Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Und Regionaler Strukturwandel: Eine Theoretische Und Empirische Analyse Der Sektoralen Und Regionalen ... Und Sozialgeschichte, 59) (German Edition) 3428097017, 9783428097012


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Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Und Regionaler Strukturwandel: Eine Theoretische Und Empirische Analyse Der Sektoralen Und Regionalen ... Und Sozialgeschichte, 59) (German Edition)
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MARTIN GORNIG

Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren und regionaler Strukturwandel

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 59

Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren und regionaler Strukturwandel Eine theoretische und empirische Analyse der sektoralen und regionalen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland 1895-1987

Von

Martin Gomig

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Gornig, Martin:

Gesamtwirtschaftliche Leitsektoren und regionaler Strukturwandel : eine theoretische und empirische Analyse der sektoralen und regionalen Wirtschaftsentwicklung in Deutschland 1895- 1987 I von Martin Gornig. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte ; Bd. 59) Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09701-7

D83 Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-09701-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Inhaltsverzeichnis A. Zielsetzung und Vorgehensweise ............................................................................ 11 B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum ................... 15 I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen ..................................... l5 II. Stufen- bzw. Sektortheorien ................................................................................ 24 1. Stadienmodelle der Industrialisierung ........................................................... 24 2. Drei-Sektoren-Hypothese .............................................................................. 28 3. Spezifische Entwicklungsphasen ................................................................... 30

111. Zyklentheorien ................................................................................................... 32 I. Schübe von Infrastrukturinvestitionen ........................................................... 32 2. Schübe von Basisinnovationen ...................................................................... 35 3. Institutionen im Innovationsprozeß ............................................................... 41 IV. Leitsektoren als Wachstumsträger ........................................ ............................. 46 C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels ........................... 49 I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung ............................................................ 49 II. Verschiebungen der Sektorstrukturen ................................................................. 62 I. Veränderungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches .................................. 62 2. Veränderungen in der früheren Bundesrepublik ............................................ 76 3. Veränderungen in der DDR ........................................................................... 91 III. Verschiebungen der Regionalstrukturen .......................................................... I 01 1. Veränderungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches ................................ 101 2. Veränderungen in der früheren Bundesrepublik .......................................... 108 3. Veränderungen in der DDR ......................................................................... 113 IV. Zeitliche Parallelität der Entwicklungen .......................................................... 117

6

Inhaltsverzeichnis

D. Regionaler-Wandel und gesamtwirtschaftliebe Leitsektoren ............................ 119 I. Thesen zur Schlüsselrolle von Leitsektoren........................................................ 119 II. Theoretische Fundierung ............................................................................... .... l23 1. Konzept der Exportbasis .............................................................................. 123 2. Konzept der Wachstumspole ....................................................................... 126 3. Konzept der industrial districts ........................................ ............................ l28 III. Quantifizierung des Zusammenhanges ............................................................ 131 I. Hypothesen und ihre Umsetzungsmöglichkeiten ......................................... 131 2. Räumliche Entwicklungsmuster der Einzelsektoren .................................... 147 3. Einfluß der Leitsektoren auf die Regionalentwicklung ............................... 166 IV. Ein erstes Fazit ............ ..................................................................................... 188 E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklun g ......................................... 191 I. Konzeptionelle Vorüberlegungen ....................................................................... 191 II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren ..................................................... 197 I. Typisierung nach der Entwicklungsdynamik............................................... 197 2. Zusammensetzung der Wachstumsbeiträge ................................................. 199 3. Einflüsse auf die Gesamtentwick1ung .......................................... ................ 207 III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren ....................................... 212 I. Regionale Diffusions- und Konzentrationsprozesse .................................... 212 2. Umbrüche in den regionalen Hierarchien ........................................ ............ 218 3. Ein Klassifizierungsansatz ........................................................................... 224 IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen ............................................ 233 F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen ........................................... ...... .. ...... 255 Literaturverzeichnis .......... .......................................................... ............................... 272 Sachwortverzeichnis .......... ............. ............................................................................ 288

Verzeichnis der Abbildungen, Übersichten und Tabellen Abbildung B/1 "Lange Wellen der gesamtwirtschaftlichen Produktion im internationalen Vergleich ................................................................................. 16 Abbildung B/2 Veränderungsraten der industriellen Produktion in Deutschland 1885 bis 1989 ........................................................................................ 20 Abbildung B/3 Index der industriellen Produktion in Deutschland 1885 bis 1989 ....... 21 Abbildung C/1 Darstellung der fünf Großregionen im heutigen Bundesgebiet.. ........... 57 Abbildung C/2 Einordnung der Stichjahre der Gewerbe und Arbeitsstättenzählungen in den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozeß .................. 60

Übersicht C/1 Differenzierung der Wirtschaftszweige im Unternehmensbereich für das Deutsche Reich, die frühere Bundesrepublik und die DDR ...... 52 Übersicht C/2 Entwicklungstypen der Wirtschaftszweige im Kerngebiet des Deutschen Reiches ................................................................................ 75 Übersicht C/3 Entwicklungstypen der Wirtschaftszweige in der früheren Bundesrepublik ............................................................................................ 87 Übersicht D/1 Wachstumssektoren im Kerngebiet des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............................................................... 13 7 Übersicht D/2 Ergebnisse der einfachen linearen Regressionsschätzungen für die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............................................................................. 180 Übersicht E/1 Ergebnisse der multiplen linearen Regressionsschätzungen für die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............................................................................. 210 Übersicht E/2 Hierarchien der Bedeutung einzelner Leitsektoren in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches ..................................... 219 Übersicht E/3 Hierarchien der Bedeutung einzelner Leitsektoren in den Regionen der früheren Bundesrepublik ........................................................ 221 Übersicht E/4 Indikatoren der Standortbindung der Subsektoren des Fahrzeugbaus für die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ........................................................ 226

8

Verzeichnis der Abbildungen, Übersichten und Tabellen

Übersicht E/5 Klassifizierung der Leitsektoren nach ~hrer Standortbindung fiir das Kerngebiet des Deutschen Reiches und für die frühere Bundesrepublik .......................................................................................... 229 Übersicht E/6 Regionale Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren und sektorale Entwicklungsphasen im Kerngebiet des Deutschen Reiches und in der früheren Bundesrepublik .................................................... 240

Tabelle B/1

Indizes der industriellen Gesamtproduktion für das Deutsche Reich, die frühere Bundesrepublik und die DDR .................................. l9

Tabelle C/1

Sektorale Beschäftigungsstruktur im Kerngebiet des Deutschen Reiches .................................................................................................. 64

Tabelle C/2

Veränderung der sektoralen Beschäftigungsstruktur im Kerngebiet des Deutschen Reiches .......................................................................... 66

Tabelle C/3

Anzahl der Betriebe und durchschnittlichen Betriebsgröße im Kerngebiet des Deutschen Reiches........................................................ 72

Tabelle C/4

Sektorale Beschäftigungsstruktur in der früheren Bundesrepublik ....... 78

Tabelle C/5

Veränderung der sektoralen Beschäftigungsstruktur in der früheren Bundesrepublik ............................................................................... 80

Tabelle C/6

Anzahl der Betriebe und durchschnittliche Betriebsgröße in der früheren Bundesrepublik ....................................................................... 86

Tabelle C/7

Veränderung der Beschäftigung und der Lieferstrukturen der Dienstleistungen in der Bundesrepublik 1970 bis 1987 ........................ 90

Tabelle C/8

Sektorale Beschäftigungsstruktur in der DDR ...................................... 93

Tabelle C/9

Veränderung der sektoralen Beschäftigungsstruktur in der DDR ......... 95

Tabelle C/10

Beschäftigung nach Industriebereichen in der DDR 1950 bis 1970...... 97

Tabelle C/ 11

Beschäftigte, Betriebe und durchschnittliche Betriebsgröße im Produzierenden Gewerbe der DDR ....................................................... 99

Tabelle C/ 12

Bevölkerung und Bevölkerungsdichte in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches .......................................................... 102

Tabelle C/ 13

Beschäftigung in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches ................................................................................................ 104

Tabelle C/14

Beschäftigung in den Regionen der früheren Bundesrepublik ............ 109

Tabelle C/15

Beschäftigung des Produzierenden Gewerbes in den Regionen der DDR .................................................................................................... 114

Tabelle D/1

Exportorientierung der Wirtschaftszweige in der Bundesrepublik 1954 bis 1986 ...................................................................................... 140

Verzeichnis der Abbildungen, Übersichten und Tabellen

9

Tabelle D/2

Exportorientierung der Wirtschaftszweige in den USA 1919 bis 1939..................................................................................................... 142

Tabelle D/3

Bedeutung der Lieferung von Vorleistungsgütern an ausgewählte Leitsektoren in der Bundesrepublik 1954 bis 1986 ............................. 145

Tabelle D/4

Bedeutung der Lieferung von Investitionsgütern an ausgewählte Leitsektoren in der Bundesrepublik 1962 bis 1986 ............................. 146

Tabelle D/5

Verteilung der Textilindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik................... 149

Tabelle D/6

Verteilung der Montanindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............. 151

Tabelle D/7

Verteilung des Maschinenbaus auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik................... 154

Tabelle D/8

Verteilung der Chemieindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............. 156

Tabelle D/9

Verteilung der Elektroindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............. 159

Tabelle D/10

Verteilung des Fahrzeugbaus auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik................... 161

Tabelle D/11

Verteilung der Kunststoffindustrie und des Büromaschinenbaus auf die Regionen der früheren Bundesrepublik ................................... 163

Tabelle D/12

Verteilung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches ............................................ 167

Tabelle D/13

Verteilung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren auf die Regionen der früheren Bundesrepublik ............................................................... 169

Tabelle D/14

Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches ............................................ 173

Tabelle D/15

Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen der früheren Bundesrepublik.. ............................................................. 176

Tabelle D/16

Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen derDDR .............................................................................................. l85

Tabelle D/17

Verteilung einzelner Leitsektoren auf die Regionen der DDR ............ l87

Tabelle E/1

Wachstumsbeiträge der Leitsektorentypen in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches .................................................. 201

Tabelle E/2

Wachstumsbeiträge der Leitsektorentypen in den Regionen der früheren Bundesrepublik ..................................................................... 204

Tabelle E/3

Konzentration einzelner Leitsektoren auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches .......................................................... 214

10

Verzeichnis der Abbildungen, Übersichten und Tabellen

Tabelle E/4

Konzentration einzelner Leitsektoren auf die Regionen der früheren Bundesrepublik ............................................................................. 216

Tabelle E/5

Varianzen der Anteilsverschiebungen einzelner Leitsektoren zwischen den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ............................................................... 222

Tabelle E/6

Wachstumsbeiträge und Anteile an der Beschäftigungsänderung von Leitsektoren unterschiedlicher Standortbindung in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik .................................................................................. 236

Tabelle E/7

Verteilung neuentstandener Leitsektoren auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik .................................................................................................. 248

A. Zielsetzung und Vorgehensweise Die Dimensionen "Sektor" und "Region" spielen in vielen wirtschaftshistorischen Analysen eine wichtige Rolle 1 • Im Mittelpunkt stehen dabei im Zusammenhang mit der Industrialisierung vor allem Fragen der Urbanisierung. Das heißt, bei der Betrachtung raumstruktureller Veränderungen innerhalb eines Landes geht es primär um die Analyse der Entwicklungsunterschiede zwischen Stadt (Zentrum) und Land (Peripherie)2 • Einen weiteren Schwerpunkt bilden in der Nachkriegszeit Fragen der räumlichen Strukturveränderungen innerhalb der Verdichtungsräume zwischen den Kernstädten und ihrem Umland3 • Die wirtschaftstheoretischen Erklärungsansätze insbesondere für den Verstädterungsprozeß zeigen ein relativ einheitliches Muster. Die Hauptursache für die räumliche Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten wird in der Möglichkeit der Realisierung sogenannter Zentralitäts- oder Agglomerationsvorteile gesehen4. Sie stellen quasi positive externe Effekte für die Wirtschaftssubjekte dar. Die bessere Erreichbarkeit aufgrund der wirtschaftsgeographischen Lage bzw. die räumliche Ballung verschiedener oder gleicher Produktionen senken beispielsweise die Transport- und Transaktionskosten einer arbeitsteiligen Wirtschaft und schaffen damit bessere Möglichkeiten der Ausnutzung von Skalenerträgen. Berücksichtigt man auf der anderen Seite Grenzen der räumlichen Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten beispielsweise in Form von negativen externen Effekten durch Umweltbelastungen oder Überauslastungen der Infrastruktur, lassen sich Vorstellungen zu einem optimalen Agglomerationsgrad entwickeln5 • In den achtziger Jahren gewann in vielen Ländern dagegen eine andere Form der Betrachtung raumstruktureller Veränderungen an Bedeutung: die großräumigen Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivitäten zwischen verschiedenen Landesteilen. Ausgangspunkt dieser Diskussionen waren ausgeprägte Entwicklungsdisparitäten zwischen den Landesteilen, die nicht unmittelbar auf Unterschiede

1

2 3

4

5

Vgl. z.B. den Überblick bei Fremdling!Pierenkemper/Tilly, S. 9-26. Vgl. Croon, S. 565- 575, Hampe/Koll, S. 39- 80. Vgl. z.B. Boustedt, S. 188 ff., Marx/Ruchty, S. 67 ff. Vgl. Christaller, S. 23 ff., Lösch, S. 47 ff. Vgl. Alonso, S. 50 ff.

12

A. Zielsetzung und Vorgehensweise

im Urbanisierungsprozeß zurückzuführen waren6 . Beispiele hierfür waren die Verlagerungsprozesse in den USA von der Ost- zur Westküste, in Großbritannien von Mittelengland in den Süd-Westen oder innerhalb der früheren Bundesrepublik das Süd-Nord-Gefalle. Im Zuge der Vereinigung haben in Deutschland darüber hinaus großräumige Disparitäten eine neue Dimension -jetzt im WestOst-Kontrast- erlange. Die theoretischen Erklärungsmuster genereller Zentralitäts- oder Agglomerationsvorteile sind für diese Form der großräumigen Entwicklungsdisparitäten nicht anwendbar. Die stärksten regionalen Wachstumsdifferenzen traten z.B. in der früheren Bundesrepublik zwischen den Großstädten bzw. den Verdichtungsräumen auf!. Es wurden daher eine ganze Reihe von Versuchen unternommen, die bisherigen theoretischen Ansätze weiterzuentwickeln, um auch die Phänomene großräumiger Verlagerungsprozesse einzufangen. Eine Vielzahl von Ansätzen richtet sich dabei auf die Differenzierung des Begriffs Agglomerationsvorteile. Ansatzpunkt ist hierbei die Überlegung, daß nicht der generelle Grad der räumlichen Ballung wirtschaftlicher Aktivität die Vorteilhaftigkeit einer Region beschreibt, sondern es auf die Art der jeweiligen Aktivitäten bzw. regionalen Ressourcen ankommt9 • Analysiert werden dabei beispielsweise Unterschiede zwischen den Regionen in der Humankapitalausstattung, im Innovationspotential oder in den Verflechtungsstrukturen. Im Zusammenhang mit der Bewertung einzelner regionaler Ressourcen werden dabei häufig auch Verbindungen zum gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandel gesehen10 • Ausgangspunkt hierfür ist die Vorstellung, daß die unterschiedlichen regionalen Ressourcen nicht von jedem Wirtschaftssektor gleichermaßen genutzt werden. Dies führt einerseits zu einer regionalen Konzentration bestimmter Sektoren. Es bedeutet andererseits aber auch, daß die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines bestimmten Mixes regionaler Ressourcen für die Region abhängig von den gesamtwirtschaftlichen Wachsturnspotentialen der Sektoren sein kann. Eindeutig ist dieser Zusammenhang, wenn beispielsweise eine bestimmte regionale Ressource nur von einem Sektor benötigt wird und nur in einer Region verfügbar ist. Im Zuge der Veränderung der Zusammensetzung der Sektoren im gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandel können sich dann auch Veränderungen der großräumigen Regionalstrukturen ergeben.

6 Vgl. dazu Hall/Hey, S. 27 ff., Friedrichs/Häußermann/Siebel, S. 2 - 8, Norton, S. 480 ff, Petzina (1986), S. 267 ff. 7 Vgl. z.B. Gornig/Häußermann, S. 155 ff., Lammers, S. 177 ff. 8 Siehe Strubelt, S. 822 f., Sinz/Hillesheim/Runge, S. 933 ff. , Bade (1987), S. 54 ff. 9 Vgl. z.B. Sinz, S. 1111 ff. und Moomaw, S. 150 ff. 10 Vgl. Lee, S. 254 ff., Marshall (1987), S. 107 ff., Ewers (1990), S. 338 ff., Wienert, S. 365 ff.

A. Zielsetzung und Vorgehensweise

13

Eine Zuspitzung fmden solche Überlegungen in der These, daß neue Wirtschaftssektoren bzw. neue Produktionsweisen immer auch neue, bislang wenig entwickelte Regionen für ihre Entwicklung suchen oder brauchen. Das heißt, daß ein Automatismus bzw. eine Zwangsläufigkeit regionaler Verschiebungen mit dem sektoralen Strukturwandel in der Gesamtwirtschaft vermutet wird 11 • Empirische Belege für oder gegen einen engen Zusammenhang zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel fehlen allerdings weitgehend. Lediglich für bestimmte, relativ kurze Zeiträume wurden bislang Einflüsse sektoraler Entwicklungen auf die Regionen in Deutschland getestet12 • Im langfristigen historischen Vergleich - und nur dieser kann eine Abfolge tiefgreifender sektoraler Strukturverschiebungen abbilden - fehlen solche Gegenüberstellungen. Darüber hinaus werden die theoretischen Wirkungsmechanismen, die die Verbindung zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel beschreiben, kaum konkretisiert. Die Aufgabe dieser Arbeit wird nun im wesentlichen darin gesehen, die möglichen Zusammenhänge zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel für Deutschland im historischen Prozeß näher zu betrachten. Dabei sollen zum einen die theoretischen Überlegungen zum Einfluß sektoraler Entwicklungen auf die großräumigen Regionalstrukturen systematisiert werden. Zum anderen soll ein quantitativer Ansatz zur Bestimmung eines möglichen Zusammenhanges zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel entwickelt werden. Grundlage für eine empirische wirtschaftshistorische Analyse der Verbindun- . gen zwischen gesamtwirtschaftlichem sektoralen Strukturwandel und Verschiebungen großräumiger Regionalstrukturen in Deutschland ist der Aufbau eines entsprechenden Datensatzes. In einem mehrstufigen Verfahren wurden hierzu die Einzelangaben der Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen bzw. der Berufstätigenerhebungen von 1895 bis 1987 edv-gerecht aufbereitet und nach einheitlichen sektoralen und regionalen Gliederungsschemata zusammengefaßt. Es werden durchgängig knapp 40 Wirtschaftssektoren im Unternehmensbereich unterschieden und das Gebiet der heutigen Bundesrepublik differenziert nach 5 Großregionen betrachtet. Die Darstellung des sektoralen und regionalen Strukturwandels in KapitelCerfolgt von 1895 bis 1939 für das Deutsche Reich in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik und von 1939 bis 1987 getrennt für die frühere Bundesrepublik und für die DDR. Im Kapitel D wird ein quantitativ überprüfbarer Ansatz zur Verbindung zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel vorgestellt. Die Kernthese dabei ist, daß nicht alle Sektoren unmittelbar Einfluß auf die Entwicklungsperspektiven der Großregionen nehmen, sondern die großräumigen Entwicklungs11 12

Siehe Hall (1985), S. 9 ff., auch Gschwind/Henkel. Vgl. z.B. Peschel, S. 125 ff., Jung, S. 859 ff. , Bade (1991), S. 26 ff.

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A. Zielsetzung und Vorgehensweise

disparitäten auf die Einflüsse bestimmter, als gesamtwirtschaftliche Leitsektoren bezeichnete Wirtschaftssektoren zurückgeführt werden können. Als theoretische Grundlage für diesen Ansatz werden die regionalen Entwicklungstheorien der Export-Basis, der Wachstumspole und der industrial districts ausgewertet. Ausgangspunkt der empirischen Analysen ist die Identifizierung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren. Die Zusammenhänge zwischen der Partizipation der Regionen an der Entwicklung dieser Leitsektoren und der Beschäftigungsentwicklung insgesamt in den Regionen werden für das Deutsche Reich und die frühere Bundesrepublik überprüft. Im Kapitel E wird der Frage nachgegangen, welche Ursachen für die unterschiedliche Teilhabe der Großregionen an der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren als Ganzes verantwortlich sein könnten. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die regionalen Entwicklungsbedingungen quasi eine konstante Größe darstellen und die Regionen damit lediglich eine passive Verteilerfunktion für das sektorale Wachstum bilden oder ob die Regionen auch aktiv Einfluß auf die Entwicklungsbedingungen nehmen und damit ihre Position in der regionalen Wachstumshierarchie mitbestimmen. Welche Schlußfolgerung daraus auf die Einschätzung der Grenzen und Spielräume der Regionalpolitik zur Beeinflussung großräumiger Regionalstrukturen möglich erscheinen, wird im Kapitel F angesprochen. Die sektoralen Entwicklungsbedingungen in der Gesamtwirtschaft bestimmen - so die These - auch wesentlich die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten. Für die Bewertung der Rolle der Regionen bei unterschiedlichen Partizipationen an der gesamträumlichen Entwicklung von Leitsektoren können sich somit enge Anknüpfungspunkte zum Verständnis des gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandels ergeben. Im Anschluß an diese einleitenden Bemerkungen werden daher zunächst Theorien und Thesen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene betrachtet, die sich mit den Beziehungen zwischen Veränderungen sektoraler Wirtschaftsstrukturen und gesamtwirtschaftlichem Wachstum befassen (Kapitel B).

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen Zur Beobachtung langer Wellen der Wirtschaftsentwicklung Ein wesentlicher Anstoß für die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion der Beziehungen zwischen Strukturwandel und Wachstum ging von der empirischen Beobachtung der historischen Entwicklungsprozesse aus. Die Analyse langer Reihen der wirtschaftlichen Entwicklung im Industriezeitalter zeigte, daß in fast allen Ländern das gesamtwirtschaftliche Wachsturn im Zeitablauf langfristig eher unstetig war. und erheblichen Schwankungen unterlag1 • Ähnlich wie bei kurzfristigen Schwankungen (Kitchenzyklen, Juglarzyklen) führten verschiedene statistische Analysen zu der Vermutung, daß die langfristige Wirtschaftsentwicklung ebenfalls durch zyklische Änderungen gekennzeichnet sei. Unterschieden werden bei solchen langfristigen Zyklen sogenannte: - Kuznets-Zyklen mit einer Dauer von etwa 18-22 Jahren und - Kondratieff-Zyklen mit einer Dauer von 45 - 60 Jahren.

Vor allem die langen Wellen realer Wirtschaftsentwicklung, die von Kondratieff ursprünglich bei langen Reihen von Preisindizes beobachtet wurden, haben bis in die heutige Zeit die wissenschaftliche Diskussion um langfristige Wachstumsabläufe beeinflußt. Dies auch deshalb, weil diese mit der Annahme sich abwechselnder 20- bis 30jähriger Perioden starker wirtschaftlicher Prosperität mit ähnlich langen Depressions- und Stagnationsphasen als Zyklen höchster Ordnung angesehen werden, die alle anderen kürzeren Zyklen prägen. Entsprechend fehlt es nicht an Versuchen, bis in die Gegenwart hinein solche langen Wellen bei der Entwicklung des realen Sozialprodukts für die verschiedenen Industrieländer nachzuweisen. Die Ergebnisse einer zusammenfassenden statistischen Analyse von Glismann, Rodemer und Wolter sind in der folgenden Abbildung B/ 1 wiedergegeben. Betrachtet man die Abweichungen der mit 9-Jahresdurchschnitten geglätteten Sozialproduktsreihen vom langfristigen Trend, sind in allen großen westlichen Industriestaaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA) Wellenmuster

1 2

Vgl. die Übersichten z.B. bei Holtfrerich (1980), S. 427 ff. und Duijn, S. 6 ff. Glismann/Rodemer/Wolter (1980), S. 22.

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

16

Deutschland 20 1

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Frankreich 20 1

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Abbildung B/1 Lange Wellen der gesamtwirtschafllichen Produktion im internationalen V ergleiclfl a) Abweichungen gleitender 9-Iahresdurchschnitte in vH der Trendwerte,- ohne Kriegsjahre. Quelle: Zusammenstellung nach Glismann/ Rodemer/ Wolter (1980).

'

I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen

17

der wirtschaftlichen Entwicklung erkennbar. Selbst in sozialistischen Ländern wie der UdSSR werden solche Entwicklungsmuster vermutet. Die einzelnen Entwicklungsverläufe weichen hinsichtlich Schwankungsbreite und der Datierung der positiven und negativen Extremwerte teilweise erheblich voneinander ab. Insgesamt ergeben sich aber ähnliche Phaseneinteilungen wie bei Schumpeter, der die realen Zyklen nach Kondratieff benannte. In Fortsetzung der Einteilung von Schumpeter kann man vier Zyklen unterscheiden3 : - I. Zyklus (Industrieller Kondratieft) von etwa 1790 bis 1845 - 2. Zyklus (Bürgerlicher Kondratieff) von etwa 1845 bis 1895 - 3. Zyklus (Neomerkantilistischer Kondratieff) von etwa 1895 bis 1940 - 4. Zyklus (Neoklassischer Kondratieff) von etwa 1940 bis in die Gegenwart.

Unstrittig ist die Beobachtung langer Wellen der realen Wirtschaftsentwicklung, allerdings nicht4 .Erhebliche Kritik wird insbesondere an den statistischen Verfahren zu ihrer Identifizierung geäußert. Letztlich kann man die Kritik sogar soweit verstehen, daß die langen Wellen nicht Ausdruck realer Zyklen der Wirtschaftsentwicklung sind, sondern lediglich Ergebnis der verwendeten statistischen Methoden. Vor allem drei Aspekte werden genannt, die zu einer künstlichen Erzeugung des Musters der langen Wellen beitragen: - die Inflationsbereinigung durch Preisdeflatoren - die Verwendung gleitender Durchschnitte (Slutzky-Effekt) - die Anwendung von Verfahren zur Trendbereinigung.

Ohne an dieser Stelle im einzelnen auf das Für und Wider der einzelnen Verfahren und Methoden einzugehen5 , bleibt festzuhalten, daß das Bild von der Gleich- oder Ungleichförmigkeit sowie des stark zyklischen oder eher uneinheitlichen Charakters historischer Entwicklungsmuster wesentlich von der Auswahl der Indikatoren und der statistischen Verfahren beeinflußt wird. Eine Abbildung des statistisch unverfälschten tatsächlichen Wirtschaftsgeschehens ist aber für historische Zeiträume kaum möglich6 • Einerseits beruhen die Ursprungswerte der meisten langen Zeitreihen selbst in Teilen auf Schätzergebnissen. Andererseits müssen gerade zur Darstellung realer Entwicklungsverläufe reine Preiseffekte ausgeschaltet werden. Dennoch scheint es hilfreich, zumindest für den hier im Vordergrund stehenden Zeitabschnitt ein durch weniger "statistische Bereinigungen" beeinflußtes Bild der Wirtschaftsentwicklung in

Glisrruuzn!Rodemer!Wolter (1980), S. 15. Siehe zur Kritik Jöhr, z.B. S. 109 f., Weinstock, insbesondere S. 87 ff. 5 Vgl. hierzu u.a. Bieshaar/Kleinknecht, S. 185 - 193, Gebauer, S. 239, Reijnders, s. 327 ff. 6 Siehe zur Erstellung langer Reihen der Wirtschaftsentwicklung Hoffrruznn/Müller, hier S. 3 ff., auch Wagenjiihr. 3

4

2 Gornie

18

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

Deutschland zu zeigen, als dies in den einschlägigen Veröffentlichungen zu den langen Wellen geschieht. Als Datengrundlage hierfür werden Indizes der industriellen Produktion herangezogen7 • Die Zusammenstellung und Verkettung dieser Produktionsindizes ist für das Deutsche Reich bzw. für die frühere Bundesrepublik Deutschland und die DDR in den jeweiligen Grenzen für den Zeitraum 1890 bis 1989 vorgenommen worden. Verzichtet man auf die Glättung konjunktureller Schwankungen und Trendbereinigungen, erhält man ein relativ nah an den Originalwerten orientierten Eindruck der wirtschaftlichen Entwicklung (Tabelle B/1). In den Schaubildern der Abbildung B/2 sind die Indizes der industriellen Gesamtproduktion abgetragen. Rechnet man zusätzlich die Indizes in jährliche Wachstumsraten um, erhält man die Schaubilder in Abbildung B/3. Die Schaubilder vermitteln insgesamt den Eindruck einer unstetigen wirtschaftlichen Entwicklung im Deutschen Reich und der Bundsrepublik Deutschland bei der sich Phasen der Prosperität mit im Durchschnitt hohen Wachstumsraten abwechseln mit Perioden anhaltender Stagnation und Schrumpfung. Die beiden Phasen der Prosperität in den Zeiträumen etwa 1895 bis 1910 und etwa 1950 bis 1970 lassen sich dabei zeitlich relativ gut in die Aufschwungsphasen des 3. und 4. Kondratieffzyklus einbinden. Auch der kurze, aber kräfitge Abschwung zu Beginn der dreißiger Jahre paßt in das Phasenmuster der langen Wellen. Eine klare wellenförmige Entwicklung des Auf und Ab ist aber nicht erkennbar. Die Entwicklungen im betrachteten Zeitraum ließen sich daher ohne weiteres auch isoliert als eine Abfolge von unterschiedlich langen Wachstumsschüben, auf die Entwicklungsbrüche folgen, interpretieren. Als besondere Entwicklungsbrüche stellen sich dabei für Deutschland die beiden Weltkriege dar, als herausragende Wachstumsperiode die Wiederaufbauphase nach dem 2. Weltkrieg. Auch die Entwicklung des Produktionsindexes in der DDR weist auf eine besondere Wachstumsdynamik in der Nachkriegszeit und eine Wachstumsabschwächung in den achtziger Jahren hin. Im Vergleich zu Westdeutschland bleibt allerdings nach den offiziellen Angaben die industrielle Entwicklung durch einen dauerhaften Aufwärtstrend bestimmt. Zur Frage allerdings, ob es empirisch nachweisbar lange Wellen der realen Wirtschaftsentwicklung gibt oder nicht, können die hier vorgenommenen zeitlich und allein auf Deutschland begrenzten Auswertungen keinen Beitrag leisten. Sie sollen vielmehr auch als Rahmen für die weiteren sektoralen und regionalen Analysen einen Eindruck von der gesamtwirtschaftlichen Entwick7 Quellen: Hoffmann (1965), S. 390 ff., StaBuA (1957), S. 46, StaBuA (1972), S. 177, StaBuA (1991), S. 107 ff., StJB der Bundesrepublik (1953), S. 259 und 527, StJb der DDR (1981), S. 120 f., (1990), S. 160.

I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen

19

Tabelle BI/ Indizes der industriellen Gesamtproduktion fnr das Deutsche Reich, die frühere Bundesrepublik und die DDR Deutsches Reich'' Jahr

I

1885 1886 1887 1888 1889 1890 1891 1892 1893 1894 1895 1896 1897 1898

Jahr

1938 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967

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Jahr

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Bundesrepublik

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1980 = 100

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Jahr

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Index

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Index

101 100 101 89 73 59 66 83 96 107 117 125

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a) In den jeweiligen Gm!zen. Sta BuA (1957); Sta BuA (1974); Statistische Jahrbücher fllr die Bundesrepublik 1953und 1991; StatistischeJahrbücherder DDR 1981 und 1990; Eigene Berechnungen.

Quellen: Hoffmann (1965);

20

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum Deutsc:ba Reic:b 30

25

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Abbildung B/2 Veränderungsraten der industriellen Produktion in Deutschland 1895 bis 1989 in vw> a) Auf der Basis des Indexes der industriellen Gesamtproduktion

1990

21

I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen Deutsches Reich 1928=100 140 120 100 80 60

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Abbildung B/3 Index der industriellen Produktion in Deutschland 1895 bis 1939•> a) Index der industriellen Gesamtproduktion

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

22

lung in Deutschland in dem hier betrachteten Zeitraum geben. Bedeutender als der Nachweis oder die Falsifizierung in der Empirie ist für die Analysen dieser Arbeit die Frage, ob aus den Erklärungsansätzen für langfristige gesamtwirtschaftliche Wachstumszyklen, -schübe oder -brüche Hinweise für Verbindungen zum sektoralen und regionalen Strukturwandel gewonnen werden können. Oder anders ausgedrück, sind Veränderungen der Sektorstrukturen und ggf. auch der Regionalstrukturen eine wesentliche charakteristische Begleiterscheinung oder sogar Bedingung oder Auslöser für gesamtwirtschaftliche Wachstumsschwankungen.

Zur Abgrenzung der betrachteten Erklärungsansätze

Die Erklärung der Wirtschaftsentwicklung und deren Unstetigkeit ist vor allem Gegenstand der makroökonomischen Wachstumstheorie8 . Auf eine Analyse der verschiedenen Wachstumstheorien wurde hier allerdings verzichtet, da sie in der Regel keine unmittelbaren Anknüpfungspunkte zum sektoralen Strukturwandel besitzen9 • Dies gilt auch für Mehr-Sektoren-Modelle, die zumeist nur zwischen dem Investitionsgüter- und Konsumgüterbereich differenzieren. Zudem stehen bei den meisten Ansätzen generelle Fragen der Bedingungen für die Erreichung gleichgewichtiger Modellösungen im Vordergrund 10 • Weitgehend ausgeblendet bleibt auch die Betrachtung neuerer makroökonomischer Erklärungsansätze, die unter den Stichwörtern "Neue Wachstumstheorie" 11 oder "Neue Außenhandelstheorie" 12 in den letzten Jahren diskutiert werden. Diese Ansätze gehen zwar stärker als die neoklassischen und postkeynesianischen Modelle auf die konkreten Wachstumsbedingungen und strukturellen Wachstumsprozesse ein. Die Rolle des wirtschaftlichen Strukturwandels selbst wird jedoch in solchen Ansätzen13 nur rudimentär berücksichtigt. Als tlieoretischer Ausgangspunkt für die Betrachtung des sektoralen Strukturwandels in Verbindung mit starken langfristigen Wachstumsänderungen wenig geeignet erscheint auch das System des allgemeinen und interdependenten Gleichgewichts im Sinne von Walras. In Globalanalysen walrasianischer Prägung werden die simultanen Anpassungsreaktionen der einzelnen Märkte bei Veränderung bestimmter Ausgangsgrößen (z.B. der Nachfrage) betrachtet. Die Aussage dieser Analyse liegt - vereinfacht gesagt - darin, daß unter bestimmten Voraussetzungen ausgehend von einem Marktgleichgewicht sich nach der VerSiehe Helmstädter (1980), S. 475 ff., Kromphardt (1980), S. 512 ff. Vgl. Helmstädter (1981), S. 477. 10 Vgl. Vosgerau (1980), S. 507 ff. 11 Vgl. Romer, S. 1002 ff., Shaw, S. 611 ff. 12 Vgl. Spencer/Brander, S. 707 ff., Baldwin, S. 804- 829. 13 Vgl. z.B. Neumann, S. 11 ff.

8 9

I. Ausgangspunkt: Langfristige Wachstumsschwankungen

23

änderung einer Ausgangsgröße alle Einzelmärkte wiederum im Gleichgewicht befinden. Wesentliche Voraussetzungen eines solchen Anpassungsprozesses sind: - flexible Güter- und Faktorpreise - flexible Güter- und Faktormengen - vollständige Informationen über Preise und Mengen - und atomistischer Wettbewerb.

Die praktische Verwertbarkeit des Modells des dynamischen Gleichgewichts für die Erklärung realer Prozesse ist jedoch begrenzt. In der Realität hat man es nicht mit vollständig flexiblen Preisen und Mengen, vollkommen informierten Wirtschaftssubjekten und einem reinen atomistischen Wettbewerb zu tun. Die Anwendbarkeit beschränkt sich daher auf das generelle Verständnis marktwirtschaftlicher Anpassungsprozesse an veränderte Rahmenbedingungen, bei denen eine gewisse Flexibilität von Preisen und Mengen, ein bestimmter Umfang von Informationsverarbeitungskapazitäten und ein gewisser Grad an Wettbewerb ausreicht, die notwendigen Umstrukturierungen zu erkennen, umzusetzen und zu steuern. In diesem Sinne kann das allgemeine und interdependente Gleichgewichtsmodell vor allem ein Konzept für den "alltäglichen" Strukturwandel sein, bei dem es um die in ähnlichen Bahnen verlaufende Anpassung an vergleichsweise geringe Änderungen bestimmter Marktdaten geht14 • Im wirtschaftshistorischen Kontext dürfte es gerade aber nicht um kleinere Veränderungen der Marktdaten gehen. Vielmehr werden große und einschneidende Verschiebungen der generellen Entwicklungsbedingungen auf der Nachfrage- und Angebotsseite betrachtet werden müssen, um Verbindungen zu kräftigen langfristigen Schwankungen des gesamtwirtschaftlichen Wachstums herzustellen. Schon allein deshalb ist hier eine Loslösung vom walrasianischen Gleichgewichtsmodell und seinen Annahmen notwendig. Wie weit diese gehen muß, wird allerdings unterschiedlich gesehen. In einigen Fällen wird lediglich die Aufgabe der Annahmen zur Flexibilität der Produktionsfaktoren oder Preise als entscheidend angesehen15 • In anderen Fällen fmdet dagegen im Sinne eines Innovationswettbewerbs eine weitgehende Lösung vom Gleichgewichtsmodell insgesamt statt16 • Den Erklärungsansätzen des Strukturwandels, die sich vom walrasianischen Gleichgewichtsmodell lösen, lassen sich eine Vielzahl von Arbeiten zuordnen. In der Literatur werden die älteren Ansätze unter den Begriffen Stufen-, Sektor-

14

Vgl. Helmstädter, z.B. S. 8.

Siehe Flassbeck/Horn/Zwiener, insbesondere S. 63 ff., ähnlich auch Schmidt u.a., z.B. S. 140 f. 16 Siehe Nelson/Winter, z.B. S. 162. 15

24

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

und Zyklentheorien des Strukturwandels aufgeführt17 • Eingeschlossen sind dabei auch sogenannte Entwicklungstheorien, die als Vorläufer der makroökonomischen Wachstumstheorie gelten18 • Im Vordergrund der Stufen- bzw. Sektortheorien steht die Beschreibung einer Abfolge von wirtschaftlichen Entwicklungsphasen, die in einem Endstadium münden. In diesem Sinne wird eine Einmaligkeit der wirtschaftlichen Entwicklungsprozesse und auch die Bedeutung exogener Entwicklungsfaktoren betont. Unter Berücksichtigung von Weiterentwicklungen und verwandten Ansätzen, die sich auch nur auf einzelne Entwicklungphasen beziehen, werden die Stufenbzw. Sektortheorien im folgenden Abschnitt B/11 behandelt. Der Abschnitt B/III befaßt sich dagegen mit Erklärungsansätzen, die die Veränderung von Wirtschaftsstruktur und Wirtschaftswachstum auf wiederkehrende, weitgehend endogene Entwicklungsfaktoren zurückführen. Diese Zyklentheorien beziehen sich dementsprechend auch am stärksten auf die langen Wellen der realen Wirtschaftsentwicklung. Bei der Analyse der Erklärungsansätze geht es entsprechend der sektoralen und regi~nalen Fragestellung dieser Arbeit nicht darum, die einzelnen Theorien hinsichtlich ihres Beitrages zur Erklärung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums kritisch zu bewerten. Vielmehr wird der Versuch unternommen, die grundsätzlichen Wirkungsmechanismen kurz zu beschreiben und auf dieser Basis die Aussagen zur möglichen Verbindung von sektoralem Wandel und Wachstum abzuleiten sowie Hinweise auf Wachstumsfaktoren zu gewinnen, die auch für die Erklärung regionaler Wachstumsprozesse genutzt werden könnten.

II. Stufen- bzw. Sektortheorien 1. Stadienmodelle der Industrialisierung

Der Grundgedanke der Überlegungen zu Entwicklungsstadien der Industrialisierung läßt sich vor allem durch die These beschreiben, daß einzelne Entwicklungsphasen in einer bestimmten Abfolge stehen, bei der die Erreichung einer vorherigen Entwicklungsphase Voraussetzung für den Beginn der darauf folgen~ den ist. Von der Zielsetzung her ähneln solche Ansätze den Versuchen beispielsweise auch von K. Marx universell gültige Entwicklungsgesetze des Wirtschaftsprozesses abzuleiten19 •

Vgl.. z.B. Kern, S. 491 ff. Siehe Helmstädter (1980), S. 480 f. 19 Siehe Fischer (1972), S. 464. 17

18

II. Stufen- bzw. Sektortheorien

25

Entwicklungsstufen nach W. W. Rostow Eine Entwicklungstheorie neueren Datums ist diejenige von W. W. Rostow. Er stellt eine Abfolge von Stadien oder Stufen wirtschaftlicher Entwicklung von der vorindustriellen Gesellschaft bis zum Ende der 50er Jahre dieses Jahrhunderts vor0 • Als prägende Elemente für Wirtschaftsstrukturen und Wirtschaftswachstum werden die verfügbare Produktionstechnologie, das generelle Nachfragepotential und die gesellschaftlichen Bedingungen für ökonomisches Handeln genannt. Im einzelnen werden fünf Stadien unterschieden: l. Traditionelle Gesellschaft: Ausgangspunkt ist die vorindustrielle Gesellschaft. Die vorhandenen Technologien erlauben nur geringe wirtschaftliche Produktivitäten. Die Wirtschaft ist durch landwirtschaftliche und handwerkliche Produktionen gekennzeichnet. Die Gesellschaftsordnung wird als stabil und statisch beschrieben. Wachstumspotentiale sind kaum vorhanden. 2. Gesellschaft im Übergang: Die gesellschaftlichen Wertvorstellungen ändern sich. Technischer Fortschritt und Ausweitung des Handels werden vermehrt als Instrumente zur Wohlstandsverbesserung akzeptiert. Es entstehen neue Produktionsmethoden vor allem in Unternehmen des Rohstoff- und Transportbereichs. Der Außenhandel wird intensiviert. Die Wachstumsspielräume bleiben aber insgesamt noch gering. 3. Wirtschaftlicher Aufstieg: Die neuen Produktionsmethoden und -techniken breiten sich vor allem auf Investitionsgüterindustrien aus. Arbeitskräftenachfrage und Produktivität der industriellen Kernbereiche steigen stark an. Die Güternachfrage nimmt stark zu und damit steigen auch die Wachstumspotentiale. 4. Entwicklung zur Reife: Die Diffusionsgeschwindigkeit des neuen Produktionsparadigmas der Industrialisierung steigt weiter an. Stück für Stück breitet es sich auf alle Bereiche wirtschaftlicher Aktivität aus. Die Außenhandelsbeziehungen werden tendenziell intensiver und komplexer. Ein lang anhaltendes, aber flukturierendes Wachsturn setzt ein. 5. Zeitalter des Massenkonsums: Die mit der Durchsetzung der Industrialisierung verbundenen Einkommenszuwächse lassen die Konsumgüter- und Dienstleistungsnachfrage breiter Bevölkerungsschichten anwachsen. Die "industriellen Technologien" halten Einzug in den Privathaushalten. Der Staat entwickelt zunehmend Instrumente zur sozialen Wohlfahrt und Sicherheit. Das Wachstumstempo ist sehr hoch.

Diese Stadien werden als ein generelles globales Entwicklungsmuster angesehen. Einbezogen werden daher auch kommunistische Staaten wie die UdSSR, für die von einer ähnlichen Abfolge von Entwicklungsphasen ausgegangen wird. Allerdings befmden sich zu einem Zeitpunkt nicht alle Länder bzw. Staaten im gleichen Entwicklungsstadium. Für das Ende der 50er Jahre wurde davon ausgegangen, daß das Endstadium des "Massenkonsums" vor allem in den westlichen Industrieländern erreicht worden sei.

20

Siehe Rostow, S. 18 ff.

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

26

Bei seinen Analysen hebt Rostow die sektoralen Strukturveränderungen im Wachstwnsprozeß hervor•. Der Wachstwnsprozeß wird als eine Sequenz sich abwechselnder Führungssektoren dargestellt. Als Führungssektoren werden dabei solche angesehen, die sich durch besonders prägende technologische Produktionsmethoden auszeichnen. Durch ihr technologisches und nachfrageseitige Potential bestimmen sie auch die gesamtwirtschaftlichen Wachstwnsmöglichkeiten. Entsprechend lassen sich den unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Industrialisierung auch jeweils dominierende Produktionssektoren zurechnen22 • 1. Traditionelle Gesellschaft: Landwirtschaft

2. Gesellschaft im Übergang: Rohstoff- und Transportsektor 3. Wirtschaftlicher Aufstieg: Energie-, Stahl-, Chemie- und Maschinenbausektor 4. Entwicklung zur Reife: Verschiedene Investitionsgüterindustrien 5. Zeitalter des Massenkonsums: Dauerhafte Konsumgüter.

Stadien und Typen nach WG. Hoffmann

Im Stadienmodell der Industrialisierung von W. G. Hoffmann werden die sektoralen Strukturveränderungen selbst als Abgrenzungskriterien der unterschiedlichen Phasen der Wirtschaftsentwicklung verwendet23 . Er unterscheidet anhand der Beschäftigtenanteile zwischen Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrien vier Stadien: 1. Zu Beginn der Industrialisierung dominieren Konsumgüterindustrien. 2. In einer zweiten Phase wachsen im Zuge der zunehmenden Mechanisierung der Produktion die Investitionsgüterindustrien stark an.

3. Darauffolgend erreichen sie eine ähnliche Bedeutung wie der Konsumgüterbereich. 4. Im Endstadium gewinnt der Bereich der Erhaltung und Ausweitung des Kapitalstocks die Oberhand und wird zur fuhrenden Industrie.

Wie später auch Rostow unterstellte er, daß im lndustrialisierungsprozeß alle Volkswirtschaften diese Stadien durchlaufen müßten. Daher kann die sektorale Wirtschaftsstruktur auch als Ausdruck für den Entwicklungsstand der verschiedenen Staaten angesehen werden24 • Als Erklärung für die unterschiedlichen Gewichte der beiden Industriebereiche im Entwicklungsprozeß wird insbesondere die Zunahme der Kapitalintensität

21 22 23 24

Siehe Rostow, insbesondere S. 70 ff. Vgl. auch Meier, S. 10 f. Siehe Hoffmann (1931), S. 19 ff. Siehe Hoffmann (1931), S. 95 ff.

II. Stufen- bzw. Sektortheorien

27

herangezogen. Kapitalgebundener technischer Fortschritt in Verbindung mit zunehmenden Betriebsgrößen aufgrund von Nachfragesteigerungen führen mit zunehmendem Stadium der Industrialisierung zu einem höheren Bedarf an Investitionsgütern. Der seietorale Strukturwandel wird damit weitgehend als Folge des Wirtschaftswachstums bzw. der Kapitalakkumulation gesehen. Weiterführende Analysen konzentrieren sich vor allem auf eine weitere Differenzierung der Wirtschaftszweigstrukturen innerhalb der beiden Bereiche "Investitionen" und "Konsum". So wird über den Industriebereich hinaus zwischen Kapitalgütern und Infrastrukturgütern unterschieden25 oder die besonders prägenden einzelnen Industrien innerhalb der Investitionsgüter- und Konsumgüterproduktion im Zeitablauf herausgearbeitd6 •

Thesen zur 2. industriellen Revolution Die Thesen zu einer zweiten industriellen Revolution befassen sich weniger mit dem historischen Industrialisierungsprozeß, sondern beziehen sich auf den aktuellen Umstrukturierungsprozeß der Industrie. Ausgangspunkt solcher Überlegungen ist die Einschätzung, daß -unabhängig von konkreten einzelnen Entwicklungsphasen- der Industrialisierungsprozeß bis in die 70er Jahre dieses Jahrhunderts hinein geprägt war durch den gleichen Typ von Technik und Nachfrage und vor allem der gleichen Produktionsorganisation bzw. -methode27• Diese Organisationsform ist wesentlich verbunden mit den Begriffen: - Taylorismus - Fordismus.

Die entscheidende Quelle für Produktivitätssteigerungen, Strukturwandel und Wachstum liegt bei diesen Produktionskonzepten in der Intensivierung der Arbeitsteilung, der Mechanisierung der Arbeitsvorgänge und der Nutzung von Betriebsgrößenvorteilen. Dabei waren diese Produktionskonzepte eingebettet bzw. bedingt durch dazu passende Technologien und Nachfrageentwicklung bei Infrastruktur-, Investitions- und Konsumgütern. Dieses Produktionsparadigma - so wird angenommen - hat ausgedienf8• Die Veränderung der Entwicklungsbedingungen einerseits durch eine starke Differenzierung der Nachfragestrukturen und andererseits durch die grundlegende Änderung der Produktionsmöglichkeiten im Zuge der Mikroelektronik erfordert eine neue Form der Organisation von Produktionsprozessen. Dabei wird davon

25 26 27

28

Siehe Grumbach/Greve, S. 38 ff. Siehe Chenery/Taylor, S. 405 ff. Siehe Hirsch, S. 325 ff., vgl. auch Braverman. Siehe Läppte (1986), S. 912 ff., Kern/Schumann, z.B. S. 15 ff. sowie Piore/Sabel.

28

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

ausgegangen, daß sich dieses neue Produktionsparadigma generell durch eine Flexibilisierung des Produktionsapparates auszeichnet. Zwei wesentliche Merkmale sind - die zunehmende Vielseitigkeit der Verwendung des Maschinenparks - und die stärkere Integration von Arbeitsschritten.

Dies bedeutet dann neue Kapitalverwertungsstrategien der Unternehmen verbunden mit einer radikalen Veränderung industrieller Strukturen. Die Veränderung der industriellen Strukturen wird dabei allerdings weniger als ein Prozeß der Verlagerung zwischen Wirtschaftssektoren gesehen. Vielmehr wird betont, daß es zu einer Umstrukturierung innerhalb der Sektoren kommt und die Erschließung neuer industrieller Wachstumsfelder beispielsweise sowohl für konsum- als auch für investitionsnahe Bereiche möglich wird.

2. Drei-Sektoren-Hypothese Während sich die bisher behandelten Stufen- bzw. Sektortheorien im wesentlichen auf den lndustrialisierungsprozeß beschränken, gehen die Überlegungen zur Drei-Sektoren-Hypothese29 darüber hinaus und formulieren ein Stadium der "Postindustriellen Gesellschaft" . Anders als bei den Ansätzen von Rostow oder Hoffmann handelt es sich also nicht allein um eine rückblendende Einteilung der Wirtschaftsentwicklung in eine bestimmte Phasenfolge, sondern grundsätzlich um einen prognostischen Ansatz. Von daher wird auch stärker als dort auf Mechanismen eingegangen, die den Übergang in die nächste Entwicklungsstufe und damit den sektoralen Wandel steuern sollen. Diese Mechanismen beruhen vor allem auf für die Sektoren unterschiedlich gesetzten Annahmen zur Produktivitätsentwicklung und zur Einkommenselastizität Daraus läßt sich eine Abfolge von Entwicklungsphasen mit unterschiedlich dominierenden Sektoren ableiten30 • Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen den drei Makrosektoren Landwirtschaft (Primärsektor), Industrie (Sekundärsektor) und Dienstleistungen (Tertiärsektor). Jeder dieser Sektoren prägt dabei eine Phase der Wirtschaftsentwicklung. 1. In der ersten Phase wird die Wirtschaftsstruktur durch den Primärsektor bestimmt. Die geringen Produktivitätsspielräume im Agrarsektor beschränken die Expansionsmöglichkeiten. Andere Sektoren wie das Handwerk und Dienstleistungen besitzen bei dem geringen Einkommensniveau wenig Bedeutung. 2. In der zweiten Phase steigt im Zuge der Anwendung industrieller Produktionsmethoden die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes stark an. Mit der zunehmen-

29

30

Siehe dazu Fischer (1939), Fourastie, Clark. Vgl. Fourastie, S. 79 ff.

Il. Stufen- bzw. Sektortheorien

29

den Nutzung der Produktivitätspotentiale der Industrialisierung wachsen auch die Einkommen an. Aufgrund der geringen Einkommenselastizität landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Technisierung der Landwirtschaft geht die Bedeutung dieses Sektors stark zurück. Im Sekundärsektor reichen dagegen die hohen Nachfragezuwächs~ aus, trotzstark steigender Arbeitsproduktivität sowohl bei Wertschöpfung als auch Beschäftigung zum dominierenden Wirtschaftsbereich zu werden. 3. In der der Industrialisierung folgenden Phase nimmt die Bedeutung des Sekundärsektors wieder deutlich ab. Verantwortlich hierfür ist eine rückläufige Entwicklung bei der Einkommenselastizität bei gleichzeitig weiterhin hohen Produktivitätszuwächsen. Der Primärsektor ist auf eine fast unbedeutende Rolle geschrumpft. Wachstumspotentiale für die Wirtschaft sowohl bei Produktion als auch Beschäftigung ergeben sich dann nur noch im Dienstleistungsbereich. Dieser besitzt als einziger eine dauerhaft über 1 liegende Einkommenelastizität und ist durch vergleichsweise geringe Produktivitätsspielräume gekennzeichnet.

Die weiteren Analysen zur Drei-Sektoren-Hypothese setzten vor allem bei einer Differenzierung der Makrosektoren an, da hinsichtlich der beiden wesentlichen Einflußfaktoren Produktivität und Einkommenselastizität zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen der Makrosektoren erhebliche Unterschiede festgestellt werden konnten31 • Ein wesentliches Ergebnis dieser Analysen war, daß die expansive Entwicklung der Dienstleistungen seit 1970 sich in den meisten Industrieländern nur auf einige Teilbereiche bezog. Diese Entwicklungsphase also nicht durch eine generelle Tertiärisierung, sondern vor allem durch eine Zunahme von Informationsdienstleistungen im allgemeinen und speziell von produktionsorientierten Dienstleistungen geprägt war2 • Damit konnten gerade Funktionsbereiche als Wachstumsträger im Dienstleistungsbereich identifiziert werden, die eng mit dem industriellen Sektor verflochten sind bzw. als Funktionsbereiche selbst in der Industrie angesiedelt sind. Die Hypothese von der "Deindustrialisierung" bzw. der "Postindustriellen Gesellschaft" hat nach 1970 starke Aufmerksamkeit auch in der Wachstumsdiskussion gefunden. Dabei wurde auf die Bedeutung exogener Impulse zur Begründung weiterhin hohen Produktionswachstums bei abnehmender durchschnittlicher Produktivitätsentwicklung verwiesen33 • Darüber hinaus wurde versucht, die Auswirkungen der Produktivitätsannahme in Verbindung mit Preiselastizitäten auf die Entwicklung der Nachfrage ergänzend zur Einkommenselastizität zu berücksichtigen34 • In diesem Zusammenhang ergeben sich Anknüpfungspunkte auch zum multisektoralen Wachstumsmodell von Pasinetti. Er geht ebenfalls von sektoral unter31 32

33 34

Vgl. z.B. Zumpfort, S. 76 ff. Siehe Dostal, S. 498 - 500, Bade (1987), S. 35 und S. 212. Siehe Stille u.a., S. 119. Siehe z.B. Scharpf, insbesondere S. 17 ff.

30

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

schiedlichen Produktivitätssteigerungen und einer mit Einkommenssteigerungen verbundenen Änderung der Nachfragestruktur aus. Damit verbunden ist ein permanenter sektoraler Strukturwandel, der aufgrund der Unplanbarkeit der benötigten Güterstruktur in der Regel zu Ungleichgewichten von Angebot und Nachfrage führt. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum würde daher angetrieben durch den technologischen Prozeß auch längerfristig in Schüben verlaufen35 •

3. Spezifische Entwicklungsphasen Neben Erklärungsansätzen des sektoralen Strukturwandels, die eingebunden sind in sehr langfristige wirtschaftliche Entwicklungsprozesse, gibt es auch solche, die sich lediglich auf einzelne relativ kurze Zeiträume beziehen. An dieser Stelle kann über dieses breite Feld einzelner Ansätze sicherlich nicht ein umfassender Überblick gegeben werden. Dennoch soll der Versuch unternommen werden, zumindest einige Argumente und Thesen anzusprechen, die sich auf die Bedeutung von Kriegsfolgen und von Veränderungen der Außenhandelsbedingungen für den sektoralen Strukturwandel in Deutschland beziehen.

Bedeutung von Kriegsfolgen Als Einschnitte in den wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß in Deutschland in den letzten Hundert Jahren treten vor allem die beiden Weltkriege hervor. Für die jeweiligen Nachkriegsphasen wird daher häufig die Ausprägung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums und des sektoralen Strukturwandels wesentlich als Folge der Kriege angesehen. Für die Veränderung von Struktur und Wachstum in der Weimarer Republik bis zur Weltwirtschaftskrise werden insbesondere Auswirkungen genanntl6 , die im Zusammenhang stehen mit - dem Verlust wichtiger Rohstofflager durch Gebietsabtretungen, - dem Entzug von Patentrechten bei wichtigen technologischen Entwicklungen und - dem Kaufkraftabfluß durch die umfangreichen Reparationsleistungen.

Daraus wird eine insgesamt schwache Wirtschaftsdynamik abgeleitet. Betroffen ist insbesondere die Konsumgüterproduktion, während die Rohstoffproduktion intensiviert werden mußte.

35 36

Siehe Pasinetti, z.B. S. 235. Siehe z.B. Hirsch (1928), S. 188 ff., auch Stolper.

II. Stufen- bzw. Sektortheorien

31

In starkem Maße werden Auswirlamgen der Kriegsfolgen auf die Wirtschaftsentwicklung und die Wirtschaftsstruktur auch für Deutschland nach 1945 gesehen. Für die frühere Bundesrepublik wird vor allem die Kombination expansiver Nachfrageeffekte mit günstigen Angebotsbedingungen betont37 • Auf der Nachfrageseite spielt dabei die Rekonstruktion und der Neubau der Infrastruktur eine zentrale Rolle, die durch Kriegszerstörung, deutsche Teilung und starke Bevölkerungszunahme begründet ist. Auf der Angebotsseite werden für Westdeutschland als direkte Kriegsfolgen einerseits der zwangsweise Aufbau neuer im Regelfall produktiverer Produktionsanlagen und andererseits die Zuwanderung wichtiger technologisch führender Großbetriebe aus Berlin, Sachsen und Thüringen genannt. Von der dadurch ausgelösten Wachstumsdynamik profitieren vor allem die Bauwirtschaft und die Investitionsgüterindustrien. Für die DDR werden als direkte Kriegsfolgen vor allem die durch Abtrennung vom weitaus größeren Wirtschaftsgebiet im Westen notwendige Ergänzung des Produktionsapparates bei gleichzeitig umfangreicher Demontage durch die damalige Sowjetunion betontl 8 • Für die Wirtschaftsentwicklung bedeutete dies in erster Linie eine starke Expansion in grundstoff- und investitionsgüterproduzierenden Bereichen.

Veränderung der Außenhandelsbeziehungen Einen breiten Raum in der Diskussion der wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen in Deutschland nehmen seit jeher Veränderungen der Bedingungen des Außenhandels bzw. des Welthandels ein. Beispiele hierfür sind: - die Einbeziehung der Kolonialländer - der Abwertungswettlauf der 30er Jahre - die Veränderung der Rohstoffpreise in den 70er Jahren.

Im Zusammenhang mit den Rohstoffpreiserhöhungen werden insbesondere im Rahmen von Schockanalysen Auswirkwlgen sowohl für den sektoralen Strukturwandel als auch für das gesamtwirtschaftliche Wachsturn abgeleitee 9 • Für die Erklärung der gesamtwirtschaftlichen und sektoralen Entwicklungen werden darüber hinaus die generellen Veränderungen der Bedingungen im Welthandel herangezogen40 • Ausgangspunkt ist die Vorstellung, daß sich beginnend mit den 60er Jahren vor allem aber in den 70er Jahren die weltweiten Angebotsbedingungen einschneidend verändert haben. Waren die entwickelten Länder bis

37 38

39

40

Siehe Borchardt (1978), S. 380 ff., auch Emminger, S. 485 ff. Vgl. Barthel, S. 29- 106, sowie zur Demontage auch BAW, z.B. S. 23 ff. Vgl. Flassbeck/Horn!Zwiener, S. 115 ff., auch Karras, S. 1763 ff. Siehe Fels, S. 143 ff., sowie Sauter.

32

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

zu diesem Zeitpunkt einzig mögliche Standorte industrieller Produktion, wurden im Zuge der zunehmenden Standardisierung der Produktionsprozesse und der Weiterentwicklung der Kommunikations- und Transporttechniken auch Entwicklungsländer zu potentiellen Industriestandorten41 • Angesichts dieser neuen Konkurrenzsituation mußte die Produktionsstruktur in traditionellen Industrienationen wie der Bundesrepublik durchgreifend umstrukturiert werden. Für die Bundesrepublik Deutschland wurde daraus unter den gegebenen Wirtschaftsstrukturen eine Einbuße an internationaler Wettbewerbsfähigkeit und damit an Wachstumsspielräumen abgeleitet. Eine Stärkung der Wettbewerbsposition der Unternehmen und damit der Wachstumsimpulse konnte wiederum nur durch eine stärkere Ausrichtung der Produktionsstruktur auf Felder, in denen günstigere Standortbedingungen vorlagen, erreicht werden42 • Konkret hieß dies hier in weiten Bereichen eine Umstellung von standardisierter Massenproduktion hin zu humankapital- und technologieintensiven Gütern. Ausdruck der Umstrukturierungsprozesse sind dabei also weniger sektorale Strukturen, als vielmehr intrasektorale Veränderungen, wenngleich sich z.B. die Investitionsgüterindustrien im Vergleich zu anderen durch ein deutlich höheres Gewicht humankapital- und technologieintensiver Güter auszeichnen. Einen nicht zu unterschätzenden Einfluß dürfte die Veränderung des Welthandels zusammen mit den kräftigen Preiserhöhungen bei wichtigen Rohstoffen aber auch auf die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR gehabt haben. Insbesondere die zu Beginn der achtziger Jahre durchgeführte Erhöhung der Devisenrentabilität gab hier Anstoß eine noch stärkeren Importsubstitution und eine Ausweitung der Exportgüterpalette durchzuführen43 • Von diesen Entwicklungen profitieren einige Wirtschaftsbereiche - wie z.B. die Elektrotechnik - in besonderem Maße.

111. Zyklentheorien 1. Schübe von Infrastrukturinvestitionen Die ersten Versuche zyklischer Erklärungen für längerfristige Wachstumsschwankungen im Industrialisierungsprozeß sind bereits im 19. Jahrhundert unternommen worden. So sind schon bei J. St. Mill und K. Marx Ansätze für die Erklärung zyklischer Krisen zu fmden44 • Allerdings weisen diese Erklärungen kaum Bezug zu sektorstrukturellen Entwicklungsprozessen auf, sondern betonen 41

42 43

44

Vgl. Fröbel!Heinrichs/Kreye, insbesondere S. 28 - 32. Vgl. dazu z.B. Schmidt, S. 176 ff. Vgl. Cornelsen!Kirner, S. 173. Siehe dazu Kromplulrdt (1987), S. 116 f. und S. 138 ff.

III. Zyklentheorien

33

generelle Einflußgrößen. Bei J. St. Mill ist dies die Überspekulation in Verbindung mit der Preisentwicklung. Bei K. Marx fmden sich zyklische Krisenerklärungen insbesondere im Zusammenhang mit der Annahme einer langfristig abnehmenden Profitrate, die periodische Überproduktionssituation hervorruft45 •

Zur Krisentheorie von Spiethoff

Stärker auf sektorstrukturelle Aspekte von Krisen in der industriellen Entwicklung geht A. Spiethoff ein46 • In seiner Theorie des "Kreislaufs der Wechsellagen" nennt er eine Vielzahl voQ Bestimmungsfaktoren von Krisen. Dazu zählen auch Aspekte der Überspekulation, Einkommensverteilung und Geldversorgung. Eine zentrale Stellung im Erklärungsmodell nimmt allerdings die Überproduktionsthese ein. Ausgangspunkt der Erklärung zyklischer Überproduktion ist die Differenzierung von drei Gütergruppen bzw. Sektoren, denen jeweils spezifische Charakteristika zugeordnet werden: - Grundstoff- und Infrastrukturgüter - Investitionsgüter - Verbrauchsgüter.

Die Grundstoff- und Infrastrukturgüter sind durch eine sehr lange Nutzungsdauer des eingesetzten Kapitals gekennzeichnet, die Nachfrage durch einen langen Produktlebenszyklus der in Sättigungstendenzen endet. Bei den Investitionsgütern besteht ebenfalls eine lange Kapitalnutzungsdauer. Die Nachfrage ist durch den Kapitalbedarf der anderen beiden Sektoren bestimmt. Der Verbrauchsgüterhereich besitzt eine sehr heterogene Produktionsstruktur bei im Durchschnitt geringer Kapitalnutzungsdauer und weniger ausgeprägten oder kurzen Produktlebenszyklen. Für die Erklärung der Entstehung zyklischer Überproduktion sind die Beziehungen zwischen den beiden ersten Sektoren entscheidend47 • Diese lassen sich vereinfacht wie folgt beschreiben: Ausgehend von einem Aufbau von Produktionskapazitäten im Grundstoff- und Infrastruktursektor steigt die Nachfrage im Investitionsgütersektor stark an. Die Kapazitäten werden auch hier stark ausgeweitet. Über Einkommens- und Kapazitätseffekte wird dadurch ein gesamtwirtschaftlicher Aufschwung ausgelöst. Der Aufschwung bricht ab, wenn es aufgrund der einsetzenden Sättigungstendenz bei den Grundstoff- und Infrastruktursektoren zu einer Überproduktion bei den Investitionsgüterherstellern 45 46 47

Dazu auch Kuczynski, S. 105 ff. Vgl. Spiethoff(l925), S. 8 ff. , sowie Spiethoff(l955). Siehe Spiethoff(l925), S. 70 ff.

3 Gomig

34

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

kommt. Der Grund hierfür wird von Spiethoff darin gesehen, daß die Investitionsgüterhersteller aufgrund der jeweils langen Lebensdauer die Abflachung der Nachfrage nicht rechtzeitig erkennen bzw. erkennen können. Von der Überproduktion im Investitionsgütersektor gehen wiederum über verschiedene Einkommens- und Kapazitätseffekte nun negative Impulse auf die Gesamtwirtschaft aus, die zu Stagnation und gegebenenfalls zur Krise führen. Die Stagnation oder Krise schafft aber auch die Voraussetzung für einen neuen Nachfrageschub im Grundstoff- und Infrastrukturbereich. Neben dem Abbau von Überkapazitäten zählen nach Spiethoff hierzu u.a. niedrige Kapitalmarktzinsen und ein zunehmender Druck, technische Neuerungen zu entwickeln. Beides stimuliert aufgrund der Langfeistigkeit vor allem Investitionen in den Grundstoff- und Infrastruktursektoren. Spiethoff bezieht diesen Erklärungsansatz auf Zyklen von bis zu 10 Jahren Länge sowie auf "Aufschwung- und Stockungsspannen" mit einer Dauer von jeweils 20 bis 30 Jahren48 • Eine unmittelbare Schlußfolgerung längerfristiger Veränderungen der Sektorstrukturen ergeben sich aus diesem Ansatz aber nicht. Ableiten lassen sich lediglich Strukturverschiebungen zwischen den drei Sektoren während eines Zyklus, nicht aber in Beziehung zwischen den einzelnen Zyklen.

Abfolge von Infrastrukturzyklen

Hinweise auf den längerfristigen sektoralen Strukturwandel lassen sich allerdings dann ableiten, wenn man eine Abfolge von Investitionsschüben in unterschiedliche Infrastrukturbereiche betrachtet. Solche Schübe von Infrastrukturinvestitionen hat J.J. van Duijn betrachtet49 • Neben sogenannten Grundstoffkomplexen (Stahlwerke, Raffmerieanlagen) werden dabei folgende Infrastrukturbereiche als entwicklungsprägend angesehen: - Häfen und Kanalnetze - Eisenbahnnetze - Stromversorgungssysteme - Kommunikationssysteme - Straßen- und Autobahnnetze.

Die Gründe, warum die Infrastrukturinvestitionen in die jeweiligen Bereiche nicht kontinuierlich miteinander verzahnt stattfmden, sondern nacheinander in Schüben und unterbrochen von gesamtwirtschaftlichen Krisen erfolgen, sieht da-

48

49

Siehe Spiethoff(l925), S. 60. Siehe Duijn, S. 112 ff.

III. Zyklentheorien

35

bei Duijn weniger auf der teclmologischen Seite. Die entsprechende grundlegende technologische Erfmdung ist zwar notwendige Voraussetzung für den Aufbau der jeweiligen Infrastrukturen. Als entscheidend aber für den Beginn des tatsächlichen Infrastrukturaufbaus werden die generellen Investitionsbedingungen angesehen. Wie Spiethoff begründet er dies mit Unter- und Überakkumulationsthesen. Während der Aufbauphase einer Infrastruktur ist der Investitionsbedarf dafür so groß, daß riskante Investitionen in neue andere Infrastrukturen mit noch unbekannter Nachfrage nicht attraktiv erscheinen. Wenn dann Sättigungstendenzen im bisherigen Infrastrukturbereich einsetzen, ist es zu spät, da mit der sinkenden Auslastung bereits ein gesamtwirtschaftlicher Abschwung eingesetzt hat. Dieser läßt es wiederum für die Investoren nicht sinnvoll erscheinen, in Bereiche mit hohem Kapitalbedarf und ungewisser Nachfrageentwicklung zu investieren. Erst wenn durch eine Krise mit dem Abbau von Überkapazitäten die generellen Absatzerwartungen wieder steigen, können neue große Infrastrukturprojekte in Angriff genommen werden, die dann einen neuen gesamtwirtschaftlichen Wachstumsschub tragen5°. Ordnet man nun eine oder mehrere Infrastrukturbereiche bestimmten Entwicklungsphasen zu, lassen sich für die jeweiligen Phasen auch die dominierenden Sektoren ableiten. Entscheidend für die Sektorstruktur dürfte dabei allerdings weniger die Bedeutung des laufenden Betriebs der Infrastruktur sein, wie beispielsweise die Unterhaltung von Häfen oder die Produktion von Strom. Strukturbestimmend sind vielmehr die Investitionskäufe während des Aufbaus des jeweiligen Infrastrukturbereichs. Daß heißt, dominierende Sektoren sind die Industrien, die die Ausrüstungsinvestitionen und die dazu benötigten Vorprodukte liefern. Beispiele wären die Stahlerzeugung und der Maschinenbau beim Aufbau der Eisenhalmnetze oder die Elektrotechnik beim Aufbau der Stromversorgungs- und Telefonnetze.

2. Schübe von Basisinnovationen Einen besonderen Schwerpunkt bei den Erklärungsansätzen wiederkehrender historischer Umbruchsituationen bilden auch die Einflüsse technologischer Neuerungen51 • Dabei geht es allerdings nicht um technoloigsche Veränderungen als exogenen Ansehub von Wachstumsprozessen und sektoralen Strukturwandel wie in dem Stadienmodell von Rostow oder der Drei-Sektoren Hypothese. Vielmehr soll die technologische Entwicklung endogen aus dem Wirtschaftsprozeß erklärt werden. Zur endogenen Erklärung von Wachstumsprozes50

51

Duijn, insbesondere S. 132.

Siehe hierzu auch den Überblick bei Kromphardt/Teschner, S. 235 ff.

36

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

sen über Innovationen hat vor allem Schumpeter wesentliche Voraussetzungen geschaffen52 •

Zum Schumpeterschen Wettbewerbsmodell Ausgangspunkt für die Erklärung von Innovationen bei Schumpeter ist das Unternehmerverhalten53 • Er unterscheidet zunächst zwei Typen von Unternehmern: - den Typ des passiven, reagierenden Unternehmers und - den Typ des risikobereiten, agierenden Unternehmers.

Das Verhalten des passiven Unternehmers entspricht dabei weitgehend dem, das im Wettbewerbsmodell der vollkommenen Konkurrenz angenommen wird. lnbesondere die Marktbedingungen- wie Nachfrage und Technologie -werden als gegeben angesehen. Sie produzieren die eingeführten Produkte für eine bekannte Nachfrage mit den erprobten Produktionsmethoden. Dem risikobereiten, agierenden Unternehmer (Pionierunternehmer) wird dagegen zugerechnet, daß er durch Innovationen gerade versucht, z.B. die technologischen Bedingungen und die Nachfragesituation zu verändern. Innovationen beziehen sich nach Schumpeter nicht nur auf im engeren Sinne technologische Neuerungen, sondern umfassen ein breites Spektrum von Aktivitäten. Hierzu zählen die - Einführung neuer Güter und Leistungen bzw. ihrer Kombinationen, - Erschließung auch neuer räumlicher Absatz- und Bezugsmärkte, - Schaffung neuer Organisations- und Kooperationsformen, - Einflihrung neuer Produktionsverfahren und Produktionsmethoden.

