Von der Mythologie zur mystischen Philosophie: Erste und zweite Hälfte 9783666538414, 9783525538418


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Von der Mythologie zur mystischen Philosophie: Erste und zweite Hälfte
 9783666538414, 9783525538418

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y o n a e / ( Bnof le u n d s p t t t a n t l P e r G e ls t

II/1

Gnosis und spätantiker Geist

von

starte 7 o rta s

Fwelter Uefl / erste Wülste

( B ö t tin g e n

v a n den ho eck L R u prech t - 1 9 6 6

Don der M ythologie ju r mystischen Philosophie

Don

f)ane

?melte, durchgesehene A uflage

Göttingen

D a n d e n h o e c k L Ruprecht • 1966

Zorschungen zur Religion und L iteratur des Alten und Neuen Testam ents herausgegeben von D. Hub. B u l t m a n n Prof. b. IfrtoL in Marburg

Neue Solge, 45. heft Der ganzen Reihe 63. h eft

1966

G Dandenhoeck L Ruprecht in G ö ttin g e n 1 9 5 4 — P rtn te d in G e rm a n y . — O hne ausdrückliche G enehm igung des V erlages ist es nicht gestattet, d as B uch oder Teile d a ra u s a u f foto* oder akustomechantschem W ege -u vervielfältigen. Druck: Fotokop G m b H . O arm stad t 6121

Z)em Ändenken meiner M u t t e r Äuschwitz 1942

V o rw o rt Vas Erscheinen dieses Bandes, mit zwanzigjähriger Verspätung und noch immer in unvollständiger Gestalt, macht eine Erklärung der Umstände nötig, die dazu geführt haben. (Es ist bei der Natur dieser Umstände unvermeidlich, daß die Erklärung mehr persönlichen als sachlichen Inhalts ist. Und wenn es die Verspätung zu rechtfertigen gilt, so kaum weniger die Veröffentlichung selber, wie sie nun vor­ liegt. — Wie manchem Leser des ersten Teiles dieses Werkes er­ innerlich sein mag, hietz es in der V orbem erkung des V e rfasse rs von dem zweiten Teil, datz er „Ende dieses Jah res erscheinen soll". Dos w ar im Jah re 1934. So gründlich die Zuversicht dieser Ankündigung durch die Ereignisse widerlegt worden ist, w ar sie doch nicht gänzlich leichtsinnig. Der Satz des 2. Bandes hatte begonnen; weiteres Manuskript w ar in fortgeschrittenem Zustand der Bearbeitung. Von da an jedoch nahm die Zeitgeschichte mehr und mehr das Wort in der Bestimmung des Schicksals meiner Pläne. Deutschland hatte ich im Jahre 1933 ver­ lassen. Ich hatte gehofft, den zweiten Teil noch in London, der hierzu gewählten Zwischenstation meiner Auswanderung, fertigstellen zu können; indessen wuchs mir der Umfang unter den Händen, und ich hatte wohl auch manche Schwierigkeit der Ausführung, besonders des Plotin-Teils, unterschätzt. So nahm ich, als ich 1935 nach Palästina übersiedelte, eine unvollendete Ausgabe an meinen neuen Wohnsitz Jerusalem mit. Die notwendigen Umstellungen, die besonderen Anforderungen des neuen Landes, Umstände zu weitläufig hier mitzuteilen, machten ihre Abzüge von der Zeit und Energie, die dem Unternehmen gewidmet werden konnten, und so zog sich die vielfach unterbrochene Arbeit bis in eine Zeit hin, da mir angesichts dessen, was in Deutschland geschah, die Neigung, dort noch zu publizieren, immer mehr schwand. M it den Sqnagogenverbrennungen w ar es vollends damit vorbei — mit der Bereitschaft ebenso wie mit der physischen Möglichkeit. Es ist zu sagen, datz der Verlag durch diese Jah re wachsender Verfinsterung unentwegt an der Absicht der Veröffentlichung festhielt. AIs - um den erwähnten Zeitpunkt - die Verbindung abbrach, waren erhebliche Teile gedruckt, andere gesetzt. M it dem Blick aus den bevorstehenden Uataklqsmus,

dessen Kommen ich deutlich sah, überließ ich all dies seinem Schicksal. Als er kam, meldete ich mich zu den Waffen, und in ihrem Dienst, als Artillerist, betrat ich 1945 nach zwölf J a h re n wieder deutschen Boden. Unter solch merkwürdigen Umständen fand mein erster Besuch im Göttinger V erlagshaus statt. Den Beteiligten wird die Begegnung un­ vergeßlich sein. Hier, wie auch bei anderen Wiederbegegnungen dieser Sommermonate, van denen die mit Herrn Prof. R. B ultm ann und Herrn Pros. K. Jaspers hervorzuheben sind, trat mir der dringlichste und herzlichste Appell entgegen, nun doch den 2. Teil herauszubringen. 3hm antwortete das Bewußtsein einer Verpflichtung, die ich der Wissen­ schaft gegenüber eingegangen w a r und noch einzulösen hatte. Und ich w ar bewegt, in (Böttingen aus die Frage, w as aus dem seinerzeit von mir unkorrigiert gelassenen Satz von etwa zwei Bogen geworden sei, die Antwort zu erhalten, daß er durch all die J a h r e stehen gelassen worden sei, in der Erw artung, daß die Verbindung schließlich wieder auf­ genommen und dann die Arbeit weitergeführt werden würde. Umso schmerzlicher w a r mir, soviel Treue zunächst enttäuschen zu müssen. (Es gab mehrere Gründe für das Nein, das ich dam als zu der 3dee einer Herausgabe zu sagen hatte. Einen mag der verstehende aus der W idmung des vorliegenden Bandes entnehmen, und über ihn sei hier nichts weiter gesagt. Sachlicher läßt sich sprechen über die Wirkung des Zeitabstandes an sich. J a h r e w aren vergangen - w as für J a h re ! und über ihren Abgrund hinweg zu dem Werk meiner Ju g en d zurück­ zukehren widerstand der Einstellung, mit der ich aus dem Krieg in die zweite Lebenshälfte übertrat. Irgendw ie hatte ich, oder so glaubte ich, einen Strich unter die Vergangenheit gezogen und sah mich frei für neue Aufgaben. D amit ist der positive Grund berührt. W ährend der Kriegsjahre hatte mein philosophisches Interesse sich einem neuen, von dem früheren Arbeitsgebiet weit abliegenden Gegenstand - dem O r­ ganism us als Problem der Ontologie - zugewandt, und voll Ungeduld sah ich der Rückkehr nach Jerusalem und ins Zivilleben entgegen, um in der Ruhe, die ich mir nach soviel Weltgeschichte nun erhoffte, die fern von Büchern herangereiften Ideen systematisch auszuarbeiten. Dies vordringliche Anliegen hatte von erneuerter Arbeit an dem alten Them a - und gewichtige Arbeit, von der nötigen Gedächtnisauffrischung ganz abgesehen, w a r daran noch zu leisten - nur Störung zu be­ fürchten. Auch hatte ich nicht nur den Gegenstand, sondern inzwischen auch das sprachliche Medium des Ausdrucks gewechselt, und w er es je

hat tun müssen, weiß, welch anspruchsvoller Fronvogt das neue ist, wenn m an es darin irgend zu anständiger Leistung bringen will. m it alledem w ar mein Nein kein unbedingtes. I n den folgenden Ja h re n wurde die Frage zwischen dem Verlag und m ir in Abstanden wieder aufgeworfen und verband sich schließlich mit der einer Neu­ auflage des ersten Teils, der inzwischen vergriffen w ar. Noch einmal Kriegsdienst, noch einmal Wechsel des Landes, des Erdteils, der Sprache, und über all dies hinweg die heilende W irkung der Zeit. Gelegentlich eines neuerlichen veutschlandbesuches im Vorjahre, acht J a h re nach dem oben berichteten, wurde dann schließlich die Vereinbarung getroffen, deren Ergebnis die vorliegende Veröffentlichung ist. (Es ist nun Auskunft zu geben über die Entscheidungen, die dabei zu treffen w aren. Die erste und hauptsächliche betraf die Frage, w as in den zweiten Band aufzunehmen fei. Alle früheren Erw ägungen w aren von der Voraussetzung ausgegangen, daß ein zweiter Band m it dem projektierten zweiten Teil des Werkes identisch sein, d. H. den ganzen Rest desselben enthalten müsse. Diese Alles-oder-Nichts-Einstellung hatte zum „Nichts" geführt, da das „Alles" eben nicht ver­ fügbar w ar. Insbesondere das Plotin-Kapitel, im Rohzustand der Notizen und Entwürfe der dreißiger Ja h re , erforderte nicht nur die literarische Ausgestaltung für den Druck, sondern nach soviel verflossener Zeit ein erneutes Studium des ganzen plotinschen Werkes: dies aber mußte und muß warten bis nach der Vollendung der erwähnten andern Arbeit, die in vollem Gange w ar und eine solche Unterbrechung nicht duldete. W eiteres W arten w ar jedoch, w as gerade vermieden werden sollte, an und für sich und weil die bevorstehende W iederauflage des ersten T eils den natürlichen Anlaß bot, ihr die Fortsetzung beizu­ gesellen. So wurde denn mit Zustimmung des Herausgebers beschlossen, das bisher im unedierten Druck vorliegende mit dem, w as daran a n ­ schließend im Manuskript druckfertig w ar, zum zweiten Teil, 1. Hälfte, zu vereinigen. „Hälfte" ist dabei nicht zu wörtlich zu nehmen: in der T a t ist, w as jetzt erscheint, eher zwei D rittel des gesamten zweiten Teiles. Die Abteilung ergab sich außer aus dem Zustand des M anuskripts auch aus Rücksichten relativer Geschlossenheit, insofern das GrigenesKapitel einen Einschnitt bezeichnet, nach welchem plotin als großes Sonderthema übrig bleibt. Für die erneute Stückelung kann der Autor die Toleranz des Lesers nicht fordern, darf sie sich aber erhoffen. E r bedarf ihrer auch im Weiteren.

3u entscheiden w ar nämlich sodann, wie dem Fortschritt der Zeit seit der Abfassung dieses M a terials unter den Umständen Rechnung zu tragen sei. (Es ist ja zu erinnern, daß ein in voller Ruflagestärke daliegender Druck aus der Vorkriegszeit benutzt w erden sollte fund es sei bei der Gelegenheit auch m itgeteilt, daß jener im J a h re 1945 vor­ gefundene Satz auch im J a h re 1953 noch beisammen w a r und ta t­ sächlich in dem vorliegenden Druck verwendet ist), w a r dies der Rnderungsmöglichkeit an sich entzogen, so verbot sich bei dem fertigen M anuskript, das aus nu r w enig späterer Zeit stam m t, eine tiefer» greifende R evidierung aus eben den Zeitgründen, die überhaupt zu der geschilderten Teilung geführt haben. Nachdem also einm al die zeit­ liche V erbindung m it der N euauflage des ersten T eils beschlossen w ar, ergab sich die weitere Entscheidung von selbst, den zweiten R and, ob­ w ohl durch die Laune der Zeitläufte eine Erstveröffentlichung im J a h re 1954, im Wesen nicht anders als den photomechanischen Nachdruck des ersten T eils zu behandeln und m it diesem a ls eine A rt historischer Einheit anzusehen. Die zwischenzeitliche Forschung aber, die so w enig ignoriert werden darf wie sie in diesem Augenblick berücksichtigt werden kann'), soll hinsichtlich beider Teile in einem A n h a n g des später er­ scheinenden Schlußbandes zusammen behandelt und die in ihrem Lichte nötig erscheinenden M odifikationen m einer D arstellung angezeigt w erden. — h ier sei die Bemerkung eingeschaltet, daß ebensowenig wie die Forschung in der W elt natürlich das Denken des Verfassers stillgestanden h at. E s ist kaum m ehr als eine T riv ialität, zu sagen, daß ich heute vielleicht M anches anders denken würde, w enn ich es zum erstenmal zu denken hätte, und gewiß vieles anders sagen w ürde als fünfzehn J a h re zuvor. E s w ürde gegen den A utor sprechen, und dam it verm ut­ lich auch gegen das, w as er zu irgendeiner Zeit zu sagen hatte, w enn es anders w äre. Aber Weiterentwicklung macht nicht notw endig das F rühere ungültig oder unerheblich, und stünde ich nicht in allem w esent­ lichen noch hinter dem dam als Gesagten und hielte es nicht heute noch der wissenschaftlichen Diskussion für w ert, so hätte ich es eben schlechterdings nicht veröffentlicht. Ebenso wie der erw ähnte A nhang sind auch die R e g is te r dem Schlußband vorbehalten, und als vorläufigen Ersatz für sie habe ich auch hier (wie in der N euauflage des 1. T eils) die Inhaltsübersicht so ausführlich wie möglich gemacht. - Alle diese Entscheidungen sind, !) vgl. hierzu auch, w a s im V o rw o rt zur 2. Auflage des (Ersten Teils über den augenblicklichen Zustand der Forschung gesagt wurde.

wie mir wohl bewußt ist, ebenso viele Notlösungen, für die dieser auto­ biographische Bericht Verständnis und Nachsicht erwecken möchte. Es ist eben so, daß dies Werk, wie andere und größere Dinge, zwischen die Näder der Weltgeschichte geraten ist. Da ich es daraus hervorziehe, bin ich nicht weniger erstaunt, es noch am Leben zu finden, als mich selbst. Es sei noch bemerkt, daß die Philo-Untersuchung (3. Kapitel) auf hebräisch in dem Gedenkbuch für Hans Lewq, den bedeutenden PhiloForscher und frühverstorbenen Freund, erschienen ist l n v *id c , Je ru ­ salem 1950); und eine gekürzte Fassung der Grigenes-Untersuchung (5. Kapitel) in zwei Nussätzen in der Theologischen Zeitschrift IV, 2; V, 1 (Basel 1948; 1949). Die vorstehende Darstellung enthält schon implicite meinen Dank an die Verleger, die durch alle Wechselsälle des großen und des kleinen Geschehens zu dem Werk gestanden haben: er sei zum Schluß auch ausdrücklich gemacht und in ihn der Herausgeber, mein verehrter Lehrer Rudolf Bultmann, einbezogen. Ottawa (Lanada), 10. M ai 1954 H ans J o n a s

Z u r z w eiten A u fla g e M it Ausnahme von vruckfehlerberichtigungen und wenigen W ort­ änderungen ist die zweite Auflage ein unveränderter Nachdruck der ersten. Inzwischen hat die dritte Auflage des ersten Teiles (1964) Gelegenheit geboten, den geplanten Anhang diesem in Gestalt eines 4. Kapitels — „Neue Texte der Gnosis" — beizugeben. New Rochelle, N. y. (USA), September 1965

HI.

Jntjaltö-nberfldjt

V o r w o r t ................................................................................................ E i n l e i t u n g . Zu m P r o b l e m d e r G b j e k t i v a t i o n un d i h r e s Z o r m w a n d e l s ........................................................................ Gbjektivation und Existenzialgrund S. 1. 1. D ie G b j e k t i v a t i o n d e s M y t h o s S. 4 —9: Weltanschauung und anschauendes Dasein. „Subjektivierung“ des Objektiven — „O b­ jektivierung“ des Subjektiven, präv ale nz des welthaften im Selbstverständnis des Daseins. Selbstüberfremdung. Ausdruck, Kundgabe, Symbol. 2. D e r gnostische M y t h o s a l s G b j e k t i v a t i o n S. 9— 13: Der» gegenständlichung von Weltangst und Entweltlichungstendenz in den Setzungen des gnostijchen Mythos. 3. D ie G n o s i s b e g r i f f e a u f dem B o d e n d e r G b j e k t i v a t i o n S. 1 3 - 1 9 : 1. Der Mythos selbst ist Gnosis S. 14— 16: Crzählung des gnostijchen Mythos als Peripetie des (Erzählten. Unterschied des reflektiven Mythos der Gnosis von primärem Mythos. „W ahrheit“ der Selbstwiedererkennung des Subjekts im gnostischen Weltbild. 2. Die dem M ythos entnommene Heils­ praxis ist Gnosis S. 17—19: praktischwerden des Mythos. 4. D ie v e r s c h i e d e n e n p r a k t is c h e n G n o s i s b e g r i f f e S. 19—23: a) Gnosis als heilswirksames wissen S. 19; b) als sakramentale Praxis S. 20; c) als Vorwegnähme des ioxcrrov in mystischer Ekstase; d) als äpeiq-vollzug in Richtung auf das toxorrov S. 21.

1. K a p i t e l . D i e A u f l ö s u n g d e s a n t i k e n ä p e r y . B e g r i f f e s i m Be r e i c h e der G n o s i s ...............................................

1.

2.

3.

4.

plo tins Vorwurf gegen die Gnostiker (Enn. II 9,15). Gründe im gnostischen Akosmismus für das Fehlen einer Tugendlehre. Je n seitsausrichtung als (Quelle einer neuen Ethik: von antiker äpciq verschieden S. 2 4 —26. ‘Apcifj in d e r h e r m e t i s c h e n L i t e r a t u r S. 26—29: Negativer Grundzug. Ethische Form des Freiwerdens von der heimatmene (Zosimos). Begriff des Lasters primär vor dem der Tugend. 3 m christlichen G n o s t i z i s m u s S. 2 9 —31: Die drei mensch­ lichen „Naturen“. Die pneumatische N atur erlöst ohne handeln. Die drei Klassen als mögliche Stufen eines inneren Prozesses. *Ap€Tq im G e m e i n d e c h r i s t e n t u m S. 31—35: Die Problematik „Glaube und Werke". Die Kirche als civitas; Gemeindeethik. Die kirchlichen „Tugenden“ : Glaube, Hoffnung, Liebe. Das paulinische „As pq". B e i M a n d ä e r n u n d M a n i c h ä e r n S. 35—37: Enthaltungs­ tugend bei Mandäern. Minimalisierung der Weltbeziehung bei den Manichäern: Vermeidung der Befleckung des eigenen, der Verletzung fremden Lichtes. Reinheit und Mitleid als Hauptlügenden. Notwendigkeit der Sünde in der Lichtzerteilung. Askese der Eclecti.

Inhalts-Übersicht

XIII Sette

5. eAp€Tfj b e i p h i l o von A le x a n d rie n S. 38—43: Tugenden als Gottesgaben. Weibliche Empfänglichkeit der Seele. Selbstabsprechung als Tugend, Selbstzurechnung als Laster. „Glaube" als Königin der Tugenden. Selbsterkenntnis als Nichtigkeits­ reflexion. Sich-felbst-Entrinnen. Stufen desselben; ihre Mehrdeuttgkeit zwischen ethischer und mystischer Bedeutung.

2. K a p i t e l , v o r w e g n ä h m e d e s E a x ar o v u n d die A u s b i l ­ d u n g e i n e s gnostischen ä p e i y - v e g r i f f e s . . . . 43—65 1. rv ö o is öcoö im G em ein d e f r i s t e n tum S. 44—49: negativer Befund. Unvereinbarkeit des pneumatischen Individualismus mit der Idee der Kirche. Die Polemik 1. Kor. c. 12—14: Gegensatz VvSmr —äväm,; Vorläufigkeit aller Gnosis; pistis als angemessene Form der Vorläufigkeit. Überbietung des paulinischen Seinstypus in Voketismus und INänchsmyftik. 2. G o tte ssc h a u und V o lle n d u n g in der H erm etik S .49—53: Die Visionsschilderung des poimandres. Anweisungen zur Polingenesie in andern Traktaten. 3. D e r ä n a ö e ta n o p ö s der M i t h r a s l i t u r g i e S. 53—57. 4. Schau u n d V o lle n d u n g in den M y s te r ie n r e lig to n e n S. 57—65: Realistische Erfahrung der ünio im Kult. Ursprung der Vollendungsidee in den Mysterien. Die Mysteriengrade als ,U)eg4. Das Schaumoment. Vergottung des Myften als ob­ jektives Sakrament und als subjektive Ekstase. Ekstase als v o r­ wegnähme des Jenseitszieles. Kathartische Vorbereitungen hierzu. Ablösung beider vom Kult. Mysterienritnal als Prototyp as­ ketischer Ichgestaltung. Sinnlichkeit der Mysterienekstase. Ver­ geistigung bei Emanzipierung vom Kultischen. Verhältnis von Ekstase im allgemeinen und Gnosis im besondern.

A n f a n g . Zum Prozeß der Mythendeutung in den Mysterienr e l i g i o n e n ...................................................................................

6 5 -6 9

3. K a p i t e l . G o t t e s e r k e n n t n i s , Schau und V o l l e n d u n g bei p h i l o v o n A l e x a n d r i e n .....................................................

70—121

Die Hauptwidersprüche S. 7 0 —74. a) T h e o re tis c h e G o t t e s e r k e n n t n i s ............................................... 7 4 -9 9 1. Transzendenz und Im m anenz Gottes S. 74. 2. Die W urzeln des Philonischen Agnostizismus S. 77. 3. Die bedingte oder m ittel­ bare Gotteserkenntnis S. 80. 4. Die paradoxe Gotteserkenntnis S. 82. 5. Der unendliche Progreß S. 83. 6. Die unm ittelbare Gotteserkenntnis S. 85. 7. Der Bruch in der Unmittelbarkeit: Sonderung von Dasein und Wesen S. 88. 8. Die zwei GrundMöglichkeiten an sich: pistis und Gnosis S. 91. 9. Gotteserkenntnis als Aufstieg zur höchsten Id ee S. 92. 10. V orrang der An­ schauung: Sehen und hören S. 94. 11. vorläufiges Ergebnis S. 98. b) M ystische G o t t e s e r k e n n t n i s ...................................................... 9 9 -1 2 1 12. U ntergang des Menschenwesens in der Ekstase S. 99. 13. Stufen­ gang der Selbstausschaltung: ethische und mystische Form S. 103. 14. Gemeinsame Wurzel der ethischen und mystischen Selbstausschaltung S. 107. 15. Der Typus des „Propheten" S. 109. 16. Einbeziehung und M ediatisierung der Wissenschaft S. 111. 17. Die Übersteigung der Wissenschaft S. 112. 18. Argumente der Abkehr von der Wissenschaft S. 115. 19. Die Vollendung des P ro ­ pheten in der Ekstase S. 117. 20. Schlußergebnis S. 119.

