Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande: Kriminalität in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt – Strasburg in der Uckermark 9783412213121, 9783412209520


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German Pages [276] Year 2015

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Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande: Kriminalität in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt – Strasburg in der Uckermark
 9783412213121, 9783412209520

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Ellen Franke Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande

Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas Herausgegeben von

Klaus Lüderssen, Klaus Schreiner, Rolf Sprandel und Dietmar Willoweit Fallstudien Band 10

Ellen Franke

Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande Kriminalität in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt – Strasburg in der Uckermark

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Stiftung Mittelalterliches Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber, der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat, Bonn,

sowie der Gesellschaft für Pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst e. V.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Prime Rate Kft., Budapest Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-412-20952-0

Geleitwort Es ist heute zwar eher möglich als früher, eine Magisterarbeit zu veröffentlichen, doch ist es zu Recht immer noch nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Zu den gut begründbaren Ausnahmen, die eine Veröffentlichung nicht nur gerechtfertigt erscheinen lassen, sondern sogar nach ihr verlangen, gehört die vorliegende, 2009 mit dem Johann-Gustav-Droysen-Preis des Fördervereins des Instituts für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin e.  V. ausgezeichnete Arbeit von Ellen Franke. Die Verfasserin hat einen für die Landesgeschichte und speziell für die Rechtsgeschichte der Mark Brandenburg einzigartigen Bestand an ungedruckten Strafrechtsquellen, der von der Forschung bisher nicht beachtet worden ist, umfassend ausgewertet. Es handelt sich um die „Criminalia“ der uckermärkischen Stadt Strasburg aus dem Zeitraum von 1540 bis 1630. Unter Einbeziehung aller sonstigen verfügbaren Quellen hat Ellen Franke nicht nur eine wichtige Untersuchung zur lokalen Kriminalität, sondern zugleich zur Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur einer stark agrarisch geprägten märkischen Kleinstadt im 16. und 17. Jahrhundert vorgelegt. Erstmals wurde frühneuzeitliche Kriminalität in einer Kleinstadt mit Magdeburger Recht erforscht, einem im östlichen Mitteleuropa sehr weit verbreiteten und maßgeblichen Stadtrecht. Mit der vorliegenden Lokalstudie kann die brandenburgische Landes- und Rechtsgeschichte an die aktuelle Kriminalitätsforschung anknüpfen und einen Beitrag zur Erforschung ländlicher Kriminalität im Nordosten des Alten Reiches und in der brandenburgischen Peripherie leisten; es ist zu wünschen, dass die Arbeit für den Vergleich mit anderen Städten genutzt wird. Darüber hinaus reiht sich die Arbeit ein in die allgemeine rechtsgeschichtliche Forschungsdiskussion zum Übergang von der eher flexiblen und um Konsens bemühten „vormodernen“ Ahndung devianten Verhaltens in mittelalterlicher Tradition zur „modernen“ neuzeitlichen Strafverfolgung innerhalb eines tendenziell einheitlichen territorialstaatlichen Gerichtswesens. Die Strasburger „Criminalia“ fallen in die Umbruchszeit, zu deren Erhellung auf lokaler Ebene bisher nur wenige aktengestützte Untersuchungen vorgelegt worden sind. Ellen Frankes Studie zeigt, dass ungeachtet des Vordringens der territorialobrigkeitlichen Gerichtsgewalt die mittelalterliche Tradition der Konfliktlösung durch konsensualen Ausgleich innerhalb der städtischen Gemeinde im Untersuchungszeitraum in Strasburg durchaus noch fortlebte. Ellen Franke macht die Problematik unter anderem mit Hilfe eines auf der Grundlage der Quellen gezeichne-

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Geleitwort

ten bildhaften Vergleichs deutlich: der auswärtige Notar, der hauptberuflich und persönlich distanziert im Rathaus an den Verhören beteiligt war und der eine rasche formelle Konfliktlösung anstrebte, auf der einen Seite sowie die Strasburger Ratmannen und Richter, die an die städtische Gemeinschaft gebunden waren und die die Entscheidung z. B. auf die Zeit nach der Ernte verschieben wollten, auf der anderen. Die Darstellung wechselt anschaulich zwischen der Analyse lokal exemplarischer Einzelfälle und Bezügen zur allgemeinen kriminalhistorischen Forschung. Auf Erkenntnisgewinne im Kleinen folgt jeweils die Einordnung in langfristige Entwicklungen. Dietmar Willoweit sowie Klaus Lüderssen, Klaus Schreiner und Rolf Sprandel ist zu danken, dass sie die Arbeit von Ellen Franke in die Reihe Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Fallstudien des Böhlau Verlages aufgenommen haben. Michael Menzel

Winfried Schich

Vorwort der Autorin Die vorliegende Arbeit wurde 2008 am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin zur Erlangung des Magistergrades unter dem Titel Kriminalität in einer frühneuzeitlichen Kleinstadt – Strasburg in der Uckermark eingereicht. Im Juni 2009 wurde sie mit dem Johann-Gustav-Droysen-Preis des Fördervereins des Instituts für Geschichtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin e. V. ausgezeichnet. Den Mitgliedern der Jury danke ich für die mir zuteilgewordene Ehre. Um die vielfältigen Facetten, die mit der Strasburger Alltagskriminalität in der Frühen Neuzeit verbunden sind, bereits im Obertitel anzudeuten, kam es für die Publikation zu dem Zusatz Von Schelmen, Schlägern, Schimpf und Schande. Schelm war – anders als heute – in der Frühen Neuzeit eines der stärksten Schimpfworte, eingesetzt mit dem Ziel, die Ehre des Gegners empfindlich zu verletzen. Häufig sind in den Quellen derartige Diffamierungen anzutreffen. Schläger wiederum bildet das im Untersuchungszeitraum in Strasburg am meisten begangene Delikt ab, nämlich die Körperverletzung. Die Begriffe Schimpf und Schande begegnen ebenfalls in den Kriminalquellen der Zeit – so brächte das Verhalten des Täters über die Familie Schimpf im Sinne von Schande. Begangene Unzucht – in Strasburg nach Körperverletzung und Diebstahl ein häufig begangenes Delikt – war mehr als schändlich und konnte hart bestraft werden, es sei denn, die Obrigkeit bewog die Täter zur anschließenden Heirat. Ansonsten wurde die Studie in der Form, wie sie seinerzeit vorgelegt worden ist, weitestgehend belassen. Die seit der Einreichung der Arbeit neu erschienenen Forschungen zur historischen Kriminalität sowie zur Stadt- und Rechtsgeschichte sind nicht nachträglich eingearbeitet worden. Lediglich mittlerweile erschienene Werke, die 2008 noch als Manuskripte genutzt wurden, erscheinen nun als Druckausgaben. Die Entscheidung resultierte zum einen aus der Einsicht, dass umfangreiche Nachbesserungen bzw. Ergänzungen dem runden Erscheinungsbild einer Arbeit oftmals wenig zuträglich sind und zum anderen daraus, den Charakter der Studie als Qualifizierungsarbeit zum Magister Artium beizubehalten. Das Buch wäre ohne die Unterstützung anderer so nicht entstanden und ich möchte an dieser Stelle all denjenigen danken, die das Gedeihen und die Vollendung der Arbeit begleitet, gefördert oder zum Teil erst ermöglicht haben.

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Vorwort der Autorin

In erster Linie danke ich Prof. Dr. Winfried Schich, an dessen Lehrstuhl ich eine auf Vertrauen, Anerkennung und Kooperation basierende Arbeitsatmosphäre vorfand, in der in konstruktiven Gesprächen so manche Idee reifte. Über die Jahre hinweg ist er für mich zu einer ganz besonderen Vertrauensperson geworden. Sein Rat und seine Unterstützung waren und sind stets beste Voraussetzungen für meine Arbeit. An seinem Lehrstuhl wiederum war es insbesondere Dr.  Peter  Neumeister, der während meiner Beschäftigung mit der Strasburger Kriminalitätsgeschichte ein um das andere Mal ein offenes Ohr für Probleme, Unsicherheiten und Methodenfragen hatte. In gleicher Weise danke ich Prof. Dr. Michael Menzel, der nicht nur das Zweitgutachten anfertigte, sondern immer wieder ein gern kontaktierter Gesprächspartner ist. Der Gedanke, die Arbeit zu publizieren, reifte in einem der konstruktiven Arbeitsgespräche, die PD  Dr.  Klaus  Neitmann, der Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, und ich am Rande eines unserer gemeinsamen Projekte – sei es zur Stadtgeschichte Prenzlaus oder zur Rechtsgeschichte der Niederlausitz – führten. Er ermunterte mich, die kriminalhistorische Lokalstudie zu Strasburg einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nicht nur dafür gebührt ihm mein ganz besonderer Dank. Dass die Untersuchung in der vorliegenden Reihe erscheinen kann, ist das Verdienst von Prof. Dr. Dietmar Willoweit, der die Arbeit in der Weihnachtspause 2010 las, konstruktive Kritik übte und anbot, sie in die Reihe des Böhlau Verlages aufzunehmen. Dafür bin ich ihm sowie Prof.  Dr.  Klaus  Lüderssen, Prof. Dr. Klaus Schreiner und Prof. Dr. Rolf Sprandel als den Herausgebern zu großem Dank verpflichtet. Ferner war er so freundlich, bei der Stiftung Mittelalterliches Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber einen ansehnlichen Druckkostenzuschuss zu vermitteln. Auch dafür bin ich ihm äußerst verbunden. Erst die finanziellen Zuschüsse durch die Stiftung Mittelalterliches Kriminalmuseum Rothenburg ob der Tauber, die Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat, Bonn, sowie die Gesellschaft für Pommersche Geschichte, Altertumskunde und Kunst e. V. ermöglichten die Drucklegung – diesen drei Geldgebern sei für ihre großzügige Unterstützung außerordentlich gedankt. Ferner war Michael Aumüller M. A. so freundlich, mir seine Magisterarbeit Delinquenz im spätmittelalterlichen Freiburg – Untersuchungen anhand des sogenannten Urfehdbuches zuzusenden, auch Dr.  Monika  Mommertz überließ ein Manuskript ihrer unveröffentlichten Dissertation Handeln, Bedeuten, Geschlecht. Konfliktaustragungspraktiken in der ländlichen Gesellschaft der Mark Branden-

Vorwort der Autorin 9

burg (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts bis zum Dreißig jährigen Krieg), Florenz 1997. Ein anregendes Gespräch führte ich mit dem ehemaligen Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Strasburg, Christhart  Riedel, und gern erinnere ich mich an unseren gemeinsamen Spaziergang durch Strasburg. Erwin Schulz (Lübbenow) vertraute mir nach einem Gedankenaustausch Reproduktionen von Quellenmaterial aus der Universitätsbibliothek Greifswald zur Einsicht an, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Darüber hinaus möchte ich dem Mitarbeiterteam um Kerstin  Bühring im Brandenburgischen Landeshauptarchiv in Potsdam sehr herzlich für die ertragreichen und angenehmen Aufenthalte in ihrem Haus danken; sie kamen im Lesesaal meinen Nutzerwünschen in stets fachlich-kompetenter und freundlicher Weise nach. Auch Dipl.-Ing. Holger Scheerschmidt half schnell und unbürokratisch bei der Sichtung des Strasburger Kartenmaterials. Ihm und der Kartenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz ist für die Gewährung einer kostenlosen Veröffentlichungsgenehmigung für das im Anhang publizierte Kartenmaterial aus den Beständen der Staatsbibliothek zu danken. Gleiches gilt für die Abbildungen aus den Beständen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs und für die Genehmigung, Auszüge aus dem Historischen Handatlas von Brandenburg und Berlin, der von der Historischen Kommission zu Berlin e. V. herausgegeben wird, veröffentlichen zu dürfen. Insgesamt gilt allen mein Dank, ebenso wie Dorothee Rheker-Wunsch vom Böhlau Verlag, die die Drucklegung begleitete. Dem wissenschaftlichen Umfeld und den beruflich-akademischen Förderern gleichgestellt, gebührt meinen Freunden und meiner Familie ein mit Worten kaum angemessen auszudrückender Dank. So haben sich Freunde und befreundete Kollegen nicht nur den Mühen des Korrekturlesens unterzogen und das Manuskript durch einen unvoreingenommenen Außenblick konstruktiv bereichert, vielmehr haben sie mich in unzähligen Gesprächen mit freundschaftlicher Geduld ermutigt und unterstützt. Zu nennen sind hier insbesondere Silke Kuhnert, Dr. Christian Popp, Sylvia Rosendahl und Dr. Michael Werner, die sich an Wochenenden und in ihrer Freizeit in die Niederungen der Strasburger Kriminalität begaben. Darüber hinaus möchte ich meinen Eltern, Gerda und Siegfried Franke, danken, die meinen Entschluss, nach dem Ersten juristischen Staatsexamen noch ein Geschichtsstudium zu absolvieren, verständnisvoll akzeptierten und in jeder

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Vorwort der Autorin

Hinsicht unterstützten. Ihr Vertrauen und ihre Liebe sind mir stets ein unschätzbarer Rückhalt – ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Wien, im November 2012

Meinen Eltern

Inhalt Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vorwort der Autorin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1. Forschungsüberblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3. Die Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4. Untersuchungszeitraum – 1540 bis 1630. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5. Begriff Kriminalität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 19 21 24 28 30

3. Der kleinstädtische Rahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1. Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1. Verfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2. Nahmarktfunktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3. Städtische Wirtschaftsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4. Gesellschaftsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5. Zwischenbetrachtung – Kleinstadt Strasburg . . . . . . . . . . . . . . . 3.2. Strasburger Sanktionsinstanzen zur Ahndung abweichenden Verhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1. Formelle Sanktionen und deren Instanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2. Semiformelle Sanktionen und deren Träger. . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3. Informelle Sanktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 37 40 44 60 64 65 67 84 86

4. Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.1. Transformationsprozess von der informellen zur formellen Sanktionsebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.2. Tatort und Gerichtszugehörigkeit – die Konfliktteilnehmer . . . . . . . . 96 4.3. Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? . . . . . . . 103 4.3.1. Körper und Ehre von Privatpersonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.3.2. Eigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

14

Inhalt

4.3.3. Moral. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4.3.4. Obrigkeitliche Gerichts- und Herrschaftsrechte. . . . . . . . . . . 156 4.4. Zusammenfassung – formelles Sanktionsinteresse. . . . . . . . . . . . . . . . 164 5. Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1. Forschungsstand und Methode. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Der außergerichtliche Vergleich – Sühne – Schiedsverfahren vor dem Rat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3. Die Feststellung der Tat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4. Das peinliche Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5. Haftentlassung mit oder ohne Urteil – die Hafturfehde. . . . . . . . . . . 5.5.1. Gnadenbitten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2. Bürgenwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3. Zwischenbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6. Die Vollstreckung des Urteils – der Endliche Rechtstag. . . . . . . . . . . 5.7. Zusammenfassung – formelle Sanktionspraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

166 166 168 173 183 191 195 197 201 201 205

6. Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 7. Abkürzungsverzeichnis und Siglen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 8. Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.1. Ungedruckte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 8.2. Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 9. Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 10. Abbildungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

1. Einleitung 1612 ging Drewes Henning1 volltrunken mit geladenem Gewehr am helllichten Tag durch die Stadt Strasburg in der Uckermark, was den Argwohn des ihm entgegenkommenden Stadtdieners Jacob Bartelmann hervorrief. Dieser forderte Henning auf, das Gewehr herauszugeben, wodurch ein Konflikt mit tödlichem Ausgang entbrannte. Denn Henning gab die Schusswaffe nicht heraus, sondern richtete sie auf den Stadtdiener, der dank einer Ladehemmung knapp einer Schussverletzung entging. Daraufhin änderte Henning seinen Plan und schlug den Stadtdiener mit dem Gewehr auf den Kopf. Danach flüchtete er gen Stadtausgang, wurde aber vom nacheilenden, wenn auch verwundeten Stadtdiener eingeholt. Inzwischen war auch der Sohn des Stadtdieners dazu gestoßen und griff zugunsten des Vaters ein. Zwischen ihm und Henning kam es zu einem Zweikampf, bei dem der Stadtdienersohn eine Schnittverletzung erlitt, der er kurze Zeit später erlag.2 Wie nun gingen die Strasburger mit Tätern wie Drewes Henning um? Ließ man ihm andern zu abschew […] deß heubt […] wegkschlagen?3 Um die Antwort vorwegzunehmen: Nein. Derartige Todesstrafen wären nach den zeitgenössischen, normativen Halsgerichtsordnungen zwar möglich gewesen. Drewes Henning jedoch wurde uf gueter leutte vleißige vielfeltige vorbitte vom Rat und vom Vater des Getöteten auß Gnade und Gunst aus dem Gefängnis entlassen.4 Wie derartige Aushandlungsprozesse funktionierten und wie sich das komplexe System von informellen (gesellschaftlichen) und formellen (obrigkeit­ lichen) Sanktionen5 wechselseitig bedingte, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die zentrale Fragestellung lautet: Agierte der Rat als formelle 1 Die Personen- und Ortsnamen wurden dem heutigen Sprachgebrauch angepasst. Bei der Wiedergabe der ungedruckten Quellen������������������������������������������� kamen die��������������������������������� Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei der Herausgabe von Quellen zur neueren deutschen Geschichte von Johannes Schultze zur Anwendung, derselbe in: Heinemeyer  1978, S.  25–36. Konsonantenhäufungen wurden nur bei besonders übermäßigem Gebrauch normalisiert. Vgl. zu dieser Vorgehensweise Niederstätter 1985, S. 22. 2 Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA) in Potsdam, Rep.  8, Strasburg, Nr. 1021. Im Folgenden: Strasburg, Nr. 3 Strasburg, Nr. 1021. Vgl. Abb. 11 auf S. 269 (das erste Blatt dieser Urfehde). 4 Ebd. 5 Ausführliche Definitionen unten S. 65f.

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Einleitung

Sanktionsinstanz gemäß den normativen zeitgenössischen Vorgaben ex officio und punitiv?6 Bei näherer Betrachtung ergibt sich ein vielschichtiges Bild und es kann zwischen vier Ebenen unterschieden werden, die die Untersuchung bestimmen werden: Erstens werden Täter eine zentrale Rolle spielen, die mitunter strafbar wurden, um ihren Platz in der Gesellschaft zu sichern oder wiederzuerlangen. Neben den Gestrauchelten werden uns ferner im Affekt oder aus sexueller Lust deviant handelnde Menschen begegnen. Daneben werden Familienmitglieder der Täter, Bürgen oder Fürbitter als Vertreter der Gesellschaft wahrnehmbar. Auf der anderen Seite wird sich die Ebene des Opfers samt dessen Familie öffnen. Und schließlich wird die erfahrungsgemäß am besten überlieferte Ebene der Obrigkeit ins Blickfeld gelangen.7 Im Wechselspiel dieser vier Ebenen wird die Arbeit keine spektakulären Kriminalfälle bieten, sondern typische, kleinstädtische Alltagskriminalität. Wir werden dem in Armut geratenen, aus rechter Hungersnot stehlenden Schuster begegnen ebenso wie dem ehebrechenden Richter, dem seine Fürbitte leistende Ehefrau gegenüber dem inquisitorisch auftretenden Rat zur Seite stand. Was nun soll die vorliegende Untersuchung von der Flut der bereits erschie­ nenen Arbeiten zur Historischen Kriminalitätsforschung unterscheiden?8 Kurz gesagt: Untersuchungsraum und Stadttyp. Charakteristisches Merkmal eines überwiegenden Teils der erschienenen Arbeiten ist die geografische Ausrichtung auf den Süden, Südwesten und Westen des Alten Reiches, insbesondere auf die Metropolen Köln, Frankfurt, Augsburg und Nürnberg. Für den östlichen Bereich bilden Lars Behrisch9 (zu Görlitz) und Monika Mommertz10 (zur Mark Brandenburg allgemein) für die Zeit vor 1648 Ausnahmen. Städte im nordost-

6 Als punitiv soll nachfolgend Strafgerichtsbarkeit gelten, die auf den sozialen Ausschluss und die körperliche Bestrafung des Täters gerichtet war, vgl. hierzu Burghartz 1990, S. 10. 7 Zu verschiedenen Ebenen vgl. auch Burghartz 1990, S. 50; Rudolph 2001, S. 73f. 8 Diese Frage stellte sich auch Lars Behrisch, als er seine Arbeit zur „Sozialkontrolle und Obrigkeit in Görlitz 1450–1600“ mit der vorsichtigen Frage einleitete „Noch eine Arbeit zur Sozialen Kontrolle in der frühneuzeitlichen Stadt?“ (Behrisch 2005, S. 13). 9 Behrisch 2005. 10 Mommertz 1997.

Einleitung 17

deutschen Raum hingegen blieben bislang unbeachtet, sodass zu Recht gefordert wird,11 die weißen Flecken zu füllen. Vor diesem Hintergrund wird erstmals frühneuzeitliche Kriminalität in einer Kleinstadt des Magdeburger Rechts erforscht. Ziel ist es zudem, die Dichotomie der bisherigen Zugriffe – entweder (straf-)rechtsgeschichtlich oder kriminalitätshistorisch – zu überwinden sowie einen Beitrag zur Erforschung kleinstädtischer Untergerichte zu leisten.12 Gleichzeitig wird das märkische Forschungsdesiderat zu den Kleinstädten im „langen 16. Jh.“13 aufgegriffen,14 indem Facetten der frühneuzeitlichen Stadtgesellschaft, der Ratsherrschaft sowie der Wirtschaftsstrukturen in Strasburg beleuchtet werden. So verspricht die primär auf umfassende Quellenanalysen gestützte Momentaufnahme differenzierte Einblicke in die Umsetzung von „Recht“ als Interessenwahrnehmung in einer kleinstädtischen Gesellschaft.15 Im Interessenviereck Täter – Opfer –  Gesellschaft – Obrigkeit dürfen neue historische Erkenntnisse über Strasburg in der Uckermark erwartet werden. Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Eingangs wird Strasburg in den kriminalhistorischen und kleinstädtischen Forschungsrahmen eingebettet. Da der Umgang mit abweichendem Verhalten als kulturelle Variable, als Abbild wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Strukturen vor Ort begriffen wird,16 wird im dritten Kapitel mit einer ausführlichen Analyse der städtischen Verfassung, der Strasburger Wirtschaftsstruktur sowie der dortigen Gesellschaftsgruppen ein stadthistorischer Zugang geschaffen, der den Weg zum leichteren Verständnis der ländlich-urbanen und frühneuzeitlichen Gegebenheiten in Strasburg sowie der Verhaltensweisen der dortigen Akteure bereitet. Hier wird die infor11 Schilling 1999, S. 20f., bes. Anm. 31; Schuster 2006, S. 2; vgl. auch Hahn 1989, S. 137. 12 Gefordert von Nehlsen-von Stryk 2000, S. 631; siehe auch Thauer 2001, S. 21. 13 Schilling 1998, S. 54; Knittler 2000, S. 16. 14 Nach wie vor gilt für die märkische Stadtgeschichte im 16. Jh.: „Die kleinräumige und großregionale Erforschung städtischer Charakteristika und Strukturen sollte […] intensiviert werden, zumal der Kenntnisstand nach den wichtigen Forschungen von Klaus Vetter für den Kreis Lebus noch nicht sehr viel vorangekommen ist.“, Neugebauer 1992, S. 166; vgl. auch Engel 1999, S. 88. 15 In der jüngeren Forschung haben sich „relativ eng umgrenzte Untersuchungsräume als besonders geeignet erwiesen“, Teuscher 1998, S. 12. 16 Dinges 2000, S. 509; Dinges 2002, S. 187; aus soziologischer Sicht Giddens 1999, S. 20, 76. Zur Methode ausführlicher unten S. 21f.

18

Einleitung

melle bzw. gesellschaftliche Sanktionsebene interessieren, um mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse schließlich in Kapitel 4 nach Mechanismen zu fragen, die eine formelle Sanktion auslösten. In diesem für die Erforschung der Kriminalität in Strasburg zentralen Kapitel werden sowohl die beteiligten Personen als auch die vor den Rat gebrachten Taten untersucht. Das Vorgehen des Rates und die Vorgänge in der Ratsstube, in der die Tat nach der Anzeige auf der formellen Ebene verhandelt wurde, werden im fünften Kapitel beleuchtet. Wie gestaltete sich die Rückkopplung der rathäuslichen Sanktionspraxis an die gesellschaftliche Ebene? – wird an der Stelle die leitende Frage sein. Hierbei wird sich in den Urfehden das konsensuale Aushandeln der Strafe am besten ablesen lassen. In einem Resümee schließlich wird die Frage nach den Aushandlungsprozessen beantwortet.

2. Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

2.1. Forschungsüberblick Die Historische Kriminalitätsforschung gilt als eine der innovativen Forschungsrichtungen in der Geschichtswissenschaft.1 Die Pioniere innerhalb der deutschsprachigen Historikerzunft begriffen in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts Historische Kriminalitätsforschung in erster Linie als Protestforschung.2 Angelehnt an englische Arbeiten zur frühneuzeitlichen Kriminalität3 wurden Justiz und Strafverfolgung noch ganz als Instrumente obrigkeitlicher Repression vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Spannungsverhältnisse verstanden. Anfang der 1990er Jahre bezog die Historische Kriminalitätsforschung in Deutschland soziologische Instrumentarien stärker in die Analyse der Gerichtsakten ein. Die sich in den Gerichtsprotokollen widerspiegelnde Kriminalität wurde nicht mehr ausschließlich als real begangenes Delikt4 im Spannungsverhältnis zwischen Täter und Obrigkeit oder als Phänomen von Randgruppen und Marginalisierten begriffen, sondern als „Indikator gesellschaftlicher Strukturen“.5 Es wurde zudem betont, dass das in den Quellen sichtbare Verhalten bereits im Vorfeld von der Gesellschaft als abweichend, das heißt als deviant klassifiziert werden musste, um überhaupt Niederschlag in den Akten zu finden. Die so wahrgenommenen erfolgreichen Etikettierungen der angeklagten Personen durch ihr soziales Umfeld und ihre Mitmenschen waren Ausdruck „einer – in ihrer Komplexität nie ganz auszulotenden – Interaktion der normativ-institutionellen Vorgaben einerseits und der gesellschaftlichen Kriminalisierungs- und Anzeigepraktiken andererseits“.6 Mit der Aufnahme dieses aus der Soziologie entlehnten und 1 Blauert/Schwerhoff 2000, S. 12f. 2 Vgl. dazu Eibach 1996, S. 694–698; Schwerhoff 1999, S. 19; zur Verbindung von Protestforschung und Historischer Kriminalitätsforschung Würgler 1999, S. 345. 3 Zu neueren Arbeiten in Großbritannien vgl. den Literaturbericht von Krause 2005. 4 �������������������������������������������������������������������������������������� Delikt meint im Folgenden Verhaltensweisen, „die in der untersuchten Zeit strafbar waren und auch tatsächlich bestraft wurden“, Burghartz 1990, S. 10. 5 Behrisch 2005, S. 107. 6 Ebd.

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

auf Emile Durkheim zurückgehenden Devianzkonzeptes wurde das Fach für neue Fragestellungen geöffnet.7 Als erste Vertreter der methodischen Neuorientierung sind für den städtischen Bereich insbesondere Susanna Burghartz8 und Gerd Schwerhoff9 zu nennen: Beide rückten Stadtbürger als Täter in den Vordergrund und problematisierten die ganze Palette devianter Verhaltensweisen, sofern sie vor die städtische Justiz kamen.10 Die seitdem erschienenen Arbeiten fokussierten nicht nur auf Kriminalität allgemein, sondern begünstigt durch umfangreiche Quellenbestände vor allem auch auf Einzelaspekte wie Strafverfolgung,11 spezifische Gesellschaftsschichten12 und geringfügige Delikte.13 Zugleich öffnet sich mit den mentalitäts-, alltags-,14 und geschlechtshistorisch15 ausgerichteten Zugängen das breite Spektrum der unter dem Dach der Historischen Kriminalitätsforschung versammelten Arbeiten,16 worin sich deren Anknüpfungsfähigkeit an Theoriemodelle verschiedener Disziplinen offenbart. Mehr als nur ergänzt wird das Feld der geschichtswissenschaftlich ausgerichteten Historischen Kriminalitätsforschung durch rechtshistorische Untersuchungen. Zwar schätzte Joachim Eibach den Beitrag der Strafrechtsgeschichte angesichts ihrer normativ-dogmatischen Ausrichtung 1996 eher als gering ein.17 7 Ebd., S. 18f. 8 Burghartz 1990; die Arbeit ist aufgrund des zeitlichen Schwerpunktes im 14. Jh. für die vorliegende Untersuchung in erster Linie methodisch relevant. 9 Schwerhoff 1991. 10 Eibach  1996, S.  699; der seit 1991 bestehende und unter anderem von Andreas Blauert und Gerd Schwerhoff getragene Arbeitskreis „Historische Kriminalitätsforschung in der Vormoderne“ bildet dafür die institutionelle Basis, aus der heraus die Publikationsreihe „Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven“ erwachsen ist (Blauert/Schwerhoff 2000). 11 Bendlage 2003. 12 Zur Oberschicht Schuster 2000a; Henselmeyer 2002; zu den Randgruppen Spicker-Beck 1995; Wiebel/Blauert 1999. 13 Härter 2005. 14 Scheutz 2001; Kertelhein 2003. 15 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien die wichtigsten Werke genannt: Gleixner  1994; Griesebner  2000; Mommertz  1997; Ulbrich  1999; vgl. auch Ulbricht 1995. 16 Sehr instruktiv die Beiträge in: Blauert/Schwerhoff  2000; als Forschungsüberblick ferner: Eibach 1996; Härter 2002; Jerouschek/Rüping 2006. 17 Eibach 1996, S. 681; vgl. hierzu den Stand Anfang der 1990er Jahre zusammenfassend

Methode 21

Doch ist diese Sicht inzwischen zu revidieren.18 So wird die Strafrechtsgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit „streckenweise neu geschrieben“.19 Die steigende gegenseitige Akzeptanz der Rechts- und Geschichtswissenschaft führt zudem dazu, dass geschichtswissenschaftliche Arbeiten das juristische Verfahren und Handeln ernster nehmen und die rechtshistorische Seite die „Notwendigkeit einer sozial- und kulturhistorischen Einbettung rechtlicher Vorgänge“ erkennt.20 Die fruchtbare, gemeinsame Arbeit darf zu Recht hervorgehoben werden,21 wenngleich der methodisch-disziplinspezifische Zugang in monografischen Einzelforschungen mitunter noch erkennbar bleibt.22 Von landeshistorischer Seite hat sich Ernst Schubert23 mit dem Phänomen „Verbrechen und Strafen“ auseinandergesetzt und eine imponierende Fülle normativer, chronikalischer, literarischer und bildlicher Quellen zusammengetragen. Auf breiter Quellengrundlage gelang es ihm, kriminelles Verhalten vor dem Hintergrund modifizierter Begrifflichkeiten lebendig darzustellen.

2.2. Methode Während das in den 1980er Jahren kontrovers diskutierte „heikle Verhältnis zwischen Mikro- und Makrogeschichte“24 einen Methodenstreit auslöste, scheint inSchwerhoff 1991, S. 20f. 18 Vgl. Krause 2005, S. 181. Angestoßen durch ein von 1993 bis 1999 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Forschungsprojekt wächst die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Rechtshistorikern und Historikern in jüngerer Zeit erfolgreich, vgl. auch Baumgärtner 2006, S. 2. 19 Dies mahnte der Rechtshistoriker Günter Jerouschek bereits 1992 an ( Jerouschek 1992, S. 360); mit Literaturhinweisen zur älteren rechtshistorischen Strafrechtsgeschichte einzelner süddeutscher Reichsstädte S. 354, Anm. 88. 20 Dartmann 2007. 21 Rexroth 2006, S. 83f. 22 Normative Quellen und dogmatische Fragestellungen bilden noch bei Ignor 2002 und Krause 1999 die Basis. Auf die gerichtliche Praxis fokussieren Thauer 2001 (auch anhand archivalischer Quellen); Bubach  2005; ansatzweise Willoweit  2007. Die geschichtswissenschaftliche Seite wiederum behandelt Verfahrensfragen, die Gerichtsverfassung oder Aspekte der Normgeltung und –anwendung leider oftmals eher nachrangig, vgl. Gleixner 1994; Mommertz 1997; Behrisch 2005. 23 Schubert 2007. 24 Peters 2007, S. 2; ein kurzer Überblick zur Debatte in Dinges 2002, S. 179f.

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

zwischen ein pragmatischer „Methodenpluralismus“25 breite Akzeptanz zu finden. Großes wird fortwährend und zudem erkenntnisgewinnend im Kleinen untersucht. So soll es auch vorliegend gehalten werden. Es wird von der Prämisse ausgegangen, dass Kriminalität stets ein Produkt des wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umfeldes ist. Vor diesem Hintergrund soll die kleinstäd­ tische Alltagskriminalität als Wechselspiel der eingangs beschriebenen vier Ebenen (Täter – Opfer – Gesellschaft – Obrigkeit) reflektiert werden. Mit den Instrumentarien der kulturhistorisch orientierten Kriminalitätsforschung26 wird weniger nach langfristigen Entwicklungen gefragt, sondern vielmehr nach situativer Interaktion. Da die Quellen bisweilen Licht in das Dunkelfeld27 werfen, ist davon auszugehen, dass mehr Delikte begangen wurden, als in den Akten erscheinen. Als der Strasburger Barbier Zacharias Möller vom Stadtdiener wegen eines schwebenden Diebstahlsverdachtes aufgefordert wurde, im Rathaus zu erscheinen, vermutete er, man wolle ihn aufgrund seiner gegenüber der Gänsehirtin verübten Gewalt überführen.28 Die Gewalttat scheint nicht geahndet worden zu sein, zumindest ist dazu nichts überliefert. Während mutmaßliche Täter in den Verhörprotokollen wiederholt etliche in der Vergangenheit begangene Taten bekannten,29 dürften andere Konflikte aufgrund eines familienübergreifenden Ausgleichs im Sinne 25 Schilling 1999, S. 23; vgl. auch Reinle 2003, S. 74. 26 Methodische Vorbilder waren insbesondere Schwerhoff  1991 sowie die Arbeiten von Martin Dinges; ferner Behrisch  2005; Frank  1995; Eibach  2003 und Burghartz 1990. 27 „Der Begriff Dunkelfeld bezeichnet die Differenz zwischen der Zahl der auf den Ebenen amtlicher Strafverfolgung registrierten Anzeigen bzw. Straftaten (sog. Hellfeld) und der (mehr oder weniger begründet) vermuteten Zahl der tatsächlich begangenen Straftaten“, Eisenberg 2005, S. 131. Vgl. zur Dunkelziffer Hagemann 1981, S. 157, 268; Wettmann-Jungblut 1990, S. 138; Reinle 2003, S. 268f. Für einen produktiven Umgang mit dem Dunkelfeld plädiert zu Recht Schwerhoff („Lamento der Kriminologen über die Dunkelziffern“) in: Schwerhoff 1991, S. 27. Er weist auf die gesellschaftliche Ebene hin, die mit der Etikettierung gleicher Verhaltensweisen einerseits als konform und andererseits als abweichend „Kriminalität“ nicht nur definiere, sondern auch produziere. Anstatt der „Ausleuchtung des Dunkelfeldes“ müsse die Erforschung der Selektionsmechanismen in den Vordergrund rücken, sodass der „lästige Störfaktor“ Dunkelziffer zum Gegenstand der Forschung würde. 28 Ehr hette die gensehirtische geschlagen, und hette sich gedanken gemacht das man im darumb straffen wolte, Strasburg, Nr. 1099, Bl. 44. 29 Zur Quellenkritik vgl. S. 90.

Methode 23

einer informellen Sozialkontrolle auf der gesellschaftlichen Ebene beigelegt worden sein.30 Fahndungserfolge und/oder eine überschrittene gesellschaftliche Toleranzschwelle sorgten realiter für eine Verhaftung. Bisweilen fragten auswärtige Gerichtsherren an, ob ein in Strasburg Inhaftierter in ihrem Gerichtsgebiet begangene – unaufgeklärte – Taten ebenfalls zu verantworten hätte. Hinzu treten Überlieferungslücken. Vom Chronisten Süring überlieferte Strasburger Kriminalfälle,31 die in den vorliegenden Inquisitionsakten nicht enthalten sind, weisen ebenso darauf hin wie die unvollständigen Stadtbücher und Kriminalbände. Deshalb erfahren wir in einer Reihe von Fällen wenig oder nicht mehr, als dass der Konflikt durch Haftentlassung mit Urfehdeeid beigelegt wurde. Ursache, Verlauf, Hintergründe, soziale Umstände oder letztendlich angewandte Strafen bleiben oftmals im Verborgenen. Angesichts derartiger Unwägbarkeiten wird die quantitative Auswertung des gehobenen Materials auf deskriptive Indikator- und Hilfsfunktion beschränkt.32 Die Skepsis der kriminalhistorischen Zunft gegenüber einer rein quantitativen Methode33 ist berechtigterweise sehr groß.34 Den Vertretern der quantitativen Methode wird zu Recht vorgeworfen, aus großräumig gewonnenen Zahlenreihen ohne gesellschaftliche Rückbindung unzulässige Schlüsse gezogen zu haben und mit der von ihnen empfohlenen Falldichte von mindestens 1.00035 Sachverhalten forschungsrelevante Gemeinwesen auszuschließen. 30 Vgl. S. 89–96. 31 Lippert 1996, S. 94, 139. 32 Vgl. Reinle 2003, S. 72, die ganz auf Statistiken und eine quantitative Auswertung verzichtet. 33 Rein quantitativ untersuchte bspw. Schüssler die Kriminalität in Nürnberg (Schüssler 1991) und in Olmütz (Schüssler 1994) für das späte Mittelalter. Siehe auch die Literatur- und Methodenberichte in: Schüssler  1996; Schüssler  1999; Schüssler 2000, in denen die Quantifizierungsmethode überhöht wurde und der Autor postulierte, „dass die Zukunft der ‚quantifizierenden Methode‘ gehöre“ (Schüssler  1996, S. 255). 34 Schwerhoff  1995, S.  26ff.: Schüsslers Versäumnis, Überlieferungsschwächen und methodische Probleme zu benennen, seine selektiven Quellen kritisch zu hinterfragen und dem Kontext der Zeit entsprechend zu interpretieren, hätten zu „grob generalisierenden Thesen“ geführt, die „blaß und wenig bedeutungsträchtig“ erscheinen (ebd., S. 27); vgl. auch eine jüngere, zusammenfassende Stellungnahme in Schwerhoff 2000, S. 28; ähnlich Blauert 2000, S. 91f.; Schuster 2000b, S. 63ff. Allgemeine Kritik am „blutleeren Computerianismus“ bei Schwerhoff 1992, S. 397f. 35 Schüssler  1996, S.  273; Gebiete mit weniger als 10.000 Einwohnern seien zudem

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

Die sich in den Strasburger Akten niederschlagende Kriminalität wurde von den Sachverhalten ausgehend erfasst.36 Der hierbei entstehende Nachteil, beispielsweise eine von 18 Beteiligten begangene Körperverletzung37 genauso wie den von einer Einzelperson verübten Diebstahl38 lediglich als ein Delikt zu zählen, konnte mit der separaten Registrierung der Täter, Opfer und Bürgen als Einzelpersonen entschärft werden. Die Einzelerfassung der Personen gestattete, mehrfach abweichend handelnde Zeitgenossen als Mehrfachtäter oder wiederholt Betroffene als Mehrfachopfer in den Blick zu nehmen.39 In der Vergangenheit verübte Delikte, die zu einem früheren Zeitpunkt keine Anzeige nach sich gezogen hatten, wurden beim Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte fallweise separiert. Wenn sie in Verhörprotokollen Niederschlag fanden, muss mit Kriminalisierungsabsichten der Gegenseite gerechnet werden. Von daher hätte die quantitative Erfassung aller in den Akten aufscheinenden, im Vorfeld nicht angezeigten, Delikte zu einer starken Verzerrung auf der Opferseite sowie im Deliktspektrum geführt, insbesondere bei Diebstahl. Wenn mehrere Rechtsnormen innerhalb eines zur Anzeige gelangten Sachverhaltes gebrochen wurden, wie bspw. Diebstahl und Hehlerei oder Scheltworte und Körperverletzung, wurden beide Delikte gesondert registriert.40 Die quantitativen Angaben und die Grafiken im Anhang haben für die primär qualitative Interpretation der Kriminalquellen unterstützende, weniger thesenbildende Funktion.41

2.3. Die Quellen Den Hauptbestandteil der herangezogenen Quellen bilden die im Brandenburgischen Landeshauptarchiv (BLHA) in Potsdam für Strasburg überlieferten Criminicht repräsentativ. Vgl. zu dieser Vorgehensweise Eibach 2003, S. 92. Strasburg, Nr. 975, Bl. 77. Ebd., Bl. 109. Sobald Wohnort, Beruf, Verwandschafts- oder Dienstverhältnisse keine Eindeutigkeit herstellten, wurde ein Zeitraum von 25 Jahren – mithin eine Generation – als Obergrenze gesetzt, um festzulegen, ob es sich um ein und dieselbe Person oder zwei verschiedene Personen handelte. 40 Vgl. zu dieser Methode auch Eibach 2003, S. 92, 292. 41 Vgl. Schwerhoff 1991, S. 34; Frank 1995, S. 41; Wettmann-Jungblut [ohne Jahr], S. 21ff.; Schubert 2007, S. 37. 36 37 38 39

Die Quellen 25

nalia. Im Vergleich zu anderen märkischen Kleinstädten sind sie für Strasburg recht umfangreich überliefert. Entsprechend dem rathäuslichen Sanktionssystem können diese in verschiedenen Bänden überlieferten Akten in Stadt(gerichts-)protokolle, Inquisitionsakten (im Sinne von Ermittlungs-/Untersuchungsakten), Urfehden und Schöppenstuhlakten unterteilt werden. Die Quellen wurden teils vollständig, teils summarisch transkribiert und mittels einer den Fragestellungen entsprechend gestalteten Access-Datenbank erfasst. In den Stadtgerichtsprotokollen sind die Anzeigen bzw. Beschuldigungen enthalten, die Opfer oder deren Angehörige gegenüber dem Rat vorbrachten. Ferner finden sich dort erste Untersuchungen und Zeugenverhöre. Wenn sich die Parteien am ersten Gerichtstag oder an nachfolgenden Terminen im Rahmen des Schiedsverfahrens nicht einigen konnten bzw. der Rat oder die Parteien es für erforderlich erachteten, ein Strafverfahren einzuleiten, wurden umfangreichere Ermittlungsakten – sogenannte Inquisitionsakten oder Inquisitionalia – angelegt. Sie beinhalten Sachverhaltsberichte, Zeugenaussagen, Korrespondenzen mit auswärtigen gelehrten Juristen (Schöppenstühlen, Juristenfakultäten) sowie den Landesherren, ferner Bekenntnisse, Bittgesuche, Beschwerdeschreiben etc. Für die vorliegende Untersuchung wird hinsichtlich der vom Rat durchgeführten Strafverfahren auf den Begriff „peinliches Strafverfahren“ abgestellt. Dieser Terminus beschreibt die vom Rat durchgeführten Verfahren, die auf eine Körper- oder Todesstrafe (peinliche Strafen)42 zielten, unabhängig davon, ob sie auf Initiative und Kosten eines Privatklägers (Akkusationsprozess) oder des Rates ex officio (Inquisitionsprozess) vorgenommen wurden.43 Die vorliegende Auswahl bezieht sich auf 92 eigenständige Konflikte. Hinzu kommen 136 Urfehdebriefe,44 die weitere 121 Streitfälle betreffen. Die Differenz resultiert aus den gemeinsam begangenen Delikten, hauptsächlich Unzucht. Daneben sind Schossregister und ausgewählte Zivilgerichtsakten in die Analyse eingeflossen, insbesondere zu gesellschaftshistorischen Fragen. Dadurch erhöhte sich die Zahl des herangezogenen ungedruckten Quellenmaterials auf über 800 Datensätze (ohne Schossregister). 42 Schwerhoff 1999, S. 11. 43 Zu den Einzelheiten dieser Prozessarten und der Schwierigkeit, sie zu trennen, vgl. S. 173–177, bes. S. 176f. 44 Zum Unterschied von Urfehdebrief und -protokoll Ebel  [1938], S.  30ff.; Boockmann 1980, S. 9; Blauert 2000, S. 45ff.

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

Die vorliegenden Urfehden sind ausschließlich Hafturfehden.45 Hierbei handelt es sich um den „Zufriedenheitseid des aus dem Gefängnis oder Zuchthaus oder der Untersuchungshaft entlassenen Gefangenen, in welchem dieser die Haft als zu Recht vollzogen anerkannte und gelobte, sich dafür nicht zu rächen […]“.46 Die Hauptmasse der Urfehden wird in den Bänden 975 und 976 des Strasburger Bestandes verwahrt.47 Es besteht der begründete Verdacht, dass sie zu einem nicht rekonstruierbaren Zeitpunkt von den Stadtbüchern separiert worden sind. So heißt es: zu waren urkundt ist diser urfeide ins stadbuch vorzeichnet worden.48 Da zudem im Stadt- bzw. Ratsbuch49 von 159050–162951 kein Urfehdebrief überliefert ist, obwohl in diesem Zeitraum 80 Urfehden geschworen wurden, ist die Ausgliederung mehr als wahrscheinlich. Bei der Interpretation von Hafturfehdebriefen und Gerichtsprotokollen sind einige Besonderheiten zu beachten. Dazu soll noch einmal an die eingangs anhand eines Hafturfehdebriefes beschriebene Körperverletzung mit Todesfolge52 erinnert werden: Drewes Henning hatte in betrunkenem Zustand den Stadtdienersohn mitt einnem großen langen Meßer in der linckern Brust […] gestochen,53 sodass der Stadtdienersohn Bartelmann einige Tage später verstarb. In diesem Fall sind zusätzlich zum Urfehdebrief noch Zeugenaussagen von sechs Strasburgern, die sich unter den um Ausgleich bemühten Schaulustigen54 befanden, sowie

45 Zu den Hafturfehden allgemein HRG 5, Sp. 565–569. 46 Ebel [1938], S. 18. 47 ���������������������������������������������������������������������������������������� Ca. ein Viertel der darin überlieferten Akten betreffen andere Missetaten, Erbschaftsangelegenheiten sowie auswärtige Korrespondenzen. 48 Strasburg, Nr. 975, Bl. 103; ähnlich ebd., Bl. 73, 91f. Zu einem möglichen separaten Urfehdebuch in Berlin oder Cölln siehe Neumeister 1989, S. 84. 49 Ebd., Nr. 1098, Bl. 54. 50 Das Newe Stadbuch des Rades zu Strasburg angefangen ao 1590, ebd., Nr. 1097, Bl. 1. 51 Es umfasst die Archivalienbände Strasburg, Nr. 1097, Nr. 1098 und Nr. 1099. 52 Dies ist kein zeitgenössischer Terminus. Im 16. Jh. bezeichnete man in Strasburg den durch eine Körperverletzung eingetretenen Tod als Mord. Zur Unterscheidung von Totschlag und Mord vgl. unten S. 113. 53 Strasburg, Nr. 1021. 54 Zur Bürgereidpflicht, den städtischen Frieden aufrechtzuerhalten, in Konflikten zu schlichten oder aber zur Tataufklärung beizutragen Schwerhoff  1991, S.  269f.; Schuster 2000b, S. 182ff.; Eibach 2005, S. 189.

Die Quellen 27

eine Rechtsbelehrung des Schöppenstuhles von (Alt)Stettin55 überliefert,56 anhand derer der Fall differenzierter betrachtet werden kann. Denen zufolge war Drewes Henning ein Büttel, das heißt ein Gerichts- bzw. Gemeindediener und damit gewissermaßen ein Kollege des Stadtdieners,57 der betrunken von der Büttelei kam (vermutlich von der Arbeit). Die anwesenden Bürger bewerteten das Verhalten des Büttels nicht als gefährlich und bedrängten den Stadtdiener, nicht gegen den betrunkenen Drewes Henning vorzugehen.58 Schließlich jedoch eskalierte der Konflikt und die Beteiligten schlugen wechselseitig aufeinander ein. Gefangen genommen wehrte der Büttel mit dem Messerstich lebensgefährliche Schläge des Stadtdienersohns auf seinen Kopf ab. Damit handelte Drewes Henning eigentlich in Notwehr.59 Beachtlich ist, dass diese Informationen im Urfehdebrief fehlen und der Sachverhalt verkürzt, ja fast einseitig wiedergegeben wird. Die obrigkeitlich-juristische Reduktion der Informationen charakterisiert Urfehdebriefe. Sie waren standardisierte Vorlagen zur Beendigung der Haft, was bei ihrer Interpretation in Rechnung zu stellen ist.60 Methodisch scheint es deshalb ratsam, sie soweit wie möglich im Zusammenspiel mit anderen rathäuslichen Inquisitionsakten zu analysieren, was im Strasburger Bestand gelegentlich geschehen konnte und interessante Analysemöglichkeiten bot. Insgesamt aber ist anzunehmen, dass auch zu den anderen Urfehdebriefen – zumindest dort, wo ein auswärtiges Urteil eingeholt wurde – Inquisitionsakten gehörten, die zwischen-

55 ����������������������������������������������������������������������������������� Heute Stadtteil von Stettin (Szczecin). Nachfolgend wird in Anbetracht des historischen Kontextes auf den Zusatz des polnischen Ortsnamens verzichtet. 56 Strasburg, Nr. 1021 und Nr. 931, Bl. 93. 57 Grimm 2, Sp. 581; Bendlage 2000, S. 91, Anm. 21; HRG 2008, Sp. 798f.; ENZ 2, Sp. 611–614; Eibach 2005, S. 194f. 58 Zur Pflicht, Kontrahenten auseinander zu bringen Eibach 2005, S. 189, 193. 59 Art. 139ff. der Constitutio Criminalis Carolina (im Folgenden Carolina), zitiert nach Schroeder 2000; vgl. zur Notwehr auch Schoetensack 1904, S. 80ff.; kurze Erwähnung in: Ebel 1971, S. 398; Hagemann 1981, S. 238ff.; Schmidt 1983, S. 120ff.; Bendlage 2003, S. 148; zur normativen Grundlage im Sachsenspiegel Planck 1879a, S. 800ff. Knappe Erwähnung bei Eibach 2003, S. 383. Zum Aushandeln von Konflikten mit Rechtfertigungsgrund in Strasburg vgl. unter anderem Strasburg, Nr.  1098, Bl. 39. 60 Rappe 1996, S. 87.

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

zeitlich verloren gegangen sind. Mitunter befinden sich auch innerhalb der Inquisitionsakten61 Urfehdebriefe. Ebenso wie die Hafturfehdebriefe stellen die Inquisitionsakten und Stadtgerichtsprotokolle konstruierte historische Texte dar, in die entsprechend den Zielen der Prozessparteien und der Obrigkeit die Informationen eingeflossen sind. Die Akten spiegeln kein reales Handeln wider, sondern beschränken sich auf das, was von den Parteien plausibel dargestellt werden konnte und der rathäuslichen Sanktionsinstanz zur Strafbewertung und -zumessung angemessen erschien.62 Zahlreiche Anschuldigungen verbleiben auf dem Stand der Stadtgerichtsprotokolle, ohne zu erfahren, wie der Konflikt weiter verlief. Für die vom Rat angelegten Inquisitionsakten wiederum mangelt es nicht selten an einer zeitlichen Parallelüberlieferung zu den Stadtgerichtsprotokollen, sodass Informationen zur Anzeige und Klageerhebung fehlen. Ungeachtet der Überlieferungsschwächen stellten die ungedruckten Strasburger Quellen eine gute Basis dar, um die frühneuzeitliche kleinstädtische Kriminalität zu beleuchten. Am dichtesten sind sie für den Zeitraum 1576–1600 überliefert, da sich Stadtgerichtsprotokolle, Inquisitionsakten und Urfehden hier ergänzen; darauf folgen in quantitativer Abstufung die Quartale 1601–1625 und 1551–1575. Zusätzlich zu den ungedruckten Quellen wurden weitere Quellengattungen hinzugezogen, wie normative Texte (Halsgerichtsordnungen, Polizeiund Landfriedensordnungen, Stadtordnung und Dekrete). Sie boten wertvolle Zusatzinformationen, speziell zu den Rechts- und Moralvorstellungen der territorialen Obrigkeit. Briefe des Kurfürsten an den uckermärkischen Hauptmann sowie gedruckte Urkunden derer von Arnim standen neben dem Codex Diplomaticus Brandenburgensis (CDB) ferner zur Verfügung.

2.4. Untersuchungszeitraum – 1540 bis 1630 Die von Kaiser Karl V. 1532 erlassene und vom brandenburgischen Kurfürsten 1540 als Richtlinie vorgegebene63 Peinliche Gerichtsordnung (im Folgenden Ca61 Strasburg, Nr. 931, Bl. 98, 126f.; ebd., Nr. 1021; ebd., Nr. 1023. 62 Vgl. hierzu Schwerhoff 1991, S. 390; Schwerhoff 1999, S. 61f.; Gleixner 1994, S. 16, 19f.; Scheutz 2001, S. 71f. 63 Lück 1997a, S. 257, Anm. 79: „Kurbrandenburg hatte per kurfürstlicher Verordnung 1540 die Carolina rezipiert“. Vgl. dazu CCM 6, Anhang zum 1. Register, Sp. 55: Aber in Peinlichen Sachen, nach alten Gebrauch der ganß dunckel und unverständig, auch zum

Untersuchungszeitraum – 1540 bis 1630 29

rolina) bildet den zeitlichen Ausgangspunkt der Studie. Von 1540 – der erste in diesem Rahmen für Strasburg erfasste Kriminalfall datiert aus dem Jahr 1541 – wird der Bogen gespannt zu den Übergriffen aufgrund des Dreißigjährigen Krieges. Raub und Plünderung infolge der Durchzüge und Einquartierung kriegerischer Truppen64 bestimmten die Kriegsjahre nach 1626/27 in der Uckermark.65 Ab 1628 tauchen in den Quellen verstärkt Taten von Soldaten auf, die mit der kleinstädtischen Kriminalität der Jahre zuvor nicht vergleichbar sind. Die Intensität und die Art der Kriminalität wandelten sich. Während Soldaten und Landsknechte66 marodierend Vieh stahlen67 und Tumulte entfachten,68 änderte sich auch das innerstädtische Konfliktpotential. Die zunehmende Kontributionslast zwang die Bürger, Befehle der Kriegskommissare abzuwehren. Als im Mai 1629 der Rat eine Bürgerversammlung einberief, um feststellen zu lassen, wie man die geforderten 15 Pferde aufbringen könne, entgegnete der Viertelherr Christoph Neumann69 im Namen der Bürger, man solle Einnahmen aus der städtischen Meierei dazu verwenden und es weren 10 pferde auffen meÿerhoffe die solten die hern nehmen und auff die schuldt nach prentzlow schicken, […] ader es werde ein auffstand zwischen den burgern undt dem Rathe entstehen.70 Den Schluss der Untersuchung bildet deshalb der Abbruch der Stadtbuchaufzeichnungen im November 1629. Damit wird die zweite Hälfte des sogenannten „lan-

64 65 66 67 68 69 70

Theil der Rechten ungemäß noch versprechen und urtheilen, wollen wir daß hinfürter von ihnen in Peinlichen Sachen und Hendeln, auch nach Kayser Recht und des Heiligen Reichs auffgerichteten Halßgerichts=Ordnung, procediret und gesprochen werden soll, damit Niemands übereylet, oder mit disputürlichen und zweiffelhafftigen Belehrungen und Urtheilen beschwehret werde. Auf die gemeinen beschriebenen kayserrechte nimmt auch der Schöppenstuhl zu Brandenburg Bezug, Stölzel 1901a, S. 174f.; zu den Kaiserrechten, die auch in Prenzlau gelten sollten, Enders 1992, S. 248. Allgemein zur Benennung der Carolina auch als Kaiserrecht Schroeder 2000, S. 211. Lippert 1996, S. 84. Vgl. zu diesem Komplex Enders 1992, S. 314ff., und Lippert 1996, S. 83–87. Zu den mobilen „Landsknechthaufen“ Gräf/Pröve 1997, S. 23ff. September und November 1628, Strasburg, Nr. 1099, Bl. 7, 9f. Ebd., Bl. 26ff. Ebd., Bl. 54. Ebd., Bl. 23; ähnlich ebd., Bl. 5.

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gen 16. Jhs.“ in das Zentrum des Interesses gerückt, wobei überlieferungsbedingt die Jahre 1575 bis 1625 besondere Schwerpunkte bilden.

2.5. Begriff Kriminalität Kriminalität umfasse – so Schwerhoff – Verhalten, das sowohl geschriebene als auch ungeschriebene sozial-moralische Normen verletze und damit verfolgungswürdig sei.71 Damit werden Normen in unterschiedlichen Konnotationen greifbar – der soziologischen und (enger gefasst) der rechtlichen. Im soziologischen Sinne sind Normen soziale Verhaltensanforderungen, die „für näher bestimmte Beziehungen in näher bestimmten Situationen allgemein festgelegte Erwartungen“72 umschreiben. Nicht jedes „Sollen“ ist automatisch eine soziale Norm. Erst wenn das „Sollen“ als erwartetes Verhalten generalisierbar und verbindlich erklärbar wird, wird es zur sozialen Norm.73 Eine der wichtigsten sozialen Normen war in der Frühen Neuzeit die Ehre.74 Von sozialen Normen abweichendes oder sie brechendes Verhalten wird von der soziologischen Forschung als deviantes Verhalten definiert.75 Mithin subsumiert Schwerhoff unter den Begriff Kriminalität sämtliches deviantes Verhalten.76 Der damit in die Historische Kriminalitätsforschung eingeführte soziologische (materielle) Kriminalitätsbegriff77 geht über das hinaus, was sich anhand der hier herangezogenen Quellen primär analysieren lässt. Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist, wie auch in anderen kriminalhistorischen Arbeiten, die obrigkeitlich registrierte Kriminalität.78 Infolgedessen bleibt die im frühneuzeitlichen Strasburg zu untersuchende Kriminalität an die obrigkeitliche Rechtssphäre ge71 72 73 74 75

Schwerhoff 1992, S. 387; Schwerhoff 1999, S. 11; Schwerhoff 2005, S. 11f. Jung 2005, S. 19. Ebd. Vgl. Reinle 2007, S. 110; auch Schwerhoff 1999, S. 121ff. „Devianz kann als mangelnde Konformität gegenüber einer gegebenen Norm oder einer Menge von Normen definiert werden, die von einer hinreichend großen Anzahl von Personen in einer Gesellschaft akzeptiert werden.“ (Giddens 1999, S. 189). 76 Vgl. Anm. 71 auf dieser Seite; zur Definition „abweichendes Verhalten“ ferner Hillmann 1982, S. 4f.; Bohle 1984, S. 1–11; Schellhoss 1993, S. 1–5; Lamnek 1997, S. 3–6; Papathanassiou 2002. 77 Schwind 2007, S. 5. 78 Mandl-Neumann 1988, S. 57; Eibach 2003, S. 25; Härter 2005, S. 8.

Begriff Kriminalität 31

bunden, in der durchweg der Bruch von Rechtsnormen79 sanktioniert wurde. Eine Rechtsnorm ist eine gesetzte soziale Norm. In Anlehnung an Karl Härter wird nachfolgend von einem historischen Gesetzesbegriff ausgegangen, der „die gesamte Bandbreite der obrigkeitlich gesetzten und mit allgemeinem Geltungsanspruch versehenen“ „schriftlich fixierten und publizierten Normen“ meint.80 Von daher wird in dieser Untersuchung ein engerer als der soziologische Kriminalitätsbegriff zugrunde gelegt. Kriminalität wird auf deviantes Verhalten beschränkt, das eine Rechtsnorm verletzte und geahndet wurde81 oder werden konnte („ahndungswürdiges Unrecht“82). In den Quellen begegnen uns kriminelle Handlungen als Criminalsachen,83 Missethaten,84 Untat,85 Ubeltat86 und Verbrechung.87 Dazu zählen in erster Linie schwere Rechtsbrüche, die von der höheren „peinlichen“ Gerichtsbarkeit88 sanktioniert wurden. Kriminelle wurden als Missetäter,89 Übeltäter,90 Verbrecher aber auch als delinquenten91 bezeichnet. Folglich ist der Terminus „Delinquenz“92 als Quellenbegriff und Synonym für Kriminalität ein nützliches historiografisches Begriffsinstrumentarium,93 obgleich er gegenwärtig von der soziologischen Forschung zur Beschreibung von Kinder- oder Jugendkriminalität verwendet wird.94 79 Carolina, Landfriedens-, Stadt- sowie landesherrliche Ordnungen etc. 80 Härter 2005, S. 7. 81 Mandl-Neumann 1988, S. 57; Frank 1995, S. 178 legt eine „institutionelle“ Definition von Kriminalität zugrunde; vgl. auch Härter 2005, S. 8; Lamnek 1997, S. 3. Auf die Schwierigkeiten, frühneuzeitliche Kriminalität angemessen zu definieren, weisen Härter 2005, S. 8, und Schubert 2007, S. 171ff., hin. 82 LMA 5, Sp. 1533. 83 CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 163. Zur Wortbedeutung „Verbrechen“, „Missetat“, „Untat“ etc. Schubert 2007, S. 171ff. 84 Strasburg, Nr. 1024; ebd., Nr. 1030; Carpzov 1638, S. 8, 12. 85 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 53f.; ebd., Nr. 1021. 86 Ebd., Nr. 1024; ebd., Nr. 1586; Carpzov 1638, S. 3 (Vorrede). 87 Strasburg, Nr. 931, Bl. 128. 88 Vgl. dazu ausführlicher S. 71–76. 89 Strasburg, Nr. 1021. 90 CCM 6, Abt. 3, Nr. 2, Sp. 50f. 91 Carpzov 1638, S. 8, 10f., 23 u. w. m.; Günther 2000, S. 121. 92 Vgl. hierzu Burghartz 1990, S. 9f.; Schwerhoff 1999, S. 11. 93 Vgl. die Arbeiten von Burghartz 1990; Henselmeyer 2002; Eibach 2003; Aumüller 2003, S. 4. 94 Hillmann 1982, S. 129; Aumüller 2003, S. 4.

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Kriminalitätshistorische Rahmenbedingungen

Von der höheren „peinlichen“ Strafjustiz sind die kleineren Vergehen, die ebenfalls von der rathäuslichen Obrigkeit sanktioniert wurden und damit in die vorliegende Studie einbezogen worden sind, bisweilen schwer abgrenzbar. Kleinere Vergehen verstießen in erster Linie gegen rathäusliche Ge- und Verbote, zogen geringere Strafen nach sich und wären forschungsstrategisch zur „guten Policey“95 zu zählen. Mitunter bezeichnete man sie als „Frevel“.96 Auf der anderen Seite wurden aber auch schwere Straftaten, wie Mord97 und Körperverletzung98 mit „Frevel“ umschrieben,99 sodass eine klare Untergliederung des Gesamtspektrums „Rechtsnormbrüche“ in „Kriminalität“ und „gute Policey“100 an der frühneuzeitlichen Realität vorbeiführen würde.101 Zahlreiche frühneuzeitliche Policeyordnungen integrierten Strafnormen,102 was die große Schnittmenge beider Bereiche frühneuzeitlichen obrigkeitlichen Ordnungsbestrebens unterstreicht. So ist es gerechtfertigt, den Kriminalitätsbegriff vorliegend auch auf kleinere Vergehen zu beziehen.

95 Anstelle aller Härter 2005. 96 Wider des E.[hrbaren] Radts gebott und verbott frewentlichen gehandeltt (verbotene Eheschließung), Strasburg, Nr. 976, Bl. 110; bey nächtlicher Weile uff der gaßen allerhandt muthwilln und frewell (Sachbeschädigung und Ruhestörung), ebd., Bl.  120. Vgl. dazu Härter 2005, S. 8; Schubert 2007, S. 172. 97 Frewentlich unndt mutwilligen, Strasburg, Nr. 975, Bl. 27; frewentlicher vorsetzlicher muetwilliger weise, ebd., Nr. 1021. 98 Frewels undt mutwillens, ebd., Nr. 931, Bl. 126f.; ähnlich ebd., Nr. 976, Bl. 31f. 99 Vgl. für das 14. Jh. Bohm 1976, S. 59; ferner auch Hagemann 1981, S. 149, 209, wonach in Basel der Begriff „Frevel“ noch sühnbare, büßbare und keine todeswürdigen – schweren – Missetaten meinte. 100 ����������������������������������������������������������������������������� „Unter dem umfassenden, aber auch unscharfen und weder formal noch materiellrechtlich klar eingrenzbaren Begriff der frühneuzeitlichen Policey wird […] der herzustellende oder zu erhaltende Zustand der guten Ordnung des Gemeinwesens als Leitvorstellung „staatlichen“ Handelns […] verstanden.“ (Härter 2005, S. 5f.). 101 Vgl. hierzu Eibach 2003, S. 72. 102 Strasburg, Nr. 1586; vgl. Schüpbach 2003, S. 169f., die zwar das Abgrenzungsproblem offen lässt, aber Strafnormen in den einzelnen Policeyordnungen herausarbeitet und somit verdeutlicht, dass es klar getrennte Verantwortungsbereiche nicht gab. Vgl. auch Günther 2000.

3. Der kleinstädtische Rahmen

3.1. Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung Das „Stedtlein“ Strasburg1 – so die stadt- und landesherrliche Einstufung in Cölln2 – lag im äußersten Nordwesten der frühneuzeitlichen Uckermark3 und gehört heute zum Landkreis Uecker-Randow in Mecklenburg-Vorpommern. Die Stadt liegt nicht nur geografisch, sondern auch aus historiografischer Sicht abseits. So ist man, will man sich einen ersten Überblick zur Strasburger Geschichte verschaffen, letztlich auf Überblickswerke, mitunter älteren Datums, angewiesen.4 Einen heimatkundlichen Überblick bieten in qualitativer Abstufung folgende Werke: Lippert,5 Schulz6 und Görl.7 Die Stadt Strasburg beherbergte innerhalb ihrer Mauern schätzungsweise 1.000 – 1.500 Menschen.8 Damit gehörte der Ort aus demografischer Perspek1 Vgl. Abb. 1 auf S. 261. 2 Strasburg, Nr. 975, Bl. 40ff.; ebd., Nr. 934. Die rathäusliche Binnensicht hielt an „Stadt“ fest. 3 Vgl. Abb. 2 auf S. 262. 4 Rachel 1939, S. 651f.; Enders 1986, S. 963–973; Enders 1992; Schwartz 1995, S. 369. 5 Lippert 1928; Lippert 1931; Lippert 1996. 6 Schulz 2000. 7 Görl 2000. 8 Das Schossregister von 1581 gibt 168 schosspflichtige Häuser an (Strasburg, Nr. 143) und das Schossregister von 1627 enthält 197 Häuser (ebd., Nr. 144). In einer Auflistung zur Schuldabtragung werden pro steuerpflichtigem Haus in der Mittel- und Uckermark sechs Personen gerechnet, Friedensburg 1916, S. 386. Wenngleich die Forschung zur frühneuzeitlichen Demografie davor warnt, pauschale Multiplikatoren zur Berechnung der Einwohnerzahlen zu verwenden (vgl. Gahlen 2001, S. 9), so scheint es für diesen Zweck gerechtfertigt, den in den zeitgenössischen Quellen angegebenen Faktor sechs auch für Strasburg anzunehmen, zumal für Perleberg ein Multiplikator zwischen 5,2 und 5,9 errechnet worden ist (Gahlen 2001, S. 11). Dann ergäbe sich für 1581 eine Einwohnerzahl von ca. 1.000 und für 1627 eine Anzahl von ca. 1.200 Personen. Hinzu kommen die Extra vagantes, die in den soeben genannten Werten nicht enthalten sind. Für 1627 werden zusätzlich 68  Posten als Extra vagantes angegeben, sodass die Einwohnerzahl dann auf rund 1.600 ansteigen würde. Zur Beantwortung der Frage, was sich hinter den

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Der kleinstädtische Rahmen

tive zu den märkischen Kleinstädten,9 dem Siedlungstyp, der bis in die Gegenwart hinein den Untersuchungsraum prägt.10 Der Mark eilt der Ruf voraus, traditionell eine rückständige Agrarlandschaft gewesen zu sein, in der die kleinen Städte und Flecken – egal, ob nun mediat oder immediat – als modernisierungsfeindlich, spießbürgerlich und hörig galten.11 So wurden die Kleinstädte, wenn sie überhaupt in den Fokus der Historiografie gelangten, bestenfalls als „Ackerbürgerstädtchen“ charakterisiert, ohne ihren spezifischen Urbanisierungsgrad zu hinterfragen. Derartige Topoi aufzubrechen beExtra vagantes tatsächlich verbarg, wäre eine eigene Untersuchung notwendig. Erste Hinweise sprechen jedoch dagegen, bei den Extra vagantes von eigenständigen Haushalten auszugehen. Der Vermutung von Lieselott Enders, es habe sich hierbei um „außerhalb der Stadtmauer Wohnende“ (Enders 1992, S. 228) gehandelt, kann bei gegenwärtigem Kenntnisstand nur eingeschränkt gefolgt werden. Neben denjenigen, die als Budenleute in und an der Mauer wohnten, wurden auch Personen zu den Extra vagantes gezählt, die im gleichen Quartal als innerstädtische Haushaltsvorstände auftauchen. Ferner ist bei einigen extravagant genannten Personen aufgrund des sozialen Status (Stadtschreiber) schwer vorstellbar, dass sie außerhalb der Stadt gewohnt haben sollen. Zudem wurden Steuerzahlungen für spezifizierte Ländereien, Scheunen, Erben, Kinder oder Witwen darunter gefasst. Von daher dürfte der Terminus hier wohl vielmehr außerplanmäßige Steuern benennen. Zum Begriff Extravagantes Du  Cange  1954, S.  382; Zedler 8, Sp. 2411; Niermeyer/van de Kieft 2002, S. 527; vgl. auch Coing 1964, S. 98f. Danach wurden im kanonischen und weltlichen Recht Gesetze oder Verordnungen Extravagantes genannt, die aufgrund ihrer geringen Menge kein eigenständiges Gesetzbuch füllten, sodass sie separat und außerhalb eines Gesetzeswerkes geführt wurden (Extra […] libros vagantur). In englischen Quellen taucht der Begriff extravagans als ergänzende, zusätzliche Zahlung auf, vgl. Latham/Howlett 1975–1986, S. 879. Die Frage kann in diesem Rahmen nicht endgültig geklärt werden, da Vergleiche mit anderen Städten und eine intensivere, speziell auf diese Fragestellung ausgerichtete Auswertung aller für Strasburg überlieferten Steuerjahre dazu notwendig wären. Letztlich bleibt festzuhalten, dass die Strasburger Einwohnerzahl für den Untersuchungszeitraum zwischen 1.000 und 1.500 geschätzt werden darf. Lippert vermutete 1.500–2.000 Einwohner (Lippert 1996, S. 83). 9 Als Kleinstädte gelten Orte mit bis zu 2.000 Einwohnern, vgl. Ammann 1969, S. 410; Isenmann  1988, S.  31; Schilling  2004, S.  8; ENZ  6, Sp.  779; vgl. auch Johanek 1994, S. 13; zur Diskussion des demografischen Faktors Knittler 2000, S. 12f. 10 Zu den Schätzungen, dass über 90 % der deutschen Städte lediglich eine Einwohnerzahl von bis zu 2.000 Personen hatten, vgl. Flachenecker/Kiessling  1999, S.  6; Knittler 2000, S. 256. 11 Allgemein Pröve  1997, S.  195; mit Bezug auf Brandenburg–Preußen explizit, ebd. S. 215; Meier 1999, S. 221; vgl. hierzu auch Gräf 2004, S. 147f.

Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung 35

deutet, archivalisches Quellenmaterial vergleichend den Ergebnissen der innovativen mittelalterlichen („ausgereiften“12) und frühneuzeitlichen Stadtgeschichtsforschung gegenüberzustellen. Neuere Untersuchungen zur Kleinstadt allgemein liegen mittlerweile „in kaum noch überschaubarem“13 Maß vor, sodass an dieser Stelle auf einschlägige Forschungsüberblicke verwiesen werden kann.14 Auf märkisch-pommerschem Gebiet haben jüngere Arbeiten, die weitgehend die Zeit sowohl vor 1500 als auch nach 1650 betreffen, die Kleinstadtforschung belebt.15 So konnte unter anderem gezeigt werden, dass Kleinstädter und ihre rathäusliche Obrigkeit nicht pauschal als die fügsamen Statisten des Territorialoder Stadtherrn angesehen werden dürfen.16 Das 16. Jh. hingegen blieb nahezu unbeachtet17 – ebenso wie Strasburg. Da eine Stadtrechtsurkunde auch für Strasburg fehlt, bleiben die städtischen Anfänge im Dunkeln.18 Erst 1267 taucht mit dem Schultheißen Bertold in Straceburch19 der Ort erstmalig in den Quellen auf, was dessen vorherige Privilegierung mit Magdeburger Stadtrecht20 andeutet. Im Grenzgebiet zwischen Mecklenburg-Pommern und Brandenburg besaß der Ort wechselnde Stadtherren. 1319 als civitas bezeichnet, zählte Strasburg auch 1375 zu den uckermärkischen

12 Schilling 2004, S. 56. 13 Gräf 2004, S. 152; vgl. auch Ehbrecht 2006, S. 39. 14 Für unseren Raum sind die Beiträge in Rudert/Zückert 2001 hervorzuheben; eine Auswahlbibliografie (bis 1993) zur Kleinstadt gibt Fehn  1993, S.  24–40; ein Forschungsüberblick in: Gräf 1997; Gräf 2004; ferner Ehbrecht 2006 mit einschlägiger Literatur; vgl. auch Flachenecker  1993, bes.  140ff.,  152ff.; Flachenecker 1996, S. 478–482. 15 Engel/Enders/Heinrich  2000; hier bes. die Einführung von Gerd Heinrich und Winfried Schich sowie der Beitrag von Evamaria Engel, S. XXVI–LXII; ferner: Anderlik 1987; Böcker 1989; Böcker 2001; Enders 1990; Enders 2001; Göse 1996; Meier 1993; Peters 2007; Pröve 1997; Schich 1999; Schich 2007a; Schich 2007b; Schultz 1987; Vetter 1996. Zum ��������������������������������� nach wie vor bestehenden Mangel „an sozial- und kulturgeschichtlich inspirierten Studien“ in der brandenburgischpreußischen Geschichtsforschung Pröve 2001, S. 20. 16 Zuletzt mit Bezug auf Strasburg Winter 2008, S. 135–147, bes. S. 146. 17 Neugebauer 1992, S. 166f. 18 Vgl. hierzu S. 45–50. 19 Bertoldus […] schulthetus in Straceburch, PUB, S. 172f., Nr. 832 (Zitat S. 173). 20 Vgl. dazu Anm. 282 auf S. 71.