Die Innovationen solcher Pionierunternehmer ergeben sich nicht exogen; sondern lassen sich aus dem wirtschaftlichen System selbst erklären54 • Systemimmanenter Anreizmechanismus für die Durchführung von Innovationen für die Pionierunternehmer ist der "Neuerergewinn". Er fließt ihm in Form einer zeitweiligen Monopolrente zu. Sie entsteht durch Informationsdefizite über die konkrete Ausgestaltung der Innovationen bzw. zeitliche Vorsprünge im Autbau der Produktionskapazitäten, die ein sofortiges Nachziehen der potentiellen Konkurrenten verhindern. Bei technologischen Innovationen kommen Schutzrechte durch das Patentwesen hinzu. Mit dem "Neuerergewinn" wird ein Anreizme-

52 53 54

Vgl. Tichy (1985a), insbesondere S. 19 ff. Siehe Schumpeter (1928), S. 299 ff. Vgl. Schumpeter (1952), S. 212 ff.

III. Zyklentheorien

37

chanismus wirksam, den es definitionsgemäß im walrasianischen Modell nicht geben kann55 . Der strukturelle Entwicklungsprozeß ist allerdings mit der Einführung von Innovationen in einigen Pionierunternehmen nicht abgeschlossen, sondern fmdet vielmehr hierin seinen Anfang. Die Durchsetzung der Innovationen in der Gesamtwirtschaft wird von Schumpeter als "Prozeß der Schöpferischen Zerstörung" bezeichnet, bei dem die alten Produkte, Organisationsformen oder Produktionsmethoden durch die neuen ersetzt werden56 . Die Konkurrenten der Pionierunternehmenr werden gewollt (Gewinnanreize) bzw. ungewollt (drohende Gewinnverluste) die Innovationen übernehmen oder, wenn ihnen dies nicht gelingt, aus dem Wettbewerb ausscheiden. Der "Prozeß der schöpferischen Zerstörung" führt dabei in der Summe simultan zu Veränderungen der sektoralen Wirtschaftsstrukturen und zu Impulsen für das gesamtwirtschaftliche Wachstum. So bedeutet die Verdrängung alter durch neue Produkte perse sektoralen Wandel. Gleichzeitig sind defmitionsgemäß die neuen Produkte und neuen Verfahren den bisherigen überlegen (effizienter), so daß sich Anstöße auf die gesamtwirtschaftliche Wachstumsdynamik ergeben. Die schumpetersche Erklärung von Innovationen hat im weiteren vieWi.ltige Ergänzungen und Weiterentwicklungen gefunden57 . Sie beziehen sich u.a. auf Verbindungen zur Unsicherheit unternehmerischer Handlungen, zur Marktstruktur und zu Nachfrageveränderungen. Bei allen diesen Ansätzen wurde der bei Schumpeter enge Bezug zum Pionierunternehmer weitgehend aufgegeben. Stärker in den Mittelpunkt rückte die lnnovationsfcihigkeit von Unternehmen als Organisationseinheit sowie die generelle Wirkung des "Neuerergewinns" als Steuerungselement der Innovationen und damit von Strukturwandel und Wachstum.

Basis und Folgeinnovationen Schumpeter hat zunächst selbst versucht, die Argumentationen zum "Prozeß der schöpferischen Zerstörung" für die Erklärung langer Wellen der realen Wirtschaftsentwicklung zu nutzen. Er ging davon aus, daß die Aufschwungphasen der langen Wellen ausgelöst werden durch vor allem grundlegende technologische Innovationen, die ein sehr hohes wirtschaftliches Nutzungspotential besitzen58. Die Durchsetzung dieser grundlegenden Innovationen manifestiert sich

55 56 57

Vgl. Nelson/Winter, S. 146 ff., Helmstädter (1990), S. 163 ff. Siehe Schumpeter (1950), S. 137. Siehe hierzu u.a. Röpke, S. 228 ff., Nelson/Winter, S. 96 ff., Oppenländer, S. 86

ff., Baumol/Panzar!Willig. 58 Siehe Schumpeter (1961), z.B. Bd. 1, S. llO.

38

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

dabeijeweils in der Entstehung und dem Wachstum neuer Sektoren, die im Laufe der Zeit die sektoralen Strukturen immer mehr prägen und die alten Führungssektoren verdrängen. Die Vorstellungen langfristige Entwicklungsphasen bzw. Wachstumsschübe auf unterschiedliche wirtschaftliche Nutzungspotentiale von Innovationen zurückzuführen, ist vor allem von G. Mensch aufgenommen und weiter entwickelt worden. Er stellt dabei wesentlich auf technologische Neuerungen ab und differenziert hierbei zwischen Basis- und Folgeinnovationen59 • Die Basisinnovationen zeichnen sich dabei durch folgende Eigenschaften aus: - Potential zur Schaffung generell neuer Produktionsstrukturen - Potential zur Öffnung großer neuer Absatzmärkte - Potential weitere Innovationen zu induzieren.

Die Eigenschaften von Folgeinnovationen liegen dementsprechend in der Ergänzung und nicht Prägung neuer Produktionsstrukturen, in der Erschließung und nicht in der Öffnung neuer Absatzmärkte sowie der Annahme, daß sie abhängig von der vorherigen Einführung eines technologischen Paradigmas sind. Mit Hilfe der Unterscheidung von Basis- und Folgeinnovationen und ihren Auswirkungen auf die Nachfrage läßt sich quasi in Form eines einzelwirtschaftlichen Produktlebenszyklusses ein langfristiger gesamtwirtschaftlicher Innovationsschub beschreiben: - Ausgangspunkt des Zyklus ist die Basisinnovation. Durch sie wird ein völlig neues Nachfragepotential aufgetan, daß mit den vorherigen Technologien nicht erreichbar war. - Die durch die neue Basistechnologie möglichen Folgeinnovationen erschließen den neuen Absatzmarkt Die Verbreitung des neuen technologischen Paradigmas und ihrer neuen Produktionsstrukturen nimmt stark zu. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum beschleunigt sich. - Allmählich nimmt das Potential flir Folgeinnovationen auf der Grundlage dieser Basistechnologie ab. Die Möglichkeiten zur Nachfrageausweitung werden geringer. Das gesamtwirtschaftliche Wachstumstempo nimmt ab. - Letztlich prägt das durch die Basisinnovation bestimmte technologische Paradigma durchweg die Wirtschaftsstrukturen. Entwicklungsspielräume auf ihrer Grundlage bestehen aber kaum noch. Die Gesamtwirtschaft tritt in eine Phase der Stagnation oder Schrumpfung ein.

Durch die Hervorhebung der besonderen Eigenschaften von Basisinnovationen wird hier erreicht, daß technologische Neuerungen nicht nur auf der Ebene einzelner Produkte, sondern auch in Bezug auf die Gesamtwirtschaft bestimmte Entwickl\mgsabläufe induzieren können. Wendet man dieses nun auf historische Entwicklungsphasen, -schübe oder -brüche an, sind es die Basisinnovationen, die 59

Siehe Mensch (1972), S. 291 ff.

III. Zyklentheorien

39

die großen wirtschaftlichen Umbrüche tragen. Gleichzeitig mit den Änderungen des gesamtwirtschaftlichen Wachstums sind diese Umbrüche mit Verschiebungen der Sektorstrukturen verbunden. Dies gilt zumindest dann, wenn den jeweiligen Basisinnovationen wie bei Schumpeter entsprechende Führungssektoren zugeordnet werden. Als historische und aktuelle Beispiele für solche Basisinnovationen (Schlüsseltechnologien) und Führungssektoren (Schlüsselsektoren) gelten vor allem60 : - die Dampfmaschine und Eisenbahntechnik (Stahlerzeugung, Maschinenbau, Eisenbahnen), - der Elektro- und Benzinmotor (Elektrizitätswirtschaft, Chemie, Fahrzeugbau), - die Elektrotechnik und Kunststoffe (Elektrotechnik, Kunststoffindustrie), - die Mikroelektronik (Büromaschinen, EDV).

Diskontinuität von Basisinnovationen

Die Überlegungen zur endogenen Erklärung von Innovationen und die Möglichkeit aus technologischen Abläufen auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen zu schließen, deckt nur einen Teil des Fragenkomplexes ab. Bei einem Bezug zur einer langfristigen in Schüben oder Wellen verlaufenden Wirtschaftsentwicklung stellt sich zusätzlich vor allem die Frage nach der Begründung des diskontinuierlichen, geballten Auftretens von Basisinnovationen. In diesem Zusammenhang sind eine Reihe von Studien entstanden, die die Geschichte der wichtigsten technologischen Neuerungen während der letzten eineinhalb Jahrhunderte systematisch ausgewertet haben61 • Sie beziehen dabei den gesamten Ablauf der Einführung technologischer Neuerungen beginnend mit der Erfmdung (Invention), über die Markteinführung (Innovation) bis zur marktliehen Durchsetzung (Diffusion) ein. Obwohl solche Analysen mit großen methodischen und empirischen Problemen behaftet sind, erscheinen einige fast durchgängigen Tendenzaussagen doch beachtenswert62 • Zu diesen Tendenzaussagen gehören im wesentlichen, daß: - die Inventionen zu wichtigen Technologien eine breite zeitliche Streuung aufweisen und eher regelmäßig auftreten, - die Innovation, die der Invention erst mit deutlicher zeitlicher Verzögerung folgt, dann aber zeitlich geballt mit Innovationen aus anderen Feldern auftritt, - die Höhepunkte der Innovationsaktivitäten wiederum deutlich vor den Phasen hoher Diffusionsintensität liegen.

Siehe Henkel u.a. (1986), S. 31 ff. Vgl. Mensch (1975), insbesondere S. 130 ff., Marchetti, S. 267 ff., hierzu auch Ayres, S. 1 ff. und lll ff. 62 Siehe Kneschaurek, S. 261 ff. 60 61

40

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

Insoweit unterlegen diese Ergebnisse die These von diskontinuierlich auftretenden Innovations- und Diffusionsschüben. Sie weisen aber auch darauf hin, daß die Ballung oder das Ausbleiben von Innovationsaktivitäten wohl weniger durch wissenschaftlich-technisch begründete Schwankungen der Inventionstätigkeit determiniert ist. Die Ursachen für die zeitliche Konzentration von Innovationen und Diffusion sind demnach vermutlich mehr im ökonomischen Bereich zu suchen. Inwieweit auch die Forschungsaktivitäten selbst an der potentiellen ökonomischen Umsetzung und Umsetzbarkeil orientiert sind, soll hier offen bleiben63 • Auf der Basis wirtschaftlich-gesellschaftlicher Einflüsse sind zur Erklärung der Diskontinuität der marktliehen Einführung von Basisinnovationen verschiedene Ansätze unternommen worden. Ein von G. Mensch vorgetragener Erklärungsversuch stellt die grundsätzliche Risikoscheu des Unternehmenssektors in den Mittelpunkt. Danach besteht während der Aufschwungphase einer Basistechnologie für die Unternehmen keine Veranlassung weitere Basistechnologien einzuführen, da mit hinsichtlich des Markterfolges relativ sicheren Folgeinvestitionen hohe Renditen erwirtschaftet werden können. Wenn diese Möglichkeit abnimmt, werden zunächst noch sinkende aber sichere Renditen hingenommen. Die damit allmählich sich verschlechternde Liquiditätslage verstärkt dabei eher noch die Scheu riskante Basisinnovationen einzuführen. Erst wenn im Zuge der wirtschaftlichen Krise der Druck immer größer wird und kaum noch andere Alternativen bestehen, werden die Aktivitäten auf die Durchsetzung neuer Basisinnovationen gerichtet64 • Demnach ist letztlich die Krise selbst Voraussetzung für den Übergang zu einem neuen wirtschaftlichen Aufschwung65 • Andere Überlegungen zur Diskontinuität von Basisinnovationen gehen stärker auf die individuelle Sicht im Sinne Schumpeters zurück, der die Innovationstätigkeit im Zusammenhang mit dem geballten Auftreten von Pionierunternehmen sah66 • Bei dieser Sichtweise könnten für die Begründung zeitlicher Konzentrationen von· technologischen Basisinnovationen Veränderungen im Verhalten der wirtschaftlichen Eliten herangezogen werden. Im Sinne einer Elitezirkulation nach Pareto wird als Beispiel auf den Aufstieg der amerikanischen Computerindustrie verwiesen, der im wesentlichen durch eine bis dahin nicht zur herrschenden Elite gehörenden wissenschaftlich-technischen Elite getragen wurde67 • Eine ebenfalls deutliche Anlehnung an sozialwissenschaftliche Erklärungsmuster fmdet sich bei Ansätzen, die weniger die Bedeutung der Erstanwendung von

63 64

65 66

67

Vgl. hierzu Oppenländer, S. 85 f. Siehe Mensch (1975), z.B. S. 166. Ähnlich bei Perlitz!Löbler, S. 424 ff. Siehe Schumpeter (1961), z.B. Bd. 1, S. 108. Siehe Meier, S. 9.

111. Zyklentheorien

41

Basis- und Folgeinvestitionen, sondern vielmehr ihre Diffusion als Engpaßfaktor der wirtschaftlichen Entwicklung hervorheben68 • Entscheidend ist danach für die breite Anwendung der durch die Basisinnovation begründeten "neuen technologischen System" das politische und soziale Klima. Ein entscheidender Faktor für die Diskontinuität der Anwendung technologischer Erkenntnisse könnte daher in der gesellschaftlichen Akzeptanz neuer Technologien liegen69 • Offen bleibt allerdings, ob diese Technikakzeptanz im Sinne gesellschaftlichen Wertewandels als exogen angesehen werden kann oder diese selbst von den wirtschaftlichen Bedingungen abhängt.

3. Institutionen im Innovationsprozen Die Einbettung der Hypothesen zur Diskontinuität von Basisinnovationen in den wirtschaftlich-gesellschaftlichen Entwicklungsprozeß legt es nahe, bei der Betrachtung der Zusammenhänge von sektoralen Strukturwandel und Wachstum die Rolle der Institutionen einzubeziehen. Anstöße für eine solche Sichtweise gaben insbesondere auch die Thesen zur "institutionellen Sklerose" . Bei diesen Thesen standen zunächst Ansätze im Vordergrund, die die Gefahr abnehmender wirtschaftsstruktureller Anpassungsfähigkeit und dauerhafter Schrumpfungstendenzen im Zusammenhang mit der generellen Abnahme institutioneller bzw. gesellschaftlicher Flexibilität im Alterungsprozeß der hochentwickelten Industrieländer betonten70 • Im weiteren Verlauf der wissenschaftlichen Diskussion wurde dann aber stärker die generelle Funktion von Institutionen für Strukturwandel und Wirtschaftswachstum hinterfragt. Hierbei wurden auch stärker Überlegungen eingebunden, die sich auf wiederkehrende, zyklische Erklärungsfaktoren bezogen. Bezug zu Transaktionskosten und Marktstruktur

Ein Ausgangspunkt war die stärkere Berücksichtigung von Transaktionskosten im wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß71 • In den traditionellen Wachstumstheorien spielen sie kaum eine Rolle, obwohl die Intensivierung der Arbeitsteilung in der Vergangenheit eine wesentliche Quelle der Wachstumsprozesse war und Arbeitsteilung per se Transaktionen hervorruft. Diese Transaktionen wiederum beschränken sich nicht nur auf den traditionellen Bereich des Waren-

68

69 70

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Siehe z.B. Freemi.lll!Clark/Soete, S. 64 ff. Vgl. hierzu auch Falkinger, S. 321 ff. Vgl. Kindleberger, S. 407 ff. , Olson, S. 181 ff. Siehe North (1984), S. 7 ff., sowie Williamson.

42

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

transports, sondern beziehen alle Kosten des Austausches wie Informations- und Koordinierungskosten mit ein72 • Von besonderer Bedeutung ist im Zusammenhang mit gravierenden strukturellen Wandlungsprozessen die Rolle, die Informationsverarbeitungskapazitäten bei der Durchsetzung grundlegender Innovationen beigemessen wird. Besonders deutlich wird dies beim Diffusionsprozeß neuer Technologien gesehen, der sich nicht nur auf die Verwendung bestimmter Maschinen beschränkt, sondern auch das Wissen und damit die Information um das Funktionieren der neuen Technik einbezieht. Der Informationsbedarf geht über den eigentlichen Bereich Technik somit weit hinaus und bezieht sich mindestens ebenso auf die Fragen nach neuen Marktpotentialen, neuen Produktionsmethoden oder neuen Organisationsformen, die mit neuen Techniken verbunden sein können. Der Bedarf an externer Information dürfte dabei für bestehende Unternehmer umso größer sein, je weiter die Innovationen von den bisher angestammten Märkten und Produktionsformen entfernt liegen. Die Unternehmen müssen entsprechend ihre bisher angewendeten internen Routinen der Informationsbeschaffung bei grundlegenden Neuerungen verlassen73 • Eine wesentliche Funktion bei der Informationsbeschaffung und beim Informationsaustausch - so die These - nehmen Institutionen ein. Dies gilt sowohl für den Informationsfluß innerhalb des Unternehmensbereichs, z.B. durch Verbände, als auch für die Koordination zwischen Unternehmen, Arbeitnehmern und Staat. Beispiele für letzteres sind Absprachen über die Anwendung neuer Produktionsmethoden zwischen Unternehmensverbänden und Gewerkschaften, der Technologietransfer zwischen Hochschule und Wirtschaft und Regelungen zum Aufbau neuer Infrastrukturen für die neuen Technologiebedarfe. Entsprechend kann die Funktionsfähigkeit von Institutionen hinsichtlich des Informationsflusses im Zusammenhang mit Innovationen wesentlich für den Wachstumserfolg sein74 • Eine entscheidende Bedeutung kommt darüber hinaus den Institutionen im Zusammenhang mit der Wettbewerbssituation zu. Innerhalb des Unternehmensbereichs besteht eine wesentliche Aufgabe der Institutionen, wie z.B. Verbänden, in der Verbesserung der Markttransparenz. Dies kann einerseits die Wettbewerbsintensität fördern, schafft aber andererseits gerade auch die Voraussetzung für Absprachen und Kartellbildung und damit die Einschränkung des Wettbewerbs. Einen wichtigen Bereich stellen dabei auch staatliche Regelungen für den Unternehmensbereich dar. Insbesondere die Regulierung der Märkte be-

72

73 74

Siehe hierzu Richter, S. 576 ff. Vgl. Nelson/Winter, S. 128 ff. Vgl. Myhrman, S. 53 ff. , Galli, S. 775 ff. , Dosi, insbesondere S. 83 ff.

III. Zyklentheorien

43

stimmt wesentlich den möglichen Grad an Wettbewerbsintensität15 • Da aber ein dynamischer, vorsprungverschaffender Wettbewerb im Sinne von Schumpeter eine wesentliche Voraussetzung für Innovationen im Marktprozeß darstellt und umgekelirt die Ausschaltung des Wettbewerbs durch Kartellbildung und Regulierung als innovationsfeindlich angesehen wird, kann die Ausrichtung der privaten wie staatlichen Institutionen auf Förderung oder Verhinderung von Wettbewerb entscheidend für den Wachstumserfolg sein.

Einbindung in den Innovationsprozeß Für die Verwendung der Thesen zur Bedeutung von Institutionen für Informationsfluß und Wettbewerb zur Erklärung von sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Umbrüchen im Entwicklungsverlauf ist es zunächst notwendig, sie in den entsprechenden Innovationsprozeß einzubinden. Ausgangspunkt ist hierbei unter Rückgriff auf die schumpeterschen Unternehmenstypen eine Differenzierung von Marktform und Wettbewerbsintensität im lnnovationszyklus76 • In Verbindung der Annahmen einer grundlegenden Innovation und eines entsprechenden Marktpotentials in Form eines neuen Produktionsparadigmas im Sinne - aber nicht ausschließlich - von technologischen Basisinnovationen läßt sich dann folgender Entwicklungsverlauf beschreiben: a) Das neue, überlegene Produktionsparadigma wird zunächst bei einigen Pionierunternehmen eingeführt. Diese können durch den Wettbewerbsvorsprung hohe Gewinne erzielen. Es herrscht ein "differenzierender, vorsprungschaffender Wettbewerb" durch die ErstanwendeT und frühen Imitatoren der Innovation, der zur Bildung von Teilmonopolen führt. Der Einfluß auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und dt;n sektoralen Strukturwandel ist jedoch noch gering. b) Ausgelöst durch die hohen Gewinnpotentiale nimmt die Zahl der Nachahmeruntemehmen sprunghaft zu. Es beginnt ein "intensiver nivellierender Wettbewerb". Der Vorsprung der Pionierunternehmen geht zurück. Es bleibt aber ein weites Differenzierungspotential in_fler Anwendung der Innovation. Das neue Produktionsparadigma und die mit ihm verbundenen Sektoren prägen immer größere Teile der Volkswirtschaft. Das gesamtwirtschaftliche Wachstum nimmt stark zu. c) Bei abnehmenden Anwendungs- und Differenzierungspotentialen des neuen Produktionsparadigmas werden die Möglichkeiten zur Nachfrageausweitung geringer. Bei abnehmendem gesamtwirtschaftlichen Wachstumstempo nimmt die Wettbewerbsintensität zunächst weiter zu. Es können sich Tendenzen "ruinöser Preiskonkurrenz" zeigen. d) Werden nicht durch ein anderes neues Produktionsparadigma neue Nachfragepotentiale erschlossen, kommt es zu gesamtwirtschaftlicher Stagnation bei gleichzei-

75

Vgl. zu den Regulierungsbereichen z.B. Schmidt u.a., S. 124 ff. und Ewers/Wein,

s. 320 ff.

76 Siehe hierzu auch die Überlegungen von Arndt, S. 83 ff., und Heuß, insbesondere S. 37 ff. und S. 223 ff.

44

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum tiger Konservierung sektoraler Strukturen. Parallel dazu kann es als Folge des Verdrängungswettbewerbs und der zunehmenden Markttransparenz zu Kartellbildungen und Regulierungen aufbreiter Front kommen. Die Wettbewerbsintensität nimmt ab.

Die mögliche Rolle der Institutionen in diesem Prozeß ist sehr vielschichtig. In den ersten beiden Phasen dürfte die Vermittlung von Informationen über das neue Produktionsparadigma im Vordergrund stehen. Dabei geht es zum einen um den Informationsaustausch über konkrete Übertragungs- und Anwendungsprobleme beim Einsatz des neuen Paradigmas sowie die Informationsbeschaffung zu Marktpotentialen und Anwendungsfeldern im Unternehmenssektor. Zun'J. anderen geht es darum, Anforderungen beispielsweise in bezug auf Ausbildungsstrukturen und Infrastrukturen, die sich aus dem neuen Produktionsparadigma ergeben, zu formulieren und umzusetzen. Je besser hier die Institutionen der Unternehmen, der Arbeitnehmer und des Staates als Informationsverarbeitungskapazitäten für die neuen Produktionsformen und neuen Sektoren funktionieren, um so schneller kann es sich ausweiten und das gesamtwirtschaftliche Wachstum erhöhen.

In den folgenden beiden Phasen werden die institutionellen Informationsverarbeitungskapazitäten immer stärker von den sich durchsetzenden Produktionsformen und Produktionssektoren geprägt sein. Da aber im Rahmen dieses Produktionsparadigmas die Wachstumsmöglichkeiten abnehmen, gehen auch von den daraus ausgerichteten Kapazitäten zur Informationsverarbeitung der Institution keine Wachstumsanstöße mehr aus. In den Vordergrund dürfte eine andere Aufgabe der Institutionen treten: die Sicherung der erreichten Besitzstände. Ein wesentlicher Hebel hierfür ist die Einschränkung des Wettbewerbs bei weitgehender Erhaltung der sektoralen Strukturen. Allerdings werden bis in die dritte Phase hinein die Interessenlagen der einzelnen Beteiligten in den verschiedenen Institutionen noch zu heterogen und unübersichtlich sein, um Kartellbildungen oder Regulierungen durchzusetzen. Erst, wenn im Zuge des Konzentrations- und Lernprozesses in der letzten Phase die Definition gleicher Ziele möglich wird, dürften sich Unternehmensverbände und Gewerkschaften auf entsprechende Regelungen einigen. Wandel der institutionellen Bedingungen Die privaten und staatlichen Institutionen können bezogen auf grundlegende Innovationen im historischen Entwicklungsprozeß wechselnde Rollen im Einfluß auf Strukturwandel und Wirtschaftswachstum einnehmen. Auf der einen Seite fördern die Institutionen Strukturwandel und Wachstum, indem sie z.B. durch die Schaffung von Markttransparenz den Wettbewerbsdruck zur Einführung eines neuen Produktionsparadigmas erhöhen und damit zur Beschleunigung des sektoralen Strukturwandels beitragen. Auf der anderen Seite können sie durch die Ausschaltung von Wettbewerb den entscheidenden Anstoß für Strukturände-

Ill. Zyklentheorien

45

rungenzur Erschließung neuer Wachstumspotentiale verhindem77 • Im Bezug auf das Auf und Ab der historischen Wirtschaftsentwicklung bleibt aber die Frage, wie es zu einem Wandel der Rolle der Institutionen kommt. Das heißt, wie nach dem Ablauf eines Innovationszyklusses die Institutionen wieder die Offenheit für ein anderes neues Produktionsparadigma fmden, in dem einerseits eine entsprechende Neuausrichtung der Informationsverarbeitungskapazitäten stattfmdet und andererseits die starren wettbewerbsfeindlichen Marktstrukturen aufgebrochen werden. Der Erklärungsansatz im Rahmen der Thesen zur institutionellen Sklerose stellt dabei die Notwendigkeit exogener Einwirkungen zur Überwindung wirtschaftlicher-gesellschaftlicher lnflexibilitäten heraus78 • Die durch bestimmte Produktionsformen geprägte Gesellschaft mit gleichförmiger Orientierung der Institutionen auf bestimmte Produktionsstrukturen kann - so die Annahme - von sich heraus keine Veränderungsimpulse mehr entwickeln. Allenfalls in Zusammenhang mit einschneidenden Anstößen von außen, wie der staatlichen und gesellschaftlichen Neuformierung beispielsweise nach einem Krieg, ließe sich eine Revitalisierung denken. Ansonsten können sich neue Produktionsparadigmen nur in anderen, noch nicht entwickelten Gesellschaften durchsetzen. Für eine Gesellschaft bietet dieser Ansatz daher keine zyklische Erklärung für den Wandel institutioneller Bedingungen. Stärker endogene Entwicklungsverläufe ergeben sich im Zusammenhang mit der Legitimation einer Institution. Ausgangspunkt ist hierbei die Überlegung, daß die Zielsetzung bzw. der Einfluß einer Institution auf lange Frist abhängig ist von ihrem ökonomischen Erfolg. Dahinter steht die Annahme, daß sich die Zielsetzungen der Institutionen aus den gesellschaftlichen Zielen ableiten oder zumindest die Möglichkeit, Gruppeninteressen durchzusetzen, von der entgegengebrachten gesellschaftlichen Akzeptanz bestimmt wird. Die gesellschaftlichen Ziele und Verhaltensweisen wiederum sind in erheblichem Maße von der wirtschaftlichen Situation geprägt. Je stärker die wirtschaftliche Krise beim Ausbleiben durchgreifender neuer Innovationen wird, je größer wird damit die Wahrscheinlichkeit, daß das bestehende institutionelle Geflecht abgelöst bzw. umstrukturiert wird und ein institutioneller Neuaufbau mit neuer Zielsetzung beginnt. Eine Schlüsselrolle bei der endogenen Erklärung veränderter Verhaltensweisen der Institutionen nimmt der Zusammenhang von "wirtschaftlichem Liberalismus" und "wirtschaftliChem Wachstumstempo" ein79 • Wirtschaftlicher Liberalismus ist mit einer Reihe negativer Begleiterscheinungen verbunden. Hierzu 77 78

79

Vgl. Giersch (1987), S. 43- 87, sowie zum Arbeitsmarkt Bruno/Sachs, S. 188 ff. Siehe Kindleberger, S. 407 ff. , Olson, z.B. S. 41. Siehe Kneschaurek, S. 268 ff., auch Glismann/Rodemer!Wolter (1978) oder

Mishan.

46

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

zählt beispielsweise die Zunahme der Einkommensdifferenzierung und der hohe Anpassungdruck auf die Wirtschaftssubjekte. Die gesellschaftliche Akzeptanz hierfür dürfte zurückgehen, je sicherer der Wachstumsprozeß selbst erscheint. Die privaten und staatlichen Institutionen werden verstärkt auf eine ausgeglichenere Einkommensverteilung und eine Verringerung des Anpassungsdrucks hinarbeiten. Umgekehrt, wenn das gesamtwirtschaftliche Wachstum nachläßt oder sogar Schrumpfungstendenzen erkennbar werden, könnten Phasen der wirtschaftlichen Liberalisierung mit einer höheren Akzeptanz ihrer möglichen gesellschaftlichen Differenzierungspotentiale einsetzen. Die Institutionen könnten dann wieder fördernd auf die Umsetzung neuer Technologien und die Erneuerung der sektoralen Wirtschaftsstruktur Einfluß nehmen.

IV. Leitsektoren als Wachstumsträger Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der letzten 100 Jahre in Deutschland ist gekennzeichnet durch längerfristige Wachstumsschübe, die wechseln mit Phasen wirtschaftlicher Stagnation. Die beiden Weltkriege zeichnen sich dabei als besondere Entwicklungsbrüche ab. Inwieweit sich dieses Entwicklungsbild für Deutschland empirisch gesichert in ein noch längerfristiges Wachstumsmuster der langen Wellen einpaßt, muß hier offen bleiben. Aus den hier betrachteten Theorien des Strukturwandels lassen sich eine Vielzahl von Thesen und Argumenten dafür ableiten, daß solche langfristigen Schwankungen im gesamtwirtschaftlichen Wachstum einhergehen mit einschneidenden Veränderungen der sektoralen Wirtschaftsstrukturen. Allerdings wird dabei der sektorale Strukturwandel nicht in allen Erklärungsansätzen als primärer Indikator für den strukturellen Wandel angesehen. Beispielsweise werden in den Thesen zur 2. industriellen Revolution oder den Auswirkungen der neuen internationalen Arbeitsteilung auf wesentliche Veränderungen der Betriebsgrößenstrukturen und Tätigkeits- und Qualifikationsstrukturen verwiesen, die auch innerhalb der Wirtschaftszweige stattfmden. Der sektorale wie auch der betriebsgrößen- und qualifikationsspezifische Strukturwandel wird dabei in allen hier betrachteten Erklärungsansätzen jedoch für sich selbst genommen - nicht als ein Einflußfaktor des gesamtwirtschaftlichen Wachstums angesehen. Als Triebkräfte des gesamtwirtschaftlichen Wachstums gelten mit jeweils unterschiedlicher Ausrichtung vielmehr Veränderungen der Nachfrage und der Produktionstechnologie sowie der Bedingungen für ihre Durchsetzung. Die Befriedigung neuer Nachfrage ebenso wie die Einführung neuer Technologien schlägt sich lediglich in den sektoralen Produktionsstrukturen nieder. In diesem Sinne wird der sektorale Strukturwandel als charakteristisches Merkmal für die Änderung von Nachfrage und Produktionstechnik und ihrer

IV. Leitsektoren als Wachstumsträger

47

Durchsetzung im Wirtschaftsprozeß angesehen. Die sektoralen Strukturveränderungen werden dabei in der Regel im Zusammenhang mit der Ablösung jeweils dominierender Wirtschaftssektoren gesehen. Vor allem Schumpeter80 und Rostow81 stellen den Wechsel solcher prägender Führungs-, Schlüssel- oder Leitsektoren in Zusammenhang mit gesamtwirtschaftlichen Wachstumsschüben heraus. Setzen sich neue Leitsektoren mit überlegener Technik und zusätzlichen Absatzchancen gegen alte Leitsektoren mit stagnierenden Marktpotentialen durch, wird im Zuge der Verbesserung der Produktionstechnik und der Erhöhung der Nachfrage insgesamt das gesamtwirtschaftliche Wachstum stimuliert. Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den einzelnen Erklärungsansätzen nicht nur hinsichtlich der generellen Verbindung von gesamtwirtschaftlichen Wachstumsschwankungen und sektoralen Strukturwandel. Auch in bezug auf die Aussagen zu den Determinanten des sektoralen Strukturwandels stehen die Erklärungsansätze häufig mehr nebeneinander als gegeneinander. So ergänzen sich beispielsweise bei Duijn82 die Überlegungen der verschiedenen Zyklentheorien, wenn er die Durchsetzung neuer Basisinnovationen von der Notwendigkeit von Infrastrukturinvestitionen abhängig macht. In diese Richtung der Integration von verschiedenen Erklärungsansätzen gehen vor allem auch theoretische Überlegungen, die den Zusammenhang von Entwicklungsbedingungen, Strukturwandel und Wirtschaftswachstum als einen evolutionären Entwicklungsprozeß verstehen83 . Aus diesem Blickwinkel finden die Reaktionen und Aktionen der Wirtschaftssubjekte, die die Ausprägung des Strukturwandels und das Wirtschaftswachstum bestimmen, nie in gleichen Konstellationen von Entwicklungsbedingungen statt. Aus diesem Grund müssen jeweils auch andere Einflußgrößen und Wirkungszusammenhänge bei der Bewertung von Strukturwandel und Wachstum berücksichtigt werden.

Allerdings besitzt auch ein evolutionärer Prozeß Moderatoren, die den Fortgang der Dinge steuern, und diese müssen im ökonomischen Prozeß nicht im Sinne z.B. biologischer Mutation rein zufallsbedingt sein. Das Auf und Ab der langfristigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsdynamik weist im Gegenteil auf endogene Entwicklungsprozesse hin. Eine entsprechende Steuerungsfunktion könnte beispielsweise von gesellschaftlichen Institutionen in Verbindung mit ihren Einflüssen auf Informationsbeschaffung und Wettbewerbsintensität im Innovationsprozeß ausgehen. Die Offenheit der Institutionen für grundlegende angebots-und nachfrageseitige Veränderungen ebenso wie ihre Abwehr könnte historische Entwicklungsumbrüche von Sektorstruktur und Wachsturn hervorrufen.

Siehe Schumpeter (1952), S. 344. Siehe Rostow, S. 30. 82 Siehe Duijn, S. 138 ff. 83 Siehe Nelson/Winter, S. 246 ff., Dosi, S. 68 - 98, auch Helmstädter (1981), 9 ff. 80 81

s.

48

B. Sektoraler Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum

Wie groß jedoch die Bedeutung solcher generellen Einflußfaktoren beispielsweise im Gegensatz zu spezifischen Nachfrage- und Angebotsentwicklungen für die Erklärung der konkreten Entwicklung in einer bestimmten Periode ist, kann theoretisch nicht bewertet werden84 • Die Frage, welche Einflußfaktoren hauptsächlich zum Tragen kominen, läßt sich im wesentlichen nur durch empirische Überprüfungen beantworten. Zumeist sind die Thesen und Argumente im Zusammenhang von Entwicklungsbedingung, Strukturwandel und Wachstum allerdings so. komplex, daß sie einer einfachen Quantiftzierung nicht zugänglich sind85 • Insofern kann bei der hier vorgenommenen Betrachtung der Theorien des Strukturwandels im Zusammenhang mit gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozessen kein eindeutiges Erklärungsmuster gewonnen werden, das unmittelbar auch auf die Erklärung regionaler Verschiebungen übertragen werden könnte. Wohl aber zeigen die vorgestellten Erklärungsansätze, daß der sektorale Strukturwandel ein wesentliches Charakteristikum von Wachstumsprozessen ist. In diesem Sinne ergeben sich Anhaltspunkte dafür, daß über die sektoralen Strukturveränderungen auch regionalen Strukturverschiebungen in Verbindung mit gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozessen und Wachstumsfaktoren stehen. Dabei wird hier vor allem an die Vorstellung angeknüpft, daß sich sektoraler Strukturwandel als eine Abfolge unterschiedlicher Führungs-, Schlüssel- bzw. Leitsektoren darstellen läßt (vgl. insbesondere Abschnitt D/1). Darüber hinaus werden die Thesen und Argumente zum strukturellen Wachstumsprozeß bei der Interpretation der regionalen Ergebnisse aufgegriffen (vgl. insbesondere Abschnitt E/IV). Im weiteren geht es allerdings zunächst darum, den sektoralen Strukturwandel in der Gesamtwirtschaft quantitativ abzubilden und diesen Entwicklungen die regionalen Verschiebungen in Deutschland gegenüberzustellen. Bei der Einordnung der sektoralen und regionalen Strukturveränderungen in den wirtschaftshistorischen Entwicklungsprozeß wird eine enge Anlehnung an die langen Wellen der Wirtschaftsentwicklung vorgenommen. Sie werden hier primär als Strukturierungshilfe verwendet. Die Gültigkeit eines bestimmten Erklärungsmusters der Entwicklungsprozesse wird damit perse nicht unterstellt86 •

84 85

86

Siehe Kromphardt (1988), S. 130. Vgl. Krupp, z.B. S. 7. Vgl. auch Vosgerau (1978), S. 485.

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung Auswahl der Indikatoren Die statistische Erfassung sektoraler und regionaler Strukturveränderungen der Wirtschaft im langfristigen Vergleich vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein setzt hohe Ansprüche an die Verfügbarkeit entsprechenden Datenmaterials. Wünschenswert wäre es hierbei, um einen direkten Vergleich mit gesamtwirtschaftlichen Wachstumsschwankungen zu gewährleisten, wenn die sektoralen und regionalen Informationen ebenfalls in Form von Zeitreihen und in real bewerteten Mengeneinheiten aufbereitet werden könnten. Die Aufbereitung sektoral oder regional disaggregierter Wertgrößen ist allerdings mit großen methodischen und erfassungstechnischen Problemen verbunden. Bei der Verwendung preisbereinigter sektoraler Produktionswerte beispielsweise würden bei Langfristvergleichen die tatsächlichen Knappheitsrelationen völlig verzerrt. Bewertet man z.B. das Verhältnis des Maschinenbaus zur Textilindustrie 1925 zu Preisstrukturen von 1970, würde aufgrunddes stärkeren Preisverfalls bei Textilwaren die Bedeutung der Textilindustrie weit unterschätzt. Umgekehrt, wenn man die Preisstrukturen 1925 auf die Verhältnisse 1970 überträgt, würde die Bedeutung der Textilindustrie deutlich überschätzt. Darüber hinaus ergeben sich große erfassungstechnische Probleme bei bewerteten Mengengrößen durch die mehrfachen Währungsschnitte, die eine Preisbereinigung äußerst schwierig machen. Hinzu kommen - wenn man die regionale Dimension berücksichtigt - Probleme der Datenverfügbarkeit. Unterhalb der gesamträumlichen Ebene sind entsprechende strukturelle Angaben nicht oder nur für bestimmte Zeiträume erfaßt. Eine Hilfsgröße für die Einschätzung struktureller Verschiebungen im Langfristvergleich ist der Umfang der Beschäftigung in den jeweiligen Sektoren und Regionen. Durch die Verwendung von Kopfzahlen für die Beschäftigung sind preis- und wertunabhängige direkte Vergleiche in zeitlicher, sektoraler und regionaler Hinsicht möglich. Allerdings sind bei der Verwendung der Beschäftigtenzahl auch erhebliche Einschränkungen der Aussagekraft im Vergleich zu Produktionswerten hinzunehmen. Dies gilt vor allem dann, wenn sektorale und regionale Differenzen in der Entwicklung der Arbeitsproduktivität vorliegen. Gerade davon dürfte aber auszugehen sein. 4 Gomig

50

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Analysen zur Beschäftigungsentwicklung geben deshalb allein auch keine Hinweise auf Unterschiede im Einkommensniveau oder der Einkommensentwicklung. Hinsichtlich der Frage nach der Veränderung der Verteilung wirtschaftlicher Aktivitäten dürfte jedoch innerhalb eines Landes davon auszugehen sein, daß im langfristigen Entwicklungsvergleich eine relativ starke Zu- oder Abnahme der Beschäftigung auch gleichbedeutend mit einem relativen Bedeutungsgewinn oder -verlust des Sektors oder der Region ist. Eine weitere Einschränkung der Aussagekraft ist mit dem Fehlen von Zeitreihen zur Entwicklung der Beschäftigung in den einzelnen Sektoren und Regionen verbunden. Über lange Zeiträume, wie sie hier betrachtet werden sollen, haben eine Vielzahl von Veränderungen der Systematik zur sektoralen Erfassung und der Gebietsabgrenzung stattgefunden. Um in sektoraler und regionaler Hinsicht dennoch eine ausreichende Vergleichbarkeit über die Zeit hinweg zu erreichen, müssen stark disaggregierte Beschäftigungsangaben verwendet werden. Diese aber liegen nur für einzelne, in größeren Abständen durchgeführte Großzählungen vor. Durch die Zufälligkeit der Termine der Großzählungen ergibt sich das Problem, daß bestimmte Entwicklungsunterschiede schon allein auf die jeweilige Stellung der Stichjahre innerhalb der langfristigen Entwicklungsphasen zurückzuführen sein könnten. Darüber hinaus besteht beim Bezug auf Stichjahre die Gefahr, daß spezifische kurzfristige Sondereinflüsse die langfristigen Entwicklungstendenzen verfälschen. Zudem sind mögliche gravierende Entwicklungsbrüche innerhalb der Perioden nicht erkennbar. Im Anschluß an die Beschreibung de~ vorgenommenen sektoralen und regionalen Zuordnungen wird daher versucht, die einzelnen Stichjahre der Großzählungen in den langfristigen Entwicklungsverlauf einzuordnen und auf einige Besonderheiten des jeweiligen Jahres hinzuweisen. Eine weitere Frage bei der Verwendung von Beschäftigtenangaben ist, welche der verschiedenen Teilstatistiken der Großzählungen am besten geeignet ist, den sektoralen und regionalen Strukturwandel abzubilden1, Differenzierung in beiden Dimensionen besitzen: - die Berufszählungen, bei denen die Einwohner nach ihrer Berufstätigkeit befragt werden und - die Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen, die die Anzahl der Beschäftigten in den Betrieben erfaßt.

Die Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen weisen dabei eine deutlich stärkere Differenzierung nach einzelnen Sektoren aus als die Berufszählungen. Sie reicht hinunter bis auf die Ebene einzelner Güterbereiche (Wirtschaftsklassen). 1

Vgl. zur Quellenwahl auch Stockmann/Willms-Herget, S. 162 f., Hohls!Kaelble,

s. 63 ff.

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

51

Darüber hinaus gewährleistet die Erfassungsmethode eine sehr exakte sektorale Zuordnung, da die jeweiligen Betriebe befragt werden. Bei den Berufszählungen ist dagegen nicht auszuschließen, daß die befragten Personen oft Schwierigkeiten haben, den Wirtschaftszweig, in dem sie arbeiten, richtig zuzuordnen. Aufgrund der zentralen Bedeutung einer differenzierten und korrekten Erfassung gerade der sektoralen Beschäftigungsstrukturen schien es für die Zwecke der hier vorzunehmenden Analysen sinnvoll, auf die Angaben der Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen zurückzugreifen. Darüber hinaus konnte durch die Verwendung dieser Statistiken nicht nur die Zahl der Beschäftigten, sondern auch die Zahl der Betriebe für die Sektoren und Regionen erfaßt werden. Die teilweise als Bezugsgröße verwendeten Angaben zur Bevölkerungszahl wurde den Volkszählungen entnommen. Allerdings ergeben sich gewisse Einschränkungen dadurch, daß die Gewerbeund Arbeitsstättenzählungen nicht die Bereiche Landwirtschaft und erst seit 1939 umfassend auch die Beschäftigung bei den Gebietskörperschaften und den Organisationen ohne Erwerbszweck erfassen. Dies scheint insoweit allerdings wenig bedeutend, als zum einen sich die vorliegenden Erklärungsansätze zu den langfristigen Wachstumsschwankungen auf die Entwicklung im produzierenden Gewerbe und die privaten Dienstleistungen konzentrieren. Zum anderen setzen die Analysen hier erst 1895 ein, also zu einem Zeitpunkt, als Deutschland bereits den Übergang vom Agrarstaat zur Industrienation vollzogen hatte2 • Abgrenzung der Sektoren Voraussetzung für die Beobachtung des sektoralen Strukturwandels über lange Zeiträume hinweg ist die Entwicklung einer weitgehend einheitlichen Sektorabgrenzung. Ausgangspunkt hierfür sind Sektorzuordnungen, die das Statistische Bundesamt für Auswertungen der Arbeitsstättenzählungen von 1939 bis 1970 bzw. von 1970 bis 1987 verwendet hat3 • Aufbauend auf diesen Sektorabgrenzungen ist für den genannten Zeitraum auf der Basis der jeweiligen Grundsystematiken ein Zuordnungsschlüssel auf der Ebene von 3- und 4-Stellern der jeweiligen Systematik entwickelt worden, der 24 Wirtschaftszweige im produzierenden Gewerbe und 14 Dienstleistungsarten der Unternehmen unterscheidet (Übersicht C/1). Für die Dienstleistungen, in denen neben Unternehmen auch die Gebietskörperschaften und Organisationen ohne Erwerbszweck tätig sind, mußten jedoch in den Jahren 1939 und 1950 nachträgliche Anpassungen vorgenommen werden. Zur Bestimmung des Teils der Dienstleistungen, der dem Unternehmensbereich 2

3

Siehe Fischer (1985), S. 393, auch Grumbach/Greve, S. 29. Siehe dazu StaBuA (1973), S. 123 ff. , StaBuA (1989), S. 103 ff.

52

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Obersicht C/1 Differenzierung der Wirtschaftszweige im Unternehmensbereich•> mr das Deutsche Reich, die frühere Bundesrepublik und die DDR Lfd.l Nr.

Bezeichnung

I

Nr. der Systematikb)

1

Energiewirtschaft

10

2-3 2 3

Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau

110,111 113-118

4-5 4 5

Chemische Grundstoffe Chemieindustrie 200,201 Kunststoffe, Mineralöl"> 205,210,213, 216,226

6-7 6 7

Mineralische Grundstoffe Steine, Erden 221-223 Feinkeramik, Glas 224,227

Lfd.l Nr.

Bezeichnung

Nr. der Systematikb)

22-23 Nahrungs-, GenuBmittel 28,29 ohne 22 Nahrungsmittel 293-295,299 293-295,299 23 Getränke, Tabak 24

Baugewerbe

30,31

1-24 Produzierendes Gewerbe 25-27 25 26 27

Handel Großhandel Handelsvermittlung Einzelhandel

Metallische Grundstoffe 28-31 Verkehr Eisen und Stahld) 230-232,234, 28 Eisenbahnen 236,237-239 29 Schiffahrt ohne 2395 30 übriger Verkehr NE-Metalle 233 9 31 Nachrichtenobermittlg. 10-13 Maschinen-, Fahrzeugbau 240,241 10 Stahlbau 32-38 Dienstleistungen~> 2395,242 11 Maschinenbau 32 Kreditinstitute 12 Büromaschinen, EDv"> 243 244-248 33 Versicherung 13 Fahrzeugbaufl 34 Beratung 8-9 8

I

40,41 42 43 511 513,514 512,515,516,

55

517

60,655 61,657 78 ohne 7894-7899 7555,76, 35 Medien 7894 14-17 Elektrotechnik, u.s.w. 71,72 36 Gastgewerbe 250,259 14 Elektrotechnik 252 15 Feinmechanik, Optik 37 Reinigung,Körperpflege 731,735,741 254,257,258 651,653,739, 38 Andere Dienste 16 Uhren, Spielwaren 745,75 ohne 256 17 EBM-Waren 7555,77, 7895-7899,79 18-19 Holz-, Papierindustrie 260,261,269 25-38 Dienstleistungssektoren 18 Holzindustrie 264,265,268 19 Papier, Druckereien 20-21 Textil, Bekleidung 20 Textil, Leder 21

Bekleidung

270-272,279, 275 276

1-38 Unternehmen insgesamt

a) Ohne Land- und Forstwirtschaft.- h) Systematilc der Wirtschaftszweige 1979, nach der die Angaben aller Gewerbe-, Arbeitsst!ttcn und BerufszAhlungen 1895 bis 1987 ausgewertet wurden.- c) Teilweise gesonderter Ausweis der Kunststoffindustrie (210) und der Gummiverubeitung (213,216,226).- d) Ab 1939 teilweise gesonderter Ausweis der Bereiche Eisen- und Stahlerzeugung (230-232), Gießereien (234,239) und Ziehcrcien (237-239).- e) Gesonderter Ausweis nur 1970 und 1987 sowie teilweise 1925 und 1939, sonst als Unterbereiche in den Zweigen Maschinenbau und Elektrotechnik enthalten.- t) Teilweise gesonderter Ausweis des Straßenfabrzeug-, (244,245,249), Luftfahrzeug-, (248), Schiff- (246) und Waggonbaus (247).g) FOr die ehemalige DDR keine Abgrenzung zum Staatssektor mOglich.

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

53

zuzuordnen ist, werden die entsprechenden Anteile für die einzelnen Dienstleistungssparten von 1961 auf die Zählungen von 1939 und 1950 übertragen. Damit konnten die sektoralen Strukturen für die Bundesrepublik bis hinein in die Vorkriegszeit abgebildet werden. Für die Zeit vor 1939 lagen vergleichbare Vorarbeiten des Statistischen Bundesamtes nicht vor. Allerdings standen für die Jahre 1895, 1907 und 1925 stark differenzierte Angaben zur Beschäftigung und Anzahl der Betriebe aus den Gewerbezählungen zur Verfügung. Sie weisen noch Angaben auf der Ebene einzelner Wirtschaftsklassen (6-Steller der jeweiligen Systematik) aus. Dadurch war es unter Verwendung der jeweiligen Grundsystematiken möglich, auch für die Zeit vor 1939 eine Zuordnung der Beschäftigten und Betriebe nach der Sektorabgrenzung vorzunehmen, wie sie auch für die frühere Bundesrepublik angewendet wurde. Ergänzende Schätzungen waren lediglich im Bereich der Eisenbahnen notwendig. Diese wurden in den Gewerbezählungen als Teil des Verkehrssektors nicht erfaßt. Allein die Eisenbahnreparaturwerkstätten erschienen im Sektor Fahrzeugbau (Waggonbau). Auf der Basis der entsprechenden Angaben der Gewerbezählung von 1925 mußten daher Rückrechnungen vorgenommen werden. Anhaltspunkte hierfür lieferte der Entwicklungsverlauf der Beschäftigung im Sektor Eisenbahnen von 1895 über 1907 bis 1925, wie er sich aus den Berufszählungen ergab. Proportional wurden entsprechend auch die Angaben im Sektor Fahrzeugbau (Waggonbau) korrigiert. Insgesamt konnten damit die Beschäftigten und Betriebe, beginnend vom Jahr 1895 im Deutschen Reich, bis zum Jahr 1987 in der früheren Bundesrepublik weitgehend einheitlichen Wirtschaftssektoren zugeordnet werden. Mit der Umsetzung dieses einheitlichen Wirtschaftszweigschlüssels war allerdings ein erheblicher statistischer Aufwand verbunden. Er war umso größer, je weiter die Datenaufbereitung in die Vergangenheit zurückreichte. So mußten z.B. aus der Zählung 1895 nahezu 300 Wirtschaftsklassen getrennt aufgenommen werden, um eine vergleichbare Zusammenfassung auf rund 40 verschiedenen Sektoren vorzunehmen. Jedoch konnte damit auch ein weit höherer sektoraler Differenzierungsgrad erreicht werden als bei vergleichbaren wirtschaftshistorischen Analysen4 • In den sektoralen Aufbereitungen war es darüber hinaus möglich, für bestimmte Zeiträume einzelne Bereiche noch differenzierter zu betrachten. Gesonderte Ausweise waren möglich für die Kunststoffmdustrie, die Gummiverarbeitung, die Eisen- und Stahlerzeugung, die Gießereien und die Ziehereien sowie den Straßenfahrzeug-, den Luftfahrzeug-, Schiff- und Waggonbau. Für be-

4

Siehe Marslullt (1987), S. 104 ff., Stockmann, S. 223 ff., Hohls!Kaelble, S. 29 ff.

54

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

stimmte Perioden erhöht sich damit der sektorale Differenzierungsgrad auf 29 Zweige des produzierenden Gewerbes bzw. 43 Sektoren insgesamt. Zur Einschätzung des sektoralen Wandels in der DDR wurden die sektoralen Beschäftigungsangaben der DDR-Statistik aufbereitet. Ziel war es hierbei, sie in der gleichen Abgrenzung und Differenzierung zu erfassen wie für das Deutsche Reich und die frühere Bundesrepublik. Grundlage dieser Arbeiten bildete ein von den statistischen Ämtern der Bundesrepublik und der DDR 1990 vorgelegter interner sektoraler Umsteigeschlüssels auf der Ebene von 5-Stellern der DDRSystemati.J.cS. Damit konnten weitgehend die Angaben der Berufstätigenerhebung in der DDR nach der hier entwickelten Sektorabgrenzung vergleichbar zugeordnet werden. Größere Schwierigkeiten ergaben sich nur für den Bereich übriger Dienstleistungen der Unternehmen. Für das Deutsche Reich und die frühere Bundesrepublik werden hier nur jene Teile zugeordnet, die von privaten Unternehmen erbracht wurden. In der DDR gab es z.B. im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen eine vergleichbare Arbeitsteilung zwischen Gebietskörperschaften, Organisationen ohne Erwerbscharakter und Unternehmen nicht. Außerdem enthalten die DDR-Statistiken keine Angaben zu bestimmten Organisationen wie Parteien und Verbänden. Sie unterlagen der Geheimhaltung im sogenannten XBereich. Die Angaben zu den übrigen Dienstleistungen für die DDR sind daher nicht mit denen für Westdeutschland oder das Deutsche Reich vergleichbar. Darüber hinaus konnten nur für 1970 und 1987 differenzierte sektorale Strukturen ausgewiesen werden. Ausreichend differenzierte Beschäftigungsangaben lagen auch aufgrund einer Änderung in der Systematik für den Zeitraum derfünfzigerund sechziger Jahre nicht vor. Für die Jahre 1950 und 1961 konnten dementsprechend nur Eckwerte für die Beschäftigung und die Anzahl der Betriebe im produzierenden Gewerbe ermittelt werden.

Regionale Abgrenzungen Bei der Datenaufbereitung in regionaler Hinsicht geht es zunächst einmal um die Frage, welche räumliche Abgrenzung für das Gesamtgebiet nach außen gewählt wird. Diese Frage ergibt sich zumindest bei längerfristigen Analysen für Deutschland, da sich die Grenzen des Staatsgebietes im 20. Jahrhundert mehrfach verändert haben. Vor allem die Gebietsabtretungen nach den beiden Weltkriegen fallen hierbei ins Gewicht. In wirtschaftshistorischen Analysen werden teilweise die Änderungen im Gebietsstand nicht berücksichtigt. Vor allem gesamtwirtschaftliche Betrachtungen

5

Zur Anwendung und Weiterentwicklung siehe Görzig! Gornig.

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

55

beziehen sich auf die jeweiligen Grenzen. Ein wesentliches Argument für eine solche Vorgehensweise liegt dabei in der Betonung der Volkswirtschaft als eine Einheit6 • Die Entwicklung einzelner Regionen hängt danach entscheidend davon ab, welche anderen Regionen das Staatsgebiet noch umfaßt, da die Zahl der einbezogenen Regionen die Bedingungen der regionalen Arbeitsteilung in einer Volkswirtschaft festlegt. Kritisch anzumerken ist allerdings, daß ähnliche Argumentationen auch auf die Veränderung der internationalen Arbeitsteilung anzuwenden sind. Das heißt, daß die Stellung einer Region sich dadurch verändert, daß die Volkswirtschaft insgesamt die Wirtschaftsbeziehungen zu anderen Staaten verstärkt oder verringert. Hinzu kommt bei der Verwendung jeweiliger Gebietsstände bei Analysen des Strukturwandels, daß sie direkt auch die strukturelle Zusammensetzung der Wirtschaft beeinflussen. Konzentrieren sich beispielsweise die Verluste durch Gebietsabtretungen auf bestimmte Sektoren oder Regionen, entstehen dadurch sektorale und regionale Strukturbrüche, die nicht primär wirtschaftlicher Natur sind. Letztlich scheint es daher für Analysen des Strukturwandels sinnvoller, eine zeitlich konstante Abgrenzung des Gesamtraumes vorzunehmen7 und das Hinzukommen oder den Verlust von anderen Gebieten in das Staatsgebiet ähnlich wie außenwirtschaftliche Veränderungen als Rahmenbedingung für den strukturellen Wandel im Kerngebiet zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Bestimmung des Kerngebietes, welches über die letzten 100 Jahre betrachtet werden soll, bietet es sich an, sich auf das heutige Bundesgebiet nach der Vereinigung zu beziehen. Damit ergeben sich einerseits Bezüge zur aktuellen Entwicklung und andererseits erfaßt man das Gebiet, auf das sich künftig das wirtschaftspolitische Interesse in Deutschland konzentriert. Die Analysen des sektoralen Strukturwandels im Deutschen Reich 1895 bis 1939 werden entsprechend nur für das Kerngebiet durchgeführt, das der Bundesrepublik in den Grenzen seit Oktober 1990 entspricht. Die räumliche Einschränkung auf dieses Kerngebiet bedeutet, daß insbesondere die ehemalig zum Deutschen Reich gehörenden Ostgebiete jenseits von Oder und Neiße hier nicht betrachtet werden. Flächenmäßig ist damit das Kerngebiet deutlich geringer als das Deutsche Reich vor den beiden Weltkriegen. Konzentriert man sich allerdings wie in dieser Analyse auf die Bereiche des produzierenden Gewerbes und der Dienstleistungen der Unternehmen, repräsentiert das Gebi:et der heutigen Bundesrepublik den wesentlichen Teil der wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland8 • Vor dem 1. Weltkrieg arbeiteten über 80 vH

Siehe Hoffmann (1965), insbesondere S. 3, auch Kuhlo. Vgl. die ähnliche Vorgehensweise bei Grünig und Krengel (1958). 8 Vgl. zur ökonomischen Bedeutung und Struktur der Gebiete östlich der OderNeiße-Linie Gleitze, z.B. S. 4 f. 6

7

56

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

und nach 1918 fast 90 vH der Beschäftigten der genannten Bereiche in diesem Kerngebiet. Dementsprechend dürften die Strukturanalysen für das Kerngebiet wesentlich die Tendenzen erfassen, die auch im Deutschen Reich insgesamt zu beobachten waren. Auf der anderen Seite macht es wenig Sinn, die strukturellen Entwicklungen beider deutscher Staaten .nach dem 2. Weltkrieg als Einheit zu betrachten. Die Entwicklung in der früheren Bundesrepublik und in der DDR unterlagen völlig anderen Bedingungen, sowohl was die binnen- als auch was die außenwirtschaftliehen Wirtschaftsbeziehungen angeht. Die strukturellen Veränderungen werden daher in der Nachkriegszeit für die frühere Bundesrepublik ohne Berlin (West) und die DDR getrennt betrachtet. Zusätzlich wirdbezuggenommen auf die Stellung des jeweiligen Gebiets im Deutschen Reich 1939. Soweit möglich werden auch Quervergleiche der jeweiligen Entwicklungstendenzen vorgenommen. Bei der Darstellung regionaler Verschiebungen innerhalb des Kerngebietes des Deutschen Reichs bzw. der früheren Bundesrepublik und der DDR geht es um die Abbildung großräumiger Verlagerungsprozesse (vgl. Kapitel A). Entsprechend wurde hier ein grobes Regionalraster im Nord-Süd- und West-OstBezug gewählt. Die konkrete Abgrenzung der Regionen erfolgte dabei in Anlehnung an die administrativen Grenzen der Bundesländer, wie sie sich heute darstellen. Es werden fünf Regionen unterschieden, drei innerhalb Westdeutschlands und zwei innerhalb Ostdeutschlands. Sie umfassen nach heutiger Abgrenzung folgende Bundesländer (Abbildung C/1): -Nord-West: Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen - Mitte-West: Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland - Süd-West:

Baden-Wtirttemberg, Bayern

-Nord-Ost:

Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin

- Mitte-Ost:

Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen.

Für die Region Nord-Ost wurden zwei Abgrenzungen gewählt. Im Rahmen der Betrachtungen der Entwicklungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches ( 1895 bis 1939) wurde Großberlin insgesamt herangezogen. Für die Darstellung der Entwicklungsprozesse in der DDR (1939 bis 1987) beziehen sich die Angaben für die Region Nord-Ost nur auf die Werte von Berlin (Ost). Die Analysen für die Regionen der früheren Bundesrepublik werden ohne Berlin (West) durchgeführt. Die Abbildung der fünf Regionen erfolgte für die Bundesrepublik durch Aggregation der Bundesländerwerte. Basis für die regionale Datenerfassung für die DDR waren die Territorialbezirke und für das Deutsche Reich die Bundesstaaten bzw. die preußischen Provinzen. Der Hauptgrund für den Bezug auf diese Verwaltungsgrenzen war, daß für die Erfassung sektoraler Strukturen nach einer

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

Abbildung C/1 Darstellung der fünf Großregionen im heutigen Bundesgebiet ") FOr die Dautellung dor l!ntwicklungen in der DDR ohne Berlin (Wert).

57

58

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

einheitlichen Systematik die Ursprungsdaten in sehr differenzierter Form verfügbar sein mußten. Dies wiederum war nur auf der Ebene von Bundesstaaten und Provinzen bzw. Territorialbezirken und Bundesländern der Fall. Die Aufbereitungen der Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen nach diesen Raumeinheiten stellt eine differenzierte und konsistente Abbildung der sektoralen Strukturen sicher. Um jedoch auch die fünf Regionen einheitlich abzugrenzen, mußten die gewonnenen Angaben nochmals angepaßt werden. Nur geringfügige Allpassungen waren bei der Abgrenzung der Regionen zueinander notwendig. Wesentlich größer war dagegen der Korrekturbedarf hinsichtlich der Außenabgrenzung. Vor dem l. Weltkrieg bezog er sich bei der Region NordWest auf die an Dänemark abgetretenen Gebiete und später bei der Region Mitte West auf die belgiseben Grenzgebiete. Vor allem aber mußten für die Regionen Nord-Ost und Mitte-Ost die Provinz- und Länderwerte um die Gebiete östlich der Oder-Neiße-Grenze bereinigt werden. In allen Fällen wurde dabei so vorgegangen, daß zunächst die entsprechenden Angaben für die aufzuteilenden bzw. abzuziehenden Regierungsbezirke und Kreise gesondert aufgenommen wurden. Da diese jedoch nicht in der Differenzierung wie für die Länder (bzw. preußischen Provinzen) verfügbar waren, wurden in einem zweiten Schritt Korrekturfaktoren auf der sektoralen Ebene von Untergruppen berechnet. Anschließend wurden sie auf die jeweiligen Bereiche von Wirtschaftszweigen der Länderwerte angewendet.

Die Anpassung der Länderwerte an veränderte Abgrenzungen erfolgte allerdings nur dann, wenn ein Kreis flächenmäßig überwiegend seine räumliche Zuordnung veränderte. Unberücksichtigt blieben demnach Veränderungen der Raumabgrenzung unterhalb der Kreisebene. Mengenmäßig dürften diese aber auch angesichts der großen Raumeinheiten keinen Einfluß auf die strukturellen Entwicklungstendenzen der fünf Regionen gehabt haben. Ein besonderes Problem bei der Datenerfassung stellte darüber hinaus das Saarland dar. In den beiden Großzählungen 1925 und 1950 wurde diese Region nicht erfaßt, da das Saarland zu diesen Zeitpunkten nicht zum deutschen Staatsgebiet gehörte. Um diese Datenlücke zu schließen, wurde wie folgt vorgegangen: Zunächst wurden für jeden Sektor auf der Basis der Angaben für die davor und danach liegenden Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen die jahresdurchschnittliche Wachsturnsrate berechnet. Daraus konnte ein Schätzwert für das Saarland 1925 und 1950 ermittelt werden, bei dem eine kontinuierliche Entwicklung unterstellt wurde. Diese Werte wurden dann nochmals angepaßt an den Entwicklungsverlauf, wie er sich aufgrund von anderen Schätzungen für das Saarland auf der Grundlage der Berufszählungen9 ergab.

9

Siehe Hohls/Kaelble, S. 135.

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

59

Einordnung der Stichjahre

Für eine Nutzung der Großzählungen für die Darstellung struktureller Veränderungen zwischen und im Zuge langfristiger Entwicklungsphasen ist es notwendig, die Stichjahre in denen die Großzählungen stattfanden, in den historischen Entwicklungsverlauf einzuordnen. Bei der Einordnung der Stichjahre in den Entwicklungsverlauf wird eine starke Anlehnung an die sogenannten Kondratieffzyklen vorgenommen. Dies scheint insoweit auch unproblematisch, als damit nicht per se ein bestimmtes Erklärungsmuster der Entwicklungsprozesse unterstellt wird, sondern sie vielmehr zunächst nur eine Strukturierungshilfe darstellen10. Einen Überblick über die Einordnung der jeweiligen Stichjahre der Großzählungen in den generellen Entwicklungsprozeß bezogen auf die industrielle Produktion bietet die folgende Abbildung C/2. Die industrielle Produktion wird dabei sowohl für das Deutsche Reich als auch für die Bundesrepublik in den jeweiligen Grenzen erfaßt. Für die durch die jeweiligen Stichjahre bestimmten Perioden lassen sich einige Charakteristika kurz benennen: Deutsches Reich 1895 bis 1907: Die erste hier betrachtete Entwicklungsperiode schließt an eine langanhaltende Phase schwachen Wachstums an. Die deutsche Wirtschaft ist allerdings schon zu Beginn stark durch den fortschreitenden Industrialisierungsprozeß geprägt. Das Jahr 1895 markiert dabei zum einen konjunkturellen Aufschwung, zum anderen aber auch die Einleitung einer langanhaltenden wirtschaftlichen Expansion. Zwischen 1895 und 1907 steigt die industrielle Produktion um fast 75 vH. Die Periode fällt in den frühen Teil der Expansionsphase des 3. sogenannten neomerkantilistischen Kondratieffs. Die Wachstumsdynamik ist bei einer jahresdurchschnittlichen Zuwachsrate von fast 5 vH sehr hoch, wenngleich auch mit erheblichen Schwankungen. Das Jahr 1907 selbst stellt dabei einen konjunkturellen Höhepunkt dar. Deutsches Reich 1907 bis 1925: Die zweite Periode zwischen 1907 und 1925 umfaßt sowohl Teile der Wachstumsphase als auch der Abschwungphase des 3. Kondratieffs. Unterbrochen wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland vom ersten We1tkrieg mit starken Produktionsrückgängen. Auch in der Folgezeit bleibt die wirtschaftliche Situation z.B. in den Jahren der großen Inflation schwierig. Das Jahr 1925 selbst ist allerdings schon wieder durch eine wirtschaftliche Normalisierung geprägt. Die konjunkturelle Situation bleibt aber instabil. Insgesamt liegt die industrielle Produktion 1925 nur etwa 20 vH über dem Wert von 1907. Für die gesamte Pe-

10

Vgl. Vosgerau (1978), S. 485, auch Häußermann, S. 842.

60

C . Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels Deutsches Reich 1928a100 140 120 100

80 60

40 20 0

1885

1890

1895

1900

1905

1910

1915

1920 192S

1930 1935 1940

Bundesrepublik 198()-100 120 100

80 60

40 20 0 1935

1940

1945 1950

1955

1960

196S

1970 1975

1980

1985 1990

1970 1975

1980

1985 1990

DDR 198o-too

140 120 100

80 60

40 20 0 1935

1940

1945 1950

1955

1960

1965

Abbildung C/2 Einordnung der Stichjahre der Gewerbe- und Arbeitsstättenzllhlungen in den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozeß •> a) Index der industriellen Gesamtproduktion

I. Möglichkeiten der statistischen Erfassung

61

riode ergibt sich damit bei einer jahresdurchschnittliehen Zuwachsrate von etwa 1 vH eine nur mäßige wirtschaftliche Dynamik. Deutsches Reich 1925 bis 1939: In die Zeit zwischen den beiden Großzählungen 1925 und 1939 fällt die große Weltwirtschaftskrise. Die Weltwirtschaftskrise markiert dabei das Ende des 3. Kondratieffs und den Übergang zum 4. sogenannten neoklassischen Kondratieffzyklusse~. Das Jahr 1939 ist auf der anderen Seite mit dem Beginn des 2. Weltkriegs auch stark durch die Kriegswirtschaft bestimmt. Im Vergleich zur Krisensituation Anfang der dreißiger Jahre hat sich die wirtschaftliche Lage allerdings schon deutlich verbessert. Die industrielle Produktion dürfte damit sogar deutlich höher gelegen haben als 1925. Schon allein bis 1938 war ein Zuwachs von etwa 45 vH zu verzeichnen. Damit hatte sich gegenüber der Periode 1907 bis 1925 bei einer jahresdurchschnittliehen Wachstumsrate von fast 3 vH das wirtschaftliche Entwicklungstempo deutlich beschleunigt. Bundesrepublik 1939 bis 1950: Die Periode von 1939 bis 1950 fallt in die Expansionsphase des 4. Kondratieffzyklusses. So ist beispielsweise in den USA diese Periode durch hohe wirtschaftliche Wachstumsraten gekennzeichnet. In Europa und vor allem Deutschland ist diese Zeit durch den 2. Weltkrieg und den auch wirtschaftlichen Zusammenbruch nach 1945 geprägt. Zwei Jahre nach der Währungsreform in Westdeutschland lag die industrielle Produktion noch deutlich unter Vorkriegsniveau. Gegenüber 1938 beträgt der Rückgang auf dem Gebiet der Bundesrepublik knapp 10 vH. Auf der anderen Seite ist die konjunkturelle Situation 1950 aber durch den beginnenden Wirtschaftsaufschwung bestimmt. Gegenüber dem Vorjahr lag die industrielle Produktion schon um fast 114 höher. Bundesrepublik 1950 bis 1961: Auch der Zeitraum 1950 bis 1961 ist noch der Wachstumsphase des 4. Kondratieffs ~echnen. In dieser Periode fallt er aber in der Bundesrepublik auch zusammen mit der Wiederaufbauphase, also der Phase, die häufig mit dem Begriff des "Wirtschaftswunders" in Verbindung gebracht wird. Die wirtschaftliche Dynamik in dieser Zeit ist extrem hoch. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate liegt bei über 9 vH. Insgesamt lag damit 1961 die industrielle Produktion um 160 vH höher als 1950. Bundesrepublik 1961 bis 1970: Die Periode zwischen 1961 und 1970 fallt in wesentlichen Teilen in die Abschwungphase des 4. Kondratieffzyklus. Ein markantes Signal für das Ende kontinuierlich hoher Wachstumsraten ist die, zwar nur kurze, Rezession von 1966/67. Im Jahr 1970 selbst ist die konjunkturelle Situation äußerst günstig. Entsprechend liegt die industrielle Produktion 1970 immerhin fast 60 vH höher als 1961. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate zwischen beiden Jahren erreicht noch über 5 vH.

62

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Bundesrepublik 1970 bis 1987: Die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Phase ist geprägt durch die Abfolge mehrerer, teils schwerer Rezessionen. Auch das Jahr 1987 ist durch eine schwierige konjunkturelle Situation bestimmt. Insgesamt nimmt von 1970 bis 1987 die industrielle Produktion nur noch um rund 25 vH zu. Die wirtschaftliche Entwicklungsdynamik geht im Vergleich zu den vorherigen Perioden stark zurück. Die jahresdurchschnittliche Zuwachsrate liegt bei lediglich 1,5 vH. Der Zeitraum 1970 bis 1987 fällt in die Schrumpfungsphase des 4. Kondratieffzyklusses. Möglicherweise zeigen sich in dieser Periode aber auch Anzeichen für den Beginn einerneuen langanhaltenden Wachstumsphase. DDR 1939 bis 1970: Die wirtschaftliche Entwicklung in der DDR fand unter völlig anderen institutionell-politischen Rahmenbedingungen als in Westdeutschland statt. Entsprechend sind die längerfristigen Entwicklungstrends der Wirtschaft kaum vergleichbar. Die Entwicklungstrends können dabei auch nicht direkt wie für die alte Bundesrepublik im Anschluß und im Zusammenhang mit der Entwicklung im Deutschen Reich betrachtet werden. Ähnlich wie in Westdeutschland ist aber in der DDR die Nachkriegszeit durch eine hohe wirtschaftliche Dynamik gekennzeichnet. Die Angaben zur industriellen Produktion der DDR-Statistik weisen dabei zwischen 1950 und 1970 ein Gesamtzuwachs von etwa 400 vH aus. Dies entspricht einer jahresdurchschnittliehen Wachstumsrate von 8,5 vH. Der Vergleichswert für die frühere Bundesrepublik beträgt rund 7,5 vH. DDR 1970 bis 1987: Anders als in der alten Bundesrepublik bleibt das Wachstumstempo in der DDR nach den Angaben im Statistischen Jahrbuch der DDR auch in den siebzigerund achtziger Jahren hoch. Danach betrug gegenüber 1970 der Zuwachs der industriellen Produktion bis 1987 immerhin noch knapp 120 vH. Die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate lag mit etwa 5 vH deutlich niedriger als im Zeitraum von 1950 bis 1970. Deutlich verstärkt hat sich offensichtlich der Wachstumsrückgang zum Ende der achtziger Jahre, also etwa in einer Periode in der auch in der früheren Bundesrepublik die Wirtschaftsdynamik in der Endphase des 4. Kondratieffzyklusses gering war.