XI V

Inhalts-Übersicht L e ite

4. K a p i t e l . D o m z w e i t e n z u m d r i t t e n J a h r h u n d e r t , o d e r : D o n der m y t h o l o g i s c h e n zur p h i l o s o p h i s c h - m y s t i s c h e n G n o s i s ................................................................................... 1 2 2 - 1 7 0 1. Fragestellung der folgenden Untersuchung S. 122 — 125: Voll­ endung der mythologischen Typus im valentinianischen System. Seine innere Grenze, gemessen an der Rufgabe gnostischer Theorie. V e rhältnis von Theorie und Praxis. — 2. Äußerlichkeit der m y tho ­ logischen h e ilsp ra xis S. 125—128: Die Kluft zwischen spekulativer und praktischer Seite. Kein K ontinuum der Verwirklichung zwischen I n n e n und mythischem Rußen. — 3. Rskese und Erkenntnis als vorbereitende Rkte S. 128—130: Die „Erkenntnis" des M y t h o s verwirklicht nicht das Postulat des M y t h o s . Mythische T r a n ­ szendenz als Schranke der Verwirklichung. — 4. E inw an d gegen unsere These a u s dem Faktum des Christentums S. 1 3 0— 133: Situatio n der Vorläufigkeit kein M a n g e l im Christentum, w a r u m in der Gnosis? Fortschritt von der mythologischen Stufe als Ü be r­ w indung ihres M a n ge ls. — 5. E x k u r s . Die „Vorläufigkeit" in der jüdisch-christlichen heilslehre S. 133— 138: heil als gottmenschliches V erhältnis, nicht Zustand. Seine V erm ittlung. Gesetz und Glaube. G na d e und Glaube. — 6. Vergleichung der gnostischen mit der christlichen Eschatologie S. 138— 143: &) Die Schilderung der Überwelt als v o rw e g n ä h m e S. 138; b) Der „Es"-Charakter der Überwelt als B edin gung ih rer Erzielbarfeit S. 140; c) Die Exten­ sivität des „Es" als Bedingung des mystischen Prozesses; (Quali­ tative Ruslegung der mythischen Dimension S. 141. — 7. Z u ­ sammenfassung: Richtung und Grenze der mythologischen (Ent­ wicklung S. 143— 145: Die Emanationssysteme als Grenzpunkt der Entwicklung. — 8. Rnsätze gnostischer Verwirklichung a u ß e r ­ halb der M ythologie S. 145— 147: Mysterien, p h ilo . — 9. Speku­ lative Unzulänglichkeit dieser isolierten Verwirklichung S. 147— 149: Getrenntheit der spekulativen und praktischen Entwicklung. — 10. Der mystische Rnsatz in nerh a lb des M y t h o s : der Begriff „YvÄcts" S. 149. — 11. Die soteriologische Bedeutung des Wissens im M y th o s S. 150 -152: w a r u m ist das wissen erlösend? Die Welt als Produkt der Unwissenheit, v e rb le ib e n d e r Rbstand von Erweckung und Erlösung. — 12. Die ontologische O rientierung des M y th o s auf das „Wissen" S. 153 —155: Ü berw indung des Su b s ta n z en d u a lis m u s; Ursprung der Gegensätze im Geist. — 13. Vorzug des Emanationsschemas für die mystische W e ite r ­ entwicklung der M yth olog ie: drei H auptm om ente S. 155. — 14. Veranschaulichung am Beispiel des valentinianischen Systems S. 157— 163: „Erkenntnis" als Se in sg ru n d des p l e r o m a ; Selbstm annigfaltigung des Ureins. partikularisierung, Span n u n g und Krise. M a terie und Geist: Die Elemente als Residuen göttlicher Affekte. „Feuer" in der Llernentenlehre — „Unwissenheit" in der Rffektenlehre. Gnosis als ontologisch-soteriologijche Universalgroße. — 15. Rblcitung der philosophischen a u s der mythologischen Stufe S. 163— 167: Subjekt-Gbjekt-Trennung in der m ytholo ­ gischen, Subjekt-Gbjekt-Cinheit in der mystischen Erkenntnis, p r e i s für die L inw and lung der Transzendenz in die Im m a n e n z : N o t ­ wendigkeit des Begriffs statt Dra m atik der Person. — Ab­ schließendes zur Rolle der „Erkenntnis" a u f Oer mythologischen Stufe S. 168.

5. K a p i t e l . D i e S y s t e m e d e s d r i t t e n J a h r h u n d e r t s : ( D r i g e n e s ........................................................................ 171-223 1. Gleichzeitigkeit der großen Systeme (Drigenes, plotin, NTani) 1 7 1 - 1 7 5

Inhalts-Übersicht

XV Seite

2. Das System des Grigenes nach De Principiis . . . . 175—203 (Duellen für eine Rekonstruktion des origenistischen Systems 5 .176. — 1. Der Ursprung des Seins: Die göttliche (Einheit und die T rin ität S. 178. — 2. Das plerom a der geschaffenen Geister S. 181. — 3. Der Anfang der Bewegung: F all der Geister S. 182. — 4. Die Weltschöpfung als Folge und Abbild des Geifterfalls S. 184. — 5. W illensfreiheit das P rinzip der Seinsbewegung. Wille und (Erkenntnis S. 188. — 6. Die Lehre von S atan S. 189. — 7. Substanzgleichheit und K reislauf der Geister. Weltzyklen S. 191. — 8. Stellung des Menschen zwischen (Engeln und Dämonen S. 194. — 9. Stufenbau des Alls S. 196. — 10. (Erörterung einer Lehrabweichung: Der Gegensatz D ern ü n ftig — D ernunftlos statt des Gegensatzes G ut — Böse S. 197. — 11. Die göttliche Heils­ ökonomie. Christologie S. 201. — 12. Die Vollendung als W ieder­ herstellung des A nfangs S. 203. 3. Gnostische Charakteristik des Systems von D e Principiis . 203—223 1. Der „System".Charakter der origenistischen Spekulation S. 204. — 2. vergleich mit den v alen tin ian ern : Der Schritt zur Cntmythisierung S. 207. — 3. M onotheism us und spekulativer M o­ nism us S. 210. — 4. Der P rim a t des W illens bei Grigenes S. 210. — 5. Die Rolle der Zeit bei Grigenes S. 211. — 6. w a r G rigenes Mystiker? Das Problem des inneren Stufengangs S. 213. — 7. Mystische Brauchbarkeit des origenistischen Systems und ihre Grenzen S. 217. — 8. Bemerkungen über das V er­ hältnis von Erlebnis und Denken S. 219. — 9. Der Gang der Theorie zur Mystik vom ersten bis zum dritten Jah rh u n d ert. O bjektivität der mystischen Theorie S. 222.

Einleitung. Zum Problem der ©bfettfoation und chre» Formwandel«. W ir haben im ersten Teile die gnostische Mythologie be­ handelt. Dabei führten unsere Betrachtungen uns von selbst, ohne das mythologische Gebiet schon eigentlich zu verlassen, bis nahe an das Nachbarreich des philosophischen Gedankens heran - und dam it an die innere übergangsschwelle unserer Untersuchung, die in der voppeltheit des Titels „Gnosis und spätantiker Geist" angezeigt ist. Der Über­ gang selber aber ist kein einfaches Weitergehen im bisherigen Zuge der Betrachtung, sondern das (Einnehmen einer prinzipiell neuen Stufe derselben *)• D as (Ergebnis der bisherigen, auf das Mythologische gerichteten, w ar die Herausarbeitung eines Grundmythos, der das eigentlich gnostische Element enthält, v on den komplexen mythologischen Gebilden nicht so sehr zu den darin enthaltenen heterogenen, einzelnen Mythenstoffen, als vielmehr zu dem autogenen einheitlichen Grundmythos zurückzugehen, w ar das Ziel der Untersuchung. Ist dies gelungen, so haben w ir in dem herausgestellten mythologischen „Archetyp" (gleichsam der reinen Form, die die notwendige V ariabilität in den stofflichen Verwirklichungen in sich einschließt) das gesuchte synthetische Prinzip für die M annig­ faltigkeit mythischer Gbjektivationen im gnostischen Auslegungsbereich. AIs solches P r i n z i p aber darf auch dieser Grundmythos nicht nach seinem stofflichen Bestand genommen werden, nach welchem viel­ mehr auch er nur ein verfügbares Element innerhalb der Stoffmannigfaltigkeit und — grundsätzlich ebenso wie die heterogenen Elemente — ein Gegenstand möglicher Synthesen ist; als solcher gibt er sich ja auch jeder nur gegenständlich-mythographischen Betrachtung2). Nicht einmal ') v g l . ZUM F o l g e n d e n die A u s f ü h r u n g e n B d . I S . 8 2 ff., in sb e f. S. 8 8 ff.

2) Auch i n i h r z w a r zeichnet er sich v o r d en a n d e r n E le m e n te n durch seine inhaltliche N e u a r t i g k e i t u n d durch die Ü b e r l e g e n h e i t a u s , m i t d e r er sie im Z u ­ s a m m e n t r e t e n m o d ifizier t u n d sich a n g l i e d e r t .

A b e r a u f dieser (Ebene d e r B e tr a c h ­

t u n g b l e i b t es, w i e in der E i n l e i t u n g (B ö. I) a u s g e f ü h r t , grundsätzlich b ei

dem

„naturwissenschaftlichen" Ans chauungss chem a v o n d e r i n n e w o h n e n d e n E n e r g i e u n d dem K r ä fte fp ie l selbständiger, gleichsam dinglicher E le m e n te . 6121

3 o n a s # (Bnofls.

2. Teil.

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nach seiner mythologischen (Qualität als solcher, d. H. nach der allge­ meinen Form seiner D bjektivation, darf er als endgültig hingenommen werden. Soll er vielm ehr in jener ursprünglich-konstitutiven, eine gei­ stige Gegenständlichkeit erst aufbauenden Funktion, die w ir fü r ihn be­ haupten, sichtbar werden, so m ußte, wie w ir es versuchten, fü r das, w a s an ihm selber n u r stofflicher Bestand, und für d a s, w as an ihm mythologische G bjektivationsform ist, ein w eiter zurückliegender „G rund der Einheit" bzw. G rund des D aseins erfragt w erden- und als solcher konnte nu r ein w ah rh aft dynamisches P rinzip der Sinnstiftung in F ra g e kommen: die faktische Grundverfassung des geschichtlichen D aseins selber, das das Subjekt dieser intentionalen (mythischen o d e r so n stig en ) G bjektioationen in Bildw elten ist. 3n einer Bezeichnung wie „L ntw eltlichungstendenz" haben w ir diese treibende G rundverfassung m ehr a n ­ gezeigt als eigentlich gedeutet - und überhaupt nicht „für sich" them a­ tisch gemacht. V as liegt im Wesen solcher Betrachtung, da das jew eils schöpferische geistige P rinzip sein Dasein eben in den geschichtlichen M anifestationen hat, und, w as es ist, nu r au s dem, w as es an a n ­ schaulichen Ä ußerungen zeitigt, überhaupt erhellt. Seine Selbst-D ar­ stellungen sind tatsächlich die lveisen seines S eins: so kann es auch n u r bezüglich, im Hinblick auf jene, angezeigt und n am h aft gemacht w erd en ; seine Fülle erhält der N am e erst durch sie. D aß trotzdem diese N am h aft­ machung kein bloßes A nhängsel zu der V orführung der konkreten E r ­ scheinungsgehalte ist, hat w ohl schon die vorangegangene D arstellung erwiesen, und die folgende soll es in noch höherem G rade, da ihr V er­ hältnis zum vorigen einzig durch diesen gemeinsamen Beziehungspol ver­ m ittelt ist, w ährend alle stofflich mythographischen Gesichtspunkte w eg­ fallen. So hat sich innerhalb des nun einsetzenden zweiten H auptteiles unserer Untersuchung das angesetzte existenzielle G rundprinzip in einem ganz neuen Sinn als Hermeneutischer Beziehungspol zu bew ähren und in solcher B ew ährung auch erst die vorgenomm ene Zusammenfassung der zwei so verschiedenen Interpretationsbereiche — In te rp re ta tio n s­ ebenen, wie sich herausstellen w ird — zu einer (Einheit zu rechtfertigen, h ierfü r kann also an dieser Stelle nur auf den G ang der Untersuchung selbst verwiesen w erden. A ber schon ganz form al w ird der Wechsel des stofflichen I n te r ­ pretationsfeldes in eins m it dem Anspruch der thematischen (Einheit erst e rm ö g lic h t durch die A n se tz u n g eines solchen existenziellen G rund­ prinzips überhaupt. D enn indem ein solches „vor" aller D bjektivation in der Erscheinungswelt des Logos (wozu auch der mythische gehört)

auch nur form al postuliert wird, ist die gerade thematisierte Gbjektivationsschicht, so vorherrschend sie auch sein mag, dach grundsätzlich ihrer Ausschließlichkeit und Absolutheit entkleidet und in einer eigentüm­ lichen weise relativiert: wird mit dem Begriff der Gbjektivatian als Gbjektivatian v o n etwas (dahinter wirkendem) methodisch Ernst ge­ macht, so ist dem hypothetisch angesetzten Grundprinzip bereits eine generelle F r e i z ü g i g k e i t gegenüber gerade dieser Gbjektivatiansform und -materie zugestanden, d. H. die M ö g lic h k e it, daß es sich mit seinem produktiven und zur Äußerung drängenden Wesen nicht in dieser erschöpft, sondern auch in andern Geistgebilden des gleichen Ge­ schichtsraumes nachzuweisen ist. handelt es sich vollends bei diesem „Prinzip", wie w ir m it unserer „Lntweltlichungstendenz" in Anspruch nehmen, wirklich um ein M otiv universaler Zeinsdeutung, wurzelnd in einem bestimmten faktischen w ie des ganzen Daseins des Menschen und terminierend in aller von hier aus nur möglichen Welt- und Selbst­ auslegung, — so ist aufs bestimmteste zu erwarten, daß die gleiche weise des „Fuhlens", „Denkens", „Tendierens", oder wie m an es nennen m ag, auch noch an anderen Standarten des zeitgeschichtlichen kulturellen Kosmos zutage tritt als in den Kultmythen gnostischer Sekten, und in anderen theoretischen Auslegungsformen als der mythologischen; daß sie z. B. in mehr b e g rifflic h e M aterien eingeht, sie, soweit sie sie schon vorfindet, modifiziert und sich in ihnen ein anderes M edium der Selbstauslegung schafft. Eben damit ist der F all des spätantiken philosophischen Denkens getroffen, w i r können also zumindest nach einem gnostischen Einschlag in diesem zu fragen unternehmen, auch wenn w ir auf das Antreffen gnostischer M ythologie und bort be­ heimateter stofflicher Vorstellungen in diesem Bereich van vornherein verzichten. I n der T a t fehlt, wie w ir sehen werden, selbst dies nicht ganz: in dem metaphysischen Lm anatians- und Depravatiansschema finden w ir gnostischen M ythos in entpersonalisierter, logisierter Farm wieder; also in einer Hinsicht zwar entmythisiert, aber vermöge seines H y p o stasencharakters dach auch wieder mythisch. Diese mythologisch-philo­ sophischen Zwischengebilde werden uns in der M e t a p h y s i k des (Drigenes und P latin begegnen. Zunächst aber wenden w ir uns einem anthropologisch-ethischen Begriffsbereich zu, in dem w ir solche rnythagraphischen Analogien grundsätzlich nicht erwarten dürfen, und in dem es uns auch, vor allem, auf etwas anderes ankommt: zu zeigen, wie das angesetzte existenzielle Grundprinzip, das „gnastische", wenn anders es wirklich von der mythologischen Syrnbalwelt zu lösen und

als allgemeinere dpxn anzusetzen ist, hier in einer ganz eigentümlichen lveise aus der äußeren mythischen Dbjektivation zurückgenommen und in innere Vaseinsbegriffe und ethische P raxis umgesetzt, also gleichsam „re-subjektioiert" erscheint, - wie aber andrerseits auch in diesem Be­ reich das mythische (Element nicht eigentlich überwunden ist, vielmehr noch in der „Im m anenz" (d. H. auch ohne mythologische Transzendenz) die Vaseinsbegriffe ihrer ontologischen Struktur nach in einem weitesten Sinne „mythisch" bleiben - vermöge ihrer durchgängigen Herkunst von einer G ru n d o b je k tiv a tio n . Bezüglich Platins darf diese Ausgabe natürlich nicht zu weit ge­ stellt werden, w i r dürfen nicht erwarten, ihn nun auf einm al in seinem Kern als „gnostisch" zu erweisen; dafür ist sein hellenischer I m ­ puls zu offenbar. Es genügt uns, in einigen auseinander bezogenen Einzelanalysen - die prinzipiell Buch für Buch fortgeführt werden könnten - jedesmal den gnostischen Einschlag bis ins Innerste seines Denkens hinein nachzuweisen und in der — letztlich unausgeglichenen und unausgleichbaren — Durchdringung zweier Grundimpulse das ge­ schichtlich Schicksalhafte dieses Geistes zu sehen.

G b aber die beiden Logosbereiche, die den zwei h au p tteilen unserer Untersuchung entsprechen, hinsichtlich des beiden gem einsam en existenziellen G ru n d p h ä n o m en s einfach nebeneinander stehen oder inein­ ander fundiert sind oder wie sonst ihr V erhältnis in Hinsicht auf dieses ist; in welchem Sinne von seinem „Eingehen" in die verschiedenen G bjektivationsform en zu sprechen ist und w as hierbei der hermeneutisch fundam entale Begriff der „D bjektivation" besagt, — darüber haben w ir uns zunächst noch, vor E in tritt in die neue A ufgabe, zu erklären. i. Bi« Sbjektivation des Mxtho«.

I n jedem W eltbild und so auch in einem mythologischen steuert der bildschöpferische Mensch aus Eigenem zu dem Bilde Entscheidendes bei. — D as ist, wie w ir sogleich berichtigen müssen, eine symbolische Ausdrucksweise, in der das V erhältnis von Ich und W elt und dem verm ittelnd dazwischengestellten „W elt-Bilde" als ein äußerliches er­ scheint, gleichsam verräum licht und in unabhängige, seiende G rößen auseinandergezogen. Bleiben w ir in dieser uneigentlichen Redeweise, so können w ir auch sagen: in einem W eltbild kommt Menschliches „zum Ausdruck"; oder: es „spiegelt" ein Dasein „w ieder" — seine beh err­ schenden Tendenzen, sein W elt- und Selbstverhältnis, also es selber.

hier sprechen w ir in Bildern für existenziale Verhältnisse, d. H. wir haben sie in ein Schema der Anschauung bestimmter ontologischer Her­ kunft und Struktur übertragen — und liefern damit selber ein Beispiel für das, was wir an unserm Gegenstand, der mythischen Weltansicht, aufklären wollen: die objektivierende Ver-Außerung von existenzialen Phänomenen; die aber ist selber ein existenziales Phänomen, eben das, mit dem wir es zu tun haben. w arum aus der Welt-Anschauung die Verfassung und Haltung des anschauenden D asein s selber am eigentlichsten zu erschließen ist - oder: in ihr „erschlossen" ist; warum und in welcher weise in dem Logos, mit dem das Dasein die Welt anspricht, zugleich und notwendig dieses sich mit ausspricht, ist ein weitläufiges philosophisches Problem, w ir beschränken es hier auf den Mythos. — Zweifellos, daß sich in ihm Subjektiver objektiviert. Aber diese „Objektivierung des Sub­ jektiven" ist in Hinsicht auf den Gegenpol, die Welt, ebensowohl auch als „Subjektivierung des Objektiven" anzusprechen: die mythische An« thropomorphisierung der W e lt'), handelt es sich also primär um Ver­ menschlichung der Welt — oder um Verweltlichung des Menschen — oder um beides zusammen?2) vielleicht kündigt sich in dieser Doppelseitigkeit an, daß hier eine ursprünglichere Einheit obwaltet, deren Pole nicht zu selbständigen Größen einander gegenüber zu Hypostasieren sind. Dann wären wir wieder darauf geführt, daß uns schon in unserm Fragen gleichsam dasselbe widerfährt, was wir an den Gbjektivationen und Hypostasierungen des Mythos zum Problem machen, - also mehr als ein bloß logischer Vorgang; und hiermit auch schon daraus, daß das Prim äre hier wie dort eine strukturelle „Ver-Außerung" des D a­ seins für sein wissen von sich selber ist, als eine ihm ursprüngliche 1) Der Schrecken ist ein menschliches Phänom en. Die „Schrecklichkeil" eines weltlich Begegnenden aber (die, wie w i r sagen, ihr Sein n u r im Exschrecken des Menschen hat) ist fü r die mythische Anschauung unm ittelbar ein Seinscharakter des Gegenstandes; oder genauer gesagt: sie ist sein aktives W e se n derart, daß er der Sitz des Schreckens, ja seine ursprüngliche R ealität ist: der Schrecken ist d o r t und dringt von dort in mich hinein. Der intentionale Gegenstand, das w o v o r, w ird also zur Hypostase des Affekts selber. So ist dieser zu einer objektiven Existenz außerhalb des Menschen gelangt, das Gbjekt aber gleichzeitig zu einer subjektiven Physiognomie (vgl. den „M ana"-Vegriff auf den v o r- und Unterstufen der Religion). 2) „w enn d ar rein Innerliche sich objektivieren, sich in ein Außeres v er­ w andeln muß, so bleibt doch andererseits auch alle Anschauung des Äußeren dauernd mit innerlichen Bestimmungen durchsetzt und verw oben" (C. Eassirer, Philosophie der symbolischen Formen II: D as mythische Denken, S. 132) - ein Satz wie dieser form uliert in W ahrheit erst eine F r a g e !

Bewegung zur vergegenständlichung, durch die es seine inneren Seins­ tatsachen im Schema „weit"-ontologischer Strukturen anschaut, in W elt­ kategorien anspricht - und sich so nur auf dem Umweg über das w e lt­ hafte und in der entsprechenden theoretischen Umwandlung zu (Besicht bekommt'). Diese vorgängige Verweltlichung des Menschlichen w äre dann wiederum die weise und das M ittel, die Welt zu vermensch­ lichen und in die verstehbarkeit des Daseins zu bringen - so näm ­ lich, daß durch die ontologische Umwandlung nun die Subjekts­ erscheinungen tauglich werden, in die Ansicht der Welt projiziert zu werden und von dorther dann dem Dasein als vertrautes, versteh­ bares, Rommunikationsfähiges entgegenzutreten. So begegnet das D a­ sein allenthalben sich selbst, h ier scheint dann im Ergebnis eine un­ bedingte Prävalenz des Subjektiven vorzuliegen: anthropomorphe W eltansicht. Aber diese ist eben nur möglich aus (Brund der vorherigen kategorialen Verweltlichung jener vaseinsbestände, die dann im Be­ stand der Welt wiedergetroffen werden sollen. Sie werden strukturell in das Weltschema gebracht, um dann materiell die W elt in ihrem Bilde sehen zu können. So ist die ontologische Verdinglichung des personalen die Voraussetzung für die ontische Anthropomorphisierung der Dinge (der Welt). - hiernach scheint wieder eine Prävalenz der W e lt vorzuliegen, sofern sie zu erst überfremdend das Selbstverständnis des Daseins zu sich hinbestimmt,' sie scheint der bestimmende Faktor in dem doppelpoligen Verhältnis zu sein, das Dasein das Bestimmte. Aber diese Auslegung hat das Verhältnis bereits wieder verweltlicht, indem sie von isolierbaren, selbständigen Faktoren spricht, zw ischen denen etwas geschieht und zwischen denen eine Rollenverteilung bezüglich dieses Geschehens möglich ist. Das Verhältnis Dasein-Welt aber, wie es in diesen Erörterungen in Anspruch genommen w ird, ist ein existenziales, d. H. als G a n z e s ein Seinsbestand des Daseins selber. „W elt" meinen w ir also hier nicht ontisch, als Inbegriff des Seienden, also !) Beispiel: Seelischer, Persönlichkeit, Gemütszustände, geistige Rite a ufgefaßt a l r Stoffe und räumliche G rößen im prim itiv en M y th o s, wie oben im Beispiel vom Schrecken angedeutet. Bei später einsetzender Spiritualisierung un d w i e d e r Tntstofflichung bleibt doch da r (Vntologisch-Strukturelle bestehen: die Substanzialisierung a lr solche, - w en n auch nu r noch a lr formale Tatsache und schließlich ganz entsinnlicht, so doch immer noch Leitfaden für d a r kategoriale w i e der Ansprechbar* feit der Phä nom ene , hierdurch die Begriffrbildung dir in die Stufe philosophisch« psychologischen Denkens bestimmend. Letzter logischer Reflex der ursprünglichen Substanzialisierung ist die Substantivierung, d a r schließlich n u r noch grammatische P h ä n o m e n der Herrschaft der Nomens, der Substa ntiv s in der Begrifflichfeit.