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Der kleinstädtische Rahmen

Städten21 und gelangte endgültig 147922 zur Mark. Im Laufe des späten Mittelalters gewann die Stadt weitgehende Autonomie.23 1564 zahlte die Stadt 464 Gulden (fl.) an Steuern; Stendal brachte dagegen 4.571 fl. auf, wohingegen Liebenwalde mit 216 fl. die niedrigsten Abgaben leistete.24 Angesichts der geringen Steuerleistung darf Strasburg – fiskalisch betrachtet – zu den schwächeren Kleinstädten gezählt werden. Vielleicht resultierte daraus die kurfürstliche Sicht vom „Stedtlein“,25 die sich letztendlich auch in der bescheidenen politischen Bedeutung Strasburgs niederschlug. Als 1563 Kurfürst Joachim II. die Erbhuldigung der uckermärkischen Städte entgegennahm, hatte er […] den Rath unnd alle einwoner zu Straßburg dahin gein Prentzlow bescheiden lassen.26 Auf den Land- und Städtetagen wurde Strasburg von der Hauptstadt Prenzlau vertreten.27 Die geringe Bedeutung der Stadt innerhalb des märkischen Städtenetzes28 veranlasst zur Frage nach ihrem Urbanisierungsgrad. Anhand eines Kriterienbündels29 sollen nachfolgend die städtischen Kernmerkmale Strasburgs skizziert werden. Hierbei gelangt die von Franz Irsigler vorgelegte Stadtdefinition zur Anwendung: „Danach ist Stadt eine vom Dorf und nichtagrarischen Einzwecksiedlungen unterschiedene Siedlung relativer Größe mit verdichteter, gegliederter Bebauung, beruflich spezialisierter und so21 Provincia Ukera […] Strasburg civitatem (Schultze 1940, S. 4). 22 Enders 1986, S. 965. 23 Enders 1992, S. 77. Vgl. zur spätmittelalterlichen städtischen Autonomie allgemein: Engel 1984, S. 48f.; Fritze 1984, S. 76; vgl. auch Schilling 2004, S. 44. 24 Götze 1873, S. 249f. 25 Vgl. Anm. 2 auf S. 33. 26 GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 30, Fasz. 1, Bl. 8ff. 27 Vgl. dazu allgemein auch Schultze 2004, Bd. 3, S. 187; vgl. ferner Engel 1991, S. 354. 28 Der uckermärkische Landreiter erwähnte im Landreiterbericht von 1608 Strasburg nicht, BLHA Potsdam, Rep. 78, Kopiare, Nr. 83, Bl. 45. Der Landreiter war das Vollzugsorgan des Landvogtes, aber auch des uckermärkischen Hof- und Landrichters in polizeilichen Angelegenheiten, hauptsächlich zur Vollstreckung von Schuld- und Pfandsachen. Er wurde im 16.  Jh. noch direkt durch den Kurfürsten eingesetzt, Schultze 1942, S. 109; vgl. auch Grimm 12, Sp. 129. 29 Die Gewichtung der Kriterien ist freilich abhängig vom jeweiligen disziplinären Zugang und von daher nicht unumstritten. Das Modell des „kombinierten Stadtbegriffes“ hat sich in der Forschung durchgesetzt, vgl. Johanek 1994, S. 17; Ehbrecht 1998, S. 22; Irsigler  1999, S.  20; Winnige  1996, S.  47ff.; Schilling  2004, S.  20ff.; Ehbrecht 2006, S. 39; allgemein zur Frühen Neuzeit mit dem Bezug auf die mittelalterlichen Typologisierungen Rosseaux 2006, S. 25f.; vgl. auch Weber, Max 2000, S. 1ff.

Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung 37

zial geschichteter Bevölkerung und zentralen Funktionen politisch-herrschaftlich-militärischer, wirtschaftlicher und kultisch-kultureller Art für eine bestimmte Region oder regionale Bevölkerung.“30 Im Sinne dieses „kombinierten Stadtbegriffes“ werden nachfolgend verfassungsrechtliche, institutionellkulturelle,31 verkehrsgeografische, zentralörtliche und wirtschaftliche Faktoren untersucht. 3.1.1. Verfassung

Die verfassungsrechtliche Kategorie umschreibt – die vielfältigen Differenzierungen idealisierend – einerseits das Verhältnis der Stadt zum Stadtherrn,32 das heißt ihre Position nach außen, und andererseits ihre innerstädtische Verfassung. Unmittelbar dem Kurfürsten als Stadtoberhaupt unterstellt, darf Strasburg als immediate33 mit Magdeburger Stadtrecht ausgestattete34 Territorialstadt beschrieben werden, die ihre alten Gerichtsrechte partiell wahren konnte. Auf der anderen Seite lassen die innerstädtischen Verfassungsverhältnisse Rückschlüsse auf den Charakter des Gemeinwesens zu. Strasburg besaß eine Ratsverfassung, wie sie im Laufe der Jahrhunderte für die Mehrzahl der brandenburgischen Städte üblich geworden war. Die Verfassung35 war mehrgliedrig36 und bestand aus Rat, Viertelherren, Viergewerken sowie der 30 Irsigler 1983, S. 26. 31 Eine institutionell-kulturelle Einordnung scheidet für Strasburg von vornherein aus, da eine bedeutsame Institution, wie bspw. eine Residenz, Festung, Universität oder bedeutende Landesschule, Bergbau oder eine Heilquelle, die stadttypisierend hätte wirken können, nicht vorhanden war. Im 18. Jh. einquartierte Teile von Infanterieregimentern berechtigen wohl noch nicht dazu, von der Existenz einer Garnison ausgehen zu können, Winter 2008, S. 141, bes. 145. 32 Reichs- und Freistädte; mediate oder immediate Land- oder Territorialstadt; autonom oder unselbständig. 33 Zuletzt Winter 2008, S. 135, 141. 34 Vgl. dazu S. 71. 35 Verfassung soll hier mit Willoweit als „diejenigen rechtlichen Regeln und Strukturen, die das Gemeinwesen und damit die politische Ordnung prägen“, definiert werden, Willoweit 1997, S. 2. 36 ������������������������������������������������������������������������������������� Dieser Terminus existiert meines Wissens in der brandenburgischen Stadtgeschichtsforschung nicht. Gleichwohl neben den spätmittelalterlichen Elementen (Rat-Viergewerke-Gemeinde) im 15./16. Jh. Viertelherrn – sozusagen als viertes Element – vorhan-

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Der kleinstädtische Rahmen

Bürgerversammlung. Die Viertelherren und Viergewerke waren die unmittelbaren Vertreter der Gemeinde. Der Rat, bestehend aus Bürgermeistern und Ratsherren, war das Kollegium, das der Bürgergemeinde einer Stadt vorstand und deren Vertretung nach außen übernahm.37 Seine „Funktionen erstreckten sich auf die Wehr- und Steuerhoheit, die Stadtverwaltung, die städtische Nieder- und vereinzelt auch Hochgerichtsbarkeit, die zentrale Finanzverwaltung usw.“, kurzum auf die Mehrzahl der städtischen Belange.38 In Strasburg sollten der alte und der neue Rat gemäß Punkt 1 der „Gesetzten Ordnung“ von 1515 zusammen zwölf Personen umfassen, die sich jährlich in der Regierung abwechselten.39 Der sitzende ebenso wie auch der ruhende Rat hatten – so der Quellenbefund für 1593 – jeweils wohl höchstens sechs Mitglieder.40 Ob es eine jährlich alternierende Amtsführung gab, kann anhand des vorliegenden Materials nicht zweifelsfrei beantwortet werden, ist aber verglichen mit anderen Städten anzunehmen.

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den waren, wird von einer dreigliedrigen Stadtverfassung gesprochen; vgl. Engel 1991; Enders 2001. Engel 1991, S. 338. Begriff Rat im LMA 7, Sp. 451ff.; Engel 1991, S. 335. Punkt 1 der Gesatzte[n] Ordenung Inn der Stadt Strasburg von 1515: To dem Ersten dat na Oldem herkomenn die volle thall des Rades an Borgermeister unnd Rathmann Oldt unnd Nige zwollff personen darunder dre Borgermester und negenn Rathmane schollen verordent werden die ein Jar ume dat andre nha older wonheit regernn schollenn, Strasburg, Nr. 28, Bl. 1; vgl. auch GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146; bestätigt 1563, Strasburg, Nr. 1; GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 30, Fasz. 1, Bl. 8ff. Der allgemeine Entwurf einer Policey=Ordnung der Städte von 1515 ist abgedruckt in CCM 6, Nachlese, Nr. 1, Sp. 1–8. Der Entwurf bildete auch für Strasburg die Vorlage, um die Kernelemente der Strasburger Stadtverfassung und -verwaltung unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten Strasburgs festzulegen. Zu den im gleichen Zeitraum für andere Städte der Mark in ähnlicher Weise erlassenen Ordnungen vgl. die knappen Ausführungen in: Dietrich 1980, S. 161f.; die Erwähnung in: Hahn 1988, S. 105; ferner: Engel 1991, S. 353; Enders 1992, S. 158 und 243f.; Neugebauer 2001, S. 25. 1593: Henning Lebbin = Richter, Strasburg, Nr. 1021; ebd., Nr. 1097, Bl. 14.; Christian Wegener = Bürgermeister, ebd., Nr. 1023; Hans Reberg = Bürgermeister, ebd., Nr. 1021; ebd., Nr.  976, Bl.  4; Achim Ertmann  =  Schöffe, ebd., Nr.  1021; Bartolomeus Möller = Ratsmann und Caspar Peschel = Stadtschreiber, ebd.

Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung 39

Die verordneten Viertelherren41 waren dem Rat nachgeordnet, nahmen an wichtigen Entscheidungen teil42 und waren bei auswärtigen Angelegenheiten zugegen.43 Sie hatten in Strasburg die vermittelnde Position im konstitutionellen Gefüge inne, da es ihnen oblag, Begehren der Bürger vor den Rat zu bringen44 und insbesondere innerstädtischen Frieden und Eintracht zu wahren.45 Sie prüften die Rechnungslegung des Rates.46 Wie sich ihre Wahl, die vom Rat ohne Einflussnahme der Viergewerke vorgenommen wurde,47 vollzog und wie viele Viertelherren es gab, ist nicht überliefert. Ähnlich wie in Berlin und Strausberg darf angenommen werden, dass sie aus den Gewerken und Bürgern der drei Stadtviertel ernannt wurden;48 vielleicht waren es nur drei. Die Viergewerke als drittes Verfassungselement bildeten die soziale Spitze der Handwerkerhierarchie49 und bestanden aus den vier angesehensten Zünften der jeweiligen Stadt. Zu ihnen zählten in Strasburg die Tuchmacher, Bäcker, Schneider und Kürschner50 – mithin drei im Textilgewerbe angesiedelte Gewerke. Die gewöhnlich zu den Viergewerken gehörenden Schuster51 und Fleischer52 fehlen 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Strasburg, Nr. 934. Ebd., Nr. 1099, Bl. 5. Ebd., Nr. 937. One der virtelherrn begeren und der burger geheiß [sind unbeschiedene Bürger, E.F.] vor uns [den Rat, E.F.] getreten, ebd., Nr. 934. Johanek 1997, S. 64. Die rechnung uber die Stadtguter ob nu der altte radt dem newen rade, laut dem Stadtstatutnis, oder dem viertelherrn wie nu eine geraume Zeit geschehn ableg[en] sollen, Strasburg, Nr. 934. Ebd.; identisch GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. Engel 1991, S. 350; vgl. zu Berlin Schulz 1987, S. 339; zu viertelsleuthe[n] im Dorf Peters 2007, S. 104. Vgl. Engel 1993, S. 57. Strasburg, Nr. 934; identisch GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. Schulz 1987, S. 321f. Das Fehlen der Fleischer in den Viergewerken, die neben den Bäckern üblicherweise die Versorgung der Stadt mit den wichtigsten Lebensmitteln sicherten und deshalb zu den bedeutendsten Zünften in der Mark gehörten (Schulz  1987, S.  323; Engel  1993, S. 57), dürfte mit einer nicht zu unterschätzenden Eigenversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zusammenhängen. Wie später noch gezeigt wird, wurde in Strasburg beträchtlich Landwirtschaft – auch zur Selbstversorgung – betrieben. Von daher wird dem Verkauf von Fleisch weniger Bedeutung zugekommen sein als womöglich der Hausschlachtung in Lohnarbeit, was die schwächere Wirtschaftskraft und das Fehlen

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hier, was auf ihr schwächeres sozioökonomisches Potential schließen lässt. Da aber wiederum die Schuster durch drei Älteste im Strasburger Rat vertreten waren, dürften sie zu einem früheren Zeitpunkt zu den Viergewerken gehört haben53 und aufgestiegen sein. Dass die Schusterzunft sozial heterogen war und einzelne Schuster hierarchisch an die Viergewerke anschlossen, lässt sich an einem Stadtkonflikt54 ablesen, in dem beide Organe eng zusammenarbeiteten. Zugleich wird deutlich, wie stark die Oligarchisierung des Rates bereits fortgeschritten war. So weigerten sich die im Rat sitzenden Schusterältesten, die Schusterlade und das Amtssiegel an die protestierenden Zunftmitglieder herauszugeben. Neun Schuster waren aufgrund der Absage gezwungen, auf die Siegelung mit ihrem genossenschaftlichen Amtssiegel zu verzichten und unterschrieben den Brief eigenhändig. 3.1.2. Nahmarktfunktionen

Der Stadtplan55 – wie er für das 18. Jh. überliefert ist – gibt die für den Untersuchungszeitraum städtebaulichen Hauptelemente (wie Rathaus, Kirche, Stadttore und Mauer) in ihrer ursprünglichen Position wieder.56 Die Stadtgestalt resultierte aus dem Verlauf der Strasburger Hauptverkehrswege und Ausfallstraßen. Aus Prenzlau oder Pasewalk kommend betrat man die Stadt durch das Jüteritzer Tor im Südosten. Von dort aus gelangte man über die Mühlen- oder Poststraße zum Markt. Verlassen wurde die Stadt entweder in Richtung Norden über die Altstädter Straße der Fleischer in den Viergewerken erklären könnte. Dem steht die Beteiligung der Bäcker nicht entgegen, da angenommen werden darf, dass das Hausbacken angesichts steter Feuergefahr bereits beschränkt gewesen sein dürfte. 53 Ähnlich die Situation in Berlin-Cölln, vgl. Schulz  1987, S.  322; zur hohen Wirtschaftskraft der Schuster in Höxter um 1500, Rüthing 1986, S. 188ff. 54 Stadtkonflikte sollen mit Ehbrecht als „innerstädtische Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Dienstleuten des Stadtherrn, Bürgern und geistlichen Institutionen, einzelnen Berufskorporationen, Gilden, und vor allem zwischen Rat und Bürgergemeinde“ definiert werden, Ehbrecht 1985, S. 1072. Zur Wahl des offenen Terminus „Stadtkonflikt“ Andermann 1998, S. 44; Begriffsdiskussionen führen Mörke 1982, S. 144–148; Borgolte 1996, S. 273ff., bes. S. 277; Ehbrecht 1991, S. 127–130. 55 Vgl. Abb. 1 auf S. 261. 56 ����������������������������������������������������������������������������������� Dies bestätigen für das Rathaus Grabungen, die 1997/98 auf dem Marktplatz in Strasburg durchgeführt wurden (Hoffmann, V.  1999, S.  104ff.; Hoffmann, V.  2000, S. 35–41).

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durch das Altstädter Tor oder in Richtung Westen über die Breite oder Falkenberger Straße durch das Falkenberger Tor (1590 auch Brandenburgisches Tor genannt)57 nach Neubrandenburg und Woldegk. Der Name Strasburg deutet auf eine Straßenburg hin, die einen Verkehrsknotenpunkt zwischen Mecklenburg, der Mark und Pommern gebildet haben soll.58 Eine von Südosten nach Nordwesten führende Straße59 habe eine West-OstRoute60 geschnitten.61 Während sich eine von Westen nach Osten führende Handelsstraße mit Hilfe thematisch-historischer Karten62 – auch für die Frühe Neuzeit63 – rekonstruieren lässt, bleibt die in der älteren Literatur vermutete Nord-Süd-Verbindung vage.64 Insgesamt scheint die Stadt nur indirekt ins überregionale Handelsnetz eingebunden gewesen zu sein; allenfalls über Neubrandenburg oder Pasewalk bzw. insbesondere den bedeutenden Ostseehafen Stettin.65 Am Fernhandel beteiligte Strasburger Kaufleute ließen sich aus den herangezogenen Quellen nicht ermitteln. Lediglich Kleinhändler und Krämer sind greifbar. Die kleinräumige Ausrichtung auf das unmittelbare Umland wird durch die Namen der Stadttore unterstrichen, die den drei Feldmarken entsprechen. Ein Aufbrechen der Nahmarktfunktion darf – wenn überhaupt – nur temporär angenommen werden, als Ende des 16. Jhs. das westliche Tor „Brandenburgisches Tor“ (im Sinne von „Neubrandenburgisches Tor“) genannt wurde. Darin lässt sich womöglich, sobald weitere Hinweise hinzutreten, eine zeitweise Ausrichtung und Ausstrahlung nach Mecklenburg erahnen.

57 Wegen der wonunge so sie bey dem Brandenburgschen dare ann der maure gebawet, Strasburg, Nr. 1097, Bl. 2. 58 Wauer 1996, S. 235. 59 Denkbar wäre Prenzlau-Jagow-Strasburg-Friedland-Anklam-Greifswald. Zur Lage der wichtigsten Orte siehe Abb. 2 auf S. 262. 60 �������������������������������������������������������������������������� Als eine mögliche West-Ost-Verbindung käme Wismar-Güstrow-Malchin-Neubrandenburg-Strasburg-Pasewalk-Stettin in Frage, Bruns/Weczerka 1967, S. 198ff., insbesondere S. 200. 61 Schwartz 1995, S. 369. 62 Vgl. Abb. 3 auf S. 263. Vgl auch Mundt 1932, S. 111, 113 und Karte Nr. 21. 63 Vgl. Abb. 4 auf S. 264. 64 Nördlichster Endpunkt einer von Prenzlau in Richtung Mecklenburg führenden Straße ist Strasburg, vgl. Mundt 1932, Karte Nr. 16. 65 Vgl. Schilling 1998, S. 38, bes. die Karte.

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Die drei Tore waren mittels einer nach 1300 angelegten steinernen Mauer,66 deren rudimentäre Reste heute noch an einigen Stellen erkennbar sind, verbunden. Damit war die Stadt in topografischer Hinsicht voll ausgebildet.67 Die Mauer besaß die für märkische Verhältnisse typischen Wieckhäuser und kennzeichnete den innerstädtischen Rechtsbereich. In der Mauer waren an einigen Stellen Buden zu Wohnzwecken eingelassen.68 Im Zentrum des heutigen Marktplatzes stand – dem archäologischen Befund zufolge – bereits seit der zweiten Hälfte des 13. Jhs. ein repräsentatives Rathaus, das von hölzernen Hökerbuden flankiert war.69 Die Buden dienten dem täg­ lichen Verkauf der agrarischen und gewerblichen Produkte, die in und um Strasburg erzeugt wurden. Das Rathaus war der wirtschaftliche, gesellschaftliche und juristische Mittelpunkt des kommunalen Gemeinwesens. Es diente, wie anderenorts auch, als Kaufhaus.70 In ihm wurden in der Regel zweimal wöchentlich dienstags und freitags Rats- und Gerichtstage abgehalten.71 Hier fanden die Bürgerversammlungen statt72 oder es wurden im Keller die peinlichen Verhöre durchgeführt.73 Auf dem Marktplatz herrschte täglich buntes Treiben, insbesondere während des üblichen Wochenmarktes74 und um einiges belebter wird es auf dem Laetare

66 Dehio  2000, S.  630. Zum baufälligen Zustand im späten 18.  Jh. Winter  2008, S. 135–147. 67 Schich 2007a, S. 352. 68 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 2; hutten, so an einem ort ahn der mawern stehen, BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 385f.; ähnlich die Jahre 1569ff., Strasburg, Nr. 143. Hierfür hatte bspw. 1590 Paul Henke dem Rat pro Jahr einen halben Taler zum Schoss zu zahlen und in der Ernte sechs Tage lang zu helfen, ebd., Nr. 1097, Bl. 2; vgl. auch ebd., Bl. 23; ebd., Nr. 143. 69 Ehre Rathus mit den hackbuden, GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 30, Fasz. 1, Bl. 8f.; vgl. auch CDB I 13, S. 424, Nr. 162; Hoffmann, V. 1999, S. 104ff.; Hoffmann, V. 2000, S.  35; Höker waren Kleinhändler (Friedensburg  1916, S.  386, Anm.  1; Schich 1987a, S. 229). 70 Hoffmann, V. 1999, S. 106. 71 Strasburg, Nr. 1098. 72 Ebd., Nr. 1097, Bl. 44f.; ebd., Nr. 1099, Bl. 37. 73 Vgl. S. 78f. 74 BLHA Potsdam, Rep. 4A, Sentenzenbücher, Nr. 83.

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Mittfastenmarckt75 im März, dem Marggreten marckt76 im Juli und dem Martinj Strasburgisch herbstmarkten,77 den drei nachweisbaren Strasburger Jahrmärkten,78 zugegangen sein – zumindest lassen tumultartige Übergriffe und Gewaltausbrüche darauf schließen. Jahrmärkte waren offen bzw. frei für auswärtige Händler, insbesondere kamen sie aus Anklam,79 Stettin80 und Prenzlau.81 Überregionale Händler reisten unter anderem aus Frankfurt an der Oder,82 Stralsund83 und Frankfurt am Main84 an. Diese Märkte dienten hauptsächlich dem Austausch nichtalltäglicher Waren mit dem unmittelbaren Umland,85 vor allem dem Viehhandel.86 Sie galten schon bei den Zeitgenossen als „entscheidendes Qualifizierungsmerkmal“, mit dem sich die Stadt von seinem agrarischen Umland abhob.87 In unmittelbarer Nachbarschaft zum Markt befindet sich auf etwas höher gelegenem Gelände die Pfarrkirche St. Marien, in deren frühneuzeitliche Binnenstruktur ein Visitationsabschied von 1544 Einblicke gewährt.88 Patron der Stadtpfarrkirche war der Kurfürst. Er setzte den Pfarrer ein, dem ursprünglich auch ein Kaplan zur Seite stand. Bei der Kirche befand sich die Küsterei, die vormals Propsteisitz des Bistums Kammin war,89 nebst der Schulmeisterei. Ein Schulbesuch kam für die Söhne der Stadt in Betracht. Arme Leute konnten Unterstützung bei den Verwaltern des gemeinen Kastens beantragen. 75 Strasburg, Nr.  1021; Laetare Mittfasten meint den vierten Fastensonntag, der in die Mitte der Fastenzeit fällt; vgl. auch Enders  1992, S.  225f.; zu Jahrmarktterminen Kiessling 1998, S. 146ff. 76 Sontags vor Margretae alhir zu Strasburgk […] keyßerlicher freÿen strasßen im offenen Jarmarckt, Strasburg, Nr. 975, Bl. 31; ähnlich ebd., Nr. 1021. 77 Ebd., Nr. 1021. Gemeint ist der Sankt Martinstag, jährlich der 11. November. 78 Zur landesherrlichen Privilegierung von Jahrmärkten in Mediatstädten Hahn  1979, S. 94. 79 Ebd., Nr. 975, Bl. 38f. 80 GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. 81 Enders 1992, S. 225f. 82 Strasburg, Nr. 975, Bl. 31. 83 Ebd., Nr. 931, Bl. 126f. 84 Ebd., Nr. 1097, Bl. 47. 85 LMA 6, Sp. 309ff.; Kiessling 1998, S. 145; Kiessling 1999, S. 268f. 86 Hoffmann, C. A. 1999a, S. 102f.; Yante 2002, S. 222; Fenske 2006, S. 34ff., 65. 87 Kiessling 1998, S. 140, 153. 88 Strasburg, Nr. 43. 89 Enders 1986, S. 972.

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Insgesamt zeugen die Pfarrkirche und die Schule sowie insbesondere die Funktion als Propsteisitz von einer gewissen geistlich-kulturellen Zentralität.90 Der große Marktplatz mit den Verkaufsständen und die drei jährlich stattfindenden – zum Teil überregional frequentierten – Jahrmärkte dienten sicherlich als wirtschaftliche Motoren. Damit ist eine bescheidene Bedeutung Strasburgs als Nahmarkt zur kulturellen und wirtschaftlichen Versorgung des Hinterlandes anzunehmen. 3.1.3. Städtische Wirtschaftsstruktur

In der Forschung wird davor gewarnt, den allseits gern, insbesondere für märkische Kleinstädte, benutzten Begriff „Ackerbürgerstadt“91 unreflektiert auf das Untersuchungsobjekt zu übertragen. Die Gleichung Kleinstadt = Ackerbürgerstadt gehe nicht immer auf und es gebe bislang keinen Konsens über die Zulässigkeit dieses Begriffes oder gar eine von der Stadtgeschichtsforschung akzeptierte Definition. Mehr noch: Die viel zitierte Webersche Definition „Ackerbürgerstadt“92 stifte mehr Verwirrung als sie Ordnung schaffe.93 Die Diskussion zum Begriff „Ackerbürger“ dauert weiter an.94

90 ����������������������������������������������������������������������������� Zur umfangreichen Debatte der Stadt-Umland-Beziehungen vgl. die kurzen Zusammenfassungen in: Knittler 2000, S. 14ff.; Pühringer 2004, S. 135ff., mit einschlägigen Literaturhinweisen. 91 Johanek 1994, S. 14; Pröve 1997, S. 205, 215; zur Begriffsdiskussion Winnige 1996, S.  48f.; Blaschke  2001, S.  286f.; Jäschke  2002, S.  268, sowie die Beiträge in: Jäschke/Schrenk 2002; allgemein zu den Kriterien ENZ 1, Sp. 35f. Jan Peters bezeichnete Wilsnack als Ackerbürgerstadt, obwohl beweiskräftige „Daten über die Wilsnacker Wirtschaftsstruktur […] den Quellen leider nicht zu entnehmen“ sind, Peters 2007, S. 166. An anderer Stelle heißt es: „Hier in Wilsnack waren sie indes nicht, wie in manchen anderen kleinen Städten, in Wirklichkeit Ackerbürger.“, ebd. S. 276. Für das Ende des 17. Jhs., ebd. S. 437ff. 92 Als Ackerbürgerstädte gelten nach Max Weber „Orte, welche als Stätten des Marktverkehrs und Sitz der typischen städtischen Gewerbe sich von dem Durchschnitt der Dörfer weit entfernen, in denen aber eine breite Schicht ansässiger Bürger ihren Bedarf an Nahrungsmitteln eigenwirtschaftlich decken und sogar auch für den Absatz produzieren.“ (Weber, Max 2000, S. 5). 93 van Uytven 2002, S. 203; vgl. auch Störmer 1999, S. 80. 94 Fink 2002, S. 180f.; Ehbrecht 2006, S. 6.

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Das gegenwärtig von der Kleinstadtforschung benutzte Modell zur Erschließung frühneuzeitlicher Wirtschaftsstrukturen geht von der Existenz unterschiedlich nuancierter agrarischer Elemente in jeder Stadt aus95 und verlangt mehrdimensionale Deutungsansätze zur Klärung städtischer Wirtschaftsverhältnisse, die sich in Kriterienbündeln niederschlagen.96 Als ein wesentliches Kriterium gilt die Erwerbsstruktur,97 deren Analyse sozialstatistisch aussagekräftige, das heißt serielle Quellen voraussetzt. In der empfohlenen Dichte liegen diese für Strasburg für das 16. Jh. und frühe 17. Jh. nicht vor.98 Gleichwohl lassen die herangezogenen Quellen qualitative Rückschlüsse auf die Wirtschaftsstruktur zu. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend naturräumliche und gewerbliche Strukturen skizziert, auf die im Rahmen der Deliktanalyse Bezug genommen werden soll. Naturräumliche Voraussetzungen – Ackerbau und Viehzucht als Hauptnahrung

Der Ort bestand aus drei Vierteln, wobei der Begriff Viertel in erster Linie die räumliche Einteilung des Stadtgebietes99 im Sinne abgemessener, linear abge-

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Vgl. hierzu die Beispiele Höxter (Rüthing 1986, S. 249ff., bes. S. 253 und S. 262ff.) sowie Berlin-Cölln (Schulz  1987, S.  321); mit Blick auf den Weinbau für Köln (Schwerhoff 1991, S. 37; insbesondere Fink 2002, S. 182ff.); ähnlich die Überblicke bei Isenmann  1988, S.  32; Andermann  2002, S.  21; Keller  2002, S. 101, 121; Reinecke 2002, S. 126; van Uytven 2002, S. 212ff.; Schmieder 2005, S. 95. 96 Zu den Schwierigkeiten Knittler 2000, S. 19f. 97 Pröve 1997, S. 201ff., 206. 98 Die Schossregister der Stadt (Strasburg, Nr. 143 und 144) enthalten keine Berufsangaben. Vgl. Abb. 6 auf S. 266. In den landesherrlichen Schossregistern ist Strasburg nicht enthalten (BLHA Potsdam, Rep. 78, I Generalia, Nr. 12, Schossregister 1578 [1589] und Hufenregister 1573). Auch die Musterungsakten geben dazu nichts her (BLHA  Potsdam, Rep.  78, I Generalia, Nr.  19, Musterung 1588; BLHA  Potsdam, Rep. 78, I Generalia, Nr. 52a, Verzeichnis der Bürgerschafften […] Anno 1610); die Städtesachen der Kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammer (Rep. 2) überliefern nur Material aus dem 18. Jh. 99 Zu Stadtvierteln allgemein LMA  8, Sp.  33f.; ferner Schultze  1956, S.  18; Jütte 1991, S. 243; Bendlage 2003, S. 27f.

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grenzter Flächen (Geviert,100 „virt“101) umschreibt. Die Benennung der drei Viertel als Olderstadt,102 Güteritz Feldth103 und Falckenbergisch Feldth104 in einem der ersten Schossregister von 1568 illustriert für Strasburg zusätzlich eine enge Verknüpfung der Stadtfläche mit der außerhalb der Mauer liegenden Gemarkung. Die Strasburger listeten ihre Hufen auf dem Jüteritzer Feld 1728 im Huefen Register des Jüteritzschen Vierthels105 auf. Darin wird zugleich die Orientierung der Bürger auf ihre städtische Ackerflur ersichtlich.106 Die Einteilung in drei Viertel ist ein Relikt der mittelalterlichen Entstehungsgeschichte. Aus der Vereinigung zweier vormaliger ländlicher Siedlungen ( Jüteritz und Falkenberg) mit einer Burgsiedlung bei der Strasburg, die später – als Teil der Stadt – „Altstadt“ genannt wurde, entwickelte sich die Stadt.107 Dies sei nach Lieselott Enders „zu einem nicht bekannten, aber wohl frühen Zeitpunkt“108 geschehen. Im Einklang mit Befunden zu verschiedenen brandenburgischen Städten109 darf wohl auch für Strasburg von einer mehrstufigen Stadtgenese ausgegangen werden. Der frühe Charakter Strasburgs als Grenzfeste110 sowie deren spätere Bezeichnung als „Altstadt“ deuten auf eine durch „wirtschaftliche, strategische und kul-

100 LMA 8, Sp. 33f.; Lexer 3, Sp. 342f.; Grimm 6, Sp. 4686 und 4690; vgl. auch „Geviertfeld“ DRW 4, Sp. 632. 101 Lübben 1995, S. 481. 102 Strasburg, Nr. 143, Bl. 5. 103 Ebd., Bl. 6. 104 Ebd., Bl. 8; vgl. zu allen auch ebd., Bl. 61. 105 Strasburg, Nr. 802, Bl. 13. 106 Für die These Lipperts (Lippert  1996, S.  64), es handle sich bei den genannten Schossregistern um Register der Baugewerke, hat sich kein Beleg finden lassen. Die Register beziehen sich auf die ganze Stadt, da sie Schoßregister der Stadt Strasburg genannt werden, bspw. Strasburg, Nr. 143, Bl. 5, 14, 22, 28. Vgl. Abb. 6 auf S. 266. Da die Stadt als Gesamtheit schosspflichtig war, dürfte es sich vielmehr auch um Steuerviertel gehandelt haben, vgl. hierzu Jütte 1991, S. 247; zu Bauerschaften „als räumlichen Teil einer Stadt“, ebd., 240f., 245. 107 Rachel 1939, S. 651; Schwartz 1995, S. 369; Lippert 1996, S. 29f.; Schulz 2000, S. 40f. 108 Enders 1992, S. 75. 109 Zu Brandenburg an der Havel, Berlin, Prenzlau und Frankfurt an der Oder Schich 2007b; für Stendal zuletzt Popp 2007. 110 Enders 1992, S. 74.

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turelle Funktionen ausgezeichnete Ansiedlung“111 hin.112 Für Strasburg (Stadtteil „Altstadt“) darf eine kombinierte Burg-, Markt- und Gewerbesiedlung angenommen werden,113 in welche die Bauern der benachbarten Siedlungen wahrscheinlich zum Zeitpunkt der steinernen Befestigung einbezogen worden sind.114 Die Wüstlegung von Siedlungen durch Umzug der Bauern in die „moderne“ Stadt115 ist auch anderenorts,116 insbesondere für das 13. Jh., zu beobachten. Sie bewirkte einen Zuwachs an „wehrfähigen Bewohner(n) für die Verteidigung der neuen ausgedehnten Mauern“.117 Während die als „Ackerbürger“118 in Strasburg Lebenden ihre ehemaligen Dorfgemarkungen nunmehr von der befestigten Stadt aus bewirtschafteten, weisen die Namen der Stadtviertel bzw. -felder mit den dazugehörigen Baugewerken bis in das 20. Jh. hinein darauf hin, dass im hohen Mittelalter drei sozial getrennte Gemeinschaften auf dem Strasburger Stadtgebiet existierten.119 111 Mangelsdorf 1994, S. 269. 112 Der Terminus „Altstadt“ sagt „nichts über die städtische Qualität des Ortes“ aus; damit wurde vielmehr „der Platz derjenigen Siedlung bezeichnet, die dieser Stadt vorausging und deren wesentliche Funktionen diese neue Stadt fortsetzte“, Schich 2007c, S. 281. 113 Vgl. zu diesem Siedlungstyp Schich 2007a, S. 352. 114 Mangelsdorf 1994, S. 269; Schich 2007a, S. 351f.; Schich 2007b, S. 303, 323. Vgl. hierzu auch Engel 1993, S. 75. 115 Davon zu unterscheiden sind im unmittelbaren Stadtgebiet aufgegangene Siedlungen, wie Hühnerdorf bei Rathenow oder Parduin bei Altstadt Brandenburg. Hier war es zu keiner Wüstlegung gekommen, sondern die Siedlungen waren vielmehr Bestandteil der Städte, mitunter Ausgangspunkte zur Anlage der Stadt, Mangelsdorf  1994, S. 189. 116 In Rathenow (Schich 1987b, S. 364f.); Alt- und Neustadt Brandenburg (Mangelsdorf  1994, S.  173, vgl. ferner bes. S.  243–269; Schich  2007a, S.  351f.; Schich  2007b, S.  303,  323); Templin und weitere uckermärkische Beispiele (Enders 1992, S. 75); Woldegk (Schich 2007a, S. 352); sächsische Beispiele in Keller 2002, S. 111f., bes. S. 111, Anm. 27. 117 Schich 2007b, S. 324. 118 Hier soll mit Bockholt eine weite Definition von Ackerbürger zugrunde gelegt werden: „Unter Ackerbürger sind Bewohner einer Stadt zu verstehen, die entweder im Hauptberuf landwirtschaftlich tätig sind (= Stadtbauern) oder neben einer nichtagrarischen Tätigkeit, die oftmals ein Landhandwerk sein kann, Landwirtschaft betreiben.“ (Bockholt 1989, S. 5; vgl. auch Schich 2007b, S. 324, Anm. 136). 119 Enders 1992, S. 75; stark heimatkundlich ist der Beitrag von Schulz 1984, S. 193– 202.

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Baugewerke waren Ackergenossenschaften, in denen sich „Ackerbürger“ ähnlich wie Handwerker in Zünften korporativ zusammengeschlossen hatten. Ihre Existenz deutet auf ein gesellschaftlich starkes Bauernmilieu hin, das sowohl das Bedürfnis als auch das Potential besaß, seine Angelegenheiten genossenschaftlich zu regeln.120 Wann die Baugewerke der einzelnen Viertel entstanden sind, lässt sich den vorliegenden Quellen explizit nicht entnehmen. 1701 ist in der Bauund Feldordnung von dem Bauwerk121 die Rede, wohingegen 1728 die Bauleute des alterstädtischen baugewerk122 begegnen. Im Laufe des 18. Jhs. tauchen die Baugewerke der einzelnen Viertel auf. Mit Blick auf die Forschungen zu anderen Städten,123 erscheint auch in Strasburg die Existenz zumindest eines Baugewerkes bereits im 16. Jh. als möglich. Aus dem Zusammenschluss der Siedlungen resultierte eine beträchtliche Vergrößerung der städtischen Feldmark. Sie bildete eine „zusätzliche Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Stadt“124 und betrug laut Hufenregister 1728 insgesamt 264  Hufen.125 Die Annahme, Strasburg habe auch im Mittelalter 266 Hufen besessen,126 scheint sehr fragwürdig. Zwar umfasste das Falkenberger Feld 1629 60  Hufen.127 Auch darf vermutet werden, dass die Größen für das Altstädter und Jüteritzer Feld im 17.  Jh. sich in den für 1728 überlieferten Größenordnungen bewegten, zumal 1645 die Gesamtflur mit 250  Hufen

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Samsonowicz 2002, S. 94f. Strasburg, Nr. 1586. Ebd., Nr. 802, Bl. 16. Vereinzelt tauchen in spätmittelalterlichen Quellen ( Jäschke 2002, S. 273f.), doch verstärkt im 16. Jh. Hüfner auf, die beginnen, sich nach zünftigem Vorbild zusammenzuschließen (Schulz  1987, S.  326; Keller  2002, S.  120f.; Trauffler  2002, S. 199). Es wird – wohl zu Recht – angenommen, dass diese Ackergilden (oder auch Wröhen genannt) spätmittelalterliche Wurzeln besaßen (Pohl 1983a, S. 116). Schich 2007b, S. 324; ähnlich Schich 2007a, S. 352. Altstadt 148 Hufen (Strasburg, Nr. 802, Bl. 16), Jüteritz 56 Hufen (ebd., Bl. 24) und Falkenberg 60 Hufen (ebd., Bl. 27). Vgl. zu allen Feldern Berghaus 1855, S. 276f. Die Hufe war eine vermessene Besteuerungsfläche und „zentrales Ordnungsprinzip“ des hochmittelalterlichen Landesausbaus, deren Größe regional schwankte, LMA 5, Sp. 156. Lippert 1996, S. 29: „Altstädt habe 148, Falkenberg 60, Jüteritz 58 Hufen gehabt.“ Strasburg, Nr. 1099, Bl. 53.

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angegeben wird.128 Doch für 1544 sind Angaben von 168129 bzw. 174130 Hufen überliefert. Von daher besteht der Verdacht, dass außerhalb der mittelalterlichen Stadtgemarkung liegende Ländereien, die im 16.  Jh. von der Stadt erworben wurden,131 der städtischen Gemarkung im Laufe des 16.  Jhs. zugeschlagen wurden.132 Letztendlich aber bleibt die tatsächliche Gemarkungsgröße im hier interessierenden 16. Jh. vage. Festzuhalten ist jedoch deren beachtlicher Umfang (zwischen 168 und 266  Hufen), der übliche kleinstädtische Gemarkungen übersteigt.133 Die große Ackerfläche auf fruchtbarem Boden, der im Norden der 128 Altstadt 128; Jüteritz 52 und Falkenberg 70  Hufen (Angabe des Rates), GStA  PK, II. HA Generaldirektorium, Abt. 14 Kurmark, Tit. CLXXIII, Nr. 1, Schossregister der Stadt Strasburg von 1645, Bl. 10; vgl. auch Enders 1986, S. 966. 129 Enders 1986, S. 966. 130 Enders 1992, S. 75. 131 CDB I 21, S. 502f., Nr. 51; S. 504, Nr. 53; S. 504f., Nr. 54; S. 514, Nr. 63. 132 Ob es sich hierbei in der Tat um ca. 100 Hufen handelte, muss an dieser Stelle offen bleiben. 133 Aufgrund der regional verschiedenen Hufengrößen ist mit einem unterschiedlichen Maß der jeweiligen Hufe zu rechnen, was einen Vergleich erschwert. Doch mögen die Vergleichszahlen zu anderen märkischen Städten dazu dienen, auf das hier nicht zu lösende Problem des Umfangs der Strasburger Gemarkungsgröße hinzuweisen: 1527 sind für Angermünde 100 Hufen (Enders 2000a, S. 8; 1592 102 Hufen, ebd.); Templin 100 Hufen (Engel 2000a, S. 508; 1567 85 Hufen, ebd.); Lychen 82 Hufen (Engel 2000b, S. 326); Schwedt 100 Hufen (Enders 2000b, S. 469) – um nur einige uckermärkische Kleinstädte zu nennen – überliefert. Die pommersche Gründung Prenzlau (ebenso in der Uckermark gelegen) besaß mit über 200 Hufen (die Angaben schwanken zwischen ca. 240 und 340 Hufen, Enders 2000c, S. 424; Schich 2007a, S.  351) – ähnlich wie die märkischen Gründungen Friedland mit 200  Hufen (Krabbo 1912, nach S. 272; Helbig 1973, S. 38; Schich 2007a, S. 351) und Neubrandenburg mit 250 Hufen (Krabbo 1912, nach S. 272; Schich 2007a, S. 351) – eine beachtliche (aber noch näher zu untersuchende) Gemarkungsgröße. Damit würden die letztgenannten Siedlungen, vor allem aber das hier interessierende Strasburg, bedeutende märkische Städte, wie Berlin (120  Hufen, Schich  1999, S.  115) und Frankfurt an der Oder (124  Hufen, ebd., S.  116; ferner Schich  2007b, S.  323; Krabbo 1912, nach S. 272), hinter sich lassen. Die Doppelstadt Salzwedel, eine der reichsten Städte der mittelalterlichen Mark Brandenburg, begann die zu ihrer Stadtflur gehörenden Hufen erst zur Wende zum 14.  Jh. zu erwerben (Stephan  2006, S. 59, zum Reichtum; ebd., S. 74f., zur Stadtflur) und war offenbar von Anfang an eher auf den Fernhandel und das Handwerk als auf die Produktion agrarischer Güter spezialisiert (allgemein Schich 2007b, S. 323).

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Der kleinstädtische Rahmen

Uckermark,134 insbesondere auch um Strasburg vorhanden ist,135 bot bereits im 16. Jh. eine gute landwirtschaftliche Produktionsbasis. Von daher wird Ackerbau und Viehzucht die Hauptnahrung der Stadt gewesen sein, was sich mit Blick auf die „lange Dauer“136 naturräumlicher, verkehrsgeografischer und fiskalischeigentumsrechtlicher Strukturen über Jahrhunderte hinweg noch in den Strukturen des 18. Jhs. ablesen lässt. Infolge des Dreißigjährigen Krieges hatte Strasburg schwere Zerstörungen erlitten.137 Die Stadt brannte mehrmals nieder und 1645 waren nur noch 39 Häuser bewohnt.138 Im Laufe der zweiten Hälfte des 17. Jhs. wurden Pfälzer139 und andere Refugirte140 zur Peuplierung angesiedelt, die 1728 in den Hufenregistern als Ackerbesitzer verzeichnet sind. 1728 gaben von 336 sesshaften Haushaltsvorständen 91 als ausschließliche Profession „Ackerbürger“ an.141 27 % Ackerbürger innerhalb eines Gemeinwesens weisen auf ein beachtliches agrarisches Potential

134 Süring, Bl. 15 (25); Krenzlin 1979, S. 5, 16, 26f.; Enders 1992, S. 310. Bodengütekarten dieser Region offenbaren gute bis mittlere Böden, die zu einem lehmig-sandigen, braunerdehaltigen Grundmoränengebiet gehören und denen man ein hohes natürliches Ertragspotential zuschreibt: Geologische Karte von Mecklenburg-­ Vorpommern, Güstrow 2005; vgl. auch Kasch, Walter/Jacke, Werner/Knott, Kurt: Bodengütekarte der DDR, Leipzig 1953; Matz, Rudolf: Agrar-Atlas über das Gebiet der DDR, I. Bodenarten und bodenartliche Ertragsbedingungen nach den Ergebnissen der Bodenschätzung, Gotha 1956; zu den methodischen Schwierigkeiten, Böden und Vegetation der Gegenwart für Aussagen in der Vergangenheit heranzuziehen (Krenzlin 1979, S. 13, 21ff.) und die kleinmaßstäbigen und vielgliedrigen Bodenkarten für die „kleinräumige Vielgestaltigkeit des brandenburgischen Raumes“ zu nutzen (ebd., S. 23). 135 Rachel 1939, S. 651. 136 Zum Konzept der „longue durée“ Braudel 1977, S. 56f.; Jordan 2002, S. 202ff. 137 Winter 2008, S. 136. 138 GStA  PK, II.  HA Generaldirektorium, Abt.  14 Kurmark, Tit.  CLXXIII, Nr.  1, Schossregister der Stadt Strasburg von 1645, Bl. 9. Hier ist bereits ein Wachstum zu verzeichnen, da 1641 nur neun Bürger in Strasburg ansässig waren, Enders  1986, S. 966; Enders 1992, S. 329. 139 Strasburg, Nr. 801, Bl. 34. 140 Ebd., Nr. 1586. 141 Enders 1986, S. 967f.

Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung 51

hin142 und dürfen als „siedlungsprägend“143 gewertet werden. 1744 galt Ackerbau als Hauptnahrung der Stadt144 und noch Anfang des 19. Jhs. verzeichnete Bratring 79 Ackerbürger,145 die einen sehr bedeutenden Ackerbau mit Viehzucht als Haupterwerb146 betrieben. „Von je an“ sei – so Fidicin – das so gewesen.147 Diese Annahme erhärtet sich bei näherer Betrachtung eines Stadtkonfliktes, der 1622 ausbrach.148 Stadtkonflikte als Wirtschaftsindikatoren

Innerstädtische Auseinandersetzungen erfassten „seit Ende des 16.  Jahrhunderts eine große Zahl norddeutscher Städte“.149 Sie folgten im Wesentlichen ein und demselben Muster. Oftmals führte über Jahre angestauter Missmut flankiert von einer wirtschaftlichen und finanziellen Krisensituation oder religiösen Spannungen150 zu politischen und ökonomischen Forderungen der Einwohner. Stets klagten sie eine stärkere Partizipation am städtischen Regiment,151 aber auch die Rechnungslegung über die städtischen Ein- und Ausnahmen ein. Üblicherweise gestalteten sich die wirtschaftlichen Forderungen entsprechend der Haupterwerbsquellen der protestierenden Bürger.152 142 In der Literatur werden 30 % im Ackerbau tätige Bürger als Indiz für das Vorhandensein einer “Ackerbürgerstadt” gewertet, Henning 1985, S. 77; Samsonowicz 2002, S. 89. 143 Bockholt 1989, S. 5. 144 Enders 1986, S. 968. 145 Bratring 1968, S. 499. 146 Berghaus 1855, S. 279. 147 Fidicin 1974, S. 17. 148 Strasburg, Nr. 934; GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. Vgl. dazu auch Enders 1992, S. 250f. 149 Langer 1991, S. 200; Aufstellung von größeren Bürgerunruhen in: Schilling 1998, S. 381; zu Köln Schwerhoff 1991, S. 210ff.; allgemein Enders 1992, S. 252, 258f.; Knittler 2000, S. 138ff. 150 Wie im „Berliner Tumult von 1615“, dazu Schulz  1987, S.  334ff.; vgl. auch Mörke 1982, S. 153ff. 151 Was in Strasburg insoweit erfolgreich war, als ein beteiligter Bürger – Paul Rulow – sechs Jahre später als Viertelherr agierte, Strasburg, Nr. 1099, Bl. 10. Zu den Vorgängen von 1622 ebd., Nr. 934. 152 Zum „Fettmilch-Aufstand“ in Frankfurt am Main unter anderem Eibach  2003, S. 113–116; zu Görlitz Behrisch 2005, S. 94f.; zum Barnim Engel 1991, S. 353; zur Prignitz Peters  2007, S.  274; zu Ostseestädten und insbesondere Stralsund

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Der kleinstädtische Rahmen

Von den elf Forderungen, die die Strasburger Viergewerke, das heißt die Tuchmacher, Bäcker, Schneider und Kürschner, zusammen mit zünftigen Schustern gegenüber dem Rat vorbrachten, betrafen vier unmittelbar die nahrung in dieser Stadt.153 So klagten die Bürger unter anderem, der Rat habe die zu den Häusern gehörenden Wiesen numehr den Burgern entzogen, und dem Rhate gleichsamb, were es Ihr eigenthumb alles zu geeignet. Dadurch seien die Strasburger gezwungen worden, Ihr viehe ab[zu]schaffen und gar verterben mußen wie es das ganz unstreitige, das etwa vier od[er] funff Personen im Rathe die Nahrunge fast alleine an sich gebracht und gezogen haben.154 Die weiteren drei Wirtschaftsforderungen betrafen die beiden städtischen Vorwerke, deren Wiesen der Rat sich einverleibt hätte, sowie die Einnahmen aus der Stadtmeierei. Deutlich wird, dass sich die Bürgerschaft, insbesondere auch die in Zünften organisierte, mit ihren ökonomischen Forderungen hauptsächlich auf den landwirtschaftlichen Erwerb konzentrierte. Keine der Forderungen berührte das städtische Handwerk oder rathäusliche Übergriffe auf die vom Landesherrn gewährten Zunftprivilegien155 oder Eingriffe in die handwerkliche Produktion, wie es von anderen innerstädtischen Auseinandersetzungen sowohl aus dem Mittelalter156 als auch aus der Frühen Neuzeit157 bekannt ist. Es darf vermutet werden, dass sich in den Forderungen der Zünfte der landwirtschaftliche Haupterwerb der Stadt spiegelt. Ähnlich wie in der benachbarten uckermärkischen Hauptstadt Prenzlau, deren Stadtgemarkung ebenfalls außerordentlich groß158 war und äußerst fruchtbar ist,159 scheint auch in Strasburg Ackerbau die vornehmste Nahrung160 gewesen zu sein, zumal Importe von Nahrungsmitteln in den herangezogenen Quellen nicht auftauchen. Langer 1991, S. 200ff.; allgemein Ehbrecht 1991, S. 129f. 153 Strasburg, Nr. 934; GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. 154 Ebd. 155 Im 16./17. Jh. wurden sie für die Schneider, Leineweber, Schmiede und Schuhmacher erteilt, BLHA Potsdam, Rep. 78, IV Privilegien, S 19, Nr. 4 sowie 6–8. 156 So bspw. in Lübeck 1403: Stoob 1980, S. 362; in Münster 1412: Kirchhoff 1980, S. 161f.; Chronologie von Stadtkonflikten: Engel 1993, S. 129f.; zu den Ursachen vgl. ferner Kannowski 2001, S. 24–33. 157 Behrisch 2005, S. 95. 158 Vgl. Anm. 133 auf S. 49. 159 Süring, Bl. 20 (30); Krenzlin 1979, S. 16, 26f.; Enders 1992, S. 20. 160 Enders 1992, S. 227.

Die Kleinstadt Strasburg – eine Annäherung 53

Es dürfen im Gegenteil Exporte überschüssigen Getreides161 über Stettin, dem bedeutenden pommerschen Fernhandelshafen,162 angenommen werden, deren Erlöse nicht unterschätzt werden sollten.163 Ein Scheffel Gerste und Roggen brachte zwei Gulden und der Scheffel Hafer wurde mit einem Taler gehandelt.164 Reichlich165 wurde Getreide, wie Weizen,166 Gerste,167 Roggen168 und Hafer169 geerntet. Gerste, die in großen Mengen angebaut wurde, verbraute man zum Teil in der Stadt und verkaufte das Bier nicht nur im örtlichen Ratskeller oder in den stadtansässigen Krügen, sondern auch an die Nachbarn. Zudem wurden Krüge der umliegenden Dörfer beliefert.170 Ackerbau und Viehzucht als Erwerbsquellen der lokalen Obrigkeit

Von 23 im Untersuchungszeitraum greifbaren Ratsmitgliedern sind sieben eindeutig mit Ackerbau und Viehzucht in Verbindung zu bringen. Bei weiteren sieben Ratsmännern ist aufgrund von Ackerbesitz die Ausübung von Landwirtschaft möglich171 und zu neun schweigen die Quellen diesbezüglich. 1622 beschwerten 161 Süring, Bl. 15 (25); vgl. zum überregional hohen Getreidebedarf, der durch das Bevölkerungswachstum verursacht wurde, Schilling  1998, S.  60f.; zum märkischen Getreideexport im Mittelalter Müller-Mertens 1956/57, S. 19–21. 162 Stettin war für den uckermärkischen Getreideexport allgemein (Enders  1992, S. 180, 222f.) und insbesondere für den der uckermärkischen Herrschaft Boitzenburg (Harnisch 1968, S. 71f.) bedeutend. 163 So seien in der Stadtmeierei und durch den Müller jährlich stattliche Geldeinnahmen durch Getreideverkauf und -verarbeitung möglich gewesen, Strasburg, Nr. 934. 164 Ebd., Nr. 1098, Bl. 44; zu Preisen ebd., Nr. 976, Bl. 107. 165 Süring, Bl. 15 (25). 166 BLHA  Potsdam, Rep.  4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd.  49, Bl.  395ff.; Strasburg, Nr. 1021. Weizen gilt als Anzeiger fruchtbarer Böden, vgl. dazu Krenzlin 1979, S. 16. 167 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 44; ebd., Nr. 1099, Bl. 48; ebd., Nr. 486/1; ebd., Nr. 1030; ebd., Nr. 1021. 168 In den Rogken Sahtzeitt, ebd., Nr. 1020; ähnlich ebd., Nr. 1099, Bl. 5; ebd., Nr. 1097, Bl. 36f. 169 Vorm Tohre ufn Kampfe darauf hafer gestanden, ebd., Nr. 1030; ähnlich ebd., Nr. 975, Bl. 112; ebd., Nr. 976, Bl. 3, 89. 170 Insonderheit den Gersten, deßen an wiespels zimblich viel gebawet wird, und besorgten Ihre kruege auf den dörffern davon mit Bier, ebd., Nr. 934. 171 Hierbei wird, anlehnend an Keller 2001, S. 237ff., unterstellt, dass Ackerbesitz auf betriebenen Ackerbau hindeutet. Diese Sichtweise ist umstritten, jedoch für Strasburg

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sich die Viergewerke in dem bereits erwähnten Protestschreiben,172 dass im Laufe der Zeit das Vorwerk Lauenhagen mit seinen Wiesen und Äckern allein von den Bürgermeistern und Ratsherren nebst ihren Bauknechten privat genutzt worden sei.173 Mitunter war der Lehnsrichter Lebbin auf dem Feld – vermutlich bei der Arbeit – anzutreffen.174 Die Lehnsrichterfamilie besaß sechs Hufen zu Lehen, die 1538 Henning Lebbin vom Kurfürsten erhalten hatte. Sie gehörten zum Altstädter Feld.175 Diese und weiterer, in Privatbesitz176 befindlicher Acker dienten der Familie als Lebens- und Erwerbsgrundlage. Die Familie hielt Schafe,177 betrieb Ackerbau178 und der Richter ist explizit als ackerman179 greifbar. Bisweilen wurde die Beilegung von Streitigkeiten auf die Zeit nach beendeter Ernte verschoben.180 So habe Zacharias Möller dem Bürgermeister Johann Juricke und dem Richter die an ihm verübte Gewalt geklagt, aber dieselbigen [haben, E.F.] sich der sachen weinig angelegen sein laßen sondern haben dieselbige nach geendigter ernten verschoben.181 Dies sind Indizien für eine direkte Nutzung des Bodens durch die lokalen Obrigkeiten. Balthasar Schivelbein – im frühen 17. Jh. Bürgermeister in Strasburg – bekundete Interesse am Erwerb einer niedergebrannten Hofstelle, um doselbsten einnen viehehofe und Scheunnen wieder aufbauen [zu] wollen.182 Hier wird der Bürgermeister Schivelbein, der im Altstädter Viertel bereits einen Haushalt – wahrscheinlich einen Hof – betrieb, als am Ausbau seiner Landwirtschaft interessierter Herrschaftsträger greifbar. 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182

in Gesamtschau der vorliegenden Hinweise ebenfalls vertretbar. Vgl. Anm. 148 auf S. 51. Strasburg, Nr. 934. Ebd., Nr. 1099, Bl. 38. Ebd., Nr. 801, Bl. 20. Ebd., Nr. 1097, Bl. 38f., 105f.; ebd., Nr. 801, Bl. 20. Das ein scheffer mit namen thewes. da derselbe in Strasburgk bey Claus schötteler gedient dem Richter alhir auch 5 schaffe […] gestolen. und hetten sie von des Richters hofe hinweg nach des schlechters getriben, ebd., Nr. 1021. Es sind Häkerknechte, das heißt Meier- oder Ackerknechte, des Bürgermeisters Lebbin überliefert, BLHA  Potsdam, Rep.  4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 395ff. Henningk Lebbien, Bürger undt Lehenrichter, auch ackerman alhier, Strasburg, Nr. 1020. Ebd., Nr.  1023; ebd., Nr.  976, Bl.  108f.; ebd., Nr.  917; zu diesem Problemkreis Hahn 1989, S. 87; Yante 2002, S. 220. Strasburg, Nr. 1025. Vgl. auch ebd., Nr. 1070, Bl. 23, ebd., Nr. 143, Bl. 252.

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Ratsmitglieder, die wie in Berlin „zugleich im Fernhandel und als Lehnbürger, als landesherrliche Finanzleute und Amtsträger nachweisbar sind“183 oder das Land in erster Linie als Kapitalanlage nutzten,184 tauchen in den herangezogenen Quellen nicht auf. Es darf angenommen werden, dass die lokale Obrigkeit ihr Land größtenteils selbst – freilich mit Angestellten – bewirtschaftete. Im Ganzen scheint es daher berechtigt, die Stadt Strasburg auch im 16.  Jh. als „Acker­ bürgerstadt“ zu bezeichnen. Skizze zum Handwerk – hauptsächlich Textilgewerbe

Folgende Handwerke wurden 1515 in der Gesetzten Ordnung der Stadt185 aufgelistet: Schuhmacher, Wollweber/Tuchmacher, Bäcker, Schmied,186 Knochenhauer/ Schlachter, Schneider187 und Leineweber.188 Da es sich hierbei um Aufnahmeregelungen für die Zünfte handelt, müssen damals entsprechende Korporationen in der Stadt existiert haben.189 Ferner sind Kürschner,190 Schwarzfärber,191 Töpfer,192 Klein-193 und Grobschmiede,194 Böttcher,195 Barbier196 sowie Radmacher197 überlie-

183 Engel 1991, S. 337. 184 Für einzelne Städte der Mark Müller-Mertens 1956/57; für Spandau Pohl 1983a, S. 108; für Höxter Rüthing 1986, S. 253f und S. 258f.; vgl. ferner Keller 2002, S. 110; Samsonowicz 2002, S. 90; Trauffler 2002, S. 195f. 185 Punkte 10–15, Strasburg, Nr. 28; vgl. auch GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. 186 Als Sammelbegriff für Grob-, Klein-, Büchsen-, Messer- und Nagelschmiede, BLHA Potsdam, Rep. 78, IV Privilegien, S 19, Nr. 6. 187 Die Schneider hatten der Stadtpfarrkirche Ackerland gestiftet, das im Zuge der Reformation von der Zunft wieder eingezogen wurde und an einen Bürger veräußert wurde, Strasburg, Nr. 1070, Bl. 21. 188 Zur geistlichen Stiftung der Leineweber, die dem gemeinen Kasten zufloss, ebd., Nr. 43. 189 Vgl. hierzu auch die landesherrlich gewährten Privilegien des 16. und frühen 17. Jhs. für die Leineweber, Schneider, Schmiede und Schuster. 190 Strasburg, Nr. 143, Bl. 255; ebd., Nr. 934; GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. 191 Strasburg, Nr. 976, Bl. 58. 192 Ebd., Nr. 1099, Bl. 50; ebd., Nr. 143, Bl. 252, 260. 193 Ebd., Nr. 1097, Bl. 28. 194 BLHA Potsdam, Rep. 4A, Sentenzenbücher, Nr. 21. 195 Strasburg, Nr. 976, Bl. 102ff. 196 Ebd., Nr. 931, Bl. 126f.; ebd., Nr. 976, Bl. 87. 197 Ebd., Bl. 63.

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fert. Fehlendes Fein- und Luxusgewerbe, wie Goldschmiede,198 vermittelt das typische Bild elementarer, unspezialisierter Markt- und Kleinstadtbedürfnisse.199 Schafherden und Schäfereien zeigen Schafzucht200 an und die produzierte Wolle diente den städtischen Wollwebern vermutlich einerseits zur Fertigung ihres Wolltuches,201 dürfte andererseits aber auch exportiert worden sein.202 Zusammen mit dem Anbau von Flachs und Hanf für die Leineweberei dürfte das Textilgewerbe eine gewisse Bedeutung erlangt haben. Die Präsenz der Tuchmacher, Schneider und Kürschner in den Viergewerken spricht für ihren sozioökonomischen Aufstieg.203 Die Schafwollproduktion für den überregionalen Wollmarkt war seit der Mitte des 16. Jhs. auch in der Mark bedeutend geworden,204 da der ausländische Wolltuchmarkt zunehmend expandierte und die Märkte mit feinen hochwertigen Tuchen versorgte.205 Während in Berlin die kurfürstlichen Bemühungen, die Qualität der einheimischen Tuche zu steigern,206 scheiterten, blieb auch in Strasburg die lokale Wolltuchproduktion vermutlich eher unspezialisiert. So ist eher beiläufig zu erfahren, dass Prenzlauer Tuchmacher, die tucher so von kurßner und stoff Wulle gemachtt, […] alhir derselben viele 100 steine eine Zeitt hero an sich gekaufft und verarbeitett, […] aber sie weren nicht so guett, hultten auch so woll nicht alß die guetten tucher.207 Die Tuchmacher, die in den Viergewerken vertreten waren, besaßen vor der Stadt eine Walkmühle.208 Deren Aufgabe war es, grobe Stoffe 198 Auf märkischem Gebiet bspw. in Frankfurt an der Oder, Helbig  1973, S.  113; zu Berlin Schulz 1987, S. 321. 199 Vgl. hierzu Vetter 1996, S. 45f., 60; Keller 2001, S. 238. 200 Strasburg, Nr. 976, Bl. 125; ebd., Nr. 934; ebd., Nr. 1020; vgl. auch Süring, Bl. 8 (13), § 17. 201 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 49ff.; Flachenecker 1998, S. 66. 202 Zum überregionalen Wollmangel im 16. Jh. Flachenecker 1998, S. 71. Über genaue Erlöse gibt es keine Auskunft; ähnlich auch der Befund bei Peters 2007, S. 235. 203 Schulz 1987, S. 320. 204 Schulz 1987, S. 318, 320. Vgl. auch Neuruppin; die Stadt lebte „schon seit dem Mittelalter überwiegend von den zwei großen, auf den Export ausgerichteten Haupterwerbszweigen, der Bier- und Tuchproduktion“, Meier 1993, S. 263. 205 Schilling 1998, S. 43f., bes. auch die Karte S. 38. Zum Konjunkturaufschwung auch kurz Schwerhoff 1991, S. 190f. 206 Schulz 1987, S. 320. Ähnlich scheint die Situation um 1500 in Höxter gewesen zu sein, vgl. Rüthing 1986, S. 176. 207 Strasburg, Nr. 660. 208 Ebd., Nr. 1021; ebd., Nr. 1023; ebd., Nr. 1030; vgl. Urmesstischblatt Nr. 1052/2448

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und Häute geschmeidig zu stampfen, um daraus entweder Tuche oder Leder herzustellen.209 In Verbindung mit dem genannten Schwarzfärber,210 der nicht der einzige Vertreter seines Gewerbes gewesen sein dürfte, ist eine kleine Tuchproduktion anzunehmen. Die Gruppe der Tuchmacher bzw. Wollweber war nicht homogen, sondern gesellschaftlich differenziert;211 in ihr gab es den im Rat sitzenden, inkorporierten und zugleich vermutlich am Wollhandel Beteiligten Leonhardt Binder, der von den Prenzlauer Tuchmacherkonkurrenten diffamierend als mit räudigen Schafen handelnder Kürschner212 betitelt wurde. Ferner gehörte Andreas Krechlendorf dazu, der sich wiederholt deviant verhalten hatte und vermutlich auch deswegen213 aus der Zunft ausgeschlossen worden war. Er verdingte sich – degradiert, aber noch nicht völlig ausgegrenzt – bis zum Verkauf sämtlicher Immobilien und seinem „Austreten“214 an der Walkmühle.215 Neben den Tuchmachern/Wollwebern existierten die Leineweber, die 1515 in einer Zunft organisiert waren und der Marienkirche eine Stiftung übertragen hatten. Allgemein galten sie in Norddeutschland als weniger geachtet.216 Regional

von 1835 (Abb. 5 auf S. 265). 209 Haben Ihne die Tüchmacher vor die Stadt in die Walckmühle für einen Walcker angenommen, das er den andern Tuchmachern die Tuche gedicket, Strasburg, Nr. 1023; vgl. auch Clemens/Matheus 1996, S. 233. 210 Strasburg, Nr. 976, Bl. 58. 211 Vgl. zur Schwierigkeit, die Strasburger Mittelschicht von der Unterschicht zu trennen, unten S. 60–64. 212 Leonhardt Binder, sonst seines handwercks ein kueßner, [in anderen Quellen auch als Wollweber fassbar, E.F.] aber sehet von seinem beruff abe, unndt handelt mit reudigen Schaffen, Strasburg, Nr. 660. 213 Hier ist zu beachten, dass Licht ins Leben des Krechlendorf lediglich die Kriminalakten werfen, die die Ursachen, Motive und Hintergründe für sein Verhalten nur bedingt wiedergeben. 214 Austreten meint in dem vorliegend untersuchten Kontext „Friedbruch (das 'Heraustreten' aus einer Friedens- und Rechtsgemeinschaft) durch mutwilliges Befehden und Angreifen oder eigenmächtiges und gewaltsames Durchsetzen von Rechtsansprüchen unter bewußter Umgehung des Rechtsweges oder sogar in gezielter Konfrontation gegen die Obrigkeit.“ (Reinle  2003, S.  115, auch S.  249; vgl. auch Brunner  1990, S. 65; Mommertz 2003, S. 218). 215 Strasburg, Nr. 1023. 216 Schich 1987a, S. 225f.

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verschieden zählten sie auch zu den verachteten Berufen.217 Aus diesem Textilgewerbe wird beispielsweise der hauptsächlich für den Eigenbedarf – vermutlich aber auch darüber hinaus – Nahrungsmittel produzierende Landwirt und Weber Achim Huwoldt greifbar. An ihm lässt sich die Parallelität der Erwerbsquellen und die damit einhergehende Schwierigkeit einer sozialen Positionierung am besten ablesen. Als der im Falkenberger Viertel ansässige Huwoldt 1608 verstarb,218 gehörten zu seiner Hinterlassenschaft folgende Güter: Weberlohn,219 gewährter Kredit220 und Verbindlichkeiten seinerseits.221 Die Außenstände deckten seine Schulden, sodass seine Kapitaldecke insgesamt als bescheiden, aber angesichts der Fähigkeit, kleinere Geldsummen zu verleihen, als solide bewertet werden darf. Außergewöhnliche Ausgaben mussten jedoch letztlich über Kredite finanziert werden. Daneben besaß Huwoldt ein kleines Häuschen vier gebindenn (Fachwerke)222 lang sowie eine etwas größere Scheune von fünf Fachwerken, sechs Morgen Frei217 Verachtet, im Sinne von unehrlich, waren die Scharfrichter, Barbiere, Büttel, Schinder bzw. Abdecker, Spielleute, Dirnen, Bader u. a., LMA 8, Sp. 1216; vgl. auch Irsigler/ Lassotta  2001, S.  13; eine weite Definition, die auch unehrliche Gewerbe oder Handwerksberufe mit einbezieht, wie Müller, Schäfer, Gerber usw. bei Dülmen 1999, S. 24f. Ob die Leineweber in Strasburg zu den verachteten Berufen zählten, kann in diesem Rahmen nicht entschieden werden. Nachfolgend werden sie, der allgemeinen Sicht folgend, dazu gerechnet, LMA  7, Sp.  433f.; Rüthing  1986, S.  182f.; Borgolte 1996, S. 260. Ebenso werden die Barbiere einbezogen, obwohl 1615 Zacharias Möller als Sohn des Bürgermeisters als Barbier tätig war. Die Entscheidung des Schulmeister- und Bürgermeistersohns für einen von der Forschung als „verachtet“ eingestuften Beruf unterstreicht, wie wichtig es ist, regionale Unterschiede bei der Marginalisierung von Berufen zu berücksichtigen (vgl. dazu auch Dülmen 1999, S. 31f., 61, der auf die Unterschiede hinweist.) 218 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 49ff.; vgl. dazu auch Enders 1992, S. 286. 219 Lohn im Wert von 13 fl., 107 Schillingen und 143 Groschen standen bei Strasburger und Wismarer (Dorf, ca. 4 km nordöstlich von Strasburg) Schuldnern noch aus. 220 Knapp 20 fl. gewährter Kredit. Das Leihen und Verleihen kleinerer Geldsummen unter Nachbarn war nichts Außergewöhnliches (Peters 2007, S. 239); als „Kleinkönige eines Kreditwesens“ betitelt er Gläubiger mit ausstehenden Forderungen von zehn bis 20 fl. (ebd., S. 244). 221 Sie beliefen sich auf 13 fl., 28 Schillinge und 14 Groschen und resultierten vornehmlich aus dem Begräbnis für seine Mutter und seiner eigenen Beerdigung. 222 Lübben 1995, S. 110; zur Bauausführung Süring, Bl. 14 (24), § 31: die Häuser und Gebäude sind in Städten und Dörffern, theils ohne und in fachwerck gemauert; theils ungemauert und gekleidet; theils mit Ziegeln, theils mit Stroh und Rohr gedeckt […].

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land und 1¾ Morgen Pfandland, einen kleinen Hopfengarten (ausweislich der vorhandenen Braugeräte war er Braubürger223) sowie zwei Kohlgärten. Ein stattlicher Viehbestand deckte sicherlich den Eigenbedarf an Lebensmitteln und deutet auch eine (vielleicht bescheidene) Produktion für den Markt an. Die Räucherkammer war jedenfalls mit fleischwerck gut gefüllt. Ferner wird Hand­ werksgerät für die Weberarbeiten aufgeführt. Deutlich wird hier kombinierter Broterwerb, wobei nicht zu entscheiden ist, welches die Haupteinnahmequellen waren.224 So mag eine weniger spezialisierte Leineweberei eher als Anhängsel der Landwirtschaft erscheinen. Zumal Huwoldt vom Stadtschreiber nicht als Weber eingestuft wurde. Dann wäre ein saisonaler Nebenverdienst im Winter denkbar. Luxusgegenstände oder kostbarer Schmuck gehörten nicht zur Erbmasse. Alltagsgegenstände für den Küchengebrauch, Kleidungsgegenstände und Bettzeug vermitteln den Eindruck einer eher bescheidenen Lebens- und Alltagswelt des Landwirtschaft betreibenden Webers.225 Angesichts seiner Steuerleistung226 kann Huwoldt in etwa den Durchschnitts-Strasburgern zugerechnet werden.

223 Zum Brauen für den Eigenbedarf und für den Markt nur in bescheidenem Umfang, sozusagen für die Nachbarn, Schulz 1987, S. 324; ferner: Strasburg, Nr. 1097, Bl. 52. 224 Zur Schwierigkeit, den Hauptberuf einer Person im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zu bestimmen, Keller  2002, S.  117; Samsonowicz  2002, S.  91; Yante 2002, S. 220. So war die berufliche Aktivität in nicht seltenen Fällen von der laufenden Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bestimmt und konnte in kürzeren oder längeren Zeitperioden schwanken. 225 Das hölzerne Geschirr aller Art (Flaschen, Teller, Kannen) sowie Kleidungsstücke, bose (abgetragen, E.F.) und gueth, weisen auf einen bescheidenen Lebensstil hin. Die Frekleidunge (Sonntagskleidung, E.F.) war ebenso wie die Arbeitskleidung sowohl was Qualität als auch Quantität anbelangt auf das Notwendigste reduziert. Teure Stoffe, Schmuck und Accessoires fehlen; lediglich ein Pelz deutet etwas Luxus an, wobei es sich hierbei wohl eher um einen einfacheren bzw. kleineren Pelz gehandelt haben dürfte, da die von den Obrigkeiten erlassenen Kleiderordnungen das Statussymbol beschränkten. Zu letzterem Schulz 1987, S. 321; Schilling 1998, S. 353ff. 226 1581 zahlte er einen Taler, drei Silbergroschen und neun Pfennige (Strasburg, Nr. 143, Bl. 263) und 1607 nur wenig mehr, nämlich einen Taler, fünf Silbergroschen und neun Pfennige (ebd., Nr. 144).

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3.1.4. Gesellschaftsgruppen

Gesellschaft im Sinne einer „segmentierten Kleingesellschaft“227 und einer kleinstädtischen Gemeinschaft wird nachfolgend als „soziales Interaktionssystem“228 in einem bestimmten Territorium verstanden, das – nach Giddens – „einem gemeinsamen System der politischen Autorität unterworfen ist und über eine eigenständige Identität gegenüber anderen Gesellschaften verfügt.“229 In der kleinstäd­ tischen Gesellschaft Strasburg gehörten die einzelnen Individuen verschiedenen Gesellschaftsgruppen an. Hierbei gilt als Gruppe ein „Kollektiv von Personen, die durch auf Dauer abgestellte soziale Beziehungen bestimmte Ziele und Zwecke durch aufeinander abgestimmte Rollen erreichen wollen.“230 Um einen Eindruck zu gewinnen, welche Gesellschaftsgruppen an einer rathäuslichen Konfliktregulierung beteiligt waren, wurde versucht, sie mit Hilfe überlieferter Berufs- und Besitzangaben annähernd gesellschaftlich zu verorten. Ziel konnte es nicht sein, eine präzise soziale Positionierung vorzunehmen. Dazu wäre ein multidimensionales Verfahren vonnöten gewesen, das neben dem Hausund Landbesitz auch das mobile Vermögen berücksichtigt. Ferner wären Beruf, Herkunft, Familienzugehörigkeit, öffentliches Verhalten sowie die gesellschaftliche Wertschätzung in Form übernommener rathäuslicher oder korporativer Führungsfunktionen in Rechnung zu stellen.231 All dies drückt sich im sozialen Status232 des Einzelnen aus, für den Herkunft und Familienzugehörigkeit in der Frühen Neuzeit die bedeutendsten Faktoren waren. Davon hingen sowohl die berufliche Karriere als auch lukrative Heiratsmöglichkeiten ab.233 Nur selten gelingt eine derartige soziale Platzierung, die in ein Schichtenmodell einfließen könnte.234 Vorliegend war es weder möglich, anhand der Schossregister Steuer227 228 229 230 231 232

Wehler 2006, S. 124. ENZ 4, Sp. 682, 696; vgl. Riedel 1975, S. 801f., 808f. Giddens 1999, S. 630. LMA 7, Sp. 2073; ähnlich Borgolte 1996, S. 272; Rehbinder 2003, S. 39. Lorenzen-Schmidt 1980, S. 164f., 184; Dülmen 1992, S. 181ff. Unter Sozialstatus wird der Rang, der einer Person von ihren Mitmenschen eingeräumt wird, verstanden. 233 Schwerhoff 1991, S. 384; Dülmen 1992, S. 183; Günther 2000, S. 145. 234 Lorenzen-Schmidt  1980, S.  184; ähnlich die Quellenlage in Köln Schwerhoff 1991, S. 183; Spicker-Beck 1995, S. 67f., kann nur für ein gutes Drittel der untersuchten Personen nähere Informationen statistisch auswerten; vgl. auch Schuster  2000a, S.  363f.; zur Quellenproblematik auch Keller  2001, S.  120f.; ferner

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klassen zu entwickeln,235 noch im Einklang mit der Stadtgeschichtsforschung praktikabel, die Strasburger in Ober-, Mittel-236 und Unterschicht237 einzuteilen.238 Zu dünn ist die Quellenlage239 und zu willkürlich wären die Zuordnungen Rosseaux  2006, S.  57; allgemein und insbesondere zur Forschungstradition Borgolte 1996, S. 258–277. 235 Ausgangspunkt könnte hier das Schichtenmodell von Vetter 1996 sein, S. 74–93, siehe auch die Zusammenfassungen S. 115, 148f. In den von ihm untersuchten Lebuser Mediatstädten war die Landwirtschaft jedoch so dominierend, dass „die unterschiedliche Stellung im landwirtschaftlichen Produktionsprozeß“ und der Besitz an Grund und Boden zu den entscheidenden Kriterien für die soziale Untergliederung wurden. Handwerk und Gewerbe waren unterentwickelt. Dieses trifft auf Strasburg nur eingeschränkt zu. Mit den Viergewerken und den vor 1650 nachweisbar privilegierten Zünften der Leineweber, Schneider, Schuster und Schmieden tritt keine unterentwickelte, sondern eine mit der starken Landwirtschaft verflochtene Handwerksund Gewerbestruktur hervor. Diese müsste in einem Strasburger Schichtenmodell stärker berücksichtigt werden als bei den Lebuser Mediatstädten. 236 Schwerhoff 1991, S. 189, Anm. 34, nach Erich Maschke: „so waren es die nach Bürgerrecht lebenden, selbständigen, in Zünften zusammengeschlossenen Berufstätigen mit spezifischer Berufsausbildung und vorwiegend kleinen und mittleren Vermögen, die in der Hauptsache die Mittelschicht der mittelalterlichen Stadtbevölkerung bildeten.“ 237 Zur Unterschicht gehörende Personen seien – so Schwerhoff – diejenigen, „die in abhängiger Stellung arbeiteten oder wenig qualifizierten Tätigkeiten nachgingen. [… Sie sind] durch ihre Armut gekennzeichnet, durch ein Leben am Rande des Existenzminimums, das in normalen Zeiten noch ohne fremde Hilfe bewältigt werden konnte, bei ökonomischen Krisen oder individuellen Notlagen aber schnell die Grenze zur Bedürftigkeit überschritt.“ (Schwerhoff 1991, S. 188; ähnlich Borgolte 1996, S. 261). 238 Schultz 1987, S. 38–51, und Meier 1993, S. 138–157, beschritten für die Zeit nach 1650 den nicht unproblematischen Weg einer Einordnung anhand von Berufsgruppen, um eine „Klassenzugehörigkeit“ zu bestimmen. Weiter ging Vetter für die Lebuser Mediatstädte (ebenfalls für das 18. Jh.), der Handwerk und Gewerbe, Besitzumfang, Untertänigkeitsverhältnis und Belastung mit Diensten und Abgaben einbezog. Er kam zu folgendem Ergebnis: „Eine Oberschicht im Sinne eines städtischen Patriziats fehlte völlig. Es überwog eine breite, in sich differenzierte Mittelschicht, die sich von den Einliegern, den Handwerksgesellen und dem Gesinde als Unterschicht abhob, selbst aber im Vergleich mit den sozialen Gruppierungen in größeren Städten einen kleinbürgerlich-bäuerlichen Charakter trug.“ (Vetter 1996, S. 148). Übergreifende Definitionen der sozialen Schichten für die vier untersuchten sächsischen Kleinstädte meidet Keller 2001, S. 120ff., bes. 142. Vgl. zum Ordensland Czacharowski 1982. 239 Zu den Quellenproblemen Burghartz  1990, S.  101f.; Schwerhoff  1991, S. 174, 183; Schuster 2000a, S. 364.