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen 1. Veränderungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches Die sektoralen Strukturveränderungen des Gesamtzeitraums 1895 bis 1939 werden entsprechend den Überlegungen zu den langfristigen Entwicklungsphasen differenziert nach zwei Perioden betrachtet. Die erste Periode 1895 bis 1925

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

63

fällt im wesentlichen in die Phase des 3. Kondratieffzyklusses, während die Entwicklung 1925 bis 1939 schon weitgehend dem 4. Kondratieffzyklus zugerechnet werden kann. Bei der Darstellung des sektoralen Strukturwandels soll vor allem gefragt werden, welche Wirtschaftsbereiche in diesen Perioden in Deutschland besonders dominieren und ob mit dem Wechsel zwischen den Kondratieffzyklen auch Umbrüche in den sektoralen Strukturen beobachtet werden können. Darüber hinaus scheint es angebracht, die Wirtschaftsstruktur im Jahr 1895 etwas näher zu betrachten, da es für diese Analyse quasi den Startpunkt bildet. Im Vordergrund stehen dabei aufgrund der dominierenden Rolle der Industrialisierung für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung die Strukturen des produzierenden Gewerbes 11 •

Ausgangssituation 1895 Das produzierende Gewerbe im Kerngebiet des Deutschen Reiches im Jahr 1895 ist insbesondere gekennzeichnet durch die dominierende Rolle des Wirtschaftsbereichs Textil und Bekleidung. Über 30 vH der industriellen Beschäftigung entfallt auf diesen Bereich. Damit steht also der Industriebereich in Deutschland 1895 noch im Vordergrund, dessen Bedeutung und Dominanz vor allem für die frühe Industrialisierung im ersten Kondratieff angenommen wird (Tabelle C/1). Weitere große Bereiche des produzierenden Gewerbes 1895 sind neben dem Baugewerbe (14,5 vH) ebenfalls verbrauchsgüterorientierte Bereiche wie das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe mit etwa 13 vH und die Holz- und Papierindustrie mit 11 vH Anteil an der Gesamtbeschäftigung des produzierenden Gewerbes. Der Montanbereich aus Bergbau und Metallerzeugung, dem eine zentrale Schlüsselrolle in der industriellen Entwicklung des 2. Kondratieffs beigemessen wird, erreicht dagegen zusammen nicht einmal einen Beschäftigungsanteil von 10 vH. Auch die metallverarbeitenden Industrien der EBMWaren (5, 1 vH) und der Maschinenbau (3,5 vH) erreichen nur vergleichsweise geringe Anteile an der Gesamtbeschäftigung. Im Vergleich zum produzierenden Gewerbe ist die Bedeutung privater Dienstleistungen gering. Thr Beschäftigungsanteil an allen Unternehmen außerhalb der Landwirtschaft beträgt 1895 nur etwa 25 vH. Noch am größten ist dabei das Gewicht des Handels, in dem fast 50 vH der Dienstleistungsbeschäftigten tätig waren. Insgesamt weist dabei die hier vorgenommene Auswertung der Gewerbezählung auf der einen Seite darauf hin, daß 1895 Deutschland bereits stark industrialisiert war. Immerhin arbeiteten zu dieser Zeit etwa 160 von 1 000 Einwohnern im produzierenden Gewerbe. Die Struktur des produzierenden Gewerbes zeigt auf der anderen Seite aber auch, daß Deutschland offensichtlich im

11

So auch z.B. Görgens (1975) .

64

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels Tabelle C/1 Sektorale Beschäftigungsstruktur im Kerngebiet des Deutschen Reiches•>

18951190711925 11939 1895119071192511939 in 1000 Personen 61 132 229 507 704 631 418 624 545 89 80 86 228 485 578 196 404 456 32 122 81 608 586 559 476 391 393 133 196 166 452 669 819 382 579 677 70 89 142 605 1154 1757 60 92 103 409 779 990 136 283 664 734 1331 1633 137 433 647 45 91 161 171 128 98 455 636 697 1000 1361 1243 625 848 739 375 513 504 2119 2473 2289 1376 1607 1485 743 867 803 1003 1215 1370 559 681 875 1096 255 323 340 274 902 1330 1426 2016

in vH des Produzierenden Gewerbes

Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe

19 307 232 75 142 127 15 439 352 87 278 236 42 292 12 216 64 443 34 25 68 316 687 540 146 1906 1243 663 814

0,3 4,9 3,7 1,2 2,3 2,0 0,2 7,1 5,7 1,4 4,5 3,8 0,7 4,7 0,2 3,5 1,0 7,1 0,5 0,4 1,1 5,1 11,0 8,7 2,3 30,6 20,0 10,6 13,1 9,0 4,1 14,5

0,7 5,9 4,8 1,0 2,6 2,3 0,4 7,0

Produzierendes Gewerbe

6228 8649 11550 13151 100,0 100,0 100,0 100,0

nachrichtlich: Dienstleistungssektorb>

2181 3463 5463 6356 35,0 40,0 47,3 48,3

5,5

1,5 5,2 4,4 0,8 7,0 0,7 4,7 1,6 8,5 1,6 0,5 I, 1 5,3 11,6 7,2 4,3 24,5 15,9 8,6 11,6 7,9 3,7 15,4

1,1 1,7 6,1 4,8 5,4 4,1 0,7 0,7 4,2 4,4 3,5 3,5 0,7 0,9 5,1 4,2 3,4 3,0 1,7 1,3 5,8 6,2 5,0 5,1 0,8 1,1 10,0 13,4 0,8 0,8 6,7 7,5 2,4 5,1 11,5 12,4 3,7 4,9 1,2 0,8 1,5 1,0 5,5 5,3 11,8 9,4 7,3 5,6 4,4 3,8 21,4 17,4 13,9 11,3 7,5 6,1 10,5 10,4 7,6 8,3 2,9 2,1 12,3 15,3

a) In den Grenzen der heutigen Bundesrepublik.- b) Dienstleistungen von Unternehmen. QueUen: Jeweilige Gcwcrl!o- und ArbcitsstJittcnzahlung; Eigene SchAlzungen und Bercchmmgen.

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

65

Industrialisierungsprozeß und insbesondere der technologischen Entwicklung im Vergleich zu anderen Staaten zu diesem Zeitpunkt noch weit zurückliegt12 •

Entwicklungen 1895 bis 1925 In den folgenden 30 Jahren bis 1925 allerdings kam es nicht nur fast zu einer Verdopplung der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe ( + 85 vH), sondern auch zu erheblichen strukturellen Veränderungen aufgrundder sehr unterschiedlichen Entwicklungsdynamik in den einzelnen Industriebranchen (Tabelle C/2). Die höchsten Zuwachsraten bezogen auf 1895 erzielten dabei die Elektrotechnik (etwa 1 200 vH), der Stahlbau (fast 700 vH) und die Energiewirtschaft (etwa 600 vH). Daneben entstanden Wirtschaftszweige wie der Straßenfahrzeugund Luftfahrzeugbau, die es so 1895 noch nicht gab. Gerade diese Beispiele machen aber auch deutlich, daß hohe relative Zuwächse in einer Branche nicht unbedingt bedeuten, daß diese auch prägend für die Beschäftigungsentwicklung insgesamt sind. Der absolute Beitrag z.B. des Stahlbaus ist mit 80 000 Beschäftigten bei einem Gesamtbeschäftigungszuwachs im produzierenden Gewerbe von über 5 Mill. Personen verschwindend gering. Betrachtet man die absoluten Beschäftigungszuwächse der Branchen, ergibt sich ein anderes Bild der strukturellen Veränderung im produzierenden Gewerbe zwischen 1895 und 1925. Hervor tritt dann zum einen der Aufstieg des Maschinenbaus mit einem Beschäftigungszuwachs von weit über 112 Mio. Personen und zum anderen der Montanbereich mit einem Zuwachs von zusammen fast 800 000 Beschäftigten. Darüberhinaus erreichten auch die 1895 wenig bedeutenden Industriezweige Chemie und Elektrotechnik mit knapp 350 000 bzw. 400 000 Personen sehr hohe absolute Beschäftigungszuwächse. Hohe Beiträge zum starken Beschäftigungsanstieg im produzierenden Gewerbe zwischen 1895 und 1925 kamen aber auch von den traditionell großen Wirtschaftsbereichen. Obwohl die Bereiche Textil und Bekleidung, Nahrungs- und Genußmittel und die Bauwirtschaft deutlich unterdurchschnittliche Zuwachsraten erzielen konnten, machten ihre Zunahmen mit zusammen etwa 1,5 Mio. Personen fast 30 vH des Beschäftigungsanstiegs im produzierenden Gewerbe insgesamt aus: Es spricht demnach einiges dafür, daß die Gesamtentwicklung im Zeitraum 1895 bis 1925 nicht nur im Zusammenhang mit dem 3. Kondratieff zu sehen ist, sondern in Deutschland auch Nachholprozesse aus früheren Entwicklungsphasen der Industrialisierung wirksam wurden. Dies gilt vor allem für die zunehmend

12

Vgl. Borclulrdt (1971), z.B. S. 136, auch Rodkau.

s Gomig

66

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels Tabelle C/2 Verlnderung der sektoralen Beschllftigungsstruktur im Kerngebiet des Deutschen Reiches•>

1907/ 11925/ 11939/ 1907/ 11925/ 11939/ 1895 1907 1925 1895 1907 1925 BeschäftigungsverAnteilsveränderung änderung in vH in vH-Punkten Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik. Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik. Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe

227,4 64,9 79,9 18,3 60,3 54,4 109,3 38,6 35,0 53,0 62,8 61,7 68,8 107,3 414,4 88,9 113,2 65,9 308,0 81,6 43,8 43,8 45,7 15,7 156,3 11,2 10,7 12,1 23,2 21,7 26,5 47,5

115,5 38,9 49,2 -9,9 112,8 106,0 154,3 -3,6 -17,9 47,5 48,0 51,7 27,5 90,7 53,3 90,5 107,7 81,2 216,3 104,5 73,9 39,9 36,0 35,6 36,7 16,7 16,8 16,6 21,1 28,6 5,2 7,2

73,2 -10,3 -12,7 7,8 19,2 12,9 50,6 -4,7 0,6 -15,3 22,4 16,8 58,8 52,3 11,7 27,1 134,8 22,7 49,6 77,0 -25,4 9,6 -8,7 -12,8 -1 ,8 -7,5 -7,5 -7,3 12,8 25,3 -19,3 41,4

0,4 0,9 1,1 -0,2 0,4 0,2 0,1 0,0 -0,2 0,1 0,8 0,6 0,1 2,3 0,5 1,3 0,5 1,4 1,0 0,1 0,0 0,2 0,5 -1,4 2,0 -6,1 -4,0 -2,0 -1,5 -1,1 -0,4 0,9

0,4 0,2 0,6 -0,3 1,6 1,2 0,3 -2,0 -2,1 0,2 0,6 0,6 0,0 3,0 0,1 2,0 0,9 3,0 2,2 0,3 0,3 0,2 0,2 0,1 0,1 -3,1 -2,0 -1, l -1,1 -0,3 -0,8 -3,0

0,6 -1,3 -1,3 0,0 0,2 0,0 0,2 -0,8 -0,4 -0,4 0,4 0,1 0,3 3,4 0,0 0,8 2,6 0,9 1,2 0,4 -0,5 -0,2 -2,3 -1,7 -0,6 -4,0 -2,6 -1,4 -0,1 0,8 -0,9 3,0

Produzierendes Gewerbe

38,9

33,5

13,9

0,0

0,0

0,0

nachrichtlich: Dienstleistungssektorbl

58,8

57,7

16,3

5,0

7,3

1,0

a) In den Grenzen der heutigen Bundesrepublik.- b) Dienstleistungen von Unternehmen. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und Arlleitsstattenzahlung; Eigene SchalZungen und Bere

1895119071192511939 1895119071192511939 Anzahl der Betriebe in 1000 Energiewirtschart Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe Produzierendes Gewerbe

16 272 841 43 51 50 52 19 15 32 30 36 15 31 49 47 15 9 22 12

36 145 26 10 30 79 199 167 32 579 256 322 269 237 32 220

20 61 276 18 9 8 36 10 9 23 11 12 7 31 49 31 31 3 26 4 3 3 3 2 8 2 3 2 3 3 6 4

14 116 403 27 15 14 57 14 12 27 17 19 9 31 54 40 17 6 36 9 4 4 3 12 3 4 2 3 3 6 6

7 6 4 21 4 5 2 5 4 8 7

28 563 996 151 50 50 49 19 17 25 38 49 18 36 39 92 19 11 25 17 4 9 6 4 16 4 6 2 5 5 9 9

1831 1739 1615 1534

3

5

7

9

1 5 1 4 16 15 0 43 40 4 26 20 6 9 0 7 2 128 1 7 24 95 273 253 19 863 441 422 254 210 45 213

4 4 1 3 15 14 1 43 38

Betriebsgrößeb)

5

27 20 8 19 1 10 8 123 4

5

25 89 226 195 31 760 363 397 296 241 54 221

8 3 1 2 10 8 2 32 26 6 22 16 6 37 2 17 19 151 20 8 34 89 220 195 25 654 295 359 260 218 42 219

8 1 I 1 12 9 2 30 24 7 ll 14 8 49 3

11

5

5

a) In den Grenzen der heutigen Bundcsrepublik.- b) Beschaftigte je Betrieb im Durchschnitt. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und ArbcitssUlttcnzAhlung; Eigene Scbatzungcn und Berechnungen.

73

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

genvon Marktformen und Wettbewerbsintensitäten im Entwicklungsprozeß von Branchen sein20 • Aus der Veränderung der Anzahl der Betriebe und der Entwicklung der durchschnittlichen Betriebsgröße läßt sich folgendes einfache Typenraster konstruieren:

Durchschnittliche Betriebsgröße

Anzahl der Betriebe

steigt

sinkt

steigt

Expansion

Orientierung

sinkt

Konzentration

Schrumpfung

Standardtyp der Industrialisierung ist dabei im Zusammenhang mit der Nutzung von Großbetriebsvorteilen das Entwicklungsmuster "Konzentration". In allen Perioden zwischen 1895 und 1939 ist die Entwicklung im produzierenden Gewerbe insgesamt durch den Anstieg der durchschnittlichen Betriebsgröße und der Abnahme der Anzahl der Betriebe gekennzeichnet. Beim Entwicklungstyp "Expansion" nimmt die durchschnittliche Betriebsgröße ebenfalls zu. Gleichzeitig hält jedoch der Zustrom neuer Betriebe an. Es kommt offensichtlich noch nicht zu einem stärkeren Selektionsprozeß bei dem eine Reihe von Betrieben wieder aus dem Markt ausscheiden. Dieser Entwicklungstyp dürfte daher charakteristisch für junge, stark wachsende Branchenmärkte sein. Die Kombination einer abnehmenden Anzahl von Betrieben und einer sinkenden durchschnittlichen Betriebsgröße dürfte dagegen typisch für Branchen sein, die sich auf dem Rückzug befmden. Im Typ "Schrumpfung" bleiben Impulse durch einen Zustrom neuer Betriebe vermutlich aus, und in der Summe gelingt es den verbleibenden Betrieben nicht, durch Konzentration noch Zuwächse im insgesamt rückläufigen Markt zu realisieren. Hinw~ise auf eine neue Ausrichtung der Branchen ergeben sich allerdings im Entwicklungstyp "Orientierung". Der starke Zustrom neuer Betriebe in einer Branche ist dabei das zentrale Indiz für eine Einführung neuer Ideen, neuer Produkte oder Produktionsweisen in diesen Bereich. Gleichzeitig dürfte dies dann auch auf neue Wachsturnsfelder hinweisen. Zunächst reichen die W achsturns-

20

Vgl. hierzu die Ausführungen im Abschnitt B/11.

74

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

impulsejedoch nicht aus, auch im Durchschnitt der Betriebe ein Wachstum der Beschäftigung einzuleiten. Die durchschnittliche Betriebsgröße geht zurück. Diese Neuorientierung oder Neuformierung der Branche kann dabei insgesamt vor dem Hintergrund eines stagnierenden oder auch bereits schon wachsenden Gesamtmarktes stattfmden. Der Versuch aus diesen relativ einfachen Indikatoren Veränderung der Anzahl der Betriebe und der durchschnittlichen Betriebsgröße eine Einschätzung zum Zustand der Branchen zu gewinnen, kann sicherlich nur vage Hinweise auf den Zustand der Branchen geben. Dies gilt schon deshalb, weil die hier vorgenommene Interpretation nicht zwangsweise auf die verwendeten Indikatoren zurückgeführt werden kann. So können beispielsweise Konzentrationsprozesse in einer Branche auch stattfmden, ohne daß die Zahl der Betriebe abnimmt, in dem· es zu Verschiebungen zu höheren Betriebsgrößen kommt. Umgekehrt kann natürlich ein durchgreifender intrasektoraler Umstrukturierungsprozeß sich auch vollziehen, ohne daß sich netto die Zahl der Betriebe ändert. Die Unterscheidung und Defmition der Entwicklungstypen soll hier lediglich dazu dienen, zumindest eine grobe Vorstellung über mögliche intrasektorale Veränderungen im Vergleich unterschiedlicher Entwicklungsphasen zu gewin~ nen. Zu diesem Zweck sind anhand der jeweiligen Entwicklung der Anzahl der Betriebe und der durchschnittlichen Betriebsgröße die entsprechenden Zuordnungen der Branchenentwicklungen in den einzelnen Perioden 1895 bis 1907, 1907 bis 1925 und 1925 bis 1939 vorgenommen worden. Diese sind für das produzierende Gewerbe in der folgenden Übersicht C/2 dargestellt. Betrachtet man die Struktur der Typeneinteilung in den jeweiligen Perioden, fällt auf, daß offensichtlich der Übergang zum klassischen Entwicklungsmuster der Industrialisierung in Deutschland erst relativ spät einsetzte. Noch in der Periode zwischen 1895 und 1907 dominiert im Branchenbild nicht der Typ Konzentration, sondern der Typ Expansion. Mehr als die Hälfte der Branchen weisen eine Zunahme der Anzahl der Betriebe und der durchschnittlichen Betriebsgröße auf. Nur die großen, älteren Branchen wie die Textilindustrie befmden sich im betrieblichen Konzentrationsprozeß. Dieses Bild dürfte Ausdruck des Nachholprozesses Deutschlands im Industrialisierungsprozeß sein. Zum vorherrschenden intrasektoralen Entwicklungsmuster wird der Typ Konzentration allerdings in der Periode 1907 bis 1925. Fast zwei Drittel der Branchen weisen eine zunehmende durchschnittliche Betriebsgröße bei abnehmender Anzahl der Betriebe auf. Auch im Zeitraum zwischen 1925 und 1939 bleibt der Typ Konzentration im Branchenbild dominierend. Allerdings weiten sich die Konzentrationsprozesse nicht auf immer mehr Branchen aus. Im Gegenteil: Die Anzahl der Branchen, die diesem Typ zugeordnet werden können, nimmt sogar leicht ab. Auch in der Summe des produzierenden Gewerbes ist eine deutliche Verlangsamung beim Wachsturn der durchschnittlichen Betriebs-

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

75

Obersicht C/2

Entwicldungstypen•> der Wirtschaftszweige im Kerngebiet des Deutschen Reiches 1895-1907 1 1907-1925 1 1925-1939 Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Beldeidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getranke, Tabak Baugewerbe Produzierendes Gewerbe

II

I

III

I III

III III

III III

III I

III II

II II

III I

III I

III II

III I

III III

III I

I I II

II I II

II III I

I III I III

II I I III

I I IV III

III I

III III

III II

III III

III III

III III

I I I

III III III

I III I

III

III

III

a) I= Expansion.- ß = Orientienmg.- ill =Konzentration.- IV = Schrwnpfung.

76

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

größe festzustellen. Sie nimmt bei einem Zuwachs von etwa 20 vH nicht einmal halb so schnell zu wie von 1895 bis 1907 und von 1907 bis 1925. An Bedeutung gewinnt in der Periode 1925 bis 1939 hingegen der Entwicklungstyp Orientierung. Immerhin 5 der 23 Branchen weisen eine Kombination abnehmender durchschnittlicher Betriebsgröße bei zunehmender Anzahl der Betriebe auf. Orientierungsphasen sind dabei nicht nur in noch kleinen und jungen Branchen zu beobachten, sondern treten auch bei schon etablierten Wirtschaftszweigen auf wie der Chemieindustrie oder den Bereichen Feinkeramik, Glas und Papier, Druckereien. Die Abschwächung der Konzentrationsprozesse in den Branchen und das Eintreten wichtiger Branchen in eine Neuorientierungsphase können Hinweis darauf sein, daß sich die Periode zwischen 1925 und 1939 durch erhebliche strukturelle Umbrüche innerhalb der Sektoren auszeichnet. Generell ergeben sich allerdings im Vergleich der Entwicklungen 1925 bis 1939 und 1907 bis 1925 nicht mehr Typenwechsel als im Vergleich der beiden Vorperioden untereinander. Jeweils in knapp der Hälfte der Branchen ändert sich die Zuordnung zu den vier Entwicklungstypen. Führt man die einzelnen Überlegungen zum sektoralen und intrasektoralen Strukturwandel im produzierenden Gewerbe zusammen, spricht insgesamt jedoch vieles dafür, daß der Umbruch zwischen 3. und 4. Kondratieff, in den auch die Weltwirtschaftskrise f

1950/ 119611 1970/ 1987/ 1950/ 19611 1970/ 1987/ 1939 1950 1961 1970 1939 1950 1961 1970 Beschäftigungsveränderung in vH Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDV Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe Produzierendes Gewerbe nachrichtlich: Dienstleistungssektorb>

Anteilsveränderung in vH-Punkten

1,4 3,2 3,3 0,3 0,1 -0,4 -1,6 -2,1 0,5 -4,5 -3,1 -1,4 -1,9 -1,6 -0,3 ...,,9

0,1 -2,3 -2,0 -0,3 1,5 0,6 0,8 ...,,5 -0,4 -0,1 -0,5 -0,6 0,1 3,5 0,3 0,7 0,7 1,7 1,9 1,5 0,2 -0,1 0,3 ...,,2 -0,6 0,4 -2,6 -1,8 -0,8 ...,,7 -0,4 -0,3 -0,2

0,5. ...,,6 -0,5 -0,1 1,4 0,5 0,9 ...,,9 -0,6 -0,2 -1,2 -1,3 0,1 3,5 -0,6 0,8 0,2 3,2 1,0 1,1 0,5 0,0 -0,7 ...,,5 -0,3 -0,2 -3,9 -2,6 -1,3 ...,,1 0,3 -0,5 0,8

0,0

0,0

0,0

0,0

3,1

7,3

4,6 41,8

...,,1 1,1 1,0 0,1 0,0 -0,2 0,2 0,2 -0,1 0,3 -1,5 -1,0 -0,5 -0,8 0,3 -0,8

...,,2 -2,9 -2,8 -0,1 1,9 1,0 0,9 ...,,2 -0,4 0,2 1,7 0,6 1,1 5,5 0,9 3,2

11,1 9,4 17,7 29,6

30,0 15,1 22,9 14,3 -11,7 8,2 -1,6 -12,3 12,6 -21,3 -24,0 -16,9 -8,1 -6,0 -15,8 -0,7

9,0 -37,6 -36,4 -44,3 -2,1 -9,2 9,6 -35,5 -38,3 -30,8 -31,1 -38,0 -13,4 -3,0 -40,1 -10,5 5,3 17,4 -11,6 -5,8 14,6 -18,0 -32,3 -22,4 -22,9 -21,8 -50,3 -55,3 -43,3 -18,5 -12,6 -42,5 -13,0

-0,3 -1,1 0,2 0,1 0,1 -1,5 0,8 0,8 -0,1 1,3 0,5 0,8 ...,,9 -0,5 -0,4 1,1

8,2

36,8

0,3

-17,1

15,1

56,0

8,0

37,0

2,0 23,8 26,4 -16,5 27,6 -20,3 17,2 15,7 8,5 96,6 2,2 82,1 28,2 133,4 13,8 29,8 18,1 5,4 40,9 58,1 -13,6 74,7 -9,2 51,3 -35,1 238,0 1,2 100,4 45,4 140,8 -4,1 107,8

7,8 -49,4 -49,9 -46,0 24,3 16,0 40,7 -11,3 -13,9 -6,7 -6,1 -10,6 8,2 20,7 16,5 8,1

2,0 -2,7 15,4 26,5 14,9 -21,2 17,4 23,0 6,5 17,0 13,2 24,1 -1,0 1,6 -10,0 15,3

80,1 82,5 163,4 74,5 44,4 21,6 15,0 -5,1 60,1 0,2 -3,0

5,5

a) ohne Bcrlin (West).- b) DiCDStleistungen von Unternehmen. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und Arbeitsstattenzablung; Eigene Schalzungen und Berecbnungen.

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

81

Fahrzeugbau. Ihr Beschäftigtenanteil betrug 1970 zusammen etwa 32 vH. Gegenüber 1939 hatten sie damit ihren Anteil an der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe fast verdoppelt. Im Deutschen Reich 1895 zählten sie bei einem Anteil von insgesamt 6 vH dagegen noch zu den unbedeutenden Wirtschaftszweigen. Alle anderen großen Produktionsbereiche außerhalb der chemischen Grundstoffe, der Elektroteclmik, Feinmechanik usw. und des Maschinen- und Fahrzeugbau~ verloren dagegen an Bedeutung. Am stärksten traf dies das Textil- und Bekleidungsgewerbe. 1970 waren hier nicht einmal mehr 10 vH der Beschäftigten des produzierenden Gewerbes tätig. Der Anteilsverlust war dabei aber eher kleiner als vor dem zweiten Weltkrieg. 1895 prägte dieser Bereich mit einen Beschäftigtenanteil von etwa 30 vH noch die Industriestruktur. 1939 lag der entsprechende Anteil in Westdeutschland schon nur noch bei 15 vH. Die Veränderung der sektoralen Beschäftigungsstrukturen im produzierenden Gewerbe zeigt insgesamt ein Muster, das dem erwarteten Entwicklungsverlauf in der Wachstumsphase des 4 . Kondratieffzyklusses entspricht. Vor allem der Aufstieg des Fahrzeugbaus und der Elektroteclmik weist in diese Richtung. Allerdings zeigt insbesondere die günstige Beschäftigungsentwicklung im Baugewerbe und in vom Baugewerbe abhängigen Bereichen (z.B. Stahlbau und Feinkeramik, Glas), daß daneben der Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg seine Spuren auch deutlich in den sektoralen Beschäftigungsstrukturen hinterläßt Neben dem sektoralen Wandel der Beschäftigungsstrukturen im produzierenden Gewerbe war die Entwicklung von 1939 bis 1970 durch einen ausgeprägten Tertiärisierungsprozeß geprägt. Gegenüber 1939 nahm die Beschäftigung im Dienstleistungssektor der Unternehmen fast doppelt so schnell zu wie im produzierenden Gewerbe. Die höchsten Zuwachsraten erzielten dabei der Handel und das Banken- und Versicherungsgewerbe. Der Dienstleistungssektor insgesamt erreichte dabei auch im absoluten Zuwachs an Beschäftigung fast das produzierende Gewerbe. Ähnlich wie in den Perioden vor dem 2. Weltkrieg bleiben aber Entwicklung von Dienstleistungssektor und produzierendem Gewerbe eng miteinander verbunden. In den einzelnen Perioden nahm jeweils der Beschäftigungszuwachs in den Dienstleistungen zu (ab), wenn auch die Entwicklungsdynamik im industriellen Bereich anstieg (abfiel) und umgekehrt. Lag zwischen 1939 und 1950 der Beschäftigungsgewinn des produzierenden Gewerbes bei 8 vH, betrug der Zuwachs im Dienstleistungssektor der Unternehmen 15 vH. Von 1950 bis 1961 waren es 37 vH bzw. 56 vH. Zwischen 1961 und 1970 stagnierte die Beschäftigung im industriellen Bereich, im Dienstleistungsbereich stieg sie um 8 vH an. Neben den Unterschieden im generellen Entwicklungstempo zwischen den Perioden sind bei einer Betrachtung der einzelnen Perioden auch Abweichungen der sektoralen Entwicklungstendenzen innerhalb des produzierenden Gewerbe festzustellen. Dies gilt vor allem für die erste Periode der frühen Nachkriegs6 Gomig

82

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

zeit. Im Entwicklungsvergleich zwischen 1950 und 1939 waren es zunächst gerade traditionelle Industrien, die die höchsten relativen und absoluten Zuwächse erreichen konnten. Den Beschäftigungsgewinnen in diesen Branchen - wie dem Kohlenbergbau, der Holzindustrie und dem Textil- und Bekleidungsgewerbe war es zu verdanken, daß überhaupt ein Beschäftigungszuwachs im produzierenden Gewerbe gegenüber 1939 erreicht werden konnte. Die sogenannten Investitionsgüterindustrien dagegen stagnierten in ihrem Beschäftigungsniveau weitgehend. Diese besondere Entwicklung in der frühen Nachkriegszeit beruht sicherlich wesentlich auf einer Reihe spezifischer Einflüsse. Unterschiedliche Betroffenheit von Kriegszerstörung und Demontage, eingeschränkte Außenhandelsmöglichkeiten und hohe Nachholbedarfe bei der Bevölkerung zählen sicher zu ihnen. Dagegen spricht weniger dafür, daß die deutsche Teilung selbst -also der Verlust der Wirtschaftsbeziehungen zu Ostdeutschland - die sektoralen Entwicklungen in den frühen Jahren der alten Bundesrepublik bestimmt hat. Mit Ausnahme der Textilindustrie dürften in diesen Bereichen Lieferungen aus den östlichen Gebieten in die spätere Bundesrepublik vor der Teilung keine große Bedeutung gehabt haben. In der darauf folgenden Periode 1950 bis 1961 verschwanden entsprechend schnell die teils beachtlichen Bedeutungsgewinne des Bergbaus, des Textil- und Bekleidungsgewerbes sowie der Holzindustrie. Ihre Bedeutung fallt dabei nicht nur gegenüber 1950, sondern auch gegenüber 1939 deutlich zurück. Sie gehören zu den wenigen Branchen, die in den Jahren des sogenannten Wirtschaftswunders in der alten Bundesrepublik Beschäftigung verlieren. Alle anderen Zweige des produzierenden Gewerbes können ihre Beschäftigung bei hohem gesamtwirtschaftlichen Wachstumstempo deutlich ausweiten. Überdurchschnittliche Beschäftigungsgewinne erzielen aber nur die sogenannten Investitionsgüterindustrien und die Branchen der chemischen und metallischen Grundstoffe. Im Metallbereich wird jedoch nur der Beschäftigungsanteil von 1939 wieder erreicht. Der wesentliche qualitative Unterschied der sektoralen Strukturwandels im produzierenden Gewerbe im Zeitabschnitt von 1961 bis 1970 im Vergleich zur Vorperiode liegt darin, daß die verlierenden Branchen nicht mehr nur Anteilsverluste, sondern teils starke absolute Beschäftigungseinbußen auf breiter Front hinnehmen müssen. Außerhalb der Investitionsgüterbranchen und des Chemiebereichs können nur noch die Energiewirtschaft und die Papier- und Druckindustrien ebenfalls ihre Beschäftigung vergrößern. Innerhalb der Investitionsgüterindustrien ist es in den sechziger Jahren erstmals der Fahrzeugbau, der die höchsten Anteilszuwächse bei der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe erzielen kann.

li. Verschiebungen der Sektorstrukturen

83

Entwicklungen 1970 bis 1987 Der Anfang der siebziger Jahre wird im allgemeinen als Beginn der Schrumpfungsphase des 4. Kondratieffzyklusses angesehen. Wie nach 1925 stellt sich auch hier die Frage, ob damit nicht nur eine Abnahme des generellen Wachstums verbunden ist, sondern auch ein Umbruch der sektoralen Strukturen erkennbar wird. Für das produzierende Gewerbe ist dabei zunächst einmal ein starker Einbruch der Beschäftigung insgesamt festzuhalten. Zwischen 1970 und 1987 geht die Beschäftigung um rund 17 zurück. Von diesem Schrumpfungsprozeß sind fast alle Branchen betroffen. Selbst Wirtschaftszweige wie der Maschinenbau, die Chemie und die Elektrotechnik, die noch bis 1970 zu den wesentlichen Wachstumsträgem gehörten, zählen dazu. Eine gesamtwirtschaftlich bedeutende Beschäftigungszunahme konnte lediglich der Fahrzeugbau mit einer Zunahme um mehr als 160 000 Personen oder 17 vH erreichen. Getragen wurde die Entwicklung dabei von der Expansion im Straßenfahrzeugbau. Immerhin eine positive Beschäftigungsentwicklung erzielten daneben die Industriezweige Feinmechanik und Optik (15 vH), Kunststoffverarbeitung (10 vH) und Büromaschinen, EDV (5 vH) sowie die Energiewirtschaft (9 vH). Die wachsenden Wirtschaftszweige erreichen aufgrund der starken Beschäftigungsverluste im produzierenden Gewerbe insgesamt selbstverständlich auch starke Anteilsgewinne. Betrachtet man aber die strukturellen Veränderung im Ganzen, hat sich das Bild gegenüber der Entwicklungsperiode 1939 bis 1970 nicht wesentlich verändert. Die Industriebranchen, die vor allem an Bedeutung gewinnen, sind die gleichen: Fahrzeugbau, Elektrotechnik, Maschinenbau sowie der Chemiebereich. Daneben verbessern nur das Baugewerbe und der kleine Bereich Energiewirtschaft ihre Stellung im Strukturwandel gegenüber der Vorperiode deutlich. Eine Zunahme struktureller Umbrüche, wie sie für die Periode zwischen 1925 und 1939 angenommen werden kann, ist bis 1987 auf den ersten Blick nicht erkennbar. Hinsichtlich derAnteilszu-oder abnahmen ändert sich nur in 4 der 24 Wirtschaftszweige im Vergleich der Entwicklung von 1970 bis 1987 der Trend zu den Vorperioden. Der Wert liegt dabei nicht signifikant höher als im Vergleich der anderen Zeiträume untereinander. Allerdings ergibt sich für die Periode nach 1970 ähnlich wie im Zeitabschnitt 1925 bis 1939 eine starke Konzentration der Anteilsgewinne an der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe auf wenige Branchen. Fast 40 vH der Anteilszuwächse kann allein der Fahrzeugbau auf sich vereinigen. Von besonderem Interesse ist daher wie bei der Betrachtung des sektoralen Wandels im Deutschen Reich, ob sich die Konzentration der Wachstumsprozesse auch auf das generelle Niveau der sektoralen Beschäftigungskonzentration niederschlägt. Für diese Einschätzung sind wiederum über die sektoralen Beschäftigungsanteile der bereinigte Gini-Koefflzient (G*), der Konzentrations-

84

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

koefflzient (CR5) sowie die Anteilsveränderungen der fünf größten Branchen (AV5) berechnet worden.

1939

1950

1961

1970

1987

G*

0,52

0,54

0,49

0,49

0,53

c~

48,5

49,8

46,6

47,3

53,6

-1,9

-9,6

+0,1

+5,6

Die KoeffiZienten weisen für 1950 im Vergleich zur Vorkriegssituation auf eine Zunahme der sektoralen Konzentration hin. Insofern könnten sie als eine Fortsetzung der Entwicklungsprozesse zwischen 1925 und 1939 im Deutschen Reich gesehen werden. Tatsächlich allerdings beziehen sich die Konzentrationprozesse auf andere Branchen und müssen als Ausdruck der besonderen Nachkriegssituation gewertet werden. So wird auch eine Abnahme des Anteils der fünf größten Branchen von 1939 angezeigt. Zwischen 1950 und 1961 kommt es dann zu einer starken sektoralen Dekonzentration. Der Gini-Koefftzient sinkt deutlich und der Anteil der fünf größten Branchen nimmt stark ab. Bereits in der folgenden Periode bis 1970 geht allerdings der Dekonzentrationsprozeß zu Ende. Der KonzentrationskoeffiZient für die fünf größten Branchen nimmt sogar leicht zu. Die Umkehrung dieser Tendenz im sektoralen Strukturwandel schlägt sich dann zwischen 1970 und 1987 deutlich nieder. In dieser Periode gewinnen nun die größten Branchen stark an Beschäftigungsanteilen dazu und das sektorale Konzentrationsniveau wächst kräftig. Hinsichtlich des Kriteriums sektoraler Konzentrationsprozesse stellt damit die Periode am Ende des 4. Kondratieffzyklusses zwischen 1970 und 1987 einen Umbruch in den Tendenzen des sektoralen Wandels dar. Dieser Umbruch ist gekennzeichnet durch die Übernahme der sektoralen Führungsposition durch die Investitionsgüterbranchen - allen voran durch den Fahrzeugbau. Allerdings sind auch in den Vorperioden zwischen 1939 und 1970 spürbare Veränderungen in der Richtung sektoraler Konzentrationsprozesse zu beobachten. Das Auslaufen des 4. Kondratieffzyklusses hebt sich in dieser Hinsicht deutlich weniger ab als das Ende des 3. Kondratieffzyklusses im Deutschen Reich. Ein weiterer Unterschied zur Umbruchphase zwischen 1925 und 1939 ist, daß die Konzentrationsprozesse auch durch schon ältere Branchen wie den Maschinenbau und die Elektrotechnik getragen werden. Die Frage, ob innerhalb der Sektoren spürbare Umstrukturierungsprozesses stattgefunden haben, dürfte daher noch interessanter als vor dem 2. Weltkrieg sein. Entsprechend den für das Deutsche Reich vorgestellten Typenrastern auf der Basis unterschiedlicher Ent-

Il. Verschiebungen der Sektorstrukturen

85

wicklungen der Anzahl der Betriebe und der durchschnittlichen Betriebsgröße wurde eine entsprechende Zuordnung auch für die Perioden zwischen 1939 und 1987 für die Bundesrepublik vorgenommen (Tabelle C/6 und Übersicht C/3). Die Entwicklungen für das produzierende Gewerbe insgesamt bleiben nach 1939 zunächst weiter bestimmt durch die Kombination einer abnehmenden Anzahl der Betriebe und einer zunehmenden Betriebsgröße. Dies ändert sich erst in der Phase anhaltender Wachsturnsschwäche zwischen 1970 und 1987. In dieser Periode geht nicht nur die Anzahl der Betriebe zurück, sondern auch die durchschnittliche Betriebsgröße. Damit wird erstmals seit 1895 für die Entwicklungen im produzierenden Gewerbe insgesamt nicht mehr eine Zuordnung zum Typ Konzentration vorgenommen, sondern eine Phase genereller Schrumpfung ausgewiesen. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß im Gegensatz zum Wechsel zwischen den Kondratieffzyklen zwischen 1925 und 1939 mit dem Jahr 1987 noch nicht wieder eine Situation des gesamtwirtschaftlichen Aufschwungs erfaßt wird. So lag bereits Ende 1989 die Beschäftigung im produzierenden Gewerbe der Bundesrepublik um rund 200 000 Personen höher als 1987. Umgekehrt dürfte Anfang der dreißiger Jahre auch im Deutschen Reich die Situation insgesamt eher durch generelle Schrumpfungstendenzen gekennzeichnet gewesen sein. Für die Einschätzung, daß die Entwicklung im produzierenden Gewerbe zwischen 1970 und 1987 nicht durch einen generellen Rückzug geprägt ist, spricht auch, daß trotz der ungünstigsten Gesamtentwicklung die Zahl der Betriebe deutlich geringer abnimmt als in den Perioden zwischen 1950 und 1970. Betrachtet man die Zuordnung der Einzelbranchen zu den vier Entwicklungstypen Orientierung, Expansion, Konzentration, Schrumpfung, läßt sich ein differenzierteres Bild erkennen. So ist im Vergleich der Zählung von 1950 zu der von 1939 keine dominierende Stellung des Typs Konzentration festzustellen. Nur 10 der 23 Branchen weisen eine zunehmende durchschnittliche Betriebsgröße bei abnehmender Anzahl der Betriebe auf. In 11 Branchen ist dagegen eine Zunahme der Anzahl der Betriebe und eine Abnahme der durchschnittlichen Betriebsgröße zu beobachten. Im Vergleich zur Periode 1925 bis 1939 nimmt damit die Bedeutung des Typs Orientierung nochmals deutlich zu. Fraglich ist allerdings, ob dies als eine Fortsetzung der Entwicklungsumbrüche im Zuge des Wechsels zwischen den Kondratieffzyklen gewertet werden kann. Lediglich in 7 Branchen werden die gleichen Typzuordnungen vorgenommen wie für die Entwicklungen in den dreißiger Jahren. Die hohe Zahl von Branchen in der Orientierungsphase 1950 im Vergleich zu 1939 dürfte daher vor allem Ausdruck der Neuformierung der westdeutschen Wirtschaft nach dem Krieg sein. Die Veränderungen in den Branchen in den beiden folgenden Perioden ist dann wieder eindeutig durch den Entwicklungstyp Konzentration geprägt. Jeweils mehr als zwei Drittel der Branchen zeichnen sich durch eine Erhöhung der

86

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels Tabelle C/6 Anzahl der Betriebe und durchschnittlichen Betriebsgröße in der frOheren Bundesrepublik"> 193911950 1196111970 11987 193911950 11961 11970 11987

Anzahl der Betriebe in 1000

Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDV Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Beldeidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe

6 1 0 0 7 6 2 19 17 2 15 8 7 33 2 7 0 24 95 17 6 14 58 138 123 15 311 128 183 187 160 27 158

Produzierendes Gewerbe

969 942 732 600 540

5 1 1 1 10 7 3 23 20 3 19 10 9 60 2 16 0 43 81 12 8 16 45 125 112 13 289 111 178 148 134 14 179

6 1 1 1 11 6

5

23 19 3 38 15 24 56 6 21 0 29 41 11 6 12 12 93 79 14 172 62 110 126 116 10 164

6 1 0 0 12

5

6 19 16 3 29 13 16 64 12 24 1 27 43 15 7 9 12 77 62 15 93 36 57 100 93 7 157

Betriebsgrößebl

6 26 27 30 33 37 0 652 521 484 440 373 0 1282 967 924 1442 1812 0 134 105 127 91 62 13 50 39 68 82 70 4 49 39 81 112 123 9 56 37 52 57 45 17 19 18 24 25 18 12 16 15 18 19 15 5 46 36 58 62 25 25 43 29 25 32 25 9 69 47 51 51 48 16 15 8 10 16 14 70 32 18 38 40 36 7 44 69 42 24 26 25 83 34 56 51 44 2 105 89 47 36 16 10 25 35 31 57 9 11 39 42 28 25 17 28 78 69 39 13 12 11 24 24 15 9 6 6 11 13 10 9 8 8 38 39 34 7 11 13 14 59 6 40 4 6 8 9 10 19 18 21 31 34 21 49 4 5 9 13 12 19 7 9 15 19 17 31 2 3 5 9 9 62 5 6 8 9 12 58 4 7 8 11 5 4 8 14 22 26 27 181 9 9 13 13 10 9

a) ohne Berlin (West).· b) Beschäftigte je Betrieb im Durcbschnitt. Quellen: Jeweilige Arbeitsstattenzahlung;

Eigene Schalzungen und Berechnungen.

10

17

21

19

87

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen Übersicht C/3

Entwicldungstypen•l der Wirtschaftszweige in der frOheren Bundesrepublik

1939-1950 11950-196111961-197011970-1987 Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDVbJ Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe Produzierendes Gewerbe

III

I

III

III

II II

IV III

III IV

III IV

II II

III I

III I

III II

II II

III III

III III

IV II

II II

I I

III III

IV I

III II

II I

II II

II

III

III

-

III II II II

III II I III

III III III III

II I III I

II II II IV

III III

III I

III I

III II

III

III III

III III

IV III

III I

111

III III III

III III III

III III II

111

III

III

IV

-

111

-

a) I =Expansion.- II = Orientierung.- III =Konzentration.- IV= Schrumpfimg.- b) 1950 und 1961 lagen keine statistischen Angaben vor.

88

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

durchschnittlichen Betriebsgröße und eine Abnahme der Anzahl der Betriebe aus. Eine weitere größere Gruppe von Branchen ist in beiden Perioden dem Entwicklungstyp Expansion zuzurechnen. Hier steigt neben der durchschnittlichen Betriebsgröße auch die Anzahl der Betriebe an. Die Entwicklungstypen Orientierung und Schrumpfung treten fast überhaupt nicht auf. Mit dem Auslaufen des 4. Kondratieffzyklusses zwischen 1970 und 1987 ändert sich das Branchenbild der intrasektoralen Entwicklungstypen gravierend. Bei weit mehr als der Hälfte der Branchen tritt eine Veränderung der Zuordnung zu den Entwicklungstypen auf. Vor allem viele ältere Branchen, wie die Eisenund Stahlerzeugung, die EBM-Waren und die Textilindustrie gehen in eine Phase der Schrumpfung über. Immerhin 5 der 24 Branchen weisen diesen Entwicklungstyp auf. Der bis dahin vorherrschende Entwicklungstyp Konzentration (8) fallt dagegen zurück. Der Entwicklungstyp, der nun am häufigsten in den Branchen auftritt, ist der der Orientierung. Eine Zunahme der Anzahl der Betriebe und eine Abnahme der durchschnittlichen Betriebsgröße weisen 1970 bis 1987 10 Wirtschaftszweige auf. Auch fast alle Investitionsgüterbranchen, die Träger des W achstumsprozesses der Nachkriegszeit waren, zeigen solche Hinweise auf eine Neuorientierung. Bei einigen älteren Investitionsgüterbranchen wie dem Maschinenbau und der Elektrotechnik konnte der Entwicklungstyp der Orientierung allerdings schon zwischen 1961 und 1970 beobachtet werden. Zusammengenommen sprechen die dargestellten Entwicklungsveränderungen zwischen 1970 und 1987 im Vergleich zu den Vorperioden dafür, daß es abermals mit dem Auslaufen des Kondratieffzyklusses zu einer starken Zunahme der wirtschaftlichen Umstrukturierungen im produzierenden Gewerbe gekommen ist. In bezug auf den intersektoralen Wandel hebt sich allerdings die Phase 1970 bis 1987 spürbar geringer ab als die Umbruchsituation vor dem 2. Weltkrieg. Im Vergleich zu den Entwicklungen 1925 bis 1939 sind jedoch die Hinweise auf eine besondere Umstrukturierung innerhalb der Branchen des produzierenden Gewerbes beim Auslaufen des 4. Kondratieffzyklusses stärker ausgeprägt. Interund intraseietorale Umbrüche sind aber auch ohne den unmittelbaren Bezug zum Wechsel gesamtwirtschaftlicher Zyklen festzustellen. Nach den hier verwendeten Kriterien ist auch im Entwicklungsvergleich 1950 zu 1939 von einer starken Umstrukturierungsperiode auszugehen. Diese dürfte sich aus den spezifischen Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit erklären. Eine andere Dimension des Umbruchs im sektoralen Strukturwandel zwischen 1970 und 1987 liegt nicht direkt innerhalb des produzierenden Gewerbes. Der offensichtlichste Entwicklungsbruch in dieser Periode ist die Veränderung des Verhältnisses der Entwicklungen im produzierenden Gewerbe zu denen im Dienstleistungssektor der Unternehmen. Dabei geht es nicht um den Tertiärisierungsprozeß selbst, dieser fand mehr oder weniger stark in allen hier seit 1895 betrachteten Zeitabschnitten statt, sondern um die Abkopplung des Wachstums-

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

89

prozesses des Dienstleistungssektors der Unternehmen von der Entwicklung im produzierenden Gewerbe. Während im Deutschen Reich und der Nachkriegszeit bis 1970 in allen Perioden das Wachstumstempo der Dienstleistungen zurückging, wenn auch im produzierenden Gewerbe eine Verlangsamung stattfand, war gerade dies zwischen 1970 und 1987 nicht der Fall. Im Vergleich zum Zeitraum 1961 bis 1970 stieg die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate der Dienstleistungen von 8 vH auf über das Vierfache in der Periode 1970 bis 1987 an, obwohl die Beschäftigungsentwicklung im produzierenden Gewerbe von der Stagnation der sechziger Jahre in eine Schrumpfungsphase überging. Dem Rückgang der Beschäftigung um 17 vH stand ein Wachstum der Dienstleistungen der Unternehmen zwischen 1970 und 1987 von rund 37 vH gegenüber. Häufig wird als Ursache hierfür angeführt, daß dieser Prozeß zum Teil lediglich das Ergebnis der Auslagerung von bestinunten Tätigkeiten aus dem Produktionssektor in den Dienstleistungssektor sei. Beispiele hierfür sind u.a. der Werksverkehr, Reinigungs- und Sicherheitsdienste sowie Handelsleistungen22 • Bei anderen Betrachtungen wird auf den Tertiärisierungsprozeß der industriellen Produktion selbst verwiesen. Das heißt, die Zunahme von Arbeitsvorbereitung, Produktionssteuerung und Forschung und Entwicklung. Der Bedeutungsgewinn solcher Tätigkeiten kann zu einem gewissen Teil auch außerhalb des produzierenden Gewerbes zu Beschäftigungszuwächsen führen, während der Rückgang der eigentlichen Fertigungsaktivitäten im wesentlichen nur dort wirksam wird23 • Zu einem Teil lassen sich diese Ergebnisse auch mit dem hier verwendeten Datenmaterial bestätigen (Tabelle C/7). Der Bereich der sogenannten produktionsorientierten Beratungsdienstleistungen (lngenieurbüros, Wirtschaftsberatung, Rechtsberatung, Werbung, EDV) weisen mit einem Zuwachs von über 115 vH im Zeitraum 1970 bis 1987 die höchsten Wachstumsraten auf. Aber auch die Zuwächse sogenannter haushaltsorientierter Dienstleistungen wie z.B. der Bereiche Körperpflege und Reinigungsdienste erreichen noch Wachstumsraten von rund 80 vH. Eine eindeutige Rückführung des starken Wachstums der Dienstleistungen der Unternehmen auf Auslagerungen aus dem produzierenden Gewerbe oder eine Verstärkung der Nachfrage nach Dienstleistungen aus dem produzierenden Gewerbe läßt sich somit anhand der Wachstumsdifferenzen einzelner Dienstleistungssektoren nicht belegen. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, daß bestimmte Wirtschaftszweige nicht eindeutig als Produzenten von Vorleistungen für das produzierende Gewerbe oder als Produzenten von Leistungen für Haushalte idenliftziert werden können. So nutzen beispielsweise sowohl Pro22 23

SieheStilleu.a., z.B. S. 31 f. Vgl. Bade (1987), S. 35- 42.

90

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Tabelle C/7 Veränderung der Beschäftigung und der Lieferstrukturen der Dienstleistungen in der Bundesrepublik 1970 bis 1987

1970 Beschäftigung•) Kreditinstitute Versicherungen Beratung Medien Gastgewerbe Reinigung,Körperpflege Andere Dienste Dienstleistungen Lieferung an andere Bereichebl

I

1987

in 1000 Personen 415 223 417 107 696 480 629

619 318 897 172 987 875 1641

2966

5510

233,9

31,0 46,3

107,4 126,5

78,5

166,4

Privater Verbrauch Übrige Endnachfrage

60,1 18,4

128,4 38,0

Lieferungen insgesamt

155,8

400,3

Lieferung an andere Bereichebl

in vH Lieferungen insgesamt

Produzierendes Gewerbe Übrige Sektoren Endnachfrage

Veränderung in vH 49,2 42,6 115,1 59,9 41,9 82,5 161,1 85,7

in Mrd. DM"l 77,3

Vorleistungen

1970-1987

Veränderung in vH-Punkten

49,6

58,4

8,8

19,9 29,7

26,8 31,6

6,9 1,9

50,4

41,6

-8,8

Privater Verbrauch Übrige Endnachfrage

38,6 11,8

32,1 9,5

-6,5 -2,3

Lieferungen insgesamt

100,0

100,0

0,0

Vorleistungen Produzierendes Gewerbe Übrige Sektoren Endnachfrage

a) Ohne Berlin (West).- b) der Dienstleistungen ohne WohniDigsvennietung.- c) in jeweiligen Preisen. QueUen: Aibeitsstllttenzahlungen 1970 und 1987; Jnput.()utput-TabeUen des DIW 1972 und 1986.

Il. Verschiebungen der Sektorstrukturen

91

duktionsuntemehmen wie private Haushalte bestimmte Rechtsberatungen und Reinigungsdienste. Bessere Hinweise auf den Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Dienstleistungen und Entwicklungen im produzierenden Gewerbe können hier möglicherweise aus Input-Output-Analysen gewonnen werden. Ein Ansatzpunkt ist der Vergleich der Lieferstruktur der Dienstleistungen der Unternehmen (ohne Wohnungsvermietung) an andere Bereiche aus den vorliegenden institutionellen Input-Output-Tabellen von 1972 und 1986 zu jeweiligen Preisen. Nach den in Tabelle C/7 ausgewiesenen Werten lag der Anteil der Lieferungen der Dienstleistungen an das produzierende Gewerbe 1972 bei knapp 20 vH und der an den Endnachfragebereich private Haushalte bei fast 40 vH. Bis 1986 stieg der Anteil der Lieferungen an das produzierende Gewerbe auf 27 vH, während der Anteil der Lieferungen an private Haushalte auf 32 vH zurückging. Ein nicht unwesentlicher und zudem deutlich zunehmender Teil des Wachstums der Dienstleistungen dürfte somit wohl auf die Nachfrage aus dem produ-

zierenden Gewerbe zurückzuführen sein. Es spricht demnach einiges dafür, daß zumindest zu einem gewissen Teil das Wachstum der Beschäftigung im Dieostleistungsbereich selbst Ausdruck des Umstrukturierungsprozesses im produzierenden Gewerbe in der Phase zwischen 1970 und 1987 war.

3. Veränderungen in der DDR Für die Wirtschaft der DDR lassen sich ebenfalls unterschiedliche gesamtwirtschaftliche Entwicklungsphasen vermuten, wenngleich die offiZiellen statistischen Angaben zur Industrieproduktion deutlich geringere Differenzen im Wachstumstempo ausweisen als für westliche Industrieländer. Ähnlich den Überlegungen zur Entwicklung in der alten Bundesrepublik geht es auch hier um die Frage, inwieweit die einzelnen Entwicklungsphasen sich auch im sektoralen Strukturwandel unterscheiden. Dabei muß man sich allerdings bewußt sein, daß der sektorale Wandel nur eine Dimension der jeweiligen Umstrukturierungsprozesse wiedergibt. Gerade für eine Wirtschaft, die eine neue politische und wirtschaftliche Ordnung nach innen eingeführt hat und neue Verflechtungen nach außen suchen mußte, gilt dies in besonderer Weise. So geben sicherlich die Veränderungen der Eigentumsformen, der betrieblichen Organisation und Akkumulation oder des Außenhandels die tiefgreifenden Umstrukturierungen in der DDR besser wieder als die Veränderungen der sektoralen Strukturen24 • Jedoch kann es im folgenden nicht um eine Analyse der Speziftka der DDRWirtschaft unter Berücksichtigung verschiedener Merkmale wirtschaftlicher

24

Siehe dazuAutorenkollektiv, S. 59- 187, Roesler!Siedt/Elle, S. 235 ff.

92

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Entwicklung gehen. Diese verschließen sich weitgehend sekundärstatistischen Analysen, zumal für die historische Entwicklung der DDR nur wenig differenziertes Datenmaterial allgemein verfügbar ist. Wohl aber köMen die Auswirkungen der komplexen Wirkungsmechanismen auf die sektoralen Beschäftigungsstrukturen als Ergebnis dargestellt werden.

Verbindungen zur Situation 1939 Ausgangspunkt für die Betrachtung des sektoralen Wandels in der DDR stellen die Sektorstrukturen auf ihrem Gebiet vor dem 2. Weltkrieg dar. Dabei ist zu erwarten, daß anders als für die alte Bundesrepublik erhebliche Abweichungen zum Durchschnitt des Deutschen Reiches bestanden. Dies schon gilt allein deshalb, weil das Gebiet der späteren DDR 1939 einen weit geringeren Anteil an der Gesamtwirtschaft besaß und damit Effekte der regionalen Spezialisierung stärker zum Tragen kommen müßten. Die Betrachtung der strukturellen Differenzen der Wirtschaft auf dem Gebiet der DDR zum industriellen Kerngebiet des Deutschen Reichs 1939 bestätigen weitgehend diese Vermutung (Tabelle C/8 und Tabelle C/1). Besonders markant ist dabei die geringe Bedeutung des Montanbereichs, der häufig auch als ein entscheidender Nachteil für die frühe Entwicklung der Wirtschaft der DDR angesehen wird25 • Der Beschäftigungsanteil am produzierenden Gewerbe lag hier im Bergbau mit 2,2 vH und in der Eisen- und Stahlerzeugung mit 2,0 vH jeweils nur etwa halb so hoch wie im Durchschnitt des Deutschen Reiches. Eine besonders starke Spezialisierung drückt sich umgekehrt im hohen Beschäftigungsanteil des Textil- und Bekleidungsgewerbes aus. In diesen Zweigen waren auf dem Gebiet der späteren DDR 1939 fast 114 der Beschäftigten des produzierenden Gewerbes tätig. Im Durchschnitt des industriellen Kerngebietes des Reichs waren es dagegen nur etwa 17 vH. Deutliche Differenzen in den Anteilswerten auf dem Gebiet der späteren DDR im Vergleich zum Kerngebiet des Deutschen Reiches 1939 sind dariiber hinaus bei einigen kleineren Industriebranchen festzustellen. Weit überdurchschnittliche Bedeutung weisen beispielsweise die Bereiche Feinkeramik/Glas und Feinmechanik/Optik auf. In anderen Wirtschaftszweigen allerdings erscheinen die strukturellen Unterschiede eher gering. So betragen die Anteilsdifferenzen im Maschinen- und Fahrzeugbau nur + 1,9 vH, in der Elektrotechnik gerade einmal-0,4 vH und im Bereich chemischer Grundstoffe +0,4 vH-Punkte. Insgesamt bestand vor allem durch die Ungleichgewichte im wichtigen Grundstoffbereich Montan und im exportabhängigen Textil- und Bekleidungsgewerbe erheblicher Anpassungsbedarf durch die AbtreMung vom restlichen 25

Siehe z.B. Barthel, S. 13 ff. und S. 149 tT.

93

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

Tabelle C/8 Sektorale Beschllftigungsstruktur in der DDR

Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDV Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe Produzierendes Gewerbe

1939 11970 11987

1939 11970 11987

in 1000 Personen

in vH des Produzierenden Gewerbes

74 89 63 25 192 160 32 182 106 76 148 81 67 621 23 340 23 236 497 182 72 46 197 391 205 186 915 624 291 396 335 62 504

90 136 108 29 302 142 160 162 100 62 162 100 62 795 80 434 52 228 556 311

120 165 136 29 307 152 155 162 96 66 183 114 69 865 82 492 56 235 636 398

71 119 217 148 70 491 362 129 308 254 54 579

68 115 209 145 63 413 300 113 336 280

4011

3798

55

560

1,9 2,2 1,6 0,6 4,8 4,0 0,8 4,5 2,6 1,9 3,7 2,0 1,7 15,5 0,6 8,5 0,6 5,9 12,4 4,5 1,8 1,2 4,9 9,8 5,1 4,6 22,8 15,6 7,3 9,9 8,3 1,5 ll,6

2,4 3,6 2,8 0,8 8,0 3,7 4,2 4,3 2,6 1,6 4,3 2,6 1,6 20,9 2,1 11,4 1,4 6,0 14,6 8,2 1,4 1,9 3,1 5,7 3,9 1,8 12,9 9,5 3,4 8,1 6,7 1,4 15,2

3,0 4,2 3,4 0,7 7,8 3,8 3,9 4,1 2,4 1,7 4,6 2,9 1,8 21,9 2,1 12,4 1,4 5,9 16,1 10,1 1,4 1,7 2,9 5,3 3,7 1,6 10,5 7,6 2,9 8,5 7,1 1,4 14,1

3955

100,0

100,0

100,0

55

56

Quellen: Arbeitsstattenzählung 1939; Berufstatigenerhebungen 197S, 1987; Statistische JahrbOcher der DDR; Eigene Schltzungen und Berechnungen.

94

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

deutschen Wirtschaftsgebiet. Verstärkend dürfte dabei hinzugekommen sein, daß weit weniger als in Westdeutschland die zunehmende internationale Arbeitsteilung genutzt werden konnte. Die späteren Produktionsabsprachen im Rahmen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) dürften hier nur eine unzureichende Alternative gewesen sein.

Entwicklungen 1939 bis 1970 Der Anpassungsbedarf an die veränderten Bedingungen der interregionalen und internationalen Arbeitsteilung spiegelt sich deutlich in der Beschäftigungsentwicklung bis 1970 wider (Tabelle C/9). Zwischen 1939 und 1970 sind starke Beschäftigungszuwächse gerade im Montanbereich zu beobachten. Im Kohlenbergbau nahm die Beschäftigung um über 70 vH und bei der Eisen- und Stahlerzeugung immerhin noch um knapp 25 vH zu. Im Textilbereich dagegen kam es zu einer massiven Verringerung der Beschäftigtenzahl. Der Beschäftigungsrückgang fiel dabei mit etwa -45 vH in der DDR fast sechsmal so hoch aus wie im gleichen Zeitraum in der früheren Bundesrepublik (-8 vH). Betrachtet man jedoch die absoluten Beschäftigungszuwächse in anderen Bereichen, zeigen sich in der Periode 1939 bis 1970 erstaunliche Parallelitäten der Entwicklungen in beiden deutschen Staaten. Die höchsten absoluten Beschäftigungsgewinne erzielen in Ost und West der Stahl- und Maschinenbau, die Elektrotechnik, die Mineralöl- und Kunststoffmdustrie und das Baugewerbe. Auch in bezug auf die Anteilsgewinne an der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe bestehen zwischen beiden Staaten in dieser Periode hohe Übereinstimmungen. Auf den ersten drei Plätzen mit den höchsten Anteilszuwächsen befmden sich in beiden Teilen Deutschlands die Industriebereiche Stahl- und Maschinenbau, chemische Grundstoffe und Elektrotechnik/Feinmechanik. Erst im Montanbereich zeigen sich große Unterschiede im sektoralen StrukturwandeL Während in der DDR vor allem der Bergbau, aber auch die Eisen- und Stahlerzeugung Anteilszuwächse erreichen, geht ihre Bedeutung in Westdeutschland bereits bis 1970 zurück. Eine ähnliche Ausrichtung auf neue stark wachsende Wirtschaftszweige einerseits und eine Verringerung des Spezialisierungsgrades der DDR-Wirtschaft in bestimmten Branchen andererseits führen in der Summe zu einer relativ starken Angleichung der Beschäftigungsstrukturen zwischen beiden deutschen Staaten. 1970 sind in allen Hauptgruppen die Differenzen in den Beschäftigungsanteilen geringer als vor dem 2. Weltkrieg. Im Bereich metallischer Grundstoffe erreicht die DDR 1970 immerhin einen Anteil von über 4 vH und liegt damit deutlich näher zum westdeutschen Wert von etwa 7 vH. Im Textil- und Bekleidungsgewerbe ist die Angleichung noch stärker. Hier liegt der ostdeutsche Wert nur noch 3 vH-Punkte über dem der alten Bundesrepublik. Der Bergbau der DDR besitzt 1970 mit einem Anteil von 3,6 vH sogar nun eine leicht höhere Bedeutung für die Beschäftigung als der Westdeutschlands.

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

95

Tabelle C/9 Verlinderung der sektoralen Beschllftigungsstruktur in der DDR 1970/1939,1987/1970 1970/1939,1987/1970 Beschäftigungsveränderung in vH

Anteilsveränderung in vH-Punkten

Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe, Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDV Fahrzeugbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe

20,8 53,8 70,1 13,2 57,3 -11,0 395,5 -10,9 -5,8 -18,0 9,1 24,1 -8,7 28,0 251,6 27,7 132,0 -3,3 11,8 71,2 -23,8 52,7 -39,6 -44,5 -28,0 -62,6 -46,4 -42,0 -55,6 -22,4 -24,3 -12,5 14,9

33,0 20,8 26,1 0,8 1,6 7,0 -3,1 -0,4 -4,1 5,6 13,4 13,9 12,5 8,8 2,1 13,3 6,3 3,2 14,5 28,0 0,5 -4,1 -3,4 -3,9 -1,6 -8,9 -15,8 -17,1 -12,2 9,1 10,4 3,1 -3,4

0,5 1,4 1,3 0,1 3,2 -0,2 3,4 -0,3 0,0 -0,3 0,6 0,6 -0,1 5,4 1,5 3,0 0,8 0,1 2,2 3,7 -0,3 0,7 -1,8 -4,0 -1,2 -2,8 -9,9 -6,0 -3,9 -1,8 -1,7 -0,1 2,7

0,7 0,6 0,6 0,0 -0,2 0,1 -0,3 -0,2 -0,2 0,0 0,4 0,2 0,1 0,9 0,0 1,0 0,0 -0,1 1,5 1,9 0,0 -0,1 -0,2 -0,4 -0,2 -0,2 -2,5 -1,9 -0,5 0,4 0,4 0,0 -1,1

Produzierendes Gewerbe

-5,3

4,1

0,0

0,0

Quellen: Arbeitsstättenzählung 1939; Berufstatigenerltebungen 1975, 1987; Statistische Jahrbücherder DDR; Eigene Scbatzungen und Berechnungen.

96

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Die für die Beschäftigung im produzierenden Gewerbe wichtigsten Wirtschaftszweige sind 1970 in Ost und West der Maschinenbau, die Elektrotechnik und das Baugewerbe. Mit jeweils etwa 15 vH der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe erreichen sie in beiden deutschen Staaten fast identische Anteile. Stärkere Abweichungen in der industriellen Beschäftigungsstruktur zeigen sich hingegen beim Fahrzeugbau. Im Gegensatz zur Expansion dieser Branche in Westdeutschland ging bezogen auf 1939 in der DDR bis 1970 die Beschäftigung sogar zurück. In diesem Entwicklungsvergleich spielt allerdings auch eine Rolle,· daß es in Ostdeutschland nicht zu einem Wiederaufbau des Luftfahrzeugbaus kam, obwohl vor dem 2. Weltkrieg hier überdurchschnittlich viele Produktionsstätten lagen. Insgesamt blieb der Beschäftigungsanteil des ostdeutschen Fahrzeugbaus mit 6 vH zu fast 8 vH in Westdeutschland zurück. Die strukturellen Verschiebungen in der DDR-Wirtschaft waren dabei bezogen auf die Vorkriegszeit verbunden mit einem insgesamt geringeren Beschäftigungsniveau im produzierenden Gewerbe. 1970 lag in der damaligen DDR die Zahl der Beschäftigten um etwa 210 000 Personen bzw. 5 vH unter dem Niveau von 1939. Der Entwicklungsverlauf -betrachtet man einzelne Zeitabschnitte war allerdings sehr unterschiedlich. Die stärkste Reduzierung der Beschäftigtenzahl zeigt sich dabei im Vergleich zwischen 1950 und 1939. Kurz nach der Staatsgründung der DDR lag die Beschäftigung um -8 vH unter dem Vorkriegswert. Aber auch noch im Laufe der fünfziger Jahre ging in der DDR die Beschäftigung im produzierenden Gewerbe leicht zurück. Zwischen 1950 und 1961 betrug der Rückgang etwa 2 vH. Erst in der Periode von 1961 und 1970 nahm die Beschäftigtenzahl im produzierenden Gewerbe Ostdeutschlands wieder kräftig zu und kompensierte teilweise die Beschäftigungsverluste der Vorperioden. Inwieweit diese Trendwende im Beschäftigungsniveau Anfang der sechziger Jahre auch mit sektoralen Strukturumbrüchen verbunden war, muß hier weitgehend offen bleiben. Differenzierte Angaben zu den Beschäftigungsstrukturen der frühen DDR-Zeit bis 1970 liegen nicht vor. Eine mit den Angaben für 1939 und 1970 vergleichbare Erfassung der Sektorstrukturen war für 1950 und 1961 daher nicht möglich. Gewisse Einblicke in die sektorstrukturellen Veränderungen geben Analysen zur Entwicklung des industriellen Sektors in dieser Zeit (Tabelle C/10). Diese beziehen sich auf die Industriebereiche, wie sie vom statistischen Amt der DDR ausgewiesen werden, und enthalten nicht das Handwerk und das Kleingewerbe im produzierenden Gewerbe. Diese Angaben für die Phase des sogenannten "sozialistischen Autbaus" 26 lassen dabei durchaus auch Unterschiede des sektoralen Wandels zwischen denfünfzigerund sechziger Jahren erkennen. Diese liegen dabei weniger in der Richtung des Strukturwandels, als vielmehr in seiner

26

Vgl. dazu z.B. Scheif/Strenz, S. 54 ff.

97

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen

Tabelle C/10 Beschäftigung nach lndustriebereichen•> in der DDR 1950 bis 1970 1939

1 1970 1 1987

in 1000 Personen Energie und Bergbau Chemie Metallurgie Baumaterialien Maschinenbau Elektrotechnik Leichtindustrie Textilindustrie Lebensmittelindustrie Industrie insgesamt

1939 1 1970 1 1987 in vH Industrie insgesamt

190 224 67 96 535 216 432 325 170

223 301 108 92 727 309 504 323 212

174 323 120 92 809 364 450 249 217

8,4 9,9 3,0 4,3 23,7 9,6 19,1 14,4 7,5

8,0 10,8 3,9 3,3 26,0 11,1 18,0 11,5 7,6

6,2 11,6 4,3 3,3 28,9 13,0 16,1 8,9 7,7

2256

2799

2798

100,0

100,0

100,0

Beschäftigungsveränderung in Anteilsveränderung in vHPunkten vH Energie und Bergbau Chemie Metallurgie Baumaterialien Maschinenbau Elektrotechnik Leichtindustrie Textilindustrie Lebensmittelindustrie

17,4 34,3 60,7 -4,2 35,9 43,3 16,6 -0,8 24,6

-21,9 7,3 11,7 -0,5 11,3 17,6 -10,6 -22,9 2,1

-0,5 0,8 0,9 -1,0 2,3 1,5 -1,1 -2,9 0,0

-1,7 0,8 0,5 0,0 2,9 2,0 -1,9 -2,6 0,2

Industrie insgesamt

24,1

-0,0

0,0

0,0

a) Summen und Einzelbereiche nicht mit den Angaben zum Produzierenden Gewerbe vergleichbar. Quellen: Statistische JahrhOcher der DDR; Eigene Berechnungen.

Dynamik. So kommt es beispielsweise zwischen 1961 und 1970 bei der sogenannten Leichtindustrie zu einem fast doppelt so hohem Anteilsverlust im Vergleich zu den fünfziger Jahren. Die Leichtindustrie umfaßt dabei vor allem die Wirtschaftsbereiche der Holz- und Papierverarbeitung, des Leder- und Bekleidungsgewerbes und der Feinkeramik und Glasindustrie. Auf der anderen Seite gewinnt in den sechziger Jahren der Strukturwandel in Richtung auf den Maschinenbau einschließlich Fahrzeugbau sowie den Bereich der Elektrotechnik einschließlich der Feinmechanik offensichtlich an Fahrt. Betrug der Anteilszuwachs zwischen 1950 und 1961 noch 2,3 vH bzw. 1,5 vH, lag 7 Gomig

98

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

er in der Periode von 1961 bis 1970 deutlich darüber (2,9 vH bzw. 2,0 vH). Innerhalb des industriellen Sektors - ohne das Handwerk und Kleingewerbe - deutet sich damit in den sechziger Jahren eine besondere Dynamik der sektoralen Umstrukturierungsprozesse an. Das im Verlauf der sechziger Jahre im produzierenden Gewerbe Ostdeutschlands mehr geschehen ist als eine reine Verschiebung des Entwicklungsniveaus der Beschäftigung, deuten auch die Veränderungen bei der Anzahl der Betriebe unter Einschluß von Handwerk und Kleingewerbe an. Im Vergleich zur Entwicklung in Westdeutschland und zur Ausgangssituation im Deutschen Reich liegt dabei die Anzahl der Betriebe für die damalige DDR deutlich niedriger. Allerdings sind die Werte auch nicht direkt vergleichbar. Während es sich bei den Angaben für Westdeutschland und das Deutsche Reich um örtliche Betriebseinheiten handelt, wurde in der DDR der Begriff Betrieb eher im Sinne von Unternehmen nach bundesdeutscher Systematik verwendet. Beschränkt man sich auf die Angaben der DDR-Statistik zur Anzahl der Betriebe zwischen 1950 und 1970, so zeigen diese allein eine enorme Veränderung (Tabelle C/11). Die Anzahl der Betriebe im produzierenden Gewerbe ging in dieser Periode um insgesamt etwa 2/3 zurück und gleichzeitig stieg die durchschnittliche Betriebsgröße um fast das Dreifache an. Die Entwicklung war in den einzelnen hier unterschiedenen Perioden dabei nicht unbedingt kontinuierlich. Den stärksten Konzentrationsprozeß konnte man vor allem zwischen 1961 und 1970 beobachten. In dieser Periode halbierte sich allein die Anzahl der Betriebe von 183 000 auf 92 000 und die durchschnittliche Betriebsgröße verdoppelte sich von 20 auf 41 Personen pro Betrieb. In diesen Zeitraum fallt auch die fast vollständige Verstaatlichung aller Industriebetriebe und der Aufbau der Kombinate als organisatorischer Überbau der Betriebe. Insgesamt spricht daher einiges dafür, daß im Anschluß an die direkte Aufbauphaseder DDR-Wirtschaft in den fünfzigerJahrenzwischen 1961 und 1970 sich entscheidende strukturelle Veränderungen im produzierenden Gewerbe vollzogen. Diese waren geprägt auf sektoraler Ebene durch den Abbau der Textil- und Bekleidungsindustrie und eine Hinwendung auf den Elektro- und Maschinenbaubereich, und auf der betrieblichen Ebene durch einen massiven Konzentrationsprozeß. Entwicklungen 1970 bis 1987

Die anschließende Periode von 1970 bis zum Ende der DDR-Ära weist dagegen kaum noch größere Strukturbrüche im produzierenden Gewerbe auf. Es spricht eher vieles dafür, daß sich in diesem Zeitraum die bereits angelegten Entwicklungstendenzen lediglich fortsetzen, die Veränderungen im Zuge der so-

99

II. Verschiebungen der Sektorstrukturen Tabelle C/11

Beschäftigte, Betriebe und durchschnittliche Betriebsgröße im Produzierenden Gewerbe der DDR 1939

Beschäftigte in 1000 Personen Anzahl der Betriebe•> in 1000 Beschäftigte je Betrieb•>

-r

1950

I

1961 absolut

I

1970

I

1987

4011

3709

3651

3798

3955

507

270

183

92

80

8

14

20

41

49

-1,5

4,0

4,1

-32,2

-49,7

-13,0

42,9

106,5

19,7

Veränderung in vH Beschäftigte Anzahl der Betriebe•> Beschäftigte je Betrieb•>

-7,5

a) In der DDR-Systematik ab 1950 entsprach die Bezeichnung Betrieb in etwa der Kategorie Unternehmen im Deutschen Reich und der Bundesrepublik Quellen: ArbeitsstJ!ttenzAhlung 1939; BerufstJ!tigenerhebungen 1975, 1987; Statistische Jahrbücher der DDR; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

genannten "Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft" 27 demnach weniger ihren Ausdruck in sektoralen Strukturverschiebungen fanden. Wie schon zwischen 1939 und 1970 konnten der Bergbau und die metallischen Grundstoffmdustrien weitere starke Beschäftigungszuwächse realisieren. Absolut und relativ nahm aber wiederum die Beschäftigung am meisten im Maschinenbau mit 13 vH und dem Bereich Elektrotechnik mit 28 vH zu. Entsprechend konnten diese Industriebereiche auch ihre Bedeutung im produzierenden Gewerbe auch zwischen 1970 und 1987 weiter steigern. Die stärksten Beschäftigungsrückgänge waren mit etwa 15 vH nochmals im Bereich Textil- und Bekleidung zu beobachten. Ebenfalls negativ war die Beschäftigungsentwicklung in den Bereichen Holz- und Papierverarbeitung und Steine/Erden, die auch schon bis 1970 stark an Bedeutung im produzierenden Gewerbe der damaligen DDR verloren. Ansonsten waren in der Periode 1970 bis 1987 die strukturellen Verschiebungen eher gering.