im „weltlichen" Sinne, - sondern ontologisch, als Transzendierungshorizont des Daseins, also im existenzialen Sinne; oder mit Heidegger zu reden: als Gxistenzial. So verstanden ist W elt zw ar wohl das Fremde des Daseins, aber als sein Fremdes eben ein existenziales Moment seiner selbst: das ontologische Schema seiner Transzendenz, die in der Lrschlossenheit eines stets zu ihm gehörigen Horizontes vom D a­ sein selber unterhalten wird. (Es ist also wesentlich das eine über­ greifende Dasein, das die Korrelation Dasein-Welt trägt, und in einem letzten Sinne bleibt so Dasein auch in der Verweltlichung bei sich selbst. So sprechen w ir lieber nicht von der Prävalenz der W elt (als einer selbständigen ontischen Größe), sondern von einer Prävalenz der Welthaften oder der Welthastigkeit als eines ontologischen Momentes des Daseins selber, und diese Prävalenz ist ihrerseits ein existenziales Faktum (dessen Interpretation in die allgemeine (Ontologie des Daseins gehört). So ist, wie das Subjekt der Gbjektivation das Dasein ist, dieses auch vollziehendes Subjekt seiner eigenen „Überfremdung": diese ist Selbstüberfremdung, ein Akt des Daseins selber, das sich gleichsam mit h a u t und h a a re n in seine Transzendenz hineingibt, um diese mittels seiner eigensten Seinselemente sich erst zu eigen, d. H. zu s e i n e r W elt zu machen. So w i l l Dasein allenthalben sich selbst begegnen — in ver­ weltlichter Gestalt. D aher das ungeschiedene Ineinander von Subjektivem und (Ob­ jektivem, Ichlichem und Dinglichem in den frühen mythischen Stufen des Denkens. Is t der Geist Lusthauch - oder ist der Lufthauch Geist? Lust, Feuer, das Räumlich-Stoffliche überhaupt k a n n „Geist", „Wollen" usw. fein, weil zuvor so etwas wie Geist und Geistiges seiner S e i n s a r t nach derart „materialisiert", d. H. zu quasi dinghafter w as-heit, zu selbständigen Wesenheiten objektiviert wurde, daß die Gleichung zwischen ihm und räumlichen Größen möglich w urde1). Sind die geistigen Akte grundsätzlich hypostasiert, so sind sie a priori instand gesetzt, als Num ina in der Welt zu begegnen, und da dies (Eigene das einzig vertraute für das Dasein ist, wird die ganze Welt, alles Sein unter diesen Itum ina gesehen. So ist die ganze Welt vergeistigt — durch den verweltlichten Geist. Unzulänglich sind daher die Nächstliegenden Bezeichnungen für den (übrigens allerseits vorausgesetzten) Nexus zwischen objektivem „Welt­ bild" und zugrundeliegendem „Subjektiven". So etwa die Ausdrucksi) (Es soll h ier keine T heorie des magischen B ew ußtseins gegeben, sondern lediglich ein form al-ontologischer Tatbestand a u s seiner Lrscheinungsw ell v e ra n ­ schaulicht w erden.

fategorie: der M ythos drücke eine subjektive Wirklichkeit aus. D as ist richtig nur in dem allgemeinsten Sinne, daß er ihr entspringt und sie in ihm irgendwie erkennbar ist. Nimmt m an aber die Rede vom „Ausdrücken" genau, so besagt sie doch, daß ein Gemeintes, so wie es gemeint ist, ausgesprochen wird - in „Ausdrücken", die dieses bedeuten. Dies ist dann der gegenständliche (Behalt des Bedeutungsgebildes. 3n diesem Sinne aber drückt die Mythologie gerade nicht die ursprüngliche D a­ seinswirklichkeit, sondern bereits deren Gbjektivation au s: diese kommt in der ausdrücklichen mythologischen Fassung „zum Ausdruck", während das ursprünglich Zugrundeliegende, Daseinsmätzige, obschon es diese seine Gbjektivation aktiv unterhält, eigentümlich dahinter liegt und d a ­ hinten bleibt. Im m er zwar ist dies „Dahinterliegende" m it „kund­ gegeben", so wie alle ausdrücklichen Akte neben dem gemeinten gegen­ ständlichen Sinn (der Bedeutung) eo ipso zugleich Kundgabe der aktualen psychischen Wirklichkeit des Subjekts sind. Aber in welcher weise gegebenenfalls diese sich durch jenen Sinn v e r tr e t e n läßt, ohne darum d ire k te r Aussagegegenstand zu werden, ist weder mit dem allgemeinen Begriff „Ausdruck" noch mit dem der „Kundgabe" gesagt1). Die F rage ist aber in unserm F all gerade die nach dem konkreten Verhältnisse zwischen „subjektiver" Wirklichkeit und objektivem Sinngebilde — und dies wird eben vermittelt durch das M oment der „Gbjektivation". — Ähnliches gilt für die Rede vom „ S y m b o l " 2), die im Grunde eben­ falls nur eine mögliche hermeneutische Funktion für unsere nachgehende Deutung, eine mögliche Auswertbarkeit seitens dieser anzeigt: „Symbole" sind die betreffenden mythologischen Größen für u n s e r e kritisch rück­ fragende Betrachtung; dem damaligen Dasein selber aber waren sie nicht Symbole f ü r seine entscheidenden Wirklichkeiten, sondern sie w aren diese selbst: sie sind die bestimmenden, allerrealsten Sichtbarkeiten, an denen sich das Dasein (obwohl es sie in einem verborgenen Akt u r­ sprünglich selber konstituiert hat) orientierte, sich — d. H. das Verständnis seiner selbst, sein Fürchten und sein soffen — und zumal auch seine praktische V erhaltung: so sehr ist ihm der sekundäre Charakter dieser Gegenständlichkeiten und es selbst als ihre prim äre (Quelle verdeckt. !) Dgl. allgemein üb er Ausdruck, Kundgabe und Bedeutun g husserl, Logische Untersuchungen II, 32 ff. 2) S p e n g l e r bezeichnet die gesamten geschichtlichen W eltkonzeptionen u nd ihre einzelnen Elemente jeweils als Symbole des Vaseins, d a s ihr Schöpfer ist und für das sie gültig sind. - L a s s i r e r s Begriff der „symbolischen F o r m ", der eine transzendentale Funktion des Bewußtseins im Hinblick a uf Objektivität ü b e r ­ h au pt bezeichnet, ist hier nicht zu erörtern.

Dies führt zu unfern Ausführungen zurück: D as 5 ich-Objektivieren, d. H. aus einer ursprünglich andern Seinsart zu etwas Gegenständlichem in der (Erscheinung Machen besagt, daß irgendwie gesichtete exiftenziale Tatbestände in dieser Art der Ausgelegtheit im vorhinein und von allem Anfang, bevor sie also zu sich selbst kommen konnten, bereits an eine Gbjekthaftigkeit übereignet wurden, so daß sich nun Dasein selber von außen und als ein Außeres, d. H. in M odi von Welt-Seiendem entgegenkommt. D am it hat das Dasein es nicht mehr mit den origi­ nären Sachverhalten feiner selbst zu tun, obschon diese hintergründig leitend bleiben, sondern mit ihnen in ihrem abkünftigen, objektivierten M odus. (Es ist der gleichsam vorzeitliche Selbstverzicht, mit dem alles Dasein in seine W elt hineinzuleben anhebt und aus dem es sich erst in Akten später Reflexion und Destruktion zurückholt. Die Übereignung der Phänom ene an eine nicht-daseinsontologische Ausgelegtheit ist gleich­ wohl f ü r das Dasein eine positive Weise, diese Phänomene für sich gegenwärtig und wirklich werden zu lassen, - und sogar eine höchst mächtige und zwingende Weise. Aber dies wirklichsein der Phänom ene ist wesentlich bestimmt durch die vorgängige Übereignung an „Gbjekt­ haftigkeit". D a diese als das Welthaste im weitesten ontologischen Sinn das wesenhast Daseinsfremde darstellt, so nennen w ir die Über­ eignung, insofern sie Verweltlichung ist, auch „Überfremdung". 3 u beachten ist aber, daß auch diese Selbstüberfremdung der existenzialen (Befichtetheit selber ein existenziales Faktum ist, wurzelnd in einem exi­ stenzialen Urm otiv: letztlich in dem (hier nicht zu untersuchenden) exi­ stenzialen Übergewicht des Welthasten und in dem entsprechenden Vor­ sprung des objektivierenden, d. H. wesentlich „Welt"-setzenden An» j c h a u e n s vor anderen Erschließungsweisen. Weiter zurück braucht für unseren konkreten Zweck die allgemein philosophische Ausweisung nicht zu gehen1). 2. See gnosttsche Mythos et» ©bfetttoatton. h alten w ir uns, wenn w ir jetzt zum gnoftifchen M ythos über­ gehen, dies Allgemeine gegenwärtig: D as Grundlegende und zugleich Spezifizierende einer jeden Konkretion des Daseins besteht in feinem V e r h ä l t n i s zur W elt — zu feiner W elt - und zu sich selbst. D as Verhältnis ist jeweils ein bestimmtes. Jede Daseinskonkretion stellt ein solches Verhältnis dar, „ist" dieses Verhältnis. 3n ihm ist das Dasein transzendent: die Transzendenz ist das Verhältnis-sein des Da» ') Dgl. in m einer Schrift „Augustin und das paulinifche 5reiheitsprobIem ", Heft 27 dieser Reihe, den Anhang I „Über die hermeneutifche Struktur de; Dogmas".

{eins. - Das Verhältnis vollzieht sich als Seins-V erstehen. 3m pri­ mären Seinsoerstänbnis ist bas Dasein sich selber ursprünglich e r ­ schlossen. Das Verhältnis ist eine bestimmte Erschlossenheit. - stuf betn (Brunbe bieser Erschlossenheit vollzieht sich alle ausbrückliche LeinsA u sleg u n g . Diese bleibt, einerlei aus welcher begrifflichen Ebene, immer Explikation ber spezifischen Gru.iberschlossenheit bieser geschicht­ lichen Existenz. Sie ist Selbst-Auslegung bes Verhältnisses. - Eine ausgezeichnete Form solcher Ausgelegtheit ist bie umfassenbe weltbeutung bes M y th o s. Verhältnis — Erschlossenheit - Ausgelegtheit - M ythos: in biesem Funbierungszusammenhang ist bie „Gbjektioation" als geheimer Faktor enthalten unb w ir haben sie beim Rückgang vom M ythos zum (BrunbVerhältnis hermeneutisch in Rechnung zu stellen. Befragen wir bie gnostischen Spekulationen auf bas in ihnen aus­ gelegte, sich aussprechenbe Selbst- unb weltverhältnis im Hinblick auf bas Phänomen ber Gbjektivafion, so halten wir uns an ben heraus­ gehobenen allgemeinen Grunbtypus. hierfür retapitulieren w ir kurz: 3n all biefen Zeugnissen fanben wir einen schroffen religiösen Dualismus Gott-Welt unb einen burchgehenben Zug ber Abkehr von ber Welt. Kosmos ist Finsternis, probukt eines Abfalls, mit einem eigenen .Gott ber Welt', ihrem Schöpfet (Demiurg), ber aber nicht ber eigentliche Gott ist, sonbern bas Prinzip bes Gott-entfrembeten Kosmos, bas per­ sonifizierte Welt-Wesen. 3hm gegenüber ber eigentliche Gott, Licht gegenüber ber Finsternis ber Welt, Güte gegenüber ber „Gerechtigkeit" bes Weltgottes, nicht nur überweltlich, sonbern bas Nicht-Weltliche, Anti-Weltliche schlechthin. Sein Reich beginnt ba, wo alles Kosmische enbet, ganz außerhalb, jenseits: Begriff bes jenseits als Negativität bet Welt schlechthin. — 3n ben Kosmos nun als in eine frembe unb feinbliche Macht ,hineingeworfen' ber Mensch, ausgeliefert an ihren unentrinnbaren Bann: Bilber bes Umherirrens, bes Betäubtseins, ber Trunkenheit, bes Frembjeins, bes Verbanntseins von ber Heimat, ber Verknechtung unter bem Bann ber Welt. Dieser Bann, ber alles unter ihm Befinbliche beschlossen hält unb bamit ben Kosmos als abge­ schlossenen, eigenmächtigen Bereich gegenüber Gott behauptet, wirb von einem eigenen kosmischen Machtsystem unter ber Oberherrschaft bes Dcmiurgen ausgeübt, ben Gestirnmächten (heimarmene), ber mythischen Verkörperung ber zwingenben Eigenmacht bes welthaften. (D araus resultieren!» Scheibung von welthafter .heimarmene' unb soteriologischer .Vorsehung', bie vom höchsten Gott ausgeht.) — Nicht nur mit seinem

Körper, auch mit (einer *u).n ist der Mensch dieser heimarmene unter­ worfen, da sie selber ein Erzeugnis des fremden lveltwesens ist (Depravation des toxn-Bcgriffes). So reicht die W elt bis in Innere des Menschen hinein. Nur ein ,Urmensch'-licher Kern, in vorzeitlichem Abfall aus dem Sichtreich vom Weltwesen m it der +uxn .umkleidet', ist das Nichtweltliche im Menschen (Anthropos-Spefulation). Substanziell gefaßt ist es das irveüpa. (Es bedarf der Erlösung aus der Welt. Is t Sein in der W elt: gott-entsremdende Versklavung unter der Tyrannei des Weltwesens, so ist Erlösung: Brechung des W eltbannes und Wieder­ vergöttlichung. D as reale Prinzip solcher Vernichtung des w elthasten ist Gott. Seine entweltlichende Macht verwirklicht sich im eschatologischen M ythos als fchließliche objektive Wiederauflösung des gesamten Kosmos. F ü r den Einzelmenschen bedeutet die Erlösung als Brechung des W eltbannes notwendig auch Auflösung der fuxn, die ja nichts anderes als ein Konstitut der Weltmächte ist. D as reale Prinzip dieser erlösenden Vernichtung der Psyche ist, nach seiner vollzugssunktton ge­ sehen, das Pneum a, das die Wiedervereinigung mit Gott herstellt, w a s der Gott für den Kosmos, ist das pneum a für die einzelne Psyche. w i r haben also vor uns ein gegenständliches System der Elem entar­ größen Köqios - ijivxn - irveü|ia - freös mit dem mitten in sie ge­ stellten Umschlagspunkt der Erlösung (s. Bd. l S. 146). Dies „Weltbild" ist nicht so sehr das Bild eines Seins, als eines Geschehens, einer (Be­ schichte, die alles das einzulösen hat, w as die E rw artung in ihre Konstruk­ tion gesetzt h at: sie ist wesentlich auf Zukunft entworfen, aus absolute Zu­ kunft, — d. H. eschatologisch. Das Eschatologische wird dabei, w as für uns hermeneutisch wichtig ist, durchaus als greifbar objekthaster Vorgang vorgestellt, allerdings gemäß den verschiedenen Spekulationen sehr ver­ schieden '). w a s w ir damit in der Hand haben, ist die mythologische Dergegenständlichung des Seinsoerftändnisses einer ursprünglichen Daseins» Verfassung und ihrer leitenden Tendenz — aber noch nicht dies Zu­ grundeliegende selbst. Dieses bezeichneten w ir seiner Grundbefindlich­ keit nach als Weltangst, seiner Grundtendenz nach als Entweltlichungstendenz. I n letzterem Begriff fanden w ir das gesuchte einheitliche Prinzip für die Erscheinungsmannigfaltigkeit gnostifcher Mythologie. Ähnliche Dienste soll er uns auch über diesen mythologischen Bereich x) 3 . B . „astro lo g isch ":

6vo8os=£chrc;

„ap o k a ly p tisc h ":

C rlöser-(U rm ensch-)

H e ra b k u n ft; „ p n e u m a to lo g isc h ": physische M e ta m o rp h o s e u n d ekstatische äirofrctoois usw ., w o b e i diese F o rm e n sich w ie d e ru m m a n n ig fa c h d u rc h d rin g e n können.

hinaus tun und zugleich das Bindeglied mit diesem bleiben. - w a s bedeutet aber für so etwas wie „Lntweltlichungstendenz" die (Dbjefti* oierung, wie sie im eschatologifchen M ythos vorliegt? w i r begnügen uns mit einem formalen Hinweis: 3m prim ären Blick dessen, was eine ursprüngliche (Entroeltlichungstenbenz nach ihrer daseinsrnätzigen Ver­ wurzelung überhaupt fein sonn, ist notwendig irgendwie gesichtet die allgemeine e x is te n z ia le Grundkorrelation Dasein-W elt; „Welt" also als ein existenziales Phänom en des Daseins, und dieses selbst entdeckt in seiner Grundbewegtheit des v erfallen e feinem wesentlichen Benommen» und flufgefogenfein von der Welt. Die Befremdlichfeit der (Entdeckung des völligen eigenen Überfremdetseins bricht auf als Un-Heimlichkeit der W elt. 3n ihr w ird sich das nichtweltliche Wesen des Daseins, ver­ loren an die Welt, «kosmische Freiheit unter der kosmischen Notwendig, feit, seiner ursprünglichen Weltfremdheit angstvoll bewußt. Die Un­ heimlichkeit wird zur Weltangst. Aus dem Grunde dieser Befindlichkeit entspringen die verstehenden und auslegenden Entwürfe des Daseins; das geschichtliche Faktum zeigt, daß sie in bestimmter Auslegung zum w e lth aß wird, der wiederum Weltflucht - und, m it dem Bewußtsein der Insuffizienz des Daseins, den D rang nach Erlösung aus der Welt motiviert, w i r lassen es bei diesen Andeutungen. Es sind also existenziale Tatbestände, die ursprünglich in der (Ent­ roeltlichungstenbenz gesichtet und wirksam sind, und zw ar wesentliche, elementarste Tatsachen des Daseins. Diese läßt das Dasein sich in seiner Mythologie aus der Welt her objektiviert erscheinen. Darin wird das thematische Ich-W elt-V erhältnis, das in der Transzendenz des Daseins selber besteht, in ein welthaft vorhandenes objektiviert, d. H. verweltlicht. Nun erscheint das Ich gegenständlich in die seiende Welt hineingestellt und steht ihr prinzipiell im selben veräußerten Gbjettioationsraum e und in der gleichen weise der Dorfinblichkeit gegen­ über. Die Korrelation ist oerräumlicht, ihre Glieder zu M iteinanderVorhandenen hypostasiert, — die grundsätzlich voneinander lösbar sind. Diese ontifche Hypostasierung ist ein wesentliches M om ent der Gbjeftivation. Durch sie werden chws - o k ö t o s , Oeös - nöcrpos, irveöjia - tjiuxn als je zwei was-hafte, alternative Pole gesetzt, die sich (entscheidend für diesen ganzen gegenständlichen Dualism us) grundsätzlich in der gleichen Sphäre gegenständlicher Anschaulichkeit und (fiualifizierbarfeit halten, - und die damit ein Verhältnis möglicher Exklusion unter sich bilden: derart, daß das (Eine ausschließend an die Stelle des Anderen treten, oder subjektiv gesehen: daß man v o n diesem zu jenem fort«

schreiten kann (gleichviel, ob dies in der Weise der Svofios oder der )iera|iöpttt0i$ oder der machthaften Überwindung des einen durch das andere oder wie sonst vorgestellt wird). - Offenbar ist nun die Struktur der fraglichen Vaseinsphänomene in solcher - obschon von ihnen selbst unterhaltenen - Auslegung grundsätzlich verfehlt: d. H. ontologisch ver­ fehlen sie sich in ihr, aber zugleich ist gerade dies ihre weise, ontisch für das Dasein nicht nur anschaulich (theoretisch verfügbar), sondern auch in einem eminenten Sinne p raktisch zu werden, insofern das Dasein, von sich selbst her vorgängig an die Gbjektioation verwiesen, an ihrem I n ­ halte sein ganzes V e r h a lte n orientieren muß. hierdurch bleibt die Gbjektioation nicht auf die Sphäre mythischen Anschauens beschränkt, also ein bloß theoretisches Phänom en, sondern indem sie ihrerseits be­ stimmte Verhaltungen motiviert, bestimmt sie rückläufig das Daseinsganze, sein gesamtes Existieren, — und bringt dam it vielleicht nicht nur die ursprüngliche Sicht, sondern zugleich auch ihre welthafte Abwandlung für das Dasein praktisch zur Geltung. F ü r dieses kommt also alles daraus an, ob es einfach im Banne der einmal vollzogenen Gbjektioation verbleibt, oder ob und wieweit es sie in ihrer praktischen Ergreifung gleichsam rückgängig zu machen und dam it in seinem Existieren die Angemessenheit an seine ursprüngliche Sicht herzustellen vermag. Dies ist späterhin unsere existenzielle Frage an die Gnosis als Seinsmöglich­ keit. — „Verweltlichung" der Entweltlichungstendenz ist ein paradox, aber eine reale Tatsache des Daseins. Durch sie geschieht das Merk­ würdige, daß ein existenziales Grundphänomen der ursprünglichen Sicht, eben die Weltbesessenheit und -Überfremdung des Daseins, sich auch an seiner eigenen Sichtung noch verwirklicht und bestätigt — und durch diese hindurch, wie w ir sehen werden, auch an jenen Existenzmodi, mit denen das Dasein ihm gerade begegnen und von ihm freiwerden wollte. 3. Die ©noflßbegrtfe auf dem Boden der Objektiv ation. Nunmehr können w ir die verschiedenen Gnosisbegriffe entwickeln, die zusammengehalten werden durch den Horizont der in die Gbjektivation eingegangenen Vaseinsgrundlage. Bisher gebrauchten w ir die Bezeichnung Gnosis einfach als Eigennamen für das Ganze gnostischer Spekulationen, Kultpraxis, M agie usw., ohne die appellativische W ort­ bedeutung „Erkenntnis" dabei zu berücksichtigen. Diese aber w ar es doch, die die W ahl des Namens veranlaßt haben muß. „Gnostiker" nannten sich selber zwar nur bestimmte Kreise der von den Kirchen­ vätern bekämpften Bewegung; die letzteren jedoch gebrauchen die Be-

Zeichnung mit Grund durchaus repräsentativ. Denn auch wo es nicht zur Bildung des Namens Gnostiker als Sektenbezeichnung tarn, ist der Begriff Gnosis: freoü, yvüois Surjs (M anda d'haije), yvüms riss 66oü in dem ganzen von uns unter dem Titel „Gnosis" zusammen­ gefaßten Auslegungsbereich zentral. 1. Der Mythos selbst ist Gnosis.

