehension is social entities. Variation in the development of these entities may spell the difference between prosperity and disaster." Vgl. Weick/Roberts (1993), S. 378.

52

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissen in Unternehmensnetzwerken am Beispiel des Franchisings Am Beispiel des Franchisings veranschaulicht, k6nnen der Franchisegeber bzw. die Mitarbeiter in der Systemzentrale sowie die einzelnen Franchisenehmer und ggf. deren Mitarbeiter als Wissenstr~iger fungieren. AuBerhalb der Kbpfe der Wissenstr~iger liegt kein Wissen vor, so beinhaltet z. B. das Handbuch eines Franchisenetzwerks lediglich Informationen. Der Franchisegeber hat die expliziten Bestandteile seines Wissens 0ber die F0hrung eines Franchisebetriebs und die Erbringung yon Probleml6sungen for den Kunden in schriftlicher Form expliziert und damit von seiner Person Iosgel5st. Dieses Konzept und das Wissen 0ber die F0hrung ist vielfach nicht allein durch eine Person, sondern in der Zusammenarbeit vieler Personen und Experten in der Systemzentrale entwickelt worden. Das explizierte Wissen kann beispielsweise im Systemhandbuch oder in digitaler Form (Franchisenehmerportal) relativ unkompliziert transferiert und vervielf~iltigt werden. Aus diesen Informationen wird erst wieder Wissen, wenn beispielsweise ein neuer Franchisenehmer das Handbuch liest und die aufgenommenen Informationen mit seinem individuellen Erfahrungshintergrund verknepft. Die Aufnahme der Informationen wird durch individuelle Interpretationen von Franchisenehmer zu Franchisenehmer unterschiedlich sein. Ergebnis ist letztlich eine spezifische individuelle Wissenskonstruktion des Franchisenehmers, bestehend aus expliziten (Informationen aus dem Handbuch) und impliziten Bestandteilen (mit den Informationen verbundene Interpretationen und individuelle Erfahrungen). Dieses individuelle Wissen des Franchisenehmers bildet die Basis seiner Handlungen zur Erf011ung der Kundenw0nsche. Durch die Kombination der individuellen Erfahrungen der Franchisepartner kann letztlich das organisationale Wissen des Netzwerks fortlaufend weiterentwickelt und ,,verbessert" werden.

Wissensmanagement

1l

3.1

53

Wissensmanagement Modelle des Wissensmanagements

Wissen an sich ist for Unternehmen und Unternehmensnetzwerke wertlos, solange es nicht im Sinne und zur Erreichung der Ziele des Netzwerks eingesetzt wird. Damit aber eine Verkn0pfung und der Einsatz des individuellen Wissens der Mitarbeiter und des Wissens der einzelnen Netzwerkmitgliedsunternehmen im Sinne der Organisationsziele erreicht werden, ist ein Wissensmanagement notwendig. Einhergehend mit der Breite der Arbeiten zum Wissen und Wissensmanagement wurde eine Vielzahl von Wissensmanagementmodellen entwickelt. 166 Insbesondere deutschsprachige Ausf0hrungen zum Wissensmanagement vertreten ganzheitliche Ans~itze und r~iumen dem Wissensmanagement einen 0berragenden Stellenwert im Vergleich zu anderen F(3hrungsaufgaben ein. 167 Angloamerikanische Arbeiten zeichnen sich hingegen primer durch die Anwendung wissensbasierter Erkl~irungsans~tze auf spezifische, konzeptionelle oder empirische Fragestellungen aus. Eine Auswahl einiger aus Sicht der Autoren bekannter und verbreiteter Modelle wird in chronologischer Reihenfolge in der Tab. C-1 dargestellt. d~ mmmm~ ~l~m I

Leonard-Barton (1995) Leonard-Barton unterscheidet vier wissensschaffende Aktivit.~ten, die von den Kernf~ihigkeiten (Physical und Managerial Systems, Employee Skills und Value and Norms) des Unternehmens beeinflusst werden: ProblemlOsungsf~higkeit(aktuelle Leistungen) [Gegenwart] Anwendung und Integration neuer Methoden und Techniken zur Verbesserung der internen Prozesse [Intern] 9 Experimentieren zur Bildung zukenftiger F~higkeiten und Leistungen

9 9

[Zukunft] 9 Wissensimport [Extern] Zugleich wird betont, dass ein Lernen der Organisation gleichzeitig eine kreative Destruktion bestehender Regeln, Ordnungen und Prozesse ist, woraus vielf~ltige Barrieren des Wissensmanagements entstehen.168

166

Ausf0hrliche 0bersichten zu ausgew~hlten Modellen des Wissensmanagements finden sich u. a. bei" AI-Laham (2003), S. 78-100; Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 10-31" North (2002), S. 187203; Mc Adam/Mc Creedy (1999); Apostolou/Mentzas (1999); Kakabadse/Kakabadse/Kouzmin (2003)" Holsapple/Joshi (1999).

167 Hier und im Folgenden vgl. AI-Laham (2003), S. 79. 168 Vgl. Willke (2001), S. 84 f.

54

Sch0ppel (1996)

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissensmanagement zielt darauf ab, Lern- und Wissensbarrieren abzubauen und das vorhandene Lern- und VVissenspotenzial im Unternehmen zur Bew~iltigung des organisationalen Wandels zu nutzen. Vier Akte f0hren zum Aufbau eines solchen Wissensmanagements: 9

Die systematische Auseinandersetzung mit den for das eigene Gesch~ft charakteristischen VVissenselementen

9

Analyse der eigenen Lernprozesse

9

Identifizierung von Wissens- und Lernbarrieren

i9

Konkrete Gestaltung eines ma~geschneiderten Wissensmanagements

ArthurAndesen/APQC

Wissensmanagement umfasst die Strategien und Prozesse zur Identifikati-

(1996)

on, Verf0gbarmachung und Nutzung von Wissen zur Steigerung der Wettbewerbsf~ihigkeit des Unternehmens. Es werden sieben Prozessschritte (create, identify, collect, adapt, organize, apply und share), sowie vier ,,Enabler" (F0hrung, Kultur, Technologie und Messung) identifiziert.

Probst/Raub/-

Probst/Raub/Romhardt haben mit den Bausteinen des Wissensmanage-

Romhardt (1997);

ments ein integriertes Interventionskonzept entwickelt, das sich mit den

Romhardt (1998)

M0glichkeiten zur Gestaltung der organisationalen Wissensbasis befasst. S~imtliche WissensmanagementaktivitSten sind in einem Managementprozess zusammengefasst, der sich mit den Wissenszielen in eine Planungsphase mit den sechs Wissensbausteinen Identifikation, Erwerb, Entwicklung, (Ver)teilung, Bewahrung und Nutzung von Wissen in eine ,,Umsetzungsphase" und mit der Wissensbewertung in eine Kontrollphase gliedert.

Pawlowsky/Reinhardt

Modell des integrativen Wissensmanagements. Ziel des Wissensmanage-

(1997); Reinhardt

ments ist eine Verbesserung der organisationalen Leistungsf~higkeit. Vier

(2002)

Phasen werden unterschieden:

Willke (2001), 1. Aufl. des Werks 1 9 9 8 .

o

Identifikation und Generierung von organisationalem Wissen

o

Diffusion des Wissens in der Organisation

o

Integration und Modifikation von Wissen

o

Aktionsphase

Systemisches Wissensmanagement. Wissensmanagement als Gesamtheit organisationaler Strategien zur Schaffung einer intelligenten Organisation. Ziel des Wissensmanagements ist die Aktivierung eines kollektiven Lernens und einer kontinuierlichen Revision des bestehenden Wissens zur Sicherung der zuk0nftigen Innovationskompetenz des Unternehmens.

Reinmann-Rothmeier

Ziel des psychologisch/ptidagogischen M0nchener Modells ist die Ft~rde-

(2001); Reinmann-

rung und Unterst0tzung individuellen und organisationalen Lernens. Wis-

Rothmeier/Mandl

sensmanagement als Versuch, ,,Wissensprozesse im Spannungsfeld zwi-

(1998), (1999), (2000).

schen Informationen und Handeln zu beeinflussen bzw. Rahmenbedingungen zu gestalten, durch die die intendierten Wissensprozesse bewirkt, forciert, unterst0tzt oder erleichtert werden."

Wissensmanagement

North (2002)

Tab. C-1:

55

Das Wissensmarktkonzept von North soil ,,unternehmerisches Handeln und Kooperation orientiert an Zielen und Wertvorstellungen des Gesamtunternehmens fbrdern, so dass ein kurzfristiger Erfolg der Gesch~ftseinheiten und ein langfristiger Kompetenzaufbau des Gesamtunternehmens sichergestellt werden". North unterscheidet vier Prozessphasen (Generierung, Nutzung, Kommunikation und Repr~lsentation von Wissen) des Wissensmanagements. Diese sollen den ,,marktlichen" Ausgleich von Wissensangebot und Wissensnachfrage innerhalb des Unternehmens fbrdern. Ausgew~ihlteModelle des Wissensmanagements Eigene Darstellung

Gemeinsamkeiten der Modelle des Wissensmanagements ergeben sich zum einen hinsichtlich der Ziele, zum anderen im Hinblick auf eine Untergliederung in mehrere Prozessphasen.169 AIs Ziele des Wissensmanagements werden die Steigerung der Innovationsf~ihigkeit, das organisationale Lernen, eine bessere Nutzung des innerhalb einer Organisation vorhandenen Wissens oder ein besserer Zugang zur organisationalen Wissensbasis genannt. All diese Ziele haben letztlich das Oberziel, die Wettbewerbsf~ihigkeit einer Organisation zu steigern. Somit kann festgehalten werden, dass Wissensmanagement kein Selbstzweck ist, sondern einen Beitrag zum (langfristigen) Erfolg eines Unternehmens bzw. eines Unternehmensnetzwerks leisten sollte. Die in Tab. C-1 dargestellten Modelle stellen zudem ganzheitliche Ans~itze des Wissensmanagements dar, wobei der Prozess des Wissensmanagements in mehrere Teilschritte untergliedert wird. Die in Abb. C-4 dargestellte, sehr detaillierte Strukturierung der Bausteine des Wissensmanagements haben Probst/Raub/Romhardt vorgenommen, die insgesamt acht Bausteine unterscheiden. 17~

169 Vgl. Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 29 ft. 170 Zu den Bausteinen des Wissensmanagements und einer darauf basierenden Erarbeitung eines idealen Wissensmanagements siehe auch Kapitel B.1.2.

56

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissenszlele

Wlssensbewertung Feedback

1

1 Wissensidentiflkation

Wissensnutzung

Wissenserwerb

Wlssensbewahrung Wissens- J entwicklung I

Abb. C-4:

J Wissensl (verIteilung

Bausteinedes Wissensmanagements Probst/Raub/Romhardt (1999), S. 58.

Die sechs Bausteine des inneren Kreises sind bei einem hSheren Detaillierungsgrad allerdings inhaltlich ohne grSl~ere Probleme in die vier Phasen des Wissensmanagements 0berf0hrbar, die im Wesentlichen in den meisten anderen Ans~tzen diskutiert werden. 171 Dies sind die Generierung/Erzeugung, die Verteilung, die Anwendung oder Nutzung und die Speicherung von Wissen. Der Prozess des Wissensmanagements umfasst demnach, wie in Abb. C-5 veranschaulicht, eine Zielbildungsphase, eine Umsetzungsphase und eine Phase der Bewertung der Zielerreichung. Feedback

Wissens-~ Wissens-~ IWissens-~ ziele ~ generieruny (ver)teilun~/ Abb. C-5:

Wissens-~ Wissens.'k~ nutzung / speicheruny

Der Wissensmanagementprozess Ahlert/Blaich (2004), S. 284.

171 Siehehierzu auch die Ausf0hrungen bei Kenning/Sch0tte/Blaich(2003), S. 10 ft.

Wissens- I bewertung

Wissensmanagement

57

Dieser Wissensmanagementprozess wird als Teil der strategischen Unternehmensf0hrung aufgefasst und sollte nicht als zus~itzlicher Funktionsbereich verstanden werden, sondern Personalaspekte, Organisationsstrukturen, IT-Systeme, F~hrungsaspekte und die Unternehmenskultur ber0cksichtigen und gestalten. 172 Ein Beispiel f0r ein Wissensmanagementkonzept aus der Unternehmenspraxis ist in der folgenden Abb. C-6 dargestellt. Grtinde:

Strategie:

Ziele:

Abb. C-6:

~ oGeografische Ausdehnung

Wissensmanagementbedeutet 9Schaffen, Bewahren, Teilen von Best Practice & Kernkompetenzen innerhalb der Dr~iger Gruppe auf eine systematische Weise 9Verbinden von kompetenten Mitarbeitern tiber Grenzen hinweg und Verkn0pfen ihres Wissens, um gegenseitiges Lernen in einer innovativen Gesellschaft zu f6rdern ~ der Kompetenzen innerhalb der Gruppe tiber Wissenstr~iger zur effizienten Verfolgung unserer Ziele und zur Erhaltung der Kernkompetenzen Nutzung der Prozessedes Wissensmanagements tiber definierte Projekte, um tiber diese die geeigneten Instrumente des Wissensmanagements zu erarbeiten und einzusetzen und sie for die allgemeine Anwendung anzupassen .Projekte * Technische Kernkompetenz * Organisationale Kernkompetenz .Prozesse des Wissensmanagements * Identifikation * Teilen * Erfassen olnstrumente des Wissensmanagements * Wissenslandkarte * Community of Practice * Yellow Pages

Praxisbeispiel: Wissensmanagement bei der Dr~igerwerk AG Bohn (2001), S. 2.

3.2 Das

Wissensspirale bekannteste

Modell

des

Wissensmanagements

haben

sicherlich

Nona-

ka/Takeuchi in ihrem Werk ,,The Knowledge-Creating Company" entwickelt, in welchem sie allgemein eine Theorie der Wissensschaffung in Unternehmen zur Erkl~i-

172 Vgl. KenninglSchOttelBlaich(2003), S. 30; Blaich (2003), S. 25.

58

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

rung yon Innovationen skizziert haben. 173 Ausgehend yon Beobachtungen und empirischen Untersuchungen in japanischen Unternehmen stellen sie ein Modell vor, wie es Unternehmen gelingt, implizites Wissen zu mobilisieren, organisationales Wissen zu erzeugen und f0r das Unternehmen nutzbar zu machen. Die Besonderheit dieses Modells liegt darin, dass es nicht nur auf die Innenperspektive von Unternehmen fokussiert, sondern mit der Unternehmensinteraktion bereits die Zusammenarbeit von Unternehmen in Unternehmensnetzwerken ber0cksichtigt. In Anbetracht des Untersuchungsgegenstands

des

vorliegenden

Buches

soil

das

Modell

von

Nona-

ka/Takeuchi insofern ausfEJhrlicher betrachtet werden und die Grundlage einer Wissensmanagementkonzeption for Unternehmensnetzwerke liefern. Die Wissensschaffung im Unternehmen kann, wie in Abb. C-7 zu erkennen ist, mit Hilfe von zwei Dimensionen verdeutlicht werden. Epistemologische Dimension Explizites Wissen

Externalisierung

Sozialisierung

Implizites Wissen

Internalisierung

Ontologische Dimension

...........................................................................................................................................................................................................................

Individuum 9

~,bb. C-7:

Gruppe

Unternehmen

Untemehmens-

interaktion

~1~

Wissensebene

Spiraleder Wissensschaffung. Nonaka/Takeuchi (1997), S. 87.

In der epistemologischen Dimension unterscheiden die Autoren zwischen impliziten und expliziten Wissensbestandteilen. 174 FOr Nonaka/Takeuchi ist Wissen ein dynami-

173 Vgl. hier und im Folgenden Nonaka/Takeuchi (1997). 174 Siehe hierzu die Ausf(3hrungen in Kapitel C.2.1. Wie dort bereits erl~iutert, sehen Nonaka/Takeuchi implizites und explizites Wissen nicht als voneinander unabh~ingige Arten von Wissen, sondern implizite und explizite Wissensbestandteile als zusammengehbrende und ineinan-

Wissensmanagement

59

scher menschlicher Prozess der Erkl~irung pers5nlicher Vorstellungen Ober die Wahrheit. Information ist ein Rohstoff von Wissen, im Sinne eines Flusses von Botschaften, der im Zusammentreffen mit den Vorstellungen und dem Engagement eines Menschen Wissen erzeugt. 175Aus dem Zusammentreffen impliziter und expliziter Wissensbestandteile ergeben sich die in Abb. C-8 dargestellten vier Formen der Wissensumwandlung, die den ,,Motor der gesamten Wissensschaffung" bilden.

ImplizitesWissen

Implizites Wissen

Zie~3unkt

Explizites

Wissen

Sozialisation

Externalisierung

Internalisierung

Kombination

Ausgangspunkt

Explizites Wissen

Abb. C-8:

Vier Formen der Wissensumwandlung Nonaka/Takeuchi (1997), S. 75.

Die Sozialisation als erste Form der Wissensumwandlung ist als Erfahrungsaustausch zu verstehen. Ein Lehrling schaut sich beispielsweise gewisse Fertigkeiten bei seinem Meister ab. Durch den gemeinsamen Erfahrungskontext kann der Transfer von weitgehend impliziten Wissensbestandteilen des Meisters zu weitgehend impliziten Wissensbestandteilen des Lehrlings gelingen. Ein bloBer Informationsaustausch ohne einen gemeinsamen Erfahrungskontext ist for die Sozialisation jedoch nicht hinreichend.

der Qberf0hrbare Bestandteile des Wissens an. Dieses Verst~indnis wurde in den Abbildungen nicht explizit ber0cksichtigt. 175 Siehe hierzu auch die in Kapitel C.1 entwickelte Wissensdefinition, welche ebenfalls Wissen als individuelle Konstruktion eines Individuums und Information als Grundlageansieht.

60

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Extemalisierung kennzeichnet den Prozess der 0berf0hrung von impliziten Wissensbestandteilen in explizite Konzepte. Es wird versucht, Wissen mit Hilfe von Metaphern, Analogien, Modellen oder Hypothesen zu beschreiben. Diese Bilder sind jedoch oft nicht ausreichend, um eine vollst~indige Explizierung zu erzielen. Dennoch haben sie den Vorteil, die Reflexion und Interaktion zwischen den Beteiligten zu fSrdern. Am Ende der Externalisierung steht ein Konzept, dessen Schaffung durch kollektive Reflexion und Interaktion ausgelSst wurde. 176 Mit Hilfe des Prozesses der Kombination werden verschiedene explizite Wissensbestandteile miteinander verkn0pft, mit der Schaffung neuen expliziten Wissens als Ergebnis.

Internalisierung ist verwandt mit dem Learning by Doing und beschreibt den Prozess der Eingliederung expliziten Wissens in das implizite Wissen. Konzepte und andere explizite Wissensbestandteile werden in den Erfahrungskontext eingebunden und reichern somit das implizite Wissen an. Sie verwandeln sich in die oben beschriebenen Einsichten, Ahnungen und Intuitionen. Die Dokumentation von Wissen in Handb0chern und Dokumenten erleichtert den Prozess der Internalisierung. 177 In der ontologischen Dimension (siehe Abb. C-7) unterscheiden Nonaka/Takeuchi mit dem Individuum, der Gruppe, dem Unternehmen und der Unternehmensinteraktion verschiedene Wissensebenen. Die epistemologische Dimension mit den vier Formen der Wissensumwandlung ist for die Wissensschaffung in einem Unternehmen nicht ausreichend. Die Wissensschaffung gelingt nur, wenn es gelingt, die impliziten Wissensbestandteile der Mitarbeiter zu mobilisieren und diese auf Gruppen- sowie schliel~lich auf die Gesamtunternehmensebene zu 0bertragen. In letzter Konsequenz werden die vier Formen der Wissensumwandlung auch zur Schaffung neuen Wissens in der Interaktion mit anderen Unternehmen angewendet. Durch die kontinuierliche Wissensumwandlung wird die in Abb. C-7 skizzierte Wissensspirale ,,in Gang gesetzr, mit der die Schaffung von organisationalem Wissen und die Schaffung einer organisationalen Wissensbasis auf Unternehmens- bzw. Netzwerkebene erm5glicht wird. Nonaka/Takeuchi haben f0nf Voraussetzungen identifiziert, die erf011t sein m0ssen, um diese Wissensspirale in Gang zu setzen. 178

176 Vgl. Nonaka/Takeuchi(1997), S. 77 f. 177 Schrey0gg/Geiger(2003) setzen sich kritisch mit dem Konzept der Wissensspirale auseinander und hinterfragen insbesondere die M0glichkeit der Internalisierung und somit die MSglichkeit eines Zyklus bzw. einer Wissensspirale, wie von Nonaka/Takeuchivorgestellt. 178 Vgl. Nonaka/Takeuchi(1997), S. 88 ft.

Wissensmanagement

61

9

I n t e n t i o n erfordert eine klare Vision, eine Strategie aus der hervorgeht, welches Wissen aufzubauen ist. Diese Vision muss in Form von Leitlinien und Handlungsanweisungen operationalisiert sein. Letztlich brauchen die Mitarbeiter einen Ma~stab zur Beurteilung der Relevanz von Wissen im Hinblick auf ihre eigene Aufgabenstellung.

9

Autonomie

9

F l u k t u a t i o n und k r e a t i v e s C h a o s f0hren zum Zusammenbruch von Routineabl~iufen, Gewohnheiten und kognitiven Bezugssystemen. Dies zwingt die Mitglieder einer Organisation zur Interaktion, zum Dialog, um auf diesem Wege gemeinsam zu ,,neuen" ProblemlSsungen zu gelangen.

9

R e d u n d a n z im Sinne einer geplanten mehrfachen Vorhaltung von Informationen. Wer Redundanz vermeiden will, wird zwangsl~iufig auch den Austausch von Informationen bremsen, der jedoch notwendig ist, um die Wissensschaffung in Gang zu setzen. Wichtig ist es, die richtige Balance zwischen einer damit notwendigen h5heren Informationsverarbeitung zu finden und der in diesem Zusammenhang drohenden Informations0berlastung.

bedeutet, dass die Mitglieder des Unternehmens auf individueller Ebene mSglichst grol~e Freir~ume haben sollten. Dies f0hrt zu hoher Motivation der Mitarbeiter und einer Vielzahl von ,,Originalideen", die im Rahmen der Wissensspirale letztlich dem gesamten Unternehmen zugute kommen.

9 9Notwendige Vielfalt sorgt daf0r, dass die Mitarbeiter nicht nur in Funktionen denken und den Blick auf ihren kleinen Arbeitsbereich wenden.

62

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements Der Transfer von Wissen wird als zentraler und wesentlicher Baustein des Wissensmanagements angesehen. 179 Dies gilt in zunehmendem Ausma6 auch for die Unternehmenspraxis, was die folgenden Beispiele zeigen. So schreibt beispielsweise die DEKA Bank in ihrem Gesch~ftsbericht 2002: ,,Die Leistungs- und Innovationskraft unserer Mitarbeiter starken wir durch Motivation, of. fene Diskussion und Wissensaustausch. ,180 FOr die Volkswagen Coaching GmbH, einem Unternehmen der Volkswagen Gruppe, welches for das konzernweite Wissensmanagement verantwortlich ist, bedeutet Wissensmanagement:181 9

Innovative Iokale L5sungen konzemweit weitergeben

9

Wissen jederzeit, an jedem Ort zur Verf(Jgung stellen

9

Experten der Job-Families vemetzen

9

Aus Fehlem im Untemehmen weltweit lemen

9

Wissen an den richtigen Stellen einmal aufbauen

9

Wissen ausscheidender Mitarbeiter bewahren

Anhand dieser beiden Beispiele wird bereits deutlich, dass der Wissensaustausch der wesentliche Bestandteil des Wissensmanagements ist. Die Weitergabe von innovativen L0sungen, das zur Verf0gung stellen von Wissen, das Lernen aus Fehlern und auch die Bewahrung des Wissens ausscheidender Mitarbeiter basieren darauf, das Wissen zwischen Personen ausgetauscht wird, sei es direkt oder mit der Unterst0tzung moderner Informationstechnologien. Ankn0pfend an das bereits zu Beginn dieses Buchs wiedergegebene Zitat ,,Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen" kann festgestellt werden, dass nur durch den Austausch, den Transfer von Wissen die besonderen Potenziale dieser Ressource genutzt werden k0nnen. Dies wird auch daran deutlich, dass die zuvor beschriebenen Bestandteile des Wissensmanagementprozesses (z. B. die acht Bausteine des Wissensmanagements) in jedem einzelnen Baustein auf einen Austausch von Wissen zwischen Individuen basieren.

179 Zur Bedeutung des Wissenstransfers als wesentlichen Bestandteil des Wissensmanagements siehe Blaich (2004) und Spelsiek (2005). 18o DekaBank (2003). 181 Vgl. Lange/Schultz(2001).

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements

63

Angesichts der aufgezeigten herausragenden Bedeutung des Wissenstransfers als zentraler Baustein jeglicher Wissensmanagementaktivit~iten fokussiert dieses Buch im Weiteren auf die mit dem Transfer von Wissen in Unternehmensnetzwerken verbundenen Herausforderungen. Zun~ichst gilt es jedoch, einen 0berblick 0ber den Stand der Forschung zur Wissenstransferproblematik zu erhalten.

4.1

Bestehende

Arbeiten zur Wissenstransferproblematik

Einhergehend mit der oben bereits erw~ihnten exponentiellen Steigerung der Arbeiten zum Wissensmanagement sind einige Ver0ffentlichungen, die sich mit dem Wissenstransfer befassen, zu verzeichnen. Die ersten diesbez0glichen Arbeiten basieren auf institutionen0konomischen Theorien und fokussieren insbesondere die Kosten des Wissenstransfers. 182 Neuere Ans~,tze haben vielf~iltige theoretische Wurzeln. Einige wesentliche Arbeiten sind in chronologischer Reihenfolge in Tab. C.2. kurz aufgelistet worden. 183 9

...

..

Autor(e") (Jahr) Teece (1977),

Charakterisierung der Arbeit

(1981)

von technologischem Know-how.

Keller (1995)

Organisationstheoretische Analyse der Informationsweitergabebereitschaft,

Konzeptionelle institutionen6konomische Analyse der Kosten des Transfers

basierend auf motivationstheoretischen Ans~itzen und der Principai-AgentTheorie. 184 Szulanski (1996), (2000), (2003)

Konzeptionell fundierte empirische Analyse von 122 Best-Practice Transfers in acht Unternehmen (38 verschiedene Practices). Analyse von drei Case Studies zum Best Practice Transfer.

Kriwet (1997)

Analyse des inter- und intraorganisationalen Transfers von technologischem Wissen zwischen verschiedenen Kulturen (Schweiz/Deutschland -Indien)in einem international agierenden Konzern (ABB - Daimler-Benz). Konzeptioneller Teil und ausf0hrliche Fallstudie.

Heppner (1997)

Rein konzeptionelle Arbeit mit zwei Kernpunkten: Nutzung des Wissens einer Organisationseinheit zu einer Verbesserung der EntscheidungsqualitQt einer anderen; Einfluss von Organisationsstrukturen auf den Wissenstransfer. Organisationstheoretische Perspektive; Intra-Organisational.

182 Vgl. Arrow (1969)' Teece (1977); Teece (1981); Kogut/Zander (1992). 183 Weitere 0bersichten 0ber wissenstransferspezifische Arbeiten finden sich beispielsweise bei: von Krogh/KOhne (1998); Wagner (2000), S. 34 ft. 184 Vgl. Wagner (2000), S. 42.

64

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wagner (2000)

Untersuchung der ,,Wissensfl0sse in Multinationalen Unternehmen", d. h. Fokus auf einen intra-organisationalen Wissensfluss. Konzeptionell/Empirisch:

Entwurf

eines

situativ-koordinationskosten-

=theoretischen Bezugsrahmens zur Bewertung von Gestaltungsalternativen des Wissenstransfers. Empirische Untersuchung der Gestaltungsanforderungen und -alternativen anhand von vier Fallstudien sowie daraus abgeleitete Implikationen for die MNU-Organisation. Henschel (2001)

Untersuchung des Transfers von Wissen im Rahmen von Communities of Practice. Basierend auf Erkenntnissen zum individuellen und organisationalen Lernen. Konzeptioneller Teil erg~nzt um eine Fallstudie (Unternehmensberatung).

Hartlieb (2002)

Entwicklung eines ganzheitlichen Ansatzes for eine betriebliche Wissenslogistik im Sinne des Managements von Wissensbedarf, Wissensangebot und Wissenstransfer. Basiert auf Iogistischen Grundlagen, konzeptioneller Teil erg~inzt durch Ergebnisse einer Fallstudie (Industrieunternehmen).

Thiel (2002)

Organisationstheoretische Untersuchung des Wissenstransfers sowohl unter wissenslogistischen als auch lerntheoretischen Aspekten. Ein Fokus der Arbeit liegt auf der Analyse der Motivation des Wissenssenders und darauf basierenden Gestaltungsempfehlungen. Oberpr(3fung der theoretischen Erkenntnisse im Rahmen einer ausf0hrlichen Fallstudie (Siemens ShareNet), wobei die individuelle Motivation des Wis-

Tab. C-2:

senssenders als zentrale Determinante herausgearbeitet wird. Oberblick(3ber ausgew~ihlte Arbeiten zur Wissenstransferproblematik Eigene Darstellung

Bei der Analyse der dargestellten Arbeiten zum Wissenstransfer f~illt auf, dass die Arbeiten zum einen in der Mehrzahl konzeptioneller Natur sind oder empirische Erkenntnisse in Form von Fallstudien pr~isentieren. Zum anderen argumentieren viele Arbeiten auf organisationaler Ebene und nicht auf Ebene des Individuums als Wissenstr~iger. 185 Zur Erlangung eines vertieften Verst~ndnisses und als Grundlage der Entwicklung einer Definition des Wissenstransferbegriffs sind zwei Systematisierungen genauer zu untersuchen: 9

Ankn(3pfend an die in Kapitel C.2.2.1 diskutierte Unterscheidung von implizitem und explizitem Wissen ist zu diskutieren, welche Einfl(3sse auf den Wissenstransfer sich aus der Wissensart ergeben.

185 Vgl. Lindsay et al. (2003), S. 12.

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements

9

65

Basierend auf unterschiedlichen wissenschaftstheoretischen Grundpositionen ergeben sich unterschiedliche Fokussierungen auf technologische, humanorientierte oder organisationstheoretische Aspekte sowie unterschiedliche Verst~indnisse des Wissenstransfers als Motivations-, Lern- oder Logistikproblem.

Neben diesen beiden Unterscheidungen wird h~ufig eine Differenzierung zwischen einem internen Transfer (innerhalb eines Unternehmens) und einem externen Transfer (0ber die Unternehmensgrenzen hinaus) vorgenommen. ~86 Beim Wissenstransfer in Unternehmensnetzwerken wird somit ein externer Wissenstransfer betrachtet, weil die einzelnen Netzwerkpartner als rechtlich selbstst~ndige Unternehmen agieren. Im Hinblick auf den Prozess des Wissenstransfers ist diese Unterscheidung allerdings nicht bedeutsam, sondern nur im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung der Einflussfaktoren eines Wissenstransfers. 187 FOr den Wissenstransfer in Unternehmensnetzwerken ist beispielsweise davon auszugehen, dass insbesondere die Qualit~it der kooperativen Beziehung zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern einen spezifischen Einfluss aus0bt, der etwa bei einem Wissenstransfer innerhalb einer Hierarchie in der Art nicht wirksam ist.