27

Vgl. dazu z.B. Scherf/Strenz, S. 59 ff.

100

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Die Einschätzung einer eher geringen Dynamik des Strukturwandels in den siebziger und achtziger Jahren im ostdeutschen produzierenden Gewerbe ergibt sich aber vor allem bei einer Betrachtung der Angaben für Industriebereiche nach DDR-Systematik. Im Vergleich der Entwicklungen 1970 bis 1987 mit denen zwischen 1961 und 1970 ergibt sich in fast allen Bereichen ein Rückgang der Anteilsveränderungen in den siebzigerund achtziger Jahren. Veränderungen der Entwicklungstendenz sektoraler Strukturanteile ergeben sich lediglich für die Bereiche Energie/Brennstoffe und Chemieindustrie. Sie dürften vor allem eine Folge der drastisch erhöhten Einfuhrpreise für Rohöl sein, die einerseits die stärkere Nutzung heimischer Energieträger notwendig machte und andererseits die Weiterentwicklung der Petrochemie behinderte. Für eine Gleichförmigkeit der Entwicklungsprozesse im Vergleich zur Vorperiode 1961 bis 1970 in der damaligen DDR spricht auch die Entwicklung von Beschäftigungsniveau und durchschnittlicher Betriebsgröße. Im produzierenden Gewerbe insgesamt nahm zwischen 1970 und 1987 in Ostdeutschland die Beschäftigung weiter zu und die Anzahl der Betriebe weiter ab, wobei in beiden Fällen die Entwicklungsdynamik im Vergleich zu den sechziger Jahren deutlich zurückging. Damit waren zwischen 1970 und 1987 die strukturellen Veränderungen, gemessen in den Anteilsveränderungen, in der DDR deutlich geringer als in der früheren Bundesrepublik. Gleichzeitig war auch die Richtung des Strukturwandels im produzierenden Gewerbe in vielen Fällen eine andere. In der früheren Bundesrepublik war die Zeit von 1970 bis 1987 auf der einen Seite durch den starken Beschäftigungsrückgang im Textil- und Bekleidungsgewerbe und in den Grundstoffbereichen wie Bergbau und Metallerzeugung geprägt. Auf der anderen Seite war es die Expansion des Fahrzeugbaus, die die Entwicklung im produzierenden Gewerbe Westdeutschlands dominierte. In der DDR war dagegen der Beschäftigungsabbau im Textil- und Bekleidungsbereich nur halb so hoch wie in Westdeutschland. Im Montanbereich kam es sogar zu weiteren Beschäftigungszuwächsen. Der Fahrzeugbau und hierbei vor allem der Straßenfahrzeugbau dagegen entwickelte sich in der DDR unterdurchschnittlich. Entsprechend kam es bis 1987 im Vergleich zur Situation 1970 auch wieder zu größeren Differenzen der industriellen Strukturen zwischen beiden deutschen Staaten.

III. Verschiebungen der Regionalstrukturen

101

111. Verschiebungen der Regionalstrukturen 1. Veränderungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches Im folgenden Abschnitt geht es vor allem um die Frage, ob mit dem Wechsel gesamtwirtschaftlicher Entwicklungsphasen auch Umbrüche in den großräumigen Regionalstrukturen verbunden waren. Wie bei den Betrachtungen des sektoralen Strukturwandels wird auch bei den regionalen Analysen zunächst die Allsgangssituation und Entwicklung im Deutschen Reich in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik betrachtet, bevor anschließend auf die weitere Entwicklung in der früheren Bundesrepublik und der DDR getrennt eingegangen wird. Ausgangssituation 1895 Das erste Stichjahr der für diese Untersuchung aufbereiteten Gewerbe- bzw. Arbeitsstättenzählungen ist 1895. Die Analysen mit diesem Datenmaterial setzten demnach erst zu einem Zeitpunkt ein, zu dem das Deutsche Reich sich bereits mitten im Industrialisierungsprozeß befmdet. Betrachtet man die Einteilung der wirtschaftlichen Entwicklung in Anlehnung an die Kondratieffzyklen, ist damit die erste und zweite Welle der Industrialisierungen 1895 schon Geschichte. Allerdings dürfte in Deutschland die eigentliche Dynamik der Industrialisierung erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts eingesetzt haben. Ebenso lassen die Analysen der sektoralen Entwicklung im vorherigen Abschnitt vermuten, daß in Deutschland selbst noch nach 1895 bestimmte Entwicklungen des 1. und 2. Kondratieffzyklusses nachgeholt wurden. Dennoch erscheint es für die Einordnung der regionalen Entwicklungen im 20. Jahrhundert wichtig, zumindest gewisse Vorstellungen zu den räumlichen Entwicklungsprozessen vor 1895 einfließen zu lassen. Wirtschaftliche Indikatoren zur regionalen Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert gibt es jedoch kaum. Entsprechende regionale Analysen beschränken sich auf einzelne spezifische Zeiträume, Regionen oder Staaten28 • Für die Darstellung großräumiger Verschiebungen im Nord-Süd- bzw. West-OstRaster müssen aber gerade Indikatoren verwendet werden, die für längere Zeiträume flächendeckend zur Verfügung stehen. Solche Angaben für alle Teilregionen gibt es nur für die Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerungsentwicklung könnte jedoch grobe Entwicklungstendenzen auch der Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten im Deutschland des 19. Jahrhunderts geben. Insbesondere Unterschiede in der Bevölkerungsdichte dürften zu dieser Zeit auch Ausdruck unterschiedlicher wirtschaftlicher Potenz der Regionen sein. 28 Siehe z.B. Borchardt (1966) , S. 325 ff., Hohorst, S. 215 ff., vgl. auch Fischer/Krengel!Wietog, S. 44 ff.

102

C. Beschreibung des sektoralen und regionalen Strukturwandels

Betrachtet man die Entwicklung der Bevölkerungsdichte, weist diese bereits im 19. Jahrhundert auf erhebliche regionale Verschiebungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches hin (Tabelle C/12). Eindeutiger Verlierer mit der geringsten Zunahme der Bevölkerungsdichte ist die Region Süd-West. War hier die Bevölkerungsdichte 1816 noch leicht überdurchschnittlich, lag sie am Ende des 19. Jahrhunderts fast 25 vH unter dem Durchschnittswert für das Deutsche Reich. Die Region fiel dabei offensichtlich immer stärker ins Hintertreffen, je weiter der Industrialisierungsprozeß in Deutschland vorankam. Ebenfalls zurück fiel - gemessen an der Bevölkerungsdichte - die Region Nord-West. Hier allerdings verringerte sich der Abstand zur Entwicklung im Deutschen Reich zum Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr. Im Zeitraum von 1864 bis 1895 nahm die Bevölkerungsdichte in der Region Nord-West fast genauso schnell zu wie im Durchschnitt. Tabelle C/12 Bevölkerung und Bevölkerungsdichte in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches

1816 1 1841 1 1864 1 1895

1816 1 1841 1 1864 1 1895

Bevölkerung in 1000 Personen

Bevölkerungsdichte in Personen je qm

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

3007 5085 5649 1889 3215

3432 6804 6819 2819 4419

3961 8070 7395 3744 5610

5502 12093 8763 5795 8134

43,8 64,2 53,5 28,7 58,6

50,0 85,9 64,5 42,8 80,5

57,7 101,9 70,0 56,8 102,2

80,2 152,7 82,9 87,9 148,2

Insgesamt

18845

24293

28780

40287

50,4

64,9

76,9

107,6

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

14,1 33,8 20,7 49,2 37,4

15,4 18,6 8,4 32,8 27,0

38,9 49,9 18,5 54,8 45,0

14,1 33,8 20,7 49,2 37,4

15,4 18,6 8,4 32,8 27,0

38,9 49,9 18,5 54,8 45,0

Insgesamt

28,9

18,5

40,0

28,9

18,5

40,0

Insgesamt = 100 Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

16 27 30 10 17

14 28 28 12 18

14 28 26 13 19

14 30 22 14 20

87 127 106 57 116

77 132 99 66 124

75 132 91 74 133

75 142 77 82 138

Insgesamt

100

100

100

100

100

100

100

100

Quelle: Statistische Jahrbücher des Deutschen Reichs 1895, 1900; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

III. Verschiebungen der Regionalstrukturen

103

Auf der anderen Seite war die regionale Bevölkerungsentwicklung geprägt von einem sehr starken Autholprozeß der Region Nord-Ost. 1816 war diese Region vergleichsweise besonders gering verdichtet. Die Zahl der Einwohner je Quadratkilometer erreichte am Anfang des 19. Jahrhunderts nur wenig mehr als 55 vH des Durchschnitts aller hier einbezogenen Regionen. 1895 betrug der Abstand dagegen noch nicht einmal mehr 20 vH. Die starke Zunahme der Bevölkerungsdichte in der Region Nord-Ost dürfte jedoch allein auf die expansive Entwicklung Berlins zurückzuführen sein. Darüber hinaus waren es die beiden bereits 1816 am stärksten verdichteten Regionen Mitte-West und Mitte-Ost, die im Verlauf des 19. Jahrhunderts weiter deutlich an Gewic~t gewannen. Im Vergleich mit den anderen Regionen konnte dabei das Gebiet Mitte-Ost insbesondere in den ersten beiden Perioden 1816 1841 und 1841 bis 1864 seine Stellung verbessern. Die Region Mitte-West konnte dagegen den höchsten Entwicklungsvorsprung bei der Zunahme der Bevölkerungsdichte zum Ende des 19. Jahrhunderts zwischen 1864 und 1895 erzielen. Insgesamt weist damit die Bevölkerungsentwicklung im 19. Jahrhundert nicht auf ein eindeutiges großräumiges Entwicklungsmuster hin. Im Kerngebiet des Deutschen Reiches ist weder ein Nord-Süd-, noch ein West-Ost-Gefälle erkennbar. Vielmehr sind es gerade die zentralen Regionen zwischen dem Rheinland und dem Königreich Sachsen, die sich positiv in der Bevölkerungsentwicklung von den anderen Regionen abheben. Dabei dürfte dies noch stärker als hier anband des Gebiets der heutigen Bundesrepublik dargestellt für das gesamte alte Reichsgebiet gegolten haben. Als besonders rückständig einzustufen wären sicherlich gerade die hier nicht einbezogenen Gebiet östlich der Oder-Neiße-Linie. Zwischen diesen Gebieten und dem Kerngebiet des Deutschen Reiches dürfte durchaus ein erhebliches Entwicklungsgefälle bestanden haben29 • Daß die regionalen Umstrukturierungsprozesse im 19. Jahrhundert im wesentlichen Ausdruck der beginnenden Industrialisierung in Deutschland sind, zeigt sich vor allem auch in den Besatzziffern der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe je 1000 Einwohner 1895 (Tabelle C/13). Die höchsten Werte erreichen hier die Region Mitte-Ost mit knapp 200 Beschäftigten je 1000 Einwohner und ren des produzierenden Gewerbes liegt jeweils der Maschinenbau im vorderen Feld. Zwischen 1895 und 1907 können darüber hinaus das Baugewerbe und der Bereich Papier/Druckereien stark an Beschäftigung zulegen. Zwischen 1907 und 1925 sind es die Elektrotechnik und die Textilindustrie, die neben dem Maschinenbau die Rangskala der Beschäftigungsgewinne im produzierenden Gewerbe anführen. In der Periode 1925 bis 1939, die bereits den Beginn des 4. Kondratieff kennzeichnet, erzielt neben dem Baugewerbe vor allem der Fahrzeugbau sehr starke absolute Beschäftigungsgewinne. Die übrigen Sektoren mit hohen Beschäftigungszunahmen entsprechen dagegen denen der Vorperioden. In Westdeutschland ergeben sich nach dem Krieg hohe Beschäftigungsgewinne gegenüber 1939 vor allem für Handel, Baugewerbe und Kohlenbergbau. Von den Wachstumsträgem 1925 bis 1939 des verarbeitenden Gewerbes zählt nur die Elektrotechnik noch zu den führenden Sektoren. Dies ändert sich allerdings schon in der Periode 1950 bis 1961 wieder. Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeugbau können hier einen sehr starken Zuwachs der Beschäftigung verzeichnen. Auch im folgenden Zeitabschnitt bis 1970 zählen diese Industriesektoren zu den Sektoren mit den höchsten absoluten Beschäftigungszuwächsen. Hinzu kommen jedoch auch neue Sektoren wie z.B. die Kunststoffmdustrie oder der Bereich Büromaschinen/EDV. Eine besondere Situation ergibt sich mit dem Ausklang des 4. Kondratieffzyklusses in der Periode zwischen 1970 und 1987. Die Beschäftigungszuwächse konzentrieren sich hier auf sehr wenige Branchen. Deutliche absolute Zuwächse erreichen nur noch die Dienstleistungssektoren und der Fahrzeugbau. Daneben registrieren lediglich die Kunststoffmdustrien, die Feinmechanik/Optik, die Energiewirtschaft und der Bereich Büromaschinen/EDV überhaupt Beschäftigungsgewinne.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

137

Obersicht D/1

Wachstumssektoren•> im Kerngebiet des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik Deutsches Reichb) 1895- 1907

1907- 1925

1925- 1939

Dienstleistungen

Handel

Baugewerbe

Handel

Verkehr

Fahrzeugbau

Baugewerbe

Dienstleistungen

Dienstleistungen

Verkehr

Maschinenbau

Verkehr

Papier, Druckereien

Elektrotechnik

Handel

Maschinenbau

Textilindustrie

Nahrungsmittel

Kohlenbergbau

Holzindustrie

Elektrotechnik

Eisen und Stahl

Chemieindustrie

Maschinenbau

EBM- Waren

Kohlenbergbau

Eisen und Stahl

Textilindustrie

Eisen und Stahl

Energiewirtschaft

Bundesrepublikc) 1950- 1961

1961- 1970

1970- 1987

Handel

Handel

Dienstleistungen

Dienstleistungen

Baugewerbe

Dienstleistungen

Fahrzeugbau

Handel

Kohlenbergbau

Maschinenbau

Elektrotechnik

Fahrzeugbau

Holzindustrie

Elektrotechnik

Handel

Verkehr

1939- 1950

Textilindustrie

Baugewerbe

Kunststoffindustrie

Kunststoffindustrie

Bekleidungsgewerbe

Fahrzeugbau

Maschinenbau

Feinmechanik, Optik

Dienstleistungen

Verkehr

Büromaschinen,EDV

Energiewirtschaft Büromaschinen,EDV

Verkehr

Eisen und Stahl

Chemieindustrie

Elektrotechnik

Chemieindustrie

Papier,Druckereien

Feinkeramik, Glas

Papier,Druckereien

Stahlbau

a) Jeweils die I0 Sektoren mit den höchsten absoluten Beschllftigungszuwlchsen, absteigend sortiert (vgl. Abschnitt C/2); 1970 bis 1987 erzielten von den hier unterschiedenen Sektoren nur 8 absolute Beschllftigungsgewinne.b) In den Grenzen der heutigen Bundesrepublik.· c) Ohne Berlin (West).

Über den gesamten Zeitraum zählen damit 20 verschiedene Sektoren zumindest in einer Periode zu den 10 am stärksten absolut wachsenden Sektoren. Im-

138

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

merhin noch 14 Sektoren erreichen dies zwischen 1895 und 1987 zweimal und mehr. Als weiterer Indikator der Leitsektoreneigenschaft wird hier die Exportorientierung des Wirtschaftszweiges herangezogen. Sie gewährleistet zum einen, daß bei der Auswahl gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren solche Bereiche ausgeschlossen werden, die weitgehend von Impulsen aus anderen Bereichen abhängig sind und denen daher kaum ein autonomes Wachstumspotential zugerechnet werden kann. Zum anderen wird damit einer der zentralen Anforderungen an regionale Leitsektoren Rechnung getragen. Bei der Verwendung der Exportorientierung als Indikator für die Leitsektorenabgrenzung ist jedoch zu beachten, daß hinsichtlich gesamtwirtschaftlicher und regibnaler Betrachtung erhebliche Unterschiede in dem bestehen können, was unter Exporten zu verstehen ist. Für die einzelnen Regionen eines Landes zählen zu den Exporten nicht nur Lieferungen in das Ausland wie auf gesamträumlicher Ebene, sondern auch solche Lieferungen, die in andere Landesteile gehen. Entsprechend wird der Umfang der Ausfuhren einer Region im Regelfall deutlich höher sein als allein die Lieferungen an das Ausland. Im Zusammenhang mit Ausfuhren in andere Regionen können dabei auch Sektoren hervortreten, bei denen Exporte über die Landesgrenzen hinweg keine oder kaum eine Rolle spielen. Dies gilt beispielsweise für viele Dienstleistungen, wenn man Stadt-Umland-Beziehungen betrachtet. Große Städte stellen hierbei verschiedenste zentralörtliche Dienstleistungen für das Umland bereit. Der Umfang solcher Ausfuhren dürfte jedoch bei der hier vorgenommenen großräumigen Betrachtung eher gering sein. Genaue Angaben über Umfang und Struktur des regionalen Warenaustausches könnten nur regionale Input-Output-Analysen geben, bei denen die Warenein- und Warenausgänge den Herkunfts- und Zielregionen zugeordnet werden. Solche originären regionalen Input-Output-Tabellen für Deutschland gibt es allerdings im Regelfall nicht. Lediglich für einzelne Regionen und Stichjahre sind solche Versuche durchgeführt worden32 • Andere regionale Input-OutputRechnungen basieren dagegen auf Modellrechnungen, bei denen insbesondere die Außenhandelsverflechtungen lediglich auf der Basis von Angaben für den Gesamtstaat auf die Regionen übertragen werden33 • Hier wird davon ausgegangen, daß die Austauschbeziehungen zwischen den Großregionen sich auf die gleichen Sektoren beziehen, die auch im Export über die Landesgrenzen dominieren.

32 33

Vgl. z.B. Münzenmaier, S. 145 ff. Vgl. Stäglin, insbesondere S. 205 f .

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

139

Kriterium für die Identifizierung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren ist demnach der Anteil der Produktion, die im Ausland abgesetzt wird. Als adäquate Datengrundlage hierfür dienen Angaben aus gesamtwirtschaftlichen InputOutput-Analysen. In ihnen wird die Zuordnung der Produktion nach Absatzbereichen vorgenommen. Dabei konnten entsprechende Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung herangezogen werden. Im Gegensatz zu den Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes sind die DIW-Tabellen institutionell nach Sektoren gegliedert und somit bis auf gewisse Unterschiede bei der Sektorzuordnung (z.B. nach dem Unternehmens- und nicht nach dem Betriebskonzept) direkt mit den hier vorliegenden sektoralen Beschäftigungsangaben vergleichbar. Allerdings liegen auch die Tabellen des DIW34 erst für Zeitpunkte nach 1950 vor. Für das Deutsche Reich sind bislang keine entsprechenden Berechnungen vorgenommen worden, wenngleich zumindest der Industriezensus 1936 durchaus die Möglichkeit dazu geben würde. Für die Zwecke dieser Untersuchung wäre der für eine gesonderte Aufbereitung notwendige Aufwand allerdings zu hoch. Eine differenzierte Analyse der Exportorientierung der Wirtschaftszweige muß sich daher auf die Angaben für die frühere Bundesrepublik beschränken. Betrachtet wurden als Exportquoten die jeweiligen Anteile der Ausfuhren am Bruttoproduktionswert für die Jahre 1986, 1972 und 1954 (Tabelle D/1). Die Ergebnisse für die Bundesrepublik weisen dabei zunächst auf die bekannterweise geringe Exportneigung in den Dienstleistungssektoren hin. Nur in einzelnen Bereichen spielen Exporte eine wichtige Rolle. Hierzu zählt der Großhandel und das Gastgewerbe. In beiden Bereichen liegen allerdings die Exportquoten deutlich unter dem Durchschnitt im produzierenden Gewerbe. Allein in der Seeschiffahrt spielt die Ausfuhr eine ähnlich wichtige Rolle wie im produzierenden Gewerbe. Jedoch ist dieser Bereich in der Bundesrepublik relativ klein, so daß für den Sektor Verkehr insgesamt dennoch stark unterdurchschnittliche Exportquoten ausgewiesen werden. Auch im produzierenden Gewerbe gibt es erhebliche Unterschiede in der Bedeutung der Exporte für die einzelnen Sektoren. Besonders geringe Exportquoten weisen das Baugewerbe und die Energiewirtschaft auf. Besonders exportintensiv ist das verarbeitende Gewerbe. Spitzenreiter ist hierbei der noch junge Sektor Büromaschinen/EDV mit einer Exportquote von fast bis zu 50 vH. Aber auch der Maschinenbau, der Fahrzeugbau, die Chemie und die Textilindustrie weisen noch Ausfuhranteile bis über 40 vH aus. Im Zeitvergleich ist eine deutliche Steigerung der Bedeutung der Exporte vor allem im verarbeitenden Gewerbe festzustellen. Die Hierarchie zwischen überund unterdurchschnittlich exportintensiven Branchen ist aber weitgehend stabil. 34

Siehe Stäglin!Wessels.

140

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Tabelle D/1 Exportorientierung der Wirtschaftszweige in der Bundesrepublik 1954 bis 1986

1954

1 1972

1 1986

Exporte in Mio o~> Energiewirtschaft Bergbau Kohlenbergbau sonstiger Bergbau Chemische Grundstoffe Chemieindustrie Kunststoffe Mineralöl Mineralische Grundstoffe Steine, Erden Feinkeramik, Glas Metallische Grundstoffe Eisen und Stahl NE-Metalle Maschinen-, Fahrzeugbau Stahlbauc> Maschinenbau Büromaschinen, EDV Straßenfahrzeugbau Luftfahrzeugbau Schiffbau Elektrotechnik, u.s.w. Elektrotechnik Feinmechanik, Optik Uhren, Spielwaren EBM-Waren Holz-, Papierindustrie Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Textil, Leder Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Nahrungsmittel Getränke, Tabak Baugewerbe

110 2200 2000 200 3700 3000 400 300 400 200 200 3200 2600 600 6900 300 4000

210 4000 3000 1000 25000 19000 4000 2000 2000 1000 1000 13400 9700 3700 57500 1000 32000

2000

Produzierendes Gewerbe nachrichtlich: Landwirtschaft Dienstleistungssektor

0,5 22,2 20,0 33,3 19,8 27,1 19,0 5,1 6,9 4,3 16,7 20,0 20,9 17,9 35,7 6,7 37,6

28,6 30,0 22,8 20,0 35,0 40,0 20,0 3,8 4,0 3,8 7,0 8,0 4,0 2,0 2,2 1,4 0,5

40,7 25,0 40,0 21,6 20,8 37,5 26,7 18,5 7,5 5,8 9,0 12,4 13,0 11,1 5,6 5,9 4,5 0,8

0,6 12,1 10,3 25,0 28,5 40,0 27,1 5,9 16,7 11,1 33,3 30,4 30,0 31,2 42,6 15,4 46,9 48,1 42,8 30,0 28,6 34,4 33,9 44,0 33,3 31,3 19,3 15,6 21,9 30,1 38,3 15,4 11,4 13,3 5,1 1,5

494000

12,4

16,3

24,8

5000 59600

1,5 5,6

4,5 5,6

7,4 5,0

4100 2000 700 400 1000 500 200 300 1400 1200 200 500 400 100 100

22000 500 2000 23800 15000 3000 800 5000 4000 1400 2600 6800 4800 2000 5000 4000 1000 1000

23100

142700

300 4850

2000 26000

-

Exportquoteb> 1,2 20,0 22,2 10,0 18,5 23,1 13,3 1,5 8,0 5,0 20,0 15,2 16,6 11,4 26,5 10,0 28,6

1020 4000 3000 1000 91000 70000 16000 5000 8000 4000 4000 38000 25300 12700 196000 4000 82000 13000 92000 3000 2000 86000 57000 11000 3000 15000 21000 7000 14000 22000 18000 4000 24000 21000 3000 3000

600

1954 11972 11986

a) In jeweiligen Preisen,- b) Anteil der Exporte an der Bruttoproduktion des Sektors.- c) Einschließlich Waggonbau. Quellen: Input- Output- Tabellen des DIW; Eigene Berechnungen.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

141

Ausnahmen mit deutlichen Veränderungen ihrer relativen Position stellen im wesentlichen nur der Kohlenbergbau und die Textilindustrie dar. In der unmittelbaren Nachkriegszeit zählte der Kohlenbergbau noch zu den exportintensiven Branchen. Heute spielt jedoch die Auslandsnachfrage für diesen Bereich keine wesentliche Rolle mehr. In der Textilindustrie fand zwischen 1954 und 1986 eine umgekehrte Entwicklung statt. Lag nach dem 2. Weltkrieg der Exportanteil dieses Bereichs noch unter dem Durchschnitt, gehört heute die Textilindustrie zu den exportintensivsten Bereichen. Diese Verschiebungen in den Exportanteilen einzelner Sektoren macht deutlich, daß die Ergebnisse für die Bundesrepublik nicht in jedem Fall auf die Zeit vor dem 2. Weltkrieg übertragen werden können. Am ehesten dürften noch die Ergebnisse für 1954 die Relationen der Exportorientierung der Sektoren im Deutschen Reich widerspiegeln. Um darüber hinaus zumindest einen Eindruck über die Verhältnisse der Vorkriegszeit zu erhalten, sind hier die frühesten Input-Output-Arbeiten zum Vergleich herangezogen worden. Diese Arbeiten stammen aus den vierziger Jahren und beziehen sich auf Rückrechnungen von Input-Output-Tabellen für die USA der Jahre 1939, 1929 und 191935 • Diese Input-Output-Tabellen weisen allerdings einen deutlich geringeren Differenzierungsgrad auf als die für die Bundesrepublik. Zudem besaßen die USA andere Außenhandelsbedingungen und Spezialisierungsfelder als das Deutsche Reich, so daß auch diese Angaben nur gewisse Hinweise auf die damaligen Außenhandelsrelationen hierzulande geben können (Tabelle D/2). Die Unterschiede zwischen exportintensiven und eher auf den nationalen Absatz ausgerichteten Sektoren erscheinen dabei in den USA der Vorkriegszeit denen in der Bundesrepublik 1954 durchaus ähnlich. Vor allem dann, wenn man die Landwirtschaft und das Nahrungs- und Genußmittelgewerbe mit besonders hohen Exportquoten in den USA herausrechnet, überwiegen die Übereinstimmungen. Im Gegensatz zu den Angaben für 1954 in der Bundesrepublik weist allerdings dann die Exportquote für die Textilindustrie in den USA auf einen- wenn auch nur leichten- überdurchschnittlichen Wert hin. Dafür, daß im gleichen Zeitraum ebenso im Deutschen Reich die Textilindustrie eher zu den exportintensiven Bereichen gehörte, sprechen auch die hohen Anteile, die dieser Sektor am Außenhandel besaß. Die statistischen Jahrbücher des Deutschen Reiches weisen hierfür einen Anteil textiler Stoffe (ohne Bekleidung) am Export von knapp 7 vH 1939, etwa 13 vH 1925 und mehr als 30 vH 1895 aus. Die Festlegung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren erfolgte unter den genannten Einschränkungen anhand der beiden Kriterien

35

Siehe Leontief, hier insbesondere S. 20 ff. und die beigelegten Tabellen.

142

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Tabelle D/2 Exportorientierung der Wirtschaftszweige in den USA 1919 bis 1939

1919 11929 11939

1919 11929 11939

Exporte in Mio Dollar">

Exportquoteb>

331 739 197 142 168 269 0

0,0 4,5 11,5 4,6 9,1 7,0 6,6 3,6 5,9 13,6 0,0

0,0 4,1 8,5 3,2 5,0 7,3 6,1 4,1 2,2 3,6 0,0

0,0 3,2 4,8 2,4 4,5 7,2 3,6 1,6 1,4 1,4 0,0

3829

2752

7,7

4,5

2,8

1194 73

453 448

9,5 2,5

7,7 1,1

3,6 0,3

Energiewirtschaft Bergbau Chemische Grundstoffe Mineralische Grundstoffe Metallische Grundstoffe Maschinen-, Fahrzeugbau Elektrotechnik, Feinmechanik Holz-, und Papierindustrie Textil und Bekleidung Nahrungs-, und Genußmittel Baugewerbe

0 129 819 66 471 1048 52 239 715 1963 0

0 126 857 73 315 1339 76 243 209 487 0

Produzierendes Gewerbe

5599

nachrichtlich: Landwirtschaft Dienstleistungssektor

2100 141

a) In jeweiligen Preisen,-

0 75 695

65

b) Anteil der Exporte an der Bruttoproduktion des Sektors.

Quellen: Input-Output-Tabellen von Leontief (1953); Eigene Berechnungen.

- hohe absolute Beschäftigungsgewinne - überdurchschnittliche Exportquote.

Bei der Auswahl der Leitsektoren ist konkret so vorgegangen worden, daß dann ein Sektor als Leitsektor eingestuft wurde, wenn er in mindestens zwei Perioden zu den 10 wachstumsstärksten Wirtschaftszweigen zählte und gleichzeitig eine überdurchschnittliche Exportquote aufweist. Für die Nachkriegszeit wurde bei der Einschätzung der Exportorientierung der Durchschnitt der Jahre 1954, 1972 und 1988 herangezogen. Für das Deutsche Reich erfolgte die Abgrenzung nach den Exportquoten für die Bundesrepublik 1954. Darüber hinaus wurde der Textilindustrie auch für die Vorkriegszeit eine überdurchschnittliche Exportorientierung zugerechnet. Für das Deutsche Reich werden damit folgende gesamtwirtschaftliche Leitsektoren ausgewiesen: - Textilindustrie - Kohlenbergbau

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

143

- Eisen- und Stahlerzeugung - Maschinenbau - Elektrotechnik - Chemieindustrie - Fahrzeugbau.

Für die Bundesrepublik werden zunächst die gleichen Leitsektoren ausgewiesen. Jeder der genannten Sektoren zählte auch zwischen 1950 und 1987 zumindest einmal zu den 10 wachstumsstärksten Sektoren und im Durchschnitt auch zu den überdurchschnittlich exportorientierten. Zusätzlich werden für die Bundesrepublik als gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Wirtschaftszweige aufgenommen, die entweder erst nach dem 2. Weltkrieg gesondert ausgewiesen werden oder erst dann erstmals zweimal zu den wachstumsstärksten Sektoren zählten. Im einzelnen sind dies die Bereiche - Kunststoffverarbeitung - Büromaschinen/EDV.

Bis auf die letztgenannten Sektoren, die unter Umständen ihren Entwicklungshöhepunkt noch vor sich haben, sind damit als gesamtwirtschaftliche Leitsektoren auch jene Wirtschaftszweige erfaßt worden, die ein hohes Gewicht in der Beschäftigungsstruktur des Deutschen Reiches oder der Bundesrepublik besaßen bzw. besitzen.

Sektorale Zuordnung indirekter Effekte

In den theoretischen Ansätzen zur Erklärung regionaler Wachstumsprozesse wird auf die vielfältigen indirekten Beeinflussungen der Gesamtentwicklung durch die Leitsektoren hingewiesen (vgl. Abschnitt Dill). Für eine empirische Überprüfung dieser Einflüsse wäre daher eine sektorale Zuordnung der indirekten Impulse von entscheidender Bedeutung, da die Entwicklung der Einzelsektoren hier im historischen Prozeß betrachtet werden kann. Die Identifizierung von Sektoren, die in besonderer Weise von der Entwicklung bestimmter Sektoren abhängen, ist allerdings schwierig36 • Dies gilt besonders dort, wo es um indirekte Effekte geht, die sich auf die Stärkung der Wettbewerbsposition durch die,Innovationsimpulse der Leitsektoren beziehen. Betrachtet man die Art der in den theoretischen Ansätzen beschriebenen Innovationsimpulse, so handelt es sich vornehmlich um sogenannte Basisinnovationen. Diese sind wiederum gerade durch ein vielfältiges Anwendungsfeld gekennzeichnet. Zudem fällt es schwer zu bewerten, in welchem Maße endogene Po-

36

Vgl. Läpple (1989) , S. 213 ff., auch Hoffmann (1992), S. 43 ff.

144

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

tentiale der Sektoren oder Übernahmen durch Innovationen der Leitsektoren für den wirtschaftlichen Erfolg des Wirtschaftszweigs verantwortlich waren.

Am ehesten scheint eine sektorale Zuordnung von indirekten Effekten noch möglich, wo enge Lieferverflechtungen zwischen Leitsektor und anderen Wirtschaftszweigen bestehen. Solche Vorleistungsverflechtungen können wiederum anhand von Input-Output-Tabellen analysiert werden37 • Ausgewertet wurden hierzu die differenzierten Verflechtungsangaben für die Bundesrepublik 1986, 1972 und 1954. Zur Einschätzung der Abhängigkeit bestimmter Wirtschaftszweige von Lieferungen an die Leitsektoren wurden zunächst die Vorleistungskäufe der fünf wichtigsten Leitsektoren (Chemieindustrie, Eisen- und Stahlerzeugung, Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektrotechnik) ermittelt. Die Bezüge aus den einzelnen Sektoren wurden dann zusammengeiaßt und in Relation zum Gesamtproduktionswert der Vorleistungssektoren gesetzt (Tabelle D/3). Diese Relationen weisen für 1986 und 1972 auf bestimmte Wirtschaftszweige hin, die in besonderem Maße von Lieferungen von Vorprodukten an die Leitsektoren abhängig sind. Hierzu zählen die Bereiche Gummiverarbeitung mit einem Anteil dieser Lieferungen bis zu 35 vH, Ziehereien mit bis zu 40 vH und Gießereien, in dem die Lieferungen sogar über 50 vH des Bruttoproduktionswertes erreichen. Die wichtigsten Absatzbereiche dieser drei Bereiche liegen im Maschinenbau, dem Straßenfahrzeugbau und bei der Elektrotechnik. Bei anderen Sektoren erreichen Lieferungen an die genannten fünf Leitsektoren dagegen kaum größere Bedeutung. Die Anteile an den Bruttoproduktionswerten der Liefersektoren liegen im Regelfall deutlich unter 20 vH. Nur noch im Kohlenbergbau und der Kunststoffverarbeitung erreichen sie 1988 Werte von etwa 25 vH. Noch weniger eindeutig erscheinen die Abhängigkeiten der Liefersektoren 1954. Sektoren, in denen die Leitsektoren als Abnehmer dominieren, sind nicht auszumachen. Die höchsten Anteile der Lieferungen an den Gesamtproduktionen werden noch mit etwa 30 vH in den kleinen Wirtschaftszweigen Gummiverarbeitung und NE-Metallerzeugung registriert. Bei Gießereien und Ziehereien liegt dieser Anteil nur bei etwa 20 vH. Dies ist kaum mehr als im Stahlbau, im Bergbau oder bei den EBM-Waren und den Eisenbahnen. Unberücksichtigt bei den Analysen der Lieferabhängigkeit bleiben allerdings Lieferungen, die nicht als Vorleistungen, sondern in Form von Investitionsgütern an die Leitsektoren getätigt werden. Die Lieferverflechtung zwischen den Sektoren bei Investitionsgütern werden allerdings nicht in den Standardformen der Input-Output-Tabellen ausgewiesen. Es wurde daher auf spezielle Auswertungen des ifo-Instituts zurückgegriffen, das seit vielen Jahren Verflechtungsmatrizen für Ausrüstungsinvestitionen berechnet. Entsprechende Sonder-

37

Vgl. z.B. Bathelt, S. 31- 43, Miller!Sho.o, S. 41 ff.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

145

Tabelle D/3 Bedeutung der Lieferung von Vorleistungsgiltern an ausgewählte Leitsektoren•l in der Bundesrepublik 1954 bis 1986 1954

1 1972

1 1986

Lieferungen in Mio DMb)

1954 11972 11986

Lieferquotec>

Energiewirtschaft

1200

5014

14880

13,3

11,4

9,0

Bergbau Chemieindustrie Mineralöl Kunststoffe Gummi Steine, Erden Feinkeramik Glas Eisen-, Stahlerzeugung Gießereien Ziehereien NE-Metalle Stahlbau Maschinenbau Büromaschinen, EDV Fahrzeugbau Elektrotechnik Feinmechanik, Optik EBM-Waren Holzindustrie Papier, Druckereien Textil, Bekleidung Nahrungs-, Genußmittel Baugewerbe Handel Verkehr Dienstleistungen

1805

3272

6790

16,4

18,2

20,6

621 237 146 587

3996 3113 2020 2989

8500 11966 11336 6399

4,8 5,9 14,6 29,4

5,7 8,9 16,8 33,2

4,9 14,1 27,6 35,6

220 54 51

636 150 994

800 260 2020

5,5 5,4 5,1

2,8 5,0 16,6

2,2 5,2 16,8

1515 447 804 1265

5334 3155 5715 4569

10799 7387 14649 6891

13,8 22,4 20,1 31,6

16,7 52,6 38,1 32,6

21,6 52,8 39,6 28,7

542 511

1349 3254

1337 7394 515

18,1 3,7

9,0 3,8

5,1 4,2 1,9

70

440

2100

1,0

0,8

1,0

792 113 811

6893 883 4040

18325 2485 5811

7,9 5,7 16,2

9,6 11,0 15,0

10,9 9,9 12,1

157

397

1193

3,1

1,7

2,7

229

2073

4706

2,9

7,1

7,4 4,0

173

599

1885

1,2

1,6

254

lllO

1679

1,4

1,6

I ,I

150

900

1831

0,8

0,7

0,9

1811

10310

24887

5,5

6,7

8,6

1586

6063

12900

9,9

7,4

6,5

883

13100

41517

2,9

7,3

7,7

a) Vorleistungen an die Chemieindustrie, die Eisen- und Stahleneugung, den Maschinenbau, den Straßenfahrzeugbau imd die Elektrotechnik,- b) In jeweiligen Preisen, ohne intraseidorale Lieferungen.- c) Anteil der Vorleistungslieferungen an der Bruttoproduktion des Liefersektors. Quellen: Input - Output- Tabellen des DIW; Eigene Berechnungen.

10 Gomig

146

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

aufbereitungen differenziert nach 12 Liefersektoren und den fünf großen Leitsektoren wurden hier für die Jahre 1986, 1972 und 1962 ausgewertet (Tabelle D/4). Tabelle D/4 Bedeutung der Lieferung von Investitionsgütern an ausgewählte Leitsektoren•l in der Bundesrepublik 1962 bis 1986

1962

J

1972

I

1986

Lieferungen in Mio DMbl Gießereien Stahlbau Maschinenbau Straßenfahrzeugbau Elektrotechnik

Lieferquote•>

38

473

702

0,9

308

194

721

4,6

1,3

2,8

2313

5825

16631

6,3

6,9

9,5

Büromaschinen, EDV Luftfahrzeugbau, Schiffbau

1962 11972 11986

7,9

3598

5,0

13,3

216

630

1261

1,0

1,2

0,6

11

128

528

0,3

1,8

3,1

1154

1641

4995

4,1

2,3

3,0

34

264

445

1,0

3,3

1,8

EBM-Waren

171

364

1067

1,4

1,3

2,2

Holzindustrie

112

368

1059

1,7

2,0

3,0

Feinmechanik, Optik

Textilindustrie Baugewerbe

5

53

126

0,0

0,2

0,3

1782

3890

7082

3,7

3,2

3,5

a) Investitionsgtlterliefenmgen an die Chemieindusttie, die Eisen- und Stahlerzcugung, den Maschinenbau, den Straßenfahrzeugbau und die Elektrotechnik,- b) In jeweiligen Preisen, obne intrasektorale Lieferungen.c) Anteil der Investitionsgtlterlieferungen an der Bruttoproduktion des Liefersektors. Quellen: Investitionsmatrizen des liD-Instituts, Sonderauswertung 1989; Input-Output-Tabellen des DIW; Eigene Berechnungen.

Die Bedeutung von Lieferungen von Investitionsgütern an die Leitsektoren für die Gesamtproduktion ist insgesamt eher gering. Noch am höchsten ist der Anteil bezogen auf den Bruttoproduktionswert beim Sektor Büromaschinen/EDV. 13 vH der Produktion wurden 1986 als Investitionsgüter in den fünf Leitsektoren abgesetzt. Ebenfalls vergleichsweise hoch ist der Lieferanteil an die Leitsektoren beim Maschinenbau. Die Anteile betragen hier zwischen 6 vH und 10 vH. Älmlich hohe Anteile erreichen die Investitionsgüterlieferungen an der Gesamtproduktion des Liefersektors 1972 und 1986 bei den Gießereien mit 8 vH bzw. 5 vH und 1962 beim Stahlbau mit knapp 5 vH. Eine unmittelbare Abhängigkeit bestimmter Investitionsgüterbranchen von den Bezügen der großen Leitsektoren kann jedoch nicht festgestellt werden.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

147

Die anhand von Input-Output-Angaben durchgeführten Analysen machen insgesamt deutlich, daß auch im Bereich der Lieferverflechtungen eine sektorale Zuordnung indirekter Effekte der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren schwierig ist. Die indirekten Effekte durch Zulieferungen dürften auf der einen Seite zwar vom Umfang her durchaus bedeutsam sein. So weisen die fünf großen Industriesektoren der Bundesrepublik Vorleistungsanteile zwischen etwa 45 vH und 55 vH auf, und sie dürften insgesamt wohl auch eher zu den Sektoren mit hoher Investitionstätigkeit gehören. Auf der anderen Seite aber konzentrieren sich die Effekte aus den Lieferungen nur in wenigen Fällen auf bestimmte Wirtschaftszweige. Zudem dürfte die Bestimmung der unmittelbaren Abhängigkeit von Lieferungen an gesamtwirtschaftliche Leitsektoren von der Größe des Sektors abhängig sein. So ist auch beispielsweise eine Abhängigkeit bestimmter Dienstleistungen von den Leitsektoren nicht zu identifizieren, da in den vorliegenden Input-Output-Angaben dieser Bereich nur als sehr grobes Aggregat ausgewiesen wird. Eine unmittelbare Abhängigkeit von Lieferungen an die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren kann entsprechend für die Nachkriegsperiode nur für wenige kleine Industriezweige nachgewiesen werden. Hierzu zählen die Gießereien, die Gummiverarbeitung und die Ziehereien. Bei regionalen Analysen ist zusätzlich zu beachten, daß die genannten Liefersektoren nicht unerhebliche Exportanteile besitzen. In den Jahren 1954, 1972 und 1988 liegen die Exportquoten bei den Gießereien zwischen 5 vH und 7 vH, bei der Gummiverarbeitung zwischen 10 vH und 27 vH, und bei den Ziehereien schwanken sie zwischen 13 vH und 19 vH. Es dürfte daher davon auszugehen sein, daß auch zwischen den hier betrachteten Großregionen bei den genannten Lieferbereichen bedeutende regionale Austauschbeziehungen bestehen. Auf einen gesonderten Ausweis des unmittelbaren Einflusses der Leitsektorenentwicklung auf diese Sektoren im regionalen Vergleich wurde daher verzichtet.

2. Räumliche Entwicklungsmuster der Einzelsektoren Bevor im nächsten Abschnitt auf die Bedeutung der Leitsektoren für die Gesamtentwicklung der Regionen eingegangen wird, sollen zunächst die regionalen Verteilungs- und Entwicklungsmuster der Einzelsektoren dargestellt werden. Der weit überwiegende Teil der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren hat sowohl für. die Wirtschaftsentwicklung im Kerngebiet des Deutschen Reiches als auch für die in der früheren Bundesrepublik (ohne Berlin-West) einen hohen Stellenwert. Die Darstellung der räumlichen Muster der Leitsektoren erfolgt daher über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1895 bis 1987. Im ersten Zeitabschnitt bis 1939 bezieht sich die Analyse auf alle fünf Großregionen unter Einschluß des Gebietes der späteren DDR. Für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg werden nur die Positionen der drei Westregionen zueinander betrachtet.

148

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Textilindustrie Im ersten hier betrachteten Stichjahr 1895 stellt die Textilindustrie bereits einen weitentwickelten und großen Wirtschaftszweig dar. Mit einem Beschäftigungsanteil von 20 vH am produzierenden Gewerbe ist sie zu dieser Zeit die mit Abstand bedeutendste Industrie im Deutschen Reich. Regionale Schwerpunkte der Textilindustrie sind 1895 die Regionen MitteOst und Mitte-West mit einem Anteil an der Beschäftigung im Deutschen Reich in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik von 36 vH bzw. 29 vH (Tabelle D/5). Berücksichtigt man zusätzlich das unterschiedliche Gewicht der Regionen, indem man die Beschäftigtenzahl auf die Einwohner der jeweiligen Region bezieht (Beschäftigtenbesatz), wird die besondere Konzentration der Textilindustrie auf die Region Mitte-Ost deutlich. Je 1 000 Einwohner arbeiteten dort etwa 54 Personen im Textilgewerbe. In der Region Mitte-West waren es dagegen nur 31 Personen, und die Besatzkennziffern der anderen Regionen lagen noch deutlich darunter. Allerdings zählte 1895 auch dort das Textilgewerbe zu den wichtigsten Industriezweigen. In den folgenden Perioden bis 1907 und 1925 konnte die Textilindustrie ihre Beschäftigung im Deutschen Reich insgesamt noch ausweiten. Jedoch galt dies schon nicht mehr für alle Regionen. So mußten die Regionen Nord-West und Nord-Ost im Zeitraum 1895 bis 1907 empfmdliche Beschäftigungseinbußen hinnehmen. Die führende Textilregion Mitte-Ost erzielte dagegen bis 1925 weiter die absolut höchsten Beschäftigungsgewinne und konnte seine Position noch festigen. Im Jahr 1925 arbeiteten fast 40 vH der Beschäftigten der deutschen Textilindustrie in dieser Region. Beim relativen Beschäftigungswachstum wurde die Region Mitte-Ost jedoch bereits zwischen 1907 und 1925 von der Region SüdWest übertroffen. Die Region Süd-West war dann auch in der folgenden Periode bis 1939 -als alle anderen Regionen starke Beschäftigungsverluste hinnehmen mußten - die einzige, die ihre Beschäftigung in der Textilindustrie noch ausweiten konnte. Die Region Süd-West verbesserte damit ihre Position deutlich. Der Beschäftigtenbesatz weist sie 1939, wenn auch mit deutlichem Abstand, hinter der Region Mitte-Ost als zweites regionales Zentrum der Textilindustrie im Deutschen Reich aus. Sie löste damit die Region Mitte-West ab. Bezogen auf das Gebiet der späteren Bundesrepublik war die Region Süd-West 1939 das eindeutige Textilzentrum. Die führende Position innerhalb Westdeutschlands konnte die Region nach dem 2. Weltkrieg weiter ausbauen. Dies nicht nur am Anfang, als die Beschäftigung in der Textilindustrie noch zunahm, sondern auch in den starken Schrumpfungsphasen seit Mitte der sechziger Jahre. Das heißt, die relativen Beschäftigungsrückgänge waren hier im Regelfall geringer als in den Regionen MitteWest und Nord-West. In Bezug auf die absoluten Zahlen bedeutete dennoch z.B. der Beschäftigungsrückgang zwischen 1970 und 1987 für die Region Süd-West

149

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

Tabe//eD/5 Verteilung der Textilindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik 1895 11907 11925 11939 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in 1000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

95 357 229 113 449

92 385 254 111 534

107 427 330 113 630

92 414 337 91 551

108 440 407

98 410 418

297 343

64

31 123 161

Insgesamt

1243

1376

1607

1485

955

926

704

315

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

-3,2 7,8 11,0 -1,1 18,7

16,0 10,9 30,0 1,1 18,1

-14,0 -2,9 2,1 -19,1 -12,6

17,5 6,1 20,8

-9,3 -6,7 2,8

-34,8 -27,5 -18,1

-51,0 -58,7 -53,1

Insgesamt">

10,7

16,8

-7,5

13,2

-3,0

-24,0

-55,3

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

7,7 28,7 18,4 9,1 36,2

6,7 28,0 18,5 8,1 38,8

6,7 26,6 20,6 7,0 39,2

6,2 27,9 22,7 6,1 37,1

11,3 46,1 42,6

10,6 44,3 45,2

9,1 42,2 48,7

9,9 39,0 51,1

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

5

3

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

17 31 26 23 54

13 24 24 17 53

14 24 29 15 60

11 22 27 11 48

9 20 26

9 16 24

ll 18

Insgesamt

32

28

30

25

20

17

12

a) Ve111nderung 1950 zu 1939 bezogen auf die Summe der Westregionen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Albeitsstätten- Wtd VolkszahlWtg; Eigene Schltzungen Wtd BereclmWtgen.

5

8

5

150

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

mit einel_ll Verlust in Höhe von 180 000 Personen die höchste Belastung. Während die Schrumpfung der Textilindustrie für die Region Nord-West einen Beschäftigungsrückgang von 8 Personen je 1 000 Einwohner entsprach, lag der Rückgang in der Region Mitte-West bei 17 Personen und in der Region SüdWest bei 19 Personen je 1 000 Einwohner. Heute spielt die Textilindustrie in keiner der westdeutschen Regionen eine entscheidende Rolle mehr für die Beschäftigung. Selbst in der Region Süd-West, in der 1987 über 50 vH der westdeutschen Textilbeschäftigung angesiedelt sind, beträgt der Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner nur noch 8 Personen. Der Vergleich zu den Ausgangszahlen 1895 mit 26 Personen in der Region Süd-West oder sogar 54 Personen in der Region Mitte-Ost macht den Bedeutungsverlust eindrucksvoll deutlich.

Montanbereich Die Wirtschaftszweige Kohlenbergbau und Eisen- und Stahlerzeugung werden aufgrund ihrer hohen Lieferverflechtung häufig gemeinsam als Montankomplex betrachtet. Eine solche Vorgehensweise bietet sich auch hier an, da wohl nicht nur von einer hohen Lieferverflechtung im allgemeinen, sondern auch von einer hohen räumlichen Verflechtung beider Bereiche ausgegangen werden kann. Die führende Montanregion von den hier betrachteten fünf Großräumen im Gebiet des Deutschen Reiches in den Grenzen der heutigen Bundesrepublik ist ganz eindeutig die Region Mitte-West (Tabelle D/6). Bereits 1895 waren gemessen an der Beschäftigung etwa 75 vH der Kapazitäten des Kohlenbergbaus und rund 65 vH der Eisen- und Stahlerzeugung hier konzentriert. In der Region Mitte-West stellte 1895 damit der Montanbereich bei einem Beschäftigungsbesatz je 1 000 Einwohner von 15 Personen im Kohlenbergbau und 12 Personen in der Eisen- und Stahlerzeugung bereits einen dominanten Industriezweig dar. Der Montanbereich hatte hier seinen ersten Entwicklungsschub schon hinter sich und erreichte in dieser Region zusammen schon fast die Bedeutung der Textilindustrie (Beschäftigtenbesatz von 31 Personen). Die regionale Konzentration auf die Region Mitte-West verstärkte sich in den folgenden Expansionsphasen des Montanbereichs bis 1925 in beiden Bereichen noch. Vor allem gegenüber den jeweiligen Hauptkonkurrenzregionen im Kerngebiet des Deutschen Reiches konnte sie eine im Durchschnitt deutlich bessere Beschäftigungsentwicklung aufweisen. Beim Kohlenbergbau ging die Bedeutungsausweitung der Region Mitte-West insbesondere zulasten der Region MitteOst. Ihr Anteil an der Beschäftigung im Kohlenbergbau insgesamt ging von fast 19 vH 1895 auf 12 vH 1925 zurück. Bei der Eisen- und Stahlerzeugung konnte die Region Mitte-West vor allem auf Kosten der Region Süd-West hinzugewin-

151

III. Quantifizierung des Zusammenhanges Tabelle D/6

Verteilung der Montanindustrie•> auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

1895 11907 11925 11939 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in 1000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

23 316 34 16 62

35 569 54 21 92

43 919 41 47 137

62 923 33 51 119

28 773 17

38 794 19

40 524 13

25 315 6

Insgesamt

451

772

1187

1188

818

852

577

346

Veränderung in vHb) Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

50,7 80,4 60,7 30,8 48,5

25,6 61,3 -24,5 121,1 48,0

42,1 0,5 -18,6 7,3 -12,6

-33,4 -0,4 44,5

37,3 2,8 12,6

4,7 -34,0 -30,4

-38,2 -39,9 -51,3

Insgesamt

71,2

53,8

0,1

-5,9

4,2

-32,2

-40,0

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

5,1 70,0 7,5 3,6 13,8

4,5 73,8 7,0 2,8 12,0

3,7 77,4 3,5 4,0 11,5

5,2 77,7 2,8 4,3 10,1

3,4 94,5 2,0

4,5 93,3 2,2

7,0 90,8 2,3

7,2 91,0 1,8

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

4 27 4 3 8

5 36 5 3 9

6 52 4 6 13

7 48 3 6 11

2 36 1

3 32 1

3 19 1

2 12 0

Insgesamt

11

15

22

20

17

16

10

6

a) 1895 bis 1939 einschließlich Gießereien und Ziehereien, 1950 bis 1987 ohne Gießereien und Ziebereien,b) In den Westregionen und der Summe 1950 bezogen aufdie Beschlftigtenzah11939 ohne Gießereien und Ziehereien. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstltten- und Volkszablung; Eigene SchAlzungen und Berechnungen.

152

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

nen. Der Anteil dieser Region an der Beschäftigung der deutschen Eisen- und Stahlindustrie ging von 14 vH 1895 aufunter 6 vH 1925 zurück. Diese regionalen Verschiebungen setzten sich auch fort, als zwischen 1925 und 1939 im Kohlenbergbau sich Schrumpfungstendenzen durchsetzen und in der Eisen- und Stahlerzeugung eine Abschwächung des Wachstumstempos spürbar wird. Die Anteilsgewinne der Region Mitte-West sind allerdings nicht mehr so groß wie in den Vorperioden. Im Vergleich zur Ausgangssituation im Jahr 1895 ist insgesamt dennoch die räumliche Konzentration deutlich gestiegen. 1939 erreicht die Region Mitte-West an der Beschäftigung im Deutschen Reich im Kohlenbergbau einen Anteil von 85 vH, und in der Eisen- und Stahlerzeugung von 72 vH. Bezogen auf die Bevölkerung sind damit in dieser Region fast 50 Personen je 1 000 Einwohner im Montanbereich beschäftigt. In den anderen vier Regionen spielt auch 1939 der Montanbereich keine herausragende Rolle für die Beschäftigung. Der Beschäftigtenbesatz lag hier zwischen 3 Personen (Süd-West) und 11 Personen (Mitte-Ost). Nach dem 2. Weltkrieg kam die herausragende Stellung der Region MitteWest im Montanbereich, bezogen nur auf das Gebiet der damaligen Bundesrepublik, noch stärker zum tragen. 1950 waren 97 vH der Beschäftigten im Kohlenbergbau und 88 vH der Beschäftigten der Eisen- und Stahlerzeugung der Bundesrepublik in der Region Mitte-West tätig. Dies waren im wesentlichen Regionalstrukturen, wie sie sich bei dieser Gebietsabgrenzung auch 1939 ergeben hätten. Allein die Region Süd-West konnte in der Eisen- und Stahlerzeugung gegenüber der Vorkriegszeit ihre Position leicht verbessern und erreichte 1950 einen Anteil von etwas mehr als 3 vH. Im Kohlenbergbau setzte bereits in den fünfzigerJahrenein starker Schrumpfungsprozeß ein, der sich bis heute fortsetzte. In absoluten Beschäftigtenzahlen gesehen, war davon die Region Mitte-West besonders betroffen. 1987 lag die Beschäftigung hier mit rund 155 000 Personen um fast 440 000 Personen niedriger als 1950. Die räumliche Konzentration des Kohlenbergbaus auf die Region Mitte-West nahm aber dennoch zu und erreichte 1987 fast 100 vH.

In der Eisen- und Stahlindustrie setzte der gesamtwirtschaftliche Schrumpfungsprozeß bei der Beschäftigung erst später ein. Besonders stark ausgeprägt waren die Beschäftigungsverluste zwischen 1970 und 1987. In der Region MitteWest begannen die Schrumpfungsprozesse der Eisen- und Stahlindustrie aber schon in den sechziger Jahren, in denen die Regionen Nord-West und Süd-West noch Beschäftigungszuwächse verzeichneten. Auch in den Jahren zwischen 1970 und 1987 blieb die Beschäftigungsentwicklung in der Region Mitte-West unterdurchschnittlich. Anders als im Kohlenbergbau kam es in der Eisen- und Stahlindustrie zu einem räumlichen Dekonzentrationsprozeß. Profitieren konnte davon besonders die Region Nord-West. Ihr Anteil am Sektor Eisen- und Stahlerzeugung stieg von 8 vH 1939 auf fast 13 vH 1987. Jedoch ging auch hier im Vergleich dieser Zeitpunkte die absolute Beschäftigtenzahl etwas zurück.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

153

Maschinenbau

Nach dem Textilgewerbe, dem Montanbereich und einigen Verbrauchsgüterindustrien zählte schon 1895 der Maschinenbau zu den wichtigeren Industriezweigen. Der Anteil an den Beschäftigten im produzierenden Gewerbe betrug damals immer knapp 4 vH. Die regionale Konzentration der Beschäftigung ist allerdings deutlich geringer als bei den anderen beiden Leitsektoren (Tabelle D/7). Die höchsten Anteile am Maschinenbau erreichen 1895 mit jeweils um die 30 vH die Regionen Mitte-Ost und Mitte-West. Die kleinste Region Nord-West erreicht ~erhin noch einen Anteil von 10 vH. Die Betrachtung der Besatzkennziffern weist jedoch nur einen gewissen Schwerpunkt des Maschinenbaus in der Region Mitte-Ost aus. Je 1 000 Einwohner sind hier 9 Personen im Maschinenbau beschäftigt. In den anderen Regionen sind es zwischen 6 Personen (Nord-Ost) und 4 Personen (Nord-West). Im folgenden W achstumsprozeß des Maschinenbaus bis 1939 verändern sich die Anteile der Regionen mehrfach. Eine eindeutige, prägnante räumliche Tendenz weisen diese insgesamt nicht auf. Zunächst kann die Region Nord-West mit überdurchschnittlichen Beschäftigungszuwächsen zwischen 1895 und 1925 deutlich Boden gutmachen. Bereits in der folgenden Periode bis 1939 fällt die Region aber wieder auf einen Beschäftigungsanteil von 10 vH am Maschinenbau zurück. Ihr Gegenstück fmdet diese Entwicklung bei der Veränderung der Maschinenbauindustrie in der Region Mitte-West. Dort fällt kurzzeitig der Maschinenbau während der zwanziger Jahre zurück, kann dies aber bis 1939 wieder ausgleichen. Zusammengenommen ergibt sich daher 1939 bei der regionalen Verteilung des Maschinenbaus ein ähnliches Bild wie 1895. Ein -wenn auch zu anderen Sektoren wenig ausgeprägter - räumlicher Schwerpunkt des Maschinenbaus bleibt die Region Mitte-Ost. Der Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner liegt hier 1939 bei 26 Personen. Leicht aufholen konnte die Region Süd-West, die zusammen mit den Regionen Mitte-West und Nord-Ost einen Besatz von 15 Personen erreicht. Leicht ab fällt wiederum nur die Region Nord-West bei einem Beschäftigtenbesatz von 12 Personen. Die relativ geringen Veränderungen in den regionalen Strukturen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß insgesamt der Maschinenbau bis 1939 eine außerordentliche Beschäftigungsdynamik entwickelt hat. Zwischen 1895 und 1939 nahm die Beschäftigung absolut um mehr als 770 000 Personen zu. Der Maschinenbau nähert sich damit kurz vor dem 2. Weltkrieg bei einer Beschäftigungszahl von knapp 1 Mio. Personen deutlich der Bedeutung des ehemals dominierenden Textilgewerbes. Betrachtet man die regionale Verteilung des Maschinenbaus auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik, ergibt sich 1939 eine noch einheitliebere Verteilung als für das Reich insgesamt. Bezogen auf den Beschäftigtenbesatz gibt es 1939 praktisch keine größeren Unterschiede zwischen den drei Westregionen. In

154

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Tabelle D/7

Verteilung des Maschinenbaus auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik 1895 11907 11925 11939 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in 1000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

20 60 36 29 71

51 116 68 51 124

118 196 148 99 217

103 287 185 124 290

80 259 205

162 530 443

169 571 500

132 475 503

Insgesamt

216

409

779

990

544

1134

1239

1109

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

151,5 91,2 91,4 74,3 73,8

133,1 69,8 117,0 96,7 75,4

-12,9 46,4 25,1 25,0 33,8

-22,0 -9,8 10,4

102,1 104,6 116,4

4,2 7,8 12,9

-22,0 -16,9 0,6

Insgesamt>

88,9

90,5

27,1

-5,5

108,7

9,3

-10,5

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

9,3 27,9 16,5 13,4 32,9

12,4 28,3 16,7 12,4 30,3

15,2 25,2 19,0 12,8 27,9

10,4 29,0 18,7 12,5 29,3

14,7 47,6 37,6

14,3 46,7 39,0

13,6 46,1 40,3

11,9 42,8 45,3

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

4 6 9

7 7 6 8 12

16 11 13 14 21

12 15 15 15 26

7 12 13

14 21 26

14 21 26

II 18 25

6

8

14

17

ll

21

21

19

4

5

a) Verlndenmg 1950 zu 1939 bezogen aufdie Summe der Westregionen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstatten- und Volkszahlung; Eigene Seitatzungen und Berechnungen.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

155

diesem für die Beschäftigung bedeutendsten Bereich zeichnet sich jedoch bereits bis 1950 eine neue regionale Differenzierung ab. Gegenüber der Vorkriegszeit müssen die beiden Regionen Nord-West und Mitte-West deutliche Beschäftigungsverluste hinnehmen, die Region Süd-West kann dagegen weiter an Beschäftigung zulegen. Die regionalen Verschiebungen verfestigen sich in den für den Maschinenbau besonders wachstumsstarken fünfziger Jahren. Bereits 1961 konnte -betrachtet man die Besatzkennziffern- die Region Süd-West einen spürbaren Vorsprung erzielen. In der Maschinenbauindustrie dieser Region waren zu dieser Zeit bereits 26 Personen je 1 000 Einwohner beschäftigt, in der Region Mitte-West waren es 21 Personen und in der Region Nord-West nur 14 Personen. Im Vergleich mit anderen bedeutenden Sektoren wie der Eisen- und Stahlerzeugung bleiben die regionalen Differenzen jedoch weiterhin gering. Erst zwischen 1970 und 1987 setzte ein weiterer regionaler Konzentrationsschub ein. Während in dieser Zeit die Regionen Nord-West und Mitte-West mit 22 vH bzw. 17 vH starke Beschäftigungsverluste im Maschinenbau erlitten, blieb in der Region Süd-West die Beschäftigung in diesem Sektor fast unverändert.

Chemieindustrie Die chemische Industrie zählt üblicherweise nicht zu den Sektoren, die den ersten Industrialisierungsphasen zugerechnet werden. Dennoch konnten im Deutschen Reich bereits 1895 über 125 000 Beschäftigte in der Chemieindustrie gezählt werden. Dies waren immerhin zwischen 50 vH und 60 vH der Beschäftigung im Kohlenbergbau, in der Eisen- und Stahlerzeugung oder im Maschinenbau. Die Entwicklungsdynamik der Beschäftigung blieb aber vor dem 1. Weltkrieg im Vergleich zu den vorgenannten Sektoren zurück. Die r~gionale Verteilung der chemischen Industrie war dabei in den beiden Stichjahren 1895 und 1907 in etwa gleich (Tabelle D/8). Den höchsten Beschäftigtenanteil erzielte mit jeweils etwa 35 vH die Region Mitte-West. Dies entsprach aber in etwa auch der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Region vor dem 1. Weltkrieg. Entsprechend weisen die Besatzkennziffern auch keine merklichen regionalen Ungleichgewichte aus. In beiden Jahren beträgt der Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner in allen Regionen zwischen 3 Personen und 4 Personen. Eine erste einschneidende Veränderung der regionalen Verteilungsmuster ergibt sich in der Wachstumsperiode der chemischen Industrie bis 1925. Besonders expansiv ist in dieser Periode die Beschäftigungszunahme in der Region Mitte-West. Die Beschäftigung in der Chemieindustrie nimmt in dieser Region um etwa 125 000 Personen zu. Dies entspricht fast einer Verdreifachung der Beschäftigung. Der Anteil der Region Mitte-West steigt damit von 36 vH 1907 auf nahezu 50 vH 1925. Entsprechend weist auch der Beschäftigtenbesatz nun diese Region als führendes räumliches Zentrum der chemischen Industrie aus.

156

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren Tabelle D/8 Verteilung der Chemieindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

1895 11907 11925 11939 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in 1000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

17 45 25 17 24

26 70 34 27 39

35 199 41 37 93

45 174 58 47 132

41 180 61

61 350 104

64 395 138

55 347 140

Insgesamt

127

196

404

456

283

515

597

542

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

60,0 57,7 36,6 53,1 63,9

31,0 182,3 19,7 39,4 139,6

29,0 -12,6 42,7 28,3 42,6

-7,8 3,8 5,4

48,3 93,9 70,2

4,6 13,0 32,8

-14,3 -12,2 1,7

Insgesamt">

54,4

106,0

12,9

2,2

82,1

16,0

-9,2

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

13,0 35,2 19,5 13,7 18,6

13,5 36,0 17,3 13,5 19,7

8,6 49,3 10,0 9,2 22,9

9,8 38,1 12,7 10,4 29,0

14,6 63,8 21,6

11,9 68,0 20,2

10,7 66,2 23,1

10,1 64,0 25,9

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

3 4 3 3 3

4 4 3 4 4

5 11 4 5 9

5 9 5 6 12

4 8 4

5 14 6

5 15 7

5 13 7

Insgesamt

3

4

7

8

6

10

10

9

a) Verinderung 1950 zu 1939 bezogen aufdie Summe der Westregionen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstätten- und Volkszahlung;

Eigene Schätzungen und Bereclmungen.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

157

Ebenfalls einen überdurchschnittlichen Wachstumsprozeß verzeichnet zwischen 1907 und 1925 die Chemieindustrie der Region Mitte-Ost. Die Beschäftigung steigt von knapp 40 000 Personen 1907 auf mehr als 90 000 Personen im Jahr 1925. Die Region Mitte-Ost kann sich damit zunächst als zweites Chemiezentrum neben der Region Mitte-West im Deutschen Reich etablieren. In den anderen Clrei Regionen bleibt ein großes Beschäftigungswachstum in der Chemie aus. Die Beschäftigungsanteile gehen hier stark zurück. Zwischen den beiden führenden Chemieregionen Mitte-West und Mitte-Ost kommt es in der nächsten Periode zwischen 1925 und 1939 erneut zu einer Schwerpunktverlagerung. Während in der Region Mitte-West leichte Beschäftigungseinbußen hingenommen werden müssen, setzt sich in der Region Mitte-Ost der Wachstumsprozeß fort. Die Beschäftigung nimmt dort nochmals um fast 40 000 Personen zu. Der Beschäftigungsanteil der Region Mitte-Ost an der chemischen Industrie im Deutschen Reich steigt von 23 vH 1925 auf fast 30 vH 1939. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungsanteils schiebt sie sich damit als führende Chemieregion vor die Region Mitte-West. Die regionalen Verschiebungen zwischen 1925 und 1939 ändern jedoch kaum etwas an der starken Position der Region Mitte-West innerhalb der Westregionen. Die Anteilsverschiebungen zwischen den drei Westregionen bleiben trotz der negativen Beschäftigungsentwicklung in der Region Mitte-West gering. In der Nachkriegszeit kann die Region Mitte-West die führende Position sogar wieder ausbauen. Der Beschäftigungsanteil an der chemischen Industrie der Westregionen steigt von 63 vH 1939 über 64 vH 1950 auf nahezu 70 vH 1961. Zwischen den beiden anderen Regionen, die 1939 und 1950 noch gleiche Besatzkennziffern aufweisen, kommt es bis 1961 zu einer leichten Verschiebung zugunsten der Region Süd-West. Diese Region ist es dann auch, die von den Anteilsverlusten der Region Mitte-West seit den sechziger Jahren profitiert und als einzige ihre Beschäftigung auch zwischen 1970 und 1987 ausweiten kann. Dennoch bleibt bezogen auf die Beschäftigung auch 1987 die chemische Industrie Westdeutschlands besonders stark in der Region Mitte-West. Der Beschäftigtenbesatz liegt mit 13 Personen je 1 000 Einwohner auch zu diesem Zeitpunkt noch zweieinhalbmal so hoch wie in der Region Nord-West und fast zweimal so hoch wie in der Region Süd-West. Elektrotechnik

Die elektrotechnische Industrie zählte zum Ausgang des letzten Jahrhunderts noch zu den sehr kleinen Wirtschaftszweigen. Im Jahr 1895 waren im Deutschen Reich kaum mehr als 30 000 Personen in diesem Bereich beschäftigt. Nur in einer Region war die Elektrotechnik als neuer Industriezweig überhaupt wahrzunehmen. Diese Region war das Gebiet Nord-Ost mit der Stadt Berlin. Die Hälfte aller Beschäftigten der deutschen Elektrotechnik waren 1895 in der

158

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Region Nord-Ost tätig. In den großen Industrieregionen der damaligen Zeit Mitte-West und Mitte-Ost waren es gerade einmal jeweils 5 000 Personen (Tabelle D/9). In den folgenden Jahrzehnten wuchs die Bedeutung dieser Industrie rasch an. Bis 1907 vervierfachte und zwischen 1907 und 1925 verdreifachte sich nochmals die Beschäftigtenzahl im Deutschen Reich. Mit dieser Expansion setzte auch eine spürbare räumliche Diffusion der elektrotechnischen Industrie ein. Der Beschäftigtenanteil der Region Nord-Ost sank über 49 vH 1907 und 45 vH 1925 auf 42 vH im Jahr 1939. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß der absolute Beschäftigungszuwachs der Elektrotechnik von 1895 bis 1939 mit rund 250 000 Personen in der Region Nord-Ost mindestens doppelt so hoch war wie in jeder anderen Region. Dies, obwohl sie - gemessen an der Bevölkerung - eher zu den kleinen der fünf Großregionen zählt. Die besondere Bedeutung der Elektrotechnik für die Region Mitte-West wird daher vor allem am Beschäftigtenbesatz deutlich. Bereits 1939 übertraf der Beschäftigtenbesatz der Elektrotechnik in der Region Nord-Ost mit 34 Personen bei weitem den der Eisen- und Stahlindustrie in der Region Mitte-West (24 Personen) und den des Maschinenbaus in der Region Mitte-Ost (26 Personen). Die starken Beschäftigungszuwächse hatten dazu geführt, daß die Elektrotechnik auch in den anderen Regionen bis 1939 deutlich an Bedeutung gewann. Zwischen den anderen Regionen waren die Bedeutungsunterschiede hierbei nicht groß. Der Beschäftigtenbesatz je Einwohner lag 1939 in der Region Süd-West bei 9 Personen, in der Region Mitte-Ost bei 8 Personen und in der Region Mitte-West bei 7 Personen. Weiterhin vergleichsweise unbedeutend blieb die Elektrotechnik nur in der Region Nord-West mit 4 Personen je 1 000 Einwohner. Aufgrund der sehr hohen räumlichen Konzentration in einer Ostregion stellte die deutsche Teilung für die Elektrotechnik natürlich einen besonderen Einschnitt dar. Einerseits lagen 1939 gemessen an der Beschäftigung fast 60 vH der Produktionskapazitäten der Elektrotechnik außerhalb des Gebiets der späteren Bundesrepublik ohne Berlin (West). Andererseits gab es innerhalb Westdeutschlands noch kein ausgesprochenes räumliches Zentrum der Elektrotechnik. Räumliche Kristallisationspunkte der Elektrotechnik gab es vor dem 2. Weltkrieg innerhalb der Westregionen am ehesten in der Region Süd-West. Dieses leichte Übergewicht hatte sich bereits bis 1950 verstärkt. Mit fast 45 vH der Beschäftigten erreichte die Region Süd-West den höchsten Anteil an der Elektrotechni}c in Westdeutschland. Auch in den folgenden Perioden konnte die Region Süd-West sowohl absolut als auch relativ deutlich höhere Beschäftigungsgewinne in der Elektrotechnik erzielen als die Regionen Mitte-We~t und Nord-West. 1970, als der bisher höchste gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsstand der Elektrotechnik in Westdeutsch-

159

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

Tabe/leD/9

Verteilung der Elektroindustrie auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik 1895 l1907 11925

J J 1939

1950 11961 11970 11987

Beschäftigte in I 000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

5

23 90 74 196 50

37 126 116 274 94

48 130 145

124 306 419

147 351 547

132 326 527

17 5

6 26 20 67 18

34

137

433

647

323

850

1045

984

1 6

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

432,2 364,4 318,2 297,2 247,2

293,6 251,6 260,4 192,8 178,3

62,0 39,4 58,2 39,9 87,2

27,4 3,6 24,2

160,4 135,0 190,1

18,2 14,6 30,4

-10,3 -7,3 -3,6

Insgesamt')

308,0

216,3

49,6

15,4

163,4

22,9

-5,8

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

3,3 16,5 14,6 50,1 15,5

4,3 18,8 14,9 48,8 13,2

5,3 20,9 17,0 45,2 11,6

5,8 19,4 18,0 42,3 14,5

14,8 40,4 44,8

14,6 36,0 49,4

14,0 33,6 52,4

13,4 33,1 53,6

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

0 0 1 3 1

1 2 2 10 2

Insgesamt

1

3

4 6 9

11 12 24

12 13 28

11 12 26

5

4 7 9 34 8

8

11

7

16

18

17

3

5

6 27

a) Verlndenmg 1950 zu 1939 bezogen auf die Summe der Westregionen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Aroeitsslltten- und Vollcszahlung; Eigene Schalzungen und Berechnungen.