Der weiteste Sinn von „Erkenntnis" ist hierbei der, daß der gnostische M y th o s als solcher mit dem, w as er über Gott, Mensch und W elt zu berichten weiß, Erkenntnis ist: Erkenntnis vom Sein des Menschen in der W elt und vom Sein der w e it zu (Bott; ganz allgemein: Seinserkenntnis. Gemäß der temporalen Anlage aller M ythologie ist diese genauer U rsprungserkenntnis, d. H. sie erklärt das Gegebene, von dem sie eine bildliche Anschauung entwirft, aus seinem Geworden­ sein, aus seiner Geschichte. Dies ist der gnostischen mit sonstiger M ythologie gemeinsam, hinzu aber kommt hier ein besonderer Bewußtheitscharakter: die mythische Ursprungserkenntnis jener Epoche p r o k la m ie r t sich selbst als Gnosis und erhebt damit sich, ihre explizite Durchführung, zu einem ausdrücklichen Zwecke, der als solcher aus ihrem eigenen Sachhorizonte entwickelt wird. I m M ythos selbst nämlich ist die I d e e seines Wissens als ein M oment seines gegenständlichen In h altes thematisch exponiert, und hierdurch ist er spezifisch „gnostischer" M ythos. Dessen berichtende M itteilung wird so zum vorgesehenen Akt innerhalb des mythischen Horizontes, ja zur P e r ip e tie seines ganzen inhaltlichen Geschehens, das mit diesem (Ereignis seiner selbst in den neuen M odus der Offen­ barung, der Erkenntnis, also des Selbstbewußtseins hinübertritt. I n ­ sofern diese Offenbarung in seiner (Erzählung auch als Szene vorkommt, erscheint sich der gnostische M ythos selbst und ist eigentümlich auf sich rückbezogen, in sich rückoerschlungen. Anstatt einfach, wie sonst M ythos, von seinen Gegenständen zu reden, gehört der gnostische vielmehr selber, unter dem Titel der .Gnosis', zu seinen ausgezeichneten Gegenständen. Seine tatsächliche Darbietung bezeichnet also eben den Punkt, der (a) in seinem Fortgang sich objektiv als Handlungsstück der .Offenbarung' er­ zählt, gleichsam wiederspiegelt, (b) an seinem Ende als P o s tu la t der Gnosis erscheint und (c) gerade durch die durchlaufene (Erzählung schon geleistet wurde. K raft dieser Koinzidenz ist das Erzähltwerden des M ythos zugleich der Übergangspunkt zu einer neuen Phase des (Erzählten, dessen Idealität (im Gewußtsein) zum Faktor seiner R ealität wird, - wie diese wiederum selbst es ist, die in ihrem Prozeß jenes wissen erst

zeitigt und sich darin reflektiert, gleichsam ideell vom Anfang her selbst „wiederholt", um sich als ganze wiederherzustellen. Der Grund der Möglichkeit jener Koinzidenz ist aber, daß Subjekt des mythischen Ge­ samtprozesses und Angeredeter der mythologischen Offenbarung (Subjekt der Gnosis) letztlich eines sind'). — Indem derart beim gnostischen Mythos das Diffen nicht einfach unausdrücklich aus der Mitteilung resultiert, sondern im Mitgeteilten seinen G rt zugewiesen erhält und aus ihm als wesentliches Anliegen des Menschen zutage tritt, das über die bloß passive Hingabe an die mythischen Inhalte weit hinausgeht, gibt sich, mythologiegeschichtlich gesehen, der gnostische Mythos gegen­ über dem primären des reinen Gegenstands-Phantasierens als höhere Stufe der R eflex io n zu erkennen. Doch ist das oben herausgestellte Beziehungsganze ein rein m etaphysischer Charakter dieser Erkenntnis, in den schon ihr besonderer In h alt als w ahr ausgenommen ist und der ihr durch diesen recht verstandenen In h alt erst als ideelle (Qualität zu­ gesprochen wird (also auch nur für den Gläubigen der Gnosis Geltung hat), während sie unmittelbar p h ä n o m e n a l durchaus wie jede M ytho­ logie als Erschließung mythischer Sachverhalte im Gegenstandsraume auftritt. I n diesem Sinne des Wortes wurde damals auf die Ankündi­ gung der .Gnosis' einfach eine E rz ä h lu n g von transzendenten Gescheh­ nissen gegeben, und diesen formalen Typus haben wir, für die jene gnostisch-immanente Selbstqualifizierung nicht mitverbindlich ist, zu­ grunde zu legen. Damit haben wir den hermeneutisch ersten Begriff von Gnosis in unserm Auslegungsbereiche, der aber noch nichts Spezifisches besitzt: Gnosis als die mythische Anschauung des eschatologisch gefaßten Weltwesens, die sich in bestimmte Mythologumena ausgelegt hat. Das Erkannte dieses Erkennens ist der Gesamtinhalt dieses Anschauens, also der I n ­ begriff all jener welthaft bildlichen Spekulationen über Mensch, Welt und Gott, die w ir behandelt haben. M it ihnen suchte das damalige Dasein benennend das adäquate „w ort" für die von ihm aus einer primären Befindlichkeit unterhaltene So-Erschlossenheit seines In-der> Welt-Seins, w ie wir sahen, hatte die Auslegung die Erschlossenheit !) Über die i d e e l l e S e l b s t w i e d e r h o l u n g des mythischen Gesamtgeschehens im ,Ruf‘ bzw. in der Spekulation vgl. Bd. I S. 1 2 7 f. u. S. 2 5 8 f.; über das I d e n titä ts p r in z ip im gnostischen M y th o s u. a. Bd. I S. 3 2 0 f. - Der oben analysierte S tru k tu rv e rh a lt lätzt sich so zusammenfassen: Die R u ndu ng des M y th o s, als aktuell w erdende Erkenntnis, bezeichnet nicht nur, sondern vollzieht einen Wendepunkt in seinem eigenen I n h a l t , oder: d e r g n o s t i s c h e M y t h o s ist die P e r i p e t i e s e i n e r se l b s t .

gewisser e x i s t e n z i a l e r Phänomene zu verwalten, die dam als rätsel­ haft neu in den Blick des Daseins getreten - und mit diesem v e r­ suche ihrer faßbaren und verfügbaren Darstellung in einem gegen­ ständlichen Weltbild bereits an die Gbjekthaftigkeit verwiesen und ihr übereignet waren. Gleichwohl gab diese Darstellung jedem, der sich faktisch in der gleichen allgemeinen Erschlossenheit hielt, das zu hören, w as er ungewußt intendiert hatte und w as er so mit dem von ihm schon Gemeinten gleichbefinden konnte. 3n ihr, ihren fabulierenden „weltlichen" Hypostasierungen, erkannte das Dasein das wieder, als w as es aus seiner so bestimmten verstehenden Verfassung sich Welt prim är hatte begegnen lassen, - es e r k a n n t e also seine V or-M einung w i e d e r : 3n dieser Rekognition, einem eigentümlichen Deckungs- und E rfüllungserlebnis, vollzog sich die für jedes Dasein erschütternde Gleichung zwischen seiner noch verworrenen, aber gleichwohl sehr be­ stimmt ausgerichteten Erlebnishaltung und der ihr entgegentretenden, in die Ausgesprochenheit entbundenen Selbstdarstellung. (Es w ar die erwartete Antwort aus seine große Frage.

Diese im W iedererkennen erlebte A däquatheit ist G nosis: in ihrer Evidenz w urde f ü r das betreffende Dasein, im B anne seiner bestimmt vorgegebenen Grunderschlossenheit, „dXyfreia" offenbar. Doch sahen w ir bereits a p rio ri, daß dies faktische Veckungserlebnis noch nicht w a h r ­ hafte A däquatheit dieser Gnosis, d. H. der ausdrücklichen A uslegung, an die darin ursprünglich gemeinten P hänom ene gew ährleistet. 3n diesem Sinne können w ir selbst unsrerseits noch die W ah rheits-F rag e an eine solche M ythologie stellen. 3n ihrem V erfolg ist aber die 3nadäquatheit nicht einfach n u r festzustellen, sondern der S inn dieser 3nadäquatheit als existenzialer Sinn der G bjektivation a ls solcher zu deuten. Viesen ersten Begriff von Gnosis können w ir auch so bestimmen, daß schon die G bjektivation selber, als ausdrücklich gewordene, Gnosis ist. D ies ist in der T a t der weiteste Begriff von Gnosis, und solange nicht auf den besonderen 3 n h alt der G bjektivation Bezug genommen w ird, hat er noch nichts für unsern A uslegungsbereich Spezifisches, in ­ sofern er nur den allgem einen Sachverhalt ausdrückt, daß die Ausgelegtheit eines Daseins seine (Erkenntnis ist. Aber auch in dieser W eite ist er, wie w ir sehen werden, der hermeneutisch fundam entale, da erst auf dem G runde dieser herrschenden G bjektivation die andern, spezifischeren Begriffe von Gnosis erwachsen und an ih r orientiert bleiben. Durch die G bjektivation dem Dasein verm ittelt, sind sie auch von deren modalem C harakter als G bjektivation bestimmt.

2. Die dem M y t h o s entnommene fjeilsprafis ist Gnosis.

Seinem In h a lt nach ist der gnostische M ythos ein eschatologischer; als solcher nicht einfach Seins-Erkenntnis, sondern wesentlich k jeilsLrkenntnis. hierdurch ist ein unmittelbar p r a k t i s c h e r Rückbezug auf das Dasein gegeben. Das „fjeil" aber ist Cntroeltlichung; die praktisch vollzogene (Entroeltlichung ist ,Gnosis'. - D am it ist, vorerst ganz schlagwortartig, ein zweiter Begriff von Gnosis bezeichnet, der gegenüber dem ersten spezifischer ist. w ir müssen aber sein Verhältnis zu diesem, also sein Verhältnis zum M ythos, zunächst bestimmen; dies heißt: die Art jenes praktischen Hücfbezuges des M ythos bestimmen. Als eschatologischer ist der M ythos das Bild eines bestimmt a u s ­ ger icht et en Geschehens, also schon in sich von dynamischer Struktur'). I n seine einsinnig zielbestimmte Ausrichtung zieht er das ihm zuge­ wandte Dasein rückläufig mit hinein und weift ihm in ihrem Sinne eine bestimmt ausgerichtete Verhaltung zu. Indem es diese von der mythologischen (Dbjektivation her übernimmt, kommt ihm in eigentümlich v e r m i t t e l t e r Zorm seine ursprüngliche Ausrichtung, die sich in die Dbjektivation gelegt hatte und sie unterhält, aus dieser - nun als zu realisierende A u f g a b e - zurück. M it dieser Aufgabe haben w ir es bei dem jetzigen Begriff von Gnosis zu tun: (Es ist die bestimmt praktisch gewordene Ausrichtung auf (Entroeltlichung, ein durch diese Ausrichtung aktiv bestimmter rpöiros roü ßiou, genauer: die auf (Ent­ roeltlichung entworfene praktische Daseinshaltung und ihre spezifischen M i t t e l der Verwirklichung (3. B. systematische (Enthaltung von den W eltgütern). Also Kenntnis des (wahren) Lebens, vvüois C»ns. Das Dasein lässt sich so von seinem eigenen M ythos praktisch be­ stimmen. Diese Bestimmung entspricht natürlich der eigenen ursprüng­ lichen Ausrichtung dieses Daseins, die ja auch den M ythos erst als ihre (Dbjektivation bedingte. Aber es ist nicht gleichgültig, daß sie für das Dasein praktisch, zu bestimmten Vollzugsmöglichkeiten, erst durch Vermittlung der mythologischen Dbjektivation wird. Dabei bringt sich nämlich notwendig der Gbjektivationscharakter als solcher, also die welthafte Modifizierung und strukturelle „Überfremdung" der ursprüng­ lichen Ausrichtung, im T y p u s der Praxis irgendwie mit zur Geltung und beeinflußt so auch i hre Angemessenheit an die ursprünglicheLrschlossenheit. Der hermeneutisch wesentliche Tatbestand ist also, daß erst aus der Vermittlung sich das Dasein seine eigenste, der ursprünglich er­ schlossenen Sicht entsprechende Aufgabe und Verhaltung zueignet. Dieses ') Siehe Bb. I S. 260 f. 6121

3 o n a s , (Bnofis

2. Teil.

2

Zurückempfangen, ober von Seiten der (Dbjektivation her gesehen: diese „Rückgabe" eines praktisch zu Übernehmenden an das Dasein, ist nun der zweite Grundakt des Dbjektivationszusammenhanges, das wesent­ liche Korrelat zu der vorausgegangenen „Übereignung", in welchem diese aber nicht wieder aufgehoben, sondern erst zu ihrer eigentlichen Bedeutung für das Vaseinsganze gekommen ist. Denn die „Rückgabe" ist eben nicht die eines Gleichgebliebenen, sondern eines wesentlich durch die (Dbjektivation Hindurchgegangenen und strukturell von dieser Bestimmten. Damit erhält die auf der vorigen Stufe aufgeworfene W ahrheits-Frage des Mythos erst ihre existenzielle Schärfe. Venn nun ist sie nicht mehr nur eine theoretische - die Frage der An­ gemessenheit einer dem vernehmenden Rnschauen dargebotenen Dar­ stellung - sondern eine existenzielle: die Frage der Angemessenheit einer vom Dasein praktisch übernommenen Seinsmöglichkeit an die in ihr zu verwaltende ursprüngliche Sicht. Hermeneutisch bleibt das Problem aber auch hier, auf der Stufe der „Rückgabe", rückbezogen auf die vorige, sofern mit der Überlassung der ursprünglichen Phänomene an die theoretische (Dbjektivation auch die Form ihrer praktischen Um­ setzungen schon allgemein vorentschieden ist. (Eine Inadäquatheit über­ haupt steht damit a priori fest. 3n welchem Struktursinne sich die (Dbjektivation auf das praktische Sein des Daseins überträgt, wird erst in den Untersuchungen genauer gezeigt werden. Hier erinnern wir nur daran, daß der Mythos die ihm überwiesenen exijtenzialen Momente in dingliche Größen ver­ wandelte, so zwischen ihnen die Möglichkeit eines objekthaften Ge­ schehens, einer objekthafte» („dinglichen") Aktion setzend, vor aller genauen Analyse ist ersichtlich, daß es für die Struktur eines mög­ lichen Handelns des Daseins nicht gleichgültig ist, ob es sich seiner eigenen Meinung nach im System solcher Gegenständlichkeiten be­ wegt und sich auf sie hin ins Werk setzt, ober ob dieses Handeln von adäquater Selbsterfassung des Daseins geleitet ist. 3m ersteren Fall, mit dem wir es zu tun haben, wird es selber ein Handeln vom Typus des dinglichen Derrichtens fein - auch wenn es auf das Subjekt bezogen sein sollte und wie sehr auch die handgreiflich mythologischen Größen in rein spirituelle ausgelöst sein mögen. Auf solche weise also kann sich die (Dbjektivation als Überfremdung durch die welthaftigkeit auf das eigene Existieren des Daseins übertragen, indem sie seine innerste vollzugsstruktur welthaft modifiziert. Die Überfremdung der Selbstauslegung wird so zugleich Struktur-Überfremdung der realen

Bewegtheit des Daseins seitens des W elthaften. - vorgreifend deuten w ir schon den strukturellen C qpus dieser D bjektivations-A bhängigkeit des Daseinsoollzuges an, wie sie im geschichtlichen G nosis-Ideal vorliegt: es ist die der verdinglichten Selbstauslegung entsprechende Struktur eines ein­ sinnig auf ein sachhaltiges reXos bezogenen, dessen Herstellung - im S ub­ jekt - betreibenden v e r r ic h te n s. D am it ergibt sich das paradoxe, daß in diesem objektivierten Seinsm odus gerade das, w ovor das Dasein gem äß seiner G rundausrichtung fliehen will, die W e lt, sich im form alen Konstruktionsschema dieser Flucht als „Gnosis" ontologisch noch zur G eltung bringt und so im Fliehen noch in Anspruch genommen w ird - eben in der existenziellen Selbstüberfrem dung der Fluchtbewegung durch ihre A uslegung und Vollziehung in der A nalogie w elthaft-dinglicher P ro ­ zesse. D ies nu r a ls Vorweisung auf die Gesamtrichtung der I n te r ­ pretation. 4. S ic ocrschicdtnrn praktischen Gnofisdegriffc.

Nach der A rt und dem G rad der rückläufigen Umsetzung der G bjektivation in „eschatologische P rax is" sondern sich nun die Bedeutungen von „Gnosis" als Seinsmöglichkeit, unter denen nach dieser D ifferen­ zierungshinsicht einen ausgezeichneten Platz unser künftiger G egen­ stand einnim m t *). — U nm ittelbar ist der Zusam m enhang m it der G bjektivation dort, wo die V erhaltung sich ihrer eigenen In ten tio n nach auf den M ythos und seine äußeren R ealitäten bezieht. D as ist zu­ nächst durchaus der Fall. a) G n o s is a l s h e i l s w ir k j a m e s w iss en .

Gnosis im praktischen Sinne ist schon das ausdrücklich zuge­ eignete und technisch verfügbare Wissen selber um das in der Gbjektivation Gesetzte. Dies Wissen ist nicht identisch m it der angeschauten allgem einen G bjektivation als solcher (der mythischen Anschauung des dualistisch-eschatologisch gefaßten W eltwesens schlechthin)2), vielm ehr w ird ') Die f o lg e n d e n Begriffe find also U n t e r a b t e i l u n g e n v o n 2. a u s dem v o r i g e n Abschnitt. 2) N u r in d e r v a l e n t i n i a n i s c h e n

S p e k u l a t i o n t r a f e n w i r den Z u s a m m e n ­

fa ll d e r heilspraktischen Leistung m it der T h e o r i e selbst: d a ß d e r rein e r k e n n tn ism ä ß i g e V ollzug d e r S p e k u la tio n a l s solcher schon die soteriologische A u f g a b e

d er

G n o s is e rfü llt, die T h e o r i e also selber P r a x i s ist o d e r , w ie w i r cs d a m a l s (B d . I S. 3 7 4 ) au sd rü ckten, die O n t o l o g i e der E r l ö s u n g se lber V o l l z u g d er E rl ö s u n g ist. Diese S elb stgen ü gsam k eit der r e i n e n E r k e n n t n i s i n n e r n w o lle n ,

auf

dem

speziellen ( a n

beruhte

sich d er I d e e

d o r t , w ie w i r kurz e r ­

nach allgem eingnostisch en ,

a b e r n u r h i e r begrifflich a u s g e p r ä g t e n ) Z u g der v a l e n tin ia n isc h e n L eh re, d a h „ E r ­ k en n t n i s " , im M o d u s

der N e g a t i o n : äyvoia, ein objektives P r i n z i p

d er 5 e i n s -

es in bestimmter technischer V erengung I n s t r u m e n t in n e r h a l b ihres Horizontes, m it einer bestimmten Leiftungsfunktion: als wissen um M ächte' und ,N am en', um Engel- und väm onenordnungen usw., kurz als Kenntnis der Stationen des objektiven ,W eges1 des Aufstiegs soll es der Seele nach dem lo b e zum (Entrinnen au s dem w eltb a n n und zur (Erreichung des Jenseits verhelfen, wie im I. Teil dargestellt. Dies praktische wissen m it der jenseitigen Abzweckung ist Gnosis, .K enntnis des W eg es': tö iccicpuppcva rfjs äyias 66ov yvwwv KaXeaas irapaöwou (Naas(enerhi)mnus). b) (Bnosis a l s s a k ra m e n ta le P r a x i s .

ü b er dies wifsensmätzige hinaus kann sie (m uß aber nicht) zu einem technischen Zusam m enhang eigentlich kausaler H andlungen zur Be­ w irtung und Sicherung des Eaxarov fü hren: Kultische tExvy in T aufen, M ysterien, M agie; auch Askese als technisches M ittel. D as Ganze dieses kausalen A pparates m it der jenseitigen Abzweckung ist als zu beherr­ schende Kunst wiederum „Gnosis". I n beiden Form en ist die P rax is des D aseins noch ganz an die mythologische (Dbjettivation gebunden, seine K ausalität hinsichtlich seiner selbst völlig in das M edium der mythischen Transzendenz e n täu ß ert: D as (Eigentliche, w orauf das Dasein es in feinem Handeln absieht, das Eaxarov, ist keine Möglichkeit seiner selbst, sondern w ird der ob­ jektiven Transzendenz als von ihr zu Leistendes überlassen; und der w e g ' zum tEAos (die fivoöos) ist ein passieren gegenständlich-tran­ szendenter Stationen - nach dem Tode. So ist es zu einer eigent­ lichen „Rückgabe" des (Entroeltlichungsmomentes an die V ollzugsm ög­ lichkeit des Daseins selber in diesen Form en noch nicht gekommen; seine P rax is bleibt dem reXos, dem Eaxarov äußerlich, in der A rt ding­ licher K ausalität. entroicflung a n sich ist, ö a s schon dem vorze itlic hen Fallgesc hehen des U n i v e r s u m s z u g r u n d e lieg t: also ein nicht n u r psychologischer, so n d e rn o n t o l o g i s c h e r Be g riff, d em zu folg e

dann

auch

eine

bestimmte

R e a lis ie r u n g

d er E r k e n n t n i s

(sc. in der

S p ek u latio n ) in ob jek tiv er W i r k u n g s k r a f t d a s g an ze S e i n b etrifft, in sofern

dieses

nichts a n d e r e s a l s ein defektiver M o d u s eben jen es i n t e l l i g i b le n U r c h a r a f t e r s ist, letztlich selber sp irituell, u n d d a r u m

in dessen N e u v o l l z i e h u n g

n e n d e n Menschen sich auch w ie d e r in t e g r ie r t .

durch d en erk en ­

Freilich h a t dies die v a l e n t i n i a n e r

nicht g e h in d e r t, n e b e n dieser metaphysischen auch praktischere m y st e r i e n h a f t e V o r ­ stellungen v o n d er E rl ö s u n g zu entwickeln.

5lber in dem selbst n u r th eoretisc hen

3 u g , d a h Gno sis (bzw . f l g n o ia ) a n sich Z e n t r a l d e g r i f f auch d e r S e i n s l eh re ist, zeigt sich, daß ö a s v alentin ian isc he System (nicht z. B. d a s manichäijche) die r a d i ­ kalste Verwirk lich ung d er I d e e

gnostischer M y t h o l o g i e

e b e n in dieser R a d ik a li t ä t auch eine K u s n a h m e b i l d u n g .

ü b e r h a u p t ist, a l l e r d i n g s

Anders wird es, wenn der transzendente Zusammenhang immanent wird,- d. H. wenn das I o x o t o v , in die eigene Vollziehbarkeit des Subjekts hineingenommen, zu einer äußersten Möglichkeit des Daseins selber wird - und wenn entsprechend die transzendenten Stationen des .Aufstiegs4 zu Stufen eines innerseelischen Geschehens in Richtung aus diese äußerste Möglichkeit des Selbstseins werden. Damit wäre das mythische Grund­ schema gänzlich zu Subjektswirklichkeiten verinnert und die „Rückgabe" des vaseinsmäßigen an das Dasein vollendet — freilich durch die Gbjektivation hindurch. Diese Möglichkeit nun ist in einem neuen, dem radikalsten Begriff von „Gnosis" verwirklicht. c) Gnosis als vorwegnähme des loxaiov in mystischer Ekstase.

Das kaxoTov als dereinstiger Zustand gänzlicher Gntweltlichung wird vom Dasein schon hier in der Form gewisser psychischer Aktualität als verwirklicht antizipiert,- d. H. aber: ein bestimmter, diesseits er­ reichbarer, qualitativer innerer Zustand wird vermöge gewisser Cha­ raktere als zeitweilig verwirklichte Gntweltlichung ausgelegt. Der negative Charakter, auf Grund dessen er als das ioxarov gelten kann, ist ein zeitweiliges reales Erlöschen der Welt und des Welthasten für das Subjekt, positiv, vermöge seines Überschwenglichkeitscharakters, wird er ausgelegt als unmittelbare yvüai? freou, d. H. unmittelbares, die kreatürliche Distanz aufhebendes Sein beim Göttlichen - oder Selber-Göttlichsein. — Die Antizipation also ist „Gnosis" in ausge­ zeichnetem Sinne als ein inneres Kulmmationsphänomen. Jeder Kenner unseres Sachgebietes weiß bei diesen Andeutungen, daß von der Gnosis als „mystischer Ekstase" die Rede ist. Deren existenzielle Analyse und die ihrer begrifflichen Selbstauslegung ist das eine große Thema der folgenden Untersuchungen. d) Gnosis als Lpery-Vottzug in Richtung auf das toxaiov.

In diesem innerlich gewordenen Zusammenhang wird der mythische .Aufstieg' mit seinen Stationen zur qualitativen Stufenfolge eines imma­ nent-seelischen Geschehens in Richtung auf das Kulminationsphänomen: eine innere Praxis des Daseins selber übernimmt die stufenweise Her­ stellung der Gntweltlichung als einer phänomenalen Wirklichkeit. —Diese „Psychologisierung" der 6vo6o$ ist bereits in ihrer mythologischen Kon­ zeption unzweideutig angelegt. Wir sahen (Bd. I 208ff.), wie an den aufeinanderfolgenden Stationen des Weges, beim passieren der kos­ mischen Sphären, die Seele nacheinander ihre Welthüllen ablegt, d. H. diejenigen „Teile" ihrer selbst, kraft deren sie selber „kosmisch": welt­ haft und weltverhaftet, ist und die ihr erst beim urmenschlichen Abstieg

durch dieselben Sphären als Frem des zugewachsen sind, w ir sahen, w ie alles auf diese künftige nicht nu r örtliche, sondern auch gehaltliche flfosm ifterung abgestellt und in ihr die Erlösung gesehen w ird. Als Erlöstes bleibt übrig der nichtweltliche ursprüngliche Bestand der Seele. Deutlich liegt der mythologische P ro to ty p ') einer Vaseinsmöglichkeit vor, der in seinen substanzialisierten E ntitäten vorweist auf einen m ög­ lichen inneren Prozeß der Ausschaltung der kveltbezüge und der Reduk­ tion auf ein atosmifches G renzerlebnis. Anstelle der dinglichen A b­ scheidung von „Seelenteilen" in den S phären des Kosmos tritt die vollzughafte Ausschaltung von Funktionen der M eltbeziehung - ein fortschreitend reduktiver Vollzug innerweltlicher Existenz. D am it ist ein T y p u s von ä p tr y gegeben, der m it dem erstrebten K ulm inationsphänom enen eine Strukturganzheit bildet. Dieser auf die Gnosis ausgerichtete („asketische", „kathartische") äpcrn-Begriff ist das andere hauptthem a der folgenden Untersuchungen. M it der H ereinnahm e der reXos-Ganzheit in die innere Realisier­ barkeit ist jene „Zurückgabe" der ursprünglichen Sorgetendenz aus der Dbjektivation an das Dasein vollkommen geworden. Zugleich bildet diese praktisch ergriffene Vaseinsmöglichkeit ihre eigene theoretische Selbst­ auslegung, i h r e n Xöyos aus, der mit dem des M y thos nichts m ehr zu tun hat. Begriffliche mystische Philosophie und gnostischer M ythos brauchen nichts voneinander zu wissen. Aber w ir beh au p ten , daß gleichwohl die v e r m i t t e l t h e i t durch die D bjektivation als solche auch das im m anent gewordene Phänom en nach seiner Vollzugsstruktur und dam it zugleich nach der Struktur seiner Begrifflichfeit bestimmt. Denn mit der vollkommenen „Rückgabe" ist die D bjektivation nach ihrer F o r m ontologisch verweltlichter Selbstauslegung nicht notw endig mit rückgängig gemacht. Z w ar ist, indem jetzt für die Verwirklichung dieser V aseins­ tendenz kein objekthaft-äußeres Geschehen m ehr in Anspruch genommen ist, der mythologische E harakter der Dbjektivation geschwunden, - der ') W i r n e h m e n den ävo6os*ITti)tHos n u r a ls b e s o n d e rs deutliches B e is p iel, w i r k ö n n ten auch a u f d a s „ L m a n a t i o n s " - S c h e m a m it der W e l t a l s letzter A bfallsstufe h i n ­ weisen. d a s in rückläufiger R ich tun g, zu G o t t h in, e b e n f a l l s sin n g e m ä ß a l s B e w e g u n g s r i c h t u n g u n d S t u f e n f o l g e seelischer M öglichke iten üb ersetzb ar ist ( Bb. I 1 8 6 ff.), ü b e r a l l kommt es n u r a u f d en typischen B e w e g u n g s s i n n an,

d er

sich inha ltlich

im m er

wieder

variiert,

w ir

des gnostischen M y t h o s

leiten also

den

mystischen

Aufstieg nicht e t w a v o n d er mythischen A n o d o s -L e h re o der e i n e r a n d e r e n i n h a l t ­ lichen B i l d u n g a b , so n d e rn w i r sa gen , n e n z entspricht, -

d a ß er i h r e r T r a n s z e n d e n z in d er I m m a ­

un d des w e i t e r e n , d aß er exiltenzial in der gnostischen G r u n d -

o b j e k t i v a t i o n a l s solcher w u r z e lt.