4.1.1

Differenzierung nach Wissensart

Wissen besteht immer aus einer Kombination expliziter und impliziter Wissensbestandteile. Implizite Wissensbestandteile lassen sich in gewissem Umfang explizieren, in diesem Zusammenhang wird auch vom Kodifikationsgrad des zu transferierenden Wissens gesprochen. 188 Bei der Auswahl von verschiedenen Methoden zum Transfer von Wissen ist zu ber0cksichtigen, dass sich diese in den MSglichkeiten unterscheiden, mit Mehrdeutigkeiten umzugehen und auf Interpretationsbed0rfnisse einzugehen. 189 Von Krogh und KShne argumentieren, dass sich die meisten Instrumente, die sich besonders for den Transfer impliziter Wissensbestandteile eignen, auch for den Transfer expliziter Wissensbestandteile einsetzbar sind, umgekehrt gilt dies allerdings nicht. Je besser das zu transferierende Wissen kodifiziert ist, desto

186 Vgl. von Krogh/KShne (1998), S. 237; Becker/Knudsen (2003), S. 3 ft. 187 So differenzieren von Krogh/KShne bei ihren Ausf0hrungen zwar zwischen dem internen und dem externen Wissenstransfer, beziehen bei der Analyse der Einflussfaktoren auf den internen Wissenstransfer aber explizit Quellen ein, die sich mit dem externen Transfer von Wissen befassen, ,,da von diesen viel for den internen Wissenstransfer gelernt und abgeleitet werden kann." Siehe von Krogh/K5hne (1998), S. 242. 188 Der Kodifizierungsgrad gibt den Anteil expliziter Wissensbestandteile am zu transferierenden Wissen an. Siehe zur Wissenskodifikation Burmann (2002), S. 207 ft. 189 Vgl. hier und im Folgenden von Krogh/K5hne (1998), S. 241.

66

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

einfacher und kosteng0nstiger ist der Transfer zu bewerkstelligen. 19~ FOr den Transfer expliziter Wissensbestandteile werden Dokumente/Dokumentationen (HandbQcher, Briefe, E-Mails...), Schulungen und pers0nliche Gespr~iche (z. B. telefonisch) als geeignet angesehen. FOr den Transfer impliziter Wissensbestandteile ist die direkte soziale Interaktion vorteilhaft. 191 Der Transfer kann beispielsweise durch Imitationen und Beobachtungen, Metaphern oder Analogien oder mittels des Learning by Doing stattfinden. Explizite Wissensbestandteile k5nnen relativ gut mit Hilfe informationstechnologischer Unterst0tzung transferiert werden, w~ihrend for den Transfer impliziter Bestandteile die M5glichkeiten der technologischen Unterst0tzung noch begrenzt sind. 192 Die Abb. C-9 stellt dies zusammenfassend dar.

I

Wissenskategorie I Explizites Wissen

Implizites Wissen Abb. C-9:

J Transferm@glichkeit J Implizites und Explizites Wissen sind voneinander abh@ngige Bestandteile Wissen ist niemals rein explizit oder rein implizit; es tritt immer als Mischung von impliziten und expliziten Bestandteilen auf.

Datenbanken, Gespdiche, Dokumente etc.

Beobachtung und Imitation

Transferierbarkeitvon Wissen Eigene Darstellung.

Die zweite for den Transfer von Wissen bedeutsame Unterscheidung ist die zwischen individuellem und organisationalem Wissen. 193 In Kapitel C.2.2 wurde herausgearbeitet, dass in diesem Buch Individuen als Wissenstr~iger betrachtet werden und somit auch der Transfer von Wissen als Wissenstransfer zwischen Individuen anzusehen ist. 194 Allerdings k0nnen zwischen den Individuen auch Bestandteile des organisatio190 Vgl. Becker/Knudsen (2003), S. 11 f.; Davenport/Prusak (1998), S. 96. 191 Vgl. von Krogh/K5hne (1998), S. 240. 192 Vgl. O'Dell/Grayson (1999), S. 14: ,,The more valuable the knowledge the less sophisticated the technology that supports it." 193 Vgl. Henschel (2001), S. 200 ft. Siehe hierzu auch die Ausf0hrungen in Kapitel C.2.2. 194 Vgl. Shariq (1999), S. 244. Auch Lindsay et al. (2003), S. 12, heben die besondere Bedeutung des Individuums als Wissenstr~iger im Kontext des Wissenstransfers hervor. Inkpen/Dinur (1998), S. 457, beschreiben den Transfer organisationalen Wissens als einen Transferprozess ht~herer

Wissenstransfer als zentraler Baustein des VVissensmanagements

67

nalen Wissens transferiert werden, sofern der Sender in der Lage ist, diese in kodifizierter Form zug~nglich zu machen oder wenn der Empf~inger die Anwendung des organisationalen Wissens beobachten kann. Am Beispiel eines Franchisenetzwerks verdeutlicht, liegt eine Kodifikation von organisationalen Wissensbestandteilen in Form des Franchisehandbuchs vor. Eine Beobachtung der Anwendung organisationalen Wissens erfolgt beispielsweise, wenn ein Franchisenehmer im Betrieb eines anderen Franchisepartners mitarbeitet und somit die Umsetzung des Gesch~ifts-Know-hows beobachten kann. Dies ist in einigen Franchisesystemen g~ingige Praxis bei der Einarbeitung von neuen Partnern, die im Sinne einer Lehrling-Meister-Beziehung Wissen durch Beobachtung erfahrener Franchisepartner erwerben kOnnen.

4.1.2

Differenzierung nach Fokussierung

Arbeiten zum Wissenstransfer kOnnen zudem nach ihrem Wissensverst~indnis und der h~ufig damit verbundenen Fokussierung auf spezifische Aspekte des Wissenstransfers untergliedert werden. 195 Zu unterscheiden sind technikorientierte und humanorientierte Ans~itze. Humanorientierte Ans~tze werden, wenn sie neben dem Mensch mit der Organisation auch den sozialen Kontext betrachten und Gestaltungsempfehlungen for das Management von Wissenstransfers geben, als organisationstheoretische Ans~itze bezeichnet. Technisch orientierte Arbeiten setzen Wissen mit Information gleich oder betrachten Wissen als v o n d e r Person Iosgel0stes Objekt, welches genauso bewirtschaftet werden kann wie Kapital, Material oder Betriebsmittel. 196 Wissen entspricht den RepNisentationen der Realit~it, ist positiv gegeben und ohne ,,gr01~ere" Probleme transferierbar. Der Ursprung dieser auch als technokratisch bezeichneten Ans~itze liegt im Informationsmanagement. 197 Ziel der Vertreter dieser Ans~itze ist es, eine computer-

Ordnung. Bei einem solchen Prozess wird VVissen zwischen Abteilungen oder Projektteams verschiedener Organisationseinheiten transferiert. Der Wissenstransfer erfolgt dann nicht mehr in einer l:l-Beziehung zwischen zwei Personen, sondern in einer n:n-Beziehung zwischen vielen Sendern und Empf~ingern. Wie bereits mehrfach herausgearbeitet, ist in Franchisenetzwerken der einzelne Franchisenehmervon wesentlicher Bedeutung, insofern kann auf eine tiefer gehende Analyse von VVissenstransferprozessen organisationalen Wissens zwischen verschiedenen Gruppen von Individuen an dieser Stelle verzichtet werden. 195 Vgl. hier und im FolgendenWagner (2000), S. 34 ft. 196 Vgl. North (2002), S. 184; Thiel (2002), S. 26. 197 Vgl. North (2002), S. 184; Thiel (2002), S. 26; von Krogh/Roos (1995), S. 12 ft.; Wagner (2000), S. 35; Fried/Baitsch (2002), S. 34; Sch0ppel (1996), S. 188.

68

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

basierte Infrastruktur zu gestalten, die die Generierung, Anwendung und Nutzung von Wissen zur Erreichung der Unternehmensziele unterstQtzt. 198 In Bezug auf den Wissenstransfer lassen sich die so genannten wissenslogistischen Ans~itze dieser technokratischen Orientierung zuordnen. 199 In Anlehnung an die Materiallogistik soil das richtige Wissen zur richtigen Zeit am richtigen Ort bereitgestellt werden. 2~176 Hartlieb analysiert verschiedene wissenslogistische Arbeiten und entwickelt darauf basierend folgende Wissenstransferdefinition: ,,Die betriebliche Wissenslogistik stellt durch entsprechende Interventionen sicher, dass das vorhandene, for die jeweilige betriebliche Handlung erforderliche Wissen in der entsprechenden Form zeitlich und Ortlich verf0gbar und zug~inglich ist. Im engeren Sinn kann Wissenslogistik als das Management von Wissensbedarf, Wissensangebot und Wissenstransfer beschrieben werden. ''2~ Entsprechend kOnnen dann Konzepte wie ,,Wissensm~irkte" for den Austausch von Wissen innerhalb oder zwischen Firmen genutzt werden. 2~ Humanorientierte Ans~itze, die in der Regel mit einem konstruktivistischen Wissensverst~indnis verbunden sind und Wissen somit als subjektiv und personengebunden verstehen, fokussieren in ihrer Analyse auf den Menschen als Wissenstr&ger und stellen diesen in den Mittelpunkt der Betrachtung. 2~ Der Transfer von Wissen wird hier nicht als mechanistisches Verschieben von ,,Wissenspaketen" betrachtet, sondern als die personen- und kontextspezifische, auf individuellen persOnlichen Erfahrungen basierende Rekonstruktion von Wissen. Der Wissenstransfer wird in dieser Perspektive als ein Lernproblem betrachtet. Im Gegensatz zur obigen Logistikperspektive wird nicht nur die ,,Flussphase" von Wissen betrachtet, sondern in die Betrachtung werden der ,,Sender`' und der ,,Empf~inger" von Wissen mit einbezogen. 2~ Der Wissenstr~ger muss das Wissen bereitstellen, es muss in geeigneter Form 0bermittelt und vom Empf~inger aufgenommen und verarbeitet werden. Entsprechend gilt Wissen als transferiert, wenn der Wissensempf~nger ein prinzipiell vergleichbares Wissensverst~indnis wie der Wissensempf~inger entwickelt hat. 2~ Dieses

198 Vgl. Arnold (2002), S. 13; Bach/Osterle (2000); Tiwana (2000), S. 5. 199 Vgl. Hartlieb (2002); Hartlieb/Lusser (2002); Thiel (2002), S. 28 ff. 200 Vgl. Schmitz/Zucker (1996), S. 97. 201 Hartlieb(2002), S. 112. 202 Vgl. Barth/Kiefel/VVille (2002) zu unternehmensinternen Wissensm~irkten sowie Bell/Giordano/ Putz (2002) zum marktbasierten Wissensaustausch zwischen Unternehmen. 203 Vgl. Wagner (2000), S. 40. 204 Vgl. zu einem Phasenmodell des Wissenstransfers von Krogh/K@hne(1998). 2o5 Vgl. Hoerem/von Krogh/Roos (1996), S. 119. Ein ~ihnliches Verst~indnis mit der Betonung der Anwendung des transferierten Wissens durch den Empf@ngervertreten Becker/Knudsen (2003),

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements

69

Verst~ndnis I~sst sich letztlich auf Polanyi zur0ckf0hren. 2~ Es bleibt also festzuhalten, dass ein erfolgreicher Transfer von Wissen von taziten Verstehensakten auf Seiten des Empf~ingers abh~ngig ist. 2~ Hervorzuheben ist, dass bei diesen Definitionen davon gesprochen wird, dass lediglich Informationen 0bermittelt werden und somit die Personengebundenheit des Wissens ber0cksichtigt ist. Des Weiteren ber0cksichtigt die Rekonstruktion zu einem vergleichbaren Verst@ndnis, dass Wissen durch individuelle Konstruktion entsteht und dass ein Transfer von Wissen insofern nicht eine l:l-0bertragung wie im Iogistischen Wissenstransferverst~indnis beinhaltet. 2~ Thiel vertritt die Auffassung, dass eine Untersuchung des Wissenstransfers sowohl das Iogistische als auch das Lernproblem berQcksichtigen sollte. 2~ Er entwickelt eine beide Perspektiven integrierende Definition des Wissenstransfers: ,,Unter Wissenstransfer ist die zielgerichtete Wiederverwendung des Wissens eines Transferpartners durch (einen) andere(n) Transferpartner zu verstehen [...]. Wissen kann dabei unver~indert oder angepasst wieder verwendet werden oder als Input for die Generierung neuen Wissens dienen. Die Wiederverwendung setzt das Verstehen des transferierten Wissens sowie seine Anwendung durch den Empf~inger voraus. "21~ Die geforderte Wiederverwendung des Wissens auf Empf~ingerseite ber0cksichtigt somit auch die im Rahmen der Wissensdefinition geforderte Handlungsorientierung von Wissen, die in wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten letztlich bis zu Wittmann zur(Jckzuverfolgen ist. 211

4.2

Wissenstransferverst~ndnis

FOr das in dieser Arbeit untersuchte Ph~inomen des Transfers yon Wissen werden verschiedene Begriffe synonym verwendet. 212 In der englischsprachigen Literatur wird von ,,knowledge combination", ,,knowledge creation", ,,knowledge sharing" oder

S. 11 und mehrere dort zitierte Autoren. Siehe des Weiteren die Ausf0hrungen zu Polanyi im Kapitel C.2.1. 206 Vgl. Polanyi (1959), S. 22: ,,Only by virtue of this act of comprehension, of this tacit contribution of his own, can the receiving person be said to acquire knowledge when he is presented with a statement." 207 Vgl. Polanyi (1985), S. 15. 208 Vgl. Thiel (2002), S. 30. 209 Vgl. Thiel (2002), S. 32. 210 Thiel (2002), S. 32 f. 211 Siehehierzu die Ausf0hrungen im Kapitel C.1.2. 212 Vgl. Szulanski (2003), S. 14; Thiel (2002), S. 29.

70

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

yon ,,knowledge diffusion" gesprochen. 213 In deutschsprachigen Arbeiten wird neben Wissenstransfer auch die Begriffe Wissensfl0sse, 214 Wissens(ver)teilung, 215 Wissensdiffusion, Wissenskombination oder Wissenskommunikation verwendet. 216 Der Begriff der Wissensfl0sse ber0cksichtigt 0berwiegend die Iogistische Komponente des Wissenstransfers, w~ihrend die Wissensdiffusion und die Wissens(ver)teilung insbesondere auf den ,,Sender" von Wissen und dessen Bereitschaft und F~ihigkeit eingehen, Wissen weiterzugeben. Untersuchungsgegenstand einer Transfersituation sind dyadische Beziehungen zwischen Sender und Empf~inger, so dass im Folgenden der Begriff Wissenstransfer verwendet werden soil. 217 Bei der bisherigen Verwendung des Begriffs Wissenstransfer f~illt ein Widerspruch zu dem zuvor konstatierten konstruktivistischen Wissensverst~indnis auf. Es gibt kein Wissen aul~erhalb des Individuums, insofern kann auch Wissen an sich nicht transferiert werden. 218 Transferiert werden lediglich Informationen, die vom Empf~nger wahrgenommen werden m0ssen. Der Wissensempf~inger rekonstruiert aus den Informationen for sich spezifisches Wissen. 219 Im Weiteren wird dennoch, wie in der betriebswirtschaftlichen Literatur 0blich, von Wissenstransfer gesprochen, allerdings ist dies nicht wOrtlich im Sinne eines Verschiebens von Wissenspaketen, sondern als umfassender Prozess, wie in Abb. C-10 veranschaulicht, zu verstehen.

213

Vgl. Bresman/Birkinshaw/Nobel (1999), S. 444; Liebowitz/Chen (2001); Becker/Knudsen (2003), S. 8ff. 214 Vgl. Wagner (2000). 215 Vgl. Probst/Raub/Romhardt(1999). 216 Vgl. zur Wissenskombination Thiel (2002), S. 29; Bromme/Jucks/Rambow(2003). 217 Szulanski (2003), S. 15. 218 Vgl. Maturana (1980), S. 5: ,,Yet knowledge as an experience is something personal and private that cannot be transfered, and that which one believes to be transferable, objective knowledge, must always be created by the listener: the listener understands, and objective knowledge appears transfered, only if he is prepared to understand." 219 Vgl. beispielhaft Henschel (2001), S. 195; Maier (2002), S. 61; Sammer (1999), S. 58 ft.

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements

71

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ProblemlSsungspotenzial

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Darbietung (Modell)

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Wollen + K0nnen Abb. C-10:

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J

Lernprozess

Grundmodelldes Wissenstransferprozesses Eigene Darstellung

Basierend auf kommunikationstheoretischen Arbeiten 22~ beinhaltet der Wissenstransfer einen Akteur, der bereit und f~ihig ist, Wissen preiszugeben, die 0bermittlung des Wissens in Form einer Information 221 sowie einen empfangenden Akteur, der aus der Information Wissen rekonstruiert und in Probleml~sungsf~higkeit umsetzen kann. 222 Eine identische Rekonstruktion des Wissens beim Empf~nger ist m5glich. Generell ist grundlegend eine 0bereinstimmung des rekonstruierten Wissens des Empf~ngers mit dem abgegebenen Wissen des Senders w0nschenswert. Idealerweise ergibt sich jedoch als Ergebnis des Wissenstransfers auf Seiten des Wissensempf~ngers, auf Grund der individuellen Verkn(~pfung mit dem Erfahrungshintergrund des Wissensempf~ngers, ein ,,besseres" Wissen. Durch die Kombination des transferierten Wissens mit bestehendem Vorwissen und aus der Anwendung des Wissens auf Seiten des Wissensempf~ngers k5nnen sich Verbesserungen des Wissens ergeben. Nur wenn sich diese einstellen, kann es letztlich zu einer kontinuierlichen Verbesserung des organisationalen Wissens und damit der Leistungen des Netzwerks kommen, wie sie als Ziel des Wissensmanagements herausgestellt wurden.

220 Vgl. Shannon (1948); Shannon/Weaver (1949). 221 Einer strengen Auslegung des informationstheoretisch inspirierten Wissensverst~tndnisses folgend kann von einem Fluss von Daten statt von Informationen gesprochen werden. 222 Nach Gupta/Govindarajan (2000), S. 475, beinhaltet ein Kommunikationsprozess folgende Basiselemente: ,,a message, a sender, a coding scheme, a channel, transmission through the channel, a decoding scheme, a receiver, and the assignment of meaning to the decoded message." Gupta/Govindarajan beziehen sich auf Krone/Jablin/Putman (1987). Zur Notwendigkeit der Anwendung des transferierten Wissens siehe beispielsweise Bender/Fish (2000), S. 130; Bresman/Birkinshaw/Nobel (1999), S. 444; Zander (1991).

72

Wissensmanagement aus Netzwerkperspektive

Wissenstransferprozesse in Franchisenetzwerken Die Entwicklung eines Franchisesystems als Ganzes verl~iuft idealtypisch entsprechend einem klassischen Lebenszyklus. 223 Der Franchisegeber entwickelt und testet das Konzept und beginnt nach erfolgreichem Test mit der Akquisition von Franchisenehmern, womit das System in eine Wachstumsphase eintritt. 224 Ab einem gewissen Zeitpunkt wird es zu einer S~ittigung kommen, das Franchisesystem wird nicht mehr weiter wachsen und in Abh~ingigkeit von der Anpassungsf~ihigkeit an sich wandelnde Umfeldbedingungen ggf. sogar degenerieren. Dem Wachstum des Franchisesystems liegt die Gewinnung von selbst~indigen erfolgreichen Franchisenehmern zu Grunde. 225 Der Erfolg des einzelnen Franchisenehmers ist nicht zuletzt von einem erfolgreichen Transfer des System Know-how abh~ingig, in sp~iteren Phasen kann der Franchisenehmer aber auch wertvolle Informationen zur Weiterentwicklung des Franchisepakets liefern. Die Richtung des Informationsaustausches und Know-how Transfers in Franchisesystemen ist in der Abb. C-11 dargestellt. 226 Es wird deutlich, dass der Transfer von Wissen in der Netzwerkform des Franchisings von grol3er Bedeutung ist. Selektionsphase

} ~ Einstiegund Know-howT-J~Aktive FranchiseEntwicklungdes FN '--Y nehmerschaft

} ~ Ausstieg

hl~X~arTransferdes System-.~'XX~ystempacket sWeiterentwicklung d e % ~ Akquisition und A u s w a Know-howe, Schulun /Weiier Bewahrungdes geeigneter XyX)Ausbildung ">X) .... ng.... X)X) Wissensder FN" X ) Franchisenehmer J J des neuen j ~ DIIOUng/ITO .... . J J bei Austrittaus Franch=senehmers Intormauons dem System / //Fr~ " / / v e r s o r g u n g des F N / / Franchisegeber Wesentliche Richtungdes .Informationsflusses"

T

Franchisenehmer

Abb. C-11"

Franchisegeber

1

Franchisenehmer

Franchisegeber

TI

Franchisenehmer

Franchisegeber

T

Franchisenehmer

Wissenstransferprozesse im Franchisenehmerlebenszyklus Blaich (2005), S. 18.

223 Vgl. Ahlert (2001), S. 201 f. 224 Vgl. Nebel/Schulz/Flohr(2003), Kapitel 2 und Kapitel 3. 225 Zur Franchisenehmerakquisition vgl. Ahlert/Wunderlich (2002); Ahlert/Evanschitzky/Wunderlich (2004); Jambulingam/Nevin (1999). 226 Bonus/Wessels (1998) sowie Bonus (2003) analysieren, (3berwelches Wissen Franchisegeber und 0ber welches Wissen Franchisenehmer verf0gen und beschreiben in diesem Zusammenhang auch die Notwendigkeit des gegenseitigen Wissensaustausches.

Wissenstransfer als zentraler Baustein des Wissensmanagements

73

In der Akquisitionsphase sucht der Franchisegeber nach potenziellen Franchisenehmern. Zur Pr0fung der Eignung ist es notwendig, dass der potenzielle Franchisenehmer umfassende Informationen 0ber seinen persSnlichen Hintergrund preisgibt. 227 Diese Informationen beinhalten eine Vielzahl soziodemografischer Merkmale. Dies sind Angaben zur Person, zu den persSnlichen Lebensumst~nden, zur Vorbildung oder zur aktuellen beruflichen Situation. Von besonderem Interesse ist in der Regel auch der finanzielle Background des Partners. Die Auswahl wird in einigen Systemen auch durch zus~tzliche psychologische Gutachten gest0tzt. Wenn ein Franchisenehmer akquiriert wurde, ist es notwendig, diesen zu schulen, ihm d a s Gesch~fts-Know-how m5glichst schnell und umfassend zu 0bermitteln. 228 Der Franchisenehmer muss die erforderlichen Kenntnisse und F~higkeiten zur F0hrung seines Betriebs erwerben und er muss insbesondere auch die Standards und Prozessabl~ufe des Systems erlernen. In der Phase der aktiven Franchisenehmerschaft findet ein beidseitiger Austausch von Informationen statt. Der Franchisegeber ist, in der Regel sogar auf Grund vertraglicher Vereinbarungen, zur Schulung und Weiterbildung der Franchisenehmer verpflichtet. 229 Zur Unterst0tzung im operativen Tagesgesch~ft erh~lt der Franchisepartner zudem vielf~ltige Informationen des Franchisegebers. Wird die Beziehung des Franchisegebers zum Franchisenehmer durch Ausscheiden des Franchisenehmers beendet, ist es notwendig, dass zum einen die Erfahrungen des Franchisenehmers dem System erhalten bleiben. Gleichzeitig ist daf0r zu sorgen, dass es nicht zu einem Wissensabfluss vom Franchisenehmer zu konkurrierenden Systemen kommt. 23~ Idealerweise findet in der Ausstiegsphase ein Informationsfluss vom Franchisenehmer zum Franchisegeber statt, um das Wissen des ausscheidenden Franchisenehmers zu dokumentieren.

TM

227 Vgl. Ahlert, M. (2001), S. 206. Ahlert sieht insbesondere die Gewinnung von aussagekr~ftigen Informationen 0ber die Bonit~it und die pers5nlichen Qualifikationen des potenziellen Franchisenehmers in dieser Phase. 228 Vgl. Nebel/Kieser (2003), S. 316-326; Skaupy (1995), S. 111. 229 Vgl. Nebel/Kieser (2003), S. 316. 230

Hier erscheinen insbesondere vertragliche Mal~nahmen, wie z. B. eine Konkurrenzklausel im Franchisevertrag, angebracht. Zu den Problemen, die eine Beendigung des Franchisevertrags mit sich bringt, vgl. Skaupy (1995), S. 139 ft.

231 Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass viele der ausscheidenden Franchisepartner nicht bereit sind, ihr Wissen dem System zur Verf0gung zu stellen (insofern: ,,Idealerweise"). Die Dokumentation des Wissens ausscheidender Franchisepartner wird in dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.

Dll

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

RIB

Typologien von Unternehmensnetzwerken

Der Begriff des Netzwerks beschreibt eine Vielzahl von Ph~nomenen sowohl auf institutioneller Ebene, beispielsweise im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, als auch auf personeller Ebene, beispielsweise in Form eines Netzwerks von Beziehungen zwischen Personen. Entsprechend dieser Heterogenit~t der mit dem Begriff Netzwerk beschriebenen Ph~nomene existieren vielf~iltige theoretische Perspektiven zur Analyse und Charakterisierung von Netzwerken. 232 AIs bedeutende Theorien sind unter anderem die ,,Resource Dependency Theory ''233, die ,,Transaktionskostentheorie ''234, die ,,Theorie des strategischen Managements ''235 oder die ,,Social Networks theory ''236 zu nennen. 237 Einem allgemeinen Verst~ndnis von Netzwerken folgend, kSnnen diese als ,,a specific set of linkages among a defined set of actors" 238 verstanden werden. Bei der Analyse von Netzwerken kSnnen einerseits Beziehungen, andererseits Akteure fokussiert werden, wobei sich auf der Akteursebene in Anlehnung an Borchert et al. die in Abb. D-1 dargestellte Unterteilung der Forschungsans~tze vornehmen I~isst. 239

232 Eine 0bersicht und kurze Darstellung der theoretischen Ans~itze zur Erkl~lrung der Evolution und Organisation strategischer Netzwerke findet sich bei Sydow (1992), S. 127 ft. Klein (1996a), S. 937 sowie S. 87 ft. fokussiert auf die Ursachen der Netzwerkentstehung und bietet einen 0berblick 0ber verschiedene Ans~tze der Netzwerkforschung. 233 Vgl. z. B. Alter/Hage (1993). 234

Zur Transaktionskostentheorie siehe Coase (1937), S. 386-405; Williamson (1990), S. 1 ff.; Sydow (1992); Weber (1999), S. 111. Zur Zusammensetzung der Transaktionskosten vgl. Picot (1982), S. 269 f. sowie Picot/Reichwald/Wigand (2001).

235 Vgl. z. B. Jarillo (1993). 236 Vgl. z. B. Mitchell (1969); Wasserman/Faust (1993). 237 Vgl. Barringer/Harrison (2000), S. 370; Evanschitzky (2003), S. 34. Zudem sei wie bei Evanschitzky auf zwei Special Issues renommierter Fachzeitschriften verwiesen, die sich mit der Netzwerkthematik auseinandersetzen: International Journal of Research in Marketing, Vol. 13 (1996), sowie Journal of Business Research, Vol. 55 (2002). 238 Mitchell (1969), S. 2. 239 Vgl. Ahlert/Evanschitzky (2003), S. 404; Borchert et al. (1999), S. 57.

Wissen als Ressource in Netzwerken

75

Netzwerkans~tze

I

I Personelle Ausrichtung (Netzwerk als Gef0ge sozialer Beziehungen)

I

Interne Ausrichtung (Netzwerk als Gef0ge innerhalb einer Unternehmung)

Betriebliche Netzwerke nach Mueller(1988)

Inteme Netzwerkenach Lorenzoni/Grandi/Boari (1989)

Interpersonelle Netzwerke nach Lorenzoni/Grandi/ Boari (1989)

Transnationale Untemehmungen nach Barlett/Ghoshal(1990)

Externe Ausrichtung (Netzwerk als Gef0ge zwischen Unternehmungen)

Interne Netzwerkenach Miles/Snow/Coleman (1992)

I Transaktionskostenorientiertes Verst~ndnis von Netzwerken (Netzwerke als Hybridform zwischen Markt und Unternehmung) Hybridformen nach Williamson (1991)

Strategische Netzwerke nach Sydow(1992)

Strategische Netzwerke nach Jarillo (1988)

Polyzentrische Netzwerke nach Obrig (1992) Produktionsnetzwerke nach Alter/Hage (1993)

Stabile/Dynamische Netzwerke nach Miles/ Snow/Coleman (1992)

Abb. D-I'

Systemtheoretisch gepr~gtes Verst~ndnis yon Netzwerken (Netzwerke als spezifische Form neben Markt und Unternehmung) Netzwerke nach Thorelli(1986) Netzwerke nach Powell (1990) Netzwerke als System h~herer Ordnung nach Teubner (1992) Fokale, Tausch-, Lernnetzwerke und Clubs nach Klein (1996)

Netzwerke nach Meyer (1994)

Systematik der skizzierten Netzwerkans~itze Borchert et al. (1999), S. 57.

Im Zusammenhang mit dem Transfer von Wissen innerhalb und zwischen Unternehmen sind insbesondere die Ans~tze personeller Ausrichtung und die Ans~tze externer Ausrichtung von Bedeutung. Ans~tze personeller Ausrichtung beschreiben Netzwerke als Gef0ge sozialer Beziehungen, z. B. in Form so genannter ,,Wissensnetzwerke". Diese 0berlagern die Grundorganisation von Unternehmen und verbinden Wissenstr~iger innerhalb der Unternehmen miteinander. 24~ Funktionale oder hierarchische Barrieren haben keine Bedeutung, da in einem solchen Netzwerk nur das Wissen, die Kenntnisse und F~ihigkeiten eines Akteurs z~ihlen und nicht seine Funktion oder Position innerhalb der Hierarchie. TM Diese sozialen personellen Netzwerke sind aber nicht auf einen Personenkreis innerhalb eines Unternehmens beschr~inkt, sondern bestehen vielfach in der Form persOnlicher Beziehungsnetzwerke auch ungeachtet organisationaler

240 Vgl. Bleicher (2002), S. 62. 241 Vgl. Bleicher (2002), S. 62. Siehe hierzu auch Klein (1994), S. 310.

76

Unternehmensnetzwerkeunter Wissensaspekten

Grenzen. Die grol~e Bedeutung, die personelle informelle Netzwerke for den Austausch von Informationen innerhalb von Unternehmen und auch unternehmens0bergreifend haben, wurde auch in empirischen Untersuchungen best~itigt. 242

Communities of Practice als Beispiel eines personellen Wissensnetzwerks Unter einer Community of Practice wird eine Gruppe von Personen verstanden, die ein gemeinsames Interesse, vergleichbare Probleme oder eine Passion for ein bestimmtes Thema miteinander teilt, wobei die zugeh0rigen Personen ihr Wissen und ihre Expertise in dem jeweiligen Problembereich dutch einen kontinuierlichen Austausch von Erfahrungen und die dauerhafte Interaktion vertiefen. 243 Die Mitglieder einer Community kOnnen dabei aus verschiedenen Abteilungen eines Unternehmens oder auch aus unterschiedlichen Unternehmen kommen. Im letzteren Fall handelt es sich dann um eine unternehmens0bergreifende Community. Unterschieden werden verschiedene Formen von Communities, beispielsweise Helping-Communities, BestPractice Communities, Knowledge-Stewarding Communities oder Innovationscommunities. T M Unabh~ngig yon der Bezeichnung einer Community of Practice und der diese Bezeichnung bedingenden Ausrichtung kOnnen die Nutzenpotenziale dieser Wissensgemeinschaften wie folgt charakterisiert werden: 24s 9 Verbesserung der Kommunikation zwischen Experten, 9

Grol~es Potenzial for Innovationen, auf Grund der gemeinsamen Suche nach neuen ProblemlOsungen durch Experten und der damit einhergehenden Entwicklung neuer Kompetenzen,

9

Reduktion yon Fehlern und Vermeidung von Doppelarbeiten,

9

Schaffung yon Transparenz 0bet bestehende Wissensbest~nde und Aktivierung dieser, gleichzeitig Unterst0tzung tier Bewahrung von Wissen.