160

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

land mit mehr als 1 Mio. Personen erreicht wurde, waren über 52 vH der Beschäftigten in der Region Süd-West tätig. Der in den siebziger und achtziger Jahren bis 1987 einsetzende Beschäftigungsrückgang erfaßte auch die führende Region der Elektrotechnik. Die Beschäftigungsverluste blieben aber in der Region Süd-West deutlich niedriger als in den beiden anderen Großregionen. Der Beschäftigtenbesatz lag daher 1987 mit 26 Personen je 1 000 Einwohner weiterhin mehr als doppelt so hoch wie in den Regionen Nord-West und Mitte-West mit 11 bzw. 12 Personen. Fahrzeugbau

Der Fahrzeugbau zählte wie die Elektrotechnik vor 1900 zu den eher unbedeutenden Industriezweigen im Deutschen Reich. In den folgenden Jahrzehnten konnte aber auch der Fahrzeugbau hohe Zuwächse der Beschäftigung erzielen. In absoluten Zuwächsen betrachtet bleiben sie aber bis 1925 nicht nur gegenüber der Elektrotechnik deutlich zurück. Die regionale Verteilung der Beschäftigung bis zum Beginn des 2. Weltkrieges wies dabei extreme Sprünge auf (Tabelle D/10). Gemessen an der Beschäftigung dominierte zunächst die Region Nord-West den Sektor Fahrzeugbau. Im Jahr 1895 betrug ihr Beschäftigungsanteil 45 vH. Bis 1907 konnte erst die Regionen Nord-Ost, und zwischen 1907 und 1925 konnten dann auch die Regionen Mitte-West und Mitte-Ost sehr starke Anteilsgewinne realisieren. Der Beschäftigungsanteil der Region Nord-West sank bis 1925 auf nur noch 13 vH ab. Im Jahr 1925 bestanden damit quasi keine regionalen Unterschiede im Fahrzeugbau mehr. Der Beschäftigtenbesatz betrug in allen Regionen zwischen 5 und 6 Personen je 1 000 Einwohner. Erst in der folgenden starken Wachstumsperiode bis 1939 setzte wiederum ein räumlicher Konzentrationsprozeß ein. Die Spitzenposition gemessen im Beschäftigtenbesatz nahm wieder die Region NordWest ein. Stark zurück fiel die Region Mitte-West. Ihr Beschäftigtenanteil halbierte sich von rund 30 vH 1925 auf 15 vH 1939. Die im Vergleich mit den anderen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren außergewöhnlichen Schwankungen in den räumlichen Strukturen des Fahrzeugbaus dürften mehrere Ursachen haben. Sie ergeben sich vor allem aus dem Zusammentreffen I. Einer sehr heterogenen Zusammensetzung der Branche nach einzelnen Verkehrsträgem

2. Einer starken Spezialisierung der Regionen auf die Produktion einzelner Verkehrsträger 3. Einem raschen Wechsel der jeweils am stärksten nachgefragten zivilen und militärischen Verkehrsträgern.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

161

Tabelle D/10 Verteilung des Fahrzeugbaus auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

1895 11907 11925 11939 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in I 000 Personen 37 89 52 45 60

152 102 144 117 149

124 133 149

241 232 258

296 303 352

265 368 484

8

41 33 23 20 20

64

136

283

664

406

732

951

1117

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

29 14 8

Insgesamt

5

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

41,0 138,8 168,9 293,0 155,7

-8,4 169,7 128,7 121,7 205,3

307,8 15,2 176,6 159,0 149,4

-18,1 30,3 3,1

93,8 74,8 73,4

23,0 30,3 36,3

-10,6 21,5 37,4

Insgesamt">

113,2

107,7

134,8

2,0

80,1

30,0

17,4

in vH Insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

45,1 21,5 13,3 8,1 12,0

29,8 24,1 16,8 14,9 14,4

13,2 31,3 18,5 15,9 21,2

22,8 15,4 21,8 17,6 22,5

30,6 32,7 36,7

32,9 31,8 35,3

31,1 31,8 37,0

23,7 33,0 43,3

Insgesamt

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

100,0

Beschäftigte je I 000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

5 I I I I

6 2 2 3 2

5 5 5

18

5

21 9 15

25 II 18

22 14 24

6 6

12 14 13

II 6 10

Insgesamt

2

3

5

II

8

14

16

19

a) Vertndenmg 1950 zu 1939 bezogen aufdie Swnme der Westregionen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, ArbeitsstAtten- und Volkszählung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

II Gomig

162

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Die führende Position der Region Nord-West vor dem 1. Weltkrieg ist im wesentlichen Ausdruck der starken Stellung der Region im Schiffbau. Das Aufholen der Regionen Nord-West, Mitte-West und Mitte-Ost bis 1925 wiederum steht vor allem im Zusammenhang mit der günstigen Entwicklung im Waggonbau. Die erneute regionale Konzentration bis 1939 steht dagegen in erster Linie im Zusammenhang mit dem Autbau einer Luftfahrzeugindustrie, teilweise aber auch schon mit der Entwicklung des Straßenfahrzeugbaus. Unter den besonderen Bedingungen der Vorkriegszeit ergeben sich demnach auch auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik 1939 spürbare regionale Unterschiede im Fahrzeugbau. Der Beschäftigtenbesatz lag 1939 in der Region Nord-W~st bei 18 Personen je 1 000 Einwohner, in der Region Süd-West immerhin bei 12 Personen und in der Region Mitte-West bei 5 Personen. Mit der faktischen Einstellung des Luftfahrzeugbaus kurz nach dem 2. Weltkrieg änderten sich kurzzeitig erneut die regionalen Entwicklungstrends innerhalb Westdeutschlands. 1950 lag im Vergleich zu 1939 die Beschäftigung in der Region Mitte-West um rund 30 vH höher. In der Region Süd-West blieb sie annähernd konstant. Die Region Nord-West mußte dagegen einen Beschäftigungsrückgang von fast 20 vH hinnehmen. Mit dem in allem Regionen für den Fahrzeugbau dominierend werdenden Straßenfahrzeugbau konsolidierten sich danach aber die regionalen Strukturen. Bei vergleichsweise geringen regionalen Wachstumsunterschieden nahm in allen Regionen die Bedeutung des Fahrzeugbaus bis 1970 rasant zu. Führend blieb gemessen im Beschäftigtenbesatz die Region Nord-West. Erst in den siebziger und achtziger Jahren kam es zu einem erneuten Bruch der regionalen Entwicklungsmuster des Fahrzeugbaus. Während zwischen 1970 und 1987 die Beschäftigung in der Region Nord-West um mehr als 10 vH zurückging, konnte in der Region Mitte-West ein Beschäftigungszuwachs von über 20 vH und in der Region Süd-West von sogar fast 40 vH verzeichnet werden. Die starken Entwicklungsunterschiede in der Periode zwischen 1970 und 1987 führten auch zu einer Umkehr in den regionalen Schwerpunkten des Fahrzeughaus in Westdeutschland. Die Region Süd-West weist 1987 mit 24 Personen je 1 000 Einwohner erstmals einen höheren Beschäftigtenbesatz aus als die Region Nord-West mit 22 Personen. Deutlich abgeschlagen bleibt weiterhin die Region Mitte-West mit einem Beschäftigtenbesatz von 14 Personen je 1 000 Einwohner.

Kunststoffverarbeitung und Büromaschinen/EDV Neben den genannten großen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren, die jeweils zu ihrer Zeit auch dominierend für die Industriestruktur waren, sollen zum Abschluß die beiden kleineren Leitsektoren betrachtet werden, die erst Anftmg der

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

163

siebziger Jahre dieses Jahrhunderts als wichtige Industriezweige wahrgenommen wurden (Tabelle D/11). Tabelle D/1 1 Verteilung der Kunststoffindustrie und des Büromaschinenbaus auf die Regionen der früheren Bundesrepublik Büromaschinen, EDV

Kunststoffindustrie

193911950 11961 11970 11987 19398 11950 11961 11970 11987 Beschäftigte in 1000 Personen Nord-West Mitte-West Süd-West

0 5 4

5 15 12

13 51 42

26 87 77

39 140 113

1 3 1

21 28 38

8 27 56

Insgesamt

10

32

106

189

292

5

86

91

Veränderung in vH Nord-West Mitte-West Süd-West

904,2 161,3 104,2 50,7 220,7 240,9 68,3 62,0 169,3 247,0 85,4 46,9

Insgesamt

230,8 231,2

-62,9 -1,4 47,3 5,3

79,3 54,3 Insgesamt =

100

Nord-West Mitte-West Süd-West

5,0 15,1 11,9 13,5 13,2 26,5 48,8 47,3 48,7 45,7 48,0 47,6 46,2 37,6 39,4 40,8 38,8 25,9

8,4 23,9 32,3 30,2 43,9 61,4

Insgesamt

100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

100,0 100,0

Beschäftigte je 1000 Einwohner Nord-West Mitte-West Süd-West

0 0 0

0 1 1

1 2 2

2 3 4

3 5 6

0 0 0

2 1 2

1 1 3

Insgesamt

0

1

2

3

5

0

1

2

a) Nur Erstellung von Büromaschinen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstätten- und Volkszllhlung; Eigene Schlltzungen und Berechnungen.

Einer dieser Sektoren ist die Kunststoffmdustrie. Vor dem 2. Weltkrieg waren insgesamt im Deutschen Reich gerade einmal 15 000 Beschäftigte in diesem Zweig tätig. Dabei konnten 1939 in den Regionen Mitte-Ost, Mitte-West und Süd-West jeweils etwa 5 000 Beschäftigte gezählt werden. In den Regionen Nord-Ost und Nord-West waren es gerade einmall 000 bzw. 500 Personen. Bis 1950 hatte sich aber auf dem Gebiet der Bundesrepublik die Beschäftigung dieser neuen Industrie bereits verdreifacht. Besonders profitieren konnte

164

D. Regionaler Wandel und gesarntwirtschatlliche Leitsektoren

von dieser Entwicklung die Region Nord-West. Ihr Beschäftigungsanteil an der Kunststoffmdustrie der Westregionen stieg von 5 vH 1939 auf 15 vH 1950. Gleichzeitig ging der Anteil der Region Süd-West an der Beschäftigung stark zurück. Die relative Bedeutung der Kunststoffmdustrie zur Bevölkerung der Regionen blieb aber zusammen mit der Region Mitte-West weiterhin deutlich höher als in der Nordregion Westdeutschlands.

In den folgenden Perioden bis 1970 nahm die Beschäftigung in allen Regionen weiter rasant zu. Allerdings mußte die Region Mitte-West empfmdliche Anteilsverluste hinnehmen. Ihr Beschäftigungsanteil an der Kunststoffmdustrie sank von 49 vH 1939 auf 46 vH 1970. In denfünfzigerund sechziger Jahren erfolgte dieser Anteilsverlust vor allem zugunsten der Region Süd-West. Sie konnte sich, was die relative Bedeutung der Kunststoffmdustrie angeht, leicht vor die Region Mitte-West schieben. Der Beschäftigungsbesatz betrug in der Region Süd-West 1970 4 Personen je 1 000 Einwohner. In den anderen Regionen erreichte er allerdings kaum geringere Werte. Als einziger der hier betrachteten Sektoren erzielte die Kunststoffmdustrie den höchsten absoluten Beschäftigungszuwachs ihrer Geschichte zwischen 1970 und 1987. Einen deutlichen Wachstumsvorsprung konnte in dieser Periode die Region Mitte-West erzielen. Die Beschäftigung nahm hier um fast 50 000 Personen zu. Dies entsprach weit mehr als 50 vH des Gesamtbeschäftigungszuwachses in Westdeutschland in dieser Periode. Der Beschäftigungsanteil der Region Mitte-West an der Kunststoffmdustrie stieg damit bis 1987 wieder auf 48 vH. Den Beschäftigungsbesatz der führenden Region Süd-West erreichte sie allerdings knapp nicht mehr. Die Entwicklung des Bereichs Büromaschinen!EDV als eigenständiger Industriezweig ist noch kürzer als bei der Kunststoffmdustrie. Zwar gab es schon vor dem 2. Weltkrieg eine Reihe von Betrieben, die sich auf die Erstellung von Büromaschinen konzentrierten, als besonderer Produktionszweig bildete er sich aber erst seit dem Einzug der Elektronik in den sechziger Jahren heraus. 1939 war dominierend im Bereich Büromaschinen die Region Mitte-Ost. In den amtlichen Statistiken der Bundesrepublik erscheint der Bereich Elektrotechnik/EDV (ADV) als eigenständiger Wirtschaftszweig erstmals 1970. Für Westdeutschland insgesamt können 1970 etwa 85 000 Beschäftigte diesem Bereich zugeordnet werden. Dabei entfielen auf die Region Süd-West 44 vH, auf die Region Mitte-West 32 vH und auf die Region Nord-West 24 vH der Beschäftigung. Bezogen auf den Bevölkerungsanteil der Großregionen konzentrierte sich der Leitsektor damit auf die Regionen Nord-West und Süd-West. Während der siebzigerund achtziger Jahre setzte sich der Wachstumsprozeß dieses neuen Wirtschaftszweiges in der Region Süd-West fort. Die Beschäftigung nahm hier bis 1987 nochmals um annähernd 20 000 Personen oder 50 vH zu. In der Region Mitte-West stagnierte dagegen die Beschäftigung, und in der Region Nord-West kam es sogar zu einem starken Beschäftigungseinbruch.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

165

1987 zählt damit der Bereich Büromaschinen/EDV zu den am stärksten regional konzentrierten gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Weit mehr als 60 vH der Beschäftigten dieses Bereichs sind in der Region Süd-West tätig. Der Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner liegt in der Region Süd-West mehr als zweimal so hoch wie in den anderen beiden westdeutschen Großregionen.

Eine Zwischenbilanz

Die Beschreibung der Entwicklung einzelner gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren weist zusammengenommen in regionaler Dimension ein sehr heterogenes Bild auf. Ein einheitliches regionales Verteilungs- und Entwicklungsmuster von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren ist weder insgesamt noch für einzelne Zeitabschnitte zu erkennen: - In keiner Periode besitzt eine Region gemessen am Beschäftigtenbesatz in allen Leitsektoren eine fUhrende Stellung. - In keiner Periode bestehen in einer Region in allen Leitsektoren Rückstände im Beschäftigtenbesatz. - In keiner Periode kann eine Region in allen Leitsektoren Enwicklungsvorsprünge realisieren. - In keiner Periode bleibt die Entwicklung in einer Region in allen Leitsektoren zurück.

Die Ergebnisse zeigen vielmehr umgekehrt, daß jede Großregion ihre wirtschaftlichen Spezialisierungsfelder aufweist, und daß jede Region gesamtwirtschaftliche Leitsektoren besitzt, in denen sie relativ zu den anderen gewinnt oder verliert. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Entwicklung von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren die beobachteten großräumigen Verschiebungen in Deutschland bestimmt hat, läßt sich aufgrund ·der heterogenen Entwicklung der Leitsektoren selbst nicht unmittelbar aus den einzelnen Leitsektoren ableiten. Vor allem läßt sich nicht ein einfacher Zusammenhang in der Weise erkennen, daß eine Region insgesamt relativ verliert oder gewinnt, weil sie bei allen Einzelsektoren Vorsprünge oder Rückstände aufweist. Auch sind für den gesamten Beobachtungszeitraum oder für jeweils bestimmte Teilabschnitte nicht ein oder zwei gesamtwirtschaftliche Leitsektoren auszumachen, die die Beschäftigungsentwicklung der Leitsektoren insgesamt in den Regionen offensichtlich bestimmen.

166

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

3. Einfluß der Leitsektoren auf die Regionalentwicklung Eine Verbindung zwischen Wachstumsdifferenzen von Regionen insgesamt und gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren kann aufgrund der heterogenen regionalen Entwicklungsmuster nicht auf der Basis einzelner Leitsektoren hergestellt werden. Entsprechend müssen die Leitsektoren als Summe bzw. Gesamtgruppe betrachtet werden. Entscheidend sind die Gesamtimpulse, die von den Leitsektoren insgesamt auf die Region ausgehen. Diese sind wiederum nicht nur davon abhängig, welche spezifischen Vor- bzw. Nachteile eine Region bei einzelnen Leitsektoren erzielt, sondern auch von dem Gewicht des jeweiligen Leitsektors und der Verlagerung dieser Gewichte. Im Extremfall -auch wenn er hier nicht auftritt - könnte sogar eine Region für alle Leitsektoren insgesamt die höchsten Beschäftigungszuwächse erzielen, obwohl sie bei allen Einzelleitsektoren eine unterdurchschnittliche Wachsturnsrate aufweist. Entsprechend wird hier für die empirische Überprüfung eines Zusammenhanges von Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren und der Gesamtentwicklung der Region auf die Beschäftigung der Leitsektoren insgesamt bzw. deren Veränderung abgestellt.

Leitsektoren und Industrialisierungsgrad Betrachtet man zunächst in Fortführung der Überlegungen zur Veränderung regionaler Strukturen im Abschnitt 3.3, den Industrialisierungsgrad der Regionen insgesamt und die jeweilige Bedeutung der Leitsektoren, ist eine sehr hohe Übereinstimmung zwischen beiden Größen festzustellen (Tabelle D/12). Im Kerngebiet des Deutschen Reiches zwischen 1895 und 1939 weist in allen Stichjahren die Region Mitte-Ost für die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren den höchsten Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner auf. Überdurchschnittlich ist dieser Besatz im gesamten Beobachtungszeitraum ebenfalls in die Region Mitte-West. Unterdurchschnittlich -aber mit steigender Tendenz - sind die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren als Summe bezogen auf die Bevölkerung in den Regionen Nord-Ost und Süd-West vertreten. Deutlich abgeschlagen folgt die Region Nord-West mit dem niedrigsten Beschäftigungsbesatz der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren je 1 000 Einwohner. Damit ergeben sich für alle Stichjahre zwischen 1895 und 1939 für die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren bereits jene regionalen Verteilungsmuster, wie sie auch für das produzierende Gewerbe insgesamt bestehen. Betrachtet man die Rangplätze der Regionen im Beschäftigtenbesatz des produzierenden Gewerbes, ist über alle vier Stichjahre unverändert exakt die gleiche räumliche Hierarchie wie bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren festzustellen: Die Regionen Mitte-Ost und Mitte-West liegen vor den Regionen Nord-Ost und Süd-West, und die Region Nord-West bildet das Schlußlicht.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

I67

Tabelle D/12 Verteilung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches

1939 11950 11961 11987

193911950 11961 11987

Beschäftigte in 1000 Personen

in vH Insgesamt

Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

185 797 336 197 619

250 1199 454 297 826

363 1920 686 537 1186

490 2026 874 704 1336

Insgesamt

2135

3026

4692

5431 100,0 100,0 100,0 IOO,O

Produzier. Gewerbe Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

722 I920 I211 750 I626

988 2794 I610 I092 2I65

I220 3900 2165 I486 2779

I46I 4270 2654 I759 3007

Insgesamt

6228

8649 11550 13I5I IOO,O IOO,O IOO,O IOO,O

8,7 37,3 15,8 9,2 29,0

II,6 30,8 19,4 I2,0 26,I

8,3 39,6 15,0 9,8 27,3

II,4 32,3 18,6 I2,6 25,0

7,7 40,9 14,6 11,4 25,3

10,6 33,8 I8,7 I2,9 24,I

9,0 37,3 16,1 13,0 24,6

11,I 32,5 20,2 13,4 22,9

Insgesamt = I00

Beschäftigte je I000 Einwohner Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

33 69 38 40 75

36 75 43 46 83

49 I08 60 74 II3

59 106 70 86 II8

62 I27 69 73 138

59 I25 7I 76 136

57 I25 70 85 13I

64 II6 77 94 I29

Insgesamt

54

6I

86

91

IOO

IOO

100

IOO

Produzier. Gewerbe Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

13I I66 136 I5I I96

I4I I76 152 I69 2I6

I64 220 I90 204 265

I75 223 213 2I6 265

82 I05 86 95 I24

8I I02 88 98 I25

77 I04 89 96 I25

79 IOI 96 98 I20

Insgesamt

I 59

I73

213

22I

IOO

IOO

IOO

IOO

Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstätten- und Volkszahlung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

168

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Während der Periode 1939 bis 1987 ändert sich diese relative Verteilung des produzierenden Gewerbes insgesamt zwischen den westdeutschen Regionen. Liegt die Region Süd-West noch 1950 leicht hinter der Region Mitte-West, so kann sie bereits bis 1961 etwa gleichziehen und läßt 1970 und vor allem 1987 die Region Mitte-West deutlich hinter sich. Unverändert ungünstig bleibt die Stellung der Region Nord-West, deren Beschäftigungsbesatz im produzierenden Gewerbe insgesamt in allen Stichjahren deutlich unter dem Durchschnitt der Regionen liegt. Die regionalen Verschiebungen der relativen Bedeutung des produzierenden Gewerbes in der früheren Bundesrepublik sind auch bei der Veränderung des regionalen Beschäftigungsbesatzes der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zu beobachten. In der Region Süd-West erreichen die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren 1961 erstmals eine überdurchschnittliche Bedeutung. Die Region SüdWest schließt damit bei den Leitsektoren fast zur Region Mitte-West auf. 1970 liegt die Region Süd-West im Beschäftigungsbesatz je 1 000 Einwohner bereits vor der bislang führenden Region Mitte-West, und 1987 ist sie sogar die einzige Region mit einer überdurchschnittlichen Bedeutung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg in Westdeutschland zeigen sich somit ebenfalls gleiche regionale Verteilungsmuster beim Beschäftigtenbesatz der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren und dem Industrialisierungsgrad insgesamt (Tabelle D/13). Eine hohe Übereinstimmung der regionalen Verteilungsmuster der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren ergibt sich auch gegenüber der Beschäftigung im Unternehmensbereich insgesamt (produzierendes Gewerbe + Dienstleistungen). Die regionale Rangfolge im Beschäftigungsbesatz entspricht hier weitgehend der, die sich auch für die gesamtwirtschaftlichen Lcitsektoren und das produzierende Gewerbe ergeben. Einige Regionen jedoch können unter Berücksichtigung der Dienstleistungen der Unternehmen eine günstigere Stellung erreichen. Dies bezieht sich zum einen auf die Region Nord-West, die vor allem vor dem 2. Weltkrieg einen zum Durchschnitt deutlich geringeren Abstand erreicht. Zum anderen gilt dies für die Region Nord-Ost, die unter Einbezug der Dienstleistungen 1939 fast den Beschäftigtenbesatz der bis dato führenden Region Mitte-Ost erreicht. In beiden Fällen kommen dabei Sonderfunktionen im Dienstleistungsbereich zum Tragen. Für die Region Nord-West dürfte dies die Seeschiffahrt in den großen Küstenstädten sein. In der Region Nord-Ost müßten Einflüsse aus der Hauptstadtfunktion Berlins (z.B. Banken- und Versicherungszentrum) hinzugerechnet werden.

169

III. Quantifizierung des Zusammenhanges Tabelle D/1 3

Verteilung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren auf die Regionen der früheren Bundesrepublik 1939 11950 11961 11970 11987 193911950 11961 11970 11987 in vH Insgesamt

Beschäftigte in I000 Personen Leitsektoren Nord-West 473 436 740 826 685 Mitte-West 1887 1934 2680 2556 2120 857 997 1706 2008 1990 Süd-West Insgesamt

15 59 27

57 30

13

14 52 33

15 47 37

14 44 42

3216 3368 5127 5389 4796 100

100

100

100

100

17 51 32

17 50 33

17 49 34

17 46 37

16 43 41

8385 9073 12408 12447 10317 100

100

100

100

100

Beschäftigte je I000 Einwohner

Insgesamt = I00

Produzier. Gewerbe Nord-West 1461 1572 2143 2155 1629 Mitte-West 4270 4539 6049 5728 4479 Süd-West 2654 2962 4216 4564 4209 Insgesamt Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West

56 99 69

38 90 64

64 106 99

68 94 104

57 70 79 123 99 85

55 130 92

68 112 104

74 103 113

70 97 121

Insgesamt

80

69

95

92

81 100

100

100

100

100

Produzier. Gewerbe Nord-West Mitte-West Süd-West

175 223 213

136 211 190

186 240 244

178 212 236

136 83 166 106 208 101

73 113 102

81 104 106

84 100 111

78 95 119

Insgesamt

210

186

230

213

175 100

100

100

100

100

Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstatten-und Volkszählung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

170

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Messung der Entwicklungsimpulse Die These des Zusammenhangs zwischen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren und Gesamtbeschäftigung der Region bezieht sich jedoch im engeren Sinne nicht auf das erreichte Niveau (regionale Verteilung), sondern auf den Einfluß der Entwicklung der Leitsektoren auf die Entwicklung der Regionen (regionales Wachstum). Für eine empirische Überprüfung der Bedeutung der Leitsektoren geht es also vor allem um die Gegenüberstellung von - Beschäftigungsentwicklung der Leitsektoren und - Veränderung der Gesamtbeschäftigung

in den Regionen in den verschiedenen Perioden. Dabei stellt sich zunächst die Frage, wie die regionale Beschäftigungsentwicklung sinnvoll gemessen werden soll. Gebräuchlich nicht nur in regionalen Analysen ist die Verwendung von "normalen" Wachstumsraten. Die Veränderungen in einem Bereich in einer Region in einer Periode wird ins Verhältnis gesetzt zum Ausgangswert dieses Bereichs in dieser Region am Anfang der Periode. Die Verwendung "normaler" Wachstumsraten hat dabei viele Vorteile, wenn es um die Einschätzung der Dynamik von Veränderungen in einer Region oder in einem bestimmten Bereich generell geht. Entsprechend sind im vorherigen Abschnitt bei der Betrachtung der Einzelsektoren auch solche Wachstumsraten verwendet worden. Anders sieht dies aus, wenn wie hier die Veränderungen eines Teilbereichs als Impuls für den Gesamtbereich erfaßt werden soll, da die Stärke des Impulses nicht nur von der Dynamik dieses Teilbereichs, sondern auch von der der Höhe des Ausgangswertes des Teilbereichs abhängt38 • Aufgrund dieses Problems sind auch bei der Abgrenzung der Leitsektoren im Abschnitt D/III/1 absolute Beschäftigungsänderungen analysiert worden. Die Verwendung absoluter Beschäftigungsänderungen für die Einschätzung der Impulse der Leitsektoren aber lassen sich wiederum nicht auf regionale Betrachtungen übertragen. Unberücksichtigt bliebe dann, daß die Regionen als Ganzes eine unterschiedliche Größe als Ausgangsbedingung aufweisen. Zur Einschätzung der jeweiligen Bedeutung der Impulse für die Regionen ist daher eine Relativierung zur Regionsgröße unerläßlich. Es ist daher hier so vorgegangen worden, daß die absolute Veränderung eines Teilbereichs (Sektorbereichs) in einer Region in einer Periode (Ms.R) in Bezug gesetzt wurde zum Ausgangswert des Gesamtbereichs (Unternehmensbereich insgesamt) in der Region am Anfang der Periode (XR). Damit erhält man für die Einschätzung der relativen Bedeutung der Impulse eines Sektors für eine Region eine Meßgröße (A), die sowohl

38

Siehe hierzu auch Bade (1987), S. 33.

III. Quantifizierung desZusammenbanges

171

die relative Dynamik des Sektors (B) als auch dessen Bedeutung in der Region (C) berücksichtigt. (A)

(B)

(C)

Die sich ergebende Meßgröße für die Impulse (A) besitzt dabei zunächst die gleichen statistischen Eigenschaften, wie die ihr zugrunde liegende nonnale Wachstumsrate (B). Die Meßgröße A ist immer dann positiv, wenn die absolute Veränderung positiv ist. A ist negativ, wenn die absolute Veränderung negativ ist. Darüber hinaus gilt, daß die Summe der einzelnen Merkmale für die Impulse über alle Teilbereiche (Sektoren) in einer Region der Wachstumsrate für die Gesamtregion entspricht: s

L: Das heißt, die Meßgröße für die relativen Impulse gibt jeweils den Teil der Gesamtwachstumsrate in vH-Punkten an, der auf die Veränderung eines bestimmten Sektors entfcillt. Entsprechend wird im folgenden die Meßgröße für die Impulse eines Sektors auf die relative Gesamtentwicklung der Region als relativer Wachsturnsbeitrag bezeichnet. Um den Vorzug des Indikators relativer Wachstumsbeitrag im Vergleich zur normalen Wachsturnsrate für die hier anstehende regionale Analyse der Impulse der Entwicklung von Leitsektoren zu verdeutlichen, sei beispielhaft auf die Beschäftigungsentwicklung der Elektrotechnik im Deutschen Reich verwiesen (vgl. Tabelle D/9). Betrachtet man hier zunächst die nonnalen Wachstumsraten für die Periode 1895 bis 1907 und setzt diese mit. dem Begriff Impulse gleich, würde man die höchsten Effekte für die Region Nord-West und Mitte-West erwarten, die geringsten für Mitte-Ost und Nord-Ost. Betrachtet man dagegen den Indikator relativer Wachsturnsbeitrag, läge eindeutig die Region Nord-Ost mit einem Wert von 4,4 vH vorn, und die Region Nord-West würde mit 0,4 vH weit abgeschlagen auf dem letzten Platz rangieren. Der relative Wachstumsbeitrag für die anderen Regionen liegt zwischen 1895 und 1907 bei 1,0 (Süd-West), 0,8 (Mitte-West) und 0,6 (Mitte-Ost). Um einzuschätzen, welche der beiden Meßgrößen die tatsächliche regionale Verteilung der Impulse besser beschreibt, kann die Frage gestellt werden, welche Region allein durch das Wachstum der Elektrotechnik ihre regionale Position insgesamt verbessern kann. Nimmt man an, daß in keinem Sektor und keiner Region sich die Beschäftigung zwischen 1895 und 1907 verändert hat, entsprächen die Anteile der Regionen an der Gesamtbeschäftigung 1907 denen von

172

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

1895. Kommt es nun in dem angegebenen Ausmaß in den einzelnen Regionen nur zu eiper Beschäftigungsänderung in der Elektrotechnik, würde nur die Region Nord-Ost ihren Anteil an der Gesamtbeschäftigung gegenüber 1895 erhöhen. In allen anderen Regionen ist der Anteil am Zugewinn der Elektrotechnik kleiner als ihr Anteil an der Beschäftigung insgesamt. Folglich nimmt durch den Wachstumsprozeß der Elektrotechnik der Anteil dieser Regionen an der Gesamtbeschäftigung ab. Das heißt letztendlich nichts anderes, als daß die Wachstumsimpulse der Elektrotechnik besonders für die Region Nord-Ost bedeutend (überproportional positiv) waren. Dieses regionale Verteilungsmuster der Wachstumsimpulse drückt die Meßgröße regionaler Wachstumsbeitrag genau aus. Allein die Region Nord-Ost weist in der Periode zwischen 1895 und 1907 einen relativen Wachstumsbeitrag aus, der über dem Durchschnitt für die Summe der Regionen von 1,2 vH liegt. Umgekehrt weist die Region Nord-West, die am stärksten durch das Wachstum der Elektrotechnik an Bedeutung insgesamt verliert, den niedrigsten Wert auf. Die normale Wachstumsrate spiegelt somit die regionale Verteilung der Impulse nicht wider, sondern beschreibt lediglich die Veränderungen der regionalen Verteilung innerhalb der Elektrotechnik. Die Vorsprünge bei der normalen Wachstumsrate der anderen Regionen gegenüber der Region Nord-Ost sind entsprechend Ausdruck des Aufholprozesses im Teilbereich Elektrotechnik. Impulse der Lei/sektoren und Regionalentwicklung Die statistische Basis für die Einschätzung regionaler Unterschiede in der Veränderung bzw. in den Impulsen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren bildet aus den genannten Gründen die Kennziffer relativer Wachstumsbeitrag. Für das Kerngebiet des Deutschen Reiches ergeben sich für die einzelnen Perioden dabei erhebliche Unterschiede in den relativen Wachstumsbeiträgen der Leitsektoren zwischen den Regionen (Tabelle D/14). In der Summe der Leitsektoren profitiert in den ersten beiden Zeitabschnitten zwischen 1895 und 1907 bzw. 1907 und 1925 von ihrer Entwicklungsdynamik vor allem die Region Mitte-West. Die Beschäftigung in dieser Region nimmt allein aufgrund der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren um über 15 vH bzw. sogar fast 20 vH zu. Mit deutlichem Abstand folgen in beiden Perioden die Regionen Nord-Ost und Mitte-Ost. Der Wachstumsbeitrag liegt hier zwischen 1895 und 1907 bei 9 vH bzw. 10 vH und zwischen 1907 und 1925 bei 14 vH bzw. 13 vH.

In den beiden anderen Regionen Süd-West und Mitte-West führen die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zwischen 1895 und 1925 ebenfalls zu erheblichen Wachstumsimpulsen. Die Wachstumsimpulse liegen aber deutlich niedriger. Die Region Nord-West erreicht in beiden Perioden nur bei etwa einem Drittel des Wertes der Region Mitte-West. Die Region Süd-West kann bezogen

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

173

Tabelle D/14 Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches 1939/ 1925/ 1907/ 1939/ 1925/ 1907/ 1925 1907 1895 1925 1907 1895 Wachstumsbeitrag"> in vH

Wachstumsrateb) in vH

Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

5,7 16,4 7,3 8,9 10,0

7,1 19,4 10,4 13,9 12,6

5,9 1,9 6,1 6,8 4,0

35,5 50,4 34,8 50,5 33,4

45,1 60,1 51,1 80,8 43,6

35,0 5,6 27,5 31,1 12,6

Insgesamt

10,6

13,8

4,3

41,7

55,1

15,8

23,0 35,7 24,8 30,4 26,0

14,7 29,7 24,9 22,8 21,5

11,2 6,7 15,8 11,1 6,0

36,9 45,5 32,9 45,6 33,2

23,6 39,6 34,5 36,1 28,4

19,7 9,5 22,6 18,4 8,2

28,8

24,0

9,4

38,9

33,5

13,9

36,8 51,9 38,5 53,5 37,9

35,6 48,8 38,9 42,7 32,2

17,8 10,5 24,2 16,1 10,3

36,8 51,9 38,5 53,5 37,9

35,6 48,8 38,9 42,7 32,2

17,8 10,5 24,2 16,1 10,3

44,0

40,5

14,7

44,0

40,5

14,7

Produzierendes Gewerbe Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Unternehmen insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

a) Absolute Veranderung des Bereichs in vH der Gesamtbeschäftigung der Region im Ausgangsjabr,b) Absolute Veranderung des Bereichs in vH der Beschäftigung in dem Bereich im Ausgangsjabr. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und Arbeitsstattenzahlung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

auf den Durchschnitt der Regionen zumindest im Vergleich der beiden Perioden seine zunächst stark unterdurchschnittliche Stellung bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren verbessern. Zwischen 1907 und 1925 erreicht sie mit einem Wachstumsbeitrag von etwa 10 vH immerhin mehr als 50 vH des Wertes der Region Mitte-West. In der folgenden Periode zwischen 1925 und 1939 gehen die Wachstumsimpulse der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zusammengenommen im Deut-

174

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

sehen Reich insgesamt deutlich zurück. Erhebliche Verschiebungen fmden dabei auch·auf regionaler Ebene statt. In der Region Mitte-West, die in den vorherigen Perioden noch mit Abstand am meisten von der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren profitierte, führten die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren kaum noch zu einer Beschäftigungsausweitung. Mit nur knapp 2 vH nimmt hier in Relation zur Ausgangsgröße der Region die Beschäftigung der Leitsektoren am geringsten zu. Ebenfalls leicht unterdurchschnittlich sind die Wachstumsimpulse der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in der Region Mitte-Ost mit einem Zuwachs von 4 vH. Damit fallen die Wachstumsimpulse der Leitsektoren in jenen Regionen unterdurchschnittlich aus, die in Deutschland zu den bereits früh industrialisierten zählten. Die höchsten Wachstumsbeiträge erzielen zwischen 1925 und 1939 die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in der Region Nord-Ost. An der Spitze liegt somit eine Region, die im Zusammenhang mit der Entwicklung Berlins zur Industriemetropole bereits seit Ausgang des 19. Jahrhunderts überdurchschnittliche Zuwächse zu verzeichnen hat. Mit nur geringem Rückstand folgen zwischen 1925 und 1939 die Regionen Süd-West und Nord-West. Mit einem Wachstumsbeitrag der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren von etwa 6 vH liegen sie nur 1 vH-Punkt hinter der Region Nord-Ost. Damit erreichen bei der Entwicklung der Leitsektoren iii der Periode vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges auch zwei Regionen überdurchschnittliche Werte, an denen bis dahin das Wachstum der Leitsektoren weitgehend vorbeigegangen ist. Die regionalen Unterschiede in den Impulsen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren legen offensichtlich auch weitgehend fest, welche Position im Wachstumsprozeß der Industrie insgesamt die Regionen einnehmen. In den beiden Perioden bis zum Ende des 3. Kondratieffzyklusses 1925 liegt in der Entwicklung des produzierenden Gewerbes insgesamt mit der Region Mitte-West, die mit Abstand an der Spitze, die auch bei den Leitsektoren weit überdurchschnittlich profitieren konnte. Umgekehrt spiegelt sich der Rückstand der Region Nord-West bei der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zwischen 1895 und 1925 in einem deutlich niedrigerem Tempo des Industrialisierungsprozesses wider. Zwischen den anderen drei Großregionen ergeben sich in den beiden Perioden ebenfalls weitgehend ähnliche Rangfolgen bei der Entwicklung der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe insgesamt und den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Eine Ausnahme ist die vergleichsweise günstige Entwicklung der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe der Region Süd-West zwischen 1907 und 1925. Diese Region kann eine leicht bessere Beschäftigungsentwicklung für das produzierende Gewerbe insgesamt aufweisen, als die bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren vor ihr liegenden Regionen Nord-Ost und Mitte-Ost.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

175

Die in der folgenden Periode von 1925 bis 1939 stattfmdenden Umbrüche in der regionalen Struktur der Wachstumsbeiträge von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren prägen ebenfalls weitgehend das regionale Entwicklungsschema der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe insgesamt. Überdurchschnittlich ist die Entwicklung im produzierenden Gewerbe wie bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zwischen 1925 und 1939 in den Regionen Süd-West, Nord-West und Nord-Ost. Unterdurchschnittlich ist sie jeweils bei den Regionen Mitte-Ost und Mitte-West. Innerhalb der beiden Regionsgruppen mit jeweils unterdurchschnittlicher oder überdurchschnittlicher Gesamtbeschäftigungsentwicklung ergibt sich allerdings keine so eindeutige Verbindung zu der Position bei den Wachstumsbeiträgen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. So kann sich bei der Entwicklung des produzierenden Gewerbes insgesamt die Region Süd-West etwas von den Regionen Nord-Ost und Nord-West absetzen, ohne daß ein solcher Vorsprung bereits bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zwischen 1925 und 1939 erkennbar gewesen wäre. Die Region Mitte-Ost wiederum kann offensichtlich ihren Vorsprung bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren gegenüber der Region MitteWest nicht auch für die Entwicklung im produzierenden Gewerbe insgesamt umsetzen. Die grundsätzlichen Differenzierungen bei den Wachstumsbeiträgen der Leitsektoren im Deutschen Reich zwischen 1895 und 1939 scheinen aber insgesamt auch die regionalen Entwicklungsmuster im produzierenden Gewerbe zu prägen. Sie dürften damit auch in großem Maße die Stellung der Regionen in der Beschäftigungsentwicklung im Unternehmensbereich insgesamt bestimmt haben, denn die Wachstumshierarchien in den einzelnen Perioden zwischen 1895 und 1939 im produzierenden Gewerbe stimmen weitgehend mit denen für den Unternehmensbereich überein. Unter Berücksichtigung der Entwicklungen im Bereich der Dienstleistungsunternehmen ergeben sich allerdings in zwei Fällen etwas andere relative Entwicklungspositionen. So kann offensichtlich vor allem die Region Nord-Ost mit der Hauptstadt Berlin zwischen 1895 und 1925 zusätzliche endogene Entwicklungsimpulse aus dem Dienstleistungssektor auf sich ziehen. Umgekehrt stellt sich die Beschäftigungsentwicklung für die Region Mitte-Ost unter Einbezug der Dienstleistungen relativ schlechter dar. Zwischen 1925 und 1939 scheinen dagegen die endogenen Entwicklungseinflüsse des Dienstleistungssektors auf die regionale Entwicklung gering. Die regionalen Entwicklungsmuster von produzierendem Gewerbe und aller Unternehmen entsprechen sich. Die mit dem Beginn des 4. Kondratieffs einsetzenden regionalen Veränderungen bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren, beim produzierenden Gewerbe und bei der Summe der Unternehmen setzen sich in Westdeutschland unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg nur teilweise fort. Während die Region SüdWest ihre Wachstumsvorsprünge halten und ausbauen kann, fällt die Region

176

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Nord-West im Entwicklungsvergleich 1950 zu 1939 wieder zurück (Tabelle D/15). Tabelle D/15 Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen der früheren Bundesrepublik

1950/ 1961/ 1970/ 1987/ 1950/ 1961/ 1970/ 1987/ 1939 1950 1961 1970 1939 1950 1961 1970 Wachstumsbeitrag"> in vH

Wachstumsrateb> in vH

Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West

-1,4 0,8 3,6

10,9 ll,3 16,1

2,2 -1,3 4,7

-4,7 -0,2

-3,5

-7,7 2,5 16,3

69,6 38,6 71,1

ll,6 -4,6 17,7

-17,0 -17,0 -0,9

Insgesamt

1,2

12,8

1,3

-2,9

4,7

52,2

5,1

-11,0

4,4 4,4 8,0

20,6 22,8 28,5

0,3 -3,4 5,4

-13,0 -13,3 -5,1

7,6 6,3 ll,6

36,3 33,3 42,3

-5,3

0,5 8,3

-24,4 -21,8 -7,8

5,5

24,2

0,2

-10,4

8,2

36,8

0,3

-17,1

9,9 8,2 14,5

42,2 42,0 46,0

2,2 -0,4 9,0

-2,0 0,1 12,7

9,9 8,2 14,5

42,2 42,0 46,0

2,2 -0,4 9,0

-2,0 0,1 12,7

10,5

43,3

3,2

4,0

10,5

43,3

3,2

4,0

Produzierendes Gewerbe Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt Unternehmen insgesamt Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt

a) Absolute Vcranderung des Bereichs in vH der Gesamtbeschaftigung der Region im Ausgangsjahr,b) Absolute Veränderung des Bereichs in vH der Beschaftigung in dem Bereich im Ausgangsjahr. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und Arbeitsstattenzllhlung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

Deutlich werden diese Verschiebungen zunächst bei den Wachstumsbeiträgen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. 1950 kann hier die Region Süd-West gegenüber dem Vorkriegsniveau nochmals deutlich ihre Beschäftigung ausweiten. In der Region Nord-West geht dagegen im Vergleich zu 1939 der Beschäftigungsumfang der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren sogar zurück.

In den folgenden Jahren mit extrem hoher gesamtwirtschaftlicher Dynamik bis 1961 kann die Region Nord-West den Rückstand beim Wachstum der Leitsektoren teilweise wieder egalisieren. Zwischen 1950 und 1961 erreicht der Wachstumsbeitrag der Leitsektoren hier wie in der Region Mitte-West 11 vH.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

177

Auch der Abstand zur weiterhin bei der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren führenden Region Süd-West fällt mit etwa 5 vH-Punkten vergleichsweise gering aus. Das relativ homogene Bild der regionalen Verteilung der Wachstumsimpulse durch die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in Westdeutschland hat allerdings nur kurz Bestand. Bereits in den sechziger Jahren bildet sich vor der Hintergrund insgesamt schwächer werdender Impulse der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren wieder eine deutliche regionale Hierarchie heraus. Von den Wachstumsimpulsen der Leitsektoren zwischen 1961 und 1970 kann weiterhin vor allem die Region Süd-West profitieren. In der Region Nord-West dagegen liegen die relativen Wachstumsbeiträge der Leitsektoren mit gut 2 vH noch nicht einmal halb so hoch wie in der Region Süd-West, und die Region MitteWest muß sogar Beschäftigungseinbußen bei den Leitsektoren hinnehmen. Die regionalen Entwicklungsunterschiede bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren nehmen in den siebziger und achtziger Jahren noch weiter zu. Gleichzeitig gehen von den industriellen Leitsektoren, für sich genommen, keine positiven Beschäftigungsimpulse mehr aus. Die regionalen Unterschiede der Entwicklung der Leitsektoren sind dabei nicht mehr wie in den sechziger Jahren durch eine Hierarchie von Süd-West über Nord-West bis Mitte-West geprägt, sondern eher durch eine Polarisierung zwischen der Region Süd-West auf der einen und Nord-West und Mitte-West auf der anderen Seite. Während die Region Süd-West zwischen 1970 und 1987 ihre Beschäftigung in der Summe der Leitsektoren etwa konstant halten kann, nimmt die Beschäftigung in diesem Bereich in den Regionen Nord-West und Mitte-West bezogen auf die Gesamtbeschäftigung um 4 vH bzw. 5 vH ab. Auch bei der Betrachtung für die Bundesrepublik im Zeitraum zwischen 1939 und 1987 finden sich die unterschiedlichen regionalen Entwicklungsmuster bei den Leitsektoren in den regionalen Entwicklungsunterschieden des produzierenden Ge~erbes und der Unternehmen insgesamt wieder. Vor allem der durchgehende Entwicklungsvorsprung der Region Süd-West bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren ist auch bei der Gesamtentwicklung von Industrie und Dienstleistungen zu beobachten. Dies gilt dabei nicht nur für die Rangfolge allein, sondern auch für die zunehmende Höhe der Abweichungen. Weniger eindeutig sind für einige Perioden der Nachkriegszeit dagegen die Beziehungen zwischen regionaler Entwicklung von Leitsektoren und Gesamtwirtschaft im Vergleich der Regionen Mitte-West und Nord-West zueinander. So schlagen die Verluste bei den Leitsektoren der Region Nord-West 1950 gegenüber der Vorkriegssituation nicht auf die Stellung zur Region Mitte-West im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich durch. Für den Unternehmenshereich insgesamt kann sogar eine leicht bessere Entwicklung der Beschäftigung der Region Nord-West festgestellt werden. Umgekehrt kommt zwi12 Gomig

178

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

sehen 1970 und 1987 der ungünstigere Wachsturnsbeitrag der Region MitteWest bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren gegenüber der Region NordWest nicht bei der Gesamtentwicklung zum Tragen. Beide Ergebnisse deuten darauf hin, daß gewisse von der Entwicklung der industriellen Leitsektoren unabhängige Kompensationsmöglichkeiten im Dienstleistungssektor bestehen. Im gesamten Beobachtungszeitraum zwischen 1895 und 1987 überwiegen aber eindeutig recht hohe Übereinstimmungen der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren einerseits und der von produzierenden Gewerbe und Unternehmen in den Regionen insgesamt andererseits. Vor allem zeigen die beiden Perioden 1925 bis 1939 im Deutschen Reich und 1970 bis 1987 in Westdeutschland, daß die Veränderung der regionalen Wachstumshierarchien insgesamt einhergingen mit einer Veränderung der Positionen der Regionen im Entwicklungsprozeß der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Die Betrachtung der Veränderung regionaler Entwicklungsmuster gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren weisen damit darauf hin, daß sie eine Schlüsselrolle für die Erklärung der festgestellten ParalieHtäten zwischen sektoralen und regionalen Entwicklungsprozessen (vgl. Kapitel C) in Deutschland einnehmen. Das heißt, daß die großräumigen Muster der langfristigen Beschäftigungsentwicklung wesentlich bestimmt sind durch die Partizipation der Regionen an der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und Umbrüche in den regionalen Entwicklungsmuster damit parallel zu Umbrüchen in den sektoralen Beschäftigungsstrukturen stattfmden.

Versuch einer Regressionsschätzung Inwieweit die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren und der Entwicklung der Gesamtbeschäftigung in den Regionen auch als statistisch gesichert angesehen werden können, kann aus den reinen Gegenüberstellungen der relativen Wachstumsbeiträge nicht abgeleitet werden. Daher ist hier versucht worden, die statistischen Zusammenhänge näher zu analysieren. Die Möglichkeiten der statistischen Überprüfung sind dabei von vornherein durch die geringe Anzahl der Regionen und damit der sehr kleinen Fallzahl sehr begrenzt. Aus diesem Grund sind hier zwei Analyseansätze verfolgt worden. Im ersten Ansatz wurde auf die Möglichkeit des sogenannten "poolings" von periodischen Datensätzen zurückgegriffen. Dabei werden die für unterschiedliche Perioden ermittelten Merkmalskombinationen so behandelt, als würden sie für einen fiktiven gemeinsamen Zeitraum eigenständige Merkmalskombinationen darstellen. Entsprechend verdoppelt sich die Fallzahl, wenn man zwei Perioden zusammenfaßt In diesem Fall geht allerdings die Information über Unterschiede der spezifischen Einflüsse zwischen den zusammengefaßten Perioden verloren. Im zweiten Ansatz wird dagegen versucht, trotz der geringen Fallzahl für jede einzelne Periode zwischen 1895 und 1987 eine Analyse vorzunehmen.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

179

Zur Testung des Zusammenhangs zwischen Leitsektoren und Gesamtentwicklung in den Regionen ist ein einfaches lineares Regressionsmodell verwendet worden. Dabei wurde der Einfluß der Beschäftigungsentwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren gemessen in relativen Wachstumsbeiträgen (X:) auf die Beschäftigungsentwicklung im produzierenden Gewerbe und im Unternehmenshereich insgesamt (YR) getestet.

yR = a·b·X: Die Ergebnisse der Regressionsrechnungen sind in der Übersicht D/2 ausgewiesen. Für den zusammengefaßten Datensatz mit n = 15 Fällen weist die Regressionsanalyse eine eindeutige Abhängigkeit der Entwicklung des produzierenden Gewerbes und der Unternehmen insgesamt in den Regionen von den Wachstumsprozessen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren aus. Das Bestimmtheitsmaß R2 erreicht in Bezug zum produzierenden Gewerbe einen Wert von 0,60 und in Bezug zum Unternehmenssektor insgesamt von 0,57. In beiden Fällen ist der Zusammenhang hoch signifikant. Die Fehlerwahrscheinlichkeit liegtjeweils unter 1 vH. Auch für die Einzelperioden im Deutschen Reich 1895 bis 1907 und 1907 bis 1925 weisen die Regressionsschätzungen auf einen Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren auf die Entwicklung des produzierenden Gewerbes hin. Das Bestimmtheitsmaß der Regressionsschätzung R2 erreicht mit 0,84 und 0,76 sehr hohe Werte, und die Schätzergebnisse sind insgesamt bei einer Fehlerwahrscheinlichkeit von unter 5 vH signifikant. Weniger eindeutig sind die Schätzergebnisse für den Zusammenhang der Entwicklung von Leitsektoren und produzierendem Gewerbe in der Periode 1925 bis 1939. Das Bestimmtheitsmaß R2 liegt hier mit 0,56 deutlich niedriger als in den Vorperioden, und die Fehlerwahrscheinlichkeit erreicht fast 15 vH. In Bezug zur Entwicklung des Unternehmensbereichs insgesamt können ebenfalls nur schwach signifikante Ergebnisse für die Einzelperioden bestimmt werden. Auf den Ausweis dieser Koeffizienten ist hier verzichtet worden. Die Koeffizienten der Regressionsschätzungen weisen gleichzeitig auf einen autonomen Wachstumssockel in den Zeitabschnitten von 1895 bis 1907 und 1907 bis 1925 hin. In der Periode vor dem ersten Weltkrieg beträgt er im produzierenden Gewerbe fast 20 vH Beschäftigungszuwachs. Entsprechend ist in diesen Perioden die differenzierende Wirkung der Leitsektoren eher gering. Bezieht man in diesen Vergleich trotz der hohen die Ergebnisse für die Schätzung 1925 bis 1939 mit ein, dürfte gerade in der Periode zwischen 1925 und 1939 die Bedeutung der Leitsektoren am stärksten gewesen sein. Die Schätzung weist mit 1,5 die höchste Steigung in der Zeit des Deutschen Reiches auf. Auch für die Regionen der früheren Bundesrepublik ist zunächst eine einfache Regressionsschätzung mit einem zusammengefaßten Datensatz für den Zeitraum von 1939 bis 1987 durchgeführt worden (Übersicht D/2). Die Regressions-

180

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Übersicht D/2

Ergebnisse der einfachen linearen Regressionsschiitzungen für die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

Irrtums- Regres-

Fallzahl Bestimmt- wahrheitsmaß scheinlichkeit R2 n

Regressionsko- sionskoeffizient effizient a

b

Deutsches Reich Unternehmen insgesamt 1895-1939

15

0,57

0,001

12,6

2,3

Produzierendes Gewerbe 1895-1939

15

0,60

0,001

7,1

1,5

1895-1907 1907-1925

5 5

0,84 0,76

0,029 0,053

19,9 9,4

I, I 1,0

1961-1987

5

0,56

0,144

2,8

1,5

Bundesrepublik Unternehmen insgesamt 1939-1987

12

0,87

0,001

6,9

2,5

Produzierendes Gewerbe 1939-1987

12

0,92

0,001

-1,6

1,9

1939-1950 1950-1961 (1939-1961) 1961-1970

3 3 3 3

0,81 0,96 0,99 0,97

0,128 0,039 0,123

6,4 13,9 -1,9

1,4 1,2 1,4

1970-1987

3

0,95

0,148

-5,0

1,9







• Irrtumswahrscheinlichkeit grOßer als 20 vH

ergebnisse weisen dabei ebenfalls einen starken Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren auf die Entwicklung des produzierenden Gewerbes und der Unternehmen insgesamt in den Regionen aus. Das Bestimmtheitsmaß R2 erreicht für das produzierende Gewerbe den Wert von 0,91 und für den Unternehmenssektor von 0,87. Das Signifikanzniveau liegt bei einer Fallzahl von n = 12 über 99vH. Für die Einzelperioden wird ebenfalls weitgehend eine hohe Korrelation zwischen der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und des produzierenden Gewerbes ausgewiesen. Das Bestimmtheitsmaß R2 erreicht 0,80 bis 0,95. Allerdings ist die mögliche Fallzahl auf drei Großregionen beschränkt.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

181

Entsprechend liegt trotz des hohen Bestimmtheilsmaßes das Signifikanzniveau der Regressionsschätzung in Bezug zur Entwicklung im produzierenden Gewerbe nur bei etwa 85 vH bis 90 vH. Im Bezug zum Unternehmensbereich können sogar ke.ine signifikanten Ergebnisse erzielt werden. Und auch beim Zusammenhang von Leitsektoren und produzierendem Gewerbe ist in der Periode 1939 bis 1950 die Fehlerwahrscheinlichkeit sehr hoch. Dabei dürften aber wie schon erwähnt die spezifischen Umstände der Zählung 1950 eine Rolle gespielt haben. Nimmt man eine Schätzung der Bedeutung der Leitsektoren für den Zeitraum 1939 bis 1961 vor, erreicht das Bestinuntheitsmaß R2 fast den Wert 1 und die Fehlerwahrscheinlichkeit liegt unter 5 vH. Die Koeffizienten für die Periode 1939 bis 1961 weisen auf ein ähnliches Bild wie für das Deutsche Reich hin. In Phasen mit hoher gesamtwirtschaftlicher Dynamik ergibt sich auch für die einzelnen Regionen ein hoher autonomer WachstumssockeL Das heißt, die regionalen Wachstumsdifferenzen ausgelöst durch Unterschiede in der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren sind gering. Umgekehrt scheint die Stärke des Einflusses der Leitsektoren auf die regionale Entwicklung im produzierenden Gewerbe dann zuzunehmen, wenn die gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungszuwächse gering oder sogar negativ sind. Dies deuten zumindest die nur schwach signifikanten Ergebnisse für die Perioden 1%1 bis 1970 und 1970 bis 1987 an. So liegt die Steigerung der geschätzten Regressionsgleichung für die Periode 1970 bis 1987 bei 2, während sie im Zeitraum 1939 bis 1961 nur insgesamt wenig mehr als 1 beträgt. Die Regressionsanalysen bestätigen für den Gesamtzeitraum 1895 bis 1987 im Deutschen Reich bzw. in der Bundesrepublik weitgehend den Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren auf die Regionalentwicklung insgesamt. In diese Richtung weisen in allen Perioden die hohen Werte für das Bestimmtheitsmaß R2 • Sie liegen zwischen 0,6 und fast 1. Allerdings sind die Ergebnisse für die Einzelperioden häufig nur sehr schwach signifikant. Lediglich bei den Schätzungen für die Hälfte der Einzelperioden liegt die Fehlerwahrscheinlichkeit unter 5 vH. Zu berücksichtigen ist aber auch, daß bei der hier verwendeten geringen Fallzahl hoch signifikante Ergebnisse nur zu erwarten wären, wenn praktisch keine anderen Einflußgrößen außer den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren die Gesamtentwicklung der Regionen bestinunen. Ein in dieser Weise deterministischer Zusammenhang war allerdings weder unterstellt noch ist er bestätigt worden. Darüber hinaus besteht bei solchen Regressionsanalysen immer die Gefahr, daß Scheinkorrelationen ausgewiesen werden, also es sich bei den festgestellten Zusammenhängen auch um zufällige parallele Entwicklungen handeln kann. Diese Gefahr ist auch hier nicht auszuschließen, da es sich, sowohl was die abhängigere Größe Gesamtbeschäftigungsentwicklung als auch die Merkmalsträger Großregionen angeht, um hoch aggregierte und vielschichtige Variablen handelt. Gegen eine reine Zufalligkeit der statistischen Zusammenhänge spricht aller-

182

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

dings, daß zum einen die Zusammenhänge für sehr unterschiedliche Zeiträume nachgewiesen werden können und zum anderen sich die abgebildeten Zusammenhänge durch theoretisch plausible Wirkungsketten begründen lassen. Eine wünschenswerte empirische Überprüfung einiger Elemente aus den angenommenen Anstoßwirkungen der Leitsektoren kann jedoch mit dem hier verwendeten Datenmaterial nicht vorgenommen werden. So konnte beispielsweise eine tragfähige Anzahl von unmittelbar abhängigen Vorleistungssektoren nicht identifiziert werden (vgl. Abschnitt D/III/1).

Bedeutung der Leitsektoren in der DDR Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und der regionalen Entwicklung -wie er für das Kerngebiet des Deutschen Reiches und die frühere Bundesrepublik beschrieben wurde - ist teilweise durch prOduktionstechnische Elemente begründet. Dies gilt vor allem für die Effekte über die Lieferverflechtung der Leitsektoren39 • Entsprechend ist es durchaus denkbar, daß die Entwicklung solcher Leitsektoren auch unter nicht marktwirtschaftlichen Bedingungen eine wesentliche Bedeutung für großräumige Verlagerungsprozesse der Produktion besitzen. Daher soll im folgenden der These nachgegangen werden, ob auch die regionalen Verschiebungen zwischen den Ostregionen in der DDR zwischen 1939 und 1987 ihren Ausgangspunkt in der Veränderung der Entwicklungen gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren nahmen. Um hierfür Plausibilitätsprüfungen vornehmen zu können, ist es zunächst notwendig, wie für die Bundesrepublik die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren der Nachkriegsentwicklung zu identifizieren. Entscheidend für die Zuordnung der Leitsektoreneigenschaft ist wiederum an erster Stelle die absolute Entwicklungsdynamik der Branchen. Allerdings bestehen hinsichtlich der Datenbasis hier zwei wesentliche Einschränkungen im Vergleich zur Bundesrepublik. Zum einen konnten ausreichend differenzierte sektorale Beschäftigtenangaben nur für die Jahre 1970 und 1987 aufbereitet werden. Eine zeitlich differenzierte Betrachtung der Nachkriegsentwicklung kann daher nicht erfolgen, so daß nur die jeweiligen Perioden 1939 bis 1970 und 1970 bis 1987 analysiert werden können. Zum anderen war eine Abgrenzung des Unternehmensbereichs vom staatlichen Bereich bei den Dienstleistungen nicht möglich. Die Betrachtung der Leitsektorenentwicklung und ihrer regionalen Auswirkungen beschränkt sich daher auf das prodUzierende Gewerbe. Betrachtet man in den beiden Perioden die Branchen mit den höchsten absoluten Beschäftigungszuwächsen in der DDR, tauchen hier überwiegend die glei-

39 Vgl. zum regionalen Gütertausch Wehner, S. 171 ff., sowie zur sektoralen Strukturplanung Baar u.a., S. 7 - 40.

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

183

eben Wirtschaftszweige des produzierenden Gewerbes auf wie in der Bundesrepublik. Zu den jeweils am stärksten wachsenden Branchen zählen - die Elektrotechnik - der Maschinenbau - die Kunststoffverarbeitung - das Baugewerbe - der Kohlenbergbau - der Fahrzeugbau - die Eisen- und Stahlerzeugung und - die Chemieindustrie.

Unterschiede in der Nachkriegsentwicklung zwischen Ost- und Westdeutschland ergeben sich vor allem in zeitlicher Hinsicht. Während beispielsweise der Kohlenbergbau in den frühen Jahren der Bundesrepublik zu den Wachstumsträgem zählt, nimmt die Beschäftigung im Kohlenbergbau der DDR im Vergleich zu anderen Sektoren besonders stark in den siebziger und achtziger Jahren zu. Umgekehrt verhält es sich dagegen beim Fahrzeugbau. In Westdeutschland zählt dieser in den siebzigerund achtziger Jahren zu den Wachstumsträgem, während der Fahrzeugbau der DDR einen ausgeprägten Wachstumsschub vor 1970 verzeichnet und danach die Beschäftigung kaum noch zunimmt. Darüber hinaus zählen stärker als in Westdeutschland in der DDR Branchen zu den bedeutenden Wachstumsträgem, die stark auf den internen Absatz ausgerichtet sind. So können aufgrund der Autarkiebestrebungen die Energiewirtschaft, das Ernährungsgewerbe und der Stahlbau in der DDR umfangreiche Beschäftigungsgewinne realisieren. Berücksichtigt man jedoch als zweites Kriterium für die Leitsektorenabgrenzung die Exportorientierung, scheiden diese Branchen ebenso aus wie das Baugewerbe. Dabei konnte allerdings eine gesonderte Betrachtung der in die Planungen des RGW eingebundenen Exportorientierung für die DDR aufgrund fehlender Input-Output-Angaben nicht vorgenommen werden40 • Jedoch deuten Analysen des Auslandsumsatzes im verarbeitenden Gewerbe darauf hin, daß zumindest Ende der achtziger Jahre keine grundsätzlichen Unterschiede in der Exportanteilen der Branchen zwischen der DDR und der Bundesrepublik bestanden41 • Es spricht daher vieles dafür, für die Entwicklung in der DDR die gleiche Zuordnung von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren vorzunehmen wie für die Bundesrepublik. Dabei wurde auch die Textilindustrie mit einbezogen, obwohl

40

41

Siehe zu den Datenproblemen Cornelsen u.a., insbesondere S. 147. Vgl. Görzig!Gornig, S. 75 ff.

184

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

sie in der DDR, zumindest was die hier verwendeten Stichjahre angeht, nicht mehr zu den wachstumsstärksten Branchen zählte. Analog zu den Überlegungen für Westdeutschland dürfte für die regionale Entwickhmg aber auch der Schrumpfungsprozeß eines ehemaligen gesamtwirtschaftlichen Leitsektors bedeutend sein. Betrachtet man die "normalen" Wachstumsraten bzw. den relativen Wachstumsbeitrag der Beschäftigungsentwicklung in der Summe der Leitsektoren, ist für beide Perioden ein deutliches Nord-Süd-Gefälle erkennbar (Tabelle D/16). In der ersten Periode 1939 bis 1970 steht eine kräftige Expansion der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in der Region Nord-Ost (ohne Berlin-West) einer Stagnation der Beschäftigung in der Region Mitte-Ost gegenüber. In der folgenden Periode zwischen 1970 und 1987 nimmt zwar auch in der Region Mitte-Ost die Beschäftigung in der Summe der Leitsektoren zu, die Entwicklungsdynamik erreicht aber noch nicht einmal 20 vH des Wertes für die Region Nord-Ost der DDR. IIi der Summe der Leitsektoren zeichnet sich bereits jenes regionale Entwicklungsschemata ab, das für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der DDR nach 1950 typisch war. Auch bei der Gesamtbeschäftigung im produzierenden Gewerbe war die Entwicklung durch ein ausgeprägtes Nord-Süd-Gefälle bestimmt. 1970 hatte sich in der Region Nord-Ost im Vergleich zur Vorkriegszeit jeweils ohne das Gebiet des Westteils Berlins die Gesamtbeschäftigung kaum verändert. In der Region Mitte-Ost lag sie dagegen um etwa 7 vH niedriger als 1939. In den siebzigerund achtziger Jahren folgte in der Region NordOst der DDR eine kräftige Ausweitung der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe um über 17 vH, während in der Region Mitte-Ost die Gesamtbeschäftigung weiter rückläufig war (-7 vH). Die Parallelität der regionalen Entwicklungsmuster von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren insgesamt und der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe spricht dafür, daß auch in der DDR die Leitsektoren eine Schlüsselrolle bei der Verschiebung großräumiger regionaler Strukturen spielten. Im Vergleich zum Ergebnis für Westdeutschland geben die empirischen Befunde aber auch Hinweise für spezifische Besonderheiten in Ostdeutschland. Ein Aspekt ist hierbei, daß sich der Wachstumsvorsprung der Region NordOst bei den Leitsektoren kaum zwischen beiden Perioden verändert hat. Bei der EntwicklUng des produzierenden Gewerbes dagegen ist eine deutliche Zunahme des Wachstumsvorsprungs der Region Nord-Ost in den siebziger und achtziger Jahren festzustellen. Bezogen auf die Leitsektorenthese würde dies heißen, daß die regionalen Differenzen bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren sich in den Anfangsperioden der DDR weniger niedergeschlagen haben. Betrachtet man die Beschäftigungsentwicklung im produzierenden Gewerbe außerhalb der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren, ist im Zeitraum von 1939 bis 1970 insgesamt

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

185

Tabelle D/16

gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren in den Regionen der DDR

Entwicklun~

1939

I

I

1970

1939

1987

Beschäftigte in 1000 Personen

I 1970 I 1987

in vH Insgesamt

Leitsektoren Nord-Osf1 Mitte-Ost Insgesamt

330 1288 1619

413 1295 1708

527 1357 1883

20,4 79,6 100,0

24,2 75,8 100,0

28,0 72,0 100,0

Übriges Gewerbe Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

546 1414 1960

432 1212 1644

460 1131 1590

27,9 72,1 100,0

26,3 73,7 100,0

28,9 71,1 100,0

Produzierendes Gewerbe Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

1004 3007 4011

1006 2792 3798

1182 2773 3955

25,0 75,0 100,0

26,5 73,5 100,0

29,9 70,1 100,0

Wachstumsratecl in vH

Wachstumsbeitragbl in vH Leitsektoren Nord-Osfl Mitte-Ost Insgesamt

8 0 2

11 2

25,0 0,5

5

5,5

27,5 4,8 10,3

Übriges Gewerbe Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

-11 -7 -8

3 -3 -1

-21,0 -14,3 -16,1

6,5 -6,7 -3,3

0 -7

17 -1 4

0,2 -7,1 -5,3

17,5 -0,7 4,1

Produzierendes Gewerbe Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

-5

a) Alle Werte ftlr Nord-Ost hier ohne Berlin (West).· b) Absolute Verlinderung des Bereichs in vH der Gesamtbeschaftigung im produzierenden Gewerbe der Region im Ausgangsjabr.- c) Absolute Verlinderung des Bereichs in vH der Beschaftigung in dem Bereich im Ausgangsjabr. QueUen: ArbeitsstAttenzahlung 1939; Berufstatigenerbebungen 1975, 1987; Statistische Jahrbücher der DDR; Eigene SchalZungen und Berechnungen.