Gbjektioationscharakter als solcher aber geblieben, abgewandelt zum „psychologischen". Den Beweis wie auch erst die eigentliche Sinnbestimmung der Behauptung wird die Analyse zu erbringen haben. Zutage tritt der Tatbestand aber schon in der obigen Exposition. W ir weisen aus folgende formale Momente hin, die in der Untersuchung eine wesent­ liche Rolle spielen werden: Das ücxcrrov wird einem bestimmten mate­ rialen Zustandscharakter gleichgesetzt; als so bestimmte Zuständlichkeit ist es erstrebbar, als sich ereignende innerzeitig betreff bar; ein mate­ rielles Q uäle, ein W as. - Die dpcrai als Aufstieg zu diesem tiXos sind eine gehaltliche Stufenfolge oder ein Herstellungszusammenhang mit dem Ich als Substratum seines eigenen Handelns; mit einer qua­ litativen Spanne zwischen zwei festen Polen, die eine eindeutige Be­ wegungsrichtung „von - zu" vorschreiben. D as alles sind ontologische Momente der „Objektivstion" als einer eigentümlichen Verdinglichung der Daseinsbewegung selber. - Die Analyse hat diese abstrakten Andeutungen konkret zu machen.

1. Äaptiet. Dir Auflösung de« antifen tpery-Vegriffe« im Verricht -er Vnofi». Unter den vorwürfen, die plotin gegen die Gnostiker erhebt und die sämtlich das typisch „Ungriechische" an ihnen betreffen, findet sich auch der, daß sie keine Tugendlehre haben: Es fehle bei ihnen gänzlich ein Xöyos irepi Apmjs. von einer Wartung (frepcnreveiv) und Reinigung der Seele durch Ausbildung ihrer verschiedenen dperai wüßten sie nichts zu sagen. Sie begnügten sich vielmehr mit der Aufforderung „Bliese zu (Bott hin" - ohne Anweisung, wie dieser Hinblick praktisch zu ge­ schehen habe, d. H. wie er sich als bestimmte Gestaltung des Lebens in diesem selbst positiv verwirklichen solle, z. B. als Meisterung der iräibi. Die gnostische Hinblicknahme auf Gott stehe so praktisch be­ ziehungslos zur Führung des (innerweltlichen) Lebens, das sie einfach sich selbst, seinem Spiel der Kräfte und Triebe überlasse, die unver­ ändert in Kraft bleiben. Dem stellt plotin gegenüber, daß nur die zum riXos fortschreitende und mit Einsicht (öpövyais) in der Seele wirklich gewordene Tugend dem Menschen Gott „zeige", anwesend mache; ohne wahrhafte Apen) bleibe „Gott" ein bloßer Name'). Die Polemik ist außerordentlich aufschlußreich. Nach dem, was w ir nun schon vom Wesen der Gnosis wissen, zeigt sie uns mehr an als eine bloße Unterlassung, w ir können dies Fehlen einer Tugend­ lehre so kennzeichnen, daß der gnostische Hinblick auf den außerwelt­ lichen und zum K o s m o s unbezüglichen Gott nicht Prinzip der Ausbildung !) Enn. I I 9,15 Mapiupci St aÜTois xai TöSe txAeAointvai St m m änaoi

tö v

nepi

öoa Te^cebpniai noAAö xai xaAä

toutcöv

to is

tö v



pqStva Aöyov nvLois, gibt es kein irepmareTv, d. H. kein Zeitlichsein, m eh r. - D a ß die G nosis im V ollzüge ihre tatsächliche W eltg e b u n d e n h e it, ih re eigene weltliche B e ­ d in g th eit u n d B eg ren zth eit v e rg iß t u n d sich v e rm ö g e ih res p h ä n o ­ m e n a le n G ip fe lg e h a lte s a ls u n b e d in g t setzt, m acht die B e r u f u n g a u f eben diesen isoliert erlebten G e h a lt h in fä llig : er erm öglicht z w a r subjektiv die überzeugende Selbsteinschätzung des Erlebnisses, verleg t a b e r in W a h r h e it den Z u g a n g g e ra d e zum absoluten loxarov, d a er eine diesseitige Möglichkeit schon d a f ü r a u s g ib t u n d in ih r a ls e r­ füllter G egenw ärtigkeit die Je w e ilig k e it sich versteifen, sie gleichsam v erfertig t und a m Ziele erscheinen lä ß t. D a m i t w ird die unendliche U n ru h e des Diesseits zum Je n se its innerzeitig ab g e b o g en u n d durch ein hier erreichbares Ziel gleichsam a u fg e fa n g e n und festgelegt. Trifft die Interpretation einigermaßen den in 1. Kor. 13, 8 - 1 3 eingewickelt enthaltenen k ri t i sc h e n Sinn, d ann läge hier gleich im Anfang der Entwicklung die radikalste Kritik des gnoftifchen v o l l e n d u n g s ­ ideales vor, auf die wir bei dessen B ehandlung und existenzieller Analyse werden zurückgreifen müssen. Die hier erstmalig sich b e ­ kundende christliche Auffassung gegenüber der gnostischen im engeren Sinn läßt sich theologisch so ausdrücken: So wie J e s u s Thristus ohne Einschränkung Mensch wurde und d as zeitlich-irdische Dasein g emäß dessen eigener Seinsart vollzog, ohne Vorbehalt etwa ihm ver­ fügbarer göttlicher, die Endlichkeit aufhebender Seinsweisen, und wie er die Verbindung mit dem V ater und der himmlischen Heimat in einem eschatologifch bestimmten Wie des Seins lebte, nicht als W a s antezipierte, - so soll auch der Christ die durch ihn geschaffene M ö g ­ lichkeit menschlichen Dorläufigjeins in den M o d i des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe jeweilig leben und gerade d a r a u f verzichten,

schon hier das loxv zu hqpostasicren, fein Menschsein also zu über­ springen. Das ist neben dem Sühne- und Versöhnungsgedanken der Sinn dessen, datz Gott wirklich Mensch mit einem zeitlichen Dasein und dadurch Typos einer jenseitig bestimmten und doch zeitlichen Seinsweise wurde. Nur so konnte er auch Gegenstand möglicher „Nach­ folge" werden. Theologisch gesehen w ar demnach die Möglichkeit einer Überbietung dieses christlichen Seinschps der Entweltlichung nur da gegeben, wo auch dogmatisch die Existenz des menschgewordenen Jesus Christus als überbietbare und tatsächlich überbotene angesetzt wurde. Das w ar bekanntlich der Fall einerseits in zahlreichen gnostischen Systemen (hier, in diesem anthropologischen Interesse, liegt eine Wurzel alles Doketismus), und andrerseits später in der origenistisch bestimmten Spekulation der Mönchsmystik, in der Christus eine mittlere, kosmosbezogene, .psychische' Potenz ist, über die der Mystiker in die absolute «kosmische Transzendenz hinausgehen kann. - Damit sind wir bei dem zweiten großen Einbruch des pneumatischen Elementes ins kirchliche Christentum, und hier kam es, mitbeeinslußt vom Neuplatonirmus, zur Ausbildung eines ausdrücklichen Vollendungsideals im Sinne der Entweltlichung und zu einer darauf bezogenen Aretologie, die uns gesondert beschäftigen werden. 2. «botterschau und Vollendung in der Hermetik.

I n der Hermetik ist das vollendungsideal einer unmittelbaren yvüais N oü entschieden ausgebildet, und Gnosis in diesem Sinne besagt wesensverwandelndes, selber vergöttlichendes Schauen Gottes. Zwar findet sich -ein Schwanken darüber, ob eine volle N a N oö bei Leb­ zeiten zu erreichen ist >), aber dies ist hier nur eine praktische Frage der Erreichbarkeit eines an sich unbestrittenen Zieles, nicht eine grund­ sätzliche Frage der Erstrebbarkeit und der Zielsetzung selber. Aller­ dings beherrscht diese mystische Zielsetzung nicht ausschließlich die her­ metische Frömmigkeit: vielmehr sind in ihr alle drei Formen gnostischer Weltüberwindung nebeneinander vertreten: die ethische, wie wir ft' als Möglichkeit eines ävtm pov rift eipappevns elvai bei Zosimos fandet , die astrologisch-magische des Freiwerdens vom Stemenzroang2); und schließlich die mystisch-ekstatische als Schonung Gottes, die in ihrem ]) Dgl. 3. B. Stob. Ecl. I 21,9 . . . äAA' äSvvarov tv otbpan t o u t o v etrrvxnoai. 2) Siehe z. B. bas hermetische Z itat bei Lactanz II 15: denique affirm&t Hermes eos qui cognoverint deum non tan tum ab incursibns daemonum tutos esse, verum etiam ne fato quidem teneri. pta, inquit. $uAaicr| evotßeia • eOaeßoüs ydp dvdpairov o ö t c 6 a(y»v k ö k o s o ö t c clpapp^vq KpaicI k t A . 6121 J o n a s , Gnosis. 2. Heil 4

Vollzug schon das erstrebte Telos der äirotteiWis, gegenwärtig er­ fahrbar, verwirklicht, also selber das religiöse Telos ist. M it dieser dritten Möglichkeit haben wir es hier zu tun. 3n manchen Fällen mag es sich bei der Schilderung visionärer Erlebnisse nur um eine literarische Form handeln, die den mitzuteilenden D ffen b aru n g s-In ­ h a l t e n , sei es spekulativer, sei es moralistischer N atur, zur höheren Beglaubigung dient. So ist es zweifellos im poim andres, dem ersten Traktat des hermetischen Corpus, der seine gnostische Kosmogonie in eine Visionsschilderung einkleidet. Entscheidend ist aber auch hier, ins­ besondere in der einleitenden Schilderung der persönlichen Disions» fituation, die feste Topik einer mystischen Erlebniswelt, deren breite Wirklichkeit mit ihrer literarischen Verwendung vorausgesetzt ist. Und zunächst kommt es uns auch aus nichts anderes an als darauf, den begrifflichen und terminologischen Bestand dieser Schicht aufzunehmen und der späteren existenzialen Analyse zur Verfügung zu stellen, w ir begnügen uns also im Folgenden mit einer Zusammenstellung charak­ teristischer Aussagen. G. H. I lff. „ . . . da mein (Beist gewaltig in höhen entrückt w ar, aber in Bonn geschlagen die körperlichen Sinne, wie bei den im Schlaf Gelähmten aus Sattheit an Speise oder Übermüdung des Körpers, da schien mir jemand übergroßes von unbegrenztem Ausmaße meinen Namen zu rufen und mich zu frag en : ,w a s willst du hören und schauen, im Geiste erfahren und erkennen ? ‘ . . . Ich sprach: .Erfahren will ich, w as ist, verstehen seine N atur [also den gnostischen w eltmythos kennen lernen] und e r k e n n e n G o t t (yvwvai 9-eöv)' . . . Sogleich w ard mir alles mit einem Schlage geöffnet und ich sehe eine unend­ liche Schau, alles w a r Licht geworden, heiter und froh; und schauend liebte1) ich." Schon in dieser Einleitung ist das T h em a der ganzen mystisch-ekstatischen Begrisfswelt in Stichworten angeschlagen: .in B ann geschlagen die Sinne', .Schlaf', .unbegrenzte Schau', Licht, .schauend lieben'. (Es folgt dann die Mitteilung der gnostischen Kosmo­ unt) flnthropogonie, die w ir im I. Band behandelt haben (S. 344). Sie endigt, wie mir uns erinnern, mit der Beschreibung der ävo6os der Seele, ihrer Entledigung von den Weltenergien und W iedergewinnung ihrer ursprünglichen, akosmischen Physis (26 „Und dann gelangt sie, entblößt von den Wirkungskräften der .Harmonie1, zum achten Kreise, nun im Besitze ihrer e i g e n e n K raft") und schließlich ihres w ieder') npäo&nv: |o m. (E. besser m it a lle n cmlil. statt qyäo&nv K eil ( m it ih m K e i y e n stein; die V e r w e is u n g a u f P l a t o , T im . 37•• ist für die S t e lle b e d e u t u n g s l o s ) .

eingehens in Gott: „Dies ist das gute Ende (reXos) derer, die Gnosis gewonnen h ab en : vergottet zu werden." Die Schau dieses Vorganges bewirkt für den in Verzückung befindlichen visionär zweifellos eine reale Teilnahm e an ihm und stellt so selber schon eine Antezipation desselben dar. hierin gipfelt bezeichnenderweise die Offenbarung. Im m erhin spricht es für die noch mythische Fassung der Entweltlichung, datz sie als objektiver Vorgang gleichsam von einem Zuschauerstand­ punkt aus gesehen wird,- dies verschwindet im tTeuplatonismus völlig. - Nach Abschluß der Offenbarung: „Angefüllt mit dem, w as ich be­ gehrt hatte, ward ich froh; denn des Körpers Schlaf wurde der Seele Nüchternheit, die Schließung der Augen w ahrhafte Schau, mein Schweigen trächtig des Guten und des D o rtes A usrufung') gute Frucht." M an bemerke den negativen Charakter der Antezedentien im Bebin« gungszusammenhange der Gnosis (Schlaf des Körpers, Stillstand der Sinnesfunktionen, Schweigen . . . ) . - E s folgt als Abschluß des Ganzen das berühmte, auch in christlicher Fassung erhaltene Dankgebet mit dem klassischen Bekenntnis der Gnosis: (31 f.) „heilig ist Gott, der erkannt werden will und bekannt ist den Seinen. . . . M einer Bitte, nicht ab­ zuirren von der Gnosis, so wie sie unserm Wesen gemäß ist, schenke Gewährung und gib m ir die Kraft." Der Zusatz njs k o t ' oöoias hpüv zur .Gnosis' bedeutet eine Einschränkung ihres Endgültigkeitscharakters auf die Bedingungen des innerzeitlichen Daseins, und zw ar offensichtlich im Sinne einer Ethisierung der Gnosis in der Vorläufigkeit, vollends deutlich wird das in der gleichartigen Bitte im Schlußgebet des „Aöyos TiXeios"2), das ja auch den Dank für empfangene Offenbarung und Gottesschau ausfpricht: „Durch dein Licht erlöst freuen w ir uns, daß du dich uns g a n z g ez ei gt hast, freuen uns, daß du uns noch in den ’) tn^opä: Zielinsft) schlägt v o r: ix^äopä. Der allgem eine Gedanke ist richtig (vgl. später die Philostellen ü b e r den notw endigen U n te rg an g des Aöyos in der Ekstase), a b er gerade a n dieser Stelle nicht durchführbar, da in G estalt der M issionspredigt u n m itte lb a r ein „Adyos* v o ra u sg eh t, der auch von der extrem mystischen H altung nicht v e rn ein t w erden kann; und dieser ist im Z usam m enhang gem eint (vgl. 29 t). w ir wären nun in Verlegenheit, ein gleichwertiges Element der Vorläufigkeit in der bisherigen Stufe der Gnosis aufzufinden, wenn das von uns geltend gemachte uns durch den eingewandten Appell an das Christentum, wo das Selbe eben als wesensgerechtes Element seiner Endgültigkeit erscheint, entzogen w ürbe2). vorausgesetzt, daß der ]) D a rin ist enthalten, daß w i r das 3 e i t m o m e n t im V e rh ä ltn is der beiden vergleichsgrößen ernst zu nehmen haben. Denn die Geschichte b ri n g t nicht in pflanzlicher weise einfach V a rie tä te n einer G a t tu n g in bloßer Vielfalt neben« eina n der hervor, bei denen eine deskriptive Bestimmung ihres Verhältnisses durch morphologische Vergleichung (Subsum ption u n t e r das Gemeinsame u n d Differen­ zierung gegeneinander) ausreicht, sondern d a s F r ü h e r u nd S p ä t e r u nd die spezielle A r t der Folge ist ein wesentliches (Element ih re r Verhältnisse, ja der I n h a l t e selbst: deren zeitliche Nichtvertauschbarkeit ist ja n u r der ne g ative Ausdruck ihres positiven werd ezusam m enhang es nach M o t i v e n , die v o m einen z u m a n d e r n führen, fein Wesen nicht weniger a ls sein w e r d e n erklären — und zum vollen Bestand der P h ä n o m e n e selber mit gehören w i r b e gnügen u n s d aher, um d as V erhältnis richtig zu begreifen, auch im vorliegenden F a lle nicht mit der morphologisch-deskrip­ t iven Vergleichung der beiden Großen, der Bestimmung ih rer Verwandtschaft im Kerne und der H e rausarb e itun g desselben in dem neuen Felde — so ausführlich eben dies unser ferneres T h em a w e rden w ird - und erst recht nicht mit dem bloß „Atmosphärischen", das in der Gemeinsamkeit des „akosmischen" Geistes für die ganze (Epoche liegt; sondern zuv or h a b e n w i r üb er das geschichtliche F o lg e ­ v e r h ä ltn is Rechenschaft zu geben, d as w ir oben mit den Begriffen der produktiven Möglichkeit, des Fortschrittes, der Vorläufigkeit und (Erfüllung bezeichnet haben und das im Sinne eines Postulates u n s verpflichtet, den P rozeß - z w a r nicht zu schildern: dazu fehlen uns die „Zwischenglieder", die a b er auch die Geschichte selbst nicht nötig hat, denn bei (Erreichung des inneren Reifepunktes kann der manifeste Ü b eigang zur neuen Form d a nn in einem „ S p ru n g " erfo lgen; a b e r : — a u s feinem m omcntum agens im Zustand der abgeschlossenen (Entwicklungsphase begreiflich zu machen. Zu einem solchen m om entum kann n u n auch die innere Insuffizienz, bei der jene auf ihrem Höhenpunkt (d. h. nach (Erfüllung ihrer e rfü llb a re n Auf­ gaben) angelangt ist, positiv umschlagen. Dies dynamische V e r h ä ltn is im Sinne des F r ü h e r und S p ä ter und der M o tiv e rfü llu n g läßt da nn auch die U n t e r ­ s c hi e de der Gestaltungen a u s der M o t i v a t i o n des Gemeinsa men begreifen: als Stufenfolge seiner im F o rtg a n g neu aufgegebenen B e w ä ltig u n g , nicht bloß als differe ntiae specificae von ästhetisch gleichgeordneten V a rietäte n . (Erst auf diesem dynamischen G runde kann dann die phänomenologische Analyse des R e uen an sich selbst erfolgreich einsetzen. *) D a s „Griechentum" z. B., a ls Zusatzfaktor in die Werdegeschichte der neuen Phase eingesetzt, würde die Lücke nicht ausfüllen. So wichtig nämlich sein Anteil a n dem ist, w a s m an R e u p la to n is m u s nennt, — an sich selbst erklärt es nichts über das V erhältnis des F rü h e r und S p ä te r , das hier vorliegt: denn es w a r im

Exkurs: Die „Vorläufigkeit- in der jüdisch-christlichen heilslehre.

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flppeü zu Recht erfolgt: v i e r ist nicht der F all, aber die kritische Nach­ prüfung der Scheines, der ihm zugrunde liegt, kann uns ein Stück n äh er an d a r Wesen der Gnosis und die D ynam ik der gesuchten Über­ ganges h eranführen und nebenher einiger Sicht auf die Unterschiede von Gnosis und C hristentum w erfen, w i r schieben diese hilssuntersuchung a ls Exkurs ein.