In diesem Buch werden interorganisationale Netzwerke (also Netzwerke bestehend aus Unternehmen) betrachtet, die den externen Ans~tzen zuzurechnen sind. Innerhalb dieser Ans~tze wurde eine Vielzahl von Merkmalen vorgeschlagen, mit deren Hilfe Unternehmensnetzwerke charakterisiert und kategorisiert werden kOnnen. Ein

242 Vgl. Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 87 ft. Best~itigt werden die Ergebnisse von Kenning/ Sch0tte/Blaich auch von anderen Erhebungen, vgl. hierzu die 0bersicht bei Kenning/Sch0tte/ Blaich (2003), S. 58 ft. 243 Vgl. Wenger/McDermott/Synder(2002), S. 4 ft. 244 Vgl. DOcker(2003), S. 20 f. 245 In Anlehnung an DOcker(2003).

Wissen als Ressource in Netzwerken

77

Oberblick verschiedenster vorgeschlagener SystematisierungsmOglichkeiten

ist in d e r

f o l g e n d e n Tab. D-1 d a r g e s t e l l t . 9

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Industrielle Netzwerke- Dienstleistungsnetzwerke Konzerninterne- konzern0ber-

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SektorenzugehOrigkeit der meisten Netzwerkunternehmen

KonzernzugehOrigkeit der meisten Netzwerkunternehmen

greifende Netzwerke Strategische - regionale Netzwer-

Art der F(Jhrung und weitere Merkmale

ke

Strategic networks - small firms networks

Lokale - globale Netzwerke Einfache - komplexe Netzwerke Vertikale - horizontale Netzwerke

R~iumliche Ausdehnung des Netzwerks Zahl der Netzwerkakteure, Dichte des Netzwerks, Komplexit~itsgrad des Beziehungsgeflechts Stellung der Unternehmen in der WertschOpfungskette

Obligationale - promotionale

Netzwerkzweck im Sinne eines Leistungsaustausches bzw.

Netzwerke

einer gemeinsamen Interessendurchsetzung

Legale -illegale Netzwerke

Verstol~ gegen bestehende Gesetze oder Verordnungen

Freiwillige - vorgeschriebene

Gesetzlich vorgeschriebene Zusammenarbeit der Unternehmen

Netzwerke Stabile - dynamische Netzwerke Marktnetzwerke - Organisationsnetzwerke Hierarchische- heterarchische Netzwerke

Stabilit~it der Mitgliedschaff bzw. der Netzwerkbeziehungen Dominanz des Koordinationsmodus

Steuerungsform nach der Form der F(Jhrung

Intern - extern gesteuerte Netz-

Steuerungsform nach Ort (z. B. durch Drittparteien bzw. Netz-

werke

werkmanagementorganisation)

Zentrierte - dezentrierte Netzwer-

Grad der Polyzentrizit~it

ke B0rokratische - clanartige Netz-

Form der organisatorischen Integration der Netzwerkunterneh-

werke

men

Austauschnetzwerke- Beteiligungsnetzwerke Explorative - exploitative Netz-

Grund der Netzwerkmitgliedschaft

Dominanter Zweck des Netzwerks

werke Soziale - 0konomische Netzwerke

Dominanter Zweck der Netzwerkmitgliedschaft

Formale -informale Netzwerke

Formalit~it bzw. Sichtbarkeit des Netzwerks

Offene - geschlossene Netzwerke

M0glichkeit des Ein- bzw. Austritts aus dem Netzwerk

Geplante - emergente Netzwerke

Art der Entstehung

Innovationsnetzwerke - Routinenetzwerke

Netzwerkzweck in Hinblick auf Innovationsgrad

78

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

K~iufergesteuerte- produzentengesteuerte Netzwerke

,,Ort" der strategischen F0hrung

Beschaffungs-, Produktions-, InBetriebliche Funktionen, die im Netzwerk kooperativ erf011t formations-, F&E-, Marketing-, werden Recycling- Netzwerke Tab. D-l: TypologieninterorganisationalerNetzwerke Ahlert/Blaich/Evanschitzky (2003). In Anbetracht der Zielsetzung dieses Buches ist es nicht notwendig und in Anbetracht des Umfangs nicht mSglich, im Detail auf die einzelnen Systematisierungen einzugehen. 246 Es erscheint sinnvoll, in diesem allgemeinen Abschnitt 0ber Unternehmensnetzwerke lediglich auf die am weitest verbreiteten Ans~tze zu fokussieren. Die weiteste Verbreitung hat bei der Systematisierung von Unternehmensnetzwerken im Rahmen des externen Netzwerkverst~indnisses diejenige anhand der Art der Koordination des Informations- und Leistungsaustausches innerhalb des Netzwerks erhalten. Resultat dieser Systematisierung ist eine Einordnung von Unternehmensnetzwerken als Hybridformen zwischen den Extrempolen Markt und Hierarchie. 247 Ein Markt ist dabei im Sinne der neoklassischen Theorie als eine Organisationsform 5konomischer Aktivit~ten zwischen beliebigen, unabh~ingigen und sich begrenzt rational und opportunistisch verhaltenden Marktteilnehmern, die eine genau spezifizierte Arbeitsleistung austauschen, zu verstehen. Der Markt kann dabei organisiert und damit institutionalisiert (B6rsen, Jahrm~rkte, Auktionen, elektronische Handelsplattformen) oder aber nicht organisiert sein. Marktliche Beziehungen sind eher kurzfristig angelegt. Die Koordination erfolgt (3ber den Preis. Begrenzte bzw. beschr~inkte Rationalit~it und Opportunismus sind dabei Grundannahmen institutionen5konomischer Ans~tze. Begrenzte Rationalit~t ist eine Folge unvollst~ndigen Wissens und der begrenzten menschlichen Verarbeitungskapazit~it. Menschen k5nnen lediglich in Bezug auf ihren subjektiven Wissensstand rational handeln. Opportunistisches Verhalten basiert auf der individuellen Nutzen-

246 Hierzu sei auf die Ausf0hrungen von Ahlert/Blaich/Evanschitzky (2003) sowie auf Ahlert/Evanschitzky (2003) verwiesen. 247 Neben dieser transaktionsorientierten Sichtweise vertritt eine Reihe von Autoren eine systemtheoretisch gepr~igte Denkweise und sehen Netzwerke als eigenst~ndige Koordinationsform neben Markt und Hierarchie. Siehe hierzu die Ausf0hrungen bei Klein (1996a), S. 83 ft.; Sydow (1992); Ahlert et al. (2002), S. 10. FOr das vorliegende Buch ist diese Diskussion nicht von zentraler Bedeutung. Zudem stellen beispielsweise Hasse/Kr0cken fest, dass mit der Auffassung von Netzwerken als eigenst~indige Strukturvariante keine neuartigen Ph,~nome angesprochen werden, sondern dass vielmehr Marktbeziehungen und Hierarchien in engem Zusammenhang mit Netzwerkstrukturen stehen, vgl. Hasse/Kr0cken (2000), S. 3.

wissen als Ressource in Netzwerken

79

maximierung, wobei der opportunistisch Handelnde bei der Erreichung seiner eigenen Nutzenmaximierung auch negative Auswirkungen f(~r andere Akteure in Kauf nimmt. Dargestellt werden kann dieses Verhalten am Gefangenendilemma. Die Unabh~ingigkeit der Marktteilnehmer kann auf der Ebene von Unternehmen in diesem Zusammenhang in die rechtliche und die wirtschaftliche Unabh~ngigkeit unterschieden werden. Rechtliche Unabh~ingigkeit konstituiert sich in einer rechtlich eigenst~ndigen Gesellschaftsform. Jedes Unternehmen beh~lt im Netzwerk seine eigene Rechtspers5nlichkeit. Die wirtschaftliche Unabh~ingigkeit bzw. wirtschaftliche Selbstst~indigkeit bezieht sich auf das Ausmal3 der F~higkeit eines Unternehmens, eigenst~indige strategische Entscheidungen zu treffen. Strategische Entscheidungen werden aber immer auch durch das Beziehungsgeflecht von Lieferanten, Abnehmern, Kapitalgebern, Arbeitnehmern, Verb~nden, Staat und anderen Anspruchsgruppen, in welches das Unternehmen eingebunden ist, beeinflusst. Aus dieser Einbindung resultieren vielf~ltige Einschr~nkungen der Handlungsfreiheit, so dass eine wirtschaftliche Unabh~ngigkeit immer nur eine eingeschr~inkte Unabh~ngigkeit bzw. Selbstst~indigkeit sein kann. Ebenso ist die wirtschaftliche Selbstst~ndigkeit mit dem Eingehen einer Kooperationsbeziehung eingeschr~nkt. Die Entwicklung und Aufrechterhaltung einer solchen Beziehung erfordert von dem Unternehmen Investitionen in Form einer teilweisen Aufgabe der Freiheit unabh~ngigen Handelns. Das andere Extrem des Kontinuums bilden Unternehmen, in denen die Koordination mittels Hierarchie erfolgt. Hierarchie bedeutet, dass die Beziehungen zwischen den Handelnden durch 0ber-/Unterordnung gekennzeichnet sind. Die Unternehmensleitung erteilt Weisungen gegen0ber einer prinzipiell begrenzten Zahl von Organisationsmitgliedern, wodurch die marktliche Koordination weitgehend substituiert wird. Im Gegensatz zu marktlichen Beziehungen sind hierarchische Beziehungen auf Dauer angelegt und kennzeichnen sich durch ex ante abgestimmte Plane. Seinen theoretischen Ursprung hat die Unterscheidung von Markt, Hierarchie und Hybridformen zwischen Markt und Hierarchie in der Transaktionskostentheorie. Die Transaktionskostentheorie untersucht die im Rahmen der 0bertragung von Handlungs- und Verf0gungsrechten entstehenden Kosten. Dies sind Kosten, die w~hrend der einzelnen Phasen der Transaktion entstehen. Eine Transaktion umfasst die Anbahnung, Vereinbarung, Kontrolle und u. U. die Anpassung. Transaktionskosten sind somit: 9 Anbahnungskosten (z. B. for Informationssuche, Recherchen, Reisen, Beratung), 9 Vereinbarungskosten (z. B. for Verhandlung, Vertragsformulierung, Vereinbarung usw.), 9 Abwicklungskosten (z. B. Prozesssteuerung),

80

9

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

Kontrollkosten (z. B. for Sicherstellung der Einhaltung von Terminen, Qualit~it, Mengen-, Preis- oder Geheimhaltungsvereinbarungen) und

9 Anpassungskosten (z. B. for Durchsetzung von qualitativen, preislichen oder terminlichen ,~nderungen, auf Grund ver~inderter Bedingungen w~ihrend der Laufzeit). Die Summe der Transaktionskosten ist ein zentraler Bestimmungsfaktor for die Wahl der Organisationsform 5konomischer Aktivit~iten. Dabei wird die HShe der Transaktionskosten durch die Anzahl der Transaktionspartner, die Transaktionsh~iufigkeit und -unsicherheit sowie durch die strategische Bedeutung der Transaktion for ein Unternehmen beeinflusst. Diejenige Organisationsform erscheint am effizientesten, die die Transaktionskosten (also die Summe der f0nf ,,Teilkosten") minimiert. Je nach Auspr~igung dieser Einflussvariablen ist dabei eine marktliche, eine hierarchische oder eine hybride, netzwerkartige Koordinationsform (hier nicht im Sinne einer eigenst~ndigen Organisationsform verstanden, sondern als Hybridform) am effizientesten. Durch Internalisierung oder Externalisierung einzelner Aktivit~iten kann eine Ver~inderung der Organisationsform zum Optimum, welches sich durch die insgesamt geringsten Transaktionskosten auszeichnet, bewerkstelligt werden. Dies kann, wie in Abb. D-2 dargestellt, eine marktliche, eine hierarchische oder eine hybride netzwerkartige Koordinationsform sein. I marktliCh:oK~rOrd:nn;!ion ,,spot ,,relational/obligational contracting"

Kaufvertrag

Tauschgeschaft

Markt

,,arm'slength transaction" Abb. D-2"

langfristig Lizenz-/ Liefervertr~ge/ FranchisingSub-Unternehmerschaft Vertrage

1 '1I'nter~

,,quasi-firm"

hierarchischeKoordination ,,employmentrelationship"

JointVentures

Profit-Center FunktionalOrganisation/ organisation SGE

'J 1 Unternehmung

.~sierung

,,hierarchicfirm"

Netzwerkezwischen Markt und Hierarchie Sydow (1992), S. 104.

Neben diesen effizienzorientierten Kosten0berlegungen sind insbesondere im Zusammenhang mit der Ressource Wissen Nutzenaspekte wesentlich for die Konstitu-

Wissen als Ressource in Netzwerken

81

ierung eines Unternehmensnetzwerks. Aus nutzenorientierter Perspektive entstehen Netzwerke deshalb, weil die Netzwerkpartner, durch das Netzwerk Zugang zu anderweitig nicht zug~nglichen Ressourcen erhalten. 248 Neben der Fokussierung auf (Transaktions)Kostenminimierung ist ein erg~inzender Ansatz zur Systematisierung von Netzwerken somit der Aspekt der Nutzenmaximierung. Dieser wird insbesondere vonder ,,Resource Dependence Theory", einem Ansatz der Interorganisationstheorie, untersucht. Pfeffer und Salancik 249 sehen es als Ziel einer (5konomischen) Organisation, deren langfristiges 0berleben zu sichern. Um dies zu gew~ihrleisten, ist der Zufluss an Ressourcen unabdingbar. Zum besseren Verst~indnis der gegenseitigen Ressourcenabh~ingigkeit k5nnen folgende Fragen gestellt werden: 25~ 9

Welche Ressourcen sind als kritisch zu bezeichnen?

9

Wer liefert bzw. kontrolliert diese kritischen Ressourcen? 0ber welche Macht verf0gt der ,,Lieferant", 0ber welche Gegenmacht verf0gt man selbst?

9

Welche Gegenleistungen verlangen die Lieferanten der Ressourcen fOr die Ressourcenlieferung?

9

Wie bewerten die Lieferanten die belieferte Organisation?

9

Wie wirkt sich die Befriedigung der Interessen eines Lieferanten auf die Befriedigung der Interessen anderer Lieferanten aus?

Grunds~tzlich kann der Austausch kritischer Ressourcen 0ber einen Markt oder durch hierarchische Koordination vonstatten gehen. Der marktiiche Austausch birgt die Gefahr einer mSglichen Unterversorgung an ad~quaten Ressourcen. Zahlreiche Ressourcen kSnnen als ,,pfadabh~ngig" bezeichnet werden, sie ,,entstehen" erst im Laufe der Zeit unter besonderen, komplexen historischen Umst~inden. 251 Somit sind diese Ressourcen nur sehr schwer 0ber einen Markt zu beziehen. Bezogen auf die Ressource Wissen ist zudem festzustellen, dass M~rkte for Wissen nur bedingt funk-

248 Insbesondere die ,,Resource Dependence Theory", ein Ansatz der Interorganisationstheorie, untersucht dieses Ziel der Nutzenmaximierung. Pfeffer und $alancik sehen es als Ziel einer (Okonomischen) Organisation, deren langfristiges 0berleben zu sichern, wobei zur Sicherstellung dieses Ziels der Zufluss an Ressourcen unabdingbar ist, vgl. Pfeffer/Salancik (1978); Hickson et al. (1981); Pfeffer (1987), (1992). Erfolgt der Austausch von Ressourcen lediglich 0ber einen Markt, besteht die Gefahr einer m0glichen Unterversorgung an ad~iquaten Ressourcen. Zahlreiche Ressourcen kOnnen als ,pfadabh~ngig" bezeichnet werden, sie ,,entstehen" erst im Verlaufe der Zeit unter besonderen, komplexen historischen Umst~inden. 249 Vgl. Pfeffer/Salancik (1978); Hickson et al. (1981); Pfeffer (1987), (1992). 25o Pfeffer/Salancik(1978), S. 79 f. 251 Vgl. z. B. Barney (1991), S. 107 f. und die dort angegebene Literatur.

82

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

tionst0chtig sind. 252 Dies liegt insbesondere daran, dass die impliziten Bestandteile von Wissen nicht im klassischen Sinne einer Transaktion austauschbar sind. 253 Zudem ist die Qualit~t von Wissen ~iu6ert schwer ex ante einsch~itzbar, so dass unter den Verhaltensannahmen der begrenzten Rationalit~it und des Opportunismus der marktbasierte Austausch von Wissen fragw0rdig erscheint. Hierarchische Strukturen ermOglichen zwar den uneingeschr~inkten Zugang zu solchen Ressourcen. 254 Was fehlt, ist zum einen die Flexibilit~it bei der Auswahl von Bezugsquellen for Ressourcen. Zum anderen f0hrt eine hierarchische Organisation tendenziell zu fehlender Marktn~he. Insbesondere der Zugang zur Ressource (Markt)Wissen ist somit eingeschr~inkt. Unter der Annahme, dass die Generierung von Wissen aufwendiger und schwieriger ist als die anschlie6ende Anwendung des Wissens, wird es im hierarchischem Umfeld schwierig sein, die Vielfalt von Experten und Spezialisten vorzuhalten, die zur Entwicklung von Wissen als Basis von innovativen Probleml5sungen notwendig sind. 255 In Netzwerken wird es eine entsprechende Heterogenit~it und Vielfalt von Spezialisten mit deutlich grO6erer Wahrscheinlichkeit geben. Unternehmen kOnnen auf diese Weise relativ klein bleiben und sich auf ihr spezifisches Wissen, ihre Kernkompetenz fokussieren, gleichzeitig aber 0ber das Netzwerk und den dadurch mOglichen Zugriff auf das Wissen der Netzwerkpartner eine erhebliche virtuelle G r i l l e erreichen. 256 Das Ph~inomen der Netzwerke versucht demnach die Vorteile beider Organisationsformen zu vereinen und deren Nachteile zu vermeiden. Aus Sicht der Ressourcenabh~ingigkeitstheorie kann die Netzwerkbildung als Mittel zur Reduktion der Unsicherheit bei der Beschaffung notwendiger Ressourcen verstanden werden. 257 Durch den ,,abgestimmten" (also weder marktlichen noch hierarchischen) Austausch von wertvollen Ressourcen und der Kombination von Wissen und Wissenstr~igern in einem Netzwerk kann for die Teilnehmer am Netzwerk ein zus~tzlicher Nutzen in Form neuen Wissens und innovativer Probleml5sungen gestiftet werden, der ohne das

252 Vgl. hierzu ausf0hrlich Loebecke/Fenema/Powell (1999), S. 16. 253

Die Details des Austausches, insbesondere Art und Umfang des auszutauschenden Wissens kOnnen nicht vertraglich fixiert werden. Es handelt sich mithin um unvollst~indige VertrSge, die im Kontext von Opportunismus und beschr~inkter Rationalit~it zum Scheitern von MarktlOsungen f0hreno Siehe hierzu auch Williamson (1975); Williamson (1985).

254 An dieser Stelle sei von Motivationsdefiziten bei den VVissenstr~igern und der in der Untemehmenspraxis durchaus verbreiteten ,,Bunkerei" von Wissen abgesehen. 255 Vgl. Grant (1996), S. 112 f. 256 Vgl. Klein (1994), S. 311. 257 Vgl. Kloyer (1995), S. 12.

Wissen als Ressource in Netzwerken

83

Netzwerk nicht h~tte erzielt werden kOnnen. Jeder Akteur wird versuchen, das for ihn optimale Verh~iltnis von abgegebenen zu erhaltenen Ressourcen zu erzielen. Trotzdem kann es zur Ungleichverteilung der Macht- bzw. Abh~ingigkeitsverh~iltnisse im Netzwerk kommen. Die relative Macht eines Netzwerkpartners ergibt sich aus dessen Abh~ingigkeit zu anderen bzw. zum Netzwerk als Ganzem.

Drei Faktoren

bestimmen diese Ressourcenabh~ingigkeit: 9

Wichtigkeit der getauschten Ressourcen 258,

9

Existenz von Alternativen und

9

Verf0gungsrechte (Wer ist Inhaber dieser Rechte?).

Aus der Wichtigkeit der Ressourcen und der Existenz von Alternativen for Akteur A sowie dessen Verf0gungsrechte ergibt sich die Anh~ingigkeit von A vom Netzwerk als Ganzem bzw. von einem anderen Akteur. Folgende Abb. D-3 visualisiert die verschiedenen Formen der (Ressourcen)Abh~ingigkeit in einem Netzwerk. Abhiingigkeit der (ibrigen Akteuren von Akteur A

sehr hoch

von ,,A. . dominiertes Netzwerk

.

............

....... sehr niedrig sehr niedrig

.

..- " ........

maximale gegenseitige Abh~ingigkeit

.......

9149176

,A" wird durch das Netzwerk dominiert sehr hoch Abhlingigkeit des Akteurs A von den ~Jbrigen Akteuren

Abb. D-3:

Ressourcenabh~ngigkeit und Machtverteilung im Netzwerk Ahlert/Blaich/Evanschitzky (2003), S. 40.

258 Wie bereits im einleitenden Kapitel dieses Buchs erl~utert, ist der Ressource Wissen eine sehr hohe Bedeutung zuzurechnen.

84

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

In einem Unternehmensnetzwerk I~sst sich die Position eines Akteurs als ,,dominierend" oder ,,dominiert" bezeichnen. Entlang der Diagonalen befindet sich der Akteur mit dem Netzwerk in gegenseitiger Abh~ingigkeit, wobei diese von ,,gegenseitig sehr schwach abh~ingig" (unten links im Schaubild) bis ,,gegenseitig vSIlig abh~ingig" (oben rechts im Schaubild) bezeichnet werden kann. Das gegenseitige Abh~ingigkeitsverh~iltnis wirkt sich auch auf den Wissenstransfer innerhalb des Unternehmensnetzwerks aus. Es ist davon auszugehen, dass einerseits eine beidseitige Abh~ngigkeit und andererseits die HShe der Abh~ingigkeit die Notwendigkeit und damit auch den tats~ichlichen Austausch von Wissen ansteigen I~isst. Bei geringer gegenseitiger Abh~ingigkeit bzw. bei einer einseitigen Abh~ingigkeit wird es zu einer geringeren Wissensaustauschintensit~t bzw. zu einem einseitigen Wissenstransfer kommen. Zusammenfassend k(~nnen Unternehmensnetzwerke als auf die Erbringung einer Leistung ausgerichtete Zusammenarbeit von mehr als zwei rechtlich selbstst~indigen Partnern, die jedoch zumindest in Bezug auf den Kooperationsbereich wirtschaftlich nicht unabh~ngig sind, verstanden werden. 259 Die Beziehungen zwischen den die Leistung erbringenden Unternehmen gehen dabei 0ber rein marktliche Beziehungen hinaus, d. h., dass sie f0r eine gewisse Dauer angelegt sind und die Leistung von den Unternehmen nicht nur einmalig erbracht, sondern dauerhaft (zumindest mehrmalig) am Markt angeboten wird. Ebenso findet ein Austausch von Ressourcen zwischen den beteiligten Netzwerkpartnern statt. 26~

259 Vgl.Ahlert et al. (2002), S. 13. 260 In engerAnlehnung an Ahlert/Blaich/Evanschitzky(2003), S. 52 f.

Wissen als Ressource in Netzwerken

85

Wissen als Ressource in Netzwerken

Wissen stellt, wie eingangs aufgezeigt, in modernen Dienstleistungsgesellschaften die wesentliche Ressource bei der Leistungserbringung dar. Dies gilt insbesondere for den Dienstleistungssektor, aber auch for produzierende Sektoren, in denen generell die Bedeutung von die Produktion erg~inzenden Serviceleistungen zunimmt. Dementsprechend ist das Wissensmanagement eine Kernaufgabe des Managements von Unternehmensnetzwerken. Erfolgreiche Unternehmensnetzwerke zeichnen sich durch die Kombination dezentraler Managementverantwortung der einzelnen Akteure bei gleichzeitiger effizienter, zentralistischer Steuerung des Netzwerks durch einen Systemkopf aus (siehe Abb. D-4). 261 Am Beispiel von Netzwerken im Handel kann die Entstehung einerseits aus hierarchischen Systemen durch eine zunehmende Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen erfolgen. Andererseits k0nnen Netzwerke aus der Zusammenarbeit von ehemals eigenst~indigen ,,Platzhirschen" mit einer teilweisen Verlagerung von Aufgaben auf einen zentralen Systemkopf resultieren.

~_H 9Massenfilialsysteme zentralistisch 9 Kostenf0hrerschaft/

Hier.

Platzhirsche . individualistisch II 9 Qualit~itsfehrerschaft/ II

archie

ierarchienahe Netzwerke

Abb. D-4:

I

Netzwerke mit Systemkopf ~ ~ Unternehmertum vor Oft + Zentralistischer, effizienzorientierter Systemhintergrund ,. j

Marktnahe Netzwerke

Netzwerkemit Systemkopf Ahlert (2001).

Unabh&ngig vonder Art und Weise der Entstehung von Unternehmensnetzwerken ist festzuhalten, dass diese sich im Systemwettbewerb gegen0ber hierarchischen Systemen und ,,Marktl0sungen" behaupten m0ssen. Durch die Kopplung des Unterneh261 Vgl. Ahlert (2001).

86

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

mertums vor Ort mit einem zentralistisch effizienzorientierten Systemhintergrund erscheinen Unternehmensnetzwerke pr~idestiniert, eine 0berlegene Position im Wettbewerb zu erreichen und zu behaupten. Diese Konstruktionsprinzipien erfolgreicher Unternehmensnetzwerke sind insbesondere auch im Kontext des Wissensmanagements bedeutsam, d. h., dass auf Grund dieser Prinzipien ein optimaler Umgang mit Wissen innerhalb des Unternehmensnetzwerks ermSglicht wird. Dezentrale Managementverantwortung innerhalb des Kooperationssystems der selbstst~indigen Unternehmer beinhaltet bzw. bewirkt: 262 9 Autonomes Entscheiden der dezentralen Einheiten, 9 flexibles, kundennahes Agieren und 9

hohes Motivationspotenzial des Unternehmers ,,vor Ort".

Damit der Unternehmer vor Ort aber in der Lage ist, autonom zu entscheiden und flexibel und kundennah zu agieren, ist es unabdingbar, dass er 0ber umfassende F~ihigkeiten (KSnnen bzw. implizite Wissensbestandteile) und das notwendige Faktenwissen verf0gt. Dies gilt insbesondere for Dienstleistungen, bei denen das Wissen des Mitarbeiters einen wesentlichen Inputfaktor darstellt. Der zentralistisch, effizient gesteuerte Systemhintergrund sorgt for: 9 ein effizientes Kostenmanagement, 9 die konsequente Nutzung moderner Technologien, 9 die B0ndelung zersplitterter Machtpotenziale und 9 die permanente Verbesserung der Systemdienstleistungskonzeption. Zur Erf011ung dieser Aufgaben ist der Systemkopf in hohem Mal~e auf die Kooperationsbereitschaft s~mtlicher Mitarbeiter und s~mtlicher Mitgliedsunternehmen angewiesen. Insbesondere die permanente Verbesserung der Systemdienstleistungskonzeption wird nur gelingen, wenn die von den einzelnen Mitarbeitern gemachten Erfahrungen und die entwickelten Probleml5sungen innerhalb des Netzwerks systematisch kommuniziert und durch den Systemkopf erfasst und verdichtet werden. Auf Grund der grol~en Lernoberfl~che ist somit ein grol~es Innovationspotenzial gegeben. In der folgenden Abb. D-5 wird die systematische Nutzung dieser vergr5r~erten Lernoberfl~che am Beispiel der Betriebstypenevolution in Handelssystemen veranschaulicht.

262 Vgl. hier und im FolgendenAhlert (2001).

Wissen als Ressource in Netzwerken

87

Erwartun~(Exante) I FuturOIOgie

"t EigenePrognosen ""

"t'"

Erforschungder

|

/ /

Informationsquellen am Beispiel der

strategischenuntemehmungenanderer Pl~lne .......... -I-...... 1 Fremd q (netzwerk-0bergreifend) Beobachtung erfolgreicher Betriebstypen von Kollegen bzw. Konkurrenten

|

,'"

/

.,"

J] ,,"" .""

,,'"'"'] /

J

(Externe Erfolgsforschung)

Betriebstypenevolution .~ /~.,,. Elgen ''::

ii ii

.

, (innerhalbdes Netzwerks)

9Systematisches Lernen aus nat0rlichen Marktexperimenten 9 Gestaltung und Auswertung k0nstlicher Marktexperimente

Erfahrung(Expost) Abb. D-5:

VergrOI3erungder Lernoberfl@chein Unternehmensnetzwerken Ahlert/Olbrich (1997).

AIs Quellen der Weiterentwicklung des organisationalen Wissens des Netzwerks im Bereich der Betriebstypenentwicklung kOnnen prinzipiell die Erfahrungen innerhalb und aul~erhalb des Netzwerks genutzt werden. 263 Zudem kOnnen zukunftsgerichtet die Plane fremder Organisationen erforscht werden. Im Kontext des Wissensmanagements und speziell des Wissenstransfers in Unternehmensnetzwerken kommt der systematischen Erfassung der Erfahrungen, die die selbstst~ndigen Unternehmer innerhalb des Netzwerks machen, eine herausragende Bedeutung zu. Die selbstst~indigen Unternehmer sind im Gegensatz zu angestellten Gesch~iftsf0hrern in hierarchischen Systemen auf Grund der grOl~eren Autonomie wesentlich besser in der Lage, durch (kleine) Variationen am Gesch~iftskonzept, insbesondere im Bereich von Serviceleistungen, Erfahrungen zu sammeln. Werden diese Erfahrungen im Rahmen eines lernorientierten Controllings systematisch erfasst und ausgewertet, so ist das Netzwerk pr~idestiniert dafer, durch regelm~l~ige innovative ProblemlOsungen und Weiterentwicklung der bestehenden Systemdienstleistungskonzeption im Systemwettbewerb eberaus erfolgreich zu sein. In einem Unternehmensnetzwerk, welches nach den Prinzipien des selbstst~ndigen Unternehmertums vor Ort gepaart mit dem effizienzorientierten Systemhintergrund konstruiert ist, ist jedoch unabh~ingig vom Wissensmanagement zun~ichst die Basis-

263 Vgl. hier und im Folgenden Ahlert/Olbrich (1997).

88

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

anforderung einer bemerkenswerten, innovativen ProblemlOsung zu erf011en. Dies ist eine Leistung, die mit einer entsprechenden wettbewerbsf~ihigen Qualit~it von dem Netzwerk als Ganzes erbracht wird. 0ber die Basisanforderung einer innovativen Probleml5sung hinaus, kann ein solches Netzwerk eine Differenzierung, wie in Abb. D-6 veranschaulicht, mittels 0berlegener finanzieller Ressourcen, mittels des Humankapitals, des technologischen Kapitals oder mittels des Markenkapitals erreichen.

Systemkopf I

Netzwerkmanagement ,,Unternehmerpers0nlichkeit"

I

Differenzierungsans~itze

Basisanforderungen

Abb. D-6:

,,bemerkenswerte" Probleml6sung

Innovationskapital Systemdienstleistungsqualit~t

Wissensmanagementin Unternehmensnetzwerken Ahlert/Evanschitzky (2003).