186

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

sogar überhaupt kein Entwicklungsunterschied zwischen beiden Großregionen auszumachen. Ein Grund dafür, daß sich die regionalen Differenzen in der Entwicklung der Leitsektoren in den Veränderungen der übrigen Sektoren des produzierenden Gewerbes anfangs nicht niedergeschlagen haben, könnte die Überlagerung mit anderen Effekten sein. Solche Überlagerungseffekte dürften beispielsweise aus der Teilung Deutschlands resultieren. Plausibel wären dabei gerade für die Region Nord-Ost der DDR negative Einflüsse aus dem Verlust der Lieferbeziehungen zum Westteil Berlins. Quantitativ fassen lassen sich diese Effekte allerdings anders als in Westdeutschland nicht, da eine Trennung der unmittelbaren Nachkriegsperiode von der Entwicklung in den fiinfzigcr und sechziger Jahren aufgeund fehlender detaillierter Beschäftigungsangaben für diese Zeit nicht möglich ist. Eine andere Besonderheit der regionalen Entwicklung in der DDR ist die Gleichförmigkeit des regionalen Shifts zugunsten der nördlichen Landesteile über fast alle Einzelsektoren hinweg in den siebzigerund achtziger Jahren. Ergaben sich für die Bundesrepublik - trotz eindeutiger räumlicher Entwicklungsmuster für die Gesamtbeschäftigung - auf der Ebene einzelner Branchen durchaus wechselnde regionale W achstumshierarchien, konnte die Region Nord-Ost in fast allen Branchen des produzierenden Gewerbes zwischen 1970 und 1987 besser abschneiden als die Region Mitte-Ost. Die generelle Bevorzugung der sehr viel kleineren Region Nord-Ost wird dabei vor allem bei den einzelnen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren deutlich (Tabelle D/17). Im Zeitraum zwischen 1970 und 1987 erreichte die Region Nord-Ost (ohne Berlin-West) in allen einzelnen Leitsektoren Beschäftigungszuwächse. Durchweg war die Wachstumsdynami.k:, ob gemessen in "normalen" Wachsturnsraten oder relativen W achstumsbeiträgen, wesentlich höher als in den südlichen Landesteilen der DDR. In der Periode von 1939 bis 1970 konnte die Region Mitte-Ost immerhin noch bei der Elektrotechnik und der Kunststoffverarbeitung Wachstumsvorsprünge realisieren. Das günstige Abschneiden der Region Nord-Ost war in dieser Periode wesentlich durch starke Aufholprozesse bei den Montanindustrien und beim Maschinenbau bestimmt. Angesichts des einheitlichen Entwicklungsvorsprungs der Region Nord-Ost in den siebziger und achtziger Jahren stellt sich möglicherweise auch die Stellung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren im Zusammenhang von regionalem und sektoralem Strukturwandel für die DDR in einem anderen Lichte dar als für die Bundesrepubli.k:. Die Verschiebung der Beschäftigung im produzierenden Gewerbe insgesamt zugunsten der Region Nord-Ost dürften nicht unbedingt auf bessere Partizipationsmöglichkeiten an der Entwicklung der Leitsektoren zurückzuführen sein, sondern müssen wohl als Teil der generellen Bevorzugung

III. Quantifizierung des Zusammenhanges

187

Tabelle D/17 Verteilung einzelner Leitsektoren auf die Regionen der DDR 1939

1970

1987

Beschäftigte in I 000 Personen Textilindustrie Nord-ost"> Mitte-Ost Insgesamt Kohlenbergbau Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Eisen, Stahl Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Maschinenbau Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Chemie,Kunststoffe Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Elektrotechnik,EDV Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Fahrzeugbau Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

1939

1970

1987

in vH Insgesamt

47 462

12 255

15 202

9,2 90,8

509

267

217

100,0

9

53

55

72 64

13,7 86,3

63

108

136

22

55

25 50

77

75

50 313

Veränderung invH

7,1 92,9

-74,4 -44,8

27,2 -21 ,1

100,0 100,0

-47,5

-18,9 35,5 17,2

100,0

52,6 510,0 0,4 47,4 100,0 100,0 70,1

26,1

35 49 84

28,4 71,6 100,0

33,6 41,6 66,4 58,4 100,0 100,0

13,9 -10,7 -3,7

39,0 -1,0 12,4

113 435

13,7 86,3

23,8 10,0

548

100,0

18,7 20,6 81,3 79,4 100,0 100,0

83,2 26,4

363

91 395 486

34,2

12,6

29 137

36 167

46 164

17,5 82,5

24,2 21,8

166

203

210

100,0

22,0 78,0 100,0 100,0

22,3

28,3 -1,9 3,5

88 117 204

113 250 364

148 42,8 306 57,2 454 100,0

31,1 32,6 29,2 68,9 67,4 114,4 100,0 100,0 77,9

30,9 22,1 24,9

86 149

83 123

98 137

36,6 63,4

40,3 59,7

41,6 58,4

-4,1 -17,8

18,2 12,0

236

205

235

100,0

100,0

100,0

-12,8

14,5

55

4,5 95,5

1970/ 1987/ 1939 1970

49,0 51,0

17,8 82,2

a) Alle Werte filr Nord-Ost hier ohne Berlin (West). Quellen: ArbeitsstAttenzählung 1939; Berufs!Atigenerhebungcn 197S, 1987; Statistische Jalubüchcr der DDR; Eigene Schalzungen und Berechnungen.

188

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

des Nordens der DDR bei industriellen Investitions- und Standortentscheidungen gesehen werden42 • Bei der Einschätzung der regionalen Strukturverschiebungen in Ostdeutschland in der Nachkriegszeit darf aber auch nicht übersehen werden, daß trotz der Bevorzugung der nördlichen Regionen der DDR der Industrialisierungsgrad deutlich hinter deri südlichen Regionen zurückblieb43 • Dies gilt nicht nur für das produzierende Gewerbe insgesamt, sondern auch für die gesamtwirtschaftlichen I..eitsektQren. In der Summe der I..eitsektoren war am Ende der DDR-Ära die Beschäftigung bezogen auf die Bevölkerung in der Region Mitte-Ost mit über 80 Beschäftigten je 1 000 Einwohner immer noch mehr als doppelt so hoch als in der Region Nord-Ost (ohne Berlin-West) mit etwa 30 Beschäftigten je 1 000 Einwohner. Auch auf der Ebene einzelner I..eitsektoren bleibt festzuhalten, daß zwar erhebliche Aufholprozesse der Region Nord-Ost stattgefunden haben, bei keinem I..eitsektor aber bis 1987 ein höherer Beschäftigungsbesatz als in der Region Mitte-Ost erreicht werden konnte.

IV. Ein erstes Fazit Die Analysen der Beschäftigungsentwicklung in Deutschland von 1895 bis 1987 liefern zunächst eindeutige Hinweise auf einen Zusammenhang von langfristigen Schwankungen im Wirtschaftswachstum und dem sektoralen Strukturwandel. Dies bezieht sich vor allem auf die beiden Phasen mit starken Wachstumseinbrüchen in den dreißiger und siebziger Jahren, die begleitet waren von Umbrüchen in den sektoralen Strukturwandlungen. Die beiden Phasen stehen aber auch für Umbrüche in den großräumigen Regionalstrukturen. In den dreißiger Jahren endete die Führungsrolle der Region Mitte-West, die sie in der regionalen Wachstumshierarchie seit Mitte des 19. Jahrhunderts innehatte. Fortan konnten die Region Nord-West und vor allem die Regipn Süd-West einen höheren Wachstumspfad realisieren als die Region Mitte-West. Dieses regionale Wachstumsmuster setzte sich zunächst innerhalb der Bundesrepublik fort. Erst in den siebziger Jahren kam es mit der Herausbildung des Süd-Nord-Gefalles im Zuge einer Konzentration der Wachstumsprozesse allein auf die Region Süd-West zu einer erneuten Veränderung der großräumigen Entwicklungsmuster. Die zeitliche Parallelität von sektoralen und regionalen Strukturumbrüchen weist dabei auf einen engen Zusammenhang beider Entwicklungen. Aus theoretischer Sicht kommt, wie im Abschnitt D/1 ausgeführt, in diesem Zusammen-

42

43

Siehe dazu Roesler, S. 129 ff. Vgl. auch Rudolph, S. 379 ff.

IV. Ein erstes Fazit

189

bang den sogenannten Leitsektoren eine Schlüsselrolle zu. Auf der einen Seite wird in bestimmten gesamtwirtschaftlichen Stufen- und Zyklentheorien einzelnen bestimmten Branchen eine Schlüsselposition in der jeweiligen Wachsturnsphase zugesprochen. Auf der anderen Seite werden beispielsweise in den theoretischen Konzepten der Exportbasis, der Wachsturnspole oder der industrial districts regionale Wachsturnsprozesse auf die Entwicklung einzelner Branchen zurückgeführt. Entsprechend wurde hier ein Ansatz zur quantitativen Bestimmung des Einflusses des sektoralen Strukturwandels entwickelt, der sich nicht wie in bisherigen Untersuchungen an der Shift-Share-Analyse orientiert, bei der für alle Wirtschaftszweige eine gesamtwirtschaftliche Prägung unterstellt wird. Vielmehr wird angenommen, daß nur einige Wirtschaftszweige eine solche Prägung aufweisen. Diese gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren können aber über ihre räumlichen Anstoßeffekte die Wachsturnsdifferenzen der Regionen bestimmen. Ausgangspunkt der empirischen Arbeiten ist die Identifizierung solcher Leitsektoren im historischen Entwicklungsprozeß. In Anlehnung an die gesamtwirtschaftlichen und regionalen Theorien werden hier als Abgrenzungskriterien die absolute _Beschäftigungsdynamik und die Exportorientierung herangezogen. Die Auswertungen für das Deutsche Reich und die frühere Bundesrepublik machen zunächst deutlich, daß weder eine der Wachsturnsphasen allein durch einen gesamtwirtschaftlichen Leitsektor geprägt wird, noch eine Region in einer Wachsturnsphase bei allen jeweiligen Leitsektoren führend ist. Entsprechend wurde hier zur Bestimmung des Einflusses des sektoralen Strukturwandels auf das regionale Wachsturn die Entwicklung der Region über alle gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren der Gesamtentwicklung der jeweiligen Region gegenübergestellt. Die regionalen Unterschiede in den Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren insgesamt weisen dabei in allen sieben betrachteten Perioden zwischen 1895 und 1987 gleiche oder ähnliche Muster auf wie die regionalen Wachsturnsdifferenzen im gesamten produzierenden Gewerbe oder gesamten Untemehmensbereich. Vor allem zeigt sich diese hohe Übereinstimmung auch in den beiden großen regionalen wie sektoralen Umbruchphasen 1925 bis 1939 im Deutschen Reich und 1970 bis 1987 in der Bundesrepublik. In den dreißiger Jahren ist der Aufstieg der Regionen Nord-West und Süd-West verbunden mit einer weit überdurchschnittlichen Partizipation an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Die zurückfallenden Regionen Mitte-West und Mitte-Ost profitieren dagegen kaum noch von Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren. In den siebzigerund achtziger Jahren in der Bundesrepublik geht die Polarisierung zwischen der Region Süd-West mit günstiger Entwicklungstendenz einerseits und den schrumpfenden Regionen Nord-West und Mitte-West andererseits einher mit einer stabilen Entwicklung der Leitsektoren in der Region Süd-West und stark negativen Entwicklungsimpulsen in den anderen beiden Regionen.

190

D. Regionaler Wandel und gesamtwirtschaftliche Leitsektoren

Der Zusammenhang zwischen der Partizipation einer Region an der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und ihrem Beschäftigungserfolg insgesamt kann bei einer zusammengefaßten Betrachnmg für die Zeitabschnitte 1895 bis 1939 und 1939 bis 1987 eindeutig in einfachen Regressionsanalysen statistisch belegt werden. Auf der Ebene einzelner Perioden gelingt dies allerdings nur teilweise. Zwar werden in allen Perioden hohe Korrelationen für den Zusammenhang zwischen den Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren und dem Wachstum der Regionen insgesamt ausgewiesen, sie sind jedoch zum Teil nur sehr schwach signifikant. Die Analysen machen daher auch deutlich, daß neben den Entwicklungsimpulsen der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren für die konkrete Einordnung der Regionen in die regionale Wachstumshierarchie insgesamt auch andere Einflüsse eine Rolle spielen. Ein Beispiel hierfür dürften Sonderfunktionen der Regionen im Dienstleisnmgsbereich sein. Dennoch sprechen die Analysen insgesamt eindeutig dafür, daß der sektorale Strukturwandel in Form von Verschiebungen bei gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren eine wesentliche Rolle für die Veränderung der Stellung von Großregionen in der räumlichen Wachstumshierarchie im historischen Entwicklungsprozeß besitzt. Die im wesentlichen auch statistisch belegte Verbindung von sektoralem und regionalem Wandel beschreibt allerdings lediglich einen funktionalen Zusammenhang. Die eigentlichen Ursachen regionaler Verschiebungen bleiben weiterhin verborgen. Letztlich sagt der hier verwendete Ansatz nur, daß im großräumigen Vergleich diejenigen Regionen, die überproportional an der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Leitsektoren partizipieren, sich auch insgesamt als Region wirtschaftlich besser entwickeln als andere. Was aber eine Region in die Lage versetzt, besser als andere von der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren zu profitieren, bleibt offen.

In bezugauf eine Kausalanalyse des langfristigen Wandels der großräumigen Regionalstruktur in Deutschland ist das bisherige Ergebnis daher nur insoweit ein Fortschritt, als sich eine Ursachenforschung auf die Frage unterschiedlicher regionaler Entwicklungen von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren als differenzierendes Merkmal der Entwicklung von Regionen konzentrieren kann. Im folgenden sollen einige Überlegungen zu regional unterschiedlicher Entwicklungen von Leitsektoren vorgestellt werden. Soweit dies mit dem hier verfolgten aggregat-statistischen Ansatz möglich ist, werden dabei auch einige quantitative Aspekte beleuchtet.

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung I. Konzeptionelle Vorüberlegungen Aus den bisherigen Ausführungen ist deutlich geworden, daß die gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren eine zentrale Stellung im Erklärungsmuster für die Zusammenhänge zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel einnehmen. Welche Rolle die Regionen in diesem Zusammenhang spielen, ist allerdings offen. Dabei geht es hier vor allem darum, ob die unterschiedliche Partizipation der Regionen an der Entwicklung der Leitsektoren primär eine Folge des sektoralen Strukturwandels ist und damit die Regionen lediglich eine passive Vertellerfunktion für das sektorale Wachsturn besitzen oder ob die Regionen auch aktiv Einfluß auf ihre Position in der regionalen Wachstumshierarchie nehmen. Um Hinweise auf die grundlegende Rolle der Regionen zu gewinnen, ist zunächst zu fragen, welche Ursachen für die unterschiedliche Teilhabe der Regionen an der Entwicklung der Leitsektoren als Ganzes verantwortlich sein könnten. Aus der regionalwissenschaftlichen Literatur lassen sich allerdings eindeutige und konkrete Erklärungsmuster dafür, welche Faktoren die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen bei einzelnen Sektoren bestimmen, nicht ableiten1• Dies gilt auch für die im Kapitel D/11 dargestellten regionaltheoretischen Ansätze. So werden in den Konzepten der Export-Basis, der Wachstumspole und der industrial districts zwar Entwicklungsprozesse beschrieben, die Frage nach den Ursachen allerdings, warum eine Region eine Export-Basis aufbauen, einen Wachstumspol entwickeln oder eine industrielle Agglomeration bilden kann, bleibt unbeantwortet. Ansatzpunkte für einen umfassenden - wenngleich sehr allgemeinen und wenig konkreten- Erklärungsansatz lassen sich noch am ehesten aus einzelwirtschaftlich orientierten Theorien der Standortlehre ableiten, wie sie von Weber, Thünen und Lösch erarbeitet wurden2 • Ein rational handelndes und über die Standortbedingungen vollkommen informiertes Unternehmen wird die Produktion dort ausführen, wo der Unternehmensgewinn (G) am größten ist. Da ein unmittelbarer Einfluß des Standortes auf den Umsatz bei der hier unterstellten überregionalen Absatzorientierung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren nicht explizit zu berücksichtigen ist, heißt dies, daß die nachgefragte Produktion in 1 2

Ähnlich auch Krieger-Boden, S. 211 f. Siehe dazu Lösch, S. 9 ff.

192

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

der Region mit den geringsten Gesamtkosten (K) erstellt wird. Der gewinnmaximale (kostenminimale) Produktionsstandort ist somit eindeutig durch die benötigten Faktormengen (V) und die regionalen Faktorpreise (q) bestimmt. Kmin

=

min

Ausschlaggebend für die Standortentscheidung bzw. die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sind bei limitationaler Produktionsfunktion regionale Faktorpreisunterschiede3 • Regionale Unterschiede bei den Faktorpreisen treten nun im Konkurrenzfall immer dann auf, wenn die Faktormengen nicht in jeder Region im benötigten Umfang zur Verfügung stehen. Zu dem Grund- oder Mindestpreis des Faktors treten dann Raumüberwindungskosten auf. Solche Mobilitätskosten können in unterschiedlicher Form anfallen. Werden beispielsweise bestimmte Rohstoffe für die Produktion benötigt, treten in den Regionen ohne entsprechende Vorkommen zusätzliche Kosten in Form von Transportkosten für die Lieferung an. Sind in einem anderen Fall benötigte Arbeitskräfte in einer Region nicht oder nicht mehr verfügbar, schlagen sich die Mehrkosten in Form höherer Löhne entsprechend den Wanderungskosten nieder. Ein drittes Beispiel sind Infrastrukturleistungen, für die ein nutzungsunabhängiger Preis in jeder Region zu leisten ist, aber bei nicht flächendeckendem Ausbau zusätzliche Kosten der Erreichbarkeit entstehen. Aus den einzelwirtschaftlichen Theorieansätzen lassen sich damit zwei Erklärungskomplexe für die Veränderung der Partizipation einer Region an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren ableiten. Die Vorteilhaftigkeit einer Region im Sinne geringer Gesamtkosten kann sich einerseits dadurch ändern, daß sich die Faktorpreisverhältnisse zwischen den Regionen verschieben. Andererseits kann sich bei konstanten regionalen Faktorpreisverhältnissen die Gesamtkostenrelation zwischen den Regionen ändern, wenn die Zusammensetzung der benötigten regionalen Ressourcen anders aussieht als bisher. Als Beispiel soll hier ein Zwei-Regionen-Modell (A, B) dienen. In der Ausgangssituation seien die Gesamtkosten (~) eines lirnitationalen Produktionsprozesses mit zwei Produktionsfaktoren (V 1, V2) in beiden Regionen gleich. Die regionalen Faktorpreisverhältnisse sind dadurch beschrieben, daß der Faktorpreis bei V 1 in der Region A und bei V2 in der Region B höher liegt.

3

Vgl. dazu Ohlin, insbesondere S. 212 ff.

I. Konzeptionelle Vorüberlegungen

oy1 • oqt + oy2

oKA =

oKs mit oKA

oy1 •

oq~

• oq~

+ oy2 .

= oKs und oqt

193

oq~

> oq~, oq~ > oq~

Zu einer Produktionsverschiebung zugunsten der Region A kann es nun zum einen kommen, wenn es ihr gelingt, z.B. das Faktorpreisverhältnis bei dem Produktionsfaktor V1 auszugleichen (Fall 1). Eine Produktionsverschiebung geht aber zum anderen bei unterstellten konstanten Faktorpreisverhältnissen auch von einer Änderung der Faktoreinsatzrelationen aus. Sie geht ebenfalls in Richtung auf die Region A, wenn der in der Region A billigere Faktor V2 im neuen limitationalen Produktionsprozeß stärker eingesetzt werden muß (Fall2).

Falll: Wenn

•qt < oqt, •q~ = oq~

und

•q~ < oq~,

und

•v. = oyl' oy2 = oy2

folgt

•qs = oq~

IKA < IKB

Fall2: Wenn •v2 > oy2' •v. < ov.

= oq~

und

•qt = oqt, •q~

und

•q~ = oq~, •q~ = oq~

folgt

IKA < IKB

Für die beiden Fälle lassen sich auch unterschiedliche Vorstellungen zur grundlegenden Rolle der Regionen entwickeln. Im ersten Fall kann den Regionen eher eine aktive Rolle im regionalen Strukturwandel zukommen. Ausgangspunkt für eine Verbesserung der Position einer Region bei der Summe der Leitsektoren könnte beispielsweise eine Erhöhung des regionalen Ressourcenpotentials in bestimmten Arbeitsangebotssegmenten durch verstärkte Ausbildungsanstrengungen sein4 • In deren Folge wäre zu erwarten, daß sich aufgrund des

13 Gomig

194

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

geringeren Auslastungsgrades die relative Faktorpreisrelation verbessert. Eine aktive Rolle der regionalen Ebene liegt aber auch dann vor, wenn Ausgangspunkt für die Veränderung der regionalen Faktorpreisverhältnisse nicht die einzelnen Regionen sind. So können sich die Faktorpreisverhältnisse dadurch ändern, daß neue Regionen z.B. durch eine Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen mit einzubeziehen sind. Ähnlich wirken auch Veränderungen der Mobilitätskosten z.B. aufgrundverbesserter Transporttechnologien5 • Im zweiten Fall dagegen -bei dem die regionalen Verschiebungen in der Summe der Leitsektoren durch Veränderungen der Ressourcenbedarfe der Leitsektoren bestimmt wären - käme den Regionen bzw. den regionalen Unterschieden in der Ressourcenausstattung lediglich eine passive Rolle zu. Die regionalen Verschiebungen werden dabei nicht durch die Veränderung der Ressourcenausstattung und damit· verbundener Ressourcenpreisänderungen, sondern durch die Veränderung der Verwertbarkeit der weitgehend unveränderten Ressourcenverfügbarkeit ausgelöst6 • Eine systematische Aufbereitung aber, um welche regionalen Preisveränderungen oder sektoralen Anforderungsverschiebungen bei welchen regionalen Ressourcen es sich handelt, fällt äußerst schwer. Schon allein die Konkretisierung dessen, was produktionsrelevante regionale Ressourcen sind, ist kaum möglich. Letztlich sind hierunter alle Faktoren zu verstehen, die in irgendeiner Weise die Gesamtkosten eines Unternehmens beeinflussen7 • Sie können sich dabei auf die Kosten der Beschaffung von Vorleistungen in Form von Gütern und Dienstleistungen einschließlich der Informationen über Technologien oder Absatzbedingungen ebenso beziehen wie auf die Kosten der eigentlichen Wertschöpfung in den Unternehmen. Der Begriff der regionalen Ressourcen schließt daher neben den traditionellen Produktionsfaktoren "Boden", "Kapital" und "Arbeit" auch die generellen Produktionsbedingungen wie die politisch-soziale Organisation, die institutionelle Infrastruktur oder das technologische Wissen in einer Region mit ein. Bei einem quantitativen und qualitativen Blickwinkel sind darüber hinaus die Produktionsfaktoren umfassend zu berücksichtigen8 • So wird der Faktor "Boden" als regionale Ressource nicht nur durch die reinen Flächenpotentiale, sondern ebenso durch Faktoren wie Klima, Topographie, Bodenschätze, wirtschaftsgeographische Lage und Siedlungsstruktur beschrieben. Unter räumlichen

4

5 6 7 8

Vgl. Derenbach, S. 160- 182. Vgl. Cheshire u.a. , S. 39 ff. Ähnlich Kasarda, S. 5 ff. , Wienert, S. 379. Siehe z.B. auch Klemmer (1983), S. 75 f. Vgl. Biehl u.a., S. 16 ff.

I. Konzeptionelle Vorüberlegungen

195

Aspekten ist unter dem Begriff "Sachkapital" neben der Akkumulation privater wirtschaftlicher Aktivitäten vor allem der Bestand an öffentlicher Infrastruktur in den Bereichen Verkehr, Bildung, Forschung etc. einzubeziehen. Beim Produktionsfaktor "Arbeit" letztlich ist nicht nur die natürliche Arbeitskraft, sondern auch das Humankapital in Form sozialer und fachlicher Qualifikationen ausschlaggebend. Zudem sind nicht nur die jeweiligen Ressourcenverfügbarkeiten, sondern auch ihre potentiellen und tatsächlichen Synergieeffekte zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Nutzbarkeit bestimmter Ressourcenkombinationen. Aus einer solchen umfassenden Definition des regionalen Ressourcenbegriffs lassen sich natürlich schwerlich konkrete Anhaltspunkte für die Höhe der relativen Ressourcenverfügbarkeiten fmden. Die Einschätzung der Rolle der Regionen bei den Standortverschiebungen gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren kann daher nicht unmittelbar bei der Messung von Veränderungen der Ressourcenverfügbarkeiten ansetzen. Um quantitative Hinweise auf eine aktive und passive Rolle der Regionen in diesem Zusammenhang zu gewinnen, ist es somit notwendig, auf Hilfsgrößen zurückzugreifen, die Indizien für Verschiebungen der Ressourcenanforderungen der Sektoren oder für die Veränderung der relativen Ressourcenverfügbarkeiten der Regionen sein können. Hinsichtlich der Verschiebungen sektoraler Ressourcenanforderungen ist eine solche Hilfsgröße oder Proxivariable die Veränderung der Zusammensetzung der Leitsektoren im historischen Kontext. Die theoretischen Überlegungen zum sektoralen Strukturwandel und dort vor allem die Stufentheorien zur Industrialisierung (vgl. Abschnitt B/II/1) weisen darauf hin, daß mit dem Aufstieg "neuer" Sektoren und dem Abstieg "alter" Sektoren unmittelbar auch ein Austausch der vorherrschenden Produktionsprozesse verbunden ist. Bei der Annahme, daß eine Veränderung der Produktionsprozesse auch zu einer Verschiebung der Staudortanforderungen führt, könnten die Möglichkeiten der Regionen, von der Entwicklung der Leitsektoren als Ganzes zu profitieren, entscheidend von der Zusammensetzung der Leitsektoren abhängen. Ein quantitativer Analyseansatz in diesem Kapitel befaßt sich daher damit, sektorale Verschiebungen innerhalb der Gruppe der Leitsektoren in Verbindung zu bringen mit Veränderungen der regionalen Wachstumshierarchien. Dabei soll vor allem überprüft werden, ob ein Quasi-Automatismus zu beobachten ist, der mit derri Aufstieg "neuer" Leitsektoren und dem Abstieg "alter" Leitsektoren auch zu neuen regionalen Verteilungsmustern führt. In bezugauf eine Bewertung der relativen Verfügbarkehen bzw. Preisrelationen regionaler Ressourcen werden in vielen regionalwissenschaftlichen Studien als Proxivariable die relativen Ausstattungsniveaus der Regionen mit einzelnen Ressourcen verwendet. Für die Bundesrepublik sind beispielsweise umfassende Analysen zur Bedeutung von öffentlicher Infrastruktur, Agglomerationsgrad und

196

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

wirtschaftsgeographischer Lage durchgeführt worden9 • Einen weiteren Schwerpunkt bilden Untersuchungen zum Einfluß der Humankapitalausstattung auf die regionale Entwicklung 10 • Eine ähnliche Vorgehensweise ist hier zur quantitativen Abschätzung des Einflusses veränderter Ressourcenausstattung auf die regionale Entwicklung der Leitsektoren nicht möglich. Eine differenzierte Bestimmung der Ausstattung der Regionen mit produktionsrelevanten Ressourcen z.B. in den Bereichen Infrastruktur oder Humankapital ist angesichts der Datenlage für einen solch langen Zeitraum kaum möglich. Zudem bleibt- selbst wenn ein Nachweis für die Veränderung der Ressourcenausstattung gelingt - offen, ob diese speziell mit der Veränderung der regionalen Entwicklungsmuster der Leitsektoren etwas zu tun haben. Dazu wäre es außerdem nötig, die potentielle und tatsächliche Inanspruchnahrnen bestimmter Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen durch die Leitsektoren zu bestimmen. Um dennoch quantitative Vorstellungen zum Einfluß veränderter regionaler Ressourcenverfügbarkeilen bzw. der Ressourcenpreisrelationen auf die Veränderung der Partizipation der Regionen an der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren zu gewinnen, ist hier ein anderer Ansatz gewählt worden. Ausgangspunkt ist die Frage, ob überhaupt Verschiebungen der Positionen der Regionen auf der Ebene einzelner Leitsektoren festzustellen sind. Hinter dieser Vorgehensweise steht die Plausibilitätsübelegung, daß sich immer dann, wenn sich aufgrund von Veränderungen der relativen Ressourcenverfügbarkeil die Standortvorteilhaftigkeit einer Region verbessert oder verschlechtert, auch ihr Anteil an dem jeweiligen Sektor entsprechend verschieben müßte. Umgekehrt spricht bei einer gleichbleibenden regionalen Verteilung der jeweiligen Sektoren wenig dafür, daß sich die relative Verfügbarkeil relevanter regionaler Ressourcen verändert hat. Der zweite quantitative Analyseansatz im Kapitel E bezieht sich daher auf die Einschätzung der Standortbindung der einzelnen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Hierbei geht es insbesondere darum, aus der Konstanz bzw. Variabilität der regionalen Verteilung einzelner Leitsektoren auf das Potential regionsbestimmter Veränderungen der Wachstumspositionen der Regionen bei den Leitsektoren zu schließen. Die theoretische Trennung zwischen Veränderungen der regionalen Strukturen einerseits in rein durch Verschiebungen sektoraler Ressourcenanforderungen und andererseits in rein durch Verschiebungen der regionalen Ressourcenausstattung begründete Entwicklungen kann die Zusammenhänge zwischen sektoralem und regionalem Strukturwandel transparenter machen. Allerdings werden

9 10

ler.

Siehe Biehl u. a. , insbesondere S. 166 ff., Kunz ( 1991), S. 579 ff. Vgl. hierzu Lammers u.a. , z.B. S. 10 ff., Ehlers/Friedrichs, S. 897 ff. sowie Mül-

II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren

197

bei einer solchen Trennung die möglichen Interdependenzen zwischen Ressourcenausstattung und Ressourcenanforderungen auf regionaler Ebene vernachlässigt. Entsprechend können auch die empirischen Analysen zu den sektoralen Strukturverschiebungen zwischen den Leitsektoren und der Standortbindung von Leitsektoren nur Hinweise auf eine mehr passive oder mehr aktive Rolle der Regionen im Strukturwandel geben. So bedeutet z.B. ein Ergebnis, daß mit dem Aufstieg "neuer" Leitsektoren auch Veränderungen der Regionalstrukturen verbunden sind, nicht per se, daß die Regionen in diesem Prozeß lediglich eine passive Rolle spielen. Neue Leitsektoren fallen nicht wie Manna vom Himmel, sondern sind in bestimmten Regionen mit spezifischen Ressourcenausstattungen entstanden. Ebenso dürften Veränderungen der Produktionsprozesse in bestehenden Leitsektoren nicht nur zufällig sein. Zu erwarten wäre vielmehr, daß die spezifischen RessourcenknappbeiteD in den Regionen Anstöße zur Veränderung der Produktionsprozesse geben, bei denen die knappen Ressourcen substituiert werden. Und letztlich können umgekehrt Veränderungen der Ressourcenausstattungen der Regionen gerade als Folge einer Anpassung an Verschiebungen der sektoralen Ressourcenanforderungen auftreten. Solche interdependenten Beziehungen von Ressourcenanforderungen und Entwicklungsbedingungen spielen gerade bei den innovationsorientierten Erklärungsansatzen des sektoralen Strukturwandels eine wichtige Rolle (vgl. Abschnitt B/III). Daher soll vor dem Hintergrund der empirischen Ergebnisse zum Aufstieg "neuer" und zum Abstieg "alter" Leitsektoren und der Standortbindung von Leitsektoren geprüft werden, ob auf regionaler Ebene Hinweise auf die Bedeutung der sektoralen Erklärungskonzepte zu Schüben von Basisinnovationen oder zur Rolle der Instituionen im lnnovationsprozeß gewonnen werden können. Die aktive Rolle der Regionen im regionalen Strukturwandel wird unter diesem Blickwinkel also nicht in der autonomen Veränderung der Ressourcenausstattung gesehen, sondern gerade in dem Zusammenwirken mit sektoralen Strukturveränderungen.

II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren 1. Typisierung nach der Entwicklungsdynamik

Bei den quantitativen Analysen im Abschnitt D/III ging es zunächst darum den Einfluß der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren auf die Beschäftigungsentwicklung der einzelnen Regionen insgesamt zu bestimmen. Entscheidend hierfür waren die Entwicklungsimpulse, die von den Leitsektoren als Ganzes auf die Regionen ausgehen. Dementsprechend wurden für die statistische Analyse die einzelnen Sektoren zusammengefaßt und nur im Aggregat ausgewertet.

198

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Im Aggregat gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren sind somit verschiedene Sektoren mit unterschiedlichen Entwicklungsverläufen und Produktionsweisen zusammengefaßt. Gemeinsam ist llmen nur, daß sie - einerseits in bestimmten Perioden sehr hohe absolute gesamtwirtschaftliche Beschäftigungsgewinne erzielen und - andererseits für ihren Absatz auf gesamtwirtschaftlicher Ebene eine hohe Exportorientierung zugeschrieben werden kann.

Wenn es nun darum geht, Hinweise auf die Ursachen unterschiedlicher Entwicklungen der Leitsektoren insgesamt in den Regionen zu gewinnen, erscheint es sinnvoll, die Strukturverschiebungen zwischen den einzelnen Leitsektoren zu betrachten. Wenn nämlich mit verschiedenen Produktionsweisen der Sektoren unterschiedliche Standortanforderungen verbunden sind, kann die Strukturverschiebung zwischen den Sektoren auch eine Veränderung der Präferierung der Sektoren durch die Summe der Leitsektoren bewirken. Im historischen Kontext sind die Strukturveränderungen bei den Leitsektoren vor allem durch das Hinzutreten "neuer" Leitsektoren und das Absterben "alter" Leitsektoren bestimmt. Eine mögliche Einordnung als "neuer" bzw. "alter" Leitsektor läßt sich anband der Entwicklungsverläufe der Beschäftigung vornehmen. Berücksichtigt man darüber hinaus, daß es Entwicklungsverläufe von Leitsektoren gibt, die typisch weder für "neue" noch für "alte" Leitsektoren sind, können drei Typen von Leitsektoren unterschieden werden: 1. Jene Leitsektoren, die erst im Betrachtungszeitraum als eigenständige Sektoren entstehen bzw. erst im Zeitverlauf ihre eigentliche Beschäftigungsdynamik entwikkeln. Diese Sektoren werden unter dem Begriff "Neuleitsektoren" zusammengefaßt. 2. Jene Leitsektoren, die über den gesamten Betrachtungszeitraum - wenn auch mit Schwankungen- zu den Wachstumsträgem zählen bzw. bei rückläufiger Gesamtbeschäftigung im produzierenden Gewerbe deutliche Anteilsgewinne erzielen. Solche Leitsektoren werden hier als sogenannte "Permanentleitsektoren" bezeichnet. 3. Jene Leitsektoren, die zwar über einen gewissen Zeitraum deutliche Beschäftigungsgewinne erzielen, aber noch innerhalb der Gesamtperiode, die betrachtet wird, sowohl absolute Beschäftigungseinbußen als auch Anteilsverluste hinnehmen müssen. Solche Leitsektoren zählen dann zum Typ "Aitleitsektoren".

Inwieweit sich allerdings tatsächlich die Produktionsweisen und damit die Standortanforderungen zwischen Neuleitsektoren und Altleitsektoren tatsächlich unterscheiden bzw. bei den Permanentleitsektoren konstant bleiben, kann per se nicht gesagt werden. Die Anwendung neuer Technologien, der Einsatz anderer Beschäftigungsqualifikationen oder die Veränderung des Infrastrukturbedarfs läßt sich aus den Entwicklungsverläufen des Beschäftigungsniveaus nicht ableiten. Einiges spricht zwar dafür, daß zwischen den Leitsektoren erhebliche Unterschiede bezüglich solcher Merkmale bestehen, nachweisen lassen sie sich allerdings nur am aktuellen Rand und nicht über einen so langen Zeitraum, wie er hier betrachtet wird. Insofern können nicht unmittelbar Veränderungen der Standortanforderungen analysiert, sondern lediglich ein entsprechendes Phäno-

II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren

199

men beobachtet werden. Dabei geht es um die Frage, ob mit dem Aufstieg neuer Leitsektoren auch bestimmte Regionen ihre Position verbessern konnten bzw. umgekehrt mit dem Niedergang alter Leitsektoren bestimmte Regionen an Bedeutung verloren. Die Analyse eines solchen Phänomens und damit die Zuordnung der einzelnen Leitsektoren zu den genannten drei Entwicklungstypen erfolgt nicht einheitlich für den Gesamtzeitraum von 1895 bis 1987. Aufgrund der einschneidenden Veränderung des Wirtschaftsraumes durch die deutsche Teilung nach 1945 sprach eher vieles dafür, die Einflüsse der einzelnen Leitsektorentypen auf die großräumigen Entwicklungsmuster getrennt für die Zeit vor und nach dem zweiten Weltkrieg vorzunehmen. Daher wurden die Sektoren den drei Entwicklungstypen entsprechend ihren Entwicklungsverläufen 1895 bis 1939 bzw. 1939 bis 1987 zugeordnet. Darüber hinaus beschränkt sich die Analyse für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg auf die drei Regionen Westdeutschlands. Eine gesonderte Analyse der Zusammenhänge zwischen sektoraler und regionaler Entwicklung in Ostdeutschland schloß sich aufgrund der beschränkten Datenbasis von vornherein aus. Es hätten jeweils nur zwei Regionen für zwei Beobachtungszeiträume betrachtet werden können. Aus den genannten Typisierungsmerkmalen ergibt sich anband der Verläufe der Beschäftigungsentwicklung für den Zeitraum 1895 bis 1939 folgende Zuordnung der Sektoren (vgl. Tabelle C/2): Neuleitsektoren: Chemieindustrie, Elektrotechnik, Fahrzeugbau Permanentleitsektoren: Eisen- und Stahlerzeugung, Maschinenbau Altleitsektoren: Textilindustrie, Kohlenbergbau

Für die Entwicklung auf dem Gebiet der Bundesrepublik (ohne Berlin-West) zwischen 1939 und 1987leitet sich folgende Zuordnung ab (vgl. Tabelle C/5): Neuleitsektoren: Fahrzeugbau, Kunststoffindustrie, Büromaschinen!EDV Permanentleitsektoren: Maschinenbau, Chemieindustrie, Elektrotechnik Altleitsektoren: Textilindustrie, Kohlenbergbau, Eisen- und Stahlerzeugung

2. Zusammensetzung der Wachstumsbeiträge Die Bestimmung des Einflusses der Leitsektoren insgesamt auf die Gesamtbeschäftigung in den Regionen erfolgte anband des Indikators relativer Wachstumsbeitrag. Dieser gibt an, um wieviel Prozent bezogen auf die Gesamtbeschäftigung über alle Sektoren im Ausgangsjahr die Beschäftigung in einem

200

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Sektor sich verändert. Der große Vorteil dieses Indikators gegenüber der traditionellen Wachstumsrate liegt dabei in der Berücksichtigung des Gewichts, das die Beschäftigungsveränderung in einem Sektor für die Gesamtentwicklung besitzt. Eine weitere Eigenschaft des Indikators relativer Wachstumsbeitrag ist, daß er additiv verknüpfbar ist. Addiert man zum Wachstumsbeitrag eines Sektors den Wachstumsbeitrag eines anderen Sektors hinzu, erhält man den Wachstumsbeitrag, den beide Sektoren gemeinsam erzielten. Diese Eigenschaft soll hier für die Interpretation des Einflusses der drei Leitsektorentypen auf die Höhe des Wachstumsbeitrages der Leitsektoren insgesamt genutzt werden. Das heißt, es wird die Zusammensetzung des Wachstumsbeitrages der Leitsektoren insgesamt differenziert nach den drei Leitsektorentypen betrachtet.

Kerngebiet des Deutschen Reiches 1895 bis 1939 In Tabelle E/1 sind die Wachstumsbeiträge der drei Leitsektorentypen sowie der Leitsektoren insgesamt für den Zeitraum 1895 bis 1939 ausgewiesen. Betrachtet man zunächst die Zusammensetzung des Wachstumsbeitrages der Leitsektoren, im Gesamtzeitraum über alle Regionen, ergibt sich folgendes Bild: Den höchsten Beitrag leistet die Gruppe Neuleitsektoren. Ähnlich hoch liegt der Wachstumsimpuls bei den Permanentleitsektoren. Deutlich niedriger, aber dennoch insgesamt positiv, ist auch der Wachstumsbeitrag des Types Altleitsektoren. Diese Rangfolge gilt jedoch nicht für alle 5 Regionen im Deutschen Reich. Lediglich bei den Regionen Mitte-Ost, Nord-West und Süd-West ist eine ähnliche Abstufung des Wachstumsbeitrages der einzelnen Leitsektorentypen festzustellen wie in der Gesamtwirtschaft. Bei den Regionen Mitte-West und Nord-Ost sind dagegen erhebliche Abweichungen festzustellen. So stützt sich der hohe Wachstumsbeitrag der im Gesamtzeitraum 1895 bis 1939 erfolgreichsten Region Mitte-West am stärksten auf Zuwächse bei den Permanentleitsektoren z.B. im Bereich Eisen und Stahl. Und sogar die Altleitsektoren wie der Kohlenbergbau tragen in der Region Mitte-West noch mehr zum positiven Gesamtergebnis bei als die Neuleitsektoren. Umgekehrt sieht das Bild bei der zweiterfolgreichsten Region Nord-Ost aus. Hier dominierten die Zuwächse bei den Neuleitsektoren wie der Elektrotechnik. Der Wachsturnsbeitrag der Permanentleitsektoren liegt um fast zwei Drittel niedriger, und die Altleitsektoren reduzieren mit ihrem negativen Wert sogar das Gesamtergebnis. Aufgrund der spezifischen sektoralen Entwicklungen der Regionen MitteWest und Nord-Ost im Industrialisierungsprozeß zwischen 1895 und 1939 ergeben sich für die einzelnen Leitsektorentypen andere regionale Wachstumshierarchien als bei der Summe der Leitsektoren. Besonders deutlich wird dies bei den Alt- und Neuleitsektoren. So nimmt die insgesamt erfolgreichste Region Mitte-

II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren

201

Tabelle Eil Wachstumsbeiträge der Leitsektorentypen in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches 1895-190711907-1925 11925-1939

1895-1939

Wachstumsbeitrag"> Neuleitsektoren

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

2,3 2,7 2,4 6,6 1,9

Insgesamt

1,4 6,7 4,0 4,4

6,5 0,4 4,9 6,5 4,6

7,3 13,9 8,1

2,9

5,4

3,8

7,9

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

3,6 5,8 3,2 2,1 3,4

4,7 6,8 2,8 4,1 4,1

-0,2 2,8 1,0 1,3 2,1

4,4 9,0 3,8 4,4 6,4

Insgesamt

3,9

4,8

1,7

6,1

-0,2 8,0 1,6 0,2 4,7

1,0 5,8 3,6 0,3 4,1

-0,3 -1,3 0,1 -I, 1 -2,7

0,2 5,6 2,9 -0,7 2,7

3,8

3,6

-1,2

2,8

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost

5,7 16,4 7,3 8,9 10,0

7,1 19,4 10,4 13,9 12,6

5,9

1,5 6,1 6,8 4,0

12,1 20,1 14,0 17,7 17,2

Insgesamt

10,6

13,8

4,3

16,9

9,5

7,4

5,5

Permanentleitsektoren

Altleitsektoren

Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

Alle Leitsektoren

a) Absolute Vertnderung des Bereichs in vH der Gesamtbescblftigung der Region im Ausgangsjahr. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und ArbeitsstAttenzAhlung; Eigene Schltzungen und Berechnungen.

202

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

West bei den Neuleitsektoren den letzten Platz ein, während die Region NordWest mit den insgesamt schwächsten Wachstumsimpulsen hier relativ günstig abschneidet. Bei den Altleitsektoren hingegen erreicht neben der Region MitteWest die Region Süd-West einen vorderen Rangplatz, obwohl sie insgesamt einen deutlich unterdurchschnittlichen Wachstumsbeitrag der Leitsektoren erzielt. Eine Ausnahme im Sinne ähnlicher Positionen bei allen Leitsektorentypen stellt die Region Mitte-Ost dar. Sie erreicht in allen drei Sektortypen die gleiche Stellung in der regionalen Wachstumshierarchie.

In der Betrachtung des Gesamtzeitraumes 1895 bis 1939 kommen selbstverständlich nicht die im Zeitverlauf zu erwartenden Veränderungen der Einflüsse der Leitsektoren zum Ausdruck. So ist der Beitrag der Neuleitsektoren im Vergleich zu den anderen beiden Typen in der ersten Periode 1895 bis 1907 im Durchschnitt der Regionen noch am geringsten. Erst in der letzten Periode zwischen 1925 und 1939 kommt den Neuleitsektoren der dominierende Einfluß auf den Wachstumsbeitrag aller Leitsektoren zu. Umgekehrt müssen die Altleitsektoren erst in dieser Periode im Durchschnitt der Regionen Beschäftigungseinbußen hinnehmen und mindern damit den positiven Wachstumsbeitrag der Leitsektoren insgesamt. In den beiden Vorperioden dagegen liegen die Wachstumsbeiträge der Altleitsektoren -über alle Regionen gerechnet- ähnlich hoch wie bei den anderen Leitsektorentypen. Die Betrachtung der Einzelperiode macht auch die regionalen Verschiebungen transparenter. So können in den ersten beiden Perioden von 1895 bis 1907 bzw. 1907 bis 1925 vor allem die beiden Regionen Mitte-West und Mitte-Ost von der Wachstumsdynamik der Altleitsektoren profitieren. Vor dem ersten Weltkrieg sind die Wachstumsbeiträge hier in beiden Regionen deutlich höher als bei den Neuleitsektoren. Die beiden Regionen liegen aber auch bei den Neuleitsektoren im regionalen Vergleich recht gut. Übertroffen werden sie im wesentlichen nur von der Region Nord-Ost. Diese kann, ohne von der Entwicklung der Altleitsektoren zu profitieren, durch die besondere Dynamik bei den Neuleitsektoren ähnlich hohe Wachstumsimpulse in der Summe der Leitsektoren erzielen wie die Regionen Mitte-West und Mitte-Ost. Auch der in der Folgeperiode zwischen 1925 und 1939 einsetzende Umbruch in den regionalen Wachstumshierarchien weist darauf hin, daß die Gründe für Auf- und Abstieg in jeder Region woanders liegen könnten. So sind die starken Wachstumsanstöße in der Region Nord-West ausschließlich auf die Verbesserung bei den Neuleitsektoren zurückzuführen. In den anderen beiden Leitsektorentypen ist der Wachstumsbeitrag negativ. Bei den Permanentleitsektoren verliert die Region im Vergleich zu den Vorperioden sogar ihre günstige Stellung in der regionalen Wachstumshierarchie. Der Aufstieg der Region Süd-West zwischen 1925 und 1939 basiert dagegen auf einer Verbesserung der regionalen Position bei allen drei Leitsektorentypen. Als einzige Region gelingt es ihr sogar im gesamtwirtschaftlichen Schrumpfungsprozeß der Altleitsektoren noch einen positiven Wachsturnsbeitrag aus diesem Bereich zu ziehen. Quasi unbeeindruckt

II. Bedeutung "alter" und "neuer" Leitsektoren

203

von den sektoralen Umbrüchen ändert sich das Wachstumsmuster der Region Nord-Ost praktisch nicht. Der Wachstumsvorsprung beruht weiterhin ausschließlich auf dem hohen Beitrag der Neuleitsektoren. Ebenso unterschiedlich erscheinen die Zusammenhänge, die zwischen 1925 und 1939 zum Abstieg der beiden Regionen Mitte-Ost und Mitte-West in der Wachstumshierarchie geführt haben. Der überdurchschnittliche Rückgang der Wachstumsimpulse der Leitsektoren insgesamt in der Region Mitte-Ost steht eindeutig im Zusammenhang mit dem einsetzenden Schrumpfungsprozeß bei den Altleitsektoren. Der Wachstwnsbeitrag aus diesem Bereich ist stark negativ. Betrachtet man nur die Gruppen Neu- und Permanentleitsektoren, hätte die Region Mitte-Ost knapp hinter der Region Nord-Ost zwischen 1925 und 1939 sogar aus den Leitsektoren den zweithöchsten Wachstumsimpuls erzielen können. Der Abstieg der Region Mitte-West dagegen läßt sich nicht direkt mit den Schrumpfungsprozessen bei den Altleitsektoren erklären. Der negative Wachstumsbeitrag bleibt zwischen 1925 und 1939 gering. Die Gründe liegen auch nicht bei den Permanentleitsektoren. In diesem Bereich erzielt die Region weiterhin die höchsten Wachstwnsbeiträge. Das Abrutschen auf den letzten Platz der regionalen Wachstumshierarchie steht entscheidend mit der Entwicklung bei den Neuleitsektoren in Zusammenhang. Anders als in den Vorperioden kann die Region Mitte-West nicht mehr von den Wachstumsimpulsen in diesem Bereich profitieren. Während alle anderen Regionen starke Zuwächse realisieren, bleibt die Beschäftigung hier gegenüber 1925 praktisch konstant. Die Ursachen für die großräumigen Verschiebungen wirtschaftlicher Aktivitäten im Deutschen Reich zwischen 1895 und 1939 scheinen insgesamt gesehen keinem einheitlichen Muster zu folgen. Das die eine Region vom Aufstieg neuer Leitsektoren profitiert bzw. die andere durch den Niedergang alter Leitsektoren belastet wird, ist sicherlich ein wesentlicher Grund für die regionalen Verschiebungen im Industrialisierungsprozeß. Dieser Zusammenhang scheint aber nur eine Facette eines komplexeren Erklärungsmusters zu sein.

Frühere Bundesrepublik 1939 bis 1987 Die Frage, ob bestimmte Typen von gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in besonderer Weise die großräumigen Veränderungen regionaler Strukturen bestimmt haben, soll auch für die Periode 1939 bis 1987 auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik (ohne Berlin-West) analysiert werden. Zu beachten ist hierbei allerdings, daß die Leitsektorentypen zwar nach den gleichen Kriterien wie für das Deutsche Reich abgegrenzt sind, sie aber andere Sektoren umfassen. So wird der Sektor Eisen- und Stahlerzeugung nicht mehr der Gruppe Permanentleitsektoren, sondern der Gruppe Altleitsektoren zugeordnet, da Mitte der sechziger Jahre auch hier Schrumpfungstendenzen einsetzen. Ebenfalls eine Umgruppierung ergibt sich bei den Sektoren Elektrotechnik und Chemieindu-

204

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

strie. Beide Sektoren gehören 1939 bereits zu den großen und bedeutenden Industriezweigen. Entsprechend werden sie für die Periode 1939 bis 1987 nicht mehr zu den Neuleitsektoren, sondern zu den Permanentleitsektoren gezählt. Hinzutreten dafür bei der Gruppe der Neuleitsektoren die im Deutschen Reich noch völlig unbedeutenden Sektoren Kunststoffmdustrie und Büromaschinen/EDV. Der Beobachtungszeitraum der zweiten Gesamtperiode beginnt mit der Ausgangsstellung der drei Westregionen im Deutschen Reich 1939. Er endet 1987, also noch deutlich vor der Wiedervereinigung Deutschlands mit ihren spezifischen wirtschaftlichen Auswirkungen (Tabelle E/2). Tabelle F./2 Wachstumsbeiträge der Leitsektorentypen in den Regionen der frßheren Bundesrepublik

1939-195~1950-196111961-197011970-1987 1939-1987 Wachstumsbeitrag"> Neuleitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt Permanentleitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt Altleitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt Alle Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Insgesamt

-0,9 0,7 0,3

4,5 2,1 3,2

2,2 1,4 2,6

-0,8 1,3 2,7

4,0 4,5 6,4

0,3

2,9

1,9

1,3

5,1

-0,6 -0,3 1,4

6,4 9,3 12,6

0,8 1,4 3,4

-1,5 -1,8 -0,2

3,4 6,0 10,3

0,2

9,8

1,9

-1,2

7,1

0,1 0,4 2,0

0,0 -0,1 0,3

-0,8 -4,1 -1,3

-1,2 -4,1 -2,7

-2,0 -8,0 -2,3

0,8

0,0

-2,5

-3,0

-4,8

-1,4 0,8 3,6

10,9 11,3 16,1

2,2 -1,3 4,7

-3,5 -4,7 -0,2

5,4 2,5 14,4

1,2

12,8

1,3

-2,9

7,4

a) Absolute VerAndenutg des Bereichs in vH der Gesamtbescbaftigung der Region im Ausgangsjahr. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und ArbeitsstJittenzäblung; Eigene S Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Env•>

0,75 0,09 0,45 0,21 0,47 0,62 0,27

0,80 0,07 0,45 0,15 0,29 0,58 0,33

0,80 0,29 0,50 0,15 0,07 0,53 0,37

0,79 0,24 0,52 0,16 0,23 0,49 0,38

Produzierendes Gewerbe

0,10

0,10

O,ll

0,08

Absolute Beschäftigungsveränderung in 1000 Personen Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Env•> Produzierendes Gewerbe

186 69 135 193 72 103 133

206 208 210 370 147 296 231

-79 52 80 2ll 381 214 -122

2421

2901

1601

Relative Beschäftigungsveränderung in vH Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Env•> Produzierendes Gewerbe

80,2 54,3 61,6 89,4 112,5 302,9 10,7

49,3 106,1 59,3 90,5 108,1 216,1 16,8

-12,7 12,9 14,2 27,1 134,6 49,4 -7,6

38,9

33,5

13,9

a) Bereinigter Gini-Koeffizient auf der Basis des regionalen Besc:haftigtenbesatzes je Einwohner,· b) FOr die Bundesrepublik ohne Gießereien und Ziebereien,• c:) 1939 nur Zweig des Maschinenbaus: Erstellung von BOromasc:hinen. Quellen: Jeweilige Gewerlle·, ArbeitsstAtteo- und Volkszahlung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

215

Einen genau entgegengesetzten Verlauf nimmt die räumliche Konzentration im Wachstumsprozeß der Textilindustrie und des Bereichs Eisen und Stahl. Die räumlic~ Konzentration nimmt hier gerade in Phasen hoher absoluter Beschäftigungsgewinne deutlich zu. In der Textilindustrie ist zudem mit dem Einsetzen von Schrumpfungsprozessen in der Periode 1925 bis 1939 keine wesentliche Veränderung der räumlichen Konzentration des Sektors erkennbar. Dies gilt auch für den Kohlenbergbau, bei dem sogar eine leichte Dekonzentration mit dem Rückgang der Beschäftigung einsetzt. Noch uneinheitlicher sind die Entwicklungsprozesse in der Chemie und im Fahrzeugbau. In der chemischen Industrie geht mit dem Wachstum der Beschäftigung zwischen 1895 und 1907 zunächst ein räumlicher Diffusionsprozeß einher. In der Periode mit dem stärksten absoluten Beschäftigungswachstum zwischen 1907 und 1925 steigt dann die regionale Konzentration sehr stark an. Aber schon in der folgenden Periode nimmt sie bei weiteren Beschäftigungsgewinnen wieder ab. Im Fahrzeugbau sind die Sprünge in der regionalen Konzentration noch ausgeprägter. Hier nimmt zunächst die regionale Konzentration stark ab. 1925 besteht fast eine räumliche Gleichverteilung in diesem Sektor. Zwischen 1925 und 1939 steigt sie sodann aber wieder sehr kräftig an. Auch auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik entsprechen die tatsächlichen räumlichen Diffusions- und Konzentrationsprozesse der Leitsektoren zwischen den drei Großregionen kaum dem aus theoretischer Sicht der Lebenszyklusthese erwarteten Verlauf (vgl. Tabelle E/4). In das räumliche Entwicklungsschema der Lebenszyklusthese passen allein die Veränderungen in der Kunststoffmdustrie und dem Maschinenbau. In der Kunststoffmdustrie kommt es zu einer räumlichen Diffusion im Wachstumsprozeß. Allerdings ist dies nicht eine kontinuierliche Entwicklung. Nur im Vergleich der Zeitpunkte 1950 zu 1939 nimmt die regionale Konzentration hier stark ab. Im Maschinenbau ist zu beobachten, daß jeweils in Phase negativer Beschäftigungsentwicklung die räumliche Konzentration deutlich steigt. Dies war in den Perioden zwischen 1939 und 1950 sowie zwischen 1970 und 1987 der Fall. Bei hohen absoluten Zuwächsen hingegen veränderte sich die räumliche Konzentration dieses Leitsektors nicht. In den meisten anderen Leitsektoren verändert sich dagegen das regionale Konzentrationsniveau nur wenig, obwohl die Wachstumsdynamik stark schwankt. In der chemischen Industrie beispielsweise bleiben die Wachstumsschübe zwischen 1950 und 1970 fast ohne Auswirkung auf das regionale Konzentrationsniveau. Und auch 1987 ist die räumliche Konzentration genauso hoch wie 1970, obwohl die Chemie in dieser Periode deutliche Einbußen hinnehmen mußte. Der Leitsektor Fahrzeugbau wiederum zeigt wie schon zwischen 1895 und 1939 starke Schwankungen in der räumlichen Konzentration. Eine räumliche Diffusion fmdet dabei zwischen 1939 und 1950 bei fast unveränderter Beschäftigungszahl ebenso statt wie in der Periode zwischen 1970 und 1987, in der die

216

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung Tabelle E/4 Konzentration einzelner Leitsektoren auf die Regionen der frOheren Bundesrepublik 1939

I

1950

1 1961 1 1970 1 1987

Regionaler Konzentrationsgrad•>

Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Eov•>

0,90 0,23 0,79 0,06 0,37 0,24 0,27 0,45 0,14

0,93 0,30 0,77 0,19 0,17 0,26 0,30 0,19

0,94 0,34 0,75 0,19 0,26 0,29 0,32 0,24

0,93 0,34 0,71 0,19 0,25 0,30 0,37 0,20 0,20

0,98 0,34 0,68 0,26 0,17 0,31 0,35 0,17 0,48

Produzierendes Gewerbe

0,08

0,14

0,08

0,09

0,14

-

-

Absolute Beschäftigungsveränderung in 1000 Personen Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und StahJbl Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Eov•> Produzierendes Gewerbe

133 7 -145 -23 8 43 ll2 22

-124 232 159

688

-

326 527 -29 74

-245 82 -30 92 219 195 -222 83

-142 -130 166 -61 -389 103

3335

39

-2130

595

-

-

-89

-55

5

Relative Beschäftigungsveränderung in vH Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, Eov•> Produzierendes Gewerbe

27,7 2,5 -41,7 -4,0 2,0 15,4 13,3 220,0

-20,2 82,0 78,3 107,8 80,3 163,2 -3,0 231,3

-50,0 15,9 -8,3 8,0 29,9 22,9 -24,0 78,3

-36,3 -9,2 -42,8 -10,5 17,5 -5,8 -55,3 54,5 5,8

8,2

36,8

0,3

-17,1

-

-

-

a) Bereinigter Gini-Koeffizient auf der Basis des regionalen Besc:baftigtenbesatzes je Einwohner,- b) FOr die Bundesrepublik ohne Gießereien und Ziehereien,- c) 1939 nur Erstellungvon BOromaschinen. Quellen: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstlltten- und Volkszlhlung; Eigene SchalZUngen und Berechnungen.

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

217

Beschäftigtenzahl kräftig ansteigt. Umgekehrt nimmt der räumliche Konzentrationsgrad in der Wachstumsphase zwischen 1950 und 1961 spürbar zu. Hinweise für eine vom Entwicklungstyp abhängige Veränderung der räumlichen Konzentration ergeben sich damit weder für die Entwicklung im Deutschen Reich zwischen 1895 und 1939 noch für die Zeit danach in der früheren Bundesrepublik. In Wachstumsphasen neuer Leitsektoren treten sowohl räumliche Diffusions- als auch regionale Konzentrationsprozesse auf. Gleiches gilt für die Schrumpfungsphasen von Altleitsektoren. Sicherlich reicht zu einer Bewertung der räumlichen Dimension der sektoralen Lebenszyklusthese die Beobachtung der regionalen Konzentrationsänderung in Deutschland nicht aus. Zum einen ist selbst ein Beobachtungszeitraum von knapp 100 Jahren zu knapp, um vor dem Hintergrund des Industriezeitalters umfassend die Lebenszyklen von Sektoren einzufangen. Zum anderen sind räumliche Diffusions- und Konzentrationsprozesse im Sinne der Lebenszyklusthese nicht in einem nationalen, sondern in einem globalen Zusammenhang zu sehen. Gerade die regionale Kernthese zum Lebenszyklus von Produkten bzw. Sektoren, daß reife Sektoren hohe Diffusionstendenzen haben, bezieht sich auf Veränderungen in der internationalen Arbeitsteilung 14 • Nichts desto weniger bleibt festzuhalten, daß für die Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren innerhalb eines Landes wie Deutschland systematische Einflüsse aus den Überlegungen der Lebenszyklusthese nicht abzuleiten sind. Vielmehr weisen die quantitativen Ergebnisse zur großräumigen Diffusion oder Konzentration darauf hin, daß nicht der Entwicklungs- oder Wachstumstyp eines Sektors, sondern seine spezifischen Standortanforderungen die Standortbindung bestimmen. Weit größer als die Veränderungen von Periode zu Periode innerhalb eines Sektors sind die regionalen Unterschiede im Konzentrationsniveau zwischen den Sektoren. Die zeitlichen Schwankungen des Konzentrationsgrades einzelner Leitsektoren bewegen sich häufig in bestimmten, nebeneinander stehenden Korridoren. So liegen die Werte für den bereinigten GiniKoefflzienten - beim Kohlenbergbau zwischen 0,75 und 0,98, - bei der Textilindustrie zwischen 0,27 und 0,38 und - beim Maschinenbau zwischen 0,15 und 0,26.

Das durchschnittliche Konzentrationsniveau eines Leitsektors scheint dabei auch nicht von seinem Alter abzuhängen. So erreicht die Elektrotechnik als neuer Leitsektor im Deutschen Reich einen durchschnittlichen bereinigten GiniKoefflzienten von 0,56, während im gleichen Zeitraum die Textilindustrie einen 14 Vgl. Vernon, S. 190 ff. , Giersch (1979), S. 25 ff., sowie zur Begrenztheit des Modells Tayler, S. 751 ff.

218

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Wert von 0,39 erzielt. Umgekehrt liegt der durchschnittliche räumliche Konzentrationsgrad der Kunststoffmdustrie in der früheren Bundesrepublik bei G* = 0,26 deutlich niedriger als bei dem alten Leitsektor Eisen und Stahl mit G* = 0,74.

2. Umbrüche in den regionalen Hierarchien Die Einschätzung, ob ein Leitsektor eine hohe oder geringe Standortbindung aufweist, ändert sich somit im Zeitverlauf kaum. Die meisten Sektoren besitzen über die. betrachteten Zeiträume hinweg entweder hohe regionale Konzentrationsniveaus, die auf eine hohe Standortbindung hinweisen, oder geringe regionale Konzentrationsniveaus, die auf eine relative Standortfreiheit hinweisen. Die Einschätzung der Standortbindung bzw. Standortfreiheit von Leitsektoren kann sich allerdings nicht allein auf das regionale Konzentrationsniveau stützen. Eine hohe Standortbindung drückt sich nicht nur darin aus, daß ein Sektor sich auf wenige Regionen konzentriert, sondern auch, daß diese immer die gleichen Regionen sind. Wechseln beispielsweise die Regionen mit dem höchsten und geringsten Beschäftigtenbesatz in einem Sektor die Plätze, bliebe die regionale Konzentration gemessen im Gini-Koefftzienten konstant, obwohl sich die regionale Zuordnung des Sektors gravierend verändert hätte. Zur Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren sind daher neben dem generellen Konzentrationsniveau auch Bewertungen der Konstanz der regionalen Zuordnung zu berücksichtigen. Einen ersten Eindruck hiervon geben die Veränderungen der regionalen Hierarchien, gemessen in den Rangplätzen der jeweiligen Region beim Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner. Im Deutschen Reich zwischen 1895 und 1939 sind Veränderungen der regionalen Hierarchien bei den Leitsektoren häufig zu beobachten (Übersicht E/2). Besonders stark fällt die Wechselhäufigkeit beim Fahrzeugbau auf, der auch starke Schwankungen im regionalen Konzentrationsgrad aufweist. Alle Regionen wechseln hier mehrfach ihren Rangplatz. Aber auch im Maschinenbau, bei dem der regionale Konzentrationsgrad zwischen 1907 und 1939 praktisch konstant bleibt, unterscheiden sich die regionalen Hierarchien der einzelnen erhobenen Stichjahre deutlich. Kaum Hierarchiewechsel weisen dagegen die Sektoren Kohlenbergbau, Eisen und Stahl und Textil auf. Hier kommt es jeweils nur in einer Periode zu einer Veränderung der Rangplätze der Regionen. Allerdings fällt bei den Veränderungen der regionalen Hierarchien zwischen 1895 und 1939 auf, daß nur in Ausnahmefällen Wechsel in den Führungsregionen der jeweiligen Leitsektoren stattfmden. In den meisten Leitsektoren ist es immer die gleiche Region, die den höchsten Beschäftigtenbesatz je Einwohner ausweist. Im Kohlenbergbau und dem Bereich Eisen und Stahl ist es die Region Mitte-West. In der Textilindustrie und dem Maschinenbau ist es die Region

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

219

Übersicht FJ2 Hierarchien der Bedeutung einzelner Leitsektoren in den Regionen•) des Kerngebietes des Deutschen Reiches

Kohlenbergbau

Rangplatzbl

1895

1907

1 2 3 4

MW MO NO NW

MW MO NO NW

MW MW MO MO NO=::>- der früheren Bundesrepublik

~~J~ Kohlenbergbau

Chemieindustrie

1939

1 1950

1 1961

I

1970

1 1987

1 2 3

MW---MW--MW--MW--MW NW--NW--v--SW--SW--SW SW - - - SW ----""-NW --NW --NW

1

MW- -MW--MW--- -MW - - -MW

2 3

NW~SW---SW----SW--SW

SW ____,1'\,_._NW---NW ----NW--NW

Eisen und Staht•>

1 2 3

MW--MW--MW----MW---MW NW--NW--NW----NW--NW SW-- SW-- SW ----SW - - SW

Maschinenbau

1 2 3

MW SW--SW- - - SW - -SW sw=>CMW--MW----MW--MW NW--NW----NW---NW--NW

Fahrzeugbau

1 2 3

NW--NW--NW---NW~~SW

SW----SW---- SW - - - - SW____,1'\,_._NW MW--MW--MW----MW--MW

Elektrotechnik

1 2 3

SW-- SW---- SW--- SW- - SW MW-- MW----MW----MW--MW NW--NW----NW---NW--NW

1

SW-- SW---SW--- SW--SW MW--MW--MW---MW--MW NW--NW--NW--NW--NW

Textilindustrie

2

3 Kunststoffindustrie

1

2 3

Büromaschinen,EDVdl

1

2

3

SW- - SW- - SW - - - - SW --SW MW--MW--MW----MW-- MW NW--NW--NW----NW--NW NW ~~-----SW----SW MW --------~'-------MW--MW SW NW--NW

a) NW =Nord-West, MW =Mitte-West, SW = SOd-West.-

b) Auf der Basis des Beschlftigtenbesatzes je

Einwohner.- c) Fllr die Bundesrepublik obne Gießereien und Ziehereien.- d) 1939 nur Erstellung von Bllromaschinen. 19SO und 196llagen keine statistischen Angaben vor.

222

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

können, ist als Maß für die Intensität der Anteilsverschiebungen ihre Varianz berechnet worden (Tabelle E/5). Tabelle E/5 Varianzen der Anteilsverschiebungen einzelner Leitsektoren zwischen den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

Deutsches Reich

1895-1907 11907-1925 11925-19391 Varianzen•> Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahl Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie

14 I I

4 61 3 2

I 57 27 6 76 5 2

2 34 1 8 73 4 2

Bundesrepublik

1939-1950 11950-1961 11961-1970 11970-1987 Varianzen•> Kohlenbergbau Chemieindustrie Eisen und Stahlb) Maschinenbau Fahrzeugbau Elektrotechnik Textilindustrie Kunststoffindustrie Büromaschinen, EDV

I I

3 16 36 11 6 59

-

0 9 0

0 4 2

2 4 2

I

I

l3

3

2 5 6 4

32

l3

3 5

-

-

I

6 3 183

a) Berechnet aus der Summe der Veranderungen der Beschaftigtenanteile zwischen den Regionen,b) Für die Bundesrepublik ohne Gießereien und Ziehereien. Quellen: Jeweilige Geweihe- und Arbeitsstättenzablung; Eigene Schätzungen und Berechnungen.

Für die Entwicklung im Deutschen Reich ergeben sich durch eine Betrachtung der Anteilsverschiebungen Relativierungen der Einschätzung regionaler Umbrüche im Vergleich zur Beobachtung der Rangplatzveränderungen der Regionen. Vor allem im Maschinenbau und der Elektrotechnik stehen hinter den häufigen Rangplatzwechseln nur sehr geringe Anteilsverschiebungen zwischen

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

223

den Regionen. Dafür sind offenbar die regionalen Konzentrationsprozesse im Kohlenbergbau und Eisen- und Stahlbereich mit erheblichen Umbrüchen in den Regionalstrukturen zwischen 1895 und 1907 bzw. 1907 und 1925 verbunden, ohne daß dies zu Rangplatzänderungen führte. Tatsächlich auch mit starken Anteilsverschiebungen der Regionen verbunden sind dagegen die regionalen Hierarchiewechsel im Fahrzeugbau und der Chemieindustrie. Die Varianz der Anteilsverschiebungen liegt hier um ein Vielfaches höher als in den anderen Branchen. Bemerkenswert ist dabei, daß es sich in diesen Fällen zumeist um gravierende Anteilsverschiebungen zwischen zwei Regionen handelt. In der Chemieindustrie kann zwischen 1907 und 1925 die Region Mitte-West vor allem der Region Süd-West Anteile abnehmen. In der Folgeperiode gewinnt dann die Region Mitte-Ost Anteile in der Chemie zulasten der Region Mitte-West. Beim Fahrzeugbau profitieren von den Anteilsverlusten der Region Nord-West von 1895 bis 1925 in erster Linie die Regionen Nord-Ost bzw. Mitte-Ost. In der Periode 1925 bis 1939 legt dann die Region Nord-West auf Kosten der Region Mitte-West zu. Durcli die Hinzuziehung der Anteilsverschiebungen wird vor allem aber die Einschätzung der Häufigkeit von Umbrüchen in den regionalen Strukturen von Leitsektoren in der früheren Bundesrepublik besser eingefangen. Dabei bestätigt sich zunächst die Einschätzung sehr konstanter regionaler Verteilungsmuster für die Bereiche Kohlenbergbau, Eisen und Stahl und Textil zwischen 1939 und 1987. Bei der Chemie und der Elektrotechnik dagegen sind trotz der stabilen Rangordnung vor allem in der Periode 1950 bis 1961 stärkere Anteilsverschiebungen festzustellen. Hohe Anteilsverschiebungen zeigen sich auch in den beiden Branchen mit Wechsel in der führenden Region Fahrzeugbau und Maschinenbau. Hohe Varianzen der Anteilsverschiebungen sind dabei allerdings nicht nur in den Perioden mit Führungswechsel zu erkennen. Im Maschinenbau kommt es nach dem Rangwechsel 1939 bis 1950 nochmals zu einem Umbruch der Regionalvertei" lung zwischen 1970 und 1987. Im Fahrzeugbau geht dem Führungswechsel zwischen 1970 und 1987 umgekehrt zwischen 1939 und 1950 eine deutliche Anteilsverschiebung voraus. Übertroffen wird die Intensität der Anteilsveränderungen im Maschinen- und Fahrzeugbau nur von der Kunststoffmdustrie zwischen 1939 und 1950 sowie dem Bereich EDV/Büromaschinen zwischen 1970 und 1987. Eine generell niedrigere Häufigkeit von Umbrüchen in der regionalen Zuordnung bzw. Verteilung von Leitsektoren in der früheren Bundesrepublik läßt sich somit im Vergleich zur Entwicklung im Deutschen Reich nicht unmittelbar ableiten. Anders als bei der Betrachtung des regionalen Konzentrationsniveaus scheinen aber sowohl im Deutschen Reich als auch in der früheren Bundesrepublik eher Verbindungen zum Entwicklungstyp der jeweiligen Leitsektoren zu bestehen. Tendenziell nimmt mit dem Alter der Leitsektoren die Häufigkeit spürbarer

224

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

regionaler Anteilsverschiebungen ab. Vor allem bei den Altleitsektoren Textil, Kohlenbergbau und später auch der Eisen- und Stahlindustrie sind keine bedeutenden Wechsel in den regionalen Hierarchien zu beobachten. In Neuleitsektoren dagegen Wie der Chemie, dem Fahrzeugbau, der Kunststoffmdustrie oder dem Bereich EDV/Büromaschinen sind starke Schwankungen in der regionalen Verteilung zu beobachten. Auf der anderen Seite geben die Analysen aber auch Hinweise darauf, daß wie bei den Unterschieden in der regionalen Konzentration auch bei den Differenzen in der Häufigkeit regionaler Umbrüche die Ursachen in den spezifischen Eigenheiten bzw. regionalen Anforderungen der einzelnen Leitsektoren zu suchen sind. Das heißt, daß die geringen Anteilsverschiebungen z.B. in der Textilindustrie oder die starken Positionswechsel im Fahrzeugbau nicht primär durch ihr Alter, sondern durch ihre andere Art von Standortansprüchen bestimmt sind. In diese Richtung weist beispielsweise, daß im Neuleitsektor Fahrzeugbau quasi über den gesamten Beobachtungszeitraum von 1895 bis 1987 deutliche regionale Verschiebungen stattfmden, während in der Kunststoffmdustrie schon sehr rasch nach seiner Einführung der Umfang regionaler Wechsel verringert und die Varianz der Anteilsverschiebungen sogar unter das Niveau der Textilindustrie abfällt. Ebenfalls gegen eine starke Abhängigkeit der Häufigkeit regionaler Umbrüche vom Alter des jeweiligen Sektors spricht die Entwicklung in der Elektrotechnik und dem Maschinenbau. In beiden Sektoren liegt die Varianz der Anteilsverschiebungen nach 1945 in der Bundesrepublik höher als vor 1945 im Deutschen Reich.

3. Ein Klassifizierungsansatz Die Analysen sowohl zur Entwicklung der regionalen Konzentration von Leitsektoren als auch die Auswertung der Häufigkeit von Umbrüchen in den regionalen Strukturen sprechen dafür, daß Alter und Wachstumsdynamik nicht primär die Höhe regionaler Konzentration und Häufigkeit regionaler Umbrüche bestimmen. Die Standortbindung von Leitsektoren hängt vielmehr von den sektorspezifischen Eigenheiten, die die Art der Standortanforderungen beeinflussen, ab. Eine dieser sektorspezifischen Eigenheiten, die die Einschätzung der Standortbindung beeinflussen können, liegt in der Abgrenzung der Leitsektoren selbst. Bei der Erfassung und Zuordnung zu Wirtschaftszweigen wird zwar versucht, ähnliche Produktionen und Produkte zusammenzufassen, dennoch bleibt eine erhebliche Heterogenität der einzelnen Produktionsprozesse und Güter innerhalb der Sektoren. Da die statistischen Erfassungs- und Zuordnungsprobleme wiederum in den Bereichen unterschiedlich sind, ist der Grad der Heterogenität zwischen den Leitsektoren unterschiedlich. Je einheitlicher nun ein Sektor abge-

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

225

grenzt ist, umso homogener dürften auch die Standortanforderungen sein, was für eine höhere Standortbindung spricht. Umgekehrt dürften in einem heterogenen Sektor auch unterschiedliche Standortanforderungen und damit eine geringe Standortbindung anzutreffen sein. Ein Leitsektor, bei dem die Vermutung nahe liegt, daß die starken Änderungen im regionalen Konzentrationsniveau und die Häufigkeit regionaler Umbrüche durch seine Heterogenität bestimmt sind, ist der Fahrzeugbau. In diesem Sektor ist die Produktion von Transportmitteln zusammengefaßt, die teilweise mit sehr unterschiedlichen Produktionsprozessen und -verfahren erstellt werden. Hierzu zählt - der Schiflbau - der Waggonbau - der Straßenfahrzeugbau - und der Luftfahrzeugbau.