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gewesen, weil die Grenzen zwischen den aus Berufsgruppen rekonstruierbaren Schichten fließend waren.240 Insbesondere traf dies für die Abgrenzung der mittleren Schicht nach unten zu. Nachfolgende Beispiele sollen das Problem verdeutlichen. Achim Huwoldts Kapitaldecke wurde bereits als solide interpretiert.241 Ob sie aber ausreichte, im Krankheitsfall oder in Krisenzeiten ohne fremde Hilfe den Unterhalt zu bestreiten, darf angesichts der Kreditaufnahme zur Finanzierung der Beerdigung der Mutter bezweifelt werden. Ihn trotz Hofbesitzes und Erwerbsarbeit in der Unterschicht einzuordnen, hieße vermutlich einen Großteil der frühneuzeitlichen Strasburger eher am unteren Rand der kleinstädtischen Gesellschaft zu verorten, was wohl der Realität nicht entsprochen haben dürfte. Ferner ließ sich bei den meisten Knechten oder Gesellen nicht ermitteln, ob sie sich in einem beruflichen Durchgangsstadium befanden oder eine Art „Lohnarbeiter“ waren.242 1600 bemühte sich Jacob Benickow, der ein ehelich geborener Schuhknecht war, um das Schusteramt.243 Wird man in diesem Fall annehmen dürfen, dass er als Schuhknecht bereits der Mittelschicht angehörte und nicht erst durch das Schusteramt dahin aufstieg? Sicher kann die Frage nicht beantwortet werden, zumal die Schossregister diesbezüglich schweigen. Sie enthalten keine quantifizierbaren Angaben zu den Berufen. Zu den meisten Handwerkerknechten sind die Quellen noch dürftiger. Sie geben weder über den Geburtsstatus noch über den Übergang in die Eigenständigkeit Auskunft. Nur bei einer Minorität aller Einzelpersonen (16 % der Täter, Opfer und Bürgen) hätten die Angaben des Berufes mit den Informationen aus den Schossregistern und Kriminalakten so verknüpft werden können, dass die Darstellung einer „provisorischen“ Sozialstruktur244 möglich gewesen wäre. Die geringsten Schnittmengen ergaben sich bei den Bürgen, da in den bearbeiteten Quellen nur die Namen ohne Zusatzinformationen genannt werden.

240 Zur Problematik auch Rüthing 1982, S. 131; Pohl 1983b, S. 138. 241 Vgl. S. 58f. 242 Vgl. Schich 1987a, S. 223ff. 243 Strasburg, Nr. 929. 244 Keller 2001, S. 121.

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Vor diesem Hintergrund schien es zielführender, die untersuchten Einzelpersonen245 annähernd gesellschaftlich einzuordnen – in: Oberschicht,246 ansässige Erwerbsschicht247 (als kombinierte Mittel- und Unterschicht) und Randgruppen.248 Diese starke Vereinfachung verspricht die geringsten Verzerrungen ohne auf wichtige Informationen, wie Sesshaftigkeit oder über das Schossregister überlieferten Besitz, verzichten zu müssen. In der Täteranalyse ist es innerhalb der kombinierten Mittel- und Unterschicht aufgrund der besseren Überlieferungs245 Täter, Opfer und Bürgen. Summarische Angaben, wie „etliche Bürger“ oder „Bauersleute“, wurden aus diesem Sample ausgegliedert. Ferner wurden namensgleiche Personen, die sowohl als Täter, Opfer oder Bürgen auftauchten, unter folgenden Bedingungen als eine Person erfasst: Erstens, wenn Wohnort, Beruf, Verwandtschafts- oder Dienstverhältnisse auf Personenidentität hindeuteten. War so eine Eindeutigkeit nicht zu erzielen, wurde ein Zeitraum von 25 Jahren – mithin eine Generation – als Obergrenze gesetzt, um bei Strasburgern zu entscheiden, ob es sich um eine oder zwei Personen handelte. Zur Lokalisierung der Personen im Einzelnen unten S. 98–101. 246 Dazu gehören Personen, bei denen „sich politische Macht, Reichtum und mögliche ständische Vorrechte konzentrierten“ (Schwerhoff  1991, S.  183) und die in der Lage waren, religiösen Einfluss zu nehmen. Hierzu zählten in Strasburg Ratsmitglieder, Richter und Pfarrer, Adel und signifikant begüterte Personen. 247 Diese Gruppe umfasst die Personen, die von der Stadtgeschichtsforschung zu den klassischen Mittel- und Unterschichten gezählt werden. Die wesentlichsten Kennzeichen sind Sesshaftigkeit, geachteter Beruf und gesellschaftliche Integration, ferner das Bürgerrecht, eine spezifische Berufsausbildung und der selbständige, mitunter in Zünften organisierte, Nahrungserwerb. Die so lebenden Personen besaßen vorwiegend kleine bis mittlere Einkommen. Ferner sind jene inbegriffen, die trotz ihrer Erwerbsarbeit in geachteten Berufen am Existenzminimum lebten, mitunter weil sie in einem Dienstverhältnis standen oder aus anderen Gründen. Die mit der ansässigen Erwerbsschicht erfassten Personen zeichneten sich durch feste Nachbarschaftsbeziehungen und Heiratskreise sowie dem gemeinsamen Besuch von Festen und Gottesdiensten aus. Als sesshaft galt nachfolgend derjenige, der einen eigenständigen Wohnsitz oder ein jahrelanges Dienstverhältnis besaß, vgl. zur Schwierigkeit, „Sesshafte“ und „Nichtsesshafte“ voneinander zu trennen Wiebel/Blauert 1999, S. 89; beide Autoren bieten keine Definition. 248 Randgruppen „erfuhren aufgrund des berufs- und gruppenspezifischen, den allgemein anerkannten Normen und Wertvorstellungen widersprechenden Verhaltens eine so ausgeprägte soziale Diskriminierung, daß sie zu einer Lebensform in zumindest partieller Isolierung oder gar in völliger Distanz zur übrigen Gesellschaft gezwungen waren und sich daraus eine spürbare und dauerhafte Beeinträchtigung ihrer Lebens- und Sozialchancen ergab.“ (Irsigler/Lassotta  2001, S.  13; vgl. auch Härter  2005, S. 935f.).

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lage möglich, Tendenzen der sozialen Schichtung anzudeuten; hier ließ sich das Informationsdefizit punktuell entschärfen. Einzeldarstellungen innerhalb der Deliktanalyse werden qualitative Eindrücke von Tätern und Opfern vermitteln. Trotz des offenen, singulären Modells bleiben die nachfolgenden Analysen mit den Ergebnissen der Historischen Kriminalitätsforschung vergleichbar. Diese Vorgehensweise ist vom Bewusstsein getragen, sich dem sozialhistorischen Gerüst der Stadt nähern zu wollen ohne die Realität jemals abbilden zu können.249 Differenziert nach politischen, sozialen, ökonomischen und gewerblichen Kriterien können für Strasburg mehrere – bereits teilweise angesprochene – Primärgruppen skizziert werden, wie der Rat als lokale Obrigkeit, die ratsfähigen Familien,250 die Viergewerke als Zusammenschluss der sozioökonomisch stärksten Zünfte, die korporierten Gewerbe, die nichtkorporierten Handwerker, die „Ackerbürger“, die im Dienstverhältnis stehenden Knechte und Mägde, Sondergruppen (Kleriker, in der Stadt sesshafter Adel) sowie ansässige Mittel- und Eigentumslose (zumeist in Buden lebend). Zu bedenken ist hierbei die Interferenz der Gruppen in einer face-to-face agierenden Gesellschaft, wie die der Strasburger. Ratsmitglieder waren zugleich „Ackerbürger“ oder gehörten der Tuchmacherzunft an. Bürger waren als Handwerker in Zünften organisiert und gleichzeitig Mitglied des örtlichen Schützenvereins. Als Mitglied der Kirchengemeinde trafen sich alle Einwohner sonn- und feiertags in der Marienkirche. 3.1.5. Zwischenbetrachtung – Kleinstadt Strasburg

Die große Stadtfeldmark auf gutem, fruchtbarem Boden weist zusammen mit den im jeweiligen Lokalverband lebenden landwirtschaftlich Tätigen auf umfäng­ lichen Ackerbau251 und eine intensive Viehzucht hin. Neben der Gewerbe- und Marktfunktion diente die Landwirtschaft den Einwohnern als hauptsächliche Wirtschaftsgrundlage.

249 Vgl. Griesebner 2000, S. 109. 250 Dazu gehören die Familiennamen Milow, Krupesack, Lebbin, von denen mehrere Familienmitglieder im Untersuchungszeitraum ratsässig waren. Wiederkehrende Hinweise auf Verwandtschaftsverhältnisse mit Ratsmitgliedern deuten zudem auf ein ausgedehntes Netz von sozial mit dem Rat verbundenen Personen hin. 251 Enders 1992, S. 228.

Strasburger Sanktionsinstanzen zur Ahndung abweichenden Verhaltens 65

Die von Evamaria Engel eingeführte Formel der „gewerblich-agrarisch“252 geprägten Stadt darf angesichts der illustrierten Befunde für Strasburg wohl zur agrarisch-gewerblichen Kleinstadt umgekehrt werden. Die Bezeichnung Strasburgs als „Ackerbürgerstadt“ ist deshalb auch für das „lange 16. Jh.“ berechtigt. Es darf angenommen werden, dass die Belebung der Agrarkonjunktur253 sowie die Wollproduktion ein tragfähiges wirtschaftliches Fundament für das Gemeinwesen schufen, das nicht zuletzt 1599 den Rathausneubau und den raschen Wiederaufbau der Stadt nach dem katastrophalen Brand von 1602 ermöglichte. Ob Strasburg aber abweichend von anderen uckermärkischen Städten um 1600 prosperierte, wie es Lieselott Enders angesichts einer steigenden Zahl der Extra vagantes annimmt,254 kann in diesem Rahmen nicht bestätigt werden. Dazu wäre primär zu klären, was sich hinter dem Begriff Extra vagantes tatsächlich verbarg.255 Auch müssten verstärkt Untersuchungen zu anderen Städten hinzugezogen bzw. erst durchgeführt werden,256 um Licht in den wirtschaftlichen Aktionsradius Strasburgs zu bringen und die Stadt insgesamt in das pommerschmärkische Wirtschafts- und Städtenetz einzubetten.

3.2. Strasburger Sanktionsinstanzen zur Ahndung abweichenden Verhaltens Sanktionen stellen Reaktionen auf Normbrüche sozialer und rechtlicher Art dar.257 Zur Wiederherstellung des gesellschaftlichen Friedens werden je nach der Schwere des Normbruches verschiedene Instanzen eingeschaltet. Die Ahndung von 252 Engel 1991, S. 333. 253 Zur „(Getreide-)Konjunktur“ und zum für den Adel profitablen Wirtschaftsaufschwung im 16. Jahrhundert Neugebauer 2001, S. 20, 24, 38. Neugebauer billigt den Städten eine Teilhabe an diesem Aufschwung allgemein jedoch nicht zu, ebd. S. 24; ähnlich Vetter 1996, S. 60. 254 Enders 1992, S. 228. 255 Vgl. dazu Anm. 8 auf S. 33f. 256 Zu denken wäre hier vorrangig an Stettin, der im Fernhandel eingebundenden Hafenstadt (vgl. hierzu die Karte in: Schilling 1998, S. 38, und die Ausführungen von Neugebauer  2001, S.  76), aber auch an Neubrandenburg. Ferner wären Prenzlau und Pasewalk als größere Nachbarstädte in den Blick zu nehmen. 257 Jung 2005, S. 21.

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schweren Rechtsnormbrüchen als kriminelles Verhalten liegt in der Kompetenz von speziell dazu bestellten Personen,258 die von der soziologischen und kriminalhistorischen Forschung als formelle Sanktionsinstanzen bezeichnet werden. Minder schwere Rechtsnormbrüche im Sinne einer Abweichung von korporativen Satzungen werden von semiformellen Instanzen geahndet. Soziale Normbrüche allgemein, die keine Rechtsbrüche darstellen, sanktioniert das soziale Umfeld im täglichen Miteinander. Letztere werden informelle Sanktionen genannt. Sämtliche Sanktionsformen werden von der Forschung als verschiedene gesellschaftliche Ordnungssysteme unter dem Dach „soziale Kontrolle“259 vereinigt. Soziale Kontrolle umschreibt die „verschiedenen Präventions- und Sanktionsmechanismen“, mit denen auf Abweichler reagiert wird, um Störungen im gesellschaftlichen Zusammenleben einerseits vorzubeugen und andererseits zu bereinigen.260 Soziale Kontrolle umschließt somit vielfältige Mittel und institutionelle Angebote zur gesellschaftlichen Verarbeitung von Konflikten. Als Konflikte werden im Folgenden hauptsächlich „Krankheitsfälle“ des Sozial- und Gesellschaftslebens verstanden.261 Mit Lewis A. Coser wird der nachfolgenden Untersuchung folgende Begriffsbestimmung zugrunde gelegt: „Sozialer Konflikt […] kann definiert werden als Kampf um Werte oder Statusansprüche, um Macht und knappe Ressourcen, in dem die Ziele der streitenden Parteien sich nicht nur auf die Erreichung der begehrten Werte beziehen, sondern auch auf die Neutralisierung, Verletzung oder Beseitigung ihrer Rivalen. Solche Konflikte können zwischen Individuen, zwischen Kollektiven oder zwischen Individuen und Kollektiven ausgetragen werden. Intergruppen- und

258 Giddens 1999, S. 191. 259 Dinges 2000, S. 509; vgl. auch Dinges 1994, S. 27ff., 174f.; Schwerhoff 1992, S. 398–400; Rehbinder 2003, S. 47; Jung 2005, S. 26f. 260 Behrisch 2005, S. 18. 261 Vgl. dazu Rehbinder 2003, S. 130ff., 188; vgl. auch Durkheim 1968, S. 3ff., der für jede Gesellschaft Konflikte und somit auch Kriminalität als „normal“ ansieht. Ein krankhafter Zustand stelle sich erst ein, wenn die Kriminalität ein gewisses Maß überschreitet, wobei das Übermaß von jeder Gesellschaft anders empfunden werde und relativ sei.

Strasburger Sanktionsinstanzen zur Ahndung abweichenden Verhaltens 67

Intragruppenkonflikte sind dauernde Merkmale sozialen Lebens“.262 In den Quellen werden derartige Auseinandersetzungen unter anderem als Irrunge,263 Streit264 oder zwietracht265 bezeichnet. Streitigkeiten konnten sowohl physisch als auch verbal ausgetragen werden. Überschritten sie eine allgemein legitimierte und tolerierte Normgrenze konnte die unterlegene Konfliktpartei versuchen, Wiedergutmachung in Form einer informellen oder formellen Sanktionierung des Rivalen herbeizuführen. Die Bestrafung, quasi als „Medizin für das erkrankte Sozialleben“, stellt gleichsam eine besondere Form der sozialen Kontrolle dar. Der Terminus „Strafe“ wird im Rahmen dieser Untersuchung im engeren Sinn als formelle Sanktion auf schwerwiegende Rechtsnormabweichungen benutzt.266 3.2.1. Formelle Sanktionen und deren Instanzen

Formelle Sanktionsinstanzen waren Gerichte, Stadträte oder deren Vollzugsorgane. Wer im frühneuzeitlichen Strasburg formell sanktionsberechtigt war, das heißt die Blutgerichtsbarkeit als hohe Strafgerichtsbarkeit innehatte, wird nachfolgend dargelegt.

262 Zitiert nach Mörke 1982, S. 147; vgl. auch Rudolph 2001, S. 71. 263 Strasburg, Nr. 975, Bl. 8, 11; ebd., Nr. 710; ebd., Nr. 1023; GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 31, Fasz. 1; ebd., Fasz. 3. Vgl. dazu Zedler 25, Sp. 313. 264 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 64.; ähnlich ebd., Nr. 1021; ebd., Nr. 1025. 265 Ebd., Nr. 1097, Bl. 53. 266 Zur Nutzung der Strafgerichte als eine Form der sozialen Kontrolle vgl. die instruktiven Ausführungen von Dinges 2000, S. 504f.

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Frühneuzeitliche Gerichtsverhältnisse267 sind, ebenso wie mittelalterliche,268 nur schwer zu durchdringen. „Uneinheitlichkeit ist das hervorstechende Merkmal des mittelalterlichen Gerichtswesens.“269 Erst als der absolutistische – sich noch stärker verdichtende – Staat270 nach 1650 seine Institutionen gezielter aus267 Wer sich mit der märkischen Gerichtsorganisation im 16. und frühen 17. Jh. allgemein und insbesondere mit der städtischen beschäftigen will, ist bis dato hauptsächlich auf Forschungen aus der Zeit vor 1945 angewiesen. Kurz und überblicksartig geht Dietrich  1980, S.  160ff., auf die märkische Gerichtsbarkeit im 16.  Jh. ein. Hahn  1989, S.  37–52,  121ff., beschränkt sich weitestgehend auf die Zeit nach 1650. Jüngere Untersuchungen aus der Feder Wolfgang  Neugebauers zur preußischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte beziehen sich gleichfalls vornehmlich auf die Zeit nach 1648 einschließlich das 18. Jh. und berücksichtigen primär die kurfürstlich-königliche Ebene (Neugebauer 1981; Neugebauer 2001); für das 16.  Jh. lediglich mit dem Schwerpunkt kurfürstliche Residenzen Neugebauer 2000. Von den älteren Autoren seien folgende – wichtige – Werke genannt: Hälschner  1855; Kühns  1969a; Kühns  1969b; Sello  1881; Sello  1882; Stölzel 1989a; Stölzel 1989b; Arnim-Criewen von 1888; Stölzel 1889; Stölzel 1901b; Liebegott 1906; Stölzel 1910. Die von den älteren Autoren genutzte Quellenbasis bildete überwiegend gedrucktes Material und ihnen lag häufig ein auf die obersten Justizämter ausgerichtetes, recht positivistisches Erkenntnisinteresse zugrunde. Zur borussischen Sicht der älteren Autoren Pröve 2001, S. 19f.; Neugebauer 1998, S. 385ff.; zu Stölzel ebd., S. 417ff.; zum „ungeschichtlichen Historismus“ Böckenförde  1976, S.  14. Rechtspraktische Fragestellungen zu Kleinstädten gehörten nicht zum Repertoire borussischer Historiografen. Eine neuen Interpretationsansätzen verpflichtete Abhandlung zum Übergang vom Spätmittelalter zur Frühen Neuzeit legte Heiner  Lück  1997 für Kursachsen vor (Lück 1997b), die für die vorliegende Untersuchung bedeutsam war, da die kursächsischen Verhältnisse das märkische Justizwesen beeinflussten, wie schon Stölzel 1910, S. 502, betonte. Jüngere – die Rechtspraxis berücksichtigende – Arbeiten zum märkischen Raum (Thauer  2001, S.  247ff.) gehen jedoch auf städtische Gerichtsverfassungen des 16./17. Jhs. nicht ein. Zur mittelalterlichen märkischen Verfassungsgeschichte vgl. vor allem Bohm  1976; Bohm  1978, bes. S.  179ff.; MüllerMertens 1955/56; Ribbe 2007. 268 Schich 1977, S. 99. 269 Lück 1997b, S. 4. 270 Der in der Forschung umstrittene, aber noch akzeptierte Begriff „Absolutismus“ sei zur Betonung einer stärker territorial-obrigkeitlich reglementierten Gesellschaft, im Sinne eines sich „verdichtenden Staates“, für die Zeit nach 1650 hier immer noch benutzt. Vgl. dazu unter anderem Neugebauer 2001, S. 13f.; für das 16. Jh. knapp ebd., S.  37. Zum sich „verdichtenden Staat“ Engel  1991, S.  357f.; Göse  1996, S.  62;

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baute, indem der Landesherr mittels einer territorialstaatlichen Gesetzgebung die Gerichtsinhaber einheitlichen Maßstäben unterwarf, „entstand eine zur Einheitlichkeit tendierende Gerichtsverfassung“.271 Solange blieb die vormoderne Gerichtsverfassung bis weit in das 17.  Jh. hinein vielschichtig.272 Dennoch galten Grundprinzipien. Ein Grundprinzip bildeten die zwei großen Stränge geistliche273 und weltliche Gerichtsbarkeit. Die weltliche Gerichtsbarkeit war ein Abbild der Sozialstruktur der Gesellschaft. Während Hofgerichte für den Adel zuständig waren, richteten Stadtgerichte in der Regel über Stadteinwohner, akademische Gerichte über Universitätsangehörige, Zunftgerichte über zünftige Handwerker usw. Angesichts der Grauzonen und Überschneidungen sieht sich ein Teil der Forschung veranlasst,

Schilling 1998, S. 317, 341; Neugebauer 2000, S. 125; Schilling 2004, S. 55; zur Definition und zum zeitgenössischen Verständnis Schilling 1998, S. 341ff. 271 Lück 1997b, S. 4; vgl. auch Dinges 2000, S. 508. 272 Arlinghaus 2006, S. 176; zur „diffizilen Vermischung zivil- und strafrechtlicher Materien“ Dinges 2000, S. 516. 273 Ein Teil der geistlichen Gerichtsbarkeit gelangte mit der Reformation in der Mark endgültig in weltliche Hand und wurde nach 1543 auf territorialer Ebene vom Cöllner Konsistorium vertreten. Vgl. dazu die Konsistorialordnung Johann Georgs von 1573: In diesem geistlichen consistorio sollen zu verhör und rechtsfertigung angenommen und vorbescheiden werden […] in summa alle […] sachen, so geistlich sein, in: Altmann  1914, S.  48; ferner von  Bonin  1926; Gundermann  1999, S.  179ff. Das Konsistorium ließ zusammen mit dem Schöppenstuhl in Brandenburg an der Havel als Oberhof die entsprechenden Verfahren vom städtischen Gericht durchführen (Strasburg, Nr.  975, Bl.  115f.). Aus Cölln kamen Befehle und Bescheide (ebd., Nr. 1097, Bl. 13). Damit tritt zugleich die im Zuge der Rezeption des römisch-kanonischen Rechtes eingeleitete und in der Frühen Neuzeit in voller Blüte stehende Einbeziehung auswärtiger Rechtsgelehrter in die frühneuzeitliche Rechtsprechung zu Tage; vgl. auch Schilling 1998, S. 326ff. Bereits vor der Reformation war der Rat gemäß Punkt 6 der Gesetzten Ordnung von 1515 befugt, unter anderem gegen Gotteslästerung und Ehebruch vorzugehen: Es schall ock der Rath mit ernst darann sein dat Godes Lasterung unnd offentlike sunde unnd schande, des Eebruchs unde andere undogent verbliewen moge unnd ob dat von Jmandt, overgangen werde, tho der billigkeit straffen, Strasburg, Nr. 28, Bl. 4; vgl. auch GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. Diese Delikte gehörten im späten Mittelalter eigentlich in den Bereich der geistlichen Gerichtsbarkeit, LMA  4, Sp.  1593f. (zur Gotteslästerung) und LMA  3, Sp.  1652f. (zum Ehebruch).

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einem „offenen Gerichtswesen“ das Wort zu reden,274 in dem die streitenden Parteien den Gerichtsweg frei wählen konnten. Konsens besteht insoweit, als Gerichtsbarkeit nur derjenige auszuüben vermochte, der die Macht besaß, Entscheidungen zu treffen, die standesübergreifend bzw. vom sozialen Umfeld der Konfliktparteien akzeptiert wurden. Zudem musste die urteilende Obrigkeit stark genug sein, die Urteile – im äußersten Fall auch mit physischem Zwang – durchzusetzen.275 Darüber hinaus waren in der weltlichen Gerichtsbarkeit gerichtsrelevante Sachverhalte ihrer Bedeutung entsprechend in causae maiores und causae minores, das heißt in hohe und niedere Gerichtsfälle unterschieden.276 Bezogen auf die hier interessierenden Kriminalsachen277 darf folgende Abgrenzung zugrunde gelegt werden: Zu den causae maiores gehörten Missetaten, die den Tod herbeiführten, blutende oder schwere Wunden erzeugten oder das Eigentum stark beeinträchtigten. Sie wurden „peinlich“, das heißt an Leib und Leben bestraft. Zu den Leib- und Lebensstrafen als formelle Sanktionen zählten Todesstrafen („Halsstrafen“), Körperstrafen (Staupenschlag, Prangerstrafe, Verstümmelung), aber auch Stadt- oder Landesverweise. Aus den Strafen resultierten die Namen der Gerichte, wie Peinliche Gerichte, Hals- oder Blutgerichte.278 Deren formelle Strafkompetenz bezog sich also auf Delikte wie Mord, Totschlag, schwere Körperverletzung, Notzucht, Brandstiftung, Diebstahl, Raub etc.279 Sie fielen als causae maiores unter die Hochgerichtsbarkeit, wohingegen alle übrigen – geringeren – Konflikte (causae minores) der Niedergerichtsbarkeit angehörten. Die Einteilung der Delikte war mitnichten einheitlich gestaltet oder zeitlich stabil.280

274 Dinges 2000, S. 517, 520; Arlinghaus 2006, S. 174ff. 275 HRG 1, Sp. 1564; Lück 1997b, S. 7; Reinle 2007, S. 92. 276 Beide Segmente (hohe und niedere Gerichtsbarkeit) waren nicht klar voneinander getrennt und nirgendwo konkret klassifiziert worden, vgl. dazu Lück  1997b, S.  9; Lück  1999, S.  93f.; Thauer  2001, S.  283f. Zur umstrittenen Zuordnung Härter 2000, S. 461. 277 Die zivilrechtliche Hochgerichtsbarkeit wird nachfolgend ausgeklammert. 278 Carpzov 1638, S. 14. 279 LMA 4, Sp. 1323f.; HRG 1, Sp. 1569f.; vgl. hierzu Reinle 2003, S. 67. 280 Vgl. dazu Behrisch 2005, S. 60ff.

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Die Blutgerichtsbarkeit des Stadtgerichts

Strasburg gehörte – wie alle „in den weiter östlich gelegenen Gebieten gegründeten bzw. neu privilegierten märkischen Städte“281 – zur Magdeburger Stadtrechts­ familie,282 dem weit verbreiteten Stadtrecht des Mittelalters.283 Die Stadt hatte ihr Recht von Prenzlau erhalten, das 1234/35 mit Magdeburger Recht bewidmet worden war.284 Für Magdeburg wie für ihre Tochterstädte war der verfassungsrechtlich im 13. Jh. greifbare Dualismus von Schöppenkollegien285 (für Hoch- und Niedergerichte) und Rat charakteristisch.286 Der Rat sanktionierte vornehmlich Verstöße gegen die städtischen Statuten, die Marktgerichtsbarkeit etc. und war für die städ­ tische Rechtsetzung (Willkür) zuständig.287 Die Schöppenkollegien hingegen nahmen verschiedene Gerichtsrechte resultierend aus der oberen und niederen Gerichtsbarkeit wahr. Das obere Gericht verblieb in der Uckermark in der Frühzeit der städtischen Privilegierungen beim landesherrlichen Vogt.288 Als Vertreter des Landesherrn 281 Schich 2007d, S. 333f.; vgl. auch Engel 1991, S. 336. 282 Vgl. dazu die Karte „Stadt und Stadtrecht im Mittelalter“, bearbeitet von Hans K. Schulze, Berlin  1964 (=  Historischer Handaltlas von Brandenburg und Berlin, Lfg. 8). Danach hat Strasburg sein Recht von Prenzlau erhalten. Prenzlau wiederum war 1234/35 vom pommerschen Herzog Barnim I. Magdeburger Stadtrecht verliehen worden. Vgl. dazu Schulze  2006, S.  177–199, hier S.  191. Die Prenzlauer Gründungsurkunde ist im Original erhalten. Zur Geltung des Magdeburger Rechts in Prenzlau auch CDB I 21, S. 134, Nr. 61. 283 Vgl. dazu Schelling 1996, S. 118; Kroeschell 1995, S. 21. 284 Aus der Fülle der zum Magdeburger Recht und zu dieser Problematik erschienenen Literatur wurden hier in erster Linie jüngere, für unseren Raum einschlägige Arbeiten berücksichtigt: Willoweit/Schich  1980; Lieberwirth  1990; Lieberwirth  1996; Lück  1996; Fijal/Leuchte/Schiewer  2004; Lück  2005; Schulze 2006. 285 Zum frühneuzeitlichen Schöppeneid Carolina, Art. 4; zum Prenzlauer Schöppeneid Süring, Bl. 72: Ungefehrlicher Schöppen=Eid zu Prentzlow. 286 Lück 1996, S. 143. 287 Engel 1991, S. 335f.; vgl. auch Weitzel 1992, S. 76, zur Willkür als Einung, der die durch Eid Verbundenen verpflichtet waren. 288 Zur Entstehung und den Aufgaben des Vogtes in der Anfangsphase Liebegott 1906, S. 3ff. Seit der Mitte des 14. Jhs. bildete sich über den einzelnen Vögten einer Region stehend, gewissermaßen als Kontrollinstanz der alten, kleineren Vogteien, der Landvogt heraus. Dies geschah in den (oder für die) Hauptlandschaften Altmark, Prignitz, Mittelmark, Uckermark und Neumark. Vgl. zum Land Lebus Bohm 1976, S. 69. In der Uckermark ist der Landvogt – wie er für das 16./17. Jh. überliefert ist – seit 1362

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nahm er dessen Herrschaftsrechte wahr, zu denen auch die Blutgerichtsbarkeit mit entsprechender Gewalt über Land und Leute sowie den daraus resultierenden nicht unerheblichen Einnahmen zählte. Folgende Entwicklung darf für Strasburg bis zum Ende des Mittelalters im Einklang mit der verfassungsgeschichtlichen Forschung angenommen werden: Der für 1267 erwähnte Strasburger Schultheiß289 verdeutlicht den erwähnten niedergerichtlichen Rat-Schöppen-Dualismus. 1363 ist von der Vogtei Strasburg290 und 1395 von der ausschließlichen Gerichtsbarkeit vor dem Schultheißen291 die Rede. Das heißt, der Stadt war es im Zuge des mittelalterlichen Autonomiebestrebens gelungen,292 sich aus der Landvogtei herauszulösen, indem sie sich vom Landesherrn einen markgräflichen Vogt für die Hochgerichtsbarkeit über ihre Bürger installieren ließ. In einem nächsten Schritt dürfte Strasburg das Besetzungsrecht erworben haben, sodass wohl auch personell das niedere Schultheißen-/Schulzengericht mit dem hohen Stadtvogteigericht verschmolz.293 Es darf angenommen werden, dass gegen Ende des 15.  Jhs. der Stadtschulze mit dazugehöriger Schöppen-

quellenseitig belegt (vnser Vaget in der Ukermark, CDB I 21, S. 184, Nr. 125). Vgl. insgesamt Liebegott  1906, S.  7f.; Müller-Mertens  1955/56, S.  274ff.; zuletzt zur Entstehung und Entwicklung der märkischen Vogteien, insbesondere den Aufgaben und zur Rechnungslegung, Ribbe 2007, S. 74–83. 289 Bertoldus […] schulthetus in Straceburch, PUB, S. 172f., Nr. 832 (Zitat S. 173). 290 4. April 1363: Verpfändung der Stadt und Vogtei Strasburg mit dem Gericht und allem Zubehör, MUB 15, S. 307–309, Nr. 9153. 291 1395: daz sie adir ire nachkomelinge vz ire Stat geladen werden ann vmb hanthaftige tete, Sunder sie sullen czu rechte stehin vor irem Schultiszin, CDB I 13, S. 340, Nr. 48; ähnlich Punkt 21 der Gesetzten Ordnung von 1515: Es soll ock kein Borger den andernn mit geistliken oder andernn frembd[en] gerichten nicht vornehmen Besundernn sick der gericht vor den Rath Richter unnd schepen gebruken, by unser straff unnd ungnad, Strasburg, Nr. 28, Bl. 8. 292 Ob dies bereits im 13.  Jh. (Müller-Mertens  1955/56, S.  281–289, bes.  284 und 289) oder erst im 14. Jh. der Fall war, muss für Strasburg offen bleiben; vgl. auch Engel 1984, S. 56ff. In größeren Städten, wie beispielsweise Görlitz wechselte ein Teil der Landvogtei in die Stadt über, Behrisch  2005, S.  43; auch Kühns  1969b, S. 188ff., nannte dazu entsprechende Beispiele. Vgl. dazu auch den Befund für Halle, wonach „das Verhältnis der Schöppen zur Ratsgerichtsbarkeit noch nicht hinlänglich geklärt“ ist, Jerouschek 1994, S. 276. 293 Vgl. hierzu Helbig  1973, S.  42ff.; Engel  1991, S.  346f.;  351f.; allgemein Isenmann 1988, S. 161.

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bank294 in Strasburg bereits städtisch besetzt war295 und die niedere und hohe (Straf-)Gerichtsbarkeit296 wahrnahm. Als ock unns, [dem Kurfürsten, E.F.] dem Rath unnd dem Schulten tho Straßburg dat oberste gerichte thosteet – so solle, was an bruche, sellen und overtrettung geschehe, mit Willen und Wissen des Hauptmannes der Uckermark vertragen und versöhnt werden, sodass das gestraft werde, was zu strafen sei, heißt es in der Gesetzten Ordnung für die Stadt von 1515.297 Worauf bezog sich der verbliebene kurfürstliche Anteil am obersten Gericht? Nahm der Kurfürst, vertreten durch den uckermärkischen Landvogt oder den Prenzlauer Hofrichter, neben dem Rat und dem Richter praktisch an der Ausübung des obersten Gerichts teil?298 Oder partizipierte er lediglich – wie anderenorts auch299 – an den Gerichtsgefällen? Wenn er die obere Strafgerichtsbarkeit faktisch wahrnahm, dann würde dies auf eine Schwächung der städtischen Gerichtsgewalt, eine eingeschränkte Ratsherrschaft und gleichsam auf eine Territorialisierung der Strafjustiz hindeuten.300 Gegen eine erstinstanzliche Territorialisierung spricht jedoch die Sanktionspraxis.301 Falls sich die Bevölkerung gegen eine abweichende Handlung for294 Im Magdeburger Burggrafengericht saß der Schultheiß als erster Schöppe zusammen mit weiteren elf Schöppen zu Gericht, wobei die Zahl der letzteren nicht immer vollständig war und wohl auch nicht sein musste, vgl. Lück 1996, S. 144. 295 1433: Markgraf Johann verpfändet die stad Straszburg mit der voigtie und allen andern zubehorungen für zehn Jahre den Brüdern Hans und Caspar von Arnim, CDB I 13, S. 353f., Nr. 63; 1488: Die Stadt soll wie von alters den dritten Teil am obersten Gericht behalten, CDB I 13, S. 424, Nr. 162; vgl. auch Enders 1992, S. 142. 296 Wie in Prenzlau 1324, CDB I 21, S. 133ff., Nr. 61, und Wusterhausen 1325, CDB I 4, S. 394f., Nr. 6. Vgl. dazu Kühns 1969b, S. 195. 297 Punkt 8 der Gesetzten Ordnung von 1515: Als ock unns, dem Rath unnd dem Schulten tho Straßburg dat oberste gerichte thosteet Is[t] unser ernste meÿnu[n]ge So bruche, sellen und overtrettung gescheen, dat dieselbigen mit willenn und wethen unsers hewptmans tho Boytzenburg, verdragen unnd gesonet werdenn, unnd woe darwider gehandelt, schall nicht crafft hebbenn domit wir ok mede wetenn wie mit den owersten gerichtenn umbgegangen und datjenige, so straffbar is[t] gestrafft werde, Strasburg, Nr. 28, Bl. 4. 298 Diese Frage ist umso berechtigter, als 1538 der Kurfürst dem Landvogt der Uckermark, Hans von Arnim, die gericht In unser Stad Strassburgk […] zugestalt und Ingelassen hatte, CDB I 21, S. 509, Nr. 58. 299 Müller-Mertens 1955/56, S. 284; Helbig 1973, S. 44; Engel 1984, S. 57f. 300 Vgl. zu Bestrebungen anderer Territorialherren van Kappen 1984, S. 236; allgemein Härter 2000, S. 466. 301 Vgl. für das späte 17. Jh. Hahn 1989, S. 118f., 125ff.

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mell zur Wehr setzen wollte, wurde der Rat mit gut fug und macht302 auf ihre Anzeige hin tätig. Diese Macht schloss auch Taten ein, die der Hoch- oder Blutgerichtsbarkeit angehörten. Äußeres Zeichen einer solchen Blutgerichtsbarkeit war der weithin sichtbar aufgestellte Galgen.303 Zieht man ferner landesherrliche Quellen304 in die Analyse mit ein, so fällt der Blick vorrangig auf den finanziellen Aspekt des Gerichtsregals. Am 28. Juli 1524 wurde dem Landvogt der Uckermark, Achim von Arnim, ein Drittel der Gerichtsgefälle verliehen und zwar soll er haben: den dritten pfenning […] von edelleuten, purgeren und paueren und von den frembden nichts ausgeschlossen, was von bruchen ist.305 Für 1584 findet sich zudem der Hinweis, bei einem zu zahlenden Strafgeld stehe der Anteil des Kurfürsten noch aus.306 1587 ließ der Kurfürst beim Hofrichter in 302 Strasburg, Nr. 976, Bl. 4; ähnlich ebd., Nr. 975, Bl. 85, 103. 303 Dülmen 1988, S. 97f.; Lück 1998, S. 141; Lück 1999, S. 91f.; Rüster 2003, S. 45. Vor dem Jüteritzer Tor soll ein derartiger Galgen gestanden haben, Lippert  1996, S.  70 (genannt wird der „Galgenberg“ – leider ohne näheren Nachweis). Dieser Befund ließ sich weder anhand der Merian-Ansicht von 1652 noch mittels topo­ grafischer Landesaufnahmen des 18. und frühen 19.  Jhs. verifizieren (Karte des brandenburgischen Territoriums, zwischen 1767 und 1787, angefertigt von F. W. C. von Schmettau, ca. 1:50.000, kolorierte Handzeichnung, Bl. 27; Karte der Mark Brandenburg und angrenzender Gebiete, zwischen 1772 und 1786, bearbeitet von Graf Friedrich Wilhelm von der Schulenburg, ca. 1:100.000, kolorierte Handzeichnung, Bl. 20; Urmesstischblatt Nr. 1052/2448 von 1835, vgl. Abb. 5 auf S. 265). Indes unterrichtet eine Quelle über den Galgen in Strasburg. Als nämlich der Rat bei den Schöppen in (Alt)Stettin nachfragte, ob der am Morgen des Hinrichtungstages verstorbene Dieb Achim Ricke dennoch am Galgen gehenckett, oder aber ob der Corper durch dem ScharffRichter unterm Galgen, […] zubestaten sey, Strasburg, Nr. 1030, wird der Standort des Galgens auf dem Richtberg, auf dem Übeltäter ihre letzte Ruhestätte in Strasburg fanden, überliefert. Vgl. ferner ebd., Nr. 1099, Bl. 50. 304 Landesherrliche Quellen zu Strasburg sind im GStA  PK unter anderem in I.  HA., Rep. 20 (Brandenburgische Landtage), Rep. 21 (Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise) und Rep.  54 (Uckermark und Ländchen Stolpe) überliefert. Andere ungedruckte Überlieferungen, eventuell zum adligen Archiv derer von Arnim oder des Hof- und Landrichters in Prenzlau, wurden nicht hinzugezogen. 305 Devrient 1914, S. 223; ferner ebd., S. 222f.: alle die bruche, so im stettlin Straßburg fallen […] soll er Achim von Arnym den dritten pfenning von haben. 306 Die straffe ist 28. dal:[er] daruf soll dem rade und gerichten 2 deil uf martini erlegt werden. aber des Churf:[fürsten] deil sthet ausen, Strasburg, Nr. 975, Bl. 102.

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Prenzlau nachfragen, was es mit seinem Strasburger Anteil auf sich hat und erkundigte sich explizit nach den Einnahmen.307 Auch in der zeitgleichen kurfürstlichen Mitteilung an den Landvogt, Bernd von Arnim, wird auf den pekuniären Charakter des kurfürstlichen Anteils abgestellt: Der Landvogt solle den Rat der gerichts: und strafgefelle wegen richtige Rechnunge thun zulassen. Und do befindtlich, d[es] uns die Zeit hero etwas von solchen straff nachstendigk Ihnen von unsern wegen aufzuerlegen,308 das Geld auszuzahlen. Die Formulierung von solchen straff nachstendigk berechtigt dazu, Strafe hier nicht im Sinne eines Urteils über eine strafbare Handlung zu interpretieren, sondern vielmehr im Sinne von Geldeinnahmen. Die landesherrliche Teilnahme am obersten Gericht ging während des Mittelalters aufgrund der Verlehnungen verloren, wobei sich der Wandel im Sprachgebrauch nicht niederschlug, sondern „Gericht“ vielmehr ein Synonym für die Einnahmen wurde. Mit der praktischen Wahrnehmung hatte „Gericht“ im späten Mittelalter nicht immer und insbesondere nicht notwendigerweise zu tun.309 Noch in der zweiten Hälfte des 17. Jhs. war der Begriff „Strafe“ finanziell konnotiert.310 So darf mit der zeitgenössischen Wortbedeutung von Gericht und Strafe die Formulierung „mit Wissen und Willen“ als Kenntnis über die Höhe der Strafgelder interpretiert werden.311 Eine Partizipation des Kurfürsten an der städtischen 307 Ob wir woll an den Gerichten in unser stadt Straßburgk unser[en] anteil haben, So werden wir doch Itzo glaubwirdigk berichtet, das uns von denselben gerichts: odder strafgefellen seit Weilandt unsers vorigen Landtvoigts […] absterben nichts einkommen nach berechnet worden, […] alßdann darauf dem Rath und Richter […] von allen undt Jeden strafegefelle, so seit gemelts unsers vorigen LandtVoigts absterben gefallen und einkommen sein mugen volstendige richtige Rechnunge zuthunde, GStA  PK, I.  HA., Rep. 21, Nr. 146. 308 Ebd. 309 Sello 1881, S. 14f. Die Termini für Rechtsbruch broke, brüche, bruche wurden beispielsweise in Nord- und Westdeutschland gleichfalls synonym für die Gerichtseinnahmen verwendet, vgl. dazu Drüppel 1981, S. 347f. Vgl. auch Schwerhoff 1991, S. 51; Enders 2001, S. 251; HRG 1, Sp. 1545f. 310 Erinnere ich mich, dass die vorigen hoff-Richter […] auff die strafe undt andere gefälle zu Straßburg einige inspection gehabt haben, GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 34, Fasz. 3. 311 Zur Dreiteilung der Gerichtseinnahmen Drüppel  1981, S.  349,  351; Schlosser 1988, S. 55; Ebel 2004a, S. 207; ähnlich Ebel 2004b, S. 383; Scheutz 2004, S. 175.

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Entscheidungsfindung erfolgte in der Regel nicht. In den Fällen, in denen kurfürstliche Beteiligungen greifbar werden, war entweder der Rat selbst Prozesspartei oder eine der Parteien hatte sich in Umgehung oder Missbilligung der rathäuslichen Sanktionsinstanz an den Kurfürsten oder einen seiner uckermärkischen Vertreter gewandt. Eine Wahrnehmung der Strafgerichtsbarkeit aus territorialobrigkeitlicher Initiative ließ sich in den vorliegenden Quellen nicht ablesen. Personelles Verhältnis des Gerichtes zum Rat

In der Forschung wurde unterstrichen, dass in einigen Städten – auch in der Mark – die Ämter des Rates und des Gerichtes personell in einer Hand lagen.312 Aller312 Für Neuruppin bestimmte der Kurfürst 1589 ausdrücklich die Vereinigung von Ratsgremium und Schöppenbank, vgl. dazu Kühns 1969b, S. 217f. Dem Rat oblag es zukünftig, die Schöppen zu bestellen, damit die straffen vndt andere gerichtsgefelle, von Ihnen […] in acht genommen, vndt vns getrewlich berechnet werden, CDB I 4, S. 380ff., Nr. 103 (Zitat S. 381). Das Städtchen Wilsnack, das 1513 Wittstocker Recht erhielt, besaß von Anfang an kein gesondertes Schöppenkollegium. Der sechsköpfige regierende Rat hegte zusammen mit dem Richter das Gericht (Schulze 2006, S. 186; vgl. auch Hahn 1979, S. 91f.) – aus der Ratssitzung konnte so schnell eine Gerichtssitzung werden. In Brandenburg an der Havel, deren Schöppenstuhl Oberhof für märkische Städte war (auch für Strasburg), erfolgte die Wahl der Schöppen aus den Reihen der Ratsmitglieder (Stölzel 1901b, S. 135, 316f.). Analoges ist für Berlin-Cölln bezeugt (zumindest für 1442, Stölzel 1901b, S. 269f.) sowie für kursächsische Städte (Lück 1997b, S. 259f.); insofern übten die Schöppen zugleich ein Ratsamt aus. Der Stadtrat war in der österreichischen Kleinstadt Zwettl im 16. und 17. Jh. gleichzeitig Stadtgericht Scheutz 2006, S. 469. In Görlitz waren die Schöppenbänke mit dem Rat „personell eng verflochten“ (Behrisch 2005, S. 157), sodass die „Ratsschöffen“ die obere Gerichtsbarkeit in der Stadt und dem Görlitzer Weichbild wahrnahmen (ebd., S.  43ff.). Die Beispiele, in denen im 16.  Jh. Ratsmitglieder als Schöppen die obere Gerichtsbarkeit ausübten, lassen sich auch – es müssen hierbei jedoch die verschiedenen Stadtrechtsfamilien beachtet werden – für größere Städte fortführen: unter anderem für die Reichsstadt Frankfurt am Main, wo der Schöppenrat als erste Ratsbank „personell identisch mit dem Schöffengericht“ war (Meinhardt 1957, S. 21; Johann  2001, S.  69), für die Reichsstädte Nürnberg (Bendlage  2003, S.  25f.), Hamburg (Beispiel zitiert nach Meinhardt 1957, S. 20), Augsburg (Schorer 2001, S. 143f., 166, 184, 192) und Konstanz (Schuster 1995, S. 48f.). Im Gebiet des heutigen Niedersachsens entwickelte sich der Rat sukzessive „zum wichtigsten Träger der Rechtsprechung“ und die ursprünglich dem Stadtherrn (vertreten durch den Vogt oder Schultheiß) zustehende Gerichtshoheit wurde schließlich vom Rat wahrgenommen (Kroeschell 2005, S. 109). Allgemein auch Hahn 1989, S. 52.

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dings darf dieser Befund nicht pauschal auf alle Städte übertragen werden, da es auch Orte gab, in denen ausdrücklich die Trennung der beiden Gremien angeordnet wurde.313 Folglich gilt es, im konkreten Einzelfall zu klären, von wem die hohen und niederen Gerichtsrechte (im Sinne des verfassungsrechtlichen Dualismus) personell wahrgenommen wurden. Gemäß der Gesetzten Ordnung der Stadt Strasburg sollte bei geringfügigen Delikten der Rath mit Richter und Schöffen urtheilen.314 Dies deutet auch in Strasburg auf eine Wahrnehmung der niederen und höheren Gerichtsbarkeit durch ein und denselben Personenkreis hin. 1538 wurde Henning Lebbin, ein Bürgermeister der Stadt Strasburg, als Erblehnrichter vom Kurfürsten eingesetzt.315 Henning Lebbin erwarb das Amt für sich und seine Familie zu Lehen. 1747 begegnet ein Nachkomme namens Valerius von Lebbin, der sich mit dem Strasburger Magistrat über den Umfang der zivilen 313 So befahl beispielsweise 1426 Markgraf Johann der Stadt Prenzlau, den Rat wieder von der Schöppenbank zu trennen, da aus dieser Verschmelzung große Zwietracht und Streit mit den Bürgern entstanden sei (CDB I 21, S. 262f., Nr. 220). Es sollten zukünftig die do Ratmann, kein scheppfen, vnd dy do scheppfen, kein Ratmann sein (ebd., S.  262; vgl. auch Kühns  1969b, S.  217). 1619 hingegen habe, so der Chronist Johann Samuel Seckt, der Prenzlauer Rat vom Kurfürsten die völlige Gerichtsbarkeit erhalten (Seckt 1785, § 15, 88), woraufhin der Rat 1625 eine neue Gerichtsordnung publizieren ließ, in der er bestimmte, der Richter müsse ein Mitglied des Rates sein und seine Beisitzer selbst erwählen (Seckt 1785, § 21, 92). Vgl. auch Süring, Bl. 25 (37): der Stadt=Richter ist mit im Raht […] der Raht wehlet den Richter […]. Zu Kompetenzstreitigkeiten im frühen 17.  Jh., die mit dem Hof- und Landgericht in Prenzlau, das gleichzeitig Stadtgericht war, zusammenhingen GStA  PK, I.  HA., Rep. 54, Nr. 30, Fasz. 4, Bl. 5; BLHA Potsdam, Rep. 4A, Sentenzenbücher, Nr. 74. 314 Punkt  7 der Gesetzten Ordnung von 1515: Des gelikenn offt sich Tofterie odder Scheldtwort von Weibernn oder ander[en] personenn […] schollen der Rath Richter unnd Schepen nha billicheit darinn sehn, unde die Inn straff nehmen damit ander ein beyspill nehmen dat tho vermeiden, Nr. 28, Bl. 4; vgl. auch Kühns 1969b, S. 247. 315 Universitätsbibliothek Greifswald, Spezialsammlungen, Handschrift Ms 120 4°: Albert Georg von Schwartz: Unterschiedliche Belehrungen Band I enthaltend: Actenstücke und Urkunden zur Geschichte einzelner Städte und Güter in der Uckermarck und in Pommern, Bl. 1–3. Für die Überlassung des ungedruckten Quellenmaterials bin ich Herrn Erwin Schulz aus Lübbenow zu Dank verpflichtet. Die Signatur übermittelte freundlicherweise Frau Klicks von der Universitätsbibliothek Greifwald, Spezialsammlungen. Damit nahm Henning Lebbin im Wege des Lehnsrechtes eine vom Landesherrn abgeleitete Unterherrschaft, im Sinne eines beauftragten Amtsträgers, wahr. Vgl. hierzu Müller-Mertens 1955/56, S. 274.

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Gerichtsbarkeit stritt316 und Bratring wies darauf hin, dass im 18. Jh. gewöhnlich der Lehnrichter erster Bürgermeister war.317 Dadurch besaß der Landesherr zwar normativ einen unmittelbaren Zugriff auf die Besetzung des städtischen Gerichtes und damit auch verfassungsrechtlichen Einfluss in der Stadt. Faktisch dürfte dies allerdings von geringerer Bedeutung gewesen sein, da mit den Vertretern der Familie Lebbin, die im Untersuchungszeitraum hauptsächlich im Besitz des Richteramtes waren, alteingesessene Strasburger dem Gericht vorstanden. Hier ist – wenn überhaupt – eher von einem „situationsbedingten, punktuellen Zugriff der Landesherrschaft“318 auf die Stadt auszugehen. Der 1538 eingesetzte Erblehnrichter ist mit dem in der Ordnung von 1515 genannten Schulzen319 identisch und seine Eigenschaft als Bürgermeister weist auch in Strasburg stark in die für andere Städte beschriebene Richtung einer personellen Verschmelzung von Rat und Schöppenbank. Überblickt man das städ­ tische Quellenmaterial, erhärtet sich dieser Eindruck, da Lebbins sowohl in Richterfunktion als auch im Bürgermeisteramt fassbar sind, wenn auch nicht explizit zeitgleich in einer Quelle. So findet sich am 6. Januar 1605 die Bezeichnung B: Henningk Lebbin320 in einem zivilrechtlichen Bürgschaftsvertrag. „B:“ ist die vom Stadtschreiber benutzte Abkürzung für „Bürgermeister“, was sich anhand der Schossregister für die Jahre 1607–1627 rekonstruieren lässt.321 Da in keinem Jahr zwei verschiedene Mitglieder der Familie Lebbin als Bürgermeister und als Richter greifbar sind, ist eine Personalunion mehr als wahrscheinlich. Die enge Verknüpfung des Rates mit dem Richteramt wird jenseits einer Lebbinschen Personalunion auch angesichts gemeinsam durchgeführter Verhöre in

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Strasburg, Nr. 931, Bl. 136ff. Bratring 1968, S. 500. Vgl. dazu Göse 1996, S. 62. Stölzel 1901b, S. 420; vgl. zur Gerichtsbarkeit und vor allem zu Lehnsrichtern bzw. –schulzen in Mediatstädten im 18. Jh. Vetter 1996, S. 31f., 36ff. 320 Meinne alttstedischen huefe, alhier vor Strasburgk zwischen B: Henningk Lebbins und achim Westphalen huefen innegelegen, Strasburg, Nr. 1097, Bl. 41. 321 Für B: Christian Wegener, 1599 als Bürgermeister genannt, ebd., Bl. 112; ebenso 1608 ebd., Nr. 1030; B: Hans Juricke, 1615 als Bürgermeister genannt, ebd., Nr. 1025; B: Peter Hulsekopff, 1625 als Bürgermeister genannt, ebd., Nr. 1098, Bl. 30.

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der gewonlichen Rattstuben322, im Rahtskeller323 oder unterm Rathhause Im keller324 deutlich. Anno 1593. des mitwochs nach Cantate zwischen elfen und 12. uhr in der nacht. Ist i��������������������������������������������������������������������� n kegenwart Burgermeisters Hans Reberges. Bartholmæi Mullers Rads Camerhern alhir zu Strasburgk. Item des Stadtrichters Henning Lebbins. […] der gefangene Michel Herlingk […] im thurme der gute ermanet.325 Hier wird eine von Ratsmitgliedern gemeinsam mit dem Richter Lebbin durchgeführte Spezialinquisition326 greifbar. Für sie ist ein – gelegentlich unter Tortur – durchgeführtes Verhör charakteristisch, das ein Richter zusammen mit zwei Schöppen (hier Ratsmitglieder) leitete.327 1608 wurde der gefangene Achim Ricke In kegenwarth des Burgermeisters, Balthasar Schiewelbeins unndt des Richters Caspar Lebbins, nochmalen guttlichen befragett.328 Ein vom Rat losgelöstes Agieren des Richters ist nicht überliefert. Als der Strasburger Barbier Zacharias Möller 1615 zum Bürgermeister Johann Juricke ging und über eine ihm zugefügte Gewalttat klagte, die Resultat eines immer stärker eskalierenden329 Konfliktes war, verwies ihn der Bürgermeister, da es eine Blutwunde war, an den Richter Caspar Lebbin.330 Der verfassungsrechtliche Dualismus von hoher und niederer Gerichtsbarkeit ist hier erkennbar. Der Richter jedoch agierte nicht im Sinne des Barbiers, sondern schickte ihn mit den Worten fort weill der Schade unnd wunde nicht gefährlichen, das nach den ferien beide Partte zu verhoer der Sachen bescheiden werden soltten, biß dahin Er sich gedulden muhtte.331

322 Ebd., Nr. 1021. 323 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 400ff. 324 Ebd., Bl. 395ff. 325 Strasburg, Nr. 1021. 326 Vgl. dazu S. 183–191. 327 Vgl. zum Verhör durch den Richter mit zwei Schöppen Kleinheyer 1979, S. 371. 328 Strasburg, Nr. 1030. 329 Vgl. S. 116f. 330 Strasburg, Nr. 1025. 331 Ebd.

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Der ungeduldige Zacharias Möller hingegen wandte sich an den Hof- und Landrichter in Prenzlau, Christian Ram, und erbat von diesem, er möge einen Verhörtag ansetzen, da die Sache in Strasburg nicht ordnungsgemäß geschieden werden könne.332 Dagegen protestierten Bürgermeister und Rat umgehend und bestanden darauf, der Hofrichter möge die bereits erteilte Ladung an den Beklagten grosgunstiglich cassiren unnd heben, unnd clegertn zu erotterung der sach[en] anhero remittiren.333 Die Korrespondenz lief – wie in anderen Fällen auch – ausschließlich über den Rat und es sind Bürgermeister und Rat, die für sich und den Richter den Vorwurf der Justizverweigerung zurückwiesen.334 Rat und Richter hegten demnach gemeinsam in hochgerichtsrelevanten Konflikten das Stadtgericht – das legen die in Quellen wiederkehrenden Doppelbenennungen des Rates gleichzeitig als Gericht335 nahe. Der Rathe [möge] die Briefliche Urkunden, so sie der gerichte halben von unsern seligen vorfarn und uns haben336 vorzeigen, befahl der Kurfürst dem Landvogt. Alles in allem weisen die dargelegten Befunde auf eine personelle Fusion mit Personenidentität von Rat und Schöppenkollegium samt Richter hin – auf eine Obrigkeit, die sowohl als herrn Burgermeistern gericht und Rathmannen dieses Strasburgischen löblichen Stadtgerichts337 auftrat. So konnte sie sich durchaus als Burg[er]m:[eister] und Rad och die Gerichten daselbst,338 das heißt mit beiden Titeln gleichzeitig ausweisen. Von einem personellen Dualismus darf auch in Strasburg nicht ausgegangen werden – der verfassungsrechtliche bleibt davon unberührt. Dies zeigte der Blick in die Strasburger Quellen für das 16. und frühe 17. Jh. und ist mit dem Verweis auf den Forschungsbefund zu anderen Städten – gerade für eine kleinere Kommune339 – nicht überraschend. 332 Ebd.; zu der Möglichkeit, sich bei Rechtsverweigerung an das nächsthöhere Gericht zu wenden, Stölzel 1910, S. 559f. 333 Strasburg, Nr. 1025. 334 Ebd. 335 Erbar Rad unndt gerichte, ebd., Nr. 975, Bl. 34; gemelter Radt. die gerichte zu Straßburg, ebd., Bl. 57f.; des Ersamen Rades und der scheffen zu Straspurgk, ebd., Bl. 14; Burgermeistern Radtmannen, unnd Richtern, ebd., Bl.  18; Bürgermeister Richter Rahttman undt Schopffen, ebd., Nr. 1025. 336 Kurfürstliche Benachrichtigung an den Landvogt der Uckermark, GStA PK, I. HA., Rep. 21, Nr. 146. 337 Strasburg, Nr. 929. 338 Ebd., Nr. 1023. 339 Vgl. dazu auch Stölzel 1901b, S. 319; vgl. für die Reichsstadt Goslar Ebel 1961, S. 5ff.

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Normative Grundlagen

Obwohl die historische Forschung rechtsnormativen Quellen geringeren Erkenntniswert für die Rechtswirklichkeit zuspricht,340 sollten sie keineswegs vernachlässigt werden.341 Sie sind geeignet, bei der Analyse der Gerichtsprotokolle wertvolle Hilfe zu leisten. In den herangezogenen Strasburger Quellen sind keine konkreten Angaben darüber enthalten, welches normative Gerüst die Ratsmitglieder im jeweiligen Stadium der Konfliktbereinigung anwandten.342 Vielmehr sind normative Bezüge überliefert, die pauschal auf reichsrechtliche Normen und das vordringende rezipierte Recht hindeuten. Zu nennen sind hier die peinliche halßgerichtes ordenung,343 die keÿserlichen […] Landtfrieden,344 die rechte der keÿserlichen,345 die keÿserlich[en] Constitutionen unnd reichsabscheiden,346 Statuta des gantzen Romischen Reiches347 oder des heÿligen Römischen Reichs Satzungen.348 Die Aufzählung unterstreicht, dass die kaiserlichen Landfrieden, Reichsabschiede und andere Reichsgesetze, wie insbesondere die Carolina349 und wahrscheinlich die Reichs­ polizeiordnungen,350 rezipiert worden waren. In welcher Form und welchem Ausmaß muss an dieser Stelle offen bleiben. Unabhängig davon liegen Hinweise auf sächsisches Recht, Weichbildrecht351 und auf die Landesgewohnheit vor.352

340 Spicker-Beck 1995, S. 241, Anm. 33. 341 Willoweit 2007, S. 40. 342 Wie an manch anderem Ort auch. Zu den in Köln angewandten Rechtsnormen: Schwerhoff 1991, S. 83ff.; Freiburg: Bubach 2005, S. 216ff., 233, 404. 343 Strasburg, Nr. 1020; dieser Terminus kann mit einiger Wahrscheinlichkeit als Hinweis auf die Carolina gelten; ähnlich Peinligen gerichtsordnung, ebd., Nr. 934. 344 Ebd., Nr. 975, Bl. 31; ähnlich ebd., Bl. 45, 69. 345 Ebd., Bl. 28. 346 Ebd., Nr. 929. 347 Ebd., Nr. 1023. 348 Ebd. 349 Holz 1907, S. 287. 350 Die Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 liegen ediert und kurz eingeleitet vor (Weber, Matthias 2002). 351 Strasburg, Nr. 1024. 352 Ebd., Nr. 975, Bl. 28. Zu den landesherrlichen Polizeiordnungen und den landesherrlichen normativen Quellen äußerte sich Richard Dietrich überblicksartig (Dietrich 1980). Druckfassung landesherrlicher Polizeiordnungen in CCM 5.

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Normativ war die Carolina in der Mark 1540 rezipiert worden.353 Dies bestätigen auch erlassene märkische Edikte,354 die Peinliche Halsgerichtsordnung für Franken und Preußen von 1582355 (im Folgenden PHGO 1582) sowie unpublizierte Ordnungen,356 wie die Landesordnung von 1574357 und der Landrechtsentwurf von 1594.358 Städtische Statuten,359 die womöglich für leichtere Vergehen Klarheit gebracht hätten, sind für Strasburg nicht überliefert. Noch viel weniger kann auf eine schriftlich fixierte Stadtrechtsreformation,360 eine städtische Malefiz-/Halsgerichtsordnung oder eine Gerichtsordnung zurückgegriffen werden, wie sie aus

353 Siehe Anm. 63 auf S. 28f. 354 Edict wider das Strauch=Reiten, Strassen=Räuberey und gewaltsame Stehlen etc. vom 4. Febr. 1612: nach anweisung Kayser Carln des Fünfften Peinlicher Halsgerichts Ordnung, Strasburg, Nr. 487, Bl. 1; abgedruckt in: CCM 2, Abt. 3, Nr. 5, hier Sp. 10. 355 Abgedruckt in: Böhmer 1770, S. 93–176. Kurfürst Johann Georg erließ sie für die Landesteile Preußen, Jägerndorf und Franken. Die Ordnung erlangte für die Mark keine Geltung. Sie gibt aber die Rechtsvorstellungen der kurfürstlichen Räte und Obrigkeit wieder und lehnte sich stark an die Carolina an. Zugleich war sie eine erneuerte und revidierte Fassung der „Brandenburgischen Halsgerichtsordnung“ von 1516 (Brandenburgensis), die für die Fürstentümer Ansbach und Bayreuth galt, zur Brandenburgensis Schoetensack 1904, S. 5; Schroeder 2000, S. 134. 356 Zwar haben sie aller Wahrscheinlichkeit nach keine Gesetzeskraft erlangt. Gleichwohl sind sie geeignet, einen Einblick in die materiellen und prozessualen Gepflogenheiten der märkischen Juristen im 16. Jh. zu geben. Abgedruckt in: CCM 6, Abt. 3, Vorbericht, S. 1; vgl. auch Stölzel 1989a, S. 259; Lorenz 1982, S. 254. 357 CCM 6, Abt. 3, Nr. 2. 358 CCM  6, Abt.  3, Nr.  3. Zur älteren Sicht des Scheiterns Holtze  1891, S.  72ff. und 329ff.; aus rechtshistorischer Sicht Scholz 1973; sekundär: Hass 1913, S. 102ff. 359 Hinweise finden sich in folgenden Quellen: BLHA Potsdam, Rep. 4A, Sentenzenbücher, Nr. 25, Bl. 1071; Strasburg, Nr. 975, Bl. 40ff. Wann sie erlassen wurden, muss offen bleiben, da im Urfehdebrief lediglich der Verstoß erwähnt wird und nicht – wie Lieselott Enders annahm (Enders 1992, S. 246) – deren Erlass. Vgl. zu Polizeiordnungen märkischer Mediatstädte Hahn 1979, S. 90ff. Die kurfürstliche Ordnung von 1515 gibt zum Verfahrensablauf nichts her, allenfalls geben sie über rathäusliche Zuständigkeiten in einzelnen Delikten, wie Ehebruch, Zauberei, Scheltworte etc. Auskunft. Auf städtische Statuten für Wilsnack wies Peters 2007, S. 270f., hin. Zu Statuten im heute niedersächsischen Gebiet allgemein Kroeschell 2005, S. 182ff. 360 Sie hätte eventuell Einblicke in den Verlauf des Prozesses gewähren können, vgl. dazu van Kappen 1991, S. 153.

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größeren Städten und für höhere Gerichte bekannt sind.361 Landesherrlich initiierte Polizeiordnungen362 behandeln spezielle Verbrechen; Prozessvorschriften zur Beleuchtung der formellen Sanktionspraxis enthalten sie nicht.363 Kühns unterstrich, dass das märkische Verfahren in den Grundsätzen dem des sächsischen Rechtes glich,364 worauf ebenfalls Stölzel,365 Lück366 und Behrisch367 hinwiesen. Mangels weiterer Vorarbeiten schloss sich Behrisch368 bei der Beschreibung des Görlitzer Strafverfahrens unter anderem den Ausführungen von Heiner Lück369 an. Anhand des Richtsteigs Landrecht des Sachsenspiegels beschrieb Lück die spätmittelalterlichen Verfahrensgrundsätze. Er betonte, dass diese bis weit in das 16. Jh. hinein galten und von den gelehrten Juristen, Spruchkollegien und Rechtspraktikern fortentwickelt und modifiziert worden seien.370 So scheint für das 16. und 17. Jh. die Annahme berechtigt, dass sächsische Verfahrenselemente mit den Grundsätzen der Carolina von 1532 verschmolzen. Ähnlich ist vermutlich für Strasburg von einer Mischung aus womöglich vorhandenem Statutenrecht, Carolina, kurfürstlichen Verordnungen, rechtswissenschaftlicher Gelehrten- und Praktikerliteratur, den Gelehrtengutachten sowie

361 Ähnlich ist die Lage in anderen Städten, wie bspw. in Köln: Schwerhoff  1991, S. 84. Gerichtsordnungen und Stadtrechtsreformationen sind für das 16. und 17. Jh. in größeren deutschen Städten überliefert, wie Augsburg: Hoffmann, C. A.  2000a, S. 113, Anm. 51; Schorer 2001, S. 188; Frankfurt am Main: Meinhardt 1957, S. 15f., 31; Köbler 1984; Johann 2001; Eibach 2003, S. 65; für das Hofgericht in Leipzig: Lück 1997b, S. 127; Halsgerichtsordnungen für Radolfzell 1506 und Nürnberg 1526: Kleinheyer  1979, S.  370; Regensburg: Abdruck mit Erläuterung bei Kleinheyer 1971, S. 43–71; Lübeck: Ebel 1971, S. 244; für das Hofgericht in Wittenberg: Lück 1997b, S. 128; Zwickau: Vogel 1960. 362 Strasburg, Nr. 487, Bl. 3; CCM 6, Nachlese, Nr. 1, Sp. 1–8; zur Polizeiordnung von 1550: CCM 5, Abt. 1, Kapitel  1, Nr. 2; vgl. allgemein zur märkischen Polizeigesetzgebung Schultze 2004, Bd. 4, S. 158; erwähnt auch bei Peters 2007, S. 96. 363 Zur Sanktionspraxis vgl. unten S. 183–208. 364 Kühns 1969b, S. 338. 365 Stölzel 1910, S. 502, 591, 609ff. 366 Lück 1998, S. 132. 367 Behrisch 2005, S. 134ff. 368 Ebd. 369 Lück 1998. 370 Ebd., S. 133.

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althergebrachten Rechtsgewohnheiten auszugehen,371 derer sich der Rat mit dem Richter an der Spitze bediente, wenn es galt, Missetaten zu sanktionieren. So ist es gerechtfertigt, die sächsische Rechtsgelehrtenliteratur, namentlich Benedikt Carpzovs,372 in die Analyse mit einzubeziehen. Zwischenbetrachtung – formelle Sanktionsinstanzen

Festzuhalten bleibt, dass die obrigkeitliche Instanz für formelle Sanktionen in Strasburg das Stadtgericht bestehend aus Richter (= Bürgermeister) und Schöppen (= Ratsmitglieder) war. Die verfassungsrechtliche Trennung von Rat und Schöppengericht für die höhere und niedere Gerichtsbarkeit war – mit allen einzurechnenden Grauzonen der alltäglichen Praxis – in Strasburg im 16. und frühen 17. Jh. gegenwärtig. Das althergebrachte – genossenschaftlich legitimierte – Schöppengericht war hier in Person des Lehnrichters für die höhere Strafgerichtsbarkeit, im Sinne formeller Sanktionen zuständig; der Rat, der sich teilweise aus den gleichen Personen zusammensetzte, nahm die niederen Gerichtsrechte wahr. Die enge personelle Verflechtung beider Gremien steht dem verfassungsrechtlichen Dualismus grundsätzlich nicht entgegen, was an den verschiedenen Stufen des rathäuslichen Sanktionswesens ablesbar ist. Sie bewirkte eher de facto die Zuständigkeit des Rates auch in der höheren Strafgerichtsbarkeit. Als Ratsmitglieder hegten die Schöppen zusammen mit dem Richter (über einen großen Zeitraum aus der Familie Lebbin stammend)373 das Gericht als formelle Sanktionsinstanz. Gemeinsam oblag es ihnen als verordnete Obrigkeit, öffentlich bekannt gewordene Missetaten zu strafen.374 3.2.2. Semiformelle Sanktionen und deren Träger

Von den formellen Sanktionen sind semiformelle Sanktionen, die von semiformellen Instanzen durchgeführt werden, zu trennen. Für den Untersuchungszeitraum kämen an dieser Stelle genossenschaftlich gebildete Zunft-/Gilde-, Markt-, Feld-/ 371 Vgl. dazu Schwerhoff 1991, S. 469; Eibach 2003, S. 73; Behrisch 2005, S. 150. 372 Zu Carpzov Jerouschek/Schild/Gropp 2000; HRG 2008, Sp. 819–821. 373 Die Richtertätigkeit der Lebbins war zwischenzeitlich, das heißt in den 1580er Jahren, unterbrochen, da ein Lehnsrichter namens Martin Dewitz in den Quellen erscheint. Vgl. hierzu Strasburg, Nr. 1018; ebd., Nr. 1016/1; ebd., Nr. 929. 374 Ebd., Nr. 1025.

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Wröhegerichte etc. in Betracht, 375 die gegen den kollegialen Zweckverband verstoßendes Verhalten sanktionierten. Sie ahndeten kleinere Vergehen gegen Statuten oder Mitglieder mit geringeren Strafen, bspw. mit Geldbuße, Ausschluss aus der Zunft oder Entzug des Meisteramtes. Manches dürfte in dieser Instanz mündlich verhandelt worden sein.376 Konkrete Hinweise hierzu ergaben sich für Strasburg aus den herangezogenen Quellen bislang nicht. Damit soll ihr Vorhandensein nicht ausgeschlossen werden, zumal eine Feld- und Bauordnung von 1702 einen Einblick in die kleineren Vergehen, die von dieser Instanz verhandelt werden konnten, gibt.377 Auch werfen die Akten im Fall des Schusters Achim Ricke, der seinem Kollegen Jacob Krupesack eine Kuhhaut stahl, ein kleines Licht auf die semiformelle Sanktionsinstanz. So hatte der Dieb in kegenwartt des Clegers und gantzen versamblunge der Meÿstere des Schusterhandwerks alhier außdrucktlichen, außgesaget und offentlich gestanden, daß ehr einne kuhautt, kurtz vorm augste […] gestohlen hatte. Ob er hier Gefangener der Zunft oder des Rates war, geht aus den Akten nicht eindeutig hervor. Zwar ist zu erfahren, dass daß gantze Hantwerck der schuster alhier ihren [Hervorhebung, E.F.] gefangenen Achim Ricken […] mitt dem strange vom leben zum Thode strafen zue laßen vorhabens gewesen,378 und Erwin Schulz379 weist – leider ohne konkreten Quellenbezug zum 16. Jahrhundert – auf einen chronikalisch erwähnten Gewerksgalgen hin, der auf eine mutmaßliche peinliche Gerichtskompetenz hindeuten könnte.380 Beim gegenwärtigen Kenntnisstand darf mit Verweis auf andere Städte eine Blutgerichtsbarkeit des Strasburger Schusterhandwerks jedoch wohl ausgeschlossen werden.381 Zu vage sind die Hinweise dafür und zu gewichtig sind die entgegenstehenden Forschungsergeb-

375 Zu Kölner Zunftgerichten Schwerhoff  1991, S.  66ff.; ferner: Schorer  2001, S. 204ff.; Thauer 2001, S. 251; Arlinghaus 2006, S. 157ff. 376 Schwerhoff 1991, S. 68, 71. 377 Strasburg, Nr. 1586; vgl. zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Zunftgerichtsbarkeit Wissell 1974, S. 177–257; Helbig 1973, S. 111; Schich 1987a, S. 226. 378 Strasburg, Nr.  1030; auch ist vom Gefängnis der Zunft die Rede: gefengknuße der meinnunge, ebd. 379 Schulz 2000, S. 179. 380 Dieser soll aber bereits um 1540 zerstört worden sein. Zum Galgen als Indikator für die Blutgerichtsbarkeit vgl. oben S. 74, bes. Anm. 303. 381 Wissell 1974, S. 189.