Wesentlich f0r den Erfolg des Unternehmensnetzwerks im Systemwettbewerb ist aber die 0berlegene, netzwerkspezifische Ausgestaltung eines Wissensmanagements. Das Wissensmanagement stellt allerdings keine weitere zus~itzliche Funktion neben Marketing, Organisation oder Informationstechnologie dar, sondern ist als alle Aspekte umfassende Aufgabe des Netzwerkmanagements zu verstehen. Wissen muss in allen Bereichen des Netzwerks generiert, ausgetauscht, genutzt und bewahrt werden. Jeder einzelne Mitarbeiter einer Netzwerkunternehmung muss seinen Beitrag leisten, insbesondere durch die Bereitstellung seines individuellen Wissens, gleichzeitig aber auch durch die Nutzung des Wissens von anderen Akteuren innerhalb des Netzwerks, um ineffiziente Doppelarbeiten zu vermeiden. Angesichts des subjektiven Charakters von Wissen und der Nicht-Greifbarkeit von Wissen, setzt das Netzwerkmanagement allerdings nicht direkt an dem Wissen

Wissen als Ressource in Netzwerken

89

selbst an, sondern fokussiert darauf, Rahmenbedingungen innerhalb des Netzwerks zu etablieren, die s~imtliche Wissensaktivit~iten barrierefrei ermOglichen. 264 Ziel ist es demnach, s~imtliche Barrieren, die im Kapitel B.2 geschildert wurden, zu beseitigen, um so den Zustand eines idealen Wissensmanagements zu erreichen. Es zeigt sich, dass dem Wissensmanagement als s~imtliche Funktionsbereiche und Managementaufgaben umfassende ,,Querschnittsfunktion" eine besondere Bedeutung im Rahmen des Netzwerkmanagements zuzusprechen ist. Diese Bedeutung und insbesondere auch die Ausgestaltung des Wissensmanagements variiert in Abh~ngigkeit vonder Art des Netzwerks. Zwei aus Sicht der Autoren hierf0r wesentliche Aspekte sollen im Weiteren analysiert werden. Es ist zum Ersten eine Unterscheidung dahin gehend vorzunehmen, ob denn ein Transfer von Wissen - also eine Wissensteilung - oder aber die Kombination von Wissenstr~igern for ein Netzwerk sinnvoll ist. Dieser Aspekt wird im Kapitel D.2.1 n~iher analysiert. Zum Zweiten kann die Bedeutung des Wissensmanagements als Erfolgsfaktor in Abh~ingigkeit von der Komplexit~it der erbrachten Leistung unterschiedlich ausgepr~igt sein.

2.1

Koordination vs. Transfer von Wissen als Aufgabe des Wissensmanagements

Bereits zu Beginn dieses Buches wurde aufgezeigt, dass angesichts der Erkenntnis ,,Geteiltes Wissen ist doppeltes Wissen" der Transfer von Wissen ein wesentlicher Bestandteil des Wissensmanagements ist. Vor diesem Hintergrund fokussieren viele Arbeiten, wie auch das vorliegende Buch, auf eben die Analyse des Wissenstransfers. H~ufig kulminiert die Besch~iftigung mit dem Transfer von Wissen allerdings relativ unreflektiert in die Richtung, s~imtliches Wissen s~imtlichen Mitgliedern in der Organisation prinzipiell zug~inglich zu machen. 265 Diese Maximierung des Wissenstransfers als Ziel und Aufgabe des Wissensmanagements ist kritisch zu sehen. 266 Nur unter bestimmten Konstellationen ist es sowohl innerhalb von Unternehmen als

264 Die UnmOglichkeit, die Ressource Wissen wie andere Ressourcen zu managen, wurde bereits bei den Ausf0hrungen zum idealtypischen Wissensmanagement im Kapitel B.1.2 skizziert. Dementsprechend widmen sich die Ausfi3hrungen zur Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken in Kapitel E auch der Gestaltung von Rahmenbedingungen. 265 Vgl. beispielsweise Henschel (2001), S. 194: ..... und so die Erfahrungen, die ein einzelnes Organisationsmitglied gemacht hat, der gesamten Organisation und s~imtlichen Organisationsmitgliedern zugSnglich zu machen"; siehe auch Davis/Botkin (1994), S. 168. 266 Vgl. hier und im Folgenden Grant (1996), S. 112 ft.

90

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

auch in Unternehmensnetzwerken sinnvoll, s~imtliches Wissen zu jeder Zeit an jedem Ort verf(~gbar zu machen. Zum einen ist der Transfer von spezifischem Wissen 267, welches vielfach in hohem Ausmal~ implizite Wissensbestandteile umfasst, sehr aufwendig und damit teuer. Zum anderen besteht in Unternehmensnetzwerken die Gefahr, dass einzelne Netzwerkpartner durch die Weitergabe von Wissen ihre spezifische Kernkompetenz preisgeben und sich somit ersetzbar machen. 268 Dementsprechend wird geschlussfolgert, nicht das Wissen zu transferieren, sondern die Wissenstr~iger von spezialisiertem Wissen zusammenzubringen und gemeinsam an der Erbringung komplexer ProblemlOsungen arbeiten zu lassen. Grant sieht eine Existenzbegr0ndung von Unternehmen darin, dass innerhalb des Unternehmens Bedingungen geschaffen werden kOnnen, die im Gegensatz zum Markt die Integration und Koordination von spezialisiertem Wissen bzw. Wissenstr~igern ermOglichen. Diese Integration und Koordination ~iu~ert sich aber nicht in einer Maximierung des Wissenstransfers. Es geht vielmehr darum, fQr Aufgaben, die eine hohe Komplexit~it aufweisen und Spezialistenwissen unterschiedlichster Fachrichtungen erfordern, nicht den Transfer von Wissen in Form des ,,Von-Einander-Lernens", sondern die Kombination der einzelnen Spezialisten mit dem Ziel der gemeinschaftlichen Aufgabenerstellung anzustreben. 269 Dieses Prinzip ist vielfach auch in Unternehmensnetzwerken festzustellen, zu nennen sind hier die Netzwerke von Automobilzulieferern und Automobilherstellern (beispielsweise die ,,Smartville" genannte Produktionsst~itte des Smarts in Hambach) 27~ oder aber Forschungs- & Entwicklungsnetzwerke (z. B. im Bereich der Biotechnologie). 271 0bertragen auf Unternehmensnetzwerke I~lsst sich schlussfolgern, dass auch in Netzwerken nicht unbedingt eine Maximierung des Wis-

267

Spezifisches Wissen ist in der Regel 0ber einen langen Zeitraum aufgebaut worden und vielfach durch implizite Bestandteile gekennzeichnet. Der Transfer erfordert insofern viel Zeit von Sender und Empf~nger sowie umfassende Lernanstrengungen des Empf~ingers. Vgl. beispielsweise Wagner (2000), S. 38; Jensen (1998), S. 106 ft. Zur Effizienz eines Wissenstransfers siehe auch die Ausf0hrungen bei Burmann (2002), S. 220 ft.

268 Vgl. Kogut/Zander (1993), S. 639 f.; Spender (1994), S. 363; Argote/Ingram (2000). Loebecke/ Fenema/Powell (1999) und Larsson et al. (1998) diskutieren ebenfalls die Problematik einer Preisgabe von Kernkompetenzen durch die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen. 269 Vgl. Grant (1996), S. 114; ebenso Jensen/Meckling (1992), S. 254. 270

FOr die Einordnung dieses Beispiels for die Kombination von Wissen war ausschlaggebend, dass Hersteller und Zulieferer zumindest in Teilbereichen auch in Konkurrenz stehen, d. h., dass der Hersteller einzelne Arbeitsschritte oder Technologien selbst 0bernehmen kOnnte. In Anbetracht des langanhaltenden Trends des Outsourcings in der Automobilindustrie ist allerdings als wesentlich wichtigerer Grund die Gefahr des indirekten Wissensverlusts anzuf0hren. Indirekt bedeutet dies, dass das Know-how des Zulieferers 0ber den Hersteller an konkurrierende alternative Zulieferer abflier~en k0nnte, weil der Hersteller beispielsweise seine AbhSngigkeit von einem Zulieferer reduzieren mOchte und dementsprechend an alternativen Bezugsquellen interessiert ist.

271 Vgl. Powell (1998).

wissen als Ressource in Netzwerken

91

senstransfers sinnvoll ist, sondern die Integration der spezifischen F~ihigkeiten der einzelnen.Netzwerkmitglieder. Ein Transfer bzw. die Preisgabe von Wissen ist, abgesehen von den Schwierigkeiten der 0bertragbarkeit, deshalb nicht immer empfehlenswert, weil der einzelne Netzwerkpartner dadurch seine spezifischen F~ihigkeiten preisgeben und der Imitation zug~inglich machen k0nnte. 272 Dadurch wird er austauschbar und gef~ihrdet seine Position nicht nur innerhalb des Netzwerks, sondern auch seine Wettbewerbsposition insgesamt. 273 Relevant sind entsprechende 0berlegungen vor allem for Unternehmensnetzwerke, in denen die einzelnen Netzwerkakteure in Konkurrenzbeziehungen zueinander stehen, beispielsweise in Entwicklungspartnerschaften, Joint Ventures oder allgemein in horizontalen Netzwerken. Es lassen sich aber auch vielf~iltige Beispiele fi3r Unternehmensnetzwerke anfi3hren, for die ein Transfer im Gegensatz zu einer Kombination von Wissen sinnvoll erscheint. 274 Dies sind z. B. das eingangs erw~hnte Beispiel IBM, wo IBM dazu 0bergeht, sein technologisches Know-how Kooperationspartnern zug~inglich zu machen. Dies kann der Austausch von Wissen in Netzwerken von Beratungsunternehmen sein, wie beispielsweise im einf(Jhrenden Fallbeispiel des Delfi-Netzwerks veranschaulicht, oder es kann der Transfer von Wissen in F&C-Netzwerken sein. Eine Vielzahl von Gr0nden I~isst sich for diese Netzwerke anf(~hren, warum der Transfer sinnvoll ist. Dies ist beispielsweise die Reduktion von Abh~ngigkeiten von einzelnen Mitarbeitern oder einzelnen Netzwerkakteuren, um nicht beim Ausscheiden von diesen gewisse Leistungen nicht mehr erbringen zu k(~nnen.275 Zudem ist der Transfer von Wissen sinnvoll, um Doppelarbeiten und die redundante Entwicklung von ProblemlOsungen innerhalb eines Unternehmens und - noch viel w i c h t i g e r - innerhalb des Netzwerks zu verhindern. 276 Die Bildung von Unternehmensnetzwerken kann, wie eingangs geschildert, unter Nutzenaspekten den Zugang zu anderweitig nicht oder nur schwer beschaffbaren Ressourcen sichern. 277 Die einzelnen Netzwerkpartner bringen ihre Kernkompetenzen, die auf spezifischem Wissen der einzelnen Unternehmen beruhen, in das Netzwerk ein. Durch die Kombination der Kernkompetenzen ist dem Netzwerk als Ganzes die Erbringung von Leistungen mOglich, die den

272

Vgl. Kogut/Zander(1993), S. 639 f.; Spender (1994), S. 363.

273

Vgl. zu dieser Problematik beispielsweise Argote/Ingram (2000); Loebecke/Fenema/Powell (1999); Larsson et al. (1998); Kogut/Zander (1993).

274 Vgl. beispielsweise die Ausf0hrungen von Bender/Fish (2000), S. 129 ft. 275 Vgl. Burmann (2002), S. 220; generell zur Wissensbewahrung: Probst/Raub/Romhardt (1999), S. 289ff. 276 Vgl. Argote (1999), S. 143. 277 Vgl. Evanschitzky (2003), S. 42 ft.

92

Unternehmensnetzwerkeunter Wissensaspekten

einzelnen Netzwerkpartnern auf Grund mangelnder Ressourcen, speziell mangelnden Wissens, nicht mOglich ist.278 Insbesondere in Unternehmensnetzwerken, in denen zwischen den einzelnen Netzwerkakteuren keinerlei Konkurrenzbeziehungen oder nur in Teilbereichen Konkurrenzbeziehungen existieren, erscheint der Transfer von Wissen eine effektive $trategie der VVissensnutzung zu sein. Dies gilt insbesondere f0r F&C-Netzwerke. Multiplikation von Wissen in Franchisenetzwerken

Ein Grundgedanke des Franchisings ist die Multiplikation des Wissens des Franchisegebers. Franchisegeber und Franchisenehmer sind auf unterschiedlichen Marktstufen aktiv und stehen in der Regel nicht in direktem Wettbewerb. Dennoch f0hrt eine Vielzahl von Franchisesystemen pluralistisches Franchising dutch, d. h., die Systemzentrale fungiert nicht nut als Franchisegeber, sondem ist auch mit eigenen Filialen auf der Marktstufe der Franchisenehmer aktiv. Dies erscheint notwendig, damit der Franchisegeber sein Wissen dauerhaft weiterentwickeln kann. Zudem stehen die Filialen von Franchisegeber und die Franchisenehmerm~irkte sowie die einzelnen Franchisenehmerm~irkte untereinander auf Grund von zugewiesenen Vertragsgebieten in Kombination mit Gebietsschutzvereinbarungen normalerweise nicht in direktem Wettbewerb. 2~9 Der Franchisegeber w~ihlt gerade das Franchising als Organisationsform, well er nicht die Ressourcen hat, seine Gesch~iftsidee alleine umzusetzen oder ,,fl~ichendeckend" zu vermarkten, sondern dies nut mit der Hilfe der Franchisepartner verwirklichen kann. Im Zuge der funktionalen Arbeitsteilung sind die Aufgaben von Franchisegeber und Franchisenehmer im Detail geregelt. Die Problematik eines Verlusts yon Kernkompetenzen in Folge einer Preisgabe yon Wissen stellt sich innerhalb von Franchisenetzwerken nicht. Insofern ist festzuhalten, dass in Franchisenetzwerken der Wissenstransfer eine sinnvolle und wichtige Funktion einnimmt und gegen0ber der Kombination von Spezialisten von vorrangiger Bedeutung ist.

278 Vgl. exemplarischWeissenberger/Eibl (2000), S. 56 ft. 279

Vgl. zur Plural Form des Franchisings Ehrmann/Spranger (2003), S. 3, sowie Bradach (1997); Hennart (1993). Zum Gebietsschutz und den rechtlichen Grundlagen vcjI. Flohr/Schulz/VVessels (2003), S. 228 ft.

VVissen als Ressource in Netzwerken

2.2

93

Wissensbasierte Systematisierung von Unternehmensnetzwerken in Abhllngigkeit von der erbrachten Leistung

Neben der Frage, ob der Transfer yon Wissen oder die Kombination yon Wissenstr~gern im Rahmen des Wissensmanagements anzustreben ist, kann for unterschiedliche Netzwerktypen eine unterschiedliche Bedeutung des Wissensmanagements konstatiert werden. W~ihrend in manchen Netzwerken das Wissensmanagement ein for den Erfolg im Wettbewerb notwendiger, aber in seiner Bedeutung nicht 0berragender Aspekt ist, stellt das Wissensmanagement for andere Netzwerke wiederum den zentralen Erfolgsfaktor dar. 28~ Es ist zu analysieren, anhand welcher Merkmale diese unterschiedliche Bedeutung identifiziert werden kann und wie sie zu erkl~iren ist. AIs Ausgangspunkt der Analyse ist die zu erbringende Leistung zu analysieren. Eine weitere Differenzierung dieser Leistung kann entlang des Erstellungsprozesses in eine Potenzial-, eine Prozess- und eine Ergebnisphase erfolgen. Diese in der Abb. D-7 veranschaulichte dimensionenorientierte Betrachtung wurde ursprOnglich for Dienstleistungen konzipiert. In Anbetracht der zunehmenden Kombination von Sachund Dienstleistungen zu komplexen Konsumb0ndeln, der Diskussion um die Abgrenzbarkeit von Sach- und Dienstleistungen und der Fokussierung des MOTIWIDIProjekts speziell auf Dienstleistungen, wird dieser Darstellung im vorliegenden Buch gefolgt. 281 Anhand dieser Unterteilung kann die Wissensintensit~it einer Leistung sehr gut veranschaulicht werden. Darauf aufbauend lassen sich zudem die Unternehmensnetzwerke anhand der Wissensintensit~it systematisieren.

280 ES ist an dieser Stelle wichtig zu erkennen, dass generell, wie in Kapitel D.2 aufgezeigt wurde, das Wissensmanagement von grol~er Wichtigkeit for den Erfolg von Unternehmensnetzwerken ist. WShrend es aber in manchen Netzwerken ein Erfolgsfaktor neben anderen ist, gibt es nach Auffassung der Autoren Netzwerke, in denen das Wissensmanagement einen zentralen Erfolgsfaktor darstellt. Diese Netzwerke identifizieren und die besondere Bedeutung erkl~iren zu kOnnen, ist das Anliegen der weiteren Ausf0hrungen. 281 Vgl. Ahlert et al. (2002) sowie Ahlert/Blaich/Evanschitzky (2003) zur Unterscheidung von Dienstund Sachleistungen.

94

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

Potenzialdimension

Bereitgestellte interne Faktoren Leistungspotenzial (Vorkombination)

Ergebnisdimension

Prozessdimension

I

Erstellung der DL I durch interne und I externe Faktoren i (Endkombination)

Dienstleistungals nutzenstiftende = Wirkung am externen Faktor

....................... eiie;ie;;akloJ..................................... ~ ............................ i............ ~~ie~~een~i ii ~n~~e~............ Wirkung Abb. D-7:

Phasenbetrachtungdes Dienstleistungserstellungsprozesses Ahlert et al. (2002).

In der Potenzialdimension werden die Notwendigkeit und gleichzeitig die F~ihigkeit einer Organisation beleuchtet, Einsatzfaktoren in der entsprechenden Kombination bereitzuhalten, wie sie f0r die Erstellung einer Leistung notwendig sind. FOr Unternehmensnetzwerke aus dem F&C-Sektor gilt es beispielsweise, das Know-how 0ber den Iokalen Markt und das unternehmerische Gesp0r der einzelnen Netzwerkmitglieder mit dem strategischen Wissen, den organisatorischen F~higkeiten und dem Machtpotenzial der Zentrale zu kombinieren, um f0r den einzelnen Kunden eine 0berlegene Leistung anbieten zu kOnnen. In der Prozessdimension wird diese Vorkombination in den eigentlichen Erstellungsprozess eingebracht. Angesto~en wird der Erstellungsprozess i. d. R. durch den Auftrag eines Kunden. Dieses gilt f0r Dienstleistungen, bei denen die Integration des externen Faktors als wesentliches konstituierendes Merkmal angesehen wird. 282 Aber auch bei Leistungen, die 0berwiegend oder ausschliel~lich den Charakter einer Sachleistung aufweisen, ist der Kundenwunsch immer h~iufiger der Ausgangspunkt der Leistungserstellung. Erinnert sei hier nur an Schlagworte und damit zusammenh~ingende Konzepte wie ,,Built to order" oder ,,Mass Customization". Diese beinhalten letztlich die Gemeinsamkeit, dass eine Leistung mehr oder weniger individuell speziell auf Wunsch eines Kunden erstellt wird und zwar erst, wenn der Kunde sein Be-

282 Zu den konstitutiven Merkmalen von Dienstleistungen siehe beispielsweise Ahlert et al. (2002) mit weiterf0hrender Literatur.

Wissen als Ressource in Netzwerken

95

derfnis ge~iul~ert hat. Entsprechende Leistungen sind demnach dem in Abb. D-7 dargestellten Prozess der Leistungserstellung sehr ~ihnlich, selbst wenn sie im Wesentlichen einen materiellen Kern besitzen. Neben diesen inputbezogenen Betrachtungen ist auch der Output einer Leistung zu berecksichtigen. In der Ergebnisdimension wird die Wirkung einer Leistung analysiert der Nutzen, den diese Leistung dem Konsumenten stiftet. Bei der Analyse von Dienstleistungen wird unterschieden, ob der Nutzen an Objekten erbracht wird und damit materieller Natur ist oder, ob er direkt am Menschen erbracht und damit in vielen F~illen zun~chst immaterieller Natur ist und nur situations- und personenspezifisch in einen materiellen Wert ,,umgerechnet" werden kann. Die Wissensintensit&t von Leistungen kann einerseits mittels einer inputbezogenen Analyse bestimmt werden, vielfach wird aber auch die Ergebnisdimension als ein Indikator for die Wissensintensit~it einer Leistung herangezogen. Wissen kann ein wesentlicher Inputfaktor, aber auch ein Ergebnis der Dienstleistung sein. 283 Ungeachtet der Indikatoren, die zur Bestimmung der Wissensintensit~it einer Leistung verwendet werden, stellt sich die Problematik der Bewertung und Messbarkeit von Wissen, welche eine Voraussetzung einer exakten Bestimmung der Wissensintensit~it ist. 284 Auf Grund der Darstellung der Problematik der exakten Bemessung der Wissensintensit~t in Kapitel B wird diese hier nicht weiter vertieft. Im Folgenden sollen lediglich aus Sicht der Autoren wertvolle Indikatoren vorgestellt werden, die zwar keine exakte, objektive und allgemein anerkannte Bestimmung der Wissensintensit~it ermOglichen, jedoch for den Einzelnen eine wertvolle Heuristik zur Bestimmung bieten. Diese sicherlich subjektive Einsch&tzung ist die notwendige Voraussetzung zur Wahl entsprechender Strategien und zur organisatorischen Gestaltung des Netzwerks als Ganzes und der Rahmenbedingungen des Wissensmanagements innerhalb des Netzwerks im Besonderen. Aus einer inputbezogenen Perspektive werden, wie in Abb. D-8 dargestellt, die Konstrukte der Leistungskomplexit~it und der Arbeitsintensit~it fokussiert, die sich auf die weiter oben erl~iuterten Phasen der Potenzial- und der Prozessdimension beziehen.

283 Vgl. Starbuck (1992). 284

Vgl. zur Problematikder Wissensbewertung Kapitel B.

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Unternehmensnetzwerkeunter Wissensaspekten

Komplexit~it

hoch

f

VVissensintensive (Dienst)Leistungen

niedrig technisches Potenzial

Abb. D-8:

Humanpotenzial Arbeitsintensitiit

Wissensintensit~itvon (Dienst)Leistungen Eigene Darstellung.

Unter der Leistungskomplexit~it wird nicht eine ,,normale" Kompliziertheit von Problemen oder Strukturen verstanden. 285 Komplexit~t meint vielmehr allgemein diejenige Eigenschaft von Systemen, in einer gegebenen Zeitspanne eine grol3e Anzahl von verschiedenen Zust~nden annehmen zu kSnnen, was deren geistige Erfassung und Beherrschung durch den Menschen erschwert. 286 Aus dieser Vielzahl mSglicher Zust~nde ergeben sich vielf~ltige, wenig voraussagbare und ungewisse Verhaltensm5glichkeiten. Ein System besteht aus einer Summe von Elementen, zwischen denen Beziehungen bestehen bzw. hergestellt werden k5nnen. 287 Ein Zustand beschreibt dabei genau eine spezifische Element-Beziehungs-Kombination. Je h~ufiger sich die Beziehung zwischen den Elementen bzw. die Stellung der Elemente zueinander ~indert, desto h5her wird die Komplexit~it dieses Systems. AIs System for die Untersuchung der Komplexit~it soil hier das Beziehungsgef0ge zwischen dem Dienstleistungsanbieter und dem vom Anbieter bereitgehaltenen Potenzial, dem Kunden und dem von Kunden eingebrachten externen Faktor sowie der Art der zu erbringenden Dienstleistung verstanden werden. 288 Zwischen dem Kun-

285 Vgl. hier und im FolgendenAhlert et al. (2002). 286 Vgl. Bleicher (1996), S. 31. 287 Vgl. Benkenstein/G0thoff(1996), S. 1497. 288 Vgl. Benkenstein/G(~thoff(1996), S. 1498.

Wissen als Ressource in Netzwerken

97

den, dem Dienstleistungsanbieter, dem bereitgehaltenen Leistungspotenzial und dem externen Faktor kOnnen vielf~iltige Beziehungen bestehen. Diese Elemente und die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen werden wiederum durch die Art und die Eigenschaften der jeweils betrachteten Dienstleistung beeinflusst. Dabei sind grunds~itzlich folgende Perspektiven zu unterscheiden: 289 Die bereits erw~ihnte Komplexit~it aus der Sichtweise des Kunden, die so genannte subjektive Komplexit~it. Entscheidend in dieser Perspektive ist die Wahrnehmung durch den Kunden. Zum zweiten ist die objektive Komplexit~t bzw. die Innenkomplexit~t zu nennen. Unter objektiver Komplexit~it verstehen Homburg/Kebbel die Komplexit~t, die sich aus der internen Gestaltung der Prozesse zur Erbringung der Dienstleistung ergibt. Bleicher bezeichnet diese als Innenkomplexit~it, die dadurch entsteht, dass versucht wird, innerhalb der Unternehmung bzw. hier innerhalb des Netzwerkes die ~uBere Komplexit~it durch organisatorische MaBnahmen auf ein fQr den einzelnen Mitarbeiter bzw. das einzelne Netzwerkmitglied beherrschbares MaB zu reduzieren. 29~ Diese auch als Eigenkomplexit~it bezeichnete innere Komplexit~it wird im Folgenden nicht weiter ber0cksichtigt. Die noch zu erl~uternden Kriterien der Potenzialphase bilden zwar Ansatzpunkte des Komplexit~itsmanagements innerhalb der Unternehmung bzw. innerhalb des Netzwerks. Es wird aber lediglich betrachtet, inwiefern sich durch die Notwendigkeit der Faktorbereithaltung komplexit~itssteigernde Wirkungen ergeben. Ziel der Systematisierung ist es nicht, die generellen organisatorischen MaBnahmen der einzelnen Dienstleistungsanbieter und -netzwerke in Bezug auf den Umgang mit der Komplexit~t zu untersuchen, sondern eine Einteilung anhand der ~uBeren Komplexit~it von Dienstleistungen vorzunehmen. Ein Erfolgsfaktor von Dienstleistungsnetzwerken kOnnte sogar sein, dass sich gewisse Netzwerkkonfigurationen wesentlich besser zur Beherrschung der Eigenkomplexit~it des Netzwerkes eignen als andere. Dar0ber hinaus d(~rfte es sich als schwierig erweisen, diese netzwerkinternen MaBnahmen zur Beherrschung bzw. zum Umgang mit Komplexit~t 0berhaupt zu identifizieren bzw. anschlieBend zu bewerten. Unter der ~iuBeren Komplexit~t wird diejenige Komplexit~t verstanden, die sich durch die Interaktion des Dienstleistungsanbieters mit der Umwelt ergibt. Diese wird hier noch einmal unterteilt. Ber0cksichtigung findet hier nur die Komplexit~t, die sich aus den Elementen Dienstleister, Kunde und Art der Dienstleistung sowie

289 Vgl. Homburg/Kebbel(2001), S. 481 ft. 290 Vgl. Bleicher(1996), S. 31.

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Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

den Beziehungen zwischen diesen Elementen ergibt. Dies ist aber nur ein Teil der ~iul~eren Komplexit~it. 9 Auf einer ,,Metaebene" kbnnen noch weitere prinzipiell auf die Komplexit~it einflussnehmende Elemente ber0cksichtigt werden. Dies sind beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollst~indigkeit der Staat, Verb~inde, Kreditgeber, Eigent0mer, Gewerkschaften, Sonstige Gesch~iftspartner oder die interessierte Offentlichkeit. So wird der Erstellungsprozess einer Dienstleistung oder die Art der Dienstleistung regelm~l~ig durch gesetzliche Vorschriften reglementiert sein, Kreditgeber haben gewisse Kontrollrechte usw. Teilweise sind diese Auswirkungen indirekt 0ber die Art der Dienstleistung mit ber0cksichtigt (z. B. gibt es for Finanzdienstleistungen spezifische gesetzliche Regeln, die zu beachten sind). Eine dar0ber hinausgehende direkte Ber0cksichtigung dieser Faktoren erfolgt im weiteren Verlauf jedoch nicht. Zum einen erscheint der Einfluss dieser Elemente und der Beziehungen des inneren Systems zu diesen Elementen vernachl~issigbar. Zum anderen werden sich for jegliche Dienstleistungen bzw. deren Anbieter vergleichbare Auswirkungen ergeben, wodurch sie im Rahmen einer Systematisierung nicht zur Abgrenzung der Dienstleistungen untereinander dienen kbnnen. W~ihrend bestehende Ans~tze zur Beurteilung der Komplexit~it von Dienstleistungen die Perspektive des Kunden einnehmen - so muss in diesen Arbeiten die Bewertung der Dienstleistungskomplexit~t aus Sicht der Kunden verfolgen - wird in Anbetracht der Zielsetzung des vorliegenden Buches jedoch hier die Perspektive des Dienstleistungsanbieters eingenommen. 291 Nicht die vom Kunden wahrgenommene Komplexit~t ist entscheidend, sondern die Herausforderungen an das Management des Dienstleistungsanbieters, die sich aus der Komplexit~t des betrachteten Systems ergeben. Letztendlich wird das Dienstleistungsnetzwerk erfolgreich sein, welches die Komplexit~it am besten ,,beherrscht". Ein weiteres Element der hier gefolgten Komplexit~tsdefinition ist die gegebene Zeitspanne bzw. der Faktor Zeit. G(3thoff ber0cksichtigt die Zeit in ihrer Untersuchung mit Hilfe der L~nge der Leistungserstellung als einen komplexit~tstreibenden Faktor. 292 Homburg/Kebbel unterscheiden zwischen dem Konstrukt Komplexit~t und Dynamik und klammern das Konstrukt Dynamik und somit den Zeitfaktor explizit a u s . 293 FOr das vorliegende Buch erscheint diese Ausblendung nicht zielf(~hrend zu sein. Folge w~re eine statische Zeitpunktbetrachtung des Systems. Die Erstellung einer Dienst-

291 Vgl. G0thoff (1995), S. 29 ft.; Homburg/Kebbel(2001), S. 481. 292 Vgl. G0thoff(1995), S. 34. 293 Vgl. Homburg/Kebbel(2001), S. 480.

Wissen als Ressource in Netzwerken

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leistung erstreckt sich regelm~il~ig 0ber einen I~ingeren Zeitraum, wobei sich je nach Betrachtungszeitpunkt eine unterschiedliche Komplexit~it in Form einer unterschiedlichen Anzahl von Zust~inden ergibt. Da dementsprechend die Komplexit~it einer Dienstleistung vom Zeitpunkt der Komplexit~itsbestimmung abh~ingt, ist eine Ausblendung der Dynamik vor dem Hintergrund der Systematisierung nicht sinnvoll. AIs gegebene Zeitspanne wird zum einen die Zeitdauer der Dienstleistungserstellung betrachtet. Zum anderen soil aber auch die Potenzialphase als Zustand zu Prozessbeginn und die Ergebnisphase als Zustand am Prozessende ber0cksichtigt werden. Kritisiert werden kann hier, dass diese Zeitspanne je nach Dienstleistung hSchst unterschiedlich sein kann. Eine theoretische Vergleichbarkeit w0rde eine normierte Komplexit~tsmessung in Form der Zust~inde pro Zeiteinheit erfordern. Auf Grund der Heterogenit~t der zu betrachtenden Dienstleistungen erscheint eine solche Normierung aber nicht operationalisierbar zu sein. AIIgemein ist damit die Komplexit~it einer Dienstleistung umso hSher, je mehr verschiedene Zust~nde das System bestehend aus Dienstleistungsanbieter, Konsument und der Dienstleistungsart unmittelbar vor, w~ihrend und unmittelbar nach der Erstellung der Leistung annehmen kann. Die Arbeitsintensit~t als zweiter die Wissensintensit~t von Dienstleistungen beschreibender Faktor ist definiert 0ber die Anzahl und den Umfang von Arbeitsaufgaben, die von den Mitarbeitern in einer gegebenen Zeit zu bew~iltigen sind. Je h5her die Arbeitsintensit~t ausgepr~gt ist, je mehr Aufgaben die Mitarbeiter 0bernehmen m(3ssen, desto bedeutender ist das Humanpotenzial und das Management dessen Wissens. Demgegen0ber ist bei einer niedrigen Arbeitsintensit~it vornehmlich der Technologie gegeneber dem ,,Faktor Mensch" der Vorzug zu geben. Die Wissensintensit~it von Dienstleistungen beschreibt demnach aus einer inputorientierten Perspektive das Ausmal3 von Wissen, welches nStig ist, um eine Dienstleistung zu erstellen. Eine eher kundenorientierte bzw. outputorientierte Sichtweise stellt Abb. D-9 dar. Diese beschreibt auch gleichzeitig die Bedeutung des Informationsund Wissensaustausches in Franchisenetzwerken, welche sich auf einem Kontinuum einfacher standardisierter bis hin zu komplexen Leistungen respektive Kundenproblemen bewegen. Die Autoren vertreten hier zwar die Ansicht, dass in Abh~ngigkeit vonder Leistung, die das Netzwerk als Ganzes erbringt, dem Wissensmanagement eine unterschiedliche Bedeutung zukommt. Es ist allerdings bereits hier zu erw~ihnen, dass auch bei weniger wissensintensiven Leistungen nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Wissensmanagement per se unbedeutend ist.