Um zu überprüfen, ob die Heterogenität des Leitsektors Fahrzeugbau wesentlich auf die Einschätzung zur Standortbindung wirkt, sind für die vier Subsektoren die Indikatoren für die regionale Konzentration (bereinigter GiniKoefflzient) und für die Häufigkeit regionaler Umbrüche (Varianz der Anteilsverschiebungen) nochmals getrennt berechnet worden. Überwiegend ergibt sich allerdings dabei ein ähnliches Bild, wie auf der Ebene des Gesamtsektors. Dies gilt vor allem für die Intensität der Anteilsverschiebungen. In allen vier Sektoren sind sowohl im Kerngebiet des Deutschen Reiches als auch in der früheren Bundesrepublik starke Veränderungen in den regionalen Strukturen zu beobachten (Übersicht E/4). Beim regionalen Konzentrationsniveau und den regionalen Hierarchien dagegen zeigen sich auch Unterschiede. Mit Abstand das höchste regionale Konzentrationsniveau besitzt der Schiffbau. Der bereinigte Gini-Koefflzient erreicht hier mit Werten von über 0,9 einen ähnlich hohen Konzentrationsgrad wie der Kohlenbergbau. Die Führungsposition im Schiffbau besitzt eindeutig in allen Perioden von 1895 bis 1987 die Region Nord-West. Ebenfalls ein hohes regionales Konzentrationsniveau besitzt der Luftfahrzeugbau. Der bereinigte GiniKoeffizient liegt zu allen beobachteten Zeitpunkten knapp unter oder über 0,5. Anders als im Schiffbau kommt es allerdings zu häufigen Wechseln in der regionalen Führungsposition. 1925 konzentriert sich der Luftfahrzeugbau auf die Region Mitte-Ost, gefolgt von der Region Süd-West. 1939 übernimmt die Region Nord-Ost die Führungsrolle. Innerhalb der Gebiete der früheren Bundesrepublik besitzt zunächst die Region Nord-West die höchsten Beschäftigtenanteile je Einwohner. In der Periode 1970 bis 1987 verliert sie ihre Führungsposition an die Region Süd-West.

Im Straßenfahrzeugbau und im Waggonbau liegen die regionalen Konzentrationswerte im Durchschnitt deutlich niedriger. Nur in Ausnahmefällen werden t5 Gomia

226

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung Übersicht E/4 Indikatoren der Standortbindung der Subsektoren des Fahrzeugbaus für die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik Deutsches Reich 1895

Straßenfahrzeugbau Regionaler Konzentrationsgrad•> Varianz der Anteilsverschiebungb) Führungsregion•> Luftfahrzeugbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion Schißbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion Waggonbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion

-

d)

1 1907 1 1925 1 1939 1 0,24

0,15 8

0,19 36

0,57

-

0,46 270

0,88 3

0,67 135

0,89 165

0,13

0,14 14

0,35 110

0,27 27

MW

NO

MW

MW

0,88

NW

-

NO

-

NO

MO

NW

NW

sw

NO

NW

Bundesrepublik 1939 1 1950 1 1961 1 1970 Straßenfahrzeugbau Regionaler Konzentrationsgrad•> Varianz der Anteilsverschiebungb> Führungsregion•> Luftfahrzeugbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion Schißbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion Waggonbau Regionaler Konzentrationsgrad Varianz der Anteilsverschiebung Führungsregion

0,17 0

0,13 2

0,17 15

0,52

-

0,43 28

0,47 46

0,88 32

0,93 20

0,96 2

0,93 3

0,42

0,13 219

0,43 409

0,17 630

0,32 144

MW

MW

MW

NW

NW

0,26

sw 0,55

NW 0,95

NW

0,17 20

1 1987

sw

NW

sw

NW

NW

NW

NW

NW

a) Bereinigter Gini-Koeffizient auf der Basis des regionalen Besc:haftigtenbesatzcs je Einwohner,b) Berechnet aus der Summe der Veranderungen der Beschaftigtenantcile zwischen den Regionen.c) Auf der Basis des Besc:haftigtenbesatz.es je Einwohner, NW =Nord-West, MW =Mitte-West, SW =Sild-West, NO= Nord-Ost, MO= Mitte-Ost,- d) " - " keine Angaben.

sw

sw

NW

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

227

Konzentrationsniveaus von G* > 0,3 gemessen. Die Führungspositionen sind in beiden Sektoren nicht fest zugeordnet. Im Straßenfahrzeugbau vor 1945 wechseln sich die Regionen Süd-West und Nord-Ost in der Führungsrolle ab. Nach 1945 im früheren Bundesgebiet kommt diese Position überwiegend der Region Süd-West zu. 1970 allerdings besitzt die Region Nord-West den leicht höheren Beschäftigtenbesatz je 1 000 Einwohner im Straßenfahrzeugbau. Zwischen 1895 und 1961 besaß beim Waggonbau die Region Mitte-West fast durchgängig die Führungsposition. Lediglich 1907 mußte sie diese kurzzeitig an die Region Nord-Ost abgeben. Seit 1970 besitzt die Region Nord-West die Führungsposition in diesem Subsektor. Gerade aufgrund der besonderen Situation im Schiffbau erscheint es angebracht, die Unterschied.lichkeit der Subsektoren im Fahrzeugbau bei einer Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren zu berücksichtigen und entsprechend die einzelnen Subsektoren des Fahrzeugbaus getrennt zu betrachten. Das grundsätzliche Problem der Heterogenität von Sektoren läßt sich jedoch auch nicht durch eine derartige feinere sektorale Differenzierung beseitigen. Denn auch innerhalb solcher Subsektoren lassen sich weitere strukturelle Abgrenzungen von Güterbereichen denken: Im Schiffbau z.B. zwischen Übersee- und Binnenschiffen oder im Straßenfahrzeugbau z.B. zwischen Personen- und Lastkraftwagen. Und auch in anderen Sektoren wie beispielsweise der Elektrotechnik oder dem Maschinenbau sind unterschiedliche Produktgruppen zusammengefaßt. So könnte man dort beispielsweise zwischen Bereichen wie der Nachrichtentechnik und der Haushaltselektronik oder dem Bau von Werkzeug-, Textilund Druckmaschinen etc. unterscheiden. Neben dem Problem, daß statistische Informationen über die regionale Produktionsverteilung auf der Ebene von einzelnen Gütern nicht verfügbar sind, stellt sich auch die Frage, ob zur Bewertung der Standortbindung überhaupt homogene Güter als Analyseebene notwendig sind. Im regionalen Bezug entscheidend für die Standortbindung der Produktion ist, ob hierfür bestimmte Faktoren notwendig sind, die nur in einer oder wenigen Regionen oder in allen Regionen zu bestimmten Konditionen zur Verfügung stehen. Solange zwei Güter ähnliche Produktionsweisen besitzen, dürften in einer Region entweder beide Güter oder keines von beiden produziert werden. Erst wenn die Unterschiede in den Produktionsweisen größer werden, kommt es auch zu einer regionalen Differenzierung bei der Produktion der beiden Güter. Die übliche sektorale Abgrenzung wird dieser Unterscheidung tendenziell gerecht. In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfen sich die Produktionsweisen innerhalb eines Sektors weniger als zwischen den Sektoren unterscheiden. Die pauschale Bewertung und Zuordnung hoher oder geringer Standortbindung für einen Leitsektor erscheint daher zwar im Einzelfall nicht unproblematisch, um jedoch generelle Unterschiede in den räumlichen Auswirkungen des sektoralen Strukturwandels herauszuarbeiten, dürfte ein solcher Ansatz durchaus vertretbar sein.

228

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Für eine Bewertung der relativen StandortbindWlg von Leitsektoren Wld einer entsprechenden KlassiftzierWlg stehen hier drei Indikatoren zur Verfiigm1g: - das Niveau regionaler Konzentration (bereinigter Gini-Koeffizient) - die Konstanz von regionalen Hierarchien (regionale Rangplatzänderung) - die Richtung und Intensität von regionalen Umbrüchen (regionale Anteilsverschiebungen).

Das regionale Konzentrationsniveau ist insoweit ein wichtiger Indikator der relativen StandortbindWlg, als es angibt, ob überhaupt ein Leitsektor regionale Präferenzen entwickelt. Je höher das regionale Konzentrationsniveau ist, je stärker bestehen offensichtlich solche regionale Präferenzen. Eine größere Zahl von Leitsektoren erreicht dabei durchschnittlich regionale Konzentrationsgrade von G* = 0,3 bis G* = 0,4. Auch die Werte für die einzelnen Stichjahre verlassen diesen SchwankWlgsbereich kaum. Sie werden zur Gruppe "mittleres Konzentrationsniveau" zusanunengefaßt. Diejenigen Sektoren, die im Durchschnitt und in den Einzelwerten höhere Konzentrationsgrade aufweisen, sind in der Gruppe "hohes Konzentrationsniveau" erfaßt. Leitsektoren mit einem durchschnittlichen Konzentrationsgrad von G* < 0,3 werden als Gruppe mit "geringem Konzentrationsniveau" bezeichnet. StandortbindWlg bedeutet aber auch, ob die Präferenzen der Leitsektoren für bestimmte Regionen stabil bleiben oder sich ändern. Ausdruck einer sehr starken ÄnderWlg solcher Präferenzen ist sicherlich der Wechsel der jeweiligen FührWlgsregion. Entsprechend wird bei der dynamischen BetrachtWlg der StandortbindWlg zunächst danach unterschieden, ob ein solcher Wechsel stattfindet oder nicht. In den Fällen, in denen die FührWlgsregion unverändert bleibt, können dennoch Umbrüche in den regionalen Strukturen zu verzeichnen sein. In der Gruppe mit gleichbleibender FührWlgsregion wurde daher nochmals danach differenziert, ob die festgestellten Anteilsverschiebungen eher zu einer Stärkung (Konzentration) oder eher zu einer Schwächung (Diffusion) des regionalen Zentrums führten. Aus den Indikatoren läßt sich somit ein zweidimensionales Bewertungsschema entwickeln, bei dem statische Elemente in Form des regionalen Konzentrationsniveaus und dynamische Aspekte in Form der VeränderWlg von regionalen Hierarchien und Beschäftigm1gsanteilen verbWlden werden. In der Übersicht E/5 sind die einzelnen Leitsektoren unter Einschluß der Subsektoren des Fahrzeugbaus entsprechend ihrer Werte den einzelnen Matrixfeldern zugeordnet. Die höchste Standortbindung kann dabei eindeutig den Sektoren im ersten Matrixfeld zugerechnet werden (Feld 1/A). Hier sind diejenigen Sektoren erfaßt, die zum einen ein sehr hohes durchschnittliches Konzentrationsniveau besitzen und zum anderen iinmer auf die gleiche FührWlgsregion ausgerichtet sind, welche zudem ihre Position im Zeitablauf halten bzw. noch ausbauen kann. Leitsektoren mit einem solchen regionalen EntwicklWlgsmuster sind der Kohlenbergbau im Deutschen Reich und der früheren Bundesrepublik, der Schiffbau in

229

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

Übersicht F./5 Klassifizierung der Leitsektoren nach ihrer Standortbindung für das Kerngebiet des Deutschen Reiches (DR) und für die frühere Bundesrepublik (BR) Räumliche Entwicklungsmuster

Räumliches Konzentra-

ohne Führungswechsel

mit Führungswechsel

tionsniveau

Hoch

A

Konzentration

Dekonzentration

I

II

III

Kohlenbergbau (DR)

Elektrotechnik (DR)

Luftfahrzeugbau (DR)

Kohlenbergbau (BR)

Eisen und Stahl (BR)

Luftfahrzeugbau (BR)

Chemieindustrie (BR)

Waggonbau (DR)

Eisen und Stahl (DR) Schiffbau (DR) Schiffbau (BR) Textilindustrie (DR)

Mittel

B

Textilindustrie (BR)

Waggonbau (BR)

Elektrotechnik (BR) BUromaschinen/EDV (BR)

Gering

c

Maschinenbau (DR)

Maschinenbau (BR)

Kunststoffindustrie (BR

Chemieindustrie (DR) Straßenfahrzeugbau (DR) Straßenfahrzeugbau (BR)

beiden Zeitabschnitten sowie der Bereich Eisen und Stahl im Deutschen Reich. Diese Wirtschaftszweige werden als "Standortfixe Leitsektoren" bezeichnet. Sehr starke regionale Präferenzen können aber auch Leitsektoren in anderen Matrixfeldern zugeordnet werden. Dies gilt zum einen für diejenigen Sektoren, bei denen zwar eine regionale Diffusion verbunden mit Anteilsverlusten der Führungsregion festzustellen ist, jedoch die räumliche Konzentration auf das stabile regionale Zentrum weiterhin hoch bleibt (Feld 11/A). Hierzu zählen die

230

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Elektrotechnik im Deutschen Reich und die Eisen- und Stahlindustrie in der früheren Bundesrepublik. Nicht minder hoch dürfte die Standortbindung zum anderen bei Sektoren sein, in denen die regionale Konzentration auf die Führungsregion zunimmt, die regionale Konzentration aber nur mittleres Niveau erreicht (Feld 1/B). Leitsektoren mit einem solchen regionalen Entwicklungsmuster sind die Textilindustrie im Deutschen Reich und in der früheren Bundesrepublik sowie die Elektrotechnik nach 1945. Hinzuzuzählen wäre hier auch der Bereich Büromaschinen/EDV. Allerdings stehen für diesen Bereich nur Beobachtungen aus zwei Stichjahren (1970, 1987) zur Verfügung. In beiden Fällen (Felder II/A und 1/B) kann von einem jeweiligen festen regionalem Muster gesprochen werden. Die genannten Wirtschaftszweige werden als "Standortstabile Leitsektoren" bezeichnet. Für die Sektoren in den anderen Feldern der Matrix dürfte dagegen kaum von einer festen Standortbindung gesprochen werden können. Am stärksten gilt dies für die Leitsektoren des letzten Matrixfeldes (Feld III/C). Im Maschinenbau der früheren Bundesrepublik, der Chemie im Deutschen Reich und im Straßenfahrzeugbau beider Zeitabschnitte zeigt sich keine feste regionale Zuordnung. Das durchschnittliche regionale Konzentrationsniveau ist gering und die regionale Führungsposition wechselt. Aber auch in den Fällen (Felder III/A und III/B), in denen offensichtlich ausgedrückt durch das hohe Konzentrationsniveau starke regionale Präferenzen der Sektoren bestehen, ist dann die regionale Bindung gering einzuschätzen, wenn sich diese Präferenzen ständig von der einen auf die andere Region verlagern. Beispiele hierfür sind der Luftfahrzeug- und Waggonbau. Ebenso dürften kaum regionale Bindungen vorliegen, wenn wie beim Maschinenbau im Deutschen Reich und in der Kun,ststoffmdustrie das regionale Konzentrationsniveau sehr gering ist und zudem die vermeintliche Führungsregion noch an relativer Bedeutung verliert (Feld 11/C). Entsprechend werden alle genannten Wirtschaftszweige hier der Gruppe "Standortvariable Leitsektoren" zugeordnet. Eine solche KlassifiZierung nach der Standortbindung in - standortfixe, - standortstabile und - standortvariable

Leitsektoren besitzt allein noch keinen ErklärungsgehalL So stellt sich hier zunächst die Frage, welche Faktoren die regionale Bindung von standortfixen und standortstabilen Leitsektoren hervorrufen. Daß diese Faktoren mehr in den Unterschieden der Sektoren selbst zu suchen sind als in der Art des Entwicklungsstadiums der Leitsektoren, ist bereits betont worden. Auch in den Abweichungen der beiden Systematisierungen kommt dies zum Ausdruck. Nur in der Gruppe standortfixe Leitsektoren gibt es eine weitgehenden Übereinstimmung zum Entwicklungstyp Altleitsektoren. Der Kohlenbergbau, die Eisen- und Stahlindustrie im Deutschen Reich und auch der Schiffbau zählen jeweils zu den Sektoren, in

III. Einschätzung der Standortbindung von Leitsektoren

231

denen Schrwnpfungsprozesse während der beiden Zeitabschnitte von 1985 bis 1939 und 1939 bis 1987 einsetzen. In der Gruppe standortstabiler Leitsektoren sind dagegen sowohl Alt- und Permanentleitsektoren als auch Neuleitsektoren vertreten. Bei den standortvariablen Leitsektoren werden Permanent- und Neuleitsektoren erfaßt. Bei der Frage, welches nun die sektorspezifischen Faktoren sein könnten, die die Standortbindung begründen, fällt die Antwort in der ersten Gruppe der standortfixen Leitsektoren relativ leicht. In allen drei Sektoren stellen die vorherrschenden Produktionstechniken ganz spezifische Anforderungen an die naturräumlichen Gegebenheiten15 • Beim Kohlenbergbau und der Eisen- und Stahlindustrie ist es die Nähe zu Rohstofflagem, beim Schiffbau die Lage am Wasser, die dominant die Standorte der Wirtschaftszweige bestimmen. Welche Regionen sich dann ganz konkret durchsetzen, hängt im wesentlichen von den physikalischen, produktions- und transporttechnischen Bedingungen ab. Bei der zweiten Gruppe standortstabiler Leitsektoren fällt die Begründung der ebenfalls hohen Standortbindung deutlich schwerer. Bestimmte naturräumliche Anforderungen, denen nur wenige Regionen gerecht werden können, stellen die Textilindustrie und die Elektrotechnik offensichtlich nicht. Und auch für die Eisen- und Stahlindustrie dürfte die räumliche Nähe zu Kohlelagerstätten nach dem 2. Weltkrieg angesichts produktions- und transporttechnischer Veränderungen nicht mehr allein ausschlaggebend sein. Ein Erklärungsansatz für die hohe Standortbindung dieser Leitsektoren könnte allerdings in ihrem regionalen Verteilungsmuster selbst liegen. Markant für die Textilindustrie, die Elektrotechnik und die Eisen- und Stahlindustrie in der früheren Bundesrepublik ist die Konzentration auf ein regionales Zentrum. Damit verbunden ist, daß sie in der jeweiligen Führungsregion die regionale Wirtschaftsstruktur dominieren. Entsprechend dürften sie auch die regionalen Ressourcen geprägt haben. Stärker als in anderen Regionen sind vor allem Arbeitsmarkt und Infrastruktur auf die Bedürfnisse des jeweilig dominierenden Leitsektors zugeschnitten. Welcher Ausbildungszweig gewählt, welche Art von Verkehrswegen ausgebaut, welche lokalen Forschungsschwerpunkte ausgebildet wurden und vieles mehr ist in Berlin die durch Elektrotechnik, im Ruhrgebiet durch die Eisen- und Stahlindustrie und im südlichen Sachsen durch das Textilgewerbe bestimmt worden. Entscheidend für die regionale Bindung der standortstabilen Leitsektoren sind demnach auch ganz bestimmte sektorspezifische Anforderungen an die Region. Anders als bei den standortfixen Leitsektoren können diese aber nicht per se nur von bestimmten Regionen erfüllt werden. Prinzipiell könnten im großräumigen Vergleich in allen Regionen entsprechende Strukturen aufgebaut werden. In Re15

Vgl. Salin, S. 92 ff. , Kunz (1986), S. 288 ff.

232

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

gionen allerdings, in denen diese Leitsektoren weniger bedeutend sind, besteht dann auch weniger Anlaß dazu. Wenn jedoch erst einmal solche regionalen Ressourcen in einer Region aufgebaut worden sind, bleibt der Leitsektor an diese weitgehend gebunden. Für eine solche Einschätzung spricht auch, daß sich nach der deutschen Teilung 1945 in der Bundesrepublik im Textil- und Elektrobereich jeweils die bis dahin führende Westregion als Sektorales Zentrum etablierte. Bei der Textilindustrie übernahm nach 1945 die Region Süd-West von der Region Mitte-Ost die Führungsrolle. Bei der Elektrotechnik ging die Führungsposition von der Region Nord-Ost ebenfalls auf die Region Süd-West über. Offen bleibt, warum sich überhaupt ein regionales Zentrum bei den standoftstabilen Leitsektoren herausgebildet hat. Nur bei der Eisen- und Stahlindustrie könnte dies relativ leicht aus der ehemaligen Rohstoffbindung abgeleitet werden. Bei der Frage jedoch, warum sich Sachsen zum deutschen Textilzentrum und Berlin zum Zentrum der deutschen Elektrotechnik entwickelt haben, liegen solche einfachen Erklärungsmuster nicht vor. Auch aus dem hier aufbereiteten Datenmaterial können keine weiteren Erklärungshinweise gewonnen werden, da bereits zu Beginn des Beobachtungszeitraums 1895 in der Textilindustrie die Region Mitte-Ost und in der Elektrotechnik die Region Nord-Ost als Führungszentren etabliert waren. In der wirtschaftshistorischen Literatur lassen sich ebenfalls nur wenige Spekulationen zur räumlichen industriellen Schwerpunktsetzung außerhalb des Montanbereichs in Deutschland für das 19. Jahrhundert fmden. Für Sachsen als Standort der Textilindustrie in Deutschland sprach danach vor allem die handwerklichen Traditionen, die mit entsprechenden Qualifikationen verbunden waren, eine vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte in Kombination mit einem geringen Lohnniveau und die räumliche Nähe zu traditionellen Handelsstädten16 . Für Berlin als deutsches Zentrum der Elektrotechnik könnte zunächst ebenfalls das hohe Arbeitskräftepotential der umliegenden ländlichen Regionen gesprochen haben. Hinzu dürfte das hohe wissenschaftliche Potential der Universitäten17 sowie die enge Verbindung der Elektrotechnik mit dem in der Hauptstadt stark expandierenden Verkehrsbereich18 getreten sein. Für die Elektrotechnik und die Textilindustrie stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Faktoren dazu geführt haben, daß die spätere Führungsregion innerhalb der alten Bundesrepublik Süd-West vor dem 2. Weltkrieg in beiden Sektoren besser lag als die beiden anderen westlichen Regionen. In der Elektrotechnik bestand dabei der Vorsprung, gemessen im Beschäftigtenbesatz je 1 000

s.

16 Vgl. Fischer (1972), S. 470 ff. 17 Siehe zur Hochschulausstattung Blotevogel, insbesondere S. 148, sowie Ribbe, 321. 18 Siehe dazu Thienel-Saage, S. 315 ff.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

233

Einwohner, zu den Regionen Mitte-West und Nord-West bereits zu Beginn des Beobachtungszeitraumes 1895. Bis 1907 konnte die Region Süd-West seine Position noch verbessern und lag schon zu diesem Zeitpunkt hinter der Region Nord-Ost auf dem zweiten Rangplatz. Die Textilindustrie war zum Ende des 19. Jahrhunderts noch stärker in der Region Mitte-West als in der Region SüdWest vertreten. Aber schon 1907 holte die Region Süd-West auf und war 1925 an der Region Mitte-West auf den zweiten Rangplatz vorbeigezogen. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts war damit die Position der Region Süd-West als zweitstärkste Region in der Elektrotechnik und Textilindustrie gefestigt. Ein Grund dafür, daß sich in beiden Sektoren die Region Süd-West besser entwickelte, lag möglicherweise auch darin, daß sich hier eine geringe Konkurrenz mit anderen Leitsektoren um die regionalen Ressourcen ergab. Während zu dieser Zeit in der Regionen Nord-West und Mitte-West die Expansion der standortfixen Sektoren Schiffbau bzw. Eisen- und Stahlindustrie erhebliche regionale Ressourcen verschlang, dürfte eine Orientierung der regionalen Ressourcen in der Region Süd-West auf die Bedürfnisse der Elektrotechnik und der Textilindustrie unter Umständen leichter gefallen sein. Mit den Überlegungen zur Etablierung regionaler Zentren bei standortstabilen Leitsektoren geht es allerdings schon nicht mehr allein um die Frage nach den Gründen für die Standortbindung von Leitsektoren, sondern um die Erklärung von Verschiebungen in den regionalen Strukturen der einzelnen Leitsektoren. Anhaltspunkte für Faktoren, die zu Umbrüchen in der regionalen Verteilung der Sektoren führen, dürften sich in Verbindung mit den Erklärungsansätzen des gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandels ergeben. Vor allem die Gegenüberstellung der Entwicklungen in standortvariablen Leitsektoren mit innovationsorientierten Erklärungsansätzen des Umbruchs sektoraler Strukturen könnte hier interessant sein. Entsprechend stellt dieser Punkt einen wesentlichen Aspekt bei dem folgenden Versuch einer Verbindung der regionalen Entwicklungen mit gesamtw~rtschaftlichen sektoralen Erklärungsansätzen dar.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen Die Analysen sowohl zur Bedeutung "neuer" und "alter" Leitsektoren als auch zur Standortbindung einzelner Leitsektoren weisen darauf hin, daß die Ursachen regionaler Strukturverschiebungen nicht in den Änderungen der generellen Präfederung des einen oder anderen Standortes liegen. Vielmehr zeigen die Analysen eine starke Verbindung zwischen regionaler Entwicklung und Veränderung der Zusammensetzung der Leitsektoren. Entsprechend muß die Frage nach einer aktiven oder passiven Rolle der Regionen in Verbindung mit der Entwicklung der einzelnen Leitsektoren gesehen werden. Es bietet sich daher an, Hypothesen für die Erklärung der regionalen Strukturveränderungen im Zusammenhang mit den verschiedenen gesamtwirtschaftlichen Erklärungsansätzen

234

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

des sektoralen Strukturwandels und differenziert nach der unterschiedlichen Standortbindung von Leitsektoren zu betrachten. Verbindungen bei standortftxen und -stabilen Leitsektoren Ein relativ klares und einfaches Erklärungsmuster ergibt sich aus der Kombination standortfixer und standortstabiler Leitsektoren mit Entwicklungsimpulsen, wie sie vor allem in den Stufen- und Sektortheorien des gesamträumlichen Strukturwandels beschrieben werden. Die regionalen Impulse sind dabei fast ausschließlich durch den gesamtwirtschaftlichen Bedarf nach Gütern der einzelnen Sektoren bestimmt. Der gesamtwirtschaftliche Güterbedarf wiederum ist durch die Höhe und Struktur - der inländischen Nachfrage - der gesamtwirtschaftlichen Exporte sowie - der gesamtwirtschaftlichen Importe

und ihrer Determinanten bestimmt. Ist die Produktion des Leitsektors A an die Region I und die des Leitsektors B an die Region II gebunden, kommt es quasi automatisch bei einem sektoralen Strukturwandel auch zu regionalen Verschiebungen. Steigt beispielsweise der gesamtwirtschaftliche Bedarf an Gütern des Sektors A gegenüber den Gütern des Sektors B an, so nimmt auch die Produktionsleistung der Region I im Vergleich zu der Region II zu. In welchem Ausmaß der sektorale Strukturwandel von Sektor A nach Sektor B regional differenziert auf die Impulse der Leitsektoren insgesamt wirkt, hängt dabei von der Höhe der Sektorverschiebungen und vom Grad der Standortbindung beider Sektoren ab. Die Regionen besitzen hierbei eine weitgehend passive Rolle. Zwar ist die Ressourcenausstattung der Regionen entscheidend für die Standortbindung der Leitsektoren, die relative Position der Regionen bezogen auf einen Leitsektor jedoch ändert sich nicht oder kaum. Es bleibt zu fragen, wie bedeutend ein solches Erklärungsmuster für die Veränderung der regionalen Strukturen in Deutschland ist. Für die Einschätzung, inwieweit Bedarfsveränderungen in standortfixen und -stabilen Sektoren unmittelbar auch regionale Verschiebungen bestimmt haben, kommt es auf die Bedeutung der Bedarfsveränderung in diesen Leitsektoren zu allen Leitsektoren an. Als quantitativen Anhaltspunkt hierfür kann man den Anteil der Beschäftigungsveränderungen in den standortfixen und -stabilen Leitsektoren an der aller Leitsektoren heranziehen. Er ist ein Indikator dafür, in welchem Ausmaß die Beschäftigungszunahme oder -abnahme in den einzelnen Sektoren einer LeitSektorengruppe dem Betrage nach Einfluß auf die Entwicklungsimpulse der Leitsektoren insgesamt in der jeweiligen Periode genommen hat. Betrachtet man die Anteile der standortfixen und -stabilen Leitsektoren an der Beschäftigungsänderung, sind offensichtlich die Bedarfsänderungen bei solchen

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

235

Sektoren auch von wesentlicher Bedeutung für regionale Verschiebungen (Tabelle E/6). Fast in allen Perioden entfallen mehr als die Hälfte der betragsmäßigen Beschäftigungsänderungen aller Leitsektoren auf standortfixe und -stabile Leitsektoren. Besonders stark werden die Beschäftigungsveränderungen der Leitsektoren jeweils zu Beginn der beiden Beobachtungszeiträume durch solche Leitsektoren geprägt. Zwischen 1895 und 1907 sowie zwischen 1939 und 1950 liegen die Anteile deutlich über 60 vH. Einen spürbar geringen Einfluß zeigen die Anteile an der Beschäftigungsänderung aller Leitsektoren mit Werten unter 50 vH nur für die Perioden 1925 bis 1939 und 1950 bis 1961 an. Die hohen Anteile der Beschäftigungsveränderung von standortfixen und -stabilen· Leitsektoren sprechen dafür, die theoretischen Überlegungen zu gesamtwirtschaftlichen sektoralen Bedarfsverlagerungen, wie sie vor allem in den Stufen- und Sektortheorien formuliert sind, auch unmittelbar für die Erklärung regionaler Entwicklungsprozesse heranzuziehen. Eindeutig erscheint die Ableitung regionaler Wachstumshierarchien aus den Entwicklungsunterschieden bei den Leitsektoren für die Entwicklung in den Perioden 1895 bis 1925. Besonders hohe gesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse gingen hier von der nachholenden Industrialisierung Deutschlands im Montanbereich aus. Daneben war der sektorale Strukturwandel geprägt vom Aufstieg der Elektrotechnik. Entsprechend diesen sektoralen Veränderungen in der Gesamtwirtschaft übernehmen auch die jeweiligen Sektorzentren Mitte-West und Nord-Ost die Führungsposition in der regionalen Wachstumshierarchie. Die unmittelbare Verbindung des Aufstiegs dieser beiden Regionen mit dem Wachstumsprozeß der Montanindustrien bzw. der Elektrotechnik wird dabei auch deutlich, wenn man die Anteile dieser Sektoren an der Beschäftigungsänderung aller Leitsektoren in diesen beiden Regionen betrachtet. Auf den Kohlenbergbau und die Eisen- und Stahlindustrie entfallen in der Region Mitte-West zwischen 1895 und 1907 gut 60 vH und zwischen 1907 und 1925 rund 50 vH der Beschäftigungsänderung. In der Region Nord-Ost werden ähnliche Anteile an der Beschäftigungsänderung von der Elektrotechnik erreicht. In der folgenden Periode 1925 bis 1939 verwischen sich allerdings auch auf regionaler Ebene die dominanten Einflüsse einzelner standortfixer und -stabiler Leitsektoren. So bestimmen die einsetzenden Schrumpfungsprozesse beim Kohlenbergbau und der Textilindustrie die Beschäftigungsänderungen der Leitsektoren in den jeweiligen Führungsregionen nicht entscheidend. Der Anteil des Kohlenbergbaus in der Region Mitte-West und der Textilindustrie in der Region Nord-Ost liegt in dieser Periode bei nur rund 20 vH. Bedeutender sind dabei schon die hohen Nachfragezuwächse im Schiffbau im Zuge der Aufrüstung für die Region Nord-West. Mit rund 30 vH aller Beschäftigungsänderungen der Leitsektoren in dieser Region bleibt aber die Bedeutung deutlich geringer als die der Montanindustrie und der Elektrotechnik für ihre Führungsregionen in den Vorperioden.

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

236

Tabelle E/6 WachstumsbeitrAge und Anteile an der Beschlftigungslnderung von Leitsektoren unterschiedlicher Standortbindung in den Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

1895/ 1907/ 1925/ 1939/ )11950/ 111961/ 1970/ 1925 1907 1939 1950 1961 1970 1987 Anteile an der Beschäftigungsänderung•> Standortfixe und -stabile Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Standortvariable Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

56,5

37,7 75,1 52,4 57,0 61,5

37,5 63,4 53,1 61,5 47,9

51,9 28,2 51,7 40,8

63,7

54,9

62,3 24,9 47,6 43,0 38,5 36,3

41,7 77,1 53,9

46,3 44,6 40,3

49,7 68,4 52,5

61,2 60,3

47,0

66,8

43,0

60,6

58,6

62,5 36,6 46,9 38,5 52,1

43,5 48,1 71 ,8 48,3 59,2

58,3 22,9 46,1

53,7

55,4

59,7

50,3 31,6 47,5

38,8 39,7 45,0

45,1

53,0

33,2

57,0

39,4

41,4

55,0

Wachstumsbeitragbl Standortfixe und -stabile Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Standortvariable Leitsektoren Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

3,6

-0,7

6,1

1,5 12,3 5,3 9,0 6,1

1,4 2,6 -1,4

0,5

2,7

4,4 2,6 6,6

-0,3 -3,4 1,2

-2,7 -4,4 -2,7

6,7

7,7

0,9

0,9

4,2

-1,3

-3,5

3,9 4, 1 3,5 3,9 3,8

5,7 7,1 5,2 4,9 6,5

2,3 1,4 4,7 4,2 5,4

-0,7 0,3 0,9

6,5

8,7

9,5

2,4 2,1 3,5

-0,8 -0,3 2,5

3,9

6,1

3,4

0,3

8,5

2,6

0,6

1,8 12,3 3,8

5,0

0,5

a) Anteil der jeweiligen Leitsektorengruppe an der betragsmaßigen Beschäftigungslinderung aller Leitsektoren in der jeweiligen Region,- b) Absolute Veranderung des Bereichs in vH der Gesamtbeschäftigung der Region im Ausgangsjahr. Quellen: Jeweilige Gewerbe- und AtbeitsstAttenzllhlungen; Eigene SchAlzungen und Berecbnungen.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

237

Bedarfsveränderungen bei solchen standortgebundenen Leitsektoren gewinnen jedoch wieder an Bedeutung, wenn es um die Erklärung der regionalen Verschiebungen zwischen den drei Westregionen 1950 im Vergleich zur Vorkriegszeit geht. Die Verbesserung der Position der Region Süd-West dürfte dabei vor allem durch Zuwächse aus der Übernahme der Leitfunktion in den Sektoren Textilindustrie und Elektrotechnik von den Regionen Mitte-Ost und Nord-Ost sein. Versorgten diese Regionen vor dem zweiten Weltkrieg auch die westlichen Regionen mit solchen Gütern, so entfiel diese Möglichkeit nach 1945. Der entsprechende Bedarf fiel nun als zusätzlicher Entwicklungsimpuls in der Region mit der höchsten Ausrichtung innerhalb der drei Westregionen an. So lassen sich gut 50 vH der Beschäftigungsänderung in der Region Süd-West zwischen 1939 und 1950 auf die Textil- und Elektrotechnik zurückführen.

In der Region Mitte-West wirkten sich zu dieser Zeit dagegen vor allem Entwicklungsimpulse des Kohlenbergbaus positiv aus. Aufgrund der beschränkten Außenhandelsmöglichkeiten stand im Prinzip die Kohle des Ruhrgebiets als einziger Energieträger zur Deckung des zunehmenden Bedarfs zur Verfügung. Daß sich dies nicht auch insgesamt positiver auf die Entwicklungsposition der Region Mitte-West auswirkte, dürfte vor allem auf die Entwicklung in der Eisen- und Stahlindustrie zurückzuführen sein. 1950 war im Vergleich zur Vorkriegszeit mit seinem hohen Eisen- und Stahlbedarf der Rüstungsindustrien der Wiederaufbau dieser Industrien erst am Anfang. Fast in gleicher Intensität, wie der Mehrbedarf an Kohle zu positiven Beschäftigungsänderungen führte, nahm im Vergleich zu 1939 die Beschäftigung im Eisen- und Stahlbereich der Region MitteWest ab. In der' Folgeperiode 1950 bis 1961 gingen von den standortfixen und -stabilen Leitsektoren kaum größere Impulse auf die Veränderung der Beschäftigung in allen Leitsektoren aus. Nur in der Elektrotechnik kam es in allen Regionen zu bedeutenden Beschäftigungszuwächsen. In der Region Süd-West machten sie fast 40 vH der Beschäftigungsänderung der Leitsektoren aus und dürften damit den Wachstumsvorsprung dieser Region wesentlich gestützt haben. Ansonsten aber könnten gerade die relativ geringen Bewegungen der sektoralen Verschiebungen innerhalb der standortgebundenen Leitsektoren mit ctazu beigetragen haben, daß es in den fünfziger Jahren zu einer vergleichsweise homogenen Entwicklung der Großregionen innerhalb der Bundesrepublik gekommen ist. Erst wieder in den sechziger Jahren und in der Periode 1970 bis 1987 kommt es innerhalb der Bundesrepublik wieder zu stärkeren Verschiebungen in den großräumigen Regionalstrukturen. Gesamtwirtschaftliche Bedarfsveränderungen bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren dürften hier zumindest teilweise dazu beigetragen haben. So steht der Rückschlag der Region Mitte-West in der regionalen Wachstumshierarchie zwischen 1961 und 1970 auch in unmittelbarer Verbindung mit der Ablösung der Kohle durch das Erdöl als primärer Energieträger. Über 35 vH der Beschäftigungsänderungen aller Leitsektoren in der Re-

238

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

gion Mitte-West zwischen 1961 und 1970 sind durch den Beschäftigungseinbruch im Kohlenbergbau bestimmt. Eine hohe Bedeutung von Schrumpfungsprozessen von Leitsektoren in den Regionen ist auch zwischen 1970 und 1987 festzustellen. Wiederum in der Region Mitte-West entsprechen die SchrumpfuDgen im Kohlenbergbau zusammen mit denen der Eisen- und Stahlindustrie rund 30 vH der Beschäftigungsänderung aller Leitsektoren in der Region. In der Region Süd-West schlagen sich vor allem die Beschäftigungseinbrüche der Textilindustrie nieder. Sie machen fast 45 v~ aller Beschäftigungsänderungen der Leitsektoren in der Region aus. Ebenfalls spürbar- wenngleich mit knapp 20 vH der Beschäftigungsänderung weniger deutlich - schlägt sich der geringe inländische Produktionsbedarf beim Schiffbau in der Region Nord-West nieder. Insgesamt gesehen gibt es somit fast über den gesamten Beobachtungszeitraum durchaus plausible Überlegungen, die Entwicklung der großräumigen Regionalstrilkturen auf die Veränderung gesamtwirtschaftlicher sektoraler Produktionsbedarfe und der regionalen Bindung der Produktion bestimmter Leitsektoren zurückzuführen. Sektorale Bedarfsveränderungen, wie sie in ihren langfristigen Entwicklungen in den Stufen- oder Sektortheorien beschrieben werden, schlagen sich in unterschiedlichen Impulsen für die Region ebenso spürbar nieder wie spezifische diskretionäre Veränderungen der inländischen Nachfrage und der Export- und Importmöglichkeiten. Deutlich wird dies z.B. bei den Nachfrageverschiebungen im Zuge der beiden Weltkriege oder den die Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung. Auf der anderen Seite bleiben jedoch auch erhebliche Erklärungslücken. Diese beziehen sich vor allem auf die beiden Perioden mit den stärksten Verschiebungen in den regionalen Wachstumshierarchien zwischen 1925 und 1939 und zwischen 1970 und 1987. Dies wird vor allem deutlich, wenn man die regionale Struktur der Wachstumsimpulse der standortfixen und -stabilen Leitsektoren mit der aller Leitsektoren vergleicht (Tabelle E/6 sowie Tabellen D/14 und D/15). Während in den Perioden zwischen 1895 und 1925 sowie zwischen 1939 und 1970 die regionalen Entwicklungsdifferenzen fast identische Strukturen aufweisen, sind in den Perioden 1925 bis 1939 und 1970 bis 1987 deutliche Abweichungen zwischen den Entwicklungsimpulsen aller Leitsektoren und denen der standortfixen und -stabilen Leitsektoren zu erkennen. Insbesondere läßt sich hier allein aus der Betrachtung standortfixer und -stabiler Leitsektoren nicht die regionale Führungsposition in der Summe der Leitsektoren ableiten. Im regionalen Umbruch der dreißiger Jahre hätten aufgrundder Entwicklung standortgebundener Leitsektoren nicht die Regionen Nord-Ost und Süd-West, sondern die Regionen Nord-West vorne gelegen. In den siebzigerund achtziger Jahren hätte ohne die Berücksichtigung standortvariabler Leitsektoren die Region Süd-West ihre Führungsposition mit der Region Nord-West teilen müssen.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

239

Verbindungen bei standortvariablen Leitsektoren Ohne die Einbeziehung der Entwicklungen bei der Gruppe standortvariabler Leitsektoren erscheint daher eine umfassende Erklärung der großräumigen Verschiebungen der Regionalstrukturen in Deutschland nicht möglich. Allerdings ergibt sich aufgrund gerade ihrer nicht festen Regionalstruktur nicht von vomherein eine eindeutige Verbindung zum gesamtwirtschaftlichen Wandel der Leitsektoren. Daß aber auch bei der Entwicklung der standortvariablen Leitsektoren Zusammenhänge zum gesamtwirtschaftlichen Strukturwandel bestehen, zeigt sich sehr rasch, wenn man konkret die einzelnen Perioden betrachtet, in denen es zu Umbrüchen in der regionalen Verteilung kommt. Die Bezeichnung standortvariabel bedeutet nämlich in der Regel nicht, daß diese Sektoren nun unbedingt ständig ihre regionale Zuordnung verändern. Nur beim Waggon- und Luftfahrzeugbau ist dies der Fall. Bei allen anderen standortvariablen Leitsektoren sind es vielmehr nur bestimmte Perioden, in denen -gemessen an der Varianz der Anteilsverschiebungen- größere regionale Umbrüche festzustellen sind. Größere regionale Umbrüche sind hier bei einer Varianz von mehr als 10 angenommen worden (Übersicht E/6). II

II

In den Perioden 1925 bis 1939 und 1970 bis 1987, die auch in der Gesamtwirtschaft als Umbruchphasen zwischen langfristigen Wachstumszyklen bzw. Wachstumsschüben gelten, sind neben der Periode 1939 bis 1950, in die die Teilung Deutschlands in zwei Wirtschaftsräume fällt, mit Abstand die häufigsten regionalen Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren festzustellen. Gleichzeitig zeigt der relativ hohe Anteil der Sektoren mit regionalen Umbrüchen an den Beschäftigungsänderungen aller Leitsektoren, daß auch quantitativ diese Entwicklungen für die regionalen Hierarchien in dieser Periode bedeutend waren. Zwischen 1925 und 1939 liegt er bei 35 vH, zwischen 1939 und 1950 bei über 20 vH und zwischen 1970 und 1987 bei knapp 30 vH. Für einen Zusammenhang zwischen einschneidenden regionalen Strukturverschiebungen und -umbrüchen bzw. U mstrukturierungen der Leitsektoren spricht auch ein Vergleich mit den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsphasen der Leitsektoren. Im Abschnitt C/11 über den gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandel ist versucht worden, durch die Veränderung der Anzahl der Betriebe und die durchschnittliche Betriebsgröße den Zustand innerhalb der Sektoren zu charakterisieren. Überträgt man das gesamtwirtschaftliche sektorale Schema der Entwicklungsphase auf die Entwicklung der Leitsektoren in den Perioden mit regionalen Umbrüchen, so überwiegt der sektorale Entwicklungstyp der Orientierungsphase. Die hier noch abnehmende durchschnittliche Betriebsgröße ist auf der einen Seite ein Indiz dafür, daß der Sektor sich noch nicht oder nicht mehr in dem für die Industrie typischen Wachstumsmuster befmdet. Auf der anderen Seite zeigt die zunehmende Zahl von Betrieben, daß aber offensichtlich noch Wachstumspotentiale in diesem Sektor liegen. Dies spricht dafür, daß es vor allem dann zu

240

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Obersicht E/6 Regionale UmbrUche bei standortvariablen Leitsektoren und sektorale Entwicklungsphasen im Kerngebiet des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik

J

1895/ ,11907/ 1925/ 1939/ )11950/ [11961/ )11970/ 1907 1925 1939 1950 1961 1970 1987 Chemieindustrie Varianz der regionalen Verschiebungen•> Sektorale Entwicklungsphaseb) Maschinenbau Varianz der regionalen Verschiebungen Sektorale Entwicklungsphase Straßenfahrzeugbau Varianz der regionalen Verschiebungen Sektorale Entwicklungsphase Luftfahrzeugbau Varianz der regionalen Verschiebungen Sektorale Entwicklungsphase Waggonbau Varianz der regionalen Verschiebungen Sektorale Entwicklungsphase Kunststoffindustrie Varianz der regionalen Verschiebungen Sektorale Entwicklungsphase Gesamtzahl der Sektoren Anzahl der Sektoren in einer Orientierungsphase Anteil der Sektoren an der Veränderung aller Leitsektorend) in vH

57

34

III

II

16

l3

II

_c)

36

-

14 II

-

l3

20

II

-

II

II

-

270

II

-

I

28

46

I

II

llO

27

219

409

630

144

III

III

I

II

111

IV

-

-

-

59 II

1

2

4

4

l

2

4

l

0

2

3

l

0

3

4,5

13,3

35,4

22,6

1,6

3,7

28,5

a) Be""'hnet aus der Summe der Verlnderungen der Beschaftigtenanteile zwischen den Regionen, Ausweis, wenn Varianz grOßer als 10 Punkte.- b) vgl. hierzu Abschnitt C/2,- c)"- " =keine Angaben, bzw. nicht als Leitsektoren eingestuft,- d) Anteil der Leitscktoren mit regionalen Umtmlchen an der bctragsmlßigcn BeschaftigungsAndcrung aller Leitsektoren.- I= Expansion.- ß =Orientierung.- lll =Konzentration.- IV= Schrumpftmg.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

241

starken Veränderungen der regionalen Zuordnung von Leitsektoren kommt, wenn sich diese auch gesamtwirtschaftlich in einer Umstrukturierung befmden. Es liegt daher nahe, die Gründe für die Veränderung der regionalen Strukturen standortvariabler Leitsektoren in der gesamtwirtschaftlichen Umstrukturierung selbst zu suchen. Sind nämlich diese Umstrukturierungen auch mit veränderten Standortanforderungen des jeweiligen Leitsektors verbunden, können sich ähnliche Wirkungsmechanismen ergeben wie bei den regionalen Auswirkungen von gesamtwirtschaftlichen Bedarfsänderungen bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren. Anschaulich wird dies wiederum in einem einfachen ZweiRegionen-Modell. Die Region I stellt die regionale Ressource A und die Region II die regionale Ressource B günstiger zur Verfügung. Steigt nun innerhalb eines Leitsektors, bedingt z.B. durch technologische Veränderungen, der Bedarf an der regionalen Ressource A im Vergleich zur regionalen Ressource B, tritt mit der Veränderung der Standortanforderungen des Leitsektors eine Verschiebung zugunsten der Region I ein. Ein Beispiel für einen solchen Prozeß könnte der regionale Umbruch in der Kunststoffmdustrie in der Periode 1939 bis 1950 sein. Bedingt durch eine Beschränkung der Importmöglichkeit von Rohöl setzte die deutsche Kunststoffmdustrie in der Vorkriegszeit auf die Kohle als Rohstoffbasis 19 • Transportkostenvorteile könnten entsprechend zu einer regionalen Schwerpunktsetzung dieser Industrie auf die Regionen mit größeren Kohlevorkommen Mitte-Ost und Mitte-West beigetragen haben. Mit der weitgehenden Umstellung der Kunststoffmdustrie auf Rohölbasis in der Nachkriegszeit gewann dann aber die Region Nord-West innerhalb der früheren Bundesrepublik stark an Bedeutung. Transportkostenvorteile durch die räumliche Nähe zu den großen Ölanlegehäfen könnten dabei ausschlaggebend gewesen sein. Mit dem Bau der großen Rohölpipelines von Rotterdam und Genua dürfte dann dieser Standortvorteil wieder abgenommen haben. Einen weniger am Einzelfall orientierten Ansatzpunkt für die regionalen Auswirkungen der Veränderung sektoraler Standortanforderungen geben die gesamtwirtschaftlich orientierten theoretischen Überlegungen zur 2. industriellen Revolution. Danach läßt sich der Industrialisierungsprozeß durch grundlegende Umstellungen der Produktionsweisen beschreiben. Die eigentliche 1. Industrialisierungsphase wird dabei durch den Übergang von der handwerklichen arbeitsintensiven Produktionsweise zu tayloristischen, fordistischen Produktionsprozessen mit zunehmender Arbeitsteilung und hohem Kapitaleinsatz gekennzeichnet. Der Umstrukturierungsprozeß der Industrie in den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts wiederum wird als 2. industrielle Revolution bezeichnet, bei der es zu einer Abkehr von fordistischen Produktionsweisen und einer Verstärkung der

19

Vgl. dazu u.a. Hirsch (1928), S. 204 f.

16 Gomig

242

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

innerbetrieblichen Integration von Arbeitsschritten bei gleichzeitig hoher Kapitalintensität kommt. Mit der jeweiligen Umstellung der generellen Produktionsweise lassen sich durchaus auch Überlegungen zu Veränderungen in den Standortanforderungen verbinden20 • So dürften sich beispielsweise die Anforderungen an die fachliche und soziale Qualifikation der Arbeitskräfte zwischen den Produktionsweisen deutlich unterscheiden21 • Für handwerkliche Produktionsweisen kommt es vor allem auf eine hohe Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit sowie ein hohes Maß an Improvisation an. Bei fordistischen Produktionsweisen geht es dagegen insbesondere um die Erlernung ganz bestimmter, wenig komplexer Tätigkeiten und um die Fähigkeit der Einordnung und Unterordnung in ein Gesamtkonzept. Die Integration von Arbeitsschritten in Verbindung mit komplexen Maschinen erfordert wiederum umfassende Kenntnis im Umgang mit diesen Maschinen und ein hohes Mal,3 an Eigenverantwortung und Kommunikationsfahigkeit. Eine empirische Überprüfung dieser These in der Form, ob tatsächlich die regionalen Umbrüche in den standortvariablen Leitsektoren durch Unterschiede der Regionen im Qualiftkationsprofll ausgelöst wurden, läßt sich aufgrund der nicht objektiv erfaßbaren konkreten fachlichen und vor allem sozialen Qualifikation der Menschen selbstverständlich nicht durchführen. Auf der anderen Seite lassen sich aus der sektoralen und zeitlichen Zuordnung der Umbrüche einige quantitative Anhaltspunkte dafür fmden, daß zwischen der Umstellung der generellen Produktionsweisen und der Veränderung regionaler Strukturen durchaus Zusammenhänge bestehen könnten. Eine zeitliche Übereinstimmung ergibt sich zunächst dadurch, daß hier eine Häufung der regionalen Umbrüche für die Periode 1970 bis 1987 festgestellt werden konnte. In diese Periode wird von den Vertretern dieser These auch der Beginn der 2. industriellen Revolution vermutet. Darüber hinaus ergeben sich sektorale Übereinstimmungen darin, daß die meisten der entsprechenden Studien ihren Befund zur Umstellung der Produktionsweisen auf Unternehmen in lnvestitionsgilterindustrien stützen. Gerade im Straßenfahrzeugbau und im Maschinenbau haben in der Periode 1970 bis 1987 regionale Strukturumbrüche stattgefunden. Darüber hinaus lassen sich bei einer differenzierten Betrachtung der Einzelsektoren aber auch die Überlegungen zur 1. industriellen Revolution in Verbindung bringen mit den regionalen Umbrüchen in der Periode 1925 bis 1939. Zwar liegt der Beginn der Industrialisierung zeitlich sehr viel früher, aber die Einführung industrieller Produktionsweisen erfaßte durchaus nicht alle Sektoren gleichzeitig. So dürfte die Produktionsweise im deutsche Straßenfahrzeugbau 20 21

Siehe z.B. Moulaert/Swyngedouw, S. 96 ff., Manske, S. 415 ff. Vgl. Kern/Schumann, S. 315 ff.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

243

und im deutschen Luftfahrzeugbau vor 1925 noch sehr stark handwerklichen Produktionsweisen der Einzelfertigung entsprochen haben22 • Erst mit dem Übergang zur Massenproduktion im Zuge der Aufrüstung in den dreißiger Jahren kam es auch in Deutschland zum Übergang zu fordistischen Produktionsweisen in diesen Wirtschaftszweigen. Ähnlich dürfte es eine Periode früher auch erst zwischen 1907 und 1925 zum industriellen Durchbruch in der Chemieindustrie gekommen sein. Bei der Veränderung der Standortanforderungen beispielsweise bezogen auf das QualifikationsprofJ.l. des regionalen Arbeitskräfteangebots im Zuge des gesamtwirtschaftlichen Übergangs des Leitsektors zunächst von der handwerklichen zur fordistisch-tayloristischen Produktionsweise und der späteren Reintegration von Arbeitsschritten könnten somit die regionalen Umbrüche vor allem in den beiden Perioden 1925 bis 1939 und 1970 bis 1987 bestimmt haben. Sie könnten damit auch die ergänzende Erklärung zur Veränderung der großräumigen Regionalstrukturen in diesen Zeiträumen zum Einfluß der standortfixen und -stabilen Leitsektoren sein. Von den regionalen Strukturverschiebungen innerhalb der standortvariablen Leitsektoren profitieren in der Periode 1925 bis 1939 vor allem die Regionen Nord-Ost und Süd-West und in der Periode 1970 bis 1987 insbesondere die Region Süd-West. Allerdings bleiben auch noch eine ganze Reihe von Fragen offen. So fmden beispielsweise im Luftfahrzeugbau und Waggonbau fast in jeder Periode regionale Umbrüche statt. Hier jedesmal von einem generellen Wechsel der Produktionsweise auszugehen, ist sicherlich abwegig. Ähnliches gilt für das Wechselspiel der Führungsrolle in der Chemieindustrie zwischen den Regionen MitteWest und Mitte-Ost im Zeitraum von 1907 bis 1939. Als alleiniges Erklärungsmuster für die regionalen Verschiebungen bei standortvariablen Leitsektoren kann der Wechsel von generellen Produktionsweisen damit sicherlich nicht gelten. Offen bleiben muß auch, welche Unterschiede bei welcher Art von regionalen Ressourcen tatsächlich den regionalen Umbruch bei der Umstrukturierung der Leitsektoren in die eine oder andere Richtung bewirkt haben. Solange nicht konkret die Änderung der Standortanforderungen und die Unterschiede in der Ressourcenausstattung in Verbindung gebracht werden können, solange bleibt auch die Zwangsläufigkeit der Standortverlagerungen der Leitsektoren fraglich. So ist z.B. im Fall von veränderten Qualifikationsanforderungen im Zuge des Wechsels genereller Produktionsweisen nicht unmittelbar plausibel, warum per se das Arbeitskräftepotential in einer Region besonders für die eine oder andere Produktionsweise geeignet ist. Dem steht beispielsweise auch entgegen, daß offensichtlich das Arbeitskräftepotential der Region Süd-West sowohl für die for22

Siehe Diekmann, S. 17- 24.

244

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

distische Produktionsweise der standortvariablen Faktoren in den dreißiger Jahren als auch für die Reintegration von Produktionsprozesse in den achtziger Jahren geeignet war. Bei einem anderen - allerdings weniger in der wissenschaftlichen Literatur zu fmdenden - Erklärungsmuster regionaler Umbrüche im Gefolge sektoraler Umstruk:turierungsprozesse treten solche Probleme der Identifikation von Unterschieden in den Ausstattungen mit regionalen Ressourcen nicht auf. Im Mittelpunkt steht hier nicht die Region, sondern die jeweilige Unternehmung. Die Fähigkeiten der Unternehmen und ihre Standortentscheidungen bestimmen die regionalen Folgewirkungen von Umstrukturierungsprozessen standortvariabler Leitsektoren. Da weder von vornherein einer Region erfolgreiche Unternehmertypen zugeordnet werden können noch unternehmerische Standortentscheidungen unbedingt regionalökonomischer Rationalität folgen, könnte man die regionalen Folgewirkungen mehr oder weniger als ein zufälliges Ergebnis ansehen. Anhaltspunkte dafür, die konkreten regionalen Umbrüche bei den standortvariablen Leitsektoren in Verbindung mit der Entwicklung bestimmter Unternehmen zu bringen, gibt es viele. Vor allem in Sektoren, die großbetrieblich strukturiert sind, sind regionale Verschiebungen eng verknüpft mit dem Erfolg oder Mißerfolg einzelner Großunternehmen. So steht für die hohen Anteilsgewinne der Region Mitte-West in der Chemie in der Periode 1907 bis 1925 der Ausbau von BASF, Bayer und Höchst zu europäisch führenden Chemieunternehmen. Während des Nationalsozialismus wurde dann im IG Farbenverbund der Standort Buna und Leuna ausgebaut, was zu einer deutlichen Verschiebung zugunsten der Region Mitte-Ost in der Chemie führte. Im Straßenfahrzeugbau beeinflußte ebenfalls eine staatliche Unternehmensgründung im dritten Reich -nämlich die des VW-Werks in Wolfsburg- die regionalen Strukturverschiebungen. Dem stand regional gesehen allerdings im Süden die Entwicklung von Daimler-Benz zu einem großen Rüstungskonzern entgegen. Für den raschen Aufstieg der Region Nord-West in der jungen Bundesrepublik stand dann zum einen die Entscheidung zum staatlich geförderten Wiederaufbau und Ausbau von Volkswagen und zum anderen die Entwicklung von Borgward zu einem Großunternehmen des Straßenfahrzeugbaus. Ebenfalls in Verbindung bringen mit dem Erfolg bzw. Mißerfolg der einzelnen großen Automobilkonzerne läßt sich der letzte regionale Umbruch im Straßenfahrzeugbau zwischen 1970 und 1987. Während Volkswagen in der Region Nord-West zusammen mit Opel und Ford in der Region Mitte-West von der weltweiten Krise im Straßenfahrzeugbau voll erfaßt wurden, konnten Mercedes-Benz, Audi und BMW weiter expandieren.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

245

Eine besondere Bedeutung erlangten Standortverlagerungen von industriellen Leitbetrieben im Zuge der deutschen Teilung23 • Hierbei ergeben sich Anhaltspunkte für unternehmensspezifische Einflüsse auf die Entwicklung regionaler Strukturen bei standortvariablen Leitsektoren auch in stärker mittelständisch strukturierten Branchen wie dem Maschinenbau. So könnten für die bereits 1950 vollzogene Ablösung der Region Mitte-West als führende Maschinenbau-Region des westlichen Deutschlands durch die Region Süd~West die vielen Neugründungen von ehemals ostdeutschen Maschinenbaubetrieben verantwortlich sein. Viele der aus dem ehemaligen deutschen Maschinenbauzentrum Sachsen vertriebenen oder geflüchteten Unternehmer bauten im Westen ihre Betriebe wieder auf. Überproportional häufig fiel dabei die Betriebs- bzw. Wohnortwahl auf die Region Süd-West. Allerdings bleibt es in allen Fällen schwer zu bewerten, welche quantitative Bedeutung die jeweilige Entwicklung der Einzelunternehmen für die Veränderung der Leitsektoren insgesamt in den Regionen besitzt. Vor allem aber bleibt offen, welche Rolle die Region als Grundlage für den Erfolg oder Mißerfolg des Unternehmens an dem jeweiligen Standort spielt. Ob es tatsächlich für die Unternehmenserfolge von Bayer und Höchst in den dreißiger Jahren oder von Mercedes Benz und BMW in den achtziger Jahren ohne Bedeutung war, in welcher Region sie agierten, oder ob tatsächlich nur Zufalle in der Nachkriegszeit zu einer starken Ansiedlung ostdeutscher Maschinenbauunternehmen in der Region Süd-West führten, dürfte zumindest zu hinterfragen sein. Ein anderes Verständnis der Rolle der Regionen bei regionalen Umbrüchen von standortvariablen Leitsektoren läßt sich ableiten im Zusammenhang mit den Zyklentheorien zum gesamtwirtschaftlichen sektoralen StrukturwandeL Bei wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozessen könnte eine aktive Rolle der Regionen vor allem in Verbindung mit den Ansätzen zu Schüben von technologischen Basisinnovationen und zur Rolle von Institutionen im Innovationsprozeß gesehen werden. Der Grundgedanke ist hierbei, daß die Unternehmen in vielfältiger Weise mit ihren Regionen verflochten sind und entsprechend unternehmerischer Erfolg oder Mißerfolg im wirtschaftlichen Umstrukturierungsprozeß auch von den Bedingungen abhängen, die ihnen die jeweiligen Regionen bei der Entwicklung und Anpassung bieten. Im Konzept der Basisinnovationen ist die Entwicklung und Umsetzung neuer technologischer Konzepte die entscheidende Erklärungsvariable für sektoralen Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum. Die Fähigkeit, neue Technologien zu entwickeln und umzusetzen, hängt dabei in der Regel nicht allein von einem Unternehmen ab, sondern auch von dem, was man unter regio-

23

Vgl. dazu Henkel u.a. (1993), S. 168 ff.

246

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

nalem Innovationspotential verstehe4 • Dabei dürfte der Erfolg bei der Entwicklung und Umsetzung neuer technologischer Konzepte -auch wenn sie von bestimmten Unternehmen getragen werden- vor allem dadurch bestimmt sein, - ob geeignete Unternehmen als Kooperationspartner in der Region zur Verfügung stehen, die in enger Abstimmung Komponenten oder Teillösungen entwickeln können, - ob entsprechende Grundlagenforschungen in öffentlichen Forschungseinrichtungen in der Region betrieben werden und ein geeigneter Austausch bzw. Transfer der öffentlichen und staatlichen Forschungsergebnisse gewährleistet ist und - ob in der Region die für die Forschung und Entwicklung benötigten Arbeitskräfte in geeigneter Qualifikation zur Verfugung stehen.

Sicherlich ist der jeweilige regionale Bezug nicht notwendigerweise erforderlich. Unternehmenskooperationen und Forschungstransfers lassen sich auch über weite Distanzen organisieren, und fehlende Arbeitskräfte lassen sich bei entscheidend höherer Bezahlung in jeder Region anwerben. Dies gilt aber nur dann, wenn das eigentliche strategische Forschungsziel bekannt ist und gezielt mit großem Mittelaufwand darauf hingearbeitet wird. Grundlegende technologische Innovationen sind allerdings häufig gerade unbewußte, eher zufällige Ergebnisse der laufenden Forschung bei begrenzten verfügbaren Finanzmitteln insbesondere der Unternehmen. Die räumliche Nähe von potentiellen Kooperationspartnern und öffentlichen Forschungseinrichtungen kann somit zum einen überhaupt erst den Anstoß für die Innovation geben, und zum anderen die Transaktionskosten und Forschungsrisiken senken und die Beschaffung geeignet qualifiZierten Personals erleichtern25 • Eine unmittelbare Verwendung der Überlegungen des Konzeptes der technologischen Basisinnovation für die Erklärung der regionalen Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren in Deutschland erscheint dennoch kaum möglich. In diese Richtung weist zunächst die enorme zeitliche Distanz zwischen den eigentlichen Basisinnovationen und den regionalen Umbrüchen in dem jeweiligen Sektor. So ist die Basisinnovation der Entwicklung von Kraftfahrzeugen oder von Luftfahrzeugen auf Zeiträume zu datieren, die noch vor dem ersten Weltkrieg lagen. Die zu erklärenden regionalen Umbrüche im Straßenfahrzeugbau und im Luftfahrzeugbau fanden in Deutschland aber zwischen 1925 und 1939 statt. Und auch die vielfältigen Möglichkeiten der Mikroelektronik für die Anwendung beispielsweise im Maschinenbau oder dem Fahrzeugbau waren bereits lange bekannt, bevor es in diesen Sektoren in der Periode 1970 bis 1987 zu den regionalen Umbrüchen in der früheren Bundesrepublik kam.

24

Vgl. dazu Meyer-Krahmer u.a., z.B. S. 6, Brugger/Stuckey, S. 249 ff., Townroe,

25

Vgl. Oakey, S. 106 ff., Perrin, S. 139 ff.

s. 71 ff.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

247

Gegen eine enge Verbindung von räumlicher Zuordnung der Basisinnovationen und den regionalen Strukturen des betreffenden Leitsektors spricht zudem, daß die zu Beginn der Entwicklung eines neuen Leitsektors führende Region nicht auch primär von den späteren Wachstumsschüben profitierte (Tabelle E/7). Im Straßenfahrzeugbau lag 1907 der regionale Schwerpunkt gemessen in der Beschäftigtenzahl je 1 000 Einwohner in der Region Nord-Ost. In der ersten Wachstumsphase des Straßenfahrzeugbaus bis 1925 konnte diese Region ihre Führungsposition noch ausbauen. Zwischen 1925 und 1939 übernahm dann die Region Süd-West die Führungsrolle, und die Region Nord-Ost fiel auf den 3. Rangplatz zurück. Im Luftfahrzeugbau zwischen 1925 und 1939 konnte dagegen die Region Nord-Ost der bis dahin vom liegenden Region Mitte-Ost die Führung abnehmen. Bei der Kunststoffmdustrie fand in der gleichen Periode ein WechseLvon der Region Süd-West zur Region Mitte-Ost statt. Und auch im Bereich Büromaschinen/ EDV waren offeilsichtlich die regionalen Strukturen nicht von Anfang an festgelegt, sondern erst mit der Weiterentwicklung dieses Sektors fand zwischen 1970 und 1987 der entscheidende regionale Strukturbruch zugunsten der Region Süd-West statt. Unterschiede in der Entwicklung bzw. Erstanwendung von Basistechnologien können in Deutschland somit kaum als Erklärung für die großen regionalen Strukturverschiebungen bei standortvariablen Leitsektoren herangezogen werden. Dies bedeutet allerdings nicht, daß entsprechend auch Unterschiede im regionalen Innovationspotential keinen Einfluß auf regionale Strukturverschiebungen besitzen. Vielmehr könnte sich der Einfluß solcher Unterschiede nur in anderen Perioden der Entwicklung der Leitsektoren auswirken26 • Nicht die Wirkung auf die Fähigkeit zur eigentlichen Basisinnovation - wie möglicherweise bei der Elektrotechnik Ende des 19. Jahrhunderts-, sondern die Verbesserung der regionalen Position bei der Weiterentwicklung der Basisinnovationen in den folgenden Wachstumsschüben der jeweiligen standortvariablen Leitsektoren dürfte ausschlaggebend sein. Hierfür spricht, daß in den Perioden mit regionalen Umbrüchen auch technologische Neuorientierungen dieser Leitsektoren stattfanden: im Straßen- und Luftfahrzeugbau in der Periode 1925 bis 1939 mit dem Übergang zur Serienproduktion und im Maschinenbau und im Straßenfahrzeugbau in der Periode 1970 bis 1987 mit dem Einzug der Mikroelektronik in die Produktion und die Produkte. Die Loslösung von der eigentlichen Basisinnovation spricht aber auch dafür, den Erfolg oder Mißerfolg einer Region bzw. ihrer Unternehmen nicht einseitig nur auf technologische Faktoren zurückzuführen. Vielmehr müßten auch andere regionale Faktoren, die die Bedingungen für Wachstum und Umstrukturierung der Unternehmen beeinflussen, berücksichtigt werden. Für die Erklärung regionaler Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren könnten somit neben Unter26

Vgl. Freeman/Clark/Soete, z.B. S. 75 ff. , Ewers (1986), S. 135 ff.

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

248

Tabelle E/7 Verteilung neuentstandener Leitsektoren auf die Regionen des Kerngebietes des Deutschen Reiches und der frllheren Bundesrepublik

I895,I907,I925,I939

I950 II96I II970 II987

Beschäftigte je I 000 Einwohner Kunststoffindustrie Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Straßenfahrzeugbau Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Luftfahrzeugbau Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt Bllromasc:hinen,EDVb) Nord-West Mitte-West Süd-West Nord-Ost Mitte-Ost Insgesamt

_•)

-

-

-

0,3 O,I 0,5 0,0 O,I

O,I 0,2 0,4 0,2 0,4

0,4 0,7 0,8

I, I 2,0 2,4

2,I 3,2 4,0

3,2 5,2 5,6

0,2

0,3

0,7

2,0

3,2

5,2

0,2 0,6 0,8 0,9 0,7

2,6 3,6 4,0 5,I 4,4

5,0 4,3 9,I

6,6 5,4 8,9

11,7 8,3 I4,0

I6,4 I0,5 I6,I

I7,I 13,I 2I,9

0,6

3,9

6,I

6,8

I0,9

13,6

I6,9

0,0 0,0 0,2 O,I 0,2

4,0 0,4 2,2 7,8 5,8

-

0,8 0,0 0,7

I,7 0,2 I,5

I,5 0,2 I,8

O,I

3,3

-

0,4

0,9

I,O

O,I 0,0 O,I 0,4 0,8

0,2 O,I O,I 0,6 2,0

-

-

I,7 I,O I,9

0,6 I,O 2,8

0,3

0,6

-

-

I,I

I,6

-

-

-

-

5,5

7,0

a)"-" =keine Angaben,- b) 1925 und 1939 nur Erstellung von Büromaschinen. Quelle: Jeweilige Gewerbe-, Arbeitsstltten- und Volkszahlung; Eigene SchAlZungen und Berechnungen.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

249

schieden im regionalen Innovationspotential auch Differenzen in der Verfügbarkeil anderer regionaler Ressourcen wie der generellen Infrastruktur und dem generellen Arbeitskräfteangebot von wesentlicher Bedeutung sein. Dabei handelt es sich hier nicht - wie bei den Überlegungen zu veränderten Standortanforderungen von standortvariablen Leitsektoren im Zusammenhang mit den Thesen zur 2. industriellen Revolution - darum, ob eine Region bestimmte regionale Ressourcen besitzt und die andere nicht. Vielmehr geht es darum, ob es die eine Region schafft, ihre regionalen Ressourcen den veränderten Anforderungen der Leitsektoren anzupassen und die andere eben nicht. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist damit in Umkehrung der These der institutionellen Sklerose die Offenheit der Region, Neues aufzunehmen und die Flexibilität, diesem Neuen auch regionale Ressourcen für die Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen27 • Die regionalen Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren müssen in diesem Sinne nicht unbedingt als zwangsläufig oder zufallig angesehen werden. So könnte beispielsweise der Erfolg der Region Süd-West im Straßenfahrzeugbau in den dreißiger und achtziger Jahren dieses Jahrhunderts nicht von vornherein durch besondere Vorsprünge bei bestimmten regionalen Ressourcen, sondern durch die stärkere Offenheit für die Aufnahme neuer genereller Produktionsweisen und die höhere Flexibilität vor allem der Anpassung der Qualifikationen des Arbeitskräftepotentials verursacht sein. Oder auch die konzentrierte Ansiedlung von Maschinenbaubetrieben aus den Regionen Mitte-Ost und Nord-Ost nach dem 2. Weltkrieg könnte nicht nur ein Zufall gewesen sein, sondern begründet sein in der ausgeprägteren Offenheit der Region Süd-West, neue Betriebe aufzunehmen und ihnen Entwicklungsspielräume zu geben. Die Unterschiede zwischen den Regionen, entsprechende regionale Ressourcen für neue Entwicklungen zur Verfügung zu stellen, dürften dabei nicht allein dadurch bestimmt sein, daß einige Regionen freie, nicht genutzte Ressourcen besitzen und andere ihre Ressourcen voll ausgelastet hatten. Dies dürfte nur für einige Perioden gelten, wie z.B. vor dem 1. Weltkrieg oder in den sechziger Jahren der Bundesrepublik. Insbesondere in den Perioden aber mit starken regionalen Umbrüchen bei standortvariablen Leitsektoren von 1925 bis 1950 und 1970 bis 1987' dürften vielmehr in allen Regionen durch Schrumpfungen in anderen Leitsektoren Unterauslaslungen bestanden haben. Dementsprechend lassen sich regionale Unterschiede in der Offenheit und Flexibilität gerade in den entscheidenden Entwicklungsphasen nicht durch Differenzen in der generellen Verfügbarkeil regionaler Ressourcen beschreiben.