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nisse aus zunftstarken Städten, wie Köln,382 Konstanz383 und Augsburg,384 zumal das Inquisitionsverfahren gegen Achim Ricke 1608/09 auf Privatanklage des Schusters Jacob Krupesack letztlich vom Rat durchgeführt wurde. Vermutlich trug Krupesack sogar die Verfahrenskosten, vielleicht aber finanzierte auch die Zunft die angestrebte peinliche Bestrafung Achim Rickes. Genaueres ließ sich den vorliegenden Quellen leider nicht entnehmen. Anzunehmen ist, dass auf dieser semiformellen Sanktionsebene kleinere Vergehen gegen Zunftmitglieder bis zu einer gewissen Geldbuße sicherlich auch in Strasburg im Untersuchungszeitraum verhandelt worden sind, wenngleich Belege fehlen. Eine darüber hinausgehende, vor allem peinliche Strafkompetenz darf aber mit einiger Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. 3.2.3. Informelle Sanktionen

Informelle Sanktionen sind Reaktionen auf Nonkonformität, die in geringem Ausmaß organisiert sind, eher spontan erfolgen und in den häufigsten Fällen im zwischenmenschlichen Umgang anzutreffen sind. Sie gelten als „gesellschaftlicher Filter- und Regelungsmechanismus“, der die Weichen für formelle Sanktionen stellt.385 Auch sie dürften in der Frühen Neuzeit in erster Linie unmittelbar erfolgt sein, in Form von Warnungen, Ausweichen, Ignorieren, Injurien,386 Gesten bzw. symbolträchtigen Handlungen und Schlichtungen. Schmäh- und Fehdebriefe, die sich gegen Privatpersonen richteten, sind ebenso denkbar. Formen derartiger informeller Strategien (im Sinne individueller Konfliktlösungsmechanismen) finden sich in den rathäuslichen Akten in geringen Spuren. Da städtische Vollzugs- und Exekutivorgane als formelle Sanktions- bzw. Kontrollinstanzen während des 16. Jhs. im Untersuchungsgebiet erst sukzessive professionalisiert wurden, war die 382 383 384 385 386

Schwerhoff 1991, S. 71f.; Arlinghaus 2006, S. 158f. Schuster 2000b, S. 70. Schorer 2001, S. 204f. Schwerhoff 1999, S. 13. Injurien sind „Verbrechen, wodurch einer eines andern Würde, Ehre und ehrlichen Namen durch Schmach und bösen Betrug antastet.“ Derartige Ehrverletzungen konnten sowohl verbal als auch körperlich erfolgen. Verbalinjurien sind Worte mit beleidigender, ehrkränkender oder drohender Wirkung. Zu den Realinjurien zählten Körperverletzung, ungerechtfertigte Inbesitznahme, Fälschung, das Verfassen von Schmähschriften und ähnliches, vgl. Zedler 14, Sp. 707f.; HRG 2008, Sp. 515.

Strasburger Sanktionsinstanzen zur Ahndung abweichenden Verhaltens 87

frühmoderne märkische Obrigkeit in einem nicht zu unterschätzenden Maße auf die informelle Kontrollebene – die Gesellschaft – angewiesen, um kriminelles Verhalten überhaupt obrigkeitlich ahnden zu können.387 Der formellen Sozial­kontrolle war auf der informellen Ebene in der Regel eine Klassifizierung des abweichenden Verhaltens als kriminell sowie die Etikettierung388 der devianten Person als Krimineller vorausgegangen. Dies verdeutlicht der Fall Michael Herling. 1590 hatte der Schlachter Michael Herling einige Tiere, darunter einen Bock, bei einem Bauern in Mildenitz389 gekauft und zu Fuß nach Strasburg bringen wollen. Der Bock starb allerdings unterwegs, was Herling eigentlich hätte veranlassen müssen, den Kadaver gegen Entgelt dem Abdecker zu übergeben. Da er dies offenbar nicht tat, sondern den Bock abzog, die Haut verarbeitete und wohl auch das Fleisch als gesundes verkaufte, entzog ihm der Rat das Amt. Dagegen ging Michael Herling mittels einer Supplikation an den uckermärkischen Landvogt, Bernd von Arnim, vor. Zuvor hatte ihm jedoch der Abdecker den Schinderkarren vor die Tür geschoben.390 Mittels einer solchen symbolhaften Reaktion des geschädigten Abdeckers wurde Herling, wie er selbst sagte, ahn [seiner, E.F.] ehren gescholtten.391 Unvermittelt weisen die Akten hier auf die frühneuzeitliche Praxis hin, „Devianz mit Ehrentzug oder Schande“ zu bestrafen.392 Derartige Ehrverletzungen galten in der Frühen Neuzeit als Korrektiv im Sinne einer informellen Sozialkontrolle, um Abweichler, die gegen die geltenden Normen verstießen, auf der gesellschaftlichen Ebene zu sanktionieren. Sie dienten damit der Normstabilisierung und sowohl auf familiärer als auch gesellschaftlicher Ebene der Konflikteinhegung und -regulierung.393 Die Maßnahmen gewannen an Bedeutung, wenn bspw. die Familie fest in der Strasburger Gesellschaft integriert war und die Gewähr leisten konnte und wollte, dass weitere friedenstörende Verbrechen gegen Mitbewohner durch das deviante Familienmitglied unterbleiben würden. Dann war 387 Vgl. hierzu Bendlage 2003, S. 132. 388 Vgl. hierzu Bohle  1984, S.  5ff.; Schwerhoff  1991, S.  26; Schwerhoff  1999, S. 78; Eibach 2003, S. 25f.; Papathanassiou 2002, S. 665; Jung 2005, S. 75ff. 389 Ca. 7,5 km südwestlich von Strasburg im Herzogtum Mecklenburg-Strelitz gelegen. 390 Strasburg, Nr. 1021. 391 Ebd. 392 Backmann/Künast 1998, S. 15. 393 Vgl. hierzu Dinges  1998, S.  187; zur symbolischen Kommunikation allgemein Fenske 2006, S. 144f.

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Der kleinstädtische Rahmen

eine Resozialisierung losgelöst von der formellen Sozialkontrolle bis zu einem gewissen Zeitpunkt wahrscheinlich. Wie dieses Ineinandergreifen der formellen und informellen Sanktionsebenen in Strasburg funktionieren konnte, soll im nachfolgenden Kapitel beschrieben werden.

4. Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

4.1. Transformationsprozess von der informellen zur formellen Sanktionsebene Das Opfer wird in erster Linie bei Vorliegen eines ausgereiften Strafverfolgungsinteresses bemüßigt gewesen sein, den Täter anzuzeigen und den „ordentlichen“ Rechtsweg zu beschreiten. Doch wann war es schon ausgereift?1 Zwei eng zusammenhängende Motive scheinen bei der Lektüre der Quellen erkennbar: Erstens gescheiterte Versuche, einen familiären Ausgleich mit der Familie des Täters herbeizuführen, sodass auf formelle Sanktionen nicht mehr verzichtet werden konnte. Zweitens war die Stellung der jeweiligen Konfliktpartei innerhalb der städtischen Gemeinschaft ausschlaggebend. Da ausreichende Beweise vorliegen mussten, damit das Opfer oder dessen Familienangehörigen Anzeige erstatten konnten, gelang es durch gesellschaftlich gesteuerte Informationsflüsse, die Strafverfolgung durch die Geschädigten zu beeinflussen, mitunter zu erschweren, um den Täter zu schützen. Am 21. September 1608 wurde der Schuster Achim Ricke auf Anklage des Schusters Jacob Krupesack, dem Ricke eine Kuhhaut gestohlen hatte, nochmalen guttlichen befragtt und ihme [folgende, E.F.] Articul fürgelesen:2 Erstlichen das er dieses Jahr […] Jacob Krupesacken eine kuhhutt, so er zwischen beiden Thoren […] zu aufweichung Im waßer gelegtt, daselbsten wegkgestolen Zum Andren bekandt, das fur 12 Jahrenn […] auf Burgermeister Jochim Krupesack bodden […] 2. scheffel Rocken gestolen Zum Sechsten, bekandt. d[ass] er Barteltt Westphalen, alhier zu Strasburgk ein schwartz schwein erschoßen, so er abgezogen d[as] fleisch zu Prentzlow fur wildt­bradt furkaufft

1 Vgl. Schwerhoff 1992, S. 398. 2 ��������������������������������������������������������������������������������� Strasburg, Nr.  1030; dieser Akte wurden auch die nachfolgenden Quellenzitate entnommen.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Vorliegend waren es nicht weniger als 13 Diebstähle, die Ricke begangen haben sollte und zu denen er sich letztendlich auch bekannte. Vor dem Hintergrund einer angewandten Tortur und unter Berücksichtigung einer Zeitspanne von zwölf Jahren kann über den Wahrheitsgehalt der den Tätern in solchen Verhörprotokollen zur Last gelegten Taten nur gemutmaßt werden. Es ist anzunehmen, dass ihm der eine oder andere Diebstahl unterstellt wurde. Mit Blick auf Kriminalisierungsmotive des Anklägers sowie des ausführenden Rates wird man bei der Interpretation dieser Quellengattung generell vorsichtig vorgehen müssen. Bei Achim Ricke jedoch gilt ein derartiger Vorbehalt nur eingeschränkt, da einigen der von ihm ausgeübten Diebstähle familiäre oder gesellschaftliche Schlichtungen auf der informellen Ebene gefolgt waren, worüber die Zeugenvernehmungen Auskunft geben. So ging der bestohlene Bürgermeister Achim Krupesack dem Verlust von zwei Scheffeln Roggen nach. Da bei Achim Ricke zwei Scheffel Roggenmehl in der Wohnung gefunden worden waren,3 kam es zu Befragungen. Hierbei gab Ricke wahrheitswidrig an, er habe das Mehl von seinem Schwager Hermann Gersdorf empfangen. Gersdorf war Bürger und Schöppe zu Strasburg. Er wurde vor seine Ratskollegen zitiert und zum Sachverhalt verhört, wobei er sich allerdings in einer Zwangslage befand. Auf der einen Seite hatte seine Frau ihn gebeten, er solle Ricke schützen, damitt ihr brud[er] also davon kommen mochtte und auf der anderen Seite wurde er vom Rat seines gewißens [und Schöppeneides, E.F.] so hardt erinnertt, dass er sich für einen Kompromiss entschied. Er bat die Ratsherren, Ricke möge dieses eine Mal noch davonkommen. Ricke solle sich aus der Stadt begeben und nötigenfalls wolle Gersdorf ihn mitt einer wagenstunge selbst Jagen, damitt doch der freundtschafft. kein schimpff seinentwegen widerfahren mochtte. Ricke verließ zwar die Stadt; war aber bald wieder vor Ort, was sich an den weiteren Diebstählen ablesen lässt. Neben der familiären Unterstützung erfuhr Achim Ricke auch gesellschaft­ lichen Halt. Als Achim Ricke ein schwarzes Schwein Bartolomeus Westphals widerrechtlich erschoss und das Fleisch an sich nahm, wurde er von zwei Strasburgern dabei beobachtet. Michael Goritz und Lukas Schramm befragten Achim Ricke, wohin er denn mit dem Schwein wolle. Derart ertappt, bat Ricke sie, sie 3 ���������������������������������������������������������������������������������� Zum Recht der „Haussuchung“ des Bestohlenen vgl. den unpublizierten Landrechtsentwurf von 1594 (CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 123). Im 18. Jh. konnten durch landesherrliche Beamte auf Kosten des Antragstellers „Hausvisitationen“ durchgeführt werden (Frank 1995, S. 262).

Transformationsprozess von der informellen zur formellen Sanktionsebene 91

mögen es ihm gönnen. Er wolle seinem kranken Sohn davon zu essen geben. Auch Ricke selbst war von kränklicher Natur, da er d[as] durchlauffet hette, so da eine Erbliche krankheitt wehre. Goritz und Schramm schwiegen augenscheinlich, denn der bestohlene Westphal hatte alle Mühe, die Tat aufzuklären. Seine unablässigen Recherchen führten zumindest soweit, dass er den Zeugen Michael Goritz bei der Strasburger Einwohnerschaft in Erfahrung bringen konnte. Doch Goritz gab sein Wissen nur sehr widerwillig preis. Für dieses Verhalten könnte die Erbkrankheit der Familie, die die Armut des Schusters begründet haben könnte, vermutlich ursächlich gewesen sein. Vielleicht ist die Notlage von der Bürgerschaft als unverschuldet und als von Gott gegebenes Schicksal gewertet worden,4 mit der Folge, dass sie als allgemeingültiges Schutzmotiv galt.5 Zum besseren Verständnis sind ein paar Hintergrunddetails hilfreich. Ricke wohnte im Altstädter Viertel zur Miete und war 1598 wegen seiner drückenden Schuldenlast gezwungen, Teile seines Gartens und einige Ländereien zu veräußern.6 Die Familie Ricke war eine alteingesessene Strasburger Familie, von der wiederholt mehrere Vertreter zeitgleich in den Schossregistern überliefert sind.7 Es scheint, als sei die Familie am Ende des 16.  Jhs. ziemlich heterogen gewesen. Neben Achim gelangten noch Caspar und Hans (ein Bruder von Achim), die beide Bauknechte waren, sowie Bartolomeus mit dem Gesetz in Konflikt.8 Davon unberührt muss es Vertreter der Familie, wie den Schöppen Hermann Gersdorf gegeben haben, die ein soziales Netzwerk schufen, das Achim ermöglichte, über einen längeren Zeitraum soziales Kapital9 zu akkumulieren, 4 Irem ietzigen Ehemanne welchen gott mit leibesschwachheit. und sonderlich an seinem gesichte geschwechet, heißt es in einem anderen Zusammenhang, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 50, Bl. 539. 5 Carolina, Art. 166: Stelen inn rechter hungers nott. Dieser Tatbestand begründete zwar keine Strafbefreiung, allerdings jedoch eine Strafmilderung. Das heißt, soziale Motive galten durchaus als schutzwürdig. Vgl. hierzu Multus 2005. 6 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 31f. 7 Hans und Jürgen waren 1581 im Altstädter Viertel ansässig, vgl. Strasburg, Nr.  143, Bl. 257ff.; 1607 war Bartolomeus im Altstädter Viertel ansässig und Daniel zahlte außerplanmäßige Steuern (Extra vagantes), vgl. ebd., Nr. 144. 8 Caspar (ebd., Nr. 976, Bl. 52) und Bartolomeus (ebd., Bl. 71) begingen Unzucht und schworen Urfehde. Hans beteiligte sich an dem Überfall etlicher Altstädter Baujungen auf den Pachtschäfer Jürgen Wesenberg, vgl. ebd., Nr. 975, Bl. 77. 9 Bourdieu 2005, S. 63: „Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

um von den Geschädigten nicht formell zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der bestohlene Westphal forderte zwar den Bruder von Achim Ricke (Hans) auf, das Schwein zu ersetzen oder er werde klagen, doch ein Ausgleich fand nicht statt. Hans bat Westphal, von einer Klage abzusehen und versprach, Achim zu drängen, eines seiner Schweine an Westphal herauszugeben, womit letzterer auch friedlichen wäre. Schließlich aber erhielt Westphal keinen Ersatz von der Familie Ricke und Michael Goritz (der vermeintlich einzige Zeuge) starb. Der andere Zeuge, Lukas Schramm, war Westphal zu dem Zeitpunkt noch unbekannt. Der Konflikt wurde also weder informell noch formell bereinigt. Deutlich wird hier das Dilemma des Opfers, das vor dem Rat letztlich den Beweis zu führen hatte.10 Es war, wie die rathäusliche Sanktionsinstanz auch,11 in hohem Maß auf die Kooperation der Mitbewohner angewiesen. Indem Zeugen Diebstahlsopfern die Informationen vorenthielten, wird deutlich, wie entscheidend die jeweilige soziale und damit auch gesellschaftliche Stellung war, um überhaupt die eigenen Interessen durchsetzen zu können. Erst als sich das Verhalten Achim Rickes gegen Mitglieder der eigenen Zunft gerichtet hatte, und damit über das einzelne Opfer hinaus Interessen einer Korporation, gleichsam einer semiformellen Sanktionsinstanz, tangiert waren, schlug das Pendel zu seinen Ungunsten aus. Ein Schutzpatron fand sich für Achim Ricke nun nicht mehr. Dieser hätte gleichsam der gesamten Schusterzunft und damit einem wirtschaftlichen institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; oder, anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen.“ Eine solche Gruppe stellt die Familie dar, die in der Frühen Neuzeit für den individuellen sozialen Status konstitutiv war. Dies äußerte sich unter anderem in der Erblichkeit von politischen Führungspositionen und Ämtern. Vgl. hierzu Dülmen 1992, S. 183. Ferner konnten alteingesessene Familien sowohl quantitativ infolge ihrer Verzweigung als auch qualitativ aufgrund eines über Generationen tradierten und der Gemeinschaft wohlbekannten Kollektivverhaltens die „Kreditfähigkeit“ des jeweiligen Mitgliedes erhöhen, aber auch schmälern. Einen Hinweis auf eine Schmälerung gibt die Aussage des Schwagers von Achim Ricke, Hermann Gersdorf, er befürchte, dass Achim Ricke noch Schimpf, im Sinne von Schande und Ehrverlust, über die Familie bringen werde. 10 Ca. 1575 hatte der Kläger Andreas Milow die Beweise für einen in seinem Pferdestall begangenen Diebstahl beizubringen. Da der Verdächtige Ime anfenglich[en] nicht gestendig gewesen, wurde der Beweis mittels zweÿ glaubwirdige Zeugen […] bey Irem getanen Corperlichen Eide erbracht, Strasburg, Nr.  975, Bl.  67f. Vgl. hierzu auch Sälter 2000, S. 20. 11 Hagemann 1981, S. 318.

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und auch politischen Machtblock innerhalb Strasburgs gegenübergestanden. Rickes soziales Kapital war damit auf Null gesunken. Hier treten Mechanismen auf der informellen Ebene zutage, die die gesellschaftliche Dimension des Umgangs mit Kriminalität offenlegen. Leider bleiben sie in der Mehrzahl der in den Gerichtsprotokollen überlieferten Straftaten verborgen. In den Quellen fanden sich keine Hinweise auf eine Sanktionierung der Unterstützer, weder vonseiten des Rates noch durch geschädigte Bürger oder Korporationen. Dies deutet eher darauf hin, dass konkurrierende gesellschaftliche Mechanismen der Sozialkontrolle in Strasburg im 16. und frühen 17.  Jh. noch nicht zurückgedrängt worden waren, wie es anderenorts beobachtet werden konnte.12 Mit den familiären, nachbarschaftlichen und korporativen Ausgleich- und Entschädigungsmöglichkeiten existierten neben der rathäuslichen Sanktionsebene informelle Sanktionsstrukturen, die eigenständig den Umgang mit deviantem Verhalten regulierten und so erfolgreich soziale Kontrolle übten. Deutlich wird eine Tradition, Konflikte zunächst in der jeweiligen kleinen sozialen Einheit (Familie, Nachbarschaft, Zunft) informell zu lösen, bevor obrigkeitliche Institutionen bemüht wurden.13 Diese Mechanismen sind bei der Bewertung der Kriminalität in Strasburg in Rechnung zu stellen, wenngleich sie aufgrund der mündlichen Verfahrensweise in den Quellen schwer greifbar sind. Dass und wie die informelle Sozialkontrolle funktionierte, zeigte der Fall Achim Ricke. Die Bereitschaft der Strasburger, ein gewisses Maß sozialer Abweichung zu ertragen, legt den Schluss nahe, dass der Zustand des Gemeinwesens grundsätzlich weder von den Zeitgenossen als gefährdet eingeschätzt noch vom Rat als zu befriedender Untertanenverband empfunden wurde. Dies lässt sich auch an folgendem Beispiel ablesen. Wie Achim Ricke verfügte auch der bereits erwähnte Schlachter Michael Herling über ein gesellschaftliches und soziales Netz, aus dem er Informationen und Hilfeleistungen bezog. Nachdem sich die Gemüter um den vor die Herlingsche Tür geschobenen Schinderkarren wieder beruhigt hatten und Herling als Schlachter seiner Arbeit wieder nachging, gelangte ein erneuter von ihm verübter Normbruch in die rathäuslichen Akten. Im Dezember 1592 sagten drei Schäferknechte gegen Michael Herling aus: Er hätte sie dazu angestiftet, Schafe und Hammel in der Umgebung zu stehlen und ihm zu verkaufen. Zudem hätte er ih12 Hoffmann, C. A. 2000b, S. 567f., 579. 13 Dinges 2000, S. 513; Loetz 2000, S. 547.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

nen auch Bauern- und Adelshöfe mit guten Tieren genannt. So seien dem Michael Herling in die 60 und mehr heubter zugebracht worden.14 Nachdem die drei Schäferknechte auf Anklage der bestohlenen Adligen im Strasburger Gefängnis ausgesagt hatten, forderten die bestohlenen Junker vom Rat die Gefangennahme des Schlachters. Von den womöglich drohenden inquisitorischen Maßnahmen erhielt Michael Herling durch Strasburger Einwohner Kenntnis. Seine Informanten rieten ihm, die Stadt für eine Weile zu verlassen, was er daraufhin tat. In Ueckermünde angelangt, beauftragte Herling den dortigen Stadtschreiber, einen Brief zu verfassen, indem er den Rat um Milde und Geleit bat. Der Rat antwortete ihm am 18. Dezember 1592: das uns nicht weinig vorwundert. sintemal uns biß dahero wider euch, keine einige clage vorgekommen, Worumb Ihr aber muget vorgewichen oder fluchtig worden sein, da ihr Euch nun keines bosen bewust. sondern allerdinge unschuldig sint, achten wir es auch euch alerentwegen zuvorgleiten von unnoten sein. da aber kunfftiger Zeitt Jemandt etwas wider euch clagende vorbring[en] mochte, konnen wir euch oder keinen wider mehr schutzen noch vorthedig[en]. Daraufhin kehrte er in die Stadt zurück. Als der Küster ihn aber warnte, es stünden doch Untersuchungen gegen ihn an, verließ er Strasburg in den ersten Januartagen 1593 erneut. Der Küster hatte die Informationen von einem Ratsmitglied erhalten, dessen Namen er nicht nennen wollte. Die wiederholte Flucht Michael Herlings bewog die benachbarten Adligen, beim Rat noch erbitterter zu insistieren, den Schlachter endlich zu verhaften: zu erhaltunge euer gerichte solten [sie den Schlachter, E.F.] ������������������� gefenglich eingezogen hab[en] […] ambtshalber erinnert und freundlich gebeten haben, ihr wollet Euch mitt allem vleiß, wie solches euer ambt erfordert, […] darnach bemuehen. Erst jetzt sah sich der Rat veranlasst, Maßnahmen gegen Herling einzuleiten, da er seinerseits mit Reputationsschäden zu rechnen hatte. Herling wurde also, nachdem er wieder in die Stadt zurückgekehrt war, vom Rat gefangen genommen. Auch hier hatte es im Vorfeld wieder Hilfeleistungen von Strasburgern gegeben. Achim Erdmann, der Michael Herling ergriff, als er durch ein Loch in der Mauer in die Stadt hineinkriechen wollte, brachte ihn nicht vor den Rat, sondern schleuste ihn 14 ������������������������������������������������������������������������������������ Strasburg, Nr. 1021. Die folgenden Quellenzitate entstammen ebenfalls dieser unfoliierten Akte.

Transformationsprozess von der informellen zur formellen Sanktionsebene 95

an der Büttelei am Falkenberger Tor vorbei in die Stadt. Herling hielt sich in seinem eigenen Haus einige Zeit versteckt. Augenscheinlich war es hier zu keiner dauerhaften Stigmatisierung15 und Ausgrenzung Michael Herlings wegen des toten Bockes von 1590 gekommen. Anderenfalls hätte weder der Rat die Gefangennahme so lange verzögert noch hätten der Küster und andere Strasburger ihn unterstützt. Ursächlich für das vom Rat durchgeführte peinliche Gerichtsverfahren gegen Herling war also das hartnäckige Verhalten der adligen Nachbarn. Im Prozess wurde dann das Vorleben Michael Herlings erneut thematisiert und seine Verbrechen wurden belastend gegen ihn verwertet. Dies dürfte angesichts der Tatsache, dass nun mit dem peinlichen Verfahren dem Konfliktaustrag eine neue Qualität und größere Schärfe beigemessen wurde, eine zwangsläufige Vorgehensweise des Rates gewesen sein. Mit dem peinlichen Inquisitionsverfahren waren auf der gerichtlichen Ebene schlichtweg intensivere Maßnahmen intendiert.16 Vermutlich wurde Michael Herling wohl im Mai 1593 mit dem Strang gerichtet, da ein entsprechendes Urteil aus (Alt)Stettin existiert und zu etwaigen Strafmilderungen die Akten keine Auskunft geben. Während in beiden vorgestellten Sachverhalten anfänglich eher passives und restitutives Handeln des Rates deutlich wird, offenbart sich zugleich ein komplexes Netzwerk an Helfern und Verbündeten. Hierin einen Normendissens zu erblicken, führt an der frühneuzeitlichen Realität und Rechtsmentalität vorbei. Im Spannungsverhältnis zwischen Bürgerschutz einerseits und der territorialstaatlich auferlegten Pflicht, amtshalber gegen Verbrecher vorzugehen, andererseits scheint der Rat den Parteiwillen nach wie vor in den Vordergrund gestellt zu haben. Vielmehr wurde im Einzelfall austariert und ermessen, ob die formelle Sanktionsmaschine anlaufen sollte oder nicht. Verrechtlichung der Konflikte ersetzte individuelle oder gruppenbasierte Konfliktlösungen also keinesfalls, sondern verschob den Konfliktaustrag auf die obrigkeitliche Ebene mit den dort zu erwartenden härteren Strafen.17 Es werden sowohl konsensuales Ineinandergreifen als 15 ��������������������������������������������������������������������������������� Unter Stigmatisierung versteht man die Etikettierung von „Personen oder Personengruppen mit negativen Eigenschaften, die gewöhnlich dieser Spezies von Leuten zuerkannt werden“, indem man ihnen bestimmte Stereotype mit der „Tendenz zur Vereinfachung und Generalisierung“ zuweist, Roeck 1993, S. 11. 16 Dinges 2000, S. 515. 17 Dinges 1998, S. 182f.

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auch Wechselspiele formeller und informeller Sozialkontrollmechanismen18 greifbar, in denen sich Konfliktlösungsmodelle individueller, gesellschaftlicher und obrigkeitlicher Art zur Wiederherstellung des Stadtfriedens abwechseln konnten. Zugleich offenbart sich darin eine Mentalität erstaunlicher Toleranz gegenüber Abweichlern, die nicht zuletzt auf eine funktionierende informelle Schlichtung in Eigenregie hindeutet. Die gütliche Beilegung von Konflikten – bewusst mit dem Verzicht, obrigkeitliche Instanzen überhaupt einzubeziehen – war ein frühneuzeitliches, in ganz Europa verbreitetes Phänomen. Sogar in Großstädten wie Köln, Paris oder London war es gebräuchlich.19 Gleichwohl kennzeichneten derartige Mechanismen insbesondere ländliche, vorindustrielle Gemeinschaften, wie die Befunde in anderen Regionen zeigen.20 Sie wurden formellen Sanktionen durchaus vorgezogen.21 So prägte auch in Strasburg funktionierender Schadens- und Konfliktausgleich und deren rathäusliche Akzeptanz den Umgang mit Kriminalität im Untersuchungszeitraum. Anstrengungen der rathäuslichen Obrigkeit, die Anzeigewilligkeit der Strasburger zu forcieren, lassen sich nicht ablesen. Diese Tatsache kann für die Sanktionierung kriminellen Verhaltens in der Kleinstadt Strasburg als charakteristisch gewertet werden.

4.2. Tatort und Gerichtszugehörigkeit – die Konfliktteilnehmer Die sich in den Strasburger Akten widerspiegelnden Taten wurden primär von Strasburgern begangen oder aber auf dem Strasburger Gerichtsterritorium. Grundsätzlich galt das Ortsprinzip, das heißt dort, wo die Tat begangen wurde, wurde sie in der Regel auch formell sanktioniert.22 Dementsprechend forderten auswärtige Stadträte oder Gerichtsherrn Einwohner von Strasburg auf, sich vor ihren Gerichten zu verantworten, wenn die Tat außerhalb des Strasburger Gerichtsterritoriums begangen worden war.23 Dem entsprach der Strasburger Rat nicht immer, sondern 18 Hoffmann, C. A. 2000b, S. 578; Loetz 2000, S. 546ff. 19 Schubert 2007, S. 191; vgl. auch Schwerhoff 1999, S. 89f.; Dinges 2000, S. 513. 20 Wettmann-Jungblut 1990, S. 166; vgl. auch Frank 1995, S. 262; Dinges 2000, S. 513; Flüchter 2004, S. 158. 21 Sälter 2000, S. 22. 22 Strasburg, Nr. 975, Bl. 5f., 91f., 138; ebd., Nr. 976, Bl. 25, 94; ebd., Nr. 1097, Bl. 64f. 23 Ebd., Nr. 1097, Bl. 15.

Tatort und Gerichtszugehörigkeit – die Konfliktteilnehmer 97

zog Fälle mitunter an sich, indem er die Konfliktparteien vor seinem Gericht behielt. So geschah es im Kindsmord-Fall der Ehefrau von Thomas Lupelow, die beschuldigt wurde, ihr Neugeborenes auf Neubrandenburger Stadtgebiet getötet zu haben.24 Im Gegensatz dazu entsprach das Anklamer Gericht einem Auslieferungsbegehren Strasburgs nicht, mit der Folge, dass der Strasburger Rat den in Verdacht geratenen Brandstifter Matthias Bester vor dem Anklamer Stadtgericht verfolgen musste. Dass vor der rathäuslichen Sanktionsinstanz auch Gerichtsfremde verklagt wurden, ergibt sich aus den Urfehdebriefen und Kriminalakten. Idealiter weisen sie dann den Wohnort, den Beruf und den Geburtsort aus, wie bspw. Chim Salow […] scheffer zum hildebrantshag[en] von Zeidenick bortig25 oder Merten Stolp wonhafftig zu Daberkou26 (Daberkow im Herzogtum Mecklenburg). Die Strasburger Blutgerichtsbarkeit dürfte sich topografisch in erster Linie auf die drei städtischen Feldmarken erstreckt haben. Das legen die Formulierungen in den Stadtverweisen nahe.27 Über die Gründe, die auswärtige Gerichtsherren veranlassten, ihre Hintersassen entsprechend dem Ortsprinzip nach Strasburg „auszuliefern“ oder aber davon abzusehen, kann nur spekuliert werden. Auch darüber, wann der Strasburger Rat einen Missetäter aus seinem Gericht freigab und wann nicht. Dass der Rat hier einen Ermessensspielraum besaß, verdeutlicht der Fall Matthias Galow. Galow war in der Haft des auswärtigen Gerichtsherrn Georg von Blankenburg aufgrund der schlechten Haftbedingungen verstorben. Infolgedessen leitete seine Witwe gegenüber dem Rat von Strasburg einen Schadensersatzprozess ein, in dem sie dem Rat vorwarf, ihren Mann aus den Strasburgischen Gerichten freigegeben zu haben, obwohl er gewusst habe, wie unmenschlich Georg von Blankenburg mit seinen Gefangenen umging.28 Andere Gerichtsherren hätten ihre Un24 Das Neubrandenburger Stadtgericht nahm die Untersuchungen ex officio auf Geheiß des Landesherrn, Herzog Ulrich von Mecklenburg, auf und führte seine Klage schriftlich vor dem Strasburger Stadtgericht. 25 Strasburg, Nr. 975, Bl. 69. 26 Ebd., Bl. 61. 27 Die Stad Strasburgk und alle Ire 3 feltmark[en] […] nicht zu betreten, Strasburg, Nr. 976, Bl. 62; ähnlich Bl. 58, 61; ebd., Nr. 975, Bl. 90, 97. 28 Es hette Euch aber nicht geburen wollen Ihm [dem Georg von Blankenburg, E.F.] meinenn man also liederlichen zu ubergeben und folgen zu lassen weÿl Euch zuvor woll wissent wahr wie ubel er midt seÿnen gefangenen in gefengklicher hafft vorfare[n], Strasburg, Nr. 1020.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

tertanen deshalb nicht dem Blankenburg übergeben. Auch wenn bei der Interpretation derartiger Briefe vorsichtig vorgegangen werden muss, da sie – dem Zahlungsbegehren dienlich – übertrieben verfasst sein dürften, so ist doch bemerkenswert, dass der Rat wiederum Georg von Blankenburg in Anspruch nahm. Der Rat widersprach der Forderung der Witwe nicht, was ohne Entscheidungsspielraum denkbar gewesen wäre, sondern fungierte gewissermaßen als „Vertreter“ der Witwe. Für die Frage, wie Strasburger in ihrem Gemeinwesen mit Kriminalität umgingen, bedeutete der Umstand, dass Gerichtsinsassen an andere Untergerichte herausgegeben wurden, letztendlich, bei jeder einzelnen Person deren Gerichtszugehörigkeit separat zu bestimmen. Mit Hilfe der Schossregister29 war dies bei einem überwiegenden Teil der Personen möglich. Ließ sich die gesuchte Person über den vollständigen Vor- und Nachnamen im Strasburger Schossregister nicht ermitteln, so wurde auf den Familiennamen und damit auf das „ganze Haus“ zurückgegriffen.30 29 Der Schoss als direkte, regelmäßig eingezogene Steuer war in ganz Norddeutschland verbreitet und von Haushaltsvorständen zu leisten, unabhängig davon, ob sie Bürger oder Einwohner waren (Lorenzen-Schmidt  1980, S.  166; Hamelmann  2009, S. 41ff.). Der Terminus Schoss wird vom mittelniederdeutschen „schot“ abgeleitet und umschreibt das, was der Einzelne zur Bestreitung gemeinsamer städtischer Aufgaben „dazu schießt“, vgl. Art. „Schoß“ in: Grimm  15, insbesondere Sp.  1596f.; Hamelmann 2009, S. 41, Anm. 101. Schossbar waren in Strasburg z.T. auch Ratsmitglieder, Bürgermeister, der Richter und Geistliche, wobei dies nicht pauschal für alle galt. Dies widerspricht den Befunden anderer Städte (Lorenzen-Schmidt 1980, S. 166, 174; Gahlen 2001, S. 12; Hamelmann 2009, S. 44) und wäre eine eigene Untersuchung wert. Die Schossregister liegen für die Quartale Ostern 1568 bis Lucien 1581 (Strasburg, Nr. 143) sowie Ostern 1607 bis Lucien 1627 (ebd., Nr. 144) mit einigen Lücken vor. Es wurden hauptsächlich die Personennamen im Turnus von zwei Jahren (mitunter auch jährlich) erfasst. Vgl. den Schossregisterauszug auf Abb. 6, S. 266. 30 Die Familie stellte als Einheit verwandtschaftlich verbundener Menschen im 16. und 17. Jh. unter Einschluss des ledigen Hausgesindes als „ganzes Haus“ eine sozial bedeutende Gruppe dar, Dülmen  1990, S.  12f.; Beck/Henning  2004, S.  273; ENZ  4, Sp. 694f. Eine andere Auffassung vertrat Wolfgang Reinhard, der für den Untersuchungszeitraum bereits die „,Großfamilie‘ eines ,ganzen Hauses‘ mit zahlreichen Verwandten und Dienstboten […], wie sie bei der Aristokratie und manchen Großbauern vorkommen mochte […] zu Unrecht als Inbegriff der vormodernen Familie“ interpretierte (Reinhard 2001, S. 82; ähnlich ENZ 5, Sp. 216f.). Michael Mitterauer hingegen unterstrich, dass es für das 17. Jh. zu willkürlichen Abgrenzungen kommen

Tatort und Gerichtszugehörigkeit – die Konfliktteilnehmer 99

Bei allen auf diese Weise zugeordneten Personen gilt zu bedenken, dass die uns interessierende Person nicht mit dem überlieferten Haushaltsvorstand identisch sein muss, sondern es sich um den gleichnamigen im Haushalt lebenden Sohn, Vater, Neffen oder Onkel gehandelt haben könnte.31 Vor diesem Hintergrund kann das skizzierte Verfahren keine Exaktheit beanspruchen; es ist aber geeignet, über das „ganze Haus“ akzeptable Näherungswerte zu liefern. Immerhin ist die als soziale Gruppe agierende oder betroffene Familie – meist sogar im jeweiligen Viertel – greifbar. Ihr darf angesichts ihres hohen sozialen Stellenwertes in der Frühen Neuzeit das Verhalten der in den Kriminalakten überlieferten Person zugerechnet werden. Bei der Lokalisierung der Konflikteilnehmerinnen galt zu beachten, dass verheiratete Frauen den Namen ihres leiblichen Vaters behielten.32 Nur im Witwenstand sind Frauen in den Schossregistern mit dem Namen des verstorbenen Ehemannes überliefert. Verwitwete Täterinnen waren somit ohne Zweifel im jeweiligen Viertel lokalisierbar. War der Name des Gatten bekannt, wurde die vermüsse, wolle man das Gesinde, die Inleute oder entferntere, im Haushalt lebende Verwandte, unterschiedlichen Gruppen zuordnen. Es müsse deshalb das „ganze Haus“ zum „Gegenstand einer Untersuchung“ werden, „die sich mit Familienstrukturen im 17. Jahrhundert beschäftigt. Eine solche Auffassung steht auch durchaus in Einklang mit dem Sprachgebrauch unserer Quellen.“ (Mitterauer 1992, S. 159f.) Zur berechtigten Kritik am alten Konzept des „ganzen Hauses“, insbesondere in der von Brunner 1968, S. 111f., vertretenen Sichtweise Pröve 1999, S. 802, bes. Anm. 47. Pröve weist aber zu Recht darauf hin, „daß dieses Konstrukt für die lokalen Verwaltungsbehörden […] eine wichtige Rolle spielte“ (ebd.). Zum „ganzen Haus“ im ländlichen Bereich Schilling 1998, S. 59; zu Auflösungserscheinungen in größeren Städten ebd., S. 64f. Wenngleich der wissenschaftliche Begriff „ganzes Haus“ ideologisch problematisch ist, so scheint er doch zur Umschreibung der kleinstädtisch-ackerbürgerlichen Familien- und Haushaltsstrukturen Strasburgs geeignet. In den Strasburger Quellen wurden Knechte und Mägde explizit ihren Dienstherren zugeordnet, sodass angenommen werden darf, dass dem jeweiligen Hausvorstand das Verhalten des Haushaltsmitgliedes auch zugerechnet werden sollte. Ausdrücklich wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Begriff „ganzes Haus“ nachfolgend mit Bezug auf Pröve lediglich, die „Einheit von Arbeiten und Wohnen, von Wohnraum und Betriebsstätte“ umschreibt. „Im 'Haus' lebten und arbeiteten nicht nur die Familie des Hausbesitzers […], sondern auch betrieblich Angestellte, Hauspersonal oder weitere Verwandte.“ (Pröve  1999, S.  802). Vgl. auch Pröve 1997, S. 209f., und Schulze 1991, S. 69f., 75f. 31 Zur Problematik der Namensgleichheit vgl. Rüthing 1986, S. 33ff. 32 Strasburg, Nr. 931, Bl. 78; ebd., Nr. 976, Bl. 123; ebd., Nr. 1097, Bl. 2, 7ff., 23f., 55f.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

heiratete Frau dem Wohnort und Stadtviertel desselbigen zugeordnet. In den Sachverhalten, in denen der Ehepartner nicht ermittelt werden konnte oder in denen es sich um unverheiratete Frauen handelte, wurden die Frauen dem Haushaltsvorstand der Familie zugerechnet, deren Nachnamen sie führte. Da aber in den Schossregistern nur steuerzahlende Strasburger erfasst wurden, und ein unbestimmbarer Personenkreis aufgrund seines geringen Vermögens oder wegen sonstiger Gründe steuerbefreit war,33 konnte nicht davon ausgegangen werden, dass in den Registern fehlende Personen automatisch fremd waren. Um also die Herkunft der nicht in den Schossregistern erfassten Konfliktteilnehmer zu bestimmen, wären Kirchen- und Bürgerbücher als Parallelquellen hilfreich gewesen. Sie liegen jedoch für Strasburg für den Untersuchungszeitraum nicht vor.34 Die Lokalisierung der nicht im Schossregister erfassten oder explizit als Fremde bezeichneten Personen glich bisweilen einem Puzzlespiel. Anhand der Kriminalakten, Ratsprotokolle und vor allem der Urfehdebriefe wurde versucht, deren Gerichtszugehörigkeit zu bestimmen. Folgende Indizien sprachen für eine Strasburger Gerichtszugehörigkeit: Wenn in Urfehdebriefen das Dienstverhältnis (Anna Rulous. bey welcher ich ins dritte Jar gedinet35) oder der Beruf (B.[ürgermeister] Jurick[en] ochsenhirten36) überliefert sind bzw. der Rat mit meine gunstige herren angeredet wurde, galt dies als Indiz für eine Zugehörigkeit zur Strasburger Jurisdiktion. Ebenso, wenn Tatort- oder Zeitangaben (ein zeitlang hero unzucht getrieben)37 auf den Einwohnerstatus hinwiesen. Desgleichen deutete ein als Strafe verhängter Stadtverweis (diese Stad strasburg und alle Ire drey feltmarkn reumen38) darauf hin, da er primär gegen Personen ausgesprochen wurde, die als Bürger oder Einwohner ihren Wohnsitz in Strasburg hatten.39 Ein 33 Manchmal geben die Schossregister zu den Steuerbefreiungsgründen nähere Auskunft, wie bspw. zu Brandschäden, Baumaßnahmen oder Befreiungen wegen des vogels, Strasburg, Nr. 143, Bl. 98, 153, 157, 163. Letzteres dürfte ein Dispens für den Schützenkönig gewesen sein, vgl. Enders 2000d, S. 509; ähnlich auch Peters 2007, S. 276. Zu Gründen der Steuerbefreiung allgemein Gahlen 2001, S. 12. 34 Rachel 1939, S. 651; Themel 1986, S. 481. 35 Strasburg, Nr. 976, Bl. 35. 36 Ebd., Nr. 1099, Bl. 40. 37 Ebd., Nr. 975, Bl. 115; ähnlich ebd., Bl. 128. 38 Ebd., Bl. 98. 39 Vgl. hierzu Ebel [1938], S. 141; Ebel 1971, S. 285f., 362. Mitunter wurde aber auch Fremden (Strasburg, Nr. 975, Bl. 63f., 91f., 93) untersagt, die Stadt entweder zeitlich

Tatort und Gerichtszugehörigkeit – die Konfliktteilnehmer 101

weiteres Kriterium waren die Bürgen in den Urfehdebriefen.40 Sobald ausschließlich Schosspflichtige oder anderweitig nachweisbare Einwohner Strasburgs für den Täter bürgten, lag sicherlich eine gemeinsame Gerichtszugehörigkeit vor. Topografische Hinweise über den Verbleib des Diebesgutes (dieselbe mantel von Matteus Kerckhofen in Achim Rickn hause bey mir […] befunden41) gaben zusätzlich Aufschluss. Personen, die ehemals in Strasburg lebten, zum Zeitpunkt der Tat aber „ausgetreten“ waren, das heißt, die kommunale Gemeinschaft zur Durchführung ihrer Fehde verlassen hatten, wurden ebenso zu den Strasburgern gezählt, weil der Konflikt zu einem Zeitpunkt ausbrach, als der Täter noch zur Gemeinschaft gehörte. Gleichsam gilt: Als Stadtbewohner wurden diejenigen betrachtet, deren Volloder Familienname im Schossregister verzeichnet ist und bei denen aufgrund der Kriminalakten davon ausgegangen werden konnte, dass sie länger als ein Jahr42 in Strasburg lebten. Als Fremde galten diejenigen, deren anderweitiger Wohnort entweder überliefert ist oder aufgrund der Bürgenreihen erschließbar war. Von den 290 untersuchten Tätern43 kamen 70 % aus Strasburg,44 19 % waren Fremde und bei 10  % blieb die Herkunft unbekannt. Damit ist eine lokal beschränkte Kriminalität greifbar, zumal der überwiegende Teil der auswärtigen Täter im unmittelbaren Umland sesshaft war. Die aus Strasburg stammenden befristet oder zeitlebens wieder zu betreten, sodass zu diesem Kriterium mindestens ein weiteres hinzukommen musste. 40 Vgl. S. 197–200. 41 Strasburg, Nr. 975, Bl. 109. 42 Vgl. zu diesem Ansatz Schwerhoff 1991, S. 194. 43 ����������������������������������������������������������������������������������� Hier wurden ausschließlich Einzelpersonen berücksichtigt, das heißt, Wiederholungstäter wurden nur einmal erfasst. Die Zuordnung war dann schwierig, wenn die lokale Obrigkeit keinen Bezug zu früheren Taten herstellte, was lediglich bei 7 % der Täter der Fall war. Sobald Wohnort, Beruf, Verwandtschafts- oder Dienstverhältnisse in diesen Fällen keine Eindeutigkeit herstellten, wurde ein Zeitraum von 25 Jahren – mithin eine Generation – als Obergrenze gesetzt, um zu entscheiden, ob es sich um eine oder zwei Personen handelt. Die Obergrenze erreichten drei Personen in letztendlich neun fraglichen Fällen. Nicht quantifizierbare Tätergruppen, wie eine „Horde Landsknechte“ oder „Soldaten“ (zweimal im Bestand), wurden nicht als eine Einzelperson erfasst. Sie wurden zu den Tätergemeinschaften gezählt. Ferner sind keine Personen erfasst, bei denen sich der Tatverdacht nicht bestätigte oder deren Handeln explizit nicht als strafbar eingestuft wurde, bspw. bei einem Unfall. 44 Darüber hinaus kam 1 % vermutlich aus Strasburg.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Täter verteilten sich nahezu gleichmäßig über das gesamte Stadtgebiet, was darauf hindeutet, dass es keine signifikante Konzentration von Kriminalität in einem Viertel gab.45 Als Opfer wurden hier in erster Linie diejenigen in die Analyse einbezogen, die von einem oder mehreren Missetätern unmittelbar ein- oder mehrmals zu verschiedenen Zeitpunkten verletzt, beschimpft oder bestohlen worden waren. Dies waren in Strasburg 179 Einzelpersonen.46 Die Mehrheit der als Opfer zu bezeichnenden Einzelpersonen stammte aus Strasburg (63 %).47 25 % der Opfer waren Fremde und bei 8 % blieb die Herkunft unbekannt. Bei der Bewertung, in welchem Stadtviertel die Strasburger Opfer ansässig waren, deutet sich ein geringfügiges Übergewicht im Altstädter Viertel an, was angesichts einer unzureichenden Signifikanz nicht überbewertet werden darf und wenig aussagekräftig erscheint.48 Zählt man private Personengruppen gesondert hinzu, erhöht sich die Opferzahl auf 190. Ebenso wie bei den Tätern war die Kriminalität auf das unmittelbare Umland beschränkt. Da die Kriminalität nach Mecklenburg hineinreichte, wird die bereits angesprochene Nahmarktfunktion Strasburgs für das Hinterland sowohl nach Mecklenburg als auch Pommern und Brandenburg deutlich. Politische Grenzen spielten für den Aktionsradius der Menschen im Grenzgebiet um Strasburg eine untergeordnete Rolle. Die Strasburger und ihre Nachbarn waren nicht auf das Herrschaftsterritorium fixiert, dem sie politisch angehörten.

45 Vgl. Abb. 9 auf S. 268. 46 Das sind diejenigen, die unmittelbar von einem oder mehreren Missetäter(n) verletzt, bestohlen oder beschimpft worden sind. Hierbei wurden die in den Verhörprotokollen zusätzlich genannten Opfer nicht separiert, da es sowohl quantitativ als auch qualitativ zu einer Verzerrung auf der Opferseite gekommen wäre. Erstens liegen zu diesen Personen meistens keine weiteren Informationen vor, als dass sie vor etlichen Jahren Opfer wurden, und zweitens ist aufgrund der angewandten Tortur zu wenig über die Realdelinquenz bekannt. 47 Hinzukommen 4 %, die vermutlich in Strasburg sesshaft waren. 48 Vgl. Abb. 10 auf S. 268.

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 103

4.3. Gefährdete Güter49 – was wurde wann formell sanktioniert?50 Aus den 213 in die Analyse einbezogenen Sachverhalten wurden 275 Delikte separiert, die nachfolgend eigenständig betrachtet werden. Fehlende Gewissheit über die tatsächlichen normativen Grundlagen51 macht es schwierig, Deliktkategorien zu bestimmen, sodass die Einteilung der Taten „forscherische Willkür“52 darstellt. Gleichwohl kann auf eine gewisse Strukturierung nicht verzichtet werden, um einerseits die Vergleichbarkeit mit anderen Studien zur Historischen Kriminalitätsforschung zu ermöglichen und andererseits das Material zu systematisieren. So wurde für die nachfolgende Analyse die Deliktkategorisierung südwestdeutscher Urfehdeuntersuchungen,53 auch für Strasburg übernommen. Danach ergaben sich fünf Gruppen:54

49 Vorliegend wird ein weit gefasster Begriff von „Gut“ zugrunde gelegt. „Er bezieht sich auf den Gegenstand des Interesses, der sowohl materieller wie ideeller, ökonomischer wie politischer Art sein kann.“ (Mörke 1982, S. 147, Anm. 13). 50 ����������������������������������������������������������������������������������� Hier wurde in erster Linie die angezeigte Tat mit den dadurch verletzten Normen erfasst. Es wurden, analog zu den Opfern, keine in der Vergangenheit begangenen Delikte aus den Verhörprotokollen separiert, da keine Angaben über die Realdelinquenz möglich sind. So wäre es zu einer starken Überzeichnung gekommen. Ferner sind in Tätergruppen begangene Delikte nur dort zu eigenständigen Delikten aufgelöst worden, wo das Verhalten des Einzelnen explizit von der rathäuslichen Obrigkeit nicht der gesamten Gruppe zugerechnet wurde. Das generell in Tätergemeinschaft begangene Delikt Unzucht wurde als Sachverhalt jeweils nur einmal erfasst. 51 Schwerhoff 1991, S. 469ff. 52 Ebd., S. 469. 53 Blauert 2000, S. 94ff.; Aumüller 2003, S. 77ff.; ähnlich – unabhängig von Urfehden – die Einteilung bei Eibach 2003, S. 101. 54 Ausgeklammert wurden Anklagen, bei denen sich der Tatverdacht nicht bestätigte oder deren Handeln explizit als nicht strafbar eingestuft wurde, wie bspw. ein Unfall. Verdacht oder angeklagter Versuch eines Deliktes zählten dazu. Vgl. Abb. 8 auf S. 267.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

1. Vergehen und Verbrechen gegen Personen,55 wie Mord (einschließlich Kindsmord,56 Totschlag57 und Tod durch Folter58), Tumult,59 Straßen­raub,60 Körperverletzung,61 Notzuchtsversuch,62 verbale Injurien (Beleidigung mittels Scheltworte,63 Bedrohung64); insgesamt 45 % aller Delikte.

55 Gewalt war auch im spätmittelalterlichen Konstanz das häufigste Delikt, Schuster 2000b, S. 86; ein Überblick über die Befunde anderer Städte und Regionen in: Schwerhoff 1999, S. 113f. 56 Strasburg, Nr.  975, Bl.  16f.,  24f.,  57f.,  61f.,  101f.; ebd., Nr.  976, Bl.  38f.,  80f.; ebd., Nr. 1024. 57 Zur Trennung zwischen Mord und Totschlag siehe S. 113. 58 Strasburg, Nr. 1020. 59 Meist zusammen mit Körperverletzung, ebd., Nr. 975, Bl. 31, 69f., 141f.; ebd., Nr. 976, Bl. 90. 60 Ebd., Nr. 1097, Bl. 64f. 61 Ebd., Nr. 975, Bl. 29, 37ff., 113, 131, 137. „Körperverletzung“ ist die moderne Bezeichnung für „Verwundung“, „Vergewaltigung“ (vorgewaldiget und denselbigen hart und schwer wund geschlagen, ebd., Bl. 138) und „Schläge“ (gewaltsame thatten mit schlegen, ebd., Bl. 33). Im Zedler als Iniuria realis bezeichnet (Zedler 14, Sp. 707) taucht der Begriff „Körperverletzung“ wohl „erstmals im Bayerischen Strafrechtsbuch von 1813“ auf, zitiert nach Lorenz 2005, S. 158, Anm. 11; vgl. auch HRG 2, Sp. 1161f. Vergewaltigung besaß im frühneuzeitlichen Strasburg nicht die heute geläufige Konnotation als Zwang zu außerehelichem Geschlechtsverkehr gegenüber einer Frau (vgl. auch Kauffmann 1992, S. 1248), sondern meinte Gewalttätigkeiten, im Sinne von „widerrechtliche aufnöthigung des eigenen willens […] um einen andern wider dessen willen zu einem thun, unterlassen oder dulden zu bewegen. sie verwirklicht sich entweder durch körperkraft […] oder mittelst geistiger einwirkung, indem geistiger widerstand durch furcht vor unmittelbar drohendem übel überwunden wird“, Grimm  6, Sp.  5229; vgl. auch Grimm 25, Sp. 428f. Vergewaltigung im heutigen Verständnis wurde in den Quellen als Notzucht bezeichnet, Strasburg, Nr. 976, Bl. 29f.; vgl. auch Carolina, Art. 119. 62 Strasburg, Nr. 976, Bl. 29f. 63 Strasburg, Nr.  975, Bl.  82,  103; ebd., Nr.  976, Bl.  115; ebd., Nr.  1097, Bl.  7f.; ebd., Nr. 1098, Bl. 39. 64 Ebd., Nr. 1023.

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2. Vergehen und Verbrechen gegen das Eigentum, wie Diebstahl,65 Hehlerei,66 fehlerhaftes Gewerbe,67 Hausfriedensbruch,68 Sachbeschädigung,69 Grenz­ verletzungen;70 insgesamt 24 % aller Delikte. 3. Vergehen oder Verbrechen gegen die Moral, wie Unzucht (einschließlich Verdacht, außereheliche Schwangerschaft und Ehebruch),71 Ungehorsam gegenüber dem Ehemann,72 Verführung Minderjähriger;73 insgesamt 16 % aller Delikte. 4. Vergehen oder Verbrechen gegen die Obrigkeit oder die Allgemeinheit, wie Befehdung74 (einschließlich vorsätzliche Brandstiftung75 zu diesem Zweck), Drohworte zum Zweck der Befehdung,76 Körperverletzung gegenüber Ratsmitgliedern während ihrer Amtsausübung,77 Opposition der Bürgergemeinde,78 Scheltworte gegen den Rat79 oder seine Mitglieder, Diebstahl von Allmendegut,80 unerlaubte Beherbergung,81 unerlaubte Trauung,82 fahrlässige Brandstiftung;83 insgesamt 14 % aller Delikte. 65 Zur Unterscheidung zwischen großem und kleinen Diebstahl S.  132f. Gelegentlich schloss sich an den Diebstahl Hehlerei an, wie bspw. Strasburg, Nr. 976, Bl. 21ff.; zu Diebstahl vgl. ebd., Nr. 917; ebd., Nr. 931, Bl. 98; ebd., Nr. 975, Bl. 67f., 76, 78f., 83f.,  97f., 98f., 99f., 109f.; ebd., Nr. 976, Bl. 4, 58, 86; ebd., Nr. 1021. 66 Ebd., Nr. 976, Bl. 33f.; ebd., Nr. 1021. 67 BLHA Potsdam, Rep.  4A,  Sentenzenbücher, Nr.  25, Bl.  1069ff.; Strasburg, Nr.  975, Bl. 71, 73f. 68 Strasburg, Nr. 975, Bl. 136; ebd., Nr. 976, Bl. 119; ebd., Nr. 1098, Bl. 30. 69 Ebd., Nr. 976, Bl. 67f., 124. 70 Ebd., Nr. 1098, Bl. 53. 71 Ebd., Nr. 929; ebd., Nr. 931 Bl. 83, 91, 128ff.; ebd., Nr.  934; ebd., Nr 937; ebd., Nr. 975, Bl. 14f., 88, 90, 93. 72 Ebd., Bl. 35f. 73 Ebd., Bl. 85. 74 Ebd., Nr. 1023; ebd., Nr. 1025. 75 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 54, Bl. 383ff. 76 Strasburg, Nr. 934; ebd., Nr. 1099, Bl. 26ff. 77 Ebd., Nr. 1099, Bl. 26ff. 78 Ebd., Nr. 934. 79 Ebd., Nr. 975, Bl. 1f., 4, 7ff., 30, 32, 45, 102; ebd., Nr. 976, Bl. 23f.; ebd., Nr. 934. 80 Ebd., Nr. 975, Bl. 78; ebd., Nr. 976, Bl. 86, 117. 81 Ebd., Nr. 976, Bl. 106, 126. 82 Ebd., Nr. 975, Bl. 73. 83 Ebd., Nr. 1098, Bl. 59.

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5. Sonstige Vergehen oder Verbrechen; 1 % aller Delikte. Das in Strasburg am meisten zur Anzeige gebrachte Delikt war die Körperverletzung (einschließlich der gegen die Obrigkeit gerichteten insgesamt 26 %), gefolgt von Diebstahl (einschließlich der gegen die Obrigkeit gerichteten insgesamt 18 %), Verbalinjurien (einschließlich der gegen die Obrigkeit gerichteten insgesamt 17 %) und Unzucht (14 %). Gewalt, insbesondere Körperverletzungen gegen Privatpersonen wurde demnach am häufigsten angezeigt, und soll nachfolgend näher analysiert werden. 4.3.1. Körper und Ehre von Privatpersonen84

Die 123 untersuchten Gewalttaten85 wurden von 85 Strasburgern verübt, das sind 64 % der 132 nachweisbaren gewalttätigen Delinquenten, die zum Teil auch in Tätergemeinschaft agierten. Die Strasburger Gewalttäter gehörten primär der ansässigen Erwerbsschicht an (85 %). Lediglich 8 % konnten den Randgruppen zugeordnet werden und 4 % entstammten der Strasburger Oberschicht. Gewalt resultierte demnach nicht aus dem abweichenden Verhalten randständiger Bevölkerungsgruppen, sondern wurzelte mitten in der Gesellschaft.86 Überwiegend verletzten männliche Aggressoren (93 %) männliche Kontrahenten (71 % aller Gewaltopfer) physisch oder psychisch.87 Totschläge als äußerst schwere Gewalttaten waren unterrepräsentiert und gehörten nicht zum Strasburger Alltag oder wurden weniger formell sanktioniert. In 95 Gewaltdelikten waren der oder die Opfer Strasburger Herkunft (92 von insgesamt 132 Einzelopfern88). 83 % der Strasburger Gewaltopfer gehörten der 84 Zur Dominanz der Gewaltdelikte Burghartz  1990, S.  76; Schwerhoff  1991, S. 447f.; Schuster 2000b, S. 70f., 86; Behrisch 2005, S. 107ff.; Schubert 2007, S. 35ff. 85 54 % Körperverletzung; 24 % Scheltworte; 15 % Totschlag; 5 % Tumult; 2 % sonstige Gewalt. 86 Ähnlich der Befund in Köln, Schwerhoff 1991, S. 321; zu Görlitz: Behrisch 2005, S. 108. 87 ��������������������������������������������������������������������������������� Dass männliche Bürger nicht unbedingt Garanten für den Stadtfrieden waren, unterstreicht Eibach 2003, S. 212. 88 ����������������������������������������������������������������������������������� Acht Einzelpersonen stammten vermutlich aus Strasburg. Neben den verletzten Einzelpersonen gehören noch sechs Opfergruppen unspezifischer Konstellation zu den Angegriffenen. Dass die Zahl der Einzelopfer hier der Zahl der Gewalttäter entspricht, ist Zufall.

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ansässigen Erwerbsschicht an, 9 % der Oberschicht und 7 % den Randgruppen. Ca. zwei Drittel der Opfer waren männlich und ein Drittel gehörte dem weib­ lichen Geschlecht an; bei drei Personen ist das Geschlecht nicht überliefert. In 66 Gewaltfällen hatten Strasburger durch einen oder mehrere Strasburger Täter Gewalt erlitten. Demnach lag bei ca. der Hälfte aller Gewalttaten ein von Strasburgern untereinander ausgetragener Konflikt zugrunde. Da von Fremden ausgehende Gewalt nicht übermäßig angezeigt wurde, darf angenommen werden, dass die Strasburger durch Fremde nicht im besonderen Maße bedroht waren. Inwiefern die erschwerte Strafverfolgung gegenüber Fremden eine Rolle spielte, muss offen bleiben. Auf der anderen Seite schützte die gemeinsame Zugehörigkeit zum Strasburger Gemeinwesen offenbar nur bedingt davor, vor dem Rat angeklagt zu werden. Frauen waren auf der Täterseite unterrepräsentiert und gewalttätig agierten ausschließlich Strasburgerinnen (7 % aller Gewaltdelikte). In sechs Fällen beleidigten sie andere Personen; nur viermal wurden sie handgreiflich. Sämtliche physische Gewalt begingen die Strasburgerinnen gleichsam „im ganzen Haus“ und nicht in der Öffentlichkeit. Die niedrige weibliche Gewaltquote ist kein Strasburger Spezifikum, sondern auch anderenorts zu beobachten.89 Insgesamt darf das sich in den Akten widerspiegelnde weibliche Konfliktpotential in Strasburg eher als unbedeutend gewertet werden. Als Gewaltopfer hingegen waren Frauen stärker betroffen. 28 % aller Gewaltverbrechen richteten sich gegen das weibliche Geschlecht. Davon entfallen 8 % auf Opfergruppen, denen ebenso Männer angehörten; meist waren es Ehepaare. Hier ist die Strasburger Herkunft bei der Mehrzahl der Frauen (ca. 80 %) gesichert. Strasburgerinnen wurden überwiegend körperlich verletzt, verbal etwas weniger. Eine Frau starb durch die Hand eines Raubmörders und eine Frau konnte durch männliche Hilfe vor einer Notzucht (Vergewaltigung im heutigen Sprachgebrauch) bewahrt werden. In lediglich 3  % aller Gewalttaten, nämlich vier Verbalinjurien, übten Frauen gegeneinander Gewalt aus. Insgesamt gilt die Feststellung: Gewalt war in Strasburg kein Phänomen der Randgruppen oder der Obrigkeit gegenüber den Untertanen, sondern im Mitein-

89 Zu Basel Hagemann 1981, S. 161f.; für Zürich Burghartz 1990, S. 69f. Anders der Befund im spätmittelalterlichen Luzern, zitiert nach Burghartz 1990, S. 25, wo der Frauenanteil bei 41 % lag.

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ander der ansässigen Erwerbsschicht allgegenwärtig.90 Wenig ergiebig scheint es, die empirischen Befunde auf das „Prokrustesbett der Zivilisationstheorie“ zu spannen.91 Vielmehr ist nach dem sozialen Sinn und der sozialen Funktion von Gewalt92 zu fragen.93 Gewalt in Form der violentia94 war in der Frühen Neuzeit alltäglich. Der Begriff wurde in den rathäuslichen Quellen auch bereits im heutigen Verständnis von Gewalt95 gebraucht. Wenn bspw. Hans Hogel die Magd des Bürgermeisters Krupesack uf keiserlich freihen strasse geschlagen und also gewalt an Ir geubet96 oder Jürgen Wesenberg […] im freihen felde mutwilliger weise vorgewaldiget und geschlagen97 wurde, werden physische individuelle Gewalttätigkeiten evident.98 Über die Ursachen der Gewaltausbrüche wird häufig nur wenig mitgeteilt.99 In insgesamt 22 % der Gewaltdelikte deuten sich zwar Berufskontakte an, ob sie aber für den Konflikt kausal waren, muss offen bleiben. Tatsächliche Handlungszwänge und Motive bleiben meistens unklar. Man sei wegen etlicher Schulden in Unfrieden geraten,100 ein halbes Jahr habe der Knecht wegen des ausstehenden

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Ähnlich der Befund bei Reinle 2003, S. 339. Schwerhoff 1998, S. 604; vgl. auch Schwerhoff 1991, S. 312f.; Dinges 1998, S. 181ff., bes. S. 187; ähnlich Pröve 1999, S. 805; Zusammenfassung der Forschung bei Eibach 2003, S. 202–207; vgl. auch die knapppe Ablehnung bei Schubert 2007, S. 210. 92 Vgl. zum Gewaltbegriff Hansen 2004, S. 11ff. 93 Schwerhoff  1991, S.  267; Schwerhoff  1998, S.  584; Ulbrich/Jarzebowski/Hohkamp 2005, S. 12f.; Behrisch 2005, S. 108ff. 94 Violentia meint physisches oder psychisches Verletzen oder das Töten anderer Menschen ohne Recht und aus Muthwillen, da ist es eine straffbare Gewaltsamkeit, Zedler 10, Sp. 1377. Gewalt im Sinne von potestas besaß die Herrschaft oder Macht ausübende Obrigkeit; heist das Vermögen etwas auszurichten, entweder mit Fug und Recht, und alsdenn ist es eine rechtmäßige Gewalt, Zedler 10, Sp. 1377. Heute ist potestas unter anderem im Begriff „Gewaltenteilung“ präsent. Vgl. zur Unterscheidung Kormann 2005, S. 148; Lorenz 2005, S. 161f. 95 Anders Pröve 1999, S. 796. 96 Strasburg, Nr. 975, Bl. 86. 97 Ebd., Bl. 77. Zur Konnotation von „Vergewaltigung“ siehe Anm. 61 auf S. 104. 98 Vgl. auch Strasburg, Nr. 975, Bl. 80f., 86, 101ff., 112f., 138. 99 77 % der Akten geben dazu keine Auskunft. 100 Strasburg, Nr. 975, Bl. 112.

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 109

Lohns den Hass bereits in sich getragen,101 Uneinigkeit102 und Streit hätten die Schläge herbeigeführt oder man sei one alle gegebne ursache103 vorgegangen. Bei der Interpretation des letzteren ist jedoch Vorsicht geboten, insbesondere sofern diese Angaben, wie hier meistens, Urfehdebriefen entstammen. Hafturfehden stellen eine juristische Komprimierung des Sachverhaltes dar. Der innere Beweggrund des Täters dürfte hauptsächlich dann in die Akten eingeflossen sein, wenn er als eine Art Rechtfertigungsgrund104 die Strafzumessung beeinflusste. Mit Blick auf den eingangs beschriebenen Fall Drewes Henning, der in Notwehr handelte und dessen erlittene Schläge am Kopf im Urfehdebrief nicht auftauchen, darf die in den Urfehden benutzte pauschale Formulierung „ohne Ursache“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass beim Täter zweifellos persönliche Beweggründe vorgelegen haben. Sie bleiben aufgrund mangelnder Relevanz und der juristischen „Verminderung der Tatsachenmenge auf die professionelle Notwendig­keit“105 nur leider unerwähnt. Im Einklang mit anderen Untersuchungen zur historischen Kriminalität ist es wohl gerechtfertigt, das Überwiegen der gegen die persönliche Integrität gerichteten Taten in den Quellen als ein Spiegelbild der alltäglich vorherrschenden Gewalt zu betrachten.106 Insbesondere deshalb, weil in frühneuzeitlichen Gesellschaften ein gewisses Maß an Gewalt als legitim empfunden wurde. Das Züchtigungsrecht des Ehegatten, der Eltern, der Dienstherren, aber auch ritualisierte und symbolisierte Gewalt107 oder die Körper- und Todesstrafen der Obrigkeiten sind Ausdruck einer derartigen legitimen potestas.108 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen Gewalt als illegitim empfunden wurde. Nur solche Gewalt schlug sich als violentia in den Strafakten nieder, denn sie sollte formell geahndet werden.109 Hier gewinnen die Formulie101 Ebd., Nr. 1098, Bl. 37. 102 Ebd., Nr. 975, Bl. 129f. 103 Ebd., Bl. 86. 104 Vgl. Anm. 59 auf S. 27. 105 Gleixner 1994, S. 19. 106 Vgl. Reinle 2003, S. 340; Behrisch 2005, S. 107; vgl. zur Gewalt als Alltagsphänomen auch Eibach 2003, S. 287. 107 Dinges 1998, S. 178f.; Pröve 1999, S. 805. 108 Hansen 2004, S. 7; vgl. zum Aspekt der Ehren- und Schandstrafen, die zur Diffamierung des Verbrechers eingesetzt wurden, Schreiner  1999, S.  274–281; Schuster 1998, S. 59, 61; Dülmen 1999, S. 70ff. 109 Zedler 10, Sp. 1377ff.; Pröve 1999, S. 802f.; Hansen 2004, S. 8.

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rungen, wie „jemand sei über gebotenen Frieden“110 geschlagen worden oder „Claus Franke habe Achim Spiegelbergs Frau und Tochter angegriffen und vorgeweldiget das [… ihm, E.F.] nicht gebüret“111 an Bedeutung. Die Carolina, wie auch andere normative Quellen enthalten keine Tatbestände für Körperverletzung.112 Um nachfolgend also die von den Strasburgern als violentia empfundene Gewalt ermitteln zu können, wurden die Kriminalakten unter drei anhand der Literatur entwickelten Hauptgesichtspunkten analysiert: Erstens die Art der Gewaltausübung, zweitens das persönliche Verhältnis des Täters zum Opfer sowie drittens die Existenz von Gemeinschafts- und Mehrfachtätern. Die Art der Gewaltausübung

Als Gewalt wurden in der Frühen Neuzeit sowohl physische als auch psychische Angriffe gewertet. Entgegen unserer heutigen Vorstellung wurden Attacken gegen die Person mittels Worten ebenso zur Gewaltkriminalität gezählt wie Totschlag oder schwere Körperverletzung.113 Drei Viertel der hier untersuchten Gewaltdelikte waren tätlicher Art und ein Viertel wurde mittels Worten begangen. Physische Gewalt

93 der 123 Gewalttaten richteten sich unmittelbar physisch gegen den oder die Kontrahenten. Hierbei enthalten zwei Drittel der in Frage kommenden rathäus­ lichen Akten Informationen zu den benutzten Waffen. Sowohl Waffen (in 35 % der Fälle) als auch Schläge (24 % der Fälle) schienen bei der rathäuslichen Bewertung von tätlichen Angriffen eine besondere Rolle gespielt zu haben. Daneben waren weitere Kriterien, wie die Art der Waffen, Vorsatz, Ausmaß der Verletzung sowie Tatzeit und -ort von Belang. Hinsichtlich der Waffenart darf zwischen sogenannten „Zufallswaffen“114 und gezielt mitgeführten und als solche eingesetzten Waffen unterschieden werden. 110 111 112 113 114

Strasburg, Nr. 975, Bl. 37; ähnlich ebd., Nr. 976, Bl. 112. Ebd., Nr. 975, Bl. 103; ähnlich ebd., Bl. 79. HRG 2, Sp. 1161. Schwerhoff 1991, S. 270f. Ein von Lars Behrisch benutzter Terminus, Behrisch 2005, S. 130ff. Vorliegend werden unter Waffen all jene Gegenstände verstanden, die der Täter verwendet, „um seinem Gegner körperlichen Schaden zuzufügen“, LMA 8, Sp. 1893. Der Begriff „Zufallswaffen“ umschreibt die als Waffen einsetzbaren Gegenstände, die im unmittelba-

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 111

Die Verwendung von Zufallswaffen, im Sinne von spontan zu Waffen umfunktionierten alltäglichen Gebrauchsgegenständen, konnte strafmildernd wirken und dürfte auch auf der informellen Ebene eher noch einen Ausgleich ermöglicht haben, da zwischen vorsätzlicher (mutwilliger) Planung und Affekthandlungen unterschieden wurde. Im Nachhinein lässt sich nur selten ermitteln, um welche Waffenart es sich im jeweiligen Einzelfall handelte. So weist ein vom Schlachter als Tatwerkzeug benutztes Schlachtermesser nicht zwangsläufig auf einen Konflikt während dessen Arbeitszeit hin, wenn der Tatort nicht überliefert ist, da Handwerker in der Frühen Neuzeit ihre Werkzeuge durchaus auch in der Freizeit bei sich trugen.115 Eine auf dem Acker spontan als Todeswaffe eingesetzte Hacke,116 wurde auch von den Zeitgenossen als Zufallswaffe gewertet und flankierend mit der Reue des Täters strafmildernd gewürdigt.117 Eigens für die Tatausübung ausgeliehene Gewehre, gespannte Rohre sowie blanke Messer hingegen galten als besonders bedrohlich und wirkten zugleich straferschwerend. Derartige Tatwerkzeuge könnten auch dazu beigetragen haben, überzogene Gewalt als violentia anzuzeigen. In solchen Fällen formulierte der Stadtschreiber überwiegend, der Täter habe mutwillig große Gewalt verursacht. Mutwille umschreibt im frühneuzeitlichen Verständnis ein recht mit Fleiß geschehener Vorsatz, diese oder jene misshandlung zu vollbringen.118 So würde das Wort muthwillig nicht umsonst darzu gesetzet […] sintemahl die Missethaten, so nicht aus Muthwillen und vorbedächtlich geschehen, nicht mit dem Tode, sondern gemeiniglich entweder an dem Leibe, oder durch den Bann, oder Gefängniß, oder Geld=Buße, oder auf eine andere Weise […] bestraffet werden.119 In 53 % der in diesem Kontext analysierten Akten finden sich diesbezügliche Angaben, die vermuten lassen, dass die rathäusliche Sanktionsinstanz dem Schuldgrad strafzumes-

ren Tatumfeld während einer alltäglichen Beschäftigung vom Täter spontan zur Hand genommen werden können. 115 Schwerhoff 1991, S. 308; Loetz 2000, S. 548f. 116 Mit einer hackn ufm felde zu daberkou, Strasburg, Nr. 975, Bl. 61f. 117 Ebd. 118 Zedler 22, Sp. 1585f. 119 Ebd.

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sende Bedeutung zukommen ließ.120 So wurden Mutwille121 und Heimtücke122 ebenso wie Affekthandlungen123 hervorgehoben. Mit Mutwillen als einer „mit Vorbedacht“124 vorgenommenen Handlung agierten 46  % aller handgreiflich agierenden Täter. Infolge des Waffeneinsatzes und der Schläge erlitten die Opfer Körperverletzungen unterschiedlichen Ausmaßes. In 89 der 93 physisch verübten Gewaltverbrechen liegen Informationen zur Schwere der Verletzungen vor. Mitunter sind sie recht unspezifisch, wie bspw. das Opfer sei überwältigt125 oder geschlagen worden.126 Spezifizierte Formulierungen, wie zimlich hart127 verwundet oder geweldiglichen auf den mundt geschlag[en]128 weisen auf größere Wunden hin. Schwere Körperverletzungen erscheinen häufig präzisiert als Lähmungen,129 Blutergüsse130 und Kopfwunden.131 So lässt sich der Grad der Tatfolgen in Strasburg in drei große Gruppen unterteilen: Tod (19  % aller Personenschäden), schwere Körperverletzung (49  % aller Personenschäden) und unspezifizierte Wunden (27 % aller Personenschäden). Die Zufügung schwerer Körperverletzungen und die Tötung eines Menschen waren nach Carpzov132 peinlich zu sanktionierende Gewaltverbrechen. Was uns beim näheren Betrachten demnach als illegitim empfundene Gewalt in den rathäuslichen Akten überwiegend begegnet, sind schwere bis schwerste Normbrüche, die den Stadtfrieden stark gefährden konnten. Hierbei schließt sich die 120 Schuster 2000b, S. 87. 121 Daß ich vorsetzlicher und muetwilliger weise, ohne einige gegebene ursache, Strasburg, Nr. 976, Bl. 84, ähnlich Bl. 87; vgl. auch ebd., Nr. 975, Bl. 77, 86, 138. 122 Bewegelagertt, besondern hinterrucks, unvorantwortlich, ebd., Nr.  1097, Bl.  53; auf clegern gelauert, ebd., Nr. 1025. 123 Aus hastigem zornigen gemut, ebd., Nr. 975, Bl. 57; aus eiferigem gemute, ebd., Bl. 139. Vgl. zum Affekt Carolina, Art.  137; ferner Schaffstein  1984, S.  147ff.; Schubert 2007, S. 209. 124 Schaffstein 1984, S. 147. 125 Strasburg, Nr. 1018. 126 Ebd., Nr. 975, Bl. 134f.; ebd., Nr. 976, Bl. 16; ebd., Nr. 1099, Bl. 6. 127 Ebd., Nr. 975, Bl. 141; ähnlich ebd., Nr. 1097, Bl. 11. 128 Ebd., Nr. 975, Bl. 104. 129 An dreyen fingern lahm geschlagen, ebd., Bl. 34; ähnlich ebd., Nr. 976, Bl. 25. 130 Ebd., Nr. 1098, Bl. 38; ebd., Nr. 976, Bl. 91. 131 Ebd., Nr. 975, Bl. 75, 106f.; ebd., Nr. 976, Bl. 15, 18f.; ebd., Nr. 1099, Bl. 6f. 132 Carpzov 1638, S. 17f.