100

Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

I Autonomie der Netzwerkpartner

Umfassen klar strukturierte Anweisungen

Grunds~tzliche Regelungen Hoher Entscheidungsspielraum

Wenig Entscheidungsfreiheit Wissensintensit~lt

Niedrig

Hoch

Rolle der Netzwerkpartner

,,Erf(Jllungsgehilfe" for den Vertrieb

Wichtiger Wissenstr~iger

Unternehmertyp

UnselbssttSndige Unternehmer

Echte Unternehmer

Bedeutung des Austausches von Informationen und Wissen

Niedrig

Hoch

Bedeutung der Beziehungsqualit~t als Bestandteil der NetzwerkfOhrung

Eher geringe Bedeutung

Zentrale Bedeutung

Wissensaufbereitung

Fokus auf Nachvollziehbarkeit und Verst,~ndlichkeit des Wissens

Fokus auf Anwendbarkeit und Nutzen des Wissens

Empfohlener F0hrungstyp

Partnerschaftlich-interaktiv

Partnerschafflich-interaktiv

Tab. D - 2 :

Bedeutungdes Informations- und Wissensaustausches in unterschiedlichen Franchisesystemen Eigene Darstellung in Anlehnung an Blaich (2004), S. 187.

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken

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Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken In Bezug auf die Konzeption eines Wissensmanagements for die unternehmens0bergreifende Zusammenarbeit in Unternehmensnetzwerken ist zu Qberlegen, welche der Inhalte der vorgestellten Wissensmanagementmodelle und insbesondere des Modells von Nonaka/Takeuchi 0bertragen werden k5nnen. Grunds@tzlich wird Wissensmanagement als ein formal strukturierter Prozess zur Verbesserung der Generierung, Verteilung, Nutzung und Bewahrung von Wissen innerhalb eines Unternehmensnetzwerks verstanden. 294 Ziel des Wissensmanagements ist eine Verbesserung der organisationalen Probleml5sungsf~higkeit, die sich letztlich in einer Steigerung der Wettbewerbsf~ihigkeit und des Werts einer Organisation niederschlagen wird. Durch eine Wissensmanagementkonzeption soil die Leistungsf~higkeit des Netzwerks als Ganzes gesteigert werden. Zentral hierf0r ist der fortw~hrende Austausch von Wissen zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern und den Mitarbeitern der unterschiedlichen zu einem Netzwerk geh5renden Unternehmen. Wie bereits in der Einleitung dieses B6chs aufgezeigt wurde, liegt in der Teilung von Wissen die besondere Bedeutung dieser Ressource. Entsprechend der vier Formen der Wissensumwandlung, die Nonaka/Takeuchi postuliert haben, ist auch in Unternehmensnetzwerken der Austausch impliziter und expliziter Wissensbestandteile zu f5rdern, um auf diese Weise eine Wissensspirale in Gang zu setzen. Die einzelnen Mitarbeiter sind idealerweise durch die Verkn0pfung ihres bestehenden Wissens mit dem Wissen anderer Partner in der Lage, individuell bessere Probleml~sungen zu erzielen. 295 Auf der Ebene der Netzwerkakteure wird es durch die Vernetzung der Mitarbeiter, durch die Kombination der individuell lernenden Mitarbeiter zu einer Verbesserung des organisationalen Wissens des Netzwerks und damit zu einer Verbesserung der Leistungsf~higkeit des Netzwerks kommen. Gleichzeitig ist es auch Aufgabe des Wissensmanagements in Netzwerken, die auf der Ebene der einzelnen Netzwerkakteure vorhandenen organisationalen Wissensbasen effektiv und effizient miteinander zu kombinieren und den Wissensaustausch auch auf organisationaler Ebene zu f5rdern. AIs Voraussetzung der Wissensspirale k5nnen die von Nonaka/Takeuchi auf Unternehmensebene herausgearbeiteten Bedingungen weitgehend auf Unternehmensnetzwerke 0bertragen werden. Aufgabe des Wissensmanagements in Unterneh-

294 Vgl. Ahlert/Blaich (2004), S. 275, ~ihnlichfindet sich dies bei Davenport(1996), S. 34 ft. 295 ,,Besser"bedeutet in diesem Zusammenhang, eine gleiche Leistung zu geringeren Kosten oder eine qualitativ hSherwertige Leistungzu den gleichen Kosten erbringen zu kSnnen.

102

Unternehmensnetzwerkeunter Wissensaspekten

mensnetzwerken ist es somit, die Rahmenbedingungen f0r einen reibungslosen Wissensaustausch zwischen s~imtlichen Mitarbeitern des Netzwerks zu gestalten. In Bezug auf die Intention des Wissensmanagements muss auch f0r das Netzwerk durch eine allgemein g01tige Vision ein Mal~stab f0r die Relevanz von Wissen vorgegeben werden. Es muss eine Zielsetzung f0r die strategische Entwicklungsrichtung existieren, an der s~imtliche Wissen schaffende Aktivit~iten ausgerichtet werden kOnnen. Ebenso kann neu generiertes Wissen im Hinblick auf seine Relevanz und seinen Beitrag zur Erreichung der Vision, der Zielsetzung des Netzwerks eingesch~itzt werden. Eine wesentliche Aufgabe des Wissensmanagements auf Netzwerkebene ist es, auf individueller wie auf organisationaler Ebene die notwendige Motivation zu erzeugen. Eine m0glichst grol~e Autonomie einzelner Mitarbeiter kann ebenso wie eine grol~e Autonomie f0r die einzelnen Netzwerkunternehmen f0rderlich sein. Es sollten keine starr festgelegten Routineabl~iufe in der Zusammenarbeit der Netzwerkunternehmen und der einzelnen Mitarbeiter definiert werden, die den spontanen, kreativen Austausch von Wissen und den positiven Nutzen dieses Austausches behindern kOnnen. Durch regelm~il~ige Anpassung und Ver~inderung von Abl~iufen kann die Notwendigkeit des Wissensaustausches quasi erzwungen werden. Das Wissensmanagement in Netzwerken sollte letztlich auch Redundanzen von Informationen und Wissen zulassen 296 und daf0r Sorge tragen, dass die einzelnen Aufgabenbereiche sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene nicht zu eng geschnitten sind. Dies gew~hrleistet, dass eine Optimierung und Verbesserung des Wissens nicht im Hinblick auf den eigenen kleinen Arbeitsbereich erfolgt, sondern dass s~mtliche Anstrengungen im Hinblick auf die Erreichung von Zielen auf der Gesamtnetzwerksebene ausgerichtet sind. Bevor im Weiteren der Wissenstransfer als zentraler Gegenstand des Wissensmanagements sowie der Untersuchungsgegenstand des Unternehmensnetzwerkes detaillierter analysiert werden, sollen die bisherigen Ausf0hrungen zum Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken zusammenfassend noch einmal am Beispiel von Franchisenetzwerken verdeutlicht werden.

296 Dies I~isstsich schon allein deshalb nicht vermeiden, da in Unternehmensnetzwerken,speziell in horizontalen Netzwerken, mitunter Konkurrentenzusammenarbeiten,die 0ber zumindest teilweise sich 0berschneidendeKernkompetenzenund organisationaleWissensbasen verf0gen.

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken

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Wissensmanagement in Franchisenetzwerken In Franchisenetzwerken ist der Franchisegeber als Systemkopf for die effiziente Gestaltung der Hintergrundsysteme in Franchisenetzwerken verantwortlich. 297 Dementsprechend obliegt ihm auch die Gestaltung des netzwerkumfassenden Wissensmanagements. Ziel des Wissensmanagements ist die Verbesserung der organisationalen Probleml0sungsf~ihigkeit des Franchisenetzwerks, wobei diesbez0glich zwei wesentliche Punkte festgehalten werden k0nnen: 9

Die organisationale ProblemlOsungsf~higkeit wird mal~geblich durch das Wissen der einzelnen Mitglieder des Franchisenetzwerks beeinflusst.

9

Die organisationale ProblemlOsungsf~ihigkeit findet ihren Ausdruck in der Systemdienstleistungskonzeption und in der den Kunden des Franchisenetzwerks angebotenen Leistung.

Der Franchisegeber hat dementsprechend auch eine Vision, ein Leitbild for die zuk0nftige Unternehmensentwicklung zu entwickeln 298 und dieses zu kommunizieren. Diese Vision sollte insbesondere eine langfristige Perspektive for die Systemdienstleistungskonzeption enthalten, um einen Mal~stab for die Relevanz von Wissen und eine Zielrichtung for die Wissensgenerierung vorzugeben. Die vier Teilprozesse des Wissensmanagements erf011en zur kontinuierlichen Verbesserung der Systemdienstleistungskonzeption folgende Aufgaben. Mit Hilfe der Wissensgenerierung kann innerhalb des Franchisenetzwerks nicht vorhandenes Wissen durch Informationsaufnahme von externen Informationsquellen sowie dutch Lernen von externen Benchmarks aufgebaut werden. 299 AIs Beispiel kann die Aufnahme und Verarbeitung von Kundenw0nschen dutch die Franchisenehmer als Basis der Entwicklung von innovativen Leistungen genannt werden. Ein weiteres Beispiel ist die Aufdeckung von Defiziten bei den internen Prozessen, welche auf Initiative der Franchisezentrale denkbar erscheint. So kOnnten, initiiert dutch die Franchisezentrale, mit Hilfe externer Evaluatoren beispielsweise Defizite bei der Zusammenarbeit zwischen Franchisegeber und Franchisenehmern ausgemacht und anschlier~end auf Grund des verbesserten Wissensstands beseitigt werden.

297

Vgl. Ahlert (2001), speziell S. 46.

298

Diese Vision muss nicht zwangsl@ufig durch den Franchisegeber alleine entwickelt werden, sondern kann bzw. sollte im Zuge einer kooperativen, gemeinschaftlichen Willensbildung aller Partner gefunden werden. Der Franchisegeber als Systemkopf ist dann nur f0r die Umsetzung und Kommunikation dieses Konzepts verantwortlich. Siehe hierzu ausf0hrlich Ahlert (2001).

299

Zum Benchmarking siehe Ahlert/Schr0der (2001); Ottenjann (1996) analysiert das Lernen von Handelssystemen.

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Unternehmensnetzwerke unter Wissensaspekten

Die Bewahrung von Wissen soil verhindern, dass Fehler mehrfach gemacht werden und soil es gleichzeitig ermOglichen, dass einmal gemachte Erfahrungen dem System dauerhaft zur Verf0gung stehen. 3~176 Unterst0tzt werden kann die Wissensbewahrung durch informationstechnologische LOsungen, die zwar keine Speicherung des Wissens an sich, allerdings eine dauerhafte Bewahrung der expliziten in Form von Informationen verf0gbaren Wissensbestandteile ermOglichen kOnnen. Von wesentlicher Bedeutung f0r das Wissensmanagement in Franchisenetzwerken sind aber der Transfer und die Nutzung von Wissen innerhalb des Franchisenetzwerks. Zu Beginn einer Franchisegeber-Franchisenehmer-Beziehung wird dem neuen Franchisenehmer das Gesch~ifts-Know-how 0bermittelt. Das Wissen wird von dem Franchisenehmer erlernt und angewendet. Aus der Kombination des Gesch~iftsKnow-hows mit dem individuellen Wissen einerseits und der tagt~iglichen Anwendung des Know-hows im Kundenkontakt andererseits, wird der einzelne Franchisenehmer vielf~iltige MOglichkeiten zur Verbesserung des Gesch~ifts-Know-hows identifizieren kOnnen. Er wird diese Verbesserungen aber nicht nur identifizieren, sondern auch in seinem Betrieb umsetzen. 3~ Aufgabe des Wissensmanagements in Franchisenetzwerken ist es, durch den Transfer von Wissen, diese dezentral vollzogenen individuellen Wissensverbesserungen dem Gesamtsystem zug~inglich zu machen und auf diese Weise, ~hnlich der Wissensspirale von Nonaka/Takeuchi, eine kontinuierliche Wissensverbesserung innerhalb des Franchisenetzwerks in Gang zu setzen. Diese kontinuierliche Wissensverbesserung basiert auf dem dauerhaften Transfer von Wissen und Erfahrungen zwischen den Netzwerkpartnern. 3~ Aufgabe des Wissensmanagements in Franchisenetzwerken ist somit, die Gewinnung neuen Wissens, die kontinuierliche Wissensverbesserung durch den Transfer und die Nutzung von Wissen sowie die Wissensbewahrung sicherzustellen, um somit die Wettbewerbsf~higkeit des Franchisenetzwerks im Systemwettbewerb zu gew~ihrleisten. 3~

300 Vgl. Argote (1999), S. 143. 301 Vgl. Argote (1999); Argote/Darr (2000). 302 Vgl. Nonaka/Takeuchi (1995). 303

In Anbetracht des Verst~indnisses von Wissen als ein subjektives Konstrukt setzen die Mal~nahmen des Wissensmanagements beim WissenstrSger und nicht am ,,Wissen" selbst an. Die Mal3nahmen des Wissensmanagements zielen darauf ab, die die Generierung, die Verteilung, die Nutzung und die Speicherung von Wissen beeinflussenden Rahmenbedingungen zu gestalten sowie die Wissenstr~ger zu bef~ihigen und zu motivieren, am kontinuierlichen Wissensaustausch zu partizipieren. Siehe in diesem Zusammenhang auch Alvesson/K~irreman (2001); Stacey (2002); Schultze (1999).

Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken

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Kernproblem des Wissensmanagements ist somit, den Transfer von VVissen zwischen den Netzwerkpartnern effizient zu gestalten. Dies umfasst den Transfer von Wissen vom Franchisegeber zu den Franchisenehmern, den Transfer von den Franchisenehmern zum Franchisegeber sowie den Wissenstransfer zwischen den Franchisenehmern. Der Transfer vom Franchisegeber zu den Franchisenehmern ist von besonderer Bedeutung. Dies ist darin begr0ndet, dass der Franchisegeber von allen Partnern systematisch Informationen erh~ilt, weshalb er in der Lage sein sollte, durch die Vielzahl von Informationen in Verbindung mit seinem anf~inglichen Wissensvorsprung den Franchisenehmern fortlaufend for diese n0tzliches Wissen transferieren zu k5nnen. Der Franchisegeber sammelt also die vielf~ltigen Informationen und entwickelt darauf basierend die Systemdienstleistungskonzeption weiter. Die Weiterentwicklung des Gesch~fts-Know-hows ist anschlier~end von allen Franchisenehmern zeitnah umzusetzen, was den Transfer von Wissen vom Franchisegeber an die Franchisepartner voraussetzt. Ist der Transfer zwischen dem Franchisegeber und den Franchisenehmern nicht effizient gestaltet, so wirken sich die Defizite nicht nur einmalig, sondern - entsprechend der Anzahl von Franchisepartnern - multipel aus.

Ell

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken KoordinationsmiingeI-Diagnose-Konzept(KMDK) als Ausgangspunkt

Die im nachfolgenden Kapitel ausgef0hrten Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements gehen nicht von einem idealtypischen 7ustand des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken aus. Es erscheint auf Grund der gro6en Komplexit~it des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken vermessen, einen for alle Unternehmensnetzwerke g01tigen Idealzustand des Wissensmanagements entwickeln zu kOnnen. Vielrnehr orientiert sich der Gestaltungsansatz der Autoren am Koordinationsm~ingeI-Diagnose-Konzept (KMD-Konzept) von Grossekettlet. 3~ Das KMD unterstellt nicht das Wissen 0ber ein optimales Marktergebnis, sondern r0ckt die Frage der Koordinationseffizienz des Marktes in den Vordergrund. Es geht somit darum, die Funktionsf~ihigkeit des Marktes zu gew~ihrleisten. Diese kann nach dem KMD-Konzept durch f0nf Prozesse abgebildet werden, die die Funktionsf~ihigkeit eines Marktes bestimmen: 9 Marktdiumungsprozess: Der Marktr~umungsprozess hat die Aufgabe, die Angebots- und Nachfragemengen durch entsprechende Variation des Preises auszugleichen. Dieser Prozess soil somit gew~ihrleisten, dass es auf dem betrachteten Markt nicht zu dauerhaften Diskrepanzen zwischen Angebots- und Nachfragemengen kommt, da dies eine Verschwendung von G0tern dutch Uberproduktion einerseits oder Wartezeiten auf Grund von Unterversorgung andererseits indizieren wOrde.

Renditenormalisierungsprozess: Die Aufgabe des Renditenormalisierungsprozesses besteht darin, (:lurch exogene St0rungen hervorgerufene Uber- und Unterrenditen mittels Variation der Kapazit~ten zu korrigieren. Dieser Prozess soil daf0r sorgen, dass die Kapazit~iten zu wechselnden Angebots- und Nachfragebedingungen passen und dass sich die erzielten Einkommen der Anbieter nach ihrer Leistung richten. Damit ist gemeint, dass 0berrenditen eine Zunahme und Unterrenditen eine Abnahme der Kapazit~iten zur Folge haben sollten. Uberrenditen k0nnen Funktionsstt~rungen darstellen, wenn es sich um dauerhafte 0berdurchschnittliche Renditen handelt. In einem solchen Fall liegt der Verdacht nahe, dass sie unverdient sind und darnit eine StOrung dieses Prozesses vorliegt.

304 Vgl. Grossekettler(1991); Grossekettler(1995).

Koordinationsm~ingeI-Diagnose-Konzept(KMDK) als Ausgangspunkt

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Ubermachterosionsprozess' Der

Ubermachterosionsprozess hat die Aufgabe, Machtungleichgewichte zwischen Anbietern und Nachfragern zu beseitigen. Der Ubermachterosionsprozess soil somit sicherstellen, dass dauerhafte Ubermachtpositionen von Marktteilnehmern dadurch verhindert werden, dass Strukturvariationen diese Positionen aush0hlen. Eine Machterosion kann in diesem Zusammenhang durch Markteintritte auf der st~irkeren Marktseite oder durch Konzentration auf der schw~icheren Marktseite erm0glicht werden. Man sieht M~rkte im Allgemeinen als funktionsf~ihig an, wenn keine wesentlichen Barrieren for Markteintritte bestehen. 9 Verfehrensfortschrit~sprozess: Der Verfehrensfortschrittsprozess ist eng mit dem zuvor dergestellten Produktionsfortschrittsprozess verbunden. Dieser Prozess hat die Aufgebe, Fortschri~sr0ckst~nde euf der Veffehrensebene zu vermeiden. Der Prozess verl~uff analog zu dem Produktionsfortschrittsprozess, de Verfahrensfortschrit~sprozesse als Produktfo~schri~e einer vorgelegerten bzw. off euch integderten Veffehrensindustrie anzusehen sind. M0gliche St0rungen dieses Prozesses k0nnen zo B. deren liegen, dass einem einzelnen Anbieter die Einf0hrung einer Innovation nicht Iohnenswert erscheint, wenn die Ergebnisse der Einf0hrungsinvestition ein Kollektivgut for alle anderen Anbieter derstellen w0rde und die Kosten der Markteinf0hrung for den einzelnen Anbieter deher als nicht rentabel erscheinen. AIs Zielvorgaben werden diesen Merktprozessen so genennte Marktfunktionen zugeordnet, die im Ideelfell der einwandfreien Funktionsf~higkeit eines Merktes in einem befdedigenden Mer~e eff011t sein m0ssen. 9

Produktfortschrit~sprozess: Der Produkffortschri~sprozess hat die Aufgebe, Fortschrittsr0ckst~lnde auf der Produktebene zu vermeiden. Eine St0rung dieses Prozesses liegt dann vor, wenn ein Produktionsfortschrittsr0ckstand nicht durch entsprechende Aufholanstrengungen abgebaut wird.

Nach dem KMD-Konzept ist die Funktionsf~ihigkeit des Marktes hergestellt, wenn die Marktprozesse friktionsfrei ablaufen. In der Folge wird das optimale Marktergebnis automatisch hergestellt. Das KMD-Konzept ist somit nicht optimum-, sondern m~ingelorientiert. Gelingt es in Analogie zum KMD-Konzept, die Barrieren des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken zu 0berwinden und die Wissensmanagementprozesse friktionsfrei ablaufen zu lassen, m0sste sich ein optimales Wissensmanagement in Unternehmensnetzwerken als Ergebnis einstellen.

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

Transferm~ngeI-Therapie-Konzept(TTK) Mit Hilfe des in Kapitel B vorgestellten Diagnoserasters ist es m6glich, die Barrieren bei der Wissensmanagementeinf(Jhrung systematisch zu identifizieren. FCJrdie Gestaltung des Wissensmanagements stellt sich nun die Frage, wie diese Barrieren effektiv und effizient 0berwunden werden k6nnen. Das im Rahmen des MOTIWIDIProjekts entwickelte Transferm~ingeI-Therapie-Konzept (TTK) versucht, diese Frage zu beantworten. Es gibt Empfehlungen, in welcher Reihenfolge die aufgezeigten Wissensmanagementbarrieren 0berwunden und welche Instrumente hierf0r eingesetzt werden sollten. Im Rahmen der TTK wird vorgeschlagen, zuerst die kooperationsbedingten Barrieren zu therapieren, da ohne deren 0berwindung kein Wissensmanagement installiert werden kann.3~ Denn erzielen die Netzwerkunternehmen kein Einverst~ndnis 0ber die Wissensmanagementziele, unterbleiben s~imtliche Wissensmanagementaktivit~ten. Im zweiten Schritt gilt es sicherzustellen, dass die Netzwerkakteure verstehen, welche Aufgaben ihnen im Rahmen des Wissensmanagements zukommen und sie in die Lage versetzt werden, diese erfiJllen zu k6nnen (0berwindung der kognitiven Barrieren). Wurde die Arbeitsteilung im Netzwerk vorgenommen und die Akteure in die Lage versetzt, ihre Wissensmanagementaufgaben durchfOhren zu k6nnen, gilt es im n~ichsten Schritt sicherzustellen, dass die Akteure hinreichend for die Wahrnehmung der Wissensmanagementaufgaben motiviert sind. Im letzten und vierten Schritt, nachdem die Struktur und die Prozesse zur Erfi311ung der Wissensmanagementaufgaben definiert worden sind, ist zu kl~ren, welche Wissensmanagementprozesse technologisch unterst(Jtzt werden k6nnen, um das Wissensmanagement m6glichst effizient zu gestalten. Die Organisation des Wissensmanagements, auf die sich die Netzwerkakteure verst~indigen, definiert somit die 0bergeordneten Regeln, in deren Rahmen die 0berwindung der nachfolgenden Barrieren vorgenommen werden muss (vgl. Abb. E-l). 3~ Die gestrichelten Pfeile in der Abb. E-1 ber(~cksichtigen eine nachtr~igliche Modifikation der Organisationsstruktur, die auf Grund der nachfolgenden kognitiven, motivationalen oder technologischen Erfordernisse geboten sein kann. Eine Modifikation der Organisationsstruktur sollte dann vorgenommen werden, wenn der Nutzen einer verbesserten L6sung der nachgelagerten Probleme die durch die Modifikation der Organisationsstruktur entstehenden Kosten (3berkompensiert. Stellt sich beispielsweise heraus, dass eine Matrixorganisation for das Wissensmanagement zu hohe Anforde305 Vgl. hierzu Frese (2000), S. 8, S. 191; Jost (2000b), S. 459. 306 Vgl. hierzu Jost (2000a), S. 178 f.

KoordinationsmSngeI-Diagnose-Konzept (KMDK) als Ausgangspunkt

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rungen an die kognitiven F~ihigkeiten der Mitarbeiter stellt, kann es sinnvoll sein, diese zu modifizieren, um die kognitiven Barrieren zu 0berwinden. Ahnliches gilt bspw. f0r Anreizdefekte, die aus der Organisationsstruktur resultieren kOnnen.

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Vorgehen im Rahmen des TTK Eigene Darstellung.

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK 3.1

Wissenstransferclub als struktureller Rahmen

Um die netzwerkbedingten Barrieren zu 0berwinden, wurde vom MOTIWIDIProjektteam das Instrument des Wissenstransferclubs entwickelt. Ein Wissenstransferclub ist eine zum Zweck des Wissensaustausches gegr0ndete Organisation, die ihren Mitgliedern exklusive Clubleistungen zur Verf0gung stellt, die durch die Clubbeitr~ige der Mitglieder erbracht werden. Die Clubbeitr~ige der Mitglieder umfassen neben einem finanziellen Beitrag zur Finanzierung der Clubinfrastruktur insbesondere das freiwillige Commitment der Clubmitglieder zum Austausch ihres pers0nlichen Wissens. Das Konzept des Wissenstransferclubs greift auf das Gedankengut der Club(g0ter)theorie und der Parallelorganisation 3~ zur0ck. Ein Clubgut ist eine spezifische Form eines 0ffentlichen Gutes, das nur bestimmten Nutzergruppen zur Verf0gung steht (Konsumausschluss aller anderen), die freiwillig einen Club bilden, um aus dem gemeinsamen Gebrauch des Gutes Vorteile zu ziehen (Nichtrivalit~t bis zur Kapazit~itsgrenze). Typische Beispiele for Clubg(~ter sind Offentliche Einrichtungen, Kommunikationsnetze oder Straiten. Durch den freiwilligen Beitritt zu einem Wissenstransferclub erfolgt eine Selbstbindung der Organisationsteilnehmer an Clubregeln, die koordinative Rahmenbedingungen der Wissenstransferaktivit~ten definieren. Durch die Selbstbindung wirken die Clubregeln nicht als Anordnungen und verdr~ngen die intrinsische Motivation der Netzwerkakteure in geringerem Ausmal~ als bei einer fremd verordneten Regelsetzung - insbesondere dann, wenn diese von den Clubmitgliedern gemeinsam festgelegt wurden. 3~ Entsteht in Organisationen jedoch ein sozialer Druck unter den Organisationsteilnehmern, in den Wissenstransferclub eintreten zu m0ssen, kann der Clubbeitritt als Zwangsbeitritt wahrgenommen werden. W~ire dies der Fall, w0rden Clubregeln nicht als Institutionen der Selbstbindung, sondern als Anordnungen wahrgenommen. Der Wissenstransferclub zielt zum Ersten darauf ab, das ,,Hannemann-geh-Du-

voran-Problern" zu 0berwinden. Dieses besteht darin, dass die Netzwerkakteure den Nutzen der Teilnahme am Wissenstransfer im Gegensatz zu den Kosten ex ante nur schwer absch~tzen kOnnen, da der Nutzen erst sukzessive im Zeitablauf reali-

307 Eine Parallelorganisation ist eine Erg~nzungsstruktur, die Akteure aus verschiedenen (prim~iren) Organisationen koordiniert. Vgl. zum Konzept der Parallelorganisation Ahlert/Kollenbach/Korte (1996), S. 249 ft. 308 Vgl. Osterloh/Weib (2001), S. 23.

Empfehlungenzur Gestaltung des Wissensmanagementsnach dem TTK

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siert werden kann. 3~ Sie warten erst einmal ab und beobachten, welche Erfahrungen andere mit der Teilnahme am Wissenstransfer machen -insbesondere dann, wenn for die Teilnahme am Wissenstransfer eine erhebliche Vorleistung zu erbringen ist (bspw. eine Investition in ein IT-System). In der Konsequenz f0hrt dieses Verhalten dazu, dass die Wissenstransferaktivit~iten auf Grund zu geringer Partizipation keinen hinreichenden Nutzen entfalten und abgebrochen werden. Dieses Problem tritt insbesondere in heterarchischen Netzwerken auf, die 0ber keinen Systemkopf verfegen und deren Netzwerkakteure nicht zu einer Teilnahme verpflichtet werden kSnnen. Die Installation eines Wissenstransferclubs bietet M0glichkeiten, einen fr0heren Beitritt der Netzwerkakteure zum Wissenstransfer herbeizuf0hren, da der mit der Teilnahme am Wissenstransfers zusammenh~ingende Nutzen erh0ht und besser transportiert werden kann. Die Nutzensteigerung resultiert primer daraus, dass die Institution des Wissenstransferclubs durch einen Selektionsmechanismus, sanktionierbare Clubregeln und eine geeignete Clubkultur sicherzustellen versucht, ausschliel~lich Netzwerkakteure aufzunehmen, die aktiv am Wissenstransfer teilnehmen und zu dessen Erfolg beitragen. Der Nutzen des Wissenstransfers kann durch eine Cluborganisation besser transportiert werden, da der abstrakte Vorgang des Wissenstransfers greifbarer wird und emotional aufgeladen werden kann. Bspw. k0nnte eine emotionale Positionierung als exklusives Angebot bei Netzwerkakteuren zus~tzliche Begehrlichkeiten wecken, die diese zu einer Teilnahme bewegen, obwohl sie rational noch nicht von der Vorteilhaftigkeit 0berzeugt sind. Eine emotionale Positionierung kann durch eine ansprechende Namensgestaltung kostengenstig unterstetzt werden. AIs Gestaltungsrestriktion ist zu beachten, dass der Wissenstransferclub den Erwartungen der Mitglieder, die durch die emotionalen und rationalen Clubversprechen in der Startphase gegeben werden, nach der Einf0hrungsphase auch gerecht werden kann. Ist dies nicht der Fall, entsteht Unzufriedenheit unter den Mitgliedern, die Clubaustritte zur Folge haben wird. Zum Zweiten intendiert die Etablierung eines Wissenstransferclubs, das Trittbrettfahrerverhalten durch die Exklusion von Nicht-Mitgliedern einzud~mmen. Durch die Freiwilligkeit des Beitritts zum Wissenstransferclub werden nur die Netzwerkakteure Mitglied, die einen positiven Gesamtnutzen aus dem Beitritt erwarten. 31~ Werden bspw. for Trittbrettfahrer hohe Strafen verh~ingt, kann davon ausgegangen werden, dass nur die Netzwerkakteure dem Wissenstransferclub beitreten, die beabsichtigen,

309 Vgl. hierzuAhlert (2001), S. 47. 310 Vgl. zur Selektionsfunktionvon AnreizsystemenWinter (1997), S. 619 f.

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

sich aktiv in den Wissenstransfer einzubringen. Durch diesen Selbstselektionseffekt wird verhindert, dass Netzwerkakteure dem Wissenstransferclub beitreten, die nicht bereit sind, sich signifikant an den Transferaktivit~iten zu beteiligen. Zudem kann durch eine ad~iquate Selektion von Netzwerkakteuren sichergestellt werden, dass nur hinreichend intrinsisch motivierbare in den Wissenstransferclub aufgenommen werden, so dass die Trittbrettfahrerproblematik erst gar nicht entsteht. Zum Dritten leistet der Wissenstransferclub einen Beitrag zur LSsung des Verteilungsproblems. Durch den freiwilligen Beitritt zu einem Wissenstransferclub erfolgt eine Selbstbindung der Netzwerkakteure an Clubregeln, die koordinative Rahmenbedingungen der Wissenstransferaktivit~iten definieren. Durch die Einf0hrung von sanktionierbaren Clubregeln kSnnen die Erwartungen der Netzwerkakteure stabilisiert und eine Vertrauenskultur installiert werden. 311 So k5nnen sich die Netzwerkakteure bspw. darauf verlassen, dass sie nach erfolgtem Wissenstransfer Feedback vom Wissenssender erhalten und hierdurch wiederum lernen. Durch die Institution eines Wissenstransferclubs ist es m5glich, Systemvertrauen aufzubauen, d. h. Vertrauen in den Wissenstransferclub, das auf seine Mitglieder ausstrahlt. 312 Dieses Systemvertrauen kann fehlendes Personenvertrauen- bspw. in einen Netzwerkakteur, den man nicht kennt und mit dem man noch keine Erfahrungen gesammelt hat - ersetzen und hierdurch die notwendige Vertrauensbasis for den Wissenstransfer schaffen. Auf Basis dieser Vertrauenskultur ist es mOglich, das im Netzwerk gemeinsam generierte Wissen zu nutzen. Zudem gew~hrleistet die Cluborganisation, dass das im Club generierte Wissen nur von seinen Mitgliedern genutzt werden darf und somit ein Clubgut darstellt, von dem Nicht-Mitglieder ausgeschlossen werden. Nachfolgend werden allgemeine Empfehlungen zur Konfiguration von Wissenstransferclubs vorgestellt und diese am Beispiel des DLFI-Netzwerks erliiutert. Die Gestaltungsempfehlungen ber0cksichtigen alle wesentlichen Elemente des Wissenstransferclubs und werden in der Reihenfolge der Nummerierung aus Abb. E-2 dargestellt.