27 Vgl. Ewers/Gornig, S. 287 ff., Grabher (1989), S. 105 ff. , Lakshrnaniln/Chatterjee, S. 18 ff.

250

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

Auf der anderen Seite sind Offenheit und Flexibilität Eigenschaften, die man sicherlich einem abstrakten Gebilde wie der Region nicht zuordnen kann. Solche Eigenschaften können konkret vielmehr nur den in der Region lebenden Menschen bzw. der durch sie geprägten regionalen Gesellschaftsstrukturen getragen werden. Unterschiede in der Offenheit und Flexibilität zwischen Regionen sind damit eine Folge regionaler Unterschiede in den Verhaltensweisen und Verhaltensmustern der Menschen. Es liegt daher nahe, zunächst regionale Differenzen in der Offenheit und Flexibilität durch unterschiedliche Mentalitäten der Menschen in den verschiedenen Regionen zu erklären. Daß den Regionen in Deutschland durchaus auch unterschiedliche Mentalitäten zugerechnet werden können, steht dabei sicherlich außer Zweifel. Offen ist jedoch, ob sie tatsächlich in einem festen Zusammenhang mit den Eigenschaften wirtschaftlicher Offenheit und Flexibilität stehen28 • Für die These, daß die Mentalität der Menschen in den Regionen auch deren Offenheit und Flexibilität bei der Umstrukturierung standortvariabler Leitsektoren bestimmt, spricht, daß in den beiden großen Umbruchphasen 1925 bis 1939 und 1970 bis 1987 jeweils die Region Süd-West am günstigsten abschnitt. Die besondere Offenheit und Flexibilität als württembergischer, badischer, fränkischer und bayerischer Charakterzug wäre damit der entscheidende Erklärungsfaktor für den wirtschaftlichen Wachstumsvorsprung gegenüber den anderen Regionen. Ob auch soziologische Untersuchungen der Verhaltensweisen und Verhaltensmuster eine Gleichsetzung von süddeutscher Mentalität mit Offenheit und Flexibilität ausweisen würden, soll hier offen bleiben. Gegen eine allein aus historisch gewachsenen und dann relativ stabilen Unterschieden in den regionalen Mentalitäten abgeleiteten Differenzierung der Offenheit und Flexibilität von Regionen lassen sich allerdings auch aus der hier durchgeführten Analyse Argumente fmden. Eines dieser Argumente sind die Wechsel in der Erfolgsposition der anderen Regionen. So erreichte die Region Nord-West in der Periode 1925 bis 1939 ähnlich hohe Beschäftigungszuwächse bei den standortvariablen Leitsektoren wie die Region Süd-West und setzte sich damit insbesondere von der Region Mitte-West deutlich ab. In der Periode 1970 bis 1987 dagegen fiel die Region Nord-West bei diesen Leitsektoren nicht nur gegenüber der Region SüdWest stark zurück, sondern mußte auch im Vergleich zur Region Mitte-West spürbare Einbußen hinnehmen. Wenn also die Offenheit und Flexibilität einer Region den Erfolg bei den standortvariablen Leitsektoren bestimmt, dürften diese nicht durch zeitlich konstante Mentalitätsunterschiede zwischen den Regionen bestimmt sein.

28 Vgl. zu solchen Unterschieden u.a. Böltken, S. 245 - 257, Brückner, S. 251 ff., Weber, S. 257 ff.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

251

Ein anderer Ansatz zur Begründung regionaler Unterschiede in der wirtschaftlichen Offenheit und Flexibilität läßt sich unmittelbar aus den Überlegungen zur Rolle der Institutionen im Innovationsprozeß ableiten. Vor allem die Thesen zur dauerhaften Stagnation von Industriegesellschaften stellen eine direkte Verbindung zwischen abnehmender Offenheit und Flexibilität für neue Entwicklungen und dem industriellen Alter von Staaten und Regionen her9 • Eine zentrale Bedeutung bei dieser Verbindung nehmen die gesellschaftlichen Institutionen wie Parteien, Administration, Gewerkschaften und Unternehmensverbände ein, die im Zuge der Industrialisierung entstanden sind bzw. entwickelt wurden. Mit dem zunehmenden Alter dieser Institutionen - so die These - nimmt ihre Offenheit und Flexibilität ab. Entsprechend können sich neue Entwicklungen in diesen alten Gesellschaften nicht etablieren, und damit nimmt ihre wirtschaftliche Potenz Schritt für Schritt ab. Für die großräumigen Entwicklungen in Deutschland läßt sich allerdings ein solcher eindeutiger Zusammenhang zwischen dem industriellen Alter einer Region und dem Erfolg bei standortvariablen Leitsektoren nicht erkennen. Beispielsweise erzielt in der Periode 1925 bis 1939 die zweifelsohne älteste deutsche Industrieregion Mitte-Ost die höchsten Wachsturnsbeiträge bei standortvariablen Leitsektoren. Darüber hinaus zählte sie in vielen neuen Leitsektoren wie der Kunststoffmdustrie, dem Straßenfahrzeugbau und dem Luftfahrzeugbau gemessen an der Beschäftigtenzahl je Einwohner neben den Regionen Süd-West und Nord-Ost zu den Entwicklungszentren. Ebenso war bereits 1970 die Region Süd-West diejenige der drei Westregionen, die die höchsten Beschäftigungszahlen im produzierenden Gewerbe erreichte, bevor sie in den Folgejahren noch zusätzlich von den regionalen Umbrüchen bei standortvariablen Leitsektoren profitierte. Allein das industrielle Alter einer Region als Indikator für regionale Unterschiede in der Offenheit und Flexibilität heranzuziehen, greift sicherlich zu

kurz3o.

Einen eindeutigen empirischen Befund auf regionaler Ebene liefert das vorliegende Zahlenmaterial auch nicht zu der Bedeutung von wirtschaftlichen Krisen für das Aufbrechen oder Verstärken institutioneller Sklerose31 • Zwar fallt der Großteil der regionalen Umbrüche bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in Perioden, in denen es sowohl auf gesamträumlicher Ebene als auch in den einzelnen Regionen zu starken wirtschaftlichen Krisen kommt, eine Verbindung jedoch zwischen der relativen Stärke des wirtschaftlichen Einbruchs und dem relativen Erfolg bei standortvariablen Leitsektoren läßt sich nicht erkennen. Zu den erfolgreichen Regionen zählen solche mit starken Schrumpfungsprozessen

29

30 31

Siehe Olson, z.B. S. 114 ff., Hall, insbesondere S. 10. Ähnlich auch Petzina (1994}, S. 125 f. Vgl. zu dieser These Kneschaurek, S. 270 ff.

252

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

bei anderen Leitsektoren ebenso wie solche, die durch den Niedergang alter Leitsektoren weniger belastet sind. Beispielsweise legen zwischen 1925 und 1939 die beiden Regionen Süd-West und Mitte-Ost bei den standortvariablen Leitsektoren deutlich zu, aber nur in der Region Mitte-Ost kommt es zu einer überproportionalen Belastung durch die Schrumpfung der Textilindustrie. Ebensowenig eindeutig sind die Entwicklungen in der Periode 1970 bis 1987. Hier schlagen sich in den Regionen Süd-West und Mitte-West die Schrumpfungsprozesse bei alten Leitsektoren ähnlich stark nieder, aber nur die Region Süd-West kann erhebliche Wachstumsgewinne aus den regionalen Umbrüchen bei standortvariablen Leitsektoren erzielen. Regionale Unterschiede in der Offenheit und Flexibilität können somit auch nicht als eine unmittelbare Folge unterschiedlich starker regionaler Wirtschaftskrisen angesehen werden. Weder besonders gravierende regionalen Wirtschaftskrisen noch ihr Ausbleiben scheinen Gewähr dafür zu sein, daß die Offenheit und die Flexibilität der regionalen Institutionen bzw. der regionalen Ressourcen zunimmt. Offenheit und Flexibilität der Regionen für neue Entwicklungen dürften durchaus ein plausibles Argument für die Erklärung regionaler Umbrüche bei der Um?rientierung standortvariabler Leitsektoren darstellen. Die Ursachen selbst jedoch für Unterschiede in der wirtschaftlichen Offenheit und Flexibilität von Regionen können mit festen Erklärungsmustern nicht eingefangen werden. Die nicht eindeutige Rückführung auf bestimmte Erklärungsmuster weist gleichzeitig aber auch auf Gestaltungsspielräume für die Regionen hin. Die Offenheit und Flexibilität von Regionen ist zumindest über längere Zeiträume nicht vorbestimmt. Nicht bestimmte regionale Mentalitäten, nicht das industrielle Alter einer Region und auch nicht das Fehlen oder das Vorhandensein wirtschaftlicher Krisen sind Voraussetzung oder Bedingung für regionale Offenheit und Flexibilität. Vielmehr liegt es offensichtlich weitgehend in der Kompetenz der Regionen selbst, welche Einstellung sich zur Akzeptanz neuer Entwicklungen und der damit verbundenen Anpassungsnotwendigkeiten entwickelt. Bei der Nutzung dieses Gestaltungsspielraumes dürften die regionalen Institutionen eine wichtige Rolle spielen. Sie bestimmen zu einem wesentlichen Teil die Koordination zwischen Ressourcenbedarfen der Unternehmen und Ressourcenverfügbarkeilen der Regionen32 • Dabei geht es vermutlich weniger darum, ob die Institutionen funktionieren, als mehr darum, welche Zielsetzung sie sich geben. In diesem Zusammenhang von "heiligen" und "unheiligen" Allianzen zu sprechen33 , erscheint durchaus passend.

32

Vgl. Hull/Hjern, z.B. S. 11 ff., Galli, S. 785 ff., auch Hallgren/Stjernberg,

33

Vgl. Grabher (1993}, S. 749.

s. 88 ff.

IV. Verbindungen zu sektoralen Erklärungsansätzen

253

Eine "heilige" Allianz im Sinne einer Verbesserung der Offenheit und Flexibilität der Region wäre die Orientierung der regionalen Institutionen von den Parteien über die Administration und die Gewerkschaften bis hin zu den Unternehmensverbänden darauf, neue Betriebe und Unternehmen aufzunehmen und zu integrieren, neue technologische oder organisatorische oder andere Entwicklungen durch koordinierte Maßnahmen zu fördern, die Bereitschaft zur Anpassung der· Qualifikationsstrukturen und der regionalen Infrastrukturen zu erhöhen Wld deren Umsetzung durch konkrete Aktionen zu unterstützen.

In einer "unheiligen" Allianz im Sinne einer Blockierung der Entwicklung und Umsetzung von Neuerungen käme es, wenn die gleichen regionalen Institutionen mit der gleichen Intensität Maßnahmen zur Sicherung der Besitzstände der alten Unternehmen und ihrer Beschäftigten verfolgen. Vernachlässigung oder Behinderung der Gründung und Ansiedlung neuer Unternehmen, Verhinderung der Veränderung von Qualifikations- und Ausbildungsstrukturen, Einsatz für die Sicherung des Absatzes alter Produktionslinien durch staatliche Finanzförderung Wld Einschränkung bzw. Ausschaltung des Wettbewerbs wären Beispiele für solche Maßnahmen. Zusammenfassende Bewertung Die Betrachtung der Auswirkungen des gesamtwirtschaftlichen Strukturwandels auf die großräumigen Regionalstrukturen bei standortfixen Wld -stabilen Leitsektoren macht zunächst deutlich, daß ein wesentlicher Teil der regionalen Verschiebungen in Deutschland in den letzten hundert Jahren unmittelbar durch die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsperspektiven dieser Leitsektoren bestimmt sind. Der relative Aufstieg und Niedergang von Regionen ist in diesen Fällen an den Wachstums- und ggf. späteren Schtumpfungsprozeß bestimmter gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren gebunden. Bei fünf von sieben betrachteten Perioden prägen die regionalen Entwicklungsdifferenzen bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren auch die regionalen Hierarchien bei den Wachstumsimpulsen aller Leitsektoren. Der Region kommt bei den standortfixen und -stabilen Leitsektoren weitgehend eine passive Rolle zu. Die regionale Verteilung der Leitsektoren ist durch ihre Standortanforderungen bestimmt, die in der einen Region günstiger, in der anderen Region weniger günstig sind. Die feste Bindung an bestimmte regionale Ressourcen wird vor allem bei der Abhängigkeit zu naturräumlichen Gegebenheiten wie im Kohlenbergbau oder dem Schiffbau deutlich. Aber auch wenn solche BindWlgen fehlen, wie in der Elektrotechnik oder der Textilindustrie, scheint zumindest dann, wenn sich eine bestimmte, regionale Hierarchie etabliert hat, eine Veränderung der regionalen Strukturen kaum noch möglich. Der Einfluß standortvariabler Leitsektoren auf die Veränderung der regionalen Strukturen in Deutschland beschränkt sich auf wenige Perioden des hier be-

254

E. Rolle der Regionen bei der Leitsektorenentwicklung

trachteten Zeitraumes 1895 bis 1987. Regionale Umbrüche bei diesen Leitsektoren wie u.a. der Chemieindustrie, dem Maschinenbau und dem Straßenfahrzeugbau beeinflussen nur in den Perioden 1925 bis 1939, 1939 bis 1950 und 1970 bis 1987 spürbar die Gesamtimpulse aller Leitsektoren. 1n diesen Fällen allerdings sind sie als ergänzende Faktoren zur Erklärung der regionalen Strukturveränderungen unerläßlich. Die Ursachen für die regionalen Umbrüche sind dabei im Einzelfall sicherlich sehr vielfältig und sehr komplex und lassen sich nicht eindeutig festlegen. Allerdings erscheint bei den standortvariablen Faktoren der Gestaltungsspielraum der Region selbst größer, so daß sich in diesem Bezug auch eher Anhaltspunkte für eine aktive Rolle der Regionen im regionalen Strukturwandel ergeben.

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen Großräumige regionale Verschiebungen zwischen einzelnen Landesteilen erlangten erst in den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts größere Aufmerksamkeit in der regionalwissenschaftlichen Diskussion. In der früheren Bundesrepublik Deutschland stand für diese Diskussion das Schlagwort vom "Süd-NordGefälle" im Wirtschaftswachstum zwischen den Bundesländern. Aber auch die Frage der langfristigen Einbindung Ostdeutschlands in das gesamtdeutsche Wirtschaftsgebiet nach der Vereinigung kann als eine Art der Diskussion großräumiger regionaler Verschiebungsprozesse verstanden werden.

Großräumige Verschiebungen in historischer Perspektive Verlagerungen wirtschaftlicher Aktivität in einem großräumigen Nord-Südund West-Ost-Raster sind allerdings keine neuen Phänomene. Vielmehr lassen sich solche Verschiebungen der regionalen Wachstumshierarchien in Deutschland im historischen Entwicklungsprozeß häufig beobachten. Auf der Basis von 7 Gewerbe- und Arbeitsstättenzählungen bzw. Berufstätigenerhebungen 1895 bis 1987 sind hier Auswertungen der Beschäftigungsentwicklung für fünf Großregionen der heutigen Bundesrepublik durchgeführt worden. Die Großregionen umfassen nach heutiger Abgrenzung folgende Bundesländer: -Nord-West: Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Niedersachsen - Mitte-West: Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Saarland - Süd-West:

Baden-Württemberg, Bayern

-Nord-Ost:

Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin

- Mitte-Ost:

Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen

Nach dieser Auswertung waren die regionalen Verlagerungsprozesse von 1895 bis 1925 durch den Aufstieg der Regionen Mitte-West und Nord-Ost geprägt. Sie konnten hinsichtlich des Industrialisierungsgrades zur bis dahin führenden Region Mitte-Ost aufschließen. Im Entwicklungsprozeß zurück blieben dagegen auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik die Regionen Nord-West und Süd-West. Zu einem Bruch der regionalen Wachstumshierarchien kam es dann allerdings zwischen 1925 und 1939. Zurück fielen nun die älteren Industrieregionen Mitte-Ost und Mitte-West. Deutlich überdurchschnittlich entwikkelten sich hingegen die Regionen Süd-West und Nord-West. In diese Gruppe reihte sich weiterhin auch die Region Nord-Ost ein.

256

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Auf dem Gebiet der früheren Bundesrepublik (ohne Berlin-West) setzte sich nach dem 2. Weltkrieg dieser regionale Aufholprozeß zunächst weitgehend fort. Allerdings fiel der Wachstumsvorsprung der Region Süd-West gegenüber der Region Nord-West stärker aus. Von 1939 bis 1970 konnte somit eine klare Wachstumsabstufung von der Region Süd-West über die Region Nord-West zur Region Mitte-West festgestellt werden. Eine Änderung der regionalen Wachstumsmuster konnte dann erst wieder in der Periode 1970 bis 1987 beobachtet werden. Die neue Dimension der regionalen Entwicklungsdifferenzen in der alten Bundesrepublik seit 1970 liegt in der Polarisierung der regionalen Entwicklung vor allem im produzierenden Gewerbe. Überdurchschnittlichen Schrumpfungsprozessen in den Regionen Nord-West und Mitte-West steht eine vergleichsweise stabile Entwicklung im Süden der alten Bundesrepublik gegenüber. Die a~geprägtesten regionalen Strukturumbrüche zwischen 1925 und 1939 und 1970 und 1987 fallen dabei zeitlich zusammen mit den stärksten gesamtwirtschaftlichen Schrumpfungs- bzw. Stagnationsphasen im Deutschen Reich und der früheren Bundesrepublik. Im Phasenkonzept der Kondratieffzyklen kann der regionale Umbruch im Deutschen Reich in die Phase des Übergangs vom 3. sogenannten neomerkantilistischen Zyklusses zum 4. sogenannten neoklassischen Zyklusses eingeordnet und der in der früheren Bundesrepublik zeitlich gleichgesetzt werden mit dem Auslaufen des 4. Kondratieffzyklusses. Verbindungen zum langfristigen sektoralen Strukturwandel

Die Analysen geben darüber hinaus eindeutige Hinweise darauf, daß die gesamtwirtschaftlichen Schrumpfungs- bzw. Stagnationsphasen nicht nur zeitlich mit regionalen Strukturumbrüchen, sondern auch mit einschneidenden sektoralen Strukturveränderungen verbunden sind. Dies zeigt sich zum einen bei dem Aufstieg neuer Sektoren und dem Bedeutungsverlust älterer Branchen. Beispiele hierfür sind in der Periode 1925 bis 1939 der Aufstieg der Luftfahrzeugindustrie und der Abstieg des Textil- und Bekleidungsgewerbes. In der Periode von 1970 bis 1987 sind typisch für dieses Entwicklungsmuster die Expansion des Straßenfahrzeugbaus und die Schrumpfung des Montanbereichs. Zum anderen sind im langfristigen sektoralen Strukturwandel aber auch Wirtschaftsbereiche zu erkennen, die über den gesamten Betrachtungszeitraum immer wieaer Expansionsschübe realisieren, wie z.B. die chemische und die elektrotechnische Industrie. Dabei weisen einige Indikatoren, wie die Veränderung der Anzahl der Betriebe oder der durchschnittlichen Betriebsgröße, auf intrasektorale Umstrukturierungsprozesse hin, die zeitlich verbunden sind mit dem Auslaufen langfristiger Entwicklungsschübe. In der Periode 1970 bis 1987 kommt es darüber hinaus erstmalig zu einer Abkoppelung des Tertiärisierungsprozesses von der Entwicklungstendenz des produzierenden Gewerbes.

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

257

Die zeitliche Parallelität sektoraler und regionaler Umbrüche weist auch auf eine inhaltliche Verbindung von sektoralem Strukturwandel und großräumigen Verschiebungen der Regionalstrukturen hin. Aus theoretischen Ansätzen zur Erklärung regionaler Wachstumsprozesse wie den Konzepten zur Export-Basis, zu den Wachstumspolen oder zu den industrial districts läßt sich dabei die These ableiten, daß für den Zusammenhang zwischen sektoraler und regionaler Entwicklung ganz bestimmten Einzelsektoren eine Schlüsselrolle zukommt. Diese Sektoren können zunächst durch ihre eigene hohe Entwicklungsdynamik wesentlich zum Wachstumsprozeß der jeweiligen Region beitragen. Von entscheidender Bedeutung sind aber auch die indirekten Impulse auf die Entwicklung anderer Sektoren in der Region. Die indirekten Wachstumsimpulse können hierbei von sehr unterschiedlicher Natur sein. Einflüsse ergeben sich vor allem: - aus Anstoßwirkungen auf die regionalen Vorleistungssektoren, - aus der Stärkung der regionalen Kaufkraft, - aus der Erhöhung allgemeiner Agglomerationsvorteile und - aus Verbesserungen des regionalen Wissenspotentials.

Das Gegenstück zum Aufstieg bestimmter Wirtschaftssektoren im historischen Rückblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sind Schrumpfungen bzw. zumindest spürbare Bedeutungsverluste bei traditionellen großen Wirtschaftssektoren. Neben den direkten negativen Auswirkungen der Schrumpfung oder Wachstumsabschwächung des Leitsektors können weitere negative indirekte Folgewirkungen auftreten, - aus dem Ausbleiben von Aufträgen an die regionalen Vorleistungssektoren, - aus der Schwächung der regionalen Kaufkraft, - aus der Verringerung allgemeiner Agglomerationsvorteile und - aus der Entwertung des regionalen Wissenspotentials.

Entsprechend wurde hier ein Ansatz zur quantitativen Bestimmung des Einflusses des sektoralen Strukturwandels entwickelt, der sich nicht wie in bisherigen Untersuchungen an der Shift-Share-Analyse orientiert, bei der für alle Wirtschaftszweige eine gesamtwirtschaftliche Prägung unterstellt wird. Vielmehr wird angenommen, daß nur einige Wirtschaftszweige eine solche Prägung aufweisen. Diese werden als "gesamtwirtschaftliche Leitsektoren" bezeichnet. Ausgangspunkt der empirischen Arbeiten ist die IdentifiZierung solcher Leitsektoren im historischen Entwicklungsprozeß. In Anlehnung an die regionalen Wachstumstheorien wurden als Abgrenzungskriterien die absolute Beschäftigungsdynamik und die Exportorientierung herangezogen. Die Eigenschaft von Leitsektoren als Träger neuer Technologien und Produktionskonzepte wurde bei der Abgrenzung nicht berücksichtigt, da ein objektiv nachvollziehbares Verfahren zur IdentifiZierung solcher wissensbasierter Unterschiede zwischen den Wirtschaftszweigen nicht zur Verfügung steht. 17 Gomig

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Für das Kerngebiet des Deutschen Reiches und die frühere Bundesrepublik wurden folgende gesamtwirtschaftliche Leitsektoren ermittelt: - Textilindustrie - Kohlenbergbau - Eisen- und Stahlerzeugung - Maschinenbau - Elektrotechnik - Chemieindustrie - Fahrzeugbau.

Zusätzlich wurden für die frühere Bundesrepublik die Bereiche Kunststoffverarbeitung und Büromaschinen/EDV als neue gesamtwirtschaftliche Leitsektoren berücksichtigt. Die regionalen Unterschiede in den Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren insgesamt werden hier nicht anhand der normalen Wachsturnsraten bestimmt. Als überlegen für die Einschätzung von Entwicklungsimpulsen erweist sich vielmehr der Indikator "relativer Wachstumsbeitrag" , der sich aus den Komponenten Wachstumsrate und Anteil der Sektoren im Ausgangsjahr zusammensetzt. Der Indikator Wachstumsbeitrag zeigt bei den Leitsektoren insgesamt in allen sieben betrachteten Perioden zwischen 1895 und 1987 gleiche oder ähnliche Muster auf wie die regionalen Wachstumsdifferenzen im gesamten produzierenden Gewerbe oder im gesamten Unternehmensbereich. Vor allem zeigt sich diese hohe Übereinstimmung auch in den beiden großen regionalen wie sektoralen Umbruchphasen im Kerngebiet des Deutschen Reiches 1925 bis 1939 und in der früheren Bundesrepublik 1970 bis 1987. In den dreißiger Jahren ist der Aufstieg der Regionen Nord-West und Süd-West verbunden mit einer weit überdurchschnittlichen Partizipation an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. Die zurückfallenden Regionen Mitte-West und Mitte-Ost profitieren dagegen kaum noch von Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren. In den siebziger und achtziger Jahren in der früheren Bundesrepublik geht die Polarisierung zwischen der weiter wachsenden Region Süd-West einerseits und den schrumpfenden Regionen Nord-West und Mitte-West andererseits einher mit einer stabilen Entwicklung der Leitsektoren in der Region Süd-West und stark negativen Entwicklungsimpulsen in den anderen beiden Regionen. Der Zusammenhang zwischen der Partizipation einer Region an der Entwicklung gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und ihrem Beschäftigungserfolg insgesamt kann bei einer zusammengefaßten Betrachtung für die Zeitabschnitte 1895 bis 1939 und 1939 bis 1987 eindeutig in einfachen Regressionsanalysen statistisch belegt werden. Auf der Ebene einzelner Perioden gelingt dies allerdings nur teilweise. Zwar werden in allen Perioden hohe Korrelationen für den

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

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Zusammenhang zwischen den Entwicklungsimpulsen der Leitsektoren und dem Wachstum der Regionen insgesamt ausgewiesen, sie sind jedoch zum Teil nur sehr schwach signifikant. Hinweise auf ähnliche Zusammenhänge für die DDR Auf dem Gebiet der DDR können für den Zeitraum 1939 bis 1987 ebenfalls regionale Verlagerungstendenzen zwischen den Großregionen festgestellt werden. In den ersten Perioden bis 1961 weisen die statistischen Angaben auf eine großräumige Verlagerung wirtschaftlicher Aktivitäten vom Norden in den Süden der DDR hin. Im Vergleich zur Entwicklung von 1895 bis 1939 kam es demnach zu einer Umkehr der regionalen Entwicklungstendenzen. Noch im Zeitraum zwischen 1925 und 1939 war das Beschäftigungswachstum der Region Nord-Ost doppelt so hoch wie in der Region Mitte-Ost. Eine zentrale Rolle für die Beschäftigungsverluste des Gebiets Nord-Ost in der DDR spielte hierbei offensichtlich die Region Berlin. In den ersten Nachkriegsjahren verlor dieser ehemalige Wachstumspol einen großen Teil seiner industriellen Basis. Dieses galt eben nicht nur für den isolierten Westteil, der bei diesem Vergleich unberücksichtigt blieb, sondern auch in starkem Maße für das produzierende Gewerbe im Ostteil der Stadt und im Umland. Eine erneute Änderung der großräumigen Entwicklungstendenzen in der DDR zeichnete sich allerdings schon im Verlauf der sechziger Jahre ab. Die Region Nord-Ost (ohne Berlin-West) konnte erhebliche Wachstumsvorsprünge im produzierenden Gewerbe gegenüber der Region Mitte-Ost realisieren. In den siebziger und achtziger Jahren nahmen die regionalen Entwicklungsdifferenzen zugunsten des Nordens der DDR nochmals zu. Hinter dem großräumigen Nord-Süd-Gefalle in der DDR standen allerdings andere regionale Entwicklungen als vor dem 2. Weltkrieg. War bis 1939 Berlin fast allein der industrielle Kristallisierungspunkt der Region Nord-Ost, bezog sich der Industrialisierungsprozeß jetzt auf weite Teile Brandenburgs, Mecklenburgs und Vorpommerns. Besonders anschauliche Beispiele hierfür sind der Aufbau neuer industrieller Großbetriebe z.B. in Rostock, Schwedt und Eisenhüttenstadt, also in Regionen, die bis dahin weitgehend industriell nicht erschlossen waren. Inwieweit auch die großräumigen Verlagerungen in der DDR in Verbindung mit dem dortigen gesamtwirtschaftlichen Strukturwandel gebracht werden können, ist kaum zu beantworten. Eine differenzierte Analyse der sektoralen und regionalen Entwicklungen für die einzelnen Perioden war aufgrund von Datenrestriktionen nicht möglich. Allerdings kann für die beiden Zeitabschnitte 1939 bis 1970 und 1970 bis 1989 auch für die DDR eine Übereinstimmungen zwischen den regionalen Entwicklungsmustern gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren und der Entwicklung der Gesamtbeschäftigung der Regionen im produzierenden Gewerbe festgestellt werden.

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Zur Rolle der Regionen bei der Lei/sektorenentwicklung Für die Entwicklungen im Kerngebiet des Deutschen Reiches und der früheren Bundesrepublik ist über die Feststellung eines funktionalen Zusammenhangs von sektoralem und regionalem Wandel gefragt worden, welche Rolle den Regionen bei der unterschiedlichen Partizipation der Regionen an der Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren zukommt. Dabei geht es um die Einschätzung, ob regionale Faktoren verantwortlich für die großräumigen Strukturverschiebungen sind oder ob die Regionen lediglich eine passive Verteilerfunktion für das sektorale Wachstum besitzen. Ausgangspunkt ist dabei die Überlegung, daß sich zunächst abstrakt zwei Einflußkomplexe bei der Erklärung regionaler Verschiebungen unterscheiden lassen. - Zu einer Positionsverschiebung bei den Wachstumsimpulsen gesamtwirtschaftlicher Leitsektoren kann es kommen, wenn sich durch Veränderung der relativen regionalen Ressourcenverfligbarkeit der Standortvorteil einer Region erhöht oder verringert. - Zu einer Positionsverschiebung bei den Wachstumsimpulsen kann es aber auch kommen, ohne daß sich die relative Verfügbarkeit einzelner regionaler Ressourcen verändert, wenn die Struktur des Ressourcenbedarfs in der Summe der Leitsektoren anders aussieht als bisher.

Insbesondere im zweiten Fall ergeben sich bei der Frage nach den Ursachen unterschiedlicher Partizipation der Regionen an der Entwicklung der Leitsektoren unmittelbar Verbindungen zum sektoralen StrukturwandeL In den gesamtwirtschaftlichen Erklärungsansätzen des sektoralen Strukturwandels wird häufig auf die besondere Bedeutung des Wechsels von "alten" zu "neuen" Leitsektoren bei der Veränderung der vorherrschenden Produktionsprozesse verwiesen. Bedeutet eine Veränderung der Produktionsprozesse auch eine Veränderung der Standortanforderungen, ist zu erwarten, daß der Aufstieg neuer Leitsektoren und der Abstieg alter Leitsektoren auch für die Erklärung der Positionsverschiebungen bei den Wachstumsimpulsen der Leitsektoren insgesamt herangezogen werden kann. Die empirischen Analysen bestätigen dabei in den beiden regionalen und sektoralen Umbruchphasen 1925 bis 1939 und 1970 bis 1987, daß die Belastung durch Schrumpfungsprozesse bei alten Leitsektoren bzw. das Wachsturn bei neuen Leitsektoren hohe Bedeutung für die Erklärung regionaler Entwicklungsdifferenzen insgesamt besitzt. Ein quasi Automatismus allerdings in der Form, daß neue Sektoren auch zum Aufstieg neuer Regionen führen, kann nicht festgestellt werden. So gelingt es zwischen 1925 und 1939 der Region Mitte-Ost, überdurchschnittliche Entwicklungsimpulse aus dem Wachstum neuer Leitsektoren aufzimehmen, obwohl in dieser Region der Anteil alter Leitsektoren sehr hoch ist. Und auch in der Region Süd-West, die zwischen 1970 und 1987 am stärksten von der Entwicklung neuer Leitsektoren profitiert, sind die alten Leitsektoren eher überdurchschnittlich vertreten.

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

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Unabhängig von der Bedeutung des Aufstiegs "neuer" und des Abstiegs "alter" Leitsektoren sehr viel schwieriger ist, einzuschätzen, ob dies Einfluß auf die Entwicklung der Leitsektoren in der Region genommen hat. Schon allein die Konkreti;!ierung dessen, was produktionsrelevante regionale Ressourcen sind, ist kaum möglich. Letztlich sind hierunter alle Faktoren zu verstehen, die in irgendeiner Weise die Gesamtkosten eines Unternehmens beeinflussen. Zudem müßte berücksichtigt werden, daß es nicht um die unmittelbare Gegenüberstellung der Faktorausstattung zur Gesamtentwicklung der Regionen geht, sondern speziell um die Erklärung unterschiedlicher Tendenzen der Leitsektoren. Dies würde es nötig machen, die potentielle und tatsächliche Inanspruchnahmen bestimmter Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen durch die Leitsektoren zu bestimmen. Eine Analyse möglicher Ursachen der regionalen Verlagerung von Leitsektoren kann daher hier nicht bei einer quantitativen Bestimmung der Ausstattung der Regionen mit regionalen Ressourcen bzw. ihrer Veränderung über einen solch langen Zeitraum ansetzen. Um dennoch Vorstellungen zur möglichen Rolle der Regionen bei der Veränderung der Partizipation der Regionen an der Entwicklung der Leitsektoren zu gewinnen, ist hier ein anderer Ausgangspunkt gewählt worden. Dabei wird danach gefragt, ob überhaupt Verschiebungen der Positionen der Regionen auf der Ebene einzelner Leitsektoren festzustellen sind. Hintergrund für diese Vorgehensweise ist die Plausibilitätsüberlegung, daß sich immer dann, wenn sich aufgrund von Veränderungen der relativen Ressourcenausstattung die Standortvorteilhaftigkeit einer Region verbessert oder verschlechtert, auch ihr Anteil an dem jeweiligen Sektor entsprechend verschieben müßte. Umgekehrt spricht bei einer gleichbleibenden regionalen Verteilung der jeweilig~n Sektoren wenig dafür, daß sich die relative Verfügbarkeil relevanter regionaler Ressourcen verändert hat. Auf der Basis dieser Hypothese ist versucht worden, die Standortbindung der einzelnen gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren auch quantitativ einzuschätzen. Als Kriterium für die Standortbindung wurde dabei das regionale Konzentrationsniveau der Einzelsektoren und die Stabilität ihrer regionalen Verteilungsmuster herangezogen. Auf der Basis dieser Auswertungen erfolgt eine Klassifizierung der gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren. - Als Leitsektoren mit sehr starker bzw. starker Standortbindung (standortfixe und -stabile Leitsektoren) werden danach der Kohlenbergbau, der Schiffbau, die Eisenund Stahlerzeugung, die Textilindustrie und die Elektrotechnik angesehen. - Als Leitsektoren mit geringer Standortbindung (standortvariable Leitsektoren) werden die Chemieindustrie, die Kunststoffindustrie, der Maschinenbau, der Waggonbau, der Straßenfahrzeugbau und der Luftfahrzeugbau eingeordnet.

Ein relativ klares und einfaches Erklärungsmuster ergibt sich aus der Kombination standortfixer und standortstabiler Leitsektoren mit Veränderungen sektoraler Strukturen beispielsweise im Zusammenhang mit verschiedenen Stadien der Industrialisierung oder Schüben von Infrastrukturinvestitionen. Die regiona-

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

len Impulse sind dabei fast ausschließlich durch den gesamtwirtschaftlichen Bedarf nach Gütern der einzelnen Sektoren bestimmt. Ist die Produktion des Leitsektors I an die Region A und die des Leitsektors II an die Region B gebunden, kommt es quasi automatisch bei einem sektoralen Strukturwandel auch zu regionalen Verschiebungen. Steigt beispielsweise der gesamtwirtschaftliche Bedarf an Gütern des Sektors I gegenüber den Gütern des Sektors II an, so nimmt auch die Produktionsleistung der Region A im Vergleich zu der Region B zu. In welchem Ausmaß der sektorale Strukturwandel von Sektor I nach Sektor II regional differenziert auf die Impulse der Leitsektoren insgesamt wirkt, hängt dabei von der Höhe der Sektorverschiebungen und vom Grad der Standortbindung beider Sektoren ab. Die Regionen besitzen hierbei eine weitgehend passive Rolle. Zwar ist die Ressourcenausstattung der Regionen entscheidend für die Standortbindung der Leitsektoren, die relative Position der Regionel) jedoch ändert sich nicht oder kaum. Ein solches Erklärungsmuster ist für die Veränderung der regionalen Strukturen in Deutschland durchaus von Gewicht. Betrachtet man die Anteile der standortfixen und -stabilen Leitsektoren an der Beschäftigungsänderung aller Leitsektoren, sind offensichtlich die Bedarfsänderungen bei solchen Sektoren auch von wesentlicher Bedeutung für regionale Verschiebungen. Eindeutig erscheint die Ableitung regionaler Wachstumshierarchien aus den Entwicklungsunterschieden bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren für die Zeiträume 1895 bis 1925 im Kerngebiet des Deutschen Reiches und 1939 bis 1961 in der Bundesrepublik. In den Perioden 1895 bis 1925 gingen besonders hohe gesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse von der nachholenden Industrialisierung Deutschlands im Montanbereich aus. Daneben war der sektorale Strukturwandel geprägt vom Aufstieg der Elektrotechnik. Entsprechend diesen sektoralen Veränderungen in der Gesamtwirtschaft übernehmen auch die jeweiligen Sektorzentren Mitte-West und Nord-Ost die Führungsposition in der regionalen Wachstumshierarchie.

Bei der Erklärung der regionalen Verschiebungen zwischen den drei Westregionen bis 1961 spielen Verschiebungen bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren im Vergleich zur Vorkriegszeit ebenfalls eine wichtige Rolle. Die Verbesserung der Position der Region Süd-West dürfte dabei vor allem durch Zuwächse aus der Übernahme der Leitfunktion in den Sektoren Textilindustrie und Elektrotechnik von den Regionen Mitte-Ost und Nord-Ost sein. Versorgten diese Regionen vor dem zweiten Weltkrieg auch die westlichen Regionen mit solchen Gütern, so entfiel diese Möglichkeit nach 1945. Der entsprechende Bedarf fiel nun als zusätzlicher Entwicklungsimpuls in der Region mit der höchsten Ausrichtung innerhalb der drei Westregionen an. Ohne die Einbeziehung der Entwicklung bei der Gruppe standortvariabler Leitsektoren erscheint allerdings eine umfassende Erklärung der großräumigen Verschiebungen der Regionalstrukturen in Deutschland nicht möglich. Dies be-

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

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zieht sich vor allem auf die beiden Perioden mit den stärksten Verschiebungen in den regionalen Wachstumshierarchien zwischen 1925 und 1939 und zwischen 1970 und 1987. In diesen Perioden bestehen deutliche Abweichungen zwischen den Entwicklungsimpulsen aller Leitsektoren und denen der standortfixen und -stabilen Leitsektoren. Insbesondere läßt sich hier allein aus der Betrachtung standortfixer und -stabiler Leitsektoren nicht die regionale Führungsposition in der Summe der Leitsektoren ableiten. Bei der Veränderung der regionalen Strukturen standortvariabler Leitsektoren können sich allerdings zunächst ähnliche Wirkungsmechanismen ergeben wie bei den regionalen Auswirkungen von gesamtwirtschaftlichen Bedarfsänderungen bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren. Anschaulich wird dies wiederum in einem einfachen Zwei-Regionen-Modell. Die Region A stellt die regionale Ressource I und die Region B die regionale Ressource II günstiger zur Verfügung. Steigt nun innerhalb eines Leitsektors, bedingt z.B. durch technologische Veränderungen, der Bedarf an der regionalen Ressource I im Vergleich zur regionalen Ressource II, tritt mit der Veränderung der Standortanforderungen des Leitsektors eine Verschiebung zugunsten der Region A ein. Solche Überlegungen lassen sich beispielsweise im Zusammenhang mit den gesamtwirtschaftlich orientierten theoretischen Überlegungen zur 2. industriellen Revolution konkretisieren. Nach diesem Ansatz läßt sich der Industrialisierungsprozeß durch grundlegende Umstellungen der Produktionsweisen beschreiben. Die eigentliche 1. Industrialisierungsphase wird dabei durch den Übergang von der handwerklichen arbeitsintensiven Produktionsweise zu tayloristischen, fordistischen Produktionsprozessen mit zunehmender Arbeitsteilung und hohem Kapitaleinsatz gekennzeichnet. Der Umstrukturierungsprozeß der Industrie in den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts wiederum wird als 2. industrielle Revolution bezeichnet, bei der es zu einer Abkehr von fordistischen Produktionsweisen und einer Verstärkung der innerbetrieblichen Integration von Arbeitsschritten bei gleichzeitig hoher Kapitalintensität kommt. Mit der jeweiligen Umstellung der generellen Produktionsweise sind dann auch unmittelbar Veränderungen in den Standortanforderungen verbunden. So dürften sich beispielsweise die Anforderungen an die fachliche und soziale Qualifikation der Arbeitskräfte zwischen den Produktionsweisen deutlich unterscheiden. Für handwerkliche Produktionsweisen kommt es vor allem auf eine hohe Geschicklichkeit und Fingerfertigkeit sowie ein hohes Maß an Improvisation an. Bei fordistischen Produktionsweisen geht es dagegen insbesondere um die Erlernung ganz bestimmter, wenig komplexer Tätigkeiten und um die Fähigkeit der Einordnung und Unterordnung in ein Gesamtkonzept. Die Integration von Arbeitsschritten in Verbindung mit komplexen Maschinen erfordert wiederum umfassende Kenntnis im Umgang mit diesen Maschinen und ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Kommunikationsfähigkeit.

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Dabei lassen sich aus der sektoralen und zeitlichen Zuordnung der Umbrüche einige quantitative Anhaltspunkte dafür fmden, daß zwischen der Umstellung der generellen Produktionsweisen und der Veränderung regionaler Strukturen durchaus Zusammenhänge bestehen könnten. Eine zeitliche Übereinstimmung ergibt sich zunächst dadurch, daß hier eine Häufung der regionalen Umbrüche für die Periode 1970 bis 1987 festgestellt werden konnte. In diese Periode wird von den Vertretern dieser These auch der Beginn der 2. industriellen Revolution vermutet. Darüber hinaus ergeben sich sektorale Übereinstimmungen darin, daß die meisten der entsprechenden Srudien ihren Befund zur Umstellung der Produktionsweisen auf Unternehmen in Investitionsgüterindustrien stützen. Gerade im Straßenfahrzeugbau und im Maschinenbau haben in der Periode 1970 bis 1987 regionale Strukturumbrüche stattgefunden. Darüber hinaus lassen sich bei einer differenzierten Betrachtung der Einzelsektoren aber auch die Überlegungen zur 1. industriellen Revolution in Verbindung bringen mit den regionalen Umbrüchen in der Periode 1925 bis 1939. Zwar liegt der Beginn der Industrialisierung zeitlich sehr viel früher, aber die Einführung industrieller Produktionsweisen erfaßte durchaus nicht alle Sektoren gleichzeitig. So dürfte die Produktionsweise z.B. im deutschen Straßenfahrzeugbau und im deutschen Luftfahrzeugbau vor 1925 noch sehr stark handwerklichen Produktionsweisen der Einzelfertigung entsprochen haben. Erst mit dem Übergang zur Massenproduktion im Zuge der Aufrüstung in den dreißiger Jahren kam es auch in Deutschland zur Durchsetzung fordistischer Produktionsweisen in diesen Wirtschaftszweigen. Allerdings bleiben auch eine ganze Reihe von Fragen offen. Vor allem ist die Zwangsläufigkeit der Standortverlagerungen der Leitsektoren unklar. So ist z.B. im Fall von veränderten Qualifikationsanforderungen im Zuge des Wechsels genereller Produktionsweisen nicht unmittelbar plausibel, warum per se das Arbeitskräftepotential in einer Region besonders für die eine oder andere Produktionsweise geeignet ist. Dem steht beispielsweise auch entgegen, daß offensichtlich das Arbeitskräftepotential der Region Süd-West sowohl für die fordistische Produktionsweise der standortvariablen Faktoren in den dreißiger Jahren als auch für die Reintegration von Produktionsprozesse in den achtziger Jahren besonders geeignet war. Bedeutung des regionalen Anpassungspotentials Ein anderes Verständnis der Rolle der Regionen bei regionalen Umbrüchen von standortvariablen Leitsektoren läßt sich ableiten im Zusammenhang mit innovationsorientierten Theorien zur Erklärung des gesamtwirtschaftlichen sektoralen Strukturwandels. Eine aktive Rolle der Regionen ist vor allem in Verbindung mit den Ansätzen zu Schüben von technologischen Basisinnovationen und zur Rolle von lnstirutionen im Innovationsprozeß zu sehen. Der Grundgedanke ist hierbei, daß der unternehmerische Erfolg oder Mißerfolg im wirtschaftlichen

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Umstrukturierungsprozeß auch von der Fähigkeit der Regionen zur Veränderung und Anpassung der regionalen Produktion bzw. der regionalen Ressourcen abhängt.

Im Konzept der Basisinnovationen ist die Entwicklung und Umsetzung neuer technologischer Konzepte die entscheidende Erklärungsvariable für sektoralen Strukturwandel und gesamtwirtschaftliches Wachstum. Die Fähigkeit, neue Technologien zu entwickeln und umzusetzen hängt dabei in der Regel nicht allein von einem Unternehmen ab, sondern auch von dem, was man unter regionalem Innovationspotential versteht. Eine unmittelbare Verwendung der Überlegungen des Konzeptes der technologischen Basisinnovation für die Erklärung der regionalen Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren in Deutschland erscheint aber kaum möglich. In diese Richtung weist zunächst die enorme zeitliche Distanz zwischen den eigentlichen Basisinnovationen und den regionalen Umbrüchen in dem jeweiligen Sektor. So waren die Konzepte zur Entwicklung von Straßen- und Luftfahrzeugen oder die vielfältigen Möglichkeiten der Mikroelektronik für die Anwendung beispielsweise im Maschinenbau oder dem Fahrzeugbau bereits lange bekannt, bevor es in den jeweiligen Sektoren zu regionalen Umbrüchen in Deutschland kam. Gegen eine enge Verbindung von räumlicher Zuordnung der Basisinnovationen und den regionalen Strukturen des betreffenden Leitsektors spricht zudem, daß die zu Beginn der Entwicklung eines Leitsektors führende Region nicht auch primär von den späteren Wachstumsschüben profitierte. Eine Loslösung von der eigentlichen Basisinnovation spricht dafür, den Erfolg oder Mißerfolg einer Region bzw. ihrer Unternehmen nicht einseitig nur auf technologische Faktoren zurückzuführen. Vielmehr müssen auch andere regionale Faktoren, die die Bedingungen für Wachstum und Umstrukturierung der Unternehmen beeinflussen, berücksichtigt werden. Für die Erklärung regionaler Umbrüche bei standortvariablen Leitsektoren sind somit neben Unterschieden im regionalen Innovationspotential auch Differenzen in der Verfügbarkeil anderer regionaler Ressourcen wie der generellen Infrastruktur und dem generellen Arbeitskräfteangebot von wesentlicher Bedeutung. Dabei geht es hier nicht wie bei den Überlegungen zur 2. industriellen Revolution darum, ob eine Region bestimmte regionale Ressourcen besitzt und die andere nicht, sondern darum, ob es die eine Region schafft, ihre regionalen Ressourcen den veränderten Anforderungen der Leitsektoren anzupassen und die andere eben nicht. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist damit die Offenheit der Region, Neues aufzunehmen, und die Flexibilität, diesem Neuen auch regionale Ressourcen für die Weiterentwicklung zur Verfügung zu stellen. Bei den Faktoren, die in den theoretischen Ansätzen zu Schüben von technologischen Basisinnovationen oder zur Rolle von Institutionen im Innovationsprozeß als Bestimmungsgründe für Offenheit und Flexibilität genannt werden, sind auf regionaler Ebene hier allerdings keine eindeutigen empirischen Hinweise ge-

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

funden worden. So sprechen gegen eine aus historisch gewachsenen und dann relativ stabilen Unterschieden in den regionalen Mentalitäten abgeleiteten Differenzierung der Offenheit und Flexibilität von Regionen die Wechsel in der Erfolgsposition der Regionen. Die Region Nord-West beispielsweise erreichte in der Periode 1925 bis 1939 ähnlich hohe Beschäftigungszuwächse bei den standortvariablen Leitsektoren wie die Region Süd-West und setzte sich damit insbesondere von der Region Mitte-West deutlich ab. In der Periode 1970 bis 1987 dagegen fiel die Region Nord-West bei diesen Leitsektoren nicht nur gegenüber der Region Süd-West stark zurück, sondern mußte auch im Vergleich zur Region Mitte-West spürbare Einbußen hinnehmen. Ebenso lassen sich Thesen einer Verbindung zwischen abnehmender Offenheit und Flexibilität für neue Entwicklungen und dem industriellen Alter von Staaten und Regionen für die großräumigen Entwicklungen innerhalb Deutschlands nicht bestätigen. Beispielsweise erzielt in der Periode 1925 bis 1939 die zweifelsohne älteste deutsche Industrieregion Mitte-Ost weit überdurchschnittliche Wachstumsbeiträge bei standortvariablen Leitsektoren. Darüber hina'us zählte sie in vielen neuen Leitsektoren wie der Kunststoffmdustrie, dem Straßenfahrzeugbau und dem Luftfahrzeugbau gemessen an der Beschäftigtenzahl je Einwohner neben den Regionen Süd-West und Nord-Ost zu den Entwicklungszentren. Ebenso war bereits 1970 die Region Süd-West diejenige der drei Westregionen, die die höchsten Beschäftigungszahlen im produzierenden Gewerbe erreichte, bevor sie in den Folgejahren noch zusätzlich von den regionalen Umbrüchen bei standortvariablen Leitsektoren profitierte. Einen eindeutigen empirischen Befund auf regionaler Ebene liefert das vorliegende Zahlenmaterial auch nicht zu der Bedeutung von wirtschaftlichen Krisen für das Aufbrechen oder Verstärken institutioneller Hemmnisse im Innovationsprozeß. Zwar fällt der Großteil der regionalen Umbrüche bei den gesamtwirtschaftlichen Leitsektoren in Perioden, in denen es sowohl auf gesamträumlicher Ebene als auch in den einzelnen Regionen zu starken wirtschaftlichen Krisen kommt, eine Verbindung jedoch zwischen der relativen Stärke des wirtschaftlichen Einbruchs und dem relativen Erfolg bei standortvariablen Leitsektoren läßt sich nicht erkennen. Zu den erfolgreichen Regionen zählen solche mit starken Schrumpfungsprozessen bei anderen Leitsektoren ebenso wie solche, die durch den Niedergang alter Leitsektoren weniger belastet sind. Die nicht eindeutige Rückführung auf bestimmte Erklärungsmuster weist auf Gestaltungsspielräume für die Regionen hin. Die Offenheit und Flexibilität von Regionen ist zumindest über längere Zeiträume nicht vorbestimmt. Nicht bestimmte regionale Mentalitäten, nicht das industrielle Alter einer Region und auch nicht das Fehlen oder das Vorhandensein wirtschaftlicher Krisen sind Voraussetzung oder Bedingung für regionale Offenheit und Flexibilität. Vielmehr liegt es offensichtlich weitgehend in der Kompetenz der Regionen selbst, welche Einstellung sich zur Akzeptanz neuer Entwicklungen und der damit verbundenen Anpassungsnotwendigkeiten entwickelt.

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Bei der Nutzung dieses Gestaltungsspielraumes dürften die regionalen Institutionen eine wichtige Rolle spielen. Dabei geht es vermutlich weniger darum, ob die Institutionen funktionieren, als mehr darum, welche Ziele sie verfolgen. Im Sinne einer Verbesserung der Offenheit und Flexibilität der Region wäre es, wenn sich die regionalen Institutionen von den Parteien über die Administration und die Gewerkschaften bis hin zu den Unternehmensverbänden darauf konzentrieren, neue Betriebe und Unternehmen aufzunehmen und zu integrieren, neue technologische oder organisatorische oder andere Entwicklungen durch koordinierte Maßnahmen zu fördern, die Bereitschaft zur Anpassung der Qualifikationsstrukturen und der regionalen Infrastrukturen zu erhöhen und deren Umsetzung durch konkrete Aktionen zu unterstützen. Zu einer gegenteiligen Wirkung im Sinne einer Blockierung der Entwicklung und Umsetzung von Neuerungen käme es, wenn die gleichen regionalen Institutionen mit der gleichen Intensität Maßnahmen zur Sicherung der Besitzstände der alten Unternehmen und ihrer Beschäftigten verfolgen. Bei den standortvariablen Faktoren erscheint somit der Gestaltungsspielraum der Region selbst größer, so daß sich in diesem Bezug auch eher Anhaltspunkte für eine aktive Rolle der Regionen im regionalen Strukturwandel ergeben. Der Einfluß standortvariabler Leitsektoren auf die Veränderung der regionalen Strukturen in Deutschland beschränkt sich allerdings auf wenige Perioden des hier betrachteten Zeitraumes 1895 bis 1987. Regionale Umbrüche bei diesen Leitsektoren wie u.a. der Chemieindustrie, dem Maschinenbau und dem Straßenfahrzeugbau beeinflussen nur in den Perioden 1925 bis 1939, 1939 bis 1950 und 1970 bis 1987 spürbar die Gesamtimpulse aller Leitsektoren. In diesen Fällen allerdings sind sie als ergänzende Faktoren zur Erklärung der regionalen Strukturveränderungen unerläßlich.

Beschränkte Spielräume gesamtstaatlicher Regionalpolitik Letztlich stellt sich die Frage, ob sich aus den vorgestellten Ergebnissen zur historischen Wirtschaftsentwicklung auch Schlußfolgerungen für die aktuelle Regionalpolitik in Deutschland ableiten lassen. Aufgrund der Art der hier vorgenommenen Analyse kann es sich dabei sicherlich weder um die Ableitung konkreter einzelner Handlungsempfehlungen noch um die Entwicklung umfassender Handlungskonzepte handeln. Wohl aber könnten die Ergebnisse relevant für die generelle Einschätzung der Ansatzpunkte, Grenzen und Spielräume für eine Verringerung der großräumigen Entwicklungsdifferenzen in Deutschland sein.

In der Vergangenheit wurden allerdings großräumige Entwicklungsdifferenzen im Nord-Süd- oder West-Ost-Raster weniger als ein zentraler Anknüpfungspunkt der Regionalpolitik in der Bundesrepublik gesehen. Dies gilt zumindest für die Regionalpolitik im engeren Sinne, worunter hier gesamtstaatlich koordinierte und auf den regionalen Ausgleich gerichtete Aktivitäten und nicht die An-

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

strengungen der einzelnen Regionen wie z.B. der Bundesländer zur Verbesserung ihrer Stellung in der regionalen Wachstumshierarchie verstanden werden. Eine solche Regionalpolitik im engeren Sinne wird in der Bundesrepublik vor allem im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur betrieben. Im Blickpunkt der Gemeinschaftsaufgabe stand zunächst allein die Verbesserung der Stellung des ländlichen Raumes im wirtschaftlichen ZentrumPeripherie-Gefälle. Erst in den achtziger Jahren wurden dann auch sogenannte altindustrielle Verdichtungsgebiete mit besonderen Arbeitsmarktproblemen in die Förderung aufgenommen, ohne dabei unmittelbar den Ausgleich großräumiger Entwicklungsdifferenzen als Zielgröße aufzunehmen. Mit der Vereinigung Deutschlands allerdings hat sich dies geändert. Die ostdeutschen Bundesländer sind als Ganzes als Fördergebiet der Gemeinschaftsaufgabe ausgewiesen. Gleichzeitig wurde und wird die Förderkulisse in Westdeutschland reduziert. Eine der zentralen Aufgaben ist gegenwärtig die Verringerung der großräumigen Disparitäten zwischen Ost- und Westdeutschland. Ausgangspunkt für die Einschätzung der regionalpolitischen Möglichkeiten zur Beeinflussung großräumiger Entwicklungsunterschiede ist die Feststellung, daß im historischen Rückblick feste einheitliche Ausgleichstendenzen oder Konzentrationsprozesse auf dieser regionalen Ebene nicht bestehen. Vielmehr wechseln sich solche Prozesse offensichtlich ab. Zwischen 1895 und 1925 überwogen regionale Konzentrationsprozesse. Der Zeitraum 1925 bis 1961 war eindeutig auch großräumige Ausgleichstendenzen bestimmt, während zwischen 1961 und 1987 in der Bundesrepublik wieder regionale Konzentrationsprozesse zunahmen. Keine der Großregionen konnte dabei immer die regionale Wachstumshierarchie anführen und keine der Regionen verzeichnete dauerhaft unterdurchschnittliche Entwicklungen der Beschäftigung. Dies bedeutet einerseits, daß die Regionalpolitik wohl nicht auf dauerhafte autonome Ausgleichstendenzen in den großräumigen Regionalstrukturen setzen kann. ~dererseits zeigen die historischen Prozesse aber auch, daß es offensichtlich keine unverrückbaren regionalen Verteilungsmuster oder immerwährende großräumige Konzentrationsprozesse in Deutschland gibt. Die Veränderbarkeil regionaler Verteilungsmuster sagt jedoch noch nicht, daß durch staatliche Aktivitäten die großräumigen Entwicklungsmuster beeinflußt werden können. Ansatzpunkte für eine Beeinflussung großräumiger Regionalstrukturen durch staatliche Aktivitäten lassen sich allerdings aus den vorgenommenen Analysen durchaus fmden. Einer dieser Ansatzpunkte liegt dabei außerhalb der eigentlichen Regionalpolitik in der gesamtstaatlichen Beeinflussung der im Inland produktionswirksamen Nachfrage. Vor allem bei standortgebundenen Leitsektoren können durch gezielte nachfrageseitige Maßnahmen auch unmittelbar bestimmte regionale Impulse induziert werden.

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Ein Weg der Einflußnahme ergibt sich aus der Staatsnachfrage selbst. Prägnante historische Beispiele hierfür zeigen sich im Rüstungsbereich. So war u.a. der Aufbau einer Kriegsmarine immer auch mit positiven wirtschaftlichen Impulsen für das Schiffbauzentrum Nord-West verbunden und umgekehrt. Ein anderer Weg der Beeinflussung der Regionalstrukturen über die im Inland wirksame Nachfrage ist die Subventionierung bestimmter Güter oder die Reglementierung vor allem des Außenhandels. Der in der Region Mitte-West konzentrierte Kohlenbergbau ist hierfür sicherlich ein anschauliches Beispiel. Der Staatshaushalt ebenso wie die Subventionierung bestimmter Güter oder die Reglementierung der Märkte können sicherlich bei bekannten und festen regionalen Verteilungsmustern der Produktion auch gezielt für die Beeinflussung großräumiger Regionalstrukturen eingesetzt werden. Als strategisches Instrument der Regionalpolitik ist es dennoch nicht geeignet. Güter primär nur deswegen nachzufragen oder dauerhaft teurer zu beziehen, weil sie in bestimmten Regionen erstellt werden, kann zu gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrtsverlusten führen, die in der Regel kaum von den Vorteilen einer ausgeglicheneren Regionalstruktur aufgewogen werden. Strategisches Ziel der Regionalpolitik muß die Beeinflussung der Regionalstruktur ohne eine Verzerrung der Präferenzstrukturen und ohne eine dauerhafte Erhöhung der Produktionskosten sein. Entsprechend liegt der Ansatzpunkt in der Verbesserung der Produktionsbedingungen in benachteiligten Regionen, um diesen die Erlangung höherer Produktionsanteile bei einzelnen Gütern und Sektoren im Standortwettbewerb zu ermöglichen. Durchgreifende regionale Strukturverschiebungen dürften allerdings bei standortfixen und und -stabilen Leitsektoren auch dann eher unwahrscheinlich sein. Ohne daß dies hier genauer analysiert wurde, dürfte doch davon auszugehen sein, daß die hohe Standortbindung solcher Sektoren durch eine Vielzahl von spezifischen Standortanforderungen begründet ist. In Regionen, in denen diese Sektoren bislang wenig vertreten waren, wird es schwerfallen, einen gleichwertigen Mix benötigter regionaler Ressourcen aufzubauen. Bei möglichen regionalen Produktionsverlagerungen standortfixer oder -stabiler Leitsektoren stellt sich allerdings für Ostdeutschland die Situation etwas anders dar als für zurückbleibende Regionen in Westdeutschland. Hier gibt es eine ganze Reihe ehemals großer Standorte standortfixer und -stabiler Leitsektoren z.B. in den Bereichen Elektrotechnik oder Büromaschinen/EDV, die in bezug u.a. auf das Arbeitskräftepotential durchaus sektorspezifische regionale Ressourcen aufgebaut haben. Die Anpassung solcher sektorspezifischer Ressourcen an die veränderten sektoralen Anforderungen dürfte leichter fallen als deren Neuaufbau. Entsprechend könnten bei einer Beseitigung von Defiziten in anderen Bereichen wie der Verkehrs- und Forschungsinfrastruktur auch bei standortfixen und -stabilen Leitsektoren hier Aufholprozesse einsetzen. Sicherlich generell leichter dürfte die unmittelbare Beeinflussung großräumiger Produktionsverteilungen durch die Regionalpolitik bei standortvariablen

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F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

Leitsektoren fallen. Hier scheinen die Bindungen an ganz bestimmte regionale Ressourcenkombinationen gering. Zumindest weisen die häufigen regionalen Verschiebungen darauf hin, daß die spezifischen Standortanforderungen dieser Sektoren auf regionale Ressourcen gerichtet sind, die in vielen Regionen grundsätzlich vorhanden sind bzw. sich in den verschiedenen Regionen entwickeln und aufbauen lassen. Prägnante historische Beispiele für solche Entwicklungen sind sicherlich die großen Unternehmensgründungen von VW und Buna im Nationalsozialismus. Nichts desto weniger besitzen auch standortvariable Leitsektoren ihren Bedarf an regionalen Ressourcen. Voraussetzung für eine stärkere Teilhabe benachteiligter Regionen an der Entwicklung auch solcher Leitsektoren ist die Verbesserung der Ressourcenausstattung der Regionen. Speziell für Ostdeutschland liegt aufgrund der hohen Defizite in der Infrastrukturausstattung hierin eine wesentliche Aufgabe der Regionalpolitik. Allerdings läßt sich der konkrete Bedarf der Sektoren an die regionale Ressourcenausstattung kaum festlegen. Im Mittelpunkt der Regionalpolitik kann daher nur der Ausbau von Ressourcen mit polyvalenten Einsatzmöglichkeiten wie beispielsweise die Verkehrsinfrastruktur sein. Eine regionalpolitische Strategie, mit dem Ausbau bestimmter regionaler Ressourcen die Attraktivität für einzelne Sektoren zu erhöhen, erscheint dagegen aufgrund der Komplexität sektoraler Ressourcenbedarfe wenig Aussicht auf Erfolg zu besitzen.

Stärkung von Offenheit und Flexibilität Vielmehr weisen die Überlegungen zu den historischen regionalen Umbrüchen bei standortvariablen Leitsektoren darauf hin, daß nicht das generelle Vorhandensein bestimmter regionaler Ressourcen, sondern die Flexibilität der Regionen iur Anpassung der Ressourcen und die Offenheit der Regionen, neue Entwicklungen aufzunehmen, entscheidend für die Positionsverbesserung der Regionen war. Die Stärkung von Offenheit und Flexibilität in den Regionen kann selbstverständlich nicht originäre Aufgabe gesamtstaatlicher Regionalpolitik sein. Dies müssen die Regionen selbst leisten. Die Regionalpolitik kann dabei nur helfen, notwendige Anpassungsprozesse der regionalen Ressourcen z.B. finanziell zu unterstützen. Allerdings muß man sich auch dann bewußt sein, daß bei der Entwicklung standortvariabler Leitsektoren es häufig nur zu regionalen Umbrüchen kommt, wenn sich auch die Sektoren selbst in gravierenden Umstrukturierungsphasen befmden. Entsprechend bleiben die Einflußmöglichkeiten der Regionen auch von gesamtwirtschaftlichen Bedingungen abhängig. Solange die technischen, organisatorischen und marktliehen Entwicklungsmuster in den Sektoren stabil sind, sind auch die Potentiale für eine Veränderung der regionalen Verteilungsmuster

F. Zusammenfassung und Schlußfolgerungen

271

der Sektoren gering. Eine Strategie der Offenheit und Flexibilität von Regionen wird daher in vielen Fällen erst langfristig Erfolg haben.

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Sachwortverzeichnis Abgrenzungen - regionale 54 ff. - sektorale 51 ff. - zeitliche 59 ff. Abwertungswettlauf 31 Administration 251; 253 Agglomerationsgrad, optimaler II Agglomerationsvorteile 11; 12; 127; 131 Agrarstaat 51 Akzeleratoreffekte 126 Allianzen, regionale 252 f. Anpassungspotential, regionales 264 Anstoßwirkungen 126 f.; 131; 182 Arbeitskräfteangebot 243; 249 Arbeitsproduktivität 29; 49 Arbeitsstättenzählungen 13; 50 f.; 58; 71; 101; 117 Arbeitsteilung, internationale 46; 55; 94;217;238 Arbeitsteilung, regionale 55; 77 Audi 244 Aufrüstung 235;243;264 Ausgangssituation 1895 - regional 10 I ff. - sektoral 63 ff. Außenhandelsbeziehungen 25; 31 f.; 124; 194 Außenhandelstheorie 22 Autobahnnetze 34 Baden-Württemberg 56; 129 Ballung, räumliche II; 127; 129 f. BASF 244 Basis- und Folgeinnovationen 38 ff.; 245 f. Bayer 56; 244; 245

Bayern 56 Beratungsdienstleistungen 89 Berlin 31; 56; 77; 103 ff.; 147; 157 f.; 168; 174f.; 184ff.; 199;203; 231 ff. Berufstätigenerhebung 13 Bestimmtheitsmaß R2 179; 180; 181; 209 Betriebsgröße 71; 73 f.; 76; 85; 88; 98; 100; 117;239;256 Bevölkerungsdichte 101 ff.; 232 Bevölkerungsentwicklung 101; 103 BMW 244f. Brandenburg 56; 115 Bremen 56; 105 f.; 121 Buna 244 Bundesländer 56; 77 Bundesstaaten 56 Daimler-Benz 244 Deindustrialisierung 29 Demontage 31; 82 Devisenrentabilität 32 Einkommenselastizität 28 f. Einkommensentwicklung 50 Einkommensverteilung 33; 46 Einzelfertigung 243 Eisenbahnnetze 34; 35; 67 Elitezirkulation 40 Endnachfragebereiche 91 Entwicklungsgesetze, ökonomische 24 Entwicklungsstufen nach W. W. Rostow 25 f. Entwicklungsprozeß, evolutorischer 47 Entwicklungstypen, sektorale 73 ff.; 85 ff.; 239 ff.

Sachwertverzeichnis Exportquoten, sektorale 139 ff. Externe Effekte 11; 127 Faktonnengen 23; 192 Faktorpreise, regionale 192 Fertigungsaktivitäten 89 Fordismus 27 Frankfurt 113 Frankreich 15; 126 Führungssektoren 26; 38 f. Gebietsabtretungen 30; 54 f. Gemeinschaftsaufgabe, regionalpolitische 268 Genua 241 Gesellschaftsordnung 25 Gewerbezählung 53; 63 Gewerkschaften 42; 44; 251; 253; 267 Gewinne 36 f. Gini-Koeffizient 70; 83 f.; 107; 111 ff.; 225; 228 Gleichgewicht, dynamisches 23 Großbetriebe 31; 115 Großbritannien 12; 15; 122 Gruppeninteressen 45 Güter, technologieintensive 32 llamburg 56; 105; 106; 108; 121;255 Hauptstadtfunktion 168 Hessen 56; 255 Humankapital 12; 195; 196; 282 IG Farben 244 Importsubstitution 32 Indikatoren, ökonomisch-statistische 49 ff. Industrialisierung 11; 24 ff.; 63 ff.; 101 ff.; 110; 121 f.; 195; 235; 242; 251 Industrialisierungsstadien nach W.G. Hoffinann 26 f. Industrielle Revolution, zweite 27 Industriestädte 108; 128

289

Infonnationsbeschaffung 42; 44; 47 lnfonnationsdienstleistungen 29 Infrastrukturgüter 33 Infrastrukturleistungen 192 Infrastrukturzyklen 34 ff. Innovationspotential 12; 246 f.; 249 Input-Output-Analysen 91; 138; 139 Institutionelle Sklerose 41; 45; 249 Institutioneller Wandel 44 ff. Invention 39 f.; 283 Investitionsgüter 22; 27; 33; 124; 146 Irrtumswahrscheinlichkeit 208 ff. Jugarzyklen 15 Kapitalintensität 26; 242 Kartellbildung 42 Kitchenzyklen 15 Klima, soziales 41 Köln 113 Kolonialländer 31 Kommunikationssysteme 34 Kondratieffzyklen 17 f.; 59; 62 ff.; 101 ff.; 117f.; 134; 136; 174f.; 209; 211 Konsumgüter 25 f. Konzentrationskoeffizient 70; 84 Konzentrationsniveau - regional 107; 111 f.; 218 - sektoral 70 f.; 84 Koppelungseffekte 126 Kreise, administrative 58 Kriegsfolgen, ökonomische 30 f.; 113 Krisentheorie 33 Kuznetzzyklen 15 Lage, wirtschaftsgeographische 11; 195 Lange Wellen 18 ff. Lebenszyklus, sektoraler 217 Leitsektoren - Bedeutung in der DDR 182 ff. - quantitative Impulse 143 ff.; 172 ff. - statistische Identifizierung 133 ff.

290

Sachwertverzeichnis

Leitsektorenentwicklung - Büromaschinen/EDV 162 ff. - Chemieindustrie 155 ff. - Elektrotechnik 157 ff. - Fahrzeugbau 160 ff.; 225 ff. - Kunststoffverarbeitung 162 ff. - Maschinenbau 153 ff. - Montanbereich 150 ff. - Textilindustrie 148 ff. Leitsektorentypen - alte 131; 198 ff.; 230 - neue 131; 198 ff.; 224; 231 - permanente 198 ff.; 231 - standortfixe 229; 234 ff. - standortstabile 230; 234 .ff. - standortvariable 230; 239 ff. Leuna 244 Liberalismus, wirtschaftlicher 45 f. Löhne 192 Lokalisationsvorteile 128

Opel 244 Parteien 54; 251; 253; 267 Pionierunternehmer 36 f. Planifikation 126 Polarisierungseffekte 126 f. poles de croissance 126 Preisbereinigung 49 Preiseffekte 17 Preiselastizitäten 29 Produktion, industrielle 59; 61 f.; Produktionsfunktion 192 Produktionsindex 18 Produktionsparadigma 25; 27 f.; 43 f. Produktionsstandort, gewinnmaximaler 192 Produktivität 25; 29 Produktlebenszyklus 33 Provinzen, preußische 56; 58 Qualifikationsprofil 242 f.

Makrosektoren 28 f. Marktstruktur 3 7; 41 Markttransparenz 42; 44 Massenkonsum 25 f. Massenproduktion 32; 243 Mecklenburg-Vorpommern 56 Mentalitäten 25(j; 252 Mercedes-Benz 244 Mittelengland 12; 121 Mobilitätskosten 192; 194 Monopolrente 36 Multiplikatoranalyse 123 München 110; 113 Nachfragepotentiale 43 Nachfrageverschiebungen 238 Niedergangsprozeß, regionaler 121 Niedersachsen 56 Nordrhein-Westfalen 56 Nürnberg 11 0 Offenheit, regional-institutionelle 252; 266; 270 ff.

Regierungsbezirke 58 Reglementierung, marktliehe 269 Regressionsschätzungen 179; 209; 211 Regulierung 42 Reparationsleistungen 30 Ressourcen, regionale 194; 233; 249; 253 Ressourcenkombinationen 195 f.; 270 Rheinland-Pfalz 56; 255 Rohstoffe 32; 192 Rostock 115 f. Rotterdam 241 Ruhrgebiet 105; 108; 113; 121; 231; 237 Saarland 56; 58; 121 Sachkapital 195 Sachsen 31; 56; 103 ff.; 121; 231 f.; 245 Sachsen-Anhalt 56 Scheinkorrelationen 181 Schleswig-Holstein 56

Sachwortverzeichnis Schlüsseltechnologien 39 Schockanalysen 31 Schöpferischen Zerstörung 37 Shift-Share-Analyse 119 f.; 189 Siedlungsstruktur 195 Signiflkanmiveau 180 f.; 210 Slutzky-Effekt 17 Smanmachfrage 68;269 Standortbindung 196 f.; 212; 217 f.; 224;269

Standorteffekt 120 Standortentscheidungen 188; 244 Standortfreiheit 218 Standorttheorie 191 f.; 278 Stockungsspannen 34 Struktureffekt 120 Strukturwandel - alltäglicher 23 - evolutorischer 47 - intrasektoraler 71 ff.; 84 ff.; 239 ff. - regionaler 13; 22; 49 f.; 101 ff.; 191 ff; 196 f.; 233 ff. - sektoraler 12 ff.; 22; 24 ff., 62 ff.; 133 f.; 188 ff.; 233 ff. Subventionierung, sektoral 269 Taylorismus 27 technology districts 130 Territorialbezirke 56; 58 Tertiärisierung 29 Thüringen 31;56 Toleranzkoeffizient 209 f. Topographie 194 Transaktionskosten II; 41 ff.; 246 Transportkosten 129 f.; 192 Trendbereinigung 17 Trendprojektionen 120

291

Überakkumulationsthese 35 UdSSR 17; 25 Umland 11; 138 Unternehmensverbände 42; 44; 251; 253;267

Urbanisationsvorteil 128 Urbanisierung 11; 67 USA 12; 15; 61; 122; 141 Varianz 209 f.; 222 ff.; 239 Varianzinflation 209 f. Vereinigung, deutsche 12; 118 Verkehrsinfrastruktur 270 Volkszählungen 51 Vorleistungsverflechtungen 144

vw

244;270

Wachstumsbeitrag, relativer 171 f.; 199 f. Wachstumssockel, autonomer 181 Wachstumstheorie - makroökonomische 22 - regionale 24 Währungsschnitte 49 Wechsellagen 33 Weltkrieg - erster 55;58;67; ISS; 162;249

- zweiter 18; 56; 61; 77 ff.; 92 ff.; 108; 111; 115 ff.; 141 ff.; 147 f.; 152 f.; 158; 162 ff.; 175; 231 f.; 249;

Weltwirtschaftskrise 30; 61; 68; 76 Wettbewerb, atomistischer 23 Wettbewerbsintensität 42 ff.; 47 Wettbewerbsmodell, schumpetersches 36 ff. Wolfsburg 244 Württemberg 56; 106; 110; 129