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 113

Frage an, ob geringere Gewaltverbrechen weitaus häufiger informell sanktioniert wurden oder aber ob sie von Ratsmitgliedern mündlich geschlichtet wurden. Nimmt man informelle und mündliche formelle Schlichtungen als wahrscheinlich an, so könnte man geneigt sein, die sich in den Akten spiegelnden Gewaltverbrechen als Spitze des Eisberges zu bezeichnen. Für diese Vermutung sprechen auch die bereits vorgestellten Transformationsmechanismen. Einer der schwersten Friedensbrüche war die Tötung eines Menschen, die sich in der Formulierung vom lebenn zum tode gepracht133 in den Akten niederschlug. In Ansehung des Falles wurde auch in der Frühen Neuzeit zwischen vorsätzlichem und heimtückischem Mord einerseits und Totschlag andererseits differenziert.134 Da in den Strasburger Akten und Urfehdebriefen mitunter explizit von Mord die Rede ist,135 spiegelt sich diese Unterscheidung auch hier wider. Im Gegensatz zu Totschlag war Mord unter anderem durch eine heimliche Begehungsweise, verwerfliche Motive des Täters sowie die Ermordung Wehrloser gekennzeichnet.136 Mord sei die „Tötung ohne Ehre“ gewesen.137 Die Tötung eines Menschen im offenen Kampf oder durch Affekthandlungen hingegen galten als weniger verwerflich, sodass in derartigen Fällen Sühneverträge und Bußleistungen, wie sie sich in den Urfehdebriefen niederschlagen, adäquate Mittel zur Wiederherstellung sowohl des familiären als auch städtischen Friedens waren. Im bearbeiteten Bestand sind für den Zeitraum von 1551 bis 1625 18 Tötungen (davon neun als Morde benannt) überliefert. Die geringe Präsenz der Tötungen verdeutlicht, dass sie nicht alltäglich waren.138 Den einzigen Totschlag, dem wahrscheinlich eine Todesstrafe folgte, verübte Johann Zilmer (ein Ortsfremder) gegenüber Achim Stade (ebenfalls ortsfremd). Zilmer hatte Stade den Kopf Ehntzwey gehauen.139 Der Strasburger Rat wurde hier vertretungsweise für den adligen Gerichtsherrn Achim von Glöden, Erbsasse 133 Strasburg, Nr. 975, Bl. 16; ähnlich ebd., Bl. 57, 91, 101. 134 Zu unterschiedlichen Straffolgen bei vorsätzlichem Mord und bei der Tötung eines Menschen siehe Carolina, Art.  137. Vgl. ferner Schubert  2007, S.  208–211; Schaffstein 1984, S. 147–150; Dülmen 1992, S. 256. 135 Strasburg, Nr. 975, Bl. 101f.; ebd. Nr. 976, Bl. 28, 38f., 80f. 136 Schubert 2007, S. 209f. 137 Ebd. 138 Eine hohe Zahl von Tötungsdelikten am Ende des 17. Jhs. verzeichnete Hahn 1989, S. 141f., 146. 139 Strasburg, Nr. 975, Bl. 26; siehe zu diesem Fall auch ebd. Bl. 24–28.

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auf Roggenhagen (ca. 15 km nordöstlich von Neubrandenburg) eingeschaltet. In diesem Fall scheinen die Sühneverhandlungen zwischen dem zuständigen adligen Gerichtsherrn, der Familie Stade und der Friedländer Familie des Täters gescheitert zu sein. Schließlich beraumte man wohl den Endlichen Rechtstag an, auf dem das Todesurteil vermutlich vollstreckt wurde.140 Der Fall weist auf die frühneuzeitliche Praxis hin, mittels Sühneverträgen einen Schadensausgleich für begangene Totschläge auszuhandeln – bevor zu einem förmlichen Gerichtsverfahren geschritten wurde.141 Es sind dies über die Urfehdebriefe hinausgehende spärliche Anhaltspunkte zu außergerichtlichen Ausgleichsbestrebungen, die leider aufgrund ihrer Dürftigkeit nur wenig Interpretationsspielraum geben. Erfolgreiche Bemühungen, sich in Sühne zu vertragen, lassen die betreffenden Urfehdebriefe, in denen sowohl Totschlag als auch Mord mit Haftentlassung und Sühnegeld abgegolten wurden, erkennen.142 Hierin läge – so Schwerhoff – „für eine lange Zeitspanne ein klarer Fall von Normendissens vor, der näherer Erforschung bedürfte“,143 da Mord und Totschläge den normativen Vorgaben entsprechend mit der Todesstrafe zu sanktionieren gewesen wären.144 Zum Tatort enthalten 60 der 93 tätlichen Gewaltdelikte Informationen, deren Auswertung die Gewaltwahrnehmung in Strasburg klarer herausstellen kann. So wurden 46 Gewaltverbrechen öffentlich und 14 im Haus begangen. Bei den innerhäuslich zugefügten Personenschäden überwiegen Totschläge (fünf ) und schwere Körperverletzungen (sechs). Das Ausmaß der innerhäuslich zugefügten Personenschäden weist hier auf eine überschrittene Toleranzschwelle hin, sodass weder die Betroffenen noch der Rat auf formelle, härtere Sanktionen verzichten konnten. Schwere häusliche Verbrechen, zumal wenn sie ungesühnt blieben, ge140 Ebd., Bl. 27f. 141 Hinweise zu Sühneverträgen auch für das 16. Jh. finden sich wiederholt in den Arbeiten von Heiner Lück: Lück  1997b, S.  230; Lück  1997c, S.  14; Lück  1998, S. 131, 142; Lück 1999, S. 85ff.; Lück 2003, S. 280. Vgl. ferner: Saal 1975, S. 223f.; HRG  5, Sp.  72–76; Rüster  1991, S.  88; Mommertz  1997, S.  299ff.; Blauert  2004, S.  173ff. Für den nichtsächsischen Rechtsbereich: Rieder  1891; Rieder  1892; Jänichen  1960, S.  129,  133f.; Brunner  1990, S.  63, Anm.  2; Rüthing  1986, S.  141f.; Schwerhoff  1992, S.  404; Hoffmann,  C.  A.  2000b, S.  567f.; Deutsch  2005, S.  124,  136,  141ff. Das Institut erwähnen kurz: Jerouschek 1992, S. 359; Bubach 2005, S. 398f.; Peters 2007, S. 249f. 142 Strasburg, Nr. 975, Bl. 11f.; 16f., 57f., 61f., 101f.; ebd., Nr. 976, Bl. 38f., 80f. 143 Schwerhoff 1992, S. 404. 144 Carolina, Art. 137.

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fährdeten den Stadtfrieden – dessen Wahrung und Wiederherstellung eine der primären Aufgaben des Rates war145 – nicht minder als öffentlich begangene Verbrechen. Diesen widmete der Rat unter bestimmten Voraussetzungen besondere Aufmerksamkeit, wie folgende Geschichte exemplarisch belegen mag. Der Scharfrichterknecht Achim Grundel, der vermutlich im Falkenberger Viertel ansässig war, wurde 1619 von seinem Mitgesellen Michael Heise auf der Gasse mit dem Degen angefallen. Heise fügte Grundel derart starke Verletzungen zu, dass er sehr schwach und kranck daran geworden.146 Was die Ursache des Konfliktes war, erfahren wir nicht, weil zu diesem Urfehdebrief keine weiteren Unterlagen überliefert sind. Dem Brief kann aber entnommen werden, dass es nicht Achim Grundel selbst war, der für die Strafverfolgung sorgte. Vielmehr war der Rat wegen solches an Ihn geübten großen verwirckung veranlasst worden, einzuschreiten. Verwirkung steht hier als Synonym für Missetat oder Verbrechen.147 Vielleicht war es bei dem gewaltigen Streit zu einem Menschenauflauf gekommen wie bei Drewes Henning.148 Dort hatte jedoch der Vater des Getöteten Anklage erhoben. Beim Scharfrichterknecht Achim Grundel hingegen war eine Klageerhebung wohl, da er und sein Kontrahent als Scharfrichterknechte den unvermögenden Randgruppen angehörten, nicht zu erwarten. Aufgrund dessen nahm der Rat seine Strafgewalt ex officio wahr.149 Eine über das Alltägliche hinausgehende Störung des innerstädtischen Stadtfriedens verdichtet mit einer fehlenden Bereitschaft der Kontrahenten, den Konflikt formell auszutragen, wird das Strafverfolgungsinteresse des Rates ausgelöst haben.150 Die rathäusliche Friedenssicherungspflicht und der wiederholt zu beobachtende Vorrang privater Konfliktlösungsmechanismen bildeten die Pole zwischen denen die städtische Obrigkeit dem normativ geforderten „öffentlichen Strafanspruch“ nachkommen musste. Das daraus resultierende Spannungsverhältnis zeigt sich am besten an Konflikten, die alteingesessene Strasburger Bürger untereinander austrugen. 145 Strasburg, Nr.  934; ebd., Nr.  965/1, Bl.  1; ebd., Nr.  1025; ebd., Nr.  1030; ebd., Nr. 1097, Bl. 22. Vgl. auch Burghartz 1989, S. 400; Dilcher 1998, S. 109; Ehbrecht  2000, S.  60; Lück  2003, S.  282; Schlögl  2004, S.  37; Blauert  2004, S. 179; Eibach 2005, S. 195ff. 146 Strasburg, Nr. 976, Bl. 114; auch für das folgende Zitat. 147 Vgl. dazu Grimm 25, Sp. 2294f. 148 Vgl. oben S. 26f. 149 Vgl. hierzu ausführlicher unten S. 176, bes. Anm. 90. 150 Vgl. hierzu Pröve 1999, S. 805.

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Im Frühjahr 1615 ertappte der Barbier Zacharias Möller, Sohn des Bürgermeisters Möller, Frau Rulwitz in seinem Garten.151 Die Frau hätte dort – so die Aussagen Möllers – Kälberkropf geschnitten, was Möller zu starkem Wutausbruch und Schlägen gegenüber der Frau veranlasste, soweit, dass sie fünf Wochen bettlägerig war, nicht sprechen konnte und gar übel zugerichtet war. Daraufhin klagte der Ehemann Valentin zusammen mit seinem Sohn, Martin Rulwitz, gegen Zacharias Möller. Letzterer wurde verpflichtet, Schadensersatz zu leisten, den er jedoch verweigerte. Dies forderte die Söhne Martin und Andreas Rulwitz heraus. Insbesondere der Leineweber Martin Rulwitz attackierte Möller mit Messer und Beil152 und fügte ihm Verletzungen zu, sodass er sich viele tage nicht richten und bogen können. Die ihm replizierte Gewalt klagte wiederum Möller ein. Während der Richter ihn beschied, sich bis zum Ende der Ernte zu gedulden, ging Möller, da er dieselbe Zeitt nicht abwartten, sond[ern] sein eigen Richter […] sein wollen,153 gegen Martin Rulwitz vor. Zacharias Möller lauerte Martin Rulwitz auf und schoss den hoch auf dem Erntewagen sitzenden Rulwitz ins Knie. Nun – vermutlich auch angesichts der in den Befragungen thematisierten Heimtücke Möllers154 – ließ der Rat den Barbier festsetzen. Die Inhaftnahme hätte Möller abwenden können, wenn er die von Vater Rulwitz (der Sohn war nicht verhandlungsfähig) geforderten Bürgen hätte beibringen können.155 Gefordert wurden zwei hochkarätige Bürgen – der Richter Caspar Lebbin und der Tuchmacher Leonhardt Binder als Ratsmitglieder. Beide Obrigkeiten verweigerten jedoch die Bürgschaft mit der Folge, dass Möller in Haft genommen wurde. Dies veranlasste Möller, den Land- und Hofrichter in Prenzlau einzuschalten. Damit hatte der Konflikt die Stadtmauer und so auch den innerstädtischen Rechtsbereich verlassen und der Rat war in sei-

151 Laut Aussage des Barbiers soll er umzäunt und damit befriedet gewesen sein. Nachfolgende Beschreibung und Quellenangaben beziehen sich auf die unfoliierte Akte Strasburg, Nr. 1025. In den artikulierten Zeugenbefragungen geht der Rat von z. T. nicht umzäuntem Gelände aus. 152 Mich deßwegen zu vielen unterschiedtlichen mahlen daß lebedt zu nemmen, nicht alleine feintlich bedrawet, ebd. Nr. 1025. 153 Zum Verbot des Grundsatzes „sein eigener Richter sein zu wollen“ Reinle  2003, S. 346f. 154 Vgl. zu diesem Aspekt Eibach 2005, S. 193. 155 Vgl. dazu auch unten S. 177f.

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nen Gerichtsrechten verletzt worden. Insgesamt wurde – wie bereits gezeigt wurde156 – die obrigkeitliche Gerichtsgewalt nun aktiver.157 Von Interesse ist hier das Spannungsverhältnis zwischen bürgerlichen, durchaus obrigkeitlich akzeptierten, Individualkonfliktlösungen und rathäuslichen – vorliegend zum Teil gescheiterten – Ausgleichsbemühungen. Die angerufene rathäusliche und richterliche Obrigkeit tritt anfänglich als Schlichter und Versöhner mit geringem Strafverfolgungsinteresse158 hervor, die sich nicht aktiv oder gar punitiv in den Konflikt der stadtbürgerlichen Kontrahenten einschaltete. Ihr Verhalten als Schlichtungsinstanz kann eher als traditionelle spätmittelalterliche Friedenswahrung gewertet werden. Hierbei sah der Rat seine primäre Aufgabe darin, Rache- und Fehdehandlungen unter den verfeindeten Familien zu verhindern. Der Richter möge, da er sein geldt empfang[en] […] [habe, E.F.] helff[en] d[ass] sie vertrag[en] wurd[en],159 war noch 1629 die Sichtweise einer Konfliktpartei. Sie spiegelt die Strasburger formelle Sanktionspraxis, ausgleichend und konsensual den Frieden wiederherzustellen, wider. Psychische Gewalt

Gewalt durch Worte bildeten nach der Körperverletzung in Strasburg die zweitstärkste Gruppe innerhalb der Gewalttaten.160 Verbale Gewalt zielte auf die Ehrverletzung und galt als besonders verwerflich. So „stelle die Ehrabschneidung eine schlimmere Sünde dar als der Diebstahl“, weil „ein guter Ruf besser sei als viele Reichtümer“.161 In einem Drittel der Gewaltdelikte kam es zu Angriffen mittels

156 Vgl. dazu oben S. 79f. 157 Letztendlich beschied die Juristenfakultät Frankfurt an der Oder sowohl Möller als auch Rulwitz hätten jeweils dem anderen 200 märkische Gulden als Schadensersatz zu leisten und Zacharias Möller solle drei Monate mit Gefängnishaft bestraft werden. Der gegenseitige Schadensausgleich bereitete im Nachgang weitere Schwierigkeiten, die hier nachrangig sind. Von Belang ist vielmehr die Interaktion der Beteiligten, sowohl der Konfliktparteien als auch der Obrigkeit. 158 Ähnlich der Befund in Görlitz, vgl. Behrisch 2005, S. 116. 159 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 38. 160 Hierunter wurden nur die Verbalinjurien zwischen Privatpersonen subsumiert. Scheltworte gegen die Obrigkeit wurden als Taten gegen die Herrschaft gesondert erfasst. Vgl. S. 156f. 161 Schwerhoff 1991, S. 271 mit Bezug auf Thomas von Aquin; auf den hohen Wert der Ehre weist Dülmen 1999, S. 3f.; vgl. auch Behrisch 2005, S. 112.

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Worten, die überwiegend von männlichen Strasburgern gegenüber Strasburgern begangen wurden. Der Tatort der angezeigten Ehrverletzungen162 war die Öffentlichkeit,163 sowohl räumlich als auch zeitlich.164 Beliebt war die Bürgerversammlung,165 aber auch die offene Straße,166 weil hier der mit der Tat verfolgte größtmögliche Effekt erzielt werden konnte. So forderte Achim Kröger, ein in Pasewalk geborener Schneidergeselle, den Schneider Asmus Bathe mit geladenem Gewehr vor der Tür stehend aus dem Haus heraus und beleidigte ihn mit verächtlichen Worten.167 Angesichts fehlender Unterlagen bleibt unklar, ob die Ursache des Konflikts im gemeinsamen Handwerk begründet lag oder nicht. Das Herausfordern aus dem Haus jedenfalls darf als Ehrangriff par excellence gewertet werden.168 162 Ehre wird „als ein Medium verstanden, durch das soziale Wertschätzung zugeteilt oder entzogen und so die soziale Reputation einer Person innerhalb der Gemeinschaft festgelegt wird. […] Dabei war die Stellung des einzelnen auf dem gesellschaftlichen Achtungsmarkt entscheidend für seinen Handlungsspielraum innerhalb einer Gesellschaft. Sie sicherte den Zugang zu materiellen und sozialen Hilfeleistungen informeller Beziehungsnetze oder Institutionen sozialer und ökonomischer Zusammenarbeit.“ (Backmann/Künast 1998, S. 15). Vgl. zum Begriff auch Fuchs 1999, S. 12ff.; Schreiner 1999, S. 263f.; zu den Definitionsschwierigkeiten Schwerhoff 1993, S. 182f.; Schuster 1998, S. 41, 65. 163 „Öffentliche“ Räume waren „für verschiedene soziale Gruppen zugänglich […] und [trugen] nicht-exklusiven und nichtprivaten Charakter“. Andererseits waren sie Kommunikationsforen und insoweit profiliert als in ihnen „Meinungsbildungsprozesse betrieben wurden, Verhandlungen stattfanden und Entscheidungen getroffen wurden, die für eine größere Anzahl von Menschen relevant und von Interesse waren“, Schwerhoff  2004, S.  117f. Zum konstitutiven Element „Öffentlichkeit“ bei Beschimpfungen Dülmen 1999, S. 6. 164 Für Frankfurt am Main weist Eibach 2003, S. 225, auch auf die häusliche Sphäre hin, aus der heraus Ehrverletzungen vor die rathäusliche Sanktionsinstanz getragen wurden. 165 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 37. Die Bürgerversammlung und der Marktplatz stellten „öffentliche“ Räume par excellence dar. 166 Ebd., Nr. 975, Bl. 44, 45, 81f., 86; ebd., Nr. 976, Bl. 124; ebd., Nr. 1098, Bl. 39. Vgl. zur Bedeutung der Öffentlichkeit als Initialzündung für eine Strafverfolgung Pröve 1999, S. 803; vgl. zu diesem Aspekt auch Eibach 2003, S. 209. Öffentlichkeit meint hier Handeln „vor Dritten“ an einem exponierten Ort. 167 Strasburg, Nr. 976, Bl. 115. 168 Kramer 1956, S. 125; Schwerhoff 1991, S. 318f.; Schwerhoff 1999, S. 122; zum Zwang der Zeitgenossen, unabhängig ihrer gesellschaftlichen Position, sich gegen

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Als besonders wirkungsvolle Verbalinjurien galten Beschimpfungen als Schelm,169 Dieb170 und Hure.171 Mit ihnen traf man den Kontrahenten empfindlich. Beleidigungen wurden schichtübergreifend benutzt, ebenso wie Verleumdungen mit groben wortten.172 Etliche Male benutzten Strasburger beschwerliche ehrenrurige worte,173 um ihre Kontrahenten zu verletzten. Darin standen die Frauen den Männern qualitativ nicht nach. Mitunter schalten sich Frauen gegenseitig174 und bezichtigten sich darüber hinaus des Diebstahls.175 Ein typisches, geschlechtsunabhängiges Deliktbündel bildete in Strasburg die Körperverletzung kombiniert mit Scheltworten.176 Als 1629 die Frau des Ochsenhirten Schulze sich über Jürgen Gerdes beklagte, er habe sie ungefhe[r] fur 10 tagen geschlag[en] undt fu[r] ein diebstuck und hore gescholten,177 wird eine klassische Konstellation aus Diebstahlsbezichtigung sowie Körper- und Ehrverletzung greifbar.178 Auf die Frage Jürgen Gerdes’, wo die Frau die halbe Gerstengarbe, welche sie ihrem Schwein verfüttert habe, hergeholt hätte, antwortete die Frau: sie Scheltworte wehren zu müssen – „notfalls mit Gewalt“ – Kümin 2005, S. 133. 169 Schelm umschrieb als starkes Schimpfwort Diffamierungen, wie „verworfener mensch, betrüger, dieb, verführer, verräter“ oder „schurke“, Grimm 14, Sp. 2507. 170 Hiermit sollte der Kontrahent „als ehrlose Person, die das Eigentum anderer nicht achtete und daher aus der Gesellschaft auszustoßen war und hingerichtet werden konnte“, diffamiert werden (Burghartz  1990, S.  127, vgl. auch ebd., S.  129); vgl. auch Frank 1995, S. 266; Fuchs 1999, S. 41, 77. 171 Die Beschimpfung als „Hure“ – auch von Frauen gegen Frauen verwendet – bezog sich in erster Linie auf sexuelle Devianz und ihre semantische Verbindung mit der Ehe- und Sexualordnung der Zeit, Burghartz  1990, S.  130f.; Dülmen  1999, S.  9; Eibach 2003, S. 230; vgl. auch Günther 2000, S. 146. In Strasburg richtete sich diese Beschimpfung sowohl gegen verheiratete Frauen, Witwen als auch die eigene Mutter. 172 Strasburg, Nr. 976, Bl. 115. Indem der Stadtschreiber es unterließ, die tatsächlich gesprochenen Worte niederzuschreiben, wird einerseits ein gewisses Schamgefühl erkennbar, auf der anderen Seite aber auch deutlich, dass der wahre Inhalt für den verschriftlichten Vorgang juristisch belanglos war. Für die weitere Bewertung des Falles genügte die Feststellung, dass eine ehrverletzende empfindliche Verbalattacke erfolgt war. Vgl. Scheutz 2001, S. 71f. 173 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 7. 174 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 39; ebd., Nr. 1099, Bl. 33. 175 Ebd., Nr. 1098, Bl. 53, 57; ebd., Nr. 1099, Bl. 47. 176 Ebd., Nr. 976, Bl. 29f.; ebd., Nr. 1099, Bl. 6f., 26ff., 48. 177 Ebd., Bl. 48. Auch für die folgenden Zitate zu diesem Sachverhalt. 178 Ebd.; vgl. auch ebd., Bl. 29, 40, 47; ebd., Nr. 1098, Bl. 57.

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hette sie auf dem felde geholet. Woraufhin sie ihn sonst[en] mit unnutzen beschwerlich[en] worten uberfhare[n] habe, sodass er bewogen worden sei, sie zu schlagen. Im Einklang mit Parallelbeispielen gewinnt man hier den Eindruck, als sei der Diebstahlsvorwurf ein Vorwand gewesen, um länger währende Spannungen abzubauen.179 Aufgestauter Hass entlud sich bspw. zwischen Leonhardt Binder und Martin Langeheine.180 Am Pfingstmontag des Jahres 1625 ging Martin Langeheine früh um sieben nicht zur Kirche, sondern vielmehr volltrunken mit einem geliehenen Gewehr durch die Stadt. Mit seinem Schwert hatte er dem Hahn, der Leonhardt Binder gehörte, zwei Klauen abgeschlagen, und er war nun willens, Leonhardt Binder samt Hund anzugreifen. Während das Verhalten Martin Langeheines befremdlich wirkt, überliefern die Aussagen der Kontrahenten ein differenziertes Bild. Langeheine war durch vorhergegangene Scheltworte Leonhardt Binders zu diesem Handeln veranlasst worden. Darauf berief er sich vor dem Rat erfolgreich. Es gelang ihm offensichtlich auch, dies zu beweisen. Jedenfalls wurde seine Rechtfertigung vom Rat als solche akzeptiert, sodass beide innerhalb von zwei Wochen christlich ausgesöhnt181 und Martin Langeheine mittels Urfehdeeid aus dem Gefängnis entlassen werden konnte.182 Solle sich derartiger muthwill[en] hingegen wiederholen, so sei Langeheine verpflichtet, 28 Taler Strafe zu zahlen,183 was für einen Strasburger eine stattliche Summe darstellte. Da in den Akten häufig ältere, länger schwelende Konflikte, wie verübte Diebstähle, Körper- oder Ehrverletzungen auftauchen, entsteht der Eindruck, als sei mit den in den Akten überlieferten Injurienklagen lediglich die Spitze des Eisberges an Ehrverletzungen in Strasburg erfasst. Ehre war als „hohes Gut“184 in der Frühen Neuzeit besonders schützenswert.185 Auf verbale oder symbolhafte186 Beleidigungen musste eine eindeutige Antwort folgen, da sie ansonsten als Schuld-

179 Vgl. hierzu Schwerhoff 1991, S. 311f., 315f. 180 Für den nachfolgenden Sachverhalt Strasburg, Nr. 976, Bl. 124; ebd., Nr. 1098, Bl. 39. 181 Ebd., Nr. 1098, Bl. 39. 182 Ebd., Nr. 976, Bl. 124. 183 Ebd. 184 HRG 2008, Sp. 1227; Kümin 2005, S. 134. 185 Burghartz 1990, S. 125–134; Schreiner 1999, S. 266, mit weiteren Literaturhinweisen; Eibach 2003, S. 207; Behrisch 2005, S. 112–116. 186 Vgl. dazu S. 87.

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oder Tatsacheneingeständnis gewertet wurden.187 Beleidigungen vermochten den sozialen Status des Bescholtenen zu mindern oder zumindest zu gefährden. Erst wenn auf der informellen Ebene der Ehrangriff nicht abgewehrt werden konnte, war ein Gang zum Gericht unvermeidlich.188 Regelmäßig bemühte sich der Rat, von den Parteien den Beweis erbringen zu lassen, wer die Ursache für den Konflikt gesetzt hatte.189 In keinem Fall der Verbalinjurien nahm der Rat eigenständige Untersuchungen auf.190 Der Beweis war von den Parteien selbst zu erbringen und in einem guten Drittel wurde über die Anzeigen hinaus nichts weiter vorgenommen.191 Hier darf wohl zudem bei einer Reihe von Fällen – vorbehaltlich eventueller Überlieferungslücken – letztendlich eine informelle Konfliktbereinigung vermutet werden. In den Fällen, in denen eine formelle Einigung unvermeidlich war, folgte nach erfolgreichem Abschluss der Güteverhandlungen in der Regel eine Abbitte des Konfliktauslösers oder beider Parteien.192 Letzteres kleidete der Rat in folgende Worte: Nach diesem [Beweis, E.F.] sindt diese beide theile güttlich und Christlich miteinander mit handt gegebener trewe versöhnet und vertragen, und haben sich dahin erklerret, d[ass] einer vor dem andern nichts böses wißen, und wollen ein des andern sein bestes wiß[en] wo aber einer dieser sach wurde gedenck[en] d[er] soll 3 th[a]l[e]r straffe einen E[h]rb[aren] Rathe zugeb[en] schuldigk sein.193 Mit einer Abbitte in Form einer öffentlich erklärten Entschuldigung, man wisse vom anderen nicht anders als ehr und gutt,194 gelegentlich kombiniert mit einer Erklärung, man werde künftig friedlich miteinander umgehen, konnte die Ehre des

187 188 189 190 191

Reinle 2007, S. 101. Behrisch 2005, S. 114ff. Strasburg, Nr. 1098, Bl. 39, 41, 56; ebd., Nr. 1099, Bl. 29, 33, 37, 47, 49. Zur passiven Rolle des Rates in Ehrendelikten Schuster 2000b, S. 101. Zur großen Anzahl von Anzeigen, die vom Gericht nicht weiter verfolgt wurden Dinges 2000, S. 503f., 542. 192 Vgl. hierzu Hoffmann, C. A. 2000b, S. 571f. 193 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 56; ähnlich ebd., Nr. 975, Bl. 82. 194 Ebd., Nr. 1098, Bl. 39.

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anderen rathäuslich-formell wiederhergestellt werden.195 Auf der informellen Ebene dürfte das Prozedere nicht wesentlich anders verlaufen sein.196 Täter-Opfer-Verhältnis

Bei der Analyse des Täter-Opfer-Verhältnisses aller Gewalttaten fällt zunächst die namentliche Nennung aller Täter in den Akten auf. Das heißt, die Opfer waren mit den Tätern bekannt oder man kannte sie in Strasburg.197 Nachfolgend soll weniger die bereits angesprochene Majorität der innerstädtischen männlichen Gewaltverbrechen interessieren als vielmehr Ausnahmekonstellationen, wie innerhäusliche und nachbarschaftliche Gewalt. Sie versprechen nähere Informationen bezüglich der auf der gesellschaftlichen Ebene wirkenden Mechanismen, die wiederum Rückschlüsse auf das kleinstädtische Miteinander zulassen. Das formelle Sanktionsinteresse gegenüber Mitgliedern des „ganzen Hauses“ war marginal. Häusliche Gewalt zwischen Familienmitgliedern oder Dienstpersonen zu anderen Haushaltsmitgliedern kamen in nur acht von 123 angezeigten Gewalttaten vor.198 Sie betrafen Gewaltausbrüche gegen Eltern, Schwestern, eigene Kinder oder gegenüber dem Dienstherrn wegen ausstehenden Lohns. Die geringe Anzeige innerhäuslicher Gewaltanwendung deutet auf eine höhere Dunkelziffer hin.199 Vielleicht war hierfür aber auch eine größere Zurückhaltung des Rates ursächlich, die aus einer als unzulässig empfundenen Einmischung in den Hausfrieden resultieren mochte.200 In der Sphäre des „ganzen Hauses“ dürften 195 Behrisch 2005, S. 113; vgl. auch Schreiner 1999, S. 272f. 196 Vgl. Loetz 2000, S. 550. 197 Vgl. Behrisch 2005, S. 118. 198 Strasburg, Nr. 976, Bl. 17, 111; ebd., Nr. 1098, Bl. 37; ebd., Nr. 1099, Bl. 6. Zur häuslichen Gewalt zählen vorliegend auch zwei Kindsmorde (ebd., Nr. 976, Bl. 102ff.; ebd., Nr. 1024). Sie spielen bei der Frage nach dem Täter-Opfer-Verhältnis eher eine untergeordnete Rolle. Sie standen aber im besonderen Interesse der frühneuzeitlichen Obrigkeit. Unter Kindsmord wird „die Tötung eines Neugeborenen in oder unmittelbar nach der Geburt, im Normalfall durch die ledige Mutter“ (infanticidium) verstanden (Ulbricht 1993, S. 58); vgl. auch ENZ 6, Sp. 568. Die Carolina (Art. 131) sah für den Kindsmord grausame Todesstrafen vor, wie das Lebendigbegraben und Pfählen, alternativ das Ertränken. Wie die zwei Strasburger Frauen gerichtet wurden, lassen die Akten offen. Die Seltenheit der Kindsmordfälle ist im Vergleich zu anderen Städten nicht überraschend (Schwerhoff 1991, S. 410). 199 Schwerhoff 1991, S. 310; Eibach 2003, S. 280. 200 Vgl. Schuster 2000b, S. 161.

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informelle Sanktionen als Reaktion auf Gewalttaten sehr viel stärker verbreitet gewesen sein als bei Hausfremden. Diese Annahme wird durch das Verhalten der Eltern eines inhaftierten gewalttätigen Sohnes gestärkt.201 Andreas Lindthorst hatte 1596 in Abwesenheit seines Vaters das Haus seiner Eltern gestürmt, seine Mutter attackiert und mit großen Steinen zwei Tafeln Fensterglas zerschlagen.202 Wegen der öffentlich verübten Gewalt sah sich der Rat veranlasst, den jungen Mann gefangen zu nehmen. Durch Fürbitte seiner Eltern und in Anbetracht seiner Jugend wurde von einer schweren Leib- und Lebensstrafe abgesehen. Im gleichen Jahr hatte er aber bereits203 wegen Vergewaltigungsversuchs vor Gericht gestanden und zudem den Retter der Frau beschimpft und versucht, ihn mit einem Messer zu stechen. Aufgrund beider Taten musste er binnen vierzehn Tagen die Stadt für zwei Jahre verlassen.204 Dass er 1599 wieder in Strasburg lebte und wiederholt kriminell handelte, wird noch an anderer Stelle näher zu beleuchten sein.205 Ebenso gering wie innerhäusliche Konflikte schlugen sich nachbarschaftliche Spannungen206 mit kriminellem Bezug in den rathäuslichen Akten nieder; mit ihnen war die obrigkeitliche Sanktionsinstanz lediglich dreimal befasst.207 1625 löste ein Grenzstreit zwischen Achim Erdmann und Jacob Schmidt einen verbalen Schlagabtausch aus, in dem sich beide Parteien gegenseitig schalten und Rechtsnormbrüche vorwarfen. So beschuldigte Jacob Schmidt seinen Nachbarn Achim Erdmann, er hätte als ein leichttferttiger schelm die Stadt angestecket und Erdmann replizierte zusammen mit seiner Ehefrau, Jacob Schmidt sei ein schelm und […] dieb […] d[er] werth wehre d[ass] er im galgen verdortte.208 Ausgelöst wurden die verbalen Attacken durch einen zu befürchtenden materiellen Schaden für Jacob Schmidt, weil Achim Erdmann nicht auf der gemeinsamen Grenze 201 Strasburg, Nr. 976, Bl. 31f.; ähnlich ebd., Bl. 111. 202 Ebd., Bl. 31f. Zum dörflichen Rügegebrauch des Fenstereinschlagens als Verhaltenskritik am Hauseigentümer Frank 1995, S. 263. 203 Nu zum and[ere]n mahle, Strasburg, Nr. 976, Bl. 31. 204 Ebd., Bl. 29f. 205 Vgl. unten S. 155f. 206 Neben der Familie war die „zweifellos wichtigste familienübergreifende Gruppe“ die Nachbarschaft. Sie besaß in vormodernen Gesellschaften einen hohen sozialen Stellenwert ( Jütte 1991, S. 251f.); vgl. auch Schedensack 1997, S. 649f. 207 Strasburg, Nr. 975, Bl. 61f., 136; ebd., Nr. 1098, Bl. 53. 208 Ebd., Nr. 1098, Bl. 53.

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seinen Zaun errichtet habe, sondern auf dem Territorium des Nachbarn Schmidt. Offensichtlich war man hier informell nicht in der Lage, die tatsächliche Grenze zu rekonstruieren, mit der Folge, dass eine rathäusliche Kommission zur Besichtigung eingesetzt wurde. Darüber hinaus waren beide Konfliktparteien verpflichtet, die Scheltworte zu beweisen und bei Vermeidung einer Strafe von sechs Talern Frieden zu halten. In solchen nachbarschaftlichen Konflikten standen sich – worauf Gerd Schwerhoff zu Recht hinweist – keine unbekannten Widersacher gegenüber. Vielmehr handelte es sich um Alteingesessene, bei denen sich vermutlich über längere Zeit Spannungen entwickelt hatten. Wie der Autor anhand der Kölner Quellen beobachtete, scheinen die Menschen im 16.  Jh. „keine hinreichenden Vermeidungsstrategien“ besessen zu haben, „um unliebsamen Zeitgenossen aus dem Weg zu gehen.“209 Was den Menschen in der Handelsmetropole Köln versagt blieb, dürfte umso mehr den noch wesentlich kleinräumiger agierenden Strasburgern verwehrt geblieben sein. In der Stadt kannte jeder jeden und es war schwer möglich, sich aus dem Weg zu gehen. Mindestens sonntags traf man sich zum gemeinsamen Gottesdienst in der Marienkirche. Über einen längeren Zeitraum ungeklärte materielle Ansprüche konnten leicht zu Zwietracht und aufgestautem Hass führen, bei dem es vermutlich nur eines letzten, eher nichtigen Funkens bedurfte, der das Feuer entfachte. Schlimmstenfalls setzte die Gewaltkette mit einem Hausfriedensbruch ein und endete damit, dass ein Nachbar den anderen samt Ehefrau mit einem Knüppel solchermaßen schlug, dass das weib eine Zeitlang vor thod gehandelt und sprachlos gelegen sey.210 In diesem Fall sah sich der Rat veranlasst, den Täter Valentin Rulwitz gefangen zu nehmen und zwischen den Parteien einen Vergleich herbeizuführen. Der Täter musste sowohl den Schaden als auch die Arztkosten begleichen und insgesamt 20 Gulden Strafe zahlen. Anzeigen von schwerwiegenden Konfrontationen zwischen nahen Verwandten und Bekannten blieben insgesamt die Ausnahme, da Familienverbände dazu neigen, Unfrieden und Schmach nicht nach außen zu tragen. In solchen Konstellationen wird von einer gut funktionierenden informellen Konfliktbereinigung auszugehen sein. So werden auch im frühneuzeitlichen Strasburg private Interna schmachvollen Ursprungs solange verschwiegen worden sein, bis sie über ein erträgliches Maß der persönlichen Verachtung hinaus zu regelrechtem Hass und zu 209 Schwerhoff 1991, S. 312. 210 Strasburg, Nr. 975, Bl. 136.

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einer Feindschaft anschwollen und ein innerhäuslich und sozial-normativ akzeptiertes Gewaltmaß überschritten. Ähnliches kann für Nachbarschaftskonflikte angenommen werden. Gemeinschafts- und Mehrfachtäter

Als Gemeinschaftstäter werden nachfolgend jene Gewaltverbrecher betrachtet, die ihre Tat zusammen mit weiteren Gewaltverbrechern begingen. Das betraf 36  % aller beim Rat angezeigten Gewalttäter. Hier überwog das Delikt der Körperverletzung. Körperverletzungen mehrerer Personen untereinander konnten sich unter Umständen zu Tumulten ausweiten. Tumulte gab es in der Kleinstadt Strasburg allerdings in einer überschaubaren Anzahl. Die acht als solche fassbaren – weil vom Rat so bezeichneten – Tumulte verteilten sich über den gesamten Untersuchungszeitraum und es handelte sich meist nur um größere Schlägereien. Sie brachen auf Jahrmärkten aus,211 aber auch wenn Landsknechte stehlend212 oder auswärtige Soldaten, erzürnt über die rathäusliche Weigerung ihrer Forderungen, zum Degen griffen.213 In solchen Fällen konnte es schon mal zu eruptiven Gewaltsausbrüchen kommen, bei denen Steine flogen und die Bürger die Sturmglocke läuteten.214 Letzteres war jedoch keine Alltagskriminalität im eigentlichen Sinn; der Gewaltausbruch stand vielmehr im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg. Insgesamt darf die Stadt durch Tumulte nicht als signifikant gefährdet eingestuft werden. Als Mehrfachtäter werden diejenigen Personen bezeichnet, die mehrmals zu verschiedenen Zeitpunkten kriminell handelten. Es zählen aber auch diejenigen dazu, die entweder mehrere Normen oder mehrere Personen mit einer Tat gleichzeitig verletzten.215 Hierbei handelte es sich also zum einen um hartnäckige Verbrecher, denen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht gelungen war 211 Strasburg, Nr.  975, Bl.  31,  141f.; ebd., Nr.  1097, Bl.  11; zur Streitkultur vgl. Fenske 2006, S. 282f. 212 Ebd., Nr. 1097, Bl. 64f. 213 Ebd., Nr. 1099, Bl. 26ff. 214 Ebd. 215 Zu den Mehrfachtätern auch diejenigen Personen zu zählen, die als Bürgen, Zeugen, Opfer oder Kläger vor Gericht auftraten, wie es Susanna Burghartz unternimmt (Burghartz 1990, S. 112), ist m. E. dem Ziel, Kriminalisierungstendenzen der Gesellschaft und der Obrigkeit herauszufiltern, nicht dienlich.

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und zum anderen um Personen, denen angesichts der Art und Weise, wie sie die Tat begingen, eine größere kriminelle Energie zugesprochen werden kann als den „Durchschnittstätern“.216 Als Mehrfachtäter können 43 % der 132 untersuchten Gewaltverbrecher betrachtet werden. Ihr kriminelles Verhalten konnte auf Dauer dazu führen, daß der stadt noch ein schad darauß entstehen mach.217 In solchen Fällen, wie bspw. den bereits vorgestellten Fall Andreas Lindthorst,218 war der Rat stärker gefordert219 und verhängte härtere Strafen. Nachfolgend soll das Augenmerk auf jene Mehrfachtäter gerichtet werden, die ebenso wie Lindthorst alteingesessene Strasburger waren, mehrmals vor den Rat gelangten, aber von diesem weitaus milder bestraft wurden. Wenngleich die wahren Motive des Rates verborgen bleiben und man wohl auch angesichts der vielschichtigen Lebenswelt eine eindeutige Antwort nicht erwarten darf, deutet einiges darauf hin, dass die Tatumstände, die Tatschwere und die Person des Täters die Strafzumessung entscheidend beeinflussten. Der Schuster Achim Sadelkow hatte ca. 1620 Holz aus der Stadtheide entwendet, worauf er von Paschen Wolters Ehefrau im Torf angesprochen wurde. Vermutlich hatte sie ihn bei der Tat ertappt. Auf jeden Fall hatte er sie im Zuge dessen mit vielen ubermessigen ehrrüchigen schmählichen wortten angegriffen und beleidigtt.220 Letztere und scheinbar weniger der Diebstahl bewogen den Rat, Achim Sadelkow gefangen zu nehmen und mit einigen Tagen Gefängnis zu bestrafen. Die gleiche Strafe hatte er fünf Jahre später noch einmal zu verbüßen, nachdem er 1625 Zacharias Möllers Stiefsohn, Samuel Curtten, braun und blaw geschlag[en]221 hatte. Achim Sadelkow verteidigte sich, indem er einwandte, Samuel Curtten hätte sich ihm widersetzt. Da er – vermutlich zeitnah – zwei Söhne von Augstin Krupesack ebenfalls geschlagen hatte, insbesondere mit einer Peitsche, was er freiwillig zu Protokoll gab, wurde er in Haft genommen. Bei der Bewertung der Körperverletzungen stellte der Rat weder einen Bezug zu seinen in der Vergangenheit verübten Taten her noch finden sich Angaben zur Schuld, wie 216 217 218 219 220 221

Vgl. hierzu Burghartz 1990, S. 112. Strasburg, Nr. 975, Bl. 10. Vgl. oben S. 123. Vgl. dazu Dinges 2000, S. 530f. Strasburg, Nr. 976, Bl. 117. Ebd., Nr.  1098, Bl.  38. Zur Einordnung einer Körperverletzung, die „braune und blaue“ Blutergüsse hinterlassen hatte, zu den kleineren Delikten Carpzov  1638, S. 21f.

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es aus anderen Fällen bekannt ist. Lediglich die Schwere der Körperverletzung schlug sich in den Akten nieder. Offenbar bewertete der Rat das Verhalten Sadelkows insgesamt als für die Allgemeinheit weniger bedrohlich, als nicht so schwerwiegend und für den Einzelnen nicht dauerhaft schädigend. Sachlich beschied er: Beklagtt soll mit gefengnuß gestrafft werd[en].222 Mit teilweisem Bezug auf Gunter Gudian kann hierin ein „zweigleisiges Strafrecht“ gesehen werden, welches härter gegen „Gewohnheitsverbrecher“ sowie marginalisierte Fremde und milder gegenüber normabweichenden Einheimischen verfuhr223 – auch wenn diese Mehrfachtäter waren wie Sadelkow. Gewohnheitsverbrecher waren nach Gudian einerseits diejenigen Täter „deren Taten entweder schon als solche gemeingefährlich waren (Brandstifter, Straßenräuber usw.) oder aber eine besonders verbrecherische Gesinnung offenbarten“.224 In Distanz zur Terminologie Gudians wird nachfolgend im Einklang mit deutschsprachigen Arbeiten zur Historischen Kriminalitätsforschung sein personenbezogener Ansatz fortgeführt und durch den Etikettierungsansatz Durkheims ergänzt.225 Abweichendes Verhalten – so Durkheim226 – wird vom sozialen Umfeld dann als kriminell angesehen, wenn es soziale, insbesondere rechtliche Normen, die im allgemeinen kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft implantiert sind, über ein erträgliches, allgemein akzeptiertes Maß hinaus empfindlich stark verletzt hat.227 Ferner gewinnt die Person des Täters an Bedeutung. „Der Prozeß der Etikettierung hängt nicht nur von der Art der Handlung und ihren gesellschaftli-

222 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 38. 223 Das Konzept des „zweigleisigen Strafrechts“ geht von der Prämisse aus, dass Strafen personenbezogen verhängt wurden, Gudian 1976, S. 281f. 224 Gudian 1976, S. 282. 225 Vgl. die kriminalhistorische Forschung, die mehrheitlich den Rekurs auf „Gewohnheitsverbrecher“ meidet und den Fokus auf die Fremdheit und den Sozialstatus legt: Schwerhoff  1992, S.  401; Schwerhoff  1999, S.  92ff.; Hoffmann,  C.  A.  2000a, S. 107; Behrisch 2005, S. 22; differenzierend Reinle 2003, S. 319f.; vgl. auch Lück 2003, S. 280f., der auf die Kosten für die peinlichen Gerichtsverfahren hinweist, die den öffentlichen Strafanspruch auch begrenzt haben mögen. 226 Der verbrecherische Charakter eines Individuums wird ihm „vom Gemeinbewusstsein“, das heißt von der Gesellschaft, zuerkannt, Durkheim 1968, S. 6. 227 Durkheim 1968, S. 5.

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chen Konsequenzen ab, sondern auch von dem sozialen Status228 des Regelverletzers […]“.229 In den mäßigen Sanktionen des Rates gegenüber Sadelkow wird deutlich, dass der Rat personen- und einzelfallbezogen kriminalisierte und strafte. In Sadelkow sah er vermutlich einen Gelegenheitsabweichler, der angesichts seines Geständnisses Reue zeigte. Umso mehr dürfte sein Verhalten vor dem Hintergrund legitimer Gewalt in frühneuzeitlichen Gesellschaften und in Anbetracht eines Rechtfertigungsgrundes als weniger verwerflich empfunden worden sein. Darüber hinaus sicherte ihm seine alteingesessene und geachtete Familie vermutlich ausreichend soziales Kapital. Wiederholt sind Vorfahren von Sadelkow als Bürgen in Urfehdebriefen überliefert,230 das heißt, sie besaßen genügend soziale und wirtschaftliche Reputation, um die Einhaltung von Rechtseiden und Zahlungsforderungen zu verantworten. Angesichts ihrer Schosspflicht231 verfügten sie über Haus und Besitz, sodass sie als Repräsentanten der Strasburger Mitte betrachtet werden dürfen. Achim Sadelkow steuerte selbst keinen Schoss zu den Gemeinschaftsaufgaben bei, was seinen geringen finanziellen Spielraum anzeigt, der für den Holzdiebstahl womöglich kausal gewesen sein könnte. Gleichwohl darf man ihn als alteingesessenen vollberechtigten Bürger mit städtischen Privilegien und Pflichten betrachten, der dem vollen Schutz des Strasburger Rates unterstand und insgesamt gute Resozialisierungschancen besaß. Zwischenbetrachtung – Gewalt gegen Körper und Ehre von Privatpersonen

Körperliche und verbale Gewalt war in der ansässigen Erwerbsschicht Strasburgs weit verbreitet. Sie ereignete sich vornehmlich in der Öffentlichkeit unter entfernter bekannten Strasburgern. Außerhalb des „ganzen Hauses“ wurden Konflikte auf offener Straße, vor dem Haus oder an zentralen öffentlichkeitswirksamen Plätzen handgreiflich ausgetragen, meist mit durchaus gefährlichen Waffen, weniger mit Schlägen. Formell sanktionsbedürftig schien dem Rat mit gefährlichen Waffen und Vorbedacht verübte Gewalt gewesen zu sein, zumal dann, wenn sie heimtü228 Vgl. dazu unten S. 161–163. 229 Bohle 1984, S. 6. 230 Bereits im ersten Urfehdebrief von 1541 ist ein Matthias Sadelkow als Bürge überliefert (Strasburg, Nr. 975, Bl. 1f.). Ferner taucht 1557 Thomas Sadelkow als Bürge auf (ebd., Bl. 5f.) und 1571 ein Hans Sadelkow (ebd., Bl. 44). 231 Hans Sadelkow zahlte im Jüteritzer Viertel ansässig 1568ff. Schoss, Strasburg, Nr. 143, Bl. 6, 16, 29.

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ckisch begangen wurde. Ein Augenmerk richtete der Rat auch auf gemeinschaftlich begangene Schlägereien, wie Tumulte, da sie den Stadtfrieden empfindlich störten. Ebenso gelangten Mehrfachverletzer in den rathäuslichen Sanktionsradius, weil ihnen ein größeres Konfliktpotential zugesprochen wurde. Das, was sich im Rahmen der Akten als Kriminalität ermitteln lässt, war ein Ergebnis erfolgreicher Etikettierungen der angeklagten Personen durch ihr soziales Umfeld.232 Die in den Akten aufscheinenden kriminellen Handlungen waren eng an den Täter gebunden. Es darf weder angenommen werden, dass identische Handlungen anderer Personen ebenso angezeigt wurden, noch, dass sie in gleicher Weise formell sanktioniert worden wären. Mitunter waren eine Verbalinjurie oder ein Diebstahlsverdacht der Einstieg in die Gewaltspirale.233 Gewalttäter scheinen nicht vorrangig stigmatisiert worden zu sein, wenngleich wiederholt begangene Taten irgendwann schwerer wogen, angezeigt wurden und dazu führten, schärfer sanktioniert zu werden. Totschläge konnten in nennenswertem Umfang durch Geldbußen gesühnt werden, sodass insgesamt ein recht nüchternes Verhältnis der Strasburger zu innerstädtischer Gewalt zu konstatieren ist. Gewalt wurde offenbar weder von den Opfern noch grundsätzlich von der rathäuslichen Obrigkeit hinsichtlich des zu schützenden Gemeinwohls als existenzbedrohend wahrgenommen. Das verdeutlichen die unter den normativen Vorgaben gebliebenen Gefängnis- und Geldstrafen, die dort verhängt wurden, wo weitaus härtere Strafen möglich gewesen wären. Innerhalb der Konfliktspirale scheint Gewalt insgesamt zu einem relativ späten Zeitpunkt des Konfliktverlaufs als violentia empfunden und als solche formell sanktionsbedürftig bewertet worden zu sein. Dass dem Rat die Herstellung des Parteienfriedens, und damit des städtischen Friedens, bisweilen misslang, wie bspw. im vorgestellten Möller-Rulwitz-Konflikt, verdeutlicht die Grenzen der arbiträren Rechtsprechungspraxis. Während Intensiv- und Wiederholungstäter härteren Strafen unterlagen, wurden fest in die Gesellschaft integrierte Gelegenheitsabweichler gelinder bestraft. Zumal dann, wenn die Täter ein Eigeninteresse geltend machen konnten oder intransparente Konfliktkonstellationen die rathäusliche Entscheidungsfindung erschwerten.234 Zwar lief der Rat stets Gefahr, dass eine Partei oder schlimmstenfalls beide 232 Griesebner/Mommertz 2000, S. 209. 233 Schuster 2000b, S. 86. 234 Vgl. hierzu ausführlich oben S. 116f.

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Seiten die getroffene Entscheidung nicht akzeptierten. Gleichwohl hatten die Versöhnung und ein Ausgleich Vorrang gegenüber einer harten Bestrafung, da insgesamt betrachtet, Vergleiche als erfolgversprechendere Befriedungsinstrumente galten. Es ist anzunehmen, dass für diese Herangehensweise auch die enge Verzahnung der rathäuslichen Obrigkeit mit der städtischen Gesellschaft ursächlich gewesen sein könnte. 4.3.2. Eigentum

„Für das Eigentumsdelikt ist kennzeichnend, daß dem Eigentümer eine Sache entweder entzogen, sie beschädigt bzw. zerstört wird“.235 Zu den gegen das Privateigentum gerichteten Vergehen und Verbrechen wurden an dieser Stelle Diebstahl, Hehlerei, fehlerhaftes Gewerbe, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung und Grenzverletzungen gezählt. Im Folgenden wird das Hauptaugenmerk auf Diebstahl gelegt, da er in diesem Segment in Strasburg das am häufigsten anzutreffende Delikt war.236 Man solle – so Peter Schuster – die Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit vom Eigentum her denken, da die spätmittelalterliche Gesellschaft Diebstahl als das Delikt mit dem höchsten Bedrohungspotential betrachtete. Diese Wahrnehmung habe sich unter anderem in einem hohen Strafverfolgungswillen der Obrigkeit niedergeschlagen.237 Dem Dieb hätten die Zeitgenossen – anders als dem Totschläger – kein Verständnis entgegengebracht, da dem Diebstahlsdelikt stets Vorsatz zugrunde lag.238 In Strasburg ist Diebstahl das am besten dokumentierte Delikt,239 worin sich ein ausgeprägter Strafverfolgungswille spiegelt. Auch die Mehrzahl der ausgesprochenen oder verhängten Todesurteile betraf Diebe.240 Die untersuchten 47 235 Frank 1995, S. 258. 236 Für die gesamte Uckermark betrachtet Enders 1992, S. 208, 292, den Diebstahl insgesamt als das häufigste Delikt; ähnlich für das späte 17. Jh. Hahn 1989, S. 140; für das 15. Jh. Schuster 2003, S. 170; ähnlich insgesamt für England Burghartz 1990, S. 18; allgemein Schubert 2007, S. 188. 237 Schuster 2003, S. 171f.; ähnlich Schwerhoff 2000, S. 46. 238 Schubert  2007, S.  185; zur höheren Anzeigebereitschaft der Bevölkerung beim Diebstahlsdelikt Schwerhoff 1991, S. 348. 239 Zur häufigen und intensiven Ahndung des Diebstahls durch die spätmittelalterliche Gesellschaft Schuster 2003, S. 170ff.; für das 18. Jh., in dem Diebstahl ebenso weitaus stärker verfolgt wurde, vgl. Eibach 2003, S. 75, 371f. 240 60 % betrafen Diebe; 40 % Befehdung, Brandstiftung, schwere Körperverletzung und

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Diebstahlsfälle erstreckten sich nahezu über den gesamten Untersuchungszeitraum (1557 bis 1629). Die Diebstahlsquote von durchschnittlich einem angezeigten Diebstahl in zwei Jahren ist dennoch absolut gesehen signifikant niedrig, was vermuten lässt, dass auch hier – wie bereits gezeigt – informelle Schlichtungen große Akzeptanz fanden. Bei einfachem Diebstahl trugen nicht nur die Beteiligten die Beweislasten, sondern etliche Anklagen wurden vom Rat als Schlichtungsinstanz beigelegt. Was uns also in Strasburg im Rahmen des Diebstahldeliktes in den Inquisitionsakten primär begegnet, ist – wie bei den Gewaltdelikten auch – das Ergebnis eines Selektionsprozesses, bei dem Beweismöglichkeit, Schwere der Tat und Wiederholungstaten zusammenwirkten. Für 1629 ist ein leichter Anstieg der Diebstahlsanzeigen zu verzeichnen, der mit dem Dreißigjährigen Krieg nur indirekt in Verbindung gebracht werden kann, da die Täter mehrheitlich aus Strasburg stammten. Möglicherweise aber reagierten die Strasburger infolge der heraufziehenden Kriegswirren insgesamt nervöser auf Eigentumsschädigungen und lehnten informelle Schadensausgleiche, wie es sie in den Jahren zuvor gab, ab.241 Zur endgültigen Beantwortung dieser Frage müssten verstärkter vergleichende Untersuchungen unternommen werden. Die Carolina unterschied beim Diebstahl, der kein Privatdelikt mehr war,242 im Hinblick auf die zu erlassende Strafe zwischen einfachem, qualifiziertem und privilegiertem Diebstahl.243 Während der einfache Diebstahl dem Sachwert des Diebesgutes und der Ausführungsweise entsprechend wiederum in großen, kleinen, heimlichen und offenen Diebstahl unterteilt wurde, waren zur Einordnung des qualifizierten Diebstahls die Tatumstände entscheidend. Privilegierter Diebstahl wurde aus dem Täter-Opfer-Verhältnis und dem Tatort abgeleitet.

Totschlag. Das am härtesten sanktionierte Delikt war Diebstahl auch in Zürich, Burghartz 1990, S. 129; zu Köln Schwerhoff 1991, S. 349, 361; zu Konstanz Schuster  2000b, S.  125ff.; Schuster  2000c, S.  82; zu Freiburg WettmannJungblut [ohne Jahr], S. 64; ähnlich zur Grafschaft Lippe Frank 1995, S. 258. Dass Strafen die zeitgenössische Wertung von Gesetzesübertretungen spiegeln, unterstreicht Schwerhoff 1991, S. 345. 241 Vgl. hierzu Frank 1995, S. 270f., bes. S. 270: „If crime increased, the power of the law had to be demonstrated.“ 242 HRG 2008, Sp. 1049; vgl. dazu auch CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 165. 243 Carolina, Art. 157–175; ähnlich PHGO 1582, Art. 185–203; HRG 2008, Sp. 1049.

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Die Grenze vom kleinen zum großen Diebstahl lag bei fünf Gulden244 und der Dieb durfte weder eingebrochen noch rückfällig geworden sein.245 Großer Diebstahl wurde unter Berücksichtigung der Person und nach Würdigung der Tatumstände normativ mit einer Körper- oder Lebensstrafe geahndet.246 Für den kleinen Diebstahl waren Geldbuße, Schadensersatz oder – sobald der Dieb unvermögend war – Gefängnisstrafe als normativ-formelle Sanktionen vorgesehen. Nach Haftentlassung sollte der Urfehdeschwur folgen.247 Straferschwerend wirkten Ertappen auf frischer Tat und die Erzwingung von auffrur und berüchtigung durch die Öffentlichkeit.248 Als Milderungsgrund konnten neben Jugend unter anderem das Stelen inn rechter hungers nott geltend gemacht werden.249 Unabhängig vom Geldwert des Gutes konnte ein Mehrfachtäter nach dem dritten begangenen Diebstahl mit der Todesstrafe gerichtet werden.250 Für Strasburg ist die Sachwertsgrenze nicht überliefert.251 Es darf aber vermutet werden, dass sie der Carolina und der PHGO 1582 mit fünf Gulden entsprach. Die Übergänge252 vom kleinen zum großen Diebstahl dürften fließend gewesen sein253 und es erscheint wenig ergiebig, anhand der Akten im Nachhinein eine Trennung vornehmen zu wollen, zumal ein solches Unterfangen methodische Schwierigkeiten bereitet.254 Der Sachwert von Diebesgut lässt sich nachträglich nur schwer rekonstruieren. Quellenangaben, wie 2 Elln triep255 oder eine 244 Carolina, Art. 157; zum mittelalterlichen Ursprung dieser Grenze His 1935, S. 178f.; Hagemann 1981, S. 306; Schwerhoff 1991, S. 346f.; Schubert 2007, S. 193. 245 Carolina, Art. 159 und 161f. 246 Carolina, Art. 160. 247 Carolina, Art. 157; PHGO 1582, Art. 185; Ebel [1938], S. 150; zum Ermessensspielraum Wettmann-Jungblut 1990, S. 141. 248 Carolina, Art. 158. 249 Carolina, Art. 166. 250 Carolina, Art. 162; vgl. auch Kaufmann 2000, S. 406. 251 Ähnlich in Frankfurt am Main, Eibach 2003, S. 69f. 252 Jerouschek/Rüping 2006, S. 477. 253 In Köln spielte die „Fünf-Gulden-Grenze“ keine Rolle, Schwerhoff 1991, S. 350. 254 Carolina, Art.  157–175; PHGO  1582, Art.  185–203. Vgl. dazu HRG  2008, Sp. 1049ff. Die weiteren Klassifizierungen in qualifizierten und privilegierten Diebstahl sind für diese Fragestellung eher nachrangig. 255 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 34. Als Triep wurde „sammetartiges Zeug mit leinener Kette“ oder Tuch von feiner Wolle mit „sammetartiger Oberfläche“ bezeichnet (Lübben 1995, S. 417).

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kuhautt,256 lassen angesichts fehlender Preisangaben nur bedingt Rückschlüsse auf den Sachwert zu. Aufgrund dessen wurde davon abgesehen, den Wert des Diebesgutes gesondert zu analysieren. Die nachfolgende Betrachtung wird sich deshalb auf folgende Gesichtspunkte beschränken: Gemeinschafts- und Mehrfachtäter, Täter-Opfer-Verhältnis sowie Beute allgemein und Tatort. In den 47 untersuchten Diebstahlsfällen waren 63 Diebe ein- oder mehrmals aktiv geworden und stahlen privates Eigentum sowohl von Einzelpersonen als auch Personengruppen, wie bspw. von etlichen Pferdekeuffern.257 Gemeinschafts- und Mehrfachdiebe

Mehr als die Hälfte der Diebe (34 von 63) agierte nicht allein, sondern besaß Helfer oder Mittäter. Die Gruppenstärke lag meistens bei zwei oder drei Personen.258 Gemeinschaftlicher Diebstahl konnte den Rechts- und Stadtfrieden stark gefährden. Von allen gemeinschaftlich begangenen Taten überwog Diebstahl. In Tätergemeinschaft stahl man Holz aus der Stadtheide oder Vieh von der Straße, was den Unmut der Bürger und des Rates besonders entfachte und Anzeigen nach sich zog. Als Sanna Thide über längere Zeit gestohlene Gänse in Strasburg veräußert hatte, warf man ihr vor, sie habe mit den Dieben manschop259 gehalten. Wohl auch infolgedessen entschloss sich der Rat, sie gefangen zu nehmen und der Stadt zu verweisen. Sie musste die Stadt am Tag der Urfehdeleistung verlassen und alle drey feltmarken und Ire ganze gebiet Reume[n]. Bei Rückkehr in die Stadt würde der Rat die Macht haben, sie an Leib und Leben zu strafen. Damit geriet Sanna Thide nicht nur in eine gesellschaftliche Randlage, sondern der Rat zielte auch darauf ab, sie als nicht gebürtige Strasburgerin dauerhaft aus der Gemeinschaft auszuschließen. Eine weitaus gefährlichere Gemeinschaft bildeten drei auswärtige Vagierende260 – Caspar Hein (der Schlachter), Michel (der Koch) und Achim Meyer. 256 Strasburg, Nr. 1030. 257 Ebd., Nr.  931, Bl.  98.; zu den Großhändlern, insbesondere den Pferdehändlern, Fens­ke 2006, S. 65f. 258 Ähnlich der Befund in Görlitz: Behrisch 2005, S. 179. 259 Strasburg, Nr. 976, Bl. 33. Auch für den folgenden Quellenauszug. 260 Die Gruppe der Vagierenden war mitnichten homogen, was eine klare Definition unmöglich werden lässt. „Vagierende hatten keinen festen Wohnsitz“, sie besaßen kein Einkommen oder gar Besitz und wenn, dann waren es Erträge aus Gelegenheits- oder Saisonarbeiten. Sie waren aufgrund ihrer Lebensweise geächtet. Zumeist waren sie aus

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Sie hatten sich 1572 zu einer locker strukturierten Bande261 zu Wersow bey Stettin bowen der aderburgk in Janikens kruge zusammengeschlossen, um den Strasburger Bürgermeister Achim Krupesack auszurauben und zu ermorden.262 Den Tat­ anstoß dazu gab Caspar Hein (der Schlachter): Nein. [sagte Caspar Hein zu Achim Meyer, E.F.] wenn er stelen wolt. so wuße [er, E.F.] woll eine besser beute zu bekommen Nemlich zu straßburgk bey dem Burgermeister Jochim Krupesacken.263

Bemerkenswert ist hier die offenbar überregionale Kenntnis vom Vermögen des Strasburger Bürgermeisters Achim Krupesack, der in der Tat nicht nur wegen seines Amtes, sondern auch angesichts seiner signifikant hohen Steuerleistung zur Strasburger Oberschicht gezählt werden darf.264 Zum Teil verständigten sich die drei Vaganten in ihrer Sprache,265 vermutlich dem sogenannten Rotwelsch.266 Letztendlich kam es zu einer Planänderung; Raubmordopfer wurde der Häker267 Hans Lemmersdorf mit seiner Frau in Strasburg. Bei Lemmersdorf hatten die Missetäter zuvor um

Unterschichtenberufen abgesunken, Küther  1983, S.  8f.,  100f.; siehe ferner Roeck 1993, S. 72f. 261 Bande bedeutet in diesem Kontext mindestens zwei oder mehrere Personen aus der „locker gefügten und regional agierenden Jaunergesellschaft“, die „ihre zahlreichen Kontakte untereinander dazu nutzte, sich in immer neuen Gruppen zusammenzufinden“, Wiebel/Blauert  1999, S.  84; ähnlich Schwerhoff  1991, S.  354; Härter 2005, S. 985. 262 Strasburg, Nr. 975, Bl. 46. 263 Ebd. 264 Dem Schossregister von Ostern 1576 zufolge zahlte er 13 Gulden und neun Silbergroschen, ebd., Nr. 143, Bl. 144. Der nächstfolgende Steuerbetrag lag bei acht Gulden und sieben  Silbergroschen; danach folgten vier  Gulden. Die durchschnittliche Masse zahlte noch weniger. 265 Mit Ime uff seine sprach geredet, Strasburg, Nr. 975, Bl. 46. 266 Es ist zu vermuten, dass es sich um eine Art Rotwelsch gehandelt haben könnte; zur Bezeichnung von Rotwelsch als Sondersprache der Kriminellen knapp Schwerhoff 1991, S. 203; ferner Roeck 1993, S. 137. 267 Häker = Meier (Enders 1992, S. 722).

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herberge gebeten die sie erlanget und bey Ime woll gegessen und getruncken biß uff den abent umb zehen. wie es nu zehen geschlagen, […] hat Meyer den wirt mit der Exe. und der koch die wirthin mit einem Rhor thodgeschlagen.268 Ein solches Vorgehen blieb, zumal organisiert, für Strasburg einzigartig. Zwar sind vereinzelte Hinweise überliefert, wonach die Täter einen Cumpackt269 geschlossen hätten oder als Consorten270 unterwegs gewesen seien. Insgesamt aber blieben es – wenn überhaupt – singuläre „Räuber- und Mordbrennerbanden“, die für Strasburg nicht als „eine typische Form der Kriminalität jener Zeit“271 gewertet werden können. Die in der Forschung vertretene These, wonach mit der sprunghaften Zunahme mobiler Randgruppen im 16. Jh. die Angehörigen dieser Personengruppen stärker diskriminiert und kriminalisiert worden seien, bestätigt sich für Strasburg nicht. Angesichts der krisenhaften sozioökonomischen und demografischen Entwicklungen der späten Jahre des „langen 16. Jhs.“ sei – so die vorherrschende Annahme – die Zahl der Marginalisierten gestiegen und die „Entwurzelten“ seien besonders verbrechensanfällig gewesen.272 Dies ließ sich in den Strasburger Quellen nicht beobachten. Von knapp einem Drittel der 34 in Gemeinschaft agierenden Diebe ist die Herkunft unbekannt und man darf vermuten, dass sie keinen festen Wohnsitz angeben konnten. Auch gehörte die Hälfte der Gemeinschaftsdiebe den Randgruppen an. Insgesamt jedoch umfassten die randständigen Gemeinschaftstäter unbekannter Herkunft nur 11 % aller untersuchten Diebe. Das heißt, die Mehrzahl aller Diebe, insbesondere auch der gemeinschaftlich agierenden, konnte einen Wohnsitz angeben und kam zudem aus Strasburg.273 Dieser Befund könnte insoweit erklärbar sein, als Banden Marginalisierter weniger ein Problem der Städte waren, sondern vielmehr jenes des „platten 268 269 270 271 272

Strasburg, Nr. 975, Bl. 48. Ebd., Nr. 1021. Ebd., Nr. 975, Bl. 91, 98. Spicker-Beck 1995, S. 13; ähnlich Roeck 1993, S. 132f. Zitiert nach Burghartz 1990, S. 97; vgl. Schilling 1986, S. 174; Roeck 1993, S. 69ff.; Peters 2007, S. 306f. Zur frühneuzeitlichen Armenpolitik und zum Anstieg der Policeynormen zur Bekämpfung von Armut Härter 2005, S. 932ff. Für Frankfurt am Main im 18. Jh. weist Eibach 2003, S. 312f., auf die geringe Präsenz von Bandenkriminalität hin. 273 Ähnlich der Befund in der Grafschaft Lippe, vgl. hierzu Frank 1995, S. 268.

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Landes“274 – so klein die Städte auch gewesen sein mögen. In die Ursachenanalyse muss zudem die rathäusliche Gerichtszuständigkeit einbezogen werden. Der hier interessierende Personenkreis war nicht sesshaft, das heißt, er unterlag keinem lokalen Gerichtsherrn. Vor diesem Hintergrund konnte der Gerichtsherr, auf dessen Territorium die Tat begangen wurde, den Vaganten zwar konkurrenzlos einziehen, aber dazu musste er seiner erst habhaft werden. Am Verhör Caspar Heins waren mehrere uckermärkische Gerichtsherren beteiligt,275 was sowohl deren gemeinsames Vorgehen anzeigt, aber auch das gegenseitige Interesse, die Bande zu zerschlagen. Welche Schwierigkeiten die Verhaftung des umherziehenden Gesindes den frühneuzeitlichen Obrigkeiten bereitete,276 unterstreichen die landesherrlichen Polizei- und Landesordnungen,277 die stets von Neuem zur Strafverfolgung und Hilfeleistung aufforderten, jedoch keine effektiven Vollzugs- und Sicherungsorgane besaßen. Zweckmäßiger schienen vorbeugende Maßnahmen. Eine solche war die Kriminalisierung derjenigen, die Fremden in der Stadt Herberge gewährten.278 So wurde der Strasburger Bartolomeus Westphal 1616 mit einigen Tagen Gefängnis und einer Geldbuße bestraft, weil er ezliche frembde leutte, so nicht bürger gewesen, in […] [seiner, E.F.] bud[en] gehauset u[nd] beherbergett.279 Mit dem Blick auf das tragische Schicksal des Ehepaars Lemmersdorf sind derartige Ordnungsbestrebungen des Rates als Präventivmaßnahmen zu werten. 40 der 63 untersuchten Diebe – also 63 % – können als Mehrfachtäter bezeichnet werden.280 Hierbei ist zu bedenken, dass aufgrund der zu vermutenden Überlieferungslücken und der jeder Gesellschaft inhärenten Dunkelziffer der ab274 Schubert 2007, S. 251. 275 Neben Strasburger Ratsmitgliedern waren Joachim von Blankenburg zum Wolfshagen, Joachim Witzburg zu Fürstenwerder zusammen mit dem Fürstenwerderschen Pfarrer und der uckermärkische Hauptmann Joachim Pippow beim Verhör zugegen, Strasburg, Nr. 975, Bl. 46. 276 Zur Strukturschwäche und zum Verfolgungsdefizit frühneuzeitlicher Ordnungsorgane Eibach 2003, S. 25; Behrisch 2005, S. 149, 151. 277 CCM  5, Abt.  5, Kapitel  1: Von Landtreichern, Strassen=Räubern, Mordbrennern, Herren=losen Gesinde, Bettlern, Zigeunern etc., Nr.  1–18 (1565–1624); vgl. auch Härter 2005, S. 934f. 278 Zur Policeygesetzgebung und zur Ahndung unerlaubter Beherbergung im späten 17. und im 18. Jh. Härter 2005, S. 1038ff. 279 Strasburg, Nr. 976, Bl. 106; ähnlich ebd., Bl. 126. 280 In Konstanz hingegen überwogen Einzeltäter (Schuster 2000b, S. 126).

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solute Wert tatsächlich noch höher gewesen sein dürfte. Dies verdeutlichen in den Kriminalakten aufscheinende Taten, denen keine Anzeige gefolgt war und die nun im Rahmen des Inquisitionsverfahrens thematisiert wurden. In den Befragungsprotokollen (sogenannte Inditional- oder Inquisitionalartikel281) wurden die Anklagepunkte mit den entsprechenden Schuldbeweisen zusammengestellt. Gelegentlich reichen die Listen weit in die Vergangenheit zurück und spiegeln eine kaum glaubwürdige Wiederholungsrate wider. 1612 erkundigte sich der Privatkläger Orban Stein über den von ihm angezeigten Pferdedieb Michael Hansmann in der Umgebung Strasburgs. Am Ende der Untersuchung legte der Rat dem inhaftierten Dieb 37 Normbrüche mittels glaubwürdiger Zeugen vor, zu denen er sich – auch unter Tortur – bekennen sollte und letztendlich auch bekannte. Auszugsweise sollen drei Punkte hervorgehoben werden:282 Daß wie ehr ohngefehr vor 20 Jahrn zu Schmersow fur einen Jungen Gedinett daselbsten einen Paurßman […] 2 Scheffel haffern […] vom Scheunflur gestohlen Daß ehr vor 10 Jahrn ein Pfert vom Göritzen felde wegkgeritten unnd […] für einen scheffell weitzen verkeufftt Desselben Jahreß seinem schwager […] zue 2 unterschietlichen malln. 5 scheffell korn […] auß der Scheunen gestol[en] und verkeuffet. Was im Rahmen der Diebstahlsanalyse zu Achim Ricke bereits betont wurde,283 gilt auch hier: Bei der Interpretation von Verhörprotokollen und Bekenntnissen, die weit in die Vergangenheit zurückreichende Taten offenbaren, muss vorsichtig vorgegangen werden. Vor allem, wenn es scheint, dass der angeklagte Dieb zu einem geborenen, notorischen Gauner stigmatisiert werden sollte, wie im vorliegenden Fall Michael Hansmann. Die Äußerung, Hansmann habe bereits als junger Knecht gestohlen, weist in diese Richtung. Ebenso wie die Polarisierungen der adligen Zeugin Margarethe von Bibow, Hansmann sei ein Erzdieb und nichts sei vor ihm sicher gewesen. Wenngleich also der Aussagewert dieses Bekenntnisses zu relativieren ist, so dürfte dennoch der Pferdediebstahl nicht als eine singuläre Missetat zu betrachten sein, sondern kann wohl in eine Reihe weiterer Diebstähle Michael 281 Zum Inquisitionsprozess mit artikuliertem Verhör allgemein HRG  2008, Sp.  314; HRG 4, Sp. 2035f. 282 Strasburg, Nr. 1021. 283 Vgl. S. 90.

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Hansmanns gestellt werden. Die in der Quelle bezeugte Diebstahlsrate dokumentiert somit keine „Realdelinquenz“, sondern verdeutlicht vielmehr die Kriminalisierung einer devianten Person zum Mehrfachtäter.284 In solchen Mehrfachtätern, wie Hansmann, sah der Rat und mit ihm die geschädigte Gesellschaft – ebenso wie bei den gemeinschaftlich vorgehenden Dieben – ein erhöhtes kriminelles Potential. Aufgrund dessen wurden sie als Intensiv- und Wiederholungstäter etikettiert. Diesen Dieben versuchte man nun – genauso wie den mehrfachen Gewaltverbrechern –, auf der formellen Ebene nachdrücklicher zu begegnen. Ausschließlich mehrfachen Dieben wurde die Todesstrafe zuteil. In den Genuss eines gütlichen Ausgleiches ohne Gefängnisaufenthalt mit Strafverzicht oder lediglich einer Geldstrafe gelangten die Vertreter dieses Personenkreises entweder gar nicht oder – selbst bei gelinderem Tathergang oder geringerer Wiederholungsrate – weniger. Täter-Opfer-Verhältnis

Die Diebe waren hauptsächlich männlich,285 kamen aus Strasburg286 und gehörten in erster Linie der ansässigen Erwerbsschicht287 an. Innerhalb der Erwerbsschicht lässt sich allerdings eine Tendenz zur unteren Schicht ablesen, da der hier überwiegende Personenkreis Merkmale unterer sozialer Schichtung aufwies.288 Folgt man dem Modell von Wettmann-Jungblut,289 der drei klassische Diebestypen un284 Zum Anteil von Gruppen- und Mehrfachtätern in Gewalt-, Eigentums- und Vermögensdelikten Lacour 1999, S. 301f. 285 86 % der Diebe waren männlich und 14 % weiblich. 286 56 % der Diebe waren Strasburger; 21 % unbekannter Herkunft; 19 % waren Fremde und 4 % kamen vermutlich aus Strasburg. Auch im ländlichen Baden überwogen Einheimische als Diebe, vgl. Wettmann-Jungblut 1990, S. 165; in Konstanz war die Mehrzahl der verurteilten Diebe nicht ortsansässig (Schuster  2000b, S.  126); ebenso in Köln (Schwerhoff 1991, S. 350f.) und Frankfurt am Main im 18. Jh. (Eibach 2003, S. 299f., mit weiteren Beispielen). In größeren Städten trugen sozusagen Fremde den Diebstahl in die Stadt hinein. 287 51 % der Diebe gehörten der ansässigen Erwerbsschicht an, 38 % den Randgruppen und in 11 % der Personen lagen diesbezüglich keine Informationen vor. 288 So auch in Basel: Hagemann 1981, S. 304; Zürich: Burghartz 1990, S. 158; Grafschaft Lippe: Frank 1995, S. 267; Konstanz: Schuster 2000b, S. 127; Frankfurt am Main: Eibach  2003, S.  300,  305f.,  373f.; allgemein: Hoffmann,  C.  A.  1999b, S. 213f.; Schubert 2007, S. 187, 199. 289 Wettmann-Jungblut 1990, S. 154f.