311 Vgl. hierzu die Ausf0hrungen von Osterloh/Weibl (2001), S. 13 ft. zur Bedeutung von Vertrauen for die Steuerungvon Ressourceninterdependenzen. 312 Vgl. hierzu weiterf(3hrendKenning (2002), S. 12 ft.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

113

5) Clubg0ter - Infrastruktur - PoolressourceWissen

4) Spielregeln for den Wissensaustausch Netzwerkakteur (A z B)

Netzwerkakteur (A > B)

3) Mitglieder - Selektion - Akquisition

Netzwerkakteur (A z B)

A Anreize B= Betr~ge =

1) Betreiber

Abb. E-2:

2) Satzung

Konfigurationeines Wissenstransferclubs Eigene Darstellung.

1) Zentrale Institution als Initiator und Betreiber des W i s s e n s t r a n s f e r c l u b s Zu unterscheiden sind bei der Forderung nach der Installation einer zentralen Institution als Initiator und Betreiber des Wissenstransferclubs zwei F~ille: Einmal existiert bereits ein S y s t e m k o p f - im anderen Fall kooperieren die Netzwerkakteure ohne die Koordinationsunterst0tzung eines Systemkopfes. In Netzwerken mit Systemkopf verf0gt dieser im Vergleich zu den Netzwerkunternehmen 0ber die ausgepr~igtesten konzeptionellen F~ihigkeiten, das gr6Bte Wissen 0ber das Netzwerk und die gr6Bte Systemkompetenz, so dass er fOr die Konzeption des Wissenstransferclubs pr~destiniert ist. Zudem ist aus Steuerungsperspektive zu ber0cksichtigen, dass dem Systemkopf eher an der ganzheitlichen Optimierung des Netzwerkwertes gelegen ist, als dies bei den einzelnen Netzwerkakteuren der Fall ist. 313 So wird der Systemkopf eher

als der einzelne Netzwerkakteur bereit sein, mit der Konzeption des Wissenstransferclubs eine riskante Vorleistung zur ErschlieBung von Erfolgspotenzialen for das gesamte Netzwerk zu erbringen. In Netzwerken ohne Systemkopf sollte der Bedarf nach Einrichtung eines Wissenstransferclubs genutzt werden, um einen Systemkopf zu installieren, dessen Aufgabenbereiche sukzessive 0ber den Wissenstransfer hinaus erweitert werden k5nnen. Ist die Bereitschaft zur Installation eines Systemkopfes

313 Vgl. Ahlert (2001), S. 25.

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Gestaltung des VVissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

nicht vorhanden, sollte das Unternehmen, das am ehesten die Ziele des gesamten Netzwerks verfolgt, als Prozesstreiber ausgew~ihlt werden. Im Fall des DLFINetzwerks ist die Installation eines Systemkopfes auf Grund der geringen Gr01~e des Netzwerks nicht sinnvoll. AIs Prozesstreiber for die Wissensmanagementaktivit~iten sollte Strategy Partners fungieren, da die Unternehmensberatung des DLFINetzwerks in gemeinsamen Projekten regelm~il~ig eine koordinierende Funktion (3bernimmt und hier das wesentliche Wissen for die Konzeption und 0berwachung der Wissensmanagementaktivit~iten liegt.

2) Satzung: partizipative Entwicklung- straffe Durchsetzung Nachfolgende sieben Regeln stellen den Mindestumfang an konstituierenden Regeln for einen Wissenstransferclubs dar. 314 Die Regeln sollten in einer Satzung zusammengefasst werden, in der in einer Pr~iambel der Zweck des Wissenstransferclubs angef0hrt wird. Bei der Formulierung des Zwecks und der konstituierenden Regeln gilt es insbesondere, den selbstverpflichtenden Charakter des Wissenstransferclubs zu bewahren, der for den Cluberfolg essenziell ist, urn keine Verdr~ingung intrinsischer Motivation durch die Regulierung zu bewirken. 315

Gew~ihrleistung der Exklusivitiit der ClubgQter Mit dieser Regel soil festgelegt werden, welche Organisationsteilnehmer Zugang zu den Ressourcen des Wissenstransferclubs haben und wie der Ausschluss yon Nicht-Zugangsberechtigten sichergestellt werden kann. Empfohlen wird in der Startphase eine Unterteilung in Mitglieder und Nicht-Mitglieder. In sp~iteren Phasen ist es denkbar, differenziertere Zugangsrechte einzuf(~hren. So k0nnten bspw. eine Mitgliedschaft auf Probe zur Mitgliederakquisition bzw. -selektion oder eine Premiummitgliedschaft for besonders aktive Mitglieder eingef(~hrt werden. 316

314 Die sieben nachfolgend dargestellten Regeln entstammen einer Studie von Ostrom (1990), in der sie Regeln zur Steuerung gemeinsamer Poolressourcen entwickelt hat. Vgl. hierzu auch OsterIoh/Weibl(2001), S. 19 ft.; Kenning/Sch0tte/Spelsiek (2003), S. 43. Die Regeln wurden for die Anwendung auf Wissenstransferclubs 0berarbeitet, lehnen sich jedoch in den Kernaussagen an die urspr0nglich von Ostrom entwickelten Regeln an. Eine 0bertragung der Regeln auf die Ausgestaltung von Wissenstransferclubs erscheint zweckm~13ig, da die Steuerung des Wissenstransfers im Kern ein Steuerungsproblem von Poolressourcen darstellt. 315 Der selbstverpflichtende Charakter der Clubregeln kann durch eine hinreichende Partizipation, Eigenverantwortlichkeit und informierende Kontrolle gew~hrleistet werden. Vgl. Osterloh/Weibl (2001), S. 23. 316 Vgl. hierzu weiterf0hrend 3) Systematische Mitgliederselektion und -akquisition, S. 133.

Empfehlungen zur Gestaltung des VVissensmanagements nach dem TTK

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Effiziente und faire Clubbeitr~ige Mitglieder mOssen finanzielle Beitr~ige fQr ihre Mitgliedschaft im Wissenstransferclub entrichten. 317 Bei der Beitragsgestaltung ist es entscheidend, dass die Beitr~ige als effizient und fair empfunden werden, so dass erw0nschte Mitglieder dem Club beitreten (vgl. hierzu die Ausf0hrungen zur Mitgliederselektion). 318 In Analogie zur Festlegung der optimalen FranchisegebQhr w~re es hierzu aus theoretischer Sicht zweckm~il~ig, die Beitr~ige f0r den Wissenstransferclub

nach dem

Nutzenpotenzial for die Mitglieder zu bemessen. 319 Da zumindest in der Startphase eine Absch~tzung des Nutzenpotenzials problematisch ist, wird empfohlen, einen einheitlichen Beitrag for jedes Mitglied zu erheben. Nach diesem Modell w~iren die Clubbeitr~ige fQr Unternehmen nach der Anzahl der Mitgliedschaften zu differenzieren. Grunds~itzlich sollten die einmaligen Eintrittsgeb0hren dazu dienen, die bestehende Clubinfrastruktur zu finanzieren, wohingegen die laufenden Mitgliedsbeitr~ige die Betriebskosten des Wissenstransferclubs sowie notwendige Erweiterungsinvestitionen decken sollten. 32~ Bestehen nach einer I~ingeren Betriebszeit hinreichend Erfahrungen 0ber eine verbesserte Beitragsbemessung und zeigt sich Unzufriedenheit bei den Mitgliedern, sollte die Beitragsbemessung optimiert und am Nutzenpotenzial for die Mitglieder ausgerichtet werden. 321 In diesere Kontext ist es vorstellbar, die Clubbeitr~ge nicht mehr am Ziel der Kostendeckung, sondern der Gewinnorientierung auszurichten. Von einer Gewinnorientie-

317 Grunds~tzlich kOnnten auch nicht-finanzielle Beitr~ge von den Mitgliedern erbracht werden (bspw. Sacheinlagen), was jedoch auf Grund der Bewertungsproblematik aus Steuerungsperspektive problematisch ist. Eine Steuerung 0ber finanzielle Anreize ist hingegen effizienter. Es gilt darauf hinzuweisen, dass die finanziellen Clubbeitr~ge zwar die offensichtlichste, jedoch nicht die bedeutendste Beitragskomponente aus Sicht der Clubmitglieder darstellen. Die gr01~eren Beitragsleistungen bestehen in der for den Wissenstransfer aufzuwendenden Zeit sowie dem potenziellen Machtverlust. Diese Beitr~ge sollten von den Clubmitgliedern freiwillig erbracht werden, da sonst deren intrinsische Motivation, die for den Cluberfolg essenziell ist, zur0ckgedr~ngt werden w0rde. 318 Ein Clubbeitrag ist nach Littlechild/Thompson (1977) effizient, wenn hierdurch eine optimale Clubinfrastruktur finanziert werden kann, die jedes Mitglied besser stellt als beim Aufoau und Betrieb einer eigenen Infrastruktur. Ein Clubbeitrag ist nach Ansicht der Autoren fair, wenn der Beitrag am individuellen Nutzen des Clubgutes ausgerichtet wird. 319 Vgl. hierzu Ahlert (2001), S. 28. 320 Durch den for Erweiterungsinvestitionen vorgesehenen Teil des laufenden Clubbeitrags wird sichergestellt, dass ein sukzessiver Ausbau der Clubinfrastruktur erfolgt. Vgl. hierzu auch die Ausfehrungen zur Notwendigkeit der Einf0hrung von Zwangsbeitr~igen zur Realisierung von innovativen Gemeinschaftsaufgaben von Ahlert (2001), S. 47. 321 Die Bemessung des Nutzenpotenzials ist jedoch beim Wissenstransfer aus theoretischer Sicht problematisch, da eine Bewertung impliziten Wissens nur schwer mOglich ist.

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

rung des Wissenstransferclubs soil trotz potenzieller Effizienzgewinne beim Betrieb abgeraten werden, da die wesentlichen Beitr~ige der Clubmitglieder nicht aus den finanziellen Clubbeitr~igen, sondern der f0r den Wissenstransfer aufgewendeten Zeit bzw. dem potenziellen Machtverlust bestehen, die die Clubmitglieder wiederum prim~ir auf Grund ihrer intrinsischen Motivation erbringen. Eine indirekte Entlohnung dieser ,,informellen" Beitr~ige durch einen an der Preisbereitschaft der Mitglieder ausgerichteten finanziellen Beitrag h~itte einen kontrollierenden Effekt und w0rde die intrinsische Motivation der Clubmitglieder zurQckdr~ingen.

Partizipative Regelfindung und -anpassung Urn dem Selbstverpflichtungscharakter des Wissenstransferclubs zu entsprechen, die intrinsische Motivation und das Wissen der Mitglieder zu nutzen, sollte eine Gestaltung der Clubregeln durch die Betroffenen erfolgen. 322 Der Systemkopf sollte den Regelfindungsprozess moderieren und als Prozesstreiber fungieren. 323 Zudem sollte der Systemkopf in regelm~iBigen Abst~inden evaluieren, ob eine Regelanpassung erforderlich ist. Sollte eine Anpassung erforderlich sein, wird empfohlen, dass der Systemkopf den Mitgliedern L6sungsalternativen vorlegt, (3ber deren Auswahl die Mitglieder entscheiden. Zudem sollte die M0glichkeit vorgesehen werden, dass Clubmitglieder Antr~ige auf Regel~inderungen stellen k0nBen. Kontrolle und Sanktionierung durch den Systemkopf. Die 0berwachung der Regeleinhaltung und die Bestrafung bei Regelverletzung sollten durch den Systemkopf erfolgen, um einen effizienten Betrieb des Wissenstransferclubs sicherzustellen. 324 Wichtig ist, dass die Kontrolle durch den Systemkopf von den Mitgliedern akzeptiert wird, damit keine Verdr~ingung intrinsischer Motivation erfolgt. 325 Clubteilnehmer akzeptieren eine zentralseitige Kontrolle, wenn diese regelgebunden erfolgt und die Kontrollen neben dem disziplinierenden ebenfalls eihen informierenden Aspekt haben, der die Mitglieder 0bet die Vertrauensw(3rdig322 Vgl. hierzu Osterloh/Weibl (2001), S. 21; Ahlert (2001), S. 48. 323 Um die Regelfindung zeiteffizient zu gestalten, sollte der Systemkopf Entscheidungsvorlagen (bspw. eine Zusammenstellung potenziell mOglicher Regeln) vorbereiten, so dass die Mitglieder nur noch zwischenAlternativenw~ihlenm0ssen. 324 Vgl. die Ausf0hrungen zu den Erfordemissen einer diktatorischen Willensdurchsetzung in F&CNetzwerken in Ahlert (2001), S. 48. 325

Neben der eingriffsorientierten, vergangenheitsbezogenen Kontrolle sollte eine lernorientierte Kontrolle im Vordergrund stehen, auf deren Basis das zuk(~nftige Wissenstransferverhalten der Organisationsmitglieder gesteuert werden kann. Vgl. zu den Aufgaben der Kontrolle Ahlert (1998), S. 19.

Empfehlungenzur Gestaltung des Wissensmanagementsnach dem TTK

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keit der anderen Mitglieder informiert. 326 Neben der (institutionellen) Kontrolle durch den Systemkopf kommt der sozialen Kontrolle durch die Mitglieder eine wesentliche Rolle zu, die auf Werten der Clubkultur (z. B. Vertrauen, Reziprozit~it) basiert. 327 9

Angemessene und partizipativ entwickelte Sanktionen Die Sanktionen sollten der Schwere der Regelverletzung angepasst werden. Bei erstmaligen Regelverletzungen sollte eine Verwarnung ausgesprochen werden, da oftmals bereits der drohende Reputationsverlust st~irker wirkt als hohe Strafen. Bei schweren und wiederholten Vergehen kann als HOchststrafe der Verlust der Clubmitgliedschaft verh~ingt werden. Wichtig ist, dass der Katalog an Sanktionen von den Mitgliedern entwickelt und verabschiedet wird, so dass diese bei Anwendung akzeptiert werden und nicht zur Verdr~ingung intrinsischer Motivation f0hren.

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Institutionalisierte Konfliktl6sung Um Konflikte bei der Regelauslegung oder in ungeregelten Bereichen effizient 16sen zu k6nnen, wird empfohlen, einen KonfiiktlOsungsprozess zu installieren. Die prozessualen Aufgaben sollten hierbei auf den Systemkopf 0bertragen werden, die Entscheidung 0bet die KonfliktlOsung auf einen Mitgliederausschuss. Wichtig ist, dass nur f(~r den Erfolg des Wissenstransfers wesentliche Konflikte in diesem aufwendigen Verfahren gel6st werden, unwesentliche hingegen vom Systemkopf eigenst~indig bearbeitet werden kOnnen.

9

Komplexit~tsverringerung durch Subgruppenbildung Dutch Subgruppenbildung soil den mit steigender Mitgliederzahl zunehmenden Komplexit~tskosten entgegengewirkt werden, die insbesondere aus erh6hten Koordinationskosten resultieren. Zu beachten ist hierbei, dass mit steigender Mitgliederzahl ebenfalls der Nutzen des Wissenstransferclubs dutch zus~itzliche Vemetzungsmbglichkeiten ansteigt und die Kosten des Wissenstransferclubs auf mehr Mitglieder umgelegt werden k6nnen. S0mit gilt es, eine optimale GreBe for die Subgruppenbildung zu ermitteln, bei der die zus~tzlichen Kosten und der zus~tzliche Vernetzungsnutzen zum Ausgleich gebracht werden. 328

326 Vgl. Osterloh/Weibl (2001), S. 22. Vgl. zur Abgrenzung von institutioneller und sozialer Kontrolle Schewe/Littkemann/Beckemeier (1999), S. 1486. 328 Im Gegensatz zu traditionellen ClubgOterproblemen,bei denen die optimale ClubgrOBeaus den 0berf011ungskosten(z. B. bei Autobahnen) und der Teilung der Finanzierungslastberechnetwird, ist die Bestimmung der optimalen Clubgr0Be bei Wissenstransferclubs diffiziler. Der traditionelle Lbsungsansatz gilt nur f0r die Clubinfrastruktur. Jedoch besteht das wesentliche Clubgut in der

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

3) Systematische Mitgliederselektion und -akquisition Es sollte nicht angestrebt werden, mOglichst viele Mitglieder zu gewinnen, sondern Mitglieder, deren Aufnahme dem C l u b - neben den zu entrichtenden Clubbeitr~:igen einen zus~tzlichen Nutzen zur Verbesserung des Wissenstransfers verspricht. Dieser zus~tzliche Nutzen wird insbesondere durch ein gro~es individuelles Wissen und eine hohe Bereitschaft, dieses auch in den Club einzubringen, begr0ndet. In Abh~ingigkeit der strategischen Clubausrichtung sollten deshalb Kriterien f(ir die Aufnahme von Clubmitgliedern definiert werden. Diese sollten partizipativ durch die Clubmitglieder erarbeitet werden. Im Vordergrund sollten Kriterien stehen, die das individuelle Wissen des Clubbewerbers operationalisieren sowie Kriterien, die die Transferbereitschaft absch~itzen lassen, wobei hier dem intrinsischen Motivationspotenzial die grOl~te Bedeutung zukommt. 329 Da die Selektion geeigneter Clubmitglieder for den Wissenstransferclub erfolgskritisch ist, sollte zus~itzlich zur kriterienbasierten Selektion von Bewerbern eine Probezeit for die ordentliche Mitgliedschaft vorgesehen werden. Dies hat den Vorteil, dass die anderen Clubmitglieder den Bewerber w~ihrend des Wissenstransfers evaluieren k5nnen. Erst nach erfolgreicher Absolvierung der Probezeit (bspw. 3-6 Monate) sollte der Bewerber als ordentliches Clubmitglied aufgenommen werden. FOr die Akquisition der erw(inschten Mitglieder sollte der Wissenstransferclub emotional aufgeladen werden, so dass er zus~itzliche emotionale Begehrlichkeiten weckt. Hierbei ist zu beachten, dass die Clubkommunikation nicht unrealistische Erwartungen bei den Clubinteressenten weckt, die bei einem Eintritt entt~uscht werden und zu negativen Folgewirkungen, im schlimmsten Fall zum Austritt, f0hren. FOr die Mitgliederakquisition sollte das Instrument der Weiterempfehlung eingesetzt werden, dass besonders kosteneffizient ist. AIs Restriktion der Mitgliederakquisition ist zu beachten, dass die Freiwilligkeit des Clubbeitritts und damit die intrinsische Motivation der Mitglieder nicht unterminiert wird. Die finale Aufnahme eines Clubmitgliedes sollte partizipativ unter Einbeziehung der Mitglieder erfolgen, damit diese bereit sind, die Konsequenzen dieser erfolgskritischen Entscheidung zu tragen.

gemeinsamen Wissensbasis. Diese wird jedoch durch die Aufnahme weiterer Mitglieder eher im Nutzen gesteigert denn verringert, da zus~tzliches Wissen hinzukommt und der Wert der Ressource Wissen durch Teilung zunimmt. Vgl. zum traditionellen Optimierungsansatz Mattke (1996), S. 3 ft. 329 Einfacherhebbare Kriterien zur Messung des individuellen Wissens sind bspw. das Ausbildungsniveau, die Berufserfahrung und der berufliche Erfolg, der insbesondere erfolgreiches LOsungswissen vermuten I~isst. Die Transferbereitschaft kann auf zwei Wegen bestimmtwerden. Zum einen kann die Erhebung der Transferbereitschaft direkt durch die Wissenstransfereinstellung erfolgen. Zum anderen kann durch ein Interview indirekt gepreft werden, ob das neue Mitglied eine hinreichende Transferbereitschaft besitzt.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

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4) Spielregeln - Geringe Anzahl und Transparenz stehen im Vordergrund Die Spielregeln des Wissensaustauschs sollten durch die Mitglieder festgelegt werden und stellen den Kern des Wissenstransferclubs dar. Der Erfolg der Regelgestaltung liegt in einer Balance aus Regulierung und Selbstorganisation, so dass absehbare Koordinationsdefizite 0berwunden, das Wissen der Mitglieder optimal zur Koordination genutzt und deren intrinsische Motivation realisiert werden kann. Es werden somit Regulierungsl0cken bewusst in Kauf genommen. Neben der Formulierung einzelner Spielregeln erscheint es sinnvoll, einen ,,Spielethos" zu formulieren, der eine Leitorientierung for nicht geregelte Sachverhalte vorgibt (bspw. ,,Fair play - geben und nehmen" zur Verankerung einer Reziprozit~itsnorm). 33~ Die Spielregeln m0ssen zwangsl~iufig einen Kompromiss aus einer regelungsintensiven systemoptimalen L0sung und einer einfachen, kostengenstigen und durch die Netzwerkakteure umsetzbaren LOsung darstellen. TM Zudem ist zu ber0cksichtigen, dass auch zweckm~il~ige Spielregeln ex ante nur schwer bestimmt werden k5nnen und sich zweckm~il~ige Regeln erst im Zeitablauf evolutorisch herausbilden. Somit ist eine regelm~il~ige Anpassung der Spielregeln erforderlich. Die nachfolgenden Spielregeln sind der Versuch einer zweckm~il~igen Startkonfiguration von Regeln, die aus der Untersuchung zur Wissenstransfereinstellung in Netzwerken abgeleitet wurden. 332 Es handelt sich um Regeln, die in die grundsQtzlich selbst organisierten Austauschprozess eingreifen, um die Wissenstransfermotivation der Mitglieder zu erhOhen:

9

Nurwertstiftendes Wissen austauschen Im Fokus sollte der Austausch von wertstiftendem Wissen stehen. Welches Wissen wertstiftend ist, k0nnen nur die Transferpartner wechselseitig bestimmen. FOr die DurchfOhrung eines wertstiftenden Transfers ist es erforderlich, dass sowohl Sender als auch Empf~nger die ,,Transfernotwendigkeit" erkennen. Bspw. ist es im Fall des DLFI-Netzwerks zweckm~il~ig, die Wissenstransferaktivit~iten auf den Austausch von best practices zu fokussieren.

330 Durch die Formulierung eines Spielethos kann eine Legitimation sozialer Kontrolle erfolgen. Bspw. k0nnen sich Mitglieder bei der Formulierung von Feedbacks an der Erf011ungdes Spielethos orientieren. Vgl. zur Legitimation von Regeln aus einer strukturationstheoretischen Perspektive Sydow/Well van (1999), S. 117 ft. 331 Vgl. Ahlert/Evanschitzky(2003), S. 413. 332 Vgl. hierzu die Untersuchung von Spelsiek (2005).

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9

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

Verbindliche Antwortzeiten

Der Wissenssender ist bei Anfragen an vorgegebene Antwortzeiten gebunden (bspw. Antwort innerhalb von 24 Stunden). Diese Regel ber0cksichtigt den zeitabh~ingigen Wert des Wissenstransfers for den Empf~nger. 9

Schutz vor 0 b e r b e a n s p r u c h u n g

Die 0berbeanspruchung muss vom Sender angezeigt werden, da kein anderes Clubmitglied 0ber diese Information verf0gt. Wichtig ist, dass die Anzeige der 0berbelastung glaubw0rdig ist und vom Wissenssender als legitim akzeptiert wird. 9

Einhalten von Nutzungsbeschr~inkungen

Der Wissenssender sollte die M0glichkeit haben, dem Wissensempf~nger verbindliche

Nutzungsbeschr~inkungen

for das

0bermittelte VVissen vor-

zugeben. Hierdurch soil der Barriere eines potenziellen Machtverlustes entgegengewirkt werden. Grunds~itzlich sollte gelten, dass transferiertes Wissen nicht ohne explizite Zusti-mmung weitergegeben werden darf. 9

Dezentrale Steuerung

Die Clubmitglieder sollten die Transferprozesse selbstst~indig gestalten - unter Ber0cksichtigung der anderen Spielregeln. 9

Regelm~il~iges Feedback

Nach erfolgtem Wissenstransfer gibt der Empf~inger dem Sender 0ber die N0tzlichkeit des Transfers Feedback, so dass dieser aus dem Transfer lernen kann. 5) Sukzessive Erweiterung der Clubinfrastruktur

Bei Einf0hrung des Wissenstransferclubs ist es notwendig, dass dieser bereits 0ber hinreichend attraktive Clubg0ter verfOgt, um eine kritische Anzahl an Mitgliedern gewinnen zu k0nnen. 333 Bereits zum Startzeitpunkt sollte der Wissenstransferclub 0ber ein intranetf~higes Wissensmanagementsystem verf0gen, da dieses for den Wissenstransfer essenziell ist. TM Hierzu ist eine Vorfinanzierung der Infrastrukturinvesti-

333 Zum Einf0hrungszeitpunkt verf0gt der Wissenstransferclub noch nicht 0ber eine hinreichend attraktive Wissensbasis, da diese erst w~ihrend des Betriebs des Wissenstransferclubs geschaffen wird. Im Zeitablauf stiftet jedoch das Clubgut der gemeinsamen Wissensbasis den dominierenden Clubnutzen. 334 Insbesonderesollte das Wissensmanagementsystem die komfortable Identifikation von Experten ermbglichen, um die Voraussetzungen for den Austausch impliziten Wissens zu erm0glichen. FOr den Transfer expliziten Wissens sind insbesondere intelligente Agentensysteme geeignet, die Austauschprozesse automatisieren und den Wissenssender zeitlich entlasten.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

121

tionen erforderlich, die sukzessive durch die Aufnahme- und laufenden Mitgliedsbeitr~ige getilgt werden kann. Es wird empfohlen, dass der Systemkopf eine Finanzierung der initialen Clubinfrastruktur vornimmt, um den Wissenstransferclub z0gig initiieren zu kOnnen. Entscheidungen 0ber eine Erweiterung der Clubinfrastruktur sollten v o n d e r Mitgliederversammlung getroffen werden und grunds~itzlich durch Mitgliedsbeitr~ige finanziert werden. Durch den Mitgliederentscheid 0ber Investitionsvorhaben soil sichergestellt werden, dass die Beitragsverwendung (nach dem Kriterium der Effizienz) optimiert wird, da die Mitglieder Investitionsbedarfe am besten identifizieren k5nnen. Die Beitragsfinanzierung bewirkt, dass der diskretion~ire Handlungsspielraum des Betreibers beschr~inkt wird und keine Investitionen vorgenommen werden, die prim~ir im Betreiberinteresse sind. 335 Da in den laufenden Beitr~igen bereits ein Anteil for Erweiterungsinvestitionen enthalten ist, 336 kann durch die Beitragsfinanzierung die sukzessive Weiterentwicklung der Clubinfrastruktur gew~ihrleistet werden. Ist die Einf0hrung eines Wissenstransferclubs erfolgreich, stellt sich bei steigender Mitgliederzahl die Frage, wie eine Subgruppenbildung vorgenommen werden kann. 337 Es wird empfohlen, eine Subgruppenbildung vorzunehmen, indem Mitglieder mit ~ihnlichem ProblemlOsungsbedarf zusammengefasst werden, 338 bspw. Betriebe mit einer ~ihnlichen Kundenstruktur. In diesen Subgruppen sollte ein besonders intensiver Wissensaustausch stattfinden, der insbesondere persOnliche Kommunikation umfasst und den Austausch von implizitem Wissen ermOglicht. Im Ergebnis werden die Austauschprozesse innerhalb einer Subgruppe zu einer ausgepr~gten Vertrauenskultur f0hren, die in grOl~eren Gruppen nur mit Schwierigkeiten realisiert werden kann. 339 Zudem wird durch Subgruppenbildung sichergestellt, dass das ausge-

335 Bspw. hat der Systemkopf als Clubbetreiber regelm~il~ig ein hOheres Interesse an Investitionen, die die Explizierung impliziten Wissens fOrdern, als die Clubmitglieder, da hierdurch seine relative Machtposition gest@rktwird. 336 Vgl. hierzu die vorhergehenden Ausf0hrungen zur Bemessung der Clubbeitr~ige. 337 Vgl. hierzu die konstituierende Clubregel zur Bildung von Subgruppen. 338

Dieser Gedanke lehnt sich an das Organisationsprinzip der Communities of Practice an, bei denen sich eine Gruppe von Personen selbstinitiativ auf Grund eines gemeinsamen Interesses an einem Themengebiet zusammenschliel~t, um Wissen auszutauschen und zu generieren. Vgl. hierzu weiterf0hrend Wenger (1998); Wenger/Snyder (2000), S. 139 ft.

339 AIs OrientierungsgrOl~e sollte die Obergrenze von 50 Mitgliedern, die for Communities of Practice gilt, ebenfalls for eine Subgruppe angesetzt werden. Jedoch ist es denkbar, dass diese Anzahl durch die strukturellen Rahmenbedingungen und gemeinsamen Werte der Clubmitglieder erhOht werden kann. Ferner ist es unwahrscheinlich, dass eine wesentliche Ausdehnung der Mitgliederzahl (bspw. auf 0ber 100 Mitglieder) durch die zus~itzliche Regulierung des Wi.issenstransferclubs kompensiert werden kann, da for eine funktionierende Selbstorganisation, die die Induzierung intrinsischer Motivation fOrdert und den Transfer impliziten Wissens ermOglicht, regelm~il~ige soziale Beziehungen weiterhin erforderlich bleiben. Vgl. zur Mitgliederzahl von Communities of Practice Henschel (2001), S. 48.