5. Exkur»: B it „VorILustskett" in der jüdtfch-christiiche« Veilslehre. Line Doppeldeutigkeit sei zu Anfang ausgeschieden: „Vorläufigkeit" des Menschen, im Zusammenhang einer Lehre gesetzt, heißt nicht eo ipso auch Vorläufigkeit der betreffenden Lehrbildung, und ein unerfülltes desiderium des Menschen deutet nicht notwendig auf ein noch zu erfüllendes „Desiderat" des Systems hin, in dem es zutage tra t, vielm ehr kann es gerade ein konformes und beabsichtigtes Element des Lehrgebäudes selber sein. (Eben dies ist, zum Unterschied von der Gnosis, der Fall im Christentum*). 3n ihm ist dem Menschen die Realisierbarkeit seiner Vollendung in der 2. Ja h rh u n d e rt und in dem Raum e, in dem die syrisch-ägyptische Gnosis erwuchs, ganz ebenso mächtig, allgemein und verfü g b ar wie im dritten, als es im Neuplatonism us die M ythologie als F orm der D bjektivation verdrängte. Und für sich genommen w ürde dieser hinzugetretene Faktor auch n u r für seinen eigenen (heterogenen) B eitrag in der neuen Bildung rechnen, nicht aber ihre spezifisch gnostische Bedeutung im ganzen verständlich machen, die sich indirekt z. B. im v e r ­ schwinden der vorigen Form bezeugt, an deren Stelle sie geradezu tra t. W ohl aber kam, wie w ir sehen w erden, eben die nunm ehrige Durchsetzung „griechischer" Begriffsform in eigentümlicher w eise der Verwirklichung im manent g n o ftisc h e r Aspirationen z u g u t e , die gerade zuvor an den kritischen Punkt ihrer Reife, d .h . ihrer U nerfülltheit gelangt w aren. Und genau dies ist überhaupt der G rund, w arum in jenem Augenblick, nicht früher, das griechische Begriffsprinzip wieder zu systemkräftiger Wirksamkeit kam, neu aktiv w urde: „aktiviert" genauer, befruchtet durch die anderw eitig vorbereitete S y stem m ö g lic h k e it, in der es nun eine offen» gebliebene, in der T a t umfassende Funktion zu erfüllen hatte. Und dasselbe gilt vom M om ent der „R atio n alisieru n g ": es entspricht gewiß einem allgemeinen B edürfnis des Menschengeistes, aber sein (Eintreten w ar in diesem Fall, wo die langst erreichte R atio n alitätsh ö h e der antiken K ultur die M ittel jederzeit darbot, vom E intritt gewisser innerer Voraussetzungen in der gnostischen Entwicklung ab ­ hängig, die ihrerseits erst seine Bedeutung erklären, w ir werden denn auch sehen, daß die M omente „hellenisierung" und „Rationalisierung" den Charakter der neuen Begrifflichfeit, das Neue an ihr, n u r zum geringeren Teil bezeichnen: Daß es eine der Struktur nach m ystische Begrifflichfeit ist — und dazu oerhalfen ihr freilich jene beiden M om ente — , ist ihr in der Entwicklung des gnostischen Gedanfens wesentlichstes Charafteriftifum . ') Ich lege im folgenden ein sehr verallgem einertes Schema der G rund­ positionen sowohl des kirchlichen Christentums wie des biblischen Ju d en tu m s zu­ grunde - eine Abstraftion also, die der M annigfaltigkeit historischer Lehrbildungen nicht Rechnung trag t.

weise v orenthalten, daß es selber dies V orenthaltensein zur G rundlage seiner Verkündigung macht und im Anerbieten der G nade überbietet. 3n der Ausdeutung einer bestimmten V e r m i t t l u n g der G nade, zusammen­ gefaßt im Begriff des „K reuzes", besteht die L e h r e des Christentums, nicht in der Beschreibung jenseitiger R ealitäten. D as Evangelium ist nicht Metaphysik. Cs bezieht sich auf eine von G ott gestiftete H e ils ta ts a c h e , eine H andlung, nicht auf eine in der Seinsordnung bestehende, durch ihre Seinsbeschaffenheit charakterisierte H eilsw elt. D as h eil ist aber nach christ­ licher Anschauung deshalb von der Erlösung „durch das Kreuz" u n ­ n e n n b a r, w eil zum jüdisch-christlichen Sinne des Heils die B ew ältigung des S ü n d e n Problem s gehört, das h eil selber, wie sein Gegenteil, seinem Wesen nach gänzlich durch den R ich t e r spruch G ottes begründet w ird. D as h eil entspringt also der Heiligkeit G ottes und entspricht ih r: ja es ist. vollendet, nichts a ls ihre ungetrübte Entsprechung - das vor-ihr-bestehen in der V erklärung. Sein W e se n besteht also in einer Korrespondenz, deren Glieder persönliche Subjekte sind. E s bedeutet ganz und g a r dies eine: die erfüllte, vom Geschöpf aus gesehen überschwengliche, Angemessenheit dieses personverhältniffes - eine Angemessenheit, die einerseits dem Menschen in seiner Selbstbestimmung (a ls „E benbild") zugemutet ist (dies ist jüdisch so­ wohl wie christlich), andrerseits aber dem Geschöpfe (nach christlicher Auf­ fassung) nicht erschwinglich ist; in deren M itteilung sich daher die zu­ mutende Heiligkeit G ottes ihre eigene Zufriedenstellung schafft, gewisser­ m aßen das von ih r erteilte, endgültig zugesprochene „ 3 a " , das als w o r t der Verklärung das w o r t der Schöpfung vollendet und wie dieses seins­ setzend ist. Entscheidend ist hier der auf die soteriologischen B e d i n g u n g e n zurückwirkende ontologische Charakter dieses Begriffes vom h e il: daß es gänzlich die Funktion eines personhaften Verhältnisses G o tt- K r e a t u r ist, welches eben in ihm aus tiefsten S pannungen zu seiner endlichen und ewigen Befriedigung kommt: V e r h ä l t n i s , intentional, aufeinander ge­ richtet, keine vorfindliche Sache oder Beschaffenheit. Und das handelnde Subjekt dieses Verhältnisses ist der persönliche G ott. w ie nun dieses V erhältnis menschlicherseits erreichbar, wie es möglich ist, darin scheiden sich Judentum und Christentum. E inig aber gegenüber aller Gnosis sind sie darin, daß in diesem V erhältnis der Heiligkeit des persönlichen G ottes, will sagen: einem A n sp ru ch sp h ä n o m en , Genüge ge­ schieht und das heil eben das Erfülltsein dieses Anspruches in einem verklärten, d. H. die göttliche Heiligkeit durch die nun eigene w id er­ strahlenden, Wesen ist. v o n wem und wie auch immer diese Erfüllung ge­ wirkt sein m ag: D as J u d e n t u m bietet im Gesetz die Chance - nicht zw ar ihrer Z ustandebringung selbst, doch der B ew ährung und (Qualifizierung für ihre künftige G ew ährung durch G ott. Solcher B ew ährung vor G ott und für die bei ihm w artende (nicht aus den Werken des Gesetzes selber h e r­ vorgehende) Endgültigkeit dient die gesamte Zeitlichkeit, die schon deshalb, weil erst ihr ganzes Fazit zu ziehen ist, radikal vorläufig ist: vorläufig ist so auch das Gesetz, die eschatologische Norm dieser Zeitlichkeit, das „H ei­ ligung" ist nicht als reale „Vollendung" des Subjektes an sich selber, sondern

als Erfüllung des w illens Gottes, der eben diesem G e h o r s a m das heil zu g e d ac h t hat. 3n dieser persönlichen Instanz des Schöpfer- und RichterGottes allein liegt die Verbindung zwischen dem menschlichen Tun in der Gesetzeserfüllung und der endlichen Verklärung; bei ihm liegt, als ein Entschei d, die Vollendung des Geschöpfes, das seinerseits nur die Zu­ friedenstellung seines im Gesetz offenbarten w illens im Rüge zu halten h a t 1). Vieser Wille ist im Gebieten zugleich ein versprechender - er allein aber auch der erfüllende (worin über der Verheißung nicht die Drohung zu vergeffen ist): nicht kann das 3hm Zustehende der Mensch sich zum Ziele setzen; er h at es nur mit dem Gebot jenes w illens zu tun, das an den seinen sich richtet. Der über sichhinausweisende Knwartschastscharakter des Gesetzes aber ist Sache des Glaubens — des persönlichen V ertrauens in Gott, nicht eines sachlichen in die Heilskausalität des Gesetzes —, seine Gültighaltung als eschatologischen Versprechens also selber wieder ein Rtt jenes Gehorsams, der auch den In h a lt des Gesetzes bildet. Vieser Ge­ horsamserfüllung, die dergestalt den Bezirk des reinen, nur auf sich be­ ruhenden Glaubens nirgends verläßt, dient alles am Gesetz, sein formelles Gebotensein überhaupt wie seine Einzelgebote (unbeschadet diese zugleich den Inbegriff des an sich praktisch Guten darstellen, wie es bei ihrem Autor nicht anders sein kann): Es dient der (Qualifikation v o r Gott, nicht der Herstellung des absoluten Zustandes, welcher (Qualität an sich selber wäre. I n diesem Falle würde es ja auch den Charakter des - durch seinen Urheber santtionierten - G e b o t e s verlieren und zur eigenständigen Heils­ technik werden, selbstwirksam durch den immanenten oder kausalen Gehalt seiner Werke, die dann wohl auch eine Stufenfolge mit Ansang und Ende bilden würden, - es würde aufhören, eigentlich Gesetz zu sein und wäre der Souveränität Gottes entwunden: Gott w äre ausgeschaltet. S ta tt un­ bedingtes Subjett, Er, wäre er Telos, höchstes Es, von zustrebenden SeinsProzessen, Angleichungen; und die Thora der gleichsam theurgische Kanon eines solchen Prozesses, mit dem göttlichen „Sein" als © bjeft2). G ott aber ist im biblischen Judentum ganz und gar Person, nicht eine ttanszendente „W elt", und schon aus diesem Grunde ist hier die Eschatologie Sache Gottes allein, seines Ratschlusses, seiner Gerechtigkeit oder Gnade: Das w arte n des Menschen braucht nicht untätig zu sein, aber es ist, eben durch das Gesetz, wesensmäßig mit anderem beschäftigt als dem - vergegen­ wärtigenden oder bewirkenden - vorauseilen in die vollendete Transzendenz. *) Datz dies Gesetz, um des G ehorsam s w illen e rfü llt und a lle in um d es­ w illen „G erechtigkeit", d. H. A nw artschaft, in den fin g en G o ttes v erleih en d , gleich­ zeitig d a s beste menschliche h a n d e ln a ls solches, die vollkom m ene M o ra l im Leben darstellt, also auch Gerechtigkeit der W elt ist, folgt einfach d a ra u s , daß sein U r ­ heber der heilige und vollkommene G o tt und nicht ein b eliebiger W illkürherrscher ist. 2) J e d e mystische V erselbständigung der T h o ra geg en ü b er G o tt (3. B. in der Geschichte des kabbalistischen J u d e n tu m s ), notw endig v on einer mystischen U m ­ in te rp re ta tio n ih re r G ebote begleitet, h a t m ehr oder w e n ig er rad ik al diesen w e g eingeschlagen.

All dies hat das Christentum als Voraussetzung aufgenommen, aber durch ein neues Moment modifiziert: Paulinische Auffassung ist es, daß das (besetz seinen Heiligkeitsanspruch zu Recht erhebt, doch eben dadurch nicht mehr Gelegenheit ist zur Bewährung des Menschen vor Gott, sondern zur ständigen Krisis seines Ungenügens im versagen. Dabei ergibt sich Anlaß, die tiefinnere Dialektik des w illen s, das Selbstverhängnis kreatürlicher Freiheit, ans Licht zu bringen (Rom. c. 7). v o n daher bricht die Erlösungsbedürftigkeit auf, welcher Gott durch die Tat „seines Sohnes" entgegenkam; so jedoch, daß darin den erwähnten eschatologischen Voraus­ setzungen und damit der spezifischen Art der Erlösungsbedürftigkeit, die keine physische (substanzielle) ist, sondern das V e r h ä l t n i s zwischen Mensch und Gott betrifft, Rechnung getragen ist. D as „Kreuz", den Tiefpunkt menschlicher Schuldigkeit und (Ohnmacht bloßstellend, das Fazit des Gesetzes auf eine eigene weise ziehend, ist, in richtiger Aneignung, auch die voll­ zogene ,,Erlösung"; nicht aber die physische Vorausnahme der zustandlichen Vollendung: sondern Erlösung als gleichzeitiges überführt- und Vegnadigtwerden des s ü n d i g en Menschen. D as „Kreuz" übernimmt damit die Anwartschaftsfunktion des Gesetzes durch Einlösung seiner Zumutung aus göttlicher Liebe, die dem Stolz des Menschen eben ihre Bekennung auferlegt, welche Bekennung nicht ohne tiefstes Selbstgericht und letzten Selbstverzicht vor sich geht. Insofern bezeichnet die Theologie des Kreuzes den Bankerott des Menschen vor seinem Schöpfer.

p rim ä r besteht derart die Erlösung a ls Tatsache im B e w u ß t s e in G ottes und des Menschen: im B ew ußtsein G ottes a ls U rteil, in dem des Menschen a ls G lau be. I n dieser beiderseitigen Entsprechung heißt sie: V er­ söhnung.- Diese ist es, w enigstens nach gewissen Lehren der alten Kirche, w a s die paradoxe Rechtfertigung im Kreuzesakt zuvorderst erreichen soll. D ie Seinsw eise dieses „Erreichten" aber, des bestehenden Faktum s V er­ söhnung, ist die ständige actua litas eines A ktes: des einen Aktes göttlichen und vom Menschen in der Sohnesoffenbarung geglau b ten w i l l e n s . Ih r G ew ollt- und G ew ährtsein — ihre A u t o r i s i e r u n g - im w ille n G ottes ist darum die eigentliche R ealität der Erlösung selbst, w e il diese G ew ährung eben dar a u s seiner auctoritas hinzubringt, w a s dem Menschen zum h e ile fehlte, oder beseitigt, w a s ihn davon schied - a ls Sache seines A n g e s e h e n ­ w e r d e n s von G ott, die es imm er w ar. In so fern ist das h e il selber zu­ nächst innergöttliche T at der B ew illig u n g , ein Akt der Zurechnung, d. H. die G nade als solche1). Die „ew ige Seligkeit", als zukünftiger Zustand, ist dann nur die G ott zu überlassende, selbstverständliche Entsprechung dieser zugebilligten ( Q u a l i f i z i e r u n g für sie, die ihm vorbehaltene E rfüllung ') D a b e i ist d a s Unterscheidende des christlichen M e s s i a n i s m u s , d a ß diese T a t „im K r e u z e " b e r e i t s geschichtlich v o llz o g e n ist, d a h e r schon an ges ich ts dieser z e i t ­ lichen V o r g e g e b e n h e i t un d Abgeschlossenheit f ü r die E r l ö s u n g nichts m e h r zu t u n b leib t. D e n M enschen stellt dieses Geschehen d e r „ V e r g a n g e n h e i t " v o r eine v o l l e n d e t e , u n e r g ä n z b a r e Tatsache, in der, w a s ü b e r h a u p t a m h e i l e u n d f ü r s h e i l t u b a r w a r . a n se iner S t a t t ein f ü r a lle m a l g e t a n ist. h i e r lieg t w o h l der schärfste G e g e n ­ satz zum jüdischen M e s s ia n i s m u s , der die M i t w i r k u n g des Me nschen, j a seine u n ­ erläßliche Hilfe d a z u , daß der M e ssia s komme, f o r d e r t .

ihrer ihm verdankten Einräumung: der „Lohn" also jener „Gerechtigkeit" um des Kreuzes willen, wie im Judentum derjenigen durch das Gesetz. M it dem Glauben an die so und so beschaffene Einräumung hat es der Christ allein zu „tun" und die Annahme durch den Glauben ist die allein sinngemäße Teilnahme an der Verheißung. Als Unterstellung aber unter das vorausgesetzte Urteil schließt der Glaube jede direkte, eigentätige In ­ tention auf einen durch sich selbst qualifizierten Endzustand (im Sinne einer unabhängig wertvollen, durch ihren immanenten Gehalt sich beweisenden Beschaffenheit des Selbst) mit Entschiedenheit aus. Ein solcher sachlicher Cndgehalt ist auch in der anfänglichen christ­ lichen Verkündigung gar nicht präsentiert, weder als mythologische Ober­ welt noch als ontologische Seinsspitze, weder in Bildern noch in Begriffen, weder geschildert noch deduziert, denn die Verkündigung ist nicht Sach« Offenbarung, sondern Gnadenanerbieten, und von der Seligkeit oder Voll­ endung genügt es dem Urchristen zu wiffen, daß sie die dereinstige jen­ seitige Einlösung des jetzigen Angenommenwerdens von Gott ist. Doch nicht dies v e r g e g e n w ä r t ig t der Glaube — der dann nicht m'ons, sondern „tldos" wäre — und darin ist er hinter der Gnosis im Rückstand, die ganz in jene Geheimnisse des Anfangs und Endes, in das Gegenständliche der­ selben, eintaucht. Dafür ist der Glaube auf sich selber rückbezogen: mit dem Glauben an die „Erlösung durch das Kreuz" verbindet sich der an die „Seligkeit durch den Glauben". Auch darin wird aber nur wieder das Insuffizienzurteil über das eigene heilsvermögen des Menschen anerkannt, das ihm eben nichts als den Glauben ü b r ig lä ß t '). Diese Selbst­ verschränkung des Glaubens verstattet kein Ausbrechen aus seinem Kreise, und schon hierdurch verlegt er prinzipverbindlich sein überflügeln durch unmittelbarere Formen der Gottesergreifung, die ihn und damit die Heils­ veranstaltung, die ihn ermöglichte, als entbehrlich kennzeichnen, letztere also geradehin ausschlagen würden2), vorwiegend ist daher im Christentum der „Sohn", nicht eigentlich „Gottvater", der Gegenstand des Glaubens wie auch jeder Vergegenwärtigung und liebenden Versenkung - kurz, aller wirklichen Beziehung. Über dies Anerbieten sich hinwegsetzen und unmittelbar den deus absconditns intendieren, hieße ebensowohl die göttliche Tat wie die menschliche Endlichkeit, der sie entgegenkam, verleugnen. Aufgabe christ­ lichen vollkommenheitsstrebens ist daher Anmeffung an die Sohneserscheinung der Gottheit (nicht an das Sein des Vaters), und das heißt: eine spezifische Ergreifung der Z eitlichkeit^). w ie demnach für den Christen die Erlösung das „Kreuz" ist, so wird auch es (als Inbegriff für die Existenz Christi genommen) in seinen ver') 3n dem positiven G ehalte „Seligkeit durch den Glauben" wird die Gnade, — in dem negativen „ n u r durch den Glauben" dar U rteil in der Tat de; Kreuzes bekannt. 2) Nochmals verweisen w ir auf den antignostischen Fundamentalsatz des P aulus II Kor. 5 ,7 Siä niareeos yap ncpmaroviicv, oö Siä cTSous. 3) Die hiesige Verwirklichung der „Vollendung", w enn von so etw as über­ haupt zu sprechen ist, kann also nur etw as von der Art einer im ita tio Christi (ein.

schiedenen Momenten immer mehr zum Leitbegriff der dem Christen hier möglichen Anteilgewinnung am Absoluten und das vorzügliche Thema der darauf hinzielenden Seelenprozeffe, sei es Reflexion, Versenkung oder nach­ folge: das Thema derselben ist die bestimmte, an den Menschen gerichtete Tat, nicht das allgemeine Sein (Bottes. Allgemein in diese Richtung, so darf man sagen, entwickelt sich die Deutung z. v . solcher johanneischen Wendungen, wie daß niemand zum Vater kommt als durch den Sohn, daß er der w eg, die W ahrheit und das Leben ist. Die pneumatiker verstanden dies als Vurchgangsstufe, die sie hinter sich laffen könnten. Doch mindestens für das Glaubenschristentum kirchlicher Prägung gilt, daß nicht der Derklärungs- oder Vollendungszustand selber Gegenstand christlicher Zielsetzung oder g ar methodischer vewerkstelligung sein kann: sein e Gewährung ist Sache des V aters, die Blickrichtung des Christen aber: die Erlöserschaft des Sohnes. Die Bescheidung oder Einfalt dieses Standpunktes ist es, auf die der pneumatiker herabsieht.

6. verstrich«»- der gnostiften mit der christliche« Eschatologie.

O hne zu beanspruchen, hierm it die vollständige Philosophie des „Kreuzes" gegeben zu haben, können w ir au s dem G esagten diejenige G egenüberstellung christlicher und gnostischer (Eschatologie vornehm en, die unserer Untersuchung des Problem s der „Verwirklichung" dienlich ist. Die hierfür wesentlichen vifferenzpunkte lassen sich darnach etw a in folgenden Schlagw orten zusammenfassen: D as Christentum h at es (ebenso wie das Ju d en tu m ) m it dem persönlichen G ott zu tun, der der Schöpfung frei gegenübersteht, nicht m it sachlichen Seinssphären, die mit der W elt einen graduellen Zusam m enhang der T o ta litä t bilden ; fjcilsquelle ist ein unbedingtes „ E r", nicht ein qualitatives „C s"; das Fjcil selber also Funktion eines w illen s, nicht Beschaffenheit von N aturen; wie die Schöpfung geschieht auch die Erlösung wesentlich durch das „W ort" und nicht als ein un abhängiger V organg in der „S ubstanz"; die Richtung der H eilsbew egung ist von Gott als H andelndem zu dem Menschen, nicht vom Menschen zum Gotteswesen als seinem Ziel; Gott ist im E vangelium Subjekt des Rufes, nicht Gegenstand der Spekulation; des Menschen A ntw ort daher „Hören" und G lauben, nicht „Sehen" und H aben; der In h a lt der Lehre ist K reuzesglaube, nicht Beschreibung der Oberwelten. a) Die Schilderung der tiberroelt als v o rw e g n ä h m e .

Eben diese Beschreibung der Oberwelten aber, um m it dem Letzten zu beginnen, ist den gnostischen Systemen angelegen und bezeichnet geradezu ihren In h a lt. In d em sie aber den Geist in diese G egenstands­ w elt einführten und seine Vorstellung dam it beschäftigten, erweckten sie

notwendig und sinngemäß die Aspiration, sie auch schon real zu erleben. Bot sich hierzu ein w eg, so wurde also jene qualitative Überwelt ganz von selbst Gegenstand eines daraus bezüglichen praktischen P ro ­ gram m s; bot sich keiner (und das ist zunächst infolge des mythologischen Charakters der Gbjektivation der Zall), so blieb doch die Aspiration, auch wenn sie nicht ausgesprochen w ar, und ihre Nichterfüllung bildete einen inneren M a n g e l im gnostischen System - und infolgedessen ein M om ent noch zu überwindender Vorläufigkeit der ganzen theoretischen Entwicklungsstufe, der als solcher dieser Widerspruch zwischen imma­ nenter Zielsetzung und manifester Versagung eigentümlich w ar. 3n diesem Sinne erwähnten w ir bereits als Reiz und Gefährlichkeit der Spekulation, daß sie dem menschlichen Geiste die Überwelt in ihrer mythologischen Transzendenz, also Unergreifbarkeit, gleichwohl thematisch bereits vertraut machte und ihn sich in ihr zu bewegen gewöhnte. Sie zeigte das Ziel, um es sogleich aller wirklichen Unternehmbarkeit zu entfremden. Und die „Gefährlichkeit" verschärft sich in dem M aße, wie die Spekulation in ihrer Darstellung jener überweltlichen Geschehnisse dahin gelangte, daß in ihnen der Geist sich selbst, d .h . Möglichkeiten seiner eigenen inneren Existenz, zuletzt seiner Selbstbestimmung, sym­ bolisch wiedererkennen konnte, — womit sich jene Transzendenz ja n u r dem Ursprungspunkte ihrer Projektion, welche notwendig zuerst m it der äußersten Entfernung in die Anbersheit (doch m it dem geheimen Ziele schließlich« Identifizierung) einsetzen mußte, wieder annäherte. Gleich anfänglich also, in der noch ganz mythischen Gbjektivation, enthält die bloße Präsentierung der Jenseitsdinge als solche bereits die grundsätzliche Entscheidung in die Richtung der „Gnosis" im Sinne ihrer spezielleren Aspiration. Das Christentum redet von dergleichen nicht und schon deshalb kann es die entsprechende Aspiration nicht nähren, überdies läßt es sie aus prinzipielleren Gründen g ar nicht erst aufkommen und dürfte sie, wo sie aufkommt, nicht dulden. Die Gnosis aber ist mit ihren Stufenspekulationen, mit ihrem Denken in Prozessen, eine einzige Begründung und Anregung eines solchen Zieles, das sie gleichzeitig in ihrer mythologischen Form der praktischen Setzbarkeit (in einem Kontinuum menschlichen Vollzuges) oorenthält. h ier steht diese Vorenthaltung im Widerspruch zu einer vom System selbst beförderten, ja schon in seinem eigenen Aufbau wirksamen Tendenz. Dagegen sahen wir, wie im Christentum die gleiche Vor­ enthaltung zum Sinn seiner Eschatologie gehört und die D ignität eines theologischen Prinzips besitzt, für das seine ganze Lehre einsteht. W as

also dort voll vertretene These, ist in der Gnosis eine mißliche Schranke, auf die sie stößt, um sich entweder ihr zu fügen oder über sie hinaus zu trachten. 3m Grunde genommen hat sie aber bereits in der bloßen Tatsache ihrer Thematik, also von allem Anfang an, diese Schranke überschritten: Denn w as ist die theoretische Vergegenwärtigung der Jenfeitsroelten anderes als ein solches prinzipielles, wenn auch zunächst nur vorstellendes, vorgreifen in das, w as auch das eigene Ziel des Menschen darstellt? W arum nicht den weiteren Schritt tun und auch in die R ealität des also Gegenständlich-gewordenen vordringen, das wissen in die (Erfahrung der Sache selbst überführen? Der Schritt mag unmöglich sein, ein w eg fehlen, aber die Intention als solche ist in Kraft, sei es auch aus keinem anderen Grunde, als weil eben schon die Thematik der Gnosis an und für sich eine vorw egnähm e auf ihre Art ist, - und dazu noch enthält sie implicit auch schon den Entwurf eines P ro ze sse s derselben in sich. Denn nichts anderes als ein solcher impliziter Entw urf ist die d ynam ische Struktur der gnostischen Systeme, ihr immanenter Beroegungscharatter, und je reiner und autonomer sich dieser im Gegenständlichen ausbildete (d.h. also in den E m a n a tio n s ­ systemen), um so mehr mußte dies unwillkürlich an das praktische v e r­ mögen des in seiner Anschauung befangenen Subjektes appellieren, mußte ihm die 3dee einer Selbstvollziehung der mythisch projizierten Bewegung nahelegen. Um so mehr aber auch mußten die der Praxis allein dargebotenen Sakramente, die nur eine Anweisung auf die Zu­ kunft darstellten, als unvollkommene Abspeifungen der eigentlichen Aspi­ ration erscheinen. b) D er „ t s “ -< Iharoiler 6er O berw elt als B e6ingung ih rer L rzielbarkeit.