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terschied (Vaganten, Dienstboten und Gemeinschaftsmitglieder), kann der Strasburger Befund in zwei Diebestypen zusammengefasst werden: ärmere Gemeinschaftsmitglieder und Randgruppen. Hierin spiegelt sich ein Deliktspezifikum wider – das Leben der Täter im Existenzminimum. Den angezeigten Dieben mangelte es an einer ausreichenden Wirtschaftsgrundlage zur Deckung des täglichen Grundbedarfes an Gütern. Auf der anderen Seite dürften begüterte Diebe, soweit man sie entdeckte und zur Rechenschaft zog, mittels informellen Schadensausgleiches fähig gewesen sein, eine rathäusliche Anzeige abzuwenden. Diebstahlsopfer290 kamen sowohl aus Strasburg als auch aus der Umgebung.291 Auch die Opfer waren zumeist männlich,292 worin sich die Verantwortung des männlichen Haushaltsvorstandes des „ganzen Hauses“ ablesen lässt. Frauen hingegen zeigten Taten – wenn überhaupt – weit weniger oder durch den Ehemann an. Bei der Mehrzahl weiblicher Diebstahlsanzeigen blieb es beim Verdacht. Die Stadtbuchaufzeichnungen gehen darüber nicht hinaus, was vermuten lässt, dass die Parteien ihre Vorwürfe entweder nicht beweisen konnten oder aber einen informellen Ausgleich favorisierten. Eigenständige Untersuchungen des Rates gab es in dieser Phase auch bei diesem Delikt nicht. Diebstahlsopfer gehörten primär der ansässigen Erwerbsschicht an,293 gefolgt von der Oberschicht. Innerhalb der ansässigen Erwerbsschicht lässt sich keine Tendenz ablesen, da in 64 % des Samples zur sozialen Schichtung nähere Informationen fehlen. Setzt man die Diebstahlstäter zu den Opfern ins Verhältnis, überwiegt der innerstädtische Diebstahl. Ferner deutet sich an, dass die Bewohner der umliegenden Dörfer eher durch Strasburger Diebe bedroht waren als Strasburger durch auswärtige Täter.294 Angesichts fehlender Signifikanz kann darüber aber vorerst 290 In diesem Zusammenhang sind 53 Einzelpersonen und fünf Opfergruppen, die einoder mehrmals bestohlen wurden, untersucht worden. Die nachfolgenden Zahlen beziehen sich auf die Einzelpersonen. 291 47 % der Opfer kamen aus Strasburg und der gleiche Anteil war fremd; zu 6 % der Diebstahlsopfer lassen sich hinsichtlich der Herkunft keine Aussagen treffen. 292 83 % gehörten dem männlichen Geschlecht an und 11 % waren weiblich; zu 6% lassen sich diesbezüglich keine Aussagen treffen. 293 Zu zwei Dritteln der hier untersuchten Personen lassen sich hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Zugehörigkeit den Quellen Informationen entnehmen: 53 % der Diebstahlsopfer gehörten der ansässigen Erwerbsschicht an und 17 % können zur Oberschicht gerechnet werden. Vgl. zur vermögenderen Position von Diebstahlsopfern Frank 1995, S. 267f. 294 Ganz anders der Befund in großen Städten. In diese sei Diebstahl sozusagen „hinein-

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nichts Weiteres ausgesagt werden. Hervorzuheben bleibt indes, dass Strasburger Erwerbstätige sich untereinander bestahlen, sowohl auf dem Feld als auch auf dem Hof. Damit war Diebstahl, ähnlich wie Gewalt, in Strasburg ein Phänomen der Mitte – vorliegend mit starker Tendenz zur unteren und randständigen Schicht, die den vermögenderen Strasburger materiell schädigte.295 Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die wohlhabenderen Strasburger nicht nur naturbedingt gefährdeter waren, sondern es sich wohl auch finanziell leisten konnten, den Diebstahl formell ahnden zu lassen. Auch dies mag für den Befund ursächlich gewesen sein. Richten wir unser Augenmerk auf die vermögenderen Strasburger, insbesondere den im Altstädter Viertel ansässigen Bürgermeister296 Achim Krupesack. Er war der stärkste Steuerzahler in Strasburg und sein vermögender Status war über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.297 1584 wurde Achim Krupesack mehrfach Diebstahlsopfer; ferner wurde auf ihn eingeschlagen.298 Ob er die Taten durch eigenes Zutun herausgefordert hatte, lassen die Akten offen. Als im Juni  1584 Peter Rulow, geboren in Feldberg, zum Teil unter Tortur zwölf von ihm begangene Diebstähle bekannte, waren darunter acht gegen den Bürgermeister gerichtete. Wieder mahnt die lange Liste vor dem Hintergrund angewandter Tortur zur Vorsicht.299 Gleichwohl darf die gegen Krupesack vermutlich innerhalb eines Jahres gerichtete Serie – auch wenn sie nicht ausschließlich von Rulow begangen wurde – für das Strafverfolgungsinteresse des Bürgermeisters ursächlich gewesen sein. Vor allem wurde es wohl ausgelöst, weil unter dem Diebesgut wertvolle Gegenstände, wie ein silberner Zierring und ein schwarzer Mantel aus teurem englischen Tuch,300 sowie fünf Gulden waren. Diese hatte Rulow nachdem er uf die nacht dem B.[ürgermeister] Jochim krupesack[en] ufm hofe mit gewalt eine wand nidergelegt. [und, E.F.] in eine kamer gekrochen301 war, entwendet. Die ferner von ihm entwendeten Güter (unter anderem ein Halstuch der Tochter, 15 Stock Leinwand und diverse Naturalien) erscheinen dagegen geradezu als Bagatellsachen.

295 296 297 298 299 300 301

getragen“ worden, Eibach 2003, S. 105. Ähnlich ist der Befund von Frank 1995, S. 268, für die Grafschaft Lippe. Strasburg, Nr. 143, Bl. 158. Vgl. S. 134. Strasburg, Nr. 975, Bl. 80f.; ebd., Nr. 976, Bl. 17. Vgl. S. 89f. Zur Kostbarkeit des englischen Tuches Schilling 1998, S. 68. Strasburg, Nr. 975, Bl. 99.

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Vor diesem Hintergrund darf angenommen werden, dass angesichts der Intensität, mit der Rulow vorging, und mit Blick auf den Wert des Diebesgutes die Toleranzgrenze Achim Krupesacks endgültig überschritten war. Die Diebstahlserie 1584 dürfte den Entschluss des Bürgermeisters befördert haben, als privat Geschädigter formelle rathäusliche Sanktionen einzuleiten. Er konnte es sich nicht nur finanziell leisten, sondern war wohl angesichts seiner gesellschaftlichen Position auch dazu gezwungen – nicht nur, um potentielle Nachahmer abzuschrecken, sondern auch, um seine Führungsposition als Ordnungshüter nicht zu gefährden. So dürfte sein Strafverfolgungsinteresse wohl auch durch seine Amtstätigkeit zweckrational motiviert gewesen sein.302 Beute, Tatort und -zeit

Grundsätzlich galt auch in der Frühen Neuzeit: Gestohlen werden konnte „alles, was nicht niet- und nagelfest war“.303 Vieh304 sowie landwirtschaftliche Rohstoffe und Arbeitsmittel waren die beliebtesten Beuteobjekte, sowohl von Strasburgern als auch von Auswärtigen. Nicht minder begehrten die Diebe Hausrat, Kleidung und Lebensmittel. Es handelte sich damit in erster Linie um Güter des täglichen Bedarfs, insbesondere auch um Mundraub zur unmittelbaren Existenzsicherung.305 1612 hatte Michael Hansmann 5 ½ Seitte Speck und 18. Bratwurste gestolen davon die wurste und ½ Seite Speck verzehrett und daß ander zu Prentzlow Anna Pipers […] verkaufft.306 Bargeld blieb als Diebesbeute insgesamt die Ausnahme und wurde ausschließlich von Fremden gestohlen. Äußerst selten begegnen uns gestohlene kostbare Kleidungsstücke oder Schmuck. Diese Befunde decken sich mit den Forschungsergebnissen zur Eigentumskriminalität anderer ländlicher Gebiete.307 Sie dürften mit einem geringeren Vorhandensein an Luxusgütern in einer ländlich-agrarischen Kleinstadt zusammenhängen.308 Zudem bestand bei Wegnahme eines wertvollen Gegenstandes die größere Gefahr, dass der Bestohlene Sanktionen einleiten würde. Dadurch könnte beim Dieb eine höhere 302 303 304 305

Vgl. hierzu Dinges 2000, S. 525. Schwerhoff 1991, S. 355; Schubert 2007, S. 198. Zu Viehdiebstahl Spicker-Beck 1995, S. 45f. Vgl. den Tatbestand Stelen inn rechter hungers nott in: Carolina, Art. 166; SpickerBeck 1995, S. 45, 76; Schubert 2007, S. 194f., 200. 306 Strasburg, Nr. 1021. 307 Wettmann-Jungblut 1990, S. 164; Frank 1995, S. 260. 308 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Testament des Achim Huwoldt auf S. 58f.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Hemmschwelle verursacht worden sein. Zu bedenken sind aber auch die schwierigeren Absatzmöglichkeiten von Luxusgütern in einer ländlichen Gesellschaft. So hätte es für kostbare Gegenstände sicherlich eines professionellen Hehlernetzes bedurft, hätte man als ärmerer Zeitgenosse teure Kleidungsstücke oder einen silbernen Zierring verkaufen wollen, ohne angezeigt zu werden.309 Von professionellen Hehlernetzen fehlt in Strasburg jede Spur. Vielmehr veräußerten die Diebe ihre Beute selbst, bevorzugt in einer der Nachbarstädte Pasewalk oder Prenzlau.310 Bei einem Teil dieser Diebstähle wird man wohl von situativen Taten ausgehen können, insbesondere dort, wo es sich um Mundraub handelte. Konkrete Anhaltspunkte zu Tatmotiven sucht man in den Quellen jedoch vergebens. Beliebte Diebstahlsplätze waren Gärten und Wiesen, von denen tagsüber Pferde weggeritten oder Ochsen und Kälber fortgetrieben wurden. Auf den Straßen umherlaufendes Vieh, wie Schweine oder Gänse, wurde aufgegriffen und selbst verzehrt oder verkauft, mitunter auch an Strasburger. Diese Vorgänge ließen sich über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg beobachten. Einer der ersten Urfehdebriefe betraf einen Kalbdiebstahl aus einem Garten und zum Ende des Untersuchungszeitraumes häufen sich Diebstähle von Pferden durch Soldaten. Hinweise zum Tatort liegen in 30 Fällen vor, wohingegen nur in 14 Sachverhalten etwas über die Tatzeit zu erfahren ist. Man darf demnach vermuten, dass die Art der Beute für die Bewertung des Sachverhalts bedeutsamer war. Tatorte waren in einigen Fällen verschlossene Räume. Ein solcher Einbruchsdiebstahl verlangte qualifiziertere Fähigkeiten, wenngleich die Vorgehensweise der Diebe in Strasburg wenig Professionalität erkennen lässt. Vertraut man den Aufzeichnungen zum Fall Peter Rulow, so scheint er ein Loch in eine Wand geschlagen zu haben, um sich Zutritt zur Kammer des Bürgermeisters Krupesack zu verschaffen. Achim Ricke dagegen zog es vor, Türverriegelungen gewaltsam zu öffnen. Als er einmal dabei ertappt wurde, verlor er seinen Hut und seinen Stock.311 Beide Utensilien entlarvten ihn als Täter. Insgesamt entsteht der Eindruck, als seien hier eher Amateure am Werk gewesen, was ihre Not unterstreicht.312 Einbruchsdiebstähle wurden vorwiegend nachts durchgeführt und im Schutz der Dunkelheit gelangten keine Lärm verursachenden Tiere, sondern Futter, Ge309 Vgl. Peters 2007, S. 308. 310 Strasburg, Nr. 975, Bl. 99f.; ebd., Nr. 1030. 311 Ebd., Nr. 1030. 312 Vgl. Peters 2007, S. 308; Schubert 2007, S. 196.

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treide, Lebensmittel und Kleidungsgegenstände in den fremden Gewahrsam.313 Herkunftsort der nachts agierenden Einbruchsdiebe war ausschließlich Strasburg, was darauf hindeuten könnte, dass die Nachtwächter nach Toresschluss verlässliche Arbeit leisteten. Es sei denn, sie waren selbst als Diebe aktiv, wie der Nachtwächter Andreas Gütling. Andreas Gütling gehörte 1595 zu drei Strasburger Dieben, die nachts in einem See des Adligen Achim von Fahrenholz heimlich gefischt hatten.314 Der Adlige zitierte die Diebe vor sein Gericht nach Lübbenow und verglich sich auf Vermittlung des Bürgermeisters Christian Wegener mit ihnen.315 Bei Wiederholung derselben Tat würden sie, so der Inhalt des Vergleiches, nicht nur mit einer Geldstrafe belegt werden, sondern hätten vor allem mit Gefängnishaft auf ihre Kosten zu rechnen.316 Hier darf vermutet werden, dass Andreas Gütling in seiner Eigenschaft als Nachtwächter den Ausgang aus der Stadt und den Fischdiebstahl317 ermöglicht hatte. Als er 1596 abermals bei einem Diebstahl ertappt wurde, war er seines „Amtes“ als Nachtwächter bereits enthoben.318 Aber auch hier kam er mit einem gütlichen Vergleich davon. Zwischenbetrachtung – Diebstahl

Strasburger Einwohner, eher der Unterschicht angehörend, bestahlen ihre Mitbürger oder auswärtige Dorfbewohner, bei denen es aufgrund ihres vermögenderen Status etwas zu entwenden gab. Im Gegensatz zu Forschungen der Eigentumsdelinquenz in größeren frühneuzeitlichen Städten, wonach die Mehrzahl der auf städtischem Territorium agierenden Diebe Fremde gewesen seien, waren es in Strasburg vielmehr ansässige Einwohner, die als Diebe in den Akten auftauchten. Als Interpretamente der Strasburger Diebstahlsfälle sowohl hinsichtlich der Täter als auch der Beute eignen sich in erster Linie Untersuchungsergebnisse zur länd­ lichen Eigentumskriminalität. Dies unterstreicht einmal mehr die Nahmarktfunktion und starke agrarische Prägung Strasburgs. Auch konnte das Bild von bedrohlichen, umherziehenden Räuberbanden, denen man anderenorts mit schärferen 313 314 315 316 317 318

Strasburg, Nr. 975, Bl. 67f., 91f., 99f.; ebd., Nr. 1021; ebd., Nr. 1030. Ebd., Nr. 1097, Bl. 15f. Vgl. hierzu ausführlicher S. 168f., bes. Anm. 23. Strasburg, Nr. 1097, Bl. 15f. Carolina, Art. 169. Insonderheit mit Andreas Gütlinge dem gewesenen Nachtwechter, Strasburg, Nr. 1097, Bl. 20.

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Maßnahmen begegnete, nicht bestätigt werden. Die Masse der angezeigten Strasburger Diebe waren ärmere Mitglieder des Kommunalverbandes, die gemeinschaftlich oder mehrmals gestohlen hatten. Vorrangig stahlen sie Vieh, Lebensmittel, Kleidung und landwirtschaftliche Produkte oder Arbeitsmittel. Luxusgüter, Geld oder Gegenstände, die mit dem städtischen Handwerk in Verbindung gebracht werden können, gelangten weitaus seltener in fremde Taschen. Insgesamt ist die angezeigte Diebstahlsquote von durchschnittlich einem Diebstahl in zwei Jahren als niedrig einzuschätzen, was darauf hindeutet, dass hier informelle Schlichtungen stark genutzt und akzeptiert wurden. 4.3.3. Moral

Zu den Vergehen oder Verbrechen gegen die Moral gehören im Strasburger Bestand Unzucht319 (einschließlich außereheliche Schwangerschaft, Ehebruch und entsprechenden Verdacht), Ungehorsam gegenüber dem Ehemann und Verführung Minderjähriger. Das Hauptaugenmerk richtet sich nachfolgend auf 35 Unzuchtsdelikte, zu denen elf Ehebrüche320 gehörten. 68 Personen wurden im Zeitraum von 1562 bis 1629 vor dem Rat wegen unehelichen Geschlechtsverkehrs angezeigt. Dass den 35 Unzuchtsdelikten hier nicht die doppelte Zahl angezeigter Personen gegenübersteht, ist mit dem Verhalten von zwei Frauen erklärbar: Eine Frau trieb mit zwei verschiedenen Männern Unzucht und eine andere gab 1629 vermutlich einen falschen Vater für ihr zu erwartendes Kind an. Ihrer Angabe, Ewald von Arnim sei der Kindsvater, schenkte der Rat keinen Glauben und verwies sie – ohne weiter nach dem Vater zu fahnden – der Stadt. Sie sei, so der Rat, eine soldat[en] hore.321 Unzucht gehörte zu den im 16. Jh. am stärksten kriminalisierten Delikten.322 Ernst Schubert fasste die anwachsenden policeylichen Ordnungsbestrebun319 Unzucht umschreibt in den untersuchten Strasburger Quellen ausschließlich sexuell abweichendes Verhalten. Nach Maßgebung der Rechten bedeutet Unzucht nichts anders, als die sonst so genannten fleischlichen Verbrechen […] oder eine jedwede fleischliche Vermischung, welche ausser einer rechtmäßigen Ehe geschiehet, und daher zu einem straffbaren Verbrechen wird, Zedler 49, Sp. 2573. Zu den Variationen des Unzuchtsdeliktes Günther 2000, S. 129. 320 Zum Ehebruch Carolina, Art. 120. 321 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 58. 322 Dülmen  1992, S.  247,  264ff.,  281; Frank  1995, S.  321; Scheutz  2001, S.  23;

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gen der territorialen und städtischen Obrigkeiten unter der „neuen Sittlichkeit“ zusammen.323 Dafür sei ein gestiegenes Normierungs- und Verfolgungsinteresse der Obrigkeit ursächlich gewesen. Moralisierende Strömungen setzten zwar bereits im Mittelalter ein;324 erhielten aber mit den Landes-, Polizei- und Kirchenordnungen eine neue Qualität.325 Ferner sieht die Forschung im Wandel des gemeinen Mannes zum „Untertan“ seiner Obrigkeit sowie in einem Weltbild, in dem individuelle Sünde für kollektives Unglück haftbar gemacht wurde,326 entscheidene Ursachen. Gott strafe, so die zeitgenössische Auffassung, das gesamte Gemeinwesen für ungestrafte Verfehlungen des Einzelnen.327 Der sich daraus ergebende Ordnungsanspruch der territorialen und lokalen Obrigkeiten ging einher mit der Übernahme ehemals geistlicher Sendgerichtskompetenzen durch die rathäusliche Strafgewalt. Die Überwachung der Sitten lag, wie anderenorts auch, vor der Reformation bereits in den Händen der Strasburger Ratsherren.328 Sie wurde dann im Zuge der Reformation als „Mischform staatlich-kirchlicher Gerichtsbarkeit im Rahmen der lutherischen Konsisto­rial­ verfassung“329 intensiviert. Ob es zu einer „Vermischung von Buß- und Straf­ zucht“330 kam und wenn ja, inwieweit sie die lokalobrigkeitliche Etikettierung und Strafzumessung neben dem Institut der Gnade beeinflusste, soll nicht Gegenstand dieser Arbeit sein. Ihre Verpflichtung,331 durch eingeben des leidig[en] satans332 verursachte Unzucht abzuwehren, resultierte auch bei der Strasburger Schubert 2007, S. 217f. 323 Schubert  2007, S.  217; vgl. auch Burghartz  1999, S.  25; Wettmann-Jungblut [ohne Jahr], S. 71. 324 Schuster 2000b, S. 118. 325 Gleixner 1994, S. 12; vgl. auch Hahn 1989, S. 140f. 326 Willoweit 2002a, S. 335ff., 346. 327 Ebd., S. 338. 328 Vgl. hierzu Punkt  6 der Gesetzten Ordnung der Stadt von 1515. Für Frankfurt am Main: Johann  2001, S.  214; Görlitz: Behrisch  2005, S.  208f.; allgemein: Dülmen  1992, S.  213; Neumann  2002, S.  175–180,  183; Schubert  2007, S.  219f.; Willoweit 2007, S. 55ff. 329 Schilling 1986, S. 171. 330 Ebd., S. 186, auch S. 190f. 331 Die ehe gebrochen. und dardurch also die gebott Gottes uberschritten habe, Strasburg, Nr. 975, Bl. 90; vgl. auch ebd., Bl. 115. Die Ehe galt als „gottgewollte Geschlechtsgemeinschaft“, HRG 2008, Sp. 1192; vgl. auch Burghartz 1999, S. 202f. 332 Strasburg, Nr. 975, Bl. 87; ähnlich ebd., Bl. 14, 111, 132; ebd., Nr. 976, Bl. 35, 52.

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Obrigkeit aus einem religiösen Selbstverständnis.333 So klagte die städtische Obrigkeit 1591 bei den Brandenburger Schöppen: zu berichten nicht unterlassen, welchergestalt das schentliche laster der hurerey und beyschlafens unter knechten und megden eine zeitlang hero alhier bey uns so gar gemeine worden, das wir demselben vast nicht genugsam wehren konnen.334 Eine Strasburger Hochphase der Verfolgung lag tatsächlich in den Jahren 1583–1591, in denen gut ein Drittel aller Anzeigen eingingen. Ein knappes weiteres Drittel schloss sich 1596–1600 an, sodass insgesamt in 18 Jahren gut zwei Drittel aller überlieferten Anzeigen erfolgten.335 Ob das beachtliche Strafverfolgungsinteresse des Rates und die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung mit den Krisenjahren der letzten Jahrzehnte des 16. Jhs. zusammenhingen, muss an dieser Stelle offen bleiben. Vielmehr sollen folgende Aspekte näher untersucht werden: 1. In welcher Beziehung standen die Unzuchtstreibenden zueinander? Geben Herkunft und Gesellschaftszugehörigkeit darüber Auskunft? 2. Wie erhielt der Rat Kenntnis von der Tat, da es vordergründig kein privates Strafverfolgungsinteresse gab? 3. Welche Sanktionen verhängte der Rat? Beziehung, Herkunft und Gesellschaftszugehörigkeit der Beteiligten

Zu 94 % der Täter geben die Quellen nähere Informationen über Herkunft und Gesellschaftszugehörigkeit. 88  % der Täter kamen aus Strasburg. Drei Personen (4 %) waren Fremde und bei fünf Personen blieb der Wohnort unbekannt. Von den Strasburgern gehörten 95  % der ansässigen Erwerbsschicht an, eine Person zählte zur Oberschicht (der Richter Martin Dewitz) und zwei Personen waren dem randständigen Milieu zuzurechnen. Es wird deutlich, dass – ebenso wie bei den Gewalttaten und beim Diebstahl – auch dieses Delikt in erster Linie von ansässigen Erwerbsgruppen begangen worden ist. Wenig ist über den Ursprung der jeweiligen Beziehung bekannt, da nur in 15 Sachverhalten Informationen über den Beruf, insbesondere über ein bestehendes Dienstverhältnis vorliegen. In sechs Sachverhalten überliefern die Quellen Geschlechtsverkehr in einem Abhängigkeitsverhältnis, das heißt, hier vollzog ent333 Günther 2000, S. 126; Behrisch 2005, S. 194f. 334 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 34, Bl. 476f. In der Heiligen Schrifft deutet Unzucht insgemein an alle schändliche Befleckung des Leibes, so auch wider die Natur geschicht […] Sie ist ein schändliches Laster, Zedler 49, Sp. 2579. 335 Vgl. Abb. 7 auf S. 267.

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weder der Dienstherr mit seiner Magd336 oder die Dienstherrin bzw. Meistertochter mit dem Knecht den Beischlaf.337 In zwei weiteren Fällen trieben Magd und Knecht in einem ranggleichen Verhältnis Unzucht miteinander,338 sodass sich die Wahrnehmung des Rates, Mägde und Knechte würden übermäßig untereinander Unzucht treiben, quantitativ nicht verifizieren ließ. Beiden überlieferten MagdKnecht-Beziehungen war ein Eheversprechen des Mannes vorausgegangen. In einem der Fälle gehörten die Beteiligten einem „ganzen Haus“ an und der die Ehe versprechende Mann war bereits anderweitig öffentlich verlobt, sodass sein Verhalten als Ehebruch gewertet wurde.339 Insgesamt waren die innerhalb der Unzuchtsdelikte dokumentierten Eheversprechen rar (9 %).340 Offizialdelikt – Wie erhielt der Rat Kenntnis?

Unzucht war ein Offizialdelikt,341 das der Rat zusammen mit dem kurfürstlichen Konsistorium in Berlin-Cölln zu ahnden hatte. Da nur bedingt private Güter betroffen waren, lag das Strafverfolgungsinteresse primär bei der Obrigkeit. Als öffentliches Delikt (delictum publicum)342 galt Unzucht als ein Verbrechen, das durch einen Legem publicum vindicirt wird; Oder solches, welches hauptsächlich […] gemeinen Wesen zu Schaden gereichet.343 Formal wäre der Ehebruch344 von der Unzucht noch insoweit zu unterscheiden, als es bei ersterem ein Strafverfolgungsinteresse des verletzten Ehepartners gab.345 Die rathäusliche Sanktionsins336 Strasburg, Nr. 975, Bl. 89, 117f. 337 Ebd., Bl.  14f.,  132 (Schneidermeistertochter mit Schneiderknecht); ebd., Nr.  976, Bl. 35; ebd., Nr. 1021 (Unzuchtsverdacht). 338 Ebd., Nr. 975, Bl. 115; ebd., Nr. 976, Bl. 52. 339 Ebd., Nr. 975, Bl. 115; ähnlich Dülmen 1992, S. 266; anders Gleixner 1994, S. 10f. 340 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 13 und 29; ebd., Nr. 975, Bl. 115; ebd., Nr. 976, Bl. 52f.; zu den Heiratsversprechen vgl. Schwerhoff 1991, S. 382ff., 393f.; Günther 2000, S. 132. 341 Gleixner 1994, S. 11f. 342 Zedler 7, Sp. 456. 343 Ebd. 344 Ehebruch, ist die Befleckung eines andern Ehe=Bettes, da eine eheliche Person des Bundes, welchen sie mit ihrem Ehegatten gemacht hat, muthwillig und freywillig vergisset, und an demselben untreu wird, indem sie entweder mit fremden Personen, sie mögen ehelich oder ledig seyn, sich fleischlich vermischet, oder ihnen mit Worten und Wercken etwas böses zumuthet, oder in ihrem Hertzen mit ihnen die Ehe bricht. (Zedler 8, Sp. 340f.). 345 Carolina, Art. 120.

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tanz trennte jedoch nicht zwischen den beiden Delikten.346 Ferner enthält der untersuchte Bestand lediglich eine Anzeige eines Ehemannes, obwohl elf Ehebrüche überliefert sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Rat überhaupt Kenntnis von einer begangenen Unzucht erlangte? Die rathäuslichen Informationsquellen waren verschiedener Natur: Hauptindiz war die Schwangerschaft der Frau, das im Grunde nur bei unverheirateten Frauen griff.347 Ferner erlangte der Rat über Geständnisse in anderen laufenden Inquisitionsverfahren Kenntnis und letztlich informierten ihn Anzeigen aus der Bevölkerung. Die Schwangerschaft einer unverheirateten Frau war ein untrügerischer Hinweis.348 In 57 % der vor den Rat gelangten Unzuchtsdelikte wurde die amtliche Strafverfolgung dadurch ausgelöst. Meist wurde die unverheiratete Frau vor den Rat zitiert mit der Frage, wer der Vater des Kindes sei.349 Wenn sie den Namen des Vaters nannte, was in der Mehrzahl der Fälle geschah, wurde der Mann verhört. Wie der Rat reagierte, sobald sich die Frau hartnäckig weigerte, den Namen des Kindvaters preiszugeben, muss aufgrund fehlender Informationen offen bleiben. Gab die Frau scheinbar abwegige Auskunft, wie Kone Häfemann, die den Adligen Ewald von Arnim der Vaterschaft bezichtigte, reagierte der Rat schroff mit einem Stadtverweis. Dieser Fall blieb jedoch singulär. War der angegebene Vater nicht geständig, nahm der Rat amtshalber Untersuchungen vor.350 Eine weitere Informationsquelle bildeten laufende Inquisitionsverfahren. Hier gerieten die Inquisiten durch Nachforschungen der Gegenpartei oder Diffamierungen Dritter in Unzuchtsverdacht.351 Mitunter legten sie ein freiwilliges 346 Vgl. hierzu CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 126f. (unpublizierter Landrechtsentwurf von 1594), in dem ebenfalls Unzucht zwischen zwei ledigen Personen unter „Straffe des Ehebruchs“ abgehandelt wurde. Vgl. zu diesem Aspekt auch Schubert 2007, S. 218ff. 347 Zur protestantischen Ethik gegen „untergeschobene“ Kinder Schnabel-Schüle 1997, S. 295. 348 Vgl. zu Methoden der Schwangerschaftsverhütung Burghartz 1999, S. 245ff.; Peters 2007, S. 288, Anm. 2. 349 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 22; ebd., Nr. 975, Bl. 89. 350 Ebd., Nr. 931, Bl. 130. 351 So im Fall des Drewes Henning, den sein Meister Matthias Bötzow im laufenden Totschlagsverfahren bezichtigte, mit seiner Frau Unzucht getrieben zu haben. Der Büttel Drewes Henning gestand dies nicht und augenscheinlich bestätigte sich dieser Verdacht nicht, da mit der Urfehde nur der Totschlag gesühnt wurde, Strasburg, Nr. 1021. Ähnlich war der Angriff des Zacharias Möllers gegen Martin Rulwitz konnotiert: Er lebet der ganzen gemeine zum ergernuß in offentlicher hurerÿe […] [und sei bereits,

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Geständnis ab, was in drei Fällen nachvollziehbar ist. Sämtliche auf diese Weise erlangten Informationen wurden von Männern gegeben und die so öffentlich gewordenen Unzuchtsfälle waren gleichzeitig Ehebrüche. Peter Kurtz, der mehrere Diebstähle begangen hatte, gestand im Inquisitionsprozess, Achim Fürradts Ehefrau geschwängert zu haben und wurde unter anderem auch deswegen mit dem Schwert zum Tode verurteilt.352 Es ist nicht überliefert, ob der Rat ex officio und amtshalber gegen die untreue Ehefrau vorging. Ebenso wenig ist bekannt, ob er wegen Ursula Friebe, die die Ehefrau von Caspar Giese war, aktiv wurde, nachdem der Dieb Franz Piverlingk die gemeinsame Unzucht freiwillig preisgab und Zeugen benannte. Hierin darf eine denunciatio durch Franz Piverlingk gesehen werden. Der Begriff „Denunziation“ wurde in der Frühen Neuzeit wertneutral verwendet und war nicht wie im heutigen Sprachgebrauch negativ konnotiert. Als Denunziation galt: eine Ankündigung, Anzeigung, Verkündigung, ingleichen die Angebung des Lasters bey der Obrigkeit, […] ����������������������������������������������� welche geschicht entweder durch ihre hierzu bestellte Diener und Kundschaffter, oder auch sonst von jemand, welcher sich mit dem Beweiß und übrigen Processe nicht beladen mag, sondern die Untersuchung und Bestrafung des angegebenen Verbrechens der Obrigkeit lediglich überläst.353 Im Hinblick auf Unzuchtsdelikte liegen derartige direkte Anzeigen zweimal vor.354 Als 1623 die Ehefrau des Stadtrichters Caspar Lebbin355 bemerkte, dass Achim Gremekow die Hintertür ihres Wohnhauses aufgebrochen hatte, um heimlich in die Kammer ihrer Magd Trine Blumenhagen zu gelangen, informierte sie den Nachtwächter, was zur Inhaftierung Achim Gremekows führte.356 Der Urfehdebrief lässt offen, ob eine Unzucht vorlag. Wahrscheinlich hat man den Beteiligten

352 353 354 355 356

E.F.] mit der huren auffgenommen und gefenchlich eingezogen worden, ebd., Nr. 1025. Weder eine Urfehde des Martin Rulwitz noch der Frau befinden sich im untersuchten Bestand, sodass hier wohl von Überlieferungslücken auszugehen ist, da Möller sich schwerlich durch offensichtliche Unwahrheiten selbst diskreditiert haben dürfte. Ebd., Nr. 1023. Zedler  7, Sp.  593; zu den frühneuzeitlichen Konnotationen Weber,  Matthias 2000, S. 586f. Vgl. ferner Schwerhoff 1991, S. 91; Krug-Richter 1997, S. 215; Mommertz 1997, S. 74f.; Bendlage 2003, S. 127ff. Strasburg, Nr. 976, Bl. 69, 119. Zum Richteramt des Caspar Lebbin, ebd., Nr. 931, Bl. 120. Ebd., Nr. 976, Bl. 119; dieser Quelle sind auch die folgenden Beschreibungen entnommen.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Unzuchtshandlungen nicht nachweisen können, sodass es beim Verdacht blieb. Es ist lediglich davon die Rede, Gremekow sei Trine Blumenhagen umb den hels gefall[en]. Vermutlich war eher die Art und Weise, wie sich Gremekow Zugang zum Haus verschaffte, kausal für die Anzeige.357 Ähnliche Beweggründe, die nicht unbedingt vorrangig im Unzuchtsdelikt gelegen haben müssen, wird man auch bei anderen Denunzianten vermuten dürfen.358 Wenngleich die anzeigenden Personen mit ihren Motiven im Verborgenen bleiben, so gilt die Vermutung, dass jenen acht Sachverhalten, in denen Stadtdiener oder Nachtwächter Paare „öffentlich“ ertappten,359 Hinweise aus der Bevölkerung vorausgegangen sein dürften. Diese Annahme resultiert aus der Erkenntnis, dass knapp die Hälfte aller Paare mehrmals, mitunter jahrelang Unzucht getrieben hatte,360 bevor eine Strafverfolgung einsetzte. Bisweilen zeugte ein Paar mehrere außereheliche Kinder.361 Die Bemerkung des Rates, man habe beiden Tätern vielfeltige gutliche geschene vorwarnunge[n]362 gegeben, stützt diese Annahme. Eine interessengeleitete Anzeige dürfte wohl auch dem spektakulärsten Unzuchtsfall in Strasburg vorausgegangen sein. In diesem gelangte der Richter Martin Dewitz 1585 ins Visier des Rates, weil er acht oder 14 Jahre zuvor – die Angaben schwanken hier – mit Margaretha Kantzow, einer Prenzlauerin, daselbst Unzucht getrieben und ein Kind gezeugt haben sollte. Ob Martin Dewitz ebenfalls zum Rat gehörte, konnte nicht ermittelt werden; ist aber angesichts der Praxis, Richtern gleichzeitig das Bürgermeisteramt zu übertragen, zu vermuten. Martin Dewitz scheint ein Ortsfremder im Richteramt gewesen zu sein, da vor und nach ihm Vertreter der Familie Lebbin das Amt wahrnahmen und der Familien357 Vgl. hierzu Weber, Matthias 2000, S. 589. 358 Fuchs  1999, S.  241. Zur Pflicht der Bürger aufgrund ihres Bürgereides bestimmte Delikte, wozu Unzucht zählte, bei der Obrigkeit anzuzeigen Weber,  Matthias 2000, S. 591, 596, 600f. 359 Entlichen offentlichen betroffen, Strasburg, Nr. 976, Bl. 92.; ähnlich Bl. 56, 63; ebd., Nr. 975, Bl. 87, 93. „Öffentlich“ bedeutet in diesem Kontext „offenbar“, im Sinne von „erwiesen“, Johann 2001, S. 216. 360 Strasburg, Nr.  976, Bl.  35,  52; ähnlich ebd., Nr.  975, Bl.  111; ebd., Nr.  1023; ebd., Nr. 1097, Bl. 13. 361 Ebd., Nr. 976, Bl. 52, 79. Für Köln wies Schwerhoff jahre-, bisweilen jahrzehntelange illegitime Beziehungen nach, denen Kinder entstammten (Schwerhoff 1991, S. 378). 362 Strasburg, Nr. 976, Bl. 56.

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name Dewitz ansonsten in den Schossregistern des 16. Jhs. nicht überliefert ist. Weshalb und unter welchen Umständen er vom Kurfürsten eingesetzt wurde, muss offen bleiben. Ebenso ließ sich der tatsächliche Beweggrund für das mit mehrjähriger Verspätung eingeleitete Inquisitionsverfahren nicht ermitteln. Aus einem Schreiben der adligen Ehefrau des Richters, Barbara von Brinkendorf, wird ersichtlich, dass dem Verfahren wohl rathäusliche Unstimmigkeiten bezüglich der Akzise363 vorausgegangen waren. So sei wegen der Ziese […] einn alten haß, neidt und wiederwillen364 für das rigorose Vorgehen des Rates ursächlich gewesen. Bei allem Vorbehalt gegenüber zielgerichteten Verleumdungen der Gegenpartei, scheinen die Ausführungen der Ehefrau insoweit plausibel gewesen zu sein, als sie kurfürstliche Ermahnungen gegenüber dem Rat auslösten. So nutzte der Rat die ihm zur Verfügung stehenden inquisitorischen Instrumente im eigenen Interesse wohl sehr intensiv: weil das Urtheil, so Ihr uber gemelt[en] Richter holenn lassenn, Ihme keine Leibsstrafe zuerkandt, das Ihr mit Ihme also geschwinde hettet sollenn vorfahrenn, unnd Ihnn in einem sogar bosenn unnd beschwerlichen gefengnuß legen, Begern derowegenn hirmit ernstlich befelende. Ihr wollet Ihnn der beschwer­ lichenn bande unnd gefengknus alßbaldt unnd unvorzuglich endleddigenn.365 Vermutlich entzog der Kurfürst Martin Dewitz infolge seines Fehlverhaltens das Amt, denn für 1593 ist in den Akten wieder ein Vertreter der Familie Lebbin im Richteramt überliefert. Aus rathäuslicher Sicht dürfte damit das eigene Vorgehen als erfolgreich bewertet worden sein. Womöglich hatte Dewitz die Stadt auch verlassen, denn im Schossregister von 1607 taucht sein Name nicht mehr auf.366 Was sich letztendlich hinter der Ratskulisse abspielte, bleibt heute verborgen. Für die Fragestellung der Arbeit ist allein die Tatsache interessant, dass dieses peinliche Strafverfahren vom Rat mit einiger Wahrscheinlichkeit interessengeleitet ex officio instrumentalisiert worden war.367 Der Rat hatte scheinbar keine Scheu, unliebsame Konkurrenten mittels Inquisitionsprozesses auszuschalten. 363 Die Akzise war eine sogenannte Verbrauchssteuer, insbesondere für Wein- und Bierverzehr, LMA 1, Sp. 261. 364 Strasburg, Nr. 1018. 365 Ebd. 366 Ebd., Nr. 144. 367 An dieser Stelle kann im Hinblick auf die übergeordnete Fragestellung nach dem Zusammenwirken formeller und informeller Sozialkontrolle nicht näher auf diesen Pro-

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Insgesamt umfassen die von den Strasburgern ausgelösten Anzeigen der Unzuchttreibenden ein knappes Drittel der rathäuslichen Informationsquellen. Zwei Anzeigen sind aufgrund der namentlichen Nennung nachweisbar und acht Anzeigen dürfen aus dem Kontext vermutet werden. So darf abschließend die aus der Strasburger Gesellschaft resultierende Anzeigenrate als niedrig eingeschätzt werden. Damit standen die Strasburger, den rathäuslichen Bestrebungen, „das schändliche Unzuchtslaster abzuwehren“, eher zurückhaltend gegenüber.368 Allzu oft provozierten die Täter das obrigkeitliche Eingreifen selbst, indem sie entweder Kinder zeugten oder anderweitig kriminell handelten. Wie nun aber bestrafte der Rat Unzuchtsdelikte? Sanktionen des Rates

Unzucht in der verwerflichsten Form, wie Notzucht oder Inzest, konnte normativ mit dem Schwert bestraft werden. Ebenso, wenn zwei nicht miteinander Verheiratete außerehelichen Geschlechtsverkehr hatten, ein lediger Mann mit einer verheirateten Frau den Beischlaf vollzog369 oder eine verheiratete Frau mehrmals unzüchtig verkehrte.370 In allen 35 Strasburger Unzuchtsfällen sind Informationen zur verhängten Strafe überliefert, einerseits weil drei  Viertel der Konflikte mit Urfehdeeiden beendet wurden und dadurch bekannt ist, dass mindestens einer der Beteiligten inhaftiert worden war. Zum anderen enthalten die Briefe, aber auch die Akten präzisere Angaben zu den Strafen. In einem Fall wurde die Todesstrafe gegen einen Mann verhängt, der mit einer verheirateten Frau Unzucht getrieben und sie geschwängert hatte. Für dieses Urteil dürften allerdings die vom Täter ebenfalls begangenen Diebstähle mit ursächlich gewesen sein.371 Eine Vermählung der Unzuchtspartner miteinander, die

368 369 370 371

zess eingegangen werden. Vgl. zu politisch motivierten förmlichen Rechtsverfahren den Überblick bei Andermann 1998, S. 45f. Zur ablehnenden Haltung gegenüber der strafenden Obrigkeit (unabhängig vom Delikt) vgl. den Befund in Basel: Hagemann 1981, S. 318; allgemein: Dinges 2000, S. 522; Schwerhoff 2000, S. 44. Voraussetzung war, dass „einer der beiden Partner verheiratet war“ (Günther 2000, S. 139 – mit Verweis auf die Frankfurter Policeyordnungen). CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 127; zu Todesstrafen in Sexualdelikten Günther 2000, S. 125. Strasburg, Nr. 1023.

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 153

die Beziehung im Nachhinein legalisierte, akzeptierte der Rat in acht Fällen.372 Inwiefern diesen Beziehungen Eheversprechen vorausgingen, lassen die Akten offen. Die Rückkehr nach vollzogenem Stadtverweis war in einem Fall an den gemeinsamen Bund der Ehe geknüpft. Mitunter wurden diesen Parteien über das Vermählungsgebot hinaus zusätzlich Geldstrafen auferlegt. Nur in ca. einem  Drittel der Fälle (12 von 35) verhängte der Rat für beide Beteiligten gleiche Strafen, wie den Stadtverweis (sechsmal), eine Geldzahlung (dreimal) oder keine weiteren Sanktionen (dreimal) nach der Haftentlassung. In 23 Unzuchtsfällen verhängte der Rat unterschiedliche Strafen für die Beteiligten.373 Hier scheinen neben den Tatumständen374 persönliche und soziale Kriterien für die abweichende Strafbemessung ausschlaggebend gewesen zu sein. Es entsteht der Eindruck, als seien die Männer quantitativ gesehen empfindlicher bestraft worden als ihre Partnerinnen. In 15 Fällen verhängte der Rat gegenüber den männlichen Unzuchtstätern Gefängnis- und/oder Geldstrafen, wohingegen die weiblichen Beteiligten entweder nur in Haft gelangten oder gar nicht belangt wurden. Vielleicht war in diesen Fällen die männliche Seite Verursacher oder Beförderer des illegitimen Umgangs gewesen, ohne allerdings eine aktive Mitschuld der Frauen ausschließen zu können.375 Gelegentlich gingen den Beziehungen – wie bereits erwähnt – Eheversprechen voraus, wie bei Achim Milow und Anna Umblauf, geboren in Blumenhagen. Aufgrund aller andern zuspruche,376 die Milow der geschwängerten Frau gegeben, und die eheliche zusage,377 die er nicht eingehalten hatte, handelten die Brüder der Anna mit ihm 1599 einen Vergleich aus.378 Er hatte ihr 50 Gulden zu zahlen und für die gemeinsame Tochter sechs 372 Dies deckte sich mit der obrigkeitlichen Rechtsauffassung der Zeit, CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 126f.; vgl. Schubert 2007, S. 221. 373 Dieses Vorgehen entsprach normativen Zielsetzungen, CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 126f., und ist auch in anderen Städten zu beobachten. Für das spätmittelalterliche Konstanz: Schuster 2000b, S. 115f.; für Görlitz: Behrisch 2005, S. 213, 221. 374 Sie waren dem zeitgenössischen Rechtsverständnis entsprechend zu werten, CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 126ff. 375 Untern fuss gebracht und geschwengert, BLHA Potsdam, Rep.  4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 41, Bl. 493; ähnlich Strasburg, Nr. 975, Bl. 66; ebd., Nr. 976, Bl. 52; ebd., Nr. 1097, Bl. 29. 376 Ebd., Nr. 1097, Bl. 29. 377 Ebd., Bl. 13. 378 Zur Verhandlungsführung von Brüdern in Eheangelegenheiten vgl. das kurze Beispiel bei Schwerhoff 1991, S. 381.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Gulden, sozusagen als Unterhalt. Für den Fall, dass Anna Umblauf das Mädchen nicht bei sich behalten wolle, verpflichtete sich Achim Milow, es aufzuziehen. Und wo ers selber nicht benötiget[, werde er es, E.F.] bey andern leuten zu dinste bring[en].379 In acht Unzuchtsfällen hingegen wurden härtere Strafen gegenüber der weiblichen Seite verhängt. Hinsichtlich der Art der Strafe deutet sich allerdings gegenüber den 15 soeben angesprochenen härter bestraften Männern ein qualitativer Unterschied an: Fünf der acht Täterinnen sind allein der Stadt verwiesen worden; wohingegen kein Mann die Strasburger Gemeinschaft einzeln verlassen musste. Darin lassen sich weniger geschlechtsspezifische Strafzumessungen ablesen als vielmehr aus der Herkunft und dem sozialem Status der Frauen resultierende Entscheidungen. Zudem mochte es dem Rat wichtiger erschienen sein, die näheren Tatumstände zu berücksichtigen,380 die uns im Nachhinein verborgen bleiben. Einzelanalysen der Frauen verdeutlichen diese Vermutung. Kone Häfemanns besaß wohl von allen allein verwiesenen Frauen das geringste soziale Kapital, da sie ohne Gerichtsverfahren, Urfehdeeid und Absicherung der Stadt verwiesen wurde. Offensichtlich besaß sie keinerlei familiäre Anbindung, aus der heraus gegen den Bescheid des Rates Interventionen zu erwarten waren. Gerta Fischer war Magd bei Jürgen Bartes, mit dem sie Unzucht getrieben hatte und ihre Familie lebte in Cölpin (21 km westlich von Strasburg im Herzogtum Mecklenburg).381 Ähnlich gering dürfte der soziale Rückhalt bei Dorothea Werlang gewesen sein. Weder ist bekannt, bei wem sie lebte, noch ist zu erfahren, woher sie stammte. Für beide letztgenannten Frauen legten weder Familienangehörige Fürbitte ein noch vermochten sie, Bürgen zu stellen. Anna Schultze, der vierte derartige Fall, war in Mildenitz geboren und es ist zu vermuten, dass sie als Magd in einem Strasburger Haushalt lebte, da sie von Hans Busehol, einem alteingesessenen Strasburger,382 zweimal ein Kind erwartete und 1606 vielmahl

379 380 381 382

Strasburg, Nr. 1097, Bl. 29. CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 126f. Strasburg, Nr. 975, Bl. 90. 1607 im Altstädter Viertel ansässig; ferner werden im gleichen Register die Verwandten Achim und Franz Busehol genannt, Strasburg, Nr. 144; im Osterschossregister von 1568 begegnen Achim und die Witwe eines Jürgen Busehol, Strasburg, Nr.  143, Bl. 6, 8f.; 1514 war ein Achim Busehol an der Greifswalder Universität immatrikuliert (Lippert 1996, S. 80).

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 155

fleischliche […] vermischunge getrieben hatte.383 Die einzige alteingesessene Strasburgerin, die man allein der Stadt verwies, war Achim Schumanns Tochter Christina.384 Sie hatte jedoch am helllichten Tage mit einem Knecht im Graben „Hurerei begangen“ und damit besonders verwerflich gehandelt, sodass der Rat ihr ähnlich wie Kone Häfemann ohne Verfahren und Urfehdeeid beschied, sich binnen 2. tage auß der stadt zumachen.385 Hierin darf – ebenso wie bei der Bewertung der Körper- und Eigentumsdelikte – ein „zweigleisiges Strafrecht“ des Rates gesehen werden, das eher härter gegen verwerflich agierende und fremde Täter verfuhr. Einheimische scheinen hingegen bis zu einem tolerierten Verbrechensgrad verschont worden zu sein, solange man ihnen noch gewisse Resozialisierungschancen zubilligte.386 Diese Annahme wird bei näherer Betrachtung der Strasburgerin Engel Bollentin gestärkt. Sie war die Tochter von Thomas Cammin, der im Jüteritzer Viertel ansässig war.387 1590 hatte sie mit Andreas Krechlendorf, dem Tuchmacher, der daraufhin sein Amt verlor,388 und 1599 mit Andreas Lindthorst Unzucht getrieben. Andreas Lindthorst war bereits 1596 kriminell aufgefallen und für zwei Jahre der Stadt verwiesen worden.389 Offenbar war er nach Strasburg zurückgekehrt und hatte nun – wenngleich der Rat keinen Bezug zu seinen früheren Taten herstellte – erneut gegen den städtischen Frieden gehandelt.390 Engel Bollentin wurde im Gegensatz zu den fremden Mägden nicht der Stadt verwiesen,391 sondern inso383 384 385 386 387 388 389 390

391

Strasburg, Nr. 976, Bl. 79. Für 1627 ist Achim Schumann im Altstädter Viertel greifbar, ebd., Nr. 144. Ebd., Nr. 1099, Bl. 55. Vgl. zur Berücksichtigung des Status der Beschuldigten in Ehebruchsachen Schnabel-Schüle 1997, S. 299; zur selektiven Ahndung des Ehebruchs durch das soziale Umfeld Schwerhoff 1991, S. 387f. Ostern 1580, Strasburg, Nr. 143, Bl. 136, und Crucis 1581, ebd., Bl. 260. Da sie einen anderen Namen trug, dürfte sie eine Stieftochter gewesen sein. Ähnliches Beispiel: Neumann 2002, S. 169; gerichtlich erstrittene Wiederzulassungen bei Dülmen 1999, S. 49f.; vgl. auch Behrisch 2005, S. 222f. Vgl. hierzu S. 123. Dass es sich um ein- und denselben Andreas Lindthorst handelt, kann anhand von zwei Bürgen geschlossen werden, die an seinen Urfehdeeiden beteiligt waren. In allen drei Briefen verbürgte sich jeweils Andreas Milow für ihn – 1596 zweimal Andreas Mylow senior (Strasburg, Nr. 976, Bl. 30 und 32) und 1599 Andreas Mylow der Junger (ebd., Bl. 69), der höchstwahrscheinlich ein naher Verwandter des Älteren, sicherlich sein Sohn, war. Vgl. zur „brenzligen Situation“ von Mägden in der fremden Stadt Schwerhoff 1991,

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

weit begnadigt, als dass sie ihren Partner Andreas Lindthorst heiraten konnte. Auch musste sie keine sonstige Geldstrafe entrichten oder Bürgen stellen.392 Zwischenbetrachtung – Moral

Insgesamt ging es dem Rat bei der Durchsetzung des öffentlichen Ordnungsanspruches bei Sittendelikten im Normalfall – die Tat des Richters Dewitz bildete eine interessengeleitete Ausnahme – weniger um die Bestrafung der Täter und Täterinnen an Leib und Leben als vielmehr um die Vermeidung aufsehenerregenden Ärgernisses. Eine gesellschaftliche Stigmatisierung sexuell deviant lebender Männer und Frauen erfolgte grundsätzlich nicht umgehend, sondern sexuell abweichendes Verhalten wurde in Strasburg bis zu einem gewissen Grad toleriert. Sobald die Sittenbrüche sowohl qualitativ als auch quantitativ das sittlich Erträgliche überschritten, sanktionierte der Rat formell. Dies deckt sich mit den zu den Gewalt- und Eigentumsdelikten gewonnenen Erkenntnissen. Wie dort, wurde auch im Rahmen der Sittlichkeitsdelikte eher eine restitutive Wahrnehmung der rathäuslichen Sanktionskompetenz gegenüber „normalen Einheimischen“ und eine verstärkte Kontrolle von Mehrfach- und Intensivabweichlern erkennbar. Die Ahndung sexueller Devianz verdichtete sich in Strasburg zu formellen Sanktionen in erster Linie dann, wenn das illegal lebende Paar indiskret agierte. Schwangerschaften waren dann ein vom Rat nicht mehr zu ignorierendes Indiz. Die Gefahr der Entdeckung bestand auch, wenn sich ein Partner anderweitig kriminell verhielt. Die geringe Bereitschaft der Strasburger, ihre Mitbewohner anzuzeigen, war dem Rat allzu bewusst. Anderenfalls hätte es des erwähnten rathäuslichen Stoßseufzers393 gegenüber den Brandenburger Schöppen wohl nicht bedurft. 4.3.4. Obrigkeitliche Gerichts- und Herrschaftsrechte

Zu den Delikten gegen die Obrigkeit oder die Allgemeinheit zählen in Strasburg Befehdung (einschließlich vorsätzliche Brandstiftung zu diesem Zweck), Drohworte zum Zweck der Befehdung, Körperverletzung gegenüber Ratsmitgliedern

S. 391f. 392 Strasburg, Nr. 976, Bl. 70. 393 Vgl. oben S. 146.

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während ihrer Amtsausübung, Opposition der Bürgergemeinde, Scheltworte gegen den Rat oder seine Mitglieder, Diebstahl von Allmendegut, unerlaubte Beherbergung, unerlaubte Trauung und fahrlässige Brandstiftung. Die genannten Delikte umfassen im Bestand insgesamt 39 Sachverhalte. Daran waren 50 Täter beteiligt, von denen 80 % aus Strasburg stammten, 18 % waren Fremde und von 2 % blieb die Herkunft unbekannt. 86 % der Täter waren Männer und 14 % weiblichen Geschlechts. Drei Frauen agierten allein gegen die Obrigkeit oder die Allgemeinheit. Sie äußerten entweder Scheltworte gegenüber dem Rat, beherbergten unerwünschte Fremde oder verursachten fahrlässig einen kleinen Brand. Ansonsten agierten Frauen entweder zusammen mit ihrem rechtmäßigen Ehemann gegen den Rat oder gingen unerlaubte Ehen ein. Insgesamt blieb der weibliche Bevölkerungsanteil auch hier unterrepräsentiert. Das Rathaus galt als ein privilegierter Ort394 und Sonderfriedensbereich innerhalb der Stadt.395 Zu den Ratssitzungen war der Zugang verwehrt396 und Unmut durfte nur über die Ältesten oder Viertelherren geäußert werden.397 Im Ratszimmer unbefugt innerhalb einer Verhandlung Missbehagen zu äußern, den Rat zu schelten oder gar „mit der Faust auf den Tisch zu schlagen“,398 wurde umgehend geahndet. Derartiges Verhalten, insbesondere im Rahmen von Verhören durchgeführte Verbalattacken von Angeklagten, schlugen sich quantitativ am stärksten nieder (44 % aller Delikte gegen die Obrigkeit).

394 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 26ff. 395 Schwerhoff 1991, S. 267f. 396 Des ich ohne Citation […] und Verursachen des E[hr]b.[aren] Rhatts vorsatzlich und muthwillig in des Rhatts stuben gekommen, Strasburg, Nr. 976, Bl. 123. 397 Ebd., Nr. 934. 398 Ich mich gegen einen E[h]rb.[aren] Rathe gantz muthwillig mit Schlahung uff den tisch und gar ungestimen worten erzeiget, und derselben nicht gebuhrlich alß obrigkeit respectirt, deswegen ich in gefengkliche haft genomen und eine einige Nachtt gehaltten, ebd., Nr. 976, Bl. 122.

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Qualitativ bedeutsamer waren dagegen Befehdungen,399 die dem Rat existenzielle Sorgen bereiteten.400 Sei jemand straffällig geworden und habe die Strafe zu erlegen – so die Beschwerde des Rates an den Kurfürsten 1622 –, würden die Leute lieber austreten und der Rat müsse sich wegen der vielfeltig[en] brandt­ schad[en] in acht neme[n].401 Im untersuchten Bestand ließen sich sieben Sachverhalte nachweisen, in denen entweder Fehdebriefe versandt wurden oder verbal gedroht wurde, insbesondere auch die Anzündung der Stadt angekündigt wurde.402 Derartige Drohungen, vor allem versandte Fehdebriefe, signalisierten Feindschaft von äußerster Brisanz, deren Realisierung mit dem Tod von Mensch und Tier auf beiden Seiten enden konnte. Fehdebriefe, so die Definition einer unpublizierten Landesordnung von 1574, waren Schreiben, in denen der Fehdeführer vom Befehdeten außerhalb des Rechtsweges den Ausgleich zu von ihm gesetzten Bedingungen unter Androhung von Gewalt forderte.403 Hierbei ist – wie für das Mittelalter auch – zwi399 Frühneuzeitliche Fehde wurde gemäß der unpublizierten Landesordnung von 1574 folgendermaßen definiert: Nachdehme die Leutte hin unnd wieder sehr mutwilligk wordenn, Und aus liederlichen Uhrsachenn, zue weilenn auch ghar unbillicher zuespruche halbenn drawenn, austrettenn unnd Fehdesbreife schreibenn, unnd domit Ihre wiedertheil Ihres eigenes gefallens, zue untzimblicher vorgleichung und Abtragk zwingen wollenn, CCM 6, Abt. 3, Nr. 2, Sp. 53; ähnlich CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 130 (1594). „Unter 'Fehde' versteht man die gewaltsame, aber regelgebundene rechtliche Selbsthilfe.“ (Reinle 2007, S. 88). „Selbsthilfe“ wird von Reinle nicht als juristischer Terminus technicus mit der heutigen Bedeutung benutzt, sondern im Sinne von Handeln in eigener Regie und in eigener Initiative, um eine selbstbestimmte und den eigenen Interessen gehorchende Konfliktlösung herbeizuführen, so wie bereits Otto Brunner die Selbsthilfe definierte und dieser Terminus in der allgemeinen Fehdeforschung Anwendung findet. In dieser Konnotation wird der Begriff auch in der vorliegenden Untersuchung verwendet. 400 1615 schrieb der Rat sinngemäß „bereits viermal sei die Stadt abgebrannt und am 4. Juni diesen Jahres wäre an der Rathaustür wieder ein Brandbrief gefunden worden“, Strasburg, Nr. 1020. 1593 wies der Rat den Kurfürsten darauf hin, da: die gebeuden mehrenteils mit Rohr gedecket [seien, sei man, E.F.], ob diesen bedrawlichen schreiben ganz hochlich bestürzt, ebd., Nr. 1023. 401 Ebd., Nr. 934. 402 Ebd.; ferner ebd., Nr. 976, Bl. 116; ebd., Nr. 1099, Bl. 26ff.; ebd., Nr. 1023; BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 395ff. 403 Unnd sollen vor Fehdesbriefe verstanden werdenn, wan einner schreibenn lessett, man solle sich mitt Ihme vortragenn, oder ehr wolle dies oder das thuen, wan sich dasselbe nicht auff rechtliche suenung, Sondern auff tedtliche Handtlunge zeuhett, CCM  6,

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schen rechter und unrechter Fehde zu unterscheiden. Beide Fehdeformen waren im 16.  Jh. kriminalisiert worden,404 wobei der unrechtmäßige Fehdeführer als Landzwinger405 mit dem Schwert vom Leben zum Tode gerichtet werden sollte und der rechtmäßige nicht peinlich zu bestrafen war. Vielmehr sei sein Fall von Rechtsgelehrten zu verhandeln.406 Vergleicht man die normativen Texte, fällt auf, dass insgesamt das Verlassen des Rechtsweges, das der Fehdeansage vorausging, im Vordergrund stand.407 Sowohl der starke Bezug zum formellen Sanktionssystem als auch die durch den ausgetretenen Stadtmeier 1602 verursachte Feuersbrunst, in deren Folge 75 % der Strasburger Bausubstanz zerstört wurde, waren ausschlaggebend dafür, im Folgenden die spärlichen Hinweise zum frühneuzeitlichen Fehdewesen näher zu betrachten. Forschungsüberblick zur Fehde

Dass auch im Mittelalter Fehdehandlungen nicht auf den Adelsstand beschränkt blieben, wiesen unlängst neben anderen Christine Reinle,408 Monika Mommertz409 und Jan Peters410 nach. Christine Reinle untersuchte in ihrer Habilitationsschrift Fehden Nichtadliger, insbesondere im spätmittelalterlichen Bayern und reihte sich explizit in die Brunnersche Tradition ein. Otto Brunner hatte die Ritterfehde411 als ein zur Rechtspraxis gehörendes Instrument legitimer Selbsthilfe gedeutet, aber auch auf bürgerliche und bäuerliche Fehdeführung

Abt. 3, Nr. 2, Sp. 54; ähnlich CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 131. 404 Carolina, Art. 128f., und PHGO 1582, Art. 155f. 405 So sei das Handeln als Zwinger […] feindliche Bevehdungen und absager In Rechten […] beÿ hoher Strafe verboten, Strasburg, Nr. 1023. 406 Carolina, Art. 128, und PHGO 1582, Art. 155. 407 Wir aber in unserm Lande Godtlob Gericht und Recht habenn, dadurch einen Jedenn wotzue ehr befuegett, wol gehulffen werden kann, sodass es außergerichtlichen Konfliktaustrages nicht bedürfe, CCM 6, Abt. 3, Nr. 2, Sp. 54; ähnlich CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 130. Zum „(quasi-)rechtlichen Stellenwert“ der Fehde Nichtadliger Reinle 2003, S. 297. Zur Selbsthilfe nach gescheiterten Gerichtsverfahren siehe das Beispiel Nr. 2 bei Thieme 2007, S. 79f. 408 Reinle 2003; Reinle 2007. 409 Mommertz 1997, S. 343–385; Mommertz 2003. 410 Peters 2000. 411 Zu spätmittelalterlichen Ritterfehden gegen die Reichsstadt Nürnberg unlängst Vogel 1998.

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aufmerksam gemacht.412 Hier setzte Reinle an und wandte sich unmissverständlich gegen Gadi Algazi, der durch „plakative Thesen“, die Ritterfehden gegen Brunner gerichtet „als Mittel der Herren zur Unterdrückung der Bauern interpretierte“.413 Sie wies nach, dass auch Nichtadlige waffenfähig und entgegen der bis dahin vorherrschenden Ansicht zudem fehdefähig waren und ebenso wie die Adligen die Fehde als außergerichtliches, oftmals gewaltsames, subsidiäres Rechtsinstrument zur Durchsetzung der eigenen Ansprüche und Interessen einsetzten. Derartige Fehden Nichtadliger hielten sich bis in das 17. Jh.,414 obgleich sie „mit fortschreitender Ausdifferenzierung des frühmodernen Staates und seines Herrschaftsapparates zunehmend dysfunktional werden musste[n].“415 Bis dahin waren die Fehden – so die These von Jan Peters – für die Obrigkeit „ein übermächtiges Problem“416 „von großer Ernsthaftigkeit“.417 Peters verwandte dafür eine von ihm geschaffene Begriffskonstruktion: die „Leute-Fehde“. Den Terminus „Leute“ gebrauchte er als Sammelbecken für „Bauern, Handwerker und auch Gesinde“.418 Betrachtet man die zeitgenössischen normativen Quellen genauer, scheint es, als sei eine Beschränkung auf bestimmte soziale Gruppen nicht intendiert gewesen.419 Da die für Strasburg vorliegenden Fehden einerseits aus dem Bürgerverband ausgetretene Personen, aber andererseits auch Ortsfremde auslösten, deren soziale Zugehörigkeit offen blieb, wird nachfolgend der von Reinle verwendete Begriff „Fehden Nichtadliger“ zugrunde gelegt. Die nachfolgende 412 Brunner 1990, S. 65–73; vgl. Reinle 2003, S. 344; Reinle 2007, S. 88. Zum Begriff „Selbsthilfe“ siehe oben Anm. 399, S. 158. 413 Rösener 2005, S. 446. 414 Enders 2000d, S. 290f.; Mommertz 1997, S. 382. 415 Reinle 2007, S. 87; ähnlich Thieme 2007, S. 77. 416 Peters 2000, S. 67. 417 Ebd., S. 69; Peters 2007, S. 313. 418 Peters 2000, S. 71. Den Terminus „Leute“ entlehnte er einer unpublizierten Landesordnung von 1574 (CCM 6, Abt. 3, Nr. 2, Sp. 53f.). Auch die Landesordnung von 1594 (CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 130f.), die Carolina, Art. 128f., und die PHGO 1582, Art. 155f., verwenden den Begriff „Leute“. Die Wortschöpfung „Leute-Fehde“ scheint – so Peters – „in seiner Verknüpfung zwischen zeitgenössischer Wortbildung, obrigkeitlicher Diktion und sozialer Zuweisung ein gut handhabbarer Begriff zu sein“, Peters 2000, S. 63, Anm. 5; vgl. zu den „Leute-Fehden“ auch die instruktiven Beispiele und Ausführungen in Peters 2007, S. 310ff. 419 Vgl. dazu auch Mommertz 1997, S. 380.

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Analyse beschränkt sich auf zwei (1592420 und 1602421) durch Zeugenverhöre, Sachverhaltsberichte, Rechtsbelehrungen und auch Briefe umfangreicher überlieferte Fehden. Soziale Stellung und Verlassen des Rechtsweges

Einer der Befehder war der Tuchmacher Andreas Krechlendorf, der aufgrund unehrenhaften Verhaltens422 aus der Tuchmacherzunft ausgeschlossen worden war und sich fortan in der Walkmühle verdingte. Nachdem ihm ein Budenbewohner des Strasburger Bürgers Simon Bartelt einen Mantel gestohlen hatte und er dies dem Rat klagte und forderte, Simon Bartelt wegen unerlaubter Beherbergung Fremder zu bestrafen, kam es zu einer folgenschweren Auseinandersetzung. Krechlendorfs Klage und Beweise gegen Bartelt wurden vom Rat als nicht begründet eingeschätzt, sodass er als Selbstbürge in Haft genommen werden sollte. Dem entzog er sich, indem er all sein Hab und Gut veräußerte, aus der Bürgergemeinde austrat, die Stadt befehdend verließ und – vermutlich aus der Mittelschicht kommend – in die Randständigkeit absank. Fortan zitierte er seinen Kontrahenten Simon Bartelt außerhalb des Strasburger Gerichts an von ihm vorgeschlagene „neutrale“ Orte und forderte ihn auf, das ehr sich mit mir vorgeliche unnd abfinde.423 Als ehemaliger handtwerkes mhan derart in eine Randlage gedrängt, wechselte Krechlendorf mit seinem Weibe unnd armen kleinen kindern beständig die Aufenthaltsorte und ließ durch „guter Leute Hilfe“ die Briefe verfassen.424 Einhelliger Tenor der Briefe war, Bartelt solle den durch ihn verursachten Schaden, den Krechlendorf mit mehreren hundert Talern bezifferte, begleichen. Bartelt hingegen verwies Krechlendorf hartnäckig auf den Rechtsweg, worauf letzterer antwortete: In Einen Process Ein[zu, E.F.]lassenn binn Ich mit nichten bedacht, danne ehr [Bartelt, E.F.] hette mer phennige alse Ich.425 Letztendlich wurde Krechlendorf in

420 Strasburg, Nr. 1023. 421 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 395ff. 422 Er war unter anderem wegen Körperverletzung vor Gericht und konnte das hohe Strafgeld nicht begleichen. Ferner beging er Unzucht und schwor deswegen nach der Haftentlassung Urfehde, Strasburg, Nr. 1023. 423 Strasburg, Nr. 1023; auch für die nachfolgenden Zitate. Vgl. zu diesem Aspekt Mommertz 2003, S. 230f. 424 Zu den Unterstützern Mommertz 2003, S. 228; Reinle 2003, S. 304f., 309ff. 425 Vgl. zu diesem Aspekt Reinle 2003, S. 341.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

Treptow an der Rega im September 1593 inhaftiert und dort als Landzwinger mit dem Schwert vom Leben zum Tod gerichtet.426 Verheerendere Folgen für das Strasburger Gemeinwesen hatte die Ansteckung und nahezu vollständige Zerstörung der Stadt durch den ehemaligen Stadtmeier Hans Lexow im Jahr 1602. Wie Krechlendorf befand sich auch Lexow im sozialen Abstieg. Nach erfolglosen Ermahnungen des Rates, insbesondere des Bürgermeisters Christian Wegener, Lexow möge die Effizienz der Pachtmeierei erhöhen,427 wurde ihm die Pacht nicht verlängert. Daraufhin schickte Lexow dem Bürgermeister vier Fehdebriefe,428 verließ die Stadt und zog nach Schönfeld.429 Dort rekrutierte er drei Gehilfen und schmiedete zusammen mit seiner Frau den Plan, die Stadt anzuzünden. Bemerkenswert ist hierbei, dass einige Strasburger von dem Plan im Vorfeld gewusst haben müssen, da der ehemalige Meier seinem (Halb-?)Bruder Achim Milow vorher riet, er solte seinen Weizen verkeuffen.430 Ob hierin eine schwer vorstellbare Form von Duldung durch die eingeweihten Mitbewohner gesehen werden darf431 oder Lexow vielmehr nicht ernst genommen wurde, kann anhand der rathäuslich verfassten Befragungsprotokolle und Kriminalakten nicht entschieden werden.432 Offenbleiben muss auch, weshalb es dem Meier gelang, die Stadt dreimal hintereinander anzuzünden. Dies tat er gemeinsam mit seinen drei Komplizen an mehreren Stellen gleichzeitig. Ebenso sind die tatsächlichen Hintergründe des Stadtmeiers samt seiner Frau anhand des vorliegenden Quellenmaterials nicht mehr rekonstruierbar, da „objektive“ Zeugenaussagen unbeteiligter Dritter fehlen. Vor diesem Hintergrund darf wohl eher der Handlung und weniger den Aussagen der Beteiligten ein höherer Erkenntniswert beigemessen werden. Der Meier hielt offensichtlich nur durch Ra426 427 428 429

Strasburg, Nr. 1023. BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 400ff. Ebd., Bl. 395ff. Vermutlich handelt es sich um das ca. 19 km südöstlich von Strasburg gelegene Dorf Schönfeld. 430 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 395ff. 431 Vgl. hierzu Reinle 2003, S. 342. 432 Über den Fall des Stadtmeiers unterrichten nur die Brandenburger Schöppenstuhl­ akten. Eine „Parallelakte“ existiert in der rathäuslichen Überlieferung nicht. Von daher fehlen Aussagen unbeteiligter Dritter. Auch liegen damit nur für den Urteilsspruch in Brandenburg an der Havel rathäuslich reduzierte und vorgefertigte Informationen zur Analyse dieser Fehde vor.

Gefährdete Güter – was wurde wann formell sanktioniert? 163

che gegenüber dem Bürgermeister, dem Richter und der ganzen Stadt seine erlittene Ehrverletzung sowie den Verlust seines Sozialstatus für vergeltbar. Als abwegig erschien es ihm offensichtlich, eine auswärtige Gerichtsinstanz einzuschalten. Die grundsätzlich freie Pächterwahl des Rates und die zu erwartenden Gerichtskosten mögen ihn wohl davon abgehalten haben. Das Eingeständnis der Frau, den sozialen Abstieg hätten sie und ihr Mann durch mangelnden Fleiß selbst verschuldet, darf hingegen wohl auch als Exkulpationsversuch des Rates interpretiert werden.433 So ist weniger mit einer reumütigen Einsicht zu rechnen als vielmehr mit einem rathäuslichen Versuch, etwaige Mitschuld an der Kata­ strophe von sich zu weisen. So könnte der Rat auf selbstbezichtigende Aussagen der Täter gedrängt haben, um etwaigen Vorwürfen entgegenzusteuern, er sei infolge der Kündigung des Meiers an der Zerstörung der Stadt mitschuldig. Vage Hinweise in diese Richtung spiegeln sich in den Ausführungen der ehemaligen Meierin wider: So habe der Rat dem Nachfolger einen Brunnen errichten lassen, der ihrem Mann verwehrt geblieben wäre. Verknüpft war die Aussage mit einem Zaubereivorwurf gegen die alte Meierin, sie habe den Teuffell darin [in den Bau des Brunnens, E.F.] gewiesen, undt gezwungen, das er die beide Zimmerleudh darin umbringen mußen, und darumb weil sie ihr keinen bawen wollen, alß sie Meyersche gewehsen.434 Deutlich wird hier, wie sehr unser Bild von den Konfliktabläufen durch die rathäusliche Überlieferung vorbestimmt und beeinflusst wird. So bleiben die tatsächlichen Handlungslogiken aller Beteiligten verborgen. Letztlich ist das sich widersetzende, aktiv-eigenständige „Selbst- und Rechtsbe­wusst­ sein“435 Lexows hervorzuheben, mit dem er versuchte, seinen sozialen Status wiederzuerlangen. Zwischenbetrachtung – Fehdebriefe

Insgesamt wurde erkennbar, dass beide betrachteten Fehdeführer einen ökonomischen und sozialen Abstieg erlitten hatten436 und um die Wiederherstellung ihres alten sozialen Status kämpften. Sie taten dies nicht auf dem „ordentlichen“ Rechtsweg, weil er ihnen zur Durchsetzung ihrer Interessen nicht geeignet und womöglich zu kostspielig erschien. Vielmehr griffen sie zur traditionellen Fehde als dem 433 Vgl. zur „Semantik der Überlieferung“ und zu einer auf Überzeugung der Brandenburger Schöppen ausgerichteten Erzählstruktur Mommertz 2003, S. 210f. 434 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 400ff. 435 Mommertz 2003, S. 247. 436 Vgl. dazu Reinle 2003, S. 342; Peters 2007, S. 311.

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Von der Tat zur Anzeige – formelles Sanktionsinteresse

aus ihrer Sicht letzten Mittel. Die obrigkeitlich verfassten Akten vermitteln den Anschein, als seien beide Lebenswege selbstverschuldete Niedergänge gewesen. Inwieweit dieser Eindruck der Wirklichkeit entsprach, entzieht sich für immer unserer Kenntnis. Die sich in den Strasburger Akten widerspiegelnde nichtadlige Fehde darf als gewaltsames „Instrument der Selbsthilfe“437 von erstaunlicher „Beharrungskraft“ interpretiert werden.438 Die Befehder entschieden sich trotz der immanenten Gefahr für das eigene Leben für den unheilvollen Weg des Konfliktaustrages. Dies unterstreicht einmal mehr ihre Ausweglosigkeit, die sich letztlich auch in der mangelnden Praktikabilität des Instituts im späten 16.  Jh. niederschlägt. Im gesellschaftlichen Kontext jedoch dürfte die Fehdeführung Einzelner – die Furcht des Rates lässt dies erahnen – vermutlich noch als Korrektiv der rathäuslichen Obrigkeit gewirkt haben.439 So war der Rat letztendlich auf die kurfürstliche Unterstützung angewiesen, wollte er einen nach Pommern, Polen oder Mecklenburg entwichenen Fehdeführer in seine Gewalt bringen.440 Dies bedeutete einen über den normalen Gerichts- und Verwaltungsalltag hinausgehenden organisatorischen Aufwand. Vielleicht resultierte auch aus der rathäuslichen Angst vor Befehdungen die eher passive Vorgehensweise des Rates in Kriminalsachen.441 Daneben lassen Fehden als traditionelle Instrumente zur Durchsetzung eigener Interessen erkennen, „daß Recht […] nicht als allgemein akzeptiertes, jenseits des persönlichen Gutdünkens liegendes Prinzipiensystem wahrgenommen wurde.“442

4.4. Zusammenfassung – formelles Sanktionsinteresse Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Mehrheit der vor den Rat gelangten Missetäter männliche Strasburger443 waren, die sesshaft in geachteten Berufen einer Erwerbsarbeit nachgingen – tendenziell der Landwirtschaft und der unteren sozialen 437 438 439 440

Reinle 2003, S. 340. Thieme 2007, S. 69. Peters 2007, S. 315. Zur Instrumentalisierung bürgerlicher Fehden im konfessionellen Spannungsverhältnis vgl. Thieme 2007, S. 74ff. 441 Vgl. zu diesem Gedanken Mommertz 2003, S. 247. 442 Reinle 2003, S. 357. 443 Von den 290 erfassten Tätern kamen 70 % aus Strasburg, 19 % waren Fremde, 1% kam vermutlich aus Strasburg und bei 10 % blieb die Herkunft unbekannt. Siehe hierzu oben S. 101f. sowie Abb. 9 auf S. 268.