122

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

tauschte Wissen als hinreichend bedeutend for den Gesch~ftserfolg angesehen wird, was for die Stimulierung intrinsischer Motivation notwendig ist. Wichtig ist, dass durch die Subgruppenbildung keine isoliert arbeitenden Wissenstransferclubs entstehen, sondern diese weiterhin in eine gemeinsame Clubinfrastruktur eingebunden sind und sich nach ~ihnlichen Spielregeln austauschen. Durch diese Gemeinsamkeiten wird der 0ber die Subgruppe hinausgehende Wissenstransfer weiterhin gef6rdert. In Abb. E-3 wird die Struktur eines Wissenstransferclubs mit zwei Subgruppen exemplarisch abgebildet. 5) ClubgOter

-Infrastruktur - PoolressourceWissen

4) Spielregeln for den Wissensaustausch

Netzwerkakteur (A > B)

\

Netzwerkakteur (A z B) Netzwerkakteur (A>B)

/ \

1) Betreiber

Abb. E-3:

Netzwerkakteur .~ (A Z B) .

a~, (A\

- Selektion | - Akquisition___J

Netzwerkakteur (A>B)

2) Satzung

Evolutioneines Wissenstransferclubs Eigene Darstellung.

FOr die Anpassung der Clubkonfiguration im Zeitablauf sollte ber0cksichtigt werden, dass es stets darum geht, eine optimale Kombination aus effizienzsteigernder Regulation und motivationssteigernder Selbstorganisation zu realisieren. Wie eine effizienzsteigernde Regulation mit steigender Mitgliederzahl und zunehmendem Clubalter konfiguriert werden sollte, ist theoretisch planbar, die Evolution von Austauschprozessen in und zwischen sich weitestgehend selbstorganisierenden Subgruppen jedoch nicht. Aufgabe des Clubbetreibers muss es sein, die Evolution der Wissenstransferprozesse lernorientiert zu 0berwachen, um hieraus Ansatzpunkte zur effektiven und effizienten Steuerung der Wissenstransferprozesse abzuleiten. Im Fokus der 0berwachung sollte - neben der Koordinationseffizienz - die Wissenstransfereinstellung der Clubmitglieder liegen, da diese das Wissenstransferverhalten der Clubmitglieder determiniert.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

3.2

123

Uberwindung des Kognitionsproblems

Zur 0berwindung der kognitiven Barrieren insbesondere auf den Seiten des Wissensempf~ingers, hier am Beispiel eines Franchisenetzwerkes, gilt, dass die Wissenstransferprozesse wie folgt zu gestalten sind: In zahlreichen Situationen sind Franchisegeber vor die Aufgabe gestellt, ihren Franchisepartnern Wissen zu vermitteln. Unterschieden werden k5nnen vielf~iltige regul~ire SchulungsmaBnahmen und unregelm~iBige oder einmalig durchzuf0hrende Wissenstransfers. Zu den regelm~iBigen SchulungsmaBnahmen sind beispielsweise Verkaufs- und Produktschulungen, betriebswirtschaftliche Seminare oder F0hrungstrainings zu rechnen. Unregelm~iBig oder einmalig durchzuf0hrende Transfers umfassen beispielsweise die Ausbildung und Einarbeitung neuer Franchisepartner. Ebenso sind begleitende Informations- und SchulungsmaBnahmen im Zuge von Ver~inderungen der Systemdienstleistungskonzeption oder im Rahmen von infrastrukturellen Ver~inderungen, beispielsweise bei der Einf0hrung innovativer Informationssysteme, durchzuf0hren. Bei der Planung, Durchf0hrung und Kontrolle dieser konkreten WissenstransfermaBnahmen sind diverse Metaeinflussfaktoren zu ber0cksichtigen. Dies sind die Charakteristika des zu transferierenden Wissens, die Charakteristika der Modellierung des Wissens, die Charakteristika der empfangenden Person und die Kontextcharakteristika. Im Folgenden werden zun~ichst Empfehlungen abgeleitet, wie die Auswirkungen dieser Charakteristika in der Gestaltung von Wissenstransferprozessen zu ber0cksichtigen sind, bevor in einem weiteren Kapitel organisatorische Aspekte der Gestaltung des Wissenstransferprozesses diskutiert werden.

3.2.1

Ber0cksichtigung der Einflussfaktoren bei der Gestaltung von Wissenstransferprozessen

3.2.1.1

BerOcksichtigung der Wissensart

Im Kapitel C.4.1.1 wurde herausgearbeitet, dass die Charakteristika des Wissens, speziell die Unterscheidung in implizites und explizites Wissen, von herausragender Bedeutung for die Transferierbarkeit von Wissen sind. W~ihrend explizite Wissensbestandteile relativ leicht kodifiziert, anschlieBend transferiert und auf Seiten des Empf~ingers rekonstruiert werden kbnnen, ist for implizite Wissensbestandteile eine Kodifikation nur schwierig und niemals umfassend mSglich. Dementsprechend muss die Franchisezentrale in Abh~ingigkeit von der Art des zu transferierenden Wissens eine geeignete Form der Modellierung w~hlen. Wie in der Abb. E-4 veranschaulicht, bieten sich, in Abh~ingigkeit von den 0berwiegenden Bestandteilen des zu transferierenden Wissens, unterschiedliche Transferm(Sglichkeiten an.

124

Gestaltung des Wissensmanagernents in Unternehmensnetzwerken

Kodifizierbarkeit

einfach

komplex

Abb. E-4:

Wissenskategorie

Explizites Wissen

Implizites Wissen

I

Transferm0glichkeit ] .Datenbanken, oDokumente, .Handbuch, .Gespr~iche

Beobachtung/Imitation z. B. durch: 9Training on the Job .Videoanalyse

M0glichkeitenzum VVissenstransferin Abh~ngigkeit vonder Art des Wissens Eigene Darstellung.

Besteht das zu transferierende Wissen 0berwiegend aus expliziten Wissensbestandteilen, so ist eine Kodifizierung relativ einfach m6glich. 34~ Das kodifizierte Wissen kann dann beispielsweise in Form des Handbuchs, als Dokument bzw. Datei 0ber elektronische Medien (Intranet/Franchisenehmerportal, E-Learning oder 0ber das Internet) oder auch in pers0nlichen Gespr~ichen (z. B. AnweisungenlEmpfehlungen des Franchisebetreuers) distribuiert werden. Eine Analyse der Beurteilung der einzelnen Medien und Schulungsbestandteile zeigt, dass die neuen Medien von den Franchisenehmern positiv aufgenommen werden. Die Franchisepartner haben auf Grund dieser modernen Technologien unabh~ingig von Ort und 7eit die M0glichkeit, Informationen zu erhalten bzw. an ,,Schulungen" teilzunehmen. Im Gegensatz dazu ist for die 0bertragung impliziten Wissens der Transfer durch Beobachtung und Imitation empfehlenswert. Die impliziten Wissensbestandteile kOnnen, wenn 0berhaupt, nur sehr m0hsam expliziert bzw. kodifiziert werden, weshalb die Ubermittlung 0ber verbale Transfermechanismen nicht zielf0hrend ist. Dies bedeutet, dass der Wissenssender und der Wissensempf~inger nicht nur pers6nlich miteinander kommunizieren kbnnen, sondern insbesondere, dass der Empf~inger die Demonstration und Anwendung des Wissens beim Empf~inger direkt beobachten

340 An dieser Stelle sei auf die Ausf0hrungen in Kapitel C.2 verwiesen. AIs Ansatzpunkt for eine Einsch~tzung des Umfangs expliziter und impliziter Wissensbestandteile am zu transferierenden Wissen kann die Verbalisierbarkeit herangezogen werden. Kann das zu transferierende Wissen einfach und umfassend in Worten beschrieben werden, so handelt es sich um 0berwiegend explizites Wissen, f~llt die Verbalisierung schwer, so handelt es sich um 0berwiegend implizites Wissen.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

125

kann. Der Wissenssender ist auf Grund der direkten Interaktionsm0glichkeit in der Lage, die Rekonstruktion des Wissensempf~ingers unmittelbar zu beobachten und ggf. korrigierend auf diese Einfluss zu nehmen. Franchisetypische 0bermittlungsformen zum Transfer impliziter Wissensbestandteile sind beispielsweise Schulungen und Seminare oder bei der Einarbeitung junger Franchisepartner die Mitarbeit dieser in bestehenden Franchisebetrieben (Training on the job), mit der M0glichkeit des Lernens durch Beobachtung erfahrener Franchisepartner. In Anbetracht der mit der pers0nlichen Interaktion verbundenen Kosten und der gleichzeitig hohen Akzeptanz zeit- und ortsunabh~ngiger Lernm0glichkeiten ist zu 0berlegen, ob der Transfer impliziter Wissensbestandteile nicht auch mit Hilfe von Videoaufzeichnungen erfolgen kann. Der Franchisenehmer als Wissensempf~inger kann auf diese Weise auch die impliziten Bestandteile des VVissens beobachten und erlernen. Die Videoaufzeichnungen k~nnen zudem vielfach verwendet werden und erfordern die Pr~senz des Wissenstr~igers lediglich bei der Aufzeichnung des Videos. Von Nachteil ist allerdings, dass der Wissenstr~ger bei dem Lernen anhand von Videomaterial nicht auf die erstmalige Anwendung bzw. AusObung des Wissens Einfluss nehmen bzw. bei dieser nicht korrigierend oder unterstOtz:end eingreifen kann. Dies kann unter Umst~inden zu einem geringeren Wissenstransfererfolg als bei der unmittelbaren Demonstration von F~ihigkeiten fOhren. Je umfangreicher die impliziten Wissensbestandteile sind und je wichtiger der Wissenstransfer for Wissenssender und Wissensempf~lnger im Hinblick auf den resultierenden Nutzen is{, desto eher sollten Obermittlungsarten mit der MOglichkeit zur direkten Beobachtung der Wissensanwendung und zur direkten Kommunikation gew~hlt werden. Generell empfiehlt es sich, wie dies auch in allen untersuchten Wissenstransfersituationen in dieser Arbeit der Fall war, eine Kombination verschiedener Arten der Modellierung zu w~ihlen, um auf diese Weise sowohl die impliziten Bestandteile als auch die expliziten Bestandteile des Wissens betonen zu kOnnen. 7udem wird durch die Kombination verschiedener Formen der Modellierung die Anzahl der LernmOglichkeiten erhOht, mit positiven Auswirkungen auf den Wissenstransfererfolg.

Eine Kombination verschiedener Modellierungsarten ist auch aus Wirtschaftlichkeitsaspekten vorteilhaft. Die MOglichkeiten des Transfers von implizitem Wissen sind, sofern nicht auf die MOglichkeit yon ,,Videoschulungen" zurOckgegriffen wird, auf Grund der Personalintensit~it (gleichzeitige Pr~isenz von Wissenssender und Wissensempf~ngern) sehr teuer. Das Wissen kann nur w~ihrend der Veranstaltung beobachtet und transferiert werden. Kodifizierte Wissensbestandteile kOnnen hingegen, wenn sie erst einmal erstellt sind, mehrfach verwendet und vor allem entsprechend

126

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

der individuellen zeitlichen M6glichkeiten der einzelnen Franchisenehmer erlernt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Kombination verschiedener Arten der Modellierung des Wissens es einerseits erm6glicht, die explizierbaren Bestandteile kosteng0nstig und zeit- sowie raumunabh~ingig den Wissensempf~ingern zur Verf0gung zu stellen, andererseits kann der Wissenssender implizite Bestandteile in direkter Interaktion demonstrieren und somit die gew0nschte Wissensrekonstruktion auf Seiten des Wissensempf~ingers f6rdern.

3.2.1.2

Ber0cksichtigung von Modellierungseinfl0ssen

Neben den zuvor diskutierten Auswirkungen der Art des zu transferierenden Wissens ist, in Anbetracht der Ergebnisse der Fallstudien, ein besonderes Augenmerk auf die inhaltliche Gestaltung der Wissensmodellierung zu legen. Der Franchisegeber als Wissenssender muss for einen erfolgreichen Transfer daf0r Sorge tragen, dass als notwendige Bedingung das zu transferierende Wissen for den Empf~inger wahrnehmbar und insbesondere verst~ndlich ist. Diese scheinbar triviale Forderung ist sorgf~ltig zu beachten, denn beispielsweise konnte im System Beta aufgedeckt werden, dass einzelne Franchisepartner nur bedingt in der Lage waren die Ausfehrungen zu verstehen und nachzuvollziehen. Die Aussage ,,AIs PC-Anf~nger ist es manchmal schwierig, die Computer-Sprache der Profis zu verstehen" verdeutlicht dies. Die Inhalte sollten adressatenspezifisch aufbereitet und pr~sentiert werden. Insbesondere wenn Fachexperten Schulungen oder Seminare durchfehren, ist darauf zu achten, dass die Inhalte sich sprachlich und vom Schwierigkeitsgrad explizit an den Wissensempf~ngern und deren Erfahrungshintergrund orientieren. Eine dritte wichtige Bedingung neben der Nachvollziehbarkeit und Verst~indlichkeit sowie dem Umfang und der H~iufigkeit der Lernm6glichkeiten ist es, den Anwendungsbezug in der Modellierung zu ber0cksichtigen. Ankn0pfend an das in Kapitel C.1 dargestellte handlungsorientierte Wissensverst~ndnis dieser Arbeit ist nur solches Wissen von Bedeutung, welches die Handlungsf~higkeit der Systemmitglieder, speziell der Franchisenehmer als Wissensempf~inger, erh6ht. Insofern erscheint es geboten, das Wissen nicht in Form allgemeiner, abstrakter Regeln oder Handlungsanweisungen zu modellieren, sondern jederzeit auch den Anwendungsbezug und die Anwendbarkeit durch Integration von Beispielen in die Modellierung herauszustellen. AIIgemein g01tige Regeln erh6hen die Anwendbarkeit des Wissens Iosgel6st von spezifischen Situationen und konkreten Beispielen, w~hrend die Demonstration der Wissensanwendung am Beispiel die unverf~lschte Rekonstruktion des Wissens durch den Empf~inger f6rdert.

Empfehlungen zur Gestaltung des VVissensmanagementsnach dem TTK

3.2.1.3

127

Ber0cksichtigung der Empf~ingercharakteristika

Hinsichtlich der Empf~ngercharakteristika ist festzustellen, dass das Wissen adressatenspezifisch, abgestimmt auf die F~ihigkeiten des Wissensempf~ingers, modelliert werden sollte. Dies beinhaltet beispielsweise for die Wahrnehmbarkeit und Verst~indlichkeit eine Orientierung an den sprachlichen, aber auch allgemein an den geistigen Verarbeitungsf~ihigkeiten des Wissensempf~ingers. Hinsichtlich des Anwendungsbezugs sind konkrete Beispiele aus dem Arbeitsumfeld des Empf~ngers in Kombination mit allgemeinen Handlungsanweisungen zu w~ihlen. Neben der ad~iquaten, adressatenspezifischen Gestaltung ist hinsichtlich der Empf~ngercharakteristika eine Ausrichtung an unterschiedlichen Pers0nlichkeitstypen vorzunehmen. Der Franchisegeber sollte somit eine genaue Kenntnis seiner Franchisepartner dahin gehend besitzen, dass diese ggf. in unterschiedliche Cluster eingeteilt und spezifisch geschult werden k5nnen. So stellt Blaich fest, dass bei den ,,Echten Unternehmern" insbesondere der antizipierte Nutzen und die Anwendbarkeit des Wissens von Bedeutung sind, ebenso der Umfang und die H~ufigkeit der Lernm0glichkeiten. 341 Zudem haben die beziehungsbedingten Einflussfaktoren Vertrauen, Commitment und wahrgenommene Kompetenz bei den ,,Echten Unternehmern" einen deutlich st~irkeren Einfluss als bei den ,,Unselbstst~ndigen Unternehmern". FOr das spezifische Vorwissen stellt Blaich bei den ,,Echten Unternehmern" einen negativen Einfluss nach. Bei den ,,Unselbstst~indigen Unternehmern" ist der Lernprozess selber, speziell die Nachvollziehbarkeit und Verst~ndlichkeit und die 0berwindung anf~nglicher Schwierigkeiten von Bedeutung. Demzufolge sollte bei der Schulung von ,,Unselbstst~ndigen Unternehmern" ein besonderer Fokus auf die Nachvollziehbarkeit und Verst~ndlichkeit gelegt werden, zudem sind erg~inzend individuelle F0rdermal~nahmen denkbar, um evtl. vorhandene Defizite in der Lernf~higkeit oder anf~ngliche Schwierigkeiten bei der Wissensanwendung zu 0berwinden. FOr die ,,Echten Unternehmer" hingegen ist die Anwendbarkeit und der mit der Anwendung des Wissens verbundene Nutzen hervorzuheben, um einen erfolgreichen Wissenstransfer zu erm0glichen. Zus~itzlich ist gerade zu den ,,Echten Unternehmern" innerhalb eines Systems eine gute Beziehung zu etablieren. Ziel des Franchisegebers muss es sein, Vertrauen und Commitment bei den ,,Echten Unternehmern" zu f0rdern und die eigene Kompetenz gegen0ber dieser Gruppe von Franchisepartnern zu verdeutlichen. Dies ist nicht nur for den Erfolg der einzelnen Wissenstransfermal~nahmen notwendig, sondern vor allem auch for die im Kapitel

341 Vgl. Blaich (2004).

128

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

E.3.2.3 behandelte dauerhafte Gestaltung des Informations- und Wissensaustausches.

3.2.2

Organisatorische Aspekte zur Gestaltung von Wissenstransferprozessen

Die bisherigen Empfehlungen k0nnen in einem strukturierten Prozess zusammengefasst werden. Der Prozess wird entsprechend der Schwerpunktlegung des Buches aus der Sicht des Franchisegebers skizziert. 342 Der Franchisegeber bzw. ein Mitarbeiter der Systemzentrale ist for diesen Prozess verantwortlich. 343 In der Abb. E-5 werden die zur Ausgestaltung eines Wissenstransferprozesses zu berQcksichtigenden Aspekte zusammenfassend dargestellt. Im Rahmen der Planung einer Wissenstransfermal3nahme sind zun~ichst grunds~itzlich die konkret zu Ubermittelnden Inhalte festzulegen. Parallel mit dieser Festlegung ist die Zielgruppe der Transfermal~nahme auszuw~ihlen und die Ziele des Wissenstransfers sind festzulegen. Diese drei Entscheidungsbereiche sind untrennbar miteinander gekoppelt. FOr die hier fokussierten Wissenstransfersituationen sind die Franchisepartner - i. d. R. alle Partner des Systems - die Wissensempf~inger. Auf eine explizite BerCJcksichtigung dieses Schritts sollte nicht verzichtet werden, um die Nachvollziehbarkeit und Verst~ndlichkeit der Wissensdarbietung zu gew~ihrleisten. Der Nutzen, der sich aus dem Wissenstransfer for den Empf~nger ergibt, kann nur bedingt aus der Franchisegeberperspektive analysiert werden. Ein Perspektivenwechsel erscheint notwendig, um den potenziellen Nutzen des Wissenstransfers for den Empf~inger zu ermitteln und diesen Nutzen letztlich den Wissensempf~ingern aufzeigen zu k0nnen. Wichtig in der Planungsphase ist es, dass der Franchisegeber klar und deutlich herausarbeitet und nach MOglichkeit auch selber testet, inwiefern das Wissen fur die Wissensempf~nger anwendbar ist und insbesondere, welcher Nutzen fur die Partner mit dem Erlernen und der Anwendung des Wissens verbunden ist.

342 Wissenstransferprozessevom Franchisegeberzu den Franchisenehmernfinden multipel statt, d. h., dass der Transfer von Wissen nicht einmalig spezifisch, z. B. von einem Franchisenehmerzu einem Franchisegeber oder zwischen zwei Franchisenehmern, stattfindet. Der Franchisegeber transferiert VVissenan alle Franchisenehmer, insofern erscheinen f0r das System als Ganzes die grOl3ten Potenziale in einer Verbesserung dieser Prozesse zu liegen, weil diese Verbesserungen nicht nur einmalig, sondernvielfach wirksam werden. 343 An dieser Stelle sei erg~inzendauf die Ausf0hrungen von Nebel/Kieser hingewiesen, die sich der Thematik des Trainings und Coachingswidmen.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

>>

Phase:

Planung

Wer:

Wissenssender (Franchisegeber) ~ Inhalte? 9Welche Empf~inge~ ~ Lernziele?Was soil der Empf~inger lemen? 9Welcher Nutzen ergibt sich for den Empf~inger? oWelche Medien? Welcher Zeitraum

Was:

ourc. ,0.run0 > >

129

Kontrolle

Wissenssender/ Wissenssender Wissensempf~inger (Franchisegeber) 9Kontrolle der oModellierung des Wissensanwendung Wissens unter 9Evaluation des BerOcksichtigung der VVissenstransfers dutch VVissensart die Wissensempf~inger oErlernen und ~ von aus Anwendung des der Wissensintegration VVissens durch den des Empf~ingers Wissensempf~inger resultierenden ~ der VerbesserungsInteraktion vorschl~lgen

I 9Feedback, ggf. zus~itzliche Transfermal~nahmen oVerbesserung des Wissenstransferprozesses ~ des Wissens Abb. E-5:

OrganisatorischeAspekte der Gestaltung von Wissenstransferprozessen Eigene Darstellung.

Bei der Festlegung der Empf~nger eines Wissenstransfers ist es zudem sinnvoll, verschiedene Franchisenehmercluster zu ber0cksichtigen. Eine for Franchisesysteme bedeutsame Differenzierung kann anhand verschiedener Unternehmertypen erfolgen. Die bestehenden Franchisepartner k5nnen in ,,Echte Unternehmer" und ,,Unselbstst~ndige Unternehmer" differenziert werden. Von Bedeutung ist diese Unterscheidung verschiedener Unternehmertypen, weil fi3r die einzelnen Typen die Einflussfaktoren des Wissenstransfererfolgs eine unterschiedliche Bedeutung besitzen. In der Planungsphase hat des Weiteren eine Festlegung zu erfolgen, welche Medien f0r den Wissenstransfer genutzt werden sollen und in welchem Zeitraum die Ziele des Wissenstransfers erreicht werden sollen. 344 In der Durchf0hrung des Wissenstransfers ist die konkrete Wissensmodellierung zu gestalten. Die konkrete Wissensmodellierung ist, wie dies in Kapitel E.3.2.1 ausfehrlich geschildert wurde, auf die Art des zu transferierenden Wissens, auf die Empf~inger- und auf die Kontextcharakteristika abzustimmen. Im Zuge der Durchf0hrung der Schulungsmal~nahmen scheint es offensichtlich ratsam, die M5glichkeiten, die sich

344 Vgl. Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 15.

130

Gestaltung des VVissensmanagementsin Unternehmensnetzwerken

beispielsweise durch das Intranet und das Internet oder auch durch die Entwicklungen im E-Learning-Bereich, ergeben haben, for die Wissensdarbietung zu nutzen. Im Rahmen der Durchf0hrungs- bzw. Umsetzungsphase findet der eigentliche Wissenstransfer statt. Der Wissensempf~nger rekonstruiert aus den 0bermittelten Informationen Wissen und wendet das erlernte Wissen bei der FQhrung seines Franchisebetriebs an. In dieser Phase sollte die MSglichkeit zur Interaktion zwischen Wissenssender und Wissensempf~inger aus zwei GrQnden gegeben sein. Zum einen sollte den Wissensempf~ingern die MSglichkeit gegeben werden, bei auftretenden anf~nglichen Schwierigkeiten der Wissensanwendung zus~itzliche Informationen oder Hilfen vom Wissenssender zu erhalten. Zum anderen kann der Wissenssender bei ,,falschen" oder unvollst~indigen Rekonstruktionen direkt korrigierend eingreifen und somit den Wissenstransfererfolg sicherstellen. Im Anschluss an die DurchfQhrungsphase sollte eine Kontrolle des Wissenstransfererfolgs durchgefQhrt werden. Drei wesentliche GrQnde k5nnen fQr die Notwendigkeit der Kontrollphase angefQhrt werden: 9

Die Kontrolle stellt sicher, dass die Wissensempf~inger das Wissen richtig erlernt haben und es in der vorgesehenen Art und Weise anwenden. Wenn die Wissensempf~nger das Wissen nicht anwenden, gilt es die Grende fQr die Nichtanwendung herauszufinden und wenn notwendig, das Wissen in angepasster Form erneut zu transferieren. Die Kontrolle der Anwendung kann beispielsweise durch die Franchisebetreuer vor Ort im Betrieb des Franchisenehmers stattfinden. Die Franchisebetreuer k5nnen, falls notwendig, die richtige Anwendung des Wissens durch zus~itzliche Informationen oder Hilfestellungen erwirken.

9

Durch die Evaluation des Wissenstransfererfolgs erh~ilt der Wissenssender Feedback von den Wissensempf~ngern und hat auf diese Weise Anhaltspunkte fQr die Verbesserung zukQnftiger Schulungsma6nahmen. Die Evaluation sollte z. B. im Anschluss an Schulungen oder Seminare durch eine standardisierte Befragung der Wissenstransferempf~inger erfolgen. Erg~inzend kann z. B. im Rahmen eines Vorschlagswesens innerhalb des Franchisesystems ein Bereich fQr Verbesserungsvorschl~ige hinsichtlich der Ausgestaltung des Informations- und Wissenstransfers vorgesehen werden.

9 AIs letzter und wichtigster Punkt ist die M5glichkeit der Wissensverbesserung zu nennen. Idealerweise verbessert sich das transferierte Wissen durch die Integration auf Empf~ngerseite. Der Wissensempf~inger kann durch die VerknQpfung des Wissens mit seinen pers5nlichen Erfahrungen, Ideen und Anregungen zur Verbesserung des System-Know-hows geben. Die M(~glichkeit durch den fortlaufenden Informations- und Wissensaustausch, eine st~indige Wissensoptimierung zu erreichen, kann nur ausgenutzt werden, wenn die Erfahrungen und Anregungen der Franchisepartner systematisch erfasst werden.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagementsnach dem TTK

3.2.3

131

Gestaltung des dauerhaften Informations- und Wissensaustausches

Im grundlegenden Kapitel zum Franchising wurden in diesem Buch die Phasen des individuellen Franchisenehmerlebenszyklus herausgearbeitet. Nach der Auswahl und der Grundausbildung der Franchisepartner nimmt die Phase der ,,aktiven Franchisenehmerschaft" den jeweils gr01~ten Teil der Beziehung ein. Diese Phase ist durch einen umfassenden Austausch von Informationen und Wissen gekennzeichnet. Der Franchisegeber liefert dem Franchisepartner die Informationen, die dieser zur Wahrnehmung der operativen Gesch~iftst~itigkeit ben0tigt. Zus~tzlich bildet er ihn, wie bereits im vorherigen Abschnitt erl~iutert, fortlaufend weiter. 34s Gleichzeitig ist der Franchisegeber zur Weiterentwicklung des Systempakets auf umfassende Informationen des Franchisenehmers angewiesen. Ziel des Franchisegebers sollte es sein, s~imtliche innerhalb des Systems vorliegenden Informationen und Erfahrungen zu nutzen und in den Prozess der kontinuierlichen Verbesserung des System-Knowhows einfliel~en zu lassen. Der dauerhafte Austausch von Informationen kann somit als wesentlich for den Erfolg der Franchisepartner, for die Optimierung der Systemkonzeption und damit for die Wettbewerbsf~higkeit und den Erfolg des Gesamtsystems angesehen werden. Aus den empirischen Ergebnissen von Blaich kOnnen diesen Informationsaustausch betreffend einige wichtige Empfehlungen abgeleitet werden. 346 In allen von ihm dargestellten Systemen konnten Franchisenehmer- als ,,Echte Unternehmer" bezeichnet" -identifiziert werden, die sich hinsichtlich ihrer Einstellung und ihres Verhaltens zum dauerhaften Informations- und Wissensaustausch durch (aus Franchisegebersicht) sehr kritisch zu betrachtende Werte auszeichnen. Besonders hervorzuheben ist, dass die ,,Echten Unternehmer" offensichtlich solche Partner sind, die 0ber sehr umfangreiches Vorwissen verf0gen, innerhalb des Systems schon 0ber einen etwas I~ngeren Zeitraum Erfahrungen sammeln konnten und nicht zuletzt zumindest tendenziell wirtschaftlich erfolgreicher sind. Gerade das Wissen dieser ,,Echten Unternehmer" d0rfte in Anbetracht der Charakteristika der ,,Echten Unternehmer" von groI~er Bedeutung for die Weiterentwicklung des Gesch~ifts-Know-hows durch kontinuierliche erfolgreiche Wissenstransferprozesse sein. Zur Einbindung aller Franchisepartner in diesen dauerhaften Informations- und Wissensaustausch, insbesondere aber zur Einbindung dieser leistungsst~irkeren Partner, erscheinen zwei Mal~nahmen Erfolg versprechend: 345 Siehe hierzu auch Nebel/Kieser (2003), S. 316, die Franchisesysteme als ,,Rekordhalter in Sachen Weiterbildung" bezeichnen. 346 Vgl. Blaich (2004).

132

Gestaltung des Wissensmanagementsin Unternehmensnetzwerken

9

Etablierung eines systematischen Beziehungsmanagements und

9

Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.

3.2.3.1

Etablierung eines systematischen Beziehungsmanagements

Den Faktoren Vertrauen, Commitment und Kompetenzwahrnehmung kann auf Grund der in diesem Buch aufgedeckten Wirkungszusammenh~nge eine hohe Bedeutung for den Wissenstransfererfolg und den dauerhaften Austausch von Informationen und Wissen in Franchisenetzwerken zugesprochen werden. Die Tatsache, dass sich die ,,Echten Unternehmer" in allen drei Systemen durch unterdurchschnittliche (schlechtere) Auspr~igungen dieser die Beziehungsqualit~it bestimmenden Faktoren auszeichnen und gleichzeitig durch ein unterdurchschnittliches (schlechteres) Informationsaustauschverhalten, ist dahin gehend zu interpretieren, dass signifikante Zusammenh~inge zwischen den die Beziehungsqualit~t bestimmenden Faktoren und dem dauerhaften Informations- und Wissensaustausch bestehen. Insofern sollte der Franchisegeber die Qualit~it der Beziehungen zu den Franchisepartnern einem systematischen Beziehungsmanagement unterziehen. 347 Ziel des Beziehungsmanagements muss es sein, das Vertrauen, das Commitment aber auch die Kompetenzwahrnehmung auf Seiten der Franchisepartner und auf diese Weise deren Zufriedenheit zu erhShen.348 Das Vertrauen der Franchisepartner kann gewonnen werden, indem der Franchisegeber den Partnern mit Respekt und Fairness entgegentritt und opportunistisches Verhalten unterl~sst. Der Franchisegeber sollte h~ufig mit den Partnern kommunizieren, die Partner in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen und sich generell durch grol~e Offenheit gegen0ber den Partnern auszeichnen. Durch die Einbindung der Franchisenehmer in den Willensbildungsprozess kann deren Akzeptanz von Entscheidungen gesteigert werden. Eine Einbindung der Partner ist beispielsweise mit Hilfe von Franchisenehmerbeir~.ten, Werbeaussch0ssen, Erfahrungsaustauschgruppen und der Ber0cksichtigung von Empfehlungen dieser Institutionen in der Ent347 Die Beziehungsqualit~it wurde in Franchisesystemen bis dato insbesondere im Hinblick auf ihre externen Auswirkungen, d. h. hinsichtlich der Auswirkungen geringer Zufriedenheit der Franchisenehmer auf die Verkaufsanstrengungen der Partner untersucht. Es wird allerdings auch davon ausgegangen, dass Unzufriedene Franchisenehmer eher zu systeminkonformen und dysfunktionalen Verhaltensweisen neigen, was sich beispielsweise in der Nichteinhaltung von Vorgaben oder dem Zur0ckhalten von Informationen t=iul?~ert(vgl. Ahlert 2001, S. 54). Genau diese Verhaltensweisen zeigen sich bei den ,Echten Unternehmern". 348 Hinsichtlichdes Aufbaus eines Franchisenehmerbindungsmanagements sei auf Ahlert (2001), S. 56 sowie auf Ahlert/Wunderlich (2002) verwiesen. Bzgl. der M0glichkeiten zum Vertrauensaufbau finden sich ausf0hrliche Erl~uterungen bei Kenning (2002).