Noch ein anderer Punkt ist hier im vergleich mit dem orthodoxen Christentum wie Judentum von Bedeutung. W ir wiesen darauf hin, daß in beiden das höchste K orrelat menschlicher Beziehung ein „w er", in der Gnosis aber ein „ w a s" ist. Ohne weiteres ist klar, daß die reine Personalität nur sie Selbst und nicht Sache einer Teilhabe oder überhaupt gegenständlicher (Erzielung sein kann. Denn sie ist fein Etw as und auch nicht die Kulmination von Etwas, sondern ihr eigenes, inkommensurables 3ch. Ein solches hat keine Abstufung und es führen feine Übergänge des Gehalts zu ihm, als wäre es ein allgemeines Wesen. D as V e r h ä l t n i s zu ihm kann Gegenstand der Gestaltung werden, nicht aber es selbst Telos eines morphologischen ober sub­ stanziellen Prozesses. Eben hierzu aber sind die Bezugsgrößen der

gnoftischen Spekulation vermöge ihres grundsätzlichen „Es"-Tharakters prädestiniert. Zw ar treten sie zunächst im M ythos als Personen aus und entfalten ihre Prozesse in Gestalt persönlichen Lebens und Schick­ sals! aber ihre Vielheit wird durch die Verschiedenheit von Q ualitäten bestimmt, die sie je zu vertreten haben und deren Sachordnung sie in ihrer eigenen (genealogischen oder hierarchischen) Ordnung widerspiegeln. Sie sind also mehr Personifikationen als Personen; und auf ihre je­ weilige „Sphäre", die sie als Raum bild ihrer partikularen Seinsstufe zugleich mit hypostasiert haben, ein Platz Bietendes, partizierbares, kommt es bei ihrer Systemfunktion wesentlich an: also aus ihre Seins» stufe als eine solche, die nichts anderes ist als die allgemeine, p a ra ­ digmatische S ein s-M ö g lich k eit, die sie darstellen. J e deutlicher dem­ nach durch ihre mythische Persönlichkeit das mitgemeinte Prinzip hin­ durchtritt, die reine Q ualität ihres ontologischen Typus, — kurz der „V )as"-Tharakter durch den „W er"-Charakter, um so mehr werden sie zum Vorbild für mögliche Rssimilierung seitens des Menschen, ihr Ensemble also zur Skala praktischer Vollziehbarkeiten. Die Q ualität, nicht das personale Selbst, ist übertragbar, erwirkbar, wiederholbar. Die Entpersonifizierung der mythischen Hypostasen ist so ein wichtiger theoretischer Schritt in diese Richtung späterer mystischer P raxis. — Diese Herausbildung des „W as"-Eharakters ist aber nun nichts anderes als die früher angedeutete R a t i o n a l i s i e r u n g , welche eben den in­ haltlichen Begriff an die Stelle der mythischen Individualität setzt: und dam it löst sich bereits vorläufig der scheinbare Widerspruch, wieso gerade die Rationalisierung (die hier den Geschichtsumständen gemäß die Gestalt der „Gräzisierung" annahm), durch die Einschmelzung des mythologischen Bewegungssystems in den Begriff, der m ystischen Möglichkeit zugutekommen konnte. c) Die E xtensivität bes „(Es" a ls B edingung bes mystischen Prozesses.

Schließlich noch zunutzen unsers Vergleichs Christentum - Gnosis eine letzte Rusfolgerung der Differenz von „W er" und „W as" als je­ weiligem Korrelat der religiösen Beziehung. W as zwischen den Be­ ziehungspolen G ott-M ensch geschieht, sind im einen F all persönliche Taten, im andern qualitative Vorgänge,- und das „Zwischen" selbst ist im einen Zall das bloß Beziehungsmäßige des Sich-Gegenüberstehens im personalen Verhältnis, im andern Zoll: ein extensiver und qualitativer Zwischenraum, ein Rbstand vom gleichen Charakter des „W as", der durch jene Vorgänge und Übergänge real ausgefüllt wird.

Dies aber notwendig in einer Drdnung des hintereinander - und schon haben w ir im Keime das so bedeutsame Schema der Stufenfolge. Dieses also ist präform iert, gleichviel ob der zu überbrückende Abstand noch vorwiegend transzendent-räumlich oder schon wesentlich qualitativ, d .h . der Möglichkeit nach immanent, ausgelegt wird. F ü r das prak­ tische Umsetzbarwerden des Prozesses im Subjekt ist dann die letztere theoretische Entwicklung von Bedeutung. Solange die fivoöos der ijiuxn, welche der ursprünglichen uäfroSos des ganzen Seins im Gegensinne entspricht, durchaus als ein räumlicher Prozeß in den Sphären der V e it erscheint, kann sie nicht ei gent l i ch antizipiert werden; sie mag zw ar v i s i o n ä r vorerlebt werden, aber hierbei wird ja gerade der Prozeß selber, der ganze „Aufstieg" nämlich, als Geschautes der Vision in der mythischen Gegenständlichkeit belassen, also keineswegs in IchFunktionen verwandelt, und braucht daher auch seine Räumlichkeit nicht aufzugeben. D erart ist die Vorrealisierung der „himmelsreise", die so wohl in Mysterienkulten vorkam, äußerstenfalls ein intensives Traum erlebnis; und andernfalls nur eine rituelle Analogie. Dennoch ist (wie S. 63 bezügl. der Mysterienreligionen erwähnt) die praktische, realisierende Tendenz dieser Beziehungsformen als solche schon ein wichtiges Zwischenglied in der Entwicklung zur „verselbstung" der mythischen Transzendenz; und auch die Ausgestaltung der Hierarchie mythischer Wesen zu einer mehr unpersönlichen, abstrakten Raumordnung, die doch wenigstens die allgemeine Idee einer selbsttätigen Zugänglich­ keit und' Durchmessung enthält, ist bereits ein Schritt in die Richtung möglicher, nur vom Unternehmen des Menschen und nicht dem Ent­ scheid personaler Mächte abhängiger Partizipierung an der Überwelt. Schließlich konnten ja auch in der ganz welthaft-räumlichen Gbjektivation die Schichten der transzendenten Raum ordnung nicht lediglich durch ihr örtliches Verhältnis, mußten vielmehr zugleich durch (Quali­ täten, die dessen natürliche Funktionen sind, definiert sein. Dann aber konnte ebensogut umgekehrt die Raum ordnung nur eine Funktion der (Qualitäten als des prim ären Differenzprinzips s ei n. . . 3n der T a t sahen wir, daß schon der M ythos wenigstens in der ävo5os=£ehre den prinzipiellen Schritt getan hat: Bd. I, S. 2 0 8 f. schilderten wir, wie sich der räumlichen Auffahrt (auf die natürlich der M ythos nicht verzichten kann) ein qualitativer Prozeß gradweiser Entweltlichung verbindet, und deuteten schon die darin gelegene Derinnerungsmöglichfeit zu einer reinen Subjektsmystik an. Die allgemeine Form einer solchen inneren, praktischen Analogiebildung wurde dann in der (Einleitung dieses Bandes

schon programmatisch gezeichnet, so daß wir hier nur darauf zu ver­ weisen brauchen (S. 21 f., sub d; s. bes. d. Fußnote S. 22,1). Aber noch war das Ganze äußerer M ythos und nur innerhalb desselben die isiuxn in eine auch qualitative Auslegung ihrer im übrigen räumlich-außenweltlichen Bewegung gebracht; diese blieb auf der mytho­ logischen Stufe das eigentliche Substrat des Vorganges, und sie war nicht vorwegzunehmen, außer in der Einbildung. Es blieb noch der entscheidende Schritt aus dem mythischen Horizont überhaupt heraus zu tun, und dieser Schritt mußte die Gesamtobjektivation nach ihrer Begriffsform, nicht ein Teilstück ihres Inhaltes, betreffen: v o r allem also die D a rs te llu n g d er u rsp rü n g lic h e n Käfroöos des to ta le n S e in s , die den G ru n d a lle r G e g e b e n h e it b ild e t. Diese nun als Prozeß reiner spiritueller (Qualitäten verstanden, als innerliche Selbst­ bewegung eines metaphysischen Ursubstrates, wurde nicht nur zum klarsten Schema der innerseelischen Rückbewegung, sondern verbürgte dieser zugleich ihre reale metaphysische vollgülligkeit, als einer im Subjekte „des" Seins und seitens desselben stattfindenden, seine Uni­ versalphasen tatsächlich (nicht symbolisch) wiederholenden Relntegrierung seiner selbst. Die Bewegung des Linzelgeistes erhält den Rang eines objektiven metaphysischen Vorganges im Gesamtgeist, d.h. im Seinsgründe schlechthin - somit den Rang des eigentlichen eschatologifchen Seinsvorganges selbst, der entsprechend der Natur des Seins überhaupt ein mentaler sein m u ß . Der Begriff der „Antizipation" — im bloßen Erlebnis oder andern Ersatzformen — ist damit überwunden. Dies ist die Stufe der plotinischen Metaphysik, der vollkommensten Befreiung der Mystik zu sich selbst. 7. Zufstnrninfaflcng i Lichtung und Drraxe der mythologischen r«tu»t«7luug.

w ir haben weit vorgegriffen und müssen noch einen Abschieds­ blick auf die Mythologie werfen, die bald hinter uns liegen wird. Eine logische Reihe (die allerdings nicht ebenso zeitlich sich sondert) führt von den voll-personifizierten Akteuren des kosmologischen Dramas zu räumlich-dynamischen Grdnungsgrötzen und von diesen zu hypostasierten (Qualitäten; diese aber sind bereits die Schwelle von der Transzendenz überhaupt zur möglichen Immanenz. Der gnostische Mythos als solcher begründet nicht nur, vermöge seiner anschaulichen Darbietung der Überwelt überhaupt, die Asp ira tio n nach ihrem realen Genuß, sondern enthält auch, vermöge des „Es"-Tharakters seiner Bezugsgrößen, vom Gbjekt her die grundsätzliche Möglichkeit

ihrer Befriedigung und bietet schließlich in feinet dynamischen Struktur, seiner Beroegungssorm, bereits das allgemeine S chem a eines ent­ sprechenden Prozesses, w enn w ir also zu Beginn (S. 122) fragten, ob mit der Vollendung des M ythos als eines Anschauung?- und E r­ klärungssystems auch die Ausgabe gnostischer Theorie überhaupt erfüllt w ar, so sind wir jetzt in den Stand gesetzt, zu antworten, daß gerade mit dem erreichten Optimum der Dbjektivation, welche zunächst eine Aufgabe in sich selber w ar, eine neue Aufgabe, die der „Verwirk­ lichung", erst richtig gestellt w ar und sich rückläufig als das eigent­ liche Interesse der Dbjektivation überhaupt, ein instinktives wenigstens ihrer Entwicklung, erweist. Venn die Entwicklung der M ythologie hatte es genau bis zu dem Punkte der in ihr maximal erreichbaren, größtmöglichen Identifizierbarkeit ihrer transzendenten Setzungen mit Möglichkeiten des Ich gebracht und w ar auf diesen Punkt, der zugleich ihre Grenze als M ythologie bedeutete, mit bewußtloser Zielstrebigkeit zugegangen. Nun zeigte sie dem gnostischen Ich: V as bist Du - und entrückte ihm zugleich das Gezeigte in das fremde M edium mythischer Transzendenz. Aber dort konnte es nicht mehr verharren. Die Erkennung w ar erfolgt und der alten Aspiration der Vollziehung endlich ein deut­ licher w eg gezeigt: der w eg in die Innerlichkeit. Und dieser Weg, insofern er seinerseits nochmals eine Weiterentwicklung auch der zu­ gehörigen Dbjektivation beinhaltete, führte im Typus dieser se in e r Theorie.notwendig über den des M ythos überhaupt hinaus. Die vergeistigten Lmanationssysteme, hauptsächlich also das der valentinianer, waren es nun, die den hier bezeichneten Grenzpunkt der mythologischen Entwicklung, doch diesseits der Grenze, darstellten. Die praktischen Heilsmittel, mit denen sie dort noch ausw arten mußten: rituelle Sakramente, Namens- und Spruchformeln usw., mußten gerade angesichts der spekulativen höhe, die der Gedanke bei ihnen erreicht hatte, vollends als uneigentlich und sogar unpassend empfindlich werden. Die Kluft hatte sich allzuweit aufgetan, die „Vorläufigkeit", dem Christentum sinngemäß, w ar zum Ungenügen gegenüber einer au s­ gereiften Ausgabe geworden, die jenes gar nicht stellte und vor der es daher auch nicht versagen konnte. I n diese Aufgabe w ar die der ganzen Entwicklung nun umgeschlagen. Gb es nun jenes „bessere verlangen" w ar, das sich die neue Bildung erzwang, die ihm Genüge tun konnte, oder Impulse der reinen Theorie zu ihrer eigenen Befriedigung den w eg einschlugen, der jenem mit zugute kam: jedenfalls w ar es eine neue Grundgestalt

eben der Theorie, d. H. der Gbjektioation des totalen Seins, w as diese beiden Seiten als M e ta p h y s ik und M ystik endlich adäquat zu­ sammenführte und aus dem Standpunkt des neuplatonischen Systems eine überraschende Transform ation dessen zustandebrachte, w as auf der vorigen Stufe gnostische Mythologie gewesen w ar.

8. ÄnsStze gnosttscher Verwirklichung außerhalb der Mythologie (Mysterien. Jbhile). Inzwischen aber w ar auch die praktische Subjektivität nicht müßig gewesen, vom M ythos gleichsam im Stich gelassen, hatte sie sich vor­ läufig selbst zu helfen gewußt und auf eigene Rechnung bereits Formen einer systemmäßig noch unsanktionierten Verwirklichung entwickelt, d. H. usurpiert; dergestalt, daß die neue Stufe, als ihre Zeit gekommen w ar, nicht nur die theoretische Seite, durch das beschriebene Entwicklungs­ ergebnis der Dbjektivation im M ythos, sondern auch die praktische, nur eben jede für sich und ohne den richtigen Zusammenhang mit­ einander, vorbereitet fand. AIs eine solche Vorbereitung von der prak­ tischen Seite, die m it der Bewegung der theoretischen gewissermaßen aus einen Punkt zu konvergierte, ist nämlich alles das zu werten, w as in den zwei vorhergehenden Kapiteln an Ansätzen und z .T . schon ausgebildeten Formen einer vorwegnähm e des Zaxarov zum Vorschein gekommen ist. Insbesondere das von den Mysterienreligionen (S. 57ff.) einerseits, von der mystischen (Botteserlenntnis bei philo (S. 99 ff.) andrerseits Berichtete ist hier von exemplarischer Bedeutung, da zwei grundsätzliche Typen der Verwirklichung sich jeweils überwiegend darin darstellen: der asketische und der intellektuelle. Ih re Verbindung in einem methodisch gestaffelten System sollte später ein Charakteristikum der Mönchsmystik werden, die so plotinisches (und weiter zurück eben: philonisches) Erbe, nämlich reine Intellektualmystik, m it dem realistischen Leistungsprinzip der Mysterien verschmolz. — Tatsächlich waren, als Rohstoff, in vorzeitigen partialgestalten, im Experiment gewissermaßen und abseits von der noch bei sich verharrenden Metaphysik der Heilssysteme, fast alle (Elemente einer vollziehenden Seeleneschatologie irgend­ wo in jener ersten Epoche bereits praktisch vorhanden, — dem w illen und der Gefühlsbereitschaft vertraut, ehe noch der Gedanke sie voll zu verantworten wußte; und auch ihre innere Systematik zeichnete sich bereits mehr oder weniger deutlich ab. Rufen w ir kurz in (Erinnerung: 1. I n den M y s te rie n , die zunächst schon den Prototyp des Stufenganges überhaupt darstellen, bildet sich vom Kulminations6121

J o n a s , Gnosis.

2. Teil.

10

erlebnis der Ekstase her rückwärts ein selbständiger, rein mensch­ licher Funktionszusammenhang zwischen dieser und den hinführenden lveihungsgraden aus, ein Zusammenhang, dessen K ausalität — jetzt auf die Herbeiführung eines inneren phaenom enon (ober der ihm notwendigen Disposition) bezogen — wesentlich in ihm selbst und nicht so sehr in der rituellen Bedeutung der Aktionen liegt (vgl. S. 60,1). Der personale (Behalt der letzteren emanzipiert sich und übernimmt die Wirkungskraft des R ituals als reduktive Askese. Der Möglichkeit nach ist dies Ganze schon wie ein feinerer Extrakt von dem Gegen­ ständlichen der Kulthandlung ablösbar - obwohl vor dem Schritt in einen puren, sich allein überlassenen Subjektivismus, vor dem Verlust des Kontaktes mit einer übergeordneten Objektivität, das Subjekt selbst bei aller Eigenwertigkeit der unabhängig etwa gewinnbaren Erlebnisse zurückscheuen mußte. M it Recht: es galt vielmehr, auch die O b je k ­ t i v i t ä t ihrerseits so umzuinterpretieren, daß von ihr her der subjektive Vollzug a ls solcher zugleich objektive Bedeutung erhielt und als recht­ mäßige, wahrhafte Erfüllung eschatologischer Desiderate der Substanz selbst gelten konnte. Dies aber konnte nur durch einen neuen Ansatz im Bereiche der Theorie des Seins als Ganzen erreicht w erden. . . vorläufig vermittelte die objektive Sanktion der K u lt, auf den daher das Subjekt noch angewiesen blieb. Inzwischen w ar immerhin auf der subjektiven und praktischen Seite ein E rle b n is z ie l der Erlösung und für dieses bereits der Zusammenhang von Askese und Ekstase als eine innere Vollzugsordnung greifbar geworden')2. Bei p h i l o sahen w ir dann, wie unter all seinen Vieldeutig­ keiten sich bereits auch ein vollständiges Stufenspstem intellektuellen Aus­ stieges zur unio m ystica vorfindet, welches gewissermaßen rein phäno­ menologisch nach einem negativen Fortgangsprinzip aufgebaut, wenn auch noch nicht sehr präzis durchgebildet ist. Sogar die profane Wissen­ schaft erhält darin ihren Platz (und mit diesem ihr U rteil); wie denn überhaupt die mediatisierende Einbeziehung der Vernunft und damit die potentielle Nutzbarmachung des großen (Erbes griechischer Oewpia für den jetzt zum Geschichtsinteresse werdenden übervernünftigen Voll­ endungsweg das eigentlich Zukunftswichtige der philonischen Mystik ausmacht (s. S. 111 s.). Allerdings geht bei philo die Verbindung von vernunftdenken zum Höheren durch eine scharfe Peripetie, die seine nachträgliche Verwerfung enthält (diese Krisengestalt unterscheidet den philonischen Stufenprozeß von seinen neuplatonischen Nachfolgern), und ') v g l. zum vorigen S. 60 ff.

die Komposition selber ist noch keineswegs aus einem einheitlichen Prinzip, sondern eher aus der vielspältigkeit des Wesens ihres Autors bzw. seines historischen Augenblickes hervorgegangen. Dach wir befinden uns volle zwei Jahrhunderte vor plotin, und in dem ersten durchaus kanflikthaften Aufbrechen der Gegensätze war die „(Einheit" wohl nur als Kompromiß möglich. Dennach sind nirgends so wesentliche Züge der platinischen Jntellektualmystik vorweggenommen wie in diesen wider­ spruchsvollen versuchen des philo. Zu der äußeren und technischen Astform der Mysterien bildeten sie gleich zu Anfang die philosophische Ergänzung und Sublimierung, die das Ziel der ganzen Entwicklung varauswies. 3n der Ekstase aber als der inneren Erfüllung kommen praktisch-asketischer und intellektuell-reflektiver Weg überein1). 9. B it fp°'S bedeutet, die dereinst ihre a b ­ strakte These mit selbstbeweisender E rfahrbarkeit erfüllen w ird, und der eben sie neben der Aspiration schlechthin auch schon die grundsätz­ lichen spekulativen V o r a u s s e t z u n g e n entw orfen h at. I n der T a t läßt sich zeigen, daß in diesem Sinne die mythologische yvwais die mystische, ihre künftige w ahrm achung, sehr bestimmt vorbildet, indem sie, noch ohne ihre R ealität, bereits ihre Id eologie in G eltung setzt und so ihre Aufgabe als M om ent kommender Entwicklung klargestellt h a t. (Es ergibt sich dabei, daß auch in dieser Einsicht (ebenso wie in der A u s­ bildung des em anativen Gegenstandsschemas) d as valentinianische System die (Brenzform erreicht hat, wo die V orbereitung der mystischen Stufe, die dann selbst das noch Übrige tun m ußte, vollendet ist. it. Die soteriologtfch« Bedeutung deo Missen» im M xtho».

w ie faßte der M y th o s die Heilsbedeutung der Gnosis auf und wie begründete er sie m it seinen B ew eism itteln? N atürlich ist belanglos

fü r unsere gegenwärtige Betrachtung derjenige heilsw ert der „Erkenntnis", der lediglich in der technischen Anwendbarkeit ihres In h altes, jetzt und künftig, bestehen soll'), Aber von Anfang an hatte der M ythos, ab ­ gesehen von dieser unterrichtenden Seite, der Erkenntnis rein an ihr selber eine Erlösungsfunktion zugeschrieben, die keine „angewandte" 5 orm weiter kannte als nur die innere Auswirkung ihres Besitzes. Daß der entscheidende Akt eben im Erkennen, die entscheidende Q ualität im wissen bestehe, ist gemeinsame These aller gnostischen Systeme, die um deswillen ja „gnostische" heißen, und ihrer Begründung leiht sich der ganze mythische In h a lt, der sein e E rk e n n u n g bereits, als zu ihm gehörige, ihn selbst alterierende Wirklichkeit, als selber mythische also, vorsieht (vgl. S. 14/15). w ie lautet diese Begründung? Zunächst einfach so, daß der Zustand, aus dem der Mensch erlöst werden muß, wesentlich der der Unwissenheit (äyvoia) m it all ihren Folgen ist2). Der Unwissen­ heit w orum ? Eben um seinen jetzigen Z u s ta n d , um sein u r s p r ü n g ­ lich es Sein und um seine B e s tim m u n g : D arum ist der erweckende und belehrende 'R u f nichts anderes als M itteilung des M ythos selbst, der ja genau diese drei M omente behandelt und in seinem Zusammen­ hang zur Erkenntnis b rin g t1). Also ist dessen theoretische Aneignung, die Festhaltung seines Wissens, eo ipso schon die praktische Aufhebung jenes durch ihn erklärten, in ihm deduzierten Finsterzustandes, wenn anders derselbe wirklich n ic h ts als U n w is s e n h e it und P ro d u k t der Unwissenheit ist (vgl. Bd. I 258/59). M ag er aber auch das Letztere (Produkt) in einem kausal weitläufigen mythologischen Sinne sein, so beschränkt er sich doch, gerade wie ihn der M ythos versteht, keineswegs auf das Erstere in seinem nur individuell-psychologischen Sinne, v iel­ mehr wird der Zustand des Menschen gerade dem M ythos gemäß durch die o b je k tiv e Situation seines Jn -d e r-W e lt-S e in s bedingt, durch das Unterstelltsein unter ihre Mächte - ein ganzes System von Mächten außerhalb seiner selbst, durch seine su b s ta n z ie lle isiuxn- und aäpV Zusammensetzung, — kurz, es ist ein kosm isch-physischer Tatbestand, der durch seine Erkennung allein noch so wenig außer Kraft, wie Sphären, Dämonen, Leiblichkeit, das ganze Außere durch den inneren Akt, außer Existenz gesetzt wird. Der yvüais kann hier nur die Zu­ sicherung — und sogar die mythologisch gut begründete Zusicherung mitgegeben sein, daß gerade sie die wirksame Qualifizierung verleiht, !) Also a. und b. unserer Einteilung der praktischen Gnosisbegriffe S. 1 9 f. 2) v g l. B ö. I 1 1 3 ff. „Betäubung, Schlaf, Trunkenheit". 3) v g l. Bd. I 1 2 6 ff. „Der In h a lt des Hufes".