4.4.

Zusammenfassung – formelles Sanktionsinteresse 165

Schicht angehörend. Sie wurden durch männliche Strasburger bspw. gleicher Berufsschicht dann vor den Rat zitiert, wenn sie mehrfach und/oder intensiv die Toleranzschwelle des Opfers oder dessen familiären oder gesellschaftlichen Umfeldes überschritten hatten. Die Amplituden bildeten einerseits Täter aus den unteren und randständigen Erwerbsschichten und andererseits – wohlgemerkt in geringerer Anzahl – Opfer bzw. Personengruppen aus der Oberschicht. Folglich hatte es der Rat größtenteils mit „normalen“, sozial schwächeren Mitbürgern oder Einwohnern Strasburgs zu tun.444 „Normale“ Kriminelle in dem Sinne, dass sie einmal eine einfache Tat begangen hatten, waren sie hingegen überwiegend nicht. Insgesamt gelangten 69 % der Täter mehrfach oder als Gemeinschaftstäter vor Gericht. Sie bedrohten als Intensiv- und Wiederholungstäter mit höherem Konfliktpotential den Stadtfrieden stärker als einfache Ersttäter, aber nicht viel weniger als vagierende Randgruppen, mit der Folge, dass sie entsprechend kriminalisiert wurden.445 Hier war der Rat als Friedenshüter intensiver gefordert446 und verhängte härtere Strafen. Da es weder eine signifikante Konzentration von Tätern und Opfern in einem Viertel gab noch eine signifikante Delikthäufung innerhalb des Stadtgebietes zu verzeichnen war, existierten in der Stadt keine Viertel, in denen die Kriminalität besonders hoch gewesen wäre. Von der Prämisse ausgehend, dass die Etikettierung der Täter als „kriminell“ eng an die jeweilige Person, ihre spezifischen Ressourcen sowie ihre Funktionen im gesellschaftlich-sozialen Gefüge gebunden war, könnte dieser Befund mit der geringeren sozialen und beruflichen Differenzierung Strasburgs als ländlich geprägte Kleinstadt in Zusammenhang gebracht werden.447 „Die Schlichtung innerhalb von Familien, unter Nachbarn oder mit Hilfe lokaler Vermittler diente der Selbstregulierung von Konflikten ohne obrigkeitliche Institutionen.“448 Der Rat scheint – abgesehen von Fällen besonders hoher öffentlicher Friedensstörung – eher eine passive Rolle in den zwischenmenschlichen Konflikten eingenommen zu haben.

444 Ähnlich der Befund bei Burghartz 1990, S. 103. 445 Ähnlich Dinges 2000, S. 530f.; Aumüller 2003, S. 121; Behrisch 2005, S. 23; anders der Befund bei Burghartz 1989, S. 394. 446 Vgl. dazu Dinges 2000, S. 530f. 447 Pohl 1983a, S. 124; Vetter 1996, S. 55f.; Göse 1996, S. 68; vgl. dazu auch Engel 1991, S. 354. 448 Dinges 1998, S. 189.

5. Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

5.1. Forschungsstand und Methode Für die Mark fehlt bis dato eine systematische Untersuchung zur obrigkeitlichen Strafpraxis,1 insbesondere auf städtischer Untergerichtsebene. So hielt Nehlsen-von Stryk fest: „Besonders störend macht sich im Magdeburger Rechtsraum das fast völlige Fehlen lokalgeschichtlicher Untersuchungen zur mittelalterlichen Strafrechtspflege bemerkbar.“2 Dieser Missstand gilt auch für das 16. und 17. Jh. Vor allem das Nebeneinander des traditionellen Ausgleichprinzips und des obrigkeitlichen Inquisitionsverfahrens ist bislang noch nicht umfassend untersucht worden. Die Modi fortwährenden Aushandelns privater Sühneverträge im 16. und 17.  Jh. (auch in Strasburg) bei Delikten,3 die grundsätzlich hätten peinlich bestraft werden können, wie Totschlag,4 Diebstahl oder schwere Körperverletzung,5 dürfen in weiten Teilen noch als terra incognita6 bezeichnet werden.7 1 Vgl. dazu allgemein Härter 2005, S. 416; Schwerhoff 1992, S. 394. 2 Nehlsen-von Stryk 2000, S. 631. 3 Zur Wahlmöglichkeit Stölzel  1901a, S.  149f.; Sellert  1993, S.  321; Hoffmann, C. A. 1999b, S. 232; Eibach 2005, S. 200. 4 Vgl. S. 114, bes. Anm. 141. 5 Strasburg, Nr. 976, Bl. 25; vgl. Hoffmann, C. A. 2000b, S. 568f. 6 Blauert 2000, S. 75; „die Praxis der Untergerichte [ist] noch weitgehend unerforscht“ (Thauer 2001, S. 21); ferner Sprenger 2001, S. 229; zu den Forschungsdesideraten mit Blick auf die Gerichtspraxis Willoweit 2007, S. 39; Kroeschell 2005, S. 219. 7 Aus der Quellenperspektive der Helmstedter Spruchakten Hahn  1989, S.  118–157. Historische, insbesondere sozialgeschichtlich orientierte Arbeiten zur Kriminalität beschränken sich bislang in den strafprozessualen Ausführungen auf das Notwendigste. Einen allgemeinen Überblick gibt Dülmen 1988, S. 23–61. Hervorzuheben ist die Arbeit von Michael Ströhmer zu Lemgo. Idealtypisch zeichnete er das Strafverfahren für Zaubereiprozesse anhand der normativen Vorgaben der Carolina nach. Der so entwickelte „Musterprozess“ diente ihm als „künstliche Matrix“, „gleichsam als Folie, vor deren Hintergrund sich das authentische Lemgoer Prozeßmaterial um so deutlicher abzuheben vermag.“ (Ströhmer 2002, S. 63). Beachtenswert, wenngleich für das 18. Jh. einschlägig, sind auch die Arbeiten von Härter  2005, S.  416–515; SchnabelSchüle 1997, S. 81–123, und Rudolph 2001, S. 69–71. Von den jüngeren rechts­

Forschungsstand und Methode 167

Bei der Sanktionierung einer vor der rathäuslichen Obrigkeit angezeigten Straftat bediente sich der Rat keines fest normierten Verfahrens, sondern er bot den Kontrahenten verschiedene Möglichkeiten an, den Konflikt stufenweise beizulegen.8 Dieses reichte vom gütlichen Ausgleich meist bei geringfügigeren Delikten, aber auch bei Taten, die eigentlich mit Leibesstrafen zu ahnden gewesen wären,9 über ein Schiedsverfahren bis zum eigentlichen Strafprozess. Klare und strikte Abläufe, wie sie anhand der normativen Quellen in der älteren Literatur herausgearbeitet wurden, dürfen allerdings nicht erwartet werden.10 Durchlaufende Akten, anhand derer ein Verfahren idealtypisch11 von Anfang bis Ende nachgezeichnet werden kann, finden sich im Strasburger Bestand nicht in gewünschter Form.12 Um jedoch ein repräsentatives Bild geben zu können, wurden schwerpunktartig verschiedene Diebstahlsfälle hauptsächlich prozessual betrachtet, da diese von allen Sachverhalten im Strasburger Bestand am aussagekräftigsten sind. Der Schwerpunkt lag hierbei in erster Linie auf großen Diebstählen,13 die mit der Todesstrafe sanktioniert werden konnten. Der Wandel des Diebstahls vom Privatdelikt zu einer obrigkeitlich zu verfolgenden Missetat14

8 9 10 11 12

13 14

historischen Autoren sind Bubach  2005; Lorenz  1982; Lorenz  1983a; Lorenz 1983b; Lück  1998, Schorer  2001, S.  166–200, und Thauer  2001 hervorzuheben. Rechtshistorische Arbeiten traditioneller Art (Ignor 2002), insbesondere ältere Werke enthalten weder über die zeitgenössische Gelehrten- und Praktikerliteratur, die normativen Stadtrechtsreformationen oder einzelne Rechtsinstitute hinausgehende Informationen noch richten sie den Blick hinab in die Gerichtspraxis (anhand des mittelalterlichen Sachsenspiegels Planck 1879a und Planck 1879b; ansonsten: Knapp 1914; Meinhardt 1957; Vogel 1960; Heitsch 1964; Hornung-Grove 1974; Schmidt 1983; Krause 2000). Ähnlich ist der Befund in Goslar Ebel 1961, S. 9; Freiburg Aumüller 2003, S. 138. Zu Delikten, die eigentlich nicht mehr bürgerlich hätten geahndet werden sollen, Lück 1998, S. 148. Ähnlich auch Aumüller 2003, S. 32f. Idealtypus meint nur, „daß mit seiner Hilfe bestimmte typische Erscheinungen dieser Realität abstrahierend erfaßt werden sollen, die sich ,rein‘ in der Wirklichkeit nicht finden“, Schwerhoff 1998, S. 600. Aussagekräftige Verfahren liefern hauptsächlich Diebstahlsfälle, bspw. gegen: Bauknecht Michael Hansmann, Strasburg, Nr. 1021; Schlachter Michael Herling, ebd.; Barbier Zacharias Möller, ebd., Nr. 1025, und Schuster Achim Ricke, ebd., Nr. 1030; gut aufgestellt sind unter anderem auch die Verfahren gegen Thomas Lupelows Ehefrau (Kindsmord), ebd., Nr. 1024, und Andreas Krechlendorf (Fehdebriefe), ebd., Nr. 1023. Zu den methodischen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung S. 132f. HRG 2008, Sp. 1049.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

hatte in der hier vorliegenden Übergangsphase zur Folge, dass Diebstahl sowohl nach herkömmlichen Mustern bürgerlich als auch peinlich sanktioniert wurde.15 Die nachfolgenden Ergebnisse dürfen in den Grundzügen (gütlicher Ausgleich, peinliches Inquisitionsverfahren, Endurteil) auch für andere Delikte der Hochgerichtsbarkeit, wie Mord, Totschlag, Körperverletzung und Unzucht gelten, zumal die dort gewonnenen Beobachtungen ebenfalls in die Analyse einflossen.

5.2. Der außergerichtliche Vergleich – Sühne – Schiedsverfahren vor dem Rat Der außergerichtliche Vergleich und das „eigentliche“ schiedsgerichtliche Verfahren stellen zwei vielfach schwer voneinander zu trennende16 Institutionen zur gütlichen Konfliktbeilegung dar. Beide wurden bislang in der rechtshistorischen Forschung nicht erschöpfend untersucht; gelangen aber mit der Historischen Kriminalitätsforschung17 und der neu akzentuierten Fehdeforschung18 verstärkt wieder in den Blick. Einen mehrfach rezipierten, aber nicht unwidersprochenen Forschungsauftakt zur Schiedsgerichtsbarkeit bildete die Freiburger Dissertation von Karl Siegfried Bader aus dem Jahr 1929.19 Während Bader die schiedsrichterliche Tätigkeit in Schwaben auf den zivilprozessualen Bereich beschränkt sah,20 begegnen uns in anderen Gebieten ebenfalls strafrechtlich konnotierte außergerichtliche Vergleiche21 – so auch in Strasburg: Als bspw. drei Strasburger Einwoh15 Zu dieser möglichen Verfahrensweise im 16. Jh. bei Delikten, die durchaus peinlich zu strafen wären Hoffmann, C. A. 1999b, S. 232. 16 Zuletzt Reinle 2007, S. 89; ferner Kobler 1967, S. 2; Ebel 2004a, S. 207; den älteren Forschungsstand resümierend und eine Abgrenzung wagend Kornblum 1976, S. 292ff. Auch Reinhold Schorer trennte Schieds- und Sühnegerichtsbarkeit Schorer 2001, S. 92f., wobei er auf die fließenden Grenzen (ebd.) und die „sicher nicht zufällig[en]“ Ähnlichkeiten hinwies, ebd., S. 151. 17 Krug-Richter 1997, S. 219ff.; Schedensack 1997, S. 646f., 655ff.; Dinges 2000, S. 512ff.; Loetz 2000, bes. S. 555ff.; Hoffmann, C. A. 2000b. 18 Peters  2000, S.  70ff.; Mommertz  2003, S.  240ff.; Reinle  2003, S.  292ff.; Reinle 2007, S. 89f. 19 Bader 1984a; vgl. auch Bader 1984b. 20 Bader 1984a. 21 Für das Mittelalter Knapp  1914, S.  49,  119ff.; Kornblum  1976, S.  296; Hage-

Der außergerichtliche Vergleich – Sühne – Schiedsverfahren vor dem Rat 169

ner dem benachbarten Adligen Achim von Fahrenholz eines Nachts Fische aus seinem Teich gestohlen hatten,22 schlichtete der Bürgermeister Christian Wegener den Konflikt.23 Schadensersatzzahlungen, Sühnegeldzahlungen24 sowie damit in Verbindung zu bringende Termini wie sone,25 vorsönet,26 vertragen,27 abfinden,28 ver­gli­chen,29 deuten auf Schieds- oder Güteverfahren bzw. Schlichtungen hin.30 Als charakteristisch dafür gelten neben einem angesetzten gütlichen Tag eine dritte Person, wie beispielsweise der schlichtende Bürgermeister Wegener.31 Hauptanliegen der einbezogenen rathäuslichen Obrigkeit war es, den städtischen Frieden wiederherzustellen.32 Dazu benutzte der Bürgermeister keinen festen, gar normativ gesetzten Kanon, sondern er agierte vielmehr situativ.33 Strukturell ein wenig anders, aber mit dem gleichen Ziel, verliefen die am Ratstag gütlich geschiedenen Konflikte.34 Hatte der Bestohlene in Anwesenheit des

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mann 1981, S. 155; Boockmann 1980, S. 56f.; Ebel 2004c, S. 367. Für die Frühe Neuzeit Ströhmer 2002, S. 203; Blauert 2004, S. 170f. Vgl. oben S. 143. Nachdem wir. Drewes der Nachtwechter. Achim Stolp und Simon Scheuneman alle wonhaftig zu Strasburgk. uns mit fischen in des Edlen und Ehrnvesten Achim Farnholzes seen. […] vorsehen. Und derowegen uns der Juncker den mitwoch nach Reminis. erer kegen Lubbenowe mit Ime solcher gewaltsamer that halber zuvorgleichen angesazt. als hat er entlich nach gepflogner handlung und vielfeltign Intercedirung unsers Burgermeisters hern Christian Wegners. solche mißhandlung […] uns nachgelassen, Strasburg, Nr. 1097, Bl. 15. „Intercedirung“ darf hierbei mit intercedere – lateinisch für „vermittelnd eintreten“ – in Verbindung gebracht werden. Ebd., Nr. 917; ähnlich ebd., Nr. 931, Bl. 78. Ebd., Nr. 975, Bl. 28. Ebd., Bl. 82; ähnlich ebd., Nr. 1098, Bl. 56. Ebd., Nr. 1098, Bl. 37; ebd., Nr. 1097, Bl. 26, 29. Ebd., Nr. 1018. Ebd., Nr. 1097, Bl. 54. Kornblum 1976, S. 292ff.; Schwerhoff 1999, S. 108. Ebd., S. 293f. Brunner 1990, S. 63f.; vgl. allgemein Fenske 2006, S. 236ff. Zu Sühneleuten, die zu den vornehmsten Bürgern zählten (1550) LorenzenSchmidt 1980, S. 216f.; instruktiv mit Bezug zur Gegenwart Wettmann-Jungblut [ohne Jahr], S. 201. Schedensack 1997, S. 657f.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

Tatverdächtigen35 oder allein36 sein Anliegen dem Rat offenbart, führte der Rat die Verhandlungen mündlich und ohne jeglichen formalen oder bürokratischen Aufwand.37 Anzeigen gegen „unbekannt“ sind in den Quellen nicht enthalten, was darauf hindeutet, dass der Rat nicht als „Polizei“ im heutigen Verständnis in Anspruch genommen wurde bzw. werden konnte. Wenn der Beklagte das ihm Vorgeworfene nicht gestand, wurden entweder beide beschieden, ihre Aussagen beim nächsten Termin mit Zeugen zu beweisen38 oder einer Partei wurde der Beweis auferlegt.39 Mitunter wurden gleich am ersten Tag die bereits mitgebrachten Zeugen angehört. Wenn sich das Opfer mit einer Rückgabe des Diebesgutes oder einer adäquaten Entschädigung einverstanden erklärte und dem Rat ein Strafgeld gezahlt wurde, war der Rechts- und Stadtfrieden wiederhergestellt. Darin wird die vertragliche Beendigung eines Konfliktes erkennbar – die Kompensation eines zugefügten Schadens durch eine Bußzahlung an das Opfer40 im Sinne eines gütlichen Vergleichs zwischen den Parteien.41 Dazu bedurfte es keines Gerichtes mit gehegter Bank oder eines rechtlichen Prozesses, sondern der Rat (vermutlich nur der juristisch gebildete Stadtschreiber) beschied und schlichtete die Parteien.42 Es kam auch vor, dass der Rat den Parteien eine Bedenkfrist gewährte und sie wieder nach Hause schickte.43

35 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 47. 36 Ebd., Bl. 24. 37 Vgl. dazu auch Thauer 2001, S. 40f.; zur Quellenanalyse Dinges 2000, S. 533f. 38 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 40f.; ebd., Nr. 1099, Bl. 30f., 47. 39 ���������������������������������������������������������������������������������������� Beklagter solle seine Unschuld beweisen, ebd., Nr. 1099, Bl. 24; Kläger solle seine Vorwürfe beweisen, ebd., Nr. 975, Bl. 67f. Vgl. zur Verteilung der Beweislast in der Phase des peinlichen Gerichtsverfahrens Schoetensack 1904, S. 78; zur Abwägung der Indizien in der „Vorphase“ kurz Sellert 2005, S. 8. 40 Lück 1998, S. 130. 41 ��������������������������������������������������������������������������������������� Zur Vorrangigkeit des gütlichen Vergleichs und der Pflicht, zunächst Vergleichsverhandlungen zu führen bevor zu einem ordentlichen Verfahren geschritten wurde Lück 1997b, S.  126. Vgl. ferner Bendlage  2000, S.  98; für das Mittelalter instruktiv Schuster 2002, S. 135f. 42 Stölzel 1901b, S. 337f.; Knapp 1914, S. 119ff.; Ebel 1961, S. 13; vgl dazu auch Bubach 2005, S. 220. 43 Ist im bedenckfrist ingereuhmet, daher sie sich alse dan nicht konn[en] vorgleichen soll die zeugknuß durch ein Notarium auffgenom[en] und auff ihre beiderseits unkosten vorschickt werd[en], Strasburg, Nr. 1099, Bl. 37.

Der außergerichtliche Vergleich – Sühne – Schiedsverfahren vor dem Rat 171

Der mündliche und formlose außergerichtliche Vergleich erleichterte es dem Opfer, sich für eine rathäusliche Anzeige der Tat zu entscheiden. Zudem hatte er gegenüber dem ordentlichen Prozess den Vorteil, nicht nur schnell und für die Parteien kostengünstig,44 den Konflikt zu bereinigen, sondern auch bis dahin unbescholtene Bürger vor der Inquisition zu bewahren.45 Ferner schien die einvernehmliche Konfliktbeilegung zumindest tendenziell tragfähiger als eine (vordergründig) einseitig belastende Sanktion,46 zumal sie eher dem christlichen Lebensideal der Versöhnung entsprach, als unnachgiebig sein Recht zu fordern.47 Mehr noch: Der Ausgleich bewahrte den Täter davor, durch Verhängung einer durchaus möglichen Körperstrafe oder eines Stadtverweises in das randständige Milieu abzugleiten.48 Vor diesem Hintergrund gewinnt ein Großteil der überlieferten Urfehdebriefe an Bedeutung, in denen der Sühnegedanke entweder explizit genannt49 oder aber zumindest aus dem Kontext erschließbar wird. Das Einvernehmen der Parteien mit der Entscheidung des Rates, den Konflikt mit einem gütlichen Vergleich oder einer Geldzahlung zu beenden, anstatt die Angelegenheit durch das Gericht vermöge der Rechte auszutragen,50 darf auch als Akzeptanz der rathäuslichen Schlichtungsbemühungen durch die Konfliktparteien gewertet werden. Erst wenn keine Einigung51 möglich war, die Indizien zweifelhaft waren, sich der Tatverdächtige dem Kläger entzog oder dem Rat weiteres Fehlverhalten des 44 �������������������������������������������������������������������������������������� Dieser Aspekt besaß einen hohen Stellenwert und wird verschiedentlich explizit hervorgehoben: und solches aldan mit geringen uncosten geschehen könnte, ebd., Nr. 1023; damit weitleuffigkeitt verhuettet, unnd man nicht andere Mittell und wege daß mans ihme abfragte, wieder ihme fur nehmen durfte, ebd., Nr. 1030; vgl. auch Bubach 2005, S. 222f. 45 Dinges  2000, S.  518; Thauer  2001, S.  284. Vgl. zu diesem Aspekt auch Carp­ zov 1638, S. 9; dass gütliche Konfliktbeilegungen (nicht nur im Mittelalter, sondern auch heute noch) Streitfälle „rationeller“ und „rationaler“ beenden „als ein Rechts- und Erzwingungsverfahren“, unterstreicht Dilcher 2002, S. 145. 46 Zu diesem Aspekt Dinges 2000, S. 514; Bubach 2005, S. 395ff. 47 Strasburg, Nr.  975, Bl.  82; Nehlsen-von Stryk  1991, S.  317; vgl. zur christlichen Konnotation auch Bauer 1996, S. 36f. 48 Vgl. hierzu LMA 7, Sp. 433; Beispiele bei Spicker-Beck 1995, S. 86ff. 49 Strasburg, Nr. 975, Bl. 73; ebd., Nr. 976, Bl. 80f.; vgl. dazu auch Asmus 1923, S. 6f. (für das 15. Jh.), ferner S. 37; Hagemann 1981, S. 170f. 50 Blauert 2004, S. 170f. 51 Vgl. zum ähnlichen Vorgehen in bürgerlichen Konflikten Strasburg, Nr. 1098, Bl. 56, in dem nach Scheitern der Vergleichsverhandlungen der Fall an das Gericht verwiesen wurde: Weill güttliche handlung unter diesen beiden partten nicht stadt finden können:

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

Verdächtigen zu Ohren gekommen war,52 kurzum ein Fall sich rundweg komplizierter gestaltete und die klagende Partei von einer peinliche Strafe nicht ablassen mochte, trat der Konflikt in ein neues Stadium über. Der Küster Martin Schramm und der Pachtschäfer Friedrich Neumann aus Strasburg begehrten 1629, der sich der Klage entziehende Tatverdächtige Zacharias Möller, der ihnen zwei Pferde gestohlen habe,53 möge handfest gemacht werd[en].54 Dafür gaben sie dem Reigernden burgermestn die handt,55 das heißt, sie schworen, keine unberechtigte Anklage zu erheben und beÿ vorpfendung und Hÿpothicirung aller ihrer ghueter, ihm mit Re[c]hte zuvorfolgen und außzufuhren.56 Sie beabsichtigten folglich, die Ermittlungen mit dem anschließenden Verfahren ausschließlich auf ihre Kosten durchführen zu lassen.57 Gleichwohl der Bürgermeister die Kläger auf die Prozessgefahren hingewiesen hatte, bestanden sie auf der Klageerhebung. Eine derartige Kaution zur Gewährleistung der Strafverfolgung und der Kostenübernahme konnte auch mittels Bürgen geschehen. War der Kläger nicht in der Lage, ausreichende Kaution beizubringen, war er selbst in Gewahrsam zu nehmen.58 Das Gefängnis diente hierbei zu behaltung, vnd nit zu schwerer geuerlicher peinigung der gefangen.59

52 53 54 55 56 57 58 59

alß sindt sie an des Gerichtte alhir mit ihre sachen verwiesen. Vgl. auch Enders 1992, S. 250. Den hohen Stellenwert gütlicher Verhandlungen auch vor Gericht unterstreichen die Landtagsverhandlungen von 1602: unser Cammergericht dermaßen und mitt solchen vleiß bestellen und verordenen, das dasselbige ieg alle partheyen, so davonn gelangen ordenntlich unnd mitt vleiße soll gehalten werden, alß des durch unsere verordnete Räthe, erstlich die guete sie zuvertragen furgenohmmen werde, GStA  PK, I.  HA., Rep. 20, Lit. L, Bl. 101. Strasburg, Nr. 1098, Bl. 34. Zum hohen Wert von Pferden Wettmann-Jungblut  1990, S.  167; Fenske  2006, S. 185f.; Schubert 2007, S. 186ff. Strasburg, Nr. 1099, Bl. 44. Ebd. Ebd., Nr. 1025. Ähnlich auch ebd., Nr.  1097, Bl.  36: demselben [dem Dieb, E.F.] uf Iren [der beiden Kläger, E.F.] uncosten alhir wollen sein Recht thun lassen. Carolina, Art. 14. Carolina, Art. 11.

Die Feststellung der Tat 173

5.3. Die Feststellung der Tat Verhältnis von Akkusations- und Inquisitionsprinzip

Die finanzielle Inanspruchnahme der Kläger und die Tatsache, dass sie gleich Zeugen bei sich hatten, deuten im vorliegenden Fall Schramm und Neumann contra Möller auf einen Akkusationsprozess hin, der als ordentlicher Prozess in der Carolina unter anderem in Art. 11–17 geregelt war. Nach altem mittelalterlichen Prinzip kam die Verbrechensverfolgung dem Opfer oder dessen Angehörigen zu: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“60 Den gemeinrechtlichen Akkusationsprozess (Privatklageprozess) zeichnete aus, dass der von einer Straftat Betroffene oder dessen Angehörige gegen den vermeintlichen Übeltäter bei der oberkeyt oder richter61 die Klage erhob. Dies tat er auf seine Kosten und mittels Sicherheitsleistungen, woraufhin die verdächtigte Person ins Gefängnis gebracht werden konnte. Der Kläger musste innerhalb einer vom Gericht festgesetzten Frist die Beweise gegen den Beklagten beibringen. Das Beweisverfahren hingegen war aber bereits nach den Grundsätzen des Inquisitionsprozesses gestaltet,62 das heißt, auf Geständnis oder Zeugenbeweis, insbesondere die Ergründung der Schuld ausgerichtet – aber immer noch vom Kläger zu verantworten. Er trug somit das Prozessrisiko und die Gerichtskosten. Ausführendes Organ dieses Verfahrens war die richterliche Obrigkeit. Der Akkusationsprozess soll, so Günter Jerouschek, bereits in der ersten Hälfte des 16. Jhs. nur noch eine geringe Rolle gespielt haben und sich allenfalls auf die causae minores beschränkt haben.63 Diese These bestätigt sich für Strasburg nicht.64 Inquisition65 bedeutete das Aufgreifen eines strafrechtlich relevanten Sachverhalts von Amts wegen.66 Hierbei oblag es der lokalen Obrigkeit, die Untersuchung 60 Kleinheyer 1984, S. 22; Sellert/Rüping 1989, S. 206. 61 Carolina, Art. 11. 62 Ansätze dieser Verschmelzung zeichnen sich bereits im 15.  Jh. ab, dazu Nehlsenvon Stryk 2000, insbesondere S. 638ff. 63 HRG  2008,��������������������������������������������������������������������� Sp.  126f. Beim vorliegenden Beispiel handelte es sich um einen Pferdediebstahl, der zu den größeren Delikten gehörte und an Leib und Leben gestraft werden konnte. 64 Ähnlich die Einschätzung von Sellert/Rüping  1989, S.  205; vgl. zur langen „Lebensdauer“ des Anklageprozesses auch: Schnabel-Schüle  1997, S.  108,  110, Anm. 316; kurz auch ENZ 6, Sp. 707. 65 Inquisition von inquirere (lateinisch untersuchen, nachforschen). 66 Jerouschek 1992, S. 333f.; Lück 1998, S. 130.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

einzuleiten, die nötigen Beweismittel zu beschaffen und bestenfalls anhand des Beklagtengeständnisses das Urteil sprechen zu lassen.67 Die von Eberhard Schmidt68 eingeführte These, der wesentliche Unterschied beider Prozessarten habe in erster Linie in der Art und Weise der Verfahrenseinleitung gelegen, ansonsten sei der Akkusationsprozess bereits „ein reiner Inquisitionsprozeß“ gewesen, wird innerhalb der rechtshistorischen Forschung inzwischen kaum noch gestützt.69 Gerd Kleinheyer erhob gegen Schmidt’s These beachtenswerte Einwände.70 Auch Trusen stellte mit Verweis auf Kleinheyer und Carpzov fest, dass dem Akkusationsprozess noch erhebliche Bedeutung zukam.71 Carp­ zov beschrieb die accusatio und die inquisitio als „zwei streng gesonderte Formen“ des auf peinliche Strafen ausgerichteten Gerichtsverfahrens.72 Heiner Lück wies in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hin, den fiskalischen Aspekt bei der Verfahrensdurchführung und Urteilsvollstreckung stärker in die Analyse, insbesondere des Akkusationsverfahrens, einzubeziehen.73 So sei die auf Kosten eines Privatklägers durchgeführte peinliche Klage oder die vertragliche Beendigung eines peinlichen Strafverfahrens mit Sühnegeld, Buße und Strafgefälle zu Lasten des Täters eher im Sinne des obrigkeitlichen Gerichts gewesen als ein nach Offizialprinzip durchgeführtes Strafverfahren. Allein ein zu vollstreckendes Todesurteil schlug in beträchtlichem Maße zu Lasten der Stadtkasse.74 Die Gegenüberstellung der Formeln „öffentliches Strafrecht“ und 67 68 69 70

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72 73 74

Ignor 2002, S. 17f. Schmidt 1983, S. 126. Sellert/Rüping 1989, S. 206f.; Bubach 2005, S. 165f. Anhand einer Rechtsverweigerungsbeschwerde gegen das Regensburger Stadtgericht vor dem Reichshofrat (1639) unterstrich er die starke Stellung des Klägers als Prozesspartei (Kleinheyer 1971, S. 16). Der Kläger habe die Vorermittlungen übernommen und die Befragungsartikel aufgestellt (Kleinheyer 1971, S. 10, 12, 16, 39) – mithin eine wichtige verfahrensrechtliche Rolle gespielt. Trusen 1984, S. 117. Der Akkusationsprozess habe als Parteien- und Anklageprozess noch im 17.  Jh. fortbestanden. Zudem sei die Folter – entgegen der Auffassung Schmidts – kein Indiz für das Vorliegen eines Inquisitionsverfahrens, sondern auch im Akkusationsverfahren anzutreffen, Trusen 1984, S. 114. Vgl. Lorenz 1982, S. 54f., mit Bezug auf die ältere Literatur. Carpzov 1638, S. 39ff. Lück  1998, S.  149; vgl. hierzu auch Riedel  1998; zum Kostenaspekt auch Thauer 2001, S. 289f. Lück 1998, S. 149; ähnlich Reinle 2003, S. 332.

Die Feststellung der Tat 175

„private Sühne“ führe an den historischen Gegebenheiten vorbei. Von einer Alleinherrschaft des Inquisitionsprozesses könne im 15.  Jh.75 und 16.  Jh. im sächsischen Rechtsraum nicht die Rede sein, vielmehr sei von einer Verschmelzung der Privatklage mit inquisitorischen Elementen auszugehen. Vertreter der kriminalhistorischen Zunft mahnen, das Akkusations- dem Inquisitionsprinzip nicht „holzschnittartig“ gegenüber zu stellen.76 Das frühneuzeitliche Strafverfahren sei verworren und selbst die Zeitgenossen ließen terminologische Unsicherheiten erkennen77 und man möge bedenken, dass ein Inquisitionsverfahren auch durch Verleumdung und nicht nur durch eine „förmliche Anklage“ eingeleitet werden konnte.78 Zudem bestand für die Obrigkeit die Möglichkeit, einen Anklageprozess von Amts wegen als Inquisitionsprozess fortzuführen, wenn der private Ankläger von dem processu ordinario, so er einmahl angestellet und erwehlet / wiederumb abstehet.79 Einen derartigen Wechsel in den Quellen festzustellen, dürfte methodische Schwierigkeiten bereiten. So deuten auf private Verfahrenseinleitungen folgende Urfehde-Formulierungen hin: uf Hans Gurickens und seines knechtes clage80 und uf des gemelten Merten Gerfens und seiner frawen clag[en],81 hätte der Rat gut fug und macht gehabt.82 Ferner scheint das Wortpaar ordentlicher Prozess83 einen privaten Anklageprozess anzuzeigen, da dieser in der Carolina so genannt wurde und noch Carpzov die beiden Prozessarten in „ordentlichen Prozess“ und „Inquisitionsprozess“ unterteilte.84 Ob aber letztendlich die vom Rat vernommenen Zeugen durch Initiative und auf Kosten des Klägers beigebracht wurden oder vom Rat selbst – darüber geben die Akten

75 Nehlsen-von Stryk 2000, insbesondere S. 638ff. 76 Schwerhoff  1992, S.  394; vgl. hierzu auch Lück  1998, S.  148f.; SchnabelSchüle 1997, S. 121, die eine strenge Trennung in der Praxis verneint. 77 Schwerhoff 1991, S. 83, 91. 78 Alles waß wir biß dahero durch summarischen process wieder den Richter vorgenhommen allein ex officio super denunciatione et notarirtate geschehen haben, Strasburg, Nr. 937. Zur Bezeichnung des Inquisitionsprozesses als „summarischen Prozess“ Carpzov 1638, S. 8. Aus rechtshistorischer Sicht Trusen 1984, S. 116. 79 Carpzov 1638, S. 40. 80 Strasburg, Nr. 975, Bl. 56. 81 Ebd., Bl. 79. 82 Ebd., Bl. 69. 83 Ebd., Nr. 1025. 84 Sellert/Rüping 1989, S. 311.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

nur selten Auskunft.85 Auch schweigen sie über die Aufteilung der gesamten Verfahrenskosten.86 Hier könnten Parallelüberlieferungen von Kämmereirechnungen eventuell nähere Aufschlüsse geben.87 Vorläufige Anhaltspunkte geben indes unpublizierte Landesordnungen. In der Landesordnung von 157488 und dem Landrechtsentwurf von 159489 wurde betont, dass etliche schwere Missetaten in der Mark Brandenburg gemeinhin mittels Inquisitionsprozess sanktioniert würden, wobei zu Beginn die Interessenten bürgerlich anzuhören seien. Sobald eine peinliche Bestrafung angestrebt sei, solle sie auch vom Privatkläger durchgeführt werden – vorausgesetzt er sei vermögend genug. Allerdings solle die Obrigkeit ex officio einschreiten, wenn der Kläger die peinliche Klage nicht fristgemäß durchführe oder zu arm sei, aber eine peinliche Bestrafung unausweichlich scheine.90 Ein solches rathäuslichen Vorgehen dürfte dem Fall des Scharfrichterknechtes Achim Grundel zugrunde gelegen haben. So sind eher von Privatklägern in Gang gesetzte peinliche Verfahren mit inquisitorischen Elementen vorstellbar, das heißt, beide Verfahrensprinzipien konnten nicht nur wechseln, sondern auch miteinander verschmelzen.91 Insgesamt scheint es weder sachlich gerechtfertigt noch methodisch möglich zu sein, die peinlichen Strafverfahren der Zeit in Akkusations- und Inquisitionsverfahren einzuteilen. Gerd Schwerhoff, der für Köln eine derartige Unterteilung vornahm, beschrieb den „Wert dieses Samples [… als] begrenzt“, da die 85 Als hab ich [der Tatverdächtige, E.F.] dernweg[en] gemelten Andres Mylo [der Kläger, E.F.] vor disem Stadgerichte alhir beschuldiget und Ine zu Rechte so weit gefordt das er zwey glaubwirdige Zeugen von wegen des ausgerafften und gestreuten futers vorgestellen und eidlichen darauf vorhoren lassen, Strasburg, Nr. 975, Bl. 67. 86 Vgl. hierzu auch Thauer 2001, S. 289f. 87 Vgl. zu diesem Ansatz Riedel 1998. 88 CCM 6, Abt. 3, Nr. 2. 89 Siehe oben S. 82, Anm. 358. 90 Wann eine Unthat geschicht, sollen die Interessenten vor allen Dingen mit Ihrer Klage peinlich oder burgklich gehöret werdenn. Es sollen auch die, so vermugens seinn, mit Ihrer Klage fortfahrenn, und die sache daran sie Interessiret nicht der Obrigkeit zuschreiben, oder do sie je damit zwo Monat seumigk wordenn, soll Ihr recht ganz und gar der Obrigkeit heimfallenn. Do aber die Interessenten bey der Obrigkeit den processum Inquisitionis erhaltenn, oder sonst arme Underthanen im Lande des vermugens nicht wehren, die sachen uff Ihren Unkosten außzuuben. So soll die Obrigkeit welche über Peinliche Sachen zurichten, alßdann ex officio procediren, CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 163. 91 HRG 4, Sp. 2033; Nehlsen-von Stryk 2000, S. 638f.; Bubach 2005, S. 165, 171f. Für die Mitte des 18. Jhs. instruktiv Schnabel-Schüle 1997, S. 117ff., 121.

Die Feststellung der Tat 177

„Grenze zwischen der Zeugen- und der Klägerrolle […] oft unklar“ bleibt.92 Ferner dürfte der Fortbestand des Akkusationsverfahrens deliktabhängig gewesen sein. Fälle, in denen das Opfer oder dessen Familie ein Sanktions- und Verfolgungsinteresse hatten (wie Totschlag und Diebstahl), dürften länger als Parteienprozess verhandelt (zumindest eingeleitet) worden sein als Taten, in denen das öffentliche Strafverfolgungsinteresse93 größer war oder sich naturgemäß kein Privatkläger fand, wie bei vorehelicher Unzucht oder Gotteslästerung. Für Strasburg bleibt festzuhalten, dass privat getragene Strafverfahren im 16. und 17. Jh. existierten, wie die Verfahren gegen Michael Hansmann und Zacharias Möller gezeigt haben. Ihre genaue Zahl ließ sich jedoch nicht einwandfrei ermitteln. Eine Tendenz zeichnet sich aber ab: Der Rat nutzte seine rathäuslichen inquisitorischen Kompetenzen verstärkt bei Intensiv- und Wiederholungstätern,94 insbesondere wenn sie nicht der Gemeinschaft angehörten. Voruntersuchung oder Generalinquisition

Kehren wir zurück zum Diebstahlsfall von Martin Schramm und Friedrich Neumann gegen Zacharias Möller. Nachdem Schramm und Neumann dem regierenden Bürgermeister kundgetan hatten, dass sie den Prozess auf ihre Kosten führen wollten, forderte der Torwächter den Beschuldigten Möller mündlich auf, im Rathaus zu erscheinen. Als dieser nicht freiwillig zum angesetzten Termin kam, wurde er von den Ratsdienern geholt, um vom Rat, der grundsätzlich die Voruntersuchungen durchführte, zum Sachverhalt befragt zu werden.95 Andere Quellen belegen, dass Bürger den Dieben nachliefen96 und sie vor den Rat brachten oder aber sich selbst auf die Lauer legten, um den Wiederholungsdieb auf frischer Tat zu überführen.97 Befanden sich Tatverdächtige außerhalb des Stadtterritoriums wurden benachbarte Obrigkeiten um Mithilfe gebeten. Mitunter erfolgte die Ladung vor das Gericht (citation) schriftlich. Konnte ein Beklagter die mitunter namentlich vom Kläger geforderten Bürgen nicht als Kaution beibringen,98 wurde er als 92 93 94 95 96

Schwerhoff 1991, S. 90. Carpzov 1638, S. 37. Vgl. dazu S. 125–128. Strasburg, Nr. 1099, Bl. 44. Ebd., Nr.  1021; ebd., Nr.  1099, Bl.  7; BLHA  Potsdam, Rep.  4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 13, Bl. 306f. 97 Strasburg, Nr. 1030. 98 Strasburg, Nr. 1025; vgl. hierzu Sellert 1993, S. 328ff.

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Selbstbürge in Gewahrsam genommen. Anderenfalls hatte er sich aber für den Zugriff des Rates jederzeit durch Burgerlichen gehorsamb99 bereit zu halten. Dazu hatte sich der Betreffende – soweit er Strasburger Bürger war – durch den Bürger­ eid verpflichtet. Im Rahmen des Vorverfahrens oblag es dem Rat,100 Gewissheit über das Ob der Tat (corpus delicti) und die Persönlichkeit des Täters zu erlangen.101 Dies tat er, indem er die von den Parteien gemachten Aussagen verifizierte, den Tatverdächtigen und die Zeugen verhörte, Beweise prüfte, Informationen zum Vorleben des Verdächtigen einholte,102 insbesondere ob er noch weitere Taten begangen hatte, und die Parteien mitunter beschied, währenddessen Frieden zu wahren und nichts weiter vorzunehmen.103 Diese ersten informativen und summarischen Ermittlungen wurden in der zeitgenössischen rechtshistorischen Literatur – aber nicht in der Strasburger Praxis – als Generalinquisition bezeichnet.104 Der Strasburger Stadtschreiber gebrauchte nur den Terminus „Inquisition“. Die für die Analyse hier vorgenommene Differenzierung in General- und Spezialinquisition orientiert sich an zeitgenössischer Gelehrtenliteratur105 und Gesetzestexten106 und dient dem besseren Verständnis der verschiedenen Stufen der Strasburger Sanktionspraxis, wie sie sich in den Inquisitionsakten und Urfehdebriefen ablesen lassen. 99 Strasburg, Nr. 1018. 100 Dass Räte die Voruntersuchungen führten, bestätigen Untersuchungen in anderen Städten, wie Basel, Hagemann 1981, S. 199. 101 Carpzov 1638, S. 45f.; vgl. dazu Spicker-Beck 1995, S. 239ff.; Personen […] zur zeit mit der gefangknuß nicht zubelegen, Sondern wegen ihres handell leben vndt wandels kundtschafft aufzunehmen sey, Lorenz 1983b, S. 272f. 102 Strasburg, Nr. 1021. 103 Und soll jeder bey 4 Thl [Talern, E.F.] straffe vermeidung friede haltten, ebd., Nr. 1098, Bl. 53. 104 Ähnlich der Befund bei Lorenz 1982, S. 395, sowie bei Hahn 1989, S. 17. 105 Carpzov 1638, S. 45ff. 106 Eine derartige Aufteilung des Inquisitionsprozesses sah bereits die Carolina vor, Schoetensack 1904, S. 97; Lorenz 1982, S. 377, bes. 388, 394ff. Ferner Meinhardt 1957, S. 59; Thauer 2001, S. 285f.; Härter 2000, S. 468ff. General- und Spezialinquisition waren ausformuliert in der Malefitz-Proceß-Ordnung der Fürstenthumben Obern vnd Nidern Bayrn von 1616, Tit.  II, Art.  1, zitiert nach Klein­ heyer  1984, S.  11, Anm.  7. „Generalinquisition“ findet sich auch im märkischen Landrechtsentwurf von 1594, CCM  6, Abt.  3, Nr.  3, Sp.  164; „Spezialinquisition“ fehlt; in der Landesordnung von 1574 ist nur vom „Inquisitionsprozess“ die Rede.

Die Feststellung der Tat 179

Bestätigten sich die Verdachtsmomente nicht, stellten die Parteien auf Anraten des Rates während des Vorverfahrens den Rechtsfrieden gütlich wieder her oder sah der Rat von weiteren Untersuchungen ab,107 wurde die Prozedur mit der Zahlung eines Strafgeldes eingestellt. Der Tatverdächtige schwor, insofern er in Verwahrung genommen worden war, eine Hafturfehde.108 In Strasburg scheint personen- und deliktabhängig inhaftiert worden zu sein – auf jeden Fall, wenn sich die Verdachtsmomente bezüglich einer peinlich zu strafenden Tat erhärtet hatten. Mitunter erkundigte sich der Rat im Vorfeld bei einem auswärtigen Gelehrtengremium (Schöppenstuhl oder Juristenfakultät),109 ob er den Tatverdächtigen aufgrund der summarischen Nachrichten in Haft nehmen könne.110 Dies deckte sich mit den normativen Vorgaben der unpublizierten Landesordnungen. War der Täter aufgrund der Indizien bereits in diesem Stadium geständig, können für Strasburg stark vereinfacht zwei Optionen zum weiteren Prozedere hervorgehoben werden: Entweder wurde das Vorverfahren eingestellt oder es wurde in ein eigentliches peinliches Untersuchungsverfahren, das heißt in die Spezialinquisition,111 überführt. An dieser Stelle interessiert vorerst die Verfahrenseinstellung. Sie erfolgte, wenn Verwandte und Freunde zugunsten des Täters Fürbitte einlegten oder sich für ihn verbürgten und das Opfer oder seine Angehörigen eine Geldbuße akzeptierten, ohne auf eine peinliche Strafe zu drängen. War der geständige oder überführte Täter bereit und fähig, das Opfer zu entschädigen sowie ein Strafgeld an das Gericht zu leisten, wurde das Prozedere schließlich beendet. Zumeist musste er dazu ausreichend Bürgen stellen. Das soziale Netzwerk des Täters dürfte also – wie bereits im vierten Kapitel erläutert – mit ausschlaggebend gewesen sein.112 107 Durch die Nachtwechtter in gefangkliche hafft gebracht, und darin etlich tage und nacht enthaltten und derselben nach geschehener geug[?]tliche verhöer erlaßen, Strasburg, Nr. 976, Bl. 118. 108 Strasburg, Nr. 1098, Bl. 37; ebd., Nr. 976, Bl. 113. Vgl. dazu Studer 1984, S. 224. 109 Zur Aktenversendung allgemein: HRG 2008, Sp. 128–132, bes. Sp. 129; in der Mark Brandenburg: Stölzel 1901b, S. 305f.; in Sachsen: Lück 1997a, S. 257; Wilde 2003, S. 65f.; in Lemgo: Ströhmer 2002, S. 215ff. 110 Strasburg, Nr. 1021; CCM 6, Abt. 3, Nr. 2, Sp. 49; nahezu identisch ist der Wortlaut in: CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 164. 111 Carpzov 1638, S. 45, 48, bes. 182; Lorenz 1982, S. 394; Kleinheyer 1991, S. 63; Jerouschek 2007, S. 81; vgl. auch Regge 1997, S. 296. 112 Zu der Vielzahl der möglichen Teilnehmer am Inquisitionsprozess, die letztlich auch eine Einflussmöglichkeit auf den Verlauf und das Ergebnis des Verfahrens besaßen

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

Es war numehr kein ordentlicher Proceß deswegen vonnohdten.113 So heißt es an anderer Stelle, der Rat habe den Täter freigelassen, obwohl er befugt gewesen sei, den Sachverhalt schriftlich abzufassen und an ein Gelehrtengremium zur „rechtlichen Erkenntnis“ zu versenden114 oder ob nun wol ein Erbar Rad […] andre geburliche und im Rechten zugelasne mittel derntwege[n] zu erkundigung der worheit kegen mir vorzunehme[n]. wol gut fug und macht gehabt.115 In den in diesem Stadium geschworenen Urfehdebriefen ist für die Haftentlassung stereotyp folgender Satz überliefert: hetten auch woll gemelter Radt, die gerichte zu Straßburg […] gut fug, Recht und macht geha[b]t, mich vormuge der beschriebenen Rechte an meynem leibe peinlichen widerumb straffen zu lassen. So ist doch solches durch vilfeltige vorbit und unterhandlunge guter leute vorblieben, und haben mir aus gnaden und gutwilligkeit […] mein leben geschencket und gegeben, mich zur shune angenomen, und uf eine genugsame geschworne urfeide der gefengnuß widerumb entleddigen lassen.116 In über 70 der 136 untersuchten Urfehdebriefe wurde der Konflikt mit einer derartigen Formulierung, das heißt mit dem Verzicht auf peinliche Strafe oder längere Gefängnisstrafe, beendet. Das Verfahren verblieb somit auf der Stufe des außergerichtlichen Vergleiches.117 Wurde im Laufe des summarischen Vorverfahrens der geständige Täter noch weiterer schwerwiegender Verdachtsmomente bezichtigt, war eine Haftentlassung mitunter ausgeschlossen. Wiederholt begangene Straftaten wogen so schwer, dass ein peinlicher Strafverzicht durch Fürbitte, Bürgen und Geldzah-

Härter 2000, S. 468. 113 Strasburg, Nr. 1025. 114 Da sie doch woll befugt gewesn, solchen meinen frevell, muthwilln und geweltt ordentlich auffzusetzn undt umb Rechttsbelerung zu verschicken und was mir mehr möchtte erkandt wordn sein zu exequiren, ebd., Nr. 976, Bl. 124. 115 Ebd., Bl. 4. 116 Ebd., Nr. 975, Bl. 57. Vgl. zu ähnlichen Formulierungen unter anderem Ebel [1938], S. 135; Studer 1984, S. 220f., 226f.; Niederstätter 1985, S. 137. Ähnlich die Urfehde des Michael Kinder (Abb. 12 auf S. 270). 117 Zum Ermessen des Rates und der Parteien, auf ein peinliches Strafverfahren zu verzichten, vgl. Hagemann 1981, S. 172f., 176f.

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lungen irgendwann nicht mehr möglich war – auch wenn es in der Vergangenheit zu keiner Anzeige gekommen war. Gleiches galt, wenn der Tatverdächtige nicht geständig war.118 Dann fasste der Stadtschreiber in den meisten Fällen den Sachverhalt119 mit den vorliegenden Indizien in einem Bericht zusammen, der an ein auswärtiges Gelehrtengremium (Schöppenstuhl oder Juristenfakultät) versandt wurde. Im bearbeiteten Bestand sind 47 direkte Korrespondenzen an auswärtige Spruchkollegien und sieben indirekte Beteiligungen in�������������������������������������������������������� den verschiedenen Verfahrensstadien überliefert. In Unzuchtsfällen ging die Anfrage in erster Linie über das Cöllner Konsistorium, das seinerseits die Brandenburger Schöppen einschaltete. 18  Strasburger Anfragen waren direkt an die Juristenfakultät Greifswald gerichtet, 14  Briefe wurden an den Schöppenstuhl in (Alt)Stettin verschickt und 13 Erkundigungen holte man bei dem eigentlich zu befragenden Schöppenstuhl in Brandenburg an der Havel ein.������������������������������������������������������������������������� Die Einbeziehung der Schöppenstühle, Juristenfakultäten und des Brandenburger Oberhofes markiert das in die frühneuzeitliche Gerichtsbarkeit eingedrungene gelehrte Recht besonders.120 Die Akten waren – so die Anordnung des Kurfürsten – uf eine Juristenfacultet, oder Schoppenstuell, umb ein Urtell, wie mehrere gedachter Gloyen [der Tatverdächtige, E.F.] für solche excesse zubestraffen, [zu, E.F.] verschicken.121 Weshalb die Strasburger die Greifswalder Juristenfakultät favorisierten, lässt sich in diesem Rahmen nicht abschließend klären. Es wird eine Mischung aus mehreren Erwägungen gewesen sein. Finanzielle Gründe scheinen von vornherein auszuscheiden, da eine Rechtsbelehrung in Greifswald um einiges teurer war als bei den beiden genannten Schöppenstühlen.122 Vielmehr wären neben sachlichen, 118 Strasburg, Nr. 975, Bl. 67f. 119 Aber auch in dieser Phase konnte noch mit Bürgen, Fürbitte und geschworener Urfehde das Verfahren beendet werden, ebd.; ferner ebd., Nr. 976, Bl. 4. 120 Lück 1997b, S. 9f. Vgl. Abb. 2 auf S. 262. 121 GStA PK, I. HA., Rep. 54, Nr. 33a; vgl. überblicksartig zur Praxis derer von Saldern Peters 2007, S. 89. 122 Greifswald 1583=drei Taler (Strasburg, Nr. 1025); (Alt)Stettin 1610=zwei Taler, vier Groschen (ebd., Nr. 1021); Brandenburg an der Havel 1593=einen Taler (BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 41, Bl. 493), 1597=zwei Taler (BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 36, Bl. 198f.).

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verkehrsgeografische Gründe in Betracht zu ziehen.123 Nahm der Bote die Route nach Brandenburg an der Havel über Prenzlau-Spandau-Brandenburg,124 hatte er ca. 190 km zurückzulegen, wohingegen (Alt)Stettin bereits nach ca. 55 km erreicht war. Greifswald lag ca. 100 km entfernt und wäre unter verkehrsgeografischem Aspekt daher wohl eher die zweite Wahl. Vielleicht mögen auch – noch näher zu verifizierende – personelle Beziehungen durch ein Studium von Ratspersonen an der Greifswalder Fakultät für eine Anrufung Greifswalds ursächlich gewesen sein. Einzubeziehen wäre auch der fachliche Gesichtspunkt. Mit dem Aufstreben der frühneuzeitlichen Juristenfakultäten dürfte die Fachkompetenz der Universitätsprofessoren sowie die „Spruchmentalität“ des jeweiligen Gremiums eine Rolle gespielt haben. So urteilte die Greifswalder Juristenfakultät im Fall des Freischlachters Michel Herling125 gelinder als der Schöppenstuhl in (Alt)Stettin.126 Die Inanspruchnahme gleich dreier Fachgremien erfolgte im Fall der Ehefrau des Strasburgers Thomas Lupelow. Sie war vom Neubrandenburger Rat wegen des Kindsmordes, den sie auf Neubrandenburger Territorium begangen haben sollte, vor dem Strasburger Gericht verklagt worden. In diesem Fall wurden die Akten sowohl nach Greifswald als auch ins kursächsische Wittenberg und nach Helmstedt127 versandt. Der Neubrandenburger Rat bestand auf eine peinliche Strafe und der Fall war, da zwei Städte verschiedener Territorialherren beteiligt waren, bedeutender als Prozesse mit Lokalkolorit. Was auch immer die Versendungspraxis des Rates beeinflusst haben mag, sobald er entschied, ein auswärtiges Gremium einzubeziehen, war das Prozedere in ein neues Stadium übergetreten. Damit strebte er das eigentliche Gerichtsverfahren an, an dem Richter, zwei Schöppen, mitunter ein öffentlich bestellter Notar sowie auswärtige gelehrte Juristen teilnahmen. Die nun einsetzende intensivere Beweisaufnahme128 (Spezialinquisition) zielte auf eine peinliche Bestrafung des 123 Vgl. hierzu Hahn 1989, S. 75. 124 Jagow-Prenzlau-Templin-Zehdenick-Oranienburg-Berlin-Spandau-Brandenburg. 125 Ausführlich zu dem Sachverhalt S. 93–95. 126 Strasburg, Nr. 1021. 127 Vgl. zur Spruchpraxis der Helmstedter Juristenfakultät für die brandenburgischen Gebiete in der Zeit von 1675–1710 Hahn 1989. 128 Ob ihme von andern mer diepstellen und untaten ohne diesen Pferdediepstall bewust, Besondern dieweill unß auch in mittelst mehr nachrichtungen und newer Indicia, wie auß beigefugten beilagen zuersehen, zuhanden kommen, haben wier ihme dieselbe […]

Das peinliche Gerichtsverfahren 183

mutmaßlichen Täters. Der Übergang von der Generalinquisition dorthin war in der Praxis fließend129 und sie wurde vom Rat auch nicht als Spezialinquisition bezeichnet.

5.4. Das peinliche Gerichtsverfahren Idealiter endete der Sachverhaltsbericht des Rates an das auswärtige Gelehrtengremium mit der Frage, wie mit dem Inhaftierten (Inquisiten) weiter zu verfahren sei. Man erbat von den auswärtigen Juristen sogenannte Bei- und Zwischenurteile.130 Das Kollegium beschied, alles möge in förmliche Artikel131 (Inditionalartikel, aber auch Inquisitionalartikel132) gefasst werden und der Inhaftierte solle darüber in Güte, das heißt ohne Folter befragt werden. Was nicht gestanden werde, solle durch vereidigte Zeugen133 bewiesen werden, vorbehaltlich der Verteidigung des Inquisiten.134 Die Artikel dienten der intensiveren Beweisaufnahme und enthielten spezifische Fragen zum Tathergang, beispielsweise wann die Tat erfolgte, welchen Wert das Diebesgut hatte, wer Beihilfe leistete und ob der Verdächtige noch weitere Taten begangen habe.135 Dem Kontext des Falles entsprachen die ausgewählten Zeugen, die ebenfalls detailliert zum Tathergang und zur Deliktschwere befragt wurden. Beweisrechtliches Ziel war das über Indizien zu erwirkende Geständnis.136 Im Wortlaut der Zeit als gütliches Bekenntnis137 oder Urgicht138 be129 130 131 132 133 134

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vorgehaltten, Strasburg, Nr. 1021. Vgl. dazu auch Carpzov 1638, S. 182f. Vgl. dazu Strasburg, Nr. 1021. Van Kappen 1984, S. 240. Zu den artikulierten Verhören allgemein HRG 2008, Sp. 314; HRG 4, Sp. 2035f. CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 164. Strasburg, Nr. 1030. Ebd., Nr. 931, Bl. 93; ebd., Nr. 1025; ebd., Nr. 1030. Vgl. auch Lorenz 1983b, S. 260: das auß der Summarischen zeugen kundtschafft gewiße articul zuformiren, daruber die vorige zeugen, auch andere do man mehr haben kan, Eydlich abzuhoren […] vff die articul vnd zeugen außage gutlich zubefragen […]. Instruktiv hierzu die Anfrage des benachbarten Junkers von Blankenburg, einen seiner Leute an der Tortur eines Diebstahl-Tatverdächtigen teilhaben zu lassen, um zu erfahren, welche Güter ihm oder seinen Untertanen noch von dem in Strasburg Inhaftierten gestohlen wurden, Strasburg, Nr. 1021. Kleinheyer  1979; Müller  2002, S.  414f.; HRG  2008, Sp.  564; Schwerhoff 2005, S. 35; Sellert 2005, S. 4; Jerouschek 2007, S. 90. Strasburg, Nr. 931, Bl. 89; ebd., Nr. 1021; ebd., Nr. 1023. Ebd., Nr. 1021 und 1025; vgl. Lexer 2, Sp. 2004.

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zeichnet, galt es als „sicheres“ Beweismittel,139 wenngleich eine Verurteilung grundsätzlich auch auf der Grundlage der Aussagen von mindestens zwei glaubhaften, vereidigten Zeugen möglich war.140 Das Geständnis musste über Art und Umfang der Verbrechen und über die Schuld des Täters spezifizierte Auskunft geben.141 Auf der Grundlage eines präzisen, die „Wahrheit“142 wiedergebenden Geständnisses, konnte ein das Strafmaß enthaltendes Urteil gesprochen werden. War der Tatverdächtige geständig und wurden sämtliche Inquisitionsartikel umfassend beantwortet, versandte der Rat die Akten zur Urteilsfindung. War der Tatverdächtige nicht geständig, waren in einzelnen Artikeln noch Zweifel vorhanden oder kamen neue Verdachtsmomente hinzu, fragte der Rat erneut bei auswärtigen Juristen an, wie weiter vorzugehen sei. Ob man beispielsweise aufgrund der starken Indizien zur „peinlichen Frage“,143 das heißt zur Tortur144 schreiten solle oder ob der Inquisit anderenfalls nach geschworener Urfehde aus dem Gefängnis zu entlassen sei.145 Vom Gelehrtengremium befürwortete Tortur bzw. Folter wurde, wenn der Inhaftierte in guete die warheit146 nicht preisgab, vom Scharf- bzw. Nachrichter vorgenommen. Hier kamen vermutlich verschiedene Stufen zur Anwendung,147 da vereinzelt sowohl von der Androhung der Tortur (das Vorführen der Foltergeräte)148 als auch von der „scharfen peinlichen Frage“149 die Rede ist. Die 139 Schild 1984, S. 131f.; Ebel 1993, S. 82. 140 Langbein 1986, S. 249; Regge 1997, S. 290; HRG 2008, Sp. 564; Sellert 2005, S. 6. Vgl. zum Zeugeneid, zur Redlichkeit der Zeugen, zur Unbefangenheitserklärung, Strasburg, Nr. 1018. 141 Derselben uff die articul Insonderheit obspecificierte 2 Pferde gestohlen oder gekaufft, Strasburg, Nr.  1025; wie sichs, furnemlich mit dem darInn specificirten mordt und diebstellen, zugetragen, formlich Inn articul zu teßtiniren, ebd.; ehr wegen solcher bekhanten […] specificirten geflissenen dieberey mit dem Strange vom leben zum Todt zurichten, ebd. 142 Zu ergründung bestendiger varheit, ebd. Ferner ebd., Nr. 1021 und Nr. 1030. Vgl. auch Trusen 1984, S. 79ff.; Jerouschek 1992, S. 358. 143 Strasburg, Nr. 975, Bl. 83f., 99f.; ebd. Nr. 1021. 144 Peinlich verhoret worden, ebd., Nr. 975, Bl. 83; zum theil in der Tortur, ebd., Bl. 99. 145 BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 13, Bl. 306f. 146 Strasburg, Nr. 1021. 147 Eibach erwähnte für Frankfurt am Main ebenfalls drei Grade, Eibach 2003, S. 66; allgemein und mit Folterbeschreibungen Dülmen 1988, S. 32f. 148 Strasburg, Nr. 1021. 149 Ebd., Nr. 1030.

Das peinliche Gerichtsverfahren 185

Instrumente scheinen dem jeweiligen Fall angepasst worden zu sein.150 So wurde Michel Herling, Alß er aber bei voriger andthwordt geblieben […] von dem Nachrichter auf die Leiter geleget, und mitt den Instrumenten d[er] Peinlichkeit, die Braunschweigisch stiebeln nennend, ganz messiger massen, angeschroben und [hat] nachfolgende Puncta bekant.151 Der Tatverdächtige wurde nun ernstlich ermahnt, die „Wahrheit“ zu sagen.152 Legte der Inhaftierte ein solches Geständnis ab, wurde es vom hinzugezogenen Notar protokolliert: nachdem Ich Hein Janike zu Newenbrandenburgk wonhafft, […] am […] Meckelnburgischen hoffgerichte Immatriculirter und approbirter Notarius […] des Michell Herlinges gethanen andtword. darauff erfolgten Peinlichen und wiederholten guttlichen bekantnus, […] es angesehen und angehoret, undt vleissig ad notam genommen.153 Das weit verbreitete – von negativen Werturteilen geprägte – Bild vom grausamen, die Folter begünstigenden und Menschen entwürdigenden peinlichen Strafprozess darf heute angesichts neuerer Forschungen zur historischen Kriminalität154 relativiert werden. Unleugbar war die auf Wahrheitsfindung ausgerichtete Instruktionsmaxime das Tor, durch das die abscheuliche Tortur auch in das weltliche Strafsystem einzog und den üblen Ruf dieser Verfahrensart begründete.155 Bis es jedoch zur Anwendung der Folter kam, waren mittels eines ausgefeilten, von der Carolina 150 Vgl. dazu Kleinheyer 1991, S. 66f. 151 Strasburg, Nr. 1021. 152 Ebd. 153 Ebd. 154 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien aus der geschichtswissenschaftlichen deutschsprachigen Zunft folgende, einen differenzierenden Einblick in den Umgang mit Kriminalität gebende, Autoren zum 15. und 16. Jh. genannt: Behrisch 2005; Blauert/Schwerhoff  2000; Blauert  2000; Schuster  2000b; Schwerhoff 1991; Schwerhoff 1999. Von rechtshistorischer Seite sind jüngere Arbeiten von Jerouschek  1992; Jerouschek  2000; Jerouschek  2007; Lück  1998; Lück  1999; Lück  2003; Lüderssen  2002; Sellert  2005; Willoweit  1996; Schlosser/Willoweit 1999; Willoweit 1999; Willoweit 2002b; Willoweit 2007. 155 Sellert 2005, S. 3f.

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differenziert geregelten Indizienrechtes die be- und entlastenden Beweise zu ermitteln. Die Art und das Maß der anzuwendenden Tortur jedoch waren in der Carolina nur unzureichend normiert,156 sodass der Inquisitionsgrad vom Verhalten der beteiligten Akteure abhängig war und im Ermessen der untersuchenden Obrigkeiten lag. In den 92 analysierten Einzelfällen (die Fälle der Urfehdeüberlieferung ausgenommen, da diese keine expliziten Angaben zur Tortur enthalten) wurde die Folter erwiesenermaßen nur sechsmal angewandt. In vier weiteren Fällen sind lediglich Hinweise auf eine mögliche Tortur überliefert. Rezeption des römischen Rechts

Die Teilnahme eines Notars (Notare werden Ende des 16. Jhs. in den Strasburger Quellen greifbar),157 weist zudem auf das Vordringen gelehrter Juristen in der Uckermark hin. Der für das 15. und 16. Jh. in anderen Regionen charakteristische Rezeptionsprozess, in dem das römische Recht rezipiert worden war,158 setzte sich auch in den Untergerichten im Norden des Reiches allmählich durch. So darf wohl auch für Strasburg in Anlehnung an Helmut Coing angenommen werden, dass die gelehrten Juristen den „modernen“ Strafprozess in das Untergericht hineintrugen.159 Offenbar wird dies in einer Aufforderung eines Notars, der befragte Zeuge möge nicht die gütliche Einigung mit dem Dieb empfehlen, sondern in seiner Funktion als Zeuge die Wahrheit sagen.160 Darin könnte in gewisser Weise eine Vermittlung des öffentlichen Strafanspruches durch den gelehrten Funktionsträger 156 Langbein 1986, S. 252f.; Kleinheyer 1991, S. 65ff.; Sellert 2005, S. 6f.; Jerouschek  2007, S.  81f.; zur Indizienlehre im Zusammenhang mit der Folter siehe Schroeder 1986, S. 328f. 157 Strasburg, Nr. 1021 (1593); ebd., Nr. 976, Bl. 102ff. (1615); ebd., Nr. 917 (1617). 158 Da die „Rezeption des römischen und kanonischen Rechts in Deutschland […] zu den besonders gründlich erforschten Gebieten der Rechtsgeschichte“ gehört (Sellert 1998, S. 165), sei auf den Forschungsüberblick von Sellert 1998 verwiesen; ferner auf das grundlegende Werk von Trusen 1962; kurz dazu Kroeschell 2005, S. 178f.; zum Eindringen der gelehrten Juristen Coing 1962, S. 119ff.; zum Einfluss des römischen Rechts auf die Gesetzgebung Coing  1964, S.  102,  107f.,  114f.; zur Mark Brandenburg Mommertz 2003, S. 208f., Anm. 38; Peters 2007, S. 62, 190. 159 Coing 1962, S. 151f., 184. Wenngleich Coing sich nur auf das Privatrecht und den Zivilprozess bezog, so sind Parallelen in der Strafrechtspflege doch sicher vorstellbar. Coings Ausführungen zur Rezeption sind nach wie vor grundlegend, wie die Arbeit von Johann 2001, S. 53, zeigt. 160 Strasburg, Nr. 1030.

Das peinliche Gerichtsverfahren 187

gesehen werden, die einhergeht mit einer Inanspruchnahme von Advokaten161 (die Schriftsätze verfassten) und Prokuratoren162 (die mit vor Gericht auftraten).163 Bemerkenswert ist hier die Approbation einiger einbezogener Juristen am benachbarten mecklenburgischen Land- und Hofgericht in Neubrandenburg.164 Dies verdeutlicht zusammen mit den Anfragen nach Greifswald und (Alt)Stettin wie bedingt es dem Landesherrn nur gelang, Einflüsse auswärtiger Juristen auf die märkische Gerichtsbarkeit in der Praxis auszuschließen. Das Endurteil und das Ermessen des Rates

Hatte der Inhaftierte ein Geständnis abgelegt, wurde ihm am darauffolgenden Tag sein Bekenntnis erneut vorgelesen, um es bestätigen zu lassen.165 Blieb er bei seinen Aussagen, wurde der Fall folgendermaßen zusammengefasst: bei solcher Peinlichen und guttwilligen bekantnuß, wolte er Michell Herling, bestendigk bleiben. und dabei leben und sterben.166 Das – ohne Tortur – wiederholte Geständnis war eine wesentliche Voraussetzung für das Endurteil.167 In der Mehrzahl der peinlichen Verfahren beteiligte der Rat auswärtige Juristen (Gelehrtengremium und/oder Notar) und ließ ein gelehrtes Endurteil sprechen. Dies scheint in allen peinlichen Verfahren üblich gewesen zu sein,168 so wie es bspw. auch in Sachsen praktiziert wurde.169 Vergleichend mit anderen Regionen,170 mit unpublizierten Landesordnungen und mit Blick in die

161 Ebd., Nr. 1024 (1591); ebd., Nr. 1025 (1615); ebd., Nr. 1020 (1623). 162 Ob Prokuratoren in Strafverfahren auftreten dürften, wurde diskutiert in: Strasburg, Nr. 1024. Mitunter ist auch unspezifisch von Anwälten die Rede, Strasburg, Nr. 1024 (1592); ebd., Nr. 934 (1607). 163 Bubach 2005, S. 231. 164 Strasburg, Nr. 976, Bl. 102ff.; ebd. Nr. 1020; ebd., Nr. 1021. 165 Ebd., Nr. 1021; ferner ebd., Nr. 1030; Lorenz 1983a, S. 309. 166 Strasburg, Nr. 1021. 167 Bestendiglich und unwiderruflich beharren würden, ebd.; ähnlich ebd., Nr. 931, Bl. 89; ebd., Nr. 1023. 168 Davon geht Krause 2000, S. 381, allgemein aus. 169 Carpzov 1638, S. 96f., 125ff.; vgl. auch Blauert 2004, S. 172; Lück 1997a, S. 257; Lück 1999, S. 90; Wilde 2003, S. 65f. 170 In zweifelhaften Fällen holte man in Tübingen (1554) Rechtsbelehrungen ein. Ähnliches galt für Bayern und Kurtrier (1591).

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

Strasburger Sanktionspraxis darf die stete Einbeziehung gelehrter Juristen angenommen werden. So weisen neben den expliziten Anfragen innerhalb der peinlichen Prozesse auch 20 Urfehdebriefe, in denen der Stadtschreiber sinngemäß die Formulierung verwendete, vermöge Urteil und Recht171 wäre der Rat befugt gewesen, die peinliche Strafe zu verhängen, auf eine Einbeziehung auswärtiger Gelehrtengremien hin. Wo ansonsten vermöge der Rechte die Strafe zu ergehen hatte, ist in den besagten Briefen der Zusatz vermöge Urteil und Recht überliefert. Die Urteile (als Zwischen- und Endurteile) wurden extern von auswärtigen Gelehrtengremien gesprochen.172 Erinnert man sich, dass ein Urfehdebrief ein Substrat juristisch relevanter Informationen ist, darf diesem Argument ein größeres Gewicht beigemessen werden als es vordergründig erscheinen mag. In anderen Fällen behielt sich der Rat vor, bei Rückfall des Täters, „ohne alle Erkenntnis der Rechte“ (Versendung der Akten), den diesmal Verschonten am Leben zu strafen.173 Es entsteht der Eindruck, als habe der Rat selbst keine peinlichen Endurteile gesprochen. Bestärkt wird diese Annahme angesichts des Verfahrens gegen den entlassenen Stadtmeier Hans Lexow.174 Im Rahmen der Spezialinquisition bat der Rat die Schöppen des Brandenburger Schöppenstuhls, den überführten Brandstifter, anderen zur Abscheu mit der schärfsten Strafe, dem Schleifen und Zangenriss, zu richten.175 Zwar wolle man den Schöppen nichts vorschreiben, aber man wäre – so die Strasburger – einem harten Urteil zugeneigt. Wenn der Rat peinliche Urteile noch selbst gefällt hätte, ohne auswärtige Justizpersonen 171 Strasburg, Nr. 975, Bl. 115, 132; ebd., Nr. 976, Bl. 22, 35 und 52. 172 In zwölf Briefen werden das auswärtige Gelehrtengremium oder zumindest das gesprochene Urteil explizit genannt und anhand der Parallelüberlieferung erschließen sich zusätzlich zwei weitere Fälle. Vgl. zur Formel Urteil und Recht Stölzel 1901b, S. 338, und Schnabel-Schüle 1997, S. 81. 173 Ein Erbar Rad mich als drum derntwegn ahne alle erkantnis des Rechten am leben zu straffn gut fug und macht haben sollen, Strasburg, Nr. 1023; ähnlich: da Ich mich hinfurtan Greta Mildans mit unzucht und beischlaffen ferner vorgriffen würde. so soll ein Erbar Rad ohn erkentnus des Rechten mich mit staupschleg[en] und ewiger vorweisunge zu straffen macht haben, ebd., Nr. 976, Bl. 52. 174 Vgl. hierzu ausführlicher S. 162f. 175 Andern zum abschew, wie sie zum Scharffesten :/: E.[uer]G.[naden] doch nicht vorzuschreiben :/: nach Churf [ürstlicher] ordnunge so wieder solche ubelthädn mitt Schleiffn, Zangenriß undt andern specificirten straffn vorordnet sein soll, zu straffen sein, BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 49, Bl. 386.

Das peinliche Gerichtsverfahren 189

beteiligen zu müssen, hätte er es in diesem Fall sicher getan. Der Brandenburger Schöppenstuhl möge – so die Bitte der Strasburger Ratsmitglieder – ihnen ein Urteil übersenden. Dies scheint ein Indiz dafür zu sein, dass der Rat wohl in allen peinlichen Verfahren auswärtige Urteile einholte bzw. sie sich empfehlen ließ. So wies das auswärtige Gelehrtengremium in einigen Unzuchtsfällen darauf hin, der Rat habe einen Ermessensspielraum für eine willkürliche176 Strafe bis zum Höchstmaß des Stadtverweises.177 Zuweilen war die Gnade an den Bund der Ehe geknüpft:178 dem ehestandt zu ehren, mit leibesstraff verschonet werden, Ihr [der Rat, E.F.] seidt aber nichts desto weniger sie, wegen getriebener unzucht, in wilkuhrliche straffe zunehmen befugt.179 Den von den auswärtigen Gremien eingeräumten Ermessensspielraum180 in Unzuchtsfällen nutzte der Rat nachweislich zwölfmal (von insgesamt 35 Unzuchtsfällen) in unterschiedlicher Art und Weise. In den dazu überlieferten Urfehdebriefen verzichtete der Rat entweder auf die Staupschläge, wenn er die Täter der Stadt verwies. Mitunter sah er ganz von einem Stadtverweis ab, bewog die Täter zur Heirat181 oder beließ es bei einer Geldstrafe. Auf gewährte Ermessensspielräume in Brandenburger Schöppenstuhlakten hat Monika Mommertz hingewiesen.182 Sie sind auch in Akten der Rostocker Juristenfakultät zu finden: Auf die gütliche und peinliche Urgicht der Lehne Gebels (?) erkennt die Fak.a: wird die Beklagte vor dem gehegten peinlichen Gericht freiwillig und beständig bei ihrem Bekenntnis verharren, so kann [Hervorhebungen E.F.] sie mit dem Feuer vom Leben zum Tode gestraft werden.183 176 Als willkürliche Strafe galten solche, die nach richterlichem Ermessen festgesetzt wurden, HRG 3, Sp. 1781. 177 So mügen sie beyde Inn willkürliche strafe, so Ir bis uf die vorweisung, Ewer gerichte zuerweiternn wol befugt, genommenn werden, Strasburg, Nr.  931, Bl.  83; ähnlich BLHA Potsdam, Rep. 4D, Brandenburger Schöppenstuhlakten, Bd. 41, Bl. 493. 178 Vgl. auch S. 152f. 179 Strasburg, Nr. 1023. 180 Vgl. hierzu auch Gudian 1976, S. 279; Hahn 1989, S. 127. 181 Daß ich Catharina Ricken ehligen und 20 shll [Scheffel] hafern Strafe deßwegen E.[inen] E.[hrbaren] Rathe geben soll und will, Strasburg, Nr. 976, Bl. 89. 182 Mommertz 1997, S. 240. 183 Lorenz 1983a, S. 309.