Empfehlungen zur Gestaltung des VVissensmanagementsnach dem TTK

133

scheidungsfindung m6glich. 349 Auf Grund der Einbindung bei der Entscheidungsfindung und der Mitverantwortung for die Entscheidung werden die Franchisepartner bei ,,falschen" Entscheidungen nicht dem Franchisegeber die Schuld geben, sondern hinter dieser Entscheidung stehen, weil sie mitentschieden haben und sich selbst eine ,,Teilschuld" zusprechen m0ssen. Im Ergebnis werden die Franchisepartner nicht nur die gemeinsam getroffenen Entscheidungen tragen. Es ist davon auszugehen, dass auf Grund der Einbindung die beziehungsbedingten Faktoren Vertrauen, Commitment und Kompetenzwahrnehmung wesentlich besser ausgepr~igt sein werden. Diese positiven Auswirkungen auf das Vertrauen und das Commitment der Franchisepartner d0rfte dazu f0hren, dass der Franchisegeber von den Erfahrungen und dem Know-how aller Franchisepartner profitieren kann. 35~ Auf Basis dieses breiten Erfahrungsschatzes wird er in der Lage sein, den anf~nglichen Wissensvorsprung dauerhaft aufrechtzuerhalten und somit als sehr kompetent von den Partnern wahrgenommen zu werden. Die Franchisepartner werden auf Grund der kompetenten Betreuung durch den Franchisegeber und auf Grund des Nutzens, den sie aus dieser Betreuung f0r ihren Betrieb erzielen, zufriedener mit der Zentrale sein und sich durch ein st~irkeres Engagement nicht nur gegen0ber dem Kunden, sondern auch im innen gerichteten Verhalten auszeichnen. Der Erfolg dieses systematischen Beziehungsmanagements wird durch einen partnerschaftlich-interaktiven F0hrungsstil unterst0tzt. 351

3.2.3.2

Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien

Die Etablierung eines systematischen Beziehungsmanagements wird sinnvollerweise durch die weitgehende Nutzung moderner Informations- und KommunikationstechnoIogien begleitet. 352 Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Nutzung elektronischer Kommunikationswege, die Einrichtung eines Intranets und idealerwei349 Vgl. beispielsweise Kloyer (1995), der in verschiedenen Fallstudien entsprechende Institutionen in Franchisenetzwerken beschreibt. 350 Vgl. beispielsweiseVetschera (2002). 351 An dieser Stelle sei auf Meurer (1997) verwiesen. Aber auch in anderen Arbeiten im Kontext von Untemehmensnetzwerken finden sich Hinweise auf die 0berlegenheit eines kooperativen, partnerschaftlichen F0hrungsstils im Vergleich zu hierarchischen, kontrollbasierten F0hrungsmethoden. Siehe hierzu exemplarisch Klein (1996a), speziell S. 255 fo 352 Argote/Darr(2000), S. 65, kommen im Rahmen ihrer Untersuchung zur Existenz von Lernkurven in Franchisesystemenzu dem Ergebnis, ,,embedding knowledge in technology and structure is an effective way to facilitate knowledge transfer." In diesem Zusammenhang sei auch auf die Ausf(~hrungen von Klein (1996a) und Klein (1996b) verwiesen, der die Wechselwirkungen zwischen Informationstechnologie und Unternehmensnetzwerkenanalysiert.

134

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

se die Nutzung moderner WissensmanagementlSsungen, so genannter Enterprise Information Portale (EIP). 353 Der hinter dieser Empfehlung stehende Grundgedanke ist, die notwendige Zeit for nicht wertschaffende T~tigkeiten sowohl der Franchisenehmer als auch der Franchisegeber zu reduzieren. Die Suche nach Informationen kostet Zeit, dies gilt insbesondere for Franchisenetzwerke, in denen die Informationen r~umlich verteilt vorliegen. Werden for Entscheidungen Informationen benStigt, die sich nicht kurzfristig und einfach beschaffen lassen, besteht die Gefahr, dass ,,uninformierte Entscheidungen" getroffen werden. 354 Die informationstechnologische Unterst0tzung des Austausches von Informationen und Wissen ist aber nicht nur aus Sicht der Wissensempf~inger von Bedeutung. Die Bereitstellung von Wissen auf Seiten der Franchisepartner ist insbesondere for implizites, auf individuellen Erfahrungen beruhendes Wissen sehr zeitaufwendig, w~hrend der unmittelbare Nutzen der Wissensdokumentation bzw. der Bereitstellung von Wissen for den einzelnen Wissenstr~ger zun~chst einmal gering ist. Dementsprechend stellt die mangelnde Z e i t sowohl auf Seiten des Wissenssenders als auch auf der, in dieser Arbeit fokussierten, Seite des Wissensempf~ngers- eines der Hauptprobleme im Rahmen des Wissensmanagements dar. 355 Durch ein Franchisenehmerportal k5nnen einige dieser Problembereiche erfolgreich bew~ltigt werden. Ein solches Portal dient zuallererst als wichtige Informationsquelle for die Franchisepartner. 356 Dem Franchisepartner ist der jederzeitige Zugriff auf s~mtliche Informationen des Franchisegebers schnell und unabh~ngig von r~umlichen oder zeitlichen Restriktionen m5glich. Durch die Integration von nutzerfreundlichen Suchroutinen, beispielsweise in Form themenorientierter, grafischer Benutzeroberfl~chen, kann die Zeitdauer for Suchprozesse deutlich verk0rzt werden. 357 Die 353 Im Kontext der unternehmensweiten Gesch~ftsprozesssysteme wird das Konzept des Enterprise Information Portals (EIP) als vereinheitlichende Benutzerschnittstelle zu verschiedenen Anwendungssystemen und Informationsressourcen verstanden. Die Umsetzungsziele solcher Konzepte werden in einem effizienteren und effektiveren Zugriff auf gesch~ftsrelevantes Wissen sowie der intuitiven Einbindung des Wissens in elektronisch abgebildete Gesch~ftsprozesse gesehen. Siehe hierzu ausf0hrlich www.contentmanager.de. 354 Langenhan stellt in einer empirischen Untersuchung beispielsweise fest, dass der Franchisegeber das dezentral verteilte Wissen der Franchisenehmer nur bedingt for die Weiterentwicklung des Systempakets ausnutzt. Den wesentlichen Ausgangspunkt der Weiterentwicklung des Systempakets bilden die Mitarbeiter der Franchisezentrale; vgl. Langenhan (2003), S. 36 ft. 355 Dies wird in zahlreichen empirischen Untersuchungen best~tigt. Ein 0berblick findet sich bei Kenning/Sch0tte/Blaich (2003), S. 58 ff. 356 Langenhan kommt in einer empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die zentrale Verteilung von Wissen vom Franchisegeber zu den Franchisenehmern den Erfolg des Franchisenetzwerks in hohem AusmaB beeinflusst; vgl. Langenhan (2003), S. 43. 357 Dies gilt insbesondere for den Vergleich mit der Suche nach Informationen, beispielsweise im Handbuch oder anderen Verfahrensanweisungen, die in Papierform in Ordnern abgelegt sind.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

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positive Resonanz dieser durch moderne Technologien unterst0tzten Form der Informations- und Wissensvermittlung bei den Franchisepartnern konnte auch in den Fallstudien empirisch belegt werden. Die Einf0hrung eines solchen Franchisenehmerportals und die umfassende Bereitstellung von Informationen f0r die Franchisepartner wird, entsprechend der bei den Partnern in allen Systemen sehr positiv bewerteten Einstellung, dass der Austausch von Wissen ein Geben und Nehmen ist, zu einer grOI3eren Bereitschaft der Informationsbereitstellung f0hren. Auf diese Weise erh~lt der Franchisegeber demnach im Ausgleich umfassendere Informationen der Franchisepartner und kann dementsprechend die Weiterentwicklung der Systemdienstleistungskonzeption besser vorantreiben. Langfristig kOnnten auf diese Weise auch die Widerst~nde der Franchisepartner gegen ein zentrales Controlling beseitigt werden, dessen Umsetzung den Informationsstand des Franchisegebers weiter erh5hen k5nnte. 358 Letztlich kann somit die dauerhafte Verbesserung des Wissens des Franchisesystems gef5rdert werden. Die Implementierung der skizzierten Tools sollte dabei schrittweise und ausgehend vom derzeitigen Stand der technologischen Infrastruktur des Systems erfolgen. Bereits bei den drei in der vorliegenden Arbeit betrachteten Systemen konnten stark divergierende Ausgangssituationen festgestellt werden. Wenn in einem System die Kommunikation bisher nahezu ausschliel~lich auf dem Postweg und per FAX erfolgt, ist eine sukzessive Einf0hrung und Vernetzung der Partner empfehlenswert. Die Einf0hrung und Nutzung entsprechender moderner Informations- und Kommunikationstechnologien sollte in Kombination mit dem zuvor skizzierten systematischen Beziehungsmanagement erfolgen. Die Partner sollten in die Entscheidungen f0r eine entsprechende Einf0hrung eingebunden werden, und ihre Anforderungen und W0nsche sind bei der Konzeption und Implementierung zu ber0cksichtigen. Unabh~ingig von der bestehenden Informationsinfrastruktur d0rfen die Auswirkungen der beziehungsbedingten Faktoren auf das Informationsaustauschverhalten nicht vernachl~ssigt werden. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit zur pers5nlichen Kommunikation unabh~ngig von der technologischen Infrastruktur nicht obsolet wird. Genauso wenig kOnnen etablierte Institutionen des Informations- und Erfahrungsaustausches (z. B. Erfa-Tagungen, persOnliche Betreuung der Franchisenehmer etc.) nicht durch technologische Komponenten ersetzt werden. Durch die konsequente Nutzung moderner Informations- und Kommunikationssysteme k5nnen diese Gremien aber von rein dem Zweck der gegenseitigen Information dienenden

358 Zur Konzeption eines zentralen Controllings in Franchisesystemen siehe Ahlert, M. (2001); Ahlert/Ahlert (2004).

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

Elementen befreit werden und sich wichtigen die zuk0nftige Wettbewerbsf~ihigkeit des Franchisenetzwerks betreffenden Fragestellungen widmen.

3.3

Anreizsystemgestaltung auf Basis der Wissenstransfereinstellung zur 0berwindung der motivationalen Barrieren

Die Zielsetzung der Anreizsystemgestaltung besteht darin, Motivationsinstrumente zu selektieren, die die Netzwerkakteure in der Weise stimulieren, dass sie am Wissensmanagement teilzunehmen bereit sind. Dies ist dann der Fall, wenn die von den Netzwerkakteuren mit der Teilnahme am Wissenstransfer antizipierten Anreize grOI~er sind als die in diesem Kontext zu erbringenden BeitrSge. Die Bereitschaft der Netzwerkakteure, am Wissenstransfer teilzunehmen, kann durch das Konstrukt der Wissenstransfereinstellung gemessen werden. Nach dem vom MOTIWIDI-Team entwickelten Grundmodell kann die Anreizsystemgestaltung auf Basis der Wissenstransfereinstellung in drei Komponenten unterteilt werden: Gestaltungsziele und -restriktionen, organisatorische Gestaltungsoptionen und deren Auswahl in Abh~ingigkeit von den erzielten Handlungsergebnissen (vgl. Abb. E-6). 359

Gestaltungsziele und -restriktionen 9Priorisierung der Ziele for eine effektive Anreizsystemgestaltung auf Grundlage der erhobenen Wissenstransfereinstellung

Zusammenstellung potenziell geeigneter Motivationsinstrumente 9Strukturelle Motivationsinstrumente zur -Recluktion der wahrgenommenen Barrieren, -Stimulierung intrinsischer Motivation 9Personelle Motivationsinstrumente zur Stimulierung extrinsischer Motivation

Auswahl der Motivationsinstrumente 9Evaluierung der Wirkung der Motivationsinstrumente auf die Wissenstransfereinstellung oAuswahl der Motivationsinstrumente Abb. E-6:

Vorgehensmodell zur Anreizsystemgestaltung Eigene Darstellung.

359 Vgl. zur Beschreibung der Komponenten des Grundmodells in gut strukturierten Entscheidungssituationen Adam (1996), S. 7 ft.; Heppner (1997), S. 236.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

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Die nachfolgenden Empfehlungen zur Anreizsystemgestaltung basieren auf einer empirischen Analyse der Wissenstransfereinstellung des MOTIWIDI-Teams, die nachfolgende auf Unternehmensnetzwerke 0bertragbare Ergebnisse ergeben hat.36~ 1) Die Wissenstransfereinstellung ist die bedeutendste Determinante des Wissenstransferverhaltens. Zudem 0ben die Kontroll0berzeugungen, die das Ausmal~ der wahrgenommenen Selbstbestimmung widerspiegeln, einen signifikanten Einfluss auf das Wissenstransferverhalten aus. 2) Die Netzwerkakteure bilden eine allgemeine, transfertypenunabh~ingige Wissenstransfereinstellung. 3) Der affektiven Komponente kommt ein bedeutender Anteil an der Wissenstransfereinstellung zu. 4) Der Eindrucksfaktor Barrieren 0bt den gr01~ten Einfluss auf die Wissenstransfereinstellung aus. Ferner kann nicht postuliert werden, dass den extrinsischen Motivatoren eine gr01~ere Bedeutung for die Bildung der Wissenstransfereinstellung zukommt als den intrinsischen Motivatoren. Es haben sich vielmehr Hinweise erh~rtet, dass die Bedeutung der intrinsischen Motivatoren grOl~er ist als die der extrinsischen. 5) Alle drei Arten der intrinsischen Motivation (Freude an der Arbeit, Einhalten von Normen um ihrer selbst Willen, Erreichen selbst gesetzter Ziele) haben eine 0berdurchschnittlich hohe Bedeutung for die Teilnahme am Wissenstransfer, ebenso die extrinsischen Handlungsfolgen Wissensaustausch und Erfolgsbeitrag. 6) Die Handlungsfolge Zeitverlust stellt eine bedeutendere Transferbarriere dar als die Handlungsfolge Machtverlust. 7) Die Mehrheit der Netzwerkakteure w0rde auf Grund einer Verbesserung der allgemeinen Arbeitsbedingungen- insbesondere Entlastung von administrativen T~itigkeiten oder Verbesserung der Informations- und Kommunikationstechnologien - mehr Zeit for den Wissenstransfer verausgaben. Nur for eine Minderheit der Netzwerkakteure w~iren finanzielle Pr~mien ein Anreiz, die Wissenstransferaktivit~iten auszuweiten.

(1) Gestaltungsziele und -restriktionen Die prim~ire Zielsetzung der Gestaltung des Anreizsystems for Unternehmensnetzwerke sollte darin bestehen, die motivationalen Barrieren des Wissenstransfers (7eit-

360 Vgl. hierzu ausf0hrlich Spelsiek (2005).

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

und Machtverlust) zu 0berwinden, da diese den grbl3ten Einfluss auf die Wissenstransfereinstellung der Netzwerkakteure aus0ben. Sind diese 0berwunden, sollten im n~ichsten Schritt Rahmenbedingungen (strukturelle Motivationsinstrumente) zur Fbrderung der intrinsischen Motivation der Netzwerkakteure eingesetzt werden, da hierdurch der zweitgrbl3te Effekt auf die Wissenstransfereinstellung erzielt werden kann und keine negativen Folgeeffekte auftreten. Mit letzter Priorit~it sollten extrinsische Anreize (personelle Motivationsinstrumente) gesetzt werden. Jedoch nur dann, wenn die extrinsischen Anreize keine Verdr~ingung der intrinsischen Motivation in dem Ausmal3 bewirken, dass daraus ein negativer Nettoeffekt resultiert. Ein Verdr~ngungseffekt tritt auf, wenn die Gew~hrung der extrinsischen Anreize von den Netzwerkakteuren als kontrollierend empfunden wird. Von der Hbhe des durch die personellen Motivationsinstrumente induzierten Nettoeffektes (stimulierte extrinsische Motivation abz0glich verdr~ingter intrinsischer Motivation) h~ingt es ab, ob der Einsatz personeller Motivationsinstrumente zielf0hrend ist. Liegt ein positiver Nettoeffekt vor, h~ingt die Zweckm~il~igkeit des Einsatzes extrinsischer Anreize vonder Hbhe der Differenz aus intrinsischen Anreizen und Beitr~igen ab. Ist die Differenz positiv, nehmen die Netzwerkakteure auch ohne die Gew~ihrung zus~itzlicher extrinsischer Anreize am Wissenstransfer teil. Ist die Differenz negativ, sind extrinsische Anreize for eine positive Teilnahmeentscheidung notwendig. Wichtig ist zu ber0cksichtigen, dass die Wissenstransfereinstellung auf gespeicherten Eindr0cken basiert. Kurzfristige Mal~nahmen (z. B. Geldpr~mien for einen befristeten Zeitraum) haben lediglich einen Strohfeuereffekt und bewirken keine Einstellungs- respektive Verhaltens~nderung. Die vom MOTIWIDI-Forschungsteam empfohlene Priorisierung des Einsatzes von strukturellen und personellen Motivationsinstrumenten korrespondiert mit der hierarchischen Systematisierung von Koordinationsinstrumenten nach Jost. 361 Er empfiehlt, die strukturellen Motivationsinstrumente als Qbergeordnete Instrumente innerhalb des Anreizsystems einzusetzen, die den Rahmen for die Ausgestaltung der nachgeordneten personellen Motivationsinstrumente bilden.

361 Vgl. Jost (2000b), S. 523 ft.

Empfehlungenzur Gestaltungdes Wissensmanagementsnach dem TTK

Anreizsystem

139

Kommunikation

1. Priodffit: Barrleren (iberwinden Durch die Verringerung der von den Netzwerkakteuren wahrgenommenen Transferbarriemn kann der grSl~te positive Effekt auf die Wissenstransfeminstellung erzlelt werden.

2. Priorittit: Intrinsische Motivation In jedem Fall sollte die intrinsische Motivation durch die Gestaltung der Arbeitssituation gefSrdert werden, da sle die Wissenstransfereinstellung sffirker positiv beeinflusst als die extrinsische Motivation und sle diese zudem nicht verdr~ngt.

Rationale Kommunikationsinhalte

Rationale Kommunikationsinhalte

3. Prioriffit: Extrinsische Motivation Nur wenn die extrinsische Motivation einen positiven Nettoeffekt auf die Wissenstransfereinstellung ausUbt, sollten personelle Motivationsinstrumente eingesetzt werden.

Abb. E-7:

Priorisierungder Gestaltungsziele Eigene Darstellung.

Flankiert werden sollte die Anreizsystemgestaltung durch kommunikationspolitische Mal~nahmen, um die affektive Komponente Wissenstransfereinstellung positiv zu beeinflussen. Die KommunikationsmaPonahmen sollten zur Beeinflussung der Wissenstransfereinstellung neben rationalen vor allem emotionale Inhalte transportieren, da hiermit die affektive Einstellungskomponente adressiert werden kann (vgl. Abb. E-7). So kSnnte im DLFI-Netzwerk bspw. die Freude an der T~itigkeit des Wissenstransfers herausgestellt werden (,,Wissenstransfer macht Spain") oder die Freude am Lernen bzw. Entdecken neuen Wissens (,,auf zu neuen Ufern"). Auf rationale Kommunikationsinhalte sollte dennoch nicht verzichtet werden, da diese die wahrgenommene Anreizwirkung der eingesetzten Motivationsinstrumente bedeutend steigern kSnnen. Abb. E-7 fasst die Ziele der Anreizsystemgestaltung und der flankierenden Kommunikation noch einmal grafisch zusammen. (2) Zusammenstellung

potenziell

geeigneter

Motivationsinstrumente

In Abb. E-8 werden die Gestaltungsparameter eines Anreizsystems - systematisiert nach strukturellen und personellen Motivationsinstrumenten -dargestellt. Zur 0berwindung bzw. Reduktion der von den Netzwerkakteuren wahrgenommenen Barrieren des Wissenstransfers sollten strukturelle Motivationsinstrumente eingesetzt werden. Mit ihrer Hilfe soil verhindert werden, dass die von den Netzwerkakteuren wahrge-

140

Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

nommenen Transferbarrieren eine so starke (extrinsische) Demotivation bewirken, dass die Netzwerkakteure nicht bereit sind, am Wissenstransfer teilzunehmen. 362 Die von den Netzwerkakteuren wahrgenommenen Transferbarrieren kOnnen zum einen aus den organisationalen und kulturellen Rahmenbedingungen des Wissenstransfers resultieren oder aus der Transfert~itigkeit selbst bzw. den in ihrem Kontext zu leistenden Beitr~igen. 383 Die wesentlichen Beitr~ige liegen nach den Forschungsarbeiten des MOTIWIDI-Team in der f0r den Wissenstransfer zu verausgabenden Zeit oder einem durch den Wissenstransfer verursachten Verlust einer Expertenstellung.

362 Die Barrieren des Wissenstransfers haben den Charakter von Hygienefaktoren, die einen Wissenstransfer verhindern kOnnen, jedoch nicht zu dessen Durchfi3hrung motivieren. 363 Vgl. hierzu Spelsiek (2005); Sch(3ppel (1996), S. 107 ft. sowie Seidel (2003), S. 81 ft.

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142

Gestaltung des VVissensmanagementsin Unternehmensnetzwerken

Zur Reduktion der von den Netzwerkakteuren wahrgenommenen Barrieren des Wissenstransfers kann durch die Gestaltung der Informationsversorgung, durch die for den Wissenstransfer zur Verf0gung stehenden Ressourcen und durch die Beeinflussung der F~higkeiten der Netzwerkakteure zum Wissenstransfer Einfluss genommen werden. 364 Die strukturellen Motivationsinstrumente im Rahmen der Informationsversorgung intendieren zum einen, den Netzwerkakteur mit den notwendigen Informationen zu versorgen, so dass er eine objektivierte Entscheidung for oder gegen die Teilnahme am Wissenstransfer treffen kann. Insbesondere geht es hier darum, den Netzwerkakteuren die Chancen und Risiken der Teilnahme am Wissenstransfer transparent darzustellen. 365 Zum anderen soil durch die Informationsversorgung sichergestellt werden, dass die Netzwerkakteure bei einem Transferbedarf die notwendigen Informationen zur Identifikation wertstiftender Wissensinhalte und geeigneter Transferpartner erhalten. Neben der Informationsversorgungsfunktion soil der Einsatz struktureller Motivationsinstrumente gew~ihrleisten, dass die Wissenstransferaktivit~iten durch ein hinreichendes Ausmal~ an Ressourcen unterst0tzt werden. Im Vordergrund stehen hierbei die Verf0gbarkeit von qualifizierten Transferpartnern sowie eine ad~iquate Informations- und Kommunikationsinfrastruktur. Da Wissenstransferbarrieren des Senders aus mangelnden kognitiven F~higkeiten zur Kommunikation von Wissensinhalten resultieren k5nnen, besteht ein weiteres strukturelles Motivationsinstrument in der Verbesserung der Kommunikationsf~higkeit der Netzwerkakteure durch Ausbildungsmal~nahmen. Wie in Abb. E-8 dargestellt, kann intrinsische Motivation im Gegensatz zu extrinsischer Motivation nicht direkt durch Motivationsinstrumente stimuliert werden, sondern nur indirekt, indem durch strukturelle Motivationsinstrumente eine Arbeitssituation geschaffen wird, mit der Individuen intrinsische Motivation attribuieren. Mit dem von Hackman/Oldham entwickelten job-characteristics-model (JCM) kann spezifiziert werden, welche Aufgabenmerkmale der Arbeit zur Attribution intrinsischer Arbeitsmotivation f0hren und welche psychologischen Erlebniszust~nde in diesem Attributionsvorgang vermitteln. 366 In Abb. E-8 sind mit der erlebten Bedeutsamkeit der Arbeitsaufgabe (Bedeutsamkeit), der erlebten Verantwortung for die Arbeitsergebnisse (Verantwortung) und den Kenntnissen 0ber die Ergebnisse der eigenen Arbeit

364 Die Ausf0hrungen zu den strukturellen Motivationsinstrumenten zur Reduktion der Transferbarrieren lehnen sich an die Darstellungen yon Thiel zur Gestaltung der Koordination des Wissenstransfers an. Vgl. hierzu Thiel (2002), S. 75 ft. 365 Oftmalssind den Organisationsmitgliedernprimer die Risiken der Teilnahme am Wissenstransfer bewusst, da diese leichter zu erfassen sind als die mit dem Wissenstransfer verbundenen positiven Konsequenzen.Vgl. hierzu Wiswede (1995), S. 32 f. 366 Vgl. hierzu Hackman/Oldham(1980); Nerdinger(1995), S. 57 ft.; Kleinbeck (1996), S. 110.

Empfehlungen zur Gestaltung des Wissensmanagements nach dem TTK

143

(Kenntnis) die drei psychologischen Erlebniszust~inde abgebildet, die eine Attribution intrinsischer Motivation bei entsprechender Gestaltung der Arbeitssituation bewirken. 367

Personelle Motivationsinstrumente zur Stimulierung extrinsischer Motivation basieren auf einem Transaktionsmechanismus, der folgende Elemente und Beziehungen beinhaltet, die in Abb. E-8 auf der rechten Seite abgetragen sind: Ein vordefinierter extrinsischer Anreiz wird mit einer Bemessungsgrundlage dutch eine Anreizfunktion verkn0pft, die das Ausma6 der Anreizgew~ihrung for die Erbringung bestimmter individueller Beitr~ige im Rahmen des Wissenstransfers festlegt. 368 Hinsichtlich der Anreizinhalte kann zwischen immateriellen und materiellen Anreizen differenziert werden. 369 Materielle Anreize k~nnen wiederum in monett:irer und nichtmonett:irer Form gew~ihrt werden. Ein wesentlicher immaterieller Anreiz geht im Fall yon F&C-Netzwerken bspw. von der ausgepr~igten Unternehmerkultur aus, die u. a. einen Einfluss auf das Wissenstransferverhalten aus0bt. Materielle Anreize for die Teilnahme am Wissenstransfer k~nnten z. B. in Form yon Pr~=imien (monet~:ir) oder zus~tzlichen Weiterbildungsma6nahmen (nicht-monet~ir) gew~ihrt werden. AIs Bemessungsgrundlage fQr die Gew~ihrung yon Anreizen k~nnen qualitative und quantitative Kriterien herangezogen werden. 37~ Hinsichtlich der quantitativen Kriterien k~nhen monet~ire und nicht-monet~:ire unterschieden werden. Quantitative Kriterien k~nnen objektiv in Zahlen ausgedr0ckt werden (bspw. Anzahl Eintr~ige in einer Datenbank), qualitative Kriterien hingegen unterliegen dem subjektiven Ermessen des Beurteilenden (bspw. Bewertung des Anwendungsnutzens der eingestellten F_intr~ge durch die Datenbanknutzer). Anreizfunktionen schlie~lich k~nnen hinsichtlich des Verkn0pfungszeitraumes zwischen Anreizen und Kriterien sowie hinsichtlich des Funktionsverlaufs charakterisiert werden. 371 In Bezug auf die Anreizfunktion ist es insbesondere wichtig, dass die Anreize fur die Wissenstransferbeitr~ge zeitnah gew~ihrt werden, da die Netzwerkakteure bei einem zu langen Verkn0pfungszeitraum den Zusammenhang zwischen Beitragsleistung und Anreizgew~hrung nicht mehr erkennen und die intendierte Motivationswirkung nicht eintritt. Bspw. sollte ein Netz-

367 Vgl. zur ausf(3hrlichen Darstellung des JCM Hackman/Oldham (1975), S. 161 ft.; Hackman/Oldham (1980); Nerdinger (1995), S. 57 ft.; Kleinbeck (1996), S. 110 ff.; Staehle (1999), S. 687 f.; SchrOder (2003), S. 40 f. 368 Vgl. zu den Basiselementen eines Anreizsystems Keller (1995), S. 79 f.; Wehling (1999), S. 76 ft.; Rosenstiel (2003), S. 132 ft. 369 Vgl. hierzu ausf0hrlich Lehmk0hler (2001), S. 113 ff.; Thiel (2002), S. 120 ff.; Rosenstiel (2003), S. 134 ft.; SchrOder (2003), S. 49 ft. 370 Vgl. hierzu Keller (1995), S. 102 ft.; Rinker (1997), S. 26 ft. 371 Vgl. hierzu ausf(~hdichWehling (1999), S. 80 f.

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Gestaltung des Wissensmanagements in Unternehmensnetzwerken

werkakteur, der regelm~il~ig Schulungen im DLFI-Netzwerk abh~ilt, nicht j~hrlich beIohnt werden, sondern nach jedem Training. Zu beachten ist, dass obige Ausf0hrungen zur Gestaltung personeller Motivationsinstrumente nicht nur for die Gew~hrung positiver Anreizinhalte gelten, sondern ebenfalls for die Gew~ihrung negativer Anreize (Sanktionen). (3) Auswahl der Motivationsinstrumente Zielsetzung im dritten Schritt der Anreizsystemgestaltung ist es, auf Basis der Wissenstransfereinstellung eine Auswahl effektiver Motivationsinstrumente vorzunehmen. Die potenziell geeigneten Motivationsinstrumente sind auf der linken Seite der Abb. E-9 abgebildet und stellen die organisatorischen Gestaltungsoptionen dar. 372 Auf der rechten Seite der Abb. E-9 ist die for die Netzwerkakteure postulierte Einstellungsstruktur abgetragen, die durch die in der Mitte der Abb. E-9 skizzierten Wirkungszusammenh~inge mit den Motivationsinstrumenten verkn0pft werden kbnnen. 373 Durch die Zuordnung der Motivationsinstrumente zu den Handlungskonsequenzen ist es mbglich, deren Wirkung auf die Eindrucksfaktoren Barrieren, intrinsische und extrinsische Motivatoren abzusch~itzen, die die kognitive Komponente der Wissenstransfereinstellung repr~isentieren. Die in Abb. E-9 postulierten Wirkungszusammenh~nge resultieren aus einer Untersuchung des MOTIWIDI-Forschungsteams und stellen die Basis for die nachfolgend vorgeschlagene Anreizsystemgestaltung in Unternehmensnetzwerken dar. FOr die positive Beeinflussung der Wissenstransfereinstellung s i n d - wie bereits ausgef0hrt- die Barrieren am bedeutendsten (Priorit~t 1). FOr die Beeinflussung der Barrieren des Wissenstransfers wiederum kommt dem vom Wissenssender hierf0r antizipierten Zeitverlust (Priorit~it 1) eine grbl3ere Bedeutung zu als dem Machtverlust (Priorit~it), der mit der Preisgabe des persbnlichen Wissens korrespondiert. Analog hierzu kbnnen der Abb. E-9 die Bedeutung der Handlungskonsequenzen der Teilnahme am Wissenstransfer for die intrinsischen und extrinsischen Motivatoren entnommen werden.

372 Die extrinsischen Motivationsinstrumentewerden nur verk0rzt durch ihre Anreize dargestellt. Von der Darstellung der Bemessungsgrundlageund der Anreizfunktion wurde abgesehen, da diese for die Identifikation effektiver Motivationsinstrumente von untergeordneter Bedeutung sind und prim~ir die Effizienzbeurteilungbeeinflussen. 373 Die postulierten Wirkungszusammenh~inge stellen ausschlie~lich die prim~re Wirkungsrichtung dar. Irradiationen der Motivationsinstrumente auf andere Eindrucksfaktoren werden aus Vereinfachungsgr0nden ausgeblendet. Ber0cksichtigt werden soil in diesem Kontext jedoch der Verdr@ngungseffektder extrinsischen Anreize auf die intrinsische Motivation, auf den in den Ausf0hrungen explizit eingegangenwird.

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