die später einm al bas endgültige Entkommen au s diesem Zauberkreis gewährleistet. Aber so fest sich dieser T i t e l auch der yvüais und ihrem aktuellen Selbstbewußtsein verbinden m ag, so w enig verändert er doch die faktische Dhnmacht bloßer Erkenntnis gegenüber einem aus eigener K raft bestehenden und sichtbar weiterbestehenden Vingsysteme: fü r die E r f a h r u n g bleibt er bloßer T itel. Und ein solcher verweist n atu r­ gem äß die y v ö to - unbeschadet sie zw ar eine i n n e r e Befreiung des Menschen, nämlich vom Dunkel seiner eigenen Unwissenheit, die auch wohl Erlösung heißen m ag, schon darstellt - bezüglich der objektiven Erlösung wieder m ehr auf ihre m ittelbare, instruierende, kurz, vor­ bereitende Rolle: trotz allem w ird also, notgedrungen, ihre B ew ährung au s ihr selbst hinausverlegt und einem besonderen, künftigen Realakte in der Transzendenz vorbehalten, der erst die eigentliche Realisierung ist. fluch der M ythos unterschied ja zwischen der Erweckung, die der R uf bringt, und der Erlösung, die ein w eiterer V organg im Reiche seiner Gegenständlichkeit ist1). Aber tief eingew urzelt lebte doch im gnostischen Bewußtsein die Überzeugung, daß es gerade und einzig die yvüö'S sei, und gerade in Beziehung au f jene G esam trealität, welche die adäquate und vollgültige Form nicht n u r des H eilserw erbs, sondern auch des Heilsbesitzes, der Heilswirklichkeit selber schon darstelle; daß in ih r al so E r w e c k u n g u n d E r l ö s u n g , oder: s u b j e k t i v e u n d o b j e k t i v e E r l ö s u n g , z u s a m m e n f a l l e n : Und diese Überzeugung enthielt die Ahnung von einem tieferen Z usam m enhang zwischen dem Wesen der W elt, m it welchem die Erlösung ja zu rechnen hatte, und dem Wesen des inneren Geschehens, das „Erkenntnis" heißen konnte. Diese A hnung arbeitete unterirdisch an der H erausbildung einer theo­ retischen Gestalt, die ihr die erwünschte sachliche Bestätigung geben und die y *w \aufs feinste differenzierte' Ausstiegssystem nicht vorhanden. 3m G egenteil: w ie seine kosmischen Ordnungen mit bloßen Symbplnamen wie ,Engel', .Erzengel', .Mächte' usw. belegt werden und phänomenologisch leer bleiben, so werden die Stufen des inneren Fortschrittes in den Homilien durchaus schwankend bestimmt, mit wechselndem In h a lt gemäß dem jeweils zugrunde gelegten Schriftwort,' und während es bei den vor­ bereitenden praktischen Schritten der Weltabkehr, der Überwindung der iräich usw. noch konkret zugeht, werden die höheren Stufen, die eigent­ lichen der Gnosis also, überhaupt nur allegorisch mit Schriftbegriffen bezeichnet, bleiben also ebenso ungreifbar wie die entsprechenden Wesensordnungen im Universalsystem. Nur daß am Ende des Weges das uiium fieri in der Gottesschau steht, ist hier schon so deutlich wie eben auch dort; und am Ausgangspunkt die Welt- und Sinnen­ verhaftung: diese beiden Pole des gnostischen Weges sind unverrückbar ge­ geben. Alles w as dazwischen liegt, also der eigentliche Prozeß, bleibt vieldeutig in In h alt, Zahl und Anordnung, homiletisch«gelegentlich immer neu sich gliedernd: der von Völker rühmend hervorgehobene .Reichtum' der Stufenbildung verrät nur, daß sie mangels eines Prinzips sich noch nicht wirklich konsolidiert hat; die Rolle einer so entscheidenden Größe wie der .Erkenntnis' darin bleibt z. B. unklar kurz, an einem festen deskriptiven Schema fehlt es gerade, weil es eben noch an einem begrifflichen Gesetz der Seinsabstufung überhaupt fehlt, das eine verbindliche und phänomenal wohldefinierte Abfolge statuiert. Gleichwohl bleibt natürlich richtig, daß Grigenes überhaupt das innere Leben im Bilde der Stufenordnung sieht, ja daß sein

7. Mystische Brauchbarst der Systems und ihre Grenzen.

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ganzes Denken vom Stufenprinzip beherrscht ist'): es bezeugt sich darin eben die Denkstruktur, die ©eigenes in den großen Zusammenhang der Gnosis stellt, Ai h die grundsätzliche Korrespondenz zwischen dem .W eltbild' und dem inneren Heilsweg, die Ausroertbarfeit daher von M omenten des ersteren für die Interpretation des letzteren ist unbe­ streitbar. Die Lehre vom metaphysischen Endzustand z. B. beschreibt notwendig auch das mystische Ziel, w ann immer er als solches er­ griffen werden sollte2). Aber diese Erkenntnis ist im Negativen eben­ so gültig wie im Positiven: auch die Unbestimmtheit, die symbolische Abstraktheit der Ordnungen des metaphysischen Systems überträgt sich auf die Form ulierung der angestrebten inneren Skala, die ja jene Ordnungen im Subjekt vollziehen soll — und läßt sie für die Kon­ kretisierung eben im Stich. D ie T h e o r i e v e r s a g t noch a l s S c h r i t t ­ m a c h e r i n mystischer E r f a h r u n g e n . 7. Mystische Brauchbarkeit des origenistischen Systems und ihre Grenzen.

Dabei bot doch das System mit der P o larität Vielheit-Einheit oder Verschiedenheit-Gleichheit den gegebenen Rahmen für die Idee eines mystischen Prozesses und damit diesem bereits das ideale Struktur­ prinzip, wenn man sich seiner bedienen wollte — dasjenige eben, f) Die Durchführung dieser These a n einem breiten M a t e r i a l macht u. a. den w e r t des Dölkerschen Buches aus. fluch sonst verdanken w i r ihm eine Fülle treffender Beobachtungen im einzelnen, ( w e r t v o l l z .B . sind Beobachtungen wie die, daß „synonym e Ausdrücke der Schrift vo n ihm stufenförmig an g eo rd n e t w e rd en " [S. 203], koordinierende Reihen in der Exegese zu subordinierenden w erd en [S. 144].) N u r eben die »frömmigkeitsgeschichtliche* Gesamtanschauung, zur M e th o d e gewandt, und das speziellere Bestreben, in G rigenes unbedingt den Mystiker zu sehen, schädigen d a s ganze Unternehm en. G rig e nes w a r k e in M y s t i k e r , a ber er w u r d e d e r V a t e r d e r M ö n c h s m y s t i k , und das gerade nicht ve rmöge seiner individuellen Frömmigkeit und deren geheimer E r fa h ru n g e n , sondern v e r m ö g e s e i n e r S p e k u l a t i o n und deren s p a t e r e i n m a l e r g r i f f e n e r m ystischer U m se tzb a rk eit. #) D a s mystische Ziel - Völker freilich meint im m er: die gemachte (Erfahrung der unio, und macht mit dieser vorschnellen Unterschiebung a n sich richtige B e ­ merkungen im letzten Augenblick wieder fragw ü rdig . z .B . : „ I n der Anschauung von der Apokatastasis kann m a n daher die reinste A u s p rä g u n g der origenistischen Gottesmystik erblicken; deshalb darf m a n a u s dieser rein metaphysischen Konzeption mit Recht auf da s individuelle Fröm migkeitsleben und seine geheimen E r fa h ru n g e n zurückschießen. T ut m an das, so ergib t sich . . ., daß fü r G rigenes die unio m y stic a m it G o tt einen derartigen In te n s itä ts g r a d erreicht haben mutz, datz die Seele ihr eigenes Sein verliert und im göttlichen Sein verschwindet (usw.)"

(S. 129 30).

das bei plotin und später in der origenistischen Mönchsmystik in der T a t die Artikulation des inneren Aufstiegs bestimmte, indem es ihn als einen Stufengang progressiver Entm annigfaltigung und Einswerdung inhaltlich faßbar machte (wie es bei plo tin eben auch den metaphy­ sischen Hervorgang des Seins deskriptiv bestimmt). Auch für Ortgenes stellte so die Anfangs- und Endperspektive seines Systems schon das ,unum fieri* als Leitbegriff der Vollendungsidee auf, der totalen wie der innerlichen'): von später zurückblickend erkennt m an, wie nahe er der Mystik schon w ar (näher, wie w ir sahen, eben durch diesen ratio­ nalen Begriff, als alle frühere gnostische M ythologie). Aber daß er diese ihrem Aeifepunkt so nahe gekommene Möglichkeit dennoch nicht ausführt, daß er die abstrakte P o la ritä t Einheit-Vielheit nicht zu einer konkreten Skala fortentwickelt - weder in der w eltlehre noch für die Innerlichkeit —, beweist vielleicht am besten, daß es eben bei ihm noch nicht so weit w ar. I n Wirklichkeit h at erst l 'A Jahrhunderte später Euagrius ponticus die mystische Wendung der origenistischen Ebdzeitspekulation vollzogen: bei ihm in der T a t werden, wie Bousset in seinen „Euagriosstudien"?) schön nachgewiesen hat, alle metaphysi­ schen Termini des Grigenes zu mystischen und dam it dessen m eta­ physisches System zum mystischen Kanon. Die Berücksichtigung dieser Untersuchungen und des (Euagrius selbst kann vor manchem Anachro­ nism us bewahren. Und zw ar 1. weil hier am historischen Beispiel gezeigt wird, wie mystische .P arallel'-B ildung zur Metaphysik des Grigenes - wie also mystisch gewordener © rigenism us selbst wirklich aussieht; und 2. weil das Beispiel über eine zeitliche Reihenfolge be­ lehrt: die metaphysische Konzeption, die Entfaltung des Prinzips am universalen Sein, kurz: die Gbjektivation, geht voran — und die mystische Umwandlung in innere Vollziehbarkeit folgt in weitem Ab­ stand nach. Und: sie hat den Weg über jene genommen. Die zeit­ liche Abfolge gibt hier, richtig verstanden, eine philosophische Lehre. I n ihrem Sinne wäre es also kritischer, bei Grigenes eine .P arallelität' nicht .zwischen seinen mystischen E rfahrungen', sondern zwischen seiner I d e e des inneren Fortschrittes .und dem Aufstieg der Seele in künftigen 1) W ir jagen : a ls I d e e

ist b as unum

b a s p rim ä re und schon sehr v iel.

fieri

Völker, g etreu

a u fgestellt: b a s seinem

ist n o tw en d ig

Grundsatz, kehrt auch

h ier die Sache um : „D as ,U num f ie r i4 ist Ausdruck ein e s G efü h ls, d a s u n m ittelb a r a u s dem (Erleben der u n io m y stic a stam mt und d ieses zu verd eu tlich en sucht . . . (u sw .)44 (S . 134). 2) S. 0 . S . 2 0 7 ,1 .

Konen zu konstatieren' (o. c. 125). M an halte uns nicht für kleinlich, datz wir auf diesem Unterschied bestehen: er ist prinzipiell wichtig, und nicht nur für das Verständnis des (Drigenes. übrigens ist .P ar­ allelität' in jedem Falle ein zu neutraler Ausdruck für das Verhält­ nis: bei näherem vurchdenken ist man genötigt, sich für eine Priorität zu entscheiden. Der hierfür gern verwendete Begriff der .Projektion' (s. w. u.) fixiert sie zugunsten der »inneren Erfahrungen' als Vorbe­ dingung für die .Lehre'. Unsere Betonung .Idee' (der inneren Fort­ schrittes) enthält die Tendenz einer anderen Antwort: die Theorie als Antizipation (nicht Projektion) der Erfahrung — die Umkehrung des Verhältnisses also, wie es der Psychologismus sieht. Das alles schließt natürlich, wie schon bemerkt, nicht aus (und die Mächtigkeit der Aspiration mag es auch glaubhaft machen), daß Drigenes unabhängig vom Stand der Lehrausbildung und ohne durch sie schon im Besitz eines Grganon zu fein — gleichsam privat — seine mystischen Erleuchtungen gehabt, vielleicht sogar seine Ekstasen gekannt hat. Nur können wir darüber bei seinem Schweigen schlechterdings nichts Zuverlässiges wissen und brauchen dies nicht einmal zu bedauern: die Frage ist außer dem Zusammenhang mit der Gbjektioation, in deren Rahmen sich diese Erfahrungen und ihre Auslegung einordnen, höchstens biographisch und psychologisch interessant, aber nicht von eigentlicher geistiger Bedeutung. Dissen können wir aus der bekun­ deten Lebhaftigkeit der Aspiration, datz solche Erfahrungen die höchste Erwünschtheit für ihn haben mußten, wenn Gnade ihm gewährte, wozu sein System noch nicht das Grganon bot. Erst dieses aber kon­ stituiert eine beständige Mystik, nicht gelegentliche Erleuchtungen einer inbrünstigen Frömmigkeit. Das objektive Denken ist also auch hier die Bedingung — und die Antizipation - möglicher Erfahrung. 8. Bemerkungen über bas V erhältnis von Erlebnis und Denken.

heute freilich ist die umgekehrte Ansicht beliebter: Ist es nicht die Erfahrung oder das Erlebnis, das vorangeht, und die Theorie, die nachfolgt? D as .Leben' das prim äre, das Denken sekundär, erst eine Bearbeitung der praktischen Unmittelbarkeit und so eine Wirklich­ keit zweiten Grades? Und speziell Religion - heißt das nicht in erster Linie .Frömmigkeit', erst in zweiter Lehre; subjektives Innenerlebnis, erst dann objektive Ansicht der Dinge? Und vollends das spekulative System - was kann es anderes, und was vor allem kann es mehr sein, als eine .Projektion' innerer Erfahrungen ins Außere und

T o tale') und so ein willkommenes Hilfsmittel zu deren Refonftrution ? D en n dies gilt - und es muß gelten, wenn das praktische U nm ittelbar­ keitsdogma gilt - , dann freilich setzt das System, weit entfernt, erst Vor­ aussetzung für die zugehörigen Erfahrungen zu sein, umgekehrt dieselben voraus - so also, daß in unserem Fall eben das Vorhandensein der metaphysisch-totalen Stufenprozeß-Lehre, oder z. B. die in ihr gegebene Beschreibung der intelligiblen Gesamtvollendung, eo ipso Beweis für die zugrundeliegenden mystischen Selbsterfahrungen sind, deren speku­ lative Ausweitung ja das .W eltbild' nur darstellt. M indestens aber w ären jene Erfahrungen, das Frömmigkeitsleben überhaupt, für unser Nachforschen das Wesentliche, und das theoretische System von uns nur als ein Index und ein Symbol dafür zu bewerten. — Vieser pragmatistische Ideenkomplex, dessen sonstige Rolle im modernen Geist oder Ungeist uns hier nicht zu beschäftigen braucht, liegt auf unserm Arbeitsgebiet der .ftömmigkeitsgeschichtlichen' und noch mancher anderen, wie immer zu benennenden, in jedem Falle aber subjektioistischen Be­ trachtungsweise zugrunde und beherrscht ihr Verfahren und ihre U r­ teilsbildungen. E r führt zu den berühmten Aufspaltungen von .ratio­ nalem ' und .religiösem', von .intellektualistischem' und .mystischem' Element in einer Persönlichkeit — unter deutlicher Veräußerlichung und Verflachung des ersteren und mit der Neigung, der angeblichen Zweiheit auch noch das V erhältnis von exoterisch und esoterisch zu unterschieben: er macht aus diesen Abstraktionen eine Alternative, und gegenüber der entwirklichten Vernunft heißt er nach der stärkeren Kost des direkten Erlebnisses suchen (von dem w ir doch so wenig wissen, und w as wir wissen, nur durch seine rationale Brechung, also wenn es schon nicht mehr direkt ist). Daher denn die J a g d nach Spuren ekstatischer Erlebnisse, die maßlose Überschätzung schon der Frage ihres Vorkommens, die Geneigtheit sie zu finden, wo der Gedanke nur noch als Echo gilt. Daher die sonderbare Inschutznahme des Denkers da­ gegen, daß das Denken für ihn zentral gewesen sei. W as das Ek­ statische betrifft (für sich eine relativ unwichtige Sonderfrage), sei hier nur erinnert, daß es an sich ein Rohstoff ist, der alle Sinngebung, alle innere Form allein vom geistigen Gesamtsystem empfängt, dessen Funktion diese psychische Möglichkeit allenfalls wird, nicht umgekehrt. ]) Völker S. 126 „ w i e m a n sieht, h a t (Drigenes d a s ih m ü b e r k o m m e n e S chem a v o n d er kjim m elsreije der Seele im ein zelnen nach seinen mystischen ( E r fa h ru n g e n au s g e s t a l t e t , so d aß m a n ü b e r a l l a u f metaphysische P r o j e k t i o n e n i n n e r e r nisse zu stoßen g l a u b t . .

E rleb­

Auch den .intuitiven' Charakter der yvöxns gegenüber dem dialektischen, den .irrationalen' gegenüber dem rationalen wird der nicht über Ge­ bühr dem Befund der (Quellen abzuzwingen suchen, der frei ist von dem Vorurteil, daß nur das Intuitive und Irrationale eine religiös» mystische Heilsbedeutung im Subjekt ausüben kann, die ja der Gnosis zugestandenermaßen zukommen muß. Da nun die Geschichte doch die vermeintliche Alternative vereint zeigt, muß man das künstlich Ge­ trennte in dem Unbegriff einer .intellektualisierten', soll heißen in ihrem mystischen Charakter abgeschwächten, Mystik wieder zusammen­ bringen, wobei das Intellektuelle eine nachträgliche oder jedenfalls der Sache fremde Zutat sein soll. AIs ob nicht das venken selber ein mystischer Vollzug (bis zur Ekstase), der Intellekt ein mystisches Organ werden kann und eben diese Möglichkeit Voraussetzung dessen ist, was den Namen Mystik gegenüber aller Crlebnisrhapsodik (auch gegenüber aller vulgärekstatik und der primitiven Grgiastik) verdient und ent­ weder einen objektiven oder gar keinen Sinn hat. So wenigstens dachte die Antike, in der ja auch die Mystiker ausschließlich Männer waren. Freilich - schon die seit parmenides der ganzen Antike un­ verlierbar gewordene Grundüberzeugung ist der modernen Sophistik nicht mehr erschwinglich: daß das venken der Zugang zum Sein ist, und zwar der eigentliche Zugang zum eigentlichen Sein, und daß im Denken das Sein wahrhaft erfaßt wird. Um das wahre Sein ist es auch dem Mystiker zu tun, nicht um sein subjektives, sondern um das totale. Das mystische venken aber geht noch einen Schritt weiter und bemächtigt sich des Seins selber, indem es mit ihm zusammenfällt: es in sich bewegt, es vollzieht, es selber wird. D o aber das Unsag­ bare beginnt, haben die antiken Mystiker selber sehr genau angegeben; zu .verschleiern' und zu verschweigen brauchten sie nichts, denn es war wirklich und im strengen Sinne unsagbar. Daß auch diese höchste Verwirklichung in der Fortsetzungslinie der Erkenntnis gesehen wird, darin verbindet sich noch die mystische Gnosis der Spätantike mit der großen Gesamttradition des antiken .Intellektualismus', der letztlich nichts anderes als der Glaube an die Objektivität des Geistigen ist. Die Antike selber also gäbe wohl die beste Antwort auf die subjektivistische Zumutung, die an sie gestellt wird. Man mutz sich schon ihrem Anspruch gänzlich verschließen, damit die Seinslehre ihrer Systeme bestenfalls gut genug wird, das Material abzugeben für die Rekon­ struktion und Analyse der inneren Zustände, deren Projektion sie lediglich

seien — und im übrigen, Klotze Spekulation', ein sich selbst verkennender Überschutz über der erlebnismätzigen Unmittelbarkeit. Dam it sinkt ihre Betrachtung zu einer zudringlichen anthropologischen Symptomatik herab und wird blind für die Bedeutung ihrer Gegenständlichkeit. Gewiß ist auch für uns das spekulative System eine .Projektion' aber nicht von gehabten (Erfahrungen und Erlebnissen (eher von mög­ lichen, wenn man paradox sein will), sondern Projektion einer Gesamt­ haltung zum Sein, die dessen spezifische theoretische Auslegung zum dringlichsten Anliegen macht. Diese ist dann in der C at aus der Vaseinshaltung hervorgegangen — w ir nennen das, mit einem mög­ lichst unpsychologistischen Ausdruck, .Dbjektivation' und meinen damit etwas .transzendental' verbindliches'). Diese bildet den Horizont für ihre einlösenden Erfahrungen einschließlich der Ekstase und untersteht selber dem Kriterium der W ahrheit' sie, die Cheorie also, ist die Antizipation dieser Erfahrungen und dam it allein ihre Ermöglichung. Dam it gewisse Erfahrungen als vorw egnähm e metaphysischer Zukunsts­ oder Jenseitsftufen möglich sind, muß die Cheorie im Ganzen durch die Aufstellung und Auslegung dieser Gesamtstufen den Inbegriff solcher Erfahrungen bereits vorweggenommen haben. Und zw ar lange, bevor die Subjektivität den w eg auch zu gehen versteht. 9. Der (Bang der Theorie zur Mystik vom ersten bis zum dritten Jahrhundert. (Objektivität der mystischen Theorie.

M an prüfe einmal unbefangen- ob diese antizipatorische Rolle der Lehre (.Weltanschauung') nicht in unzähligen Fällen schon zur Erklärung ausgedehnter Schilderungen höherer Zustände, des Gebrauches ihrer Sprache, der Beschreibung innerer Aufstiegsordnungen usw. genügt. Durch solche Antizipation sind bestimmte Erfahrungen ein Postulat der Cheorie geworden. Ursprüngliche Ausrichtung, allgemeine wünschbarkeit schon der zugrundeliegenden Daseinsverfassung, artikulieren sie sich jetzt zu immer deutlicherer Aufgabe für das Subjekt. Dieses sucht (und weiß) sie sich dann aus eigenen w egen schon zu verschaffen. Und zwar ist ebenso, wie zuerst die Dbjektivation (die mythologische) den Dualism us als schroffe Aufspaltung des Seins zur Darstellung brachte, im Anfang die Art dieser Erfahrungen abrupt, ein fremdes und gewaltsames hereinbrechen: übergangslos wie jene. Die Exalta­ tionen des pneum a in der Werdezeit der Epoche sind Ausdruck der') S. B 6 .1 S. 12 s. ((Einleitung § 9)

selben Erregung, die auch das Weltbild auseinanderriß und die mensch­ liche Ursprungsoersassung der gnostischen Bewegung bildete (1. J a h r ­ hundert). Ebenso aber, wie aus seiten der Objektivität Spekulation die Kluft überbrückt und in mehr oder weniger stetige Ableitung ver­ wandelt, fügen sich von ihrer Seite die ,(Erfahrungen', ruhiger werdend, in zusammenhängende und überleitende Ordnungen innerer Praxis. Aus einer chaotischen Erlebnisdisposition werden sie zum setzbaren Ziel, und als solches von der Theorie zusehends beglaubigt (2. J a h r ­ hundert). Schließlich aber wird die Theorie selber zum Organon ihrer Herbeiführung und zum Kanon ihres Verlaufes - zur Stellung also und Lösung der Aufgabe zugleich. Die Theorie als solche wird praktisch, indem die Spekulation selber zum Medium ihrer Erfahrungen wird, das aktuelle Denken in ihr auch den Vollzug ihrer Wirklichkeiten be­ deutet. Daß dabei das Denken sich über sich selbst hinausführt und so (im vollendungsfall) selber in Eiamnns übergeht, ergibt sich aus dem Anstieg der Wirklichkeiten, denen es sich anverwandelt und deren oberste Stufe cs so aus sich heraustreten läßt, wie sie selbst aus aller Gegenständlichkeit herausgetreten ist: aber über das Denken führte der Weg zu dieser seiner Überbietung. D as zur mystischen Begriffsform gelangte System produziert so seine einlösende Erfahrung, einschließlich der Ekstase als der höchsten Einigung (3. Jahrhundert). Das ist in­ tellektuelle (nicht intellektualisierte) Mystik, eine Erscheinung sui generis, die es nicht gescheut hat, sich dem Seinsanspruch aller Mystik: dem Zusammenfall von Subjektivität und Objektivität, ohne Verkürzung der letzteren und ohne rhapsodische Kurzschlüsse zu unterziehen. Sie ist darum in ihrer Absicht ständig objektiv. - Diese Stufe ist erst in plotin und noch nicht in Origenes erreicht.