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Ermessen in Form von Gnade nutzte der Strasburger Rat auch im Fall des Diebes Zacharias Möller. Dessen Hinrichtung ging nachweislich ein Gnadengesuch von zwei Brüdern des Diebes voraus, das wiederum eine innerstädtische Rücksprache mit den Viertelherrn und neun weiteren Bürgern nach sich zog.184 Hierbei beschlossen die befragten Bürger, da Urteil und Recht nunmehr vorhanden seien, wolle man es dem Rat anheim stellen, zu entscheiden. Sie gaben jedoch zu bedenken, dass man dem Urteil zuneige. Wenn es nicht vollstreckt würde, so zähle der begangene Diebstahl als erster (und bei Rückfall habe der Dieb sein Leben vollends verwirkt). Das Todesurteil wurde vom Rat scheinbar nur bezüglich der Hinrichtungsart gemildert. Anstelle mit dem Strang sollte Zacharias Möller ehrenvoller mit dem Schwert gerichtet werden.185 In einem Unzuchtsverfahren erbat ein Bevollmächtigter Kopien von den verschickten Akten samt zuerkanntem Urteil, um dagegen vorgehen zu können. Daraufhin beruhigte ihn der Rat mit den Worten: Er solle sich damit nicht belasten, denn das Urteil werde nicht vollstreckt. Der Täter schwor einen Eid (höchstwahrscheinlich einen Urfehdeeid) und wurde gegen Zahlungsverpflichtung von 60 Talern aus dem Gefängnis entlassen.186 Insgesamt legen die Quellen hinsichtlich des Endurteils einen innerstäd­tischen Spielraum offen, den die Beteiligten wahrnahmen.187 So kann die von PeterMichael Hahn aufgeworfene Frage, ob ein Gericht an das ihm übersandte Konsilium bei seiner Urteilsfindung gebunden war,188 nur differenziert beantwortet werden. Die Endurteile waren in erster Linie richtungweisend. Sie gaben für das lokale Gericht gewissermaßen das Maximalstrafmaß vor. Daneben schufen sie gegenüber etwaigen Schadensersatzklagen der Täterfamilie eine Exkulpationsmöglichkeit. Die Akten und vor allem die genannten 20 Urfehdebriefe mit der Formulierung vermöge Urteil und Recht zeugen davon, dass gelehrte Urteile modifiziert bzw. abgemildert wurden. Das Ermessen des Rates unterstreicht einmal mehr, dass die letztendlich verhängte Strafe nicht aus einer zwangsläufigen „objektiven“ Um184 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 49. 185 Soll im nur gedacht das Schwertt gegeben, aber auff dem Richtberge begraben werden, Strasburg, Nr.  1099, Bl.  50; vgl. zur milderen, ehrenvolleren Schwertstrafe Hagemann 1981, S. 221, 307f.; Schubert 2007, S. 58f. 186 Strasburg, Nr. 1099, Bl. 24f. 187 Vgl. Hagemann 1981, S. 190ff. 188 Hahn 1989, S. 23f.

Haftentlassung mit oder ohne Urteil – die Hafturfehde 191

setzung normativer Vorgaben resultierte. Zugleich spiegelt sich darin eine dem mittelalterlichen Rechtsempfinden entsprungene „konkret-konsensuale Rechts­ struktur“,189 für die zu gewährende Gnade und die persönliche Rechtsanschauung der richterlichen Autorität vor Ort konstitutiv waren. Die „Subjektivität“ des Rechtes verlangte, dass die richterliche Entscheidung nicht nur von allen Beteiligten, sondern auch von deren sozial-gesellschaftlichem Umfeld akzeptiert wurde. Am eindrücklichsten äußert sich diese Rückbindung in den Hafturfehden.190

5.5. Haftentlassung mit oder ohne Urteil – die Hafturfehde Soweit die Literatur zur Urfehde-Forschung191 überblickt werden kann, konzentrierte sie sich primär auf materiell-rechtliche sowie sozial- und kulturhistorische Aspekte des Rechtsinstituts. Der prozessuale Stellenwert der Urfehde innerhalb des obrigkeitlichen Sanktionssystems des 16./17. Jhs. wurde bislang nicht eingehender behandelt.192 In Strasburg wurden Urfehden – wie gezeigt werden konnte – in verschiedenen Stadien der Konfliktbereinigung geschlossen. Sie wurden geschworen, wenn erstens bei gering eingestuften Vergehen mit einigen Tagen Haft die Strafe verbüßt war, zweitens während der summarischen Generalinquisition der Tatverdacht sich nicht erhärtet hatte oder weitere Untersuchungen nicht vonnöten schie189 Weitzel 1992, S. 76. 190 Reinle 2003, S. 357. 191 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit chronologisch geordnet: Ebel  [1938]; Tewes 1970/71, insbesondere S. 181–190; Boockmann 1980; Steinwascher 1983; Grassmann  1984; Studer  1984, insbesondere S.  217–228; Niederstätter 1985; Pettke 1988; Scribner 1988; Neumeister 1989; Wernicke/Hoernes 1990; Bührlen-Grabinger 1991; Bauer 1996; Blauert 2000; Just 2000; Wernicke 2000; Blauert 2001a; Jerouschek/Blauert 2002; Weber, F. 2002; Aumüller  2003; Bührlen-Grabinger  2003; Schmucker  2004; Aumüller 2005. 192 Auf prozessuale Aspekte (Verhandlungsverzicht, Vermeidung weiterer Verhöre, Verzicht auf Folter) weist Niederstätter  1985, S.  16ff., hin. Den Stellenwert der Hafturfehde innerhalb der zeitgenössischen Rechtsprechung schneiden Jerouschek/Blauert 2002, S. 236, an, ohne ihn jedoch erschöpfend darzulegen. Auf den Aspekt, dass Urfehden vor dem eigentlichen Beginn des Prozesses bzw. nach Abschluss eines Vergleiches abgelegt wurden, gehen kurz Sello 1886, S. 191; Scribner 1988, S.  67; Aumüller  2003, S.  128, ein; sich auf Aumüller beziehend Bulst  2006, S. 474. Dass Urfehden vor Erteilung eines Urteils geschworen wurden, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet hatte, erwähnt Schuster 2000b, S. 289.

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nen, drittens der Rat bzw. der Kläger auf eine peinliche Bestrafung verzichteten und einen bürgerlichen Ausgleich favorisierten und viertens das peinliche Strafverfahren mit einem auswärtigen Endurteil beendet worden war, das entweder keine peinliche Strafe enthielt oder diese vom Rat nicht vollstreckt wurde. Voraussetzung für eine Urfehde war stets, dass der Beklagte in Haft gelangt war und er sich zu der ihm vorgeworfenen Missetat bekannt hatte. Die Haft erzeugte eine Ehrverletzung und damit eine Rachemöglichkeit des Inhaftierten, die mit dem geschworenen Urfehdeeid abgewendet werden sollte. Grundtenor sämtlicher Hafturfehden war der Verzicht auf Rache des aufgrund hinreichenden Tatverdachts im Gefängnis Inhaftierten. Voraussetzung dafür war ein Geständnis des Inhaftierten und die Entscheidung des Rates, das kriminelle Verhalten des Täters aus Gunst und Gnade nicht mit voller Schärfe des Rechtes zu sanktionieren. Dafür bedankte sich der geständige Täter beim Rat und verpflichtete sich, sich nicht zu rächen. Dieser Racheverzicht bezog sich auf sämtliche Personen, die an seiner Inhaftierung beteiligt waren, sowohl auf den Ursache setzenden Kläger als auch die ausführende Obrigkeit.193 Zugleich akzeptierte er den vollzogenen Handel194 als eine konsensuale, vertragliche Konfliktlösung. Deutlich wird hier die Spannbreite des frühneuzeitlichen Rechtssystems. Was bereits beim Ermessensspielraum des Rates herausgearbeitet wurde, gelangt bei den Hafturfehden zur vollen Geltung. Die normativen Vorgaben galten bei Weitem nicht allein, sondern der Parteiwille und die Wiederherstellung des Stadtund Rechtsfriedens mittels Konsens waren ausschlaggebend. Mit konsensbasierten Konfliktlösungen bestand für den Rat die Chance, „gefährliche Urteilsfolgen“ für die kommunale Sicherheit zu vermeiden,195 was vor dem Hintergrund der versandten Fehdebriefe ein ernst zu nehmender Aspekt zur Sicherung des städ­ tischen Friedens war. Wie gezeigt werden konnte, besaßen Fehdewillige durchaus 193 So woll auch allen and[ere]n so an diser meiner gefengnis vordacht oder schult haben mochten niemants ausgeschlossen, Strasburg, Nr.  975, Bl.  117; ähnlich ebd., Bl. 128ff., 132f., 138ff.; ebd., Nr. 976, Bl. 4, 15f.; ebd., Nr. 1023. 194 So haben sich doch guete Leute in diesem handell geschlagen daß wier mitt obgedachten den verwundeten verglichen und vertragen, Strasburg, Nr.  931, Bl.  126; Nr.  975, Bl.  40ff.,  67f. Vgl. auch Gerichtsordnung der Stadt Neuruppin von 1589: das viele straffbahrer handel dahero verschwiegen vndt nicht in geburlicher acht genommen worden, CDB I 4, S. 381, Nr. 103. 195 Bulst 2006, S. 474.

Haftentlassung mit oder ohne Urteil – die Hafturfehde 193

Rekrutierungs- und Mobilisierungspotential, das heißt, sie waren in der Lage, Helfer und Unterstützer für die Durchsetzung ihres Anspruches zu gewinnen. Die Familie als bedeutende soziale Gruppe und kleinste Ordnungseinheit besaß hierbei besondere Bedeutung. Mit dem selbstbindenden Eid, der mittels zwei aufgerichteten Fingern zu Gott und dem heiligen Evangelium geschworen wurde, schloss der Schwörende auch seine Erben, geborn und ungeborn auch vor alle unsere freunde verwanten und frömbde auch alle die iennigen so umb unserntwillen etwas thuen und laßen wollen in seinen Racheverzicht mit ein.196 In den „Entwicklungsstufen des Urfehdewesens“197 – so die These von Andreas Blauert und Günter Jerouschek – lasse sich die bis in das 17. Jh. andauernde198 allmähliche „Zurückdrängung“ des mittelalterlichen Systems der Komposition durch „genuin strafrechtliche Formen der Konfliktlösung“199 ablesen. Die Hafturfehde des 16. und frühen 17. Jhs. sei „sowohl Einigungsschwur wie Unterwerfungseid“200 gewesen. In ihr offenbare sich noch „ein Mindestmaß an Konsensualität in der Rechtspraxis“, auf das die obrigkeitliche Gerichtsgewalt angewiesen gewesen sei. Die der Hafturfehde innewohnenden Sicherungsmittel, wie Bürgschaft, Verbot fremde Gerichte anzurufen, Verzicht auf Rache etc. würden erkennen lassen, wie sehr Recht (noch) im komplexen sozialen Gefüge verankert gewesen sei und einer „(Selbst-)Bindung der zu Disziplinierenden“201 bedurfte, um die Ordnung wiederherzustellen und zu befestigen.202 Die Ursachen für die Rückbindung an die Gesellschaft waren komplex und konnex. Sie können in diesem Rahmen nur kurz angerissen und nicht erschöpfend erörtert werden. Zum einen sieht die Forschung das nicht von der Hand zu weisende frühneuzeitliche Vollzugsdefizit ursächlich dafür und zum anderen werden die Gründe in den zeitgenössischen Rechts- und Herrschaftsvorstellungen zu suchen sein. Auf den letzten Aspekt weist die neuere Fehdeforschung verstärkt hin und er scheint bei der Bewertung dieser Zusammenhänge ein wichtiges Kriterium zu sein. Es zeigt sich – mit allem Vorbehalt der Strasburger Überliefe196 197 198 199

Strasburg, Nr. 931, Bl. 126f. Jerouschek/Blauert 2002, S. 246. Willoweit 2007, S. 38f. Blauert  2001b, S.  174; Jerouschek/Blauert  2002, S.  242f.; Blauert  2004, S. 164ff.; Willoweit 2007, S. 38f. 200 Blauert 2001b, S. 179; Jerouschek/Blauert 2002, S. 238. 201 Jerouschek/Blauert 2002, S. 238. 202 Weber, F. 2002, S. 70f.

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rung – in der Bevölkerung noch ein Bewusstsein älterer Rechtstraditionen. Indem Täter das Gerichtsterritorium verließen, um sich der obrigkeitlichen Strafgewalt des Rates zu entziehen und damit vermutlich Erfolg hatten, ansonsten wäre es nicht fortwährend praktiziert worden, zeigt sich, wie selbstbewusst die Zeitgenossen ihre Position nicht nur einschätzten, sondern auch zu bewahren wussten.203 Mit dem Austreten der Personen aus dem gemeinsamen Gerichtsverband wird eine Mentalität eigener Rechtsdurchsetzung greifbar. Dass dieses Rechtsverständnis auf lange Sicht und bei schweren Verbrechen nicht erfolgreich war, steht auf einem anderen Blatt. Mit dem Verzicht auf eine Spezialinquisition204 bestand für den Rat die Option, seine rathäusliche Sanktionskompetenz in den betreffenden Fällen nicht nach außen zu öffnen. Hätte man die Akten versandt und ein Urteil erbeten, dann hätten auswärtige Sanktionsinstanzen darüber befunden, was in der Stadt rechtens ist. Dem konnte der Rat entgegenwirken, indem er versuchte, die Parteien zu einem Ausgleich und zu einem Sühnevertrag zu bewegen. Damit ermöglichten ihm die Urfehden, (weiterhin) als souveräne Obrigkeit und Gerichts­ instanz zu fungieren.205 So wäre der Verzicht auf das peinliche Verfahren auch ein genuin rathäusliches Instrument, um Gerichtsrechte im Zeitalter des vordringenden rezipierten Rechts und des „sich verdichtenden Staates“ zu bewahren. Die Bausteine der Hafturfehden ähneln sich nicht nur innerhalb des Strasburger Bestandes, sondern weisen auch große Übereinstimmung mit Urfehdebriefen aus anderen Rechtsräumen auf.206 Alois Niederstätter207 stellte dazu einen Katalog zusammen, den andere Autoren208 übernahmen und der auch in Strasburg anwendbar ist. Forschungen zu juristischen Formular- und Anleitungshandbüchern209 könnten zur Allgemeingültigkeit bestimmter frühneuzeitlicher Rechtsinstitute – so auch des überregional genutzten Urfehdeinstituts – interes-

203 Peters 2000; Mommertz 2003; Thieme 2007. 204 Vgl. S. 179f. 205 Zum Autonomiegedanken: Neumeister 1989, S. 84ff.; Weber, F. 2002, S. 71; vgl. ferner Jerouschek/Blauert 2002, S. 246. 206 Bauer 1996, S. 98ff.; Blauert 2001a, S. 66. 207 Niederstätter 1985, S. 13f. 208 Blauert 1999, S. 103f.; Blauert 2000, S. 47; Blauert 2001a, S. 66; vgl. Bührlen-Grabinger 1991, S. 19; Bührlen-Grabinger 2003, S. 52. 209 Härter 2005, S. 424, bes. Anm. 645.

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sante Einblicke gewähren. Leider stehen sie noch aus. Folgende Hafturfehde-Bausteine stellte Niederstätter zusammen:210 1. Name (und Wohnort) des Ausstellers 2. Grund, Ort und Veranlasser der Inhaftierung 3. Freilassung durch Fürbitte und „aus Gunst und Gnaden“ = Gnadenbitten 4. Leistung des Eides a. Sich nicht zu rächen b. Bestimmte Strafen auf sich zu nehmen c. Künftige Rechtshändel nur vor den zuständigen Gerichten auszutragen 5. (Konsequenzen im Falle des Eidbruchs) 6. Stellung von Bürgen, Benennung der Bürgenpflichten, Bürgeneid 7. (Siegelankündigung) 8. (Zeugenliste) 9. Datierung (und Ausstellungsort) Da sich die Verankerung der formellen Sanktionsinstanz im komplexen sozialen und gesellschaftlichen Gefüge am besten anhand des Gnadenbittens sowie des Bürgenwesens ablesen lässt, soll nachfolgend auf diese beiden Aspekte schwerpunktmäßig eingegangen werden. 5.5.1. Gnadenbitten

In über 50 % der Urfehdebriefe formulierte der Stadtschreiber sinngemäß, der Rat habe den Täter „aus Gunst und Gnaden“ wieder aus dem Gefängnis entlassen.211 Im Kontext betrachtet, enthalten insgesamt 126 Urfehdebriefe (93  %) Gnadenakte. Gnade gewährte der Rat aufgrund der Fürbitte Dritter, indem er davon absah, eine härtere und vor allem – wie gezeigt werden konnte – peinliche Strafe zu vollstrecken.212 Drei Fürbitteformen dürfen für die Strasburger Urfehden als charakteristisch betrachtet werden: Erstens die Fürbitte der Freundschaft, das heißt der Familie (67  %); zweitens die Fürbitte „guter Leute“, die als unspezifisch genannte 210 Niederstätter 1985, S. 13f. Die in Klammern gesetzten Bausteine finden sich in Strasburger Hafturfehden entweder gar nicht oder selten. 211 Aus Gunst und Gnaden, Strasburg, Nr. 975, Bl. 98, 137f.; ebd., Nr. 976, Bl. 29f.; ebd., Nr. 1023; aus Gunst und guten Willen, ebd., Nr. 975, Bl. 71, 75, 86; ebd., Nr. 976, Bl. 4, aus lauter Gnaden, ebd., Nr. 975, Bl. 40ff., 90; ebd., Nr. 976, Bl. 80f. 212 Aus gutter leutte vorbitte vorbliben, war dafür die gängige Formel, vgl. Strasburg, Nr. 975, Bl. 80.

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Dritte gelten können (29 %) und drittens die Fürbitte eines Dienstherrn oder Junkers (3 %). Mitunter gab es auch Interferenzen, indem Freunde mit Dienstherrn oder Freunde mit guten Leuten gleichzeitig Fürbitten einlegten. Es wird deutlich, dass dem sozial-familiären Rückhalt in Strasburg die größte Sicherung zugeschrieben wurde. Besaß ein Delinquent keinen sozialen Rückhalt konnte er durch eigene Fürbitte oder in Ansehung seiner Person durch den Rat Gnade erfahren. Derartige Gnadenakte bilden jedoch die Minderheit. Als zusätzliche Gründe für den Gnadenerweis wurden daneben in Strasburg Mitleid,213 finanzielles Unvermögen,214 Schwangerschaft,215 Ausnahme­hand­ lung,216 Elternschaft217 und Jugend218 angegeben. Die besondere Bedeutung des Gnadenbittens, quasi als Strafmilderungsgrund oder gar als Sanktionsverzicht, ist von der Forschung erkannt und wiederholt gedeutet worden,219 wenngleich eine umfassende Bewertung noch aussteht.220 Konsens besteht insoweit, als es sich bei diesem Phänomen nicht um eine Strafnormen beliebig anwendende Obrigkeit221 handelte, sondern um einen „integralen Bestandteil des spätmittelalterlichen Rechtssystems“.222 Andrea Boockmann spricht für Göttingen geradezu von einem „Gnadenhandel“.223 Auch für Strasburg ist diese Einschätzung gegenseitigen Aushandelns nicht von der Hand zu weisen. So haben sich doch 213 214 215 216 217 218 219

220 221 222 223

Ebd., Nr. 975, Bl. 106f.; ebd. Nr. 976, Bl. 90f. Ebd., Nr. 975, Bl. 134f. Ebd., Nr. 976, Bl. 79. Zu disem mahle, ebd., Bl. 56; ähnlich ebd., Bl. 29. Umb meiner arme kleinen kinder willen, ebd., Bl. 58. Ebd., Bl. 31f. Ebel [1938], S. 62ff.; Boockmann 1980, S. 90ff.; Trusen 1984, S. 123; Schwerhoff 1991, S. 166ff.; Schwerhoff 1992, S. 389ff.; Schuster 1995, S. 119–148; Bauer  1996; Mommertz  1997, S.  239ff.; Blauert  2000, S.  59ff.; Schuster  2000b, S.  285ff.; Wernicke  2000, S.  400f.; Henselmeyer  2002, S.  136ff.; Willoweit  2002b; Aumüller  2003, S.  123ff.; Bührlen-Grabinger  2003, S. 39f.; Arlinghaus 2004; Bulst 2006; Schubert 2007, S. 53ff. Willoweit 2002b, S. 189; vgl. auch Schwerhoff 1992, S. 391. So noch im Ansatz Schmidt 1983, S. 69f. Dagegen: Schwerhoff 1991, S. 168f.; Schwerhoff  1992, S.  389ff.; Blauert/Schwerhoff  2000, S.  31f.; Schuster 2000b, S. 301; Bendlage 2003, S. 214f., 293f. Schwerhoff 1991, S. 168; vgl. ferner: Weber, F. 2002, S. 70. Boockmann 1980, S. 90. Aufgegriffen wurde dieser Terminus unter anderem von Schuster 2000b, S. 306. In Strasburg heißt es aber auch mitunter, man habe einen handel hergestellt, Strasburg, Nr. 975, Bl. 43.

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guete Leute in diesem handell geschlagen daß wier mitt obgedachten den verwundeten verglichen und verdragen224 werden, formulierte der Stadtschreiber 1608. Wie in Strasburg das Aushandeln von Strafe außerhalb der Urfehde aussehen konnte, verdeutlicht der Fall von Christoph Paul, dem Ochsenhirten des Bürgermeisters Juricke, von 1629. Als er in den Erbsen von Achim Milow angetroffen wurde, schlug Milow demselben leicht auf den Kopf, woraufhin Paul ihn als Schelm beschimpfte. Dies führte zur Anzeige. Ein Diebstahl konnte dem Ochsenhirten vermutlich nicht nachgewiesen werden; jedenfalls bot man ihm als Strafe für die begangene Verbalinjurie drei Taler oder vier Tage Gefängnis an. Daraufhin handelte er einen Taler Strafe heraus und wurde entlassen.225 Der Parteiwille war somit noch 1629 entscheidend. 5.5.2. Bürgenwesen

So habe ich dem Rade. gerichte und des entleipten Bruder und freuntschafft darfur zu genugsamen sachweldig[en]. und selbschuldigen Burg[en] gestellet 226 war eine typische Formulierung mit der eine Urfehde gesichert wurde.227 Unbeteiligte Dritte bürgten entweder einzeln oder in einer gesamtschuldnerischen Gruppe selbschuldig einer vor alle und alles228 dafür, dass der aus der Haft entlassene Täter die Urfehde einhalten und das zu leistende Strafgeld (manchmal inklusive der Arzt- und Schadenskosten) zahlen werde. Ob sie damit implizit gelobten, für das „künftige Wohlverhalten“ des Inhaftierten Sorge zu leisten,229 kann nicht eindeutig beantwortet werden. Angesichts der Tatsache, dass Andreas Milow der Ältere zweimal und Andreas Milow der Jüngere einmal für Andreas Lindthorst bürgten,230 ist dies schwer vorstellbar. Die Gruppenstärke schwankte je nach Bedarf231 zwischen einem und 16 Bürgen; meistens waren es zwei bis fünf Personen. In Stras224 Ebd., Nr. 931, Bl. 126f. 225 Der Beklagte habe gehandtlet und ist auff i thllr. [Taler, E.F.] straffe erlaßen, ebd., Nr. 1099, Bl. 40. 226 Ebd., Nr. 975, Bl. 57f. Ähnlich die Urfehde des Michael Kinder (Abb. 12 auf S. 270). 227 Uf […] Bürgliche vorsicherunge widerumb entleddigen lassen, Strasburg, Nr.  975, Bl. 44. 228 Ebd., Bl. 108; vgl. Ebel [1938], S. 107f. 229 Ebel [1938], S. 98. 230 Vgl. Anm. 390 auf S. 155. 231 Mit Bezug auf das Ausmaß der Sicherungspflicht Boockmann 1980, S. 78.

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burg wurden in 89 der 136 Hafturfehden unbeteiligte Dritte als Bürgen hinzugezogen. Andrea Boockmann unterschied in ihrer Arbeit zu den Göttinger Urfehden drei Formen von Bürgschaften. 1. Die Verwendungs- oder Namensbürgschaft der ältesten oder angesehensten Mitglieder oder Freunde der Familie, die bis ins 16. Jh. hinein die am häufigsten gebrauchte Form der Bürgschaft gewesen sei. 2. Die Zahlungs- oder Schadlosbürgschaft: Sie sei auf den Bereich des mittelalterlichen Fehdewesens beschränkt gewesen und in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. zunehmend seltener vorgekommen. 3. Die Gestellungsbürgschaft, bei der ein Urfehdebrecher dem Gericht durch seine Bürgen wieder zugestellt werden sollte.232 Dieser Bürgschaftstyp, so die Ergebnisse Boockmanns für Göttingen, hätte seit etwa 1530/1540 überwogen und sei damit ein Kernmerkmal der Göttinger Hafturfehde des 16. Jhs. gewesen. Im Strasburger Bestand sind lediglich zwei Gestellungsbürgschaften enthalten, sodass sie entgegen des Göttinger Befundes nicht als hauptsächliche Bürgschaftsform betrachtet werden kann. Vielmehr überwog, ähnlich wie in Rostock, die wohl für das 16. Jh. typisch gewordene Schade- oder Zahlungsbürgschaft gesamthänderischer Bindung.233 In 83 Urfehdebriefen bürgten die Dritten sowohl für die Einhaltung der Urfehde durch den Täter als auch für die Zahlung des Strafgeldes. In zwölf dieser 83 Sachverhalte existierten neben den einfachen Bürgen zusätzlich sogenannte „Schadebürgen“, die gewissermaßen vorgeschaltet, das heißt „echte Vermögensbürgen“ waren234 und gelobten, die anderen Bürgen schadlos zu halten. In den betreffenden Briefen formulierte der Stadtschreiber: die burgen so vor die 20 f[lori]n shune gelobet. sein. Valentin Rulwitz. Hans Ewert und Hans Selibbe. dieselbige aber haben och vor d[ie] straffe nebenst Drewes Gütlinge gelobet. und Valntin Rulwiz ist d[?] andern 3 burgen Ire schadeburge.235 Zahlte der Entlassene nicht oder brach er die Urfehde, mussten die Bürgen gemäß ihrem Bürgeneid mit ihrem Vermögen haften: 232 Ebd., 77–84. 233 Ebel [1938], S. 106f.; Ogris 1965, S. 182; Steinwascher 1983, S. 53; Bauer 1996, S. 101f.; Bührlen-Grabinger 2003, S. 33. 234 Ebel [1938], S. 98. 235 Strasburg, Nr. 976, Bl. 38; ähnlich ebd., Bl. 21f.; ebd., Nr. 975, Bl. 69f., 101f., 115,  117f., 134f., 138.

Haftentlassung mit oder ohne Urteil – die Hafturfehde 199

Und wie Itze gemelte Bürgen bekenne uns in diser sachen zu solcher Bürgeschafft sampt und sondlich Gereden und geloben demnach vor uns unser Erben und allermenniglich das wir vor obgemelten Kersten Istermenger wegen seins geschwornen uhrfeiden hafften und stehen wollen. wurde sichs aber begeben das Jemant von Ime selbst oder and[ere]n von seinentweg[en] seiner gefengnis halben und was sich darunter begeb[en] angesproch[en] wurde. das doch ob gott wil nicht sein soll. so wollen wir bürgen solches alle wege mit allen vleis abwenden und vorhutten. darkegen wir dann hirmit alle unsere gutter. liegende und fahrende vor Ine eingesetzt haben wollen. alles getreulich und ungefherlich.236 Inwieweit die Bürgen in der Praxis zur Zahlung und zur Abwehr von Ansprüchen aufgefordert wurden, lassen die herangezogenen Quellen offen. Auch sind keine Aussagen darüber möglich, inwieweit ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Delinquenten und den Bürgen entstand oder entstehen konnte. Die Chance, dass die Bürgen den Urfehdeschwörenden samt seiner ganzen Familie zusätzlich an seinen Eid banden und eine größere Hürde hinsichtlich eines Urfehdebruches schufen, dürfte gestiegen sein.237 Wenngleich sie keine Garantie für die Einhaltung geben konnten, da Urfehdebrüche auch im Strasburger Bestand überliefert sind. Insgesamt bürgten 411 Personen für die Einhaltung der ausgehandelten Verträge. Sie rekrutierten sich zu einem Großteil aus der Strasburger Einwohner­ schaft,238 wobei unter den 277  beteiligten Strasburgern 239  schosspflichtige Haushaltsvorstände waren, die ausreichend soziales Kapital für den Eid bereitstellten. Nur ein minimaler Anteil der in Strasburg ansässigen Bürgen gehörte der Oberschicht (3  %) und den Randgruppen an (1  %). 99  % der Bürgen waren männlichen Geschlechts und 0,5 % waren Frauen.239 Dieser Befund unterstreicht einmal mehr die geringe rechtliche Stellung der Frau in frühneuzeit­lichen Gesellschaften. Im Hinblick auf die persönliche Beziehung der Urfehdeschwörenden zu ihren Bürgen enthält mehr als die Hälfte der in Frage kommenden Hafturfehden direkte Anhaltspunkte: Erstens die explizite Nennung „guter Freunde“240 als Indiz 236 Ebd., Nr. 975, Bl. 92. 237 Blauert 2000, S. 68f. 238 67 % stammten aus Strasburg; 16 % waren Fremde und bei 17 % blieb die Herkunft unbekannt. 239 Bei den verbleibenden 0,5 % ist das Geschlecht unbekannt. 240 Strasburg, Nr. 975, Bl. 67f., 108, 104, 111, 129f., 132; ebd., Nr. 976, Bl. 4, 20, 38f.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

für eine familiäre Beziehung, zweitens die Angabe des tatsächlichen Verwandtschaftsgrades und drittens die Übereinstimmung des Familiennamens des Täters mit einem oder mehreren Bürgen. Auf diese Weise ließ sich in 49 % der Hafturfehden ein familiärer Bezug herstellen. Hierbei überwogen die männlichen Verwandten, die für ihren Sohn,241 Bruder,242 Neffen243 oder Schwager244 bürgten. Lediglich einmal waren Eltern Bürgen.245 Angesichts der vielfältigen frühneuzeitlichen Verwandtschaftsverhältnisse, die aus abermaliger Heirat resultieren konnten, dürfte dieser Wert in der Realität noch höher gewesen sein als vorliegend wahrscheinlich gemacht werden kann. Infolge der Beibehaltung des Familiennamens des leiblichen Vaters bleiben beispielsweise Stiefgeschwister oder Schwagerverhältnisse verborgen. Die Annahme eines höheren Anteils familiärer Bürgen resultiert zudem aus dem dominierenden verwandtschaftlichen Anteil bei den Fürbittern. Weitaus weniger lässt sich über eine eventuelle gewerblichkollegiale Beziehung sagen. Hierzu gaben lediglich sechs Briefe (7 %) Auskunft und es ist von Schäferknechten, die für einen Hirten bürgten, und von Dienstherren, die für ihre Knechte bürgten, die Rede. Im Einklang mit der Forschung und angesichts der materiellen Verantwortung, die die Bürgen übernahmen, wird man insgesamt annehmen dürfen, dass es sich bei den Bürgen eher vorrangig um Personen aus dem engeren sozialen Umfeld des Delinquenten handelte. Sie mussten über ausreichend soziales und finanzielles Kapital verfügen, um für die Einhaltung des Eides und die Zahlung des Strafgeldes zu haften.246 Die starke Einbeziehung von Bürgen in die rathäusliche Sanktionsinstanz zeigt, wie sehr die Strasburger Obrigkeit darauf bedacht war, ihre getroffene Entscheidung an die städtische Gesellschaft zu binden. Hierin werden unvermittelt Überreste spätmittelalterlicher Mechanismen privater Konfliktbereinigung erkennbar und es kann einmal mehr die besondere Bedeutung der Familie bei der Abwendung härterer formeller Sanktionen hervorgehoben werden. 241 242 243 244 245 246

Ebd., Nr. 975, Bl. 5f., 86, 101f., 133; ebd., Nr. 976, Bl. 21f., 36. Ebd., Nr. 975, Bl. 56, 138; ebd., Nr. 976, Bl. 75f.; ebd., Nr. 1023. Ebd., Nr. 975, Bl. 117f. Ebd., Nr. 976, Bl. 92f. Ebd., Nr. 975, Bl. 77. Blauert  2000, S.  69; Wernicke  2000, S.  401; Bührlen-Grabinger  2003, S.  26,  33; vgl. auch Ogris  1965, S.  177f.; Schwerhoff  1991, S.  171; Mommertz 1997, S. 243f., 250ff.; Reinle 2003, S. 324f.

Die Vollstreckung des Urteils – der Endliche Rechtstag 201

5.5.3. Zwischenbetrachtung

Die Urfehde war ein traditionelles Haftaufhebungsmittel,247 das dem mittelalter­ lichen Fehdewesen entsprang und mit dem ein frühneuzeitlicher Strafprozess für beide Parteien schnell und kostengünstig abgeschlossen werden konnte. Zugleich war es ein Sicherungsmittel des Rates vor etwaigen Racheakten des aus der Haft Entlassenen. Maßgeblich war in den meisten Fällen die Aussicht, den Verschonten wieder in die soziale Gemeinschaft zu integrieren. Wer rückfällig geworden war oder sich weniger reumütig zeigte, besaß eine geringere Chance, die Gunst und Gnade der rathäuslichen Obrigkeit zu erlangen. Mithin waren Urfehden ein ambivalentes, aber ausgewogenes rechtspolitisches Mittel248 der rathäuslichen Obrigkeit. Sie waren aufgrund ihrer gesellschaftlichen Rückkopplung mittels Bürgen ein „wirksames Mittel zur Friedenssicherung“.249 Letzteres scheint mit einiger Wahrscheinlichkeit auch ursächlich dafür gewesen zu sein, dass die Urfehden aus dem Stadtbuch ausgesondert und an einem separaten Ort verwahrt wurden. Wie es schließlich den Tätern erging, die nicht in den Genuss einer Hafturfehde kamen, mag die nachfolgende Beschreibung des Endlichen Rechtstages beleuchten.

5.6. Die Vollstreckung des Urteils – der Endliche Rechtstag In der rechtshistorischen Literatur wird der Endliche Rechtstag als selbstverständlich gehandhabte, öffentlich vor gehegtem250 peinlichen Gericht durchgeführte Verhandlung beschrieben, auf der das vorab auswärts gefällte (eventuell abgemilderte) Urteil verkündet und vom Scharfrichter vollstreckt wurde.251 Das Institut tauchte in Urteilen gelehrter Spruchgremien auf252 und Carpzov beschrieb es

247 Blauert 1999, S. 101f. 248 Schuster 2000b, S. 301. 249 Neumeister 1989, S. 84; Wernicke 2000, S. 403f. 250 Zur Hegung des Gerichts als Legitimität erzeugendes Element Schmidt  2005, S. 234f., 247; vgl. zur Öffentlichkeit HRG 2008, Sp. 1325. 251 Vgl. hierzu Kleinheyer 1984, S. 12, 19f.; Sellert/Rüping 1989, S. 209. 252 Vgl. dazu Lorenz 1983a, S. 309: Auf die gütliche und peinliche Urgicht der Lehne Gebels (?) erkennt die Fak.a: wird die Beklagte vor dem gehegten peinlichen Gericht freiwillig und beständig bei ihrem Bekenntnis verharren, so kann sie mit dem Feuer vom Leben zum Tode gestraft werden.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

1638 ausführlich.253 Die Strasburger Quellen hingegen enthalten allenfalls vage Anhaltspunkte.254 Daraus darf und kann nicht geschlossen werden, dass das peinliche Halsgericht mit Schöppen und Richter zur Verkündung des Endurteils und zur Vollstreckung der zuerkannten (Todes- oder Leibes-) Strafe nicht gehegt wurde. Vielmehr fand der Endliche Rechtstag wohl aufgrund seines mündlichen Charakters keinen ausführlicheren Niederschlag in den Quellen. Der unpublizierte Landrechtsentwurf von 1594 beschrieb die Vorgehensweise folgendermaßen: Do soll inachtgenommen werdenn, daß andern bösen Buben zum Abscheu die Ubeltheter, wann Inen Leibes und Lebens straffen zuerkandt inn Stedten und Dörffern, vor einen öffentlichen Peinlichen behegten Gerichte verurtheilet, und darnach die zuerkandte straffe an Inen vollstreckt werde.255 Als mittelalterliches Rechtsinstitut war der Endliche Rechtstag in der Carolina ausführlich geregelt.256 Item dem, so man auff bitt des anklägers mit entlicher peinlicher rechtuertigung straffen will, soll das zuuor drei tag angesagt werden, darmit er zu rechter zeit sein sünd bedenken, beklagen vnd beichten möge, vnd so er des heyligen Sacraments zu empfahen begert, das soll man jm on wegerung zu reichen schuldig sein.257 Andreas Krechlendorf hatte mit seiner Urgicht und Bekandttnuß […] das Hochwirdige Sacrament unnd den vordienten Dodt zu leiden gewilliget, den 24. Septembris ao [15]93.258

253 Carpzov 1638, S. 160ff. 254 Ähnlich die wohl in diese Richtung weisenden Informationen bei Mommertz 1997, S. 83f. 255 CCM 6, Abt. 3, Nr. 3, Sp. 166. 256 Carolina, Art. 78–103; PHGO 1582, Art. 92–126. Vgl. hierzu exemplarisch Kleinheyer 1984, S. 19ff.; Schild 1984, S. 120ff.; Spicker-Beck 1995, S. 309ff. 257 Carolina, Art. 79; vgl. dazu auch Carpzov 1638, S. 185ff. 258 Strasburg, Nr. 1023.

Die Vollstreckung des Urteils – der Endliche Rechtstag 203

Als der Dieb Achim Ricke dem Stadtdiener unter den Händen wegstarb, erwähnte der Rat das heilige Sakrament, das Ricke einen Tag vor seiner „Verrichtung“259 erhalten sollte. Peter Kurtz nahm zwei Tage vor seiner „Rechtfertigung“ in der Kapelle des „armen Gotteshauses“ (entweder Georgen- oder Heiliggeistspital)260 das heilige Sakrament. Auch Johann Zilmer sollte das Sakrament vor seiner „Rechtfertigung“ erhalten.261 Rechtfertigung bezeichnete im 16. und 17. Jh. eine gerichtliche Streitigkeit, ein Rechts-/Gerichtsverfahren, einen Prozess, aber auch einen gerichtlichen Spruch, speziell die Hinrichtung.262 Die Quellen vermitteln nur eine vage Vorstellung davon. Achim von Glöden, Junker in Roggenhagen, bat den Strasburger Rat dat schepenn gerichte […] [zu, E.F.] bestellen unde Eÿne vorspraken unde den […] scharprichter midt Ime,263 um Johann Zilmer wegen des an seinem Untertanensohn Achim Stade begangenen Totschlags rechtfertigen unndt Richten264 zu lassen. Vermutlich ist der Endliche Rechtstag, da die Akten auf gescheiterte Sühneverhandlungen hindeuten,265 durchgeführt worden. 1583 wurde der Dieb Hans Millies auf die Klage Karsten Kurts durch den Henker von Prenzlau in Strasburg mit dem Strang gerichtet.266 In der älteren kriminalhistorischen und rechtshistorischen Literatur wurde der Endliche Rechtstag als ein für die neugierige Öffentlichkeit durchgeführtes

259 Wie heuttiges Tages fruhemorgens umb 8. Uhr die Stadtdiener dem Gefangenen die bender loßgemachett, ihme ein weiß hemde und reinne kleider angethan, und auß der gefengknuße der meinnunge gebracht, daß er daß hochwirdige Sacrament empt[?]fangen und Morgen des Tages alß dan verrichtet werden sollen, ebd., Nr. 1030. 260 Zur Lage des Heiliggeistspitals siehe den Stadtplan von Strasburg um 1800, Abb. 1 auf S. 261. 261 Strasburg, Nr. 975, Bl. 28; ähnlich auch ebd., Bl. 46–51. 262 Grimm 14, Sp. 415f. 263 Strasburg, Nr. 975, Bl. 28. 264 Ebd., Bl. 27. 265 Ebd., Bl. 28. 266 Ihm nach Urtell und Recht Rechtfertig[en] zu lassen, demnach […] einen wag[en] nach dem diebhencker, zu Prenzlow schicken, ebd., Nr. 934. „Diebhenker“ war in Norddeutschland eine gebräuchliche Bezeichnung für den Scharfrichter, Schubert 2007, S. 92.

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Von der Anzeige zum Urteil – formelle Sanktionspraxis

„Theater des Schreckens“267, „formales Schaustück“268 oder auch „Komödie“269 charakterisiert. Da das Urteil bereits festgestanden habe und der Verurteilte bei Widerruf seines Geständnisses durch zwei Schöppen, die das zuvor in der Ratsstube gütlich wiederholte Geständnis bezeugen konnten, überwunden worden sei. Von daher wäre der Endliche Rechtstag sachlich bedeutungslos gewesen. Ihm sei lediglich rechtssichernde Wirkung zugekommen. Dieser Einschätzung widerspricht die neuere Forschung zu Recht.270 Die normativen Quellen und die Rechtsgelehrtenliteratur schenken dem Institut große Aufmerksamkeit, sodass die Bedeutung dieser gehegten Gerichtsverhandlung wohl insgesamt höher einzuschätzen ist als es die spärlichen Quellen vermuten lassen. Vor allem sind die anfallenden Kosten zu berücksichtigen, die der Kläger (ob nun privat oder fiskalisch) aufzubringen hatte. Von dem Diebstahlsopfer und Privatkläger Karsten Kurt verlangte der Strasburger Rat noch fünf Jahre nach der Hinrichtung des Täters Hans Millies zehn Gulden für die „Rechtfertigung“ (vielleicht aber auch für das gesamte Gerichtsverfahren).271 Es ist schwer vorstellbar, dass bei derart hohen Kosten272 – 1612 war in Strasburg z. B. ein Stück Garten vor dem Altstädtischen Tor zehn Gulden wert273 – nur ein Theater aufgeführt wurde. Vielmehr wird wohl der Endliche Rechtstag das Forum gewesen sein, auf dem Gnadengesuche und Fürbitten vorgebracht wurden.274 So hätten nach Art. 88ff. der Carolina die Kläger und die Antworter das 267 Dülmen  1984, S.  204,  233,  241f.; Dülmen  1988, S.  82ff.,  183; ähnlich Langbein 1986, S. 258ff. 268 Schmidt  1983, S.  101 („ein der Öffentlichkeit gebotenes formales Schaustück“); ähnlich Schoetensack  1904, S.  88 („zur Formalie herabgesunkener Rechtsakt“); Schild 1985, S. 168 („Farce“, „inszeniertes Schauspiel“). 269 Vogel 1960, S. 60; ähnlich konnotiert Meinhardt 1957, S. 87. Eine Zusammenstellung der älteren Bezeichnungen in Schild 1984, S. 119f., Anm. 3. 270 Instruktiv insbesondere Schild  1984, S.  126ff.; Trusen  1984, S.  83f.; vgl. auch Kleinheyer 1984, S. 12, wenngleich später die Rede davon ist: „Die ausschließliche Regelung des Endlichen Rechtstages in diesen Ordnungen mag angesichts der geringen Bedeutung dieses Schauspiels für den Ausgang des Verfahrens verwundern“, ebd., S.  14. Zur neueren Sicht siehe auch Spicker-Beck  1995, S.  315ff.; Hägermann 2002, S. 296f.; Schubert 2007, S. 46ff. 271 Strasburg, Nr. 948. 272 Darauf weist auch Lück 1999, S. 89f., explizit hin. 273 Strasburg, Nr. 1097, Bl. 80f. 274 Achim von Glöden […] wolte rechtfertigen unndt Richten lassen. So ist doch solches aus etzlichen ursachen unndt unbillichen vorschlegen unndt vormeinen uf derselben tag

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Recht gehabt, sich einen Fürsprecher aus der Richterbank oder den Anwesenden zu erwählen.275 Vor diesem Hintergrund wäre vorstellbar, dass die Urfehden, in denen „vermöge Urteil und Recht“ Gnade gewährt wurde, durch oder nach Abbitte am Endlichen Rechtstag geschworen wurden.276 Leider lässt sich diese Vermutung anhand der Quellen und aufgrund der Mündlichkeit dieses Verfahrensabschnittes nicht erhärten.277 Die in den Strasburger Quellen direkt greifbaren Fürbitten erfolgten meist schriftlich278 oder wurden als Resultat der mündlich vorgebrachten Bittgesuche ohne ausdrücklichen Bezug zu einem Endlichen Rechtstag im Stadtbuch verzeichnet.

5.7. Zusammenfassung – formelle Sanktionspraxis Der mit der Carolina reichsweit vordringende ex officio geführte peinliche Strafprozess (Inquisitionsprozess) und insbesondere die Spezialinquisition,279 die auch in Strasburg Einzug gehalten hatte, wurden bereits von den Zeitgenossen als ein schweres und gefährliches Werk angesehen.280 Es standen hier beim Tatverdächtigen einerseits Leib und Leben, seine Ehre und sein guter Name auf dem Spiel,281 andererseits riskierte der verantwortliche Richter bei Fehlentscheidungen Gegenforderungen.282 vorblieben, ebd., Nr. 975, Bl. 27. Dem waren zuvor eine schriftliche Fürbitte der Eltern des Täters (ebd., Bl. 24f.) und ansatzweise Sühneverhandlungen mit den Eltern des Opfers vorausgegangen (ebd., Bl. 28). Vgl. zur Problematik Fürsprecher während des Endlichen Rechtstages Kleinheyer 1984, S. 11f.; Schubert 2007, S. 53ff. 275 Item klegern vnd antwurtern, soll jedem theyl auff sein begern eyn fürsprech auß dem gericht erlaubt werden, […] Doch soll inn der kläger vnd antwurter willen stehn jren redner auß den schöpffen, oder sonst zunemen […], Carolina, Art. 88; vgl. auch Schoe­ tensack 1904, S. 37, 90. 276 Vgl. hierzu Schubert 2007, S. 54ff. 277 Vgl. zu dieser Problematik Mommertz 1997, S. 240. 278 Wie Strasburg, Nr. 975, Bl. 24f. 279 Sie wurde vom Rat jedoch nicht als solche bezeichnet und der Übergang von der Generalinquisition zur Spezialinquisition war fließend, siehe hierzu oben S. 182f. 280 Carpzov 1638, S. 9. 281 Ebd. 282 Wo auch eyniche oberkeyt oder richter […] [zuwiderhandeln, E.F.], Sollen, die dem so also wider recht […] der gebüre ergetzung [angemessene Entschädigung, E.F.] zuthun schuldig sein. (Carolina, Art.  20; vgl. auch Langbein  1986, S.  248). Ferner Strasburg, Nr.  1030; vgl. auch HRG  4, Sp.  299; Ströhmer  2002, S.  76, insbesondere auch

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Ein von Härter für Kurmainz nach 1650 herausgearbeiteter dualer Inqui­si­ tionsprozess,283 der aus einer lokal geführten General- und Spezialinquisition und einem auswärtigen Entscheidungsverfahren bestanden habe, konnte für Strasburg in der Form nicht beobachtet werden. Vielmehr wurden in Strasburg bereits beim Vorliegen ausreichender Verdachtsmomente, das heißt beim Übergang zur Spezialinquisition, auswärtige Juristen in das Verfahren einbezogen. Der Rat ließ sich genauestens instruieren, wie er das Beweisverfahren durchführen solle, um das Geständnis mit den spezifizierten Aussagen über die Tat und den Täter zu erlangen.284 Die Tatsachen, dass die auswärts gesprochenen Endurteile letztendlich gnadenhalber abgemildert wurden und von auswärtigen Spruchkollegien z. T. als Empfehlung ergingen, spiegeln zugleich den beim Rat vorhandenen jurisdiktionellen Freiraum wider. Bis es in Strasburg zu einem peinlichen Gerichtsverfahren kam, standen selbst auf der formellen Ebene noch mehrere Stufen bereit und die Beteiligten besaßen durchaus die Option, von einer peinlichen Strafe abzusehen. Damit bestand zugleich der privatrechtliche Parteienprozess mit Ausgleich und Sühne fort. Dieser Befund deckt sich mit der in der aktuellen Diskussion um die Entstehung des öffentlichen Strafrechts285 gewonnenen Sicht, wonach „ältere ausgleichsorientierte Formen der Konfliktlösung“286 bis ins 17.  Jh. hinein angewandt worden seien und in einem Jahrhunderte dauernden Prozess ältere und neuere Systeme zeitgleich existiert hätten und sich gegenseitig beeinflussten.287 Flexibel sowie fallund personenbezogen agierte der vermittelnde Strasburger Rat, wenn er von den Strasburgern zur Konfliktbereinigung eingeschaltet wurde. Der gütliche Ausgleich unter privatvertraglichen Bedingungen mit Sühnegeld, Buße und Urfehde war – auch noch am Anfang des 17. Jhs. bei Nicht-Privatdelikten – rathäusliche Praxis. Dies machen auch die zahlreichen Urfehdebriefe plausibel. Erst wenn diese Option keinen Erfolg versprach, wandte sich der Rat neueren, intensiveren

Anm. 250. 283 Härter 2005. 284 Ähnlich verhielten sich andere uckermärkische Gerichtsherren, vgl. dazu Lorenz 1983b, S. 15, 55f., 106f., 259f., 281; vgl. allgemein zu Brandenburg im späten 17. Jh. auch Hahn 1989, S. 133f. 285 Willoweit 1999; Lüderssen 2002; Schlosser/Sprandel/Willoweit 2002. 286 Blauert 2001b, S. 174. 287 Lück 1998, S. 130; Blauert 2004, S. 164ff.; Willoweit 2007, S. 38f.

Zusammenfassung – formelle Sanktionspraxis 207

Methoden zu, um beispielsweise rückfällige oder nicht mehr resozialisierbare Täter mit aller Schärfe und letzter Konsequenz zu verfolgen. Ein obrigkeitlicher, peinliche Strafen beharrlich bezweckender Sanktionswille, der die Interessen der Verbrechensopfer und Täter nivelliert hätte, lässt sich in der Strasburger rathäuslichen Sanktionspraxis nicht ablesen. Vielmehr ist ein auf Konsens, Ausgleich und Wiederherstellung des Friedens ausgerichtetes komplexes und flexibles formelles Sanktionssystem erkennbar.288 Es entsteht der Eindruck, als habe der Rat eher restitutiv289 als punitiv agiert und Privatklägern den Vorrang eingeräumt bevor er selbst einschritt. Aktiv wurde der Rat dann, wenn Intensiv- und Wiederholungstäter eine dauernde Gefahr für den Stadtfrieden zu werden drohten. Mit dem drängenden Notar, der den ordnungsgemäßen Verlauf des Strafverfahrens bestätigen sollte und einen Zeugen zur Aussage ermahnt, wird der rathäusliche Strafanspruch gewissermaßen verstärkt. Auf diese Weise scheint der „moderne“ Inquisitionsprozess in die rathäusliche Jurisdiktion hineingetragen worden zu sein. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach dem Grad der verbliebenen Gerichtsrechte differenziert zu beantworten. Mit dem Verzicht auf das peinliche Verfahren bewahrte der Rat partiell seine alten Gerichtsrechte; auch die Milderungen der auswärts ergangenen Urteile sprechen für einen gewissen Grad an selbständig ausgeübter Rechtsprechungsgewalt, derer sich der Rat noch im Zeitalter des vordringenden rezipierten Rechts und vor dem Hintergrund der vorhandenen landesherrlichen Strafhoheit bedienen konnte.290 Zwar deuten die Anweisungen der auswärtigen Rechtsgelehrten auf ein Fortschreiten der frühneuzeitlichen territorial-obrigkeitlichen Gerichtsbarkeit hin, die durch anwesende Notare und beteiligte Anwälte beschleunigt wurde. Als Entscheidungsträger erscheint aber nach wie vor der Rat im Einvernehmen mit den Parteien. Unverkennbar tritt der Transformationscharakter dieser Epoche zutage.291 Vor dem Hintergrund, dass ein Teil der hinzugezogenen Juristen nichtbrandenburgisch war, bedarf wohl der frühneuzeitliche Territorialisierungs- und Arrondierungsprozess im mecklenburgisch-pommersch-brandenburgischen Grenzgebiet 288 Bubach 2005, S. 399. 289 Restitutiv meint hier eine Gerichtsbarkeit, deren Ziel es war, „die durch ein Vergehen oder Verbrechen gestörten sozialen Beziehungen wiederherzustellen“, Burghartz 1990, S. 10; vgl. auch Schwerhoff 1999, S. 125. 290 Vgl. hierzu Hahn 1989, S. 132. 291 Eibach 2005, S. 197.

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vor dem Dreißigjährigen Krieg noch weiterer Untersuchungen. Analysen der lokalen peinlichen Strafpraxis in Untergerichten anderer Städte wären wünschenswert, um sie mit den für Strasburg gewonnenen Erkenntnissen vergleichen zu können. Bis 1630 erscheint der Rat als Strasburger Gericht in der Mehrzahl der untersuchten Konflikte als eigenständig handelnder Herrschaftsträger.

6. Resümee Drewes Henning lebte also – um den Bogen zur einleitenden Fragestellung zu spannen – in einer Zeit des Wandels, in dem sich herkömmliche Konfliktlösungsmechanismen und moderne Methoden zur Bekämpfung von Kriminalität überlagerten und wechselseitig ergänzten. Zu den Intensiv- und Wiederholungstätern, die vom Rat stärker ins Visier genommen wurden, zählte er ganz sicher nicht. Wenngleich es innerhalb des Inquisitionsverfahrens nicht an dem Versuch seines Meisters mangelte, ihn zu einem solchen zu stigmatisieren. Die Gefahr, innerhalb der auf die Bestrafung des Täters an Leib und Leben zielenden Spezialinquisition zu einem Intensiv- und Wiederholungstäter kriminalisiert und dann mit aller Schärfe der Rechte verfolgt zu werden, war sicherlich groß. Doch bevor es zu einer solchen kam, und an deren Ende der Täter womöglich am Strasburger Galgen hing, war er durch mehrere Netze gefallen. Es konnte gezeigt werden, dass im frühneuzeitlichen Strasburg eine Toleranz gegenüber Abweichlern und zugleich eine funktionierende informelle Schlichtung in Form von Selbsthilfe und -regulierung ohne Vollzug hochgerichtlicher Leib- und Lebensstrafen existierte. Sie legen einen Gesamtkomplex von Handlungsmustern offen, die sich an sozialen Normen, insbesondere der Ehre sowie dem sozialen Kapital des Täters orientierten. Verbal und symbolhaft wurde informelle soziale Kontrolle gegenüber von der Norm abweichenden Strasburgern betrieben – lange bevor der Rat als formelle Sanktionsinstanz eingeschaltet wurde. In der kleinstädtischen face-to-face Gesellschaft waren derartige informelle Sozialkontrollen, die wie im Fall Achim Ricke durchaus die Familie für das Verhalten des devianten Familienmitgliedes haftbar machten, bevorzugte und effektive Ordnungselemente. Sie scheinen den formellen Verfahren vorgezogen worden zu sein und wurden vom Rat nicht bekämpft, sondern akzeptiert und wohl auch gefördert. Man möge sich innerhalb einer Bedenkfrist wieder vertragen oder bei Vermeidung eines empfindlichen Strafgeldes Frieden bewahren, waren rathäusliche Vergleichsbemühungen, um nicht punitiv einschreiten zu müssen oder zu wollen. Im Ackerbürgerstädtchen Strasburg, für dessen Bewohner Ackerbau und Viehzucht, insbesondere Schafzucht zur Produktion der exportbegehrten Schafwolle, Haupterwerbsquellen waren, stahlen meist ärmere stadtansässige Diebe Nahrungsmittel, landwirtschaftliche Produkte und Vieh. Aufgrund ihrer Armut

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Resümee

waren diese Mitbewohner mitunter gezwungen, ihren Lebensunterhalt durch solcherart Mundraub zu verbessern, was bis zu einem gewissen Maß von der Gesellschaft ertragen wurde. Der schlechte Ruf, den diese Personen im Städtchen durch ihr deviantes Verhalten erlangten, wird ihnen das Leben und die weitere Existenzsicherung vermutlich ohnehin erschwert haben. Folglich zeichneten informelle Sanktionen den weiteren Abstieg bereits vor. Sie waren aber auf der anderen Seite auch geeignet, den einen oder anderen Abweichler aufzufangen, ihm Chancen der Resozialisierung einzuräumen und ihn wiedereinzugliedern. Das Grenzstädtchen hatte für sein unmittelbares Hinterland grenzübergreifende Nahmarktfunktion. Diese resultierte nicht nur aus den dreimal jährlich stattfindenden Jahrmärkten, sondern auch aus dem täglichen und wöchentlichen Güteraustausch. Textilgewerbe und Landhandwerk sowie Kleinhändler und Krämer prägten das wirtschaftliche Bild Strasburgs im Untersuchungszeitraum. Fernhändler sowie stehlende und bettelnde Fremde waren in der Stadt ebenso wenig dauerhaft präsent wie marodierende Gaunerbanden. Kriminalität war in Strasburg überwiegend ein Produkt abweichenden Verhaltens der ansässigen Erwerbsschicht. Strasburger Männer schlugen oder schalten sich gegenseitig, zumeist – so deuten es die Akten an – in der Öffentlichkeit. Man könnte geneigt sein, für den häuslichen und nachbarschaftlichen Bereich eine hohe Dunkelziffer anzunehmen. Die Frauen waren hauptsächlich Zuschauerinnen, nur gelegentlich wurden sie allein deviant oder beteiligten sich an den Handlungen des Ehemannes. Weitaus stärker präsent waren die Strasburgerinnen in Unzuchtsdelikten, die vom Rat nach außen als kaum zu regulierende schändliche Laster bezeichnet wurden. In der Binnenperspektive jedoch scheint er in erster Linie darauf bedacht gewesen zu sein, größeres Ärgernis vom Gemeinwesen abzuwenden. Erst wenn abweichendes Verhalten in der jeweils kleineren Einheit, wie bspw. der Familie, nicht mehr regulierbar und die Wiederherstellung des Friedens aussichtslos schien, wurde die rathäusliche Sanktionsinstanz – delikt­unabhängig – mobilisiert. Dann nahm die außergerichtliche Schlichtung durch Vertreter des Rates als eine Art subsidiäre „Rechtsfindung“ – auch bei Totschlagsdelikten – eine besondere Stellung ein. Sie war geeignet, zuvor unbescholtene Personen vor einem teuren Rechtsweg, Körper- und Todesstrafen oder einem Absinken in das randständige Milieu zu bewahren. Die zahlreichen Urfehdebriefe unterstreichen diese Annahme und legen einmal mehr die Rückbindung der rathäuslichen Instanz an die städtische Gemeinde offen. Sie zeigen aber auch, dass der Rat infolge der Süh-

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neverträge seine traditionellen Gerichtsrechte im Zeitalter des vordringenden rezipierten, territorial-obrigkeitlichen Rechtes partiell zu wahren vermochte. Hierin könnte, der modernen Fehdeforschung folgend, ein Fortwirken spätmittelalterlicher Rechtsinstitute neben dem territorial-obrigkeitlichen Ordnungssystem gesehen werden, der für die grundsätzlich eher verhaltene Umsetzung des öffentlichen Strafanspruches im 16. und frühen 17. Jh. in Strasburg mit ursächlich gewesen sein dürfte. Finanzielle, persönlich-richterliche Faktoren sowie gesellschaftlich-moralisches Selbstregulierungsbewusstsein mögen ebenso dazu beigetragen haben, dass im frühneuzeitlichen Strasburg der Parteiwille bei der Sanktionierung kriminellen Verhaltens nicht nur obrigkeitlich respektiert, sondern angesichts der Wahrung der eigenen Gerichtsrechte und der potentiell aussichtsreicheren Sicherung des Stadtfriedens fall- und personenbezogen entscheidend berücksichtigt wurde. Während der Rat gegenüber „seinen“ Bürgern und Einwohnern, die den Hauptanteil der Täter bildeten, bis zu einem gewissen Grad an alten, über weiten Teilen genossenschaftlich fundierten Rechtstraditionen festhielt, begegnete er Intensiv- und Wiederholungstätern, die mehrfach, gemeinschaftlich oder gemeingefährlich kriminell handelten, mit „moderneren“ Methoden. Dazu lieferte der in die rathäusliche Sanktionskompetenz eingedrungene Inquisitionsprozess ein Instrument, welches angesichts eines exogenen, durch gelehrte Notare hineingetragenen, ex officio wahrzunehmenden Strafanspruches verstärkt wurde. Dass der Rat dieses Mittel durchaus auch im eigenen Interesse einzusetzen vermochte, zeigte der Unzuchtsfall des Richters Martin Dewitz.1 Die „zweigleisige“ Wahrnehmung der formellen Sanktionskompetenzen ließ den Rat verwundbar erscheinen. Verbalattacken der Parteien bestätigen diese Annahme; in seiner Stellung existenziell bedroht war er dadurch aber nicht. Bei einer Gesamtbetrachtung reift das Bild einer ausgesprochen vielfältigen, einerseits selektiven Nutzung und andererseits überwiegend passiven Wahrnehmung der rathäuslichen Sanktionskompetenzen, die als letztes Mittel sozialer Kontrolle von den Zeitgenossen betrachtet wurden. Man wird hier nicht ausschließlich von Vollzugsdefiziten der rathäuslichen Obrigkeit – die ohne Zweifel vorhanden waren – auszugehen haben, sondern diese vielmehr in die Ordnungsund Herrschaftsvorstellungen der vier beteiligten Ebenen einbetten müssen. Diese Annahme wird angesichts der gegen Fremde oder vor fremden Gerichten 1 Vgl. S. 150f.

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durchgeführten Inquisitionsverfahren gestützt, die mit größerem finanziellem und personellem Aufwand organisiert werden konnten und im Interesse des Rates durchaus erfolgreich verliefen. Im Umgang mit der Kriminalität im frühneuzeitlichen Strasburg lässt sich die „Überlagerung“ von Altem und Neuem ablesen,2 die diese Epoche unter anderem kennzeichnete. Mit der territorialobrigkeitlichen Ausgrenzung mittelalterlicher Ordnungsprinzipien wie Fehde und Akkusationsverfahren3 ging die Zurückdrängung der lokal-obrigkeit­lichen formellen Sanktionskompetenz einher. Dieser Prozess dauerte im Untersuchungszeitraum an und war 1630 noch nicht abgeschlossen. Während der vor Ort ansässige Rat samt Richter zwangsläufig an die städtische Gemeinschaft gekoppelt war und Konfliktlösungen am liebsten auf die Zeit nach beendeter Ernte verschob, war der an den peinlichen Verhören im Rathauskeller teilnehmende auswärtige Notar hauptberuflich an einer formellen Konfliktlösung interessiert. Zudem konnte er etwas ungezwungener die peinliche Bestrafung des Täters favorisieren. Auch unterstreicht die Rücksprache des Rates vor der Urteilsvollstreckung mit der Bürgergemeinde, wie sehr der Rat auf eine konsensuale Herrschaftspraxis bedacht und angewiesen war. Latenter Unmut der Einwohner, der sich 1622 im Stadtkonflikt und unter der drückenden Kontributionslast 1629 Bahn brach, weist auf diese Notwendigkeit hin. Entscheidend für das tatsächliche Funktionieren dieses Ordnungssystems war die unmittelbare Interaktion von rathäuslicher Obrigkeit und Nutzern der formellen Sanktionsinstanz – die Selbstregulierung der kleinstädtischen Gesellschaft. Somit lässt sich präzisieren: In der prinzipiell funktionierenden Integration der familiären, nachbarschaftlichen und korporativen Kontrollmechanismen kann ein Übermaß obrigkeitlicher Regulierung nicht konstatiert werden. Abschließend muss also die einleitende Fragestellung, ob der Rat den normativen zeitgenössischen Vorgaben gemäß ex officio und punitiv formelle Sanktionen verhängte, eher differenziert beantwortet werden. Fall- und personenbezogen nahm der Rat im eigenen und im Interesse der Konfliktparteien den Spielraum, den das frühneuzeitliche Strafsystem kannte, unter Berücksichtigung des sozialen und rechts-politischen Beziehungsgeflechtes ambivalent wahr. Selektivität und Sanktionsverzicht basierend auf Gnade sind Ausdruck eines geltenden, von allen Beteiligten akzeptierten Konsenses in Strasburg. Das Aushan2 Schulze 1991, S. 77. 3 Reinle 2007, S. 87.

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deln der Sanktionen als eine Form des gelebten Rechtes im Interessenviereck Obrigkeit – Gesellschaft – Täter und Opfer bewahrte den Büttel Drewes Henning, um ein letztes Mal auf ihn zurückzukommen, davor, dass ihm „nach Urteil und [normativem, E.F.] Recht anderen zur Abscheu der Kopf weggeschlagen wurde“. Dies war 1612 in der uckermärkischen Kleinstadt Strasburg eine übliche Sanktionspraxis und durch die Bürgen im Hafturfehdebrief umso mehr „gesichert“.

7. Abkürzungsverzeichnis und Siglen

Abb. a. M. Anm. Art. Bd./Bde. bes. Bl. BLHA Potsdam bspw. bzw. ca. Carolina CCM CDB Dr. DRW ebd. e. V. Fasz. fl. GStA PK hg. Hg./Hgg. i. Br. Jh. km Lfg. LMA M. A. m. E. MUB ND N. F.

Abbildung am Main Anmerkung Artikel Band/Bände besonders Blatt Brandenburgisches Landeshauptarchiv Potsdam beispielsweise beziehungsweise circa Die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. Corpus Constitutionum Marchicarum Codex Diplomaticus Brandenburgensis Doktor Deutsches Rechtswörterbuch ebenda eingetragener Verein Faszikel Gulden Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz herausgegeben Herausgeber im Breisgau Jahrhundert Kilometer Lieferung Lexikon des Mittelalters Magister Artium meines Erachtens Meklenburgisches Urkundenbuch Nach-/Neudruck; Neudrucke Neue Folge

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PD

Privatdozent

PHGO 1582

Peinliche Halsgerichtsordnung für Franken und Preußen von 1582 (Böhmer 1770) Professor Pommersches Urkundenbuch Seite Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz und andere und so weiter und weitere mehr vergleiche zum Beispiel zum Teil

Prof. PUB S. SBB PK u. a. usw. u. w. m. vgl. z. B. z. T.

8. Quellen- und Literaturverzeichnis

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Geheimes Staatsarchiv – Preußischer Kulturbesitz Berlin I. HA, Rep. 20 I. HA, Rep. 21 I. HA, Rep. 54

Brandenburgische Landtage Brandenburgische Städte, Ämter und Kreise Uckermark und Ländchen Stolpe

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Quellen- und Literaturverzeichnis 255

Weber, Max 2000  Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß. Teilband  5: Die Stadt, hg. von Wilfried Nippel, Tübingen 2000. Wehler  2006  Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Bd. Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700–1815, München 4 2006. Weitzel  1992  Weitzel, Jürgen: Gewohnheitsrecht und fränkisch–deutsches Gerichtsverfahren, in: Dilcher, Gerhard/Lück, Heiner/Schulze, Reiner u.  a. (Hgg.): Gewohnheitsrecht und Rechtsgewohnheiten im Mittelalter, Berlin  1992 (Schriften zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 6), S. 67–86. Wernicke  2000  Wernicke, Steffen: Von Schlagen, Schmähen und Unendlichkeit. Die Regensburger Urfehdebriefe im 15.  Jahrhundert, in: Blauert, Andreas/ Schwerhoff, Gerd (Hgg.): Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne, Konstanz 2000 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 1), S. 379–404. Wernicke/Hoernes 1990   Wernicke, Steffen/Hoernes, Martin: „Umb die Unzucht die ich handelt han …“. Quellen zum Urfehdewesen, St. Katharinen 1990 (Halbgraue Reihe zur Historischen Fachinformatik. Serie A. Historische Quellenkunde 9). Wettmann-Jungblut 1990  Wettmann-Jungblut, Peter: „Stelen inn rechter hungersnodtt“. Diebstahl, Eigentumsschutz und strafrechtliche Kontrolle im vorindustriellen Baden 1600–1850, in: Dülmen, Richard van (Hg.): Verbrechen, Strafen und soziale Kontrolle, Frankfurt a. M. 1990 (Studien zur historischen Kulturforschung 3), S. 133–177. Wettmann-Jungblut [ohne Jahr]  Wettmann-Jungblut, Peter: Der nächste Weg zum Galgen? Eigentumskriminalität in Südwestdeutschland 1550–1850 [ohne Ort, ohne Jahr]. Wiebel/Blauert 1999   Wiebel, Eva/Blauert, Andreas: Gauner- und Diebeslisten. Unterschichten- und Randgruppenkriminalität in den Augen des absolutistischen Staates, in: Häberlein, Mark (Hg.): Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.–18. Jahrhundert), Konstanz 1999 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 2), S. 67–96. Wilde  2003  Wilde, Manfred: Die Zauberei- und Hexenprozesse in Kursachsen, Köln/Weimar/Wien 2003. Willoweit  1996  Willoweit, Dietmar: Vertragen, Klagen, Rügen. Reaktionen auf Konflikt und Verbrechen in ländlichen Rechtsquellen Frankens, in: Rödel, Dieter/ Schneider Joachim (Hgg.): Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, Wiesbaden 1996, S. 196–224. Willoweit 1997  Willoweit, Dietmar: Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Ein Studienbuch, München 3 1997. Willoweit 1999  Willoweit, Dietmar (Hg.): Die Entstehung des öffentlichen Strafrechts. Bestandsaufnahme eines europäischen Forschungsproblems, Köln/Weimar/

256

Quellen- und Literaturverzeichnis

Wien 1999 (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposien und Synthesen 1). Willoweit 2002a  Willoweit, Dietmar: Die Expansion des Strafrechts in Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, in: Schlosser, Hans/ Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hgg.): Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen, Köln/Weimar/Wien 2002 (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposien und Synthesen 5), S. 331–354. Willoweit  2002b  Willoweit, Dietmar: Richten nach Gnade. Beobachtungen an Hand ländlicher Quellen vom Mittelrhein und angrenzender Landschaften, in: Schlosser, Hans/Sprandel, Rolf/Willoweit, Dietmar (Hgg.): Herrschaftliches Strafen seit dem Hochmittelalter. Formen und Entwicklungsstufen, Köln/Weimar/ Wien 2002 (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Symposien und Synthesen 5), S. 189–205. Willoweit 2007  Willoweit, Dietmar: Rache und Strafe, Sühne und Kirchenbuße. Sanktionen für Unrecht an der Schwelle zur Neuzeit, in: Hilgendorf, Eric/Weitzel, Jürgen (Hgg.): Der Strafgedanke in seiner historischen Entwicklung. Ringvorlesung zur Strafrechtsgeschichte und Strafrechtsphilosophie, Berlin 2007 (Schriften zum Strafrecht 189), S. 37–58. Willoweit/Schich 1980   Willoweit, Dietmar/Schich, Winfried (Hgg.): Studien zur Geschichte des sächsisch–magdeburgischen Rechts in Deutschland und Polen, Frankfurt a. M./Bern/Cirencester 1980 (Rechtshistorische Reihe 10). Winnige  1996  Winnige, Norbert: Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt. Göttingen 1648–1756, Hannover  1996 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen  34; Quellen und Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Niedersachsens in der Neuzeit 19). Winter  2008  Winter, Martin: Umringt von Staatlichkeit? Die Stadtmauer von Strasburg in der Uckermark im späten 18. Jahrhundert, in: Stephan, Joachim/Popp, Christian (Hgg.): An Elbe und Oder. Beiträge zur brandenburgischen Landesgeschichte. Winfried Schich zum 70. Geburtstag, Einhausen 2008, S. 135–147. Wissell 1974  Wissell, Rudolf: Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit, Bd. 2. Zweite, erweiterte und bearbeitete Ausgabe, herausgegeben von Ernst Schraepler, Berlin 1974 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin 7). Würgler  1999  Würgler, Andreas: Diffamierung und Kriminalisierung von „Devianz“ in frühneuzeitlichen Konflikten. Für einen Dialog zwischen Protestforschung und Kriminalitätsgeschichte, in: Häberlein, Mark (Hg.): Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.–18. Jahrhundert), Konstanz 1999 (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 2), S. 317–347. Yante 2002  Yante, Jean-Marie: Städtische Agrarwirtschaft und Ackerbürgerstädte in den mittelalterlichen Niederlanden. Zusätzliche Betrachtungen zum Beitrag von Raymond van Uytven, in: Jäschke, Kurt-Ulrich/Schrenk, Christhard (Hgg.):

Quellen- und Literaturverzeichnis 257

Ackerbürgertum und Stadtwirtschaft. Zu Regionen und Perioden landwirtschaftlich bestimmten Städtewesens im Mittelalter. Vorträge des gleichnamigen Symposiums vom 29. März bis 1. April 2001 in Heilbronn, Heilbronn 2002 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Heilbronn 13), S. 218–224. Zedler   Zedler, Johann Heinrich (Hg.): Großes vollständiges Universal–Lexikon aller Wissenschaften und Künste. 64 Bde. plus 4 Supplementbände, Leipzig 1732–1754.

9. Abbildungsverzeichnis

Abb. 1, S. 261

Abb. 2, S. 262

Abb. 3, S. 263

Abb. 4, S. 264

Abb. 5, S. 265 Abb. 6, S. 266 Abb. 7, S. 267 Abb. 8, S. 267 Abb. 9, S. 268 Abb. 10, S. 268 Abb. 11, S. 269 Abb. 12, S. 270

Stadtplan von Strasburg um 1800, SBB PK, Kart SX 34395. Genordet und mit Ergänzungen versehen von Ellen Franke, 2008. Übersichtskarte zur Mark Brandenburg mit Kennzeichnung der vom Strasburger Rat konsultierten Spruchgremien sowie des Cöllner Konsistoriums, Entwurf und Zeichnung: Ellen Franke, 2008. Handelsstraßen des Mittelalters. 1300–1475–1600. Bearbeitet von Gerd Heinrich, Berlin  1980, Ausschnitt (Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin. Nachträge, Heft  5). Mit Ergänzungen versehen von Ellen  Franke, 2008. Heer- und Handelsstraßen um 1700. Bearbeitet von Gerd Heinrich, Berlin 1973, Ausschnitt (Historischer Handatlas von Brandenburg und Berlin, Lfg. 46). Mit Ergänzungen versehen von Ellen Franke, 2008. Urmesstischblatt Nr.  1052/2448 von 1835, SBB  PK, Kart N 729, Ausschnitt. Deckblatt vom SchosRegister der Stadt Straßburgk auf Ostern Ao [15]76, BLHA Potsdam, Rep. 8, Strasburg, Nr. 143, Bl. 143. Zeitliche Verteilung der Deliktgruppen, Diagramm. Einordnung der Delikte in Deliktgruppen, Diagramm. Herkunft der Täter (Einzelpersonen), Diagramm. Herkunft der Opfer (Einzelpersonen), Diagramm. Erstes Blatt der Urfehde von Drewes Henning (1612), BLHA Potsdam, Rep. 8, Strasburg, Nr. 1021. Urfehde von Michael Kinder (1575), BLHA Potsdam, Rep. 8, Strasburg, Nr. 975, Bl. 71.

10. Abbildungen

Abb. 1

Stadtplan von Strasburg um 1800.

262

Abb. 2

Abbildungen

Übersichtskarte zur Mark Brandenburg mit Kennzeichnung der vom Strasburger Rat konsultierten Spruchgremien sowie des Cöllner Konsistoriums.

Abbildungen 263

Abb. 3

Handelsstraßen des Mittelalters. 1300–1475–1600.

264

Abb. 4

Abbildungen

Heer- und Handelsstraßen um 1700.

Abbildungen 265

Abb. 5

Urmesstischblatt Nr. 1052/2448 von 1835.

266

Abb. 6

Abbildungen

Deckblatt vom SchosRegister der Stadt Straßburgk auf Ostern Ao [15]76.

Abbildungen 267

Abb. 7

Zeitliche Verteilung der Deliktgruppen.

Abb. 8

Einordnung der Delikte in Deliktgruppen.

268

Abbildungen

Abb. 9

Herkunft der Täter (Einzelpersonen).

Abb. 10

Herkunft der Opfer (Einzelpersonen).

Abbildungen 269

Abb. 11

Erstes Blatt der Urfehde von Drewes Henning (1612).

270

Abb. 12

Abbildungen

Urfehde von Michael Kinder (1575).

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